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German Pages 624 Year 2011
Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen
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Meiner Frau, Sonsoles Huarte Giménez
II
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
Ich bin sehr glücklich, die deutsche Erstausgabe von Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen präsentieren zu können. Das Erscheinen dieser Ausgabe ist zeitlich besonders passend, da die schwere Finanzkrise und die daraus resultierende weltweite Rezession, welche ich seit der ersten Auflage dieses Buches vor zehn Jahre prognostiziert habe, nun mit voller Wucht zuschlagen. Zu besonderem Dank bin Dr. Philipp Bagus verpflichtet, der mein Werk aufopferungsvoll übersetzt hat. _____________________ Die Politik der künstlichen Kreditausweitung, welche Zentralbanken in den letzten fünfzehn Jahren erlaubt und koordiniert haben, hätte nicht auf eine andere Weise enden können. Der Expansionszyklus, der nun zum Abschluss gekommen ist, begann Fahrt aufzunehmen, als die amerikanische Wirtschaft ihre letzte Rezession 2001 hinter sich ließ (obgleich sie noch nicht abgeschlossen war und unterdrückt wurde) und die Federal Reserve die große künstliche Expansion der Kredite und Investitionen wieder aufnahm, welche sie 1992 begonnen hatte. Diese Kreditausweitung wurde nicht durch einen parallele Anstieg der freiwilligen Ersparnisse der Haushalte gestützt. Viele Jahre lange stieg die Geldmenge in der Form von Banknoten und Depositen in durchschnittlichen Raten von über 10 Prozent pro Jahr (was bedeutet, dass sich die Gesamtgeldmenge in der Welt sich alle sieben Jahre verdoppelte). Die Tauschmittel, die aus dieser starken Umlaufsmittelinflation entstanden, wurden durch das Bankensystem in Form von neu geschaffenen Krediten zu sehr niedrigen Zinssätzen, die real gesehen sogar negativ waren, auf dem Markt platziert. Dieses Vorgehen speiste eine Spekulationsblase in der Form von substantiellen Preissteigerungen von Kapitalgüter, Grundstücken, Immobilien und den Wertpapiere, welche diese repräsentieren und an der Börse, deren Indizes empor schnellten, gehandelt werden.
Kurioserweise hat ähnlich wie in den “wilden Zwanzigern” vor Beginn der Großen Depression 1929 der monetäre Wachstumsschock die Preise der Konsumgüter und Leistungen, die ungefähr ein Drittel aller Güter ausmachen, nicht signifikant beeinflusst. Das letzte Jahrzehnt war wie die 1920er Jahre von einem bemerkenswerten Produktivitätsanstieg als Folge der massiven III
Einführung von neuen Technologien und bedeutenden unternehmerischen Innovationen geprägt. Diese Fortschritte hätten, wäre es nicht zur Geld- und Kreditinjektion gekommen, zu einem gesunden und anhaltenden Rückgang der Preise von Konsumgütern und Leistungen geführt. Weiterhin hat die Eingliederung der chinesischen und indischen Volkswirtschaften in den globalisierten Markt die reale Produktivität von Konsumgüter und Leistungen noch weiter gesteigert. Das Ausbleiben einer gesunden Preisdeflation bei den Konsumgüterpreise in einer Phase beachtlichen Produktiviätswachstums liefert das Hauptindiz dafür, dass der Geldmengenschock den Wirtschaftsprozess schwer gestört hat. Ich analysiere dieses Phänomen detailliert in Kapitel 6, Abschnitt 9. Wie ich in diesem Buch erkläre, ist die künstliche Kreditausweitung und die Inflation der Umlaufsmittel keine Abkürzung hin zu einer stabilen und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Es gibt keinen Weg das notwendige Opfer und die Disziplin, die sich hinter allen hohen freiwilligen Sparraten verbirgt, zu umgehen. (In der Tat sind die freiwilligen Ersparnisse, vor allem in den Vereinigten Staaten, in den letzten Jahren nicht nur nicht gestiegen, sondern zeitweise sogar geschrumpft.) In der Tat ist eine künstliche Ausweitung des Kredits und des Geldes niemals mehr als eine kurzfristige Lösung, wenn überhaupt. So besteht heute gar kein Zweifel hinsichtlich der depressiven Eigenschaften, die ein monetärer Schock auf lange Sicht immer hat: die neugeschaffenen Darlehen (von Geldern, die nicht von den Bürgern zuvor gespart wurden) liefert den Unternehmern unmittelbar eine Kaufkraft, die sie in allzu ambitiösen Investitionsprojekten verwenden (in den letzten Jahre vor allem im Bau- und Immobiliensektor). Anders ausgedrückt handeln die Unternehmer so, als ob die Bürger ihre Ersparnisse erhöht hätten, obgleich sie dies in Wirklichkeit nicht getan haben. Die Folge ist eine allgemein Fehlkoordination des Wirtschaftssystems: die Finanzblase („irrational exuberance“) übt einen abträglichen Effekt auf die Realwirtschaft aus und früher oder später kehrt sich der Prozess in Form einer Rezession um, welche den Beginn einer schmerzvollen und notwendigen Wiederanpassung markiert. Diese Wiederanpassung verlangt unweigerlich eine Rückwandlung aller von der Inflation verzerrten Teile der realen Produktionsstruktur. Die spezifischen Auslöser des Endes des euphorischen monetären „Gelages“ und des Beginns des depressiven „Katers“ können vieler Art sein und variieren von einem Zyklus zum nächsten. In den gegenwärtigen Umständen waren die offensichtlichsten Auslöser des konjunkturellen Umschwungs der Anstieg der Rohstoffpreise, vor allem des Rohöls, die Subprimehypothekenkrise in den Vereinigten Staaten und schließlich der Zusammenbruch von bedeutenden Bankinstitutionen als es im Markt deutlich wurde, dass der Wert ihrer Verbindlichkeiten den ihrer Vermögenswerte (die gewährten Hypothekendarlehen) überstieg. IV
Gegenwärtig fordern zahlreiche eigennützige Stimmen weitere Reduzierungen der Zinssätze, bzw. eine Beibehaltung der historisch niedrigen Zinssätze, und neue Geldinjektionen, welche es jenen, die diese Maßnahmen wünschen, ermöglicht, ihre Investitionsprojekte ohne Verluste abzuschließen. Nichtsdestoweniger verschiebt diese Flucht nach vorn nur temporär die Probleme auf Kosten ihrer erheblichen Verschärfung in der Zukunft. Die Krise hat zugeschlagen, weil die Gewinne der Kapitalgüterunternehmen (vor allem im Bau- und Immobiliensektor) als Folge von unternehmerischen Fehlern, provoziert durch billigen Kredit, verschwunden sind und weil die Konsumgüterpreise
begonnen
haben,
sich
weniger
schlecht
zu
entwickeln
als
die
Kapitalgüterpreise. An dieser Stelle beginnt eine schmerzvolle, unvermeidbare Wiederanpassung und wir sehen nun neben dem Produktionsrückgang und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit einen sehr nachteiligen Anstieg der Konsumgüterpreise (Stagflation). Die strengste ökonomische Analyse und die kühlste, ausgewogendste Interpretation der jüngsten wirtschaftlichen und finanziellen Ereignisse unterstützt die Schlussfolgerung, dass Zentralbanken (welche wahrhaftige zentral-planwirtschaftliche Finanzbehörden sind) unmöglich die vorteilhafteste Geldpolitik zu jedem Zeitpunkt finden können. Genau dies wurde auch im Fall der gescheiterten Versuche die Sowjetwirtschaft von oben zu planen deutlich. Anders ausgedrückt ist das Theorem der wirtschaftliche Unmöglichkeit des Sozialismus, welches die österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises und Friedrich A. von Hayek entdeckten vollkommen auf die Zentralbanken im Allgemeinen und auf die Federal Reserve und zu seiner Zeit Alan Greenspan und gegenwärtig Ben Bernanke im Besonderen anwendbar. Nach diesem Theorem ist es unmöglich, eine Gesellschaft auf ökonomische Weise basierend auf Befehlen einer Planungsbehörde zu organisieren, denn eine derartige Institution vermag sich niemals die Informationen aneignen, die sie braucht, damit ihre Befehlen koordinierend wirken. In der Tat gibt es nicht gefährlicheres als die „verhängnisvolle Anmaßung“ - um Hayek´s nützlichen Begriff zu verwenden – zu glauben, dass man selbst allwissend ist oder zumindest weise und mächtig genug, um in der Lage zu sein, die Feinabstimmung der Geldpolitik zu erreichen. Mithin sind die Federal Reserve und in geringerem Ausmaß die Europäische Zentralbank -anstatt das energische Auf und Ab des Konjunkturzyklus zu dämpfen- sehr wahrscheinlich die Hauptarchitekten und Schuldigen der Verstärkung dieser Bewegungen. Daher ist das Dilemma dem sich Ben Bernanke und seine Federal Reserve Board, wie auch die anderen Zentralbanken (beginnend bei der Europäischen Zentralbank) gegenüber sehen, sehr unkomfortabel. Jahrelang haben sie sich vor ihrer monetären Verantwortung gedrückt und befinden sich nun in einer Sackgasse. Entweder können sie zulassen, dass jetzt ein Rezessionsprozess beginnt und mit ihm eine gesunde und schmerzvolle Wiederanpassung, oder sie V
können die Flucht nach vorne mit der Methode des „Katerbiers“ antreten. Bei Wahl des letzteren steigen die Chancen einer noch heftigeren Stagflation in nicht so fernen Zukunft exponentiell. (Dies war gerade der Fehler der nach dem Börsenkrach von 1987 begangen wurde und in die scharfe Rezession von 1990-1992 führte.) Weiterhin würde in dieser Phase die Wiedereinführung einer Politik des billigen Kredit die notwendigen Liquidationen von unprofitablen Investitionen und die Restrukturierung von Unternehmen nur behindern. Dies könnte sogar die Rezession schließlich auf unbestimmte Zeit hinaus verlängern, so wie es in Japan in den letzten Jahren geschehen ist: obwohl alle möglichen Interventionen ausprobiert worden sind, reagiert die japanische Wirtschaft auf Stimuli, welche Kreditausweitung oder keynesianische Methoden enthalten, nicht mehr. In diesem Kontext der „finanziellen Schizophrenie“ müssen wir die jüngsten von den Finanzbehörden abgegebenen „Schüsse ins Blaue“
beurteilen (diese haben zwei völlig widersprüchliche
Verantwortlichkeiten: sie sollen sowohl die Inflation kontrollieren als auch soviel Liquidität ins Finanzsystem injizieren, dass sein Kollaps verhindert wird). So rettet die Federal Reserve an einem Tag Bear Stearns, AIG, Fannie Mae, und Freddie Mac oder Citigroup, um am Tag darauf den Zusammenbruch von Lehman Brothers zu erlauben unter dem hinreichend gerechtfertigten Vorwand eine „Lehrstunde zu erteilen“ und den Moral Hazard nicht noch weiter an zu heizen. Dann wenn sich die Ereignisse überschlagen wird ein 700-Milliarden-Dollar Plan für den Kauf von – euphemistisch als „toxisch“ oder „illiquide“ bezeichneten (d.h. wertlosen) – Vermögenswerten vom Bankensystem verabschiedet. Wenn der Plan durch Steuern (und nicht durch weitere Inflation) finanziert wird, bedeutet dies eine schwere Steuerlast für die Haushalte gerade dann, wenn sie am wenigsten dazu in der Lag sind, diese zu tragen. Schließlich als Zweifel aufkamen, ob ein derartiger Plan überhaupt einen Effekt haben würde, wurde die Wahl getroffen, staatliche Gelder direkt in die Banken zu injizieren und sogar die gesamte Depositensumme zu „garantieren“. Die Volkswirtschaften der Europäischen Union befinden sich vergleichsweise in einer weniger desolaten Lage (wenn wir von den expansiven Effekten der gezielten Dollarabwertungspolitik und den relativ größeren europäischen Preisrigiditäten vor allem auf dem Arbeitsmarkt, welche Rezessionen in Europa länger und schmerzvoller machen, absehen). Die expansive Politik der Europäischen Zentralbank, obgleich sie nicht frei von schwerwiegenden Fehlern war, ist in gewissen Maße weniger unverantwortlich gewesen als die Politik der Federal Reserve. Außerdem beinhaltete die Einhaltung der Konvergenzkriterien seiner Zeit eine gesunde und signifikante Sanierung der größten europäischen Volkswirtschaften. Die Länder in der Peripherie wie Irland und vor allem Spanien befanden sich in einer beachtlichen Kreditausweitung von dem Zeitpunkt an als ihre Konvergenzprozesses begann. Das Beispiel von Spanien ist paradigmatisch. Die spanische VI
Wirtschaft boomte, was teilweise auf reale Ursachen zurückzuführen ist (die Liberalisierungen und Strukturreformen, welche unter der Regierung von José María Aznar 1996 begannen). Nichtsdestoweniger wurde der Aufschwung auch größtenteils durch eine künstliche Ausweitung des Geldes und des Kredits angetrieben. Die Kredite wuchsen beinahe dreimal so schnell wie in Frankreich und Deutschland. Die spanischen Wirtschaftssubjekte interpretierten den Zinsrückgang, der aus dem Konvergenzprozess resultierte, auf die für die spanische Tradition des billigen Geldes typische Weise: eine größere Verfügbarkeit billigen Geldes und massive Darlehensgesuche an die spanischen Banken (hauptsächlich um die Immobilienspekulation zu finanzieren). Die Banken gewährten diese Darlehen durch die ex nihilo Schaffung von Geld, was die Europäischen Zentralbanker jedoch unbeeindruckt ließ. Als die Europäische Zentralbank sich dem Preisanstieg gegenüber sah, ist sie ihrem Mandat treu geblieben und hat versucht, die Zinssätze so lange als möglich aufrecht zu erhalten, trotz der Schwierigkeiten einiger Mitglieder der Währungsunion, die wie Spanien nun entdeckten, dass ein Großteil ihrer Immobilieninvestitionen ein Fehler war und auf eine lange und schmerzvolle Reorganisation ihrer Realwirtschaft zusteuerten. Unter diesen Umstände wäre die angemessenste Politik eine Liberalisierung der Volkswirtschaft auf allen Gebieten (vor allem dem Arbeitsmarkt), um eine zügige Reallokation der Produktivkräfte (vor allem der Arbeit) in profitable Sektoren zu erlauben. In gleicher Weise ist es essentiell die öffentlichen Ausgaben und Steuern zu senken, um das verfügbare Einkommen der hoch verschuldeten Wirtschaftssubjekte, welche ihre Darlehen so schnell als möglich zurückzahlen müssen, zu erhöhen. Die Wirtschaftssubjekte im Allgemeinen und die Unternehmen im Besonderen können ihre Finanzen nur in Ordnung bringen, wenn sie Kosten reduzieren (vor allem Arbeitskosten) und ihre Darlehen zurückzahlen. Für dieses Ziel ist ein flexibler Arbeitsmarkt und eine entsagender öffentlicher Sektor grundlegend. Diese Faktoren sind fundamental, wenn der Markt so schnell als möglich den realen Wert der irrtümlicherweise produzierten Investitionsgüter enthüllen und damit die Grundlage für eine gesunde, nachhaltige wirtschaftliche Erholung in der Zukunft legen soll, welche zu unser aller Wohl, so hoffe ich, nicht lange aus sich warten lassen wird.
* * * Wir dürfen nicht vergessen, dass eine zentraler Bestandteil der jüngsten Periode künstlicher Expansion eine graduelle Korruption - sowohl auf dem amerikanischen Kontinent als auch in VII
Europa - der traditionellen Prinzipien der Bilanzierung war, so wie sie jahrhundertelang weltweit praktiziert wurden. Genauer gesagt hat die Akzeptanz des International Accounting Standards (IAS) und seine gesetzliche Einführung in verschiedenen Ländern (in Spanien durch den neuen Allgemeinen Bilanzierungsplan, der am 1. Januar 2008 in Kraft trat) eine Abkehr von dem traditionellen Vorsichtprinzip und seinen Ersatz durch das Marktwertprinzip bei der Bewertung der Vermögenswerte in der Bilanz und besonders der Finanzvermögenswerte bedeutet. Bei dieser Abkehr vom traditionellen Vorsichtprinzip spielten Broker, Investmentbanken (welche, glücklicherweise, nun am Aussterben sind) und im Allgemeinen alle Gruppen eine wichtige Rolle, die an „inflationierten“ Buchwerten“ interessiert waren, um diese den angeblich „objektiven“ Aktienkursen anzunähern, welche in der Vergangenheit in einem ökonomischen Prozess der Finanzeuphorie kontinuierlich gestiegen waren. In der Tat war während der Jahre der „Spekulationsblase“ dieser Prozess durch eine Rückkopplung gekennzeichnet: die steigenden Aktienkurse wurden unmittelbar in die Bücher aufgenommen und dann hielten diese Buchhaltungseinträge als Rechtfertigung für weitere künstliche Steigerungen der Preise von Finanzwerten, die an der Börse notierten, her. In diesem wilden Rennen zur Abkehr von den traditionellen Prinzipien der Bilanzierung und ihrem Ersatz durch andere Prinzipien, die „zeitgemäßer“ waren, wurde es Gang und Gäbe Unternehmen mittels unorthodoxer Annahmen und rein subjektiven Kriterien zu bewerten, welche in den neuen Standards das einzig objektive Kriterium ersetzten (das der historischen Kosten). Nun hat der Kollaps der Finanzmärkte und der Vertrauensverlust der Wirtschaftssubjekte in die Banken und ihre Bilanzierung gezeigt, dass es ein schwerer Fehler ist, sich dem IAS zuzuwenden und sich von den traditionellen Bilanzierungskriterien basierend auf dem Vorsichtprinzip abzuwenden. Es wurde auch deutlich, dass es Fehler ist, sich den Lastern der kreativen Bilanzierung nach dem Marktwertprinzip hinzugeben. In diesem Kontext müssen wir die jüngsten Maßnahmen in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zur “Abfederung” (d.h. teilweisen Rücknahme) des Einflusses der Marktwertbilanzierung (fair value accounting) für Finanzinstitutionen einschätzen. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, er geht jedoch zu kurz und wird aus den falschen Beweggründen unternommen. In der Tat versuchen die Verantwortlichen in den Finanzinstitutionen „den Brunnen zuzudecken, wenn das Kind schon reingefallen ist“; d.h. wenn der dramatische Werteverfall der „toxischen“ bzw. „illiquiden“ Vermögenswerte die Solvenz ihrer Institutionen bereits gefährdet hat. Diese Personen waren jedoch während der vorangehenden Jahre der „irrational exuberance“ mit dem neuen IAS hoch erfreut, als die steigenden und exzessiven Bewertungen an den Börsen und VIII
Finanzmärkten ihre Bilanzen mit atemberaubenden Zahlen bei Gewinn und Eigenkapital zierten. Die Zahlen wiederum veranlassten sie riskante Projekte zu beginnen, praktisch ohne Gedanken an das Risiko zu verschwenden. Wir sehen mithin, dass das IAS prozyklisch wirkt, in dem es die Volatilität erhöht und das Management fehl leitet: in Zeiten von Hochkonjunktur generiert es einen irrigen „Reichstumseffekt,“ welcher die Leute dazu veranlasst, disproportionale Risiken einzugehen. Wenn dann von einem Tag auf den anderen die begangenen Fehler ans Licht kommen, entkapitalisiert der Wertverlust des Vermögens unmittelbar die Unternehmen, welche sich gezwungen sehen, ihre Vermögenswerte im ungünstigsten Augenblick zu verkaufen und sich zu rekapitalisieren gerade dann, wenn die Vermögenswerte den geringsten Wert aufweisen und die Finanzmärkte ausgetrocknet sind. Bilanzierungsprinzipien, die wie die des IAS sich derart störend erwiesen
haben,
sollten
eindeutig
so
schnell
als
möglich
fallen
gelassen
und
die
Bilanzierungsreformen, die jüngst verabschiedet wurden, vor allem die spanische, die am 1. Januar 2008 in Kraft trat, müssen rückgängig gemacht werden. Das ist nicht nur dadurch zu begründen, dass diese Reformen in Zeiten von Finanzkrise und Rezession in die Sackgasse führen, sondern auch dadurch, dass es essentiell ist, sich in Wachstumsperioden an das Vorsichtprinzip bei der Bewertung zu halten; an ein Prinzip, welche alle Bilanzierungssysteme von der Zeit Luca Pacioli´s zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts bis zur Einführung des falschen Idols des IAS geprägt haben. Kurzum besteht der größte Fehler der jüngsten, weltweit eingeführten Bilanzierungsreform darin, dass sie Jahrhunderte von Bilanzierungserfahrung und Unternehmensführung über den Haufen
wirft,
wenn
sie
das
Vorsichtprinzip
als
das
wichtigste
aller
traditionellen
Buchhaltungsprinzipien durch das “Marktwertprinzip”, welches einfach den volatilen Marktwert für eine ganze Reihe von Vermögenswerten, vor allem für Finanzvermögen, ersetzt. Diese kopernikanische Wende ist besonders schädlich und bedroht die Grundlagen der Marktwirtschaft aus verschiedenen Gründen. Erstens provoziert die Verletzung des traditionellen Vorsichtprinzip und die Erfordernis, dass Bilanzierungseinträge Marktwerte reflektieren, -abhängig von der Phase des Zyklus- eine Inflation der Buchwerte durch Überschüsse, die sich noch nicht realisiert haben und sich in vielen Fällen niemals realisieren. Dieser künstliche „Reichstumseffekt,“ der sich dadurch vor allem während der Aufschwungsphase des Konjunkturzyklus einstellen kann, führt zur Verteilung
von
Papier-
(bzw.
lediglich
temporären)
Gewinnen,
der
Akzeptanz
von
disproportionalen Risiken und kurzum zu systematischen unternehmerischen Fehlern und dem Konsum des Kapitals der Volkswirtschaft zum Nachteil ihrer Produktionsstruktur und ihres langfristigen Wachstumspotentials. Zweitens muss ich betonen, dass der Zweck der Bilanzierung es IX
nicht ist, vermeintliche „reale“ Werte (welche in jedem Fall subjektiv sind und welche durch die entsprechenden Märkte bestimmt werden und täglich variieren) unter dem Vorwand einer (falsch verstandenen)
„Bilanzierungstransparenz“
darzustellen.
Stattdessen
ist
der
Zweck
der
Bilanzierungg, eine umsichtige Unternehmensführung zu ermöglichen und den Kapitalkonsum zu verhindern1, in dem strikt der Grundsatz der Buchhaltungsvorsicht basierend auf dem Vorsichtprinzip und der Erfassung entweder die historischen Kosten oder der Marktwert - je nach dem welcher Wert niedriger ist - verwendet wird. Dieser Standard gewährleistet jeder Zeit, dass die verteilbaren Gewinne aus einem sicheren Überschuss stammen, der verteilt werden kann, ohne in irgendeiner Weise die künftige Lebensfähigkeit oder Kapitalisierung des Unternehmens zu gefährden. Drittens müssen wir beachten, dass es im Markt keine Gleichgewichtspreise gibt, welche eine dritte Partei objektiv bestimmen kann. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Marktwerte kommen durch subjektive Wertschätzungen zu Stande und fluktuieren stark. Mithin eliminiert ihr Einsatz in der Bilanzierung einen Großteil der Klarheit, Gewissheit und Information, welche die Bilanzen in der Vergangenheit enthielten. Heute sind Bilanzen zu einem Großteil unverständlich und nutzlos für die Wirtschaftssubjekte geworden. Weiterhin beraubt die den Marktwerten inhärente Volatilität die auf den neuen Regeln basierende Bilanzierung eines Großteils ihres Potentials als Handlungshilfe für Unternehmensleiter zu dienen und veranlasst sie dazu, systematisch große Managementfehler zu begehen; Fehler, welche die schwerwiegendste Finanzkrise provoziert haben, welche die Welt seit 1929 heimgesucht hat. * * * In Kapitel 9 dieses Buches (S. ????), entwerfe ich einen Übergangsprozess zu einer neuen Weltfinanzordnung, welche mit der freien Marktwirtschaft vollkommen kompatibel ist und die Finanzkrisen und Rezessionen, welche die Volkswirtschaften der Welt regelmäßig heimsuchen, zu eliminieren mag. Der Vorschlag, den dieses Buch für eine internationale Finanzreform enthält, ist zum heutigen Zeitpunkt (November 2009) von höchster Relevanz. Im vergangenen Jahr organisierten die beunruhigten Regierungen von Europa und Amerika einen Weltgipfel zur Reform des internationalen Geldsystems, um in der Zukunft derartig ernste Finanz- und Bankkrisen, wie sie gegenwärtig die gesamte Welt erfasst haben, zu vermeiden. Wie ausführlich in den neun Kapiteln dieses Buches erklärt wird, wird jede künftige Reform genauso kläglich scheitern wie vergangene 1
Vgl. vor allem F. A. Hayek, “The Maintenance of Capital,” Economica 2 (August 1934), erneut veröffentlicht in Profits, Interest and Investment and Other Essays on the Theory of Industrial Fluctuations (New Jersey: Augustus M. Kelley, 1979; 1. Ausgabe London: George Routledge & Sons, 1939). Vor allem Abschnitt 9, “Capital Accounting and Monetary Policy,” S. 130-132.
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Reformen, wenn man nicht die Wurzel der gegenwärtigen Probleme angeht und die Reform nicht auf den folgenden Prinzipien ruht: 1) die Wiedereinführung einer 100-prozentigen Reservepflicht für alle Bankeinlagen und Äquivalente; 2) die Abschaffung der Zentralbanken als Kreditgeber letzter Instanz (diese werden nicht mehr benötigt, wenn das voran stehende Prinzip Anwendung findet, und sie sind schädlich, wenn sie weiterhin als zentrale Finanzplanungsbehörden agieren); und 3) die Privatisierung des gegenwärtigen, monopolistischen, und staatlich emittierten Zwangsgeldes und seine Ablöse durch einen klassischen Goldstandard. Diese radikale, entgültige Reform würde im Wesentlichen die Kulmination des Falls der Berliner Mauer im Jahr 1989 und des real existierenden Sozialismus markieren. Denn diese Reform würde die Anwendung der gleichen Prinzipien der Liberalisierung und des Privateigentums auf den einzigen Bereich - den des Finanzund Bankwesens – bedeuten. Dieser Bereich steckt heute im Sumpf der zentralen Planwirtschaft (durchgeführt von „Zentral“banken), der extremen Staatseingriffe (der Fixierung von Zinssätzen und dem verworrenen Netz von staatlichen Regulierungen), und des staatlichen Monopols (die Bestimmungen zur Verwendung eines gesetzlichen Zahlungsmittels, welche zur Akzeptanz des gegenwärtig vom Staat emittierten Zwangsgeldes verpflichten); alles Umstände mit negativen Konsequenzen, wie wir gesehen haben. Es sollte betont werden, dass der Übergangsprozess, der im letzten Kapitel dieses Buches entworfen wird, es auch sofort erlauben könnte, das gegenwärtige Bankensystem zu retten und damit seinen unmittelbaren Zusammenbruch zu vermeiden und mit ihm die plötzliche Kreditklemme,
die
unvermeidbar
wäre,
wenn
in
einem
Umfeld
eines
allgemeinen
Vertrauensverlusts der Deponenten, ein signifikanter Betrag von Bankdepositen verschwinden würde. Dieses kurzfristige Ziel, welches die westlichen Regierungen verzweifelt mit den verschiedensten Plänen zu erreichen versucht haben (der massive Kauf von „toxischen“ Bankvermögenswerten, die ad hominem Garantie aller Depositen, oder einfach die teilweise oder komplette Nationalisierung des privaten Bankensystems), könnte viel schneller und effektiver und für die Marktwirtschaft viel verträglicher erreicht werden, wenn der erste Schritt der vorgeschlagenen Reform (S. ????792) unverzüglich unternommen würde: die Deckung aller gegenwärtig existierenden Bankdepositen (Sichteinlagen und Äquivalente) durch Bargeld, in dem den Banken Noten übergeben werden, so dass diese von diesem Zeitpunkt an eine 100-prozentige Reservedeckung ihrer Depositen aufrecht erhalten. Wie in Graphik IX-2 von Kapitel 9, welche die konsolidierte Bilanz des Bankensystem nach diesem Schritt zeigt, dargestellt wird, wäre die Emission dieser Noten in keiner Weise inflationär (denn das neue Geld würde gewissermaßen durch seinen Zweck der Deckung zur Befriedigung aller plötzlichen Depositenabzüge „sterilisiert“). Weiterhin würde dieser Schritt alle Bankvermögenswerte, seien sie „toxisch“ oder nicht, welche XI
gegenwärtig als Deckung der Sichteinlagen (und Äquivalente) auf den Bilanzen der Privatbanken erscheinen, frei setzen. Unter der Annahme, dass der Übergang zum neuen Finanzsystem unter „normalen“ Umständen statt finden würde und nicht in einer Finanzkrise, die so akut wie die gegenwärtige ist, schlug ich in Kapitel 9 vor, dass die „freigesetzen“ Vermögenswerte an ad hoc geschaffene Investmentfonds übertragen und vom Bankensystem verwaltet und dass die Anteile an diesen Fonds für ausstehende Staatsanleihen und implizite Verpflichtungen in Verbindung mit den sozialen Sicherungssystemen (S.???-???)
getauscht werden. Nichtsdestoweniger haben wir im
gegenwärtigen Umfeld einer ernsten Finanz- und Wirtschaftskrise eine weitere Alternative: Neben der Abschreibung von „toxischen“ Vermögenswerten mit diesen Fonds könnten wir, falls erwünscht, einen Teil dazu verwenden, den Sparern (nicht den Deponenten, denn ihre Depositen sind bereits zu 100 Prozent gedeckt) einen Großteil des Wertverlusts ihrer Investitionen zurückzugewinnen (vor allem die Darlehen an die Geschäftsbanken, Investmentbanken, und Beteiligungsunternehmen). Diese Maßnahmen würden unmittelbar das Vertrauen wieder herstellen und einen bedeutenden Betrag für einen Tausch – ein für alle mal und ohne Kosten – gegen einen beträchtlichen Teil der Staatsschulden, unser ursprüngliches Ziel, übrig lassen. In jedem Fall muss folgende wichtige Warnung gegeben werden: selbstverständlich und ich werde niemals müde dies zu wiederholen, ist die vorgeschlagene Lösung nur im Kontext einer unwiderruflichen Entscheidung für die Wiedereinführung einer Bankfreiheitssystem, welche der 100-prozentigen Reservepflicht für Sichteinlagen unterliegt, gültig. Jede der oben benannten Reformen wäre ohne eine vorherige und standfeste Überzeugung und den Entschluss zur oben angezeigten Veränderung des internationalen Finanz- und Bankensystem einfach katastrophal: ein privates Bankensystem, welches weiterhin mit einer Teildeckung operiert (und durch die entsprechenden Zentralbanken koordiniert wird) würde einen sich selbst verstärkenden Effekt und -basierend auf dem Bargeld geschaffen zur Deckung der Depositen- eine inflationäre Ausweitung generieren, wie sie es noch nie in der Geschichte gegeben hat und die letztlich das Ende unseres gesamten Wirtschaftssystems bedeuten würde.
