Gelingendes Management: Handbuch für Organisationen der Bildung, Beratung und Sozialen Dienstleistung [1 ed.] 9783666407024, 9783525407028


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German Pages [243] Year 2020

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Gelingendes Management: Handbuch für Organisationen der Bildung, Beratung und Sozialen Dienstleistung [1 ed.]
 9783666407024, 9783525407028

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Format: BRO 155x230, Aufriss: HuCo

16 mm

Die Autoren Claudia Dehn, Soziale Verhaltenswissenschaftlerin, Marketing-Kommunikationswirtin, zertifizierter Gestalt-Coach, ist Geschäftsführerin der ArtSet® Forschung Bildung Beratung GmbH in Hannover.

Das Handbuch »Gelingendes Management« bietet nützliche Praxistipps für die Arbeit in personenbezogenen s­ ozialen Dienstleistungsorganisationen. Zugeschnitten auf den sozialen Bereich zeigen Rainer Zech und Claudia Dehn, wie diese Organisationen funktionieren und inwiefern sie sich von privatwirtschaftlichen Unternehmen unterscheiden. Mit ihrem Buch entwerfen die Autoren eine Managementlehre, die das organisationale Gelingen ganzheitlich in den Blick nimmt und die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns wieder in den Vordergrund rückt. Zusätzliches Download-Material ermöglicht ein einfaches Arbeiten mit den vorgestellten Managementinstrumenten.

ISBN 978-3-525-40702-8

9 783525 407028

Dehn / Zech  Gelingendes Management

Prof. Dr. Rainer Zech, Sozialwissenschaftler und Organisationsberater, ist Geschäftsführer der ArtSet® Forschung Bildung Beratung GmbH in Hannover.

Claudia Dehn / Rainer Zech

Gelingendes Management Handbuch für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung

inklusive DownloadMaterial

Claudia Dehn/Rainer Zech

Gelingendes Management Handbuch für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung

Mit 46 Managementinstrumenten aus der systemischen Beratungspraxis

Mit 38 Abbildungen und 29 Tabellen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Logo Kundenorientierte Qualitätsentwicklung für Soziale Dienstleistungsorganisationen © Guido Kratz, Keramiker aus Hannover, www.guido-kratz.de Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-40702-4

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Die Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung und deren gelingendes Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Allgemeines Organisationsverständnis und die Besonderheit der ­personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisationen . . . . . . . . . . . . 12 Gelingendes Management von personenbezogenen sozialen ­Dienstleistungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Die Logik des Gelingens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Gelingendes Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Normatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Wofür braucht eine Organisation normatives Management? . . . . . . . . . . . . 29 Werte fundieren Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Die Vision als Leitstern in die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Die Mission kommuniziert das Warum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Das Leitbild als Leistungsversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Führungsgrundsätze führen Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.7.1 Managementinstrument: Wertetableau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.7.2 Managementinstrument: Visionsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.7.3 Managementinstrument: Missionsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.7.4 Managementinstrument: Leitbildentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.7.5 Managementinstrument: Erarbeitung von Führungsgrundsätzen . . . 46 2.7.6 Managementinstrument: Managementbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3 3.1 3.2 3.3 3.4

Strategisches Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Die Bedeutung des strategischen Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Grundprinzipien erfolgreichen strategischen Managements . . . . . . . . . . . . . . . . .55 Der strategische Managementprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.4.1 Managementinstrument: Checkliste Umweltanalyse . . . . . . . . . . . . . . 66 3.4.2 Managementinstrument: Checkliste Organisationsanalyse . . . . . . . . . 67 3.4.3 Managementinstrument: Herausarbeitung der Kernkompetenzen . . . 69 3.4.4 Managementinstrument: SWOT-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.4.5 Managementinstrument: Konkurrenzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

6

Inhalt

3.4.6 Managementinstrument: Bestimmung der strategischen Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.4.7 Managementinstrument: Strategische Positionierung . . . . . . . . . . . . . 76 4 Zielmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.1 Warum ist eine klare Zielorientierung wichtig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.2 Der Zweck von Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.3 Ziele planen und gezielt davon abweichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.4 Wie kommt man zu den richtigen Zielen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4.5 Wirkungsziele nehmen die Wirksamkeit in den Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.6 Indikatoren ermöglichen das Zielcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.7 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.7.1 Managementinstrument: Zielkreuz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.7.2 Managementinstrument: Entwicklung von Indikatoren . . . . . . . . . . . 89 4.7.3 Managementinstrument: Balanced Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4.7.4 Managementinstrument: Public Value Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4.7.5 Managementinstrument: Zielvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5 Prozessmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.1 Organisationen auf dem Weg zur Prozessorientierung und zum ­kundenorientierten Prozessmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.2 Grundlagen im Prozessmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.3 Die Neugestaltung der Organisation zu einer kundenorientierten ­Prozessorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5.4 Der Prozesszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.4.1 Phase 1: Prozessidentifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.4.2 Phase 2: Prozessdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.4.3 Phase 3: Prozessausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5.4.4 Phase 4: Prozesscontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.4.5 Phase 5: Prozessoptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.5 Managementinstrument für die Praxis – Systematisches Prozessmanagement 114 6 Kompetenzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.1 Kompetenzorientierung in Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.2 Die Bedeutung von Schlüsselkompetenzen für das Handeln der Mitarbeitenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.3 Die Dimensionen der Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.4 Das organisationsspezifische Kompetenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.5 Aufgabenprofile für den Personaleinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6.6 Ermittlung neuer Aufgaben und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Inhalt

7

6.7 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6.7.1 Managementinstrument: Schnelldiagnose Kompetenzorientierung . 137 6.7.2 Managementinstrument: Modellentwicklung – das organisations­ spezifische Kompetenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 6.7.3 Managementinstrument: Gesamtverfahren zur Entwicklung und Einführung eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells 140 6.7.4 Managementinstrument: Erarbeitung einer Kompetenzmatrix . . . . . 141 6.7.5 Managementinstrument: Ermittlung neuer Kompetenzanforderungen 143 7 Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 7.1 Die Bedeutung von Wissen in unserer Wissensgesellschaft . . . . . . . . . . . . . 146 7.2 Der Unterschied zwischen Daten, Informationen und Wissen . . . . . . . . . . 149 7.2.1 Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 7.2.2 Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 7.2.3 Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 7.3 Wissensarten – Wie tritt Wissen auf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 7.4 Der Wissensmanagement-Kreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7.5 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 7.5.1 Managementinstrument: Der Wissensbaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 7.5.2 Managementinstrument: Wissensportfolio auf O ­ rganisationsund Teamebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 7.5.3 Managementinstrument: Lessons Learned . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 7.5.4 Managementinstrument: Mikroartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7.5.5 Managementinstrument: Systematische Nachbesprechung/ Debriefing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 8 Management von Kooperationen und Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 8.1 Die zunehmende Bedeutung von Kooperationen und Netzwerken . . . . . . . 168 8.2 Rolle und Aufgabe der Organisationsvertreter im Netzwerk . . . . . . . . . . . . 171 8.3 Management von Netzwerken und Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 8.4 Vertrauen und empathische Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 8.5 Macht in Netzwerken und Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 8.6 Netzwerkqualität und Gelingensfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 8.7 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 8.7.1 Managementinstrument: Eignungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 8.7.2 Managementinstrument: Personalauswahl für die Mitarbeit im Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 8.7.3 Managementinstrument: Ziele von Kooperationen und Netzwerken . 184 8.7.4 Managementinstrument: Portfolio ausgeglichenen Gebens und Nehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 8.7.5 Managementinstrument: Rekonstruktion der Einfluss- und ­Kooperationsstruktur im Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

8

9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7

Inhalt

Management der Organisationskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Was ist Organisationskultur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Wie Organisationskulturen entstehen – Elemente der Kulturprägung . . . . 191 Kulturelle Besonderheiten von Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Diagnose und Deutung – Organisationskultur dechiffrieren . . . . . . . . . . . . 194 Die latente Funktionsgrammatik von Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Integrierte Veränderung von Strategie, Struktur und Kultur . . . . . . . . . . . . 198 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 9.7.1 Managementinstrument: Vierertypologie der Organisationskultur . . . 201 9.7.2 Managementinstrument: Dechiffrierung der Organisationskultur . . . 203 9.7.3 Managementinstrument: Analyse der latenten Funktionsgrammatik einer Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 9.7.4 Managementinstrument: Kultur managen – Integration von Strategie-, Struktur- und Kulturveränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

10 Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 10.1 Warum ist Projektmanagement wichtig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 10.2 Begriffe und Grundsätze des Projektmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 10.3 Vorgehensweisen im Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 10.4 Gelingensfaktoren im Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 10.5 Projektmanagement als phasenorientierter Problemlösungsprozess . . . . . . 216 10.5.1 Phase 1: Planungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 10.5.2 Phase 2: Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 10.5.3 Phase 3: Abschlussphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 10.6 Managementinstrumente für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 10.6.1 Managementinstrument: Projektstrukturplan (PSP) . . . . . . . . . . . . . . 224 10.6.2 Managementinstrument: Projektablaufplan (PAP) . . . . . . . . . . . . . . . 225 10.6.3 Managementinstrument: Zeitliche Feinplanung von Arbeitspaketen . 226 10.6.4 Managementinstrument: Bestimmung der wesentlichen Dimensionen des Projektcontrollings – Projektmatrix . . . . . . . . . . . . 227 10.6.5 Managementinstrument: Checkliste Projektcontrolling . . . . . . . . . . . 227 10.6.6 Managementinstrument: Checkliste für den Projektabschluss . . . . . . 228 10.6.7 Managementinstrument: Evaluation von Projekten . . . . . . . . . . . . . . . 230 10.6.8 Managementinstrument: Planung einer Projektabschlussveranstaltung 231 11 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Download-Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser! Der Titel dieses Buchs spricht vom gelingenden Management. Mit der Kategorie des Gelingens wollen wir einen häufig vernachlässigten Blick auf die Arbeit der Organisationen werfen. Neben der wichtigen Kategorie des organisationalen Erfolges als Maßstab des Handelns geht oft der Blick für die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns verloren. Erfolg – wie es im Eingangskapitel heißt – bezieht sich von der Wortherkunft und dem üblichen Gebrauch in der Regel auf das Erreichen fremdgesetzter Ziele. Gelingen hingegen kommt wortursprünglich von glücken; das Gelingen bemisst sich aus der inhaltlichen Logik einer Sache oder Tätigkeit und der Sinnhaftigkeit des Tuns für das handelnde Subjekt. Um es alltagspraktisch auszudrücken: Ein gelungenes Bild ist leider kein Garant für den Erfolg als Künstler. Erfolg in der Kunst hängt z. B. oft mehr am Selbstmanagement, an gewinnbringenden Beziehungen oder an den richtigen Galeristinnen als an der Qualität der Kunst. Oder ein anderes Beispiel: Erfolgreich Abitur gemacht zu haben, ist nicht das Gleiche wie eine gelungene Schulzeit; diese Unterscheidung kennt jeder und jede – manchmal ohne sich darüber bewusst im Klaren zu sein – aus der eigenen Erfahrung. Also: Erfolgreiches Organisationsmanagement bietet noch keine Gewähr für eine gelungene Arbeit der Beschäftigten oder ein geeignetes Angebot für die Zielgruppen der Organisation. Wie Management gelingen kann, wie Prozess und Ergebnis für alle Beteiligten sinnhaft sein und die jeweilige Handlungsfähigkeit steigern können, das ist die Fragestellung dieses Managementbuchs. Dieses Buch zum gelingenden Management versteht sich als komplementär zu unserer Grundlegung einer gelingenden Qualitätsentwicklung, die 2017 ebenfalls im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen ist (Zech u. Dehn, 2017). Eine weitere Besonderheit gegenüber anderen Managementbüchern ist, dass wir uns speziell an Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung wenden. Seit über dreißig Jahren sind wir mit unserem Unternehmen ArtSet® (www.artset.de) in Forschung, Bildung, Beratung und Qualitätsentwicklung von Organisationen engagiert und haben dabei die Erfahrung gemacht, dass eine einfache Übertragung von Management- und Beratungskonzepten aus der Wirtschaft in den sozialen Bereich in der Regel nicht funktioniert. Mit der hier vorliegenden Publikation haben wir ein praxisorientiertes Kompendium

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Vorwort

für gelingendes Management für sogenannte personenbezogene soziale Dienstleistungsorganisationen vorgelegt. Unter dieser Bezeichnung werden Organisationen zusammengefasst, die soziale Dienstleistungen direkt für Menschen anbieten – also Organisationen der Bildung, Beratung und Sozialen Arbeit. Dass diese Organisationen einen eigenen Typ darstellen, der folglich auch auf ihn zugeschnittene Managementkonzepte braucht, ist im ersten ­Kapitel ausgeführt und begründet. Die folgenden neun Kapitel behandeln die Management­ bereiche, die sich in unserer Praxis als für die Organisationen zentral herausgestellt haben: Normatives Management, Strategisches Management, Ziel­management, Prozessmanagement, Kompetenzmanagement, Wissensmanagement, Management von Kooperationen und Netzwerken, Management der Organisationskultur und Projektmanagement. Alle Kapitel bestehen aus einer theoretischen Einführung in die jeweilige Thematik und einem zweiten Teil, der insgesamt 46 praxisorientierte Methoden bzw. Managementinstrumente vorstellt und in ihrer Anwendung erklärt. Dabei erheben die einzelnen Kapitel keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sind als praxisorientierte, wenn auch theoretisch gut fundierte Einführungen in die jeweilige Thematik zu verstehen. Vor allem kam es uns darauf an, gut erprobte Methoden anzubieten. Das Literaturverzeichnis am Ende des Buchs ist eine Einladung, bei Interesse tiefer in die Themen der Kapitel einzusteigen. Das Gelingen und der Fokus auf die personenbezogene soziale Dienstleistung sind seit vielen Jahren besondere Anliegen von ArtSet®. So bieten wir seit über zwanzig Jahren unsere Lerner- und Kundenorientierte Qualitätsentwicklung und -testierung an, in deren Mittelpunkt die von den Organisationen selbst entwickelte Definition gelungener Arbeit steht. Gelingende Qualitätsentwicklung und gelingendes Management für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung sind unseres Erachtens zwei Seiten derselben Medaille. Beide Sichtweisen auf bzw. Herangehensweisen an die Steuerung der Organisationen ergänzen sich gegenseitig – wie die angebotenen Managementmethoden in diesem Buch und die grundlegenden Ausführungen zu Qualität als Gelingen in der bereits erwähnten Publikation von 2017. Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern – also den Managerinnen, Beratern und Trainerinnen der personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisationen sowie den Lehrenden und Studierenden der entsprechenden Fächer – eine anregende Lektüre und viele erhellende Momente auf dem Weg zum gelingenden Management. Nicht zuletzt danken wir dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, mit dem wir nun schon unser drittes Buch realisieren konnten, für die jahrelange gute Zusammenarbeit.  Claudia Dehn & Rainer Zech

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Die Organisationen der personen­­­ bezogenen sozialen Dienstleistung und deren gelingendes Management

Wir leben in einer Welt, aus der Organisationen nicht mehr wegzudenken sind. Seit der beginnenden Moderne um etwa 1800 wird die gesamte Gesellschaft zunehmend um Organisationen herum gebaut. Heute wäre die Gesellschaft ohne Organisationen nicht mehr handlungs- und überlebensfähig. Organisationen gibt es in den unterschiedlichsten Formen: Durch Wirtschaftsunternehmen werden die Waren und Dienstleistungen bereitgestellt, die die Gesellschaft und die Menschen für ihren Konsum und ihre Reproduktion brauchen. Kindergärten, Schulen und Universitäten sorgen für die nötige Bildung der nachwachsenden Generationen, damit diese sich produktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen können, Weiterbildungsorganisationen dafür, dass vorhandene Qualifikationen nicht veralten, aktuell bleiben und neue Qualifikationen erworben werden. Zunehmend bieten Beratungsorganisationen – von der Lebensberatung über Erziehungs- und Paarberatung bis zur Organisationsberatung – Unterstützung bei immer komplexeren und unübersichtlicheren Anforderungen des Alltags. Soziale Dienstleistungsorganisationen bieten Hilfe für diejenigen, deren Leben auf die eine oder andere Weise eingeschränkt ist, sei es in der Jugendhilfe, der Sozialarbeit oder in der Pflege. Staatliche und kommunale Behörden kümmern sich um die Verwaltung des Gemeinwesens. Parteien konkurrieren um die Ausgestaltung der Demokratie. Gerichte sorgen dafür, dass keine Willkür herrscht, sondern dass es rechtmäßig zugeht. Krankenhäuser versuchen, Gesundheit wiederherzustellen, und Kirchen kümmern sich um das Seelenheil derjenigen, denen dies etwas bedeutet, aber auch um soziale Leistungen für diejenigen, die dieser bedürfen. Ohne Organisationen würde nichts mehr funktionieren. Alle diese Organisationen unterscheiden sich bereits auf den ersten Blick voneinander; sie funktionieren nicht auf die gleiche Art und Weise und müssen entsprechend ihrer jeweiligen Besonderheit auch geführt und gemanagt werden. Um das jeweils Besondere einer entsprechenden Organisationsform herauszufinden, muss man nach ihrer gesellschaftlichen Funktion und nach ihrer spezifischen Leistung für die Gesellschaft fragen. Dann entdeckt man die Unterschiede. Moderne Gesellschaft zeichnet sich durch eine funktionale Differenzierung aus. Das heißt, gesellschaftliche Subsysteme werden autonom und erfüllen exklusiv spezifische für die Gesellschaft notwendige Funktionen bzw. produzieren exklusiv die von der Gesellschaft oder ihren Teilsystemen

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Die Organisationen der personen­­­bezogenen sozialen Dienstleistung

benötigten Leistungen. Um nur ein paar gesellschaftliche Teilsysteme als Beispiele zu nennen: Das Wirtschaftssystem versorgt die Gesellschaft mit Gütern und Dienstleistungen. Das Gesundheitssystem bekämpft und heilt Krankheiten. Das Bildungssystem sorgt für die erforderlichen Qualifikationen, damit die gesellschaftlichen Individuen handlungsfähig werden bzw. bleiben und die Wirtschaft funktioniert. Das Sozialsystem bietet Hilfe für diejenigen, die sich noch nicht oder nicht mehr selbst helfen können. Die in den gesellschaftlichen Subsystemen arbeitenden Organisationen sind zwar alles Organisationen, aber schon ein oberflächlicher Blick zeigt, dass sie sich darüber hinaus doch deutlich voneinander unterscheiden. Was haben alle Organisationen also gemeinsam, was zeichnet sie als besondere Organisation eines bestimmten gesellschaftlichen Teilsystems aus, und wie können sie gemanagt werden? Diese Fragen wollen wir für die Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung – also für Bildungs-, Beratungs- und soziale Organisationen – versuchen zu beantworten.

1.1 Allgemeines Organisationsverständnis und die Besonderheit der personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisationen Vorstellungen und Theorien über Organisationen gibt es in großer Zahl. Von den traditionellen bürokratietheoretischen Ansätzen unterscheiden sich handlungstheoretische, situative, strukturalistische, neoinstitutionalistische, organisationskulturelle und viele mehr (Kieser u. Ebers, 2006). Wir wollen uns in dieser Pu­ blikation dem systemtheoretischen Ansatz anschließen (Luhmann, 2000) und Organisationen als formalisierte soziale Systeme verstehen. In den Branchen Bildung, Beratung und Soziale Arbeit hat die Beschäftigung mit dem Thema Organisation vergleichsweise spät eingesetzt. Die Organisation wurde lange Zeit nicht als Voraussetzung professionellen Handelns begriffen, sondern nicht selten geradezu abschätzig als Verwaltung apostrophiert und als Beeinträchtigung professionellen Handelns betrachtet. Wenn man sich schon dem Thema Organisation gesondert zuwandte, dann in der Regel aus einer reinen Akteursperspektive, wobei die Organisation dann als eine Ansammlung von Menschen erschien, die sich irgendwie interaktionell einigen musste. Sieht man jedoch die Menschen und ihr Handeln als Elemente der Organisation an, dann hat das einerseits den theoretischen Nachteil, dass der Mensch gegenüber der Organisation seine Andersartigkeit und damit seine Freiheitsgrade verliert oder dass man nachträglich durch die Unterscheidung zwischen Mensch und Berufsrolle das eigentlich Menschliche wieder aus der Organisation herausdefinieren

Allgemeines Organisationsverständnis

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muss. Andererseits hat diese Sichtweise die negative praktische Folge, dass organisationale Konflikte schnell mit vermeintlichen menschlichen Unzulänglichkeiten erklärt und personalisierend ausgetragen werden. Wechselseitige Verletzungen und Missachtungen bleiben folglich nicht aus. Hier soll – wie bereits angedeutet – eine andere Sicht von Organisation zugrunde gelegt werden, die sich an systemtheoretischen Erkenntnissen orientiert. Organisationen werden als rekursive Netzwerke der Kommunikation von Entscheidungen begriffen; Menschen gehören zu ihrer Umwelt und werden nur funktionsbezogen als Personen, das meint als kommunikative Adressen oder soziale Rollen, in die Kommunikation der Organisation inkludiert (Luhmann, 2000). Dieser hier verdichtet formulierte Theorieansatz soll jetzt etwas ausführlicher entfaltet werden. Die Systemtheorie beruht auf einem sogenannten operativen Konstruktivismus. Das bedeutet, dass es zwar eine objektive Realität gibt, dass wir diese aber nur perspektivenabhängig erkennen können. Die Welt, so wie sie uns erscheint, konstruieren wir durch unsere Beobachtungen, und beobachten können wir nur ausgehend von unserem Standpunkt. Wir treten der Welt nicht als Subjekte gegenüber, die die Welt als unabhängiges Objekt objektiv, das heißt so, wie sie wirklich ist, erkennen können, sondern wir beobachten Ausschnitte aus der Welt ausgehend von unserer subjektiven Perspektive und machen uns daraus einen Reim auf das Ganze. Eine Führungskraft sieht also einen anderen Aspekt der Organisation als ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin. Sogar die Mitarbeitenden verschiedener Abteilungen oder Fachbereiche beobachten jeweils einen anderen Ausschnitt ihrer Organisationen. Überspitzt gesagt reden die genannten Personen, wenn sie miteinander kommunizieren, gar nicht über die gleiche Organisation. Schon dadurch entstehen viele Konflikte – z. B. in Besprechungen. Die Systemtheorie arbeitet deshalb nicht mit der traditionellen SubjektObjekt-Unterscheidung, sondern ihre Grundunterscheidung ist die zwischen System und Umwelt, wobei die Umwelt immer die spezifische Umwelt des jeweiligen Systems ist. Jedes Subjekt als ein einmaliges und besonderes psychisches System beobachtet also auf seine besondere, einmalige Weise und konstruiert sich so seine je eigene Sicht der Umwelt, in der es arbeitet und handelt. Aber das beobachtende System muss kein psychisches sein, wie in diesem Beispiel, sondern es kann auch ein soziales sein wie eine Organisation. Der Unterschied besteht darin, dass das Psychische als System von Gedanken und das Soziale als System von Kommunikationen theoretisiert wird. Beide Systeme arbeiten getrennt voneinander und vollständig überschneidungsfrei. Beide Systeme sind Beobachter in spezifischen Umwelten. Sie sind durch das Medium der Sprache

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strukturell gekoppelt, das heißt, sie stellen sich wechselseitig ihre Leistungen zur Verfügung, ohne ineinander aufzugehen. Systemtheoretisch betrachtet bestehen Organisationen also nicht aus Menschen, sondern aus den Entscheidungen, die sie treffen, kommunizieren und miteinander in Beziehung setzen. Die Organisation ist somit das Netzwerk ihrer kommunizierten Entscheidungen. Dies ist insofern bedeutend, als sich die Entscheidungen aneinander ausrichten und aufeinander beziehen. In der Vergangenheit getroffene Entscheidungen werden zu Voraussetzungen gegenwärtig zu treffender Entscheidungen – sogenannten Entscheidungsprämissen –, die wiederum die zukünftig zu treffenden Entscheidungen präformierend beeinflussen. Gewohnheitsmäßig entsteht auf diese Weise ein organisationsspezifisches Entscheidungsmuster, das immer schwerer durch abweichende Entscheidungen durchbrochen werden kann. Veronika Tacke (2001) konstatiert daher, dass Organisationen sich stärker an der Vergangenheit ihrer Systemgeschichte orientieren als an den Anforderungen, die die Umwelt an sie stellt. Solange die Umwelt dies zulässt, können sich Organisationen daher sehr weit von den konkreten Bedürfnissen ihrer Kunden oder sonstigen Leistungsabnehmern und den gesellschaftlichen Bedarfen entfernen. Hier liegt der Grund dafür, dass Beschäftigte ihre Organisation oft als schwerfällig, bürokratisch oder sogar als verkrustet wahrnehmen, denn es ist allemal leichter, breit ausgetretene Pfade erneut zu betreten, als sich durch neue und abweichende Entscheidungen dem Risiko auszusetzen, hinterher erkennen zu müssen, sich falsch entschieden zu haben. Besonders groß ist das Risiko, weil Fehler in Organisationen in der Regel personell zugerechnet werden, sodass man vermeintlich immer auf der richtigen Seite ist, wenn man sich an die Vorschriften hält und so versucht, negativen Sanktionen zu entgehen. Die Systemtheorie bezeichnet den Sachverhalt, dass Entscheidungen sich auf Entscheidungen beziehen, die sich auf Entscheidungen beziehen, als operative Schließung, in deren Folge die Organisation in ihrer Umwelt auch nur noch das beobachtet, was zu den bisherigen Entscheidungen passt. Jede Organisation konstruiert sich so – genau wie jedes psychische System – ihre spezifische Umwelt. Was dem nicht entspricht, wird übersehen oder sogar abgewehrt. Natürlich ist es anders möglich, aber es ist schwierig. Deshalb verharren Organisationen beim Alten, vermeintlich Bewährten. Dieser Mechanismus der organisationalen Selbstreproduktion aus Vorhandenem wird systemtheoretisch Autopoiese genannt. Das ist im Alltag einer Organisation durchaus funktional. Eingelebte Routinen erleichtern die Arbeit, machen Veränderungen aber schwierig. Letztere scheitern also nicht an veränderungsunwilligen Mitarbeitenden – das wäre ein personalisierender Ansatz und kein systemischer –, sondern am alltäglichen organisationalen Reproduktionsmechanismus, der zum

Allgemeines Organisationsverständnis

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fixen Muster erstarrt ist. So ist auch erklärbar, dass Organisationen von ihren Mitgliedern, aber auch aus der Beobachterperspektive ihrer Umwelt, häufig als veränderungsresistent wahrgenommen werden. Die Elemente einer Organisation sind also nicht Menschen, sondern die Entscheidungen, die füreinander Prämissen bilden und sich in einem rekursiven Netzwerk zu bestimmten Mustern aus Entscheidungsstrukturen verketten. Alles, was nicht in die Form der Entscheidung gebracht werden kann, wird als Umwelt der Organisation behandelt. Durch dieses Theoriedesign verliert das Organisationsverständnis zwar seine Anschaulichkeit; es hat aber den Vorteil, dass der Mensch, als leiblich-geistige Einheit, von der Organisation getrennt betrachtet werden kann. Organisationen brauchen selbstverständlich Personal; dies finden sie in ihrer Umwelt in Form Beschäftigung suchender Menschen. Entscheidungsbasiert werden ausgewählte Individuen dann unter bestimmten Voraussetzungen als Mitglieder in die Organisation inkludiert. Menschen werden also nicht komplett mit Körpern, Psychen, Interessen, Motiven, Vorlieben, Abneigungen etc. in Organisationen integriert, sondern diese überkomplexen Mehrfachsysteme werden zu Mitgliedschaftsrollen, systemtheoretisch Personen genannt, simplifiziert (Zech, 2013, S. 23 f.). Personen besetzen dann in der Organisation Stellen und treten als Sender, Adressat oder Thema im kommunikativen Entscheidungsnetzwerk auf. Als Privatperson mag ein Mensch denken, sprechen und handeln, wie er will, aber nicht als Mitglied einer Organisation; hier muss man sich an die Regeln halten oder darf sich nicht erwischen lassen. »Hier hat er sich durch Eintritt gebunden und läuft Gefahr, die Mitgliedschaft zu verlieren, wenn er sich hartnäckig querlegt« (Luhmann, 1997, S. 829). Deshalb sind Organisationsmitglieder eben keine ganzen Menschen. Die Form der Person ermöglicht die Zurechnung von Verantwortlichkeit und die Diagnose eventueller Abweichungen von den Erwartungen. Die bisherigen Ausführungen beziehen sich auf alle Organisationstypen. Im Folgenden sollen jetzt die Spezifika personenbezogener sozialer Dienstleistungsorganisationen aufgezeigt werden. Organisationen in den Branchen Bildung, Beratung und Soziale Arbeit unterscheiden sich von Produkte herstellenden Organisationen des Wirtschaftssystems eben durch ihre personenbezogenen sozialen Dienstleistungen. Wirtschaftsorganisationen im produzierenden Sektor können auf relativ fixe Kopplungen in linearen Strukturen bauen, wohingegen personenbezogene soziale Dienstleistungsorganisationen wegen des je nach Fall unterschiedlichen Anwendungsbezugs ihrer Leistungen ihre unterschiedlichen Subsysteme nur lose koppeln können. Einen Sonderfall stellen kommerzielle personenbezogene Dienstleistungsorganisationen, z. B. Friseure, dar, die zwar personenbezogene,

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aber keine soziale Arbeit leisten. Jeder Fall personenbezogener sozialer Arbeit ist ein Einzelfall, der eine spezielle Behandlung erfordert. Routinen sind nur eingeschränkt anwendbar. Jeder Fall erfordert eine besondere Anwendung eines entsprechenden professionellen Expertenwissens. Eine allgemeine Unterrichtsdidaktik kommt z. B. an ihre Grenzen bei unterschiedlichen individuellen Lerntypen, und eine Systempflege scheitert am konkreten individuellen Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des einzelnen Patienten. Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung werden daher als Professional- oder Expertenorganisationen bezeichnet (Glatz u. Graf-Götz, 2007, S. 50 f.; Laske, Meister-Scheytt u. Küpers, 2006, S. 194 ff.). Hierzu gehören vor allem Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung. In Professionalorganisationen bietet Fachpersonal mit spezifischer Expertise menschenbezogene Dienstleistungen, deren Erbringung auch mit menschlichem und nicht technischem Maß gemessen werden muss. Nicht zu vergessen ist, dass über die Einzelleistung individueller Hilfe und Unterstützung hinaus solche Organisationen auch wichtig sind für den allgemeinen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gelegentlich werden Professionalorganisationen auch zu den Wissensorganisationen gerechnet (Bleicher, 2004, S. 126 ff.). Dies sind Organisationen, die Wissen und Können in immaterielle Leistungen transferieren, die es anderen gestatten, ihre Probleme besser lösen zu können. Zu solchen Leistungen gehören eben Bildung, Beratung und Soziale Arbeit. Die Leistungen solcher Organisationen zeichnen sich im Vergleich zur Herstellung industrieller Produkte durch einen situationsspezifischen Anwendungsbezug aus, der vom Wissen und Können der Professionellen abhängt und nicht von eindeutig fixierbaren Herstellungsprozessen. Die Qualität der Organisationen hängt deshalb wesentlich von der kontinuierlichen Pflege und Erneuerung ihrer fachlichen Kernkompetenzen ab, und ihre spezifische Expertise ist sehr stark an die Personen geknüpft, die in diesen Organisationen arbeiten. Deshalb brauchen diese auch ein besonderes Management.

1.2 Gelingendes Management von personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisationen Ein bedeutendes Charakteristikum von Professionalorganisationen ist die Trennung von Fachsystemen der jeweiligen Profession, in denen Expertinnen und Experten arbeiten, und einem Managementsystem, das durch Leitungspersonal auf unterschiedlichen Ebenen realisiert wird. Das Management organisiert die Bedingungen dafür, dass in den Fachsystemen professionell gearbeitet werden

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kann. Managerinnen und Manager arbeiten also am System, Mitarbeitende im System. Diese Dualität ist funktional, damit die organisationalen Bedingungen die Arbeit der Fachsysteme unterstützen und nicht behindern – wie es leider immer wieder vorkommt. Wenn das Management die Organisation nicht gut organisiert, müssen Mitarbeitende dies im Alltag kompensieren, was sie von ihrer professionellen Fachdienstleistung abhält bzw. diese belastet. Der Wert von Professionalorganisationen wird – wie wir bereits sahen – durch die in ihnen beschäftigten Menschen verkörpert, die die Fähigkeit haben, individualspezifisch maßgeschneiderte Leistungen zu erbringen. Deshalb haben solche Organisationen auch meistens sehr flache Hierarchien und können nur schlecht über Linienstrukturen von oben nach unten gesteuert werden. In der Regel hat die Aufbauorganisation eine netzwerkartige, heterarchische Form. Die Strukturen müssen die nötigen Freiräume für die individuelle und kooperative Dienstleistungserbringung schaffen. Professionalorganisationen müssen davon ausgehen, dass die zusammenarbeitenden Expertinnen und Experten für den Erfolg wesentlich sind und dass das Management die Organisation so organisieren muss, dass die Fachkräfte ihre professionellen Kompetenzen an der richtigen Stelle und in der richtigen Art und Weise einsetzen können. Professionalorganisationen können ihre spezifischen Dienstleistungen aber nur erbringen, wenn in ihnen die humane vor der betriebswirtschaftlichen und der technischen Logik dominiert. Sie brauchen interne Kooperationsverhältnisse, die frei von Konkurrenzdruck sind, und Zeitverhältnisse, die der zu erledigenden Arbeit entsprechen und nicht dem finanziellen Sparzwang. Die Personalführung muss partnerschaftlich erfolgen, mehr mit diskursiven Formen arbeiten, die Konsens anstreben, als mit Dienstanweisungen und Anordnungen. Eine Anweisung zur kreativen Expertise kommt schnell an ihre Grenzen. Die Motivation der Beschäftigten und ihre Loyalität der Organisation gegenüber sind essenzielle Faktoren guter Professionsarbeit. Nötig ist darüber hinaus eine änderungsfreundliche Lernkultur, weil zu starre Routinen und zu sehr formalisierte Prozesse einer flexiblen und kreativen Expertenarbeit im Wege stehen. Sorgfältige und klar gegliederte Prozessdefinitionen erleichtern die Arbeit erheblich; dennoch bleibt zu beachten, dass die unmittelbaren Lern-, Beratungs- und Hilfesituationen sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht im Detail vorstrukturiert werden können. Hier haben Prozessdefinitionen Orientierungsfunktion, die Freiräume für situations- und fallbezogene Achtsamkeit, Empathie und Kreativität ermöglichen müssen. Wenn strikt gekoppeltes, hierarchisches Linienmanagement für Professionalorganisationen dysfunktional ist, bleibt die Frage, wie die relativ autonomen Teile integriert werden können. Aufgrund der beschriebenen notwendigen

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Freiheitsgrade der fachlichen Expertensysteme in diesen Organisationen werden diese im Anschluss an Karl E. Weick (1976) als lose gekoppelte Systeme bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen Koppelungstyp über verbindlich vereinbarte Arbeitsabläufe statt über formale Strukturen. Mit loser Koppelung wird ein Organisationstyp charakterisiert, der aufgrund einer relativen Autonomie von individuellen Expertinnen und Experten oder von verschiedenen Fachbereichen, in denen die Experten tätig sind, nicht bürokratisch oder in einer linearen Verknüpfung von Elementen zu steuern ist. Die Expertinnen bzw. die Fachbereiche produzieren ihre jeweiligen Leistungen in relativer Unabhängigkeit voneinander und brauchen bestimmte Freiräume, um ihre professionellen Dienstleistungen erstellen zu können. Diese lose gekoppelten Teilsysteme der Organisation können teilweise durchaus unterschiedliche Handlungslogiken und unterschiedliche Verfahren, sogar unterschiedliche Kulturen herausbilden, was ihre übergeordnete Steuerung im Sinne der Gesamtorganisation erschwert. Lose gekoppelte Systeme verfügen dafür aber über eine große Flexibilität, weil sie diversifizierte Umweltbezüge haben und spezifisch auf ihre jeweiligen Falllogiken reagieren können. Damit ist zugleich angedeutet, dass sich die relative Autonomie der Subsysteme nur auf ihren Bezug zueinander, nicht aber auf ihr Verhältnis zu ihrer externen Organisationsumwelt bezieht; hier müssen selbstverständlich die Anforderungen von vorgesetzten Instanzen, von Auftraggebern, Kundinnen und Abnehmern die Maßstäbe für das je eigene Handeln abgeben. Die Umweltkontakte von Professionalorganisationen können also nicht allein über die Spitze geregelt werden. Aus der direkten Interaktion mit den Kunden und anderen Abnehmerinnen auf fast allen Arbeitsplätzen ergeben sich poröse Strukturen, die an vielen Stellen offen sind für Anregungen und Irritationen von außen. Es bedarf einer Top-down gut organisierten Bottom-up-Kommunikation, damit die an vielen Stellen in der Organisation generierten Informationen gebündelt und für die gemeinsame Dienstleistung wirksam werden können. Die vom Management zu gewährenden Freiräume für die Expertinnen und Experten in lose gekoppelten Subsystemen dürfen aber nicht zu organisationalen Inselbildungen führen, wo wechselseitige Abschottungen zu selbstherrlichen Fürstentümern werden. Notwendige Autonomie der Beschäftigten und zugleich ebenso notwendige systematische und verbindliche Kooperationsstrukturen, mit wechselseitig ausgeglichenem Geben und Nehmen, sind zwei Seiten derselben Medaille. Gut integrierte Organisationen haben ihre Schnittstellen so geregelt, dass Informationen und Leistungen intern gleichberechtigt und wechselseitig ausgeglichen getauscht werden. Die Qualitätskriterien für den internen Leistungstausch an den Schnittstellen sind eindeutig definiert. Desintegrierte Organisationen produzieren ein Gegeneinander oder bestenfalls

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wechselseitige Ignoranzen der Subsysteme. Darunter leidet die Leistungsfähigkeit der Gesamtorganisation. Professionalorganisationen bestehen also aus unterschiedlichen, lose gekoppelten Subsystemen, die arbeitsteilig differenzierte Aufgaben wahrnehmen. Es ist allerdings so, dass erst der funktionale Gesamtzusammenhang aller organisationalen Teilbereiche eine optimale Gesamtleistung ermöglicht. Das vernetzte Zusammenspiel verschiedener Funktionsgruppen mit ihren spezifischen Tätigkeiten (administrierende, planende, organisierende, ausführende, controllende etc.) erfüllt gemeinsam die spezifische Dienstleistung für die jeweiligen Zielgruppen und die Gesellschaft als Ganzes. Das Management der Organisationen hat die Aufgabe, diese Arbeit zielgerichtet zu koordinieren und durch die Schaffung einer internen Lernkultur Qualitätsentwicklung und Veränderung zu ermöglichen. Die notwendige relative Autonomie der Subsysteme bringt zwangsläufig Koordinationsprobleme hervor und fordert von den beteiligten Personen ein hohes Maß an Verbindlichkeit und Ambiguitätstoleranz. Leicht können aus Abstimmungsschwierigkeiten bzw. -defiziten bei Einzelnen Frustrationen entstehen. Professionalorganisationen sind daher tendenziell konfliktträchtig. Das ist der Preis für das Dilemma des notwendig hohen Freiheitsgrades bei der Aufgabenerledigung bei gleichzeitig notwendiger Verbindlichkeit der internen Abstimmung. Die Prozesse der kooperativen Wertschöpfung sind deshalb besonders sorgfältig zu definieren, um Abstimmungsprobleme, die aus – subjektiv durchaus funktionalen – Grauzonen entstehen, möglichst zu begrenzen. Individuelle Expertinnen und Experten neigen dazu, den erforderlichen Freiraum ihrer Aufgabenerledigung zu überschätzen; sie haben eine Aversion gegen jegliche Form der Kontrolle. An die Stelle engmaschiger Kontrolle von oben müssen wechselseitiges Vertrauen und verbindliche Einhaltung der Absprachen treten – allerdings bei einem Durchgriffsrecht der Leitung im Abweichungsfall. Freiheit und Autonomie auf der einen Seite erhöhen auf der anderen Seite die Abhängigkeit voneinander und die Notwendigkeit wechselseitiger Zuverlässigkeit. Auf Hierarchie kann deshalb nicht ganz verzichtet werden; sie hat hier eine unverzichtbare Steuerungsfunktion. Allerdings ist sie mehr als eine dienstanweisende Vorgesetztenposition; sie hat vor allem die Autonomie der Aufgabenerledigung der Subsysteme und zugleich die Erreichbarkeit jeder Stelle der Organisation durch jede andere Stelle sicherzustellen. Außerdem braucht es Hierarchie zur Entscheidung eventueller Konflikte (Baecker, 1999, S. 198 ff.). Die komplexe zielgesteuerte Arbeitsteilung in einer Organisation verlangt von allen Beteiligten eine doppelte Perspektive. Das Wissen um die eigenen Aufgaben und den eigenen Wirkungshorizont muss mit dem Bewusstsein der

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Verschränkung der eigenen Tätigkeit mit den Leistungsanteilen der anderen verbunden sein. »Kontextwissen« und »Relationsbewusstsein« nennt dies Ortfried Schäffter (2001, S. 119 ff.). Diese verschränkten Sichtweisen beinhalten sowohl ein Wissen um den besonderen Wert des eigenen Beitrags zur Gesamtfunktion der Organisation als auch die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, welche die Beiträge der anderen als ebenso wichtigen Teil der Gesamtleistung würdigt, was sich in entsprechend verbindlichen Kooperationen niederschlägt. Wenn sich soziale Dienstleistung nur aus dem synchronisierten Gesamtzusammenhang aller Einzeltätigkeiten ergibt, dann gewinnen die zielgesteuerten Kooperationen eine Schlüsselrolle. Die Leistungsfähigkeit einer Organisation hängt ab von der Qualität ihrer internen synchronisierten Zielausrichtung. Das Management muss daher über besondere Fähigkeiten der integrativen Steuerung, der Moderation und der Mediation verfügen. Wenn Management das Organisieren von Arbeit und die Verantwortungsübernahme für die produzierten Ergebnisse zum Nutzen der Kunden und der Gesellschaft ist, dann bedeutet das auch, dass Manager die Organisation organisieren. Als Organisation verstanden wir ein regelgeleitetes, formalisiertes soziales System, das auf der Basis von Entscheidungen funktioniert und bestimmte Produkte und Leistungen kooperativ herstellt. Management organisiert also die Organisation, aber die Organisation in ihrer jeweiligen Verfasstheit präformiert auch die Art des Managements (vgl. Abbildung 1).

Management

Handeln, Kommunizieren, Entscheiden

Regeln

Organisation

Strukturen, Prozesse, Zuständigkeiten

Abbildung 1: ­Verhältnis von Organisation und Management

Diese Organisationsgestaltung des Managements bewegt sich grundsätzlich in einem Feld mit drei Eckpunkten: der Strategie der Organisation, ihrer Struktur und ihrer Kultur, die im Sinne eines gleichseitigen Dreiecks in der Balance

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Gelingendes Management

zu halten sind (vgl. Abbildung 2). Die Strategie bezieht sich immer auf die Gesamtorganisation und gibt die Globalziele vor, die für alle Subsysteme verbindlich sind. Verhandelbar ist hier, welchen Beitrag die einzelnen Subsysteme zur Aufstellung und Erreichung der strategischen Ziele leisten. Die Struktur meint die Rahmenbedingungen der Aufbau- und Ablauforganisation, in der Weise, wie sie Arbeit und Kooperation ermöglichen (oder im ungünstigen Fall behindern). Vereinbar sind hier die Prozessdefinitionen und die Qualitätskriterien der wechselseitigen Leistungserbringung an den Schnittstellen. Die Kultur ist Ausdruck der Identität der Organisation. Verhandelbar ist hier, ohne die generellen Prämissen des normativen Managements infrage zu stellen, welche genauen Bestimmungen sich in Leitbildern und Führungsgrundsätzen niederschlagen und welchen Beitrag die Subsysteme jeweils dazu leisten. Strategie

Management

Struktur

Kultur

Abbildung 2: Management im Dreieck von ­Strategie, Struktur und Kultur

Wenn nun das Management diese drei Seiten seiner organisationalen Steuerung im Blick behält und durch ausgeglichene strategische, strukturelle und kulturelle Gestaltungsimpulse die Organisation unter dem Leitstern einer gemeinsamen Vision weiterentwickelt, dann können wir von einem integrierten Management sprechen. Unter einer Vision verstehen wir eine allgemeine Vorstellung über den Sinn und die Bedeutung der eigenen Arbeit sowie über die wünschenswerte Stellung, die die Organisation in der Gesellschaft einnehmen möchte. Roswita Königswieser, Uwe Cichy und Gerhard Jochum (2001, S. 255) nennen dies »Systemisches IntegrationsManagement« (vgl. Abbildung 3). Sie bezeichnen damit einen visionsgetriebenen, dynamischen und von gemeinsamer Reflexion getragenen Prozess, der die Organisation dadurch zukunftsfähig macht, dass die Entwicklung von Strategie, Struktur und Kultur als gemeinsame Gestaltungsaufgabe begriffen wird.

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Abbildung 3: Systemisches IntegrationsManagement (Königswieser et al., 2001, S. 53)

1.3 Die Logik des Gelingens Da es uns in diesem Buch vor allem um das Gelingen von Management in Professionalorganisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung geht, sind an dieser Stelle ein paar Erläuterungen erforderlich, was die Kategorie des Gelingens angeht und wie sich diese von der Erfolgskategorie als Bewertungsgröße des Handelns abgrenzt bzw. diese ergänzt (Zech u. Dehn, 2017, S. 13 ff.). Die hohe Bewertung des persönlichen Erfolges als eher außenorientiertes Kriterium eines guten Lebens ist in unserer von der wirtschaftlichen Logik dominierten Gesellschaft kaum noch steigerungsfähig. Doch laut Gerhard Schulze (2006, S. 182) kommt es zu einer ersten, noch zögerlichen Anerkennung eines anderen Verständnisses von Lebensbewältigung: dem Gelingen. Was hat es mit der Kategorie des Gelingens auf sich? Was unterscheidet diese Form der Handlungsfähigkeit vom erfolgsvernarrten Konkurrenzkampf unserer spätkapitalistischen Gesellschaft? Nähern wir uns der Frage des Gelingens zunächst phänomenal. Jeder und jede, der oder die einigermaßen im Kontakt mit sich und der Welt steht, wird einen Seismographen in sich entdecken, der in der Regel zuverlässig bewertet, ob die Situation, in der man sich befindet, eher förderlich, eher neutral oder

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auch eher hinderlich ist. Dies geschieht ohne das Bewusstsein von Gründen als spontane ästhetische Wahrnehmung und intuitives Erkennen. Gründe kann das reflexive Bewusstsein einholen durch die nachfolgende Analyse der Situation. Die Wahrnehmung und die intuitive Erkenntnis waren aber schon vorher da. Bauchgefühl sagt man gelegentlich im Alltag. Was wir in dieser Beschreibung erkennen, ist, dass ein Gefühl des Gelingens bzw. des Misslingens jeglichem Wahrnehmen und Handeln untrennbar beigemischt ist. Beispiele solcher Situationen bietet der Alltag zuhauf. Wir fühlen uns in dem Versuch eines Gesprächs sprachlos am falschen Platz. Auf der anderen Seite kennen wir unverhoffte Begegnungen, in denen ein Austausch spielend gelingt – so als wären zwei Seelen im Einklang. Pädagoginnen und Pädagogen wissen um das spontane Gefühl, dass der Unterricht heute besonders gut gelungen ist, die Klasse ganz bei der Sache war. Aber auch das Gegenteil kommt vor, dass eine resonante Verbindung zur Klasse nicht recht zustande kommen wollte. Handwerker bekommen in ihrem empirischen Umgang mit dem Material unmittelbar zurückgespiegelt, ob ihr Vorgehen funktioniert hat oder nicht. Die Rückkopplung ist direkt und weit weniger vermittelt als bei intellektuellen Tätigkeiten, aber auch hier spüren z. B. Autorinnen und Autoren, wenn ihnen das Schreiben leicht von der Hand geht. Immer ist die Bewertung des Gelingens bzw. Misslingens unseren Erfahrungen in Alltag und Beruf untrennbar beigemischt. Die Wortherkunft (Etymologie) der Begriffe gibt uns eine weitere Orientierung. Befragen wir das Herkunftswörterbuch des Dudens. Hier wird »Gelingen« unter Bezug auf das mittelhochdeutsche Ausgangsverb »glücken, gedeihen« erklärt. Gelingen ist mit der Wortsippe von »leicht« verwandt. Gelingen bedeutet also »leicht oder schnell vonstattengehen«. Wir setzen es damit vom äußerlichen Erfolg ab, der von der Wortherkunft als ein Hinterher, ein Ausgang, eine Wirkung, Folge von etwas bestimmt ist. »Folgen« hat als »Rechtsbegriff der Heeresfolge schon in althochdeutscher Zeit die Bedeutung, ›sich nach jemandem richten, beistimmen, gehorchen‹« (Duden, 2001, S. 230). Daher die Wortbildungen »befolgen« und »folgsam«. Erfolg bedeutet, dass man etwas geschafft hat, vielleicht aus Folgsamkeit, jedenfalls geht es um das Erreichen eines eher äußerlichen Zieles. So hat erfolgreiches Lernen in der Regel die fremdgesetzten Ziele der gesellschaft­ lichen Institutionen erreicht. Das ist für Karrieren nicht unbedeutend, aber deshalb noch kein gelingendes Leben. Hartmut Rosa (2016, S. 274) weist in Bezug auf Banduras Untersuchungen darauf hin, dass intrinsisches Interesse an einem Weltausschnitt oder Tätigkeitsbereich nicht vom Erfolg oder einer äußerlichen Belohnung abhängt, sondern von der Erfahrung, etwas bewirken zu können. Das Gelingen bezieht daher das Subjekt im Sinne seiner Selbstwirksamkeitserfahrung ein, ist ein Glücken, ein Vermögen menschlicher Handlungsfähigkeit, das sich

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selbstbestimmte Ziele gesetzt hat und diese realisieren kann.1 Erfolg ist funktional in Bezug auf äußere Anforderungen; Gelingen zielt neben dem Erreichen eines selbstbestimmten Zieles zusätzlich auf Sinnerfüllung, die sich an einem guten Leben orientiert, denn das Gute und das Gelingen sind verschwistert. Das Gelingen einer Handlung zeigt sich auf zwei Ebenen. Neben der Erreichung eines selbstbestimmten oder überzeugt zugestimmten inhaltlichen Zieles, das mit der Handlung angestrebt wurde, geht es vor allem um die Realisierung eines Handlungssinns, der aus der Perspektive des handelnden Subjekts mit der Handlung verbunden ist. Gelingen ist wesentlich Sinnerfüllung. Deshalb können wir am Gelingen sachliche, soziale und zeitliche Sinndimensionen (Luhmann, 1991, S. 112 ff.) unterscheiden: Sachlich hat Gelingen einen gegenständlichen Problembezug; es ist dann daran zu erkennen, dass es zu einer Pro­ blemlösung in der inhaltlich behandelten Thematik kommt. Sozial hat Gelingen einen Gemeinschaftsbezug; es ist eingebettet in eine kollektiv-kooperative Erfahrungswelt wechselseitiger Unterstützung. Zeitlich arbeitet Gelingen mit einer Vorher-Nachher-Differenz; es ist in dieser Hinsicht daran festzumachen, dass das Handeln einen positiven Unterschied zwischen vorher und nachher markiert, der von der handelnden Person angestrebt wurde. Dass eine Handlung zu einem guten Gelingen geführt hat, erkennt man daran, dass erstens mit ihr ein subjektiver Sinn realisiert wurde, in dem das handelnde Subjekt sich selbst wiedererkennt, zweitens eine individuelle Leistung in einem Feld kollektiver Erfahrung erbracht wurde, die drittens für die handelnde Person und gegebenenfalls ihre Bezugsgruppe einen bedeutsamen positiven Unterschied macht. Gelingen fällt allerdings nicht vom Himmel, sondern beruht auf viel Erfahrung und oft jahrelanger Übung. Dann allerdings ist es nicht diskursiv-bewusst, sondern verkörpert, vollzieht sich intuitiv spielend in Resonanz zu den sachlichen, situationalen und gegebenenfalls auch interpersonalen Bedingungen des Tuns. Es ist spontan-rezeptiv, nicht geplant methodisch. Der Weg oder Verlauf des Handelns (griechisch: méthodos) wurde so oft beschritten, dass er in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wenn das Handeln dann spielend gelingt, kann sich das Bewusstsein aus seiner Kontrollfunktion verabschieden; das eigene Ich bzw. Selbst geht ganz im Tun auf. Wir kennen ein solches Gelingen z. B. im Jazz, wenn Keith Jarrett seine großartigen, frei improvisierten SoloKonzerte gibt. Wir müssen aber gar keine großen Künstler als Beispiel heranziehen; jeder braucht sich nur daran zu erinnern, wie schwierig es ist, Tanzen zu lernen, und wie spielend leicht es ist, wenn man es denn kann. Solange man noch (sklavisch) einer Methode folgt, ist das Handeln noch nicht frei. Gelingen 1 Vgl. Zech u. Dehn (2017, S. 19).

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ist ein Können – manchmal auf höchstem Niveau. Es geschieht spontan, nicht impulsiv oder im Affekt. »Die Qualität individuellen Lebens ist eine Sache existenziellen Gelingens, für das es keine Garantien gibt« (Seel, 1999, S. 216). Die Nichtdeterminiertheit, die Unbestimmtheit, die Offenheit der Situationen, in denen wir uns bewegen, ist kein Hindernis, sondern die Voraussetzung des Gelingens, was immer die Möglichkeit des Misslingens einschließt. Daher darf sich das Gelingen nun nicht selbst zum äußerlichen Erfolgsdruck entfremden. Es ist eine falsche Annahme, dass mit der Gestaltung des Lebens und des eigenen Selbst zwangsläufig eine Perfektionierung verbunden ist. Ein Gelingen ist nicht programmierbar; es führt als mögliche andere Seite immer ein Misslingen mit sich. Es geht nicht um den Ausschluss von Widersprüchen und Risiken; auch diese gehören zum Leben dazu. »Dem Gelingen muss das Misslingen gleichberechtigt zur Seite stehen, um das Selbst nicht auf das Gelingen festzulegen und es nicht unter Erfolgszwang setzen zu lassen« (Schmid, 1999, S. 77 f.). Zu den Paradoxien der Erfüllung – die Martin Seel (2006, S. 27 ff.) beschreibt – gehört es eben nicht zwangsläufig, dass sich die wichtigsten Lebensziele eines Individuums tatsächlich erfüllt haben; viel bedeutender ist, dass man sie anstrebt und darin sein Leben insgesamt bejaht. Ein Gelingen ist also nicht allein bereits durch das eigene Streben sichergestellt; es kommt viel Unwägbares hinzu. Man hat es nicht allein in der Hand; zum strebenden Bemühen muss – wie es Theodor W. Adorno (1974, S. 287) metaphorisch formuliert – ein »Akt der Gnade« hinzukommen. Trotzdem gilt, dass sich Gelingen in Handlungsfähigkeit realisiert. »Das Können des Subjekts besteht darin, etwas gelingen zu lassen, etwas auszuführen. Vermögen zu haben oder ein Subjekt zu sein bedeutet, durch Üben und Lernen imstande zu sein, eine Handlung gelingen lassen zu können« (Menke, 2013, S. 13). Die Gelingensfähigkeit entspricht daher dem Niveau der individuellen Handlungsfähigkeit. Angenommen, dass Handlungsfähigkeit das erste menschliche Lebensbedürfnis ist (Holzkamp, 1983, S. 243), dann ist die Tatsache, dass eine Handlung gelungen ist, der wesentliche Indikator für eine entwickelte Handlungsfähigkeit, mithin Persönlichkeit der handelnden Person. Insofern als die eigene Existenz für ein Individuum logischerweise das erste Existenzbedürfnis ist, dreht sich das ganze menschliche Leben um das Gelingen. Deshalb unterscheidet Klaus Holzkamp auch die menschliche Handlungsfähigkeit begrifflich in eine restriktive Variante, die in der Anpassung an die bestehenden Verhältnisse besteht, und eine verallgemeinerte Variante, die sich in dem Versuch realisiert, gemeinsam mit anderen seine Verfügung über die individuell bedeutsamen gesellschaftlichen Lebensbedingungen zu erhöhen. Da ein gelingendes Leben sich nicht in der Realisierung unmittelbarkeitsverhafteter Augenblicks-

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interessen erschöpft, bezieht sich ein Gelingen immer auf ein verallgemeinerbares qualitativ Gutes, das wir näher als ein selbstbestimmtes Leben in einer gerechten Gesellschaft definieren können.2

1.4 Gelingendes Management Gelingendes Management ist ziel- und ergebnisbezogen, aber vor allem wird versucht, den jeweiligen individuellen Kundenbedürfnissen in höchster Qualität gerecht zu werden und für die Arbeitenden Bedingungen herzustellen, unter denen sie dies auch leisten können. Gelingendes Management geht von den Anforderungen der Umwelt, den Bedürfnissen der Kunden und Kundinnen, den Bedarfen der Märkte und den Entwicklungserfordernissen der Gesellschaft als Ganzer aus. All diese Aspekte definiert das Management mit Blick auf die Ressourcen und Potenziale der Organisation in Aufgaben um, deren Ergebnisse den Anforderungen entsprechen, die Bedürfnisse und Bedarfe befriedigen und gegebenenfalls neu schaffen. Organisationsinterne Gegenstände des Managements sind die Gestaltung der Organisationsstrukturen, der kooperativen Prozesse und der erforderlichen Kompetenzen, die den definierten Aufgaben entsprechen und somit geeignet sind, die angezielten Produkte und Dienstleistungen hervorzubringen. Gelingendes Management setzt in der Organisation gebundene Kräfte frei, so wie es sich von unnötigem Ballast, z. B. überflüssigen bürokratischen Routinen, befreit. Für Innovation und Zukunftsarbeit wird ein eigenes Zeit- und Finanzbudget installiert; kontinuierliche Verbesserungen und das Aufspüren neuer Chancen haben einen festen Platz neben der Alltagsarbeit. Gelingendes Management ist ein Handeln, das an bestimmten Indikatoren identifizierbar ist. Diese Indikatoren beziehen sich sinnvollerweise auf die Bereiche, die Gegenstand des Managements von Organisationen sind. Für unser Buch sind dies Normatives Management, Strategisches Management, Ziel­management, Prozessmanagement, Kompetenzmanagement, Wissens­management, Management von Kooperationen und Netzwerken, Management der Organisations­ kultur und Projektmanagement. Gelingendes Management in diesen Bereichen lässt sich u. a. an Folgendem erkennen, was nicht als vollständige und abschließende Indikatorenbildung anzusehen ist, sondern die Leitung und Mitarbeitenden anregen soll, sich die Gelingensindikatoren ihrer Organisation selbst zu erarbeiten:

2 Vgl. Zech u. Dehn (2017, S. 22 f.).

Gelingendes Management

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Ȥ Normatives Management: Beim normativen Gelingen geht es nicht nur um das – eigentlich selbstverständliche, wenn auch nicht immer eingehaltene – Befolgen von Gesetzen und Vorschriften. Hier zählt vor allem der Beitrag, den eine Organisation für ein gutes Leben in einer gerechten Gesellschaft erbringt. Gelungenes normatives Management legitimiert die Existenz­ berechtigung der Organisation durch ihre Leistung für die Gesellschaft, indem sie den von ihr geschaffenen Nutzen für ihre Ziel- und Interessengruppen (Stakeholder) in einer Zweckbegründung beschreibt. Ȥ Strategisches Management: Die Strategie bezieht sich immer auf die Organisation als Ganze im Verhältnis zu den Anforderungen ihrer Umwelt. Gelungen ist eine Strategie, wenn sie die eigenen organisationalen Ressourcen und Stärken so einsetzt, dass sie Anforderungen ihrer relevanten Umwelten adäquat befriedigen kann und dabei die Teilleistungen der organisationalen Subsysteme harmonisch orchestriert. Eine gelungene Strategie macht die Organisation zukunftsfähig. Ȥ Zielmanagement: Gelungenes Zielmanagement bricht die langfristigen strategischen Organisationsziele in abgestimmte Teilziele herunter, sodass jedes Subsystem und alle Mitarbeitenden wissen, was sie wie, wann, mit wem und warum zu tun haben. Damit sorgt Zielmanagement für Transparenz und eindeutige Handlungsorientierung. Ȥ Prozessmanagement: Gelungene Prozesse in personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisationen sind keine fixen Vorgaben von in einer bestimmten Reihenfolge zu erledigenden Aufgaben. Bei der Verwaltung der Finanzen mag dies noch funktionieren. Expertinnen und Experten, die im Wesentlichen fallbezogen arbeiten, brauchen hingegen allgemeine Orientierungen darüber, was als gelungenes Ergebnis ihrer Arbeit herauskommen soll und mit welchen Schnittstellen in der Organisation, aber auch nach außen zu Kooperationspartnerinnen, Behörden, Auftraggebern etc., sie es bei ihrer Aufgabenerledigung zu tun haben. Ȥ Kompetenzmanagement: Das Kompetenzmanagement ist gelungen, wenn in der Organisation die für die Umweltanforderungen erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten vorhanden sind, aber auch wenn diese kontinuierlich aktuell gehalten oder durch erforderliche neue ergänzt werden. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeitenden durch die zu managenden organisationalen Kontextbedingungen in die Lage versetzt werden, ihre Kompetenzen zu entfalten und weiterzuentwickeln. Ȥ Wissensmanagement: Gelungenes Wissensmanagement sorgt durch die bewusste Gestaltung von Austausch- und Kommunikationsprozessen dafür, dass die organisationale Wissensbasis allen Beteiligten zugänglich und damit

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Die Organisationen der personen­­­bezogenen sozialen Dienstleistung

nutzbar ist. Implizites Wissen einzelner Organisationsmitglieder wird durch geeignete Maßnahmen expliziert und damit zur Ressource geteilten Wissens. Ȥ Management von Kooperationen und Netzwerken: Das Management von Kooperationen und Netzwerken ist gelungen, wenn die Organisation sich ihrer Kooperationsstrukturen bewusst ist und diese durch nicht-hierarchische Steuerung gezielt zur optimalen Erbringung ihrer Leistungen nutzt. Dabei werden Kooperationen und Netzwerke als Ressourcen begriffen, die die Leistungsfähigkeit einer Organisation deutlich über das hinaus erhöhen, wozu sie ganz auf sich selbst gestellt in der Lage wäre. Ȥ Management der Organisationskultur: Das Management der Organisationskultur ist gelungen, wenn die Bedeutung kultureller Aspekte (neben strategischen und strukturellen) deutlich geworden ist als eine Art nicht entscheidbarer Hintergrundfolie. Organisationskultur kann streng genommen nicht gemanagt, aber annäherungsweise sichtbar gemacht werden. Damit kann sie in ihren funktionalen und dysfunktionalen Aspekten verstanden und durch Beobachtung und Diskurs beeinflusst werden. Ȥ Projektmanagement: Projekte sind gelungen gemanagt, wenn sie zu ihrem definierten Ziel führen, ohne die Mitarbeitenden zu überfordern bzw. zu zwingen, Planungsmängel durch situationsspezifisches Improvisieren zu kompensieren. Das Projektmanagement ist gelungen, wenn jenseits von Hierarchie und Vorgesetztenfunktion die Beteiligten ihre besonderen Kompetenzen koordiniert einsetzen können.

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Normatives Management3

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, kennen Sie die grundlegende Bedeutung der ethischen Fundierung organisationalen Handelns. Sie haben verstanden, dass sich in normativen Festlegungen der Sinn und der Zweck ausdrücken, die Ihre Organisation als gesellschaftlich nützlich legitimieren. Sie wissen um die Bedeutung der Werte für die Identifikation und Motivation der Beschäftigten. Darüber hinaus sind Sie in der Lage, durch entsprechende Managementinstrumente ein Wertetableau, eine Vision, eine Mission, ein Leitbild und Führungsgrundsätze zu entwickeln.

2.1 Wofür braucht eine Organisation normatives Management? Ethische Fragen sind heute – nicht nur im Wirtschaftssystem – kaum noch zu überschätzen. Das liegt vor allem daran, dass so gut wie alle sozialen Probleme – von der Ökonomie (z. B. Massentierhaltung, Kinderarbeit) bis zur Ökologie (z. B. Klimawandel, Artensterben) – auch als ethische Probleme verstanden werden (Homann u. Lütge, 2013, S. 1). Die Mehrung von Profit sei selbst als Ziel für Wirtschaftsunternehmen in mehrfacher Hinsicht unpassend. Vielmehr komme es darauf an, gesellschaftlich relevante und ehrenwerte Ziele zu erreichen. Dieser Ansicht ist jedenfalls eine Gruppe renommierter Professoren, Managerinnen und Berater, die unter der Leitung von Gary Hamel Eckpunkte eines zukunftsfähigen Managements entwickelt haben (Hamel, 2009). Zu dieser Gruppe gehören u. a. so namhafte Managementexperten wie Chris Argyris, Henry Mintzberg und Peter Senge. In Zukunft müssten Managementsysteme ethischen Kriterien genügen und Organisationen zu gesellschaftlich verantwortlichen Corporate Citizens werden. Was in Zukunft für Wirtschaftsunternehmen gelten soll, gilt für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung schon lange. Organisationen haben nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie eine nachhaltige Funktion für die Gesellschaft haben und entsprechende Leistungen für ihre Zielgruppen bieten. Krankenhäuser verbessern den Gesundheits3 Vgl. Zech (2010, S. 34 ff.).

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zustand der Bevölkerung und heilen Patienten von ihren Krankheiten. Stadtwerke versorgen die Gesellschaft mit Energie und liefern den Haushalten und den Unternehmen Strom. Bildungsorganisationen sichern die Zukunft der Gesellschaft insgesamt und bieten den Lernenden die Chance, sich durch Bildung zu inte­grieren und für diese einen sinnvollen Beitrag zu liefern. Beratungsorganisationen bieten Orientierung in unübersichtlichen gesellschaftlichen und individuellen Situationen. Und soziale Dienstleistungsorganisationen bieten Hilfe für diejenigen, die sich nicht selbst helfen können. Deshalb hat jegliches organisationale Handeln eine ethische Dimension, und deshalb brauchen Organisationen ein normatives Regulativ. Die integrierte Führung einer Organisation erfordert eine pragmatische Handlungsorientierung, die gemeinhin als Unternehmensphilosophie oder Organisationsphilosophie bezeichnet wird. Darunter werden die grundlegenden Überzeugungen und Werthaltungen verstanden, die das Denken und Handeln des Managements und der Mitarbeitenden beeinflussen. Egal, ob sich die Führungskräfte ihrer orientierenden Überzeugungen bewusst sind oder nicht, diese werden ihr Verhalten gegenüber Kunden und Mitarbeitenden, Partnerinnen und Wettbewerbern – kurz: ihr gesamtes unternehmerisches Handeln – prägen. Deshalb erscheint es ratsam, sich der normativen Grundlagen der organisationalen Führung bewusst zu sein bzw. sich diese bewusst zu machen. Das normative Management hat eine konstitutive Funktion für eine Organisation, weil es auf einer sehr grundsätzlichen Ebene die Praxis der Organisation und ihrer Beschäftigten begründet. Im normativen Management legitimiert eine Organisation ihre Existenzberechtigung in ihrer Leistung für die Gesellschaft, indem sie den von ihr geschaffenen Nutzen für ihre Ziel- und Interessengruppen (Stakeholder) in einer Zweckbegründung beschreibt. Daraus werden Prinzipien, Normen und Verhaltensregeln abgeleitet, die dem sozialen System und seinen Mitgliedern Sinn und Identität verleihen. Eine Organisation, die sich nicht in ihrem Beitrag für die Gesellschaft begründen kann, hat keine Legitimation. In der Klärung ihrer zentralen Werte zeigt die Organisation ihre Verantwortung. Insofern hat diese normative Dimension Konsequenzen für die gesamte Managementpraxis der Führungskräfte und das Alltagshandeln aller Beschäftigten nach außen und nach innen. Dass normativ richtiges Handeln und Konkurrenz im kapitalistischen Wettkampf vielfach in Widerspruch geraten können, ist offensichtlich. Wirtschaftsethische Bemühungen müssen sich deshalb auch auf die Ebene der Strukturen bzw. Handlungsbedingungen richten. Das heißt, es muss politisch sichergestellt werden, dass moralisches Handeln Organisationen nicht zum Nachteil gereicht, indem die Bedingungen des Wirtschaftens auch unter moralischen Gesichts-

Wofür braucht eine Organisation normatives Management?