* * * Die obigen Betrachtungen sind von höchster Wichtigkeit und zeigen wie relevant diese Abhandlung im Licht des kritischen Zustands des internationalen Finanzsystems geworden ist (Obzwar ich definitiv bevorzugt hätte, dieses Vorwort unter ganz anderen wirtschaftlichen XII
Umständen zu schreiben). Nichtsdestoweniger ist es, obgleich es tragisch ist, dass wir in die gegenwärtige Situation gelangt sind, sogar noch tragischer, falls dies möglich ist, dass allgemein das Verständnis der Ursachen der uns plagenden Phänomene fehlt und vor allem eine Atmosphäre der
Verwirrung
und
Unsicherheit
unter
den
Experten,
Analysten
und
den
meisten
Volkswirtschaftlern herrscht. Auf diesem Gebiet zumindest, so mag ich hoffen, können die sukzessiven Auflagen dieses Buches, welches in der ganzen Welt veröffentlicht wird2, zum theoretischen Training der Leser, der intellektuellen Wiederaufrüstung neuer Generationen und schließlich zu dem so schmerzlich benötigten institutionellen Neugestaltung des gesamtem Geldund Finanzsystems der gegenwärtigen Marktwirtschaften beitragen. Wenn sich diese Hoffnung erfüllt, werde ich nicht nur die unternommenen Anstrengungen als lohnenswert ansehen, sondern es auch als eine große Ehre betrachten in einem sehr geringeren Ausmaß zur Bewegung in die richtige Richtung beigetragen zu haben.
Madrid, November 03, 2009 Jesús Huerta de Soto
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Seit dem erscheinen der ersten englischsprachigen Auflage von 2006 wurde deren beinahe 4.000 Exemplare komplett ausverkauft und eine zweite Auflage erschien 2009. Weiterhin haben Tatjana Danilova und Grigory Sapov eine russische Übersetzung fertig gestellt, die als Denugi, Bankovskii Kredit i Ekonomicheski Tzikli (Moskau: Sotsium Publishing House, 2008) verkauft worden sind. Zunächst sind dreitausend Exemplare gedruckt worden und ich hatte das Vergnügen das Buch am 30. Oktober 2008 an der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Universität Moskau zu präsentieren. Außerdem hat Professor Rosine Letinier eine französische Übersetzung produziert, die bald publiziert wird. Grzegorz Luczkiewicz hat die polnische Übersetzung fertiggestellt. Zudem wurde das Buch ins Tschechische übersetzt. Außerdem befindet sich die Übersetzung in folgende Sprachen kurz vor dem Abschluss: Italienisch, Rumänisch, Holländisch, Chinesisch, Japanisch und Arabisch. So Gott will, werden diese Übersetzungen bald veröffentlicht.
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VORWORT DER ERSTEN ENGLISCHEN AUFLAGE Es ist mir eine große Freude, diesen ansehnlichen Druck der englischen Fassung meines Werkes Dinero, Crédito Bancario y Ciclos Económicos, welches zuerst 1998 auf Spanisch erschien, in den Händen zu halten. Diese Übersetzung beinhaltet eine geringe Zahl von Verbesserungen hinsichtlich der zweiten spanischen Auflage vom Januar 2002 und ist das Ergebnis der großartigen Bemühungen von Melinda A. Stroup, welche das erste englische Manuskript des gesamten Buches verfasste. Diese englische Fassung wurde gründlich durch Dr. Jörg Guido Hülsmann geprüft. Seine Kommentare zu verschiedenen wichtigen Punkten verbesserten das Manuskript substantiell. Zudem möchte ich die Arbeit meines wissenschaftlichen Mitarbeiters Dr. Gabriel Calzada würdigen, der verschiedenen englische Ausgaben von seltenen Büchern aufstöberte, die nicht in Spanien erhältlich sind, und bestimmte Zitate und Referenzen nachschlug. Schließlich habe ich persönlich die letzte Version in ihrer Gesamtheit geprüft, um ihre Richtigkeit zu sichern. Ich bin dem Ludwig von Mises Institute und vor allem seinem Präsidenten, Lewellyn H. Rockwell, dafür sehr dankbar, dass er dieses Projekt mit diesem hohen Standard zur Vollendung gebracht hat. Jesús Huerta de Soto Señorío de Sarría Mai 2005 VORWORT DER DRITTEN SPANISCHEN AUFLAGE Obgleich in dieser dritten Auflage von Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen versucht wurde, soweit als möglich den Inhalt, die Struktur und die Seitennummerierung der zwei vorherigen Auflagen beizubehalten, war dies nicht in allen Fällen möglich. Denn es wurde die Möglichkeit genutzt, einige Gedankengänge und zusätzliche Klarstellungen, sowohl im Haupttext als auch in einigen wenigen Fußnoten, einzuführen. Gleichermaßen wurde die Bibliographie aktualisiert. So XIV
wurden neue Auflagen und Übersetzungen ins Spanische, die in den seit der letzten Auflage verflossenen vier Jahren das Licht der Welt erblickt haben, berücksichtigt. Ferner wurden einige neue Bücher und Artikel hinzugezogen, die zwar nicht sehr zahlreich, jedoch für den Inhalt der in diesem Buch behandelten Themen besonders relevant sind.3 Schließlich hat die Herausgeberin der englischen Version von Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen,4 Judith Thommesen, sehr sorgfältig und detailliert hunderte von Zitaten in Englisch und anderen Sprachen anhand ihrer Originale überprüft und dabei eine bedeutende Zahl von kleinen Errata entdeckt, die sogleich behoben worden sind, was auf diese Weise diese dritte Auflage noch perfekter gemacht hat. Für all das drücke ich ihr an dieser Stelle meine tiefste Dankbarkeit aus, die ich auch Dr. Gabriel Calzada, Dozent an der Universidad Rey Juan Carlos, für seine Mitwirkung bei der Überarbeitung und Verbesserung einiger bibliographischer Referenzen schuldig bin. Die Konjunktur wurde seit der letzten Auflage durch die große Umlaufsmittelinflation und den Anstieg der Staatsschulden geprägt, die notwendig waren, um den Irakkrieg zu finanzieren und den ansteigenden Ausgaben nachzukommen, die der „Wohlfahrtsstaat“ - bedrängt von schweren und unlösbaren Problemen - im Großteil der Länder der westlichen Welt erfordert. Das Geldangebot und der Zinssatz sind weiterhin manipuliert worden. Der Zinssatz fiel durch die Manipulation der amerikanischen Federal Reserve bis auf ein historisches Minimum von 1 Prozent, was auf diese Weise verhinderte, dass die Restrukturierung der Fehlinvestitionen, die vor der Rezession im Jahr 2001 begonnen worden war, beendet werden konnte. Dies alles hat eine neue Spekulationsblase im Immobilienmarkt und einen spektakulären Anstieg der Preise der Energieprodukte und Rohstoffe generiert. Diese Rohstoffe und Energieprodukte werden auf dem Weltmarkt für die neuen Investitionsprojekte, die vor allem im asiatischen Becken und, im Konkreten, in China 3 Unter allen diesen Werken ist es die Mühe Wert, das Buch von Roger W. Garrison, Time and Money: The Macroeconomics of Capital Structure, herausgegeben in London und New York von Routledge in 2001 (d.h. bereits drei Jahre nach der ersten spanischen Auflage von Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen), hervorzuheben. Die Arbeit von Garrison, die man als komplementäres Lehrbuch zu dem vorliegenden Werk betrachten kann, ist besonders wegen der Entwicklumg der österreichischen Analyse des Kapitals und der Konjukturzyklen im Kontext der verschiedenen Paradigma der modernen Makroökonomie bemerkenswert. Dabei benutzt Garrison eine Fokussierung und Sprache, die vollkommen mit der im Einklang steht, die vom Mainstream unserer Disziplin benutzt werden. Dies wird zweifellos zu einer Ausdehnung des Wissen unter Ökonomen um die allgemeine Notwendigkeit beitragen, die österreichische Sichtweise und ihre komparativen Vorteile zu berücksichtigen. Obgleich Garrisons Analyse nach unserer Meinung in seinen Erläuterungen eines exzessiven Mechanizismus schuldig ist und nicht ausreichend durch eine juristisch-institutionelle Sichtweise unterstützt wird, haben wir es dennoch als nützlich angesehen, die Übersetzung des Werks ins Spanische durch eine Team von Dozenten und Schülern unseres Lehrstuhl an der Universidad Rey Juan Carlos, angeführt von Dr. Miguel Ángel Alonso Neira, anzustoßen. Die Übersetzung wurde bereits in Spanien mit dem Titel Tiempo y dinero: la macroeconomía en la estructura del capital durch Unión Editorial (Madrid 2005) veröffentlicht. 4 Die englische Auflage wurde 2006 in großartiger Manier mit dem Titel Money, Bank Credit and Economic Cycles mit dem Beistand des Ludwig von Mises Institutes in Auburn, Alabama, dank der Unterstützung seines Präsidenten Lewellyn H. Rockwell herausgegeben.
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unternommen werden, quasi unbegrenzt nachgefragt. Es erscheint daher, dass wir uns in einer typischen Phase eines Konjunkturwendepunkts befinden, der jeder wirtschaftlichen Rezession vorangeht. Diese Einschätzung ist durch den jüngsten 180-Grad-Schwenk in der Geldpolitik der Federal Reserve, die in wenigen Monaten die Zinssätze bis auf 4 Prozent erhöht hat, bestätigt worden. Ich hoffe, dass diese neue Auflage ihren Lesern und Studierenden dabei helfen kann, die ökonomischen Phänomene der Welt, die sie umgeben, besser zu verstehen und dass die Spezialisten und Verantwortlichen der aktuellen Wirtschaftspolitik davon überzeugt werden, dass es unumgänglich ist, vom „social engineering“ im monetären und finanziellen Gebiet so schnell als möglich Abstand zu nehmen. Wenn dies geschieht, betrachte ich meine Hauptziele als weitestgehend erfüllt. Formentor, 28. August 2005 Jesús Huerta de Soto
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VORWORT DER ZWEITEN SPANISCHEN AUFLAGE Im Zuge des Erfolgs der ersten Auflage von Dinero, Crédito Bancario y Ciclos Económicos, welche schnell vergriffen war, bin ich erfreut, die zweite Auflage für spanischsprachige Leser vorzulegen. Um Verwirrungen zu vermeiden und die Arbeit von Wissenschaftlern und Forschern zu erleichtern, wurde die Gliederung, die Struktur und die Seitennummerierung der ersten Auflage beibehalten, obwohl das Buch gründlich durchgesehen wurde und alle Druckfehler eliminiert worden sind. Nach einem Jahrzehnt, dass von einer ausgedehnten Kreditexpansion und dem Herausbilden einer großen finanziellen Blase geprägt war, waren die ökonomischen Ereignisse von 1999 bis 2001 durch den Einbruch der Börsennotierungen und dem Heraufziehen einer Rezession charakterisiert, die jetzt die USA, Europa und Japan simultan erfasst. Diese Umstände haben die in diesem Werk präsentierte Analyse noch klarer und ausgeprägter illustriert als es zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung, Ende 1998, der Fall war. Während die Regierungen und Zentralbanken auf die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York reagiert haben, indem sie die Zinssätze manipulierten und auf historische Tiefststände reduzierten (1 Prozent in den USA, 0,15 Prozent in Japan und 2 Prozent in Europa), wird die massive Umlaufsmittelexpansion, die in das System injiziert wurde, nicht nur die notwendige Anpassung der realen Produktionsstruktur verlängern und hinauszögern, sondern könnte zudem zu einer gefährlichen Stagflation führen. Angesichts dieser bedenklichen wirtschaftlichen Umstände, die sich seit der Herausbildung des gegenwärtigen Bankwesens immer wieder wiederholt haben, hoffe ich, dass die Analyse, welche dieses Buch enthält, dem Leser helfen wird, die Phänomene zu verstehen und zu interpretieren, die ihn umgeben und dass sie einen positiven Einfluss auf die öffentliche Meinung, meine Universitätskollegen und die Dienststellen in Regierungen und Zentralbanken, die für die Wirtschaftspolitik zuständig sind, entfaltet. Mittlerweile sind verschiedene Rezensionen der ersten Auflage dieses Werks erschienen und ich bin ihren bedeutenden Autoren für ihre zahlreichen positiven Kommentare dankbar.5 Ein gemeinsamer Nenner in allen Rezensionen war die Forderung einer Übersetzung des Buches ins Englische, eine Aufgabe die jetzt vollendet ist. Es ist meine große Hoffnung, dass, so Gott will, die erste englische Auflage dieses Buches in Kürze in den Vereinigten Staaten veröffentlicht wird und somit einigen 5 Besonders dankbar für ihre Bemerkungen bin ich Leland Yeager (Review of Austrian Eonomics 14 Nr. 4 [2001]: 255) und Jörg Guido Hülsmann (Quarterly Journal of Austrian Economics 3 Nr. 2 [2000]: 85-88).
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der einflussreichsten akademischen und politischen Kreisen zugänglich gemacht wird. Zum Abschluss sei erwähnt, dass ich dieses Werk erfolgreich in meinen Vorlesungen verwendet habe, die der Geld-, Bank- und Konjunkturtheorie im Rahmen der Veranstaltung „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“ gewidmet sind; zunächst an der juristischen Fakultät der Universidad Complutense in Madrid und später an der juristischen und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universidad Rey Juan Carlos, die sich ebenfalls in Madrid befindet. Diese pädagogische Erfahrung basiert auf einem Fokus auf die ökonomische Theorie der Institutionen und einem entschieden multidisziplinären Ansatz und ich glaube, dass diese Methode einfach und erfolgreich in jeder Vorlesung angewendet werden kann, die mit der Banktheorie in Verbindung steht (Wirtschaftspolitik, Makroökonomie, und Geld- und Finanzmarkttheorie, etc.). Meine Erfahrung wäre ohne den großen Enthusiasmus und das leidenschaftliche Interesse, welche hunderte von Studenten beim Studieren und Diskutieren der im vorliegenden Werk enthaltenen Lehrinhalte bewiesen, nicht möglich gewesen. Dieses Buch, dem die Studenten, denen ich allen danke, ihre Anstrengungen gewidmet haben, richtet sich hauptsächlich an diese. Mögen sie weiterhin ihren kritischen Geist und ihre intellektuelle Neugier pflegen, während sie zu höheren und zusehends bereichernden Stufen ihrer humanistischen und universitären Bildung voranschreiten. 6 Jesús Huerta de Soto Madrid 6. Dezember 2001
6 Kommentare zu dieser zweiten Auflage sind herzlich willkommen und sind an [email protected] zu richten.
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EINLEITUNG Die ökonomische Analyse des Rechts ist in den letzten Jahren in den Blickpunkt gerückt und verspricht eines der fruchtbarsten Gebiete der Ökonomie zu werden. Ein Großteil der bis jetzt beendeten Arbeit ist stark von traditionellen neoklassischen Annahmen beeinflusst worden, vor allem durch das Konzept der reinen Maximierung im Gleichgewichtskontext. Die ökonomische Analyse des Rechts enthüllt die Unzulänglichkeiten des traditionellen Ansatzes vielleicht besser als irgendein anderer Zweig der Ökonomie. In der Tat sind die Rechtsinstitutionen so intim im täglichen Lehen involviert, dass es offenkundig schwierig ist, die traditionellen Annahmen der ökonomischen Analyse auf sie anzuwenden. Ich habe bereits an anderer Stelle versucht, die Gefahren darzulegen, welche die neoklassische Perspektive für die Analyse des Rechts birgt.7 Die ökonomische Analyse des Rechts ist sicherlich notwendig, sie erfordert jedoch eine weniger restriktive Methodologie als sie bis heute allgemein in Gebrauch war, eine, die besser diesem besonderen Forschungsgebiet angepasst ist. Die subjektive Sicht ist eine passendere Methode. Entwickelt von der Österreichischen Schule basiert sie auf dem Konzept des kreativen menschlichen Handelns und der unternehmerischen Funktion und impliziert eine dynamische Analyse der allgemeinen Prozesse der sozialen Interaktion. Diese Perspektive verspricht einen großen Beitrag für die künftige Entwicklung der ökonomischen Analyse des Rechts zu leisten. Außerdem haben die meisten bisher unternommenen Studien von Rechtsinstitutionen ausschließlich mikroökonomische Implikationen gehabt, weil, neben anderen Gründen, die Theoretiker einfach die traditionellen Analyseinstrumente der neoklassischen Mikroökonomie nahmen und sie zur Analyse des Rechts anwendeten. Dies ist zum Beispiel der Fall gewesen bei der ökonomischen Analyse von Verträgen und der zivilrechtlichen Haftung, des Insolvenzrechts, der Familie und sogar des Strafrechts und der Justiz. Sehr wenige ökonomische Analysen des Rechts haben hauptsächlich makroökonomische Implikationen hervorgebracht, was die schädliche jahrzehntelange Trennung der beiden Gebiete der Ökonomie reflektiert. Diese ist jedoch nicht notwendig. Es ist erforderlich, die Ökonomie als ein vereinigtes Ganzes zu erkennen, in dem die makroökonomischen Elemente fest in ihren mikroökonomischen Fundamenten verwurzelt sind. Außerdem werde ich versuchen zu zeigen, dass die ökonomische Analyse einiger Rechtsinstitutionen kritische Implikationen sowie Schlussfolgerungen hervorbringt, die hauptsächlich makroökonomischer Natur sind. Oder in anderen Worten, sogar wenn die Basisanalyse mikroökonomischer Natur ist, sind die 7 Vgl. Jesús Huerta de Soto, „The Ongoing Methodenstreit of the Austrian School,“ Journal des Économistes et des Études Humaines 8, Nr. 1 (März 1998): 75-113.
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Schlussfolgerungen und Ergebnisse, die sich aus ihr ergeben, makroökonomischer Natur. Mit dem Schließen der tiefen und künstlichen Kluft zwischen Mikro- und Makroökonomie, gelangen wir zu einer vereinigten theoretischen Einschätzung der Rechtsfragen in der ökonomischen Analyse des Rechts. Dies ist mein höchstes Ziel bei der ökonomischen Analyse des Vertrages des monetären depositum irregulare in ihren verschiedenen Facetten. Des Weiteren werde ich versuchen, mittels meiner Untersuchung Licht auf eines der undurchsichtigsten und komplexesten Gebiete der Ökonomie zu werfen: Die Theorie des Geldes, der Bankkredite und Konjunkturzyklen. Jetzt, da der Streitpunkt des Sozialismus zumindest aus theoretischer Sicht gelöst worden ist, 8 liegt die größte theoretische Herausforderung, mit welcher die Ökonomen in der Dämmerung des 21. Jahrhunderts konfrontiert sind, wahrscheinlich im Feld des Geldes, der Kredite und der Finanzinstitutionen. Die höchst abstrakte Natur der sozialen Beziehungen, die das Geld in seinen verschiedenen Formen involviert, macht diese Beziehungen außergewöhnlich schwierig zu verstehen und die korrespondierende theoretische Behandlung besonders komplex. Außerdem wurden in der finanziellen und monetären Sphäre der westlichen Welt eine Reihe von Institutionen entwickelt und eingeführt; nämlich Zentralbanken, Bankregulierung, ein Monopol der Geldemission und Wechselkurskontrollen. Diese Institutionen regulieren vollkommen den Finanzsektor aller Länder, wodurch dieser einem sozialistischen System der zentralen Planwirtschaft viel ähnliche) ist als es für eine wahre Marktwirtschaft angebracht wäre. Daher sind, wie ich versuchen werde zu beweisen, die Argumente, welche die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus begründen, vollkommen auf
den Finanzsektor anwendbar. Vertreter der Österreichischen Schule der
Nationalökonomie entwickelten ursprünglich diese Argumente, als sie zeigten, dass es unmöglich ist, eine Gesellschaft in einer koordinierten Weise mittels Befehlsgewalt zu organisieren. Wenn meine These richtig ist, muss die Unmöglichkeit des Sozialismus auch im Finanzsektor festgestellt werden. Des Weiteren wird die unvermeidbare Diskoordination, welche aus jeder Staatsintervention resultiert, eindringlich in den zyklischen Phasen des Aufschwungs und der Rezession enthüllt, die die gemischten Wirtschaftsformen der entwickelten Welt traditionell befallen. Jede theoretische Studie, die heutzutage versucht, die Gründe, Phasen, Abhilfen, und Möglichkeiten der Verhinderung der Konjunkturzyklen zu identifizieren, ist von größter Aktualität. In der Tat erfasst, während ich diese Zeilen schreibe (November 1997), eine ernste Finanz- und Bankkrise die 8 Jesús Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial (Madrid: Unión Editorial, 1992; 3. Aufl. 2005).
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asiatischen Märkte und droht auf Lateinamerika und die restliche westliche Welt hinüberzuspringen (das "hin" sollte vielleicht weg). Diese Krise entsteht im Sog einer trügerischen Periode der Prosperität, die ihrerseits den schweren finanziellen Krisen und ökonomischen Rezessionen folgte, welche die Welt in den frühen 90er Jahren und besonders am Ende der 70er Jahre erschütterten. Des Weiteren wurde in den Augen der gewöhnlichen Leute, der Politiker und der Mehrheit der theoretischen Ökonomen selbst, das Verständnis der wahren Gründe dieser Phänomene noch nicht erlangt. Ihr fortlaufendes und periodisches Auftreten werden ständig gleichermaßen von Politikern, Philosophen und Theoretikern des Interventionismus als Vorwand benutzt, eine Marktwirtschaft abzulehnen und ein steigendes Niveau von gewaltsamen Interventionen des Staates in die Wirtschaft und Gesellschaft zu rechtfertigen. Aus diesem Grunde ist es aus der Sicht der liberalen Doktrin von großem theoretischen Interesse, den Ursprung der Konjunkturzyklen wissenschaftlich zu analysieren und im Besonderen das ideale Modell eines finanziellen Systems einer wahrhaft freien Gesellschaft zu bestimmen. Liberale Theoretiker haben selbst untereinander noch abweichende Meinungen in diesem Gebiet und es bestehen nach wie vor große Meinungsunterschiede bezüglich der Rolle der Zentralbanken. Einerseits wäre es denkbar, die Zentralbanken zu erhalten, andererseits könnte sich ein free banking System als effektiver erweisen. Im letzteren Fall müssten die konkreten Regeln, welche die ökonomischen Agenten in einem vollkommen freien Finanzsystem befolgen müssten, geklärt werden. Ursprünglich sind Zentralbanken als das Ergebnis einer Reihe von Staatsinterventionen entstanden, die dazu hauptsächlich von verschiedenen Agenten des Finanzsektors (besonders von den Privatbanken selbst) angehalten wurden, welche es in vielen Fällen für erforderlich gehalten haben, sich Staatshilfe zu erbeten, um die Stabilität ihrer Geschäfte während rezessiver Phasen zu gewährleisten. Bedeutet dies, dass Zentralbanken ein unausweichliches evolutionäres Ergebnis einer Marktwirtschaft sind? Oder eher, dass die Art, mit der Privatbanken typischerweise Geschäfte gemacht haben und die ab einem bestimmten Zeitpunkt aus rechtlicher Sicht korrupt wurde, zu Finanzpraktiken führte, die ohne einen Kreditgeber letzter Instanz nicht aufrecht zu erhalten sind? Diese und andere Fragen sind von größtem theoretischen Interesse und sollten auf das sorgfältigste untersucht werden. Kurz gesagt ist mein Hauptziel die Entwicklung eines Forschungsplans, welcher die Bestimmung eines angemessenen Finanz- und Bankensystems für eine freie Gesellschaft zum Zweck hat. Ich werde dabei versuchen, multidisziplinär vorzugehen. Die Untersuchungen werden sich nicht nur auf das Studium der Rechtswissenschaft und der Rechtsgeschichte, sondern auch auf die XXI
ökonomische Theorie und besonders die Geld-, Kapital- und Konjunkturtheorie stützen. Außerdem wird meine Analyse einige historische ökonomische Ereignisse aus der Finanzwelt in ein anderes Licht rücken und die Evolution gewisser Tendenzen der Geschichte der Wirtschaftstheorie selbst, sowie der Entwicklung der verschiedenen Buchhaltungs- und Bankpraktiken, auf eine neue Weise illustrieren. Um die Finanzwelt richtig zu verstehen, ist die Integration der verschiedenen Disziplinen und Wissenszweige erforderlich und wir werden diese aus den drei Perspektiven betrachten, die ich für ein korrektes Begreifen aller sozialen Phänomene für erforderlich halte: die historisch-evolutionäre, die theoretische und die ethische Perspektive. 9 Das vorliegende Werk umfasst neun Kapitel. Im ersten beschreibe ich das rechtliche Wesen des Vertrages, des monetären depositum irregulare, mit besonderer Berücksichtigung seiner Hauptunterschiede zum Darlehensvertrag bzw. mutuum. Zusätzlich behandelt das erste Kapitel die unterschiedliche rechtliche Logik, die in diesen beiden Institutionen inhärent ist, ihre gegenseitige Unvereinbarkeit auf einem grundsätzlichen Niveau, und wie ihre verschiedenartige Regelung, traditionelle, universelle Rechtsprinzipien verkörpert, die zur Zeit des klassischen römischen Rechts entdeckt und entwickelt wurden. Kapitel 2 ist eine historische Studie ökonomischer Ereignisse. Dort betrachte ich die verschiedenen Weisen, mittels derer das traditionelle Rechtsprinzip, welches den Vertrag des depositum irregulare bestimmt, korrumpiert worden ist, hauptsächlich durch die Verlockung der ersten Bankiers das Geld ihrer Deponenten zu ihrem eigenen Gewinn zu nutzen. Die Interventionen des politischen Establishments haben auch eine bedeutende Rolle in diesem Prozess gespielt. Immer begierig, sich neue Einnahmequellen zu sichern, haben sich die Regierenden an die Bankiers gewandt, denen die Depositen anderer anvertraut waren, und haben versucht diese Geldmittel abzuschöpfen, wobei sie den Bankiers allerlei Arten von Privilegien gewährten, hauptsächlich die Ermächtigung, das Geld ihrer Deponenten zu ihrem eigenen Gewinn zu gebrauchen (natürlich unter der Bedingung, dass ein bedeutender Teil der Geldmittel den Politikern selbst geliehen wurde). Dieses Kapitel führt drei verschiedene Beispiele an (klassisches Griechenland und Rom, das Wiederaufleben des Bankwesen in den italienischen Städten des Mittelalters und die Belebung des Bankwesens in der Neuzeit), um den Prozess zu illustrieren, mit dem die traditionellen, den Vertrag des monetären depositum irregulare bestimmenden Rechtsprinzipien korrumpiert wurden und um die resultierenden ökonomischen Folgen zu umreißen. 9 Ich habe meine Theorie der dreifachen Annäherung an das Studium sozialer Fragen in Jesús Huerta de Soto, „Conjectural History and Beyond,“ Human Studies Review 6, Nr. 2 (Winter, 1988-89): 10 dargelegt.
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In Kapital 3 betrachte ich aus rechtlicher Sicht die verschiedenen theoretischen Versuche einen neuen Vertragstypus zu kreiren, unter welchen der Vertrag der monetären Bankdepositen gefasst werden könnte. Diese Versuche zielten darauf ab, das Verleihen der als Sichteinlagen erhaltenen Gelder durch die Banken an Dritte zu rechtfertigen. Ich versuche zu zeigen, dass die Rechtfertigungsversuche zu einem unlösbaren logischen Widerspruch führen und deshalb der Erfolglosigkeit geweiht sind. Außerdem werde ich erklären, wie die Folgen der privilegierten Bankpraktiken (vgl. Kapitel 2) tiefgründige Widersprüche und Schwächen in der Formulierung einer neuen rechtlichen und theoretischen Grundlage des Vertrages des monetären depositum irregulare entlarven. Der Versuch, eine solche Grundlage zu etablieren, geht bis ins Mittelalter zurück und setzt sich praktisch bis zum heutigen Tage fort. Wir werden die verschiedenen Anstrengungen betrachten, ein Rechtsprinzip sui generis zu formulieren, welches fähig ist, die heutigen monetären Bankdepositen in logischer und kohärenter Weise zu regeln. Ich komme zum Schluss, dass derartige Bemühungen keinen Erfolg haben können, weil die gegenwärtigen Bankpraktiken gerade auf einer Verletzung der traditionellen in den Eigentumsrechten inhärenten Prinzipien beruhen, die nicht verletzt werden können ohne ernste, dem Prozess der sozialen Interaktion abträgliche Folgen zu zeitigen. Die Kapitel 4,5,6 und 7 umfassen das Herz meiner ökonomischen Analyse, des Vertrags der Bankdepositen, so wie er sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, d. i. unter Verletzung traditioneller Rechtsprinzipien eine Teildeckung gebrauchend. Ich werde erklären, warum Hayeks bedeutende Intuition korrekt ist, nach der es, wenn man ein traditionelles Rechtsprinzip verletzt, früher oder später zu ernsten, der Gesellschaft schädlichen Folgen kommt. Aus theoretischer Sicht werde ich die Folgen analysieren, welche die gegenwärtige Bankpraxis der Nichtbeachtung der traditionellen Rechtsprinzipien beim Vertrag des monetären depositum irregulare auf die Schaffung von Geld, die intra- und intertemporäre Marktkoordination, die unternehmerische Funktion, und die Konjunkturzyklen zeitigt. Meine Konklusion ist, dass die wiederkehrenden, aufeinanderfolgenden Phasen des Aufschwungs, der Krise und der Rezession aus der Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien resultieren, auf die der Vertrag der monetären Bankdepositen basieren sollte. Sie haben ihre Ursache in den Privilegien, deren sich die Bankiers erfreuen und die von den Regierungen in gegenseitigem Interesse gewährt wurden. Wir werden die Konjunkturtheorie tiefgründig untersuchen und kritisch die alternativen Erklärungen würdigen, welche Monetaristen und Keynesianer für diese Art von Phänomenen anbieten.