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punkten für alle gleich definiert werden. Ethisch verantwortlich handelnde Organisationen dürfen keine Nachteile haben gegenüber solchen, die es mit der gesellschaftlichen Verantwortung nicht so genau nehmen. Deshalb wird zwischen Handlungsethik und Bedingungsethik unterschieden. Erst letztere stellt sicher, dass erstere wirklich funktionieren kann (Homann u. Lütge, 2013, S. 17 ff.). Aus dem – auch moralisch legitimierten – Existenzzweck ihrer Organisationen leitet das Management also Ziele für die Praxis ab, das heißt, es überführt allgemeine Zwecke über zu erreichende Resultate in konkreten Nutzen für die Umwelt (vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«). Wenn dieses dynamische Gleichgewicht zwischen organisationalem System und gesellschaftlicher Umwelt aus der Balance gerät und bestimmte Organisationen mehr an ihrem Selbsterhalt als an der Produktion von Nutzen für die Gesellschaft interessiert sind, ist dies ein Zeichen dafür, dass das normative Management versagt hat. Dann setzt zu Recht gesellschaftliche Kritik ein, wie wir dies in periodischen Abständen z. B. gegenüber Schulen, Krankenhäusern, Mineralölkonzernen oder Banken immer wieder erleben, die ihre gesellschaftliche Aufgabe nicht mehr adäquat erfüllen. Es kommt zum Konflikt zwischen den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Praxis der Organisationen, die nicht mehr den Nutzen ihrer Stakeholder, sondern nur noch den ihrer Shareholder im Auge haben. Stakeholder bezeichnet in diesem Zusammenhang Personengruppen, die ein inhaltliches Interesse an der Entwicklung der Organisation haben, die sogenannten Interessengruppen. Wohingegen Shareholder am Unternehmen finanziell beteiligt sind und daher auf den finanziellen Gewinn fokussieren. Normatives Management, auch Wertemanagement oder Ethikmanagement genannt, ist deshalb die Grundlage für erfolgreiche Unternehmensführung im Sinne ihrer Interessengruppen wie Kunden, Mitarbeiterinnen, Dienstleister, Kooperationspartnerinnen, Kommunen, Eigner, Vorstände, Beiräte usw. Normatives Management dient der moralischen, ökologischen, juristischen und ökonomischen Sicherung des Unternehmens, das heißt seiner gesellschaftlichen Legitimierung. Eine besondere Bedeutung für das Management von Organisationen haben Werte deshalb, weil sie die Handlungen, Urteile und Entscheidungen von Menschen auch jenseits von einzelnen Arbeitszielen oder konkreten Einzeltätigkeiten beeinflussen. Damit bestimmen sie auch maßgeblich die Motivation der Beschäftigten. Ein systematisches normatives Management schlägt sich konkret nieder in der Ausformulierung Ȥ eines organisationalen Wertetableaus, Ȥ einer Vision für die angestrebte Zukunft der Organisation,

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Normatives Management

Ȥ einer Mission des gesellschaftlichen Nutzens, der gestiftet werden soll, Ȥ einem Leitbild, das die Praxis der Organisation anleitet, und von Ȥ Führungsgrundsätzen, die die Handlungen des Managements anleiten (siehe die Managementinstrumente unten).

2.2 Werte fundieren Handeln Der Wert einer Organisation hängt von ihren Werten ab – und nicht einseitig nur von ihrem finanziellen Wert. Jede Organisation hat neben ihrem ökonomischen Wert weitere, ob es sich um förderliche oder eher schädliche handelt. Je weniger bewusst die eigenen Werte sind, desto größer ist die Gefahr, dass sich problematische darunter finden. Werte kann man in verschiedener Hinsicht spezifizieren: Ȥ Werte des Menschenbildes: z. B. Selbstverantwortung, Toleranz, Wertschätzung, im negativen Fall vielleicht auch Überheblichkeit oder Rassismus, Ȥ Leistungswerte: z. B. Qualität, Effizienz, Innovationsbereitschaft, im problematischen Sinne Verweigerung oder Faulheit, Ȥ Führungswerte: z. B. Transparenz, Partizipation, Konsequenz, denkbar wären aber auch Autoritarismus oder Herrschaftlichkeit, Ȥ Kooperationswerte: z. B. Fairness, Zuverlässigkeit, Konfliktfähigkeit, gelegentlich gibt es in Organisationen aber auch Konkurrenz oder Misstrauen, Ȥ ökologische Werte: z. B. Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Umweltverträglichkeit, doch auch Ignoranz gegenüber der Umwelt oder Ressourcenvergeudung könnten vorkommen, Ȥ gesellschaftliche Werte: z. B. Freiheit, Demokratie, Verantwortung für das Gemeinwesen, aber auch Individualismus oder sogar Egoismus wären denkbar. Die unterschiedlichen Wertedimensionen dürfen sich selbstverständlich nicht widersprechen, sondern sind so aufeinander abzustimmen, dass in ihnen die spezifische Identität der Organisation ersichtlich wird und sie eine Orientierung für die Entscheidungen des Managements bieten. Diese grundlegenden Werte müssen sich dann in allen Leitlinien wie Vision, Mission, Leitbild und Führungsgrundsätzen ausdrücken. Diese integrative Form normativen Managements ist deshalb wichtig, damit die Werte nicht nur postuliert werden, sondern die Kultur der Organisation prägen und die Handlungen der Beschäftigten leiten. Das Management hat hier Vorbildfunktion! Organisationen sind soziale Gemeinschaften der dort arbeitenden Menschen. Sie werden nicht durch reine Zweckorientierungen zusammengehalten, sondern vor allem durch ein System gemeinsamer Werte. Das Management

Die Vision als Leitstern in die Zukunft

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von materiellen und ideellen Werten ist dabei kein Gegensatz, sondern letztere tragen maßgeblich zum sachlichen und finanziellen Erfolg bei. Eine normative Positionierung der Organisation wirkt sich positiv auf alle ihre Beziehungen und Kooperationen aus. Kunden, Partnerinnen und Mitarbeitende honorieren ein wertebasiertes Verhalten der Organisation ihrerseits mit Loyalität und Verlässlichkeit. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind lieber bei Arbeitgebern beschäftigt, die Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Sie stehen der Tatsache, dass ihr Arbeitgeber ein Werteprogramm hat, positiv gegenüber und begrüßen dies sehr (zu 90 Prozent); und zu knapp 70 Prozent halten sie Werteprogramme auch für wirksam (Wieland u. Fürst, 2003). Kunden kaufen lieber bei Unternehmen, die ein normativ einwandfreies Image haben, bzw. werden zunehmend sensibel gegenüber ökologisch bedenklichen Dienstleistungen und Produkten.

2.3 Die Vision als Leitstern in die Zukunft Eine unternehmerische Vision ist der Leitstern für das normative, strategische und operative Management einer Organisation. Die Vision ist nicht das Ziel, sondern sie gibt die Richtung der Reise in die Zukunft vor. Visionen sind weitreichende Zukunftsvorstellungen und drücken aus, welche wünschenswerte Stellung die Organisation in der Gesellschaft einnehmen möchte, welchen nutzenorientierten Beitrag sie für deren Entwicklung leisten will. Sie formulieren den Existenzsinn der Organisation und sind Orientierung der Selbstverortung. In ihrer Orientierungsfunktion werden sie gelegentlich mit dem Polarstern verglichen (Bleicher, 2004, S. 105 ff.). Sie sind weder eine unrealistische Träumerei einer unbestimmten Zukunft noch eine allzu pragmatische Vorstellung eines bereits erkennbaren Morgen. Visionen sind das Bild einer angestrebten zukünftigen Wirklichkeit, die realisierbar erscheint, aber noch nicht Realität ist. Visionen sind Fernbilder, aber sie sind dennoch realistisch genug, um Begeisterung für den angestrebten Zustand wecken zu können. Genau durch diese Mittelposition setzen sie Energien zur Gestaltung der Zukunft frei. Sie haben Motivationskraft für die Beschäftigten, weil diese in ihren jeweils eigenen Beiträgen einen Sinn für das Ganze entdecken können. Visionen haben unterschiedliche Funktionen: Ȥ Sie verschaffen der Organisation gesellschaftliche Legitimation. Ȥ Sie ermöglichen eine Identifikation der Beschäftigten mit der Organisation. Ȥ Sie vermitteln Sinn für den Beitrag der Einzelnen.

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Sie haben Motivationskraft für die Arbeit. Sie differenzieren die Organisation im Verhältnis zum Wettbewerb. Sie geben Orientierung für das Selbstverständnis der Organisation. Sie leiten die Weiterentwicklung der Organisation zur Sicherung der eigenen Zukunft.

Visionen können als selbsterfüllende Prophezeiungen für die Zukunft der Organisation wirken. Deshalb müssen sie in den Köpfen und Herzen der Mitglieder verankert sein. Leider neigen vor allem Wirtschaftsunternehmen dazu, Visionen oft rein formal bzw. rein ökonomisch zu formulieren: »Wir werden Marktführer!« Im Grunde handelt es sich dabei gar nicht um Visionen; erstens, weil der gesellschaftliche Existenzzweck nicht formuliert ist, und zweitens, weil wohl kein Beschäftigter allein in der Größe seines Arbeitgebers einen Sinn für seine Arbeit entdecken kann. Visionen basieren auf einer in die Zukunft reichenden unternehmerischen Idee. In ihnen drücken sich Vorstellungen der Organisationen über ihre Position und ihre Aufgabe in der Gesellschaft und der Wirtschaft aus. Unternehmensvisionen sind oft verbunden mit den Gründerpersönlichkeiten einer Organisation oder mit langjährigen Leitungspersönlichkeiten. Das birgt Gefahren in sich, wenn Führungskräfte wechseln oder Neuausrichtungen erforderlich werden. Visionen sollten, damit sie wirksam sind, von der gesamten Organisation getragen werden. Deshalb ist es wichtig, in die Visionsentwicklung möglichst viele Beschäftigte einzubinden. Wenn die Organisation zu groß ist, um alle zu beteiligen, müssen Rückkopplungsschleifen zu den Beschäftigten und entsprechende Kommunikationsprozesse der Vision eingeplant werden.

2.4 Die Mission kommuniziert das Warum Die Grundorientierung und generelle Begründung des eigenen Existenzzwecks der Organisation, wie sie in der Vision beschrieben sind, finden ihren komprimierten Ausdruck in der Formulierung einer Mission. Eine Mission formuliert knapp und pointiert den von der Organisation geschaffenen Nutzen für ihre Interessengruppen und möglicherweise sogar für die Gesellschaft insgesamt. Die Mission legt fest, warum gehandelt wird, nicht wie. Der Begriff der Mission verweist auf die Praxis des Missionierens; und im gewissen Sinne geht es auch darum, den existenzbegründenden Organisationszweck breit zu kommunizieren, um Identifikation von Menschen – Kunden und Mitarbeitenden – zu ermöglichen (Bleicher, 2004, S. 167). Bei der Entwicklung

Die Mission kommuniziert das Warum

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einer Mission kann man sich fragen, wofür man am Ende den Menschen in Erinnerung bleiben will (Drucker, 2009, S. 150). Wenn die Vision ihre motivierende Wirkung für die Organisation eher nach innen entfalten soll, so ist die als Mission formulierte Kurzfassung für die Kommunikation nach außen gegenüber den Kunden und Kundinnen und der allgemeinen Öffentlichkeit gedacht. Es geht nicht um Formulierungen für das Erreichen kurzfristiger Ertragsziele, sondern um die Darstellung des langfristigen Nutzens für die Umwelt der Organisation. Daher sollte eine Mission Ȥ die gesellschaftliche Bedeutung der Organisation betonen, Ȥ die soziale und ökologische Verantwortung der Organisation hervorheben und Ȥ die Leistungen der Organisation für ihre Kundinnen und Kunden formulieren. Die Mission ist Ausdruck der gesellschaftlichen Existenzberechtigung und Legitimation der Organisation und formuliert daher eine langfristige Perspektive und keine Tagespolitik. Genau wie bei der Vision sollte hier eine Zeitspanne von etwa zehn Jahren im Blick behalten werden. Möglicherweise bleibt die Mission sogar für die gesamte Existenz der Organisation die gleiche. Dieser gesellschaftliche Auftrag ist für die Organisation eine normative Aufforderung für eine bestimmte Praxis, deren Wertegrundlagen auch in den einzelnen Handlungen der Beschäftigten spürbar sein sollten. Die Mission legt allerdings noch nicht fest, welche konkreten Produkte und Dienstleistungen die Organisation anbietet. Einzelne Produkte und Dienstleistungen einer Organisation können über die Jahre wechseln, ihre Mission aber bleibt bestehen. Als Ultrakurzversion kann die zentrale Aussage der Mission als sogenanntes Mission Statement auf den Punkt gebracht werden. Gute Mission Statements sind inhaltlich formuliert und nicht rein ökonomisch formal. Nicht »Wir vergeben Kredite für den Hausbau!«, sondern »Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause!«. Nicht »Wir betreiben soziale Einrichtungen!«, sondern »Dienst am Menschen – damit Leben gelingt!«. Nicht »Wir bieten preisgünstige Seminare!«, sondern »Bildung und Kultur für ein Leben in guter Gesellschaft!«. Nicht »Wir sind eine internationale, medizinische Hilfsorganisation!«, sondern »Denen dienen, die am verwundbarsten sind!«.

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2.5 Das Leitbild als Leistungsversprechen Ein Leitbild ist eine gemeinsame Selbstbeschreibung der Organisation durch deren Beschäftigte. Es soll die Handlungen der Organisation bzw. der Organisationsmitglieder anleiten und an gemeinsamen Zielen ausrichten. Das Leitbild muss von außen als Profil erkennbar und von innen erlebbar sein. Das Leitbild ist ein Ausweis des eigenen Selbstverständnisses und damit ein Leistungsversprechen gegenüber den Kunden und Kundinnen (Zech, 2008a, S. 31 ff.). Über die Formulierung der allgemeinen Organisationsziele gibt das Leitbild der Organisationspraxis Orientierung. Es ist der konkrete Werte- und Verhaltenskodex der Organisationsmitglieder, an dem sie ihre alltäglichen Handlungen ausrichten können. Im Leitbild beschreibt die Organisation ihre Gegenwart – bestenfalls mit einer leicht idealisierten Tendenz in die nahe Zukunft. Ein Leitbild ist damit der Ausdruck der jeweiligen Identität der Organisation oder – wie man auch sagt – ihrer Corporate Identity. Es beschreibt die besonderen Fähigkeiten der Organisation und ihre Leistungen für ihre Kunden und Kundinnen. Das Leitbild ist aber nicht nur die Darstellung der Organisation nach innen und außen; es ist auch ein Führungsinstrument für das Management. Als Führungsinstrument ermöglicht das Leitbild dem Management sowohl die Ausrichtung des eigenen Verhaltens wie auch die Überprüfung des Verhaltens der Mitarbeitenden an den vereinbarten Normen und Werten. Man sollte die Wirkung von Leitbildern nach innen und außen nicht unterschätzen, denn auch im negativen Fall, wenn sich Führungsmitglieder oder Mitarbeitende nicht an die formulierten Standards halten, wird dies auf der Folie des kommunizierten Leitbildes besonders deutlich. Abweichungen werden sowohl von den Kolleginnen und Kollegen als auch von den Kundinnen und Kunden aufmerksam registriert. Leitbilder haben also einen hohen normativen Verpflichtungscharakter. Besonders das Management muss Vorbild sein und die Grundsätze des Leitbildes im alltäglichen Handeln realisieren. Organisationen ohne ein gemeinsames Leitbild können ihre zielgerichtete Stoßkraft verlieren, weil die Energien nicht gebündelt werden und die Aktivitäten der verschiedenen Organisationsmitglieder in unterschiedliche Richtungen weisen können. Leitbilder sollten Aussagen der Organisation über ihre Identität und ihren Auftrag enthalten. Sie sollten Auskunft geben über ihre allgemeinen Ziele und ihre grundlegenden Werte. Die Nutzergruppe der Organisation, das heißt ihre Kunden, sollten bezeichnet werden. Die besonderen Fähigkeiten der Organisation sollten beschrieben und ihre Leistungen hervorgehoben sein. Denkbar ist es, auf Ressourcen hinzuweisen, aus denen eine Organisation ihre Kraft zieht. Empfehlenswert ist es auch, im Leitbild deren Verständnis vom Gelingen ihrer

Das Leitbild als Leistungsversprechen

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angebotenen Leistungen zu verankern, denn vor allem zählt die inhaltliche Realisierung ihres Zwecks und nicht nur der finanzielle Erfolg (wie bereits erwähnt). Dies klärt das eigene professionelle Selbstverständnis und signalisiert den Kunden, was sie erwartet. Um wirksam zu sein und nachhaltig zu bleiben, müssen Leitbilder beteiligungsorientiert entwickelt werden, denn nur wer beteiligt wurde, wird sich hinterher mit dem Ergebnis identifizieren können. Sie müssen schriftlich fixiert sein, damit im Zeitverlauf keine Unklarheiten zwischen den Beteiligten aufkommen und neue Beschäftigte in die Werte und Ziele der Organisation eingeführt werden können. Es ist zwingend, das erstellte Leitbild intern sowie extern für die Kunden und andere Stakeholder zu veröffentlichen, z. B. in Programmen, Imagebroschüren und Flyern sowie auf der Webseite. Leitbilder haben folgende Funktionen (Belzer, 1995, S. 20 ff.): Ȥ eine Selbstverständigungsfunktion für die Identität der Organisation, Ȥ eine Identifikationsfunktion für die Schaffung und Erhaltung der Loyalität der Beschäftigten, Ȥ eine Orientierungsfunktion für das Handeln der Organisationsmitglieder, Ȥ eine Motivationsfunktion für die Leistungserbringung der Mitarbeitenden, Ȥ eine Führungsfunktion für das Management, Ȥ eine Informationsfunktion im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Organisation, Ȥ eine Legitimationsfunktion gegenüber den Kunden, anderen Interessengruppen und der Gesellschaft insgesamt, Ȥ eine Transformationsfunktion zur Unterstützung von Organisationsentwicklungsprozessen. Aus der oben genannten Funktion von Leitbildern ergibt sich z. B. folgender Nutzen: Ȥ Alle Handlungen der Organisation und ihrer Beschäftigten richten sich an gemeinsamen Vorstellungen aus. Ȥ Es gibt einen Maßstab zur Bewertung des Verhaltens der Führungskräfte und der Mitarbeitenden. Ȥ Die Kunden wissen, mit welcher Organisation sie es zu tun haben und können sich entsprechend orientieren. Ȥ Die Organisation kann zielorientiert geführt werden. Ȥ Ein Leitbild weist den Weg für weitere Entwicklungen der Organisation.

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2.6 Führungsgrundsätze führen Führungskräfte Führung ist neben der unternehmerischen Steuerung der Organisation ganz wesentlich der Umgang mit Menschen. Dieser Personalführung liegt explizit oder implizit immer ein bestimmtes Menschenbild der Führungskräfte zugrunde. Mitarbeitende werden z. B. im hierarchischen Managementmodell als ausführende Befehlsempfänger, die kontrolliert werden müssen, abgebildet. Modernes systemisches Management unterstellt hingegen die Fähigkeit zur Selbststeuerung und setzt folglich mehr auf Vertrauen. Insofern haben Manager nicht die Wahl zwischen wertorientierter und wertfreier Führung. Ihr gesamtes Handeln ist normativ grundiert. Entscheiden können sie sich nur, ob sie bewusst und reflektiert mit dieser Tatsache umgehen wollen oder nicht. Als soziale Handlung hat Führung unterschiedliche Funktionen (Neuberger, 2002, S. 675): Ȥ Informationsfunktion: Führung kommuniziert Fakten oder beschreibt Tatsachen (zumindest so, wie diese sich den Führungskräften darstellen). Ȥ Expressive Funktion: Führung kommuniziert Absichten und (nicht immer bewusst) Gefühle, Motive, Vorurteile. Ȥ Relationsfunktion: Führungshandlungen definieren soziale Beziehungen, z. B. als hierarchisch oder partnerschaftlich, misstrauisch oder vertrauensvoll. Ȥ Steuerungsfunktion: Führungshandlungen lenken, sie sollen die Adressaten ihrerseits zu bestimmten (Anschluss-)Handlungen veranlassen. Ȥ Metakommunikative Funktion: Führung kommuniziert Interpretationen bzw. erklärt, wie bestimmte Sachverhalte oder Aussagen zu verstehen sind. Ȥ Reflexionsfunktion: Führung beobachtet ihre Wirkung und zieht daraus Rückschlüsse für zukünftiges Kommunizieren und Handeln. Führungsgrundsätze sind in dieser Hinsicht ein Versuch mentaler Programmierung durch Symbolisierung (Neuberger, 2002, S. 678). Das heißt: Indem die normativen Grundlagen des jeweiligen Führungsverständnisses expliziert werden, sollen sie durch Gewöhnung zum selbstverständlichen Handeln der Führungskräfte werden. Schriftliche Führungsgrundsätze explizieren die normativen Grundsätze der Führung. Sie dienen dazu, gewünschte Verhaltensweisen in der Organisation durchzusetzen und das Handeln der verschiedenen Führungskräfte zu vereinheitlichen. Führungsgrundsätze entwickeln eine regulative Normativität in der Organisation. Für die Leitungskräfte haben sie eine handlungsleitende Funktion, und für die Mitarbeitenden bilden sie die Folie,

Führungsgrundsätze führen Führungskräfte

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auf der das Führungsverhalten beobachtet wird. Die Vereinbarung, die Verschriftlichung und die Kommunikation von Führungsgrundsätzen schaffen daher zugleich eine Grundlage, anhand der das Führungsverhalten der Managerinnen ausgerichtet und bewertet werden kann. Führungsgrundsätze dienen letztendlich dem Gelingen der organisationalen Leistung, indem motivierende Rahmenbedingungen für das Zusammenwirken zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden geschaffen werden (Simon, 2002, S. 412). Sie sollten deshalb alle wesentlichen Managementaufgaben in der Steuerung der Organisation und der Führung von Menschen abbilden. Die Bedeutung des Vorbildes, das Manager in ihrer Organisation vorleben, darf nicht unterschätzt werden. Führungsqualität ist ein wesentlicher Ausdruck von und ein wirksamer Hebel für Organisationsqualität (Zech, 2008b). Damit die Führungsgrundsätze also nicht wirkungslos und bloßes Papier sind, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (Simon, 2002, S. 416 ff.): Ȥ Die Führungsgrundsätze müssen die Verantwortungsbereiche des Managements möglichst komplett abbilden. Ȥ Sie müssen von der obersten Organisationsleitung und allen vorgesetzten Instanzen anerkannt werden. Ȥ Das gesamte Management, aber auch die Mitarbeitenden – zumindest deren Vertretung – müssen an der Erarbeitung der Führungsgrundsätze beteiligt werden. Ȥ Sie müssen realistisch und praktisch anwendbar sein, dabei das allgemeine Führungsziel beschreiben, allerdings ohne Verhalten im Einzelfall zu präjudizieren. Ȥ Sie müssen den Mitarbeitenden genügend Entscheidungsfreiraum ermöglichen, deren Eigenverantwortung und deren Entwicklung fördern. Ȥ Die Führungskräfte sollten hinsichtlich dieser Grundsätze systematisch geschult werden. Ȥ Das konkrete Führungsverhalten des Managements sollte anhand der Grundsätze regelmäßig evaluiert werden. Das folgende Beispiel orientiert sich an den Managementaufgaben, wie sie u. a. in den einzelnen Kapiteln dieses Buchs ausführlich dargestellt sind. Unsere Führungskräfte: Ȥ führen unsere Organisation nach den ausgewiesenen normativen Grundsätzen im Interesse unserer Kunden, unserer Beschäftigten und in gesellschaftlicher Verantwortung. Ȥ gestalten bewusst die Zukunft unserer Organisation durch strategisches

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Management und systematische Weiterentwicklung gemäß den Anforderungen unserer Umwelt und Märkte. führen die Organisation zielorientiert, vereinbaren Arbeits- und Leistungsziele mit ihren zugeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und kon­ trollieren die Zielerreichung. initiieren und verantworten die Qualitätsentwicklung der Organisation und veranlassen kontinuierliche Verbesserungen der Geschäftsprozesse sowie regelmäßige Produkt- bzw. Dienstleistungsinnovationen. schaffen adäquate Informations- und Kommunikationsstrukturen und sorgen dadurch für Transparenz und Informiertheit in der Organisation. kommunizieren umfassend und wertschätzend mit den Mitarbeitenden, beteiligen diese an der Vorbereitung von Entscheidungen und stellen Möglichkeiten der Personalentwicklung und Mitarbeiterfortbildung bereit. führen die Organisation wirtschaftlich und ressourcenschonend, effizient und erfolgsorientiert. kommunizieren wertschätzend mit den Kundinnen und Kunden und setzen sich persönlich für das Marketing und den Vertrieb der Produkte und Dienstleistungen ein. schaffen ein Klima des Lernens und regeln auftauchende Konflikte überparteilich. vertreten die Interessen der Organisation nach außen gegenüber den unterschiedlichen Interessengruppen, Partnerinnen und Wettbewerbern.

Für die Wirksamkeit der Führungsgrundsätze ist das Verfahren ihrer Erarbeitung und ihrer Vermittlung ebenso wichtig wie das schlussendliche Ergebnis. Deshalb stellen sich in diesem Zusammenhang z. B. folgende Fragen (Neuberger, 2002, S. 751 f.): Ȥ Wer hat die Führungsgrundsätze mit welcher Legitimation erarbeitet? Ȥ Wurden die Grundsätze von übergeordneten Instanzen (z. B. Stadtverwaltungen oder Vorständen) vorgeschrieben oder wurden die Führungskräfte an der Erarbeitung beteiligt? Ȥ Wurden die geführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess einbezogen? Ȥ Wie konkret sind die handlungsleitenden Formulierungen, bzw. lassen sich die gewünschten Verhaltensweisen beobachten? Ȥ Ist offengelegt und begründet, warum diese und nicht andere Grundsätze ausgewählt wurden? Ȥ Was passiert, wenn sich die Führungskräfte nicht an die Grundsätze halten, bzw. gibt es ein definiertes Verfahren zur Regelung von Konflikten?

Managementinstrumente für die Praxis

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Normatives Management ist eine nicht delegierbare Führungsleistung des Managements. Hier werden die Wertegrundlagen der Existenzberechtigung der Organisation gelegt und damit die Rahmenbedingungen des unternehmerischen Handelns geschaffen, die im strategischen Management mit langfristigen Zielen unterlegt und im operativen Management durch entsprechende Maßnahmen in die Praxis umgesetzt werden. Hierbei können folgende Managementinstrumente helfen.

2.7 Managementinstrumente für die Praxis Die im Folgenden dargestellten Managementinstrumente haben sich in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung für das normative Management bewährt. 2.7.1  Managementinstrument: Wertetableau Verteilen Sie das folgende Wertetableau (vgl. Abbildung 4) an alle Beschäftigten Ihrer Organisation mit der Bitte, in jedes Wertefeld in absteigender Bedeutung drei Werte einzutragen, die das Menschenbild, die Leistung, die Führung, die Kooperation, das ökologische Verhalten und den Gesellschaftsbezug der Organisation in der Praxis ausmachen. Es sind also tatsächlich wirksame Werte einzutragen und keine Wunschvorstellungen. Das Wertetableau unserer Organisation Werte des Menschenbildes Leistungswerte 3 Punkte: 3 Punkte: 2 Punkte: 2 Punkte: 1 Punkt: 1 Punkt: Führungswerte Kooperationswerte 3 Punkte: 3 Punkte: 2 Punkte: 2 Punkte: 1 Punkt: 1 Punkt: Ökologische Werte Gesellschaftliche Werte 3 Punkte: 3 Punkte: 2 Punkte: 2 Punkte: 1 Punkt: 1 Punkt: Abbildung 4: Das Wertetableau unserer Organisation

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Normatives Management

Sie werden pro Wertedimension jeweils eine unterschiedlich große Anzahl von Werten erhalten, die deutlich kleiner ist als die Anzahl ihrer Beschäftigten mal drei, weil in der Praxis real vorhandene Werte häufig wiederkehren werden. Durch die Addition der jeweiligen Punkte pro Wert erhalten Sie die Ihre Organisation prägenden Werte. Dabei kann es grundsätzlich zu folgenden Ergebnissen kommen: A. Es bilden sich die zentralen Werte der Organisation eindeutig ab, mit denen das Management zufrieden sein kann. B. Die Organisation verfügt über keine konsistente Wertebasis; die gesammelten Werte sind vielfältig und widersprüchlich. C. Es bilden sich zwar zentrale Werte heraus; diese sind aber eher negativ konnotiert. Als Management haben Sie entsprechend drei Aufgaben. A) Die erste ist die einfachste: Sie kommunizieren das Wertetableau nach innen und nach außen. B) Sie organisieren – am besten mit externer Moderation – mit allen Beschäftigten einen Wertekongress, auf dem Sie sich auf zentrale Werte verständigen, die anschließend in einer Zukunftsvision, in der Mission Ihrer Organisation, in einem Leitbild und in Führungsgrundsätzen zum Ausdruck gebracht werden. C) Je nachdem, in welchem Feld des Wertetableaus negative Werte auftreten, müssen Sie sich einer tiefgreifenden Werteanalyse stellen: 1. Fehlt der Organisation ein ethisches Fundament in einem positiven Men­ schenbild? 2. Ist die Leistungsmotivation der Beschäftigten mangelhaft? 3. Ist die Führungspraxis des Managements autoritär und diktatorisch? 4. Ist das Kooperationsverhalten nach innen und außen unverbindlich und unzuverlässig? 5. Achten das Management und die Mitarbeitenden nicht auf die ökologischen Folgen ihres Handelns? 6. Ist die Organisation ignorant gegenüber ihrem grundlegenden Zweck der Stiftung von gesellschaftlichem Nutzen? 2.7.2  Managementinstrument: Visionsentwicklung Visionen beschreiben das angestrebte System-Umwelt-Verhältnis der Organisation zu ihren Märkten. Zur Entwicklung einer Vision kann man sich an folgenden Fragen orientieren. Sie sind aus einer eingenommenen Zukunftsperspektive von in etwa zehn Jahren zu beantworten.

Managementinstrumente für die Praxis

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Fragebogen zur Visionsentwicklung

1. Fragen zum Umweltverhältnis der Organisation: • Was ist unsere gesellschaftliche Aufgabe, worin besteht unsere Leistung für die Gesellschaft? • Welchen Nutzen stiften wir für wen? • Was ist das Besondere an unseren Produkten und Dienstleistungen? • Wie erreichen wir unsere Kunden? • Was unterscheidet uns vom Wettbewerb? • Wodurch zeichnen sich unsere externen Kooperationen aus? • Wie ist unser Image in der Öffentlichkeit? 2. Fragen zur Innenwelt der Organisation: • Was ist das Besondere an uns, worin sind wir gegebenenfalls einzigar­tig? • Was eint uns in unserer Organisation? • Worin liegt unsere besondere Kraft? • Wodurch und wie sichern wir unsere Wertschöpfung? • Was kennzeichnet unsere internen Kooperationsverhältnisse? • Was zeichnet unser Management aus? • Was ist das Besondere an unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Vorgehen bei der Visionsentwicklung

An der Visionsentwicklung können sich in kleineren Organisationen alle Beschäftigten beteiligen. In größeren Organisationen bietet sich dafür die Bildung eines Visionsteams an. Dieses wird aus kreativen Personen aus allen Funktionsbereichen und Führungsebenen gebildet; die Gruppe sollte aber nicht mehr als zehn Personen umfassen, um noch gut arbeitsfähig zu sein. Denkbar ist es, auch externe Personen aus dem Stakeholderkreis einzubinden oder das Ergebnis vor der endgültigen Beschlussfassung mit ausgewählten Externen rückzukoppeln. Auf jeden Fall sollte eine Rückkopplungsschleife zu allen Beschäftigten eingeplant werden, wenn das Team nicht bereits aus allen bestand. Die Letztverantwortung für die Vision trägt das geschäftsführende Management. Das konkrete Vorgehen kann nach Art eines Kettenbriefs gestaltet werden: 1. Eine Person – am besten die oberste Führungskraft – beginnt und beantwortet alle Fragen schriftlich an ihrem Computer. 2. Wenn sie fertig ist, sendet sie ihr Produkt an eine zweite Person, die den Text nach Belieben überarbeiten und ergänzen kann.

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3. Danach erhält eine weitere Person den Text und geht genauso vor, bis alle Beteiligten an der Reihe waren und Gelegenheit hatten, ihre Gedanken in den Text einzuarbeiten. 4. Alle Versionen des Kettenbriefs werden gespeichert, damit keine Ideen verloren gehen und sie später gegebenenfalls wieder aufgenommen werden können. 5. Das Endprodukt wird dann bei einem Treffen des Visionsteams diskutiert, eventuell verändert und verabschiedet. 6. Auf der Basis dieser Rohfassung wird eine redaktionell überarbeite Endversion erstellt, die allen Beschäftigten und ausgewählten externen Interessengruppen zur Kommentierung vorgelegt wird. 7. Auf der Basis der Rückmeldungen entsteht dann die schlussendliche Vision, die in der gesamten Organisation kommuniziert werden muss. 2.7.3  Managementinstrument: Missionsentwicklung Bei der Erarbeitung einer Mission kommt es auf drei Dinge an: 1. Die Formulierung sollte relativ kurz sein, damit sie leicht ­kommunizierbar ist. 2. Die Formulierung soll den wesentlichen Gehalt des gesellschaftlichen Auftrages der Organisation bzw. der Nutzenproduktion für die Interessengruppen enthalten. 3. Die Formulierung soll eingängig und werbend sein, damit die Mission bei den Empfängern – Kunden und Mitarbeitenden – in Erinnerung bleibt und diese sich damit identifizieren können. Um so eine Formulierung zu finden, bietet sich die Kreativmethode des Brainwriting an. Diese Methode hat in diesem Fall drei Phasen: die Produktionsphase, die Bewertungsphase und die Redaktionsphase. Das Verfahren läuft folgendermaßen ab: Produktionsphase Ȥ Sie brauchen ein eingespieltes Team von maximal zehn Personen, das durch ein oder zwei Fremdkörper erweitert sein kann. In unserem Zusammenhang könnte dies das Visionsteam sein, denn dessen Mitglieder haben das Selbstverständnis der Organisation vermutlich am besten verinnerlicht. Als Fremdkörper können Personen aus den Interessengruppen eingebunden werden, die die Organisation kennen und ihr positiv gegenüberstehen. Eine Marketingfachkraft kann auch recht hilfreich sein.

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Ȥ Alle Teilnehmenden bekommen ein DIN A4-Blatt und notieren einen Vorschlag. Das Blatt wandert dann an die nächste Person im Uhrzeigersinn weiter. Ȥ Diese schreibt auf das Blatt einen zweiten Vorschlag. Dieser kann neu sein, aber auch eine Variation des ersten Vorschlags. Ȥ So geht es weiter, bis alle Personen auf allen Blättern Vorschläge formuliert haben. Wenn erste Ermüdungserscheinungen auftreten, sollte man das Verfahren nicht gleich beenden. Erfahrungsgemäß kommt es nach kurzer Zeit zu einer zweiten Inspirationsphase. In dieser Phase geht es vor allem um Quantität; verrückte, sogar abstruse Ideen sind ausdrücklich erwünscht. Ȥ Wenn es dennoch zu keinen Ideen kommt, kann man als Variation auch die Regel einführen, absichtlich völlig ungeeignete Vorschläge für eine Mission einzureichen. Später können diese Vorschläge manchmal durch die sogenannte Kopfstandmethode in positive Ideen umformuliert werden. Bewertungsphase Ȥ Wenn die Gruppe den Eindruck hat, dass genügend Vorschläge vorliegen, können die besten durch Abstimmung per Handzeichen oder Punkte ausgewählt werden. Ȥ In dieser Phase darf auch argumentiert und begründet werden, warum man welchen Vorschlag für geeignet bzw. ungeeignet hält. Ȥ Man kann an dieser Stelle auch aus zwei (Teil-)Vorschlägen einen neuen Vorschlag machen, denn häufig hat man die Erfahrung gemacht, dass zwei abseitige Ideen in der Kombination eine weiterführende gute Idee ergeben. Ȥ Die Gruppe diskutiert so lange, bis sie sich auf eine Grundrichtung für die Formulierung einer Mission geeinigt hat. Redaktionsphase Ȥ Die Rohfassung der Mission wird an eine kleine Redaktionsgruppe übergeben. Hierbei kann es sich sogar um eine einzelne Person handeln, z. B. um den Marketingbeauftragten. An dieser Stelle kann auch eine professionelle Agentur eingeschaltet werden. Ȥ Der ausformulierte Vorschlag für die Mission wird zu einem späteren Zeitpunkt wieder im Missionsteam und/oder – wenn die Organisation nicht zu groß ist – mit allen Beschäftigten diskutiert. Auch an dieser Stelle kann man wieder die Meinung von Interessengruppen, wie Vorständen, Beiräten, Kundenvertretungen etc., einholen. Ȥ Schließlich beschließt das Management die endgültige Version der Mission.

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Normatives Management

2.7.4  Managementinstrument: Leitbildentwicklung Leitbilder können unter Zuhilfenahme des folgenden Fragebogens beteiligungsorientiert in einem aufsteigenden Verfahren entwickelt werden, indem zunächst jedes Organisationsmitglied den Bogen für sich ausfüllt. Danach setzt es sich mit einer anderen Person zusammen und diese beiden Personen machen aus ihren zwei Bögen einen gemeinsamen. Danach suchen sie sich eine andere Zweiergruppe und wiederholen den Prozess mit den jetzigen zwei Bögen. Anschließend kommen jeweils zwei Vierergruppen zusammen. Und in dieser Form geht es weiter, bis sich zum Schluss nur noch zwei relativ große Gruppen – aber mit auch nur zwei ausgefüllten Fragebögen – gegenübersitzen und eine Letztversion des Leitbildfragebogens erstellen. Dieser letzte Bogen ist dann die Grundlage für das danach noch redaktionell auszuarbeitende Leitbild. Fragebogen zur Leitbildentwicklung

1. Identität und Auftrag: Wer sind wir? Was ist unser selbst gewählter und/oder organisationsspezifischer Auftrag? 2. Werte: Wofür stehen wir? Welche Werte leiten unser Handeln? 3. Kunden: Wer sind unsere Auftraggeber, Adressaten und Zielgruppen? Wer nimmt real an unseren Veranstaltungen teil? 4. Allgemeine Organisationsziele: Was wollen wir im Allgemeinen erreichen? Was ist unser Organisationszweck? Welche Ziele verfolgen wir? 5. Fähigkeiten: Was können wir? Über welches Know-how verfügen wir? Wo liegen unsere Stärken? 6. Leistungen: Was, welche Produkte und Dienstleistungen, bieten wir? 7. Ressourcen: Was haben wir dafür zur Verfügung? Welche besonderen Hilfsquellen haben wir zur Verfügung? Worauf können wir zurückgreifen? 8. Gelingen: Woran, an welchen Merkmalen und/oder Kundenreaktionen, erkennen wir das Gelingen unserer angebotenen Leistungen? 2.7.5 Managementinstrument: Erarbeitung von Führungsgrundsätzen Vorgehen bei der Erarbeitung von Führungsgrundsätzen: 1. Die Führungskräfte einigen sich zunächst auf eine Liste ihrer zentralen Managementaufgaben und kommunizieren diese in der Organisation. 2. Danach beschreiben sie die in diesen Bereichen erforderlichen und erwünschten Verhaltensweisen möglichst konkret.

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Managementinstrumente für die Praxis

3. Parallel dazu werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anonym und schriftlich dazu befragt, wie sie das Führungsverhalten ihrer Manager in den ausgewiesenen Bereichen erleben. Widersprüche und Unterschiede zwischen verschiedenen Führungspersonen sollen durchaus beschrieben werden. Dazu ist es nicht erforderlich, die Namen der adressierten Personen explizit zu nennen. Es kommt nur auf die faktisch in der Organisation vorhandenen Verhaltensweisen an. 4. Im Kreis der Führungskräfte, erweitert durch eine Mitarbeitervertretung (z. B. den Personalrat), werden die gewünschten Handlungsgrundsätze mit den faktisch beobachteten abgeglichen. Die Gruppe einigt sich auf endgültige Formulierungen. 5. Dieses Dokument der Führungsgrundsätze muss von der entscheidenden Instanz (z. B. Geschäftsführung, Vorstand) formal beschlossen und damit verbindlich gemacht werden. 6. Die nun definitiven Führungsgrundsätze werden allen Beschäftigten zur Kenntnis gegeben und im Organisations- oder Qualitätshandbuch dokumentiert. 7. Eine Ombudsperson als neutrale Instanz und ein Verfahren zur etwaigen Konfliktlösung werden ebenfalls festgelegt, kommuniziert und dokumentiert. Um die Wirksamkeit von Führungsgrundsätzen zu steigern, bietet sich eine Managementbewertung in festgelegten Abständen an. Dazu werden die Führungsgrundsätze in Form eines Fragebogens mit skalierten Bewertungen umgearbeitet. 2.7.6  Managementinstrument: Managementbewertung Das hier vorgestellte Bewertungsinstrument basiert auf dem Beispiel für Führungsgrundsätze, wie sie bereits vorgestellt wurden. Es muss entsprechend an die eigenen, organisationsspezifischen Führungsgrundsätze angepasst werden. Herr/Frau (Name der Führungskraft)  führt seinen/ihren Verantwortungsbereich nach den ausgewiesenen normativen Grundsätzen im Interesse unserer Kunden, unserer Beschäftigten und in gesellschaftlicher Verantwortung. stimmt voll und ganz

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gestaltet bewusst die Zukunft unserer Organisation durch strategisches Management und systematische Weiterentwicklung gemäß den Anforderungen unserer Umwelt und Märkte. stimmt voll und ganz

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führt die Organisation zielorientiert, vereinbart Arbeits- und Leistungsziele mit ihren/seinen zugeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und kontrolliert die Zielerreichung. stimmt voll und ganz

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initiiert und verantwortet die Qualitätsentwicklung seines/ihres Verantwortungsbereichs und veranlasst kontinuierliche Verbesserungen der Geschäftsprozesse sowie regelmäßige Produkt- bzw. Dienstleistungsinnovationen. stimmt voll und ganz

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schafft adäquate Informations- und Kommunikationsstrukturen und sorgt dadurch für Transparenz und Informiertheit in seinem/ihrem Verantwortungsbereich. stimmt voll und ganz

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kommuniziert umfassend und wertschätzend mit den Mitarbeitenden, beteiligt diese an der Vorbereitung von Entscheidungen und stellt Möglichkeiten der Personalentwicklung und Mitarbeiterfortbildung bereit. stimmt voll und ganz

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führt seinen/ihren Verantwortungsbereich wirtschaftlich und ressourcenscho­ nend, effizient und erfolgsorientiert. stimmt voll und ganz

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kommuniziert wertschätzend mit den Kunden und setzt sich persönlich für das Marketing und den Vertrieb unserer Produkte und Dienstleistungen ein. stimmt voll und ganz

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schafft ein Klima des Lernens und regelt auftauchende Konflikte überparteilich. stimmt voll und ganz

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vertritt die Interessen der Organisation nach außen gegenüber den unterschiedlichen Interessengruppen, Partnern und Wettbewerbern. stimmt voll und ganz

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Vorgehen bei der Managementbewertung: Ȥ Die Evaluation erfolgt grundsätzlich anonym, das heißt, es darf kein Rückschluss von den Bewertungen auf einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich sein. Ȥ Jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter füllt einen Bewertungsbogen für jede für sie/ihn verantwortliche Führungskraft aus. Ȥ Die Auswertung erfolgt pro Führungskraft, indem bei allen Einzelwertungen der jeweilige Mittelwert errechnet wird. Ȥ Denkbar ist es auch, für jede Führungskraft zusätzlich einen Mittelwert über alle ausgefüllten Bögen und alle Items zu errechnen. Eine solche Gesamt­ bewertung hat allerdings den Nachteil, dass sie keine einzelnen Handlungsbereiche ausweist, also weder besonders gute Führungshandlungen noch verbesserungsbedürftige kenntlich macht. Ȥ Die Auswertung pro Führungskraft sollte offen in der Organisation kommuniziert werden. Ȥ Das Managementteam nimmt eine Bewertung der Ergebnisse vor und vereinbart gegebenenfalls Konsequenzen, z. B. Fortbildung oder Coaching für einzelne oder alle Führungskräfte.

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Strategisches Management

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, dann wissen Sie, warum gerade in Zeiten des Umbruchs die Strategieentwicklung zur Königsdisziplin des Managements gehört. Sie kennen die Dynamiken der organisationalen Zukunftsgestaltung und sind in der Lage, durch den gezielten Einsatz von Managementinstrumenten Ihrer Organisation eine zukunftsorientierte Ausrichtung zu geben und damit ihr dauerhaftes Überleben zu sichern. Sie verschaffen sich durch den bewussten Ausbau der Kernkompetenzen Ihrer Organisation Vorteile gegenüber Ihren Wettbewerbern und nehmen Einfluss auf die Entwicklung Ihrer Märkte.

3.1 Die Bedeutung des strategischen Managements »Eine Organisation, die nicht in der Lage ist, ihre Existenz zu verlängern, ist gescheitert« (Drucker, 2007, S. 249). Den Erfolg einer Organisation auch in der Zukunft zu sichern, genau dazu dient das strategische Management. Abgeleitet von dem altgriechischen Wort strataegeo, das ein Handeln bezeichnet, welches sich auf das übergeordnete Ganze bezieht, positioniert strategisches Management die Gesamtorganisation in Bezug auf eine erwartete zukünftige Umwelt und deren Anforderungen. Es geht um die Weiterentwicklung von internen Kompetenzen, um veränderten und sich erwartbar verändernden Umweltanforderungen besser gerecht werden zu können. Oder mit Michael Porter (2011, S. 3) gesprochen, bedeutet strategische Positionierung, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen, indem Aktivitäten gesetzt werden, die sich von den Wettbewerbern unterscheiden oder die zwar ähnlich sind, aber auf eine andere Art und Weise realisiert werden. Als strategisch gelten diejenigen Fragestellungen, die für die Entwicklung einer Organisation von signifikanter Bedeutung sind. Strategische Entscheidungen betreffen demnach Fragestellungen, die den unternehmerischen Kern einer Organisation berühren, die insofern komplex und folgenreich sind und sich langfristig auswirken (Glatzel u. Wimmer, 2009, S. 194 f.). Strategisches Management handelt also mit Zukunft, und diese ist eben nicht die Verlängerung des Vergangenen, sondern ein Zustand, den noch keiner kennt. Strategisches Management hat es daher mit vielen Unwägbarkeiten zu tun, begibt sich

Die Bedeutung des strategischen Managements

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auf unbekanntes Terrain, muss in Bezug auf schwache Signale und Vermutungen handeln. Es bleibt also immer eine Grundparadoxie: Die Organisation muss möglichst erfolgreich auf die Zukunft ausgerichtet werden, obwohl die »für das Unternehmen relevanten Entwicklungen des Marktes und des Umfeldes unsicher und nicht berechenbar sind« (Nagel, 2017, S. 10). Daher liegt die besondere Anforderung für das Management darin, das Wechselspiel von Zukunftsverantwortung und gleichzeitiger Unkalkulierbarkeit der Zukunft zu gestalten. Wegen dieser Schwierigkeit wird die Strategieentwicklung auch als Königsdisziplin des Managements bezeichnet, ebenso emphatisch gefordert wie in der Praxis vermieden, denn Führungskräfte verlassen sich gern auf Zahlen, Daten, Fakten, die es in der betriebswirtschaftlich bewährten Form im strategischen Management nicht geben kann. Die Indikatoren für mögliche zukünftige Entwicklungen ihrer Umwelten, Märkte und Interessengruppen erhalten Organisationen daher aus der systematischen Suche nach schwachen Signalen, aus denen auf eine bestimmte Entwicklungstendenz geschlossen werden kann. Bei dieser systematischen Umweltbeobachtung wird die gesamte Organisation als Einheit – und nicht wie im operativen Geschäft einzelne Aktivitäten – in den Fokus der Betrachtungen und Analysen gerückt. Die grundlegenden Prämissen des eigenen Geschäfts werden vor dem Hintergrund der Umweltanalysen hinterfragt und gegebenenfalls zur Disposition gestellt. In diesem Prozess entwirft die Organisation für sich ein Bild der eigenen Zukunft, der eigenen besonderen Identität vor dem Hintergrund der erwarteten zukünftigen Herausforderungen. Diese bewusste Beschäftigung mit den Chancen und Risiken einer ungewissen Zukunft ist die Voraussetzung der Überlebensfähigkeit der Organisation. Zukunft ist nicht nur das, was uns schicksalhaft widerfährt, sondern auch das, was wir heute selbst schaffen. Strategisches Management ist die konsequente Ausrichtung der Gesamtorganisation an Umwelt, Zukunft und organisationsindividueller Besonderheit. Während man früher glaubte, allein durch eine optimale Anpassung an die Umweltbedingungen seine Zukunft sichern zu können, so ist dies heute bereits nicht mehr ausreichend. Dafür ändern sich die Umweltbedingungen zu rasant. Heute kommt es zusätzlich darauf an, sich eine gewisse Einmaligkeitsstellung im Markt zu sichern, durch eine systematische Trendanalyse zukünftige Entwicklungen möglichst vorwegzunehmen und Märkte damit zu gestalten. Schon seit Jahren ist eine gesellschaftspolitische Entwicklung zu beobachten, in der Umstrukturierung nicht in einer Kontinuität einer intern vorbereiteten und selbst vorangetriebenen Entwicklung verläuft, sondern als eine radikale Neustrukturierung, teilweise verbunden mit destruktiver Zerschlagung oder Abwicklung der vorhandenen Strukturen (Schäffter, 2001, S. 113). Keine Orga-

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Strategisches Management

nisation kann daher noch blind davon ausgehen, dass ihr Bestand garantiert ist. An der Organisationsfrage – und nicht mehr an Zielen und Inhalten des jeweiligen Angebotsportfolios – werden zukünftig Bestandserhalt und Zukunftsfähigkeit entschieden. Deshalb gewinnt auch hier strategisches Management eine immer größere Bedeutung. Die Zukunft der Organisationen entscheidet sich an ihren Fähigkeiten zu radikalen Selbstveränderungen verbunden mit der Fähigkeit, auf die gesellschaftlichen Transformationen gestaltend Einfluss zu nehmen. Strategisches Management kommt daher einem permanenten Selbsterschaffungsprozess der Organisation gleich, einer selbst gewählten zukünftigen Identität. Das Ergebnis dieses Prozesses besteht sowohl in der Neudefinition des eigenen Existenzgrundes als Organisation als auch in der Festlegung der wichtigen Schritte auf dem Weg dorthin (Nagel u. Wimmer, 2002, S. 23). Strategieentwicklung ist der Kernbaustein der Lernfähigkeit von Organisationen. Sie ist eine nicht delegierbare gemeinschaftliche Führungsleistung, die von der obersten Organisationsleitung verantwortet wird und in die gesamte Organisation einbezogen ist. Beim strategischen Management werden u. a. folgende Fragen beantwortet: Ȥ Weswegen gibt es uns und was ist unser Geschäft? Ȥ Welche Kundenprobleme lösen wir heute und welchen Nutzen produzieren wir in Zukunft? Ȥ Über welche Kompetenzen verfügen wir und wie können wir sie ausbauen? Ȥ Welche Geschäftsfelder besetzen wir heute und welche wollen wir besetzen? Ȥ Welche Produkte und Dienstleistungen bieten wir heute und welche wollen wir in Zukunft anbieten? Ȥ Wie kommunizieren wir heute mit unseren Kunden und wie werden wir sie zukünftig erreichen? Ȥ Mit wem kooperieren wir heute und wen brauchen wir in Zukunft als Kooperationspartner? Ȥ Welche Ertrags- und Wachstumsziele streben wir an? Ȥ Welche Markenpolitik wollen wir verfolgen? Der Erfolg einer Organisation hängt im Wesentlichen von einer guten Strategie ab und nur nachgeordnet vom operativen Management des Alltags. Strategisches Management hat also die entscheidende Bedeutung im Organisationsgeschäft. Forschung und Praxis haben gezeigt, dass es sich bewährt, verschiedene strategische Vorgehensweisen je nach Situation einzusetzen oder zu kombinieren. Organisationen, die nicht nur eine Zugangsweise gewählt haben, waren erfolgreicher als solche, die nur einen Prozess wählten (Kreutzer u. Lechner, 2009).

Die Bedeutung des strategischen Managements

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In diesem Sinn lässt sich die Vielfalt der Vorgehensweisen beim strategischen Management zu vier grundsätzlichen Varianten bündeln: Ȥ planungsorientierte Strategieentwicklung, Ȥ expertenorientierte Strategieentwicklung, Ȥ evolutionäre Strategieentwicklung, Ȥ systemische Strategieentwicklung. Jede dieser Spielarten zeichnet sich durch zugrundeliegende Glaubenssätze und daraus abgeleitete grundsätzliche Vorgehensweisen und Steuerungsformen aus: Ȥ Planungsorientierte Strategieentwicklung Diesem Ansatz liegt ein Glaube an die rationale Planbarkeit der Zukunft und eine eher maschinenartige Vorstellung von Organisation zugrunde. Die Rationalität und die Übersicht werden vor allem der Spitze der Organisation zugebilligt. Dort werden Ziele und Maßnahmen geplant, die dann von oben nach unten umgesetzt werden sollen. Der Steuerungsmodus ist entsprechend hierarchisch. Obwohl sich in der Praxis weitgehend die Einsicht durchgesetzt hat, dass sich komplexe Organisationen in dynamischen Umwelten nicht an die Pläne des Managements halten, findet man diese Managementvariante immer noch vor. Ȥ Expertenorientierte Strategieentwicklung Ergänzt wird die planungsorientierte Variante durch die expertenorientierte Strategieentwicklung. Hier vertraut das Management, das glaubt, die Komplexität der Umweltentwicklung allein nicht mehr überschauen zu können, der Expertise von Beraterinnen und Beratern. Diese erarbeiten dann die Analysen und schlagen der Organisation entsprechende Zielorientierung und zu ergreifende Maßnahmen vor, die dann in der Organisation durchgeführt werden sollen. Ȥ Evolutionäre Strategieentwicklung Dieser Ansatz unterstellt eine weitgehend unkalkulierbare Entwicklung von sozialen Systemen und glaubt an die evolutionäre Anpassungsfähigkeit der Organisation an ihre Umwelt. Auf langfristige Planungen wird hier verzichtet. Strategische Maßnahmen erfolgen daher meistens als Reaktion auf bereits veränderte Umweltbedingungen. Erfahrene Manager und Managerinnen verfügen allerdings oft über ein intuitives Wissen über ihr Geschäft, sodass diese Praxis der Organisationsführung durchaus erfolgreich sein kann. Auf explizites strategisches Management wird aber bei dieser Variante verzichtet. Ȥ Systemische Strategieentwicklung Die systemische Form strategischen Managements zieht die Konsequenzen aus den Grenzen der anderen Ansätze. Hier wird zwar auch die grundsätz-

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Strategisches Management

liche Selbststeuerungsfähigkeit von sozialen Systemen unterstellt, diese werden aber nicht einer evolutionären Drift überlassen, sondern auf der Basis von Umwelt- und Organisationsanalysen bewusst gesteuert. Das geht nicht mehr allein von der Spitze aus, sondern dafür ist die Beteiligung der gesamten Organisation erforderlich. In wiederkehrenden Schleifen werden schrittweise Annäherungen an die aufgestellten Ziele organisiert. Vom Management werden die Kontextbedingungen bereitgestellt, die es den einzelnen Organisationsteilen ermöglichen, sich selbst im Rahmen der gemeinsamen Ziele zu entwickeln. Eine Strategie bezieht sich zunächst auf die Gesamtorganisation; sie wird aber dann auf die verschiedenen Organisationsbereiche und Funktionsstellen heruntergebrochen (vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«). Ausgehend von der Vision für die Zukunft der eigenen Organisation, der Mission und dem Leitbild (vgl. Kapitel 2 »Normatives Management«) konkretisieren sich strategische Planung und strategisches Handeln z. B. in den folgenden Bereichen: Ȥ Angebotsstrategien: die Entwicklung und Ausgestaltung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen, Ȥ Kompetenzstrategien: die Weiterentwicklung und der Aufbau der internen Kompetenzen, insbesondere in den Wertschöpfungsbereichen, Ȥ Wettbewerbsstrategien: die Behauptung oder Verbesserung der eigenen Position im Wettbewerb, Ȥ Kooperationsstrategien: Verbesserung der eigenen Möglichkeiten durch strategische Partnerschaften, Ȥ Ressourcenstrategien: die Sicherung oder die verbesserte Akquisition der Ressourcen und die Optimierung des Ressourceneinsatzes, Ȥ Qualitätsstrategien: die kontinuierliche Verbesserung der eigenen Organisation und ihrer Produkte und Dienstleistungen, Ȥ Nachhaltigkeitsstrategien: die Schaffung und Stärkung ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit, Ȥ Inklusionsstrategien: Ermöglichung der gesellschaftlichen und organisationalen Teilhabe von Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Es ist wichtig zu beachten, dass diese genannten Strategiebereiche nur als Aspekte einer Gesamtstrategie (Corporate Strategy) wirksam werden. Jeweils für sich allein genommen wird die erwünschte Wirkung schwerlich erreicht. Grundsätzlich lassen sich unterschiedliche strategische Optionen für die Zukunft der Organisation denken. Es muss nicht immer Wachstum und der Zugewinn von Marktanteilen sein. Denkbar ist darüber hinaus z. B. auch:

Grundprinzipien erfolgreichen strategischen Managements

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Ȥ Die Organisation will ihre Kräfte konzentrieren, Vielfalt reduzieren und ihre Aktivitäten neu justieren. Ȥ Die Organisation will sich deutlicher positionieren und von der Konkurrenz klarer unterscheiden. Ȥ Die Organisation sucht Kooperationen und Partnerschaften, um in Netzwerken die Kundinnen und Kunden umfassender zu bedienen. Ȥ Die Organisation ist mit ihrer derzeitigen Situation zufrieden, will diese aber für die Zukunft absichern. Ȥ Die Organisation will sich aus dem bisherigen Geschäft zurückziehen, um frei für neue Aufgaben zu werden.

3.2 Grundprinzipien erfolgreichen strategischen Managements Es gilt zu beachten, dass strategische Prozesse immer organisationsspezifisch verlaufen. Kein Prozess gleicht im Detail einem anderen, weil jede Organisation ihre je eigene Zukunft plant und dabei ihre je eigenen Probleme lösen muss. Trotzdem kann der Prozess des strategischen Managements in seinen Teilschritten idealtypisch dargestellt werden, was weiter unten genauer ausgeführt wird. Welche einzelnen Schritte eine Organisation geht und welche Instrumente sie dabei einsetzt, muss aus der jeweiligen Situation vor Ort entschieden werden. Einige Grundprinzipien für den Erfolg strategischen Managements lassen sich aber dennoch aufstellen. Die Definition des eigenen Geschäfts In der Praxis stößt diese Frage häufig auf Unverständnis, glauben doch alle, dass sie banal und deshalb einfach zu beantworten ist (Nagel, 2007, S. 41 ff.; Simon, 2008, S. 65 ff.). Jede Weiterbildungsorganisation würde vermutlich spontan sagen: Bildung anbieten! Und eine Wohlfahrtsorganisation würde vermutlich formulieren: Soziale Hilfe bereitstellen! Das ist so richtig wie unvollkommen. Was ist z. B. das Geschäft einer Airline? Flugzeuge fliegen? Menschen und Güter transportieren? Das Mobilitätsbedürfnis der modernen Welt befriedigen? Die Versorgung ganzer Gesellschaften sicherzustellen? Jede dieser Antworten deckt einen Teilaspekt der Aufgabe der Organisation ab, alle zusammen definieren ihr Geschäft. Von einer guten und möglichst umfassenden Definition des eigenen Geschäfts hängt der Erfolg nicht unmaßgeblich ab, weil sich hieraus ableitet, was genau im Interesse der Kunden zu tun und zu beachten ist. Die Grunddimensionen einer Geschäftsdefinition sind: Was und wozu, für wen, wie bzw. wodurch, mit welchen Kompetenzen und welchen Partnern?

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Strategisches Management

Strategie geht alle an! Strategisches Management ist Chefsache! Das soll aber gerade nicht heißen, dass in diesem bedeutenden Managementbereich top down verfügt würde. Strategische Verantwortung lässt sich – weil es hier um gesamtunternehmerische Zuständigkeit geht – nicht delegieren. Die Leitung der Organisation muss deshalb beim strategischen Management – auch im wörtlichen Sinne – die entscheidende Rolle spielen, selbst dann, wenn an der Entscheidungsfindung alle beteiligt werden. Bei der Entwicklung und der Umsetzung der Strategie wird zwar der gesamte in der Organisation verteilte Sachverstand gebraucht, die Leitung trifft aber aufgrund ihrer Verantwortung die maßgeblichen Entscheidungen. Insgesamt funktioniert strategische Entwicklung allerdings nur partizipativ. Gegebenenfalls sollten sogar weitere Stakeholder – Teilnehmer- und Dozentenvertretungen, Beraterinnen, Dienstleister, Kooperationspartnerinnen, Aufsichtsgremien etc. – eingebunden werden. Externe Berater können insofern eine große Hilfe sein, als sie nicht den blinden Fleck der Organisation teilen und strategisches Prozess-Know-how einbringen können. Radikale Veränderungen verändern interne Machtgefüge Organisationale Umgestaltungsprozesse und Neudefinitionen greifen tief in das kulturelle Fundament von Organisationen ein. Es kommt zu Verschiebungen im internen Rollen- und Machtgefüge. Die Handlungsspielräume werden neu ausgemessen. Einzelne Personen bzw. Funktionsträger verlieren möglicherweise ihnen lieb gewordene Bereiche, die vielleicht früher von Bedeutung waren, heute aber nur noch als Hobby Einzelner verfolgt werden, an dem diese nichtsdestotrotz festhalten. Andere Beschäftigte, vornehmlich jüngere, erhalten neue Chancen auf Karriere oder doch zumindest Einfluss. Es kann dazu kommen, dass sich Personen oder Personengruppen als Gewinnerinnen bzw. Verlierer der Veränderung betrachten. Daraus entstehende Machtkämpfe können die Strategieentwicklung extrem behindern, wenn nicht gar zum Scheitern bringen. Deshalb kommt es im strategischen Managementprozess sehr darauf an, dass Führungskräfte immer persönlich wertschätzend, aber in der Sache unnachgiebig agieren, wenn es darum geht, gefasste Entscheidungen umzusetzen. Für Gespräche, die sich aus persönlichen Erschütterungen ergeben, muss immer Zeit und Gelegenheit sein. Vertrauen, schon im Alltag unersetzbar, ist im Veränderungsprozess erst recht unverzichtbar. Wenn eingefahrene Gewohnheiten und Routinen geändert werden sollen, braucht es Sensibilität und Nachdrücklichkeit. Zu groß ist die Gefahr, dass die Organisation bei einem vorschnellen Nachlassen der Aufmerksamkeit in alte Muster zurückfällt. Widerstand darf aber auch nicht immer negativ gewertet werden, oft lässt er

Grundprinzipien erfolgreichen strategischen Managements

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sich als ein – wenn auch meistens ungeeignetes – Mittel entschlüsseln, wichtige Funktionsbereiche oder Kernkompetenzen vor vorschneller Zerstörung zu bewahren. Deshalb muss betont werden, dass ein Veränderungsmanagement immer auch ein Management des Bewahrens der Bereiche impliziert, ohne die die Organisation zum gegebenen Zeitpunkt ihre Besonderheit und Identität verlieren würde. Zusammensetzung des Strategieteams In kleineren Organisationen können alle Beschäftigten gemeinsam das steuernde Strategieteam bilden. In größeren Organisationen ist das nicht mehr pragmatisch. In diesen strategischen Steuerungsgruppen sollten zwar die verschiedenen Interessengruppen vertreten sein, doch ist davon abzuraten, dieses Team repräsentativ nach Proporz zu besetzen. Der derzeitige Proporz der Kräfte einer Organisation ist das Ergebnis der Vergangenheit. Nach Proporz zusammengesetzte Gruppen haben die Tendenz, darauf zu achten, dass die aktuelle Kräftebalance nicht verändert wird. Doch wenn eine Organisation die Freiheit haben will, in der Zukunft eine ganz andere oder doch zumindest eine erheblich veränderte zu sein, dann wird diese Zukunft auch durch eine andere Kräftebalance gekennzeichnet sein. Strategieteams sollten deshalb ohne Ansehen von Position und Status nach folgenden Gesichtspunkten zusammengesetzt sein: Ȥ Kompetenz in Sachfragen, Ȥ Erfahrungen im direkten Kundenkontakt, Ȥ Methodenkenntnisse und Moderationsfähigkeiten, Ȥ sozial-kommunikative Kompetenz auch in Stress- und Konfliktsituationen, Ȥ Engagement und Lust auf Neues sowie Ȥ gute Verankerung in der Organisation. Es hilft oft auch, Personen im Team zu haben, die als Meinungsmacher und Multiplikatorinnen in der Organisation fungieren. Es ist sehr vorteilhaft, wenn es gelingt, das Strategieteam bereits als Nukleus des Neuen anzulegen und im Kleinen andere Formen und Regeln zu leben, als sie bisher in der Organisation üblich waren. Die Spielregeln der Branche identifizieren und gezielt brechen So wie ein Strategieprozess die Spielregeln innerhalb der Organisation verändert, so kommt es nach außen ebenfalls darauf an, nach veränderten bzw. neuen Regeln zu spielen. Organisationen, die auf demselben Markt agieren, haben eine Tendenz, sich aneinander anzunähern und ähnliche Verhaltensweisen zu zei-

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Strategisches Management

gen. Wer sich aber möglichst gut an die vorhandenen Spielregeln der Branche angepasst hat, reduziert damit auch die Bedingungen seines Erfolges (Nagel u. Wimmer, 2002, S. 152 ff.). Die entscheidende Herausforderung besteht darin, die Selbstverständlichkeiten der Branche zu hinterfragen und sich bewusst anders als die Konkurrenz zu verhalten. Meistens sind den organisationalen Spielern und Spielerinnen aber die Regeln des Spiels viel zu selbstverständlich, als dass sie ihnen voll bewusst sind. Weil es schwer ist, selbstverständliche Regeln zu identifizieren, helfen oft auch paradoxe oder systemische Verschlimmerungsfragen, deren Antworten durch die Kopfstandmethode in ihr positives Gegenteil verkehrt werden. Solche Fragen könnten z. B. sein: Ȥ Was muss man tun, um sich in der Branche komplett unmöglich zu machen? Ȥ Was könnten wir tun, um unsere Kunden aktiv zur Konkurrenz zu treiben? Ȥ Was müssten wir tun, um zu keiner Festveranstaltung unserer Kooperationspartnerinnen mehr eingeladen zu werden? Über solche und ähnliche Fragen bzw. deren Beantwortung kann man die Logik des Geschäftes entschlüsseln, um sich dann gezielt in dem einen oder anderen Fall für einen Regelbruch zu entscheiden. Organisationen, die eine Strategie der Differenzierung verfolgen, streben an, in einigen Punkten anders zu sein als die anderen. Um sich von seinen Wettbewerbern zu unterscheiden, kann man auf die Besonderheit seiner inhaltlichen Angebote setzen, man kann sich zusätzlich aber auch durch andere Formen unterscheiden. Und man kann das Geschäft bewusst – zumindest teilweise – nach anderen Regeln spielen. Durch die Veränderung der Spielregeln ändert sich das Spiel nach und nach insgesamt. So hat man die Chance, den Markt mitzugestalten. Wer nicht nur mitspielt, sondern in der Lage ist, die Spielregeln zu beeinflussen, hat einen erheblichen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern.