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Kapitl 8 konzentriert sich auf die Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz. Die Kreation dieser Institution folgte unvermeidlich aus bestimmten Ereignissen. Wenn die Prinzipien, welche den Vertrag des depositum irregulare bestimmen sollten, verletzt werden, treten solch heftige und unentrinnbare Folgen auf, dass Privatbanken bald erkannten, dass sie sich an die Regierung wenden mussten, um eine Institution zu erlangen, die ihnen als Kreditgeber der letzten Instanz fungieren konnte und zu Krisenzeiten, die sich, wie die Erfahrung zeigte, früher oder später in wiederkehrender Form einstellten, für Unterstützung sorgen sollte. Ich werde mich bemühen, zu zeigen, dass sich die Zentralbanken nicht spontan als Ergebnis von Marktinstitutionen herausgebildet haben, sondern gewaltsam von der Regierung eingeführt wurden und dem Verlangen von mächtigen Interessengruppen entsprechen. Ich werde außerdem das gegenwärtige, auf dem Zentralbankwesen fußende Finanzsystem untersuchen und auf dieses die ökonomische Analyse der theoretischen Unmöglichkeit des Sozialismus anwenden. In der Tat basiert das gegenwärtige Finanzsystem auf dem Monopol, welches eine Regierungsbehörde bezüglich der wichtigsten Entscheidungen über die Art und Menge des Geldes und der Kredite, die geschaffen werden und in das ökonomische System eingespeist werden, innehat. Demnach handelt es sich beim Finanzmarkt um ein System der „zentralen Planwirtschaft“, welches einen hohen Grad an Interventionen involviert und zu einem großen Ausmaß „sozialistisch“ ist. Früher oder später wird das System unausweichlich mit der Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus konfrontiert, ein Theorem, nach welchem es unmöglich ist, irgendeine Sphäre der Gesellschaft, vor allem nicht die finanzielle, mittels Zwangsbefehlen zu koordinieren, da die Regierungsbehörde (in diesem Falle die Zentralbank) nicht in der Lage ist, die zu diesem Zwecke notwendige und relevante Information zu erlangen. Das Kapitel schließt mit einer Bewertung der jüngsten Kontroverse zwischen Zentralbank- und Free- Banking-Vertretern. Wir werden sehen, dass die jüngsten Free-BankingTheoretiker es nicht geschafft haben zu erkennen, dass ihr Plan einen Großteil seines Potenzials und theoretischen Gewichts verliert, wenn er nicht mit einem Aufruf begleitet wird, zu den traditionellen Rechtsprinzipien zurückzukehren, d. i. zu einem Bankwesen mit einer 100prozentigen Reservedeckung. Freiheit muss mit Verantwortung und der strikten Befolgung der traditionellen Rechtsprinzipien Hand in Hand gehen. Das neunte und letzte Kapitel legt ein ideales, kohärentes Modell eines Finanzsystems vor, welches die traditionellen Rechtsprinzipien respektiert und demnach auf der Erfordernis einer 100prozentigen Reservedeckung basiert. Außerdem werden die verschiedenen Argumente gegen meinen Vorschlag sorgfältig geprüft. Ich kritisiere sie und lege einen Übergang vom gegenwärtigen System zum vorgeschlagenen idealen System mit einem Minimum an Friktionen dar. Eine XXIV
Zusammenfassung der Hauptschlußfolgerungen zusammen mit ein paar zusätzlichen Überlegungen zu den Vorzügen des vorgeschlagenen Finanzsystems, schließt dieses Werk ab. Die hier untersuchten Prinzipien werden zudem auf gewisse, dringende praktische Fragen, wie die Errichtung eines neuen europäischen Geldsystems und moderner Finanzsysteme in den ehemaligen sozialistischen Volkswirtschaften, angewandt. Eine zusammenfassende Version der grundlegenden These dieser Arbeit wurde in einem Vortrag in der Mont Pèlerin Society in Rio de Janeiro im September 1993 präsentiert und erhielt die Unterstützung von
James M. Buchanan, dem ich dafür sehr dankbar bin. Eine schriftliche
spanische Fassung ist teilweise als die „Introducción Crítica“ der ersten spanischen Auflage von Vera C. Smiths Buch, The Rationale of Central Banking and the Free Banking Alternative10, erschienen. Sie wurde später in Französisch als Aufsatz mit dem Titel „Banque centrale ou banque libre: le débat théorique sure les réserves fractionnaires.“11 Ich möchte meiner Kollegin an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Madrider Universidad Complutense, Professor Mercedes López Amor, meine Dankbarkeit für ihre Hilfe bei der Suche der Quellen und Bibliographie bezüglich der Behandlung des monetären depositum irregulare im römischen Recht ausdrücken. Mein ehemaliger Professor Pablo Martín Aceña, von der Universität Alcalá de Henares (Madrid) wies mir ebenfalls bei meiner Untersuchung über die Entwicklung des Bankwesens während des Mittelalters den Weg. Luis Reig, Rafael Manzanares, José Antonio de Aguirre, José Luis Feito, Richard Adamiak aus Chicago, die Professoren Murray N. Rothbard (in seinen letzten Jahren) und Hans-Hermann Hoppe von der University of Nevada in Las Vegas, Manuel Gurdiel von der Universidad Complutense in Madrid, Pablo Vázquez von der Universität Cantabria (Spanien), Enrique Menéndeu Ureña von der Universidad Comillas (Madrid), James Sadowsky von der Fordham Universität, Pedro Tenorio von der U.N.E.D. (Spanien), Rafael Termes von der I.E.S.E. (Madrid), Raimondo Cubeddu von der Universität Pisa, Rafael Rubio de Urquía von der Universidad Autónoma in Madrid, José Antonio García Durán von der Universidad Central 10 Vera C. Smith, Fundamentos de la banca central y de la libertad bancaria (Madrid: Unión Editorial/Ediciones Aosta, 1993), S. 27-42 (The Rationale of Central Banking and the Free Banking Alternative [Indianapolis: Liberty Press, 1990].) 11 Jesús Huerta de Soto, „Banque centrale ou banque libre: le débat théorique sure les réserves fractionnaires,“ in Journal des Économistes et des Études Humaines 5, Nr. 2/3 (Juni-September 1994): 379:91. Dieser Aufsatz erschien später auf Spanisch mit dem Titel „La teoría del banco central y de la banca libre“ in meinem Buch, Estudios de economía política, Kap. 11, S. 129-43. Zudem wurden später zwei weitere Versionen dieses Aufsatzes veröffentlicht: eine auf englisch, mit dem Titel „A Critical Analysis of Central Banks and Fractional Reserve Free Banking from the Austrian School Perspective,“ in The Review of Austrian Economics 8, Nr. 2 (1995): 117-30: die andere dank Octavian Vasilescu, «Băncile centrale şi sistemul de free-banking cu rezerve fracţionare: o analiză critică din perspectiva Şcolii Austriece», Polis: Revista de Ştiinţe Politice 4, Nr. 1 (Bukarest, 1997): 145-57.
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de Barcelona (Spanien), und der Gelehrte José Antonio Linage Conde von der Universität San Pablo-C.E.U. in Madrid sind mir mit ihren Vorschlägen und bei der Beschaffung von Büchern, Aufsätzen und seltenen bibliographischen Referenzen zu Themen des Bank- und Geldwesens eine große Hilfe gewesen. Meine Studenten im Doktorandenprogramm der juristischen Fakultät der Universidad Complutense in Madrid, besonders Elena Sousmatzian, Xavier Sampedro, Luis Alfonso López García, Rubén Manso, Ángel Luis Rodríguez, César Martínez Meseguer, Juan Ignacio Funes, Alberto Recarte und Esteban Gándara, zusammen mit den Dozenten Óscar Vara, Javier Aranzadi und Ángel Rodríguez haben mir zahllose Vorschläge unterbreitet und sorgfältig daran gearbeitet, Tippfehler in verschiedenen früheren Versionen des Manuskripts zu korrigieren. Ich möchte ihnen allen meine Dankbarkeit ausdrücken und spreche sie, logischerweise, von aller Verantwortung hinsichtlich der Inhalte des vorliegenden Buches frei. Endlich möchte ich Sandra Moyano, Ann Lewis und Yolanda Moyano für ihre große Hilfe und Geduld beim Tippen und Korrigieren der verschiedenen Versionen des Manuskripts danken. Darüber hinaus bin ich, wie immer, meiner Frau, Sonsoles, für ihre Hilfe, ihr Verständnis und ihre ständige Ermutigung und Unterstützung während des ganzen Projekts dankbar. Dieses Werk ist ihr gewidmet. Jesús Huerta de Soto Formentor 15. August 1997
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1 DIE RECHTLICHE NATUR DES MONETÄREN DEPOSITUM IRREGULARE 1 EINE VORLÄUFIGE BEGRIFFSKLÄRUNG: LEIHVERTRÄGE (MUTUUM UND COMMODATUM) UND DEPOSITENVERTRÄGE
Nach dem Diccionario der Real Academia Española ist eine Leihe die Sache bzw. das Geld, welche eine Person einer anderen übergibt, damit letztere die Sache benutzt und danach zurück gibt.12 Traditionell gibt es zwei Arten von Leihen: die Leihe für den Gebrauch, in diesem Falle wird nur der Gebrauch des verliehenen Objekts übertragen und der Entleiher ist nach dem Gebrauch des Objektes zu dessen Rückgabe verpflichtet; und die Leihe für den Konsum, bei der das Eigentum des verliehenen Objekts übertragen wird. In letzterem Falle wird das Objekt für den Konsum übergeben und der Entleiher ist dazu verpflichtet, etwas von der gleichen Quantität und Qualität wie die Sache, die er ursprünglich erhalten und konsumiert hat, zurückzugeben.13 DER COMMODATUM Commodatum (lat.) ist ein realer Vertrag im guten Glauben bei dem eine Person, der Verleiher, einer anderen Person, dem Entleiher, ein spezifisches Objekt zum freien Gebrauch während eines bestimmten Zeitraumes anvertraut, wobei am Ende des Zeitraumes das geliehene Objekt seinem Eigentümer zurückgegeben werden muss.14 Der Vertrag wird als „Realvertrag“ bezeichnet, weil der Gegenstand übergeben werden muss. Ein Beispiel ist die Leihe eines Autos an einen Freund, damit dieser einen Ausflug unternehmen kann. Es ist eindeutig, dass in diesem Falle der Verleiher weiterhin der Eigentümer des entliehenen Objekts ist, und dass die empfangende Person dazu verpflichtet ist, das Objekt (das Auto) angemessen zu benutzen und am Ende des ausgemachten Zeitraumes (wenn der Ausflug beendet ist) zurückzugeben. Die Verpflichtung des Freundes, des Entleihers, ist es, das Objekt (das Auto) in seinem Besitz zu behalten, es angemessen zu behandeln (die Verkehrsregeln zu beachten und auf das Auto Acht zu geben, als wäre es sein eigenes), und es zurückzugeben, wenn der commodatum beendet ist (der Ausflug vorbei ist). 12
[ACHTUNG, DIE NUMMERIERUNG DER FUSSNOTEN SOLLTE HIER WIEDER BEI 1 BEGINNGEN]
Diccionario de la Real Academia Española , Escasa Calpe, Madrid 1992, S. 1179, der erste Eintrag zum Begriff „Leihe“. 13 Manuel Albaladejo, Derecho civil II, Derecho de obligaciones, vol. 2: Los contratos en particulat y las obligaciones no contractuales ( Barcelona: Librería Bosch, 1975), S. 304. 14 Juan Iglesias, Derecho Romano: Instituciones de derecho privado, 6. überarb. Aufl. (Barcelona: Ediciones Ariel, 1972), S. 408-09.
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DER MUTUUM Obgleich der commodatum von praktischer Bedeutung ist, besitzt das Verleihen von fungiblen15 (vertretbaren) und konsumfähigen Gütern wie Öl, Weizen und vor allem Geld, einen größeren ökonomischen Stellenwert. Der mutuum (lat.) ist ein Vertrag, in dem eine Person, der Darlehensgeber, einer anderen Person, dem Darlehensnehmer, eine bestimmte Menge an fungiblen Gütern anvertraut, und der Entleiher verpflichtet ist, nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes, die gleiche Menge an Gütern der gleichen Art und Qualität (tantundem im Lateinischen) zurückzugeben. Ein typisches Beispiel eines mutuums ist der Vertrag des Gelddarlehens, mit dem Geld als Paradebeispiel eines fungiblen Guts. Mittels dieses Vertrages wird heute eine bestimmte Menge an Geldeinheiten von einer Person an eine andere übergeben, indem der Besitz und die Verfügbarkeit des Geldes von der Person, welche das Darlehen vergibt, zu der Person, welche sie empfängt, übertragen wird. Die Person, welche das Darlehen erhält, ist dazu berechtigt, das Geld so zu benutzen als wäre es ihr eigenes, wobei sie verspricht, am Ende der verabredeten Laufzeit, die gleiche Menge an Geldeinheiten, welche sie entliehen hatte, zurückzugeben. Der mutuum bedingt einen Tausch von „Gegenwartsgütern“ gegen „Zukunftsgüter“, da er ein Darlehen von fungiblen Gütern darstellt. Deshalb wird für gewöhnlich beim mutuum im Gegensatz zum commodatum eine Zinsvereinbarung getroffen, weil die Menschen auf Grund der Zeitpräferenz (nach der, unter sonst gleichen Umständen, Gegenwartsgüter immer Zukunftsgütern vorgezogen werden) nur im Tausch gegen eine größere Anzahl von fungiblen Gütern in der Zukunft (am Ende der Laufzeit) dazu bereit sein werden, eine bestimmte Anzahl von fungiblen Gütern aufzugeben. Demnach ist gerade der Unterschied zwischen der Anzahl der ursprünglich übergebenen Einheiten und der Anzahl, die am Ende der Laufzeit durch den Darlehensnehmer übergeben wird, der Zins. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Falle des mutuums der Verleiher die Verpflichtung übernimmt, eine vorher bestimmte Anzahl von Einheiten dem Darlehensnehmer auszuhändigen. Der Darlehensnehmer, der das Darlehen erhält, übernimmt die Verpflichtung die gleiche Anzahl an Einheiten der gleichen Art und Qualität, die er erhalten hat, (tantundem) am Ende der im Vertrag festgelegten Laufzeit zurückzugeben. Außerdem muss er einen Zins zahlen, sofern dies in der Vereinbarung festgelegt worden ist, was allgemein der Fall ist. Die grundlegende Verpflichtung, die mit einem mutuum, bzw. dem Darlehen eines fungiblen Gutes, verknüpft ist, besteht in der Rückgabe - am Ende der festgelegten Laufzeit - der gleichen Anzahl an Einheiten der gleichen Art und in der gleichen 15 Fungible Güter sind derartige Güter, die durch andere Güter derselben Art substituiert werden können. Oder in anderen Worten sind sie Güter, die nicht einzeln betrachtet werden, sondern vielmehr in Form ihrer Menge, ihres Gewichts oder ihres Ausmaßes. Die Römer sagten, dass Dinge, quae in genere suo functionem in solutione recipiunt, fungible sind; d. i., res quae pondere numero mensurave constant. Verbrauchsgüter sind oft fungibel.
Qualität, wie die Erhaltenen, selbst wenn dem betroffenen Gut eine Preisänderung widerfahren ist. Das bedeutet, dass der Darlehensnehmer, da er nur das tantundem zurückgeben muss, wenn der vorher bestimmte Zeitraum endet, den Nutzen des zeitweiligen Eigentums der Sache empfängt und sich daher dessen vollständiger Verfügbarkeit erfreuen kann. Außerdem ist die festgesetzte Laufzeit ein grundlegendes Element eines Darlehens oder eines mutuums, da ein Zeitraum festgelegt wird, während dessen die Verfügbarkeit und das Eigentum des Gutes dem Darlehensnehmer zusteht und an dessen Ende dieser verpflichtet ist, das tantundem zurückzugeben. Ohne die explizite oder implizite Feststellung einer festgelegten Laufzeit kann der mutuum, bzw. das Darlehen nicht existieren.
DER DEPOSITENVERTRAG Während Leih- und Darlehensverträge (Commodatum und Mutuum) die Übertragung der Verfügbarkeit
des
Gutes
beinhalten,
welche
vom
Verleiher/Darlehensgeber
zum
Entleiher/Darlehensnehmer transferiert wird, erfordert eine andere Art von Verträgen, der Depositen- oder Verwahrungsvertrag, dass die Verfügbarkeit des Gutes nicht übertragen wird. In der Tat ist der Depositenvertrag (depositum im Lateinischen) ein Vertrag, bei dem eine Person, der Deponent, der im guten Glauben einer anderen Person, dem Depositar, ein bewegliches Gut anvertraut, damit es der Depositar bewacht, beschützt und zu jedem Zeitpunkt dem Deponent aushändigt, falls dieser es verlangt. Folglich wird das Depositum (bzw. Einlage) immer im Interesse des Deponenten genutzt. Der grundlegende Zweck der Einlage ist die Aufbewahrung und Bewachung des Gutes und dies impliziert für die Dauer des Vertrages, dass die vollständige Verfügbarkeit des Gutes beim Deponenten verbleibt, der das Gut zu jeder Zeit verlangen kann. Die Verpflichtung des Deponenten ist neben der Auslieferung des Gutes die Kompensation des Depositars für die Kosten der Einlage (falls eine solche Kompensation vereinbart wurde; falls nicht, ist das Depositum gebührenfrei). Die Verpflichtung des Depositars ist es, das Gut mit der höchsten Sorgfalt, welche für gute Eltern typisch ist, zu bewahren und zu beschützen, sowie das Gut unverzüglich dem Deponenten zurückzugeben, wenn dieser danach verlangt. Es ist eindeutig, dass im Gegensatz zu Leihen und Darlehen, die einen Zeitraum beinhalten, in dem die Verfügbarkeit des Gutes übertragen wird, im Falle des Depositums dies nicht so ist. Vielmehr wird das Depositum immer bereitgehalten und ist für den Deponenten verfügbar, und sie endet sobald er die Rückgabe des Gutes vom Depositar einfordert. DAS DEPOSITUM FUNGIBLER GÜTER ODER DAS DEPOSITUM IRREGULARE
Vielmals in unserem Leben wollen wir keine spezifischen Dinge deponieren (wie ein Gemälde, ein Schmuckstück, oder eine versiegelte, mit Münzen gefüllte Truhe), sondern fungible Güter (wie Ölfässer, Kubikmeter Gas, Scheffel Weizen, oder Tausende Euros). Das Depositum von fungiblen Gütern ist zweifellos auch ein Depositum, insofern, als sein Hauptelement die vollständige Verfügbarkeit der deponierten Güter für den Deponenten ist, wie auch die Verpflichtung des Depositars, die Güter gewissenhaft zu bewahren und zu beschützen. Der einzige Unterschied zwischen dem Depositum fungibler Güter und dem depositum regulare bzw. dem Depositum spezifischer Güter ist, dass bei ersterem die deponierten Güter unmerklich mit anderen Gütern derselben Art und Qualität vermischt werden (so wie es zum Beispiel bei einem Warenhaus, das Getreide oder Weizen lagert, in einem Öltank oder einer Ölraffinerie, oder in einem Banktresor der Fall ist). Wegen der ununterscheidbaren Mischung von unterschiedlichen deponierten Einheiten derselben Art und Qualität kann man zu der Auffassung kommen, dass das „Eigentum“ der deponierten Güter im Fall des Depositums fungibler Güter übertragen wird. In der Tat wird sich der Deponent, wenn er sein Depositum entnehmen will, logischerweise mit dem genauen Äquivalent hinsichtlich Quantität und Qualität des ursprünglich Deponierten zufrieden geben. Auf keinen Fall wird er dieselben spezifischen Einheiten, die er abgegeben hat, erhalten, weil die fungible Natur der Güter es unmöglich macht, diese individuell zu behandeln, da sie ununterscheidbar mit dem Rest der Güter, die der Depositar in seinem Besitz hält, vermischt worden sind. Das Depositum fungibler Güter, das die grundlegenden Eigenschaften eines Depositenvertrages besitzt, wird „depositum irregulare“16 genannt, weil eines seiner charakteristischen Elemente andersartig ist. (Im Fall des regelmäßigen Depositums, oder der Deponierung eines spezifischen Gutes wird das Eigentum nicht übertragen, sondern der Deponent ist weiterhin Eigentümer des Gutes, während im Fall der Depositen fungibler Güter das Eigentum an den Depositar übertragen wird). Nichtsdestoweniger müssen wir betonen, dass das Wesen des Depositums unverändert bleibt und dass das depositum irregulare vollständig die grundlegende Natur aller Depositen teilt: die Verpflichtung der sicheren Aufbewahrung und Bewachung. In der Tat besteht beim depositum irregulare immer die unmittelbare Verfügbarkeit für den Deponenten, der jederzeit zum Getreidespeicher, zum Öltank, 16 Mein Schüler César Martínez Meseguer argumentiert überzeugend, dass eine andere adäquate Lösung unseres Problems darin besteht anzunehmen, dass beim depositum irregulare keine wahre Übertragung des Eigentums erfolgt, sondern dass das Konzept des Eigentums sich abstrakt auf das tantundem oder die Quantität der deponierten Güter bezieht und das Eigentum als solches beim Deponenten verbleibt und nicht übertragen wird. Diese Lösung ist diejenige, die, den Fall der Vermischung einschließend, zum Beispiel in Artikel 381 des Spanischen Código Civil angeboten wird, indem anerkannt wird, dass „jeder Eigentümer in Proportion zu dem Teil, der ihm zusteht, Rechte erhalten wird.“ Obwohl das depositum irregulare traditionell anders interpretiert wurde (als eine wahre Übertragung des Eigentums der physischen Einheiten), erscheint es korrekter zu sein, das Eigentum abstrakt wie im Artikel 381 des Spanischen Código Civil zu definieren, wo angenommen wird, dass es keine Übertragung des Eigentums beim depositum irregulare gibt. Dies scheint außerdem die Sicht von Luis Díez-Picazo und Antonio Gullón, Sistema de derecho civil, 6. Aufl. (Madrid: Editorial Tecnos, 1989), Bd. 2, S. 468-70 zu sein.
oder Banktresor gehen und das Äquivalent der Einheiten, die er ursprünglich übergeben hat, entnehmen kann. Die entnommenen Güter werden das genaue Äquivalent hinsichtlich Quantität und Qualität der Güter haben, die er ausgehändigt hat; oder, wie die Römer sagten, das tantundem eiusdem generis, qualitatis et bonetatis. 2 DIE ÖKONOMISCHE UND SOZIALE FUNKTION DES DEPOSITUM IRREGULARE Depositen fungibler Güter (wie Geld), die auch unregelmäßige Depositen genannt werden, leisten eine wichtige soziale Funktion, welche nicht von den regelmäßigen Depositen, d.i. von Depositen spezifischer Güter, eingenommen werden kann. Es wäre sinnlos und sehr teuer Öl in separaten, nummerierten Behältern zu deponieren (d.h. als versiegelte Depositen, bei denen der Besitz nicht übertragen wird) , oder Geldscheine in individuell-nummerierte, versiegelte Umschläge zu stecken. Obgleich diese extremen Fälle regelmäßige Depositen darstellen würden, bei denen Besitz nicht übertragen wird, würden sie einen außerordentlichen Verlust an Effizienz und der Kostenreduzierung bedeuten, die daraus resultiert, dass die individuellen Depositen gemeinsam und von einander17 ununterscheidbar behandelt werden, ohne dass dies Kosten oder eine Einschränkung der Verfügbarkeit für den Deponenten bedeuten würde, der gleichsam zufrieden ist, wenn er auf Verlangen das tantundem in derselben Quantität und Qualität erhält, ohne dass dieses identisch mit dem spezifischen Inhalt ist, den er ursprünglich ausgehändigt hatte. Das depositum irregulare besitzt noch andere Vorteile. Beim depositum regulare bzw. beim Depositum spezifischer Güter, ist der Depositar nicht für den Verlust durch einen unvermeidbaren Unfall oder durch höhere Gewalt verantwortlich, während beim depositum irregulare der Depositar sogar im Falle höherer Gewalt verantwortlich ist. Deshalb dient, zusätzlich zu den traditionellen Vorteilen der direkten Verfügbarkeit und sicheren Aufbewahrung des ganzen Depositums, das unregelmäßige Depositum als eine Art Versicherung gegen die Möglichkeit des Verlusts durch unvermeidbare Unfälle. 18
DAS GRUNDLEGENDE ELEMENT DES MONETÄREN DEPOSITUM IRREGULARE Beim depositum irregulare nimmt die Verpflichtung der Bewachung und des Schutzes der 17 Im speziellen Fall des monetären depositum irregulare ist der gelegentliche Gebrauch von Kontenführungsdiensten, der von Banken angeboten wird, ein weiterer Vorteil. 18 Wie Pasquale Coppa-Zuccari klugerweise hervorhebt, a differenza del deposito regolare, l´irregolare gli garantisce la restituzione del tantundem nella stessa specia e qualitá, sempre ed in ogni caso. ... Il deponente irregolare è garantito contro il caso fortuito, contro il quale il depositario regolare non lo garantisce; trovase anzi in una condizione economicamente ben più fortunata che se fosse assicurato. (Vgl. Pasquale Coppa-Zuccari, Il deposito irregolare [Modena: Biblioteca dell´Archivio Guiridico Filippo Serafini, 1901], Bd. 6, S. 109-10)
deponierten Güter, welches das grundlegende Element aller Depositen ist, die Form der Verpflichtung an, immer die vollständige Verfügbarkeit des tandundems für den Deponenten zu gewährleisten. In anderen Worten: während beim depositum regulare das spezifische, deponierte Gut ständig sorgfältig und in individuo behütet werden muss, ist das, was beim Depositum fungibler Güter ständig bewacht, gesichert und verfügbar gehalten werden muss, das tantundem, d.i. das Äquivalent in Quantität und Qualität der ursprünglich ausgehändigten Güter. Das bedeutet, dass beim depositum irregulare die Aufbewahrung die Verpflichtung mit sich bringt, immer für den Deponenten Güter derselben Quantität und Qualität verfügbar zu halten, die entgegengenommen worden sind. Diese Verfügbarkeit ist im Fall der fungiblen Güter, obwohl die Güter ständig durch andere ausgetauscht werden, das Äquivalent zur Verwahrung in individuo im Fall der nicht fungiblen Güter. In anderen Worten: der Eigentümer des Getreidespeichers oder des Öltanks kann das spezifische Öl oder Getreide, das er erhält, entweder für seinen eigenen Gebrauch oder zur Rückgabe an einen anderen Deponenten benutzen, solange er dem originären Deponenten Öl und Weizen in derselben Quantität und Qualität, in der sie deponiert worden sind, verfügbar hält. Beim Gelddepositum gilt die gleiche Regel. Wenn man von einem Freund einen Zwanzig-Euro-Schein zum Deponieren erhält, kann man in Betracht ziehen, dass er einem das Eigentum der spezifischen Noten überträgt, und dass man diese für die eigenen Ausgaben oder zu irgendeinem anderen Gebrauch nutzen darf, solange man den äquivalenten Betrag (in Form eines anderen Zwanzig-EuroScheins oder zweier Zehn-Euro-Scheine) aufbewahrt, sodass man in dem Augenblick, indem er einen zur Rückzahlung auffordert, dies unverzüglich ohne Probleme und ohne einer Ausrede zu bedürfen vornehmen kann.19
19 Coppa-Zuccari hat dieses essentielle Prinzip des depositum irregulare am besten ausgedrückt, wenn er sagt, dass der Depositar risponde della diligenza di un buon padre di famiglia indipendentemente da quella che esplica nel giro ordinario della sua vita economica e guiridica. Il depositario invece, nella custodia delle cose ricevute in deposito, deve spiegare la diligenza, quam suis rebus adhibere solet. E questa diligenza diretta alla conservazione delle cose propie, il depositario esplica: in rapporto alle cose infungibili, con l´impedire che esse si perdano o si deteriorino; il rapporto alle fungibili, col curare di averne sempre a disposizione la medesima quantità e qualità. Questo tenere a disposizione una eguale quantità è qualità di cose determinate, si rinnovellino pur di continuo e si sostituiscano, equivale per le fungibili a ciò che per le infungibili è l´ esistenza della cosa in individuo. (Coppa-Zuccari, Il deposito irregolare, S. 95) Joaquín Garrigues vertritt die gleiche Meinung in Contratos bancarios (Madrid, 1971), S. 365, und ebenso formuliert Juan Roca Juan seine Auffassung in seinem Aufsatz über das Gelddepositum (Comentarios al Código Civil y Compilaciones Forales, herausgegeben von Manuel Albaladejo, Band 22, vol. 1, Editorial Revista del Derecho Privado EDERSA [Madrid, 1982], S. 246-55), in dem er zu der Schlußfolgerung gelangt, dass die Aufbewahrungsverpflichtung beim depositum irregulare gerade bedeutet, dass der Depositar die deponierte Menge zu jeder Zeit für den Deponenten verfügbar halten muss, und daher die Anzahl an Einheiten von der Art des Deponierten vorhalten muss, die notwendig ist, um die Menge zurückzugeben, wenn es von ihm verlangt wird. (S. 251) In anderen Worten: Im Falle des monetären depositum irregulare bedeutet die Aufbewahrungsverpflichtung die Erfordernis einer ständigen 100-prozentigen Bargeldreserve.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die zugrundeliegende Logik der Institution des depositum irregulare auf universellen Rechtsprinzipien beruht und nahe legt, dass das essentielle Element der Bewachung oder sicheren Aufbewahrung erfordert, dass das tantundem äquivalent zum originären Depositum, ständig dem Deponent verfügbar ist. DIE FOLGEN AUS DER NICHTERFÜLLUNG DER GRUNDLEGENDEN VERPFLICHTUNG DES DEPOSITUM IRREGULARE Wenn die Verpflichtung der sicheren Aufbewahrung des Depositums nicht erfüllt wird, wird es logischerweise notwendig, den Deponenten zu entschädigen. Und wenn der Depositar in betrügerischer Absicht gehandelt hat und das deponierte Gut für seinen eigenen persönlichen Gebrauch verwendet hat, hat er die Straftat der Veruntreuung begangen. So begeht jemand beim regelmäßigen Depositum, wenn er z.B. als Depositum ein Gemälde empfängt und es zu seinem eigenen Gewinn verkauft, die Straftat der Veruntreuung. Die gleiche Straftat liegt beim depositum irregulare fungibler Güter vor, wenn der Depositar die deponierten Güter zu seinem eigenen Gewinn nutzt, ohne das äquivalente tantundem dem Deponent jederzeit bereitzuhalten. Dies wäre der Fall des Öldepositars, der in seinem Tank eine Ölmenge ungleich der gesamten deponierten bereithält, oder des Depositars, der ein Gelddepositum erhält und es in irgendeiner Art zu seinem eigenen Nutzen verwendet (indem er es selbst ausgibt oder verleiht), ohne jederzeit ein Reservedeckung von 100-Prozent beizubehalten.20 Der Strafrechtsexperte Antonio Ferrer Sama legt dar, dass man, falls das Depositum in einer Geldmenge und der Verpflichtung, die gleiche Menge zurückzugeben, besteht (depositum irregulare), und der Depositar das Geld nimmt und es zu seinem eigenen Gewinn benutzt, unterscheiden muss welche der folgenden Situationen vorliegt, um dadurch seine kriminelle Haftung zu bestimmen: Zu dem Zeitpunkt zu dem er sich das Geld aneignet, verfügt der Depositar über eine Liquidität, die ausreicht, um jederzeit die Menge, die er als Depositum erhielt, zurückzuzahlen; oder, im Gegenteil, zu dem Zeitpunkt zu dem er sich das Geld aneignet, verfügt er nicht über genügend eigenes Bargeld, um seine Verpflichtung zu erfüllen, dem 20 Andere verwandte Straftaten liegen vor, wenn der Depositar die Nummer der Depositenzertifikate oder -belege fälscht. Dies wäre der Fall des Öldepositars, der falsche Depositenbelege für den Handel mit Dritten ausgibt, und im Allgemeinen, der Fall jedes Depositars eines fungiblen Gutes, der Zertifikate oder Belege in einer Menge ausgibt, die die tatsächlich deponierte Menge übersteigt. Es ist offensichtlich, dass es sich in diesem Fall um die Straftaten der Dokumentenfälschung (der Ausgabe der falschen Belege) und Betrug (wenn bei der Ausgabe der Belege die Intention besteht, dritte Parteien zu täuschen und einen spezifischen Gewinn zu erzielen) handelt. Untenstehend werden wir untermauern, dass die historische Entwicklung des Bankwesen auf dem Begehen krimineller Akte wie dem „Geschäft“ der Banknotenemission basiert.
Deponent jederzeit sein Geld auf Verlangen zurückzuzahlen. Im ersten Fall liegt die Straftat der Veruntreuung nicht vor. Wenn indes zu dem Zeitpunkt zu dem sich der Depositar die deponierte Menge aneignet, dieser nicht genügend Bargeld hat, um seine Verpflichtungen gegenüber dem Deponent zu erfüllen, ist er der Veruntreuung schuldig und zwar von genau dem Augenblick an, in dem er die deponierten Güter für seinen eigenen Gebrauch nutzt und nicht mehr das tantundem äquivalent zu dem originären Depositum besitzt.21 DIE
ANERKENNUNG
DER
GRUNDLEGENDEN
RECHTSPRINZIPIEN,
DIE
DAS
MONETÄRE DEPOSITUM IRREGULARE REGELN (RESERVEDECKUNG VON 100%), IN GERICHTSURTEILEN Bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein haben Gerichtsurteile in Europa eine Reservedeckung von 100-Prozent, die Verkörperung des essentiellen Elements der Bewachung und sicheren 21 Antonio Ferrer Sama, El delito de apropiación indebida (Murcia: Publicaciones del Seminario de Derecho Penal de la Uiversidad de Murcia, Editorial Sucesores de Nogués, 1945), S. 26-27. Wie wir im Text gezeigt haben und wie auch Eugenio Cuello Calón darlegt (Derecho penal, Barcelona: Editorial Bosch, 1971, Band 2, Spezialabschnitt, 13. Aufl, Vol. 2, S. 952-53), wird das Verbrechen in dem Moment begangen, in dem die Aneignung oder Veruntreuung geschieht, und die Straftat leitet sich tatsächlich von der Intention ab, die Aneignung vorzunehmen. Da die Intention der Aneignung privater Natur ist, muss sie aus dem Ergebnis externer Handlungen, wie der Entäußerung, dem Konsum oder dem Verleih des Gutes abgeleitet werden. Diese Handlungen finden im Allgemeinen lange vor der Entdeckung durch den Deponenten statt, der, wenn er versucht, sein Depositum zu entnehmen, überrascht ist, dass der Depositar nicht in der Lage ist, ihm unverzüglich das entsprechende tantundem auszuhändigen. Miguel Bajo Fernández, Mercedes Pérez Manzano, und Carlos Suárez Gonzales (Manual de derecho penal, Spezialabschnitt, „Delitos patrimoniales y económicos“ [Madrid: Editorial Centro de Estudios Ramón Areces, 1993]) folgern ebenfalls, dass die Straftat in genau dem Augenblick begangen wird, in dem die Verfügung statt findet, unabhängig von den späteren Folgen, und dass das Vergehen als Straftat fortbesteht, sogar wenn das Objekt zurückgewonnen wird oder es dem Täter mißlingt einen Gewinn aus der Aneignung zu ziehen, ohne Rücksicht auf die Frage, ob der Depositar im Stande ist, das tantundem, wenn es verlangt wird, zurückzugeben (S. 421). Die gleichen Autoren bringen zu Tage, dass es eine nicht zu akzeptierende Lücke im spanischen Strafrecht gibt, während andere Rechtssysteme spezifische Regelungen für korporative Verbrechen und Treuebrüche [beinhalten], unter die man das widerrechtliche Verhalten der Banken hinsichtlich des depositum irregulare der Girokonten fassen könnte. (S. 429) Der Paragraph der im spanischen Strafrecht die Veruntreuung regelt, ist der Paragraph 252 (den Antonio Ferrer Sama erwähnt) des neuen Strafgesetzbuches von 1996 (Paragraph 528 des alten), der besagt: Die Strafen, die in Paragraph 249 oder 250 spezifiziert werden, werden auf jeden angewandt, der sich zum Schaden eines anderen, Geld, Wertpapiere oder irgendeine andere bewegliche Sache oder Vermögenswert aneignet oder unterschlägt, die er als Depositum, als Kommission oder treuhänderisch oder mittels eines anderen Anspruchs, der die Verpflichtung mit sich bringt, das Eigentum auszuliefern oder zurückzugeben, erhalten hat, wenn die angeeignete Menge einen Wert von 300 Euros übersteigt. Diese Strafen werden im Falle eines notwendigen Depositums um 50 Prozent erhöht. Zuletzt ist das gründlichste Werk über die strafrechtlichen Aspekte der Veruntreuung von Geld, das in extenso die Meinung der Professoren Ferrer Sama, Bajo Fernández und anderer behandelt, von Norberto J. De la Mata Barranco zu nennen, Tutela penal de la propiedad y delitos de apropiación: el dinero como objeto material de los delitos de hurto y apropiación indebida (Barcelona: Promociones y Publicaciones Universitarias [PPU, Inc.], 1994) vor allem S. 407-08 und 512.
Aufbewahrung beim monetären depositum irregulare, gefordert. Am 12. Juni 1927 verurteilte das Pariser Gericht einen Banker wegen Veruntreuung, weil er, wie es allgemeine Bankpraxis war, die Geldmittel benutzte, die ein Kunde bei ihm deponiert hatte. Am 4. Januar 1934 bestätigte ein weiteres Urteil desselben Gerichts diese Position.22 Darüberhinaus fällte, als die Bank von Barcelona Bankrott ging und protestierende Bankkonteninhaber forderten als Deponenten anerkannt zu werden, das Gericht des nördlichen Bezirks Barcelonas in erster Instanz ein Urteil, das sie als solche bestätigte und ihnen damit einen präferierten Status als Gläubiger einer Insolvenz und einen Anspruch auf Vermögenswerte zusprach. Diese Entscheidung beruht auf der Tatsache, dass das Recht der Banken die Gelder der Bankkonten zu benutzen notwendigerweise mit der Verpflichtung verbunden ist, die Verfügbarkeit dieser Gelder für die Bankkonteninhaber ununterbrochen zu gewährleisten. Folglich schloß diese rechtliche Einschränkung der Verfügbarkeit die Möglichkeit aus, dass die Banken die auf den Bankkonten hinterlegten Gelder als ihnen alleine zugehörig betrachten konnten.23 Obwohl das höchste spanische Gericht nicht die Gelegenheit hatte über den Bankrott der Bank von Barcelona zu entscheiden, führte sein Urteil vom 21. Juni 1928 zu einer ähnlichen Schlußfolgerung: Nach der üblichen von der Rechtsprechung anerkannten Handelspraxis besteht der Vertrag des Gelddepositums in einem Depositum bei einer Person, die, obwohl sie nicht die Verpflichtung eingeht, dem Deponenten dieselben Gelder und Werte aufzubewahren, die übergeben worden sind, den hinterlegten Betrag in ihrem Besitz behalten muss, mit der Absicht, den Betrag teilweise oder vollständig in dem Moment, in dem der Deponent dies verlangt, zurückzugeben; der Depositar erwirbt nicht das Recht, die Einlage für seine eigenen Zwecke zu nutzen, da er, verpflichtet die Einlage im dem Moment zurückzugeben, in dem dies von ihm verlangt wird, ständig genügend Bargeld in seinem Besitz vorhalten muss.24 3 DIE GRUNDLEGENDEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEM MONETÄREN DEPOSITUM IRREGULARE UND DEM DARLEHENSVERTRAG An dieser Stelle ist wichtig, die fundamentalen Unterschiede zwischen dem monetären depositum 22 Diese Gerichtsentscheidungen sind in Jean Escarras Principes de droit commercial, S. 256, zu finden; Garrigues erwähnt sie zudem in Contratos bancarios, S. 367-68. 23 „Dictamen de Antonio Goicoecha,“ in La Cuenta corriente de efectos o valores de un sector de la banca catalana y el mercado libre de valores de Barcelona (Madrid: Imprenta Delgado Sáez, 1936),S. 233-89, vor allem S. 263-64. Garrigues bezieht sich auch auf diese Urteil in Contratos bancarios, S. 368. 24 José Luis García-Pita y Lastres zitiert dieses Urteil in seinem Aufsatz „Los depósitos bancarios de dinero y su documentación“, der in La revista de derecho bancario y bursátil (Centro de Documentación Bancaria y Bursátil, Oktober-Dezember 1993), S. 919-1008, vor allem S. 991 erschien. Garrigues bezieht sich auch auf dieses Urteil in Contratos bancarios, S. 387.
irregulare und dem Darlehensvertrag zu bewerten und zu betonen. Wie wir später in verschiedenen Kontexten sehen werden, stammen ein Großteil der Verwirrung und viele rechtliche und ökonomische Irrtümer hinsichtlich unseres Themas vom fehlenden Verständnis der Unterschiede der beiden Verträge. DAS AUSMASS, IN DEM EIGENTUMSRECHTE IN BEIDEN VERTRÄGEN ÜBERTRAGEN WERDEN Zunächst ist es notwendig, hervorzuheben, dass das Unvermögen zwischen dem depositum irregulare und dem Darlehen zu unterscheiden,
aus der überhöhten und unangemessenen
Bedeutung entspringt, die, wie wir schon wissen, der Tatsache gegeben wird, dass man beim monetären depositum irregulare oder dem Depositum eines anderen fungiblen Gutes der Ansicht sein kann, dass das Eigentum des hinterlegten Gutes dem Depositar übertragen wird. „Genau wie“ es bei einem Darlehen oder mutuum der Fall ist. Dies ist die einzige Ähnlichkeit der beiden Verträge, die viele Gelehrte dazu veranlasst hat, diese ohne Grund durcheinander zu bringen. Wir haben bereit gesehen, dass beim depositum irregulare die Übertragung des „Eigentums“ ein zweitrangiges Erfordernis ist, welches darin begründet liegt, dass der Gegenstand des Eigentums ein fungibles Gut ist, welches nicht individuell übergeben werden kann. Wir wissen auch, dass viele Vorteile darin bestehen, die Einlage mit anderen Mengen des gleichen Gutes aufzubewahren und die individuellen Einheiten undifferenziert zu behandeln. In der Tat mag es, da nach strikten rechtlichen Bestimmungen nicht die Rückgabe der spezifischen Güter verlangt werden kann und dies auch physisch unmöglich ist, notwendig erscheinen, anzunehmen, dass ein „Transfer“ des Eigentums im Sinne der individuellen, spezifischen Einheiten, die deponiert worden sind, vorliegt, weil diese voneinander ununterscheidbar sind. Damit wird der Depositar der „Eigentümer“, indes nur in dem Sinne, dass er, solange er weiterhin das tantundem bereithält, nach Belieben die einzelnen, ununterscheidbaren Einheiten verteilen kann. Dies ist das ganze Ausmaß, in dem Eigentumsrechte beim depositum irregulare übertragen werden. Beim Darlehensvertrag hingegen wird die gesamte Verfügbarkeit des geliehenen Gutes für die Dauer des Vertrages übertragen. Mithin ist es, selbst mit der einzigen möglichen „Ähnlichkeit“ zwischen dem depositum irregulare und dem Darlehensgeschäft (die angenommene „Übertragung“ des Eigentums), wichtig zu verstehen, dass diese Übertragung des Eigentums sehr verschiedene ökonomische und rechtliche Bedeutungen in beiden Verträgen besitzt. Vielleicht wäre es, wie wir in Fußnote fünf erklärt haben, das sinnvollste anzunehmen, dass beim depositum irregulare keine Übertragung des Eigentums vorliegt, sondern vielmehr, dass der Deponent jederzeit das Eigentum über das tantundem in einem
abstrakten Sinne inne hat. DIE
GRUNDLEGENDEN
ÖKONOMISCHEN
UNTERSCHIEDE
ZWISCHEN
BEIDEN
VERTRÄGEN Der Grund für den verschiedenen rechtlichen Inhalt beider Verträge ist auf ihren grundlegenden Unterschied zurückzuführen, der seinerseits in dem verschiedenen ökonomischen Wesen, auf dem beide basieren, begründet ist. So zeigt Ludwig von Mises mit seiner gewohnten Klarheit, dass, wenn wir nationalökonomisch unter Kredit den Tausch eines gegenwärtigen Gutes oder einer gegenwärtigen Leistung gegen ein künftiges Gut oder eine künftige Leistung verstehen, dann
ist es wohl nicht möglich, das fragliche Geschäft [unregelmäßige
Depositum] unter den Begriff des Kredites einzureihen. Der Deponent von Geldbeträgen, der im Austausch für die hinterlegte Summe eine jederzeit fällige Geldforderung erwirbt, die ihm ganz die gleichen Dienste leistet wie jene Summe, hat kein Gegenwartsgut gegen ein Zukunftsgut ausgetauscht. Auch die Forderung, die er durch die Deponierung erworben hat, stellt für ihn ein Gegenwartsgut dar. Die Hinterlegung des Geldes bedeutet für ihn keineswegs den Verzicht auf die unmittelbare augenblickliche Verfügung über seine Nutzwirkung. Er kommt zu dem Schluß: „Ein Kreditgeschäft liegt hier [beim Depositum] aber nicht vor, da das wesentliche Moment, der Tausch gegenwärtiger gegen künftige Güter, fehlt.“25 Mithin gibt es beim monetären depositum irregulare keinen Verzicht auf Gegenwartsgüter zugunsten einer größeren Menge von Zukunftsgütern am Ende der Zeitperiode, sondern vielmehr lediglich eine Änderung in der Art, in der über die Gegenwartsgüter verfügt wird. Diese Änderung wird vorgenommen, weil der Deponent in vielen Situationen es von seinem subjektiven Standpunkt aus als vorteilhafter empfindet (d. i. seinen Zielen zuträglicher), ein monetäres depositum irregulare vorzunehmen, in der das eigentliche deponierte Gut mit anderen Gütern derselben Art vermengt wird und als von ihnen ununterscheidbar behandelt wird. Erwähnt haben wir bereits neben weiteren Vorteilen die Versicherung gegen das Risiko des Verlustes durch einen unvermeidbaren Unfall und die Möglichkeit die Kontenführungsdienste zu nutzen, die Banken ihren Kunden bei einem Bankkonto anbieten. Im Gegensatz dazu ist das Wesen eines Darlehensvertrages fundamental verschieden. Das Ziel des Darlehensvertrages ist es gerade auf die Verfügbarkeit über 25 Ludwig von Mises, Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, 1924, S. 272, veröffentlicht von Duncker und Humblot in München und Leipzig. Die erste Auflage erschien 1912.
Gegenwartsgüter heute zugunsten des Gebrauchs des Darlehensnehmers zu verzichten, um dafür in der Zukunft eine im Allgemeinen größere Menge an Gütern am Ende der im Vertrag festgesetzten Laufzeit zu erhalten. Wir sagen „im Allgemeinen größere“, weil es wegen der Logik der Zeitpräferenz, die in allen menschlichen Handlungen inhärent ist und die besagt, dass, unter sonst gleichen Umständen, Gegenwartsgüter immer Zukunftsgütern vorgezogen werden, notwendig ist, den Zukunftsgütern einen Differenzbetrag in Form des Zinses hinzuzufügen. Andernfalls wäre es sehr schwierig jemanden zu finden, der bereit wäre, auf die Verfügbarkeit von Gegenwartsgütern zu verzichten, was die Voraussetzung für jedes Darlehen ist. Demzufolge ist der Unterschied zwischen beiden Verträgen aus ökonomischer Sicht vollkommen klar: der Vertrag des depositum irregulare enthält keinen Tausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter, während der Darlehensvertrag dies tut. Folglich wird beim depositum irregulare die Verfügbarkeit des Gutes nicht übergeben, sondern vielmehr bleibt das Gut ständig für den Deponenten verfügbar (trotz der Tatsache, dass in einem gewissen Sinne, vom rechtlichen Standpunkt aus, das „Eigentum“ gewechselt hat), während beim Darlehensvertrag immer eine Übertragung der Verfügbarkeit vom Darlehensgeber zum Darlehensnehmer besteht. Weiterhin enthält der Darlehensvertrag für gewöhnlich eine Zinsvereinbarung, während beim Vertrag des monetären depositum irregulare Zinsvereinbarungen contra naturam und absurd sind. CoppaZuccari erläutert mit seinem typischen Scharfsinn, dass die absolute Unmöglichkeit einer Zinsvereinbarung beim Vertrag des depositum irregulare vom rechtlichen Standpunkt aus als die direkte Folge des dem Deponenten zugestandenen Rechts, die Einlage jederzeit zu entnehmen, sowie der entsprechenden Verpflichtung des Depositars, das betreffende tantundem ständig dem Deponent verfügbar zu halten, zu sehen ist.26 Ludwig von Mises weist auch darauf hin, dass es für den Deponenten möglich ist, Depositen vorzunehmen, ohne irgendeine Art von Zinsen zu fordern, denn er schätzt auch die Forderung, welche er im Austausch für die Geldsumme erhält, nicht anders ab, ob er sie früher, später oder überhaupt niemals einzieht, und nur darum kann er, ohne seine wirtschaftlichen Interessen zu schädigen, derartige Forderungen gegen die Hingabe von 26 Conseguenza immediata del diritto concesso al deponente di ritirare in ogni tempo il deposito e del correlativo obbligo del depositario di renderlo alla prima richiesta e di tenere sempre a disposizione del deponente il suo tantundem nel deposito irregolare, è l´impossibilità assoluta per il depositario di corrispondere interessi al deponente. (Coppa-Zuccari, Il deposito irregolare, S. 292) Coppa-Zuccari betont auch, dass die Unvereinbarkeit des depositum irregulare und der Zahlung von Zinsen logischerweise nicht bei dem vollständig getrennten Fall zum Tragen kommt, bei dem ein Zins zugesprochen wird, weil der Depositar nicht auf Verlangen das Geld zurückgibt und damit zum Säumiger wird. Als eine Folge wurde das Konzept des depositum confessatum, wie wir sehen werden, während des ganzen Mittelalters systematisch als eine rechtliche List angewandt, um das kanonische Zinsverbot bei Darlehen zu umgehen.
Geld erwerben, ohne eine Vergütung für eine aus einer – eben nicht vorhandenen – Zeitdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung herrührende Wertungleichheit zu fordern.27 Angesichts der ökonomischen Grundlage des Vertrages des monetären depositum irregulare, der nicht den Austausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter beinhaltet, ergibt sich die ununterbrochene Verfügbarkeit zugunsten des Deponenten und die Unvereinbarkeit mit einer Zinsvereinbarung folgerichtig und direkt aus dem rechtlichen Wesen des Vertrages des depositum irregulare, der sich scharf vom rechtlichen Wesen des Darlehensvertrages abgrenzt.28 DER FUNDAMENTALE RECHTLICHE UNTERSCHIED ZWISCHEN BEIDEN VERTRÄGEN Das wesentliche rechtliche Element beim monetären depositum irregulare ist die Bewachung und sichere Aufbewahrung des deponierten Geldes. Für die Parteien, die sich dafür entscheiden, in depositum irregulare zu deponieren oder zu empfangen, ist dies das wichtigste Ziel bzw. der Vertragszweck.29 Dieser Zweck unterscheidet sich stark vom wesentlichen Zweck des Darlehensvertrages, nämlich der Übertragung der Verfügbarkeit des geliehenen Gutes an den Darlehensnehmer, sodass dieser es eine Zeit lang nutzen kann. Zwei weitere wichtige rechtliche Unterschiede ergeben sich aus dieser wesentlichen Verschiedenheit im Zweck beider Verträge. Erstens entbehrt der Vertrag des depositum irregulare einer Laufzeit, dem wesentlichen und kennzeichnenden Element eines Darlehensvertrages. In der Tat gibt es beim depositum irregulare zu keiner Zeit irgendeine Laufzeit, sondern es besteht vielmehr eine ständige Verfügbarkeit zugunsten des Deponents, der jederzeit das tantundem entnehmen kann. Im Gegensatz dazu ist es unmöglich, sich einen Darlehensvertrag vorzustellen ohne eine festgesetzte Laufzeit (während derer nicht nur das Eigentum übergeben wird, sondern während der auch der Darlehensgeber die Verfügbarkeit 27 Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 272. 28 Die Tatsache. dass Zinsvereinbarungen mit dem monetären depositum irregulare unvereinbar sind, bedeutet nicht, dass letzteres gebührenfrei sein sollte. In der Tat beinhaltet das depositum irregulare, im Einklang mit seiner eigentlichen Natur, die Festsetzung der Zahlung einer bestimmten Summe durch den Deponent an den Depositar für die Kosten der Aufbewahrung des Depositum oder die Kontoführung. Die Zinszahlung ist ein sinnvoller Indikator dafür, dass die grundlegende Verpflichtung der sicheren Aufbewahrung, die beim Vertrag des monetären depositum irregulare einzuhalten ist, geradezu sicher verletzt worden ist und dass der Depositar das Geld des Deponenten zu seinem eigenen Nutzen gebraucht, in dem er einen Teils des tantundem, welches er jederzeit für den Deponent verfügbar halten sollte, veruntreut. 29 J. Dabin, La teoría de la causa: estudio histórico y jurisprudencial, übersetzt von Franscisco de Pelsmaeker und überarbeitet von Francisco Bonet Ramón, 2. Aufl. (Madrid: Editorial revista de derecho privado, 1955), S. 24 ff. Dass der Zweck des Vertrags des depositum irregulare die Bewachung und sichere Aufbewahrung und verschieden vom Ziel des Darlehensvertrages ist, wird sogar von Autoren anerkannt, die wie García-Pita oder Ozcáriz-Marco nicht akzeptieren, dass die unvermeidbare, logische Konsequenz des Zwecks der sicheren Aufbewahrung die Erfordernis eine 100-prozentige Reservedeckung für Bankeinlagen ist. Vgl. José Luis García-Pita y Lastres, „Depósitos bancarios y protección del depositante,“ Contratos bancarios (Madrid: Colegios Notariales de España, 1996), S. 119-266, und vor allem 167-91; und Florencio Ozcáriz Marco, El contrato de depósito: estudio de la obligación de guarda (Barcelona: J.M. Bosch Editor, 1997), S. 37 und 47.
verliert), an deren Ende das tantundem des ursprünglich geliehenen Geldes zuzüglich Zinsen zurückzugeben ist.30 Der zweite grundlegende rechtliche Unterschied bezieht sich auf die Verpflichtung der beiden Parteien: Beim Vertrag des depositum irregulare besteht, wie wir wissen, die Verpflichtung, die im Wesen des Vertrages impliziert ist, die gewissenhafte Bewachung und sichere Aufbewahrung (wie sie von guten Eltern erwartet werden würde) des tantundem, welches ständig dem Deponenten bereit gehalten wird.31 Beim Darlehensvertrag existiert diese Verpflichtung nicht und der Darlehensnehmer darf den geliehenen Betrag in völliger Freiheit nutzen. In der Tat beziehen wir uns auf zwei sehr verschiedene Konzepte, wenn wir von der rechtlichen „Übertragung des Besitzes“ in den beiden Verträgen sprechen. Während die „Übertragung“ des Eigentums beim Vertrag des depositum irregulare (welche als Erfordernis der fungiblen Natur der deponierten Güter betrachtet werden könnte) nicht zeitgleich eine Übertragung der Verfügbarkeit des tantundem impliziert, besteht beim Darlehensvertrag eine vollständige Übertragung des Eigentums und der Verfügbarkeit des tantundem vom Darlehensgeber zum Darlehensnehmer.32 Die Unterschiede, die in diesem Abschnitt erfasst wurden, werden in der Tabelle 1-1 zusammengefasst.
30 Privatrechtsexperten stimmen geschlossen überein, dass eine Laufzeit wesentlich für einen Darlehensvertrag ist, im Gegensatz zum depositum irregulare, das keine Laufzeit besitzt. Manuel Albaladejo betont, dass am Ende der Laufzeit der mutuum endet und das Darlehen zurückgegeben werden muss (Vgl. z.B. Paragraph 1125 des Spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs). Er weist sogar darauf hin, dass wenn eine Laufzeit nicht explizit bestimmt worden ist, die Absicht des Darlehensnehmers, eine solche festzusetzen, angenommen werden muss, weil eine Frist durch die essentielle Natur des Darlehensvertrages erforderlich ist. In diesem Falle muss es einer dritten Partei (den Gerichten) erlaubt sein, die entsprechende Laufzeit festzulegen (diese Lösung wird im Paragraph 1128 des Spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs angewandt), Vgl. Albaladejo, Derecho civil II, Derecho de obligaciones, vol. 2, S. 317. 31 Eindeutig ist es das tantundem, welches dem Deponenten ständig bereit gehalten wird, und nicht dieselben spezifischen Einheiten, die deponiert worden sind. In anderen Worten gewinnt der Depositar keine wirkliche Verfügbarkeit, obgleich der Besitz der konkreten physischen, deponierten Einheiten übergeben wird und diese genutzt werden können, weil das, was er an spezifischen Einheiten, die er erhält, gewinnt, genau durch den notwendigen Verlust an äquivalenter Verfügbarkeit bezüglich anderer spezifischer Einheiten, die sich bereits in seinem Besitz befinden, ausgeglichen wird. Die Notwendigkeit liegt in der Verpflichtung begründet, dass tantundem ständig dem Deponent verfügbar zu halten. Beim monetären Depositenvertrag wird diese ständige Verfügbarkeit für den Deponent gewöhnlich mit dem Ausdruck „bei Sicht“ bezeichnet, was den wesentlichen, unmißverständlichen Zweck des Bankkontos oder des Vertrag der „Sicht“einlage veranschaulicht: das tantundem ständig dem Deponenten bereitzuhalten. 32 An dieser Stelle sollte die Aufmerksamkeit auf den Vertrag der „Termineinlage“ gelenkt werden, der die ökonomischen und rechtlichen Eigenschaften eines wahren Darlehens und nicht eines Depositums besitzt. Wir müssen betonen, dass dieser Gebrauch der Terminologie irreführend ist und den wahren Darlehensvertrag verschleiert, in dem Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter ausgetauscht werden, die Verfügbarkeit des Geldes für die Dauer einer festgesetzen Laufzeit übergeben wird und der Kunde das Recht hat, die korrespondierenden Zinsen zu beziehen. Diese verwirrende Terminologie macht es den Bürgern noch komplizierter und schwieriger zwischen einer wahren (Sicht)einlage und einem Darlehensvertrag (mit Laufzeit) zu unterscheiden. Gewisse ökonomische Agenten haben wiederholt und eigennützig von diesen Begriffen Gebrauch gemacht, um aus der bestehenden Verwirrung Nutzen zu ziehen. Die Situation verschärft sich noch weiter, wenn Banken, was recht oft geschieht, Termin“einlagen“ (welche wahre Darlehen sein sollten) anbieten, die de facto „Sicht“einlagen werden, weil die Banken die Möglichkeit anbieten, die Gelder jederzeit ohne Sanktion abzuheben.
TABELLE 1-1 WESENTLICHE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN ZWEI GRUNDLEGEND VERSCHIEDENEN VERTRÄGEN Monetäre depositum irregulare
Gelddarlehen Ökonomische Unterschiede
1. Gegenwartsgüter werden nicht gegen Zukunftgüter ausgetauscht. 2. Es besteht eine vollständige, kontinuierliche Verfügbarkeit zugunsten des Deponenten.
1. Gegenwartsgüter werden gegen Zukunftsgüter ausgetauscht. 2. Die völlige Verfügbarkeit wird vom Darlehensgeber zum Darlehensnehmer übertragen. 3. Es gibt keine Zinsen, da kein Tausch von 3. Es gibt Zinsen, da ein Tausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftgüter stattfindet. Gegenwartsgütern gegen Zukunftgüter stattfindet.
Rechtliche Unterschiede 1. Das wesentliche Element (und die Hauptmotivation des Deponents) ist die Bewachung und sichere Aufbewahrung des tantundem. 2. Es gibt keine Laufzeit für die Rückgabe des Geldes, vielmehr ist der Vertrag „auf Sicht“.
1. Das wesentliche Element ist die Übertragung der Verfügbarkeit der Gegenwartgüter an den Darlehensnehmer.
2. Der Vertrag erfordert die Festlegung einer Laufzeit für die Rückgabe des Darlehens und die Berechnung und Zahlung des Zinses. 3. Die Verpflichtung des Depositars ist es, das 3. Die Verpflichtung des Darlehensnehmers ist es tantundem dem Deponenten jederzeit verfügbar das tantundem am Ende der Laufzeit zu halten (100-Prozent Bargeldreserve). zurückzugeben und den vereinbarten Zins zu zahlen.