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Der strategische Managementprozess

3.3 Der strategische Managementprozess Wie jeder Managementprozess beginnt auch das strategische Management mit Analysen der Ausgangslage und führt über Planungen mit Zielaufstellungen und Maßnahmendurchführungen zu einer Prüfung des angestrebten Erfolges. Da sich aber strategische Managementperioden über längere Zeiträume – von drei bis zu fünf Jahren und mehr – hinziehen können und sich in turbulenten Umwelten abspielen, ist dieser grundsätzliche Prozess von reflexiven Schleifen unterbrochen, in denen Veränderungen beobachtet werden, Pläne angepasst oder sogar aufgegeben werden, Prämissen und Ziele überprüft und gegebenenfalls nachjustiert werden, Maßnahmen in Einzelschritten realisiert und angepasst werden. Am Ende steht eine realisierte Strategie, die durchaus von den Vorstellungen am Anfang des Planungsprozesses verschieden sein kann – vielleicht nicht völlig verschieden, aber doch mehr oder weniger modifiziert (vgl. Abbildung 5). Das ist kein Manko, denn die Umwelt, auf die man die Organisation ausrichtet, ist selbst in ständigem Wandel begriffen.

sich herausbildende Strategien Reflexionsschleifen im Realisationsprozess

geplante Strategien

realisierte Strategien

nicht realisierte Strategien

Abbildung 5: Von der geplanten zur realisierten Strategie

Im Folgenden wird der strategische Managementprozess zunächst als Grafik dargestellt, um danach die einzelnen Schritte zu erläutern (vgl. Abbildung 6). Zum Ende des Kapitels werden dann die entsprechenden Managementinstrumente dargestellt.

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Strategisches Management

Werte Vision / Mission Leitbild Umweltanalyse: politische Veränderungen wirtschaftliche Veränderungen technologische Veränderungen soziokulturelle Veränderungen ökologische Veränderungen Veränderungen der Kundenbedürfnisse Veränderungen der Wettbewerbs- und Kooperationsbedingungen Ableitung der jeweils zentralen Trends

SWOT-Analyse Chancen

Stärken

Risiken

Schwächen

KonkurrenzAnalyse Strategische Erfolgsfaktoren Strategische Positionierung Strategische Ziele Strategische Baustellen Strategische Maßnahmen Strategisches Controlling

Abbildung 6: Der Prozess des strategischen Managements

Organisationsanalyse: Strukturen/Prozesse Leitung/Führung Personal Finanzen Geschäftsfelder Produkte/Leistungen Marketing/Vertrieb Organisationskultur

Herausarbeitung der Kernkompetenzen

Der strategische Managementprozess

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Erläuterung der einzelnen Schritte

Vergewisserung der Werte- und Identitätsgrundlagen Bevor der eigentliche Prozess des strategischen Managements beginnt, vergewissert sich die Organisation ihrer Wertegrundlagen, der Vision ihrer Existenz in der Zukunft, ihrer Mission und ihres Leitbildes (vgl. Kapitel 2 »Normatives Management«). Wir hatten eingangs erwähnt, dass es heute nicht mehr ausreicht, sich veränderten Umweltbedingungen einfach nur anzupassen. Der Bereich der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung unterliegt seit einigen Jahren tiefgreifenden Transformationen; er ist in einem Systemwandel begriffen, der die Grundlagen des Geschäftes radikal umgestaltet. Im strategischen Management geht es um nicht weniger als die kreative Neuerfindung der eigenen Organisation verbunden mit dem Versuch, durch diese Neupositionierung der Organisation im Verhältnis zur Umwelt die Marktentwicklungen selbst mitzugestalten. Umweltanalyse Der Gesamtprozess startet dann mit systematischen Analysen der relevanten Umweltbedingungen der Organisation mit ihren politischen, wirtschaftlichen, technologischen, soziokulturellen und ökologischen Veränderungen sowie mit den Veränderungen der Kundenbedürfnisse und der Wettbewerbs- und Kooperationsbedingungen. Diese aktuellen Veränderungen werden daraufhin interpretiert, ob sich aus ihnen auf Entwicklungstrends in der Zukunft schließen lässt. Die Herausarbeitung solcher vermuteter zentraler Trends, die relevant für das Geschäft der Organisation sein könnten, steht am Ende der Analyse. Bei der Umweltanalyse muss man sich bewusst sein, dass man aus schwachen Signalen extrapoliert – mit allen Ungewissheiten, die mit so einem Verfahren verbunden sind. Die Zukunft ist per se das, was wir nicht kennen können, sonst wäre sie nur die verlängerte Gegenwart. Die Prämissen, die sich aus diesen Trends für die Weiterentwicklung und Neugestaltung der eigenen Organisation ergeben, müssen daher im weiteren Prozess des strategischen Controllings regelmäßig überprüft werden, um sie zu bestätigen oder zu modifizieren. Die Welt ist auch in der Zeit, die der Prozess des strategischen Managements in Anspruch nimmt, in ständiger Bewegung. Vor weiteren Veränderungen und unvorhergesehenen Umweltentwicklungen ist man nie gefeit. Strategisches Management besteht daher – wie oben erläutert – aus Iterationsschleifen mit regelmäßigen Nachjustierungen.

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Strategisches Management

Organisationsanalyse Bei dieser Analyse kommen die Stärken und Schwächen der eigenen Organisation in den Blick. Die organisationalen Gestaltungsfelder – also die Bereiche, auf die das Management direkten Einfluss hat – kommen auf den Prüfstand. Im Regelfall betrifft diese Überprüfung die Strukturen und Prozesse, die Leitung und Führung, das Personal mit seinen Qualifikationen und Motivationen, die Finanzen, die Geschäftsfelder, in denen man tätig ist, die Produkte und Leistungen, die dort angeboten werden sowie die Kultur der Organisation. Die in dieser Analyse erkannten Stärken und Schwächen müssen ohne Beschönigungen benannt werden, sonst können in einem späteren Schritt die strategischen Baustellen nicht identifiziert werden, an deren Verbesserung die Organisation arbeiten will. Ein wichtiger Schritt innerhalb der Organisationsanalyse ist die Herausarbeitung der eigenen Kernkompetenzen. Kernkompetenzen sind diejenigen basalen Fähigkeiten, die eng mit der Identität der Organisation verbunden sind, weil sie ihr charakteristisches Können ausmachen. Es handelt sich nicht um Einzelfähigkeiten, sondern um ein zusammenhängendes Set an Kompetenzen, das nicht einfach von Konkurrenten kopiert werden kann. Kernkompetenzen beruhen z. B. auf einem besonderen Prozesswissen und schaffen einen unterscheidbaren, überdurchschnittlichen Kundennutzen. Sie unterscheiden eine Organisation daher deutlich von ihren Wettbewerbern. Kernkompetenzen einer Organisation beziehen sich nicht nur auf einzelne Angebote, sondern sind bereichsübergreifend einsetzbar. In ihrer Ausbaufähigkeit sind sie die Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Organisation und die Grundlage ganz neuer Produkte und Dienstleistungen. SWOT-Analyse Als nächster Schritt werden die Ergebnisse der Umwelt- und Organisationsanalyse nach Stärken (Strengths), Schwächen (Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) zusammengefasst (Simon, 2008, S. 88 ff.).

Konkurrenzanalyse Die Konkurrenzanalyse basiert auf dem Grundgedanken, dass eine Organisation diejenigen Kompetenzen und Eigenschaften sichern und ausbauen sollte, die ihr einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ob und inwieweit allerdings die Stärken und Schwächen einer Organisation nützlich oder gefährlich für ihren Erfolg sind, ist relativ zu den Stärken und Schwächen der Konkurrenten zu sehen. Darum ist die SWOT-Analyse untrennbar mit der Konkurrenzanalyse verbunden (Simon, 2008, S. 112 ff.).

Der strategische Managementprozess

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Strategische Erfolgsfaktoren Zur Erreichung oder Verteidigung einer Spitzenposition im Wettbewerb reicht es heute nicht mehr aus, wenn der Erfolg nur auf einem kritischen Faktor – z. B. niedriger Preis oder hohe Qualität – beruht. Die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden sind anspruchsvoller und vielfältiger geworden. Deshalb stellen sie an die Organisationen meistens mehrere Anforderungen gleichzeitig. Strategische Erfolgsfaktoren oder kritische Erfolgsfaktoren werden diejenigen Faktoren genannt, die in den Augen der Kunden eine hohe, kaufentscheidende Bedeutung haben. In Bezug auf genau diese Faktoren sollte die Organisation besser sein als ihre Wettbewerber. Andere Angebots- oder Organisationseigenschaften sind zwar zusätzlich möglich, sollten aber nicht zu viele Kräfte der Organisation binden. Um sich als Organisation der strategischen Erfolgsfaktoren des Geschäftes zu versichern bzw. um diese erst auf- oder auszubauen, kann das weiter unten dargestellte Managementinstrument eingesetzt werden (Glatz u. Graf-Götz, 2007, S. 158 f.). Strategische Positionierung Der wichtigste Aspekt der Strategieentwicklung ist die kreative Neuerfindung der eigenen Organisation und ihre Neupositionierung in ihrem Markt. Strategisches Management kommt also einem permanenten Selbsterschaffungsprozess der Organisation gleich, einer Neubegründung des eigenen Existenzzwecks, einer Rekonfiguration des eigenen Geschäfts. Die strategische Positionierung umreißt daher die Stellung, die die Organisation in der angestrebten Zukunft in Bezug auf ihre Umwelt einnehmen will. Hier wird also eine über die Gegenwart hinausgehende Identität der Organisation beschrieben, die durch den Strategieprozess erreicht werden soll. Es geht also um den Doppelaspekt der Selbstveränderung im Kontext der Gestaltung der Umwelt- bzw. der Marktbedingungen. Strategische Ziele Strategische Ziele sind längerfristige und umfassende Entwicklungsziele, die bestimmen, wo die Organisation in einem definierten Zeitraum in Bezug auf ihre erwartete zukünftige Umwelt stehen will. Sie dienen der Zukunftssicherung der Organisation, indem die internen Kompetenzen verbessert und ausgebaut werden, um den erwarteten Herausforderungen der Umwelt besser gewachsen zu sein und den Markt selbst mitzugestalten. Das heißt, strategische Ziele haben einen Außenaspekt/Umweltbezug und einen Innenaspekt/Organisationsbezug (Zech, 2008a, S. 209 ff.). Wichtig ist, dass diese Ziele mit Indikatoren unterlegt werden, an denen ablesbar ist, ob und wann sie erreicht sind (vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«).

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Strategisches Management

Strategische Baustellen Diese bezeichnen die großen Projekte, die sich eine Organisation zur Sicherung ihrer Zukunft vorgenommen hat. Durch die strategischen Zielbereiche sind diese Baustellen vorgegeben. Der Begriff Baustellen soll andeuten, dass es sich hier um Maßnahmenbündel handelt und nicht um Einzelmaßnahmen. Es empfiehlt sich, für diese strategischen Baustellen zuständige Projektgruppen einzusetzen, die Vorschläge erarbeiten und deren mit der Leitung abgestimmte Umsetzung verantworten (vgl. Kapitel 10 »Projektmanagement«). Strategische Maßnahmen Im Rahmen der großen Baustellen zur Zukunftssicherung der Organisation ist nun eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen denkbar und nötig. Diese Einzelmaßnahmen sollten als Teilprojekte von den entsprechenden Projektgruppen geplant und durchgeführt werden, wobei auch gegebenenfalls externe Dienstleister hinzugezogen werden müssen. An den Teilprojekten können auch Beschäftigte beteiligt werden, die über Spezialkompetenzen verfügen, aber nicht regelmäßig in den Projektgruppen mitarbeiten. Im Prinzip ist es wichtig, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich an der Zukunftssicherung der Organisation beteiligen, schließlich geht es auch um ihre eigene Zukunft als Beschäftigte der Organisation. In der Praxis ist es aber manchmal hilfreich, sich auf die Engagierten und Gutwilligen zu beschränken, um die Strategiearbeit nicht mit unnötigen Vermeidungsdiskussionen zu belasten. Denkbare strategische Maßnahmen wären (Nagel, 2007, S. 110 ff.): Ȥ Entwicklung neuer Geschäftsfelder, Ȥ Realisierung neuer Kooperationspartnerschaften, Ȥ Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, Ȥ Erschließung neuer Kundensegmente, Ȥ Entwicklung und Durchführung neuer Marketingstrategien, Ȥ Schaffung neuer Vertriebskanäle/Zugänge zu den Zielgruppen und Kunden, Ȥ Erschließung neuer Regionen/Sozialräume sowie Ȥ Aufbau neuer Kompetenzen. Bei den strategischen Maßnahmen ist darauf zu achten, dass die Balance integrierten Managements, das heißt die Einheit aus Strategie, Struktur und Kultur einer Organisation, gewahrt bleibt. Veränderungen auf einer Seite dieses Dreiecks beeinflussen immer auch die anderen beiden Seiten (vgl. Kapitel 1 »Die Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung und deren gelingendes Management«).

Der strategische Managementprozess

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Strategisches Controlling Der letzte Schritt im strategischen Managementprozess ist das strategische Controlling. Das soll allerdings nicht bedeuten, dass es hier nur um eine Endkontrolle der erfolgten Maßnahmen und des Erreichens der aufgestellten Ziele geht. Controlling bezeichnet bekanntermaßen die Steuerung von Prozessen und nicht nur ihre Überprüfung (Zech, 2008a, S. 194 ff.). Strategisches Controlling umfasst: Ȥ Vergleich der jeweils ermittelten Ist-Größen mit den angezielten Soll-Größen, Ȥ Planungs- und Entscheidungsphasen, Ȥ Steuerungsmaßnahmen im Prozess und Ȥ Überprüfungen der Zielerreichung. Für alle diese Aspekte sind geeignete Indikatoren als qualitativ-inhaltliche Merkmale und betriebswirtschaftliche Kennzahlen aufzustellen, mit denen der Fortschritt der Maßnahmen und der Grad der Zielerreichung zu messen ist. Diese Messdaten dienen in der Rückkoppelung in den Managementprozess als Steuerungsgrößen. Die erhobenen Daten werden in den Prozess zurückgespiegelt und führen möglicherweise zu veränderten Zielformulierungen, neuen strategischen Baustellen oder weiteren Maßnahmen. In diesen periodischen Strategie-­Reviews wird ebenfalls überprüft, ob die Ergebnisse der Umwelt- und Organisationsanalyse, die als Prämissen in den Managementprozess eingeflossen sind, noch gelten, oder ob sich durch mögliche Umweltveränderungen inzwischen neue Gesichtspunkte ergeben haben, die berücksichtigt werden müssen. Das kann sowohl die Umwelt betreffen, z. B. durch neue Entwicklungstrends, als auch die Organisation selbst, z. B. durch Veränderungen ihrer Finanz- oder Personalsituation. Da der strategische Managementprozess den Alltag der Organisation kontinuierlich begleitet, sind entsprechende Veränderungen, die zu Nachjustierungen führen müssen, im Regelfall zu erwarten.

66

Strategisches Management

3.4 Managementinstrumente für die Praxis Die folgenden Managementinstrumente nehmen die einzelnen Schritte des soeben grafisch und schriftlich dargestellten Prozesses des strategischen Managements auf. Sie haben sich vielfach in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung bewährt. 3.4.1  Managementinstrument: Checkliste Umweltanalyse Eine Umweltanalyse in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen könnte sich z. B. an folgenden und weiteren Aspekten orientieren: 1. Politische Veränderungen • relevante Gesetze; • Durchführungsbestimmungen und Verordnungen; • internationale und/oder nationale Probleme und Konflikte • etc. 2. Wirtschaftliche Veränderungen • mittel- und langfristige Marktentwicklung; • Arbeitslosigkeit und Beschäftigungssituation; • Subventions- und Fördermöglichkeiten • etc. 3. Technologische Veränderungen • Technologien und Erfindungen; • Verfahren und Anwendungen; • Soft- und Hardware • etc. 4. Soziokulturelle Veränderungen • demografische Entwicklungen; • Migration; • Individualisierung und gesellschaftliche Polarisierung • etc. 5. Ökologische Veränderungen • Klimaveränderungen; • Risiken und Katastrophen;

Managementinstrumente für die Praxis

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• Anforderungen an Nachhaltigkeit • etc. 6. Veränderungen der Kundenbedürfnisse und Marktbedarfe • Konsumverhalten; • neue Interessengruppen und Marksegmente; • Qualitätsansprüche • etc. 7. Veränderungen in den Wettbewerbs- und Kooperationsbedingungen • Wettbewerb und Konkurrenz; • Kooperationsmöglichkeiten; • neue Produkte und Dienstleistungen • etc. 3.4.2  Managementinstrument: Checkliste Organisationsanalyse Orientierung für die Organisationsanalyse könnten folgende und weitere Aspekte bieten: 1. Strukturen/Prozesse • Aufbau, Hierarchien, Abteilungen, Fachbereiche; • Arbeitsprozesse und Schlüsselprozesse; • Schnittstellen • etc. 2. Leitung/Führung • Führungsgrundsätze und Führungsverhalten; • Entscheidungsstrukturen und Entscheidungsverhalten; • Information und Beteiligung • etc. 3. Personal • Qualifikationen und Kompetenzen; • Fortbildung; • Motivation und Teamgeist • etc.

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4. Finanzen • Deckungsbeiträge; • Fördermöglichkeiten; • Rücklagen • etc. 5. Geschäftsfelder • Zuschnitt; • Grad der Autonomie; • Erträge • etc. 6. Produkte/Leistungen • Qualität; • Preis; • Angebotsdifferenzierung • etc. 7. Marketing/Vertrieb • Marktanteil; • Werbung und Öffentlichkeitsarbeit; • Kundenkommunikation • etc. 8. Organisationskultur • Organisationsidentität; • Arbeitsklima; • Kooperations- und Konfliktkultur • etc.

Strategisches Management

Managementinstrumente für die Praxis

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3.4.3 Managementinstrument: Herausarbeitung der Kernkompetenzen Zur Herausarbeitung der Kernkompetenzen kann folgendermaßen vorgegangen werden (Nagel u. Wimmer, 2002, S. 195 ff.; Nagel, 2007, S. 73 ff.): Schritt 1: Bisherige Erfolge Ȥ Welche waren die erfolgreichen Angebote der vergangenen Jahre? Ȥ Welche Faktoren haben maßgeblich zu diesen Erfolgen beigetragen? Ȥ Welche waren unsere größten Innovationen der vergangenen Jahre, und wie sind sie zustande gekommen? Schritt 2: Besonderer Kundennutzen Ȥ Warum sind unsere Kundinnen und Kunden bereit, unsere Angebote in Anspruch zu nehmen? Ȥ Wie würden die Kunden den besonderen Nutzen unserer Produkte und Dienstleistungen beschreiben? Ȥ Was ist ihnen dabei am wichtigsten? Schritt 3: Schlüsselprozesse Ȥ In welchen Bereichen liegen unsere besonderen Stärken (Bedarfserschließung, Angebotsentwicklung, Marketing/Vertrieb, Durchführung der Maßnahmen, Kundenkommunikation, Qualitätskontrolle/Evaluation)? Ȥ Welchen Beitrag leisten die einzelnen Prozesse zum beschriebenen Kundennutzen? Ȥ Wie entstehen bei uns Innovationen und neue Produkte/Dienstleistungen? Schritt 4: Unterschiede zur Konkurrenz Ȥ Wie lassen sich unsere Unterschiede zu unseren Wettbewerbern beschreiben? Ȥ Was ist die USP (Unique Selling Proposition), das heißt die Einzigartigkeit/ das Alleinstellungsmerkmal, unserer Angebote? Ȥ Was versucht unsere Konkurrenz von uns zu kopieren? Schritt 5: Ausbaufähigkeit unserer Kompetenzen Ȥ Was können wir am besten? Ȥ Haben unsere heutigen Fähigkeiten das Potenzial zur Entwicklung völlig neuer Produkte und Dienstleistungen? Ȥ Welche Kompetenzen müssen wir heute aufbauen, um zukünftigen Anfor-

70

Strategisches Management

derungen gewachsen zu sein? Können wir dabei von unseren jetzigen Kompetenzen ausgehen oder sind das völlig andere? Schritt 6: Verlorene Aufträge Ȥ Welche Aufträge, an denen wir sehr interessiert waren, haben wir nicht bekommen bzw. verloren? Ȥ Was hat uns dabei gefehlt? Ȥ Welche waren die größten Misserfolge der vergangenen Jahre, und worauf waren sie zurückzuführen? Schritt 7: Gegencheck Ȥ Welche Fähigkeiten müssten wir vernachlässigen, um unsere Organisation zu ruinieren (Unersetzliches)? Ȥ Was müssten wir haben, damit auch unsere Nicht-Kunden unsere Produkte und Dienstleistungen nachfragen (Erforderliches)? Ȥ Welche Fähigkeiten können wir gut unseren Wettbewerbern überlassen, ohne dass sich bei uns Nennenswertes ändert (Überflüssiges)? Schritt 8: Zusammenfassung der herausgearbeiteten Kernkompetenzen 3.4.4  Managementinstrument: SWOT-Analyse Die Abkürzung SWOT steht für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken) (Simon, 2008, S. 88 ff.). Die SWOT-Analyse ist ein gutes Instrument, um die wesentlichen Ergebnisse der bisherigen Arbeit zusammenzufassen, damit sie in den folgenden Schritten immer präsent sind (vgl. Abbildung 7).

Umweltanalyse

Abbildung 7: SWOT-Analyse

SWOT-Analyse Chancen

Stärken

Risiken

Schwächen

Organisationsanalyse

71

Managementinstrumente für die Praxis

Die Ergebnisse der Umwelt- und der Organisationsanalyse werden bewertet und komprimiert in die folgende Tabelle (vgl. Tabelle 1) übertragen: Tabelle 1: SWOT-Analyse Umwelt

Organisation

Die Chancen, die sich uns bieten

Die Stärken, über die wir verfügen

Die Risiken, die uns drohen

Die Schwächen, unter denen wir leiden

Diese SWOT-Tabelle muss selbstverständlich im Prozess des strategischen Managements immer wieder aktualisiert werden, sei es, weil sich neue Chancen auftun oder neue Gefahren auftauchen, sei es, weil Stärken aufgebaut und Schwächen abgebaut wurden. Außerdem ist das Verhältnis von Chancen und Gefahren auf der einen Seite sowie Stärken und Schwächen auf der anderen relativ. Was für den Starken eine Chance ist, ist für den Schwachen eine Gefahr, das heißt, wenn eine Organisation im Laufe des Prozesses Stärken gestärkt und Schwächen geschwächt hat, dann könnten sich vormalige Gefahren in Chancen verwandeln. Das Verhältnis der organisationalen Stärken und Schwächen zu den vorhandenen Chancen und Risiken und die damit verbundenen Strategieoptionen kann man der folgenden Tabelle (vgl. Tabelle 2) entnehmen.

Tabelle 2: Kombinierte SWOT-Analyse

72

Strategisches Management

3.4.5  Managementinstrument: Konkurrenzanalyse Der erste Schritt der Konkurrenzanalyse besteht in der Identifizierung der Wettbewerber. Nach Simon (2008, S. 113) lassen sich diese folgendermaßen unterteilen (vgl. Abbildung 8):

Kunde gleich

Kunde unterschiedlich

Direkte Konkurrenten

Indirekte Konkurrenten

bieten gleiche Produkte und Dienstleistungen den gleichen Kunden an.

verkaufen unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen an die gleichen Kunden.

Die eigenen Kunden könnten jederzeit zu den Angeboten der Konkurrenz wechseln, wenn diese überzeugender sind.

Kunden müssen bei der Konkurrenz kaufen, weil sie diese Angebote bei der eigenen Organisation nicht erhalten.

Angebotskonkurrenten

Implizite Konkurrenten

bieten gleiche Produkte und Dienstleistungen unterschiedlichen Kunden an.

Die Kunden könnten ihr Geld auch für ganz andere Produkte und Dienstleistungen ausgeben.

Es sind zwar nicht die eigenen Kunden, die die Angebote der Konkurrenz nutzen; sie könnten aber eigene Kunden sein oder werden.

Potenzielle Kunden könnten z. B. ihr Geld für Museumsbesuche oder Reisen ausgeben.

Angebot gleich

Angebot unterschiedlich

Abbildung 8: Klassifizierung der Wettbewerber (nach Simon, 2008, S. 113)

Bei der Analyse der Wettbewerber können Sie folgendermaßen vorgehen: 1. Klassifizieren Sie alle Ihre Wettbewerber nach dem oberen Schema in direkte und indirekte Konkurrenten sowie in Angebotskonkurrenten und implizite Konkurrenten. 2. Entscheiden Sie sich, welche davon Ihre Hauptkonkurrenten sind, die Sie einer genaueren Analyse unterziehen wollen. 3. Analysieren Sie die Angebote dieser Wettbewerber, um herauszufinden, auf welchen Gebieten sie stark oder sogar herausragend sind. 4. Eruieren Sie, durch welche besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften Ihre Wettbewerber sich auszeichnen. 5. Fragen Sie sich, was Sie von Ihren Wettbewerbern lernen können.

73

Managementinstrumente für die Praxis

6. Forschen Sie nach den Bereichen, die zu den Schwächen Ihrer Konkurrenten zählen. Suchen Sie ihre Achillesferse. 7. Schätzen Sie die Stärken und Schwächen Ihrer Wettbewerber im Vergleich zu den eigenen Stärken und Schwächen ein. Sie können dabei auf Ihre eigene Stärken/Schwächen-Analyse zurückgreifen und diese durch für Sie relevante Kompetenzen bzw. Eigenschaften Ihrer Wettbewerber ergänzen. Nutzen Sie dabei die nachfolgende Tabelle 3 »Organisationsprofil«. Sie tragen links die Vergleichsgesichtspunkte in die Liste ein und bewerten diese Kompetenzen bzw. die Eigenschaften der jeweiligen Organisation – also Ihrer eigenen und die Ihrer Hauptkonkurrenten – auf einer Skala zwischen 1 und 10. 8. Abschließend diskutieren und beschließen Sie geeignete Entwicklungsmaßnahmen, die helfen, Ihre Position im Wettbewerb zu verbessern. Tabelle 3: Organisationsprofil Organisationsprofil Kompetenzen/Eigenschaften

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

3.4.6 Managementinstrument: Bestimmung der strategischen Erfolgsfaktoren Der Erfolg einer Organisation in einem bestimmten Markt(-segment) mit bestimmten Kunden und bestimmten Wettbewerbern kann von vielerlei Faktoren abhängen. Folgende Erfolgsfaktoren wären u. a. für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung denkbar: Ȥ hohe Qualität; Ȥ niedriger Preis;

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Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ

Strategisches Management

gutes Image/Prestige des Anbieters; genaue Bedarfserschließung; Flexibilität der Angebote; besonderer Service; gute Erreichbarkeit; Ambiente der Organisation; technische Ausstattung; Erlebnisqualität der Maßnahmen; gute Kundenbetreuung etc.

Vorgehen bei der Bestimmung der strategischen Erfolgsfaktoren (vgl. Tabelle 4): 1. Fertigen Sie eine Liste möglichst aller Faktoren an, auf denen der Erfolg einer beliebigen Organisation Ihrer Branche beruhen könnte. 2. Bewerten Sie auf einer Skala von 1 (unbedeutend) bis 10 (äußerst bedeutsam) diese Faktoren zunächst in Bezug auf die von Ihnen vermutete Wichtigkeit für Ihre realen und potenziellen Kunden. 3. Anschließend bewerten Sie, wo Ihre Organisation in Bezug auf jeden Faktor im durchschnittlichen Wettbewerbsvergleich steht auf einer Skala von –3 (unterdurchschnittlich) bis +3 (überdurchschnittlich). Tabelle 4: Bewertung der Erfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Wichtigkeit für Ihre Kunden (1 bis 10)

Wettbewerbsvergleich (−3 bis +3)

Managementinstrumente für die Praxis

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Wenn Sie diese Bewertungen in das folgende Portfolio übertragen, erfahren Sie anschaulich, wie Sie mit den strategischen Erfolgsfaktoren Ihrer Branche in Beziehung auf deren Bedeutung für Ihre Kunden und im Vergleich mit Ihren Wettbewerbern aufgestellt sind. Damit erfahren Sie zugleich, wo Sie gegebenenfalls Ihre Kraft an der falschen Stelle vergeuden, die Sie besser zur Qualifizierung eines vernachlässigten Erfolgsfaktors einsetzen sollten. Wenn Sie beispielsweise in einem Faktor besonders gut sind, der Ihren Kunden wenig bedeutet, dann sollten Sie Ihre Kraft lieber an den Punkten einsetzen, wo Sie im Vergleich zum Wettbewerb unterdurchschnittlich abschneiden, die aber von Ihren Kunden als bedeutsam bewertet werden.

Abbildung 9: ­Visuelle Darstellung der B ­ ewertung der Erfolgsfaktoren

Alle Faktoren links der vertikalen, gestrichelten Mittellinie des Portfolios sind in Ihrer Organisation nicht auf dem erforderlichen Stand des Wettbewerbs (vgl. Abbildung 9). Liegen Ihre Faktoren im Quadrant rechts oben, dann können Sie sicher sein, dass Sie sich um die richtigen Dinge in der richtigen Art und Weise kümmern.

76

Strategisches Management

3.4.7  Managementinstrument: Strategische Positionierung Um Ihre Positionierung in der Zukunft zu beschreiben, helfen z. B. folgende Fragen (vgl. Tabelle 5; Hamel u. Prahalad, 1995, S. 42): Tabelle 5: Fragen zur strategischen Positionierung der Organisation in der Zukunft (Hamel u. Prahalad, 1995, S. 42) Fragen zur strategischen Positionierung der Organisation in der Zukunft Heute

In der Zukunft

In welchen Feldern sind wir heute in ­unserer Branche führend?

In welchen Feldern haben wir eine reale Chance, in der Zukunft zu den Besten unserer Branche zu gehören?

Welche Kunden haben wir heute, und ­welche Bedürfnisse haben sie?

Welche Kunden mit welchen Bedürfnissen werden wir in der Zukunft haben?

Auf welchen Wegen und über welche (­Vertriebs-)Kanäle erreichen wir heute unsere Kunden?

Auf welchen Wegen und über welche (­Vertriebs-)Kanäle werden wir in der ­Zukunft unsere Kunden erreichen?

Wer sind unsere heutigen Konkurrenten?

Mit wem werden wir in der Zukunft konkurrieren müssen?

Mit wem kooperieren wir gegenwärtig?

Wen brauchen wir in der Zukunft als Kooperationspartner?

Durch welche Kompetenzen heben wir uns heute vom Wettbewerb ab?

Durch welche Kompetenzen müssen wir uns in der Zukunft vom Wettbewerb unterscheiden?

Welche sind heute die Erfolgsfaktoren unseres Geschäftes?

Welche werden die Erfolgsfaktoren unseres Geschäftes in der Zukunft sein?

Worauf beruhen heute unsere Einnahmen?

Worauf werden unsere Einnahmen in der Zukunft beruhen?

Mit dieser Neupositionierung im Verhältnis zur Organisationsumwelt ist die Phase der Strategieentwicklung beendet und es beginnt die Phase der Strategieumsetzung. Dazu werden strategische Ziele aufgestellt, die entsprechenden strategischen Baustellen identifiziert sowie Maßnahmen umgesetzt und schließlich die Ziele überprüft (vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«).

4

Zielmanagement

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, kennen Sie die Bedeutung einer klaren Zielausrichtung für den Organisationserfolg, und zwar von den allgemeinen Organisationszielen über die Arbeitsziele der Mitarbeitenden bis hin zu Wirkungszielen für Ihre relevanten Zielgruppen. Sie sind in der Lage, aussagekräftige, überprüfbare Ziele aufzustellen und diese zur Steuerung der Organisation zu nutzen. Sie verfügen über Managementinstrumente zur Zielentwicklung und Indikatorenformulierungen, die den Besonderheiten von Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung gerecht werden.

4.1 Warum ist eine klare Zielorientierung wichtig? Das St. Galler Konzept definiert integriertes Management in Abgrenzung zu personenbezogener Führung als das Entwerfen, Gestalten und Entwickeln von Organisationen, als »das Lenken, das Bestimmen von Zielen, das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren zielgerichteter Systemaktivitäten«. Die innerhalb der Organisationspolitik definierten Ziele vermitteln die Grundorientierung der Organisation für deren strategisches und operatives Handeln (Hans Ulrich, zit. in Bleicher, 2004, S. 31, S. 165 ff.). Ziele aufstellen, Zielerreichung organisieren und Resultate kontrollieren stehen daher im Mittelpunkt aller Managementaktivitäten. Dabei lässt sich eine kurzfristige, rein am Gelderwerb und an der Geldvermehrung ausgerichtete Zielorientierung – z. B. eine ausschließliche Orientierung am sogenannten Shareholder Value – von einer umfassenden unterscheiden, bei der ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Anliegen ganzheitlich und integrativ miteinander verzahnt sind. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass Oikonomia als eine Art, Wirtschaft zu denken und zu praktizieren, im ursprünglichen Sinne das gute Leben für alle, also das Gemeinwohl, zum Ziel hatte (in einem personenbezogenen oder volkswirtschaftlichen Haushalt), während eine Wirtschaftsform, in der Geldflüsse zum Selbstzweck werden, z. B. von Aristoteles als widernatürlich kritisiert wurde (Felber, 2018, S. 9). Noch heute ist in den Verfassungen demokratischer Staaten die Orientierung der Wirtschaft und damit des Handelns von Organisationen am Gemeinwohl verankert (S. 25). Ins-

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Zielmanagement

besondere Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung können ohne eine Orientierung am gesellschaftlichen Nutzen ihre öffentliche Legitimation nicht aufrechterhalten und schädigen damit langfristig ihre Existenzbedingungen. Organisationen existieren also nicht um ihrer selbst willen, sondern zu einem bestimmten Zweck. Ausgangspunkt dieser Zweckorientierung sind die individuellen Bedürfnisse ihrer jeweiligen Adressatinnen, Zielgruppen und Kunden sowie die Bedarfe der Gesellschaft insgesamt. Nur eine gute Definition des Organisationszwecks ermöglicht es dem Management, eindeutige Ziele zu setzen, Strategien zu entwickeln, materielle und personale Ressourcen zu akquirieren und so zu organisieren, dass bestmögliche Resultate erreicht werden können. Ziele geben einer Organisation Profil, Orientierung und Ausrichtung. Organisationen, die neben ökonomischen Zielen sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Anliegen eine hohe Bedeutung beimessen, werden zu verantwortlichen Akteuren des Gemeinwesens (vgl. Kapitel 2 »Normatives Management«). Die Begriffe Corporate Social Responsibility (CSR), Compliance und Nachhaltigkeit stehen dabei für den freiwilligen Beitrag von Organisationen zu einer nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht. Dazu benötigt das Management einer Organisation Instrumente, die ihre fachliche Arbeit bzw. ihre Geschäftsprozesse systematisch um eine managementorientierte Gesellschaftsanalyse ergänzen und darauf basierende Entscheidungsgrundlagen ableiten (Meynhardt, 2013, S. 79). Umfassende CSR- und ähnliche Ansätze wie Shared Value- bzw. Public ValueKonzepte beinhalten daher nachhaltiges organisationales Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit (ökonomische Nachhaltigkeit), ökologisch relevante Aspekte (ökologische Nachhaltigkeit), die Beziehungen mit wesentlichen Interessengruppen (soziale Nachhaltigkeit) und ein Handeln, das zur Weiterentwicklung und Festigung der Gesellschaft in ihrer demokratischen Verfasstheit beiträgt (politisch-institutionelle Nachhaltigkeit). Der optionale Qualitätsbereich Nachhaltigkeit der Lerner- und Kundenorientierten Qualitätsentwicklung (LKQT) bietet Organisationen eine Orientierung über die genannten Dimensionen der Nachhaltigkeit und wie sie sich im organisationalen Handeln ausdrücken können (ArtSet, 2017a). Ziele in Organisationen gibt es also in verschiedenen Dimensionen, aber auch auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst muss das Management der Organisation aus dem allgemeinen Organisationszweck – also aus Identität und Auftrag der Organisation – erreichbare, idealerweise mehrdimensionale Ziele ableiten (Drucker, 2007, S. 46 ff.). Dabei haben Ziele allgemein folgende Funktionen:

Warum ist eine klare Zielorientierung wichtig?

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Ȥ Orientierung: Zielsetzungen stellen die grundlegende Strategie einer Organisation dar. Sie sind Orientierung des Handelns und Maßstab zur Bewertung der erreichten Resultate. Ȥ Fokussierung: Ziele ermöglichen die Bündelung der Ressourcen und fokussieren die Aufmerksamkeit und das Engagement der Beteiligten. Ȥ Planungsgrundlage: Aus Zielen lassen sich spezifische Maßnahmen und Aufgaben ableiten. Ȥ Soll-Ist-Vergleich: Anhand der Ziele lassen sich Indikatoren aufstellen, mit denen die Zielerreichung überprüft werden kann. Ziele sollten für die unterschiedlichen Bereiche der organisationalen Aktivitäten aufgestellt werden. Je nach Detaillierungsgrad kann unterschieden werden zwischen Ȥ strategischen Zielen für die Gesamtorganisation, Ȥ inhaltlichen Zielen der verschiedenen Fachbereiche bzw. -dienste, Ȥ finanziellen Zielen, Ȥ Qualitätsentwicklungszielen, Ȥ Marketingzielen, Ȥ Innovationszielen, Ȥ Kooperationszielen, Ȥ Personalentwicklungszielen, Ȥ Partizipationszielen, Ȥ gesellschaftsbezogenen Ergebniszielen Ȥ etc. Es ist nicht nur wichtig, gute und richtige Einzelziele für eine Organisation festzulegen, diese müssen auch noch insgesamt zueinander passen, das heißt ein konsistentes Zielsystem ergeben. Die verschiedenen Einzelziele müssen insgesamt zur Erreichung der strategischen Organisationsziele beitragen. In diesem komplexen Feld multifaktorieller Bedingungen sind Zielkonflikte keine Ausnahme, sondern der Alltag des Managements.

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Zielmanagement

4.2 Der Zweck von Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung Bereits 2013 hat die englischsprachige Wochenzeitung »The Economist« einen Top-Ten-Trend ausgemacht in der Neuausrichtung von Organisationen »from profit to purpose« (Strathoff, 2013, S. 90). In Zeiten wiederkehrender bzw. verstetigter Wirtschafts-, Finanzmarkt- und Klimakrisen stehen auch Wirtschaftsunternehmen immer stärker in der Pflicht, den von ihnen geschaffenen Mehrwert (Shared oder Public Value) zu belegen und Wertschöpfung jenseits ausschließlich ökonomischer Kategorien in den Blick zu nehmen (vgl. Kapitel 2 »Normatives Management«). Dies gilt umso stärker für Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung, deren Zweck unauflösbar mit gesellschaftlichen Anliegen der Integration und Befähigung von Menschen verknüpft ist. Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung haben – je nachdem, ob sie auf Bildung, Beratung oder soziale Dienstleistung fokussieren – auf einer verallgemeinerten Ebene jeweils einen verbindenden Organisationszweck, der sich in sachliche, soziale und zeitliche Sinndimensionen untergliedern lässt. Für Bildungsorganisationen ist Bildung Ȥ in der sachlichen Sinndimension die Erweiterung des Weltwissens in der Entfaltung menschlicher Möglichkeiten, Ȥ in der sozialen Dimension die Integration des Einzelnen in die Gesellschaft und in der konkreten Lernsituation eine Resonanzbeziehung, in der sich Lernende und Lehrende wirklich erreichen und sich etwas zu sagen haben, und Ȥ in der zeitlichen Dimension vor allem eine Vorher/Nachher-Unterscheidung, bei der sich Lernende in subjektiv notwendig nächsten Schritten die Welt auf sich immer erweiternden Stufen aneignen (Zech u. Dehn, 2017, S. 61). Für Beratungsorganisationen kann Beratung definiert werden Ȥ in der sachlichen Sinndimension als die Identifikation und Bearbeitung der inhaltlichen Aspekte individueller Kompetenz bzw. organisationaler Leistungsfähigkeit angesichts aktueller und zukünftig erwarteter Herausforderungen, Ȥ in der sozialen Dimension als die Schaffung eines angstfreien Raums für vertrauensvolle Kommunikation, die Probleme und Konflikte thematisieren sowie dysfunktionale Wahrnehmungs- und Kommunikationsmuster verändern kann, Ȥ in der zeitlichen Dimension als zum richtigen, das heißt für das psychische oder soziale System anschlussfähigen, Zeitpunkt gestaltete Perturbation als produktiver Verunsicherung (S. 73).

Ziele planen und gezielt davon abweichen

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Soziale Dienstleistungsorganisationen können ihre Unterstützungsangebote in der allgemeinen Form wie folgt charakterisieren: Ȥ In der sachlichen Dimension geht es bei sozialer Dienstleistung um in Koproduktion erbrachte Dienstleistungen, die Menschen gesellschaftliche Teilhabe und ein weitgehend selbstbestimmtes Leben ermöglichen sollen, Ȥ in der sozialen Dimension um einen auf Gerechtigkeitsvorstellungen basierenden Ausgleich von strukturellen und individuellen Benachteiligungen, Ȥ in der zeitlichen Dimension um den Gedanken, dass soziale Dienstleistungen nicht wie Produkte auf Vorrat hergestellt werden können, sondern dass sie sich in einer Form von Gleichzeitigkeit in der unmittelbaren Kooperation zwischen Hilfeleistenden und Hilfeempfangenden realisieren (S. 87 f.).

4.3 Ziele planen und gezielt davon abweichen Aussagekräftige Ziele werden aus dem grundlegenden Organisationszweck abgeleitet und sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für wirksame und nachhaltige Organisationen. Allerdings sollten Ziele und die auf Zielen basierenden Maßnahmenpläne nicht als statisches, von äußeren Veränderungen unbeeindruckbares Korsett behandelt werden, sondern als Hilfsmittel zur Organisationssteuerung bzw. als Abweichungsbeobachtungsinstrument. Denn nur, wenn Organisationen Ziele haben und verfolgen, können sie Abweichungen vom gewünschten oder vermuteten Verlauf erkennen und entscheiden, ob es sich um negative (zu vermeidende) oder positive (zu nutzende) Abweichungen handelt. Ziele und Pläne machen also auch unerwartete Entwicklungen sichtbar, sodass die Organisation nachsteuern und damit handlungsfähig bleiben kann: Indem sie beispielsweise den Plan oder sogar das Ziel verändert, falls gute Gründe dafür sprechen, oder indem sie mit veränderten Mitteln und Maßnahmen für die Planerreichung sorgt. In jüngster Zeit gibt es daher auch eine Tendenz, anstelle von Zielmanagement von Chancen- oder Optionenmanagement zu sprechen. Damit soll ausgedrückt werden, dass fixe Ziele und vereinbarte Maßnahmen nicht den Blick verstellen sollen für die Gunst des Augenblicks (GesBiT u. ArtSet, 2016b). Manchmal bieten sich ungeahnte Situationen, veränderte demografische oder sozial-räumliche Bedingungen, Möglichkeiten zu Kooperationen, Ideen für Angebote, die zum Zeitpunkt der Ziel- und Maßnahmenformulierung noch nicht absehbar waren. Denn das »Situationspotential« kann »selber nicht ›vorher gesehen‹ (das heißt, vor dem Beginn der Operationen), sondern nur aufgespürt werden, da es sich unaufhörlich verändert« (Jullien, 1999, S. 39). Das Potenzial der Situation

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Zielmanagement

und den rechten Zeitpunkt bzw. Kairos – wie er im Altgriechischen genannt wird – nicht zu nutzen, nur weil die definierten Ziele und Maßnahmen nicht dazu passen, würde heißen, der Planung einen höheren Stellenwert zu geben als der Verwirklichung des grundlegenden Organisationszwecks. Da Ziele aber gerade dazu dienen sollen, den Blick zu schärfen und das Potenzial von Situationen wahrzunehmen und zu verfolgen, sollten formulierte Ziele und fixierte Maßnahmenpläne infrage gestellt und angepasst werden, wenn veränderte Bedingungen dies sinnvoll erscheinen lassen. In der aktuellen Fassung des St. Galler Management-Modells wird dieser Gedanke deutlich in der Auffassung von Management als reflexiver Gestaltungspraxis, die die organisationale Wertschöpfung immer wieder aus der Distanz kritisch in den Blick nimmt, hinterfragt und reflektiert, damit sich die Organisation erfolgversprechend weiterentwickeln kann (Rüegg-Stürm u. Grand, 2017, S. 192).

4.4 Wie kommt man zu den richtigen Zielen? Organisationsspezifische Ziele leiten sich aus dem grundlegenden Zweck der Organisation ab. Dabei lässt der verallgemeinerte Zweck, wie er oben jeweils für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung formuliert wurde, eine ganze Bandbreite von möglichen spezifischeren Zielen zu. Um ausgehend vom Organisationszweck konkrete Ziele aufstellen zu können, bedarf es der Klärung weiterer Fragen: Ȥ Wer sind unsere potenziellen und tatsächlichen Kundinnen und Kunden und was benötigen diese? Ȥ Welche demografische und sozial-räumliche Struktur kennzeichnet unseren Einzugsbereich? Ȥ Welche gesellschaftlichen Entwicklungsbedarfe lassen sich in unserem Tätigkeitsfeld erkennen? Ȥ Wer sind unsere Wettbewerber und Kooperationspartnerinnen und was gehört zu deren Angebot? Ȥ Welche sind unsere Kernkompetenzen? Ȥ Welche Werte bestimmen unsere Organisationspolitik? Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, lassen sich angemessene Organisationsziele aufstellen.

Wirkungsziele nehmen die Wirksamkeit in den Blick

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Damit die Ziele nicht konsequenzlose gute Absichten bleiben, muss ihre Formulierung bestimmten Qualitätskriterien entsprechen. Ziele müssen Ȥ konkret und erreichbar formuliert, Ȥ zeitlich terminiert, Ȥ an personelle Verantwortlichkeit gebunden, Ȥ operationalisiert, das heißt planbar gemacht, Ȥ mit Ressourcen unterlegt und Ȥ mit Erfolgskriterien versehen werden. Für eine aussagekräftige Zielformulierung eignet sich neben der SMARTMethode auch eine Unterscheidung der Organisationsziele in ein übergeordnetes Globalziel (Positionierung), strategische Entwicklungsziele und die dazu gehörenden Indikatoren bzw. Handlungsziele (vgl. Kapitel 3 »Strategisches Management«). Die Zielerreichung zeigt, dass die Umwelt- bzw. die Marktbedingungen richtig eingeschätzt und die Ressourcen entsprechend eingesetzt wurden. Abweichungen von der Zielerreichung können als Hinweise darauf interpretiert werden, dass entweder die Anstrengungen der Organisation nicht ausreichend waren oder dass sich die situativen Bedingungen und damit die Sinnhaftigkeit der Ziele geändert haben.

4.5 Wirkungsziele nehmen die Wirksamkeit in den Blick Bereits seit den 1970er Jahren werden Wirkungslogiken für Planungen und Evaluationen von Projekten und Maßnahmen genutzt. In den letzten Jahren hat die Diskussion um die Wirkungsorientierung allerdings einen neuen Stellenwert erreicht und markiert eine Abkehr vom rein aktivitätenbezogenen Gesichtspunkt (Tun wir genug?) hin zur wirkungsbezogenen Perspektive (Tun wir das Richtige, um die gewünschte Wirkung zu erzielen?). Damit steigt auch die Bedeutung der kontinuierlichen Reflexion der initiierten Maßnahmen und Leistungen, denn manche aufwendige Aktivität mag bei einer wirkungsorientierten Betrachtung schlechter abschneiden als vermeintlich schlichtere Angebote (GesBiT u. ArtSet, 2016a, S. 4 f.). Ein erster Schritt zur Entwicklung von Wirkungszielen besteht in der Überprüfung der Zielformulierungen hinsichtlich der zugrundeliegenden Wirkungsstufe: Bewegen sich die Ziele vorrangig oder gar ausschließlich auf der Ebene der durchgeführten Maßnahmen und der zählbaren Leistungen (also der sogenannten Outputs)? Oder werden auch die Wirkungen bei der Zielgruppe (Outcomes) bzw.

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Zielmanagement

 

Abbildung 10: Die Wirkungslogik und ihre Bestandteile (nach PHINEO gAG, 2015, S. 35)

auf gesellschaftlicher Ebene (Impacts) in den Zielen ausgedrückt? Die Frage der Wirkungsorientierung ist insbesondere wichtig auf der Ebene der fachlichen Ziele, die die jeweils relevanten Interessengruppen adressieren. Um Wirkungsziele handelt es sich, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Ȥ Die (fachlichen) Ziele beschreiben nicht nur Leistungen und Aktivitäten, sondern auch die angestrebten Wirkungen bei der Zielgruppe/den Adressaten und Adressatinnen (Outcomes). Ȥ Das Ziel beschreibt einen erwünschten konkreten Zustand in der Zukunft bei der Zielgruppe/den Adressaten und Adressatinnen (Outcomes). Ȥ Bei der Zielformulierung wird deutlich, bei wem die erwünschte Wirkung eintreten soll (Outcomes/Impact).

Indikatoren ermöglichen das Zielcontrolling

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Ȥ Die Ziele nehmen gegebenenfalls auch übergeordnete Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene in den Blick (Impact). Bei der Wirkungsorientierung ist somit die Unterscheidung der Begrifflichkeiten Outputs, Outcomes und Impact wichtig. Ergänzt um die Inputs (also die Ressourcen, die die Organisation in das Projekt oder die Maßnahme investiert) sind damit die vier Stufen der sogenannten Wirkungslogik bezeichnet (vgl. Abbildung 10).

4.6 Indikatoren ermöglichen das Zielcontrolling Organisationen benötigen aussagekräftige Daten, die sie dabei unterstützen, die formulierten Ziele zu verfolgen, Steuerungsentscheidungen zu treffen und Verbesserungen zu initiieren. Indikatoren sind quantitative und qualitative Messgrößen oder Prüfkriterien und haben die Aufgabe, mess- oder beobachtbare relevante Daten zusammenzufassen und in Verbindung mit den Zielen zu stellen, um die Zielerreichung überprüfen zu können (GesBiT u. ArtSet, 2017, S. 13). In einer ersten Annäherung lässt sich unter einem Indikator ein eindeutiger Hinweis verstehen, ob ein bestimmter Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis eingetreten ist: Z. B. verweist das Heben der Hände aller Beteiligten einer Steuerungsgruppe bei einer Abstimmung auf einen einstimmigen Beschluss der Gruppe. Indikatoren sind für das Zielcontrolling unverzichtbar, um nach der Planung im weiteren Verlauf erkennen zu können, ob die Ziele und Maßnahmen die richtigen sind und ob die Umsetzung plangemäß erreicht wird. Indikatoren sind keine abstrakten, für subjektive Interpretationen offenen Zielformulierungen, sondern so präzise und konkret wie möglich. Sie sind unter den Beteiligten vereinbarte, eindeutige Hinweise auf Vorliegen oder Fehlen eines Sachverhalts und somit intersubjektiv überprüfbar. Indikatoren machen als eindeutige Messgrößen bzw. als Beschreibungen beobachtbaren Verhaltens Zielsetzungen überprüfbar und dienen Ȥ der klaren Bestimmung geeigneter Maßnahmen für die Zielerreichung, Ȥ der Verständigung über die Bedürfnisse und Erwartungen der wesentlichen Interessengruppen, Ȥ der Veranschaulichung gelungener Maßnahmen und der Beobachtung der Zielerreichung, Ȥ als Frühwarnsystem für das rechtzeitige Erkennen von Fehlentwicklungen und das Umsteuern der Maßnahmen.

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Zielmanagement

Dabei kommt es nicht selten vor, dass sich die den Zielen zugeordneten Indikatoren im zeitlichen Verlauf verändern, sei es, weil sich Umweltfaktoren in unabsehbarer Weise entwickelt haben oder weil die Organisation zwischenzeitlich passendere Indikatoren für die Zielerreichung entwickelt hat. Für jede Zielerreichung gibt es unterschiedliche Wege und damit unterschiedliche mögliche Indikatoren. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Beteiligten sich diskursiv über die auszuwählenden Indikatoren verständigen, also gemeinsam formulieren, woran sie die Zielerreichung erkennen würden (vgl. das Managementinstrument »Entwicklung von Indikatoren«). Das folgende Beispiel zeigt, wie Indikatoren für die unterschiedlichen Stufen der Wirkungsorientierung formuliert werden können (GesBiT u. ArtSet, 2017, S. 14 f.): Ein Modellprojekt für »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« formuliert als übergeordnetes Ziel der Beratung, dass die beratenen Pädagoginnen orientiert sind, wie sie angemessene Handlungsmöglichkeiten zum Umgang mit rassistisch motivierten Vorfällen an Schülerinnen und Schüler vermitteln können. Entsprechende Maßnahmen und Indikatoren, die eine eindeutige Überprüfung des Beratungszieles strukturiert nach Wirkungsebenen ermöglichen, könnten sein: Ȥ Die Beratenen führen Workshops für Schülerinnen und Schüler zum Thema durch (Indikator: Anzahl der Workshops, Output-Stufe 1: erbrachte Leistungen). Ȥ Die Workshops werden von jeweils mindestens 15 Schülerinnen und Schülern besucht (Indikator: Anzahl der Teilnehmenden, Output-Stufe 2: Nutzung der Leistungen durch die Zielgruppe). Ȥ Die Schülerinnen und Schüler äußern ihre Zufriedenheit mit den besuchten Workshops (Indikator: mehr als 70 Prozent zufriedene Teilnehmende, Output-Stufe 3: Zufriedenheit der Teilnehmenden mit dem Angebot). Ȥ Die Schülerinnen und Schüler zeigen ein erweitertes Wissen zu ihren Handlungsmöglichkeiten (Indikator: mindestens 80 Prozent richtig beantwortete Fragen in einem Wissenstest, Outcome-Stufe 4: neues Wissen). Ȥ Die Schülerinnen und Schüler zeigen eine erweiterte Handlungsfähigkeit beim Auftreten rassistisch motivierter Vorfälle in der Schule (Indikator: in schulischen Aktivitäten im letzten halben Jahr nach Durchführung der Workshops beobachtbare und subjektiv empfundene gestiegene Handlungssicherheit, Outcome-Stufe 5: Veränderungen im Handeln). Ȥ Die Schülerinnen und Schüler reagieren sicher und angemessen auf rassistisch motivierte Vorfälle außerhalb der Schule (Indikator: in außerschulischen Aktivitäten im letzten Jahr nach Durchführung der Workshops

Managementinstrumente für die Praxis

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beobachtbare und subjektiv empfundene gestiegene soziale Sicherheit, Outcome-Stufe 6: Veränderungen der Lebenslage). Ȥ Die Schülerinnen und Schüler engagieren sich auf gesellschaftspolitischer Ebene zur Stärkung demokratischer Lebensbedingungen und Strukturen (Indikator: Mitgliedschaft in Parteien und/oder zivilgesellschaftlichen Vereinen sowie Engagement bei Veranstaltungen und Aktivitäten zur Demokratiestärkung innerhalb von zwei Jahren nach Durchführung der Workshops, Impact-Stufe 7: Veränderungen für die Gesamtgesellschaft bzw. für die Bevölkerung einer bestimmten Region).

4.7 Managementinstrumente für die Praxis Die im Folgenden dargestellten Managementinstrumente haben sich in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung für ein systematisches Zielmanagement bewährt. 4.7.1  Managementinstrument: Zielkreuz Zielfindungssystemen kommt im Management eine zentrale Bedeutung zu. Das Zielkreuz ist ein Instrument, mit dessen Hilfe sehr effizient in Gruppen konsensuale Ziele gefunden werden können. Basis der einzelnen Zielfindungen bilden die strategischen Grundorientierungen der Organisation. Bei der Aufstellung der richtigen Ziele ist Folgendes zu klären (vgl. das Beispiel in Tabelle 6): 1. Sinn/Zweck: Wozu tun wir das? Welcher Bedarf soll damit befriedigt werden? Welche Absicht wird damit verfolgt? 2. Kunden/Interessengruppen: Für wen tun wir das? Wer profitiert davon? Wer ist unser (gegebenenfalls ideeller) Auftraggeber? 3. Ergebnis/Endprodukt: Welches konkrete Ergebnis soll am Ende herauskommen? Was genau wollen wir erreichen? 4. Erfolgs- und Gelingenskriterien: Woran erkennen wir, dass die Zielumsetzung gelungen ist? Welchen Qualitätskriterien sollen Prozess und Ergebnis genügen? Vorgehen bei der Zielklärung: 1. Übertragen Sie das Zielkreuz auf eine Pinnwand. 2. Alle Mitglieder der Zielfindungsgruppe schreiben ihre Ideen und Vorschläge auf Moderationskarten und -heften diese in die entsprechenden Rubriken.

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Zielmanagement

3. Anschließend diskutiert die Gruppe die einzelnen Bereiche und einigt sich auf jeweils gemeinsame Formulierungen. 4. Abschließend wird dann das gemeinsame Organisationsziel festgelegt und ausformuliert. Tabelle 6: Beispiel einer Zielformulierung für berufliche Weiterbildung im IT-Bereich 1. Sinn/Zweck: Wozu tun wir das? Welcher Bedarf soll damit befriedigt werden? Welche Absicht wird damit verfolgt? – Wir sind ein privates IT-Bildungsinstitut und bieten hochwertige Seminare für verschiedene Zielgruppen im Themenbereich Internet und EDV. – Wir wollen einen gesellschaftlichen Beitrag zum Vorhandensein qualifizierten Fachpersonals und zur Sicherung der Beschäftigung leisten.

2. Kunden/Interessengruppen: Für wen (intern oder extern) tun wir das? Wer profitiert davon? Wer ist unser (gegebenenfalls ideeller) Auftraggeber? – Wir wollen motivierten, karriereorientierten und technisch interessierten Zielgruppen einen beruflichen Wiedereinstieg oder einen beruflichen Aufstieg ermöglichen. – Wir wollen die regionalen Unternehmen mit geeigneten Fachkräften versorgen.

3. Ergebnis/Endprodukt: Was soll am Ende als Ergebnis konkret herauskommen? Was genau wollen wir erreichen? – qualifiziertes Fachpersonal in der Informationstechnologie und im Internetbereich – zufriedene Teilnehmende und zufriedene auftraggebende Unternehmen

4. Erfolgs- und Gelingenskriterien: Woran erkennen wir, dass die Zielumsetzung gelungen ist? Welchen Qualitätskriterien sollen Prozess und Ergebnis genügen? – Bestehen der internen Zertifikatsprüfungen und der externen IHK-Prüfungen mit einer Quote nahe 100 Prozent – Steigerung unserer durchgeführten Seminare um 10 Prozent und Gewinnung von 10 neuen Unternehmenskunden für Inhouse-Schulungen

Formulierung des angestrebten Organisationszieles: Wir wollen den informationstechnologischen Aus- und Weiterbildungsbereich weiter ­ausbauen und auf diesem Gebiet regionaler Markt- und Qualitätsführer werden.

Ausgehend von den festgelegten Zielen sind in späteren Schritten entsprechende Maßnahmenpläne aufzustellen. Daraus leiten sich – gegebenenfalls für mehrere Personen – bestimmte Aufgaben ab. Schließlich ist der Stand der Zielerreichung bzw. der Stand der Maßnahmendurchführung in festgelegten Abständen zu evaluieren und zu bewerten, damit rechtzeitig nachgesteuert bzw. die schlussendliche Zielerreichung festgestellt werden kann. Maßnahmenpläne könnten z. B. folgende Form haben, wobei sich die Ergänzung um eine Wozu-Spalte bewährt hat, um nicht in blinden Aktionismus zu verfallen, sondern sich den Sinn der Maßnahme zu vergegenwärtigen (vgl. Tabelle 7):

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Managementinstrumente für die Praxis

Tabelle 7: Maßnahmenplan Was?

Wozu?

Wer?

Bis wann?

Einrichtung einer Online-Lernplattform

Förderung des Austauschs unter den Teilnehmenden und Lerntransfer in die Organisation

Marie Müller

Ende Februar ­dieses Jahres

Entwicklung eines Konzeptes zur Ausbildung von Webdesignern

Förderung des Nachwuchses und Stärkung unserer Marktposition

Bodo Meier (verantwortlich) gemeinsam mit Jan Schulze

Mitte April dieses Jahres

­Überarbeitung unseres Lern­ materials

Berücksichtigung aktueller (technischer) Entwicklungen

Marie Müller (verantwortlich) gemeinsam mit den jeweiligen Kursleitenden

Ende April dieses Jahres

Kommunikation unseres überarbeiteten Angebotsportfolios an alle Organisationen der Region

Gewinnung institutioneller Auftraggeber

Lisa Schmidt (­verantwortlich) zusammen mit unserer Werbeagentur

Ende August dieses Jahres

4.7.2  Managementinstrument: Entwicklung von Indikatoren Indikatoren sind unverzichtbar für die Formulierung aussagekräftiger Ziele und deren Controlling. Dieses Managementinstrument unterscheidet die Ebenen Zielbereich, Ziel und Indikatoren als eindeutige Messgröße bzw. konkret beobachtbares Verhalten. Das Beispiel illustriert die Ausgestaltung der Tabelle für eine Sprachschule. Um von Zielen zu Indikatoren zu kommen, können Sie sich beispielsweise folgende Fragen stellen: Ȥ Wie können die Ziele mit konkreten Maßnahmen operationalisiert werden? Ȥ An welcher Messgröße/Kennzahl oder an welchem beobachtbaren Verhalten erkennen Sie, dass das Ziel erreicht ist? Ȥ Woran würden Ihre relevanten Interessengruppen erkennen, dass das Ziel erreicht ist? Um die Aussagekraft der Ziele bzw. die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung zu erhöhen, ist es sinnvoll, für jedes Ziel mehrere Indikatoren zu bilden (vgl. Tabelle 8).

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Zielmanagement

Tabelle 8: Bildung von Indikatoren Zielbereich

Ziel

Indikatoren/Messgröße bzw. konkret ­beobachtbares Verhalten

Strategische Ziele

Die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung sind in die Angebote integriert.

Potenzielle Kunden können auf der Webseite einen Test zur Einschätzung ihrer Sprachkenntnisse absolvieren. Eine Online-Lernplattform zur Nachbereitung der Inhalte des Sprachkurses ist etabliert. Teile des Sprachkurses werden als Webinare onlinebasiert durchgeführt.

Fachliche Ziele

Finanzielle Ziele

Die Lernenden ­erreichen das durch den jeweiligen Kurs angebotene Sprachniveau.

Die Organisation arbeitet mindestens kostendeckend.

Die Lernenden bestehen die schriftliche Abschlussprüfung. Die Lernenden können die angestrebte kommunikative Situation bewältigen, je nach Sprachniveau von Alltagssituationen bis hin zu Verhandlungen im beruflichen Kontext. Jeder angebotene Kurs leistet einen ­Beitrag zur Deckung der ­Gemeinkosten der Organisation von mindestens 30 Prozent seines Umsatzes. Die Einwerbung öffentlicher Förderung für das laufende Geschäftsjahr ist um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

4.7.3  Managementinstrument: Balanced Scorecard Es ist nicht nur wichtig, gute und richtige Einzelziele für eine Organisation festzulegen, diese müssen auch noch insgesamt zueinander passen, das heißt ein konsistentes Zielsystem ergeben. Die verschiedenen Einzelziele für die Tätigkeitsfelder und Arbeitsbereiche müssen insgesamt zur Erreichung der strategischen Organisationsziele beitragen. Dies erreicht man z. B. durch eine Balanced Scorecard (BSC; dt.: ausgewogene Punktekarte). Bei der Arbeit mit der Balanced Scorecard (Kaplan u. Norton, 1997) geht es darum, überprüfbare Indikatoren für die Zielausrichtung und den Erfolg der Organisation aufzustellen. Die Balanced Scorecard stellt dafür ein geeignetes Instrument dar. Sie ist Ȥ ein Instrument zur Zielvereinbarung und Zielverfolgung, Ȥ ein Mess- und Kennzahlensystem für das Controlling,

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Managementinstrumente für die Praxis

Ȥ ein Führungsinstrument zur zielgerichteten Organisationssteuerung, Ȥ ein Kommunikationsinstrument der Mitarbeitenden zum Abgleich ihrer jeweiligen Beiträge zum Organisationserfolg. Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard. Eine BSC umfasst in der Regel auf der Basis von Vision und Mission der Organisation, des Leitbildes und der strategischen Entwicklungsziele vier Perspektiven (vgl. Abbildung 11): Ȥ Finanzperspektive: Welche wirtschaftlichen Ziele wollen wir erreichen? Ȥ Kundenperspektive: Was wollen wir für und bei unseren Kundinnen und Kunden erreichen? Ȥ Prozessperspektive: Wie müssen unsere internen Prozesse definiert sein, um unsere Dienstleistungen und Produkte möglichst reibungslos herzustellen und zu vertreiben? Ȥ Mitarbeitendenperspektive: Welche Fähigkeiten und Arbeitsbedingungen brauchen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ihre Aufgaben kompetent wahrnehmen zu können?