4 DIE ENTDECKUNG DER ALLGEMEINEN RECHTSPRINZIPIEN, DIE DEN VERTRAG DES MONETÄREN
DEPOSITUM
IRREGULARE
BESTIMMEN,
DURCH
RÖMISCHE
RECHTSEXPERTEN DIE ENTSTEHUNG VON TRADITIONELLEN RECHTSPRINZIPIEN NACH MENGER, HAYEK UND LEONI Die traditionellen, universellen Rechtsprinzipien, die wir im letzten Abschnitt in Verbindung mit dem Vertrag des monetären depositum irregulare behandelt haben, sind nicht in einem Vakuum
entstanden. Das Konzept des Rechts, verstanden als eine Reihe von Regeln und Institutionen, an welche die Menschen stetig, fortwährend und den Gewohnheiten folgend ihr Verhalten anpassen, ist in einem repetitiven, evolutionären Prozess entwickelt und verfeinert worden. Vielleicht einer von Carl Mengers wichtigsten Beiträgen war die Entwicklung einer vollständigen ökonomischen Theorie sozialer Institutionen. Nach seiner Theorie entstehen soziale Institutionen als das Ergebnis eines evolutionären Prozesses, in dem unzählige Menschen interagieren, von denen jeder Einzelne mit seiner eigenen kleinen persönlichen Habe an subjektiven Wissen, praktischen Erfahrungen, Wünschen, Angelegenheiten, Zielen, Zweifeln, Gefühlen, etc ausgestattet ist. Durch diesen spontanen, evolutionären Prozess bilden sich im Gebiet der Ökonomie und der Sprache wie auch des Rechts eine Reihe von Verhaltensmustern oder Institutionen heraus, die das Leben in der Gesellschaft ermöglichen. Menger entdeckte, dass Institutionen durch einen sozialen Prozess, der sich aus einer Vielzahl von menschlichen Handlungen zusammensetzt, entstehen. Dieser Prozess wird immer durch eine relativ kleine Gruppe von Individuen, Menschen aus Fleisch und Blut, angeführt, die in ihren jeweiligen historischen und geographischen Umständen als erste bestimmte Verhaltensmuster entdecken, die ihnen helfen, ihre Ziele effizienter zu erreichen. Diese Entdeckung initiiert einen dezentralen Prozess von Versuch und Irrtum, der viele Generationen umfasst und in dem sich jenes Verhaltensmuster allmählich immer weiter verbreitet, welches sich am effektivsten gegen soziale Unordnungen erweist. Somit findet ein unbewusster sozialer Prozess des Lernens und der Imitation statt, welcher erklärt, wie sich im Gefolge der erfolgreichsten und kreativsten Individuen deren Verhalten ausbreitet und von den restlichen Mitglieder der Gesellschaft übernommen wird. Zudem pflegen sich durch diesen evolutionären Prozess jene Gesellschaften auszubreiten und gegen andere soziale Gruppen durchzusetzen, welche als erste erfolgreiche Prinzipien und Institutionen annehmen. Obgleich Menger seine Theorie in Bezug auf den Ursprung und die Entstehung des Geldes entwickelt hat, erwähnt er auch, dass das gleiche theoretische Schema ohne Umstände für die Untersuchung des Ursprungs und der Entwicklung der Sprache und zudem für unser jetziges Thema, die rechtlichen Institutionen anwendbar ist. Daraus folgt die paradoxe Tatsache, dass die moralischen, rechtlichen, ökonomischen und linguistischen Institutionen, die am wichtigsten und unentbehrlichsten für das Leben des Menschen in der Gesellschaft sind, nicht durch den Menschen selbst geschaffen worden sind, weil ihm die notwendige intellektuelle Kapazität abgeht, um die gewaltigen Menge an verstreuten Informationen, die diese Institutionen mit sich bringen und generieren, zu assimilieren. Im Gegenteil, diese Institutionen entspringen unvermeidbar und spontan dem sozialen Prozess der menschlichen
Interaktion, der in Mengers Meinung der Hauptgegenstand der ökonomischen Forschung sein sollte.33 Mengers Ideen wurden später von F.A. von Hayek in seinen verschiedenen Werken über die Grundsätze des Rechts und der rechtlichen Institutionen34 sowie vor allem von Bruno Leoni weiterentwickelt. Leoni, ein italienischer Professor der Politikwissenschaften, hat als erster das Folgende in eine synoptische Theorie der Rechtsphilosophie verbunden: die ökonomische Theorie der sozialen Prozesse, die von Menger und der Österreichischen Schule entwickelt wurde, die altehrwürdige römische Rechtstradition, und die angelsächsische Tradition des rule of law. In der Tat ist es Bruno Leonis großer Verdienst, gezeigt zu haben, dass die Österreichische Theorie der Entstehung und Evolution der sozialen Institutionen perfekt durch das Phänomen des Gewohnheitsrechts illustriert wird, und dass dieses schon der römischen Klassischen Rechtsschule bekannt und von dieser formuliert worden war.35 Leoni, der Ciceros Wiedergabe von Catos Worten zitiert, betont besonders, dass die römischen Juristen wußten, dass das römische Recht nicht die persönliche Erfindung eines Menschen war, sondern vielmehr eine Kreation von vielen Menschen über Generationen und Jahrhunderte hinweg: [...] während unser Staat nicht durch die geistige Leistung eines, sondern vieler Männer, und nicht in einem Menschenleben, sondern in einer Reihe von Jahrhunderten und Menschenaltern geschaffen worden sei. Denn, so sagte er, nie habe eine so gewaltige Geisteskraft existiert, daß es je einen Menschen gegeben hätte, dem nichts verborgen blieb, und wenn selbst alle Geistesgaben in einen Menschen zusammenströmen, so könnten sie doch nicht in einem Augenblick so viel vorausschauen, daß sie alles erfaßten ohne eine langjährige praktische Erfahrung.36
33 Carl Menger, Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften und der Politischen Ökonomie insbesondere (Leipzig: Duncker und Humblot, 1883), vor allem S. 182. Menger selbst formuliert eloquent diese neue Frage, die das wissenschaftliche Forschungsprogramm, welches er für die Ökonomie vorschlägt, beantworten soll: Wieso vermögen dem Gemeinwohl dienende und für dessen Entwickelung höchst bedeutsame Institutionen ohne eine auf ihre Begründung gerichteten Gemeinwillen zu entstehen? (S. 163) Die beste und vielleicht brillanteste Zusammenfassung von Mengers Theorie des evolutionären Ursprungs des Geldes erschien in seinem Artikel „On the Origin of Money“, Economic Journal (Juni 1892): 239-55. Dieser wurde von Israel M. Kirzner erneut in dessen Classics in Austrian Economic: A Sampling in the History of a Tradition (London: William Pickering, 1994), Vol. 1, S. 91-106, veröffentlicht. 34 F.A. von Hayek, Die Verfassung der Freiheit (Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 4. Aufl. 2005); Recht, Gesetz und Freiheit (Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 2003); Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus (Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1996). 35 Vgl. Jesús Huerta de Soto, Estudios de economía política (Madrid: Unión Editorial, 1994), Kapitel 10, S. 121.28, und Bruno Leonis Werk, Freedom and the Law (Princeton, N.J.: D. Van Nostrand Company, 1961), welches eine grundlegende Lektüre für alle Juristen und Ökonomen ist. 36 [...] nostra autem res publica non unius esset ingenio, sed multarum, nec una hominis vita, sed aliquod constitutum saeculis et aetatibus, nam neque ullum ingenium tantum extitisse dicebat, ut, quem res nulla fugeret, quisquam aliquando fuisset, neque cuncta ingenia conlata in unum tantum posse uno tempore providere, ut omnia complecterentur sine rerum usu ac vetustate. (Marcus Tullius Cicero, De re publica, 2, 1-2, in: Cicero Staatstheoretische Schriften, 2. Aufl., Akademie-Verlag, Berlin, 1979, S. 251-252). Vgl. zudem Leoni, Freedom and the Law, p. 89). Leonis Werk ist in allen Belangen außergewöhnlich. Er enthüllt nicht nur die Parallele zwischen
Kurzgefasst war Leonis Meinung, dass sich das Recht in einem kontinuierlichen Prozesses des Ausprobierens herausbildet, in dem jedes Individuum seine eigenen Umstände und das Verhalten anderer berücksichtigt. Das Recht wird in einem evolutionären Prozess perfektioniert. 37 RÖMISCHE RECHTSSPRECHUNG Die Größe der klassischen römischen Rechtssprechung ist auf die Erkenntnis dieser wichtigen Wahrheit und auf die kontinuierlichen Anstrengungen der Rechtsgelehrten zurückzuführen, welche sie dem Studium, der Interpretation der Rechtsgewohnheiten, der Exegese, der logischen Analyse, dem Schließen von Gesetzeslücken und der Berichtigung von Fehlern widmeten, wobei sie alles mit der notwendigen Umsicht und Ruhe besorgten.38 Der Beruf der klassischen Juristen war eine richtige Kunst, dessen gleichbleibendes Ziel die Ermittlung und Definition des Wesens der rechtlichen Institutionen war, die sich im evolutionären Prozess der Gesellschaft entwickelt hatten. Des Weiteren maßten sich die klassischen Juristen niemals an, „originell“ oder „clever“ sein zu wollen. Vielmehr waren sie „die Diener von bestimmten fundamentalen Prinzipien, und wie Savigny herausstellt, liegt hierin ihre Größe begründet.“39 Ihr wichtigstes Ziel war die Entdeckung der universellen Prinzipien des Rechts, die unveränderlich und in der Logik der menschlichen Beziehungen inhärent sind. Es ist indes wahr, dass die soziale Evolution selbst oft der Anwendung dieser unveränderlichen universellen Prinzipien auf neue Situationen und Probleme, die ständig aus
Markt und Gewohnheitsrecht (oder common law) auf der einen Seite und Sozialismus und positiven Recht auf der anderen Seite, sondern er ist auch der erste Jurist, der begreift , dass Ludwig von Mises Argument der Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus als einen besonderer Fall ist des allgemeineren Prinzips, das kein Gesetzgeber allein und ohne irgendeine Art der kontinuierlichen Mitarbeit aller betroffenen Personen in der Lage sein würde, die Regeln aufzustellen, die das wirkliche Verhalten aller in den unzähligen Beziehungen mit allen anderen lenken. (S. 18-19) Für Infomationen über das Werk Bruno Leonis, dem Gründer der angesehenen Zeitschrift Il Politico im Jahre 1950, vgl. Omaggio a Bruno Leoni, Pasquale Scaramozzino, Hrsg. (Mailand: Ad. A. Guiffrè, 1969), und den Aufsatz „Bruno Leoni in Retrospect“ von Peter H. Aranson, Harvard Journal of Law and Public Policy (Sommer, 1988). Leoni war ein vielseitiger Mensch und äußerst aktiv in den Gebieten der universitären Lehre, des Rechts, der Unternehmung, der Architektur, der Musik und der Sprachwissenschaft. Er wurde auf tragische Weise in der Nacht vom 21. November 1867 von einem seiner Mieter ermordet, als er versuchte die Miete zu kassieren. Er wurde 54 Jahre alt. 37 In den Worten Bruno Leonis erfolgt eine Herausbildung des Rechts durch una continua serie de tentativi, che gli individui compiono quando pretendono un comportamento altrui, e si affidano al propio potere di determinare quel comportamento, qualora propio potere di determinare quel comportamento, qualora esso non si determini in modo spontaneo. (Bruno Leoni, „Diritto e politica,“ in seinem Buch Scritti di scienza politica e teoria del diritto [Mailand: A. Giuffrè, 1880], S. 240) 38 Tatsächlich war der Deuter des ius der prudens, d.h. der Rechtsgelehrte oder iuris prudens. Es war sein Aufgabe das Recht offen zu legen. Die Juristen versorgten die Individuen mit Rat und Beistand, unterwiesen sie in Geschäftspraktiken und Vertragsarten, boten Antworten zu ihren Fragen an und berieten Richter und Prätoren. Vgl. Juan Iglesias, Derecho romano: Instituciones de derecho privado, 6. überarb. Aufl. (Barcelona: Ediciones Ariel, 1972), S. 54-55. 39 Iglesias, Derecho romano: Instituciones de derecho privado, S. 56. Und vor allem Rudolf von Ihering, El espíritu del derecho romano, Clásicos del Pensamiento Jurídico (Madrid: Marcial Pons, 1997), vor allem 196-202 und 25153.
diesem evolutionären Prozess entstehen, benötigt.40 Ferner arbeiteten die römischen Juristen unabhängig und waren nicht im Staatsdienst. Trotz mehrfacher Versuche durch offizielle Rechtsexperten zu römischer Zeit, waren diese niemals in der Lage, der freien Praxis der Rechtssprechung ein Ende zu setzen. Letztere verlor niemals ihr gewaltiges Ansehen und ihre Unabhängigkeit. Die Jurisprudenz, bzw. Rechtswissenschaft, wurde im dritten Jahrhundert nach Christus eine unabhängige Profession. Die wichtigsten Juristen vor Christus waren Marcus Porcius Cato und sein Sohn Cato Licianus, der Konsul Mucius Scaevola, und die Juristen Quintus Mucius Scaevola, Servius Surpicius Rufus und Alfenus Varus. Im zweiten Jahrhundert nach Christus begann die klassische Ära. Die wichtigsten Juristen in dieser Zeit waren Gaius, Pomponius, Africanus und Marcellus. Im dritten Jahrhundert folgten ihrem Beispiel Papinianus, Paulus, Ulpianus und Modestinus neben anderen Juristen. Von dieser Zeit an erfreuten sich die Lösungen, die von diesen unabhängigen Juristen gefunden worden waren, eines so großen Ansehens, dass ihnen Gesetzeskraft zugesprochen wurde. Und um die Schwierigkeiten, die aus den unterschiedlichen Meinungen in den juristischen Schriften entstehen konnten, zu verhindern, wurde den Werken von Papinianus, Paulus, Ulpianus, Gaius, und Modestinus und den Lehren der von ihnen zitierten Juristen Gesetzeskraft gegeben, solange diese Referenzen durch Vergleiche mit den Originalschriften bestätigt werden konnten. Wenn diese Autoren unterschiedlicher Meinung waren, war der Richter gezwungen, der Lehre zu folgen, die von der Mehrheit verteidigt wurde; und in dem Falle einer Stimmengleichheit würde sich die Meinung Papinianus durchsetzen. Falls dieser nicht seine Meinung über den Sachverhalt vermittelt hatte, mußte der Richter frei entscheiden.41 Die klassischen römischen Juristen haben sich den Verdienst erworben, die wichtigsten Rechtsinstitutionen, die das Leben in der Gesellschaft möglich machen, als erste entdeckt, interpretiert und perfektioniert zu haben. Zudem war ihnen bereits, wie wir sehen werden, der Vertrag des depositum irregulare bekannt. Sie verstanden seine wesentlichen Prinzipien und umrissen seinen Inhalt und sein Wesen, wie wir zuvor schon dargelegt haben. Der Vertrag des depositum irregulare ist keine intellektuelle, abstrakte Kreation. Er ist die logische Konsequenz der menschlichen Natur, die sich in den vielfachen Akten der sozialen Interaktion und Kooperation manifestiert, welche sich selbst in einer Reihe von Prinzipien darstellen, die nicht missachtet 40 Der Beruf der interpretatio war sehr eng mit der Rolle des Beraters von Individuen, Prätoren und Richtern verknüpft und bestand in der Anwendung altehrwürdiger Prinzipien auf neue Anforderungen; das bedeutet die Ausdehnung des ius civile, selbst wenn keine neuen Institutionen formell gegründet wurden. (Francisco Hernández-Tejero Jorge, Lecciones de derecho romano [Madrid: Ediciones Darro, 1972], S. 30) 41 Erstmalig ergibt sich diese Gesetzeskraft aus einer Verfassung aus dem Jahr 426, die als das Zitationsgesetz von Theodosius und Valentinianus III bekannt ist. Vgl. Hernández-Tejero Jorge, Lecciones de derecho romano, S. 3
werden können, ohne schwerwiegende Folgen für das Netzwerk der menschlichen Kooperation zu zeitigen. Die große Bedeutung des Rechts in diesem evolutionären Sinne, durch die Wissenschaft der Rechtsexperten entdeckt und von seinen logischen Fehlern gereinigt, besteht in der Anleitung, die es den Menschen in ihrem täglichen Leben anbietet, obwohl die Menschen nicht in der Lage sein mögen, die spezifische Funktion jeder rechtlichen Institution gänzlich zu identifizieren und zu verstehen. Erst in der jüngsten Vergangenheit der Evolution des menschlichen Denkens ist es möglich geworden, die Gesetzes des sozialen Prozesses zu verstehen und die Rolle der verschiedenen Rechtsinstitutionen dürftig zu erfassen, wofür größtenteils die Beiträge der Nationalökonomie verantwortlich waren. Eine unserer wichtigsten Ziele ist die ökonomische Analyse der sozialen Konsequenzen, die sich aus der Verletzung der universellen Rechtsprinzipien ergeben, die den Vertrag des monetären depositum irregulare regeln. Im vierten Kapitel werden wir die theoretische ökonomische Analyse dieser rechtlichen Institution (des Vertrags des monetären depositum irregulare) beginnen. Das Wissen, welches wir heute von den universellen Rechtsprinzipien besitzen, die von den römischen Juristen entdeckt worden waren, ist uns durch das Werk von Kaiser Justinian überliefert, der in den Jahren 528-533 nach Christus die gewaltige Anstrengung unternahm, die Beiträge der klassischen römischen Juristen zusammenzutragen. Er schrieb sie in vier Bücher nieder (den Institutiones, den Digest, dem Codex Constitutionum und den Novellae) die seit der Ausgabe von Dionysius Gottfried42 als der Corps Juris Civilis bekannt sind. Die Institutiones sind ein grundlegendes Werk, welches sich an Studenten richtet und auf Gaius Instutitiones beruht. Der Digest oder Pandecta ist eine Zusammenstellung von klassischen Rechtstexten, die über 9000 Ausschnitte aus den Werken verschiedener angesehener Juristen umfasst. Passagen aus den Werken von Ulpianus, die ein Drittel des Digest ausmachen, zusammen mit Ausschnitten von Paulus, Papinianus und Julianus, nehmen einen größeren Raum des Buches ein als die restlichen Juristen zusammengenommen. Insgesamt erscheinen im klassischen römischen Recht Beiträge von 39 Spezialisten. Der Codex Constitutionum besteht aus einer chronologisch geordneten Sammlung von Gesetzen und Verfassungen der Kaiser (dem heutigen Konzept der Gesetzgebung entsprechend). Der Corpus endet mit den Novellae, welche die Verfassungen der Kaiser, die auf das Codex Constitutionum folgten, beinhalten.43
42 Corpus Juris Civilis (Gend: Dionysius Gottfried, 1583). 43 Justinian ordnete an, dass die notwendigen Veränderungen an den gesammelten Materialien vorgenommen wurden, sodass das Gesetz den historischen Umständen angemessen und der Perfektion so nahe als möglich sei. Diese Modifikationen, Korrekturen und Auslassungen werden interpolaciones und auch emblemata Triboniani, nach Tribonianus, dem Verantwortlichen für die Zusammenstellung, benannt. Seit der Entdeckung, dass eine bedeutende
Nach dieser kurzen Einführung werden wir uns nun den klassischen römischen Juristen und ihrem Verständnis des monetären depositum irregulare zuwenden. Es ist eindeutig, dass es als eine besondere Art des Depositums mit dessen wesentlichen Eigenschaften begriffen wurde und es als von völlig anderer Natur und Wesen als der mutuum bzw. Darlehensvertrag aufgefasst wurde. DER VERTRAG DES DEPOSITUM IRREGULARE IM RÖMISCHEN GESETZBUCH Der Depositenvertrag im Allgemeinen ist in Abschnitt 3 des 16. Buches des Digest mit dem Titel „Über das Deponieren und Entziehen“ (Depositi vel contra) erfasst. Ulpianus beginnt mit der folgenden Definition: Ein Depositum ist etwas, was von einem anderen zur sorgfältigen Aufbewahrung gegeben wird. Es wird derart genannt, weil ein Gut deponiert wird. Die Präposition de intensiviert die Bedeutung des Depositum, um zu zeigen, dass alle Verpflichtungen bezüglich der sicheren Verwahrung des Gutes der Ehrlichkeit dieser Person anvertraut sind.44 Ein Depositum kann entweder, im Fall eines spezifischen Gutes, ein depositum regulare sein, oder, im Falle des fungiblen Gutes, ein depositum irregulare.45 In der Tat erklärt Paulus in Nummer 31 des Titels 2 des Buches 19 vom Digest den Unterschied zwischen dem Darlehensvertrag bzw. mutuum und dem Depositenvertrag eines fungiblen Gutes und gelangt zu dem Ergebnis, dass wenn eine Person einen bestimmten Betrag an losem Geld deponiert, welches sie zählt und Anzahl der interpolaciones nach der Ära Justinians gemacht wurden, gibt einen ganzen Wissenszweig, der sich ihrem Studium widmet, um ihren Inhalt durch Vergleich, logische Analyse, das Studium der Anachronismen in der Sprache, etc. zu bestimmen. Vgl. Hernández-Tejero Jorge, Lecciones de derecho romano, S. 50-51. 44 Ulpianus, geboren in Tyros (Phoenizien) war Berater eines anderen großen Juristen, Papinianus. Zudem war er zusammen mit Paulus ein beratendes Mitglied der concilium principis und praefectus praetorio unter Alexander severus. Er wurde im Jahr 228 von den Prätorianern ermordet. Er war ein überaus produktiver Autor, der mehr für sein Wissen der juristischen Literatur als seine kreative Arbeit bekannt war. Er schrieb klar und war ein guter Kompilierer. Seine Werke werden besonders günstig in Justinians Digest hervorgehoben, von dem sie einen großen Teil einnehmen. Vgl. zu diesem Thema Iglesias, Derecho romano: Instituciones de derecho privado, S. 58. Die im text zitierte Stelle lautet in Latein wie folgt: Depositum est, quod custodiendum alicui datum est, dictum ex eo, quod ponitur, praepositio enim de auget depositum, ut ostendat totum fidei eiue commissum, quod ad custodiam rei pertinet. (Vgl. Ildefonso L. García del Corral, hrsg., Cuerpo de derecho civil romano, 6 Bände. [Valladolid: Editorial Lex Nova, 1988], Bd. 1, S. 963) 45 Allerdings tauchte, wie Pasquale Coppa-Zuccari scharfsinnig aufzeigt, der Ausdruck depositum irregulare nicht auf, bis er erstmalig von Jason de Maino benutzt wurde, der ein Kommentator des 15. Jahrhunderts von früheren Werken war und dessen Schriften in Venedig im Jahr 1513 veröffentlicht wurden. Vgl. Coppa-Zuccari, Il deposito irregolare, S. 41. Zudem befasst sich das ganze erste Kapitel dieses wichtigen Werkes mit der Behandlung des depositum irregulare im römischen Recht. Für eine exzellente, aktuelle Abhandlung auf Spanisch der bibliographischen Quellen über das depositum irregulare in Rom vgl. den Artikel von Mercedes López-Amor y García „Observaciones sobre el depósito irregular romano,“ in Revista de la Facultad de Derecho de la Universidad Complutense 74 (1988-1989), S. 341-59.
nicht versiegelt oder in etwas eingeschlossen übergibt, dann ist die Pflicht der empfangenen Person, den gleichen Betrag zurückzugeben.46 In anderen Worten: Paulus zeigt eindeutig, dass beim monetären depositum irregulare des Depositars einzige Verpflichtung darin besteht, das tantundem zurückzugeben, d. h. das Äquivalent in Quantität und Qualität der originären Einlage. Des Weiteren erhielt jemand, wann immer er ein monetäres depositum irregulare machte, ein geschriebenes Zertifikat oder eine Empfangsbestätigung. Dies wissen wir, weil Papinianus, in Paragraph 24, Titel 3 des 16. Buches des Digest, in Bezug auf das monetäre depositum irregulare sagt, Ich schreibe diesen Brief von meiner Hand um Dich zu informieren, damit Du weißt, dass die 100 Münzen, die Du mir heute durch den Sklaven und Verwalter Sticho anvertraut hast, in meinem Besitz sind und ich sie Dir unverzüglich zurückgeben werde, wann immer und wo immer Du es wünschst. Diese Stelle offenbart die unmittelbare Verfügbarkeit des Geldes für den Deponenten und den Brauch, diesem eine Empfangsbestätigung oder Quittung, den monetären depositum irregulare zertifizierend, zu geben, welche nicht nur der Beweis des Eigentumstitels war, sondern welche auch bei der Entnahme vorgelegt werden musste.47 Die wesentliche Verpflichtung der Depositar ist es, das tantundem ständig für die Deponenten bereit zu halten. Falls, aus irgendeinem Grund, der Depositar bankrott geht, haben die Deponenten ein Vorrecht vor allen anderen Anspruchstellern, wie Ulpianus in geschickter Weise erklärt (Paragraph 2, Nummer 7, Titel 3, Buch 16 des Digest):
46 Dies ist eigentlich eine Zusammenfassung , welche Paulus vom Digest des Alfenus Varus darlegte. Varus war Konsul im Jahr 39 n. Chr. und der Autor von 40 Büchern des Digest. Paulus seinerseits war ein Schüler des Scaevola und ein Berater des Papinianus während der Zeit, in der Papinianus ein Mitglied des kaiserlichen Rats unter Severus und Caracalla war. Er war eine sehr geistreiche, gelehrte Persönlichkeit un der Verfasser von zahlreichen Schriften. Die Stelle, die im Text zitiert wird, lautet im Lateinischen wie folgt: Idem iuris esse in deposito; nam si quis pecuniam numeratam ita deposuisset ut neque clausam, neque obsignatam traderet, sed adnumeraret, nihil aluid eum debere, apud quem deposita esset, nisi tantundem pecuniae solvere. (Vgl. Oldefonso L. García del Corral, hrsg., Cuerpo de derecho civil romano, 6 Bände. [Valladolid: Editorial Lex Nova, 1988], Bd. 1, S. 963) 47 Papinianus, geboren in Syrien, war ab dem Jahr 203 n. Chr. Praefectus Praetorio und wurde von Kaiser Caracalla im Jahr 212 zum Tode verurteilt, weil er sich weigerte den Mord an seinem Bruder Geta zu rechtfertigen. Mit Julianus teilte er die Reputation der angesehenste römische Jurist zu sein. Und nach Juan Iglesias „sind seine Schriften wegen ihres Scharfsinns, ihres Pragmatismus, wie auch ihres nüchternen Stils bemerkenswert.“ (Derecho romano: Instituciones de derecho privado, S. 58). Die im Text zitierte Stelle lautet im Lateinischen wie folgt: centum numos, quos hac die commendasti mihi annumerante servo Sticho actore, esse apud me, ut notum haberes, hac epitistola manu mea scripta tibi notum facio; quae quando volis, et ubi voles, confestim tibi numerabo. (García del Corral, Hrsg., Cuerpo de derecho civil romano, Bd. 1, S. 840)
Immer wenn sich Bankiers bankrott erklären, werden für gewöhnlich zunächst die Deponenten berücksichtigt. Das sind jene, die Geld deponiert hatten und nicht die, die ihr Geld den Bankiers für Zinsen überließen. Folglich haben, wenn die Güter einmal verkauft worden sind, die Deponenten Priorität vor jenen, die Privilegien haben und jene, die Zinsen erhalten haben, werden nicht berücksichtigt, als wenn sie ein Depositum aufgegeben hätten.48 Hier zeigt Ulpianus auch, dass Zinsen als mit dem monetären depositum irregulare unvereinbar betrachtet wurden und dass, wenn Bankiers Zinsen zahlten, die in Verbindung mit einem völlig anderen Vertrag geschah ( in diesem Falle, ein mutuum oder Darlehen für den Bankier, welches heute besser als der Vertrag einer „Termineinlage“ bekannt ist). Im Hinblick auf die Verpflichtungen des Deponenten wird im Digest (Buch 47, Titel 2, Nummer 78) ausdrücklich erklärt, dass derjenige, welcher ein Gut als Depositum erhält und es für einen anderen Zweck benutzt, als für den er es erhalten hat, des Diebstahls schuldig ist. Celsus stellt auch im gleichen Titel (Buch 47, Titel 2, Nummer 67) fest, dass das Aneignen des Depositums mit dem Zweck der Täuschung einen Diebstahl darstellt. Paulus definiert Diebstahl als „die betrügerische Aneignung eines Gutes, um, entweder aus dem Gut selbst oder von seinem Gebrauch oder Besitz, einen Gewinn zu erzielen; dies ist durch das Naturrecht verboten.“49 Wie wir sehen ist, was heute das Verbrechen der Veruntreuung genannt wird, in der Definition des Diebstahls im römischen Recht enthalten. Zudem folgert Ulpianus in Referenz zu Julianus: wenn jemand von mir Geld erhält, um einen Gläubiger von mir zu bezahlen, er selbst den gleichen Betrag dem Gläubiger schuldet, und er ihm in seinem Namen zahlt, dann begeht er Diebstahl. (Digest, Buch 47, Title 2, Nummer 52, Paragraph 16)50 In Nummer 3, Titel 24 (über „das Depositum“), Buch 4 der Codex Constitutionum des Corpus Juris civilis, welches die Verfassung, die unter dem Konsulat des Gordianus und des Aviola im Jahr 239 eingeführt wurde, ist die Verpflichtung, die vollständige Verfügbarkeit des tantundem zu 48 Quoties foro cedunt numularii, solet primo loco ratio haberi depositatiorum, hoc est eorum, qui depositas pecunias habuerunt, non quas foenore apud numularios, vel cum numulariis, vel per ipsos exercebant; et ante privilegia igitur, si bona venierint, depositariorum ratio habetur, dummodo eorum, qui vel postea usuras acceperunt, ratio non habeatur, quasi renuntiaverint deposito. (García del Corral, Hrsg., Cuerpo de derecho civil romano, Bd. 1, S. 837) 49 Furtum est contrectatio rei fraudulosa, lucri faciendi gratia, vel ipsius rei, vel etiam usu eius possessionisve; quod lege naurali prohibitum est admittere. (Ebenda, Bd. 3, S. 645) 50 Ebenda, S. 663.
gewährleisten wie auch der Tatbestand des Diebstahls, wenn das tantundem nicht verfügbar gehalten wird, sogar noch eindeutiger dargelegt. In der Verfassung weist Kaiser Gordianus den Austerus darauf hin, dass wenn Du eine Einlage machst, wirst Du nicht ohne Grund Zinsen fordern. Der Depositar wird Dir dankbar dafür sein, dass Du ihn der Verantwortung des Diebstahls enthebst, denn der, welcher wissend und willentlich das deponierte Gut zu seinem eigenem Gewinn gegen den Willen des Eigentümers nutzt, begeht auch das Verbrechen des Diebstahls.51 Abschnitt 8 der gleichen Quelle behandelt ausdrücklich den Fall der Depositare, die das Geld, welches sie als Einlage erhalten haben, verleihen, und so für ihren eigenen Gewinn nutzen. Es wird betont, dass eine solche Handlung das Prinzip der sicheren Aufbewahrung verletzt, die Depositare der Zinszahlung verpflichtet, und des Diebstahls schuldig macht, wie wir gerade in der Verfassung des Gordianus gesehen haben. In diesem Abschnitt lesen wir: Wenn eine Person, die Geld von Dir als Einlage erhalten hat, es in ihrem Namen, oder im Namen irgendeiner anderen Person, verleiht, sind sie und ihre Nachfolger selbstverständlich verpflichtet, die Vertrauensaufgabe zu erfüllen, die sie angenommen haben.52 Kurzum wird erkannt, dass jene, die das Geld als Depositum erhalten, oft versucht sind, es für sich selbst zu nutzen. Dies wird ausdrücklich an einer anderen Stelle des Corpus Juris Civilis (Novellae, Verfassung LXXXVIII, am Ende des ersten Kapitels) bestätigt. Zudem wird dort auf die Wichtigkeit der angemessenen Bestrafung dieser Handlungen hingewiesen, die nicht nur in einer Bestrafung des Depositars für den Diebstahl besteht, sondern ihm auch die Zahlung von rückständigen Zinsen auferlegt, „sodass, aus Angst vor diesen Strafen, die Menschen davon ablassen, einen teuflischen, dummen und perversen Gebrauch der Depositen zu machen.“53 Die römischen Juristen führten ein, dass, wenn ein Depositar nicht seiner Pflicht nach kam, das 51 Si depositi experiaris, non immerito etiam usuras tibi restitui flagitabis, quum tibi debeat gratulari, quod furti eum actione non facias obnoxium, siquidem qui rem depositam invito domino sciens prudensque in usus suus converterit, etiam furti delicto succedit. (Ebenda, Bd, 4, S. 490) 52 Si is, qui depositam a te pecuniam accepit, eam suo nomine vel cuiuslibet alterius mutuo dedit, tam ipsum de implenda suscepta fide, quam eius successores teneri tibi, certissimum est. (Ebenda, S. 491) 53 „Ut hoc timore stultorum simul et perversorum maligne versandi cursum in depositionibus homines cessent.“ Es ist eindeutigt, und wir werden dies später weiter ausführen, dass es bereits bewiesen worden ist, dass die Depositare einen perversen Gebrauch dem ihnen von den Deponenten anvertrauten Geldes machten. Vgl. ibid., Bd. 6, S. 31011.