Finanzperspektive

Mitarbeitendenperspektive

Vision und Mission Leitbild Strategische Entwicklungsziele

Kundenperspektive

Prozessperspektive Abbildung 11: Die Balanced Scorecard (ArtSet, 2017, S. 2)

Diese vier Perspektiven einer BSC können durch beliebige weitere Perspektiven erweitert werden, z. B. die Perspektive der Kooperation als interne Kooperationen zwischen Fachbereichen oder Subsystemen der Organisation oder als externe

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Zielmanagement

Kooperationen mit Dienstleistern oder Partnerinnen. Alle Perspektiven, die zur Steuerung der Organisation bedeutsam sind, können berücksichtigt werden, selbstverständlich auch die eingangs diskutierten ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Anliegen. Zu beachten ist, dass sich die Zielindikatoren/ Kennzahlen der verschiedenen Perspektiven nicht widersprechen, sondern sich aufeinander beziehen, im besten Fall sogar wechselseitig fördern. Des Weiteren sollten nicht zu viele Perspektiven gewählt werden, um das Instrument nicht zu komplex und damit vielleicht wirkungslos zu machen. Daher kann es gerade für Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung sinnvoll sein, zusätzlich zur klassischen Balanced Scorecard weitere Zielsysteme zu nutzen, die das Gemeinwohl und die gesellschaftlich-soziale Wertschöpfung in den Fokus rücken (vgl. das in Kapitel 4.7.4 dargestellte Managementinstrument »Public Value Scorecard«). Die Perspektiven stehen in der Balanced Scorecard in einem kausalen Zusammenhang (Ursache-Wirkungskette; vgl. Abbildung 12). Die Finanzperspektive steht oben, weil ohne ausgeglichenen Haushalt keine Organisation auf Dauer überleben kann. Zu den Finanzen zählen alle Einnahmen, also die erwirtschafteten Kundenbeiträge ebenso wie Zuschüsse und Förderungen. Die Kundenperspektive repräsentiert den eigentlichen Zweck der Organisation. Hier geht es um die Produkte und Dienstleistungen und alle Serviceleistungen. Die Prozess- und die Mitarbeitendenperspektive sind sogenannte Treiberfaktoren, die die Erfüllung der anderen beiden Perspektiven ermöglichen sollen. Die Mitarbeitendenperspektive wird auch gelegentlich Potenziale bzw. Lernen und Entwicklung genannt. Sie umfasst neben den Kompetenzen der Mitarbeitenden auch deren infrastrukturelle Arbeitsbedingungen. Finanzziele:

Wirtschaftliche Ressourcen

Kundenziele:

Qualität der Angebote/Dienstleistungen und Kundenzufriedenheit

Prozessziele:

Qualität der Prozesse und Schnittstellen

Mitarbeitendenziele:

Kompetenzen und Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden

Abbildung 12: Die Ursache-Wirkungskette der BSC (ArtSet, 2017b, S. 4)

Managementinstrumente für die Praxis

93

In den Organisationen sollte es im Regelfall mehrere BSC geben – mindestens eine für die Gesamtorganisation und jeweils eine spezifizierte für jede Mitarbeitende bzw. jeden Mitarbeitenden. Bei großen Organisationen kann auch noch jeweils eine BSC für die Fachbereiche bzw. -dienste aufgestellt werden. Auf der BSC der Mitarbeitenden sind die jeweiligen Ziele der Funktionsstelle/ des Arbeitsplatzes als Beitrag zur Zielerreichung der Gesamtorganisation aufgelistet, und die BSC der Geschäftsbereiche klärt deren Teilverantwortung für die Erreichung der allgemeinen Organisationsziele. Die BSC-Ziele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden dann den allgemeinen Rahmen für die konkreten Arbeitsziele, die in den Zielvereinbarungen festgelegt werden (vgl. in Kapitel 4.7.5 das Managementinstrument »Zielvereinbarungen«). Vorgehen bei der Einführung einer BSC: Die Entwicklung einer Balanced Scorecard erfolgt am besten von oben nach unten. Das heißt, zuerst wird die BSC für die Gesamtorganisation aufgestellt. Daraus werden dann im zweiten und dritten Schritt die Zielkarten für die Fachbereiche und die Mitarbeitenden inklusive des Managements abgeleitet. Alle Ziele müssen überprüfbar formuliert sein. 1. Vergewissern Sie sich der Vision und Mission Ihrer Organisation; reka­ pitulieren Sie die Kernaussagen Ihres Leitbildes und vergegenwärtigen Sie sich Ihre strategischen Entwicklungsziele. 2. Beraten Sie gemeinsam, welche Perspektiven Ihre organisationsspezifische BSC haben soll und legen Sie diese fest. 3. Legen Sie die Ziele der Gesamtorganisation in den gewählten Perspektiven der BSC fest. Es kommt nicht auf die Menge der Ziele an, sondern darauf, zentrale, aussagekräftige Ziele zu finden. Es sollten etwa zwei bis fünf Ziele pro Perspektive sein, abhängig von der Größe und Komplexität der Organisation. 4. Analysieren Sie die Ursache-Wirkungsbeziehungen der Ziele, indem Sie prüfen, ob die Ziele miteinander kompatibel sind und sich in der Ursache-Wirkungskette von unten nach oben unterstützen. 5. Definieren Sie für alle Ziele die Indikatoren, an denen Sie die Zielerreichung jeweils messen werden. 6. Bestimmen Sie die Maßnahmen, die Sie zur Zielerreichung ergreifen werden. Manche Maßnahmen können zur Erreichung mehrerer Ziele geeignet sein. 7. Als Letztes brechen Sie die Ziele und Maßnahmen auf die verschiedenen Ebenen Ihrer Organisation herunter, das heißt, Sie legen fest, was jeder Fachbereich und jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter wodurch erreichen

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Zielmanagement

soll. Die Ziele für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden sich auch in deren Zielvereinbarungen. 8. Überprüfen Sie den Grad der Zielerreichung in festgelegten Abständen und steuern Sie gegebenenfalls nach. 4.7.4  Managementinstrument: Public Value Scorecard Die Public Value Scorecard (PVSC) ergänzt als Steuerungsinstrument die Balanced Scorecard um die Frage, wie Organisationen ihren gesellschaftlichen Mehrwert ganzheitlich analysieren und gestalten können (Meynhardt, 2013). Die PVSC erfasst subjektive Einschätzungen zu den Auswirkungen von Aktivitäten, Initiativen, Produkten oder Dienstleistungen auf den Public Value einer Organisation und baut auf der Prämisse auf, dass dieser gesellschaftliche Mehrwert Ȥ in den Beziehungsgefügen existiert und dort zu bestimmen ist (also bei Kunden, Mitarbeitenden, Geschäftspartnerinnen, Politik etc.), Ȥ auf der individuellen Konstruktion von Öffentlichkeit bzw. Gesellschaft basiert, Ȥ am Maßstab menschlicher Grundbedürfnisse gemessen wird, Ȥ auf Wahrnehmungsprozessen beruht (perception is reality) und Ȥ sich dynamisch im sozialen Kontext verändert (S. 80). Die fünf Dimensionen der PVSC leiten sich aus vier menschlichen Grundbedürfnissen ab, wobei die instrumentell-utilitaristische Dimension (Nutzen) in einen sachlich-inhaltlichen und einen finanziell-ökonomischen Nutzen unterteilt wird (Meynhardt, 2013, S. 80 f.): 1. Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle (instrumentell-utilitaristisch, Fokus auf den sachlich-inhaltlichen Nutzen); Grundfrage: Ist es sachlich gerechtfertigt? 2. Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle (instrumentell-utilitaristisch, Fokus auf den finanziell-ökonomischen Nutzen); Grundfrage: Ist es profita­ bel? 3. Bedürfnis nach Selbstwerterhalt und -steigerung (moralisch-ethisch, Fokus auf das Individuum); Grundfrage: Ist es anständig? 4. Bedürfnis nach positiven Beziehungen (politisch-sozial, Fokus auf die Gruppe); Grundfrage: Ist es politisch akzeptabel im Sinne von demokratieförder­ lich? 5. Bedürfnis nach Unlustvermeidung und Lustgewinn (hedonistisch-ästhetisch, Fokus auf positive Erfahrung); Grundfrage: Ermöglicht es positive Erfahrungen?

Managementinstrumente für die Praxis

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Die Ausprägungen des Public Value der Organisation werden von den Beteiligten z. B. in einer moderierten Gruppendiskussion oder mittels eines speziell erarbeiteten Fragebogens erfasst und visualisiert. Niedrige Ausprägungen führen zu Zielformulierungen in den jeweiligen Dimensionen. Gemäß der Grundannahme der Public Value Scorecard, dass gesellschaftlicher Mehrwert in den Beziehungsgefügen existiert und dort zu bestimmen ist, sollten nicht nur Mitarbeitende der Organisation an der Erarbeitung der PVSC beteiligt werden, sondern auch wesentliche weitere Interessengruppen. Mit einem solchen Vorgehen wird die Inside-out-Perspektive der klassischen Balanced Scorecard (also der Blick von innen – der Organisation – nach außen – auf Märkte und Kunden) ergänzt um die Outside-in-Perspektive, also die Wahrnehmungen relevanter Interessengruppen auf die Organisation und ihre gesellschaftliche Wertschöpfung. 4.7.5  Managementinstrument: Zielvereinbarungen Jedes Organisationsmitglied trägt etwas anderes zur Gesamtleistung der Organisation bei, doch alle zusammen müssen gemeinsame Ziele erreichen. Damit eine Organisation Ergebnisse erzielen kann, müssen sämtliche Tätigkeiten auf ihre Ziele ausgerichtet sein. Die Leistungen der Mitarbeitenden werden daher daran gemessen, ob und inwieweit sie zur Zielerreichung beitragen. Die Leistungen der Managerinnen und Manager werden daran gemessen, ob und inwieweit es ihnen gelingt, diesen Prozess zu organisieren. Dabei muss genau definiert werden, welche Beiträge jede und jeder Einzelne zu welchen Zielen leisten soll. Damit alle Mitarbeitenden ihre eigenen Leistungen und den besonderen Beitrag zu den Organisationsergebnissen beurteilen können, ist es nicht nur wichtig, die Ziele zu kennen, man muss auch in der Lage sein, die Ergebnisse an den Zielen zu messen. Dafür sind Erfolgskriterien bzw. Indikatoren der Zielerreichung eine unerlässliche Voraussetzung. Eine geeignete Methode des Zielmanagements auf der Ebene der Mitarbeitenden sind die Zielvereinbarungen. Zielvereinbarungen dienen der Festlegung von Arbeitszielen für unterschiedliche Funktionsbereiche und Funktionsstellen. Sie betreffen den Beitrag der jeweiligen Position oder Stelle in der Organisation zum Gelingen der gesamtorganisatorischen Aufgaben bzw. zum Erreichen der Ziele der Gesamtorganisation. Zielvereinbarungen stehen daher immer in einem Ableitungsverhältnis zu den allgemeinen Organisationszielen. Die Zeiträume, für die Ziele vereinbart werden, hängen von den Zeiträumen ab, in denen bestimmte Aufgaben oder Projekte zu erledigen sind bzw. bestimmte Ergebnisse vorliegen müssen. Zielvereinbarungen können in Vier-Augen-Gesprächen zwischen Vorgesetzten und einzelnen Mitarbeitenden getroffen werden; es ist aber auch denkbar, dass

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Zielmanagement

Ziele für die einzelnen Stellen oder Funktionsbereiche in Teamgesprächen vereinbart werden. Die Zielvereinbarungen müssen dokumentiert werden, um hinsichtlich der Zielerreichung und der Ergebnisqualität überprüfbar zu sein. Das Zielcontrolling dient der Steuerung von Arbeit und ist nicht mit arbeitsvertragsrelevanten Beurteilungsgesprächen zu verwechseln. Im folgenden Managementinstrument findet sich immer die Formulierung in der Wir-Form, worunter der jeweilige Mitarbeiter und die entsprechende Vorgesetzte zu verstehen sind. Zielvereinbarungen können wie folgt strukturiert sein (vgl. Tabelle 9): Tabelle 9: Zielvereinbarungen Name des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin: 



Name des/der Vorgesetzten: 

I. Inhaltliche Ziele Ziel ist …

Um das Ziel zu erreichen, werden wir Folgendes tun …

Wenn das Ziel erreicht ist, werden wir es erkennen an …

Das Ziel wird erreicht sein bis …

Wenn das Ziel erreicht ist, werden wir es erkennen an …

Das Ziel wird erreicht sein bis …

II. Ziele im Bereich der Zusammenarbeit Ziel ist …

Um das Ziel zu erreichen, werden wir Folgendes tun …

III. Ziele zur Unterstützung des Organisations-/Qualitätsentwicklungsprozesses Ziel ist …

Um das Ziel zu erreichen, werden wir Folgendes tun …

Wenn das Ziel erreicht ist, werden wir es erkennen an …

Das Ziel wird erreicht sein bis …

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Managementinstrumente für die Praxis

IV. Individuelle Beiträge zu den wirtschaftlichen Zielen der Organisation Ziel ist …

Um das Ziel zu erreichen, werden wir Folgendes tun …

Wenn das Ziel erreicht ist, werden wir es erkennen an …

Das Ziel wird erreicht sein bis …

Ziele sind für alle Beschäftigten der Organisation zu vereinbaren: Ȥ Die Organisationsleitung ist verantwortlich für die Gesamtergebnisse. Sie vereinbart ihre Ziele im Regelfall mit den Aufsichtsgremien, Trägern, Vorständen, vorgesetzten Behörden oder Gesellschaftern. Ȥ Die Fachbereichsleitungen sind verantwortlich für die Ergebnisse ihrer jeweiligen Bereiche. Sie vereinbaren ihre Ziele mit der Organisationsleitung. Ȥ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für ihre jeweiligen Arbeitsbereiche und Aufgaben verantwortlich. Sie vereinbaren ihre Ziele mit den Bereichsleitungen.

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Prozessmanagement

(in Zusammenarbeit mit Bettina Strümpf)

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, kennen Sie die Bedeutung der Prozessorientierung für eine erfolgreiche Organisation der personenbezogenen sozialen Dienstleistung. Sie haben gelernt, wie Kundenorientierung sämtliche Abläufe und Strukturen Ihrer Organisation wie ein roter Faden durchzieht. Sie haben Instrumente kennengelernt, um Ihre Sensibilität für betriebliche Abläufe zu schärfen, Abläufe Ihrer Organisation effizient und effektiv zu gestalten und dabei die Anforderungen Ihrer Kunden und Kundinnen stets im Blick zu behalten.

5.1 Organisationen auf dem Weg zur Prozessorientierung und zum kundenorientierten Prozessmanagement Bevor Ansätze des Prozessmanagements in die Organisationspraxis Einzug hielten, sollte der Erfolg einer Organisation über eine richtige Aufbau- und Ablauforganisation sichergestellt werden. Entsprechend wurden Organisationen arbeitsteilig organisiert und funktional gegliedert. Mit dem Wandel der gesellschaftlichen Gegebenheiten mussten die Organisationen jedoch immer mehr Funktionen erfüllen, um die wachsende Komplexität und Dynamik in ihrem Umfeld bewältigen zu können. So wurden immer wieder neue Abteilungen geschaffen, wie Marktforschung, Marketing, Akquisition, Auftragsannahme, Produktion, Controlling, Auslieferung, Kundenservice, EDV, Personal etc. Dadurch nahm die Arbeitsteilung stetig zu, und Organisationen differenzierten sich zunehmend funktional aus, das heißt, sie zergliederten sich immer mehr in einzelne Zuständigkeitsbereiche. Mit zunehmender Größe der Organisationen wurde deshalb der notwendige Aufwand für die Koordination und Steuerung immer größer. Die Hierarchie definiert in solchen Organisationen die gestaffelten Verantwortlichkeiten und die Abteilung die Zuständigkeiten für die funktional zu erledigenden Aufgaben (Maatz, 1999, S. 76). Wie alle Vereinfachungsmechanismen löst allerdings auch Arbeitsteilung das Problem von Komplexität (und der damit einhergehenden Unsicherheit) nicht auf, sondern schafft eigene Probleme mit neuen Herausforderungen. Arbeitsteilung stellt aus ganzheitlicher Sicht immer nur eine unvollkommene Bearbeitungsform dar. So erhöht sich der Koordinations- und Kommunikationsaufwand zwischen den

Organisationen auf dem Weg zur Prozessorientierung

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einzelnen Teilbereichen der Organisation immens, was insgesamt zu einer Bürokratisierung der Organisation führt. Die Zergliederung in Funktionsbereiche bringt zudem viele interne, autonome Fürstentümer mit sich. Im Arbeitsprozess stehen dann häufig Positionen im Vordergrund und nicht (mehr) die zu erledigenden Aufgaben. Streit um Zuständigkeiten oder das Gegenteil, die Vermeidung von Verantwortungsübernahme, sind oft die Folge. Ebenso wie Wirtschaftsunternehmen organisieren sich Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung traditionell nach funktionalen Fachbzw. Arbeitsbereichen oder unterschiedlichen Dienstleistungsangeboten. Auch hier kann dies mit der Zeit zu gegeneinander abgeschotteten Ab-Teilungen und einer isolierten Versäulung in der Aufbauorganisation führen. Jeder Teil sieht sich dabei als Ganzes und tritt wie eine selbstständige Organisation in der Organisation auf, mit der Folge einer zu hohen Binnenorientierung. Bei Organisationen personenbezogener sozialer Dienstleistung korrespondiert mit den starren Strukturen einer Aufbauorganisation häufig auch noch eine zu starke Trennung zwischen Verwaltung und Fachbereichen. Diese Subsysteme sind nicht als Teile eines Ganzen wechselseitig aufeinander bezogen, sondern sie existieren desintegriert nebeneinander. Abgestimmte und anschlussfähige Zusammenarbeit findet nur situativ und personenabhängig statt. Diese Desintegration der Subsysteme ist sowohl zwischen den Subsystemen der Organisation als auch innerhalb der einzelnen Subsysteme wahrnehmbar. Auf der Ebene der Fachbereiche äußert sich dies z. B. in einer starren Ressorttrennung und einer missverstandenen, weil unverbundenen Autonomie der Teile. Die Folgen der wechselseitigen Abschottung sind, dass Konkurrenzen hinsichtlich bestimmter, exklusiv verstandener Zuständigkeiten auftreten können oder eben Verweigerungen bezüglich der Übernahme von Aufträgen, von denen angenommen wird, sie gehörten nicht in das eigene Ressort (Ehses u. Zech, 2000, S. 17 ff.). Die Kundenorientierung der Organisation wird auf diese Weise systembedingt untergraben. Systembedingt meint, dass bereits im Aufbau des Systems Schwachstellen angelegt sind. Alle Mitarbeitenden mögen ihre Aufgaben, für die sie zuständig sind, im Einzelnen wohl korrekt erledigen, zusammen tun sie aber dennoch das Falsche oder zumindest das Richtige nicht gut genug. Kundenorientierung kann sich in solchen Strukturen dann nur noch auf der Ebene des freundlichen Umgangs realisieren. Erstmals hat Michael Porter verstärkt das Augenmerk auf Prozesse und nicht auf die Aufbauorganisation gelegt. Er entwickelte in den 1990er Jahren das Modell der Wertkette. Auch Konzepte wie Six Sigma, Kaizen, KVP oder Total Quality Management, die ab den 1980er Jahren eingeführt wurden, fokussie-

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Prozessmanagement

ren auf eine Verbesserung der Prozesse im Sinne der Anforderungen der Kunden (König u. Volmer, 2018). Der prozesshafte Zugang hat bis heute nicht an Bedeutung verloren. So versteht beispielsweise das Sankt Gallener Management-Modell unter einer Organisation ein arbeitsteiliges Wertschöpfungssystem. Organisationen sind durch verteilt ablaufende Prozesse des Organisierens charakterisiert. Diese Prozesse konstituieren und stabilisieren eine Organisation als Wertschöpfungssystem (Rüegg-Stürm u. Grand, 2019, S. 123). Prozessorientierung bedeutet, dass nicht die Ergebnisse, sondern die Prozesse im Vordergrund stehen, wobei die Qualität der Ergebnisse als natürliche Folge der Prozessqualität angesehen wird (Brunner u. Wagner, 2011, S. 72). Moderne Kundenorientierung einer Organisation der personenbezogenen sozialen Dienstleistung kommt in einem ganzheitlich kundenorientierten Prozessmanagement zum Ausdruck. Ganzheitlich kundenorientiertes Prozessmanagement meint, dass sich eine Organisation insgesamt, das heißt strategisch, strukturell und kulturell, auf ihre Kunden ausrichtet (Zech, 2005). Im Rahmen einer gesellschaftlich sinnvollen Leistungserbringung ist der Nutzen der Kunden der Daseinszweck einer Organisation (vgl. Kapitel 2 »Normatives Management«). Kundenorientierung beginnt bereits beim Aufstellen der Organisationsstrategie (vgl. Kapitel 3 »Strategisches Management«). Auch hier sind die aktuellen und die prognostizierten zukünftigen Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden die Richtschnur für das gesamte Organisationshandeln. Ausdruck einer kundenorientierten Organisationskultur ist ein (aus der Strategie abgeleitetes) durchgängig kundenbezogenes Denken, Planen, Steuern und Handeln aller Beschäftigten. Dies fängt bei der obersten Führung an und muss sich fortsetzen bis in die untersten ausführenden Funktionen. Kundenorientiertes Prozessmanagement ist zudem mit einer Veränderung der Organisation verbunden. Diese Veränderung betrifft vornehmlich die historisch gewachsenen, starren Organisationsstrukturen. Arbeitsabläufe müssen für eine effiziente Aufgabenerfüllung neu organisiert und effektiv auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet werden. Kundenorientiertes Prozessmanagement richtet die Arbeitsabläufe an einer bestmöglichen Ablauflogik im Interesse der Kundinnen und Kunden aus. Strukturen werden dieser Logik folgend um die Prozesse herum organisiert. Es wird Abschied genommen vom abteilungsorientierten Denken, von personalisierten Machtbereichen und Hierarchiepyramiden. Die Verantwortung für einen reibungslosen Ablauf liegt bei den Prozessverantwortlichen (vgl. Abbildung 13). Die größte Herausforderung für das Prozessmanagement auf dem Weg zu einer kundenorientierten Prozessorganisation ist die strukturelle Kundenorientierung. Diese verlangt, dass die Strukturen den Prozessen folgen und

Organisationen auf dem Weg zur Prozessorientierung

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Abbildung 13: Kundenorientierte Prozessorganisation (Brückner, 2010a, S. 137)

nicht umgekehrt. Der Kunde bzw. die Kundin befindet sich im Zentrum des Geschehens. Sicher nicht immer persönlich, aber als idealtypisches Konstrukt im Sinne einer regulierenden Idee, die der Praxis eine Richtung gibt. Eine solche Kundenorientierung durchzieht sämtliche Prozesse des Managements und alle Arbeitsabläufe der Organisation. Dieses Verständnis führt zum Umdenken hinsichtlich eines effektiven Organisationsaufbaus. Wirtschaftlicher Erfolg hängt zunehmend davon ab, wie komplexe Abläufe organisiert werden. Je präziser, zeitsparender und intelligenter die Prozesse sind, desto effizienter und wirtschaftlicher verläuft die Leistungserbringung für die Kunden. Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung müssen anschlussfähig an vielfältige veränderte gesellschaftliche Bedarfe und individuelle Bedürfnisse sein. Flexibilität, schnelle bedarfsbezogene Marktauftritte, Service- und Nutzenorientierung sind zu Überlebenskriterien nicht nur der Wirtschaft, sondern zunehmend auch der personenbezogenen sozialen Dienstleistung geworden. Dies drückt sich beispielsweise in einer Flexibilität hinsichtlich Angebotsportfolio, Struktur, Zeit und Ort von Maßnahmen oder einem begleitenden Service aus. Folgt man einem Prozessverständnis von Arbeit in einer Organisation, ist jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter für die Angebote mitverantwortlich. Jede Person in der Organisation trägt ihren Teil zum Gelingen des Ganzen bei. Tätigkeiten und Aufgaben, die eine Mitarbeiterin ausführt, müssen als ein Element einer Handlungskette wahrgenommen werden, die erst an ihrem Ende zum angestrebten (Gesamt-)Ergebnis führt. Jede Tätigkeit ist mit ande-

102

Prozessmanagement

ren verwoben. Mitarbeitende sind auf Vorarbeiten von Kollegen angewiesen, und ihre Leistung ist wiederum Voraussetzung dafür, dass andere Kolleginnen anschließend weiterarbeiten können. Tätigkeiten, die für sich allein betrachtet wenig bedeutend erscheinen, können durch prozessorientiertes Denken in ihrer Bedeutung für die gesamte Organisation erkannt und dadurch aufgewertet werden. Dies hat einen positiven Effekt auf die Motivation und das Verantwortungsbewusstsein der Beschäftigten. Ein kundenorientiertes Prozessmanagement hat viele Vorteile: Ȥ Die Arbeit wird dort erledigt, wo es am sinnvollsten ist. Ȥ Doppelarbeiten und mangelhafte Abstimmungen werden vermieden. Ȥ Die Zuständigkeiten sind klarer, die Transparenz in der Organisation wird erhöht. Ȥ Die Verantwortung ist eindeutig bei einer Person angesiedelt, gegebenenfalls unterstützt durch ein Prozessteam. Ȥ Aufwendige Kontrollmechanismen entfallen. Ȥ Bürokratie wird reduziert, nicht-wertschöpfende Tätigkeiten werden abgebaut. Ȥ Entscheidungen im Rahmen der definierten Prozesse werden vor Ort von den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getroffen. Ȥ Neuen Herausforderungen wird systematisch begegnet. Ȥ Wissen wird unabhängig von handelnden Personen in der Organisation gehalten. Ȥ Strategisch wichtige Prozesse bekommen mehr Aufmerksamkeit. Ȥ Die Einarbeitung neuer Kräfte wird erleichtert. Ȥ Transparenz wird gewährleistet. Ȥ Die Arbeitsqualität, die Eigenverantwortlichkeit, die Selbstorganisation und damit die Zufriedenheit der Beschäftigten steigen. Ȥ Durch die Optimierung der Abläufe bleibt mehr Zeit für die Weiterentwicklung der Organisation und ihrer Angebote. Ȥ Es werden nicht unabgestimmte Angebote nachträglich verkauft, sondern eine Vertriebslogik bestimmt bereits die Angebotsentwicklung. Ȥ Die Kundinnen und Kunden profitieren durch schnellere, gegebenenfalls kostengünstigere Leistungen, die stärker an ihre Bedürfnisse angepasst sind.

Grundlagen im Prozessmanagement

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5.2 Grundlagen im Prozessmanagement Ein Prozess ist eine Abfolge von zusammenhängenden Aktivitäten. Er ist durch einen Anfangspunkt mit einer Eingabe und einen Endpunkt charakterisiert, an dem ein bestimmtes Ergebnis vorliegt (König u. Volmer, 2018, S. 435). Prozesse sind darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu befriedigen, sodass diese daran interessiert sind, bestimmte Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. In Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung sind Prozesse beispielsweise die Bedarfserschließung, Angebotsentwicklung und Evaluation der Angebote. Ergebnisse können Informationen, Produkte oder Dienstleistungen sein (Füermann u. Dammasch, 2008, S. 39). Zielsetzung der prozessorientierten Betrachtung ist es, den Prozess als Ganzes zu sehen, um ein Regelwerk zu entwickeln, das einen möglichst schnellen und reibungslosen Ablauf gewährleistet. Prozessmanagement bedeutet, dass mehrere Personen mit verschiedenen Aktivitäten an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, wobei im Mittelpunkt das Zusammenspiel der Personen steht. Eine Verbesserung der Qualität des Prozesses kann mithilfe folgender Fragen erzielt werden: Ȥ Sind alle notwendigen Aufgaben berücksichtigt, um das Ziel des Prozesses zu erreichen? Ȥ Werden die Aufgaben in der richtigen Reihenfolge erledigt? Ȥ Sind die verschiedenen Aufgaben optimal verteilt, das heißt, werden sie an der richtigen Stelle erledigt? Ȥ Ist der Informationsfluss von einer Bearbeiterin zur anderen in Ordnung? So entsteht eine Kette von zusammenhängenden Aktivitäten, die gemeinsam einen Kundennutzen schaffen. Prozesseingaben oder Inputs (beispielsweise Kundenaufträge) führen zu einem Startereignis eines Prozesses und lösen eine Kette von Tätigkeiten innerhalb des Prozesses aus. Am Ende des Prozesses steht ein Ergebnis, beispielsweise ist eine Beratung abgeschlossen oder eine Rechnung ist erstellt (Herrmann u. Fritz, 2016, S. 75). Prozessmanagement schafft Übersicht und wirkt der wachsenden Komplexität entgegen. Dies geschieht, indem die Prozesse identifiziert, beschrieben und konsequent an den Anforderungen der Kunden und Kundinnen ausgerichtet werden. Dadurch können die Wertschöpfung und die Kundenzufriedenheit gesteigert werden. Die Qualität und die Produktivität verbessern sich (Füermann u. Dammasch, 2008, S. 6).

104

Prozessmanagement

Der Nutzen von Prozessorientierung liegt darin, dass sich durch ständige Verbesserungen der Prozessabläufe Qualitätskriterien bilden, die ein reibungsloses Zusammenarbeiten ermöglichen bzw. dass sich die definierten Qualitätskriterien durch die Praxis als geeignet oder nicht geeignet erweisen. Dies sichert die Qualität der Organisationsleistung für die Kunden. Im Idealfall sollte jemand ohne detaillierte Sachkenntnisse einen definierten Prozess als Handlungsanleitung bzw. Gebrauchsanweisung nutzen können. In diesem Zusammenhang lassen sich drei Arten von Prozessen unterscheiden. Nach den gängigen Definitionen werden wertschöpfende Schlüsselprozesse, Unterstützungsprozesse und Managementprozesse unterschieden: Ȥ Schlüsselprozesse sind besonders wichtige und zentrale Handlungsabläufe in einer Organisation. Sie begründen die Kernidentität einer Organisation und sind unmittelbar für die Leistungserbringung für die Kundinnen und Kunden verantwortlich. Kunden erfahren durch sie einen wahrnehmbaren Nutzen. Schlüsselprozesse können auch Kernprozesse oder zentrale Prozesse genannt werden. Ȥ Unterstützungsprozesse erfüllen eine unterstützende Aufgabe, damit die Schlüsselprozesse reibungslos funktionieren können. Sie leisten allerdings keinen direkten Kundennutzen und sind auch nicht wertschöpfend, gleichwohl aber notwendig. Als klassische Beispiele sind hier die Buchhaltung oder das Personalmanagement zu nennen. Ȥ Managementprozesse sind Prozesse der Organisationsführung wie Strategieentwicklung, Wissensmanagement, Prozessmanagement, Finanzmanagement etc. Zu ihnen zählen alle Prozesse, die der Steuerung der Organisation dienen – also z. B. Zielsetzungen, Ressourcenplanungen, Struktur- und Ablaufgestaltungen und Ergebniskontrollen. Schlüsselprozesse bezeichnen besonders wichtige und zentrale Handlungsabläufe, von deren reibungslosen Funktionieren letztlich die Existenz einer Organisation der personenbezogenen sozialen Dienstleistung abhängt. Schlüsselprozesse lassen sich daher als diejenigen zentralen Prozesse definieren, die zur Erstellung und Abnahme spezifischer Angebote einer Organisation führen. Schlüsselprozesse liegen quer zu den jeweiligen Funktionsstellen, Bereichen oder Aufgaben und beziehen sich auf die Arbeitsabläufe der Gesamtorganisation (Zech, 2008a, S. 58). Für die Arbeit und die Steuerung in einer Organisation ist es wichtig, die Schlüsselprozesse zu (er-)kennen und eindeutig zu definieren. Eine zwingende Voraussetzung für jedes Prozessmanagement ist es, zu definieren, worin die Kernkompetenzen der Organisation bestehen. Kern-

Die Neugestaltung der Organisation

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kompetenzen meinen die besonderen Fähigkeiten, auf denen die Leistungen, die eine Organisation ihren Kunden und Kundinnen bietet, beruhen. Zur Identifikation der Kernkompetenzen einer Organisation der personenbezogenen sozialen Dienstleistung kann das Managementinstrument »Herausarbeitung der Kernkompetenzen« genutzt werden (vgl. Kapitel 3 »Strategisches Management«). Aus den Kernkompetenzen lassen sich die Schlüsselprozesse einer Organisation unmittelbar ableiten. Sie sind als diejenigen Prozesse definiert, die zur Erbringung der jeweiligen Kernleistungen führen. Um diese Schlüsselprozesse zu identifizieren, ist eine komplexe und umfassende Sicht auf die Arbeitsabläufe notwendig.

5.3 Die Neugestaltung der Organisation zu einer kundenorientierten Prozessorganisation In neueren Managementansätzen wird umfassendes Prozessmanagement im Zusammenhang mit einem Business-Reengineering beschrieben. Hierbei geht es um eine grundlegende Neugestaltung der Organisation als eine einzige Kette von Kern- bzw. Schlüsselprozessen. Dabei wird nicht nur gefragt, wie das, was bisher gemacht wurde, verbessert werden kann, vielmehr wird die Frage gestellt, ob es überhaupt sinnvoll ist. Die Organisation wird quasi grundsätzlich neu gedacht bzw. neu erfunden. Im Fokus dieser Neukonzeption stehen immer Kundinnen und Kunden mit ihren Bedürfnissen. Auf sie richten sich alle Anstrengungen eines kundenorientierten Prozessmanagements aus. Eine strikte Prozessorientierung führt zu einem Umdenken hinsichtlich eines effektiven Organisationsaufbaus. Dieser orientiert sich zentral an den Schlüsselprozessen einer Organisation. Eine ganzheitliche und nachhaltige Prozessorientierung richtet sich an der inneren Logik der Aufgabenerledigung für die Befriedigung der Kundenbedürfnisse aus. Ziel ist es – quasi aus der Vogelperspektive – eine bereichsübergreifende Ablaufoptimierung zu gewährleisten. Wenn zuvor z. B. Fachbereiche, Verwaltung und Marketing die Organisation strukturierten, so wird nun eine Prozesslandschaft im Sinne des Kundenauftrags geschaffen. Die Aufgabenorientierung orientiert sich dabei an einer optimalen Abwicklung des Prozesses; die Zuständigkeiten werden erst in einem zweiten Schritt wieder zugeordnet. Auf die am Prozess Beteiligten bzw. auf das Prozessteam kommen so teilweise komplexe Aufgaben zu, die sie weitestgehend eigenständig erbringen und untereinander verstärkt rückkoppeln. Der prozessorientierte Blick auf Arbeitsabläufe und deren Verkettung führt dazu, dass Prozesse durchgängig durch die ganze Organisation gestaltet werden. Die

106

Prozessmanagement

gesamte Organisation ist als ein Kreislauf von Schlüsselprozessen zu verstehen (vgl. Kapitel 5.4.1 – Phase 1 im Prozesszyklus) und auch so zu planen – stets fokussiert auf den zu produzierenden Kundennutzen.

5.4 Der Prozesszyklus Im Folgenden werden die verschiedenen Phasen im Prozesszyklus dargestellt. Die einzelnen Elemente sind wichtig; in welcher Abfolge sie bearbeitet werden, kann jedoch je nach Organisation und Intention variieren. Wesentlich ist auch zu unterscheiden, an welcher Stelle es Sinn macht, Prozesse zu definieren, und an welcher Stelle nicht. Anders gesagt, gilt es zu reflektieren, wann eine Formalisierung nützlich ist und in welchen Bereichen einer Organisation Offenheit notwendig ist. Auch im Verlauf des Prozesszyklus sind ein wiederkehrendes Innehalten und die Schaffung von Reflexionsräumen hilfreich, damit ein stimmiges Maß an Strukturierung gewährleistet wird. Die Aufmerksamkeit kann im Vorfeld der Prozessgestaltung auch auf eine Unterscheidung gelenkt werden zwischen Bereichen, wo Erwartbares (z. B. in Form definierter Prozesse) kontrolliert werden kann, und solchen, wo Unerwartetes gemanagt werden muss. Die nachstehende Abbildung 14 verdeutlicht dies:

 

Abbildung 14: Unerwartetes managen – Erwartbares kontrollieren (Brückner, 2018)

107

Der Prozesszyklus

Für das Management von Prozessen werden in der Literatur verschiedene Schritte beschrieben (z. B. Bayer u. Kühn, 2013; Berglehner u. Wilbers, 2015; Füermann u. Dammasch, 2008). Beim Business Process Management (Dumas, La Rosa, Mendling u. Reijers, 2018) wird auch vom Prozessmanagement-Lebenszyklus gesprochen. Die Phasen entsprechen in etwa auch dem Deming-Zyklus »plan – do – check – act« (auch PDCA-Zyklus). In Anlehnung an diese Modelle kann folgender Prozesszyklus für das Managen von Prozessen beschrieben werden (s. Abbildung 15):

PHASE 1 Prozess‐ identifikation

PHASE 5

PHASE 2

Prozess‐ optimierung

Prozess‐ definition

PHASE 4

PHASE 3

Prozess‐ controlling

Prozess‐ ausführung

Abbildung 15: ­Prozesszyklus

5.4.1  Phase 1: Prozessidentifikation Im Rahmen der Prozessidentifikation wird bestimmt, welche Prozesse in der Organisation im Rahmen des Prozessmanagements stärker in den Blick genommen werden sollen. Arbeit besteht immer aus einer Anzahl unterschiedlicher Tätigkeiten, die in einer bestimmten Reihenfolge zu erledigen sind. Betrachtet man eine Organisation mit der Brille des Prozessmanagers, dann geschieht dort nichts anderes als ein stetes Aneinanderreihen und Verknüpfen einzelner Aufgaben. Das gesamte Zusammenspiel unterschiedlicher Aufgabenerledigungen kann als ein einziger Prozess betrachtet werden.

 

108

Prozessmanagement

Auf der Suche nach den besonders relevanten organisationsspezifischen Schlüsselprozessen können z. B. folgende Fragen (vgl. ArtSet, 2017c, S. 4 f.) hilfreich sein: Ȥ Durch welche Arbeitsabläufe wird die Existenz der Organisation wirtschaftlich gesichert? Ȥ Welche Arbeitsabläufe sorgen dafür, dass die Leistungsabgaben der Organisation unverwechselbar sind? Ȥ Welche Arbeitsabläufe führen unmittelbar zur Herstellung und zum Vertrieb der Angebote und Dienstleistungen? Ȥ Welche Arbeitsabläufe haben direkten Einfluss auf die Qualität der Angebote und Dienstleistungen? Ȥ Welche Arbeitsabläufe haben die stärksten spürbaren Auswirkungen auf die Kunden? Die Identifikation von Schlüsselprozessen ist die Voraussetzung für ein strukturiertes und übersichtliches Prozessmanagement. Schlüsselprozesse stehen aber nicht für sich allein, das heißt isoliert, innerhalb einer Organisation. Sie sind immer Teil einer Prozesslandschaft. Die Leistungserbringung eines Prozesses ist oft Voraussetzung oder auch Auslöser für einen weiteren, ihm folgenden Prozess. Die gesamte organisationale Leistungskette besteht aus vielen einzelnen Prozessen, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Das heißt, auch organisationsintern hat man es mit Zulieferern und Abnehmerinnen oder in anderen Worten mit internen Lieferantinnen und internen Kunden zu tun. Zusammengenommen bilden sich sogenannte Prozessketten, die sich durch die gesamte Organisation ziehen, das heißt über Hierarchieebenen und Verantwortungsbereiche, und sogenannte Prozesslandschaften bilden. In nahezu allen Organisationen finden sich allgemeine Schlüsselprozesse wieder, die sich auf die Aufgaben Ȥ Erhebung von Kundenbedürfnissen bzw. Erschließung gesellschaftlicher Bedarfe, Ȥ Angebotsentwicklung, Ȥ Marketing/Verkauf, Ȥ Auftragsabwicklung und Ȥ Qualitätskontrolle/Evaluation beziehen. In jeder Organisation werden Handlungsabläufe durchgeführt, die sich im Kern auf die Bewältigung dieser Aufgaben konzentrieren – unabhängig von den Bedingungen und speziellen Eigenarten der Organisation (vgl. Abbildung 16). Diese Prozesse sind universell, weil sie die wesentlichen

109

Der Prozesszyklus

Schritte zu Erstellung, Verkauf und Durchführung der Produkte und Dienstleistungen umfassen. Jeder dieser Prozesse ist eine in sich abgeschlossene Sequenz, mit deren Abschluss eine existenzielle Funktion für die Organisation erfüllt wurde. Jeder dieser Schlüsselprozesse ist seinerseits in das Zusammenspiel weiterer Schlüsselprozesse der Gesamtorganisation eingebunden und hat daher Schnittstellen zu anderen Prozessen. Das heißt, alle Schlüsselprozesse können im Rahmen einer durchgängigen Prozesslandschaft der Gesamtorganisation miteinander verbunden werden. So macht beispielsweise ein Schlüsselprozess Bedarfserschließung erst Sinn, wenn er als Voraussetzung für eine daran anschließende Angebotsentwicklung dient. Erst in der Kombination aller Schlüsselprozesse ergibt sich die Gesamtleistung der Organisation für die Kundinnen und Kunden.

Wie binden wir unsere Kunden?

Wer sind unsere Kunden?

Wie evaluieren wir die Qualität und das Gelingen unserer Arbeit?

Wie erheben wir ihre Bedürfnisse?

Wie richten wir unsere Angebotsentwicklung an den Kundenbedarfen aus?

Wie beteiligen wir unsere Kunden?

Wie gestalten wir die Dienstleistungssituation für unsere Kunden?

Wie werben wir unsere Kunden?

Wie empfangen wir unsere Kunden?

Wie erreichen uns unsere Kunden?

Abbildung 16: Prozesslandschaft einer personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisation rund um den Kunden (Brückner, 2010a, S. 141)

110

Prozessmanagement

Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung sind daher intern so in aufeinander aufbauenden Prozessen zu strukturieren, dass dies zur optimalen Befriedigung der Kundenbedürfnisse führt. Das heißt, alle Stationen, die Kunden mit ihren Bedürfnissen real oder imaginär durchlaufen – von der Entstehung eines bestimmten Bildungs-, Beratungs- oder Dienstleistungswunsches bis zu dessen Befriedigung durch ein bestimmtes Angebot –, sind aus deren Sicht zu rekonstruieren. Daraus werden dann Anforderungen an die einzelnen Schlüssel-, Management- und Unterstützungsprozesse abgeleitet. 5.4.2  Phase 2: Prozessdefinition Zu der Definition von Prozessen, insbesondere von Schlüsselprozessen, gehört die – meist grafische – Darstellung von Prozessen. Sie dient als Grundlage für die Optimierung von Prozessen und die Aufgabenerleichterung für die Beschäftigten in ihrer alltäglichen Arbeit. Um dies leisten zu können, müssen die definierten Prozesse in der Darstellung ihrer einzelnen Aufgaben und Arbeitsschritte transparent und vollständig sein. Die für die Umsetzung der einzelnen Arbeitsschritte erforderlichen Arbeitsmaterialien und Vereinbarungen müssen ebenso wie die Verantwortlichkeiten eindeutig erkennbar und verbindlich sein. Im Idealfall sollten neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen definierten Prozess als Handlungsanleitung, das heißt als Gebrauchsanweisung, nutzen können und auf dem vorgezeichneten Weg anhand der beschriebenen Tätigkeiten, mithilfe der Arbeitsmaterialien und in der angegebenen Zeit das angestrebte Ergebnis erreichen können. Hierfür ist es wichtig, alle relevanten Teilschritte zu berücksichtigen und sie exakt darzustellen. Darüber hinaus müssen alle erforderlichen Vorlagen, Checklisten und Informationen als zusätzliches Material benutzerfreundlich aufbereitet werden und griffbereit zur Verfügung stehen. Die Prozesse können in einem Flussdiagramm oder einer Tabelle dokumentiert werden. Die definierten Prozesse und die im Prozess verwendeten Unterlagen werden üblicherweise in einem Organisationshandbuch (elektronisch oder in Papierform) gesammelt und dokumentiert. (Für die Aufgaben und Herausforderungen, die mit dem Einsatz eines Organisationshandbuchs in der Praxis verbunden sind, vgl. Brückner, 2008.) Es bietet sich – neben der einfachen und praktikablen Darstellung in Tabellen und Flussdiagrammen – auch die Möglichkeit der Modellierung von Prozessen in sogenannten BPM-Programmen (Business Prozess Management-Programme) an. Auch in Mindmaps oder Texten können Prozesse dokumentiert werden. Welche Darstellungsform angemessen ist, hängt von der Art und der Komplexität der Prozesse ab und auch von den Organisationsbedingungen.

Der Prozesszyklus

111

Dabei bieten sich für die Darstellung der definierten Prozesse unterschiedliche Hilfsmittel an. Sie reichen von simplen Fotoprotokollen, von mit Moderationskarten erstellten Prozessdiagrammen oder mit der Hand auf Papier gezeichneten Grafiken über die Visualisierung von Flussdiagrammen in Word oder Excel bis hin zu digitalen Instrumenten wie MS Visio, Adonis NP, Diagram Designer oder yEd Live (teilweise kostenfrei, teilweise kostenpflichtig). Jedes Word- und Excelprogramm stellt vorgefertigte Formen für Flussdiagramme zur Verfügung, die sehr einfach in der Anwendung sind. Verlinkungen zu weiterführenden Checklisten sind ebenso möglich. Excel bietet zusätzlich noch die Möglichkeit mehrerer Arbeitsblätter in einer Datei, sodass zusammenhängende Prozesse in einer Datei gespeichert werden können. Im Rahmen der Prozessdefinitionen und -dokumentationen ist es unerlässlich, die Schnittstellen innerhalb der Prozesse und auch zwischen den einzelnen Prozessen klar zu definieren und eindeutig zu klären. Die explizite Benennung der Schnittstellen ist besonders wichtig, weil hier unterschiedliche Aufgabenerledigungen ineinandergreifen. Prozesse sollten daher so organisiert werden, dass möglichst wenige Schnittstellen darin vorkommen. Denn jede Schnittstelle enthält eine Reihe potenzieller Probleme. Jede Schnittstelle ist potenziell Ȥ eine Liegestelle, da häufig zeitliche Abstimmungsprobleme bei der Übergabe entstehen können, Ȥ eine Irrtumsquelle, da Informationsverluste über den Gesamtzusammenhang entstehen können, Ȥ eine Quelle der organisatorischen Unverantwortlichkeit, weil Fehler und Unzulänglichkeiten nur schwer zurechenbar sind (Osterloh u. Frost, 2006, S. 22). Bei der Durchführung von Prozessen besteht folglich ein hoher Koordinationsbedarf in zeitlicher, sachlicher und personeller Hinsicht. Das Ideal, durchgängige Prozesse mit möglichst wenigen Schnittstellen zu realisieren, lässt sich – zumindest bei Schlüsselprozessen – nur schwer umsetzen. Es ist daher im Prozessmanagement unumgänglich, für diese Übergabestellen von Arbeit Qualitätskriterien festzulegen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die nachfolgend beschäftigte Person nicht die Mängel und Fehler ausgleichen muss, die im Rahmen vorgelagerter Prozessschritte aufgetreten sind. Bei Abweichung von diesen Qualitätskriterien geht die Arbeit an den Leistungserbringer zur Nachbesserung zurück. Qualitätskriterien können auch für die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern und Kooperationspartnern festgelegt und vereinbart werden.

112

Prozessmanagement

An den Schnittstellen innerhalb und zwischen den Prozessen muss geklärt sein (vgl. ArtSet, 2017c, S. 7): 1. Was (Information, Teilergebnis etc.) wird  wann (Datum, Zeitpunkt etc.),  in welcher Form (persönlich, schriftlich, mündlich, elektronisch, mit welchem Formblatt etc.),  in welcher Qualität (Qualitätsstandards, inhaltliche Indikatoren, Messkriterien etc.)  an wen (interner Kunde, externer Dienstleister, Kooperationspartner etc.) übergeben? 2. Wie ist das Ergebnis des vorherigen Prozessschrittes weiterzuverarbeiten? 3. Wie wird das weiterverarbeitete Ergebnis an den nächsten Prozessbeteiligten oder an die Endabnehmerin weitergegeben? (siehe hierzu wieder 1.) 5.4.3  Phase 3: Prozessausführung Bei der Implementierung von Prozessen sind im Vorfeld Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Ressourcen klar zu definieren. Das prozessorientierte Arbeiten geht mit einer Verantwortungsübernahme durch diejenigen Beschäftigten einher, die die jeweilige Arbeit ausführen. Zur Eindeutigkeit und Klarheit hat es sich bewährt, für jeden definierten Schlüsselprozess eine Gesamtverantwortung an eine Person zu übergeben, selbst dann, wenn innerhalb eines Prozesses mehrere Personen tätig sind. Durch die Festlegung der Prozessverantwortung wird sichergestellt, dass die Funktionalität der Prozesse kontinuierlich überprüft und die Prozesse gegebenenfalls angepasst oder weiter optimiert werden. Ebenso macht es Sinn, für das Prozessmanagement Verantwortliche zu definieren. Deren Aufgabe besteht u. a. darin, für Bekanntheit, Eindeutigkeit und Einheitlichkeit (beispielsweise der Darstellung oder des Speicherorts) der Prozesse zu sorgen. So kann eine einheitliche Vorlage für die Prozessdokumentation, ein sogenanntes Template, bereitgestellt werden. Auch die Erstellung eines Konventionenhandbuchs macht Sinn, in welchem die Bezeichnung der Checklisten und/oder Dateien, die verwendeten Elemente, Modellierungsrichtlinien usw. aufgelistet sind. Dies fördert die Transparenz und stellt zudem sicher, dass eine einheitliche und damit verständliche Kommunikation möglich ist. Wenn Prozessmanagement in einer Organisation neu eingeführt wird, ist dies ein einmaliges und durchaus komplexes Projekt. Danach wird die Handhabung der Prozesse im Organisationsalltag beobachtet, was zur nächsten Phase im Prozessmanagement führt.

Der Prozesszyklus

113

5.4.4  Phase 4: Prozesscontrolling Die im Organisationsalltag ausgeführten Prozesse sollten schließlich beobachtet und reflektiert werden. Damit kann im Blick behalten werden, ob die Prozesse funktionieren oder ob Verbesserungen notwendig sind. Unter Umständen können Prozesse auch abgeschafft werden, wenn sie nicht mehr aktuell sind oder durch andere Prozesse ersetzt werden. Um den Zustand von Prozessen zu kontrollieren, können Kenngrößen entwickelt werden, die regelmäßig ausgewertet werden. Die Beobachtung der Kennzahlen und Erfolgsindikatoren über einen längeren Zeitraum wiederum kann in eine Trendkarte eingetragen werden. So werden (notwendige) Veränderungen sichtbar gemacht und ein rasches Eingreifen wird möglich, um Prozesse gut am Laufen zu halten. Kenngrößen könnten quantitativ oder qualitativ gestaltet werden. Insgesamt sollten jedoch nicht zu viele Kenngrößen gesetzt werden, da sonst der Kontrollaufwand höher als der Nutzen wird. Beispielsweise kann ein Prozess »Einführung von neuen Mitarbeitenden« (Onboarding) mit einem schlanken Fragebogen evaluiert werden, den die neuen Mitarbeitenden und gegebenenfalls der Mentor bzw. die Mentorin am Ende der Einführungsphase ausfüllt. Um bei diesem Beispiel zu bleiben, kann dafür eine Kennzahl gebildet werden, dass mindestens 80 Prozent aller Antworten positiv ausfallen sollen (quantitative Kennzahl). Bei mehrfacher Unterschreitung dieser Kennzahl müsste dann über eine Überarbeitung der Einführungsphase nachgedacht werden. Ein Beispiel für einen qualitativen Indikator könnte sein, dass nach der Einführungsphase z. B. in einem Abschlussgespräch mit der Leitung oder der Personalverantwortlichen mündlich dargelegt wird, wie der Einführungsprozess abgelaufen ist und welche Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen gezogen werden. 5.4.5  Phase 5: Prozessoptimierung Über das bereits beschriebene Prozesscontrolling können Optimierungsnotwendigkeiten erkannt werden. Zusätzlich können Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung auch anhand von Verbesserungsfragen Optimierungspotenziale erkennen (vgl. Kapitel 5.5 Managementinstrument »Systematisches Prozessmanagement«, Schritt 6 »Prozessablauf optimieren«). Zur Optimierung von Prozessen bieten sich verschiedene Möglichkeiten an (Herrmann u. Fritz, 2016, S. 94): Ȥ Bei der Verbesserung von Prozessschritten werden einzelne Prozessschritte durch geänderte Verfahren optimiert.

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Prozessmanagement

Ȥ Das Zusammenfassen von Prozessen reduziert Schnittstellenprobleme. Ȥ Durch eine Änderung der Reihenfolge können unnötige Rückfragen und Abhängigkeiten reduziert werden. Ȥ Das Parallelisieren, also das gleichzeitige Ausführen einzelner Prozessschritte, führt zu einer verkürzten Prozessdauer. Ȥ Durch den Einsatz verbesserter Ressourcen oder Verfahren können einzelne Schritte beschleunigt und so die Prozessdauer insgesamt verkürzt werden. Ȥ Durch eine Automatisierung werden Fehler vermieden und die Durchlaufzeit reduziert. Ȥ Durch ein Hinzufügen von Prozessschritten wird das Prozessergebnis abgesichert. Ȥ Nicht wertschöpfende oder unterstützend wirkende Prozessschritte können eliminiert werden. Rainer Feldbrügge und Barbara Brecht-Hadraschek (2008, S. 155) postulieren, dass der häufigste Befund in der Analyse von Geschäftsprozessen »die überzogene Fragmentierung von Arbeit in viele […] unverbundene Arbeitsschritte« ist. Dies schafft eine hohe Anzahl von Übergaben und Verzögerungen durch Liegezeiten oder Fehler. Um der Fragmentierung entgegenzuwirken, ist das weitere Optimierungsprinzip der Integration sinnvoll. Dabei werden einerseits Personen motiviert, fortgebildet und ermächtigt, um mehr Verantwortung für größere Zusammenhänge von Arbeit zu übernehmen. Andererseits wird der Informationsbedarf im Prozess analysiert und alle wichtigen Informationen werden in eine gemeinsame Datenbasis integriert. Nach einer Optimierung anhand der hier genannten Aspekte erfolgt die Umsetzung der verbesserten Prozesse innerhalb des Prozessmanagementkreislaufs, der dann wiederum von vorne beginnt.

5.5 Managementinstrument für die Praxis – Systematisches Prozessmanagement Das im Folgenden dargestellte Managementinstrument »Systematisches Prozessmanagement« hat sich in der Praxis von Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung für das Prozessmanagement bewährt. Dieses umfassende Managementinstrument hilft Ihnen, das kooperative Handeln, das heißt die Arbeitsprozesse, an denen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unterschiedlichen Funktionen beteiligt sind, genauer zu untersuchen und eindeutige Prozessabläufe zu definieren bzw. zu optimieren. Es handelt sich

Managementinstrument für die Praxis

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um eine Systematik des Gesamtvorgehens, die insbesondere für Organisationen hilfreich ist, die prozessorientiertes Arbeiten neu und grundständig einführen möchten. Sollen hingegen nur einzelne neue oder veränderte (Teil-)Prozesse definiert werden, so eignet sich dafür die Vorgehensweise ab Schritt »5. Prozess in einzelne Aufgaben gliedern«. Sollen vorhandene Prozesse optimiert werden, kann Schritt »6. Prozessablauf optimieren« gesondert vollzogen werden. 1. Prozesse auswählen Beginnen Sie mit den von Ihnen identifizierten, organisationsspezifischen Schlüsselprozessen (siehe oben). Für die Wahl eines (weiteren) Prozesses können Sie sich aber auch fragen: Ȥ Welche Prozesse müssen sorgfältig beschrieben und definiert sein, damit allen Beteiligten deutlich ist, wofür sie wann zuständig und verantwortlich sind? Ȥ Welche zusammenhängenden wiederkehrenden Abläufe in der Organisation müssen reibungslos funktionieren? Ȥ Welche Prozesse machen uns intern am meisten Schwierigkeiten, wo treten die größten Friktionen auf? Ȥ Bei welchen Prozessen treten häufig (für den Kunden spürbare) Fehler auf? Ȥ Welche Prozesse mit externen Dienstleistern und Kooperationspartnerinnen bereiten uns immer wieder Probleme? Ȥ Bei der Definition welcher Prozesse erwarten wir die größten Effizienz­ gewinne im Interesse unserer Kundinnen? 2. Ziel klären Ist entschieden, welcher Prozess zu definieren ist, sollten möglichst alle an dem Prozess beteiligten Mitarbeitenden (mindestens eine Vertreterin für jeden Arbeitsschritt) zunächst klären, welche Absicht mit der Prozessdefinition verbunden ist (Sinn/Zweck), wer von der Prozessdefinition profitiert (Kunde/ Zielgruppe), was dabei genau herauskommen soll (Endergebnis/Endprodukt) und an welchen Indikatoren die Qualität des Ergebnisses erkennbar sein wird (Erfolgs-/Qualitätskriterien). Hierfür bietet sich die Arbeit mit dem »Zielkreuz« an, wie sie in Kapitel 4 »Zielmanagement« beschrieben ist. 3. Potenzialanalyse durchführen In einem dritten Schritt wenden Sie sich in der Arbeitsgruppe der momentanen Ausgangslage mittels einer Potenzialanalyse zu. Übertragen Sie dazu die folgenden vier Fragen auf eine Pinnwand. Mithilfe von Moderationskarten können jetzt alle Beteiligten ihre Gedanken und Ideen einbringen.

116

Prozessmanagement

Ȥ Wie sieht unsere Situation konkret aus? Ȥ Über welche Kompetenzen verfügen wir? Ȥ Auf welche finanziellen, sächlichen und personellen Ressourcen können wir zurückgreifen? Ȥ Welche Dienstleistungen, Kompetenzen, Materialien müssen zugekauft bzw. erworben werden? 4. Start- und Endpunkt des Prozesses bestimmen Die Übergänge zwischen den Prozessen sind fließend. Daher muss ein genauer Start- und Endpunkt des Prozesses definiert werden, um die gesamte organisationale Leistungskette in einzelne Prozesse sinnvoll unterteilen und eindeutige Verantwortlichkeiten festlegen zu können. Komplexe Prozesse können gegebenenfalls noch einmal unterteilt werden, oder es lassen sich Meilensteine mit Zwischenprüfungen festlegen. Folgende Fragen helfen dabei: Ȥ Womit beginnt und womit endet der Prozess? Ȥ Was ist der Auslöser des Prozesses und was das fertige Ergebnis? Ȥ Welches ist der vorgelagerte und welches der nachfolgende Prozess? 5. Prozess in einzelne Aufgaben gliedern 4 In einem nächsten Arbeitsschritt tragen Sie alle Aufgaben innerhalb des Prozesses zusammen. Sprechen Sie dazu den gesamten Arbeitsablauf gemeinsam durch und schreiben Sie jede anfallende Aufgabe auf eine Moderationskarte. Denken und planen Sie den Prozess von Grund auf neu, das heißt, orientieren Sie sich nicht an bisherigen Zuständigkeiten, Ablaufschritten und Vorgehensweisen der Aufgabenerledigung. Die Verwendung von Moderationskarten ist sinnvoll, da sich die sachlogische Reihenfolge der einzelnen Aufgaben bei der nachträglichen Analyse und Optimierung des Gesamtablaufs meistens noch einmal verändert oder Zwischenschritte noch nachgetragen werden. Durch die Moderationskarten können die einzelnen Aufgaben ohne Probleme umgehängt oder neu angeordnet werden. Für eine vollständige Aufgabengliederung helfen z. B. folgende Fragen: Ȥ Welche einzelnen Aufgaben müssen erledigt werden? Ȥ In welcher Reihenfolge müssen die Aufgaben erledigt werden? Ȥ Was kann gegebenenfalls parallel abgearbeitet werden? Ȥ Welches Personal wird mit welchen Kompetenzen benötigt? Ȥ Wer ist wofür zuständig bzw. verantwortlich? 4

Dieser Schritt ist auch für eine Definition einzelner neuer oder veränderter Prozesse geeignet, wenn in der Organisation bereits prozessorientiert gearbeitet wird.

Managementinstrument für die Praxis

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Ȥ Wer ist deshalb an der Aufgabenerledigung zu beteiligen? Ȥ Welche (Einzel-) Tätigkeiten fallen an? Ȥ Welches sind die notwendigen Arbeitsmittel für diese Tätigkeiten (Vorschriften, Checklisten, Dokumente, EDV-Systeme etc.)? Ȥ Welche Schnittstellen treten auf? Ȥ Welche Qualitätskriterien und inhaltlichen Anforderungen werden für die Schnittstellen definiert? Ȥ Wie viel Zeit steht für den Gesamtprozess und seine einzelnen Teilschritte jeweils zur Verfügung (Anfangs- und Endzeiten, maximale Dauer, Pufferzeiten etc.)? 6. Prozessablauf optimieren Wenn der Prozess in seine einzelnen Aufgaben und Tätigkeiten gegliedert wurde, sollte er vollständig noch einmal daraufhin überprüft werden, ob er noch zu optimieren ist. Viel zu viele Arbeiten werden in Organisationen erledigt, die nicht wirklich erforderlich sind. Viele Einzeltätigkeiten haben sich mit der Zeit herausgebildet oder wurden aus Augenblicksentscheidungen für wichtig gehalten, ohne dass der Nutzen der Tätigkeit aus einer Gesamtprozessperspektive wirklich überprüft wurde. Nur sehr selten wird allerdings etwas, das einmal eingeführt wurde, auch wieder abgeschafft. Oft sind z. B. bei Bestellungen in öffentlichen Verwaltungen so viele Personen bzw. Instanzen zu beteiligen und so viele Vorschriften zu beachten, dass Bestellungen unnötig lange dauern und teurer als nötig werden. Für die Optimierung des Prozessablaufs sind die bereits in Kapitel 5.4.5 »Phase 5: Prozessoptimierung« dargestellten Verbesserungsmöglichkeiten hilfreich. Stellen Sie sich dazu Fragen wie: Ȥ Mit welchen (geänderten) Verfahren lassen sich Prozessschritte verbessern? Ȥ Können einzelne Prozesse sinnvoll zusammengefasst werden? Ȥ Wie kann eine veränderte Reihenfolge der Prozessschritte Rückfragen und Friktionen vermeiden? Ȥ Welche Prozessschritte können parallelisiert, also gleichzeitig ausgeführt, werden? Ȥ Wie können durch verbesserte Ressourcen oder Verfahren einzelne Schritte beschleunigt werden? Ȥ Welche Automatisierungsmöglichkeiten gibt es im Prozess? Ȥ Welche zusätzlichen Prozessschritte sichern das Prozessergebnis ab? Ȥ Welche nicht wertschöpfenden Schritte können eliminiert werden? Ȥ Wie können die einzelnen Prozessschritte besser integriert und miteinander verbunden werden, z. B. durch die Bereitstellung aller erforderlichen Informationen und die Verantwortungsübernahme durch die Prozessbeteiligten?

118

Prozessmanagement

7. Finanzierung planen Für die Analyse der Prozesskosten und das Aufstellen einer Finanzplanung können z. B. folgende Fragen hilfreich sein: Ȥ Was kostet die Produktion des definierten Ergebnisses (in Vollkosten- oder Teilkostenrechnung, Sach- und Personalkosten)? Ȥ Welche Eigenmittel sind vorhanden? Ȥ Welche externen Finanzquellen (Förderung, Sponsoring, Werbung etc.) können gegebenenfalls erschlossen werden? Ȥ Ist es profitabler, wenn bestimmte Aufgaben von externen Dienstleistern übernommen werden? Ȥ Müssen bestimmte Serviceleistungen für die Kundinnen und Kunden im Rahmen des Prozesses aus Kostengründen gekürzt oder sogar eingespart werden? Welche sind dann aus Kundensicht am ehesten verzichtbar? 8. Verantwortlichkeiten festlegen Für die Festlegung der Verantwortlichkeiten sind z. B. folgende Fragen zu klären: Ȥ Wer trägt die Gesamtverantwortung für den Prozess? Ȥ Wer ist befugt, eine Veränderung des Prozesses zu veranlassen? Ȥ Wie, wann und von wem wird die Zielerreichung des Prozesses geprüft bzw. wird beurteilt, ob die Kundenbedürfnisse optimal bedient wurden? Ȥ Ist ein Intervall zur Überprüfung des Prozesses, dessen Dokumentation und der zugehörigen Dokumente definiert und ist eine entsprechende Verantwortung (z. B. des Qualitätsmanagers) festgelegt? Ȥ Sind Zeiten für regelmäßig wiederkehrende Prozesse vorgesehen? 9. Prozess dokumentieren Das Endergebnis eines definierten Prozesses ist quasi eine Gebrauchsanweisung zur vollständigen Aufgabenerledigung, die von neuen Mitarbeitenden ohne (größere) Nachfragen benutzt werden kann. Alle Prozesse sollten in der Organisation nach einem gleichen Standard dokumentiert werden, um die Orientierung in den Unterlagen zu erleichtern. Eine Prozessdokumentation in einem Flussdiagramm sieht beispielsweise folgendermaßen aus (vgl. Abbildung 17):

119

Managementinstrument für die Praxis

Beginn Prozess

Aufgabe 1

Bedarfserhebung

Tätigkeit a Tätigkeit b

Zeiteinheiten: Monate, Wochen, Tage, Stunden

Aufgabe 2

Tätigkeit a Tätigkeit b

Person A Person F

Person A Person B, C, D

Aufgabe 3

Tätigkeit a Tätigkeit b

Person C Person F

Tätigkeit c

Aufgabe 4 Tätigkeit a Tätigkeit b

Person F

Tätigkeit d

Person D

Ende Prozess Bedarfserhebung

Beginn Prozess Produktentwicklung

Aufgabe 5

Tätigkeit a Tätigkeit b

Person A Extern G

Endergebnis Prozess Bedarfserhebung

Aufgabe 1 Tätigkeit a Tätigkeit b

Person H Person A

Abbildung 17: Flussdiagramm eines Prozesses

Die Prozessschritte können auch in einer Swimlane-Darstellung erfolgen, wobei der Prozess entlang der Schwimmbahnen läuft (Herrmann u. Fritz, 2016, S. 90).

6

Kompetenzmanagement

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, kennen Sie die Bedeutung der Kompetenzorientierung für eine erfolgreiche Organisation der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung. Sie haben mit dem organisationalen Kompetenzmodell ein umfassendes Managementinstrument kennengelernt, das eine systematische Erfassung aller für die Leistungsfähigkeit der Organisation erforderlichen Kompetenzen ermöglicht. Sie sind darüber hinaus in der Lage, Kompetenzen auf personaler und Teamebene transparent darzustellen sowie neue Kompetenzanforderungen systematisch zu erfassen.

6.1 Kompetenzorientierung in Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung Die Qualität einer Organisation der personenbezogenen sozialen Dienstleistung ist in erster Linie von handelnden Personen abhängig. Deren Fähigkeiten und Fertigkeiten bestimmen das kompetente Auftreten gegenüber den Kundinnen und Kunden, die fachgerechte Abwicklung von Arbeitsprozessen und letztendlich die Durchführung der Angebote. Für die Leistungserbringung von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung sind alle Beschäftigten gleichermaßen wichtig. Erst das aufeinander abgestimmte professionelle Handeln aller Mitarbeitenden ermöglicht die Bereitstellung und Durchführung der Angebote. Daher werden die Kompetenzen der Mitarbeitenden auch zunehmend als die wichtigste und sensibelste Einflussgröße für den Erfolg von Organisationen gesehen. Die Fähigkeit und die Bereitschaft der Beschäftigten, Entwicklungen aufzugreifen und voranzutreiben, ständig Neues zu lernen und ihre Handlungsfähigkeit entsprechend zu erweitern, sind die Basis für die Lernund Anpassungsfähigkeit jeder Organisation. Der erfolgreiche Fortbestand einer Organisation hängt wesentlich von den in ihr handelnden und gestaltenden Menschen ab. Die mit dieser Erkenntnis einhergehende Kompetenzorientierung und das Konzept des lebenslangen Lernens haben in den vergangenen etwa zwanzig Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und bilden sich u. a. in den sogenannten Europäischen und Nationalen Qualifikationsrahmen (EQR und NQR) ab, die im Übrigen keine Qualifikationen, sondern Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen beschreiben.

Kompetenzorientierung in Organisationen

121

Spätestens an dieser Stelle wird die Notwendigkeit einer Begriffsklärung und -schärfung deutlich. Was sind Kompetenzen und was unterscheidet sie von anderen Begrifflichkeiten wie Qualifikationen, Fertigkeiten und Fähigkeiten? Zunächst einmal ist der Kompetenzbegriff weiter gefasst als die anderen Begrifflichkeiten, die er teilweise umfasst und erweitert: Kompetenzen ≠ formale Qualifikationen Qualifikationen sind Gruppen von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Personen benötigen, um in ihrer beruflichen Tätigkeit anforderungsorientiert handeln zu können. Qualifikationen sind klar umrissen und können in festgelegten Prozessen überprüft, bewertet und zertifiziert werden. Kompetenzen ≠ erlernbare Fertigkeiten Als Fertigkeiten werden Teile einer Tätigkeit bezeichnet, die weitgehend automatisiert ablaufen. Dies passiert sowohl in stereotypen Arbeitssituationen im sensomotorischen Feld – beispielsweise der Arbeit am Fließband – als auch im kognitiven Bereich, z. B. beim Addieren kleiner Zahlen, das ohne große Bewusstseinsanstrengung erfolgt. Fertigkeiten sind erlernbar, beispielsweise das Tischtennisspielen. Kompetenzen ≠ angeborene Fähigkeiten Im Gegensatz zu Fertigkeiten werden in der Theorie unter Fähigkeiten im engeren Sinne nicht erlernbare, sondern angeborene Voraussetzungen verstanden, um eine Fertigkeit zu erlernen und zu nutzen. Für die erlernbare Fertigkeit Tischtennis ist eine notwendige Fähigkeit beispielsweise die angeborene HandAuge-Koordination. Allerdings werden bestimmte Fähigkeiten insbesondere beim Kompetenzmanagement auch als erlernbar oder zumindest ausbaubar betrachtet, wie die folgende Definition von Kompetenz zeigt. Kompetenzen sind erlernbare Fähigkeiten, »in zukunftsoffenen Problem- und Entscheidungssituationen selbstorganisiert, situationsadäquat und kreativ zu handeln« (vgl. North, Reinhardt u. Sieber-Suter, 2018, S. 36). In Abgrenzung zu den zuvor genannten Begriffen beschreibt Kompetenz die Relation zwischen den an eine Person oder Gruppe herangetragenen oder selbst gestalteten Anforderungen und ihren Fähigkeiten bzw. Potenzialen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Mit dieser Definition von Kompetenz wird die zuvor erläuterte Begriffsklärung von Fähigkeiten als angeborene Voraussetzungen zum Erlernen von Fertigkeiten wieder aufgebrochen. Denn für die Praxis des Kompetenz-

122

Kompetenzmanagement

managements wird das Konstrukt der erlernbaren Fähigkeiten, also der Kompetenzen, eingeführt. So werden denn auch Kompetenzen in der Fachliteratur vorwiegend als erlernbare Fähigkeiten beschrieben, die auf bestimmten Dispositionen und Bereitschaften basieren. Die Definition verdeutlicht des Weiteren, dass Kompetenz ein relationaler Begriff ist, der externe Anforderungen und interne Ressourcen bzw. individuelle und organisationale Potenziale zueinander in ein Verhältnis setzt. Kompetenz hat immer eine Handlungskomponente, oder anders ausgedrückt könnte Kompetenz als handelnder Umgang mit Wissen und Werten betrachtet werden. Damit rückt der Kompetenzbegriff in die Nähe der Begrifflichkeit Wissen: Wenn Wissen definiert ist als handlungspraktisch gewordene Information (vgl. Kapitel 7 »Wissensmanagement«), so kann Kompetenz definiert werden als im Handeln ausgedrücktes Wissen. Kompetenz selbst ist nicht direkt messbar und beobachtbar. Nur über das Ergebnis kompetenten Handelns, die sogenannte Performanz, werden Kompetenzen sichtbar. Daher ist es auch für ein wirkungsvolles Kompetenzmanagement entscheidend, dass Kompetenzen nicht nur als Fähigkeiten beschrieben, sondern mit in der Organisation abgestimmten Indikatoren bzw. Verhaltensankern versehen werden, anhand derer von der Performanz auf die zugrundeliegende Kompetenz geschlossen werden kann. Kompetenzen spielen auf verschiedenen Ebenen eine Rolle: Zunächst auf der individuellen Ebene, wenn personengebundene Kompetenzen über Verhaltensanker identifiziert und dokumentiert werden, z. B. in Mitarbeitendenoder Kompetenzprofilen (vgl. als eine Variante des Kompetenzprofils auch das in Kapitel 7.5.1 vorgestellte Instrument des »Wissensbaums« oder die im Folgenden dargestellte »Kompetenzmatrix«, vgl. Kapitel 6.7.4). Für die persönliche Karriereplanung sind Kompetenzportfolios und Kompetenzpässe bedeutsam, um den kontinuierlichen Zuwachs an Fertigkeiten und Qualifikationen abzubilden. Auf organisationaler Ebene stehen neben den personengebundenen Kompetenzen die insgesamt in der Organisation bzw. einem Team oder Fachbereich zur Leistungserbringung erforderlichen Kompetenzen im Fokus. Einen ersten Eindruck, wie stark oder schwach die Kompetenzorientierung der eigenen Organisation ausgeprägt ist, vermittelt das in Kapitel 6.7.1 vorgestellte Managementinstrument »Schnelldiagnose Kompetenzorientierung«.