tantundem unmittelbar auf Verlangen herauszugeben, dieser nicht nur eindeutig des vorherigen Verbrechens des Diebstahls schuldig war, sondern er auch für die rückständigen Zinsen haftbar war. Dementsprechend schreibt Papinian: Jener, welcher ein Depositum eines unversiegelten Geldpakets erhält und einwilligt, den gleichen Betrag zurückzugeben, jedoch dieses Geld zu seinem eigenen Gewinn nutzt, der muss für die Verzögerung der Auslieferung des Depositums Zinsen zahlen.54 Dieses vollkommen gerechte Prinzip steht hinter dem sogenannten depositum confessatum, welches wir genauer im nächsten Kapitel untersuchen werden und bezieht sich die Umgehung des kanonischen Zinsverbots durch die Verschleierung eines eigentlichen Darlehensvertrages oder mutuum als depositum irregulare, wobei dann die Rückzahlung absichtlich verzögert wurde, um so die Erhebung von Zinsen zu autorisieren. Wenn diese Verträge von Anfang an öffentlich als Darlehensverträge oder als mutuum bezeichnet worden wären, wären sie nach kanonischem Recht nicht erlaubt gewesen. Schließlich finden wir in den folgenden Auszügen (neben anderen) Hinweise, dass die römischen Juristen den grundlegenden Unterschied zwischen einem Darlehensvertrag bzw. mutuum und dem Vertrag des monetären depositum irregulare verstanden: Nummer 26, Titel 2, Buch 16 (Absatz von Paulus); Nummer 9, Punkt 9, Titel 1, Buch 12 des Digest (Ausschnitte von Ulpian); und Nummer 10 desselben Titels und Buchs. Indes wurden in dieser Hinsicht die klarsten und spezifischsten Anmerkungen von Ulpianus in Abschnitt 2, Nummer 14, Titel 5, Buch 17 des Digest gemacht, in denen er ausdrücklich folgert, dass „etwas zu verleihen eine Sache ist und etwas zu deponieren eine andere Sache“. Ulpianus legt fest, dass sobald die Güter des Bankiers verkauft worden sind und die Belange der Privilegierten beachtet worden sind, sollten die Leuten bevorzugt bedacht werden, die nach den bezeugten Dokumenten Geld in der Bank deponiert haben. Nichtsdestoweniger werden jene, die Zinsen von den Bankiers auf ihr deponiertes Geld erhalten haben, nicht getrennt vom Rest der Gläubiger behandelt werden; und dies aus gutem Grunde, denn zu verleihen ist eine Sache und zu deponieren eine andere.55
54 Qui pecuniam apud se non obsignatam, ut tantundem rederet, depositam ad usus proprios convertit, post moram in usuras quoque iudicoi depositi condemnandus est. (Ebenda, Bd. 1, S. 841) 55 In bonis mensularii vendundis post privilegia potiorem eorum causam esse placuit, qui pecunias apud mensam fidem publicam secuti deposuerunt. Set enim qui depositis numis usuras a mensulariis accepurunt, a ceteris creditoribus non seperantur; et merito, aliud est enim credere, aliud deponere. (Ebenda, Bd. 3, S. 386)
Aus den Worten von Ulpianus in diesem Abschnitt wird daher deutlich, dass Bankiers zwei verschiedene Arten von Funktionen ausübten. Einerseits akzeptierten sie Depositen, die kein Recht auf Zinszahlung beinhalteten und den Depositar verpflichteten, die vollständige und ständige Verfügbarkeit des tantundem zugunsten des Deponenten zu gewährleisten, welcher bei einem Bankrott ein absolutes Vorrecht besaß. Andererseits erhielten sie Darlehen (Mutuumverträge), die den Bankier verpflichteten Zinsen, an den Darlehensgeber zu zahlen, welcher keinerlei Vorrecht bei einem Bankrott innehatte. Weder hätte Ulpianus in seinen Schlußfolgerungen eine größere Klarheit in der Unterscheidung beider Verträge zeigen können, noch hätte er in den Lösungen der verschiedenen Fälle eine größere Gerechtigkeit an den Tag legen können. Die klassischen römischen Juristen entdeckten und analysierten die universellen Rechtsprinzipien, die den Vertrag des monetären depositum irregulare bestimmen. Und diese Analyse trifft natürlich mit der Entwicklung einer bedeutenden Geschäfts- und Finanzwirtschaft zusammen, in der die Bankiers eine wichtige Rolle erlangt hatten. Außerdem tauchten diese Prinzipien, trotz der ernsten ökonomischen und unternehmerischen Rezession, die durch den Untergang des Römischen Reichen und den Anbruch des Mittelalters bedingt war, später in den mittelalterlichen Gesetzbüchern verschiedener europäischer Länder, auch in Spanien, auf. In Las Partidas (Gesetz 2, Titel 3, Punkt 5) ist festgelegt, dass eine Person, die einwilligt, die Güter einer anderen Person zu verwahren, Teil eines depositum irregulare ist, bei dem ihr die Kontrolle der Güter übertragen wird. Nichtsdestoweniger ist sie, abhängig von den Vereinbarungen des jeweiligen Schriftstücks, verpflichtet, ein Gut bzw. den Wert, den der Vertrag jedem Gut zuweist,
für jedes Gut
zurückzugeben, welches aus dem Depositum verschwunden ist, entweder weil es mit der Erlaubnis des ursprünglichen Eigentümers verkauft wurde oder es aus anderen unerwarteten Gründen entfernt wurde.56 Des Weiteren wird im Fuero Real (Gesetz 5, Titel 15, Buch 3) unterschieden zwischen
Papinianus seinerseits schreibt, dass, wenn ein Depositar nicht seinen Verpflichtungen nachkommt, das Geld, um die Depositen zurückzugeben, nicht nur mit den deponierten Geldern, die sich im Vermögen des Depositars befinden genommen werden kann, sondern dazu alle Vermögenswerte des Betrügers genutzt werden können. Des Deponents Recht erstreckt sich nicht nur auf die deponierten Gelder, die sich noch im Vermögen des Bankiers befinden, sondern auf alle Vermögenswerte des Betrügers; und dies dient dem öffentlichen Nutzen angesichts der Notwendigkeit der Bankdienste. Indes haben notwendige Ausgaben immer Vorrang, da die Berechnung der Vermögenswerte nach Abzug dieser erfolgt. (Das hier reflektierte Prinzip der unbegrenzten Haftung der Bankiers befindet sich in Punkt 8, Titel 3, Buch 16 des Digest.) 56 In Las Partidas werden Depositen condesijos [versteckte Depositen] genannt. Im Gesetz 2 dieses Werkes lesen wir, dass die Kontrolle über das Eigentum der Güter, die einem anderen zur sicheren Aufbewahrung gegeben
dem Depositum „von abgezähltem Geld, unverarbeiteten Silber oder Gold“, welches von „einem anderen nach Gewicht“ in Empfang genommen wird, und dem Depositum, „welches versiegelt ist und nicht gezählt oder nach Gewicht gemessen wird,“ In ersten Fall „dürfen die Güter benutzt werden und Güter derselben Quantität und Qualität wie die empfangenen zurückgegeben werden. Im zweiten Fall „darf das depositum nicht benutzt werden und falls dies doch geschieht, muss das Doppelte zurückgezahlt werden.“57 Diese mittelalterlichen Gesetzbücher enthalten eine klare Unterscheidung zwischen dem depositum regulare eines spezifischen Gutes und dem depositum irregulare des Geldes und sie weisen darauf hin, dass bei letzterem Eigentum übertragen wird. Jedoch enthalten die Gesetzbücher nicht die wichtige Klarstellung, die im Corpus Juris Civilis gemacht wird, dass, obgleich das Eigentum „übertragen“ wird, die Verpflichtung der sicheren Aufbewahrung erhalten bleibt, ebenso wie die Pflicht, das Äquivalent in Quantität und Qualität (tantundem) des ursprünglichen Depositums ständig für den Deponenten bereitzuhalten. Vielleicht liegt der Grund für diese Auslassung in der steigenden Verbreitung des depositum confessatum. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die römische Rechtstradition die Institution des monetären depositum irregulare, seine bestimmenden Prinzipien, sowie die grundlegenden Unterschiede zwischen diesem Vertrag und anderen Rechtsinstitutionen oder Verträgen, wie das Darlehen bzw. Mutuum, richtig definiert hat. Im nächsten Kapitel werden wir verschiedene Wege betrachten, mit denen die grundlegenden Prinzipien, welche die menschlichen Interaktionen beim monetären depositum irregulare regeln (und besonders die im Vertrag impliziten Rechte der Verfügbarkeit und des Eigentums), allmählich über den Verlauf der Jahrhunderte als Resultat der verknüpften Handlungen der Bankiers und Politiker korrumpiert wurden. Wir werden die Umstände wie auch die Gründe analysieren, welche diese Entwicklung möglich machten. In Kapitel 3 werden wir die verschiedenen Versuche untersuchen, die von Juristen unternommen wurden, um die Verträge zu rechtfertigen, die sich entgegen den traditionellen Rechtsprinzipien nach und nach durchsetzten. Sodann werden wir in Kapitel 4 beginnen, die ökonomischen Konsequenzen dieser Entwicklung zu betrachten.
werden, wird nicht auf den Empfänger dieser Güter übertragen, außer wenn das Depositum bei der Abgabe gezählt, gewogen oder gemessen wird. Er muss jedoch das Gut oder eine Menge eines anderen zurückgeben, welche der Menge gleich ist, die ihm zur sicheren Aufbewahrung übergeben wurde. Dieses Thema wird mit äußerster Eloquenz und Klarheit in Las Partidas behandelt. Vgl. Las Siete Partidas, kommentiert durch den Universitätsabsolventen Gregorio López; Faksimile Ausgabe durch das Boletín Oficial del Estado [Eine offizielles Amtsblatt] (Madrid, 1985), Bd. 3, 5. Partida, Titel 3, Gesetz 2, S. 7-8. 57 Vgl. die Referenz von Juan Roca Juan hinsichtlich des Fuero Real in seinem Artikel über „El depósito de dinero,“ in Comentarios al Código Civil y Compilacones Forales, Bd. 1, Buch 22, S. 249.
2 HISTORISCHE VERLETZUNGEN DER DEN VERTRAG DES MONETÄREN DEPOSITUM IRREGULARE BESTIMMENDEN RECHTSPRINZIPIEN In diesem Kapitel werden wir anhand verschiedener Beispiele aufzeigen, wie die Bankiers im Verlauf der Geschichte die traditionellen Rechtsprinzipien des depositum irregulare verletzt haben;
und
wir
werden
die
Gründe
für
das
Versagen
der
gesellschaftlichen
Regulierungsmechanismen, diesen Missbräuchen Einhalt zu gebieten, betrachten. Wir werden auch die Rolle der Regierungen in diesem Prozess ins Auge fassen. Weit davon entfernt, sich darum zu bemühen, Eigentumsrechte bedingungslos zu verteidigen, unterstützten diese vielmehr beinahe von Beginn an die unrechtmäßigen Aktivitäten der Bankiers und gewährten diesen Ausnahmen und Privilegien, um aus deren Aktivitäten Vorteile für ihre eigenen Zwecke zu ziehen. Darin liegt die intime Komplizenschaft und Solidarität begründet, die traditionell (und noch heute existent) die Beziehungen zwischen Staats- und Bankinstitutionen bestimmt. Um zu verstehen, warum die verschiedenen Versuche misslangen, die Missbräuche juristisch zu rechtfertigen, müssen wir zunächst den rechtlich korrupten Ursprung der Teildeckung bei monetären Bankdepositen verstehen. Wir werden die Rechtfertigungsversuche in Kapitel 3 untersuchen.
1 EINLEITUNG Im letzten Kapitel haben wir die klare, kohärent rechtliche Natur des Vertrages des monetären depositum irregulare dargelegt. Zweifellos kannten jene, die anfangs Geld von ihren Mitmenschen zur sicheren Aufbewahrung erhielten, die Verpflichtungen, die sie auf sich nahmen, im Besonderen die Verpflichtung, das tantundem wie gute Eltern zu schützen und ständig dem Hinterleger verfügbar zu halten. Dies ist gerade die Bedeutung der sicheren Aufbewahrung beim Depositenvertrag eines fungiblen Gutes. Indes ist, während die rechtliche Natur des Vertrages des depositum irregulare klar und einfach zu verstehen ist, die menschliche Natur unvollkommen und schwach. Es ist daher verständlich, dass jene, welche die Gelddepositen empfingen, versucht waren, die Verpflichtung der sicheren Aufbewahrung zu verletzen und das Geld, welches sie für andere hätten verfügbar halten sollen, zu ihrem eigenen Zwecke zu gebrauchen. Die Versuchung war sehr stark: Ohne dass die Hinterleger es bemerkten, verfügten die Bankiers über große Geldsummen; und sofern die Gelder geschickt eingesetzt wurden, konnten bedeutende Gewinne bzw. Zinsen erzielt werden, welche die Bankiers behalten konnten, ohne dass irgendjemand öffentlich
geschädigt wurde.1 Angesichts der Schwäche der menschlichen Natur und der beinahe unwiderstehlichen Versuchung für die Banker, ist es verständlich, dass die traditionellen Prinzipien der sicheren Aufbewahrung, auf denen der Vertrag des monetären depositum irregulare ruht, von Beginn an auf eine verheimlichende Art verletzt wurde. Des Weiteren bemerkten - angesichts der abstrakten und verwirrenden Natur des Geldwesens - die meisten Bürger und die Mehrheit der Regierenden, denen es oblag, die moralischen und rechtlichen Prinzipien durchzusetzen, mit der Ausnahme von Einzelfällen dieses Phänomen nicht. Und als schließlich die Mißbräuche und Betrugsfälle an die Oberfläche kamen und besser verstanden wurden, hatte sich die Institution des Bankwesens schon so lange etabliert und eine solche Macht erlangt, dass es praktisch unmöglich war, die Mißbräuche effektiv zu zügeln. Außerdem erklärt die schrittweise Entdeckung, welche die Regierenden von der immensen Macht der Banken, Geld zu schaffen, machten, warum in den meisten Fällen die Regierungen zu Komplizen des Bankbetrugs wurden. Zudem erklärt dieser Entdeckungsprozess, warum die Regierungen den Bankern Privilegien gewährten und die betrügerische Aktivität als Tausch für die Möglichkeit direkt oder indirekt an den enormen Gewinnen zu partizipieren legalisierten. Auf diese Weise etablierten sie eine bedeutende alternative Quelle der Staatsfinanzierung.
Darüberhinaus wurde dieses Verkommen der traditionellen
Staatsaufgabe, Eigentumsrechte zu definieren und zu verteidigen durch den enormen und immer wiederkehrenden Ressourcenbedarf der Regierungen gefördert, der durch ihre historische Verantwortungslosigkeit und dem Fehlen einer finanziellen Kontrolle bedingt ist. Auf diese Weise wurde eine immer perfektere Symbiose oder Gemeinschaft an Interessen zwischen Regierungen und Bankiers geformt; eine Beziehung, die zu einem großem Maße bis heute existiert. Indes begann die oben dargestellte Situation trotz ihrer Komplexität von einigen distinguierten, scharfsinnigen Denkern schon vor langer Zeit verstanden zu werden. Doktor Saravia de la Calle schreibt in seinem Buch, Instrucción de mercaderes, die zerstörerischen Effekte des Bankwesen der Tatsache zu, dass des Menschen unersättliche Habgier seine Angst vor Gott und sein Schamgefühl so 1 Wir beziehen uns hier auf die offensichtlichste Gewinnquelle, die ursprünglich die Bankiers zum Missbrauch des Geldes der Hinterleger anregte. In Kapitel 4 werden wir eine Quelle noch größerer Gewinnen untersuchen: die Fähigkeit der Bankiers Geld zu emittieren sowie Darlehen und Depositen aus dem Nichts zu schaffen. Der daraus resultierende Gewinn ist um vieles größer; jedoch ist es, wie es sich bei einem abstrakten Prozess ergibt, klar, dass diese Art der Gewinnmöglichkeit noch nicht einmal von den Bankiers bis zu einem späten Punkt in der Evolution des Finanzwesen vollkommen verstanden wurde. Nichtsdestoweniger bedeutet die Tatsache, dass sie die zweite Gewinnart nicht verstanden, sondern nur intuitiv wahrnahmen, nicht, dass sie diese nicht vollständig ausgenutzt hätten. In Kapitel 4 werden wir erklären, wie die Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien durch die Bankiers mittels Teildeckungsbanken es ermöglicht, Darlehen aus dem Nichts zu schaffen, die dann in hartem Bargeld (und mit Zinsen) zurückgefordert werden. Kurz gesagt handelt es sich um einen konstante, privilegierte Finanzierungsquelle in der Form von Depositen, welche Bankiers aus dem Nichts schaffen und fortwährend für ihre eigenen Zwecke nutzen.
gründlich vertrieben hat und ich glaube sogar, dass dies auf die Nachlässigkeit der geistigen und weltlichen Führer der Republik zurückzuführen ist.2 Falls Saravia de la Calles Analyse irgendeine Schwäche beinhaltet, dann ist es das Übermaß an Großzügigkeit gegenüber den Führern der Republik. Er schreibt richtigerweise den Betrug beim depositum irregulare der Schwachheit oder Habgier des Menschen zu, aber er macht die Führer nur für ihre „Nachlässigkeit“ verantwortlich, den Missbräuchen kein Ende gesetzt zu haben. Die historischen Vorkommnisse enthüllen, dass, abgesehen von einer unleugbaren Nachlässigkeit, die Regierungen sich in vielen Fällen eindeutig und explizit die großen Gewinne des Bank“geschäfts“ zu Nutze gemacht haben. Außerdem werden wir sehen, dass die Regierenden in anderen Fällen den Bankiers nicht nur Privilegien gewährt haben, sodass diese ihre Aktivitäten ungestraft im Tausch für gewisse Gefälligkeiten durchführen konnten, sondern dass sie sogar Staatsbanken schufen, um sich die entsprechenden Gewinne direkt zu Nutzen zu machen. Obgleich sich die Bankaktivitäten vor langer Zeit entwickelten und praktisch mit der Entstehung des Geldes, dem Beginn des Handels und den ersten Ansätzen der Arbeitsteilung zusammenfielen,3 werden wir die Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien beim depositum irregulare durch Bankiers und Regierende anhand drei verschiedener historischer Fälle aufzeigen und illustrieren: die griechisch-römischen Welt; die mediterranen Handelsstädte des späten
2 Luis Saravia de la Calle, Instrucción de mercaderes ( Medina del Campo: Pedro de Castro, 1544; Madrid: Colección de Jozas Bibliográficas, 1949), Kapitel 8, S. 179. 3 Der Archäologe Lenor Mant hat in den Ruinen Babylons eine Tontafel mit einer Inschrift entdeckt, die den Handel zwischen den Städten und den Gebrauch von kaufmännischen und finanziellen Zahlungssmethoden bezeugen. Die Tafel erwähnt einen gewissen Ardu-Nama (der Wechselaussteller), der einen gewissen Marduk-Bal-at-Irib (der Wechselbezogene) der Stadt Orkoe anweist, in Ardu-Namas Namen die Summe von vier Minen und fünfzehn Schekel Silber in einem festgesetzten Zeitraum zu zahlen. Dieses Dokument ist mit dem 14. Arakhsamna des zweiten Jahres der Herrschaft des Nabonaid datiert. Der Forscher Hilprecht hat seinerseits in den Ruinen der Stadt Nippur die Summe von 730 gebrannten Tontafeln mit Inschriften entdeckt, von denen angenommen wird, dass sie aus dem Archiv einer Bank stammen, die in der Stadt 400 v. Chr. existierte und Nurashu und Söhne genannt wurde (vgl. „Origen y desenvolvimiento histórico de los bancos“, in Enciclopedia universal ilustrada europeo-americana [Madrid: Editorial Espasa-Calpe, 1979], Bd. 7, S. 477). Joaquín Trigo wiederum, abgesehen davon, dass er uns die obige Information liefert, berichtet, dass etwa um das Jahr 3300 v. Chr. der Tempel von Uruk der Eigentümer der Ländereien, die er verwaltete, war und Opfergaben und Depositen empfing, sowie Bauern und Händlern von Vieh und Getreide Darlehen gewährte und somit zur ersten Bank der Geschichte wurde. Im Britischen Museum finden wir auch Tafeln, welche die Finanzoperationen der Bank „Söhne des Egibi“ anzeigen. Die Folge der Tafeln zeigt, dass ab der Zeit der Assyrer und für mehr als 180 Jahre diese Institution von einer richtigen Finanzdynastie kontrolliert wurde. Der Kodex Hammurabi erleichterte die Übertragung von Eigentum und regulierte die mit ihm verbundenen Rechte sowie die Handelsaktivitäten auf das Genaueste. Ferner setzte er Höchstgrenzen der Zinssätze fest und etablierte sogar öffentliche Darlehen zu einem Zinssatz von 12.5 Prozent. Ebenso wurden Personengesellschaften reguliert wie auch die Buchführung. Die Manusmriti Indiens verweisen ebenso auf Bankund Finanzoperationen. Kurzum deutet vieles darauf hin, dass die ersten Finanzoperationen zwischen 2300 und 2100 vor Chr. vorgenommen wurden, obgleich das „Bank“geschäft sich zwischen 730 und 540 vor Chr. auszubreiten begann, als die Assyrer und die neuen babylonischen Dynastien einen sicheren Handel gewährleisteten, was zur Entstehung von spezialisierten Banken führte. Diese Aktivität breitete sich auch nach Ägypten aus und später von dort in die Antike griechische Welt (Joaquín Trigo Portela, „Historia de la banca,“ Kapitel 3 der Enciclopedia práctica de la banca (Barcelona: Editrial Planeta, 1989), Bd. 6, vor allem S. 234-37).
Mittelalters und des Beginns der Renaissance; und schließlich das Entstehen der ersten wichtigen Staatsbanken zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Des Weiteren führte die Evolution des Bankwesens in diesen drei separaten, historischen Fällen zu größtenteils den gleichen typischen Ergebnissen. In der Tat beobachten wir in jedem der Fälle, dass, sobald die Menschen begannen, die traditionellen Rechtsprinzipien zu verletzen, perverse Effekte die Folge waren, nicht nur in der Form von Bankzusammenbrüchen, sondern auch schwere finanzielle und wirtschaftliche Krisen. In den folgenden historischen Beispielen wurde jeweils der gleiche Betrug begangen, gefolgt von den gleichen typischen Etappen und Ergebnissen sowie den gleichen fehlgeschlagenen Versuchen die traditionellen Prinzipien der sicheren Aufbewahrung durchzusetzen. Die gleichen zerstörerischen Effekte folgen dann unerbittlich; und dieser Prozess wiederholt sich wieder und wieder bis zum heutigen Tag. Nun werden wir die Verletzung der Rechtsprinzipien und die Mittäterschaft der Regierenden beim Betrug und Missbrauch durch die Banken über die ganze Historie hinweg untersuchen.
2 DAS BANKWESEN IN GRIECHENLAND UND ROM Im antiken Griechenland fungierten Tempel als Banken, welche den Individuen und Monarchen Geld verliehen. Aus religiösen Gründen wurden Tempel als unantastbar betrachtet und wurden zur relativ sicheren Zufluchtsstätte für Geld. Außerdem besaßen sie ihre eigenen Milizen, um sich zu verteidigen und ihr Reichtum weckte das Vertrauen der Deponenten. Vom finanziellen Standpunkt her betrachtet waren die folgenden griechischen Tempel die Wichtigsten: der Apollotempel in Delphi, der Artemistempel in Ephesus und der Heratempel in Samos.
TRAPEZITEI ODER GRIECHISCHE BANKIERS Glücklicherweise stehen uns bestimmte dokumentarische Quellen über das Bankwesen Griechenlands zur Verfügung. Die erste und vielleicht wichtigste ist die Trapezitica,4 welche von 4 Raymond de Roover hebt hervor, dass der derzeit geläufige Begriff Bankier aus Florenz stammt, wo die Bankiers entweder banchieri oder tavolieri genannt wurden, weil sie hinter einer Bank (banco) oder einem Tisch (tavola) sitzend arbeiteten. Die gleiche Logik stand auch hinter der im antiken Griechenland gebräuchlichen Terminologie, wo die Bankiers trapezitei gerufen wurden, weil sie an einem trapeza, Tisch, arbeiteten. Aus diesem Grund ist Isokrates Rede „Über eine Bankangelegenheit“ für gewöhnlich als Trapezitica bekannt. Vgl. Raymond de Roover, The Rise and Decline of the Medici Bank, 1397-1494 (Cambridge, Mass.: Harvard Univeristy Press, 1963), S. 15. Der große Diego de Covarrubias y Leyva weist seinerseits darauf hin, dass die Entlohnung, die den Geldwechslern für den Tausch des Geldes gezahlt wurde, war bei den Griechen
Isokrates um das Jahr 393 vor Chr. verfasst worden ist.5 Es ist eine juristische Rede, in der Isokrates den Sohn eines Günstlings des Satyros, König des Bosporus, verteidigt. Der Sohn klagt Passio, einen Athener Bankier, der widerrechtlichen Aneignung eines Depositum an, welches diesem anvertraut worden war. Passio war ein ehemaliger Sklave anderer Bankiers (Antisthenes und Archetratos), deren Vertrauen er erworben hatte und deren Erfolg er sogar übertraf, wofür ihm das Athenische Bürgerrecht verliehen wurde. Isokrates juristische Rede beschreibt den Versuch des Passio, sich die seiner Bank anvertrauten Depositen anzueignen, indem er schwierige Umstände seines Deponenten ausnutzte, und indem er ohne Skrupel täuschte, Urkunden fälschte und stahl, sowie
bestach. Auf jeden Fall ist diese Rede so bedeutend für unser Thema, dass es unsere
Anstrengung Wert ist, einige seiner Passagen im Detail zu betrachten. Isokrates beginnt seine Argumentation mit dem Hinweis, dass es sehr gewagt ist, einen Bankier zu verklagen, weil Geschäfte mit Bankiers ohne Zeugen gemacht werden und die geschädigten Parteien sich gezwungenermaßen gerade gegenüber Leuten in Gefahr bringen müssen, die viele Freunde haben, über große Geldsummen verfügen und durch ihren Beruf als glaubwürdig erscheinen.6 Es ist interessant den Gebrauch zu bedenken, die Bankiers immer schon von all ihrem sozialen Einfluß und ihrer Macht (die in Anbetracht der Anzahl und des Status der Personen, die von ihnen Darlehen erhalten und ihnen Gefallen schulden, gewaltig ist) gemacht haben, um ihre Privilegien zu verteidigen und in ihrer betrügerischen Aktivität fortzufahren.7 Collybus genannt und daher wurden die Geldwechsler Collybisten genannt. Sie wurden auch Nummularii und Argentarii, ebenso wie Trapezitii, Mensularii oder Bankiers genannt, weil sie neben dem Geldwechseln ein weitaus gewinnbringenderes Geschäft ausübten: sie erhielten Geld zur sicheren Aufbewahrung und verliehen gegen Zinsen ihr eigenes Geld und das anderer. Vgl. Kapitel 7 des Veterum collatio numismatum, veröffentlicht im Omnium operum in Salamanca im Jahr 1577. 5 Isokrates war einer der antiken macróbioi, und erreichte beinahe sein hundertstes Lebensjahr (436-338 vor Chr.). Sein Leben begann in den letzten friedvollen Jahren nach dem Athenischen Sieg gegen Persien und dauerte über den Peloponnesischen Krieg, die aufeinander folgende Hegemonie Spartas und Theben und die Makedonische Expansion, die mit der Schlacht von Chaironeia endete, in der Philipp II, im Jahr von Isokrates Tod, die griechischen Städte besiegte. Isokrates Vater, Theodorus, war ein Bürger der Mittelschicht, dessen Flötenmanufaktur ihm zu ansehnlichem Wohlstand verholfen hatte und es ihm erlaubte, seinen Kindern eine exzellente Erziehung angedeihen zu lassen. Unter Isokrates direkten Lehrern scheinen Thermines, Gorgias und vor allem Sokrates gewesen zu sein (es gibt einen Abschnitt im Phaidros, in dem Platon, durch den Mund des Sokrates sprechend, den jungen Isokrates preist und, offensichtlich ironisch, dessen große Zukunft voraussagt). Isokrates war ein Logograph, d. h. er schrieb juristische Reden für andere (Leute, die vor Gericht klagten oder ihre Rechte verteidigten). Später eröffnete er eine Rhetorikschule in Athen. Für Informationen über Isokrates, vgl. Juan Manuel Guzmán Hermidas „Introducción General“ zu den Discursos (Madrid: Biblioteca Clásica Gredos, 1979), Bd. 1, S. 743. 6 Isokrates, „Über eine Bankangelegenheit,“ in Discursos I, S. 112. 7 Mehr als 2200 Jahre nach Isokrates hat auch der Pennsylvanische Senator Condy Raguet die große Macht der Bankiers erkannt. Ferner hat er festgestellt, dass die Bankiers ihre Macht dazu einsetzen, ihre Feinde einzuschüchtern und in jeder möglichen Form Deponenten von einer Entnahme ihrer Depositen zu entmutigen und diese Entnahme zu verhindern, in der eitlen Hoffnung u.a. Krisen zu vermeiden. Condy Raguet folgert, dass der Druck beinahe unerträglich ist und dass
Isokrates erklärt, dass sein Mandant, der einen Reise plante, eine große Geldsumme in Passios Bank hinterlegte. Als, nach einer Reihe von Abenteuern, Isokrates Mandant sein Geld entnehmen wollte, behauptete der Bankier, dass er „momentan keine Geldmittel hätte und es nicht zurückgeben könnte“. Anstatt seine Situation einzugestehen, bestritt der Bankier dennoch öffentlich die Existenz eines Depositums oder einer Schuld zugunsten von Isokrates Mandanten. Als der Mandant, äußerst überrascht vom Verhalten des Bankiers, wiederum die Auszahlung von Passio forderte, antwortete ihm nach eigenen Angaben der Bankier nachdem er seinen Kopf in seinen Händen begraben und geweint hatte, dass er durch wirtschaftliche Schwierigkeiten gezwungen gewesen sei, ihm sein Depositum zu verweigern, er aber in Kürze versuchen werde, mir das Geld zurückzugeben; er bat mich, mit ihm Mitleid zu haben und seine elendige Situation geheim zu halten, so dass nicht entdeckt würde, dass er einen Betrug begangen hatte.8 Es ist daher offensichtlich, dass im griechischen Bankwesen, wie Isokrates in seiner Rede andeutet, Bankiers, welche Geld zur sicheren Aufbewahrung und Bewachung erhielten, verpflichtet waren, es an independent man, who was neither a stockholder or a debtor who would have ventured to compel the banks to do justice, would have been persecuted as an enemy of society ... Vgl. den Brief von Raguet an Ricardo, datiert 18. April 1821, veröffentlicht in David Ricardo, Minor Papers on the Currency Question 1805-1823, Jacob Hollander, Hrsg. (Baltimore: The Johns Hopkins University Press, 1932). Die selbe Idee war schon beinahe 300 Jahre früher von Saravia de la Calle formuliert worden, der die Hindernisse aufzeigte, welche die Bankiers geschaffen hatten, um die Deponenten von der Entnahme ihres Geldes abzuhalten, und gegen die wenige zu protestieren wagten, und der erwähnte, dass tausende andere Erniedrigungen bestehen, die ihr jenen auferlegt, die ihr Geld bei euch entnehmen wollen; ihr haltet sie zurück und lasst sie ihr Geld verschleudern und droht sie in schlechter Währung auszuzahlen. Auf diese Art zwingt ihr sie euch alles, was ihr wollt, zu geben. Ihr habt diesen Weg zu stehlen gefunden, denn wenn sie daran gehen ihr Geld zu entnehmen, wagen sie es nicht, nach Bargeld zu fragen, sondern überlassen euch das Geld für größere und noch teuflischere Gewinne. (Instrucción de mercaderes, S. 183). Richard Cantillon erwähnt eine Liste von Tricks, welche Bankiers nutzen, um die Auszahlung der Depositen zu verzögern. Sie ist in seinem Essay sur la nature du commerce in général (London: Fletcher Gycles, 1755), S. 425426 zu finden. In der deutschen Ausgabe Abhandlung über die Natur des Handels mi allgemeinen [Jena: Gustav Fischer, 1931] ist die Liste auf S. 205-06 zu finden. Endlich erwähnt auch Marx die Angst und Ehrfurcht, die Bankiers in jedem erregen. Er zitiert die folgenden ironischen Worte von G. M. Bell: Das Stirnrunzeln des Bankiers hat mehr Einfluß auf ihn, als die Moralpredigten seiner Freunde; zittert er nicht, im Verdacht zu stehn, sich einer Täuschung oder der kleinsten unrichtigen Aussage schuldig gemacht zu haben, aus Furcht, dies könne Verdacht erregen, und infolgedessen könne seine Bankakkommodation beschränkt oder gekündigt werden! Der Rat des Bankiers ist ihm wichtiger als der des Geistlichen. (Karl Marx, Werke, Band 25, „Das Kapital“, Bd. III, Fünfter Abschnitt [Berlin/DDR: Dietz Verlag 1983], S. 561. Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983 8 Isokrates, „Über eine Bankangelegenheit“, S. 114 und 117.