Die Bedeutung von Schlüsselkompetenzen

123

6.2 Die Bedeutung von Schlüsselkompetenzen für das Handeln der Mitarbeitenden Schlüsselkompetenzen sind Fähigkeiten und die Bereitschaft, unbekannte Situationen adäquat zu bewältigen. Angesichts eines immer schnelleren Verfalls von fachlichem Wissen steigt in Organisationen das Interesse an überfachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die Personen befähigen, sich neues Wissen zu erschließen und sich an wandelnde Gegebenheiten anzupassen. Die Fähigkeiten und die Bereitschaft von Menschen, unbekannte Situationen adäquat zu bewältigen, werden unter dem Begriff der Schlüsselkompetenzen beschrieben. Die Schlüsselkompetenzen einer Person bestimmen unmittelbar ihre Handlungen und drücken sich darin aus, wie eine Person etwas macht, wie sie Aufgaben (gedanklich) strukturiert und (praktisch) bewältigt, wie sie Gespräche (z. B. mit Kundinnen und Kunden) führt oder wie sie Kooperationsprozesse gestaltet. Schlüsselkompetenzen befähigen eine Person dazu, konkrete Problemsituationen zu bewältigen und sich noch nicht vorhandenes Wissen zu erschließen oder noch nicht bekannte Vorgehensweisen zu erarbeiten. Schlüsselkompetenzen ersetzen nicht die notwendige Fachkompetenz, aber Fachwissen allein reicht für eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung ebenso wenig aus – vor allem nicht in Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung, deren Kernprozesse auf der direkten Interaktion mit Menschen beruhen. Organisationen aus Bildung, Beratung und sozialer Dienstleistung haben beim Kompetenzmanagement eine Doppelrolle: Sie nutzen und bauen nicht nur die Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden aus, sondern sie sind gleichzeitig auch Kompetenzbildner bzw. Kompetenzprüfer bei ihren Adressatinnen und Adressaten. Denn unabhängig davon, ob es sich um eine Weiterbildungseinrichtung, eine Aidsberatung oder ein Jugendamt handelt, geht es bei der Leistungserbringung immer darum, die Handlungsfähigkeit der Kundinnen und Kunden zu erhöhen und damit um die Stärkung und den Ausbau von Kompetenzen. Schlüsselkompetenzen spielen somit sowohl intern (in Bezug auf die Mitarbeitenden) als auch extern (in Bezug auf die Adressatinnen und Adressaten) eine entscheidende Rolle, intern u. a. auch bei der Personalauswahl. Befragungen haben gezeigt, dass beispielsweise von Lehrenden in Weiterbildungsorganisationen in erster Linie Schlüsselkompetenzen wie Sozialkompetenz, Loyalität und Werteorientierung und erst nachgeordnet formale fachliche Qualifikationen oder Berufserfahrung erwartet werden (wbmonitor, 2014, S. 15). Im Zeitalter der Digitalisierung ermöglichen sogenannte digitale Schlüsselkompetenzen eine höhere Handlungsfähigkeit und Flexibilität der Organisation,

124

Kompetenzmanagement

da erfolgskritisches Wissen z. B. über gesellschaftliche Bedarfe und individuelle Bedürfnisse der Kundinnen oder über Wettbewerber und Marktveränderungen schnell gewonnen und im Bedarfsfall neue Kompetenzfelder aufgebaut werden können (North et al., 2018, S. 137). Einen Überblick über typische Kompetenzbereiche, die in Zeiten der digitalen Transformation auch für Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung immer wichtiger werden, liefert Tabelle 10: Tabelle 10: Typische Mitarbeiterkompetenzen im digitalen Zeitalter (Snow et al., 2017, S. 9 zit. nach North et al., 2018, S. 138) Kompetenzbereich

Beschreibung

Kontextualisierung

Fähigkeit, die tiefere Bedeutung oder Abhängigkeiten von dem zu bestimmen, was ausgedrückt wurde

Soziale Intelligenz

Fähigkeit, sich mit anderen in einer tiefgründigen und direkten Weise zu vernetzen, die Reaktionen der anderen wahrzunehmen und zu stimulieren, um die gewünschte Interaktionsebene zu erreichen

Cross-kulturelle Flexibilität

Fähigkeit, in unterschiedlichen kulturellen Settings zu agieren

Datenorientiertes Denken

Fähigkeit, große Mengen an Daten in abstrakte Konzepte zu übersetzen und daraus Entscheidungen abzuleiten

Mediennutzung

Fähigkeit zur kritischen Erfassung und Entwicklung von Inhalten, die in unterschiedlichen Medienformaten genutzt werden, sowie die Fähigkeit, diese Inhalte zur breiten Kommunikation einzusetzen

Prozessdesign

Fähigkeit, Aufgaben und Arbeitsprozesse zu gestalten, die ein gewünschtes Ergebnis liefern

Kognitives Belastungsmanagement

Fähigkeit, Informationen zu diskriminieren und zu filtern, sowie ein umfassendes Verständnis für die Verwendung verschiedener Werkzeuge und Techniken zur Maximierung der kognitiven Funktionen

Virtuelle Kollaboration

Fähigkeit, produktiv zu arbeiten, Zusammenarbeit zu fördern und den eigenen Beitrag im Team zu erhöhen

Die Dimensionen der Kompetenz

125

6.3 Die Dimensionen der Kompetenz Um die vielfältigen Kompetenzen einer Person systematisch erfassen und abbilden zu können, haben sich folgende Kategorien herausgebildet (die Beschreibungen beruhen im Wesentlichen auf den Ausführungen des Deutschen Bildungsrates, Dehnbostel, 2007, S. 33; Michelsen, 1997, S. 78): Ȥ Persönlichkeitskompetenz bezeichnet die Fähigkeit und die Bereitschaft, die eigenen Handlungen und die eigene Entwicklung zu reflektieren und zu bewerten und in Bindung an individuelle und gesellschaftliche Wertvorstellungen weiter zu entfalten. Ebenso beinhaltetet die Persönlichkeitskompetenz das Interesse an aktiver Gestaltung und Mitwirkung sowie Eigeninitiative, um sich Situationen und Möglichkeiten zu schaffen (Kauffeld, 2000, S. 36). Beispiele für Persönlichkeitskompetenz sind überzeugendes Auftreten, Lernund Reflexionsfähigkeit, Flexibilität sowie Kreativität. Ȥ Sozialkompetenz beinhaltet die Fähigkeit und die Bereitschaft, soziale Beziehungen und Interessen zu erfassen und zu verstehen, sich mit anderen verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen sowie gestaltend im Interesse der eigenen Person und der Gruppe zu wirken. Beispiele für Sozialkompetenz sind Kritik und Konfliktfähigkeit, Kommunikations-, Kooperations- und Führungsfähigkeit. Ȥ Methodenkompetenz beinhaltet die Fähigkeit und die Bereitschaft, planmäßig und zielgerichtet bei der Bearbeitung von Aufgaben und Problemen vorzugehen, sich Methoden zur Bewältigung gegenwärtiger Herausforderungen zu vergegenwärtigen und zu reflektieren, für die jeweilige Situation angemessene Verfahren auszuwählen und flexibel einzusetzen. Beispiele für Methodenkompetenz sind Präsentation, Visualisierung und Projektmanagement. Ȥ Fachkompetenz bezeichnet die Fähigkeit und die Bereitschaft, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und das Ergebnis beurteilen zu können. Beispiele für Fachkompetenz sind jegliche Formen fachlichen und inhaltlichen Wissens sowie Wissen über thematische Arbeitsschritte und -prozesse. Aufbauend auf diesem Grundmodell der Kompetenzdimensionen wurden mehrere Verfeinerungen und Modifikationen entwickelt. John Erpenbeck und Lutz von Rosenstiel (2007) beispielsweise unterscheiden die Dimensionen personale, aktivitäts- und umsetzungsorientierte, fachlich-methodische und sozial-kommunikative Kompetenzen. Dabei löst die Zusammenfassung von fachlichen und methodischen Kompetenzen einerseits sowie von sozialen

126

Kompetenzmanagement

und kommunikativen Kompetenzen andererseits zu jeweils einer Kategorie die Frage der Zuteilung der Kompetenzen zu den Dimensionen angemessener, da diese verwandten Kompetenzarten nicht voneinander getrennt betrachtet werden müssen (North et al., 2018, S. 68). Mit der eigenen Dimension der aktivitäts- und umsetzungsorientierten Kompetenzen wird zudem der Aktivitäts- und Handlungsbezug von Kompetenzen gestärkt. In den meisten anderen Modellen spielt diese Dimension eine eher verdeckte Rolle: »Entweder man sagt: aus Personaler, Fachlich-methodischer und Sozial-kommunikativer Kompetenz resultiert die Handlungskompetenz. Das ist offensichtlich fragwürdig, denn man kann durchaus personal schwach, fachlich mäßig kompetent und sozial wenig erbaulich sein und dennoch eine hohe Aktivitäts- und Handlungskompetenz besitzen. Oder man ordnet die Aktivitäts- und Handlungskompetenz der Personalen Kompetenz, der Sozial-kommunikativen Kompetenz oder beiden zu« (Erpenbeck u. Hasebrook, 2012, S. 71). Im Einzelnen werden die Kompetenzdimensionen nach Erpenbeck und von Rosenstiel (2007) wie folgt beschrieben: Ȥ Personale Kompetenzen: Disposition und Bereitschaft einer Person, reflexiv und selbstorganisiert zu handeln, das heißt, sich selbst einzuschätzen, produktive Einstellungen, Werthaltungen, Motive und Selbstbilder zu entwickeln, eigene Begabungen, Motivationen, Leistungsvorsätze zu entfalten und sich im Rahmen der Arbeit und auch außerhalb kreativ zu entfalten und zu lernen. Ȥ Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen: Disposition und Bereitschaft, aktiv und gesamtheitlich-selbstorganisiert zu handeln und dieses Handeln auf die Umsetzung von Absichten, Vorhaben und Plänen zu richten. Dies umfasst das Vermögen, die eigenen Emotionen, Motivationen, Fähigkeiten und Erfahrungen und alle anderen Kompetenzdimensionen in die eigenen Willensantriebe zu integrieren und Handlungen erfolgreich zu realisieren. Ȥ Fachlich-methodische Kompetenzen: Disposition und Bereitschaft, mit fachlichen und instrumentellen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten kreativ Probleme zu lösen, Wissen sinnorientiert einzuordnen und zu bewerten; Tätigkeiten, Aufgaben und Lösungen methodisch selbstorganisiert zu gestalten sowie Methoden kreativ weiterzuentwickeln. Ȥ Sozial-kommunikative Kompetenzen: Disposition und Bereitschaft, kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu handeln, das heißt, soziale Beziehungen aufzubauen und zu gestalten und sich mit anderen rational, kreativ und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen.

127

Die Dimensionen der Kompetenz

Der hier verwendete Begriff Disposition greift die eingangs beschriebene, in der Theorie bekannte Bedeutungskomponente von Fähigkeiten als angeborene Voraussetzungen wieder auf und überschreitet sie gleichzeitig. Als Disposition wird im Allgemeinen die Veranlagung oder Empfänglichkeit eines Organismus und im besonderen Fall des Kompetenzmanagements die Gesamtheit der »bis zu einem bestimmten Handlungszeitpunkt entwickelten inneren Voraussetzungen zur psychischen Regulation der Tätigkeit« bezeichnet (Erpenbeck, 2012, S. 12). Das heißt, eine Disposition kann angeboren sein, sie kann sich aber auch im Laufe des Lebens entwickeln. Personale Kompetenzen

Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen

Sozial-kommunikative Kompetenzen

Fachlich-methodische Kompetenzen

Abbildung 18: Kompetenzdimensionen (nach Erpenbeck u. von Rosenstiel, 2007)

Das Modell der Kompetenzdimensionen von Erpenbeck und von Rosenstiel (vgl. Abbildung 18) bietet insbesondere für Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung Vorteile, da die starke Gewichtung der Handlungskomponente als eigene Kompetenzdimension der Doppelrolle dieses Organisationstyps als Kompetenznutzer und Kompetenzbildner – intern wie extern – besser gerecht wird. Im Folgenden (vgl. Tabellen 11–14) finden Sie beispielhafte Kompetenzen in allen Kompetenzdimensionen, die für Organisationen aus Bildung, Beratung und sozialer Dienstleistung bedeutsam sein können: Tabelle 11: Beispiele ausgewählter personaler Kompetenzen Personale Kompetenzen – überzeugendes Auftreten (persönliche Erscheinung, Wirkung auf andere); – Analyse- und Problemlösefähigkeit (analytische Fähigkeiten, konzeptionelles Denken, Lösungs- und Ressourcenorientierung); – systemisches Denken (Denken in Zusammenhängen, Bewältigung von Komplexität, Berücksichtigung der Folgen des eigenen Handelns); – Veränderungsfähigkeit (Innovationskraft, Lust auf Neues); – Gelassenheit (den richtigen Zeitpunkt erkennen und abwarten, Bewährtes bewahren); – Kreativität (Ideenreichtum, Abweichen von konventionellen Mustern); – Flexibilität (kunden-, aufgaben- und situationsgerechtes Agieren).

128

Kompetenzmanagement

Tabelle 12: Beispiele ausgewählter aktivitäts- und umsetzungsorientierter Kompetenzen Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen – Selbstorganisationsfähigkeit (Selbst- und Zeitmanagement, Planungsfähigkeit); – Leistungswille (Leistungsbereitschaft, Anspruchsniveau, Motivation, Wettbewerbsorientierung); – Eigeninitiative (Gestaltungswille, Aktivität und Initiative); – Entscheidungsfähigkeit (Entscheidungsbereitschaft, Risikobereitschaft, Entscheidungsumsetzung); – unternehmerisches Denken und Handeln (Erfolgsorientierung, Kosten-Nutzen-­ Denken, Gestaltung der Organisation, Nachhaltigkeit, Effektivität und Effizienz); – Verantwortungsübernahme (Folgen abschätzen und dafür einstehen, Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung); – Ergebnisorientierung (Zielplanung, Verbindlichkeit, Zielverfolgung, Qualitätsanspruch); – Belastbarkeit (Leistungen unter schwierigen Bedingungen, Durchhaltevermögen, Aufgaben parallel bearbeiten). Tabelle 13: Beispiele ausgewählter sozial-kommunikativer Kompetenzen Sozial-kommunikative Kompetenzen – Kommunikationsfähigkeit (Überzeugungskraft, anschlussfähige Inhalte und Sprache); – Wertschätzung (nicht-normativer, anerkennender und respektvoller Umgang mit anderen); – Kooperationsfähigkeit (relevante Informationen weitergeben, Hilfsbereitschaft, Konsensfähigkeit, Zuverlässigkeit, Verbindlichkeit, Vertrauen); – Kontaktfähigkeit (auf andere zugehen, Kontakte knüpfen und mit anderen auskommen); – Empathiefähigkeit (sich in andere hineinversetzen und sie verstehen); – Führungsfähigkeit (klare Perspektiven und Orientierung geben); – Beobachtungs- und Feedbackfähigkeit (zuhören, Stärken und Schwächen anderer erkennen, angemessene Rückmeldung geben); – Kritik- und Konfliktfähigkeit (Kritik konstruktiv und anschlussfähig äußern, Schwierigkeiten aktiv ansprechen, Reibungsflächen anbieten). Tabelle 14: Beispiele ausgewählter fachlich-methodischer Kompetenzen Fachlich-methodische Kompetenzen Berufsprofessionelle Kompetenzen – inhaltliches Fachwissen (je nach Zuständigkeitsbereich); – fachdidaktische und beraterische Fertigkeiten; – konzeptionelle Fertigkeiten; – Angebotsentwicklung und Angebotsinnovation; – sozialräumliche Kenntnisse. Wirtschaftliche Kompetenzen – Budgetierung; – Fördermittelakquisition; – Controlling.

Organisationale Kompetenzen – Managementfertigkeiten; – Prozessgestaltung; – Qualitäts- und Organisationsentwicklung; – Marketing. Methodische Kompetenzen – Moderation; – Visualisierung; – Präsentation; – Projektmanagement.

Die Dimensionen der Kompetenz

129

Zu beachten ist bei allen Modellen der Kompetenzdimensionen, dass die einzelnen Kategorien nicht vollständig trennscharf voneinander sind, sondern dass bestimmte Kompetenzen verschiedenen Dimensionen zugeordnet werden können. Der folgende Kompetenzatlas illustriert dies (vgl. Abbildung 19).

Abbildung 19: Kompetenzatlas (Heyse, 2012, S. 217)

130

Kompetenzmanagement

6.4 Das organisationsspezifische Kompetenzmodell Ein organisationsspezifisches Kompetenzmodell ist ein systematisches Instrument, um alle in einer Organisation erforderlichen Kompetenzen zu erfassen und abzubilden (Brückner, 2010c, S. 188 ff.). Es umfasst den gesamten Katalog der für die jeweilige Organisation relevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten für eine erfolgreiche Aufgabenerfüllung, unabhängig davon, wer über sie verfügt und auf welcher Funktionsstelle sie gebraucht werden. Damit stellt das organisationale Kompetenzmodell gleichzeitig einen grundlegenden Baukasten für die Ableitung weiterer Instrumente wie Anforderungsprofile für Funktionsstellen oder Kompetenzprofile der Mitarbeitenden dar. In einem solchen Modell werden einzelne Kompetenzen anhand von definierten Verhaltensankern über die Performanz erschlossen und beschrieben. Verhaltensanker konkretisieren, was in der Organisation unter der jeweiligen Kompetenz verstanden wird und ermöglichen eine Beobachtung des beschriebenen Verhaltens in Bezug auf die jeweilige Kompetenz, das heißt, Verhaltensanker beschreiben die auf der jeweiligen Kompetenz basierende Performanz (vgl. das Beispiel in Tabelle 15). Anhand des Verhaltensankers »Achtet darauf, dass Maßnahmen und Lösungen auf Nachhaltigkeit abzielen«, wird schnell deutlich, was z. B. unter der personalen Kompetenz »Analyse- und Problemlösefähigkeit« zu verstehen ist und in welchem Handeln sich das ausdrückt. Den Mitarbeitenden wird damit ermöglicht, ihr Handeln an den beschriebenen Merkmalen zu orientieren. Kompetenzen können so von den Mitarbeitenden schrittweise in Eigenregie oder durch gezielte Trainingsmaßnahmen entwickelt werden. Ein Kompetenzmodell leistet auch einen wichtigen Beitrag für das Wertemanagement einer Organisation sowie für die Gestaltung der Organisationskultur (vgl. Kapitel 2 »Normatives Management« und Kapitel 9 »Management der Organisationskultur«). Gelebte und erwartete Werte können in dem Modell explizit benannt und anhand konkreter Verhaltensindikatoren beschrieben werden. So kann entsprechendes Verhalten von Mitarbeitern, Kolleginnen und von Vorgesetzten eingefordert und bewertet werden. Die Werte aus den Führungsgrundsätzen, dem Wertetableau oder dem Leitbild können so zusätzlich mit Leben gefüllt werden.

131

Das organisationsspezifische Kompetenzmodell

Tabelle 15: Verhaltensanker für ausgewählte personale bzw. aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen Personale Kompetenzen überzeugendes Auftreten (persönliche Erscheinung, Wirkung auf andere)

−+

– Wirkt freundlich und höflich, nicht arrogant und beherrscht Umgangsformen.

1

2

3

4

5

6

– Verhält sich authentisch und glaubwürdig.

1

2

3

4

5

6

– Wirkt kompetent und souverän, auch in schwierigen Situationen.

1

2

3

4

5

6

– Vermittelt den Eindruck innerer Unabhängigkeit.

1

2

3

4

5

6

– Nimmt durch persönliche Ausstrahlung andere für sich und die eigenen Ideen ein.

1

2

3

4

5

6

– Tritt auch vor Gruppen gewinnend auf und überzeugt in den Inhalten.

1

2

3

4

5

6

– Vermittelt ein positives Bild des eigenen Aufgabenbereichs und der Organisation nach außen.

1

2

3

4

5

6

1

2

5

6

Bemerkungen:

insgesamt 3

4

Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen Leistungswille (Leistungsbereitschaft, Anspruchsniveau, Motivation, Wettbewerbsorientierung)

−+

– Zeigt hohe persönliche Einsatzbereitschaft und Engagement in der alltäglichen Arbeit.

1

2

3

4

5

6

– Zeigt hohe Einsatzbereitschaft in der Umsetzung von Ideen und Vorschlägen.

1

2

3

4

5

6

– Fordert von sich und anderen Leistungen auf hohem Niveau.

1

2

3

4

5

6

– Stellt sich gerne neuen Aufgaben und Herausforderungen.

1

2

3

4

5

6

– Verbessert die Qualität der eigenen Leistung kontinuierlich.

1

2

3

4

5

6

– Motiviert sich über die Lösung auch komplexer Probleme.

1

2

3

4

5

6

5

6

Bemerkungen:

insgesamt 1

2

3

4

Ein organisationsspezifisches Kompetenzmodell definiert  – wie erläutert  – einen umfassenden Kompetenzkatalog, auf dessen Grundlage weitere Instru­ mente ausgestaltet werden können. So lassen sich z. B. die Anforderungen in Aufgabenprofilen für einzelne Arbeitsplätze oder Funktionsstellen mit den im Modell abgebildeten Kompetenzen inhaltlich abgleichen und auffüllen. Dieses Anforderungsprofil ist dann ein Soll-Profil für den jeweiligen Arbeitsplatz

132

Kompetenzmanagement

und wird mit dem individuellen Profil des potenziellen oder faktischen Stelleninhabers (Ist-Profil) abgeglichen. Aus den sich daraus ableitenden Erkenntnissen (Übereinstimmungen oder Abweichungen) kann entschieden werden, inwieweit der potenzielle oder vorhandene Stelleninhaber für den Arbeitsplatz geeignet ist und ob gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen eingeleitet werden sollten. Die Organisation profitiert von dem Einsatz eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells ebenso bei der Personalauswahl, wenn die Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber analog der definierten Kompetenzen bewertet und so fundierte Entscheidungen getroffen werden. Die systematische Evaluation und Bewertung von Kompetenzen dient hauptsächlich der Förderung bedarfsorientierter Personalentwicklung. Weniger wichtig ist dabei die vermeintlich objektive Gültigkeit der jeweiligen Bewertungen, sondern vielmehr geht es darum, mithilfe dieser Modelle einen Diskurs über Kompetenzen in der Organisation zu initiieren und eine intersubjektive Konsentierung vorzunehmen. Die Erarbeitung des Modells und dessen Verwendung für die Verfahren und Instrumente des Personalmanagements lösen Reflexionsprozesse bei den Beschäftigten aus, die zu einer Verfestigung und Weiterentwicklung der erforderlichen und erwünschten Kompetenzen führen. Kompetenzmodelle tragen dazu bei, dass sich ein gemeinsames Verständnis und ein einheitlicher Sprachgebrauch von Kompetenzen herausbilden. Ein Kompetenzmodell ist nur dann nutzbringend, wenn es ein organisations­ spezifisches Modell ist. Das heißt, es muss auf die Bedarfe und Anforderungen sowie auf das Werteverständnis der jeweiligen Organisation hin entwickelt werden. Das je besondere Selbstverständnis über gute Arbeit und angemessenes Handeln der Organisation kommt in dem organisationsspezifischen Kompetenzmodell zum Ausdruck. Die Vorgehensweise zur Entwicklung und Einführung eines organisationalen Kompetenzmodells finden Sie in den beiden entsprechenden Managementinstrumenten am Ende dieses Kapitels (vgl. Kapitel 6.7.2 und 6.7.3).

6.5 Aufgabenprofile für den Personaleinsatz Aufgabenprofile beschreiben im Wesentlichen personenunabhängig die Aufgaben und Ziele von Arbeitsplätzen bzw. Funktionsstellen. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil sind die Anforderungen, die auf dieser Position verlangt werden. Beschrieben werden also im Unterschied zu personenbezogenen Kompetenzprofilen nicht die Fähigkeiten, über die ein Mensch, der diese Stelle besetzt, real verfügt, sondern die Aufgaben und Anforderungen, die eine Person erfüllen

Aufgabenprofile für den Personaleinsatz

133

muss, um diese Funktion ausüben zu können. Weiterhin werden die Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse genannt, die mit dieser Stelle verbunden sind. In der Beschreibung des Aufgabenprofils sind die wichtigsten Beziehungen zu anderen Stellen, also die Einbettung der Stelle in den Organisationsaufbau, dargestellt. Das Aufgabenprofil sollte möglichst knapp und eindeutig formuliert sein, aber gleichzeitig genügend Freiraum lassen, damit die Mitarbeitenden auch Aufgaben wahrnehmen können, die nicht direkt in ihrem Profil festgelegt sind, sich aber aus dem Fluss der Arbeit jeweils aktuell ergeben. Die Aufgabenprofile müssen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls verändert werden, damit sie aktuell bleiben. Vorteile von Aufgabenprofilen sind (ArtSet, 2019, S. 4): Ȥ Klarheit und Transparenz für Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten; Ȥ klar umrissene Handlungs- und Entscheidungsräume; Ȥ Strukturierung der Kooperationsbeziehungen in der Organisation; Ȥ Vermeidung von Kompetenzkonflikten und Missverständnissen; Ȥ leichtere Einarbeitung neuer Mitarbeitender; Ȥ präzisere Stellenausschreibungen und -besetzungen sowie systematische Personalentwicklung; Ȥ Unterstützung bei der Leistungsbeurteilung; Ȥ Orientierung bei der Karriere- und Nachwuchsplanung. Aufgabenprofile variieren je nach Organisation und Arbeitsplatz bzw. Funktionsstelle in ihrem inhaltlichen Aufbau, das heißt bei der Festlegung der einzelnen Zuständigkeiten und Aufgaben. Daher werden an dieser Stelle nur wesentliche Punkte aufgeführt, die in einem Aufgabenprofil festgelegt sein sollten (vgl. Tabelle 16; Zech, 2008a, S. 144 f., Krüger, 1995). Tabelle 16: Aufbau eines Aufgabenprofils Position

– Stellen-/Funktionsbezeichnung – Einordnung der Stelle in den Organisationsaufbau bzw. in die Hierarchie – Stellvertretung für und von anderen Stellen

Ziele

– Zielsetzung (der Hauptaufgabe) der Stelle im Rahmen der Organisationsziele – ggf. weitere strategische und/oder Innovationsziele

Voraussetzungen

– Berufsausbildung, formale Qualifikationen – besondere Fähigkeiten und Verhaltensanforderungen – erforderliche (Berufs-)Erfahrungen

134

Kompetenzmanagement

Aufgaben

– Zuständigkeit und Verantwortlichkeiten, gegebenenfalls Führungsbereich und Führungsaufgaben – einzelne Fachaufgaben – Richtlinien, Vorschriften, Verfahren – Arbeitsort und Ausstattung – Arbeitszeitanteil der einzelnen Aufgaben an der Gesamtarbeitszeit in Prozent

Anforderungsprofil

– personale, aktivitäts- und umsetzungsorientierte, fachlich-­ methodische und sozial-kommunikative Kompetenzen (­gemäß des organisationsspezifischen Kompetenzmodells)

Befugnisse

– Entscheidungsbefugnisse (Verfügungsrechte über Geld und Sachmittel, Vorgesetztenrechte, Sonderrechte)

Information und Kommunikation

– Informations-/Berichtspflicht – Formen des Berichtswesens – Beteiligung an Konferenzen, Besprechungen, Konsultationen, Beratungen, Verhandlungen etc.

Kooperation

– Zusammenarbeit mit anderen Stellen – Mitwirkung in internen/externen Arbeitsgruppen, Teams, Gremien etc.

Bewertungsmaßstäbe

– Indikatoren für Quantität/Qualität der Zielerreichung/ Aufgabenerfüllung – Zielvereinbarungen – Führungs- und Kooperationsgrundsätze – individuelles Verhalten, äußere Erscheinung

Anforderungsprofile sind ein wesentlicher Bestandteil von Aufgabenprofilen. In Anforderungsprofilen wird für die zu leistenden Aufgaben – anhand von einzelnen Anforderungen – ein Anspruchsniveau formuliert, das von der Stelleninhaberin für eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung erfüllt werden muss. Ein Anforderungsprofil ist ein Soll-Profil eines Arbeitsplatzes bzw. einer Funktionsstelle, wie es sich aus dem Kompetenzmodell der Organisation herleitet. Die Formulierungen der Anforderungen eines Arbeitsplatzes in einem Soll-Profil bieten Orientierung für das konkrete Handeln der Personen bei der Ausfüllung der Stellen. Es werden Anforderungen herangezogen, die als Qualifikations- und Eignungsmerkmale von Mitarbeitenden beschrieben und festgestellt werden können. Das Aufgabenprofil beschreibt sowohl, was eine Person tun muss, als auch – im Bereich Anforderungen – was eine Person können muss. Bei der Erstellung von Anforderungsprofilen als Teil der Aufgabenprofile dient das Kompetenzmodell der Organisation nach dem Baukastenprinzip als Grundlage, um die arbeitsplatzspezifischen Anforderungen zusammenzustellen. So werden bei der Arbeitsplatzanalyse alle relevanten Kompetenzen dem Kompetenzmodell entnommen und in das Anforderungsprofil der Stelle über-

Aufgabenprofile für den Personaleinsatz

135

führt. In einem Anforderungsprofil (Soll-Profil) kann anhand zu vergebender Zahlenwerte festgesetzt werden, in welchem Umfang einzelne Kompetenzen für einen bestimmten Arbeitsplatz ausgeprägt sein sollten. Natürlich können diese Werte nicht absolut gelten, aber anhand der Werte kann eine Gewichtung der geforderten Kompetenzen vorgenommen werden. Alternativ ist auch eine Unterscheidung der Kompetenzausprägung in Kenner/Kennerin (hat Grundkenntnisse), Könner/Könnerin (besitzt differenzierte Kenntnisse) und Experte/ Expertin (verfügt über breites und tiefes Wissen sowie vielfältige relevante Erfahrungen aus unterschiedlichen Kontexten) möglich (North et al., 2018, S. 79 ff.). Werden bei einer Arbeitsplatzanalyse Anforderungen offenkundig, die noch nicht im Kompetenzmodell aufgelistet sind, dann müssen diese in das Modell zusätzlich aufgenommen werden. Geprüft werden sollte auch, für welche weiteren Arbeitsplätze diese neuen Kompetenzen ebenfalls Bedeutung haben könnten. Um ein Aufgabenprofil (inklusive des Anforderungsprofils) für einen Arbeitsplatz bzw. eine Funktionsstelle zu erstellen, bedarf es einer situationsund einer personenbezogenen Arbeitsplatzanalyse (Klug, 2008, S. 50). Die situationsbezogene Analyse untersucht die Bedingungen am Arbeitsplatz, worunter zu erledigende Aufgaben, besondere Merkmale, auftretende Herausforderungen und Belastungen und mögliche Schnittstellen in den Prozessen der Arbeitserledigung zählen. Bei der personenbezogenen Analyse wird aufseiten der Mitarbeitenden erhoben, welches Fachwissen notwendig ist und über welche besonderen Fähigkeiten, Fertigkeiten Erfahrungen, Leistungsmotive etc. der jeweilige Stelleninhaber verfügen sollte. Die entsprechenden Ergebnisse und Formulierungen sollten immer von einer fachkundigen Gruppe und unter Beteiligung der jeweiligen Stelleninhaberin entwickelt werden (sofern die Stelle bereits besetzt ist). Dabei ist es hilfreich, auch die Personen, die an den jeweiligen Schnittstellen arbeiten, zu beteiligen, denn diese haben als Zulieferer oder Empfängerinnen von Arbeitsergebnissen eine besondere Bedeutung für die Stelle. Auf diese Weise kann garantiert werden, dass alle wesentlichen Details aufgenommen, arbeitsplatznahe Formulierungen getroffen und Anspruchsniveaus passend formuliert werden. Eine zweck- und kundenorientierte (Neu-)Gestaltung der Aufgaben eines Arbeitsplatzes kann auch im Rahmen einer Prozessanalyse vollzogen werden (vgl. Kapitel 5 »Prozessmanagement«).

136

Kompetenzmanagement

6.6 Ermittlung neuer Aufgaben und Anforderungen Die bewusste Zukunftsplanung einer Organisation verlangt, dass neue Aufgaben und Kompetenzanforderungen systematisch ermittelt werden, die sich aus den Entwicklungen der Umwelt und den damit verbundenen veränderten Herausforderungen ergeben. Die neuen Kompetenzanforderungen zielen auf die von der Organisation erwarteten Fähigkeiten in Bezug auf die zukünftigen Aufgabenerfüllungen und die sich daraus ergebenden strategischen Entwicklungsnotwendigkeiten der Organisation. Sie erfassen damit die möglicherweise vorhandene Lücke zwischen den gegenwärtigen Kompetenzen der Beschäftigten und den erwartbaren zukünftigen Anforderungen an die Organisation und deren Mitarbeiterinnen. Für das Kompetenzmanagement ist es erforderlich, die strategischen Entwicklungsziele der Organisation in konkrete neue Arbeitsaufgaben und neue Kompetenzanforderungen für die Arbeitsplätze bzw. Funktionsstellen zu übersetzen und diese in den überarbeiteten Aufgabenprofilen festzuschreiben. Im nächsten Schritt müssen die einzelnen aktuellen Mitarbeitendenprofile mit ihren gegenwärtigen Kompetenzen mit den aktualisierten Aufgabenprofilen abgeglichen werden. Die dabei auftretende Differenz zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben und Kompetenzen verweist auf erforderliche Maßnahmen der Personalentwicklung (vgl. Abbildung 20). Zukünftige Entwicklungsbedarfe der Organisation Entwicklungsbedarfe, die in der Praxis der Organisation bereits deutlich geworden sind, z. B. in den  Bedarfserschließungen/Informationsbeschaffungen,  Evaluationen,  Controllings und  strategischen Entwicklungszielen.

Mitarbeitendenprofile Abgleich

gegebenenfalls

gegenwärtig vorhandene Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Neue Kompetenzanforderungen notwendige neue Kompetenzen, um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können

Abbildung 20: Die Ermittlung von Kompetenzanforderungen für die Organisation

Das Managementinstrument zur »Ermittlung neuer Kompetenzanforderungen« bietet eine systematische Vorgehensweise, um künftig erforderliche Kompetenzen für die Organisation zu identifizieren.

137

Managementinstrumente für die Praxis

6.7 Managementinstrumente für die Praxis Die im Folgenden dargestellten Managementinstrumente haben sich in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung für das Kompetenzmanagement bewährt. 6.7.1 Managementinstrument: Schnelldiagnose Kompetenzorientierung Mit diesem Instrument können Sie zusammenfassend das Kompetenzmanagement Ihrer Organisation anhand von acht Kriterien beurteilen (North et al., 2018, S. 25 f.). Bewerten Sie dazu jedes Kriterium nach dem Schulnotenprinzip: von 1 = sehr gut bis 5 = mangelhaft. Es ist sinnvoll, diesen Kompetenzorientierungscheck im Führungskreis und unter Mitarbeitenden durchzuführen – bewerten Sie am besten zunächst individuell, diskutieren und bewerten Sie dann die Übereinstimmungen und Unterschiede und ziehen Sie schließlich Schlussfolgerungen aus den Erkenntnissen (vgl. Tabelle 17). Tabelle 17: Schnelldiagnose Kompetenzorientierung Kompetenzmuffel

5

4

3

2

1

Kompetenz-Organisation

1. Kernkompetenzen sind nicht definiert.

Kernkompetenzen sind definiert und werden regelmäßig aktualisiert.

2. Kompetenzprofile der Mitarbeitenden existieren nicht.

Kompetenzprofile der Mitarbeitenden existieren für Kernprozesse und -funktionen und werden regelmäßig aktualisiert.

3. Kompetenzentwicklung ist nicht mit Personalentwicklung verzahnt.

Kompetenzentwicklung wird in Mitarbeitendengesprächen und Entwicklungsplanung systematisch berücksichtigt.

4. Lernen und Weiterbildung müssen im Zweifelsfall hinter operativen Aufgaben zurückstehen.

Lernen und Weiterbildung haben hohe Priorität (Ressourcen sind für jeden Mitarbeitenden vorgesehen).

5. Informelles Lernen am Arbeitsplatz wird nicht anerkannt.

Informelles Lernen wird mit entsprechenden Maßnahmen unterstützt (Coaching, Mentoring etc.).

6. Es gibt keine individuellen Weiterbildungspläne.

Individuelle Weiterbildungspläne werden konsequent umgesetzt.

138 Kompetenzmuffel

Kompetenzmanagement

5

4

3

2

1

Kompetenz-Organisation

7. Weiterbildung und Anwendung sind nicht miteinander verzahnt.

Weiterbildung ist immer mit Anwendung verbunden.

8. Es existieren keine Anreize zur Kompetenzentwicklung für die Mitarbeitenden.

Kompetenzentwicklung wird durch geeignete Anreizsysteme konsequent unterstützt.

6.7.2 Managementinstrument: Modellentwicklung – das organisationsspezifische Kompetenzmodell Für die Erarbeitung eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells sollte vonseiten des Managements eine Arbeitsgruppe einberufen werden, in der aus jedem Bereich der Organisation mindestens ein Repräsentant vertreten ist. Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen der Organisation und mit unterschiedlichen Erfahrungs- und Berufshintergründen bereichern die Gruppe um Perspektivenvielfalt und fördern die Entwicklung eines differenzierten Gesamtbildes. Wichtig ist, dass die Personen bereits über einige Erfahrungen in der Organisation und über solides Wissen in den jeweiligen Aufgabenbereichen verfügen. Achten Sie darauf, dass die Personenanzahl höchstens zwölf und mindestens sechs beträgt. Anzumerken ist, dass es zunächst um überfachliche Kompetenzen und nicht um fachliches Detailwissen geht, daher ist es nicht erforderlich, dass jeder Arbeitsplatz vertreten ist. Machen Sie die Teilnehmenden der Arbeitsgruppe vor Beginn der Erarbeitungsphase ausführlich mit dem Thema und seiner Bedeutung vertraut. Bei der Entwicklung Ihres organisationsspezifischen Kompetenzmodells ist es von Vorteil, wenn Sie eine erfahrene Prozessbegleitung einbeziehen, die die gesamte Verfahrenssteuerung übernimmt. Beginnen Sie bei der Erarbeitung zunächst mit einer Analyse der Arbeitsplätze, die von besonderer Bedeutung sind. Ziel ist es, anhand der Bearbeitung mehrerer solcher Schlüsselpositionen ein möglichst umfassendes Kompetenzmodell für die eigene Organisation zu generieren. Die fachlichen Kompetenzen der jeweiligen Arbeitsplätze/Funktionsstellen können dann schrittweise von Personen mit vorhandenem Detailwissen, bei der Entwicklung einzelner Anforderungsprofile (siehe unten), in das Kompetenzmodell nachgetragen werden.

Managementinstrumente für die Praxis

139

Arbeitsschritte für die Erarbeitung eines Kompetenzmodells (Klug, 2008, S. 61): Relevante Aufgaben und Anforderungen bestimmen Ȥ Welches sind die relevanten Aufgabengebiete auf dem jeweiligen Arbeitsplatz bzw. der Funktionsstelle? Ȥ Welches sind in den definierten Dimensionen die relevanten Kompetenzen, um die jeweilige Aufgabe gelingend und erfolgreich zu erfüllen? Halten Sie wichtige Ergebnisse auf einem Flipchart oder mit Moderationskarten an einer Pinnwand fest. Kritische Ereignisse analysieren Ȥ Mit welchen besonders schwierigen Situationen oder Ereignissen wird der Stelleninhaber auf dem jeweiligen Arbeitsplatz bzw. der Funktionsstelle konfrontiert? Ȥ In welchen Situationen zeigt sich besonders gut, ob die Stelleninhaberin ihre Aufgabe erfolgreich oder eher weniger erfolgreich ausführt? Notieren Sie acht bis zwölf solcher Ereignisse auf Moderationskarten auf einer weiteren Pinnwand. Verhaltensanker beschreiben Für die Erarbeitung der Verhaltensanker führen Sie sich in der Gruppe erlebte Situationen konkret vor Augen. Schildern Sie sich gegenseitig das jeweilige Verhalten, das für eine in Prozess und Ergebnis gelungene Aufgabenbewältigung eingesetzt und gezeigt werden muss. Folgende Frageform kann dabei unterstützen: »Schildern Sie bitte eine konkrete Situation, in der Sie Ihre Kommunikationsfähigkeit, Organisationsfähigkeit etc. erfolgreich eingesetzt haben.« Bearbeiten Sie in der Gruppe keine hypothetischen Situationen. Der Moderator bzw. die Moderatorin kann auch ähnliche Situationen aus verschiedenen Kontexten, wie Familie, Vereinsarbeit, Freizeit etc., erfragen. Hilfestellung bei der Analyse der Verhaltensanker bieten folgende Fragen: Ȥ Welches konkrete Verhalten führt in der angeführten Situation zum Erfolg (in Bezug auf die Sache, das Gegenüber, das heißt die Kundin, den Lernenden etc.)? Ȥ Was konkret macht eine erfolgreiche Mitarbeiterin in dieser Situation? Ȥ Wie geht sie dabei konkret vor? Wie bewältigt sie die Situation? Ȥ Was war besonders effektiv an dem Verhalten der erfolgreichen Mitarbeiterin?

140

Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ

Kompetenzmanagement

Was waren die Konsequenzen dieses Verhaltens? Woran ist der Erfolg zu erkennen? Was macht ein eher schwacher Stelleninhaber in dieser Situation? Was war besonders ineffektiv an diesem Verhalten? Woran ist ein Misserfolg zu erkennen? Wie sollte ein Stelleninhaber in dieser Situation auf keinen Fall vorgehen?

Notieren Sie festzuhaltende Verhaltensweisen auf Moderationskarten, und versuchen Sie unter Einbezug der Gruppe, die Ergebnisse den vier Kompetenzdimensionen (personale, aktivitäts- und umsetzungsorientierte, fachlich-methodische und sozial-kommunikative Kompetenzen) zuzuordnen. Kompetenzen herausarbeiten Nachdem das zum Erfolg führende Verhalten klar beschrieben ist, wird im nächsten Schritt geklärt, welche Kompetenzen diesem Verhalten zugrunde liegen. Versuchen Sie dazu, verwandte Verhaltensweisen zu clustern und den sich bildenden Gruppen Kompetenzen zuzuordnen. Nutzen Sie die zu Beginn des Prozesses aufgestellten Kompetenzen zur Unterstützung. Bei der Herausarbeitung der Kompetenzen können folgende Fragen helfen: Ȥ Welche Kompetenzen und Fertigkeiten liegen dem jeweiligen erfolgreichen Handeln zu Grunde? Ȥ Welche Motive und welche überdauernden Persönlichkeitsmerkmale machen das Auftreten des zu Erfolg führenden Verhaltens wahrscheinlich? Ȥ Welche Kompetenzen waren bei der Gestaltung sozialer Prozesse für den Erfolg der Situation verantwortlich? 6.7.3 Managementinstrument: Gesamtverfahren zur Entwicklung und Einführung eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells Der komplette Prozess der Entwicklung und Implementierung eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells untergliedert sich in fünf Phasen: 1. Phase: Modellentwicklung In einem diskursiven Verfahren wird ein erster Modellentwurf angefertigt, indem ausgewählte Kompetenzen mit zugehörigen Verhaltensankern spezifiziert werden. (vgl. Kapitel 6.7.2 »Managementinstrument: Modellentwicklung – das organisationsspezifische Kompetenzmodell«).

Managementinstrumente für die Praxis

141

2. Phase: Diskussion des Modellentwurfs Im nächsten Schritt wird der Modellentwurf allen Mitarbeitenden der Organisation bekannt gemacht. Im Rahmen von Workshops, die auf Dialog und Diskussion ausgelegt sind, findet eine intensive Auseinandersetzung mit den einzelnen Kompetenzen und den zugehörigen Verhaltensankern statt. 3. Phase: Einarbeitung der Vorschläge und Anregungen der Mitarbeitenden In dieser Phase wird der Modellentwurf auf der Basis der Erkenntnisse aus den Workshops überarbeitet. 4. Phase: Implementierung des fertigen Kompetenzmodells Die Anwendung des Modells als Grundlage für die Instrumente des Personalmanagements wird offiziell bekanntgegeben, und die Mitarbeitenden erhalten eine gedruckte Version des Modells. 5. Phase: Anwendung des Kompetenzmodells Die Instrumente des Personalmanagements, bei denen der Einsatz des Modells sinnvoll ist, werden systematisch entsprechend umgestaltet: Ȥ So kann das Modell zur Unterstützung des (Kompetenz-)Dialogs zwischen Führungskraft und Mitarbeiterin eingesetzt werden, z. B. im Rahmen eines Entwicklungsgesprächs mit Mitarbeitenden. Ȥ Die Verfahren der Personalauswahl können, z. B. mittels eines strukturierten Interviews, auf einer entsprechenden Kompetenzeinschätzung basieren. Ȥ Die Anforderungsprofile der Arbeitsplätze/Funktionsstellen können gemäß dem Kompetenzmodell überarbeitet werden. Ȥ Individuelle Kompetenzprofile der Mitarbeitenden können erstellt werden. Ȥ Das Modell kann als systematische Grundlage für eine bedarfsorientierte Personalentwicklung eingesetzt werden. 6.7.4  Managementinstrument: Erarbeitung einer Kompetenzmatrix Die Kompetenzmatrix zeigt die Verteilung der Kompetenzen in einem Team, einem Fachbereich oder der gesamten Organisation (in Anlehnung an North et al., 2018, S. 215 f.). In einer tabellarischen Übersicht (vgl. Tabelle 18) lassen sich die erforderlichen Kompetenzen mit den Mitarbeitenden abgleichen, sodass deutlich wird, ob relevante Kompetenzen ausreichend abgedeckt sind oder ob neue Kompetenzen systematisch aufgebaut werden müssen. Gehen Sie zur Erarbeitung einer Kompetenzmatrix wie folgt vor:

142

Kompetenzmanagement

1. Bestimmen Sie gemeinsam im Team bzw. der Arbeitsgruppe die für den jeweiligen Tätigkeitsbereich erforderlichen Kompetenzen. Berücksichtigen Sie dabei sämtliche Kompetenzdimensionen, also personale, aktivitäts- und umsetzungsorientierte, fachlich-methodische sowie sozial-kommunikative Kompetenzen. In dieser Phase hat sich die Arbeit mit Moderationskarten und einer Pinnwand bewährt, da Sie bei der Sammlung der Kompetenzen sowie bei der Zuordnung zu der jeweiligen Kompetenzdimension flexibel sind. 2. Nun beurteilen zunächst alle Beteiligten selbst, wie stark die betrachtete Kompetenz bei ihr oder ihm ausgeprägt ist. Bei der Beurteilung der Ausprägung der Kompetenz können Sie zurückgreifen auf die vorgestellte Unterscheidung in Kenner/Kennerin, Könner/Könnerin und Experte/Expertin; oder Sie verwenden verschiedene Symbole und/oder Farben, um die Kompetenzausprägung zu illustrieren. 3. Anschließend werden Selbst- und Fremdeinschätzung miteinander diskutiert und abgestimmt. Möglicherweise verändern sich an dieser Stelle im Prozess die Einschätzungen noch. 4. Bringen Sie die Kompetenzmatrix in Form, z. B. als (Excel-)Tabelle, und analysieren Sie gemeinsam, ob die erforderlichen Kompetenzen ausreichend vorhanden sind oder ob eine Kompetenzentwicklung nötig ist. 5. Vereinbaren Sie miteinander, in welchem Rhythmus die Matrix gemeinsam erneut angesehen und aktualisiert wird. Eine Aktualisierung ist in zwei Richtungen wichtig: Gibt es weitere Kompetenzen, die für die erfolgreiche Leistungserbringung notwendig sind? Hat sich die Kompetenzeinschätzung mit Blick auf einzelne Mitarbeitende verändert? Tabelle 18: Beispiel einer Kompetenzmatrix Sarah B.

Jan T.

Sven A.

Birgit U.

Susanna H.

Analyse- und Problemlösefähigkeit

Könnerin

Experte

Könner

Expertin

Könnerin

systemisches Denken

Könnerin

Könner

Kenner

Expertin

Könnerin

Kreativität

Könnerin

Könner

Könner

Könnerin

Könnerin

Personale Kompetenzen

Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen Selbstorganisations­ fähigkeit

Expertin

Kenner

Kenner

Expertin

Kennerin

Verantwortungs­ übernahme

Expertin

Könner

Könner

Expertin

Könnerin

Ergebnisorientierung

Expertin

Kenner

Kenner

Könnerin

Könnerin

143

Managementinstrumente für die Praxis

Sarah B.

Jan T.

Sven A.

Birgit U.

Susanna H.

Sozial-kommunikative Kompetenzen Kooperationsfähigkeit

Könnerin

Experte

Könner

Expertin

Expertin

Wertschätzung

Könnerin

Experte

Kenner

Könnerin

Könnerin

Führungsfähigkeit

Expertin

Experte

Kenner

Könnerin

Könnerin

Fachlich-methodische Kompetenzen konzeptionelle Fertigkeiten

Könnerin

Könner

Könner

Könnerin

Könnerin

sozialräumliche Kenntnisse

Kennerin

Experte

Experte

Könnerin

Könnerin

systemische Beratung

Könnerin

Experte

Könner

Könnerin

Könnerin

Vertikal lässt sich an der Kompetenzmatrix das Kompetenzprofil einzelner Mitarbeitender ablesen. Horizontal wird erkennbar, wie gut die jeweilige Kompetenz im Team oder – je nach Bezugspunkt – in der gesamten Organisation abgedeckt ist. Sinnvoll ist es, Mindeststandards festzulegen, wie viele Mitarbeitende pro Team oder Fachbereich über welche Kompetenzen in welcher Ausprägung verfügen sollten, und dies zur Grundlage der Personalentwicklung zu machen. 6.7.5 Managementinstrument: Ermittlung neuer Kompetenzanforderungen Um künftig erforderliche Kompetenzen für die Organisation zu ermitteln, müssen Sie zunächst die Entwicklungsbedarfe der Organisation identifizieren, wie sie sich durch eine Analyse der Anforderungen der relevanten Umwelten ergeben. Dazu können Sie unterschiedliche Datenquellen nutzen, z. B. Ȥ Bedarfserschließungen/Informationsbeschaffungen, Ȥ Evaluationen der Angebote, Ȥ Fach- und Finanzcontrollings, Ȥ strategische Entwicklungsziele, Ȥ Analysen zu politischen, wirtschaftlichen, technologischen, soziokulturellen und ökologischen Umweltveränderungen sowie Ȥ Analysen zu Veränderungen bei den Kundenbedürfnissen und den Wettbewerbs- bzw. Kooperationsbedingungen (vgl. zu den letzten beiden Aspekten Kapitel 3.4.1 »Checkliste: Umweltanalyse«). Haben Sie die Themen bestimmt, die Herausforderungen für das Kompetenzmanagement darstellen, können Sie anhand folgender Fragen und der Ta-

144

Kompetenzmanagement

belle 19 eine systematische Erarbeitung und Dokumentation der Ergebnisse vornehmen: Ȥ Von welchen Funktionsstellen und Personen hängt es insbesondere ab, ob die strategischen Ziele der Organisation erreicht werden (Schlüsselpositionen und Schlüsselpersonen)? Ȥ Auf welche Arbeitsplätze/Funktionsstellen kommen neue oder veränderte Aufgaben zu? Ȥ Welche neuen/veränderten Aufgaben müssen welchen Aufgabenprofilen zugeordnet werden? Ȥ Welche neuen/veränderten Kompetenzanforderungen ergeben sich aus den neuen/veränderten Aufgaben? Ȥ Welche Stärken und Schwächen haben die Mitarbeitenden in Bezug auf diese neuen/veränderten Aufgaben und Anforderungen? Welche Stärken bedeuten besondere Chancen? Welche Schwächen gilt es zu kompensieren? Ȥ Welche neuen Ressourcen, Techniken, Verfahrensweisen etc. sind für diese neuen Anforderungen notwendig? Wie erfolgversprechend sind die vorhandenen Ressourcen, Techniken, Verfahrensweisen? Ȥ Welches Fachwissen und welche (Schlüssel-)Kompetenzen müssen kurz-, mittel- und langfristig (in den einzelnen Fachbereichen) aufgebaut werden? Ȥ Welche konkreten Personalentwicklungsmaßnahmen müssen auf den Weg gebracht werden? Ȥ Wo bedarf es externer Expertise? Müssen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zeitweise) eingestellt werden? Kann der Bedarf durch Beratung oder durch die Tätigkeit externer Kooperationspartner abgedeckt werden? Ȥ Was muss das Kompetenzmanagement sonst noch tun, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Organisation erfolgreich bewältigt werden können?

145

Managementinstrumente für die Praxis

Die Ergebnisse, die bei dieser Ermittlung neuer Kompetenzanforderungen herauskommen, können z. B. in folgender Tabelle dokumentiert werden: Tabelle 19: Ergebnisse der Ermittlung neuer Kompetenzanforderungen Folgende neue Heraus­ forderungen der Organi­ sa­tion

erfordern für folgende Positionen

­folgende neue/ verän­derte Aufgaben

folgende neue/veränderte Kompetenzen

­ rforderliche e interne Maßnahmen

erforderliche externe/ zugekaufte Maßnahmen

7

Wissensmanagement

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, kennen Sie die Besonderheiten und Charakteristika der Ressource Wissen und können die in Organisationen relevanten Wissensarten identifizieren. Sie haben Ihre Sicht geschärft, wo sich kritisches personales und organisationales Wissen in Ihrer Organisation befindet. Sie sind in der Lage, über entsprechende Managementinstrumente Wissen transparent und zugänglich zu machen und können durch eine systematische Aufbereitung von Erfahrungen die Qualität der Arbeitsprozesse verbessern.

7.1 Die Bedeutung von Wissen in unserer Wissensgesellschaft Die Entwicklung zur Wissensgesellschaft vollzieht sich seit Anfang der 1990er Jahre (Stehr, 1994) und drückt sich vor allem darin aus, dass Wissen zunehmend ein eigenständiger Wert zugesprochen wird. Die Produktion von Wissen und der Umgang mit Wissen erlangen eine immer größere Bedeutung, denn die Produkte und Dienstleistungen unserer Gesellschaft sind in immer höherem Maß davon abhängig. Folglich ist auch die Arbeit in modernen Organisationen zunehmend wissensbasiert (Starbuck, 1992), und deren Leistungsfähigkeit beruht eher auf intellektuellen Fähigkeiten als auf vorhandenen materiellen Werten (Quinn, 1992, S. 241). Diese intellektuellen Fähigkeiten in den Organisationen zeigen sich in einem hochgradig spezialisierten und effektiven Umgang mit Daten, Informationen und der Ressource Wissen. Grundlage für diese Intelligenz von Organisationen sind systematische innerbetriebliche Kommunikations- und arrangierte Austauschprozesse mit der Umwelt der Organisation. Diese Austauschbeziehungen müssen durch die Leitung einer Organisation gestaltet werden. Das menschliche Gehirn mit seinen komplexen neuronalen Netzen ist eine gute Metapher für die Gestaltung interner Kommunikations- und externer Austauschprozesse. In Organisationen sind die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Nervenzellen und die Austauschprozesse mit der Umwelt nicht selbstverständlich. Sie müssen durch die Leitungskräfte unter Zuhilfenahme von Managementinstrumenten, technischer Infrastruktur und durch die Schaffung von Gelegenheiten zum Austausch gefördert werden. Nur dort,

Die Bedeutung von Wissen in unserer Wissensgesellschaft

147

wo Kommunikation stattfinden kann, ist die Möglichkeit für einen Austausch von Wissen gegeben. Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung werden als Wissens- bzw. Expertenorganisationen bestimmt. Damit werden Organisationen bezeichnet, die Wissen und Können in immaterielle Leistungen transferieren, die z. B. in Bildung, Beratung und sozialen Angeboten bestehen können (vgl. Kapitel 1 »Die Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung und deren gelingendes Management«). In solchen Organisationen kommt es existenziell darauf an, Wissen und Kompetenzen unter der Prämisse von Synergie­effekten geschickt so zu kombinieren, dass Neues entstehen kann. Dieser Aufbau von organisationaler Intelligenz als Infrastruktur für überindividuelle Handlungsfähigkeit ist Aufgabe des Wissensmanagements. Gerade aber damit tun sich Organisationen aus Bildung, Beratung und sozialer Dienstleistung oft schwer, weil sie aus ihrer individualisierten Tradition noch zu sehr auf den einzelnen Mitarbeitenden als einzigen Wissensspeicher setzen. Dadurch steht deren Wissen der gesamten Organisation nur eingeschränkt zur Verfügung und wird eher zum Herrschaftswissen, als dass es der Ermächtigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und – vermittelt durch deren Arbeit – der Zivilgesellschaft dient. Typische Probleme des Wissensmanagements in Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung, die in der alltäglichen Praxis erfahrbar werden, sind (Brückner, 2010b, S. 157): Ȥ Das Wissen und Können von Mitarbeiterinnen oder Kooperationspartnern ist nicht allgemein bekannt. Ȥ Wissen wird nicht als geteilte Ressource behandelt, sondern dient Einzelnen zur Demonstration von Macht. Ȥ Neue Mitarbeitende können nicht von dem reichhaltigen Erfahrungsschatz profitieren, den sich langjährige Organisationsmitglieder aufgebaut haben. Ȥ Wenn ein vermeintlich neues Thema angefasst wird, geschieht dies häufig ohne Rückgriff auf bereits produzierte Lösungen. (Das Rad wird immer wieder neu erfunden.) Ȥ Kolleginnen und Kollegen können untereinander keine für die Arbeit relevanten Hinweise oder Informationen austauschen, weil sie nicht um die Arbeit der Anderen wissen. Ȥ Dokumente und Informationen (Verfahrensbeschreibungen, Checklisten, Vereinbarungen, Konzeptionen, Ergebnisse etc.) stehen nicht gebündelt zur Verfügung und sind häufig auch nicht aktuell. Ȥ Erfahrungsbasiertes Wissen wird nicht durch Verfahrensbeschreibungen oder Handbücher deutlich und geht deshalb oft verloren.

148

Wissensmanagement

Ȥ Beim Ausscheiden von Mitarbeitenden verliert die Organisation deren Wissen und Expertise. Ausgangspunkt für das Wissensmanagement ist die grundlegende Unterscheidung, dass das Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mit dem Wissen der Organisation gleichzusetzen ist. In dieser Unterscheidung liegt zugleich auch die Herausforderung und die doppelte Aufgabe von Wissensmanagement: das Wissen einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Organisation nutzbar zu machen sowie das Wissen der Organisation einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Arbeitsprozesse zur Verfügung zu stellen. Um diese Herausforderung zu bewältigen, konzentrieren sich die Bemühungen des Wissensmanagements auf den Aufbau einer organisationalen Wissensbasis. Diese Wissensbasis der Organisation umfasst sämtliche Wissensbestände, über die eine Organisation zur Lösung und Bewältigung ihrer vielfältigen Aufgaben verfügt (Wolff, 2004, S. 2). Die Aufgabe des Wissensmanagements ist es daher, eine intelligente Infrastruktur aufzubauen und entsprechende Schnittstellen zu gestalten, die es gewährleisten, erfolgskritisches Wissen in die Wissensbasis der Organisation zu integrieren. Diese Wissensbasis ist das Gehirn der Organisation, und dessen Gestaltung trägt maßgeblich zur organisationalen Intelligenz und damit zur Leistungsfähigkeit der Organisation bei. Die Merkmale einer intelligenten Organisation sind: Ȥ Transparenz über die eigenen Ressourcen (Wissensträger) und Arbeitsprozesse, damit eine rasche Orientierung (Einarbeitung) und koordiniertes Arbeitshandeln möglich sind. Ȥ Allgemein zugängliche und kontinuierliche Dokumentation der unterschiedlichen Wissensarten in der Organisation. Ȥ Bewusste Gestaltung von internen Kommunikationsprozessen, damit die Zielerreichung der Organisation kollektiv verbessert wird. Ȥ Gestaltung von Austauschprozessen mit externen Wissensträgern, um neues Wissen für die Organisation zu erschließen. Ȥ Systematische Reflexionsprozesse zu relevanten Themen, damit Erfahrungen der Mitarbeitenden in die Wissensbasis der Organisation integriert werden können.

Der Unterschied zwischen Daten, Informationen und Wissen

149

7.2 Der Unterschied zwischen Daten, Informationen und Wissen Die Unterscheidung von Wissen gegenüber Daten und Informationen hat sich für die Praxis des Wissensmanagements in den letzten Jahren als sehr bedeutsam herausgestellt. Denn in seinen Anfängen vor etwa dreißig Jahren wurde Wissensmanagement häufig reduziert auf die – meist technologiegestützte – Speicherung und Verteilung von Daten, was in der Fachliteratur als »Kodifizierungsstrategie« bezeichnet wird (Gerhards u. Trauner, 2010, S. 26). In der Praxis finden sich als Instrumente dieser Kodifizierungsstrategie z. B. das Intranet, Qualitätsmanagementhandbücher und organisationsspezifische Wikis. Dabei ist gerade in Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung, die vom Engagement und Wissen der beteiligten Personen leben, die sogenannte Personalisierungsstrategie, die implizites Wissen verfügbar macht und auf dem Wissensaustausch zwischen Menschen basiert, viel wichtiger. 7.2.1 Daten Daten bilden den Rohstoff für Wissen. Daten sind beobachtete Unterschiede und abhängig von unseren Beobachtungsinstrumenten. So ermöglichen erst unsere Augen das Sehen, unsere Hände das Erfühlen von Oberflächen, und ein Stethoskop verschafft einem Arzt Zugang zu inneren Daten des Patienten. Für die Erzeugung von Daten sind Sinnesorgane oder technische Instrumente ebenso relevant wie Ideen, Erwartungen, Konzepte und Theorien. Diese kognitiven Landkarten sind gleichermaßen Beobachtungsinstrumente und bestimmen, was wir zu sehen vermögen und was nicht (Willke, 2004, S. 28 f.). Ähnlich verhält es sich mit den verschiedenen Professionen und der Herausbildung eines professionellen Blicks. Auch dieser ermöglicht erst als kognitive Landkarte, differenzierte Daten für die professionelle Bestimmung einer Situation zu generieren, was die Voraussetzung für professionelles Handeln ist. Schlussfolgerungen für das Wissensmanagement: Ȥ Erst wenn Beobachtungsinstrumente für die Qualität von Angeboten und Dienstleistungen entwickelt und installiert sind, können auf Basis der erhobenen und ausgewerteten Daten zielgerichtete Maßnahmen zur Verbesserung der Praxis durchgeführt werden. Erzielte Erfolge oder auch Misserfolge dieser Bemühungen können erneut gemessen werden. Ebenso können Kundenbedürfnisse oder gesellschaftliche Entwicklungstendenzen erst durch entsprechende Verfahren der Organisation beobachtet werden.

150

Wissensmanagement

Ȥ Die Aufgabe von Wissensmanagement ist es, in der Organisation durch entsprechende Instrumente und eine Schärfung des Blicks eine hinreichende Umweltsensibilität für eine erfolgreiche Steuerung der Organisation aufzubauen. Eine effektive Verarbeitung und Auswertung der gewonnenen Daten gehört dazu. 7.2.2 Informationen Informationen sind nicht nur irgendwelche Unterschiede, die in der Welt beobachtet werden können, sondern Unterschiede, die für den Beobachter einen Unterschied machen (Bateson, 1995, S. 123). Bei Informationen handelt es sich also um individuell relevante Unterschiede, die je nach Beobachterin und ihrem spezifischen Kontext variieren. Informationen sind immer an einen gewissen Neuigkeitswert gebunden und führen immer einen Aspekt der Überraschung mit sich. Dabei verändert sich der Interpretationskontext des Beobachters, der Daten eine spezifische Bedeutung verleiht, fortlaufend. Informationen können also keine universelle Gültigkeit oder Beständigkeit besitzen. Vielmehr hat jede Person, jeder Fachbereich und jede Organisation ihren eigenen Hintergrund, vor welchem Daten erkannt und als Information interpretiert werden. Die Umwandlung zunächst äußerlicher Daten in innere Bilder und Bedeutungen könnte nach Ernst Peter Fischer (2010, S. 168) der ursprünglichen Bedeutung von In-For-Mation entsprechen. Damit ist ein Austausch von Informationen streng genommen nicht möglich. Wenn im Folgenden doch von Informationsoder Wissensaustausch die Rede ist, so hat das sprachliche Gründe. Zu bedenken ist dabei aber immer, dass Sender und Empfängerin einer Mitteilung ihr aus dem spezifischen Interpretationskontext heraus eine je eigene Bedeutung beimessen. Schlussfolgerungen für das Wissensmanagement: Ȥ Damit die spezifische organisationale Relevanz einer Information vermittelt werden kann, muss möglichst auch der jeweilige Bedeutungskontext kommuniziert werden. Ȥ Die kognitiven Landkarten (als psychische Beobachtungs- und Interpretationsinstrumente) der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können dadurch erweitert werden, dass diese um die Bedürfnisse ihrer Kolleginnen und Kollegen sowie um die Werte, Standards und Ziele der Organisation wissen. Vor diesem neuen Hintergrund erhalten Daten eine organisationale Relevanz und erlangen den Status von (wichtigen) Informationen. Wissensmanagement ist also auch immer eine Sensibilisierung für die Aufgaben, Themen und Zielsetzungen der Kolleginnen und Kollegen sowie der Organisation

Der Unterschied zwischen Daten, Informationen und Wissen

151

insgesamt. Diese fungieren als Hintergrundfolie für eine organisationsrelevante Interpretation und Verwendung von Daten. Ein gemeinsamer Interpretationsrahmen entsteht nur durch ausreichende Informations- und Kommunikationsprozesse zwischen den Mitarbeitenden. 7.2.3 Wissen Ein Überangebot an Informationen gehört mittlerweile zu unserem Alltag. Bei der Bewältigung dieser Reizüberflutung kommt Wissen ins Spiel. Wissen ist entstanden, wenn Informationen handlungspraktische Relevanz bekommen haben. Es hilft dann, Informationen zu selektieren und zu bewerten: Man weiß, worauf es ankommt, welche Informationen für den spezifischen Zweck wichtig sind und auf was man achten sollte. Und noch viel bedeutender: Man weiß, was in einer Information nicht enthalten ist und welche weiteren Informationen für eine kompetente Einschätzung und Entscheidung noch benötigt werden. Wissen ist also handlungspraktisch gewordene Information. Es kann daher auch als eine komplexe Prüfoperation verstanden werden. Wissen ermöglicht es, gegenwärtige Informationen auf ihre Relevanz in Bezug auf einen bestimmten Zweck hin einzuordnen (Luhmann, 1992, S. 129). In diesem Zusammenhang kann man auch von Erfahrung sprechen, denn Erfahrung zeichnet sich dadurch aus, dass man in aktuellen Situationen Wissen über Vergangenes und Zukünftiges mobilisieren kann und so zu einer kompetenten Einschätzung einer Situation kommt (S. 129). Wissen kann daher nur durch eigene Erfahrungen und Praxis erworben werden – gelernt werden zunächst nur Daten und Informationen. So zeichnet sich das Wissen von erfahrenen Managern vor allem dadurch aus, dass sie über ein klares Gerüst für die Interpretation von Daten und Informationen verfügen, was oftmals auch als Intuition oder Gespür für Situationspotenziale bezeichnet wird. Schlussfolgerungen für das Wissensmanagement: Ȥ Wissensmanagement hat die Aufgabe, das Wissen der Organisationsmitglieder so aufzubereiten, dass es in die organisationale Wissensbasis integriert und bei Bedarf abgerufen werden kann. Wissen kann jedoch nicht durch Dokumente, IT-Systeme oder Texte auf andere übertragen werden. Rezipienten erhalten aus der organisationalen Wissensbasis lediglich Daten, und sie konstruieren sich daraus auf Basis ihres (Vor-)Wissens und ihrer Erfahrungen für sie relevante Informationen (womit sie ihre Wissensbasis erweitern, die wiederum den neuen Interpretationsrahmen für weitere Daten bildet). Wissensbildung schließt immer an eigene Erfahrung an und ist an eigenes Tun gebunden.

152

Wissensmanagement

Ȥ Wenn durch Wissensmanagement versucht werden soll, die spezifische Bedeutung von Wissen zu kommunizieren, dann muss die Art und Weise kommuniziert werden, wie und warum eine Erfahrung so gemacht wurde, wie sie gemacht wurde, und wie und warum eine Situation entsprechend eingeschätzt und bewertet wurde. Auf diese Weise kann eine Rezipientin nachvollziehen, warum diese und nicht eine andere praxisrelevante Einschätzung vorgenommen wurde. Sie erlangt damit in einem gewissen Sinne, das heißt auch wieder aus ihrer individuellen Perspektive, Anteil an diesem organisationalen Wissen. Dieser komplexe Wissenstransfer lässt sich am besten in der Form von Erzählungen erreichen, die die reinen Daten und Informationen ergänzen (vgl. Kapitel 7.5.4 »Managementinstrument: Mikroartikel«).

7.3 Wissensarten – Wie tritt Wissen auf? Im Wissensmanagement werden verschiedene Wissensarten voneinander unterschieden (Hasler Roumois, 2010, S. 52 ff.). Diese Unterscheidung hat mehr als einen rein akademischen Wert, denn je nach Wissensart, die gemanagt (also handhabbar gemacht) werden soll, unterscheiden sich auch die Vorgehensweisen und Methoden. Für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung sind vor allem folgende Wissensarten relevant (vgl. Abbildungen 21, 22 und 23):

Organisationales Wissen • Wissen der Organisation • z. B. Daten und Informationen aus bisherigen Aufträgen und Projekten, Leitbild, QMHandbuch, Kontaktdatenbanken, Adressverteiler, Prozessbeschreibungen

Individuelles Wissen • Wissen der Organisationsmitglieder • z. B. individuelle Handlungskompetenzen, persönliche Erfahrungen mit Arbeitsabläufen, persönliche Kontakte zu Interessengruppen

Abbildung 21: Unterscheidung organisationales und individuelles Wissen

 

Teams und Fachbereiche sollten sich bewusst machen, dass sie neben dem Wissen ihrer Mitglieder auch auf das Wissen der gesamten Organisation zurückgreifen können. Welche Erfahrungen hat die Organisation in früheren Aufträgen und Projekten gemacht? Welche Kontakte, welche bewährten Vorgehensweisen kön-

153

Der Unterschied zwischen Daten, Informationen und Wissen

nen genutzt werden? Wie lösen andere Bereiche ähnliche Aufgabenstellungen? Aber auch die umgekehrte Blickrichtung ist wichtig: Welche der im Team bzw. im Fachbereich gemachten Erfahrungen lassen sich für die Organisation in anderen Kontexten nutzen? Systematisches Wissensmanagement dient damit der Sicherung der Nachhaltigkeit von Aufgabenbearbeitungen in Subsystemen der Organisation und zeigt deren strategische Bedeutung für die gesamte Organisation auf.

Sachwissen • Was (know that)? → leicht übertragbar • z. B. gesetzliche Bestimmungen, Förderleitlinien, Fachkenntnisse, methodisch-didaktisches Wissen, Kenntnisse über die Kundinnen und Kunden

Handlungswissen • Wie (know how)? → schwer oder nicht übertragbar • Erfahrungswissen über Vorgehen in der laufenden Arbeit und über bereits bearbeitete Fälle, praktisches Wissen, Können, Fertigkeit, Fähigkeit

 

Abbildung 22: Unterscheidung Sach- und Handlungswissen

Jede Organisation braucht Wissen zu den Rahmenbedingungen ihres Tätigkeitsbereichs, zu den behandelten Themen, den angesprochenen Zielgruppen etc. Dieses Sachwissen lässt sich (ähnlich wie explizites Wissen) im Regelfall leicht dokumentieren und damit gut übertragen. Anders verhält es sich mit dem personengebundenen Handlungswissen, das auf Erfahrungen und Erinnerungen basiert und praktische Handlungskompetenz umfasst. Diese Wissensart kann (vergleichbar dem impliziten Wissen) nicht über Formalisierungen und Dokumentationen übertragen werden, sondern lässt sich nur annäherungsweise erfahren über Hospitationen, Mentoring, Erfahrungsaustausch usw.

Explizites Wissen

Implizites Wissen

• Artikulierbar, von Wissensträgern trennbar, leicht übertragbar • z. B. Dokumentationen, Protokolle, Datenbanken, Wikis, Publikationen

• Nicht direkt artikulierbar, mit Wissenträgern verbunden, schwer übertragbar • z. B. Erfahrungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen, Erinnerungen, Wissen über sich selbst, Wissen über Umgang mit anderen Personen, stilles Wissen (tacit knowledge)

Abbildung 23: Unterscheidung explizites und implizites Wissen

 

154

Wissensmanagement

Im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen ist die Frage entscheidend, wie sich die Übergänge von einer Wissensart zur anderen gestalten lassen. Dazu gibt Tabelle 20 einen Überblick: Tabelle 20: Übergänge zwischen den Wissensarten (Nonaka, 1994 zit. nach Willke, 2004, S. 45)  Übergang von

implizitem Wissen

explizitem Wissen

implizitem Wissen

Sozialisation

Externalisierung

explizitem Wissen

Internalisierung

Kombination

zu

Implizites Wissen wird durch Externalisierung zu explizitem Wissen, beispielsweise dann, wenn individuelle Arbeitserfahrungen als Beispiele guter Praxis aufbereitet und dokumentiert werden. Explizites Wissen kann mit anderem expliziten Wissen kombiniert werden, z. B. können die Ergebnisse einer Fachpublikation den Abschlussbericht eines Projekts wissenschaftlich anreichern. Anspruchsvoll sind die Übergänge von implizitem zu implizitem Wissen und von explizitem zu implizitem Wissen: Implizites Wissen einer Person kann durch Sozialisation zu implizitem Wissen einer anderen Person werden, z. B. durch praktische Anschauung bei der täglichen Arbeit in einem Mentoringverhältnis. Explizites Wissen wird zu implizitem durch Internalisierung, beispielsweise wenn das Leitbild und das Wertefundament der Organisation so gut verinnerlicht wurden, dass Ideen für neue Angebote und Dienstleistungen souverän als naheliegende handlungspraktische Ausformung der Organisationsgrundsätze argumentiert werden können. Internalisierung sollte nicht missverstanden werden als Disziplinierung in dem Sinne, dass übergeordnete Instanzen in die Einstellungen und Handlungsweisen der Organisationsmitglieder eingreifen, sondern vielmehr kann bewusste Internalisierung relevanten expliziten Wissens zu einer demokratischeren Verteilung von Wissensbeständen beitragen. Wer sich grundlegendes Wissen zu eigen macht, kennt die Spielregeln und kann das Spiel mitgestalten.

7.4 Der Wissensmanagement-Kreislauf Genauso wie andere anspruchsvolle Managementaufgaben ist Wissensmanagement in Organisationen keine Aufgabe, die einmalig anfällt und dann als vollständig erledigt gelten kann. Vielmehr sollte der bewusste und funktionale Umgang mit Wissen die gesamten organisationalen Aktivitäten begleiten und somit

Der Wissensmanagement-Kreislauf

155

zyklisch gestaltet werden. Nutzen stiftendes Wissensmanagement funktioniert nur, wenn es als kontinuierlicher Prozess verstanden und in die internen Abläufe integriert wird. Dabei stehen Wissensmanagement und organisationales Lernen in einem engen Zusammenhang, ohne identisch zu sein. Die Gesamtheit des relevanten Wissens in einer Organisation wird als organisationale Wissensbasis bezeichnet, wobei sich diese Wissensbasis aus expliziten individuellen und aus kollektiven Wissensbeständen zusammensetzt. Eine lernende Organisation ist eine, die ihre Wissensbasis durch organisationales Lernen verändert und weiterentwickelt. Wissensmanagement meint allerdings mehr als nur die Weiterentwicklung der Wissensbasis – diese ist gleichzusetzen mit einer Phase im Wissensmanagement-Kreislauf, der Erzeugung von Wissen. Ein vollständiger Wissensmanagement-Kreislauf besteht aus den folgenden sieben Bausteinen (vgl. Abbildung 24):

 

Abbildung 24: Der Wissensmanagement-Kreislauf (in Anlehnung an GesBit u. ArtSet, 2018)

Baustein 1: Wissensziele setzen Ohne Ziele ist keine gelingende Steuerung möglich – was für Organisationen insgesamt gilt (vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«), ist auch für die Managementdisziplin Wissensmanagement gültig. Bevor einzelne Maßnahmen beschlossen und Instrumente eingeführt werden, sollten sich die Beteiligten darüber ver-

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Wissensmanagement

ständigen, was mit dem Wissensmanagement erreicht werden soll. Dabei sollten die Wissensziele aus den Zielen der Organisation abgeleitet werden. Baustein 2: Wissen identifizieren Wie die formulierten Wissensziele den Soll-Anforderungen an das Wissensmanagement im Projekt entsprechen, dient die Identifizierung des vorhandenen Wissens der Ermittlung des derzeitigen Ist-Zustands. Der Abgleich zwischen Soll- und Ist-Zustand führt im nächsten Schritt (Baustein 3) dazu, das erforderliche neue Wissen erkennbar zu machen und erzeugen zu können. Das in der Organisation vorhandene Wissen zu identifizieren, trägt aber auch ohne die Ableitung von Wissenslücken und Kompetenzanforderungen einen Wert in sich: Im Regelfall ist in Organisationen nur ein Teil der verfügbaren Kompetenzen und Ressourcen bekannt, zumeist in Form der fachlich-formalen Qualifikationen der einzelnen Mitarbeitenden. Für die Erreichung der Arbeitsziele bedeutsame weitere personale, sozial-kommunikative, fachlich-methodische oder aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen (z. B. Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen, methodisch-didaktisches Know-how, persönliche Stärken wie Verhandlungsgeschick) sind hingegen oft nicht bekannt. Neben möglichst vollständigen Mitarbeitendenprofilen oder Wissensbäumen als einer Variante davon sind Wissensportfolios auf Organisations- und Teamebene gut dafür geeignet, die derzeitigen Wissensbestände sichtbar und damit nutzbar zu machen (vgl. die folgenden Managementinstrumente). Baustein 3: Wissen erzeugen Mit der Formulierung der Wissensziele und der Identifizierung der vorhandenen Wissensbestände wird deutlich, welches Wissen in der Organisation und/oder im organisationalen Subsystem (Fachbereich oder Team) noch fehlt, um die Ziele wirksam erreichen zu können. Es geht in dieser Phase darum, das ignorante Nichtwissen (Ich weiß nicht, dass ich es nicht weiß.) aufzulösen in ein reflektiertes Nichtwissen (Ich weiß, dass ich es nicht weiß.) und darüber zu entscheiden, wie mit den aufgedeckten Wissenslücken umgegangen wird. Bekannte Möglichkeiten zur Erzeugung neuen Wissens sind Qualifizierungsmaßnahmen wie Fortbildungen, Seminare und Tagungen. Auch die Hinzuziehung externer Expertise, z. B. durch Fachreferenten, Beraterinnen oder durch Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen, kann ein sinnvolles Mittel zur Wissenserzeugung sein. Zum Teil wird bereits über die Identifizierung der Wissensbestände einzelner Organisationsmitglieder neues Wissen bei den anderen Beteiligten erzeugt, weshalb die Zuordnung der verschiedenen Instrumente des Wissensmanagements zu den einzelnen Bausteinen nicht immer trennscharf

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Der Wissensmanagement-Kreislauf

erfolgen kann. Auch Routinen der alltäglichen Arbeit wie Teambesprechungen und gezielter Erfahrungsaustausch tragen dazu bei, das Wissen der einen zu identifizieren und den anderen verfügbar zu machen. Instrumente wie systematische Nachbesprechungen (Debriefings) sowie die Erarbeitung von Beispielen guter Praxis eignen sich gut dazu, um auf unaufwendige Weise dafür zu sorgen, dass das relevante Wissen als implizites Wissen nicht personengebunden bei einzelnen Personen verbleibt, sondern expliziert und allen verfügbar wird. Baustein 4: Wissen dokumentieren und (ver-)teilen In diesem Baustein geht es darum, die vorhandenen (alten und neuen) Wissensbestände zu dokumentieren und in der Organisation zu verteilen bzw. abrufbar zu machen. Dabei ist es erfolgsentscheidend, die Wissensbestände nicht nur informell durch das gesprochene Wort zirkulieren zu lassen, sondern sie zu explizitem und damit übertragbarem Wissen zu machen. Die verschriftlichten und für alle Mitarbeitenden – z. B. im Intranet – verfügbaren Ergebnisse der in Baustein 3 erwähnten Instrumente sind gute Methoden, um den Wissenstransfer und den Zugriff auf organisationale Wissensquellen zu gestalten. Bei der Wissensdokumentation und -verteilung ist zu unterscheiden zwischen dem Push- und dem Pull-Prinzip (vgl. Tabelle 21; Gerhards u. Trauner, 2010, S. 46): Tabelle 21: Push- und Pull-Prinzip im Wissensmanagement Push-Prinzip

Pull-Prinzip

– Wissensangebot – Information/Wissen als Bringschuld – Ansatz bei Wissensgeber – in der Regel Top-down-Verteilung

– Wissensnachfrage – Information/Wissen als Holschuld – Ansatz bei Wissensnehmer/-nutzer – Verteilung in Netzwerken bzw. Bottom-up

Wichtig sind bei der Wissensverteilung immer beide Richtungen: Die Mitarbeitenden sollten über klar definierte Kommunikationswege (E-Mails, Intranet, Newsletter, Aushänge etc.) mit Informationen und Wissen versorgt werden (Push-Prinzip – Bringschuld); gleichzeitig sollte der Zugriff auf die für ihre Aufgaben notwendigen Wissensbestände bekannt sein und genutzt werden (Pull-Prinzip – Holschuld). Bei beiden Prinzipien können die Adressatinnen und Adressaten des expliziten Wissens durchaus auch weiter gefasst werden als der Kreis der Organisationsmitglieder. Für die Öffentlichkeit bedeutsames Wissen kann über Publikationen (als Push-Prinzip, z. B. in Form von Medienbeiträgen oder Newslettern, die von allen Interessierten abonniert werden können) oder über allgemein zugängliche Informationsportale als Pull-Prinzip verteilt werden.

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Wissensmanagement

Baustein 5: Wissen anwenden Umfassende, zu den Organisationszielen passende, regelmäßig erweiterte Wissensbestände, die verständlich dokumentiert und wirksam verteilt werden, haben nur dann einen Wert in der Praxis, wenn sie auch angewendet werden in der täglichen Arbeit. Diese Feststellung ist nur scheinbar trivial, denn in der Realität von Organisationen lässt sich immer wieder beobachten, dass gerade neues Wissen ignoriert wird und das Team lieber so handelt, wie es das immer schon gemacht hat. Sicherlich ist Erfahrungswissen eine unverzichtbare Wissensart, doch sollte die Wertschätzung dieses Handlungswissens nicht dazu führen, dass neue oder sogar innovative Vorgehensweisen abgelehnt werden. Die allzu schnelle Ablehnung alternativer Vorgehensweisen und damit der Verzicht auf die Anwendung neuen Wissens hängen meistens nicht nur mit persönlichen Bequemlichkeiten, sondern auch mit der organisationalen Fehlerkultur zusammen. Wer etwas neu und anders macht, riskiert Fehler – viel mehr, als wenn die bekannten, vielleicht schon etwas ausgetretenen Wege einfach weiter beschritten werden. Wenn Fehler in Organisationen persönlich zugerechnet und als Versagen begriffen werden, ist die Wissensanwendung über das bewährte Gewohnheitswissen hinaus problematisch. Organisationen und Teams, die ihre immer wieder aktualisierte Wissensbasis tatsächlich ausschöpfen wollen, sind gut beraten, Fehler als kollektive Lernchance willkommen zu heißen und Anreize für verbesserte Vorgehensweisen zu schaffen, beispielsweise über nicht-monetäre Anerkennungsformen wie die Veröffentlichung innovativer Arbeitsmethoden in organisations- bzw. projekteigenen Medien oder auch in öffentlichen Publikationen. Grundsätzlich ist es in diesem Baustein erforderlich, regelmäßig zu prüfen, in welchem Umfang die aktuellen Wissensbestände tatsächlich genutzt werden. Damit das aktuell relevante Wissen genutzt wird, muss in der organisationalen Wissensbasis auch transportiert werden, für welche Themenbereiche und Anwendungsfelder es sich eignet, das heißt, die Mitarbeitenden brauchen Kriterien, nach denen sie die für ihre konkrete Arbeitsaufgabe jeweils geeigneten Instrumente und Verfahren auswählen. Baustein 6: Wissen bewerten Diese Phase des Wissensmanagements hat vor allem eine Reflexionsfunktion. Hier geht es einerseits darum, die in der Organisation verfügbare Wissensbasis zu bewerten mit Blick darauf, ob es die Umsetzung der Organisations- und Wissensziele wirksam unterstützt oder nicht (siehe Baustein 1). Die Leitfrage lautet, ob das durch den Prozess des Wissensmanagements verfügbare, teilweise auch neu erzeugte Wissen das richtige ist, also aktuell und umfassend geeignet zur Zielerreichung. Andererseits geht es um die Bewertung des Prozesses des

Der Wissensmanagement-Kreislauf

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Wissensmanagements selbst: Inwiefern trägt die konkrete Ausgestaltung der Bausteine des Wissensmanagements zur Zielerreichung bei? Sind die Wissensziele eindeutig und überprüfbar formuliert? Ist das vorhandene Wissen umfassend identifiziert? Wurde das für die Aufgabenerledigung notwendige neue Wissen erzeugt? Sind die Wissensbestände dokumentiert und allen Beteiligten zugänglich? Wird das aktuelle Wissen tatsächlich angewendet? Wird das Verlernen veralteten Wissens thematisiert und unterstützt? Baustein 7: Wissen verändern In diesem Baustein geht es um Bewertungen und Schlussfolgerungen aus den im Wissenskreislauf gemachten Erfahrungen. Hier kann es nach der Bewertung des Wissens (Baustein 6) erforderlich sein, neues Wissen zu erzeugen (Baustein 3) oder dafür zu sorgen, dass veraltetes Wissen nicht mehr angewendet, also verlernt wird. Das Verlernen von Wissen ist ein unverzichtbares Thema, wenn eine Organisation für neues Wissen aufnahmefähig bleiben will. Wissen ist nicht überzeitlich gültige Wahrheit, sondern bezeichnet – wie bereits dargestellt – die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die kontextbezogen zur Lösung von Problemen eingesetzt werden können. Ändern sich die für eine Organisation relevanten Umwelten (also die Ansprüche und Erwartungen von Zuwendungsgebern, Kundinnen und Kunden sowie weiteren Interessengruppen), dann ändert sich häufig auch das für eine bedarfsgerechte Problemlösung geeignete Wissen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass nicht nur das für aktuelle Problemlösungen erforderliche neue Wissen erzeugt, dokumentiert und verteilt wird, sondern dass das veraltete Wissen auch aktiv verlernt wird. Bewusstes Verlernen ist dabei etwas anderes als organisationales Vergessen, bei dem (manchmal durchaus noch relevantes) Wissen verloren geht durch Kündigungen und Neueinstellungen, Umstrukturierungen oder technische Unzulänglichkeiten. Um die Gefahr zu minimieren, dass veraltete Wissensbestände trotz ihrer mangelnden Passung zu den aktuellen gesellschaftlichen Bedarfen und individuellen Bedürfnissen immer wieder reaktualisiert werden, ist es empfehlenswert, dass die organisationale Wissensbasis regelmäßig auf Relevanz und Aktualität überprüft wird. Ganz pragmatisch sollten die Inhalte der Laufwerke und des Intranets regelmäßig geprüft werden, auch darauf, ob und in welchem Umfang diese Inhalte abgerufen werden. Veraltetes, inhaltlich möglicherweise sogar falsches Wissen sollte gezielt gelöscht und damit aus den aktuellen Wissensbeständen der Organisation entfernt werden. Die Notwendigkeit, irrelevant gewordenes Wissen zu verlernen, kann nicht nur durch das Löschen veralteter elektronischer Daten unterstützt werden, sondern auch durch das regelmäßige Entsorgen von Papierdokumenten – eine Aktion, die regelrecht befreiend wirken kann.

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Wissensmanagement

7.5 Managementinstrumente für die Praxis Die im Folgenden dargestellten Managementinstrumente haben sich in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung für die Einführung eines systematischen Wissensmanagements bewährt. 7.5.1  Managementinstrument: Der Wissensbaum Die kleinste Einheit für das Wissensmanagement ist das Organisationsmitglied. Die einzelne Mitarbeiterin oder der einzelne Mitarbeiter vereinigt Fähigkeiten, Intuition, Wissen und Erfahrungen, die in der Organisation vorhanden sind, aber nicht einfach übertragen werden können. Man muss und kann nicht alles wissen, aber man sollte wissen, wen man bei bestimmten Anliegen fragen kann. Diese Transparenz lässt sich durch den Einsatz von frei zugänglichen Mitarbeitendenprofilen erreichen. Mitarbeitendenprofile sind ein Verzeichnis über die Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisation. Eine etwas schlankere, in Zeiten strenger Datenschutzerfordernisse oft praktikablere Variante der Mitarbeitendenprofile sind Kompetenzprofile, die auf die personalen, sozial-kommunikativen, aktivitäts- und umsetzungsorientierten sowie auf fachlich-methodische Kompetenzen der Mitarbeitenden fokussieren, manchmal sogar auch nur auf die zuletzt genannte Kompetenzart. Eine weitere anschlussfähige Variante ist der sogenannte Wissensbaum, der auf spielerische Weise die Kompetenzen einer Person in der Metapher eines Baums darstellt (vgl. Abbildung 25). Dabei geben die gezeichneten Bestandteile des Baums in folgender Weise Auskunft über die Kompetenzen der Mitarbeitenden: Wurzeln Ȥ Basisqualifikationen der professionellen/beruflichen Kompetenz Ȥ prägende Einstellungen/Fähigkeiten für den Berufsweg Stamm Ȥ persönliche Kernkompetenzen Ȥ berufliche Fertigkeiten und Spezialisierungen Blätterwerk Ȥ persönliche spezifische Ausgestaltung und Ausfaltung der Kernkompetenzen Ȥ individuelle Ausprägungen der Kernkompetenzen

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Managementinstrumente für die Praxis

Abbildung 25: Der Wissensbaum (www.freepik.com)  

Der Wissensbaum kann auf der Ebene der gesamten Organisation oder auf Teamebene erarbeitet werden. Gehen Sie dazu wie folgt vor: Ȥ Beginnen Sie mit Ihren Wurzeln (der beruflichen Herkunft bzw. Ausbildung). Ȥ Fahren Sie fort mit dem Stamm (Ihren Kernkompetenzen, Fort- und Weiterbildungen, Fertigkeiten, Spezialisierungen – dazu gehören auch Fähigkeiten, die Sie noch weiter ausbauen möchten). Ȥ Schließlich visualisieren Sie das Blätterwerk (also Ihre persönlichen Ausgestaltungen und Ausfaltungen der Kernkompetenzen, Ihre individuellen Ausprägungen – das, was Sie persönlich auszeichnet). Wichtig ist eine regelmäßige Aktualisierung der Wissensbäume, z. B. nach dem Besuch von Fortbildungen. Die Frage nach Änderungsbedarf kann auch ein fester Tagesordnungspunkt in Mitarbeitendengesprächen sein. 7.5.2 Managementinstrument: Wissensportfolio auf ­­ Organisations- und Teamebene Für Organisationen ist es erfolgsentscheidend, die Relevanz des vorhandenen Wissens für die Leistungserbringung und eventuell vorhandene Wissenslücken sowohl auf der Ebene der gesamten Organisation als auch auf der Ebene einzel-

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Wissensmanagement

ner Fachbereiche bzw. Teams erkennbar und bewertbar zu machen. Das Wissensportfolio (vgl. Abbildung 26) auf Organisationsebene verschafft einen Überblick über vorhandene und künftig relevante Kompetenzen sowie über die Ausfüllung der vorhandenen und die Schaffung neuer Angebote und Dienstleistungen. Es kombiniert in einer 4-Felder-Matrix alte/neue Kompetenzen mit alten/neuen Dienstleistungen und lenkt den Blick somit auf die bessere Nutzung vorhandener Kompetenzen für bestehende und neue Angebote und Dienstleistungen sowie relevante neue Kompetenzen für bestehende und neue Angebote.

 

Abbildung 26: Das Wissensportfolio (nach Gerhards u. Trauner, 2010, S. 13)

Gehen Sie zur Erstellung des Wissensportfolios auf Organisationsebene wie folgt vor: Ȥ Bilden Sie eine Gruppe, die von ihrer Zusammensetzung möglichst repräsentativ für die gesamte Organisation ist. Achten Sie darauf, dass die Gruppe Leitungskräfte umfasst, die entscheidungsfähig in Bezug auf die strategische Positionierung der Organisation sind. Ȥ Stellen Sie sich dann gemeinsam die jeweils formulierte Frage und suchen Sie nach Art eines Brainstormings Antworten – unzensiert, kreativ und experi­mentell. Berücksichtigen Sie dabei, dass die Fragen in den einzelnen Feldern der Matrix so formuliert sind, dass sie verschiedene Facetten enthalten, auf die jeweils eine Antwort gegeben werden sollte. Z. B. erfordert die

Managementinstrumente für die Praxis

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Frage des Quadranten rechts unten (Welche neuen Angebote und Dienstleistungen können wir mit den bestehenden Kompetenzen schaffen, um unsere [künftigen] Aufgaben zu erfüllen?) eine Antwort auf folgende Fragen: Welches sind unsere bestehenden Kompetenzen? Wie sehen unsere künftigen Aufgaben aus? Welche neuen Angebote und Dienstleistungen können wir schaffen, um zukunftsfähig zu bleiben? Ȥ Visualisieren Sie die von Ihnen identifizierten Kompetenzen (bzw. die Art der Nutzung) und Dienstleistungen auf Moderationskarten. Auf Teamebene besteht das Wissensportfolio aus den Dimensionen Wissensniveau und Wissensnutzung (vgl. Abbildung 27):

 

Abbildung 27: Wissensniveau und Wissensnutzung auf Teamebene (nach Gerhards u. Trauner, 2010, S. 14)

Gehen Sie zur Erstellung des Wissensportfolios auf Teamebene wie folgt vor: Ȥ Das gesamte Team sollte an der Erstellung des Wissensportfolios teilnehmen. Ȥ Sammeln Sie in einem ersten Schritt alle für den jeweiligen Arbeitskontext relevanten Fähigkeiten und Kompetenzen, die in Ihrem Team durch die einzelnen Mitglieder zur Verfügung stehen, auf Moderationskarten. Schreiben Sie jede identifizierte Fähigkeit auf eine separate Karte und gehen Sie möglichst umfassend vor, das heißt, berücksichtigen Sie nicht nur formale Qualifikationen, sondern weitere fachlich-methodische Kompetenzen, personale und sozial-kommunikative Kompetenzen sowie aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen (vgl. Kapitel 6 »Kompetenzmanagement«).

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Wissensmanagement

Ȥ Sortieren Sie nun die im Team identifizierten Fähigkeiten in die vier Quadranten. Beachten Sie dabei, dass wertlose Fähigkeiten nur im jeweiligen Arbeitskontext wertlos im Sinne von nicht verwendbar sind und es sich nicht um eine generelle Abwertung bestimmter Fähigkeiten handelt. Ȥ Jetzt bewerten Sie und ziehen Schlussfolgerungen: Welche Hebelfähigkeiten (definiert als Know-how-Stärken, die mit wenig Aufwand viel bewirken) gibt es auf Teamebene? Wie lassen sich diese auf weitere Personen übertragen? Über welche Basisfähigkeiten verfügen Sie? Wie lassen sich diese bewahren oder sogar aufwerten? Welche Fähigkeiten liegen im Team brach? Gibt es sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten dafür? Gibt es für die derzeitigen Aufgaben wertlose Fähigkeiten? Können diese anderweitig genutzt werden? Vergessen Sie bei der Reflexion nicht die Frage danach, was fehlt: Sind alle relevanten Hebel- und Basisfähigkeiten im Team vorhanden? Falls nicht, wie lässt sich das notwendige Wissen erzeugen? 7.5.3  Managementinstrument: Lessons Learned Bei den Lessons Learned geht es darum, Erfahrungen über einen bestimmten Gegenstand zu sammeln und auszutauschen. Ziel ist es, die Einzelerfahrungen zu fundierten Erkenntnissen für die Organisation zu verdichten. Häufig wird dieses Instrument nach Abschluss von Projekten eingesetzt. Gegenstände der Lessons Learned können aber auch Seminarinhalte oder -abläufe, Fallverläufe, Beratungsprozesse, Veranstaltungen oder andere wiederkehrende Arbeitsprozesse sein. Fragenkatalog der Lessons Learned: Ȥ Was lief besonders gut? Ȥ Was habe ich/haben wir konkret gemacht, dass es besonders gut lief? Ȥ Welche (Zwischen-)Ziele wollte ich/wollten wir erreichen? Ȥ Was habe ich/haben wir tatsächlich erreicht? Was hat dazu beigetragen? Ȥ Was lief nicht gut, und warum lief es nicht gut, bzw. was hat zum Scheitern beigetragen? Ȥ Was hätte ich/hätten wir tun müssen, damit es besser gelaufen wäre? Ȥ Was muss ich/müssen wir in Zukunft beachten? Ȥ Woran sollte auf jeden Fall weiterhin festgehalten werden? Ȥ Woran haben unsere Kundinnen und Kunden gemerkt, dass es gut gelaufen ist? Ȥ Woran haben unsere Kundinnen und Kunden gemerkt, dass es nicht gut gelaufen ist? Ȥ Was ist meine/unsere Lernerfahrung zusammengefasst in einem Satz? Ȥ Für wen ist dieses Wissen in der Organisation noch relevant?

Managementinstrumente für die Praxis

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Um ein möglichst differenziertes Bild über den Reflexionsgegenstand zu erarbeiten, sodass eine facettenreiche und aussagekräftige Auswertung erfolgen kann, hat es sich bewährt, zunächst jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter den Fragenkatalog einzeln beantworten zu lassen und erst dann die jeweiligen Antworten gemeinsam zu diskutieren. Die Diskussion sollte durch eine Moderatorin oder einen Moderator und durch Visualisierung an einer Pinnwand unterstützt werden. Das Endergebnis kann in Form einer gemeinsamen Beantwortung des Fragebogens zusammengetragen oder in anderer expliziter Form allen interessierten Mitarbeitenden zugänglich gemacht werden. 7.5.4  Managementinstrument: Mikroartikel Mikroartikel sind ein von Helmut Willke aus der Praxis entwickeltes Instrument des Wissensmanagements (1998, S. 100 ff.; 2004, S. 83 ff.) und können als eine Variante der bereits beschriebenen Lessons Learned gelten. Ziel dieses Instruments ist es, dass Mitglieder der Organisation eine individuelle (Lern-) Erfahrung, eine Beobachtung, eine Erkenntnis, eine Idee oder eine Reflexion kompakt dokumentieren und anderen zugänglich machen. Mikroartikel können im Zusammenhang von (Lern-)Erfahrungen aus Seminaren und Fallverläufen, aus Projekten oder aus der alltäglichen Arbeit gleichermaßen eingesetzt werden. Die Hauptaufgabe bei der Arbeit mit Mikroartikeln ist es, nach einer (Lern-)Erfahrung den Kern dieser Expertise narrativ – samt der dazugehörigen Geschichte – aufzuschreiben. Wichtige (Lern-)Erfahrungen entstehen oftmals beiläufig im Alltag und müssen diszipliniert festgehalten werden, und zwar bevor sie im Alltag wieder verloren gehen. Der Anspruch von Mikroartikeln ist es, tatsächliches Wissen und nicht nur Daten und Informationen zu vermitteln. Leserinnen und Leser bekommen nur dann die Chance zur Wissensaneignung, wenn der Kontext, in dem die vermittelte Erfahrung gemacht wurde, mittransportiert wird. Mikroartikel müssen als Instrument des Wissensmanagements von der Leitung der Organisation eingeführt und vorbildhaft durch das Schreiben eigener Artikel vorangetrieben werden. Dabei lassen sich die Wirksamkeit und der Mehrwert von Mikroartikeln erst nach einiger Zeit kontinuierlichen Wissensaustauschs erkennen. Insbesondere für (sozial-)pädagogisch und beratend tätige Mitarbeitende kann der Fundus an gebündelten Lernerfahrungen zu einer Steigerung ihrer Professionalität beitragen. Der Umfang eines Mikroartikels sollte eine halbe Seite bis maximal drei DIN A4-Seiten umfassen. Folgende standardisierte Vorlage (vgl. Tabelle 22), die die Kernelemente des Mikroartikels vorgibt, kann für die Erstellung genutzt werden. Zusätzlich können auch grafische Elemente oder Bilder verwendet wer-

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Wissensmanagement

den, wenn komplexe Zusammenhänge in einer einfachen Weise bzw. anders als durch das geschriebene Wort dargestellt werden sollen. Tabelle 22: Grundform eines Mikroartikels (Willke, 2004, S. 90) 1. Thema

Geben Sie Ihrem Mikroartikel eine prägnante Überschrift (Schreiben Sie zusätzlich in drei Zeilen, worum es geht, um bei Ihren Leserinnen und Lesern Neugier zu wecken)

2. Story

Beschreiben Sie das Problem oder den Lernanlass mit der dazugehörigen Geschichte. Geschichten beinhalten immer emotionale Qualitäten eines konkreten Erfahrungskontextes und bieten Anknüpfungspunkte für das Einklinken der eigenen Erfahrungen der Leserinnen und Leser.

3. Einsicht

Welche Einsichten sind mir gekommen? Was ist die Moral von der Geschichte? Was ist meine gelernte Lektion? (Hier geht es um eine Problemerfassung, nicht um Lösungen.)

4. Folgerungen

Welche Schlüsse, Folgerungen, Erkenntnisse oder Ideen leite ich aus diesen Einsichten für die Zukunft ab? (Hier geht es um Folgerungen und Schlüsse, nicht um Probleme.)

5. Anschlüsse

Wofür/für wen kann diese Erkenntnis noch relevant sein? Was sind interessante Anschlussfragen?

6. Empfehlungen

Welche Tipps und Handlungsempfehlungen geben Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen?

7.5.5 Managementinstrument: Systematische Nachbesprechung/ Debriefing Während ein Briefing zu Beginn eines Auftrags oder Projekts bzw. vor wichtigen Meilensteinen oder Veranstaltungen dazu dient, den Beteiligten ein gemeinsames Aufgabenverständnis und Klarheit über die Vorgehensweisen zu schaffen, hat das Debriefing als systematische Nachbesprechung die Funktion, die erworbenen Erfahrungen systematisch auszuwerten und anderen verfügbar zu machen. Die an der Aufgabenerledigung beteiligten Personen teilen nach deren Abschluss aus ihrer Sicht mit, wie die Maßnahme verlaufen ist. Das kann z. B. sinnvoll sein, wenn für bestimmte Angebote externe Kooperationspartner eingesetzt werden oder auch, wenn bisherige Teammitglieder das Projekt verlassen. Ein Debriefing bietet folgende Vorteile: Ȥ Ableiten von Erfahrungen aus Aufträgen und Projekten, Ȥ Sammeln und Analysieren vergangener Auftragsphasen und Meilensteine,

Managementinstrumente für die Praxis

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Ȥ Erhöhung der Transparenz von Aufträgen/Projekten und ihrer Gelingensund Gefährdungsbedingungen, Ȥ kollektiver Zugriff auf individuell gemachte Erfahrungen, Ȥ Unterstützung der Lernfähigkeit des Teams und der Organisation, Ȥ Nutzbarmachung von generiertem Wissen bzw. gesammelter Erfahrungen für zukünftige Tätigkeiten, Ȥ Vorbeugung von Wiederholungsfehlern, Ȥ Steigerung der Leistungsfähigkeit und Qualität eines Teams sowie Ȥ Identifizierung und Ausschöpfung von Verbesserungspotenzialen. Gehen Sie bei einem Debriefing wie folgt vor: Ȥ Klären Sie die Rollen der am Debriefing beteiligten Personen. Wer moderiert, wer stellt Fragen, wer gibt Auskunft? Klären Sie die Erwartungen der Beteiligten und formulieren Sie eine Zielsetzung für das Debriefing. Wann ist das Debriefing gelungen? Was soll durch das Debriefing ermöglicht werden? Ȥ Vergegenwärtigen Sie sich gemeinsam den Verlauf des Projekts bzw. des Auftrags. Teilen Sie sich wechselseitig Ihre Sicht auf die Maßnahme mit wie auch die Gründe für Motivation und Demotivation. Analysieren Sie Hochs und Tiefs der Kooperation, z. B. anhand einer Stimmungskurve. Ȥ Sammeln und bewerten Sie die gemachten Erfahrungen und das erworbene Wissen. Tragen Sie dazu positive und negative Erfahrungen durch alle Beteiligten zusammen und priorisieren Sie, welche Erfahrungen und welches Wissen besonders relevant sind – im Guten wie im Schlechten. Ȥ Reflektieren Sie anschließend Ihre Erkenntnisse und leiten Sie aus den gemachten Erfahrungen Vorgehensweisen zur Verbesserung oder Beibehaltung der Konzeption und Durchführung der Maßnahme ab. Einigen Sie sich auf konkrete Handlungsoptionen und vereinbaren Sie Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten. Ȥ Verschriftlichen Sie die zentralen Ergebnisse des Debriefings (gemachte Erfahrungen, erworbene Erkenntnisse, Bewertungen und Schlussfolgerungen) und sorgen Sie dafür, dass diese Dokumentation allen Interessierten auf Teamund Organisationsebene zugänglich ist.

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Management von Kooperationen und Netzwerken 

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, dann wissen Sie, was Netzwerke und Kooperationsverhältnisse von Organisationen und Interaktionssystemen unterscheidet und warum Vernetzung für moderne Arbeitsformen so wichtig geworden ist. Sie erfahren, wie Sie prüfen können, ob vernetztes Arbeiten für Ihre Organisation die richtige Strategie ist. Sie lernen, wie Netzwerke gemanagt werden können und wie ein funktionaler Umgang mit Zielen, Regeln, Vertrauen und Macht gestaltet werden kann.

8.1 Die zunehmende Bedeutung von Kooperationen und Netzwerken Das 21. Jahrhundert wurde von amerikanischen Wissenschaftlern zum Age of Alliances, also zum Zeitalter der Bündnisse, ausgerufen. So soll die Existenz insbesondere von Non-Profit-Organisationen zunehmend davon abhängen, dass sie sich dauerhaft kooperationsfähig und -bereit zeigen (Franz, 2013, S. 32). Der Begriff Kooperation leitet sich aus dem lateinischen cooperatio ab (Zusammenwirkung, Mitwirkung) und bezeichnet das »zweckgerichtete Zusammenwirken« von Handlungen zweier oder mehrerer Lebewesen, Personen oder Systeme, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen (vgl. Wikipedia, 2020, Stichwort: Kooperation). Ist die wechselseitige Einwirkung der Akteure nicht intentional oder zweckgerichtet, spricht man hingegen von Interaktion. Kooperation meint also eine »gleichberechtigte, arbeitsteilig organisierte Zusammenarbeit, die problemorientiert strukturiert sowie sachlich und zeitlich begrenzt ist«. Im Vergleich zu lockeren Formen der Vernetzung weisen formalisierte Kooperationen und Netzwerke einen höheren institutionellen Organisations- und Formalisierungsgrad auf (Kardoff, 1998 zit. nach Balz u. Spieß, 2009, S. 25). Für systematische Kooperation kennzeichnend ist nicht nur die Zusammenarbeit, sondern die gemeinsame Zielorientierung. Kooperationen treten auf zwischen »Klienten und Mitarbeitern, zwischen Mitgliedern eines Teams und zwischen Mitgliedern von Organisations­einheiten einer oder verschiedener Organisationen« (Balz u. Spieß, 2009, S. 13). Kooperationsbündnisse können in verschiedenen Formen gestaltet sein wie Teams,

Die zunehmende Bedeutung von Kooperationen und Netzwerken

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Arbeits- und Projektgruppen (z. B. Qualitätszirkel), Intervisionsgruppen zur kollegialen Beratung oder verbindlich gestalteten Netzwerken. Der hohe Kooperationsbedarf insbesondere von Organisationen aus Bildung, Beratung und sozialer Dienstleistung ergibt sich dabei aus den komplexen Problem­lagen der Kunden, der hohen Spezialisierung der Professionen sowie der Vielfalt der bereit gestellten Angebote und der Zergliederung der Institutionen, die an diesen Angeboten bzw. an der Finanzierung der Förderung beteiligt sind (Zech u. Dehn, 2017, S. 161 f.). Neben diesen inhaltlichen Erfordernissen leiten sich Kooperationsanforderungen vielfach auch aus gesetzlichen Vorgaben beispielsweise im Kinder- und Jugendhilfegesetz und den Sozialgesetzbüchern sowie aus Förderleitlinien von Bundesprogrammen wie »Demokratie leben!« ab, in dessen Rahmen seit 2015 Projekte gefördert werden, die sich für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit einsetzen und zu denen unverzichtbar die Kooperation staatlicher und nicht-staatlicher Akteure gehört. Der zentrale Stabilisierungsfaktor von Kooperationen und Netzwerken ist die Unterstellung einer generellen Wechselseitigkeit im Austausch von Leistungen, Vorteilen oder Nutzen, die als Reziprozitätserwartung bezeichnet wird. Da es sich um keinen unmittelbaren Äquivalententausch handelt, sondern um zeitlich versetzte Leistungen der Beteiligten, ist Vertrauen eine wesentliche Bedingung des Funktionierens von Netzwerken und Kooperationen. Reziprozität bzw. Wechselseitigkeit ist also auf eine Bewährung in der Zeitdimension (der Ausgleich kommt später) und in der Sozialdimension (die Partner sind verlässlich) angewiesen. Da die kooperierenden Partner wechseln können, kann sich Wechselseitigkeitserwartung nicht nur auf ein Zweierverhältnis beziehen, sondern muss damit rechnen, dass es in den Kooperationsbeziehungen insgesamt zu einem Ausgleich kommt. Die Beteiligungsgrenzen an Netzwerkkommunikation sind fließend, was jedoch nicht bedeutet, dass sie unbestimmbar wären. Denn der Vollzug der je aktuellen Kommunikation definiert, wer im Augenblick dazugehört und wer nicht. Kooperationen und Netzwerke sind also eine Potenzialitätsstruktur, die einer je spezifischen Aktualisierung in der Praxis bedarf. Sie können auseinanderfallen und wieder reaktiviert werden. Das heißt, sie sind nicht – wie Organisationen – durch eine formale Entscheidungspraxis dauerhaft gehalten, und sie rechnen auch nicht – wie Interaktionen – nur mit der Kommunikation von Anwesenden. Sie sind als Ermöglichungsbedingung der Kooperation eine spezifische Form sozialer Systeme, die die strukturellen Leerstellen ausfüllen, die die moderne Gesellschaft durchziehen. Dabei können Netzwerke und Kooperationsverhältnisse quer zu den gesellschaftlichen Funktionssystemen – Wirtschaft, Politik, Bildung, soziale Hilfe etc. – stehen und als differenziertes

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Management von Kooperationen und Netzwerken

Zweckbündnis sich ergänzender Akteure Verknüpfungsstrukturen hinsichtlich bestimmter Sachfragen bilden, oder sie bilden als Gemeinschaft von Gleichen mit ähnlichen Interessen sogenannte Verstärkungsnetzwerke (Palloks u. Steil, 2008, S. 80). Die Bedeutung, die Netzwerke in der Gegenwart bekommen haben, basiert auf einem gesellschaftlichen Transformationsprozess: dem von Manuel Castells analysierten »Aufstieg der Netzwerkgesellschaft« (2001). Eines der Schlüsselmerkmale der Informations- oder Wissensgesellschaft ist die Vernetzungslogik in ihrer Grundstruktur. Diese Revolution in der Informationstechnologie hat die materiellen Grundlagen von Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft verändert und durchdringt sämtliche Bereiche menschlicher Tätigkeit sowie die Formen, in denen sich Identität und Sozialität konstituieren. Netzwerke sind daher auch die neue Wirtschaftsform der globalisierten Weltgesellschaft. Selbst multinationale Konzerne sind Teil transnationaler Produktions- und Vertriebsnetzwerke, ohne die sie in ihrer globalen Weise gar nicht funktionieren würden. Auch intern sind die Konzerne vielfach netzwerkartig strukturiert (Castells, 2001, S. 130 f.). Netzwerke sind aber auch für kleinere und mittlere Organisationen von immer größerer Bedeutung geworden, um ihre je eigene Position und die Stellung ihrer Regionen im globalen Wirtschaftssystem zu verbessern. Im Qualitäts-, Innovations-, Zeit- und Preiswettbewerb suchen Organisationen Partner, die es ihnen ermöglichen, jenseits ihrer eigenen Kernkompetenzen Ressourcen zu erschließen. Das Ziel der in Netzwerken kooperierenden Organisationen ist neben der Optimierung des Kundennutzens auch eine Kosten- und Zeitersparnis, die Verbreiterung der nutzbaren Wissensressourcen und die Erhöhung von Flexibilität (Schmidt, 2007, S. 18 f.). Als Netzwerk oder formalisiertes Kooperationsverhältnis wird demnach ein in seiner wechselnden Mitgliedschaft nicht immer eindeutig definierbares soziales System loser Koppelung aus einzelnen selbstständigen Elementen verstanden. Das Netzwerk ist eine potenzielle Kooperationsstruktur, die fallweise aus der Latenz in den Zustand manifester Kooperation gehoben wird. Die manifesten Aktivitäten in Netzwerken sind kürzere oder längere Projekte, zu denen sich jeweils unterschiedliche Beteiligte anlassbezogen zusammenfinden (vgl. Kapitel 10 »Projektmanagement«). Die selbstständigen und heterogenen Elemente von Netzwerken bilden dann ein mittelfristig funktionierendes Beziehungsgefüge, wenn ihre Identität zueinander passt, wenn sie in gewisser Weise selbstähnlich sind und ihr Verhältnis zueinander durch Vertrauen und die Bereitschaft, sich wechselseitig zu kontrollieren, bestimmt ist (Königswieser, 2006, S. 278). Das Besondere an Netzwerken ist allerdings, dass Fremdartigkeit mehr Optionen und Chancen enthält als Gleichartigkeit. Selbstähnlichkeit bedeutet

Rolle und Aufgabe der Organisationsvertreter im Netzwerk

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also nicht, dass nur Gleiche ein Netzwerk bilden können, sondern dass die unterschiedlichen Beteiligten durch eine gleiche oder zumindest ähnliche Intention zusammengehalten werden. In dieser Anlage spiegelt sich die Erkenntnis wider, dass lernende Organisationen nicht ausschließlich binnengeleitet operieren, sondern immer in einem organisationalen Feld mit anderen Organisationen, mit Bezug auf Umwelten, die Irritationen bereitstellen, Vergleichsmöglichkeiten bieten oder wechselseitige Beratung ermöglichen (Baecker, 1999, S. 359 ff.). Die jeweilige Kooperation ist dann immer eine zeitlich befristete Zusammenarbeit eigenständiger Einheiten. Die Entscheidung für oder gegen eine Kooperation basiert auf den sogenannten Transaktionskosten, was nichts anderes bedeutet, als dass jeder Partner so lange kooperiert, wie sein Nutzen höher ist als seine Kosten – seien es finanzieller oder personaler Aufwand. Das Netzwerk ist dabei der Basar der Möglichkeiten; es ist gerade durch seine lose Koppelung möglicher Kontakte zu anderen Organisationen geeignet, immer wieder neue und interessante Chancen zu bieten.

8.2 Rolle und Aufgabe der Organisationsvertreter im Netzwerk Wenn verschiedene Organisationen kooperieren, dann entsteht automatisch ein – mehr oder weniger formalisiertes – neues System: das Netzwerksystem. Dieses ist in gewisser Weise eigenständig gegenüber den beteiligten Partnerorganisationen und wird eine eigene Dynamik herausbilden. Im Netzwerk treffen sich Partner, deren Organisationen in einer jeweils eigenen, von den anderen unterschiedenen Logik funktionieren. Alle Partnerinnen treten in die Netzwerkarbeit zunächst mit den ihnen vertrauten Arbeits- und Kommunikationsformen ein. Es muss sich also mit der Zeit eine Form der Metakommunikation herausbilden, die die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten in die je eigenen Sichtweisen integriert. Dies ist eine höchst voraussetzungsvolle Form der Kommunikation, die einen permanenten Perspektivwechsel beinhaltet, der sich darin ausdrückt, dass man in der Lage ist, sich jeweils auch mit den Augen des anderen zu betrachten. Aus der Fremdheit der Netzwerkpartner resultiert einerseits die Potenz des Netzwerkes. Der produktive Umgang mit Unterschieden ist aber andererseits eine der schwierigsten Anforderungen an die Netzwerkkommunikation. Praktisch wird ein Netzwerk gebildet, indem die Ursprungsorganisationen Vertreterinnen und Vertreter benennen, die sie bei den Netzwerktreffen vertreten. »Die Netzwerkbeziehung muss durch das Nadelöhr der Face-to-Face-

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Management von Kooperationen und Netzwerken

Interaktion«, schreibt deshalb Boris Holzer (2006, S. 105). Dass Netzwerke ganz ohne Interaktion zwischen Anwesenden auskommen, ist kaum denkbar. Man weiß selbst von den sogenannten virtuellen Unternehmen, dass gute netzbasierte Arbeit regelmäßiger Treffen der Beteiligten bedarf, schon allein um wechselseitige Erwartungsstrukturen aufzubauen und Vertrauen zu stabilisieren. Wenn sich diese abgesandten Personen am Anfang auch noch ganz als Vertreter der eigenen Organisation im Netzwerk verstehen werden, so werden sie doch mit der Zeit unvermeidlich auch Vertreter des Netzwerkes in der Heimatorganisation werden. Das heißt, die Organisationsvertreter im Netzwerk entwickeln – unter der Voraussetzung, dass die Netzwerkarbeit positiv verläuft – eine doppelte Loyalität; sie fühlen sich ihrer Organisation, aber auch dem Netzwerk verbunden. Weil diese Vermittlungsposition zwischen den zwei Systemen schwierig ist und nicht immer konfliktfrei verlaufen muss, brauchen die Abgesandten eine solide personale Stabilität, um Ambiguitäten auszuhalten, und sie brauchen klare Aufträge und Entscheidungsrechte von ihrer Heimatorganisation. Zugleich brauchen sie in dieser eine Autorität, um den Entscheidungen des Netzwerkes in den eigenen Organisationen genügend Gewicht und Nachdruck verleihen zu können. Denn wenn Organisationsvertreter keine Entscheidungskompetenzen und keine Autorität besitzen, werden die Entscheidungen des Netzwerkes den Charakter von Vorschlägen bekommen, die für die jeweiligen Organisationen keine große Bedeutung haben. Eine andere Gefahr besteht darin, dass alles, was aus dem Netzwerk kommt, in der eigenen Organisation noch einmal von vorne diskutiert wird. Die Unverbindlichkeit der Netzwerkkooperation ist damit quasi vorprogrammiert. Der nächste Schritt besteht für die beteiligten Organisationen darin, geeignetes Personal zu finden, das im Netzwerk mitarbeiten soll. Nun gibt es in der Praxis viele Gründe, warum Organisationsmitglieder sich an Netzwerken beteiligen (wollen), und das sind nicht immer die besten. Es kommt vor, dass Mitarbeitende auf Netzwerkarbeit ausweichen, weil sie ihre Arbeit in der eigenen Organisation als unbefriedigend empfinden oder weil sie eine Minderheitenposition vertreten, die in der Organisation kein Gehör findet. Diese Personen sind nun gerade nicht geeignet, die Organisation im Netzwerk zu vertreten. Es gilt, die Richtigen zu finden, die für die Position geeignet sind und sie mit Ressourcen auszustatten, damit sie ihre Aufgabe auch richtig bewältigen können (vgl. Kapitel 8.7.2 »Managementinstrument: Personalauswahl für die Mitarbeit im Netzwerk«).

Management von Netzwerken und Kooperationen

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8.3 Management von Netzwerken und Kooperationen Auch wenn Netzwerke durch Personen als Abgesandte ihrer Organisationen gebildet werden, ist das Management von Netzwerken nicht auf die Führung von Personen, Teams oder Gruppen zu reduzieren, sondern meint die systemische, strategische und strukturelle Steuerung eines Netzwerkes interagierender, selbstständiger Organisationen, gegenüber denen die steuernde Instanz keine Durchgriffsrechte besitzt. Die Verhandlung ist also notwendigerweise die grundsätzliche Interaktionsform. Netzwerke sind dynamische Gebilde lose gekoppelter eigenständiger Elemente. In ihnen kommen neben Kooperation auch Konkurrenz vor, neben Vertrauen auch die Notwendigkeit von Kontrolle, neben Autonomie wechselseitige Abhängigkeit, neben Gemeinsamkeiten Unterschiede. Weitgehende Hierarchielosigkeit und ungeklärte Zuständigkeiten können die Energien der Beteiligten in blockierende Machtkämpfe leiten. In Netzwerken treffen unterschiedliche Organisationskulturen, zum Teil aus verschiedenen Branchen, aufeinander; die Beteiligten benutzen verschiedene Codes, das heißt, sie sprechen unterschiedliche Sprachen und müssen eine gemeinsame Sprache erst lernen. Diese möglichen Widersprüche und Konfliktfelder können ein explosives Gemisch eingehen und wollen sensibel gemanagt werden. Schlechtes Netzwerkmanagement kann schnell in ein Netzwerkversagen münden. Nicht von ungefähr findet sich in der Literatur immer wieder die Aussage, dass mehr als die Hälfte aller Netzwerke scheitern oder versanden. Gewinnt bereits in flachen Organisationsformen Führung an Bedeutung, weil sie die starren Halterungen der Hierarchie flexibel kompensieren muss, so wird dieser Prozess in Netzwerken noch einmal dynamisiert. Netzwerkmanagement ist eine anspruchsvolle Aufgabe, auf die die wenigsten vorbereitet sind. Ein Netzwerk aus Organisationen ist ein neues System mit eigener Funktionslogik. Selbst wenn es sich um ein sogenanntes fokales Netzwerk handelt, in dem es eine dominierende Organisation im Zentrum gibt, kann das Netzwerk nicht wie eine Organisation gesteuert werden, weil es gegenüber den beteiligten Partnerorganisationen keine Durchsteuerungsmöglichkeiten gibt. Auch Verträge lösen dieses Problem nicht wirklich, weil auch unterhalb juristischer Vertragsverletzungen engagierte Mitarbeit sabotiert werden kann, wenn die Beteiligten ihren Nutzen nicht mehr erkennen und ihre Beteiligungsmotivation deshalb sinkt. Aushandlungsprozesse, in der jede Partei ihre Interessen und Angebote einbringt und man sich schlussendlich auf Gemeinsamkeiten einigt, sind daher die zwar mühselige, aber alternativlose Steuerungsform. Ausgehandelte Vereinbarungen sollten für die Partnerorganisationen Verbindlichkeit besitzen, aber einklagen kann man sie nicht. Das macht die Kontingenz dieses Systemtyps aus.

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Management von Kooperationen und Netzwerken

Aber auch wenn gemeinsame Ziele formuliert wurden, besteht die Gefahr der Verantwortungsdiffusion, denn gemeinsame Ziele bedeuten nicht, dass alle sie verfolgen müssen. Wenn der eine sich möglicherweise darauf verlässt, dass die andere die Ziele schon verfolgen wird, könnte auch ein Vakuum entstehen, in dem sich niemand verantwortlich fühlt. Gemeinsame Ziele müssen daher noch auf die Ebene der Einzelorganisationen heruntergebrochen und dort mit Verantwortlichkeiten hinterlegt werden. Dabei müssen die spezifischen Stärken und Ressourcen der am Netzwerk beteiligten Organisationen berücksichtigt werden. Neben diesen gemeinsamen Zielen verfolgt jede Organisation natürlich auch noch eigene, vom Netzwerk unabhängige Ziele. Diese müssen nicht zwangsläufig, sie können aber mit den Netzwerkzielen konfligieren. Mit den Synergien im Netzwerk muss das Management also genauso umgehen wie mit den auftretenden Widersprüchen. Im Konfliktfall wird sich zunächst jede beteiligte Organisation auf ihre ureigenen Interessen zurückziehen. Verhandlungen, die hier ausgleichend wirken, bedürfen daher eines großen Geschicks. Helmut Willke (1995, S. 134 ff.) unterscheidet die drei Steuerungstypen Markt, Hierarchie und Netzwerk, wobei er die Vorteile des Netzwerkes, trotz seiner potenziellen Widersprüchlichkeit, in der verteilten Intelligenz sieht, die schneller zu Lösungen für unerwartete Probleme kommt, weil ein Netzwerk sich einen bürokratischen Überbau erspart. Netzwerkpartner können ihre Kernkompetenzen in eigener Regie entwickeln und behalten eine unabhängige Position gegenüber den anderen. Diese Flexibilität und Effizienz von Netzwerken bieten bessere Möglichkeiten für Lernen und Innovation. Die Unterschiede von Netzwerken zu den Steuerungsformen Markt und Hierarchie werden in Tabelle 23 verdeutlicht: Tabelle 23: Die Unterschiede des Netzwerkes zum Markt und zur Hierarchie (nach Willke, 1995, S. 137) Markt

Hierarchie

Netzwerk

Kooperationsform

vertragliche Regelungen

Über- und Unterstellungsverhältnisse

partnerschaftliche Vereinbarungen

Beziehungsform

Konkurrenz

Abhängigkeit

Interdependenz

Koordinations­ mechanismus

Preise

Verordnungen

Verhandlungen

Steuerungsmedium

Geld

Macht

Vertrauen

Da Steuerungen über Markt und Hierarchie in Netzwerken gar nicht oder nur unzureichend funktionieren und ein direkter Zugriff des Netzwerkmanage-

Management von Netzwerken und Kooperationen

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ments auf die beteiligten Organisationen ausgeschlossen ist, schlägt Helmut Willke (S. 215 f.) Kontextsteuerung als geeignete Alternative vor. Diese zielt auf die Beeinflussung des Bedingungsumfeldes anderer Systeme, um deren Selbststeuerung zu fördern und in eine bestimmte Richtung zu leiten. Sie schafft so generalisierte Motivationen dafür, dass die eigendynamischen und eigensinnigen Systeme ihre Operationen in eine bestimmte Richtung, z. B. auf Verbindlichkeit und Qualität, lenken. Kontextsteuerung wird also dem Management komplexer Leistung unter unbestimmten Bedingungen gerecht, was bei Netzwerken eindeutig der Fall ist. Nicht-linear vernetzte Teilleistungen verschiedener selbstständiger Organisationen werden in der Orientierung auf gemeinsame Ziele synchronisiert, über ausgehandelte Vereinbarungen und Regeln gesteuert und durch wechselseitiges Vertrauen abgesichert. Interorganisationale Netzwerke werden letztlich über Personen realisiert, die ihre jeweiligen Organisationen im Netzwerk vertreten. In regionalen Netzwerken aus Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung, Unternehmen, Kammern, Kommunen, Universitäten, freien Trägern und weiteren Beteiligten können schnell bis zu zwanzig Personen oder mehr zusammenkommen, wenn sich das Netzwerkplenum trifft. Das Plenum ist aufgrund seiner Größe daher nicht das geeignete Forum, um das Netzwerk wirksam steuern zu können. Es bedarf eines Netzwerkmanagements, das je nach Größe des Netzwerkes aus einer Person oder einer Gruppe mit klar definierten Funktionsrollen gebildet wird. Diese Steuerungsinstanz braucht die Anerkennung der Netzwerkpartner; deshalb ist es ratsam, dass nicht eine der beteiligten Organisationen diese Aufgabe übernimmt, sondern sie von einer unabhängigen und von allen gemeinsam finanzierten Instanz übernommen wird. Diesem Netzwerkmanagement kann eine Steuerungsgruppe von nicht mehr als acht Personen zur Seite gestellt werden, die aus gewählten Organisationsvertretern des Netzwerkplenums besteht und als Koordinations- und Entscheidungsgremium zwischen den Netzwerkplenen dient. Das Netzwerkplenum bleibt aber – vor allem in Konfliktfragen – das höchste Entscheidungsgremium. Die Netzwerkmanagerinnen und die Steuerungsgruppe gestalten die Kontextbedingungen einer gelingenden Netzwerkarbeit. Jörg Sydow (2003, S. 311 ff.) unterscheidet vier zentrale Funktionen des Managements interorganisationaler Beziehungen, die wir durch eine fünfte Funktion ergänzen: 1. die Auswahl von geeigneten Netzwerkpartnern, 2. die Zuweisung bzw. Verteilung von Aufgaben, Ressourcen und Zuständigkeiten, 3. die Regulation der Zusammenarbeit und

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Management von Kooperationen und Netzwerken

4. die Evaluation der Netzwerkorganisationen, einzelner Netzwerkbeziehungen und des gesamten Netzwerkes, insbesondere hinsichtlich der Gleichverteilung von Leistungen sowie von Kosten und Nutzen; 5. die gemeinsame strategische Zielplanung für das Netzwerk (vgl. Kapitel 3 »Strategisches Management«). Diese fünf Managementfunktionen müssen in Netzwerken aber nicht nur einmal erfüllt werden, sondern sie sind über die gesamte Dauer der Netzwerkkooperation immer wieder auszutarieren, weil Ȥ Partner das Netzwerk verlassen und neue hinzukommen, Ȥ Mittel, Aufgaben und Verantwortlichkeiten wechseln, Ȥ die Zusammenarbeit immer wieder Fragen und Konflikte aufwirft und die Regeln des Miteinanders überprüft und gegebenenfalls geändert werden müssen, Ȥ nur das Aufrechterhalten einer Kosten-Nutzen-Balance ein Netzwerk überlebensfähig macht und Ȥ die Dynamik der Netzwerkumwelt immer wieder eine Nachjustierung der strategischen Zielausrichtung erfordert. Im Einzelnen hat das Netzwerkmanagement z. B. folgende Aufgaben (Landesinstitut für Qualifizierung NRW u. Wohlfahrt, 2006, S. 102 f.): Ȥ die Netzwerkstruktur konfigurieren, Ȥ die Vernetzung koordinieren und die Netzwerkplenen vorbereiten und moderieren, Ȥ die Zieldefinitionen vorbereiten und moderieren, Ȥ Meilensteine der Zielerreichung definieren und kontrollieren, Ȥ Zielerreichungen würdigen, Ȥ Rollen und Aufgaben der Netzwerkpartner abstimmen, Ȥ Kooperationsregeln abstimmen und deren Einhaltung überprüfen, Ȥ Ergebnisse sichern und dokumentieren, Ȥ Projekte anregen, Ȥ die Projekte der Partnerorganisationen beratend begleiten, Ȥ Projektmittel, Aufträge und Sponsoren akquirieren, Ȥ Wissen und externe Expertise beschaffen, Ȥ Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Außenvertretung organisieren, Ȥ Konflikte moderieren und klären, Ȥ die Arbeits- und Kommunikationsprozesse reflektieren, Ȥ Qualitätsentwicklung managen, Ȥ die Netzwerkidentität und -kultur fördern.