so aufzubewahren, dass es ihren Kunden zur Verfügung stand. Aus diesem Grunde wurde die Benutzung des Geldes durch den Bankiers zu dessen eigenen Gebrauch als Betrug angesehen. Des Weiteren ist der Versuch sehr bezeichnend, diese Art des Betruges geheim zu halten, so dass die Leute ihr Vertrauen in die Bankiers bewahrten und letztere ihr betrügerisches Geschäft fortsetzen konnten. Zudem können wir von Isokrates Rede ableiten, dass dies für Passio kein isolierter Fall des Betrugs war, um sich unter günstigen Gegebenheiten das Geld eines Kunden anzueignen, sondern dass der Bankier Schwierigkeiten hatte, das Geld zurückzugeben, weil er nicht eine 100-prozentige Reservedeckung aufrechterhalten hatte und das deponierte Geld in Privatgeschäften genutzt hatte und dass ihm kein anderer „Ausweg blieb“, als öffentlich die Existenz des Depositums zu leugnen. Isokrates fährt mit seiner Rede fort, indem er wieder seinen Klienten zitiert, der aussagt: Weil ich dachte, er würde den Vorfall bedauern, schloß ich mit ihm einen Kompromiss und wies ihn an, einen Weg zu finden mir mein Geld zurückzugeben und gleichzeitig sein Gesicht zu wahren. Wir trafen uns drei Tage später und versprachen beide, das Vorgefallene als Geheimnis zu bewahren; (er brach sein Geheimnis, wie wir im Verlaufe meiner Rede noch erfahren werden). Er stimmte zu, mit mir nach Pontus zu segeln und mir dort das Gold zurückzugeben; auf diese Weise würde niemand von hier die Details der Auflösung erfahren und nach der Rückfahrt könnte er sagen, was immer er wollte. Nichtsdestoweniger streitet Passio diese Abmachung ab, lässt die Sklaven, die seine Zeugen waren, verschwinden und fälscht und stiehlt die Dokumente, die notwendig sind, um zu versuchen zu zeigen, dass der Kunde bei ihm anstatt eines Depositums Schulden hatte. In Anbetracht der Geheimnistuerei mit der die Bankiers die meisten ihrer Geschäfte betrieben, und die geheimnisvolle Natur der meisten Depositen,9 wurden keine Zeugen berufen, und Isokrates war gezwungen indirekte Zeugen zu präsentieren, die wussten, dass der Deponent eine große Geldsumme zurückgelegt hatte und dabei Passios Bank benutzt hatte. Außerdem wussten die Zeugen, dass zu der Zeit, als das Depositum gemacht wurde, der Deponent mehr als eintausend Stater in Gold getauscht hatte. Des Weiteren behauptet Isokrates, dass der Punkt, welcher die größte Aussicht darauf hatte, die Richter von der Existenz des Depositum und der Tatsache, dass Passio versuchte, sich dieses 9 Die Griechen unterschieden zwischen monetären Sichteinlagen (phanerà ousía) und unsichtbaren Depositen (aphanés ousía). Die Unterscheidung bezieht sich anscheinend weniger auf die Frage, ob das Geld ständig dem Deponenten verfügbar war (in beiden Fällen sollte es das sein), sondern ob das Depositum und sein Betrag öffentlich bekannt waren. Fall sie bekannt waren, konnte das Geld, hauptsächlich aus steuerlichen Gründen, beschlagnahmt oder konfisziert werden.
anzueignen, zu überzeugen, war, dass sich Passio immer weigerte, den Sklaven, der von dem Depositum wußte, zur Befragung unter Folter auszuliefern. Was für ein stärkerer Beweis existiert in Verträgen mit Bankiers? Wir schließen sie ohne Zeugen ab.10 Obwohl wir keinen dokumentarischen Beleg des Gerichtsurteils haben, ist es sicher, dass Passio entweder schuldig gesprochen wurde oder zu einem Kompromiss mit dem Kläger kam. Auf jeden Fall scheint es, dass er sich anschließend anständig benahm und das Vertrauen der Stadt wiedergewann. Sein Haus erbte Phormio, ein alter Sklave von ihm, der sein Geschäft erfolgreich übernahm. Weitere interessante Informationen über die Aktivitäten von Bankiers in Griechenland stammen aus einer Gerichtsrede, die Demosthenes zu Ehren des Phormio schrieb. Demosthenes deutet an, dass Passio zur Zeit seines Todes noch offene Darlehen in Höhe von 50 Talenten besaß und dass von diesem Betrag „11 Talente aus Bankdepositen stammten.“ Obzwar es unklar ist, ob es sich um Termineinlagen oder Sichteinlagen handelte, fügt Demosthenes hinzu, dass des Bankiers Gewinne „unsicher waren und vom Geld anderer kamen.“
Demosthenes folgert, dass „unter
Männern, die mit Geld arbeiten, es bewundernswert ist, wenn dieselbe Person als harter Arbeiter und als ehrlich gilt,“ denn „das Vertrauen gehört allen und ist das für die Geschäfte wichtigste Kapital.“ Kurzum basierte das Bankwesen auf dem Vertrauen der Deponenten, der Ehrlichkeit der Bankiers und auf dem Sachverhalt, dass das den Bankiers zum Gewinn geliehene Geld mit der größten Klugheit und Vernunft genutzt werden sollte. Jedenfalls gibt es viele Indikatoren, dass sich die griechischen Bankiers nicht immer an diese Richtlinien hielten und dass sie das Geld der Sichteinlagen für sich selbst nutzten, wie es bei Isokrates in den Trapezitica beschrieben wird und wie Demosthenes von anderen Bankiers (die als Folge von derartigen Aktivitäten Bankrott gingen) in seiner Rede für Phormio erzählt. Dies trifft auf Aristolochus zu, der ein Feld besaß, das „er kaufte währenddessen er Gold an viele Leute schuldete“, wie auch auf Sosynomus, Timodemus und andere, die Bankrott gingen und die, „wenn es notwendig wurde, jene zu bezahlen, denen sie Geld schuldeten, alle Zahlungen einstellten und ihre Vermögenswerte den Gläubigern übergaben.“11
10 Isokrates, „Über eine Bankangelegenheit,“ S. 116. 11 Demosthenes, Discursos privados I, Biblioteca Clásica Gredos (Madrid: Editorial Gredos, 1983), S. 157-80. Die Textstellen sind auf den Seiten 162, 164 und 176 der obigen Ausgabe zu finden. Für weitere Informationen über Zusammenbrüche griechischer Bankern, vgl. Edward E. Cohen, Athenian Economy and Society: A Banking Perspective (Princeton, N.J.: Princeton University Press, 1992), S. 215-24. Nichtsdestoweniger scheint Cohen nicht verstanden zu haben, wie die Kreditexpansion der Banken die wirtschaftlichen Krisen erzeugten, welche die Solvenz der Banken beeinträchtigten.
Demosthenes schrieb noch weitere Reden, die wichtige Informationen über das griechische Bankwesen enthalten. Zum Beispiel konstatiert er in „Gegen Olympiodorus, wegen der Schäden“12 ausdrücklich, dass ein gewisser Como Geld als Sichteinlagen an die Bank des Heraclides gab und das Geld für Begräbnis- und andere rituelle Zeremonien und für das Errichten eines Grabdenkmals ausgegeben wurde. Es handelt sich demnach in diesem Fall um eine Sichteinlage des Verstorbenen, die von seinen Erben, als er starb, entnommen wurde, um die Begräbniskosten zu decken. Weitere Informationen über die Bankpraktiken bietet die Rede „Gegen Timotheos, wegen einer Schuld“ in der Demosthenes bestätigt, dass Bankiers die Gewohnheit haben, Einträge für die Beträge, die sie ausgeben und für die Depositen, die sie erhalten, vorzunehmen, sodass die ausgegebenen und erhaltenen Beträge beim Blick auf ihre Bilanzen bekannt sind.13 Diese 362 vor Chr. gehaltene Rede dokumentiert als erste, dass Bankiers Einträge der Depositen ihrer Kunden und der Geldentnahmen vornahmen.14 Demosthenes erklärt zudem, wie die Bankkonten funktionierten. Mittels dieser Art von Konten führten die Banken nach den Anweisungen der Hinterleger Zahlungen zugunsten dritter Parteien aus.15 Als Beweis in diesem spezifischen Fall führte [Demosthenes] die Bankbücher an, forderte Kopien an und nachdem ich sie dem Phrasierides gezeigt hatte, erlaubte ich ihm, die Bücher zu kontrollieren und den Betrag zu notieren, die dieses Individuum schuldete.16 Endlich schließt Demosthenes seine Rede, indem er sein Bedauern über die Alltäglichkeit von
Bankzusammenbrüchen und die große Empörung, die Bankrott gegangen Bankiers
entgegengebracht
wurde,
ausdrückt.
Irrtümlicherweise
führt
Demosthenes
die
Bankzusammenbrüche auf Männer zurück, die
12 Demosthenes, Discursos privados II, Biblioteca Clásica Gredos (Madrid: Editorial Gredos, 1983), S. 79-98. Die erwähnte Stelle kann im Haupttext auf Seite 86 gefunden werden. 13 Ebenda, S. 99-120. Die zitiert Stelle ist auf Seite 102 zu finden. 14 G.J. Costouros, „Development of Banking and Related Book-Keeping Techniques in Ancient Greece,“ International Journal of Accounting 7, Nr. 2 (1973): 75-81. 15 Demosthenes, Discursos privados II, S. 119. 16 Ebenda, S. 112.
in schwierigen Situationen um Darlehen fragten und glaubten, dass ihnen aufgrund ihrer Reputation Kredit bewilligt werden sollte; die jedoch, sobald sie sich wirtschaftlich erholt haben, das Geld nicht zurückzahlen, sondern versuchen zu defraudieren.17 Wir müssen Demosthenes Kommentar im Kontext der Gerichtsrede interpretieren, in dem er seine Argumente präsentiert. Der Zweck der Rede war gerade die Verklagung von Timotheos für das Nichtzurückgeben eines Bankdarlehens. Es wäre zuviel erwartet, zu verlangen, dass Demosthenes erwähnt, dass die meisten Bankzusammenbrüche statt fanden, weil Bankiers ihre Verpflichtung zur sicheren Aufbewahrung der Sichteinlagen verletzten und das Geld für sich selbst benutzten und es in private Geschäfte bis zu dem Punkt steckten, dass die Öffentlichkeit, wenn sie aus irgendeinem Grund das Vertrauen in die Banken verlor und versuchte, die Depositen zu entnehmen, mit größter Empörung feststellte, dass das Geld nicht verfügbar war. Verschiedene Forschungen deuten an, dass die griechischen Bankiers gewöhnlich wussten, dass sie eine 100-prozentige Reservedeckung auf Sichteinlagen vorhalten sollten. Dies würde erklären, warum es keine Anzeichen von Zinszahlungen auf diese Depositen gibt und warum Athener Banken für gewöhnlich nicht als Kreditquellen betrachtet wurden.18 Die Kunden hinterlegte aus Sicherheitsgründen Depositen und erwarteten von den Bankern die Bewachung und sichere Aufbewahrung, wie auch die zusätzlichen Vorteile der einfachen Dokumentation, Kassenführung und die Ausführung von Zahlungen an Dritte. Nichtsdestoweniger hinderte die Tatsache, dass dies die grundlegenden Prinzipien des legitimen Bankwesens waren, eine große Gruppe von Bankiers nicht daran, der (sehr gewinnträchtigen) Versuchung nachzugeben, sich Depositen anzueignen - eine betrügerische Aktivität, die relativ sicher war, so lange die Leute das Vertrauen in die Bankiers bewahrten, jedoch auf lange Sicht zum Ende im Bankrott bestimmt war. 17 Ebenda, S. 120. 18 Im Hinblick auf das Athener Bankwesen bestätigt Stephen C. Todd, dass Banken nicht als offensichtliche Kreditquellen betrachtet wurden...es ist bezeichnend, dass unter hunderten in den Quellen bezeugten Darlehen nur elf von Bankiers geliehen waren; und es gibt in der Tat keinen Hinweis darauf, dass ein Hinterleger normalerweise erwarten konnte, von seiner Bank Zinsen zu erhalten. (S.C. Todd, The Shape of Athenian Law (Oxford: Clarendon Press, 1993), S. 251. Bogaert seinerseits bekräftigt, dass Bankiers keine Zinsen auf Sichteinlagen zahlten und sogar eine Kommission für die Bewachung und sicher Aufbewahrung erhoben: Les dépôts de paiement pouvaient donc avoir différentes formes. Ce qu´ils ont en commun est l´absence d ´intérêts. Dans aucun des cas précités nous n´en avons trouvé des demandé une commission pour la tenue de comptes de dépôts ou pour „l´exécution des mandats.“ (Raymond Bogaert, Banques et banquiers dans les cités grecques [Leyden, Holland: A.W. Sijhoff, 1968], S. 336) Bogaert erwähnt zudem das Fehlen irgendeines Hinweises, dass die Athener Bankiers ein bestimmte Teildeckung aufrechterhielten („Nous ne possédons malheureeusement aucune indication concernant l´encaisse d´une banque antique,“ S. 364), obwohl wir wissen, dass verschiedenen Bankiers, einschließlich Pison, betrügerisch handelten und keine 100-prozentige Reservedeckung aufrecht erhielten. Als Folge davon konnten sie in vielen Fällen nicht zahlen und gingen Bankrott.
Darüberhinaus bewirken, wie wir anhand verschiedener historischer Beispiele illustrieren werden, Netzwerke betrügerischer Bankiers, die entgegen der allgemeinen rechtlichen Prinzipien mit einer Teildeckung operieren, eine Kreditexpansion19, die nicht von realen Ersparnissen unterstützt wird und zu einem künstlichen und inflationären wirtschaftlichen Aufschwung führt, der sich schließlich in Form von Krisen und wirtschaftlichen Rezessionen umkehren wird, in denen die Banken unerbittlich zum Zusammenbruch neigen. Raymond Bogaert erwähnt die periodischen Krisen, die das Bankwesen des antiken Griechenland erschütterten; besonders die wirtschaftliche und finanzielle Rezessionen von 377-76 vor Chr. und 361 vor. Chr., in denen die Banken von Timodemus, Sosynomus und Aristolochus (neben anderen) zusammenbrachen. Obwohl diese Rezessionen durch den Angriff Spartas und den Sieg Thebens ausgelöst wurden, entwickeln sie sich nach einem eindeutigen Prozess inflationärer Expansion, in dem die betrügerischen Banken eine zentrale Rolle spielten.20 Die Quellen reflektieren zudem die ernste Bankenkrise, die in Ephesos in der Folge der Revolte gegen Mithridates stattfand. Die Krise veranlasste die Regierenden dem Bankensektor sein erstes explizites und historisch dokumentiertes Privileg zu gewähren, welches einen zehnjährigen Aufschub der Auszahlung von Depositen vorsah.21 Jedenfalls wurden die betrügerischen Aktivitäten der Bankiers äußerst „profitabel“ solange sie nicht entdeckt waren und die Banken nicht zusammenbrachen. Wir wissen, zum Beispiel, dass das Einkommen des Passio 100 Minen, bzw. ein zweidrittel Talente, erreichte. Professor Portela hat geschätzt, dass diese Zahl umgerechnet in Goldkilos einem heutigen Äquivalent von fast zwei Millionen Dollar pro Jahr entsprechen würden. Obgleich dies nicht als ein äußerst großer Betrag erscheint, war er tatsächlich wahrhaft spektakulär, wenn man berücksichtigt, dass die meisten Menschen am Existenzminimum lebten, einmal am Tag aßen und sich von Getreide und Gemüse ernährten. Bis zu seinem Tode sammelte Passio ein Vermögen von sechzig Talenten an, was sich, bei einer konstanten Kaufkraft des Goldes, zu einem Vermögen von beinahe vierundvierzig Millionen Dollar summiert.22 19 Die Geldmenge in Athen kann daher als aus den Bankverbindlichkeiten („Depositen“) und dem im Umlauf befindlichen Bargeld bestehend angesehen werden. Der Anstieg des Bankanteils an dieser Geldmenge hängt vom Volumen und der Umlaufsgeschwindigkeit der Bankdarlehen, von dem Prozentanteil dieser Darlehen, die unmittelbar oder mittelbar in den Trapezai erneut deponiert werden, und der Dauer und Umlaufsgeschwindigkeit der der Depositen ab. (Cohen, Athenian Economy and Society, S. 13). 20 Bogaert, Banques et banquiers dans les cités grecques, S. 391-93. 21 Ebenda, S. 391. 22 Trigo Portela, „ Historia de la banca,“ S. 238. Raymon Bogaert hingegen schätzt Passios Jahreseinkommen vor seinem Tod mit neun Talenten als um einige Male größer ein: Cela donne en tout pour environ 9 talents de revenus annuels. On comprend que le banquier ait du constituer en peu d´années un importatn patrimonie, faire des dons généreux à la cité et faire les frais de cinq triérchies.
DAS BANKWESEN DER HELLENISTISCHEN WELT Die Zeit des Hellenismus, vor allem des ptolemäischen Ägyptens, war ein Wendepunkt in der Geschichte des Bankwesens, weil es zur Gründung der ersten Staatsbank kam. Die Ptolemäer erkannten bald, wie profitabel Privatbanken waren und anstatt zu Überwachen und betrügerische Bankaktivitäten zu beendigen, entschieden sie, eine Staatsbank zu gründen, welche sich selbst der betrügerischen Bankaktivitäten betätigte und zugleich über das „Prestige“ des Staates verfügte. Obgleich es niemals ein wahres Staatsmonopol auf die Bankaktivitäten gab und die Privatbanken (die in den meisten Fällen von Griechen geleitet wurden) ihre Geschäfte fortführten, erlangte im Zuge der andauernden Prosperität Ägyptens die Staatsbank eine beherrschende Stellung. Rostovtzeff bemerkt, dass die Bank der Ptolemäer zudem ein ausgefeiltes Buchhaltungssystem entwickelte: Die verfeinerte Buchhaltung, auf einer gut definierten professionellen Terminologie basierend, ersetzte die eher primitive Buchhaltung, die im Athen des vierten Jahrhunderts vorherrschte.23 Verschiedene archäologische Studien zeigen die weite Verbreitung des Bankwesens in der hellenistischen Periode Ägyptens. Ein unvollständiges, in Tebtunis gefundenes Dokument, welches die täglichen Buchungen einer ländlichen Bank in der Provinz Heracleopolis enthält, zeigt, dass eine unerwartet hohe Anzahl von Dorfbewohnern, ob Landwirt oder nicht, ihre Geschäfte durch die Banken abwickelten und Zahlungen von ihren Depositen und Bankkonten vornahmen. Unter den Kunden der Bank waren relativ wenig reiche Leute. Die meisten waren Einzelhändler und einheimische Handwerker, Leinenhändler, Textilarbeiter, Schneider, Silberschmiede und ein Kesselflicker. Zudem wurden die Schulden nach alter ägyptischer Tradition oft in Gold oder Rohsilber bezahlt. Getreide-, Öl-, und Viehhändler, wie auch Fleischer und viele Gastwirte sind als Kunden der Bank dokumentiert. Die ptolemäische Staatsbank, private Banken und auch die Tempel verwahrten verschiedene Arten von Depositen. Nach Rostovtzeff akzeptierten die Bankiers sowohl Sichteinlagen als auch zinsbringende Termineinlagen. Letztere wurden, in der Theorie, in Kreditoperationen verschiedener Art [investiert]: Darlehen mit Sicherheiten als Garantie, (Bogaert, Banques et banquiers dans les cités grecques, S. 367 und zudem Cohen, Athenian Economy and Society, S. 67.) 23 Michael Rostovtzeff, The Social and Economic History of the Hellenistic World (Oxford: Oxford University Press, 1953), Bd. 1, S. 405.
Verpfändungen, Hypotheken und eine spezielle sehr populäre Kreditart: Seedarlehen.24 Privatbanken verwahrten die Depositen ihrer Kunden, während sie gleichzeitig ihr eigenes Geld in der Staatsbank deponierten. Die Hauptneuerung der Ägyptischen Bank war die Zentralisierung: die Schaffung einer staatlichen Zentralbank in Alexandria mit Zweigstellen in den meisten Provinzhauptstädten und in den wichtigsten Orten, so dass Privatbanken, wenn sie verfügbar waren, eine zweitrangige Rolle in der Wirtschaft des Landes spielten. Rostovtzeff zufolge verwahrte die Staatsbank die Steuereinnahmen, nahm auch private Gelder und Depositen gewöhnlicher Kunden an und investierte die nicht ausgegebenen Gelder zum Nutzen des Staates. Daher ist es beinahe sicher, dass ein Teildeckungsbankensystem genutzt wurde und dass die Ptolemäer sich die riesigen Gewinne der Bank aneigneten. Die Briefe Zenos geben weitgehend Aufschluß darüber, wie die Banken das Geld ihrer Kunden entgegennahmen und als Depositen verwahrten. Sie erzählen uns auch, dass Apollonius, der Leiter der Zentralbank in Alexandria, persönliche Depositen in verschiedenen Zweigstellen der königlichen Bank besaß. Alle diese Quellen zeigen, wie häufig Individuen die Staatsbank genutzt haben, um Depositen und auch Zahlungen vorzunehmen.
Zusätzlich, durch ihr ausgefeiltes
Buchhaltungssystem bedingt, wurde die Bezahlung von Schulden mittels Bankverkehr äußerst bequem, da eine offizielle Aufzeichnung der Transaktionen bestand – ein wichtiges Beweisstück im Falle eines Rechtsstreits. Das hellenistische Bankensystem überlebte die Dynastie der Ptolemäer und wurde unter römischer Herrschaft mit kleinen Änderungen beibehalten. In der Tat hatte das ptolemäische Zentralbanksystem einen Einfluß auf das römische Reich: ein merkwürdiges Faktum ist, dass Dio Cassius in seiner sehr bekannten Maecenasrede die Schaffung einer römischen Staatsbank fordert, die jedermann Darlehen (vor allem Grundbesitzern) zu einem zumutbaren Zins anbieten könnte. Die Bank sollte ihr Kapital aus den Einkünften aller Besitztümer des Staates erhalten.25 Dio Cassius Vorschlag wurde niemals in die Tat umgesetzt.
DAS RÖMISCHE BANKWESEN 24 Michael Rostovtzeff, The Social and Economic History of the Hellenistic World (Oxford: Oxford University Press, 1957), Bd. 1, S. 1279. 25 Ebenda, S. 623.
Da es keine lateinischen Äquivalente der Reden von Isokrates und Demosthenes gibt, sind die römischen Banken nicht so detailliert dokumentiert wie ihre griechischen Gegenstücke. Jedoch wissen wir aus dem römischen Recht, dass das Bankwesen und das monetäre depositum irregulare hoch entwickelt waren. Und wir haben bereits (in Kapitel 1) die Regelungen betrachtet, welche die römischen Juristen in diesem Gebiet bereitstellten. In der Tat war es nicht vorgesehen, dass die römischen argentarii das tantundem der Depositen frei nutzen konnten. Vielmehr waren diese dazu verpflichtet, das tantundem mit der größten Sorgfalt zu verwahren. Dies ist genau der Grund, warum die Gelddepositen nicht zinsbringend waren und theoretisch nicht verliehen werden durften, obgleich die Deponenten die Bank autorisieren konnten, in ihren Namen Zahlungen vorzunehmen. In ähnlicher Weise nahmen die Banken Termin“einlagen“ an, die eigentlich Darlehen an die Bank bzw. Mutuumverträge waren. Diese waren zinsbringend und verliehen dem Bankiers das Recht, die Gelder so zu nutzen, wie er es während der vereinbarten Laufzeit für günstig hielt. Hinweise auf diese Praktiken tauchen schon im Jahr 350 vor Chr. in Komödien auf. Darunter sind die Captivi, Asinaria und Mostellaria des Plautus und der Phormio des Terenz, wo wir auf reizvolle Dialoge stoßen, welche finanzielle Operationen, Clearings, Kontensalden, den Gebrauch von Schecks usw. beschreiben.26 Auf jeden Fall scheint das Werk der Berufsjuristen das römische Bankwesen besser reguliert und zumindest eine klarere Idee darüber vermittelt zu haben, was erlaubt war und was nicht. Dies ist indes keine Garantie dafür, dass die Bankiers sich ehrenhaft verhalten und davon Abstand genommen haben, die Sichteinlagen zu ihrem eigenen Gewinn zu nutzen. In der Tat gibt es ein Reskript von Hadrianus an Händler von Pergamon, die sich über illegale Eintreibungen und eine allgemeine Unehrlichkeit ihrer Bankiers beschwerten. Zudem enthält ein Schriftdokument der Stadt Mylasa an den Kaiser Septimus Severus einen Erlass des Stadtrats und der Volksversammlung, der auf die Regulierung der Aktivitäten der lokalen Bankiers abzielte.27 All dies legt nahe, dass es in der Tat, vielleicht weniger häufig als in der hellenischen Welt, skrupellose Bankiers gab, welche die Gelder ihrer Hinterleger veruntreuten und schließlich Bankrott gingen.