Vertrauen und empathische Kooperation

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8.4 Vertrauen und empathische Kooperation Kooperationsverhältnisse können unterschieden werden in strategische Kooperationen, empathische Kooperationen und Pseudokooperationen (Balz u. Spieß, 2009, S. 35 f.). Obwohl bei Pseudokooperationen die Grundlagen für eine echte Kooperation (wie gemeinsame Interessen oder Ziele) nicht (oder nicht mehr) gegeben sind, handeln die Beteiligten so, als hätten sie ein gemeinsames Anliegen. Strategische Kooperation im Sinne einer Fokussierung auf den eigenen Vorteil ist gekennzeichnet durch ein rationales, zielgerichtetes Handeln, das die anderen Akteure zur Erreichung der eigenen bzw. der organisationalen Ziele instrumentalisiert und nicht offen ist für abweichende Perspektiven und Ansätze. Empathischer Kooperation liegen ebenfalls Ziele zugrunde, doch sind diese und auch der Weg zur Zielerreichung durch offene Aushandlungsprozesse aller Beteiligten entstanden. Da gerade soziale Dienstleistungen auf die kooperative Mitwirkung aller Beteiligten mit ihren jeweiligen Wahrnehmungen und Ressourcen angewiesen sind, ist empathische Kooperation unverzichtbar für eine tragfähige Leistungserbringung (Zech u. Dehn, 2017, S. 163). Insbesondere für empathische Kooperationen ist Vertrauen eine unerlässliche Voraussetzung. Dieses stellt sich aber nicht voraussetzungslos her, sondern beruht auf der Reziprozität von Leistungen und Gegenleistungen, die – wie wir oben sahen – in der Zeit versetzt erbracht werden (Zech, 2006, S. 82 f.). Vertrauen ist ein Mechanismus, der wechselseitig anschlussfähiges Handeln ermöglicht, weil er Komplexität und Kontingenz, das heißt die Unkalkulierbarkeit der wechselseitigen Handlungen, reduziert (Geramanis, 2002). Vertrauen setzt sich selbst voraus und wird aufgebaut durch Vorleistungen ohne Vor-­ Vorleistungen. Vertrauen ist unbegründbar und unkalkulierbar. Es stellt sich also die Frage, wie hochgradig ungewisse Interaktionssituationen in Netzwerken zu stabilisieren sind, wenn rationale Maximierungsentscheidungen zu kurz greifen. Vertrauen ist in Beziehungen doppelter Kontingenz der soziale Mechanismus, der es den Beteiligten ermöglicht, unter Ungewissheitsbedingungen ausreichend stabile Verhältnisse zu konstituieren. Vertrauen ist also kein Geschäft, weil es nicht eingefordert und vertraglich abgesichert werden kann, denn es besteht immer und zu jeder Zeit die Möglichkeit, es zu brechen oder zurückzuziehen. Nur unter dieser Bedingung wechselseitiger Freiwilligkeit macht Vertrauen als sozialer Mechanismus zur Stabilisierung von Kooperationsbeziehungen überhaupt Sinn. Der in Kooperationsbeziehungen notwendige Vertrauensvorschuss wird erst nach und nach an der Wirklichkeit bestätigt oder korrigiert. Begründetes Vertrauen kann als Erwartung nur mit der Dauer der Zugehörig-

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Management von Kooperationen und Netzwerken

keit zum Netzwerk stabilisiert werden; es muss immer wieder aktualisiert und bestätigt werden, um wirksam zu sein (Kade, 2004, S. 138). Vertrauen entsteht und erhält sich am besten in Beziehungen, bei denen die Beteiligten davon ausgehen (können), dass keiner zu kurz kommt. Sie unterstellen zunächst und machen dann die Erfahrung, dass zwar nicht in jeder einzelnen Situation, aber insgesamt, das heißt auf mittlere Sicht und hinsichtlich unterschiedlichen wechselseitigen Nutzens, ein Zustand ausgeglichenen Gebens und Nehmens herrscht. Um dieses Reziprozitätsverhältnis nicht dem Zufall zu überlassen, kann das Netzwerkmanagement mit den beteiligten Partnerinnen und Partnern erarbeiten, welche Leistungen vom Netzwerk für diese zur Verfügung gestellt werden und welche Gegenleistungen das Netzwerk dafür von den Partnern erhält (vgl. Kapitel 8.7.4 »Managementinstrument: Portfolio ausgeglichenen Gebens und Nehmens«). Erzwungen werden können die erwarteten Gegenleistungen allerdings in einem Netzwerk nicht. Wenn jedoch an eine erwartbare Gegenleistung nicht mehr geglaubt wird, geraten Netzwerke in eine Krise oder zerfallen. In dem Maße allerdings, wie die Netzwerkbeteiligten positive Erfahrungen im Netzwerk machen, wächst über das Vertrauen hinaus, das man den beteiligten Personen zunächst entgegengebracht hat, das Vertrauen in das Netzwerk insgesamt: das Systemvertrauen. Dieses kann dann auch nicht mehr erschüttert werden, wenn einzelne Personen entgegen der gemeinsamen Absprache handeln, sei es, weil sie nachträglich glaubhafte Erklärungen vorbringen können oder weil die Beteiligten die Erfahrung gemacht haben, dass das Netzwerkmanagement mit entsprechenden Konflikten konstruktiv umgehen kann und im Extremfall den Ausschluss von Partnern aus dem Netzwerk erreicht. Systemvertrauen entsteht, wenn die eingeführten Verfahrensweisen und Regeln sich als geeignet und als belastbar in Krisensituationen bewährt haben.

8.5 Macht in Netzwerken und Kooperationen Für die Arbeit von Organisationen in Netzwerken hat sich der Begriff der Coopetition eingebürgert, der einen Zustand bezeichnen soll, in dem Kooperation (cooperation) und Konkurrenz (competition) zugleich vorliegen. Selbst bei grundsätzlichem Vertrauen zueinander können deshalb immer wieder Konflikte aufbrechen, die gemanagt werden müssen. Dabei kann es sich um Verteilungs- oder Wertekonflikte im Netzwerk handeln, aber auch um Interessengegensätze und Zielkonflikte, Konflikte um Eigentums- und Urheberrechte oder das Konkurrieren um Finanzen und Adressaten. Unbereinigte oder

Macht in Netzwerken und Kooperationen

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untergründig schwelende Konflikte können jederzeit in offene Machtkämpfe umschlagen. Wolfgang Jütte (2002, S. 81 ff.) hat unter dem Stichwort »Beziehungs-Ökonomie« u. a. »Kosten-Nutzen-Bilanzierungen« von Netzwerkbeteiligten empirisch untersucht. Das Eingehen von Kooperationen stellt sich für diese meistens als Investitionsentscheidung dar; Kosten und Nutzen unterschiedlicher Art werden in einer Gesamtbilanz abgewogen. Von den Akteuren werden vor allem die Kosten betont, die mit einer Beziehungsaufnahme verbunden sind. Dabei werden auch Misstrauen und Konflikte als Kosten erlebt, die mit einer ungleichen Macht- und Einflussverteilung im Netzwerk verbunden sind. In der Pädagogik wird Macht häufig als ein negatives Phänomen angesehen. Bei Max Weber (2005, S. 38) bedeutet Macht die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchsetzen zu können. Bei Michel Foucault (1978, S. 71, S. 110) ist Macht keine Eigenschaft eines Machthabenden, sondern die Entfaltung eines Kräfteverhältnisses, das alle gesellschaftlichen Beziehungen durchzieht, von der Familie über die Schule bis zum Betrieb. Dabei handelt es sich um eine Weise des Einwirkens auf ein oder mehrere handelnde Subjekte, also um ein Ensemble von Handlungen in Hinsicht auf Handlungen (Foucault, 1987, S. 254 f.). »Macht konzentriert sich in Handlungsfähigkeiten«, so bringt es Wolfgang Fritz Haug auf den Punkt (1985, S. 175). Macht bedeutet also im Kern nur, dass man etwas machen kann, dass eine Person handlungsfähig ist in Bezug auf die Realisierung ihrer Interessen und Bedürfnisse. Die Normativität kommt in das Konzept nicht über die Macht an sich, sondern über die Ziele, für die diese Macht eingesetzt wird. Den Einsatz von Macht zur Realisierung der gemeinsamen Ziele des Netzwerkes nach außen würde daher wohl niemand kritisieren, sofern die dabei angewandten Mittel ethisch einwandfrei sind. Machteinsatz innerhalb des Netzwerkes zur Durchsetzung von Partialinteressen einzelner Netzwerkpartner gegenüber den anderen hat hingegen destruktive Auswirkungen. Für die interne Steuerung von Netzwerken ist Macht also ein generell ungeeignetes Medium. Dem sollte durch eine relative Gleichverteilung der Einfluss- und Kooperationschancen der Netzwerkpartnerinnen vorgebeugt werden. Um dies zu prüfen und gegebenenfalls auszugleichen, kann z. B. das in Kapitel 8.7.5 beschriebene »Managementinstrument: Rekonstruktion der Einflussund Kooperationsstruktur im Netzwerk« eingesetzt werden (Zech, 1990).

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Management von Kooperationen und Netzwerken

8.6 Netzwerkqualität und Gelingensfaktoren Netzwerke und formalisierte Kooperationsverhältnisse sind eine besondere Form sozialer Systeme. Die Qualität von sozialen Systemen erwächst aus der Qualität ihrer internen Beziehungen. Das ist einerseits eine Frage der Regeln des Miteinanders, andererseits eine Frage der Netzwerkkultur. Insofern gilt hier alles, was in Kapitel 9 »Management der Organisationskultur« ausführlich dargestellt ist. Der zweite Qualitätsfaktor ist der Zugang zu den nötigen Ressourcen, über die ein Netzwerk verfügt. Aber auch dieser hängt wieder im hohen Maße von der Qualität der Beziehungen ab, die die Netzwerkbeteiligten untereinander und zu ihrer Umwelt haben, aufbauen und pflegen. Die Beziehungen werden von Wolfgang Jütte (2002, S. 122) daher als »Zugangsstrukturen« zu Ressourcen bezeichnet. Als Ressourcen sind dabei z. B. von Bedeutung: Ȥ Geld, Ȥ Wissen, Ȥ Dozentinnen und Dozenten, Ȥ Mitarbeitende freier Träger, Ȥ Auftraggeber, Ȥ Adressatinnen/Interessengruppen, Ȥ politische Entscheider, Ȥ Räume und Ausstattungen. Bei gegebenem Vertrauen und einer entsprechenden Kultur entstehen durch die Kooperation der Partnerinnen und Partner ungeheure Potenziale im Netzwerk. Auf der anderen Seite steht bei den Beteiligten die Angst vor Autonomieverlust als eigenständig handlungsfähige Organisation. Das bewusste Eingehen einer Interdependenz und die Bereitschaft, sich durch die anderen Netzwerkpartner kontrollieren zu lassen, sind aber entscheidende Voraussetzungen für einen Erfolg des Netzwerkes. Differenzieren lässt sich zwischen Aufgaben-, Ergebnis- und Feedbackinterdependenz (Balz u. Spieß, 2009, S. 104 f.). Aufgabeninterdependenz ist die Grundlage für den Kooperationsbedarf und entsteht aufgrund der Komplexität der Arbeitsaufgaben und der Vielzahl der Leistungserbringenden. Die häufig vernachlässigte Ergebnisinterdependenz ist eine Voraussetzung für die Motivation zur Kooperation, denn nur wenn die Qualität des gemeinsam erbrachten Ergebnisses zählt und dem in Einzelarbeit erbrachten überlegen ist (bzw. das Ergebnis einzeln überhaupt nicht erzielt werden könnte), ist der Nutzen von Kooperationsverhältnissen nachvollziehbar. Feedbackinterdependenz bezeichnet die wechselseitige Rückmeldung über Prozess und Ergebnis der Kooperation und ist unverzicht-

Managementinstrumente für die Praxis

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bar, wenn Kooperationsverhältnisse nicht zur Pseudokooperation (S. 35 f.) degradieren sollen. Kompetentes Management und klar definierte Zuständigkeiten gehören zu den Erfolgsvoraussetzungen von Kooperationsbündnissen (Strobl u. Lobermeier, 2012, S. 164). Insgesamt ist die Leistungsfähigkeit von Kooperationen und Netzwerken von fünf fundamentalen Bedingungen abhängig: 1. der Konsistenz, das heißt dem Ausmaß der Gemeinsamkeiten von Interessen und Zielen der Partner, 2. dem Verknüpfungsstatus, das heißt der störungsfreien Kommunikation zwischen allen Beteiligten, 3. der Kultur, das heißt einem Fundament an gemeinsamen Normen, Werten und Regeln, 4. der Äquivalenz, das heißt einem auf mittelfristige Sicht ausgeglichenen Geben und Nehmen der Partnerinnen, 5. dem Netzwerkmanagement, einer systemischen, das heißt nicht-­hierarchischen Steuerung der unterschiedlichen Aktivitäten. Weitere Gelingensfaktoren sind zum Beispiel: Ȥ freiwillige, das heißt nicht politisch verordnete, Kooperation, Ȥ Kontinuität der Mitarbeit durch die beteiligten Organisationen, Ȥ Verzicht auf hierarchische Überordnung bzw. ausgeglichene Machtbalance der Beteiligten, Ȥ Entwicklung einer gemeinsamen Identität, Ȥ verbindliche Einhaltung der vereinbarten Netzwerkregeln, Ȥ Offenheit, Transparenz und Vertrauen im Umgang miteinander, Ȥ Durchsetzungsmöglichkeiten der Netzwerkentscheidungen in den beteiligten Organisationen, Ȥ gleiche Kommunikations- und Beteiligungschancen aller Netzwerkpartner, Ȥ schnelle, gleichmäßige und wechselseitige Information aller Beteiligten, Ȥ ausreichend Zeit für informelle Kommunikation und direkte Interaktion sowie Ȥ Anerkennung der Koordinationsinstanz in ihrer Steuerungsaufgabe.

8.7 Managementinstrumente für die Praxis Die im Folgenden dargestellten Managementinstrumente haben sich in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung für das Management von Kooperationen und Netzwerken bewährt.

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Management von Kooperationen und Netzwerken

8.7.1  Managementinstrument: Eignungsprüfung Netzwerke sind nicht unter allen Bedingungen die geeignete Form, um mit Partnerinnen und Partnern zu kooperieren. Die Leitung einer Organisation der Bildung, Beratung oder sozialen Dienstleistung muss zunächst entscheiden, ob die Gründung eines Netzwerkes oder die Beteiligung an einem bestehenden Netzwerk sinnvoll ist. Voraussetzung dafür ist die Beantwortung von drei Fragenkomplexen: 1. Welche Ziele wollen wir mit der Gründung eines Netzwerkes bzw. der Beteiligung an einem bestehenden Netzwerk erreichen? Welche Herausforderungen unserer Umwelt wollen wir bewältigen? 2. Wenn wir ein Netzwerk initiieren wollen, gibt es Partner, die zu der strategischen Ausrichtung unserer Organisation passen? Wenn wir uns an einem Netzwerk beteiligen können, passen die Ziele des Netzwerkes zu der strategischen Ausrichtung unserer Organisation? 3. Haben wir geeignetes Personal, das unsere Beteiligung an einem Netzwerk realisieren kann? Können wir organisationsintern das notwendige Finanzund Zeitbudget dafür bereitstellen? Wenn diese drei Fragen positiv beantwortet werden können, dann gilt es in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob im angestrebten oder vorhandenen Netzwerk förderliche Bedingungen für eine erfolgreiche Kooperation vorherrschen oder unterstellt werden können. Dies kann z. B. mithilfe von Tabelle 24 geschehen: Tabelle 24: Eignungsprüfung von Netzwerken Netzwerke sind geeignet, …

Netzwerke sind ungeeignet, …

– wenn es gemeinsame Intentionen und gleiche oder komplementäre Interessen gibt. – wenn verteilte, unterschiedliche Kompetenzen gebündelt werden sollen. – wenn die Beteiligten auf mittlere oder sogar lange Sicht an einem reziproken Nutzenausgleich interessiert sind. – wenn die vorherrschende Kommunikationsform der Partner in nutzenstiftenden Angeboten besteht. – wenn mit einer lockeren Kopplung auf freiwilliger Basis gearbeitet werden kann. – wenn Offenheit und Vertrauen zwischen den Partnerinnen vorherrschend ist.

– wenn es keine gemeinsame Basis­ intention und/oder konkurrierende Interessen gibt. – wenn alle Beteiligten über die gleichen Kompetenzen verfügen. – wenn die Beteiligten primär an ihrem unmittelbaren ökonomischen Vorteil interessiert sind. – wenn die Beteiligten überwiegend fordernd kommunizieren und nur den eigenen Nutzen im Blick haben. – wenn es nötig ist, Kooperationen durch Verträge abzusichern und stark zu formalisieren. – wenn Zurückhaltung und Misstrauen die Kommunikation der Beteiligten bestimmen.

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Managementinstrumente für die Praxis

Netzwerke sind geeignet, …

Netzwerke sind ungeeignet, …

– wenn es Übereinstimmungen in den grundlegenden Normen und Werthaltungen der Partner gibt. – wenn die Mitarbeit der beteiligten Organisationen kontinuierlich und verbindlich ist.

– wenn die Normen und Werthaltungen der Partner konfligieren oder sich grundsätzlich unterscheiden. – wenn die Mitarbeit der Organisationen unregelmäßig, fluktuierend und unverbindlich ist.

8.7.2 Managementinstrument: Personalauswahl für die Mitarbeit im Netzwerk Um zu überprüfen, ob die für die Netzwerkarbeit vorgesehene Person geeignet und die entsprechende Stelle richtig ausgestattet ist, können z. B. die in Tabelle 25 gesammelten Fragen durch das Management und die zur Auswahl stehenden Mitarbeitenden genutzt werden. Tabelle 25: Personalauswahl für die Mitarbeit im Netzwerk – Fragen für das Management

– Fragen für die/den Mitarbeitenden

– Welche Ziele verfolgt unsere Organisation durch die Beteiligung am Netzwerk? – Steht der Mitarbeitende hinter diesen Organisationszielen? – Verfolgt die Mitarbeitende andere und/ oder zusätzliche Ziele für ihre Mitarbeit im Netzwerk? – Stehen diese anderen Ziele im Widerspruch zu den Organisationszielen oder ergänzen sie diese sinnvoll? – Welchen Kooperationsgewinn erwarten wir als Organisation? – Welchen subjektiven Gewinn erwartet der Mitarbeitende? – Hat die Mitarbeitende die persönliche Stabilität für diese Aufgabe? – Hat der Mitarbeitende genügend Rückhalt in der Organisation? – Welche Aufgabe(n) hat die Mitarbeitende im Netzwerk? – Welches Zeitbudget können wir für unseren Abgesandten bereitstellen? – Welche Entscheidungskompetenz gewähren wir für diese Stelle? – Welche materiellen Ressourcen stellen wir für die Aufgabe bereit?

– Welche Ziele verfolgt unsere Organisation durch die Mitarbeit im Netzwerk? – Stehe ich hinter diesen Organisationszielen? – Welche anderen und/oder zusätzlichen Ziele verfolge ich mit meiner Mitarbeit im Netzwerk? – Stehen diese anderen Ziele im Widerspruch zu den Organisationszielen oder ergänzen sie diese sinnvoll? – Welchen Kooperationsgewinn erwartet die Organisation? – Welchen subjektiven Gewinn erwarte ich? – Habe ich die persönliche Stabilität für diese Aufgabe? – Habe ich genügend Rückhalt in meiner Organisation? – Welche Aufgabe(n) habe ich im Netzwerk? – Welches Zeitbudget brauche ich für meine Aufgabe? – Welche Entscheidungskompetenz brauche ich für meine Aufgabe? – Welche materiellen Ressourcen brauche ich für diese Aufgabe?

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Management von Kooperationen und Netzwerken

Vorgehen bei der Personalauswahl: 1. Die Organisationsleitung und der an der Netzwerkarbeit interessierte Mitarbeitende beantworten getrennt voneinander die obigen Fragen und bereiten sich so auf das Auswahlgespräch vor. 2. Die Fragen bilden die Struktur des Auswahlgesprächs, wobei die Führung und die Mitarbeitende versuchen, gemeinsame Antworten zu finden, ohne die je eigenen Antwortnotizen dabei dem Gegenüber eröffnen zu müssen. Die je eigenen Antworten dienen lediglich der Klärung der jeweiligen Ausgangsposition. Unterschiede zwischen Organisationszielen und Zielen der Mitarbeitenden oder unterschiedliche Aufgabenvorstellungen müssen nicht per se ein Problem darstellen; sie können auch neutral sein oder die Organisation sogar bereichern. Wenn aber Widersprüche oder Gegensätze zwischen den jeweiligen Zielen und Vorstellungen vermutet werden, ist davon auszugehen, dass der/die Mitarbeitende an dieser Stelle nicht offen kommunizieren wird. Dennoch muss die gesprächsführende Führungskraft Indikatoren für ihre Vermutung finden, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. 3. Das Auswahlgespräch ist zugleich eine Verhandlung, in der die Bedingungen der Stelle für die Netzwerkmitarbeit definiert werden. Deshalb sollten die schlussendlich vereinbarten Aufgaben, Ziele, Rechte und die zur Verfügung gestellten Ressourcen auch schriftlich festgehalten und dokumentiert werden. Nur so können spätere Missverständnisse vermieden werden, und nur so besteht die Möglichkeit, die Stellendefinition nachzubessern, wenn sich die Arbeitsbedingungen im Netzwerk verändern oder andere sind, als man anfangs vermutete. 8.7.3 Managementinstrument: Ziele von Kooperationen und Netzwerken Für Kooperationen und Netzwerke können mehrere Zieldimensionen unterschieden werden: Ȥ Strukturziele: Wie ist das Netzwerk aufgebaut, welche Arbeitsbedingungen soll es geben, und wer hat dabei welche Rechte und Pflichten? Ȥ Leistungsziele: Was will das Netzwerk insgesamt erreichen, und wer übernimmt dabei welche Aufgaben? Ȥ Prozessziele: Wie, auf welche Art und Weise, mit welchen Vorgehensweisen sollen diese Ziele erreicht werden? Ȥ Qualitätsziele: Welche Anforderungen werden an die Leistungsergebnisse gestellt, und anhand welcher Indikatoren kann die Qualität gemessen werden?

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Managementinstrumente für die Praxis

Ȥ Entwicklungsziele: Welche bisher ungenutzten Chancen, Entwicklungspotenziale etc. stecken noch im Netzwerk, und wie können sie realisiert werden? Aber auch: Welche Defizite, Konfliktpotenziale etc. sind im Netzwerk zu beobachten, und wie sollen sie überwunden werden? Diese Ziele können weiter unterschieden werden in Muss-Ziele und Kann-Ziele, also in Ziele, von denen der Netzwerkerfolg zwingend abhängt, und in solche, die zwar wünschenswert wären, auf die aber im Zweifel verzichtet werden kann, wenn Zeit, Kraft und Ressourcen nicht mehr ausreichen. Hilfreich für das Zielmanagement kann das in Tabelle 26 dargestellte Zielportfolio sein: Tabelle 26: Netzwerk-Zielportfolio (Landesinstitut für Qualifizierung NRW u. Wohlfahrt, 2006, S. 84 ff.) Muss-Ziele

Kann-Ziele

Strukturziele

Leistungsziele

Prozessziele

Qualitätsziele

Entwicklungsziele

Für die Zielfindung kann auch auf das Managementinstrument »Zielkreuz« zurückgegriffen werden (vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«). 8.7.4 Managementinstrument: Portfolio ausgeglichenen Gebens und Nehmens Ein mittelfristig ausgeglichenes Geben und Nehmen ist die wesentliche Existenzbedingung, die Dauerhaftigkeit im Netzwerk garantiert. Ein Netzwerk bietet Leistungen für seine Mitglieder und erwartet entsprechende Gegenleistungen von diesen. In formalisierten Kooperationen und Netzwerken kann es sinnvoll sein, ein Portfolio von angebotenen Leistungen und erwarteten Gegenleistungen

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Management von Kooperationen und Netzwerken

zu erstellen, um eine gewisse Handlungssicherheit zu erzeugen. Ein Beispiel finden Sie in Tabelle 27: Tabelle 27: Portfolio ausgeglichenen Gebens und Nehmens Leistungen des Netzwerkes für die Mitglieder

Erwartungen an die Mitglieder des Netzwerkes

Organisation von mindestens fünf eintä­ gigen Fortbildungen pro Jahr

Teilnahme an und Leitung von Fortbildungen: Einbringen der eigenen Kompetenzen

gemeinsame strategische ­Entwicklung, Zielplanung sowie gemeinsames Controlling

Beteiligung an Strategieentwicklung, ­ ielplanung und Controlling Z

gemeinsame Angebotsentwicklung

Beteiligung an der Angebotsentwicklung

Bereitstellung eines Pools von Bildungsund Beratungsmaterialien und -konzeptionen

Zur-Verfügung-Stellen der eigenen ­ ildungs- und Beratungsmaterialien und B -konzeptionen

gemeinsames Marketing, Bereitstellung eines Netzwerklogos und entsprechender Materialien

Beteiligung an Marketingaktivitäten, Nutzung des Netzwerklogos und der Materialien

Bereitstellen von Publikationsmöglichkeiten

Verfassen von Publikationen

aktives Empfehlen der anderen Netzwerkpartner

aktives Empfehlen der anderen Netzwerkpartnerinnen

umfassende und gleiche Information aller Netzwerkpartner

Zur-Verfügung-Stellen der eigenen Informationen für alle Netzwerkpartnerinnen

Akquirierung und Vermittlung von Aufträgen

Akquirieren und Abrechnen der eigenen Aufträge über das Netzwerk

Zur-Verfügung-Stellen eines einheitlichen Corporate Designs

Nutzung des Corporate Designs bei allen Aufträgen

Coaching, Supervision und Beratung für Projekte

Zur-Verfügung-Stellen von Coaching- bzw. Beratungskompetenzen

Bereitstellung einer technischen und betriebswirtschaftlichen Infrastruktur, wie Moderationsmaterialien, Internetseite, Bibliothek

Beteiligung an den Kosten der Netzwerkstruktur im definierten Umfang

8.7.5 Managementinstrument: Rekonstruktion der Einfluss- und Kooperationsstruktur im Netzwerk Mit diesem Instrument kann die Verteilung der Einfluss- und Kooperationschancen der Netzwerkpartner dargestellt und ihre Funktionalität eingeschätzt werden.

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Managementinstrumente für die Praxis

Vorgehen bei der Analyse (Zech, 1990): 1. Es wird ein großer Kreis auf eine Pinnwand gezeichnet. Er symbolisiert die Grenze des Netzwerkes. Das Zentrum entspricht einem maximalen Einfluss auf die Netzwerkarbeit; zum Rand nimmt der Einfluss ab bis nahezu null Prozent. 2. Die Organisationen wählen für sich einen Kreis aus dem Moderationsmaterial entsprechend ihrer Größe (klein, mittel, groß) und schreiben den Namen ihrer Organisation auf die Karte. 3. Alle Beteiligten hängen ihre Organisationskarte unter zwei Gesichtspunkten in den Kreis: a) Die Nähe zum Zentrum symbolisiert die Stärke ihres Einflusses auf die Gestaltung der Netzwerkarbeit. b) Die Nähe zu anderen Organisationskarten symbolisiert die Enge der Kooperation mit anderen Netzwerkpartnern. 4. Die Karten dürfen so lange umgehängt werden, bis alle mit dem entstandenen Bild zufrieden sind, weil sie glauben, dass Einfluss und Nähe der Organisationen jetzt zutreffend abgebildet sind. Dabei ist es erlaubt, die Position der Karten anderer Organisationen zu kommentieren, wenn man den Eindruck hat, die Karten hingen nicht richtig. 5. Jetzt verbinden die Organisationen ihre Kreise mit denjenigen der anderen Organisationen, mit denen sie in konkreten Netzwerkprojekten zusammenarbeiten. 6. Die Beteiligten diskutieren ihre Einfluss- und Kooperationsanalyse und beschließen gegebenenfalls entsprechende Konsequenzen bezüglich der Netzwerkstruktur und der Netzwerkpolitik.

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Abbildung 28: Beispiel für eine Einfluss- und Kooperationsstruktur in einem Netzwerk

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Management von Kooperationen und Netzwerken

Interpretation des Beispiels (vgl. Abbildung 28): Ȥ Drei große Organisationen dominieren die Netzwerkarbeit und kooperieren eng. Ȥ Zwei dieser drei großen haben gewissermaßen angehängte Satellitennetzwerke mit mittleren Organisationen und einer kleineren, wobei die eine große Organisation in ihrem Satellitennetzwerk eine relativ ausgeglichene Kooperationsstruktur hat. Die andere große Organisation hat eher eine Kette von Suborganisationen. Die dritte große Organisation kooperiert nur mit den anderen beiden großen. Ȥ Am einflusslosen Rand des Netzwerkes haben sich drei kleine Organisationen kooperativ zusammengeschlossen; sie sind aber völlig ohne Einfluss auf die Netzwerkarbeit im Ganzen. Ȥ Es handelt sich in diesem Netzwerk um eine sehr unausgeglichene Einflussund Kooperationsstruktur. Offenes oder latentes Misstrauen ist zu vermuten. Das Netzwerk wird sehr instabil sein. Wenn keine Veränderungen geplant und durchgeführt werden, wird dieses Netzwerk nach dem Ende der laufenden Kooperationsprojekte kaum Bestand haben, oder es wird sogar während der Projektlaufzeit scheitern. Ȥ Deshalb ist zu fragen, was zu dieser Konstellation des Netzwerkes geführt hat. Weshalb haben die drei kleinen Organisationen sich am Rand eingerichtet? Wie stehen die in einer Kette angeordneten Organisationen zum Netzwerk? Wer hat welche Interessen im Netzwerk? Welchen Nutzen hat wer von dieser Kooperationsstruktur? Welcher Schaden entsteht für wen? Erst wenn nachvollziehbar wird, weshalb es diese Anordnung gibt und welche Vorteile, aber auch welche Nachteile die Konstellation hat, kann man über Lösungen oder Veränderungsmaßnahmen nachdenken. Ȥ Nach einer gründlichen Analyse wären z. B. mindestens Maßnahmen zur Verbesserung der Netzwerkarbeit denkbar: • Die drei kleinen Organisationen könnten mit Netzwerkaufgaben – auch im Netzwerkmanagement, z. B. in der Steuerungsgruppe – betraut werden, um sie stärker in die Netzwerkarbeit zu integrieren. • Vielleicht könnten die Kleinen an den Kooperationsprojekten der drei Großen beteiligt werden. • Es wäre zu überlegen, ob die Kooperationskette der einen großen Organisation nicht stärker zu einem Netz umorganisiert werden könnte. Das würde die Motivation und die Loyalität der nachgeordneten Organisationen gegenüber dem Netzwerk insgesamt und nicht nur gegenüber der Organisation, von der man abhängig ist, vermutlich stärken.

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Management der Organisationskultur

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, wissen Sie, wie die unvermeidlich vorhandene Kultur die Besonderheiten Ihrer Organisation sowohl zum Ausdruck bringen als auch beeinflussen kann – im Guten wie im Schlechten. Sie haben verschiedene Herangehensweisen an das Phänomen Organisationskultur, prägende Elemente der Entstehung und Verfestigung von Kulturen sowie kulturelle Besonderheiten von Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung kennen gelernt. Mit Werkzeugen zur Dechiffrierung der Kultur und zur Analyse der latenten Spielregeln einer Organisation können Sie Ihre besondere Kultur erkennbar machen. Hinweise zu Erfolgsfaktoren und sinnvollen Vorgehensweisen beim geplanten Kulturwandel schließen das Kapitel ab.

9.1 Was ist Organisationskultur? Unter dem Begriff Organisationskultur wird die Entstehung, Entwicklung und der Einfluss kultureller Aspekte in Organisationen verstanden. Dabei umfassen kulturelle Aspekte nicht nur Fragen der internen Integration und Interaktion (wie es bei einer irrtümlichen Gleichsetzung von Organisationskultur mit Organisationsklima der Fall wäre), sondern darüber hinaus Strukturen, Systeme, Prozesse sowie grundlegende Annahmen z. B. über Menschen, Realität und Wahrheit, Zeit und Raum (Schein, 2006, S. 45). Mit Organisationskultur wird die Verhaltensdimension normativen Managements angesprochen (vgl. Kapitel 2 »Normatives Management«), das heißt sowohl das kollektive Wissen und die Fähigkeiten einer Organisation als auch die gefühlsmäßig geprägten Einstellungen der Mitarbeitenden zu ihrer Aufgabe, zu den Angeboten, zu den Kolleginnen und Kollegen, zur Führung und zur Organisation insgesamt (Bleicher, 2004, S. 238). Kulturelle Kräfte bestimmen individuelles und kollektives Verhalten, Denkmuster und Werte. Edgar H. Schein (2006, S. 31 ff.) unterscheidet drei Ebenen der Organisationskultur: 1. Artefakte als in einer Art Oberflächenstruktur manifestierte gemeinschaftlich gepflegte Verhaltensweisen, Sitten und Gebräuche, z. B. in Form der Architektur der Gebäude, der sichtbaren Organisationsstrukturen und -prozesse,

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Management der Organisationskultur

der Formalitäten des Umgangs der Mitarbeitenden, aber auch als Symbole, Mythen, Rituale und Erzählungen; 2. öffentlich propagierte Werte wie Strategien, Ziele und Organisationsphilosophie; 3. grundlegende unausgesprochene Annahmen, das sind von den Systemmitgliedern nicht mehr hinterfragte Überzeugungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle. Während die kulturellen Ausprägungen der ersten beiden Ebenen sichtbar und manifest bzw. verschriftlicht sind, bleibt Ebene 3 meist latent und unbewusst. In der Tradition der narrativen Psychologie wird Organisationskultur als die Summe der Geschichten verstanden, die man sich erzählt (Jost, 2003, S. 17). Die narrative Psychologie ist ein etwa seit den späten 1980er Jahren bekannt gewordener Forschungszweig, der als Synthese heterogener theoretischer Positionen, methodischer Perspektiven und wissenschaftlicher Praktiken durch ein gemeinsames Interesse am Erzählen und an der Erzählung charakterisiert ist (Echterhoff u. Straub, 2004, S. 103). Etwas präziser formuliert beschäftigt sich die narrative Psychologie mit psychischen, kommunikativen und sozialen Funktionen, die das Erzählen von Geschichten erfüllen kann (S. 114). Die narrative Psychologie geht davon aus, dass alltägliche Interaktionen und die Verarbeitung von Erlebtem narrativ organisiert werden (Keupp et al., 1999, S. 208). Narration als erzählerische Wiedergabe und Neuordnung von Geschichten hat also Anteil an der allgemeinen sprachlichen Konstitution oder Konstruktion von Wirklichkeit (Echterhoff u. Straub, 2004, S. 115) und ist damit ein kreativer Akt der persönlichen oder kollektiven Sinnstiftung. Im systemtheoretischen Verständnis werden Organisationen als sozio-technische Entscheidungssysteme verstanden. Dementsprechend gilt Organisationskultur als unentscheidbare Entscheidungsprämisse, also als eine Art Hintergrundfolie, die die in einer Organisation zu treffenden Entscheidungen beeinflusst. Organisationskultur wird in einer Organisation nicht gezielt produziert, sondern entsteht beiläufig, anonym, wie von selbst und unvermeidbar (Luhmann, 2000, S. 240 ff.). Provokant formuliert, sind die Kultur erzeugenden Kommunikationen eher dem Bereich des Klatschs und der Unterhaltung zuzurechnen (S. 243). Damit unterscheidet sich Organisationskultur grundlegend von den entscheidbaren Entscheidungsprämissen, auf die eine Organisation bewusst gestaltend Einfluss nehmen kann und zu denen Niklas Luhmann folgende zählt: 1. Entscheidungsprogramme als regulative Bedingungen, wie in einer Organisation entschieden wird; 2. Kommunikationswege als Verfahren, auf welchen Wegen entschieden wird und welche Kompetenzen dafür erforderlich

Wie Organisationskulturen entstehen

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sind, und 3. Personaleinsatz als Art der Zuteilung von Personen an Funktionen oder Stellen (S. 224 ff.). Organisationskultur ist zwar nicht entscheidbar im Sinne von direktiv steuerbar, dennoch gilt sie als Entscheidungsprämisse einer Organisation, das heißt, sie durchzieht in Form von Werten die gesamte organisatorische Kommunikation. Starke Organisationskulturen sind durch eine ausgeprägte Klarheit und Konsistenz der Orientierungsmuster charakterisiert (von Küchler u. Schäffter, 1997, S. 32). Die dadurch entstehende verhaltensbeeinflussende Wirkung ist einerseits positiv, da sie den Mitarbeitenden Handlungsanleitungen bietet. Andererseits erschweren ausgeprägte Organisationskulturen organisatorischen Wandel, da Erfahrungen und Möglichkeiten, die dem eta­ blierten Organisationsbild widersprechen, schlechter Gehör finden. Wie Organisationskultur definiert und verstanden wird, bestimmt in entscheidendem Maß das Vorgehen und die Methodik, um diese zu diagnostizieren und zu verändern; nicht zuletzt beeinflusst die Art der Auffassung auch das Ausmaß der Veränderungsskepsis. So werden Anhänger der narrativen Orientierung kulturelle Aspekte vorrangig durch Story Telling und Story Management zu erfassen und zu verändern versuchen, während Systemtheoretikerinnen sich eher mit der Gestaltung der entscheidbaren Entscheidungsprämissen wie Programmen, Kommunikationswegen und Personal beschäftigen werden. Ein anderer Weg besteht darin, sich – um in Scheins Terminologie zu bleiben – über die Identifizierung von Artefakten und propagierten Werten den grundlegenden Annahmen zu nähern. Welcher Weg auch immer gewählt wird, es ist unverzichtbar, sich immer wieder mit der eigenen Organisationskultur zu beschäftigen, da ansonsten die nicht hinterfragten Grundüberzeugungen und Werteinstellungen Gefahr laufen, nicht mehr zu veränderten externen und internen Bedingungen zu passen. Denn in einer sich schnell verändernden Welt muss damit gerechnet werden, »daß sich unter der Hand die Situationen verändern, denen eine bestimmte Kultur angemessen war, und die zu Werten fixierte Kultur nur noch dazu dient, ihre eigene Unangemessenheit zu demonstrieren« (Baecker, 2012, S. 118).

9.2 Wie Organisationskulturen entstehen – Elemente der Kulturprägung Anders als strategisch fundierte Entscheidungen, z. B. über die Angebotspolitik und Leistungspotenziale, kann Organisationskultur nicht entschieden werden, sondern sie ist immer schon da. Sobald eine Organisation entstanden ist, hat sie Kultur (bzw. Kulturen in Form von Subkulturen) und drückt diese aus – nicht immer sichtbar, auf jeden Fall aber spürbar. Man könnte sogar so

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Management der Organisationskultur

weit gehen zu sagen, dass Organisationen nicht nur Kulturen haben, sondern Kulturen sind, »als in sich geschlossene, gegenüber einer gesellschaftlichen Gesamtkultur abgegrenzte, kulturelle Kontexte« (Bardmann, 1994, S. 339). Als »Sediment bewährter sozialer Praktiken«, also einer mehr oder weniger erfolgreich gemeisterten Vergangenheit (Rüegg-Stürm, 2009, S. 11), bildet sich Kultur im Lebenszyklus einer Organisation kontinuierlich aus und verfestigt sich zunehmend. Daher unterscheiden sich die organisationalen Orientierungsmuster junger, gerade gegründeter Organisationen oftmals deutlich von denen alteingesessener Unternehmen: Pointiert formuliert, nehmen Binnen- und Vergangenheitsorientierung mit zunehmendem Lebensalter einer Organisation zu, während Kundennähe und Zukunftsorientierung abnehmen. Organisationskultur kann verstanden werden als eine Doppelwertung des ohnehin Vorhandenen und Üblichen, u. a. mit der Funktion, Vergleiche zu ermöglichen und kommunizierbar zu machen (Luhmann, 2000, S. 247). Dabei kommt der Führung bei der Entstehung der Kultur eine außergewöhnlich prägende Rolle zu. Angefangen beim Gründer (der nicht nur Unternehmens-, sondern auch Kulturgründer ist und dessen Visionen und Werte handlungsleitend sind), werden Kulturen in späteren Lebensphasen von Organisationen durch Vorbild und Vorleben von Führungskräften und Meinungsbildnerinnen maßgeblich beeinflusst. Das Verhalten von Vorgesetzten wird von Mitarbeitenden aufmerksam auf seine Übereinstimmung mit den im Leitbild und in Führungsgrundsätzen aufgestellten Behauptungen hin überprüft und wirkt als gelebter Inhalt wesentlich stärker als ein bloß verschriftlichter Wert (Bleicher, 2004, S. 239, S. 241 f.). Weitere sogenannte primäre Elemente der Kulturprägung sind: Ȥ Reaktionen der Führung auf kritische Ereignisse und Krisen, Ȥ die Formung des Verhaltens der Mitarbeitenden durch Unterweisung und helfende Unterstützung, Ȥ Kriterien für die Zuweisung von Ressourcen und Status sowie Ȥ Kriterien für die Selektion, Einstellung und Beförderung und das Ausscheiden von Mitarbeitenden. Als sekundäre Elemente der Kulturprägung gelten: Ȥ Organisationskonzept und -struktur, Ȥ Managementsysteme und -verfahren, Ȥ Gebäude und räumliche Anordnung/Ausgestaltung, Ȥ Geschichten, Legenden, Mythen und Parabeln über bedeutende Ereignisse und Personen sowie Ȥ die formelle Erklärung zur Organisationsphilosophie.

Kulturelle Besonderheiten von Organisationen

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9.3 Kulturelle Besonderheiten von Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung Viele Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung lassen sich am ehesten einer sogenannten familiären Dorfkultur zuordnen (vgl. Kapitel 9.6.2 das »Managementinstrument: Vierertypologie der Organisationskultur«): Gemeinschaftsgefühl und Zusammenhalt sind wichtig (keine Dschungelkultur), zu viel Organisation in Form klar definierter Prozesse und Verfahren ist eher verdächtig (wie in der Stadtkultur), projektorientierte Nomadenkultur und keine tiefe Bindung (wie in der Wanderkultur) sind mit dem Organisationszweck scheinbar nicht vereinbar, wenngleich projektförmige Aufträge zunehmen. Allerdings ist die eindeutige Führungsrolle des Bürgermeisters, wie sie für die Dorfkultur typisch ist, in Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung oft konterkariert durch eine ausgeprägte Antipathie gegen Hierarchien und Machtstrukturen, die vor allem durch zwei Faktoren zustande kommt (Kieselhorst, 2002, S. 9 ff.): Zum einen werden diese Organisationen oft nach der Logik von Non-Profit-Organisationen geführt, die anders als Organisationen des Wirtschaftssystems nicht vorrangig gewinnorientiert sind, sondern eher dem Mythos der Freiwilligkeit bzw. der Berufung anhängen. Zum anderen begünstigt die Besonderheit der pädagogischen, beratenden und sozialen Arbeit die Ablehnung von Macht. Denn der Erfolg dieses Arbeitstypus kann nicht kausal durch Planung und Organisation verursacht bzw. auf richtige oder falsche Methoden und Vorgehensweisen zurückgeführt werden, sondern die Fachkräfte müssen auf komplexe eigendynamische Situationen reagieren. Ihr Handeln ist nicht bis ins Letzte determinierbar, weshalb sie auch meist skeptisch reagieren auf Machtausübung in Form von klaren Entscheidungen oder gar Anordnungen. Angenehmer und klimatisch passender erscheint der Konsens, auch wenn dieser bedeutet, dass bereits getroffene Entscheidungen immer wieder hinterfragt werden und die Handlungsfähigkeit der Organisation damit eingeschränkt wird. Häufig bleibt in Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistung die Ebene der Artefakte unberücksichtigt, die Prozesse und Strukturen beinhaltet (also rationale, funktionale und umweltbezogene Aspekte). Kultur wird verkürzt auf die Selbstbeschreibung einer Organisation in Hinblick auf ihr (sozial-)pädagogisches oder beraterisches Verständnis sowie auf das Organisationsklima. Mit dieser Kultursemantik wird auch unterstellt, dass eine einzige Kultur für die gesamte Organisation Gültigkeit besitzt, das heißt, die hohe Wahrscheinlichkeit subkultureller Ausprägungen als Folge der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aufgaben und unterschiedlichen Kon-

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Management der Organisationskultur

texten bleibt unberücksichtigt (z. B. die vielfach beklagten kulturellen Gräben zwischen Verwaltungsmitarbeitenden und Fachkräften). Organisationen, die ihre Kultur verkürzt als Selbstverständnis und klimatischen Hintergrund betrachten und zugleich Macht als Voraussetzung für das Treffen verbindlicher Entscheidungen und die Gestaltung der primären Elemente der Kulturprägung ablehnen, nehmen sich die Möglichkeit, Kultur als für die gesamte Organisation geltende, sinnstiftende und handlungsleitende Charakteristik zu nutzen. Funktionaler als eine durch Entscheidungsaversion und die mangelnde Wahrnehmung subkultureller Differenzen eingeschränkte Dorfkultur wäre eine Organisationskultur des Lernens bzw. der Entwicklung. Beim Lernen von Organisationen geht es um Verfahren, wie ein soziales System seine Sensibilität gegenüber der Umwelt erhöhen und seine Leistungsfähigkeit verbessern kann (Zech, 1997, S. 45). Das heißt, das System braucht Verfahren, wie es die relevanten Umwelten beobachten und die Beobachtungsergebnisse wieder in die Entscheidungen des Systems einspeisen kann. Mit Ungewohntem und Überraschendem, das die eigenen Routinen infrage stellt und Lernen bzw. Entwicklung ermöglicht, kommt eine Organisation am ehesten an ihren Außengrenzen in Berührung, z. B. beim Kontakt mit neuen Kundengruppen, wenn sich gesetzliche Rahmenbedingungen ändern oder neue Mitarbeitende eingestellt werden. Die Integration fremder Perspektiven kann unterstützt werden durch die Schaffung von autonom arbeitenden Parallelsystemen mit eigenen Umweltkontakten oder durch die Ermächtigung von Entscheidungsträgern aus Subkulturen, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet sind (Schein, 2006, S. 176). Subkulturen müssen also nicht nur als unvermeidliches Übel betrachtet, sondern sie können gezielt als lokale Rationalitäten genutzt werden. Damit können sie als Agenten des Kulturwandels neue, einer Kultur des Lernens förderliche Argumentations- und Erklärungsmuster in den Organisationsalltag einführen (Rüegg-Stürm, 2009, S. 5).

9.4 Diagnose und Deutung – Organisationskultur dechiffrieren Wie kann – über die Erkenntnis von Strukturähnlichkeiten hinaus, die viele Organisationen aus Bildung, Beratung und sozialer Dienstleistung aufweisen – Organisationskultur erkennbar gemacht werden? Nach einer Befragung von Hans Rudolf Jost (2003, S. 31) erheben 63 Prozent der befragten Unternehmen, aber nur 33 Prozent der öffentlichen Verwaltungen regelmäßig (meist jährlich oder alle zwei Jahre) ihre Unternehmenskultur. Bevorzugte Instrumente sind

Die latente Funktionsgrammatik von Organisationen

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»Regelmäßige Gespräche über die Unternehmenskultur« (41 Prozent bei den Unternehmen bzw. 48 Prozent bei den Verwaltungen), »das interne Controlling« (15 bzw. 16 Prozent) bzw. »als Teil des Qualitätsmanagements« ohne weitere Angabe des Verfahrens (34 bzw. 20 Prozent). Eine eher unstrukturierte Art, organisationsindividuelle kulturelle Besonderheiten zu erfassen, ist ein an die Methode der sogenannten dichten Beschreibung angelehntes Vorgehen. Diese von dem amerikanischen Anthropologen Clifford Geertz (1983) entwickelte Methode basiert auf der Annahme, dass es keine reinen Daten gibt, sondern dass in jede Datensammlung bereits die Erwartungen und das Hintergrundwissen des erhebenden Forschers eingeflossen sind. Konsequenterweise sind somit auch nicht die Daten das vorrangig bedeutsame Material, sondern deren Interpretation. Ziel der dichten Beschreibung sind keine allgemeingültigen Aussagen, sondern Verallgemeinerungen von Einzelfällen und die Herausarbeitung typischer Eigenschaften und Strukturen. Zur Deutung der Organisationskultur werden neue Mitarbeitende gebeten, während der ersten zwei bis drei Monate in der Organisation täglich aufzuschreiben, was sie am meisten überrascht hat – im Guten wie im Schlechten (Rüegg-Stürm, 2009, S. 20). Wichtig ist, dass es bei diesen (falls möglich bzw. nötig anonymisierten) Beschreibungen nicht um Wertungen geht, sondern eher um den Blick eines Ethnologen auf ein ihm noch unbekanntes Volk mit seinen eigentümlichen Sitten und Gebräuchen. Ansätze zu Deutungs- und Erklärungsmustern sind natürlich erlaubt und gewähren einen Einblick, wie die spezifische Kultur von Personen interpretiert wird, die (noch) nicht fester Bestandteil des Systems sind. Um alle Ebenen der kulturellen Ausprägungen zu erfassen, empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen, denn z. B. unspezifische regelmäßige Gespräche sind erfahrungsgemäß nicht geeignet, um auch die grundlegenden Annahmen der Organisationskultur sichtbar zu machen und diese zu gestalten.

9.5 Die latente Funktionsgrammatik von Organisationen Grundlegende Annahmen oder latente Regeln – wie sie auch genannt werden – des Funktionierens von Organisationen zu entdecken, ist ein sehr anspruchsvoller Prozess und der bei weitem schwierigste Teil der Analyse der Organisationskultur. Die strukturellen Seiten einer Organisation lassen sich mit den Begriffen manifest und latent unterscheiden, wobei die manifesten Strukturen sich wiederum in formale (z. B. Mitgliedschaftsregeln, Satzungen, Geschäftsordnungen, also faktische Entscheidungsprämissen aller Art) und informelle Strukturen (die sogenannten »kleinen Dienstwege«, auf denen Entscheidungen

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Management der Organisationskultur

vorbereitet oder Beschlüsse umgangen werden) differenzieren (Zech, 2000, S. 71). Manifeste Strukturen sind den Beteiligten meistens bewusst, wobei ein Teil der informellen Regeln allerdings auch unbewusst sein kann (vgl. Abbildung 29).

sinnvolle

formale Regeln

überholte

bewusster Bereich funktionale

informelle Regeln

dysfunktionale

unbewusster Bereich

unschädliche / nützliche

latente Regeln

schädliche

Abbildung 29: System der Organisationsregeln

Latente Strukturen bestimmen das Funktionieren einer Organisation, ohne dass sie den Beteiligten bewusst sind. Diese unbewussten Strukturen einer Organisation werden auch als ihre latente Funktionsgrammatik bezeichnet, »in Analogie zu der Tatsache, dass die meisten Menschen ihre Muttersprache […] grammatikalisch korrekt sprechen«, ohne sich jeder einzelnen Regel bewusst zu sein (Zech, 2013, S. 121 ff.). Grammatiken wirken, ohne dass sie bewusst eingesetzt werden, das heißt, in Organisationen steuert die latente Funktionsgrammatik, die sich aus einem konsistenten System einzelner latenter Regeln zusammensetzt, unterschwellig das Handeln der Mitarbeitenden. Ebenso wie formale und informelle Regeln können auch latente Regeln für das Funktionieren der Organisation förderlich oder hinderlich sein. Die Regeln einer Organisation strukturieren, was die kommunizierenden Organisationsmitglieder legitimerweise voneinander erwarten dürfen und/oder faktisch voneinander erwarten. Sie

Die latente Funktionsgrammatik von Organisationen

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bilden »das Schienennetz, auf dem die Kommunikationszüge […] verkehren können – und außerhalb dieses Schienennetzes entgleisen die Züge«, schreibt Helmut Willke (1994, S. 191). Latente Regeln in Weiterbildungsorganisationen könnten lauten (Zech, 2000, S. 75): Ȥ Vertrauen ist gut, Misstrauen ist besser. Ȥ Sei wie du bist, aber vergiss die Maske nicht. Ȥ Alle anderen haben keine Probleme, also auch ich nicht. Ȥ Transparenz über alles, aber bitte mit verdeckten Karten. Ȥ Wenn du allein stehen willst, sprich aus, was viele denken. Ȥ Jammern schafft Gemeinschaft und ist allemal besser als Handeln. Ȥ Vorwärts nach weit – aber wohin? Ȥ Was gut läuft, interessiert nicht. Ȥ Wir sind die Besseren, Probleme machen nur die Anderen. Ȥ Wir haben viel zu tun, fang’ schon mal an. Ȥ Unterstütze mich, aber misch’ dich nicht ein. Ȥ Störungen haben Vorrang, aber störe nicht. Die Regeln der latenten Grammatik wirken nicht nur einzeln, sondern vor allem als Netzwerk, als sogenannte latente Funktionsgrammatik, in der sich die einzelnen Positionen wechselseitig bedingen, stützen und verstärken. Im Beispiel greifen die Regeln des Netzwerkes der latenten Grammatik – wie in Abbildung 30 ersichtlich – als dauerhafte Reproduktion des offiziell heftig kritisierten Misstrauens ineinander. Ob es sinnvoll ist, sich in einer Organisation die handlungsregulierenden Latenzen bewusst zu machen, hängt davon ab, ob sie für die Organisation funktional oder dysfunktional sind. Bei immer wieder auftauchenden, scheinbar unerklärlichen Schwierigkeiten könnte dies ein sinnvoller Weg sein, um die Entwicklungsmöglichkeiten der Organisation zu verbessern. Da das Herausarbeiten von latenten Organisationsregeln und das Rekonstruieren von latenten Funktionsgrammatiken einer gewissen Erfahrung bedürfen und die Organisationsmitglieder vorhandene Tabus und kritische Aspekte möglicherweise nicht selbst ansprechen, weil sie Nachteile befürchten, kann es sehr hilfreich sein, sich bei diesem Prozess externe Unterstützung zu holen.

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Management der Organisationskultur

Abbildung 30: Beispiel einer latenten Grammatik (Zech, 2000, S. 76)

9.6 Integrierte Veränderung von Strategie, Struktur und Kultur Organisationskultur lässt sich insbesondere auf der Ebene der grundlegenden Annahmen nicht direktiv steuern und umgestalten. Um kulturellen Wandel in einer Organisation zu ermöglichen, müssen immer auch die entsprechenden strategischen und strukturellen Bedingungen verändert werden. Daher sollte vor der Ausrufung eines Kulturwandels genau geprüft werden, ob dieser tatsächlich erforderlich ist, das heißt, ob strategische Herausforderungen beispielsweise durch veränderte externe Faktoren einen Kulturwandel unerlässlich machen. Funktionierender kultureller Wandel ist nie ein Selbstzweck, sondern Voraussetzung und/oder Folge strategischer und struktureller Entscheidungen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Kulturwandel als kulturbewusstes Management von strategischem und strukturellem Wandel zu betrachten, das heißt als einen achtsamen Umgang mit formalen, informellen und latenten Regeln der Zusammenarbeit im Verlauf eines Wandlungsprozesses (Rüegg-Stürm, 2009, S. 15).

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Integrierte Veränderung von Strategie, Struktur und Kultur

Werden strategische, strukturelle und kulturelle Entwicklungen einer Organisation zeitlich und institutionell (im Sinne der Verantwortlichkeit) voneinander entkoppelt, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit eines gelingenden Kulturwandels erheblich (S. 13). Denn eine neue Strategie ohne Strukturen bleibt ein Lippenbekenntnis, geänderte Strukturen ohne kulturelle Passung bleiben leere Formalia. Tabelle 28 illustriert eine nicht empfehlenswerte Entkoppelung von Strategie-, Struktur- und Kulturwandel in einer Organisation der Kinder- und Jugendhilfe. Tabelle 28: Entkoppelung von Strategie-, Struktur- und Kulturwandel (nicht empfehlenswert) Strategiewandel

Strukturwandel

Kulturwandel

Thema

Strategische Neuausrichtung der Organisation (Positionierung als Zen­trale für gelingendes Aufwachsen mit flachen Entscheidungsstrukturen)

Restrukturierung der Fachbereiche (Bildung kleiner Teams mit erweiterten Entscheidungsbefugnissen und eigener Budgetverantwortung)

Etablierung einer Wanderkultur (Hohe Beweglichkeit; Flexibilität und unternehmerisches Denken aller ­Mitarbeitenden; ­Kooperation über Fachbereiche hinweg)

Verantwortlichkeit

Fachdienstleitung

Wirtschaftliche Jugendhilfe

Teamleitung und Fachkräfte

Zeitrahmen

1./2. Quartal 2021

4. Quartal 2021

2. Quartal 2022

Nicht anschlussfähige – das heißt zu der spezifischen Organisation mit ihrer individuellen Historie und ihren Ressourcen unpassende –, auf Beschluss verordnete Strategien, Strukturen und Kulturen sind in Verbindung mit zeitlicher Entkoppelung und wechselnden Verantwortlichkeiten nahezu ein Garant für das Scheitern von Wandlungsprozessen. Gelingender Kulturwandel bedarf einer Integration von strategischen, strukturellen und kulturellen Aspekten. Kulturwandel als kulturbewusstes Management von Wandel sollte also eingebettet sein in systematische Veränderungsprojekte.

Strategische  Neuausrichtung

Kulturelle  Ausformung

Strukturelle  Verankerung

Abbildung 31: Integration von Strategie-, Strukturund Kulturveränderung  

200

Management der Organisationskultur

Bei einem Veränderungsprozess werden meistens zunächst strategische Ziele vereinbart. Diese sollten in der Organisation möglichst zeitnah strukturell verankert werden und ihren Ausdruck auf allen drei Ebenen der Kultur finden (z. B. als Artefakt der Arbeitsraumgestaltung, als propagierte Werte im Leitbild und latent handlungsleitend als grundlegende Annahme etwa in Form eines diskursiv abgestimmten Menschenbildes). Tatsächlich existiert allerdings nie ein Anfang ohne Vorgeschichte: Auch eine neue Strategie wird entwickelt vor dem Hintergrund bestehender kultureller Prägungen, die vorhandene Kultur wird getragen von und findet ihren Ausdruck in strukturellen Verankerungen. Eine Integration von Strategie-, Struktur- und Kulturveränderung (vgl. Abbildung 31) bedeutet deshalb keine Vermischung bzw. Gleichsetzung der einzelnen Elemente. Z. B. kann Organisationskultur nicht als unternehmerische Erfolgsstrategie inszeniert werden (Bardmann, 1994, S. 342), da bei diesem Ansatz davon ausgegangen würde, dass Kultur beliebig und willkürlich auswählbar und nicht gewachsen und zu weiten Teilen latent wirksam ist. Zusammenfassend lassen sich folgende Erfolgsfaktoren für einen gelingenden Kulturwandel bestimmen: Ȥ Kulturwandel ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung und/oder Folge strategischer und struktureller Entscheidungen. Ȥ Kultur, Strategie und Struktur stehen in einem direkten Verweisungs- und Begründungszusammenhang, weshalb Strategie-, Struktur- und Kulturveränderung niemals entkoppelt, sondern immer integriert gestaltet werden sollten. Ȥ Kultur braucht Vorbilder – und zwar sowohl glaubwürdige Führungskräfte als auch exemplarische Subkulturen als Innovationsträger. Ȥ Kultur zu wandeln bedeutet, Abschied von (Teilen) der alten Kultur zu nehmen; dazu bedarf es einer respektvollen und wertschätzenden Haltung, um das Alte zu würdigen, das in der Vergangenheit funktional war. Ȥ Kultur braucht Beteiligung – ebenso wichtig wie glaubwürdige Vorgesetzte und überzeugende Vorbilder ist für einen gelingenden kulturellen Wandel die Beteiligung der Mitarbeitenden, da deren Perspektiven und Bedürfnisse das Fundament der neuen Kultur sind. Ȥ Kultur erfordert psychologische Sicherheit – wer Angst hat, beharrt auf dem Alten. Ein erfolgreicher Kulturwandel bedarf deshalb einer positiven Vision und konkreter persönlicher Perspektiven für die Mitarbeitenden, auch in Form des Erlernens neuer, für die gewandelte Kultur benötigter Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Managementinstrumente für die Praxis

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9.7 Managementinstrumente für die Praxis Die im Folgenden dargestellten Managementinstrumente haben sich in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung für das Management der Organisationskultur bewährt. 9.7.1 Managementinstrument: Vierertypologie der Organisationskultur Diese Methode ist gut geeignet, um sich auf spielerische, niedrigschwellige Art der eigenen Organisationskultur zu nähern. Die meisten Organisationskulturen lassen sich grob einer Vierertypologie zuordnen (in Anlehnung an Jost, 2003, S. 33 f.): Ȥ Die Dorfkultur: Jeder kennt jeden; man weiß, was der andere macht und hilft sich gegenseitig, geführt wird patriarchalisch durch den Bürgermeister; hohe Identifikation; Jüngere müssen sich Älteren unterordnen. Ȥ Die Dschungelkultur: verworrene, ungeklärte Strukturen bzw. Macht- und Ohnmachtsverhältnisse; subjektiver Freiheitsgewinn; kein Gemeinschaftsgefühl; Überlebenskampf; Vielfalt. Ȥ Die Stadtkultur: Häufig bei Organisationen in der Postpionierphase; Undurchsichtigkeit und Ineffizienz sollen durch formale Strukturen überwunden werden (definierte Prozesse und Verfahren, verschriftlichte Regeln und Formulare etc.). Ȥ Die Wanderkultur: Sie zeichnet sich durch hohe Beweglichkeit aus; keine tiefe Bindung; keine langjährigen Mitarbeitenden; niedriges Durchschnittsalter; Teamwork ist wichtig, gemeinsame Ziele auf Zeit; Kooperation über die Grenzen von Hierarchien, Fachbereichen und Teams hinweg. Gehen Sie zur Zuordnung Ihrer Organisation zu dieser Vierertypologie wie folgt vor: 1. Bilden Sie eine möglichst heterogen besetzte Arbeitsgruppe, die sich mit Ihrer Organisationskultur beschäftigt. 2. Unterteilen Sie diese Arbeitsgruppe in homogene Zweiergruppen (z. B. Führungskräfte, Fachkräfte gleicher Bereiche und Verwaltungskräfte gemeinsam) und versuchen Sie sich an einer Zuordnung Ihrer Organisation zur vorgestellten Vierertypologie. Dabei kann es hilfreich sein, wenn Sie die Artefakte Ihrer Organisation in Betracht ziehen, also Aspekte berücksichtigen wie: • Kleiderordnung, • Organisationsstrukturen/Hierarchieebenen,

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Management der Organisationskultur

• Arbeitsstunden, • Besprechungsverfahren, • Entscheidungsregeln, • Architektur etc. Natürlich sind auch Mischformen der Typologie möglich! 1. Vergleichen und diskutieren Sie in der Gesamtgruppe Ihre Analyseergebnisse. Welche Gemeinsamkeiten gibt es? Wo werden unterschiedliche Einschätzungen deutlich? Gibt es eine eher einheitliche Organisationskultur oder deutlich unterschiedliche Subkulturen? 2. Überlegen Sie nach der Diskussion des Ist-Zustands gemeinsam, wie ein wünschenswerter Soll-Zustand aussähe und visualisieren Sie Ihre Erkenntnisse, z. B. wie in Abbildung 32 dargestellt:

Abbildung 32: Beispiel einer Visualisierung der Vierertypologie der Organisationskultur

Im Beispiel wird dargestellt, wie stark Aspekte der Stadt-, Dorf-, Dschungelund Wanderkultur in der Organisationskultur aus Sicht der Beobachtenden derzeit ausgeprägt sind (Ist-Zustand mit heller Schraffur) und wie eine funktionale Ausprägung künftig aussehen könnte (Ziel-Zustand mit dunklen Punkten).

 

Managementinstrumente für die Praxis

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9.7.2 Managementinstrument: Dechiffrierung der Organisationskultur Zur detaillierteren Dechiffrierung der Organisationskultur eignet sich eine etwa vierstündige Übung, bei der – ausgehend von einem aktuellen Problem – die Artefakte und propagierten Werte einer Organisation identifiziert und miteinander abgeglichen werden, um so den grundlegenden latenten Annahmen auf die Spur zu kommen (Schein, 2006, S. 74 ff.). Treffen Sie sich in einer möglichst heterogenen Gruppe mit mindestens zehn Personen. Laden Sie also nicht nur Ihre engsten Kolleginnen und Kollegen ein, sondern integrieren Sie freiberuflich oder ehrenamtlich Mitarbeitende, Kundinnen und Kooperationspartner. Achten Sie darauf, dass das gesamte Spektrum des Personals vertreten ist, breit gestreut sowohl nach Aufgabenbereichen als auch nach der Dauer der Organisationszugehörigkeit. Die Vorgehensweise hat sich in den folgenden Schritten bewährt: 1. Definition des Anlasses der Kulturanalyse Definieren Sie eine aktuell anstehende Aufgabe als Anlass der Kulturanalyse. Dabei kann es sich um die Einführung neuer Angebote handeln, um die Gewinnung neuer Kundengruppen, um die Erschließung neuer Sozialräume etc. – Hauptsache, Sie haben einen wirklichen Anlass, sich mit Ihrer Organisationskultur zu beschäftigen, sonst ist die Gefahr groß, dass eine Analyse der Kultur sinnlos und aufgesetzt wirkt. 2. Identifizierung der Artefakte Im nächsten Schritt identifizieren Sie möglichst viele Artefakte, die für Ihre Organisation charakteristisch sind. Dabei können Sie Aspekte berücksichtigen wie • Kleiderordnung, • Organisationsstrukturen und Hierarchieebenen, • Arbeitsstunden, • Besprechungsverfahren, • Entscheidungsregeln, • Architektur, • Innenraumgestaltung, Arbeitsplatzausstattung, Zuordnung von Büroräumen, • interne Kommunikation, • Riten und Rituale, • Umgang mit Konflikten, • Entlohnungsstruktur und Gratifikationen.

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5.

6.

Management der Organisationskultur

 ehmen Sie sich für diesen Schritt etwa eine Stunde Zeit, füllen Sie mögN lichst viele Flipchart-Bögen und hängen Sie diese so auf, dass Sie von den Manifestationen Ihrer Kultur umgeben sind. Bestimmung der propagierten Werte Anschließend tragen Sie die öffentlich bekundeten Werte zusammen, die Ihre Organisation vertritt und wie sie z. B. im Leitbild und in den Führungsund Kooperationsgrundsätzen formuliert sind. Vergleich von Werten und Artefakten sowie Identifizierung von Widersprüchen Jetzt vergleichen Sie die identifizierten Artefakte mit den propagierten Werten und suchen nach Widersprüchen. Wenn Sie z. B. eine hohe Innovationskraft propagieren, aber seit Jahren kaum neue Angebote auf den Markt gebracht haben, können Sie vermuten, dass hier eine tiefe grundlegende Annahme wirkt, die die Umsetzung der Werte in Taten verhindert. Die Identifizierung von Widersprüchen und fehlenden Passungen gibt Ihnen Hinweise auf die tieferen Schichten Ihrer Organisationskultur. Immer dann, wenn sichtbares Verhalten, Maßnahmen, Regeln, Praktiken, Strukturen und Prozesse (also die Artefakte) von den öffentlich propagierten Werten abweichen, sollten Sie aufmerken – hier sind Sie Ihrer latenten Kultur auf der Spur. Formulierung von Hypothesen über die grundlegenden Annahmen Wenn Sie Widersprüche gefunden haben, formulieren Sie Hypothesen über die wirkenden grundlegenden Annahmen. Seien Sie hier so spielerisch und experimentell wie nur möglich – erlauben Sie sich, scheinbar absurde Hypothesen zu entwickeln. Wenn es hilfreich ist, können Sie in dieser Phase auch anonym in Einzelarbeit vorgehen, indem die Beteiligten ihre Hypothesen aufschreiben, diese gesammelt und von einem Moderator bzw. einer Moderatorin vorgelesen und zur Diskussion gestellt werden. Beurteilung der formulierten grundlegenden Annahmen Abschließend spannen Sie den Bogen von den gefundenen grundlegenden Annahmen zu Ihrem aktuellen Anlass. Schätzen Sie ein, ob diese Annahmen hilfreich oder hinderlich für die anstehende Aufgabe sind. Konzentrieren Sie sich vor allem auf die für Ihr Anliegen hilfreichen Annahmen, um diese als Ressourcen nutzen zu können. Wenn Sie Annahmen erkennen, die starke, nahezu unüberwindliche Hindernisse darstellen, sollten Sie einen initiierten Kulturwandel in Betracht ziehen.

Managementinstrumente für die Praxis

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9.7.3 Managementinstrument: Analyse der latenten Funktionsgrammatik einer Organisation Die Analyse einer latenten Funktionsgrammatik kann sich an folgendem Vorgehen orientieren (Zech, 2009, S. 14 f.): 1. Die untenstehenden Fragestellungen werden als Fragebogen aufbereitet und an die Organisationsmitglieder (oder eine repräsentative Teilgruppe) verteilt. Der Fragebogen wird nur von den einzelnen Personen ausgefüllt und verbleibt auch bei diesen. Niemand erhält Einsicht in die individuellen Bögen. Sie dienen ausschließlich der Selbstklärung. 2. Nach dem individuellen Ausfüllen des Fragebogens überlegt sich jede Person eine Regel, die ihres Erachtens das Handeln der Organisationsmitglieder bestimmt. Es können auch mehrere Regeln pro Person gebildet werden. Wichtig ist, dass die Regelformulierung eine eindeutige Handlungsaufforderung enthält und nicht nur allgemeine Zustände beschreibt. Es hilft sehr, wenn die Regeln überspitzt formuliert werden, um deren Gehalt zu verdeutlichen. 3. Alle Regeln werden auf einer Pinnwand gesammelt. Das kann auch anonym erfolgen, indem der Moderator die auf Karten geschriebenen Regeln einsammelt. Gegebenenfalls kann die Beraterin bei der Regelformulierung helfen. Im Anschluss können weitere Regeln ergänzt werden. 4. Jede Person punktet bei den Regeln, von denen sie betroffen ist bzw. von denen sie glaubt, dass sie in der Organisation allgemein gelten. Durch die Ansammlung von Punkten bei bestimmten Regeln werden die in der Organisation insgesamt geltenden Hauptregeln deutlich. Regeln, die keine oder nur sehr wenige Punkte erhalten, werden ausgesondert. 5. Die Hauptregeln werden in einen systematischen Zusammenhang gebracht. Dadurch wird die latente Funktionsgrammatik der Organisation erkennbar. 6. Bei der Arbeit mit der latenten Funktionsgrammatik werden folgende Fragen gestellt und beantwortet: • Welchen Nutzen stiftet das Regelsystem (für die Einzelnen und für die Organisation als Ganzes)? • Welcher Schaden entsteht durch dieses Regelsystem (für die Einzelnen und für die Organisation als Ganzes)? • Soll etwas geändert werden und wenn ja, was? • Wie können schädliche Regeln so umformuliert werden, dass sie förderlich wirken? • Welche neuen Regeln sollen aufgestellt werden? • Was kann die Organisationsleitung tun, damit die veränderten bzw. neuen Regeln umgesetzt werden (Anreize, Sanktionen etc.)?

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Management der Organisationskultur

• Was kann jede Einzelne tun, damit die veränderten bzw. neuen Regeln umgesetzt werden? Mögliche Fragestellungen zur Herausarbeitung latenter Organisationsregeln: Ȥ Wo sehe ich meine eigenen Stärken und Schwächen? Ȥ Kann ich mich als Person mit meinen Ideen und Gefühlen so einbringen, wie ich möchte? Wenn nein, warum nicht? Ȥ Kann ich entsprechend meiner Kompetenzen und Stärken tätig werden oder fühle ich mich eher behindert? Ȥ Inwieweit bin ich eher Ausführende oder Gestaltender (Skala von 1–100)? Ȥ Bereite ich unsere Konferenzen, Sitzungen oder Besprechungen ausreichend vor und nach? Ȥ Stellt die Gruppe meiner Kolleginnen und Kollegen eine Kraftquelle dar oder kostet sie mich Kraft? Ȥ Von wem oder was fühle ich mich unterstützt? Ȥ Von wem oder was fühle ich mich behindert? Ȥ Wie werden Entscheidungen in unserer Organisation getroffen und wie transparent sind sie? Ȥ Wofür bekommt man bei uns Anerkennung und von wem? Ȥ Wofür wird man abgestraft und von wem? Ȥ Wie werden Missfallen und Kritik in unserer Organisation ausgedrückt? Ȥ Wie wird mit abweichenden Meinungen umgegangen? Ȥ Was sind typische Fettnäpfchen? Ȥ Was muss man (bezogen auf die Arbeit und den sozialen Umgang) tun, um sich bei allen unbeliebt zu machen? Ȥ Welches wäre die Veränderung, die in unserer Organisation die größte Abwehr produzieren würde? Ȥ Worauf kann man sich bei uns verlassen? Wer ist am zuverlässigsten? Ȥ Was klappt bei uns so gut wie nie? Wer ist am unzuverlässigsten? Ȥ Worin bestehen unsere Freiheiten? Ȥ Worin besteht unser Gruppenzwang? Ȥ Woran muss man sich unbedingt halten? Ȥ Wie entstehen bei uns Innovationen und/oder kreative Ideen? Ȥ Wer ist am innovativsten/kreativsten? Ȥ Wo liegen die größten Bremsklötze in unserer Organisation? Wer oder was ist der größte Bremser? Ȥ Wer hat den größten Einfluss bei uns und wodurch? Ȥ Wer hat warum den geringsten Einfluss? Ȥ Wer prägt am stärksten das Bild in der Öffentlichkeit und wodurch?

Managementinstrumente für die Praxis

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Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ

Woran muss man unbedingt glauben? Was muss man auf jeden Fall tun? Was muss man auf jeden Fall unterlassen? Was darf man auf keinen Fall denken und/oder ansprechen? Wer repräsentiert unsere Organisationsregeln am stärksten? Wer ist der größte Abweichler? Sage ich den anderen immer ehrlich, was ich denke? Wenn nicht, was hält mich davon ab? Ȥ Sagen mir die anderen deutlich, was sie denken? Wenn nicht, warum wohl nicht? 9.7.4 Managementinstrument: Kultur managen – Integration von Strategie-, Struktur- und Kulturveränderung Im Folgenden wird ein Vorgehen zum geplanten Kulturwandel beschrieben, das die Ergebnisse der Kulturdiagnose integriert. Voraussetzung für die Anwendung dieses Managementinstruments ist also die Dechiffrierung der Organisationskultur, insbesondere die Aufdeckung von Widersprüchen zwischen Artefakten und propagierten Werten. Vorgehen beim Kulturmanagement: 1. Wählen Sie einen Wert, den Sie für bedeutsam halten für die weitere Entwicklung Ihrer Organisation und bei dem Sie einen Widerspruch zwischen Artefakten und diesem Wert identifiziert haben. Beispiel: Hohe Innovationskraft als Wert im Kontrast zu seltener Angebotsneuentwicklung bzw. fehlender Erschließung neuer Zielgruppen. 2. Überprüfen Sie, ob dieser Wert in Ihrer strategischen Gesamtpositionierung zum Ausdruck kommt. Das könnte am Beispiel der hohen Innovationskraft durch eine Formulierung erfolgt sein wie: »Unsere Organisation ist in der Region als herausragend innovativer Anbieter von beruflicher Qualifizierung bekannt.« Wenn Ihre gesamtstrategische Positionierung den angestrebten Wert nicht ausdrückt, formulieren Sie gegebenenfalls eine passendere neue. An dieser Stelle steht der behandelte Wert noch einmal auf dem Prüfstand: Ist er wirklich so wichtig für Ihre Organisation, dass sich die strategische Ausrichtung daran orientieren sollte? Nur dann wäre ein initiierter Kulturwandel lohnend und erfolgversprechend. 3. Formulieren Sie im nächsten Schritt strategische Ziele zum angestrebten Wert. Stellen Sie sich dazu Fragen wie: Wodurch zeichnet sich eine besonders innovative Beratungsorganisation aus? Woran wäre die hohe Innova-

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Management der Organisationskultur

tionskraft erkennbar? Strategische Entwicklungsziele für den Wert hohe Innovationskraft könnten sein: • Neue Angebote werden systematisch entwickelt und vermarktet. • Neue Zielgruppen werden systematisch und nachhaltig erschlossen. • Die Angebote werden gemäß aktueller fachlicher und methodischer Standards gestaltet. • Hohe Innovationskraft wird in unserer Außendarstellung als Merkmal unserer Organisation kommuniziert. • Ein Ideenmanagement, das alle Beschäftigten integriert, wird aufgebaut. (Zum grundsätzlichen Vorgehen bei der Entwicklung strategischer Ziele vgl. Kapitel 3 »Strategisches Management«.) 4. Formulieren Sie für jedes Ziel Indikatoren, anhand derer Sie zu einem definierten Zeitpunkt (z. B. nach einem Jahr) feststellen können, ob Sie Ihre strategischen Entwicklungsziele erreicht haben (zur Formulierung von Indikatoren vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«). Prüfindikatoren für das strategische Entwicklungsziel »Neue Angebote werden systematisch entwickelt und vermarktet« könnten sein: • Geeignete Verfahren zur Erschließung des Bedarfs an neuen Beratungsangeboten sind etabliert und werden halbjährlich eingesetzt. • Benchmarking zur Überprüfung des Angebots relevanter Wettbewerber findet zweimal jährlich statt. • Ein Verfahren zur systematischen Angebotsentwicklung ist organisationsstrukturell eingeführt. • Drei neue Angebote sind konzipiert und als Pilotprojekt getestet. • Zwei neue Angebote sind in das reguläre Angebotsspektrum dauerhaft auf­ genommen. 5. Überlegen Sie, welche strukturellen Voraussetzungen die Umsetzung der strategischen Ziele erleichtern könnten. Im Beispiel könnten folgende Maßnahmen strukturell hilfreich sei: • Teams bilden, die sich jeweils um ein für die Entwicklung von Angebotsinnovationen wichtiges Thema kümmern (z. B. Bedarfserschließung, Benchmarking, Konzeption, Pilotierung); • Ideenfindungsworkshops in definiertem Turnus durchführen; • Schlüsselprozess Angebotsinnovationen definieren und Aufgaben und Verantwortlichkeiten eindeutig zuordnen (zur Definition von Schlüsselprozessen vgl. Kapitel 5 »Prozessmanagement«). 6. Überlegen Sie nun, wie Sie Innovationen kulturell befördern können. Vergegenwärtigen Sie sich dazu die Elemente der Kulturprägung wie z. B.: • Reaktionen der Führung/Vorbildverhalten: Leben die Führungskräfte Innovationsfreudigkeit vor?

Managementinstrumente für die Praxis

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• Kriterien für die Zuweisung von Ressourcen und Status: Wird Innovationskraft belohnt? Stehen Mitarbeitenden dafür Zeitkontingente zur Verfügung? • Geschichten, Legenden, Mythen und Parabeln: Welche Erfolgsgeschichten zu Angebotsinnovationen gibt es? Werden diese aktiv in der Organisation erzählt? • Gebäude und räumliche Anordnung/Ausgestaltung: Passen Gebäude und/oder räumliche Ausgestaltung zu einer herausragend innovativen Beratungsorganisation? Welche Veränderungen sind möglich, um Innovationskraft zu symbolisieren? Neben der zeitlichen und institutionellen Integration von strategischer, struktureller und kultureller Veränderung ist eine weitere wesentliche Bedingung für gelingenden Kulturwandel, dass die Leitung der Organisation ihre Aufgaben beim geplanten Kulturwandel kennt und erfüllt. Dazu gehören neben ihrer Vorbildfunktion u. a. die Vermittlung von Einsicht in die Notwendigkeit der Veränderung bei gleichzeitiger Würdigung der alten Organisationskultur, die Schaffung einer inspirierenden positiven Vision, die Förderung von Subkulturen und Parallelsystemen als Inseln des Wandels sowie die Etablierung von Strukturen, die die neue Kultur befördern (z. B. projektbezogene Kooperationsformen mit veränderter Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen und neuer, arbeitsförderlicher Aufteilung der Räumlichkeiten). Anders als die Zuständigkeit für bestimmte, in Veränderungsprozessen anfallende Einzelaufgaben lässt sich die grundsätzliche Verantwortlichkeit für die Veränderung nicht delegieren – sie liegt und bleibt bei den Führungskräften. Die Leitung ist Initiator, Motor und Korrektiv der Veränderung, was natürlich nicht ausschließt, dass anstehende Entscheidungen partizipativ vorbereitet und die wesentlichen Betroffenen als Beteiligte angehört werden. Die Integration der Mitarbeitenden ist nicht zuletzt deshalb unverzichtbar, um im Wandel psychologische Sicherheit zu schaffen und neue Perspektiven aufzuzeigen.

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  Projektmanagement

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, wissen Sie, dass Projektmanagement ein systematisches Vorgehen zur Verfügung stellt, um komplexe, zeitlich begrenzte Aufgabenstellungen in fachlicher, methodischer und psychosozialer Hinsicht kompetent zu bearbeiten. Sie kennen die Grundprinzipien und Erfolgsfaktoren des Projektmanagements und sind in der Lage, den Projektverlauf zu planen, zu begleiten und zu evaluieren. Eine Vielzahl von Managementinstrumenten unterstützt Sie dabei.

10.1 Warum ist Projektmanagement wichtig? Organisationen aus Bildung, Beratung und sozialer Dienstleistung sehen sich permanent mit neuen Herausforderungen und Veränderungen der internen und externen Rahmenbedingungen konfrontiert, die nicht immer mithilfe gängiger Verfahren innerhalb der bestehenden Strukturen bewältigt werden können. Hinzu kommt, dass viele Organisationen einen Teil ihrer Tätigkeiten im Rahmen von geförderten Projekten umsetzen. In nicht wenigen Organisationen wie Weiterbildungsanbietern oder Jugendhilfeträgern reiht sich neben dem Alltagsgeschäft ein Projekt an das nächste; projektförmiges Arbeiten ist oft nicht mehr die Ausnahme, sondern nahezu der Regelfall. Projektmanagement stellt ein systematisches Vorgehen zur Verfügung, um zeitlich begrenzte Aufgaben in fachlicher, methodischer und psychosozialer Hinsicht kompetent zu bearbeiten. Dabei wird insbesondere die hohe Problemlösekompetenz und Kreativität interdisziplinär zusammengesetzter Teams genutzt. Die Mitarbeiterschaft wird aktiv beteiligt, denn ihr Selbstorganisationspotenzial in Form von kooperativer Problemlösung bildet die Grundlage des Projektablaufs. Eine glatte instrumentelle Integrierbarkeit von Projektmanagement in die klassischen Organisationsstrukturen und Abläufe zu erwarten, wäre dennoch illusionär. In einer systemischen Perspektive kommt es im Kontext von Projektmanagement darauf an, sich die Grenzen traditioneller Steuerungsversuche bewusst zu machen, die im Projektmanagement durch exakte und detaillierte Planungs- und Kontrollsysteme zur Anwendung kommen. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass 85 Prozent der Projekte nicht termingerecht abgeschlossen

Begriffe und Grundsätze des Projektmanagements

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und bei 55 Prozent der Projekte die vereinbarten Ziele nicht erreicht werden. Diese Fehlentwicklungen werden hauptsächlich auf Mängel in der Führung zurückgeführt, wenn Projektmanagement auf ein technisch-instrumentelles Organisationstool reduziert wird, während Aspekte der partizipativen Führung und des Teamlernens vernachlässigt werden (Trebisch, 2003, S. 81). Projekte stehen immer in einem engen Zusammenhang mit ihrem organisationalen Kontext. Wenn in Projekten Personen aus verschiedenen Arbeitsbereichen, aus verschiedenen Fachdisziplinen und gegebenenfalls quer durch die Hierarchie zusammengeführt werden, führt dies der Idee nach zu Synergien, aber gleichzeitig wird, besonders in traditionell hierarchisch geführten Organisationen, ein Widerspruch zur Hierarchie etabliert (Heintel u. Krainz, 2000, S. 2). Projektarbeit verlangt deshalb – insbesondere von der Organisationsleitung – die volle Akzeptanz und Unterstützung sowie die Gestaltung von Freiräumen, in denen Prozesse der Selbstorganisation möglichst optimal ablaufen können.

10.2 Begriffe und Grundsätze des Projektmanagements In der Literatur wird der Begriff Projekt unterschiedlich definiert. Einigkeit besteht darüber, dass man von einem Projekt sprechen kann, wenn es sich »um eine für die jeweilige Organisation innovative und komplexe Aufgabenstellung handelt, die mit den vorhandenen Routinen und der traditionellen Organisationsstruktur nicht zu bewältigen ist« (Schiersmann u. Thiel, 2000, S. 80 f.). Darüber hinaus sollte eine Aufgabe oder ein Veränderungsvorhaben als Projekt bearbeitet werden, wenn es dabei um Folgendes geht: Ȥ Ein vorgegebenes Ziel soll erreicht werden. Projekte sind auf konkrete Ziele ausgerichtet, an deren Erreichung sich der Erfolg messen lassen muss. Ȥ Zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen sind begrenzt. Für den zeitlich fixierten Arbeitsauftrag werden Budget und Personalkapazitäten in der Regel vorab festgelegt. Ȥ Es soll interdisziplinär zusammengearbeitet werden. Durch die fachbereichsund hierarchieübergreifende Zusammensetzung des Projektteams entstehen Synergieeffekte und eine hohe Arbeitsproduktivität, die für die Bearbeitung der komplexen Aufgabenstellung hilfreich ist. Ȥ Eine Vielzahl von Aktivitäten muss koordiniert und diese vorausschauend aufeinander abgestimmt werden. Die Projektdurchführung erfordert eine besondere, über die Sichtweise eines Tätigkeitsbereichs hinausgreifende Koordination.

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Projektmanagement

Nicht jedes Veränderungsvorhaben verdient dementsprechend die Bezeichnung Projekt bzw. erfordert eine Bearbeitung mithilfe des Projektmanagements. Gegen eine Inflation von Projekten spricht, dass die Menge nur selten Qualität sichert. Im Interesse der Bewältigung der laufenden Aufgaben ist es in der Regel Organisationen mit bis zu 15 fest beschäftigten Mitarbeitern anzuraten, nicht mehr als zwei Projekte gleichzeitig zu bearbeiten.

10.3 Vorgehensweisen im Projektmanagement Projektmanagement wird definiert als »die Planung, Steuerung, Koordination und Überwachung eines Projekts« (Glatz u. Graf-Götz, 2007, S. 229). Häufig wird Projektmanagement auch als Integration und Steuerung des sogenannten magischen Dreiecks zwischen den gleichzeitig zu verfolgenden Zielgrößen Sachziel (Qualität bzw. Umfang), Kostenziel (Geld) und Terminziel (Zeit) bezeichnet (Boy, Dudek u. Kuschel, 1998, S. 23). Im klassischen Projektmanagement ist das Verschieben von Meilensteinen bzw. die Veränderung der ursprünglichen Zeitplanung so üblich, dass es zur Nachverfolgung der verschobenen Termine ein eigenes Instrument gibt, die Meilensteintrendanalyse. Zeit ist also beim klassischen Vorgehen die erste Stellschraube, an der gedreht wird, wenn Projektplanungen in der ursprünglichen Form nicht eingehalten werden können. Auch die Erhöhung finanzieller Ressourcen aufgrund gestiegener Kosten ist eine beliebte Stellschraube und insbesondere bei öffentlichen Baumaßnahmen nahezu der Regelfall. Im agilen Projektmanagement hingegen wird – wenn Abweichungen vom Plan unerlässlich sind – eher die Komponente Umfang inhaltlich angepasst, das heißt, die geplanten Maßnahmen werden umgesteuert (vgl. Abbildung 33). Das ist insbesondere für geförderte Projekte wichtig, die eine feste Laufzeit und feste Fördersummen haben, um die Wirksamkeit der Projekte auch angesichts veränderter Umfeldbedingungen gewährleisten zu können (GesBiT u. ArtSet, 2017, S. 20). Im Hinblick auf eine erfolgreiche Projektarbeit müssen drei Dimensionen im Auge behalten werden: Ȥ In der formalen Dimension geht es um Förderbedingungen und rechtliche Vorgaben, um Informations- und Rechenschaftspflichten gegenüber den Geldgebern, um Legitimation und Entlastung von Projektleitung und Projektteam. Ȥ In der inhaltlichen oder sachlichen Dimension werden Ziele und Ergebnisse fokussiert; es geht um eine systematische Vorgehensweise, um die Strukturierung des Projekts, um Planung und Controlling und um den richtigen Einsatz von Methoden und Instrumenten.

Vorgehensweisen im Projektmanagement

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Abbildung 33: Die Stellschrauben im Zieldreieck des Projektmanagements (GesBit u. ArtSet, 2017, S. 20)

Ȥ In der sozialen Dimension geht es um Teamentwicklung, um interne und externe Kooperation und Konfliktlösung, um fach- und bereichsübergreifende Kommunikation, um wechselseitige Akzeptanz und Wertschätzung. Die Unterscheidung dieser drei Dimensionen ist auch für die Gestaltung eines gelungenen Projektabschlusses wichtig (vgl. Kapitel 10.6.6 das »Managementinstrument: Checkliste für den Projektabschluss«). Folgende Aspekte sind charakteristisch für die Vorgehensweisen im Projektmanagement: Die Projektlaufzeit wird in (Lebens-)Phasen unterteilt. »Eine Projektphase ist ein definierter Abschnitt im Projekt mit einem wichtigen Teilergebnis« (Keßler u. Winkelhofer, 2004, S. 123). Eine gängige Einteilung unterscheidet Planungsphase, Durchführungsphase und Abschlussphase (vgl. Abbildung 34). Die Unterteilung in Phasen dient dem Zweck, den Projektablauf zu strukturieren und bewusst Zäsuren in den Ablauf einzubauen, die Reflexion und damit ein systematisches projektbegleitendes Controlling ermöglichen. Die Projektlaufzeit wird zudem durch Meilensteine strukturiert, die sich aus dem Erreichen relevanter Zwischenziele ergeben. Die Definition von Meilensteinen ermöglicht das Controlling des Projektverlaufs, denn zu diesen Terminen werden Zwischenbilanzen vorgelegt. Damit kann über die Weiterführung des Projekts oder gegebenenfalls über modifizierte Entwicklungslinien entschieden

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Projektmanagement

werden, und es wird sichergestellt, dass die Arbeiten der jeweils nächsten Phase bzw. der nächsten Maßnahme auf der Basis von genehmigten Ergebnissen aufbauen. Im Projektverlauf sind zudem auch Rückkopplungsschritte erforderlich. Entwicklungsprozesse sind weniger ein kontinuierliches Fortschreiten als eine Folge von Rückkopplungen und Iterationen, das heißt von weiterführenden Wiederholungsschleifen (Witschi, Schlager u. Scheutz, 1998, S. 83).

Abbildung 34: Die Phasen im Projektverlauf (GesBiT u. ArtSet, 2017, S. 18)

Projekte benötigen eine Projektorganisation. Für die organisationale Einbindung des Projekts ist eine Projektorganisation notwendig, mit der die Einbettung des Projekts in den formalen Rahmen der Organisation festgelegt und Kompetenzen und Zuständigkeiten zwischen Projekt und Organisation geregelt werden. Projekte werden geplant und gesteuert. Inhalte der Planung sind vor allem Ziele, Aufgaben, zeitliche Abläufe mit Meilensteinen, Ressourcen, Personal und Kosten. Die Planung passiert schwerpunktmäßig am Projektanfang, ist aber auch im weiteren Projektverlauf eine Daueraufgabe. Denn während der Durchführung steht die Projektsteuerung mit dem Ziel im Vordergrund, für die Einhaltung der Pläne zu sorgen, bei Abweichungen

 

Gelingensfaktoren im Projektmanagement

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gegenzusteuern oder gegebenenfalls Ziele neu zu definieren und Maßnahmen neu zu planen. Änderungen werden hierbei zur Regel. Wird diese Auffassung von allen Beteiligten geteilt, werden Störungen zu Lernchancen.

10.4 Gelingensfaktoren im Projektmanagement Folgende Faktoren gelten als Voraussetzung für eine gelingende Projektarbeit (K. Schmidt, 2003, S. 87 f.): Die Organisationsleitung unterstützt das Projektmanagement. Verständnis und Unterstützung der Organisationsleitung sind zwingend erforderlich, u. a. um Projektinteressen gegenüber den Bereichsinteressen zu unterstützen und um Freiräume für Selbstorganisationsprozesse zu schaffen. Das Projektmanagement ist organisationsweit standardisiert. In größeren Organisationen sind standardisierte Verfahren hilfreich, u. a. um Projekte auch über Fachbereichsgrenzen effektiv und effizient zu gestalten. Auf allen Hierarchieebenen ist eine Projektmanagementkultur vorhanden. Die Grundprinzipien dieser Kultur sind u. a. die Bereitschaft zur Zusammenarbeit über Fachbereichsgrenzen hinweg, Fehlerakzeptanz, Bereitschaft zur Veränderung, offene und lebendige Kommunikation. Erfolgreiches Projektmanagement bietet Karrierechancen. Projekte tragen aufgrund ihres innovativen Charakters ein höheres Risiko in sich im Hinblick auf die Zielerreichung. Projektleiterinnen und Projektleiter haben die Chance, in bisher ungewohnter Weise ihre Kreativität und Verantwortungsbereitschaft unter Beweis zu stellen. Damit es für diese Leistungsbereitschaft einen Anreiz gibt, sollte sie bei Personalentscheidungen angemessen gewürdigt werden. Partizipative Führung gehört zur Organisationskultur. Projektmanagement nutzt explizit die Synergieeffekte von fach-, bereichs- sowie hierarchieübergreifender Zusammenarbeit. Dazu muss in der Organisation akzeptiert werden, dass gute Ergebnisse auch außerhalb der Hierarchie erbracht werden. Veränderungen erzeugen zudem Unsicherheit bei der Belegschaft. Das Einbeziehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch umfassende Kommunikationsangebote wirkt Blockaden entgegen.

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Projektmanagement

Schulungen im Projektmanagement werden durchgeführt. Projektleiterinnen und beteiligte Mitarbeiter werden in Fortbildungsmaßnahmen mit der Arbeitsweise und der Methodik des Projektmanagements vertraut gemacht. Geeignete Projektmanagementmethoden werden eingesetzt. Geeignete Methoden bilden ein Fundament im Projektmanagement, auf dem weitere Erfolgsfaktoren aufbauen, z. B. fachliche und kommunikative Kompetenzen der Projektbeteiligten. Zum Einsatz kommen sollten Instrumente, die einfach zu handhaben und in der Menge überschaubar sind.

10.5 Projektmanagement als phasenorientierter Problemlösungsprozess 10.5.1  Phase 1: Planungsphase Die Planungsphase beinhaltet die Formulierung der Projektziele sowie die systematische und zielorientierte Planung des Projekts, um die formulierten Ziele zu erreichen. Inhalte dieser Phase sind im Einzelnen: Ȥ Definition der Projektziele, Ȥ Erstellung eines Projektstrukturplans, Ȥ Erstellung eines Projektablaufplans für die zeitliche Grobplanung, Ȥ zeitliche Feinplanung der einzelnen Aufgabenpakete, Ȥ Bestimmung der wesentlichen Dimensionen des Projektcontrollings sowie Ȥ Durchführung einer Auftaktveranstaltung (Kick-off-Meeting). Definition der Projektziele Die Definition klarer Ziele ist eine basale Voraussetzung für den gelungenen Projektverlauf, denn Ziele bieten einen Maßstab für die Erfolgskontrolle des Projekts und erfüllen eine Koordinationsfunktion für die Projektdurchführung mit verschiedenen Beteiligten (Schweitzer, 2019, S. 31). Für die Delegation der genauen Zielformulierung an die Projektgruppe spricht, dass die Identifikation der Mitglieder mit den Zielen erhöht wird und das Verständnis für die anstehenden Aufgaben wächst, wenn eigene Formulierungen gefunden wurden. Die eigenständige Zielformulierung ist somit ein Beitrag zur Selbststeuerung der Projektgruppe. Das kooperative Aushandeln gemeinsamer Zielformulierungen trägt zum organisationalen Lernen bzw. zur Reflexion in einer Organisation bei. Ein Instrument für die Konkretisierung von Ergebniszielen finden Sie in Kapitel 4.7.1 »Managementinstrument: Zielkreuz«.

Projektmanagement als phasenorientierter Problemlösungsprozess

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Erstellung des Projektstrukturplans Zu Projektbeginn erfolgt die kreative Suche nach Lösungsideen zur Zielerreichung. Die Vielfalt an möglichen Maßnahmen und Aktivitäten muss geordnet und in eine logische Struktur gebracht werden. Dazu kann z. B. der Projektstrukturplan (im Folgenden als PSP abgekürzt) eingesetzt werden, der Auskunft darüber gibt, was in einem Projekt alles zu tun ist und wie das Projekt inhaltlich und hierarchisch zu gliedern ist (Glatz u. Graf-Götz, 2007, S. 233). Die Leitfrage lautet: Was muss getan werden, um die Ziele zu erreichen? Die Reihenfolge der Umsetzung spielt in dieser Phase noch keine Rolle. Der PSP ist die inhaltliche Landkarte des Projektthemas, er fungiert als Übersicht der zum Erreichen der Projektziele notwendigen Aktivitäten und Maßnahmen (vgl. Kapitel 10.6.1 »Managementinstrument: Projektstrukturplan (PSP)«). Erstellung eines Projektablaufplans für die zeitliche Grobplanung Der Projektablaufplan (im Folgenden als PAP abgekürzt) dient als Überblick über die logische und zeitliche Abfolge der Teilaufgaben und Arbeitspakete im Projektverlauf. Dazu werden die im PSP aufgeführten Arbeitspakete auf eine Zeitschiene gebracht. Diese Planungen sind als detaillierte Machbarkeitsprüfung des Projekts und seiner Arbeitspakete zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf die zeitlichen und personellen Kapazitäten. Die Unterteilung der Arbeitsschritte in eine zeitliche Grobplanung und die sich anschließende zeitliche Feinplanung ist sinnvoll, weil in vielen Fällen die Ergebnisse eines Arbeitspaketes vorliegen müssen, um das Nächste planen zu können. Der PAP wird als Balkenplan angelegt, aus dem die terminliche Lage sowie die Dauer der Arbeitspakete ersichtlich sind. Die Planungslogik des Balkenplans ist folgende: Die terminliche Soll-Länge der einzelnen Arbeitspakete wird durch Eintragen auf einer Zeitachse festgelegt, wobei inhaltliche Abhängigkeiten mitberücksichtigt werden. Die Balkenlängen repräsentieren die Bearbeitungszeiten der einzelnen Arbeitspakete, sodass zeitliche Überlappungen ersichtlich sind. Der Balkenplan ist das zentrale Visualisierungsinstrument für die Terminplanung und ein wichtiges Kommunikationsmedium im Projektmanagement (vgl. Kapitel 10.6.2 das »Managementinstrument: Projektablaufplan (PAP)«). Zeitliche Feinplanung der einzelnen Arbeitspakete Der zeitlichen Feinplanung liegt dieselbe Methodik zugrunde wie der Grobplanung (siehe PAP). Als Besonderheit kommt die genaue Aufstellung aller Einzelaktivitäten des Arbeitspaketes, die präzise Schätzung des Zeitbedarfs für jede einzelne Aktivität und die Festlegung der Verantwortung für jede Aktivität hinzu (vgl. Kapitel 10.6.3 das »Managementinstrument: Zeitliche Feinplanung von Arbeitspaketen«).

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Projektmanagement

Bestimmung der wesentlichen Dimensionen des Projektcontrollings Sowohl die Projektleitung als auch die Leitung der Organisation als verantwortlicher Träger des Projekts benötigen aussagekräftige Daten, die sie dabei unterstützen, Ziele zu formulieren, zu verfolgen, richtige Entscheidungen im Projektverlauf zu fällen und Verbesserungen zu initiieren. Kenngrößen im Projektcontrolling sind quantitative und qualitative Messgrößen oder Prüfkriterien und haben die Aufgabe, relevante Daten zusammenzufassen und in einen größeren Zusammenhang zu stellen, um Steuerungsentscheidungen argumentativ zu ermöglichen. Beim Projektcontrolling wird zwischen Kennzahlen und qualitativen Erfolgsindikatoren unterschieden: Ȥ Kennzahlen fassen quantitative, also in Zahlen ausdrückbare Informationen zusammen. Es kann sich um einfache oder um Beziehungszahlen handeln, bei denen zwei Größen miteinander verglichen oder in ein Verhältnis gesetzt werden, z. B. ein Soll-Ist-Vergleich der Teilnehmenden an einem Angebot oder die Vernetzungsquote als Relation der durchgeführten Angebote mit Kooperationspartnern im Verhältnis zu den insgesamt durchgeführten Angeboten. Ȥ Qualitative Erfolgsindikatoren sind inhaltliche, aus den Aufgaben, Zielen und dem Selbstverständnis erwachsene Indikatoren für die Leistungsfähigkeit des Projekts, z. B. die explizite Anerkennung durch die Adressatinnen, Auftraggeber, Entscheidungsträgerinnen, relevante Medien und Presseorgane. Qualitative Erfolgsindikatoren werden dort gebildet, wo es um sogenannte weiche Faktoren geht. Sie sind nicht immer objektiv begründet, müssen aber auf einem ausgehandelten Konsens in der Organisation bzw. im Projektteam basieren. (Zur Bildung von Indikatoren vgl. Kapitel 4 »Zielmanagement«.) Die für das jeweilige Projekt aussagekräftigen Kennzahlen und qualitativen Erfolgsindikatoren ergeben sich direkt aus den formulierten Projektzielen bzw. den daraus abgeleiteten Handlungszielen. Neben den Zielen und Kenngrößen des Projekts besteht eine weitere wesentliche Dimension des Projektcontrollings in den relevanten Interessengruppen. Projekte sind in den meisten Fällen in ein vielfältiges Geflecht von internen und externen Interessengruppen eingebunden, die zum Teil Grundlegendes für die Angebotserbringung beitragen, zum Teil die Angebote als Auftraggeberinnen und Kunden in Anspruch nehmen. Ein umfassendes Con­ trolling nimmt alle relevanten Interessengruppen in den Blick, entwickelt für diese passende Handlungsziele sowie Kenngrößen (vgl. Kapitel 10.6.4 »Managementinstrument: Bestimmung der wesentlichen Dimensionen des Projektcontrollings – Projektmatrix«).

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Durchführung einer Auftaktveranstaltung (Kick-off-Meeting) Vor Beginn der Projektarbeit sollte eine Auftaktveranstaltung für das Projektteam sowie alle anderen relevanten Beteiligten veranstaltet werden. Dieses Forum dient dazu, die Projektbeteiligten zu Beginn der Arbeit zu motivieren, die Hintergründe, Gegenstände und Zielsetzungen des Projekts ausführlich zu erläutern und Befürchtungen, aber auch Gerüchten entgegenzuwirken. Die Auftaktveranstaltung ist eine Gelegenheit, organisationsintern für das Projekt zu werben und wesentliche (auch organisationsexterne) Multiplikatorinnen und Meinungsbildner für die Projektidee zu gewinnen. 10.5.2  Phase 2: Durchführungsphase In der Durchführungsphase werden die Arbeitspakete aus dem Projektablaufplan unter Berücksichtigung der Terminpläne bearbeitet. Um Abweichungen von der Planung frühzeitig zu erkennen, besteht in der Durchführungsphase die Notwendigkeit, den Projektverlauf kontinuierlich und systematisch zu überwachen, um bei relevanten Abweichungen geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Inhalte dieser Phase sind: Ȥ Arbeitspakete durchführen und Meilensteine erreichen sowie Ȥ Projektcontrolling. Arbeitspakete durchführen und Meilensteine erreichen Bei der Durchführung der Arbeitspakete bzw. bei der Umsetzung der Planung handelt es sich um einen dynamischen und komplexen Prozess, der vielfältige, wechselseitige Abhängigkeiten beinhaltet. Auch bei gründlicher Planung durch eine erfahrene Projektleitung und ein kompetentes Projektteam kann es zu Abweichungen von den Vorgaben und den festgelegten Zielen kommen. Aber nicht jede Abweichung muss negativ sein; manchmal verstecken sich hinter der Abweichung auch Hinweise auf bessere Möglichkeiten, die erkannt und genutzt werden sollten. Häufige Ursachen für Abweichungen im Projektverlauf können sein (Boy et al., 1998, S. 134): Ȥ Termine können nicht eingehalten werden (Zeitplanung zu knapp kalkuliert). Ȥ Personaleinsatz wurde unterschätzt (Personalressourcen zu knapp kalkuliert). Ȥ Unvorhergesehene externe Einflüsse (z. B. finanzielle oder rechtliche Rahmenbedingungen) ändern sich, Leitungswechsel in der Organisation. Ȥ Ergebnisse von Arbeitspaketen erfordern veränderte Maßnahmen. Ȥ Psychosoziale Faktoren (Motivationsabfall, Konflikte im Projektteam, autoritärer Führungsstil der Projektleitung) behindern die Arbeit.

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Das Controlling des Projekts ist deshalb eine kontinuierliche Aufgabe über die gesamte Projektlaufzeit, um Abweichungen im Projektverlauf beobachtbar zu machen. In der Durchführungsphase bekommt diese Aufgabe einen besonderen Stellenwert, um bei Abweichungen gezielte Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Je früher Abweichungen zwischen geplantem und tatsächlichem Projektverlauf festgestellt werden, desto einfacher und kostengünstiger lassen sie sich beheben. Insbesondere an den Meilensteinen müssen die Ergebnisse danach beurteilt werden, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, das Projekt weiterzuführen, ob mit veränderter Zielsetzung weitergearbeitet oder ob das Projekt abgebrochen wird. Projektcontrolling Der englische Begriff Controlling wird im Deutschen am besten mit Steuerung übersetzt. Controlling beinhaltet den Aspekt der Prüfung mit den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen und Konsequenzen. Für die effiziente Projektsteuerung ist eine laufende Überwachung bzw. Kontrolle des Projektfortschritts erforderlich. Gegenstand der Überwachung sind primär Termine, Kosten und die Qualität bzw. der Umfang der Leistungen (Sachebene). Darüber hinaus wird der Projektverlauf auch im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Motivation der Mitarbeitenden und Führungsverhalten überprüft (soziale Ebene). In das Controlling werden auch Werthaltungen, getroffene Annahmen und der Lernprozess einbezogen. Neben der Konzentration auf die Sachebene meint Con­ trolling auch Reflektieren, Beobachten, Widerspiegeln und Neuformulieren von Arbeitshypothesen (Witschi et al., 1998, S. 84). Der Projektsteuerungsprozess besteht aus drei Phasen (Boy et al., 1998, S. 87): 1. Erfassung des Ist-Zustands, 2. Analyse und Interpretation von Abweichungen zwischen den Planungsvorgaben und der tatsächlichen Situation sowie 3. Steuerung durch Einleiten von Korrekturmaßnahmen (veränderte Ziele, veränderte Maßnahmen, veränderte Ressourcen). Die Grundlagen für das Projektcontrolling werden bereits in der Planungsphase gelegt, wenn die wesentlichen Controllingdimensionen bestimmt und projektrelevante Daten erstmals erhoben werden. Die interne Projektsteuerung gehört zu den Aufgaben der Projektleitung, die bei dieser Aufgabe vom Projektteam unterstützt wird. Darüber hinaus übernimmt der Auftraggeber bzw. die Organisationsleitung die Funktion einer projektexternen Controllinginstanz, die zu den Meilensteinterminen und bei Krisen im Projektverlauf aktiv wird,

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wenn die Zielerreichung gefährdet scheint. Vorher wird vereinbart, bei welchen Abweichungen das Projektteam eigenständig über Gegensteuerungsmaßnahmen entscheiden kann und wann die Organisationsleitung einzubeziehen ist. Das externe Projektcontrolling ist auf eine transparente, lückenlose Projektdokumentation angewiesen. Instrumente des Projektcontrollings: Ȥ Sitzungen des Projektteams: Die mündliche Reflexion des Projektverlaufs ist hilfreich für das interne Projektcontrolling, insbesondere, wenn auf der Metaebene über Arbeitsstil, Arbeitsergebnisse und Umweltbeziehungen reflektiert wird. Ȥ Protokolle der Projektgruppe: Anhand der Protokolle können sowohl Ursachen für Zielabweichungen identifiziert und begründet werden als auch der Verbrauch von Ressourcen belegt werden. Ȥ Zwischenberichte zu festgelegten Meilensteinen: Die mit dem Auftraggeber abgestimmten Berichte dokumentieren den jeweils aktuellen Stand des Projekts, aber auch die Entwicklungen zwischen den Controllingterminen, weisen auf mögliche Risiken hin und beinhalten Prognosen über den weiteren Projektverlauf. Ȥ Der Projektablaufplan: Er hilft bei der Überprüfung, ob die Arbeitspakete zu den verabredeten Zeiten bewältigt worden sind. Immer bei Erreichen der verabredeten Meilensteintermine müssen die vorliegenden Ergebnisse danach beurteilt werden, ob und inwieweit der geplante vom tatsächlichen Verlauf abweicht. Die daraufhin verabredeten Veränderungen werden dokumentiert. 10.5.3  Phase 3: Abschlussphase Der Projektabschluss ist die letzte Phase im Projektmanagement. Als eine von mehreren Phasen ist der Projektabschluss nicht einfach ein Schlusspunkt, der das Ende des Projekts markiert, sondern ein Arbeitsabschnitt, der – wie die Projektplanung und die Projektdurchführung  – über einen längeren Zeitraum andauert und verschiedene Tätigkeiten umfasst. Dabei ist der Projektabschluss eine in Theorie und Praxis häufig vernachlässigte Phase des Projektmanagements. In den wenigen verfügbaren Texten zum Projektabschluss liegt der Schwerpunkt zudem meistens auf formalen Aspekten wie der Projektdokumentation für Auftraggeber und fördernde Institutionen. Inhaltliche und soziale Aspekte des Projektabschlusses werden kaum beleuchtet. Dabei bietet eine konstruktive Gestaltung des Projektabschlusses Chancen, die über eine formale, vergangenheitsorientierte Darstellung des Projektverlaufs und der

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Projektmanagement

Projektergebnisse weit hinausgehen (GesBit u. ArtSet, 2019, S. 4). Ein gelingender Projektabschluss ermöglicht dem Projektteam und weiteren Interessengruppen einen guten Abschluss der abgelaufenen Durchführungsphase, verweist auf inhaltliche Anschlussmöglichkeiten in der Zukunft und macht das im Projekt erworbene Wissen nutzbar für künftige Projekte sowie für andere Tätigkeitsfelder in der Trägerorganisation (vgl. Kapitel 7 »Wissensmanagement«). In der Abschlussphase werden die Projektergebnisse an den Auftraggeber übergeben (formale Dimension des Projektabschlusses), die Ergebnisse inhaltlich ausgewertet (inhaltliche Dimension), die geleistete Arbeit gewürdigt und die im Projekt geknüpften Kontakte und Beziehungen verstetigt (soziale Dimension; Franta, o. J.). Eng verbunden mit der formalen, inhaltlichen und sozialen Dimension sind die Ziele eines gelingenden Projektabschlusses: Ȥ Formale Dimension: Legitimation der erhaltenen Fördermittel bzw. organisationalen Ressourcen und Entlastung von Projektleitung und Projektteam; Ȥ Inhaltliche Dimension: Weitere Nutzung der im Projekt erworbenen Wissensbasis in der Trägerorganisation und persönliche Qualifizierung der Projektmitarbeiterinnen durch das Projekt; Ȥ Soziale Dimension: Würdigung der geleisteten Arbeit und Verstetigung der im Projekt geknüpften Kontakte und Beziehungen. Inhalte der Abschlussphase sind u. a.: Ȥ Übergabe der Projektergebnisse, Ȥ Evaluation der Projektergebnisse sowie Ȥ Durchführung eines Abschlussworkshops. Übergabe der Projektergebnisse Die Übergabe der Projektergebnisse erfolgt in Form eines (vorläufigen) Projektabschlussberichts, der von der Projektleitung auf der Grundlage der laufenden Projektdokumentation erstellt wurde. Dieser sollte eine erste Erfolgsbewertung des abgeschlossenen Projekts beinhalten. Mögliche Inhalte des Projektabschlussberichts sind: Ȥ Gesamtbeurteilung des abgewickelten Projekts; Ȥ Darstellung des Projektverlaufs: Ausgangslage, Vorgehensweise; Ȥ Darstellung der Projektergebnisse: erbrachte Leistungen, Termine, Kosten und Personaleinsatz, Abweichungsanalysen; Ȥ besondere Ereignisse, Problemstellungen und Lösungen im Projektverlauf; Ȥ Erfahrungen im Projektverlauf für zukünftige Projektarbeit; Ȥ Empfehlungen für die Zeit nach Abschluss des Projekts.

Projektmanagement als phasenorientierter Problemlösungsprozess

223

Evaluation der Projektergebnisse Zum Abschluss des Projektverlaufs wird das Projekt evaluiert, das heißt, Erfolg und/oder Scheitern des Projekts bzw. einzelner Projektmaßnahmen werden aus unterschiedlichen Perspektiven festgestellt und bewertet. Wird an Zeit und Aufwand für die Evaluierung gespart, besteht die Gefahr, dass sich Fehler in der inhaltlichen und methodischen Vorgehensweise sowie in der Gestaltung der Gruppenprozesse bei weiteren Projekten wiederholen. Die Evaluierung erfolgt nicht zwingend zum Ende der Projektlaufzeit. In vielen Fällen stellt sich der Erfolg erst nach einer gewissen Zeit ein, wenn ausreichend Erfahrungen mit den Projektergebnissen gesammelt werden konnten. Umgekehrt kann es genauso sein, dass sich Erfolg versprechende Lösungen nach kurzer Zeit relativieren und in der Alltagspraxis wieder auf alte Vorgehensweisen zurückgegriffen wird. Zum Projektabschlusstermin könnte eine vorläufige Evaluierung durchgeführt werden, die nach sechs Monaten wiederholt wird. Neben dem weiter unten vorgestellten Managementinstrument zur »Evaluation der Projektergebnisse« kann in diesem Zusammenhang auch das Instrument »Systematische Nachbesprechung/Debriefing« sinnvoll eingesetzt werden (vgl. Kapitel 7 »Wissensmanagement«). Durchführung eines Abschlussworkshops Die ritualisierte Gestaltung des Projektendes ist genauso wichtig wie der Projektbeginn. Mit der Durchführung eines Abschlussworkshops unter Beteiligung von Auftraggeber, Projektleitung, Projektteam, Kooperationspartnerinnen sowie allen oder in größeren Organisationen gezielt eingeladenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird das Projekt formal beendet. Mit einem Abschlussworkshop sind mehrere Zielsetzungen verbunden. Nach der Abnahme der Projektergebnisse durch den Auftraggeber bzw. die Organisationsleitung sollte diese die Gelegenheit nutzen, Projektleitung und Projektteam eine Rückmeldung über die geleistete Arbeit zu geben und ihnen eine entsprechende Anerkennung und Würdigung zukommen zu lassen. Im Anschluss erfolgt die Entlastung aller am Projekt Beteiligten und die Auflösung des Projektteams. Die Organisationsleitung sollte Stellung nehmen zum gewünschten Umgang mit den Ergebnissen im Sinne der Implementierung in die bestehende Organisationsstruktur. Eine weitere Funktion des Abschlussworkshops liegt in der Erfahrungssicherung im Sinne des organisationalen Lernens. Die im Zuge der Projektbearbeitung gemachten Lernerfahrungen sollten nicht auf der individuellen Ebene einzelner Projektbeteiligter verbleiben, sondern allen Mitarbeitenden zugänglich gemacht werden. Hierzu bietet sich z. B. das Instrument »Mikroartikel« (vgl. Kapitel 7.5.4) an.

224

Projektmanagement

10.6 Managementinstrumente für die Praxis Die im Folgenden dargestellten Managementinstrumente haben sich in der Praxis von Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung für das Projektmanagement bewährt. 10.6.1  Managementinstrument: Projektstrukturplan (PSP) Der Projektstrukturplan ordnet die Vielfalt der möglichen Projektmaßnahmen und bringt sie in eine logische Struktur (vgl. Abbildung 35). Projektthema

Teilaufgabe

Arbeitspakete

Personalentwicklung

Fortbildungsplanung

Mitarbeitendengespräche

Aufgabenprofile

Dokumentation der Fortbildungen

Konzepterstellung

Erhebung von Kompetenzprofilen

Auswertung der Fortbildungen

Fortbildung für Führungskräfte

Ermittlung der Kompetenzanforderungen

 

Abbildung 35: Projektstrukturplan

Die unterste Ebene des PSP bilden die sogenannten Arbeitspakete als voneinander abgrenzbare und in sich geschlossene Aktivitäten. Mehrere Arbeitspakete sind wiederum einer Teilaufgabe zugeordnet. Der PSP trägt dazu bei, die Komplexität des Projekts zu reduzieren, indem das Projektthema in Teilaufgaben bzw. Arbeitspakete zerlegt wird. Die Unterteilung in Teilaufgaben und Arbeitspakete ist die Basis für die nachfolgende Zeit- und Kostenplanung. Die grafische Darstellung bietet einen guten Überblick über alle zu erledigenden Aufgaben, sowohl für das Projektteam als auch für die Kommunikation mit Außenstehenden. Als Methode für die Erstellung des PSP wird ein Brainstormingverfahren gewählt, um in kurzer Zeit möglichst viele kreative Ideen und Lösungsansätze zur Zielerreichung zu finden. Dieses Vorgehen eignet sich bei komplexer Aufgabenstellung und wenig Erfahrung im Projektmanagement. Methodisches Vorgehen: 1. Die Projektgruppenmitglieder werden aufgefordert, alle Lösungsideen, Aktivitäten und Maßnahmen zur Zielerreichung auf Moderationskarten zu

225

Managementinstrumente für die Praxis

schreiben, die zunächst ohne Ordnung gesammelt werden. Die vorliegenden Ergebnisziele übernehmen dabei eine Selektionsfunktion. 2. Anschließend werden die Lösungsschritte geordnet (Welche Aktivitäten gehören inhaltlich zusammen?), zu Arbeitspaketen bzw. Teilaufgaben gebündelt und an der Pinnwand visualisiert. Zusammenhängende Aktivitäten/ Maßnahmen werden zu Arbeitspaketen gruppiert, jeweils mit einem prägnanten Begriff auf einer andersfarbigen Moderationskarte überschrieben und einer entsprechenden Teilaufgabe zugeordnet. 3. Abschließend wird die so entstandene Struktur der Aufgaben auf ihre Vollständigkeit überprüft. Alternativ zu dieser kreativen Vorgehensweise bietet sich an, den PSP – ausgehend vom Projektziel – über die Definition von Teilaufgaben bis in die unterste Ebene der Arbeitspakete ableitend auszudifferenzieren. Dabei definiert man nacheinander jeweils eine Teilaufgabe, die bis ins Detail ausdifferenziert wird, bevor man zur nächsten übergeht. Diese Vorgehensweise bietet sich an, wenn bereits Erfahrungen mit dem Projektthema gemacht wurden. Der PSP ist als vorläufig zu betrachten, denn die weiteren Schritte im Verlauf der Planungsphase können noch zu Änderungen bzw. Ergänzungen führen. 10.6.2  Managementinstrument: Projektablaufplan (PAP) Der Projektablaufplan dient der zeitlichen Grobplanung des Projekts und dient als Überblick über die logische und zeitliche Abfolge der Teilaufgaben und Arbeitspakete im Projektverlauf (vgl. Abbildung 36). Projekttitel: Personalentwicklung Projektbeginn und -ende: September 2020 bis August 2021 Arbeitspakete

9–10/20

1. Arbeitspaket

Konzepterstellung

11–12/20

1–2/21

Mitarbeitendengespräche

2. Arbeitspaket 3. Arbeitspaket 4. Arbeitspaket 5. Arbeitspaket 6. Arbeitspaket 7. Arbeitspaket

Abbildung 36: Projektablaufplan

Fortbildung der Führungskräfte

3–4/21

5–6/21

7–8/21

226

Projektmanagement

Methodisches Vorgehen: 1. Zeichnen Sie auf einer Pinnwand eine senkrechte Achse für alle zur Aufgabenerledigung notwendigen Arbeitspakete aus dem PSP und eine waagerechte Achse als Zeitschiene für den zur Verfügung stehenden Projektzeitraum mit Anfangs- und Endtermin. 2. Schreiben Sie die Arbeitspakete aus der aktuellen Fassung des PSP auf Moderationskarten und ordnen Sie diese möglichst in logischer Zusammengehörigkeit und zeitlicher Reihenfolge untereinander an. Der Zeitbedarf der Arbeitspakete (Arbeitstage oder Wochen) wird grob geschätzt und auf den Karten vermerkt. 3. Markieren Sie für jedes Arbeitspaket auf der Zeitschiene eine Zeitspanne (einen Balken), indem Sie mit einem dicken Filzstift den spätesten Beginn mit dem spätesten Ende verbinden. Starten Sie am Projektendtermin und gehen Sie rückwärts vor. Beginnen Sie also mit dem terminlich letzten Arbeitspaket und verbinden Sie Ende und Beginn des Arbeitspaketes mit einem Balken. Gehen Sie dann zum vorletzten Arbeitspaket über usw. Wenn die Durchführung eines Arbeitspaketes davon abhängt, dass ein anderes vorher beendet wird, kennzeichnen Sie die Abhängigkeiten durch einen senkrechten Pfeil. 4. Markieren Sie Meilensteine im Sinne der terminlichen Erledigung zentraler Arbeitspakete oder Teilaufgaben durch senkrechte durchgezogene Striche, um wichtige Zwischenergebnisse grafisch abzubilden. 5. Diskutieren Sie abschließend, ob sich die Projektgruppe vor dem Hintergrund der groben Zeitplanung und in der Kenntnis ihrer zeitlichen Freistellung in der Lage sieht, die Arbeitspakete in diesem Zeitrahmen zu realisieren. 10.6.3 Managementinstrument: Zeitliche Feinplanung von Arbeitspaketen Titel des Arbeitspaketes: Konzepterstellung Mitarbeitendengespräche Anfangs- und Endtermin des Arbeitspaketes: Aktivitäten

1. Woche

1. Aktivität

Müller

2. Woche

3. Woche

2. Aktivität

Meyer

3. Aktivität

Gesamtes Projektteam

4. Aktivität 5. Aktivität

4. Woche

5. Woche

Müller Schneider

Abbildung 37: Arbeitspaket Konzepterstellung Mitarbeitendengespräche

227

Managementinstrumente für die Praxis

Dieses Managementinstrument dient der genauen Aufstellung aller Einzelaktivitäten des Arbeitspaketes, der präzisen Schätzung des Zeitbedarfs für jede einzelne Aktivität und der Festlegung der Verantwortung für jede Aktivität (vgl. Beispiel in Abbildung 37). 10.6.4 Managementinstrument: Bestimmung der wesentlichen Dimensionen des Projektcontrollings – Projektmatrix Mit der folgenden Tabelle (Tabelle 29) kann der Zusammenhang zwischen den relevanten Interessengruppen, den ihnen zugeordneten Handlungszielen, den Controllingkenngrößen sowie den Methoden zur Ermittlung der Kenngrößen abgebildet werden. Beginnen Sie bei der Ausfüllung der Tabelle am besten mit der Nennung der relevanten Interessengruppen. Es empfiehlt sich, für jedes Handlungsziel eine eigene Zeile zu verwenden. Tabelle 29: Bestimmung der wesentlichen Dimensionen des Projektcontrollings – Projektmatrix Welche Interessen­ gruppen sind für unser Projekt relevant?

Welche Handlungsziele haben wir für die jeweilige Interessengruppe formuliert?

Mit welchen Kennzahlen und qualitativen Erfolgsindikatoren messen wir die Zielerreichung?

Mit welchen ­Methoden ermitteln wir die definierten Kenngrößen?

10.6.5 Managementinstrument: Checkliste Projektcontrolling Um das Projekt gut steuern zu können, bietet sich der folgende Fragen- und Bearbeitungskatalog an (nach Schiersmann u. Thiel, 2000): Fragen zum Projektcontrolling: Ȥ Stimmen Planung und faktischer Projektverlauf noch überein? Ȥ Auf was (Teilaufgabe oder Arbeitspaket) bezieht sich die Abweichung? Stehen Sach-, Methoden- oder Beziehungsaspekte im Vordergrund? Ȥ Wie groß ist die Abweichung gemessen an den Planungsgrößen? Ȥ Wie gravierend schätzt die Projektgruppe die Abweichung ein? Ȥ Welche Maßnahmen erscheinen als Korrektur bzw. Gegensteuerung geeignet?

228

Projektmanagement

Ȥ Wenn eine Strategie der Gegensteuerung erarbeitet wurde: Sind unerwünschte Nebeneffekte oder Langzeitfolgen zu befürchten? Ȥ Wer kontrolliert wann und wie die Auswirkungen der Korrekturmaßnahmen? Ȥ Sind die Abweichungen und/oder die Korrekturmaßnahmen so gravierend, dass sie dem Auftraggeber vorgelegt werden müssen? Auf einer allgemeinen Ebene bieten sich u. a. folgende Ansatzpunkte für eine Korrektur von Ist-Soll-Abweichungen an (Schiersmann u. Thiel, 2000, S. 215): Ȥ Änderung oder gegebenenfalls Neudefinition der Projektziele, insbesondere die Reduktion der im Projektzeitraum zu erreichenden Ziele; Ȥ Erweiterung der Personalressourcen durch erweiterte Freistellung oder durch erhöhte Anzahl der beteiligten Mitarbeitenden; Ȥ Vergrößerung der sachlichen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen; Ȥ Motivation der Mitarbeitenden, z. B. durch eine Klausurtagung zur Unterstützung der Teamentwicklung; Ȥ Veränderung von Maßnahmen oder Lösungswegen, z. B. durch Weglassen oder Reduzierung einzelner Arbeitspakete oder Ȥ Bearbeitung von Konflikten im Team, wenn zwischenmenschliche Spannungen dazu führen, dass Absprachen nicht eingehalten werden und die Arbeit unerledigt bleibt. 10.6.6 Managementinstrument: Checkliste für den Projektabschluss Eine Checkliste für den Projektabschluss ist überaus nützlich, um bei der Vielzahl der zu Projektende zu erledigenden Aufgaben den Überblick zu behalten. Für die Strukturierung einer solchen Checkliste kann die bereits vorgestellte Unterscheidung in eine formale, inhaltliche und soziale Dimension genutzt werden. Beispielhaft werden hier Aspekte zu den verschiedenen Dimensionen angeführt: Formale Aspekte Ȥ Bis wann muss der formelle Abschlussbericht abgegeben werden? Wer trägt was dazu bei? Bei wem liegt die Hauptverantwortung? Ȥ Wie wird der Projektabschluss von der Trägerorganisation kommuniziert? Sind die Projekte korrekt als abgeschlossen dargestellt auf den organisationseigenen Medien wie Homepage, Broschüren, Flyern etc.? Ȥ Welcher infrastrukturelle Rückbau ist erforderlich? Denken Sie u. a. an Projektwebseiten, programmspezifische E-Mail-Adressen, projektbezogene Bankkonten, Arbeitsräume etc.

Managementinstrumente für die Praxis

229

Ȥ Wie können die im Projekt erworbenen Kompetenzen der Teammitglieder dokumentiert werden (z. B. interne Kompetenzprofile, Bescheinigung über Projektmitarbeit, Zeugnis etc.)? Inhaltliche Aspekte Ȥ Welche inhaltlichen Arbeiten stehen noch an, damit das Projekt rund ist und gut abgeschlossen werden kann? Ȥ Wie werden die Projektergebnisse und -erfahrungen so dokumentiert, dass eine Wissensnutzung für weitere Projekte und Tätigkeiten in der Trägerorganisation befördert wird (z. B. Mikroartikel, Lessons Learned, vgl. Kapitel 7.5.3 und 7.5.4)? Ȥ Welche Informationsbedürfnisse haben unsere relevanten Interessengruppen? Wer möchte was in welcher Form über das Projekt wissen? Was ist gegebenenfalls noch offen? Ȥ Welche Ergebnisse sind für eine breitere Öffentlichkeit interessant? Wie können diese veröffentlicht werden (z. B. Medienberichte, Darstellungen auf der eigenen Webseite, Programmflyer, Broschüren, soziale Medien etc.)? Soziale Aspekte Ȥ Wie würdigen wir die geleistete Arbeit des Projektteams und weiterer relevanter Interessengruppen (z. B. Durchführung eines Workshops zur Projektreflexion, einer Abschlussveranstaltung, eines Festes etc.)? Ȥ Wie können wir die im Projekt geknüpften Kontakte verstetigen (z. B. Aufbau einer Projektdatenbank, Versand der Projektdokumentation an wesentliche Interessensgruppen, Einladung der Beteiligten zu Veranstaltungen der Trägerorganisation etc.)? Ȥ Wie geht es für das Projektteam weiter? Welche Zukunftsperspektiven haben die Mitglieder innerhalb oder außerhalb der Organisation? Ȥ Von wem und wie müssen wir uns gegebenenfalls verabschieden? Um eine projektspezifische Abschluss-Mindmap (vgl. Abbildung 38) zu entwickeln, können Sie im Projektteam wie folgt vorgehen: 1. Sammeln Sie zunächst auf Moderationskarten alles, was zum Projektabschluss erledigt werden muss. 2. Legen Sie dann die hier aufgeführten formalen, inhaltlichen und sozialen Aspekte quer und sehen Sie, ob Sie diese berücksichtigt haben oder noch ergänzen möchten. 3. Überlegen Sie sich dann eine geeignete Struktur für Ihre Mindmap. Wollen Sie mit der Unterteilung der Dimensionen (formal, inhaltlich, sozial) arbei-

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Projektmanagement

Der Projektabschluss

Formale Dimension

Abschlussbericht

Kommunikation Projektabschluss

Inhaltliche Dimension

infrastruktureller Rückbau

erforderliche Abschlussarbeiten

Dokumentation der Projektergebnisse

Abbildung 38: Mindmap zum Projektabschluss

ten oder gibt es eine für Sie passendere Logik? Wie viele Unterebenen brauchen Sie? Werden Sie auf der Maßnahmenebene so konkret wie möglich. 4. Hängen Sie die begonnene Mindmap an einer möglichst prominenten Stelle auf und ergänzen Sie Aspekte, die Ihnen im Laufe der Zeit noch einfallen. 5. Dokumentieren Sie die Mindmap (z. B. mit den Tools auf der Open SourceWebseite mind-map-online.de) und sorgen Sie für eine gute Zugänglichkeit in der Organisation. Nutzen Sie die Grundstruktur für künftige Projekte und entwickeln Sie sie im Sinne eines dynamischen Dokuments weiter. 10.6.7 Managementinstrument: Evaluation von Projekten Die im Folgenden vorgestellte Projektevaluation umfasst vier Bereiche (Schiersmann u. Thiel, 2000, S. 221 f.): Inhaltliche Ergebnisse und Zielerreichung Die Basis für die Bewertung des Projekterfolges hinsichtlich der Ergebnisse bilden die zu Beginn erstellten Zielformulierungen, die Projektplanungen sowie die im Verlauf des Projekts mit dem Auftraggeber verhandelten Abänderungen. Neben dem Grad der inhaltlichen Zielerreichung ist zu überprüfen, ob Kosten und Termine eingehalten wurden. Es wird festgestellt, ob Teilaufgaben nicht bearbeitet wurden, welche Gründe es dafür gab und wann gegebenenfalls diese Aufgaben durch wen nachbearbeitet werden.

Veröffentlichungsmöglichkeiten

W

liögn

231

Managementinstrumente für die Praxis

Prozessorientierung Unter dem Aspekt des organisationalen Lernens ist es sinnvoll, dass das Projektteam den eigenen Arbeits- und Lernprozess in der Rückschau betrachtet. Thematisiert werden eingesetzte Methoden zur sachbezogenen Problemlösung und die psychosoziale Dimension der Zusammenarbeit, insbesondere der Umgang mit Konflikten.

Soziale Dimension

Würdigung der Beteiligten

Verstetigung der Kontakte

Zukunftsperspektiven Projektteam

Transfer in die Organisation Bei der organisationsbezogenen Evaluation geht es um die Überprüfung, inwieweit die im Zuge der Projektbearbeitung   gesammelten Erfahrungen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugänglich gemacht werden und um die Umsetzung der Projektergebnisse in der Organisation.

Weiterentwicklung der Arbeitsform Projektmanagement Wenn man am Ende des Projekts zu dem Ergebnis kommt, dass die positiven Erfahrungen mit der Methode Projektmanagement überwiegen, lassen sich daraus Konsequenzen für die Institutionalisierung dieser Arbeitsform ziehen. 10.6.8 Managementinstrument: Planung einer Projektabschlussveranstaltung Wesentliche Eckpunkte für die Konzeption und Durchführung einer Veranstaltung zum Projektabschluss sind: Ȥ Veranstaltungsdetails: Was wollen Sie machen? (Thema, Termin, Dauer, Veranstaltungsort etc.); Ȥ Zielsetzung: Was wollen Sie erreichen? (Würdigung der Beteiligten, Verstetigung der Kontakte, Erschließung noch offener Bedarfe etc.); Ȥ Interessengruppen: Wen wollen Sie ansprechen? (Berücksichtigung Ihrer internen und externen Interessengruppen); Ȥ Veranstaltungsablauf: Wie gestalten Sie die Veranstaltung? (Begrüßung, Programmablauf, gegebenenfalls Einbindung Externer, Catering etc.); Ȥ Kostenplan: Welche finanziellen Ressourcen brauchen Sie für die Veranstaltung? (Gesamtkosten, Budgetierung);

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Projektmanagement

Ȥ Vorbereitung: Was tun Sie vor der Veranstaltung? (Einladungen, Programme, Ansprache Sponsoren und Hilfskräfte, Presseinfo etc.); Ȥ Durchführung: Was machen Sie während der Veranstaltung? (persönliche Betreuung, Fotoaufnahmen, Moderation etc.); Ȥ Nachbereitung: Was ist wichtig nach der Veranstaltung? (Dankschreiben, Dokumentation der Veranstaltung, Presseinfo etc.).

11

  Ausblick

Unsere moderne Gesellschaft ist nicht mehr aus einem Guss wie vorherige traditionelle Gesellschaftsformationen, sondern sie ist in Funktionssysteme differenziert, die der Gesamtgesellschaft und den Gesellschaftsmitgliedern jeweils bestimmte Leistungen zur Verfügung stellen. Dabei folgen die einzelnen Funktionssysteme jeweils ihren eigenen Handlungslogiken. Z. B. geht es in der Wirtschaft um Geld, in der Politik um Macht, im Gesundheitssystem um Genesung, im Bildungssystem um Lernen, in der Beratung um Krisenbewältigung und in der Sozialen Arbeit um subsidiäre Hilfe. Formal sind alle Funktionssysteme gleichberechtigt. In der Praxis ist allerdings beobachtbar, dass das Wirtschaftssystem dominiert, und sei es nur dadurch, dass seine Krisen alle anderen Systeme beeinflussen. Beispielsweise muss das System der Sozialen Arbeit bei der Bewältigung von Krisen einspringen, die das Wirtschaftssystem durch Massenentlassungen erst produziert hat. Die gesellschaftliche Dominanz des Wirtschaftssystems führt nicht selten dazu, dass Wirtschaftsunternehmen gewissermaßen den Standard setzen, an dem andere Organisationen – Schulen, Krankenhäuser, Jugendämter, Wohlfahrtsverbände etc. – gemessen werden. Organisationen der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen in Bildung, Beratung und Sozialer Arbeit produzieren aber keine marktfähigen Güter, sondern stellen der Gesellschaft gemeinwohlorientierte Dienstleistungen zur Verfügung, die nicht mit den gleichen, in der Regel finanziellen Effizienzkriterien gemessen werden können, wie Autos, Smartphones oder andere warenförmige Produkte. Personenbezogene soziale Dienstleistungsorganisationen sichern der Gesellschaft sogenannte Kollektivgüter, die allen Gesellschaftsmitgliedern gleichmäßig zur Verfügung stehen müssen unabhängig von deren Kaufkraft. Soziale Hilfe brauchen diejenigen, die in Not geraten sind und sich nicht selbst helfen können, und nicht nur diejenigen, die sich das leisten können. Bildung ist für alle da und nicht nur für Vermögende. Ein Aspekt der Dominanz des Wirtschaftssystems ist auch, dass Managementmethoden aus der Wirtschaft in andere gesellschaftliche Bereiche übertragen werden. Das halten wir für ungeeignet, weil andere Organisationen zu Recht anders funktionieren. Das Management von personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisationen muss deren eigener Funktionslogik, wie sie im

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Ausblick

ersten Kapitel dargestellt wurde, angemessen sein und nicht unkritisch wirtschaftslogische Einstellungen und Methoden kopieren. Mit diesem Buch haben wir deshalb das Ziel verbunden, den besonderen Organisationstyp der personenbezogenen sozialen Dienstleistungsorganisationen zu stärken und bei einem entsprechenden Management zu unterstützen. Das ist seit über dreißig Jahren der Anspruch unserer Arbeit in Forschung, Bildung, Beratung und Qualitätsentwicklung. Dafür hatten wir bereits 2010 ein »Handbuch Management in der Weiterbildung« (Zech, 2010) vorgelegt, das inzwischen vergriffen ist und vom Verlag aus dem Programm genommen wurde. Das jetzige Handbuch Gelingendes Management füllt diese Lücke. Es greift auf dieses Werk passagenweise zurück, wurde aber grundlegend aktualisiert und verändert sowie für neue Zielgruppen anschlussfähig gemacht. Des Weiteren bietet unser Unternehmen ArtSet® (www.artset.de) seit dem Jahr 2000 ein Qualitätsmanagementsystem an, das speziell für personenbezogene soziale Dienstleistungsorganisationen entwickelt wurde. Die sogenannte Lerner- und Kundenorientierte Qualitätsentwicklung (LKQT) gibt es für Schulen, Weiterbildungsorganisationen, Kindertagesstätten, Beratungsinstitutionen und Organisationen der Sozialen Arbeit. Die Praxisleitfäden dieser Qualitätsverfahren und viele zusätzliche Qualitätswerkzeuge können kostenlos von der Webseite www.qualitaets-portal.de heruntergeladen werden. Mit diesen Verfahren und Methoden können die genannten Organisationen ihren internen Qualitätsentwicklungsprozess selbstständig gestalten. Auch eine externe Überprüfung der Qualitätsentwicklung ist möglich durch unsere Testierungsstelle, die die Qualitätsprüfung übernimmt und anerkannte Testate ausstellt (www.conflexqualitaet.de).

Literatur

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