DER ZUSAMMENBRUCH DER BANK DES CHRISTEN CALLISTUS Ein merkwürdiges Beispiel betrügerischen Bankwesens ist das des Papstes und Heiligen Callistus I. (217-222 nach Chr.), der, als er Sklave des Christen Carpophorus war, in dessen Namen 26 In Plautus Captivi zum Beispiel lesen wir: „Subducam ratunculam quantillum argenti mihi apud trapezitam sied“ (d.h. „Ich gehe rein, weil ich brechnen muss, wieviel Geld ich in meiner Bank habe“ zitiert in Knut Wicksell in seinen Lectures on Political Economy (London: Routledge and Kegan Paul, 1935), Bd. 2, S. 73. 27 Trigo Portela, „ Historia de la banca,“ S. 239.
als Bankier handelte und Depositen von anderen Christen annahm. Er ging jedoch bankrott und wurde. als er zu fliehen versuchte, von seinem Herrn gefasst. Er wurde schließlich auf das Gesuch derselben Christen, die er betrogen hatte, begnadigt.28 Refutatio omnium haeresium, ein Werk, das Hippolytus zugeschrieben wird und 1844 im Konvent des Berg Athos gefunden wurde, berichtet von Callistus Bankrott im Detail.29 Wie die wiederkehrenden Krisen, die Griechenland plagten, ereignete sich der Bankrott des Callistus nach einem ausgeprägten Aufschwung, dem eine ernste Vertrauenskrise, ein Abfall der Kaufkraft des Geldes und der Zusammenbruch vieler Finanz- und Handelsfirmen folgte. Diese Ereignisse fanden zwischen 185 und 190 nach Chr. unter der Herrschaft Kaiser Commodus statt. Hippolytus berichtet, wie Callistus, zu der Zeit ein Sklave seines christlichen Glaubensbruders Carpophorus, eine Bank in dessen Namen eröffnete und Depositen, hauptsächlich von Witwen und Christen (eine Gruppe, die zunehmend an Einfluss und Mitgliedern gewann) annahm. Nichtsdestoweniger eignete sich Callistus hinterlistig das Geld an, und als er nicht in der Lage war, es auf Verlangen zurückzugeben, versuchte er über das Meer zu entkommen und beging sogar einen Selbstmordversuch. Nach einer Reihe von Abenteuern wurde er ausgepeitscht und zu Zwangsarbeit in den sardinischen Minen verurteilt. Schließlich wurde er auf wundersame Weise freigelassen, als Marcia, Konkubine des Kaisers Commodus, ihren Einfluß geltend machte. 30 Jahre später im Jahre 217 wurde er, als freier Mann, zum siebzehnten Papst gewählt und starb schließlich als Märtyrer, als er in den öffentlichen Unruhen vom 14. Oktober 222 nach Chr. von Heiden in einen Brunnen geworfen wurde.30 Wir können jetzt nachvollziehen, warum die Heiligen Väter in ihren Apostolischen Verfassungen die Bankiers ermahnt haben, ehrlich zu sein und ihren zahlreichen Versuchungen zu widerstehen.31 Diese moralischen Mahnrufe nutzten die frühen Christen kontinuierlich, um die Bankiers vor der Versuchung zu warnen und ihrer Pflichten zu erinnern, und man versuchte sogar, die Mahnrufe bis auf die Heilige Schrift zurückzuführen. 28 Die außerordentliche Tatsache, dass jemand aus dem Banksektor tatsächlich Papst und später zum Heiligen wurde, würde Callistus I. zu einer gute Wahl für den Schutzpatron der Bankiers machen. Unglücklicherweise stellt er als ein bankrott gegangener Bankier, der die Gutgläubigkeit seiner christlichen Glaubensbrüder missbrauchte, ein schlechtes Vorbild dar. Stattdessen ist St. Carlo Borromeo (1538-1584), ein Mailänder Erzbischof, der Schutzpatron der Bankiers. Er war der Neffe und Vermögensverwalter von Giovanni Angelo Medici (Papst Pius IV.) und sein Feierttag ist der 4. November. 29 Hippolytus, Hippolytus Wercke, Bd. 2: Refutation omnium haeresium (Leipzig: P. Wendland), 1916. 30 Juan de Churruca, „La quiebra de la banca del cristiano Calisto (c.a. 185-190),“ Seminarios complutenses de derecho romano, Februar – März 1991 (Madrid, 1992), S. 61-86. 31 „Gínesthe trapézitai dókimoi.“ (“Bankiers ihr müsst rechtschaffen sein!”) Vgl. „Orígenes y movimiento histórico de los bancos,“ in Enciclopedia universal ilustrada europeo-americana (Madrid: Espasa Calpe, 1973), Bd. 7, S. 478-
DIE SOCIETATES ARGENTARIAE Bankiersvereinigungen oder societas argentariae waren eine Besonderheit des Bankwesens der römischen Welt. Die finanziellen Beiträge der Mitglieder bildeten deren Kapital und mit diesem Kapital wurden Schulden beglichen. Das römische Recht setzte jedoch, weil die Banken von besonderem öffentlichen Interesse waren, fest, dass die Mitglieder der societates argentariae für die Depositen mit all ihren Vermögenswerten hafteten.32 Mithin war die unbegrenzte gemeinsame Haftung der Mitglieder ein allgemeines Prinzip römischen Rechts, um die Folgen des Betrugs und Missbrauchs durch die Bankiers zu minimieren und das Recht der Deponenten, ihr Geld jederzeit zurückzuverlangen, zu schützen.33 32 Vgl. Manuel J. García-Garrido, „La sociedad de los banqueros (societas argentaria),“ in Studi in onore di Arnaldo Biscardi (Mailand 1988), Bd. 3, vor allem S. 380-83. Die unbegrenzte Haftung der Mitglieder der Bankiersvereinigungen im römischen Recht ist unter anderen in dem bereits erwähnten Text von Ulpianus (Digest, 16, 3, 7, 2-3) festgehalten. Zudem kann die unbegrenzte Haftung in einer Stelle von Papinianus (Digest, 16, 3, 8) gefunden werden, in der dieser festlegt, dass die Rückzahlung der Schulden der betrügerischen Bankiers nicht nur mit den „deponierten Geldern, die im Vermögen der Bankiers gefunden werden, sondern mit allen Vermögenswerten der Betrüger“ beglichen werden sollen (Cuerpo de derecho civil romano, Bd. 1, S. 837). Einige zeitgenössische Autoren haben zudem vorgeschlagen, zum Prinzip der unbegrenzten Haftung der Bankiers zurückzukehren, um ihnen einen Anreiz zu geben, die Gelder vernünftig zu verwalten. Diese Auflage ist aber weder notwendig, um ein solventes Bankensystem zu erreichen, noch würde sie eine hinreichende Maßnahme darstellen. Sie ist nicht notwendig, weil eine 100-prozentige Reservedeckung Bankenkrisen und wirtschaftliche Rezessionen effektiver eliminieren würde. Sie ist nicht hinreichend, weil sogar mit einer unbegrenzten Haftung der Aktionäre der Banken unvermeidlich wirtschaftliche Rezessionen wiederkehren würden, solange eine Teildeckungssystem benutzt wird. 33 Im Römischen Reich fuhren einige große einflussreiche Tempel fort, als Banken zu fungieren. Unter diesen waren die Tempel von Delos, Delphi, Sardis (Artemis), und, als wichtigster der Tempel von Jerusalem, in dem die Hebräer, arm und reich, ihr Geld deponierten. In diesem Kontext müssen wir die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel in Jerusalem interpretieren, wie sie im Neuen Testament beschrieben wird. In Matthäus 21:12-14 lesen wir: Jesus ging in den Tempel hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): «Mein Haus soll ein Bethaus heißen»; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus. Markus 11:15-17 bietet beinahe den identischen Text. Johannes 2:14-15 ist ein bißchen expliziter und erzählt uns von Jesus: Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um . (Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984). Die Übersetzung dieser Bibelstellen ist nicht sehr genau und der gleiche Fehler ist in der Übersetzung des Digest von García del Corral zu finden. Anstatt „Wechsler“ sollte „Bankiers“ geschrieben stehen, was mehr im Einklang mit dem wörtlichen Sinne der Vulgata, der lateinischen Bibelversion, in die Matthäuspassage wie folgt liest: Et intravit Iesus in templum et eiiciebat omnes vendentes et ementes in templo, et mensas numulatiorum, et cathedras vendentium columbas evertit: et dicit eis: Scriptum est: Domus mea domus orationis vocabitar: vos autem fecistis illam speluncam latronum. (Biblia Sacra iuxta Vulgatam Clementinam, Alberto Colunga und Laurencia Turrado, Hrsg. (Madrid: Biblioteca de Autores Cristianos, 1994), Mateo 21: 12-13, S. 982) Diese evangelischen Texte bestätigen, dass der Tempel von Jerusalem als eine wahrhaftige Bank fungierte, in der
Die Argentarii machten ihre Geschäfte an einem besonderen Ort, der taverna. Ihre Geschäftsbücher reflektieren Eingänge und Abgänge von den Konten ihrer Kunden. Die Geschäftsbücher der römischen Bankiers waren als Beweis bei Gericht zugelassen und mussten nach den editio rationum geführt werden, die festsetzten, wie die Bankiers die Bücher zu datieren und zu führen hatten.34 Bankiers wurden zudem nach der mensa oder Schalter, an dem sie ursprünglich ihre Geldwechselgeschäfte vornahmen, mensarii genannt. Die mensa konnte, sehr ähnlich wie heutige Banklizensen, übertragen werden. In Rom jedoch, wo der Staat das Gelände und die Geschäfte, in denen die Bankgeschäfte statt fanden, besaß, erwarb man beim Kauf der Lizenz das vom Staat gewährte Recht, Bankgeschäfte zu betreiben. Die Übertragung konnte alle Möbel und Hilfseinrichtungen der taverna, wie auch die finanziellen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einschließen. Zusätzlich bildeten die Bankiers eine Gilde, um ihre gemeinsamen Interessen zu verteidigen und erlangten bedeutende Privilegien von den Kaisern, vor allem von Justinian. Einige dieser Privilegien erscheinen im Corpus Juris Civilis.35 Der wirtschaftliche und soziale Zerfall des Römischen Reiches wurde durch eine inflationäre Politik des Staates verursacht, welche die Kaufkraft der Währung verminderte, sowie durch die Einführung von Höchstpreisen auf grundlegende Güter, was wiederum die Händler in den Ruin trieb und den Handel zwischen verschiedenen Regionen des Reiches zum Zusammenbruch brachte. Dies bedeutete auch das Ende des Bankwesens. Die meisten Banken brachen während den fortlaufenden wirtschaftlichen Krisen des dritten und vierten Jahrhunderts nach Chr. zusammen. In dem Versuch, den sozialen und wirtschaftlichen Zerfall des Reiches aufzuhalten, wurden zusätzliche interventionistische Zwangsmaßnahmen vorgenommen, was den Auflösungsprozess weiter beschleunigte und es den Barbaren, welche von den römischen Legionen Jahrhunderte lang besiegt und eingedämmt worden waren, ermöglichte, die Reste des alten, blühenden Römischen Reiches zu verwüsten und zu erobern. Mit dem Fall der klassischen Römischen Welt begann die die allgemeine Öffentlichkeit, ob arm oder reich, Depositen machte. Jesus Räumung des Tempels kann als ein Protest gegen die Missbräuche verstanden werden, die aus einer unerlaubten Handlung herrühren (wie wir wissen, bestanden diese Missbrauche in dem Gebrauch der deponierten Gelder). Außerdem veranschaulichen diese Bibelreferenzen die Symbiose, die damals schon zwischen den Bankiers und den öffentlichen Autoritäten bestand, denn sowohl die obersten Priester als auch die Schriftgelehrten empörten sich ob Jesus Verhalten (alle kursiven Hervorhebungen sind natürlich hinzugefügt worden). Zu der Bedeutung des Jerusalemer Tempels als Depositenbank der Hebräer vgl. Rostovtzeff, The Social and Economic History of the Roman Empire, Bd. 2, S. 622. 34 Jean Imbert stellt in seinem Buch Historia económica (de los orígenes a 1789), die spanische Übersetzung ist von Armando Sáez (Barcelona: Editorial Vicens-Vives, 1971), S. 58 heraus, dass die praescriptio den heutigen Schecks entsprechen. Wenn ein Kapitalist einen Bankier beauftragte, in seinem Nahmen eine Darlehenszahlung vorzunehmen, machte der Bankier dies mit der Vorlage eines Bankwechsels, der praescriptio genannt wurde. 35 Vgl. beispielsweise die Neue Verfassung CXXVI über „Bankverträge“ Edikt 7 („Dekret und Regulierung der Bankverträge“) und Edikt 9, „Über die Bankverträge“, die alle von Justinian stammen und in der Novellae integriert sind (vgl. Cuerpo de derecho civil romano, Bd. 6, S. 479-83, 539-44 und 547-51).
lange Periode des Mittelalters und es war beinahe achthundert Jahre später, als das Bankwesen in den italienischen Städten des Spätmittelalters wiederentdeckt wurde.36
3 BANKIERS IM SPÄTEN MITTELALTER Der Fall des Römischen Reiches bedeutete das Ende eines Großteils des Handels und die Feudalisierung der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen. Die enorme Verminderung des Handels und der Arbeitsteilung bedeutete für mehrere Jahrhunderte einen entscheidenden Schlag für den Finanzmarkt und vor allem für das Bankwesen. Nur die Klöster, als sichere Zentren der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, konnten als Wächter ökonomischer Ressourcen fungieren. In diesem Gebiet sind besonders die Aktivitäten der Templer, ein 1119 in Jerusalem gegründeter Orden mit dem Zweck Pilger zu beschützen, zu erwähnen. Die Templer besaßen bedeutsame finanzielle Ressourcen, die sie bei ihren Feldzügen geplündert oder als Nachlass der feudalen Adligen und Prinzen erhalten hatten. Da sie international agierten (sie besaßen mehr als 9000 Stützpunkte und zwei Hauptquartiere) und ein militärischer und religiöser Orden waren, stellten die Templer zuverlässige Wächter von Depositen dar und besaßen eine große moralische Autorität, was ihnen das Vertrauen der Bevölkerung einbrachte. In Folge dessen erhielten sie von den Individuen, von denen sie eine Gebühr für die sichere Aufbewahrung verlangten, sowohl deposita regularia als auch deposita irregularia. Die Templer führten auch Geldüberweisungen durch, wobei sie einen bestimmten Betrag für den Transport und den Schutz verlangten. Der Orden erlebte eine steigende Prosperität, welche die Angst und den Neid vieler Menschen erregte, bis Philipp der Schöne, König von Frankreich, sich entschloß, den Orden aufzulösen. Er ordnete mit dem Ziel, sich der Reichtümer des Ordens zu bemächtigen, an, die Köpfe des Ordens, einschließlich ihres Grand Maître, Jaques de Molay, auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.37 36 Eine hervorragende Übersicht über die Gründe des Zerfalls des Römischen Reiches bietet Ludwig von Mises Werk, Human Action: A Treatise on Economics, Scholar´s Edition (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1998), S. 161-63. Wir werden zudem die weiterverbreitete dritte Auflage von Mises Human Action zitieren (Chicago: Henry Regnery, 1966), S. 767-69. 37 Vgl. beispielsweise das Werk Jules Piquets, Des banquiers au Moyen Age: les Templiers, Étude de leurs opérations financièrs (Paris, 1939), zitiert von Henri Pirenne in seinem Buch, Histoire Economique et Sociale Du Moyen Age (Paris: Presses Universitaires de France, 1969), S. 116 und 219. Piquet meint, in den Aufzeichnungen der Templer die Anfänge der doppelten Buchführung und sogar einer primitiven Form des Schecks wieder zu finden. Jedoch erscheint es, dass die Buchführungspraktiken der Templer höchstens direkte Vorgänger der doppelten Buchführung waren, die später im Jahre 1494 von Luca Pacioli, dem großen venetianischen Mönch und Freund Leondardo da Vinci´s, formalisiert wurden. Eine Bank in Pisa benutzte die doppelte Buchführung schon 1336, wie auch die Masari Familie (die Steuereintreiber Genuas) im Jahre 1340. Das älteste europäische Buchführungsdokument, von dem wir einen Beweis haben, stammt aus dem Jahre 1211. Vgl. G.A. Lee, „The Oldest European Account Book: A Florentine Bank Ledger of 1211,“ in Accounting History: Some British Contributions, R.H. Parker und B.S. Yamey, Hrsg. (Oxford: Clarendon Press, 1994), S. 160-96.
Das Ende des elften Jahrhunderts und der Beginn des zwölften brachten einen bescheidenen Anstieg der Wirtschaft und des Handels, vor allem unter den italienischen Städten an der Adria (vor allem Venedig),sowie Pisa, und später Florenz. Diese Städte spezialisierten sich auf den Handel mit Konstantinopel und dem Orient. Das bedeutende finanzielle Wachstum in diesen Städten führte zu einer Wiederbelebung des Bankwesens und das Muster, das wir in der antiken Welt beobachtet haben, wiederholte sich. In der Tat respektierten die Bankiers zunächst die aus dem alten Rom überlieferten Rechtsprinzipien und führten ihre Geschäfte rechtmäßig, indem sie den unerlaubten Gebrauch der Sichteinlagen (i.e. der monetären deposita irregularia) unterließen. Nur das Geld, welches sie als Darlehen erhielten (i.e. Termin“einlagen“) wurde von den Bankiers genutzt oder verliehen und das nur während der vereinbarten Laufzeit.38 Nichtsdestoweniger kamen die Bankiers erneut in Versuchung, das Geld der Sichteinlagen auszunutzen. Dieser Prozess war graduell und führte zu Missbräuchen und der Wiederbelebung des Teildeckungsbankwesens. Die Regierenden waren im Allgemeinen nicht in der Lage, die Rechtsprinzipien durchzusetzen und gewährten sogar in vielen Fällen den Bankiers Privilegien und Lizenzen, um die ungehörigen Aktivitäten zu ermutigen und von ihnen Gewinne, in Form von Darlehen oder Steuereinnahmen, zu erlangen. Sie schufen sogar Staatsbanken (wie die Depositenbank von Barcelona, oder Taula de Canvi und andere die wir später berücksichtigen werden).39
DIE WIEDERBELEBUNG DER DEPOSITENBANKEN IM MEDITERRANEN EUROPA Abbot Payson Usher untersucht in seinem monumentalen Werk, The Early History of
38 In theory at least, early banks of deposit were not discount or lending banks. They did not create money but served a system of 100 percent reserves, such as some monetarists today would like to see established. Overdrafts were forbidden. In practice, the standards proved difficult to maintain, especially in face of public emergency. The Taula de Valencia was on the verge of using its deposited treasure to buy wheat for the city in 1567. Illegal advances were made to city officials in 1590 and illegal loans to the city itself on a number of occasions. (Charles P. Kindleberger, A Financial History of Western Europe, 2.Auflage [Oxford: Oxford University Press, 1993], S. 49) 39 Auch das islamische Recht untersagte den persönlichen Gebrauch des depositum irregulare durch den Bankier während des gesamten Mittelalters, vor allem auf der iberischen Halbinsel. Vgl., beispielsweise, das Compendio de derecho islámico (Risála, Fí-l-Fiqh), eines spanisch-arabischen Juristen aus dem zehnten Jahrhundert, Ibn Abí Zayd, genannt Al-Quayrawání. Dieses Werk wurde mit der Unterstützung von Jesús Riosalido (Madrid: Editorial Trotta, 1993) veröffentlicht. Auf S. 130 finden wir die folgende Aufstellung eines Rechtsprinzips: „der, welcher ein Gelddepositum für seine Geschäfte nutzt, begeht eine verwerfliche Tat,. Wenn er jedoch sein eigenes Geld benutzt, darf der den Gewinn behalten.“ (Vgl. zudem S. 214-15, wo gefordert wird, dass im Falle eines wahrhaftigen Darlehens oder mutuum, der Darlehensgeber das Geld nicht nach Belieben zurückziehen kann, sondern erst am Ende der verabredeten Laufzeit; das islamische Rechtskonzept des Gelddepositums zeigt enge Parallelen zum römischen depositum irregulare.)
Deposit
Banking
in
Mediterranean
Europe,40
das
graduelle
Aufkommen
des
Teildeckugnsbankwesen im späten Mittelalter, ein Prozeß, der auf der Verletzung eines allgemeinen Rechtsprinzips fundiert: die volle Verfügbarkeit des tantundem muss dem Deponenten gewährleistet sein. Nach Usher begannen die ersten privaten Bankiers erst im dreizehnten Jahrhundert damit, dass Geld ihrer Deponenten zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen, was zum Aufstieg des Teildeckungsbankwesens führte und die Möglichkeit zur Kreditausweitung eröffnete. Des Weiteren und entgegen der weitläufigen Meinung glaubt Usher, dass dies das bedeutendste Ereignis in der Geschichte des Bankwesens ist und nicht das Aufkommen von Notenbanken, welche erst viel später, im späten siebzehnten Jahrhundert in Erscheinung traten. Die historische Entwicklung des Bankwesens wurde, obwohl, wie wir in Kapitel 4 sehen werden, dieselben Effekte aus der Ausgabe von Banknoten ohne Deckung und aus der Gewährung von Darlehen aus Sichteinlagen resultieren, stärker von letzterer der erwähnten Praktiken geprägt als von ersterer. Usher gibt an, dass „the history of banks of issue has, until lately, obscured the importance of due deposit banking in all its form, whether primitive or modern.“ In einer ironischen Referenz an die unangemessene Bedeutung, welche die Ökonomen der Problematik der Notenbanken im Vergleich zu den älteren aber nicht weniger schädlichen Praktiken der Depositenbanken geben, folgert er: the demand for currency, and the theoretical interests created by the problem, did much to foster misconceptions on the relative importance of notes and deposits. Just as French diplomats „discovered“ the Pyrenees in the diplomatic crisis of the eighteenth century, so banking theorists „discovered“ deposits in the mid-nineteenth century.41 Wieder und wieder zeigt Usher, dass das moderne Bankensystem aus dem Teildeckungsbankwesen entstanden ist (welches seinerseits das Ergebnis von Betrug und staatlicher Mittäterschaft ist, wie Usher detalliert anhand des Beispiels des spätmittelalterlichen katalonischen Banksystem veranschaulicht), und nicht aus den Notenbanken, die erst viel später auftauchten. Usher stellt heraus, dass die ersten Banken im Genua des zwölften Jahrhunderts eine klare Unterscheidung in ihren Büchern zwischen Sichteinlagen und „Termin“einlagen vornahmen und letztere als Darlehen oder als mutuum erfassten.42 Jedenfalls begannen die Bankiers später graduell die Sichteinlagen in ihrem eigenen Interesse zu nutzen, was zum expansiven Potenzial des heutigen 40 Abbot Payson Usher lehrte Nationalökonomie an der Universität von Harvard und ist der Urheber des gefeierten Werks, The Early History of Deposit Banking in Mediterranean Europe (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1943). 41 Ebenda, S. 9 und 192. 42 „In all these Genoese registers there is also a series of instruments in which the money received is explicitly described as a loan (mutuum).“ Ebenda, S. 63.
Bankensystems führte; oder genauer, zur Fähigkeit, aus dem Nichts Depositen zu schaffen und Kredite zu gewähren. Barcelonas Depositenbank ist ein Beispielsfall. Usher schätzt, dass die Bargeldreserven der Bank bis zu 29 Prozent der Gesamtsumme der Depositen betrug. Das impliziert eine Fähigkeit zur Kreditausweitung in Höhe des 3,3-fachen ihrer Bargeldreserve.43 Usher stellt außerdem das Versagen der öffentlichen Stellen auf verschiedenen Ebenen heraus, solide Bankpraktiken und vor allem die Erfordernis einer 100-prozentigen Reservedeckung auf die Sichteinlagen, durchzusetzen. Des Weiteren gewährten die Behörden den Banken schließlich die Staatslizenz
(ein
Privileg
–
ius
privilegium)
mit
einer
Teildeckung
zu
operieren.
Nichtsdestoweniger wurde von den Banken verlangt, die Depositen zu garantieren.44 In jedem Fall waren gewöhnlich die Regierenden die ersten, die das betrügerische Bankwesen zu ihrem Vorteil nutzten, indem sie Darlehen als eine leicht zugängliche Quelle zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte entdeckten. Es scheint, als ob den Bankiers das Privileg des Gebrauchs des Deponentengeldes zu ihrem eigenen Vorteil in stillschweigender Vereinbarung dafür erteilt wurde, dass der Gebrauch in den meisten Fällen in Form von Darlehen an öffentliche Stellen erfolgte. In verschiedenen Fällen gingen die Regierenden so weit, Staatsbanken zu schaffen, um direkt die beträchtlichen Gewinne, die im Bankwesen möglich waren, abzuschöpfen. Wie wir sehen werden, wurde Barcelonas Depositenbank, die Taula de Canvi, mit diesem Hauptzweck gegründet.
DAS KANONISCHE ZINSVERBOT UND DAS „DEPOSITUM CONFESSATUM“ Das Zinsverbot durch die drei großen monotheistischen Religionen (Judentum, Islam, und Christentum) trug viel dazu bei, die mittelalterlichen Finanzpraktiken zu komplizieren und zu 43 „Against these liabilities, the Bank of Deposit held reserves in specie amounting to 29 percent of the total. Using the phraseology of the present time, the bank was capable of extending credit in the ratio of 3.3 times the reserves on hand.“ (Ebenda, S. 181.) Wir können jedoch nicht mit der Aussage übereinstimmen, die Usher unmittelbar danach macht; er behauptet, dass die Privatbanken in Barcelona zu dieser Zeit eine viele niedrigere Reservedeckung hatten. Genau das Gegenteil muss der Wahrheit entsprechen. Weil die Privatbanken kleiner waren, konnten sie kein so großes Vertrauen in der Öffentlichkeit gewinnen, wie es die Stadtbank tat und da sie in einem zweifellos konkurrenzbetonten Umfeld agierten, müssen ihre Bargeldreserven größer gewesen sein (Vgl. S. 181-182 in Ushers Buch). Jedenfalls folgert Usher, dass there was considerable centralization of clearance in the early period and extensive credit creation. In the absence of comprehensive statistical records, we have scarcely any basis for an estimate of the quantitative importance of credit in the medieval and early modern periods, though the implications of our material suggest an extensive use of credit purchasing power. (Ebenda, S. 8-9) Wir werden später die Werke von C. Cipolla zitieren, der Ushers Hauptthese vollauf bestätigt. Im vierten Kapitel werden wir die Geldmultiplikatoren in extenso untersuchen. 44 Im Katalonien des fünfzehnten Jahrhunderts waren keine Garantien erforderlich. Jedoch war es nur Bankiers erlaubt, die Garantien anboten, Tischdecken auf ihre Schalter zu legen. Mit diesem System konnte die Öffentlichkeit leicht die solventeren Unternehmungen identifizieren. Ebenda, S. 17.
verdunkeln. Marjorie Grice-Hutchinson hat das mittelalterliche Zinsverbot und seine Implikationen sorgfältig erforscht.45 Sie stellt heraus, dass es den Juden nicht verboten war, Geld für Zinsen an Ungläubige zu verleihen, was erklärt, warum zumindest in der ersten Hälfte des Mittelalters die meisten Bankiers und Kapitalgeber in der christlichen Welt Juden waren.46 Die Komplexität des mittelalterlichen Bankwesens wurde wesentlich durch das kanonische Zinsverbot vergrößert und nicht, wie viele Theoretiker insistiert haben, durch den Versuch der Bankiers eine nützliche und notwendige Dienstleistung anzubieten. Durch das Zinsverbot mussten die Bankiers kontinuierlich nach neuen Wegen suchen, die notwendige Zinszahlung bei Darlehen zu verschleiern. Wenn die Bankiers das Geld, welches sie von ihren Kunden als Darlehen (oder „Termin“einlage) erhielten, verliehen, so handelten sie als wahre Finanzintermediäre und führten sicherlich legitime Geschäfte durch, wobei sie wesentlich zu der produktiven Wirtschaft ihrer Zeit beitrugen. Dennoch sollte die späte Anerkennung der Zulässigkeit des Zinses durch die Kirche nicht als eine Genehmigung aller Bankaktivitäten gewertet werden, sondern nur als die Autorisierung der Banken, das Geld, was ihnen von Dritten geliehen wurde, zu verleihen. In anderen Worten wurde ihnen gestattet als Finanzintermediäre zu fungieren. Die Entwicklung der kirchlichen Zinsdoktrin impliziert in keinem Fall die Billigung des Teildeckungsbankwesens, d. i. des Gebrauchs der Sichteinlagen durch die Bankiers (was im Allgemeinen bedeutete, Darlehen zu gewähren) in deren eigenem Interesse.47 Zu einem großen Teil ist die konzeptuelle Verwirrung, mit der wir es zu tun haben, im Mittelalter als ein Ergebnis des kanonischen Zinsverbots entstanden. Einer der vielen Kunstgriffe48 mit denen 45 Marjorie Grice-Hutchinson, Early Economic Thought in Spain 1177-1740 (London: George Allen and Unwin, 1978). Vgl. „In Concealment of Usury,“ Kap. 1, S. 13-60. 46 Until the thirteenth century, the greater part of financial activity was in the hands of Jews and other nonChristians, usually from the Near East. For such unbelievers from the Christian point of view there could be no salvation in any event, and the economic prohibitions of the Church did not apply to them. . . . Hatred for the Jews arose on the part of the people who resented such interest rates, while monarchs and princes, if less resentful, scented profits from expropriation of this more or less helpless group. (Harry Elmer Barnes, An Economic History of the Western World [New York: Harcourt, Brace and Company, 1940], S. 192-93) 47 Dies entspricht genau der Meinung, die Father Bernard W. Demsey S.J. vertritt, der in seinem bemerkenswerten Buch Interest and Usury (Washington, D.C.: American Council of Public Affairs, 1943) zu dem Schluß kommt, dass, sogar wenn man Zinsen als legitim betrachtet, das Teildeckungsbankwesen auf „institutionellen Wucher“ hinausläuft und besonders schädlich für die Gesellschaft ist, weil es wiederholt künstliche Aufschwünge, Bankkrisen und wirtschaftliche Rezessionen generiert (S. 228). 48 Eine klare und präzise Liste der gebräuchlichen Kniffe um Darlehen und Zinsen zu verschleiern kann in dem Buch von Imbert, Historia económica (de los orígenes a 1789), S. 157-58 gefunden werden. Imbert erwähnt die folgenden Methoden um zinstragende Darlehen zu maskieren: (a) Scheinverträge (wie Rückkaufvereinbarungen oder Immobiliengarantien; (b) Strafklauseln (den Zins als ökonomische Sanktion tarnen); (c) über den Betrag des Darlehens lügen (der Darlehensnehmer stimmt damit überein, ein höhere Summe als das ursprüngliche Darlehen zurückzuzahlen); (d) Devisentransaktionen (die Zinsen als zusätzliche Gebühr enthalten); und (e) Einkommen oder Renten (Lebensrenten, die jeweils einen Teil für die Zinsen und für die Tilgung beinhalten). Jean Imbert erwähnt nicht explizit das depositum confessatum, eine der populärsten Arten, Zinsen zu rechtfertigen. Es passt gut in die „Strafklausel“kategorie. Vgl. auch den Hinweis, den Henri Pirenne auf den „außerordentlichen Einfallsreichtum“
die ökonomischen Agenten versuchten, die tatsächlich zinstragenden Darlehen zu verbergen, war, sie als Sichteinlagen zu tarnen. Wir wollen nun betrachten, wie dies genau vor sich ging. Zunächst müssen wir uns an unsere Diskussion des Vertrages des monetären depositum irregulare im 1. Kapitel erinnern. Eine der bemerkenswertesten Richtlinien, die im Corpus Juris Civilis für diesen Vertrag gefunden werden kan, sah vor, dass der Depositar sich des Diebstahls schuldig macht, sofern er nicht in der Lage war, das Depositum auf Nachfrage herauszugeben und weiterhin zur Zinszahlung für die Auszahlungsverzögerung verpflichtet war (Digest, 16, 3, 25, 1). Daher sollte es keine Überraschung sein, dass während des ganzen Mittelalters viele Bankiers und „Deponenten“ mit dem Zweck das kanonische Zinsverbot zu umgehen, explizit erklärten, dass sie den Vertrag des monetären depositum irregulare eingegangen waren, obwohl sie tatsächlich ein echtes Darlehen oder ein Mutuum abgeschlossen hatten. Die Verschleierungsmethode zu der diese Erklärung gehörte, wurde passend depositum confessatum genannt. Es war ein simuliertes Depositum, dass, trotz der Erklärungen der beiden Parteien, kein wahres Depositum darstellte, sondern eher ein reines Darlehen oder Mutuum war. Am Ende der vereinbarten Laufzeit forderte der angebliche Deponent sein Geld. Wenn der erklärte Depositar nicht in der Lage war, es zurückzugeben, war er gezwungen eine „Strafe“ in Form von Zinsen auf seine unterstellte „Säumnis“ zu zahlen, welche nichts mit dem wahren Grund für die „Strafe“ zu tun hatte (der Tatsache, dass die Operation ein Darlehen darstellte). Die Verkleidung der Darlehen als Depositen wurde eine effektive Methode, um das kanonische Zinsverbot zu unterlaufen und den schweren Sanktionen, sowohl weltlicher als auch geistlicher Art, zu entkommen. Das depositum confessatum pervertierte schließlich die Rechtsdoktrin des monetären depositum irregulare, indem es dieser die Grundsätze der Klarheit und Reinheit nahm, die es im klassischen Rom erhalten hatte und eine Verwirrung stiftete, die beinahe bis zum heutigen Tage bestand hält. In der Tat veranlassten, unabhängig von der Lehrmeinung der Experten (entweder strikt gegen sie oder „für“ sie in vernünftigen Grenzen) hinsichtlich der zinstragenden Darlehen, die unterschiedlichen Einstellungen zum depositum confessatum die Gelehrten, die klare Unterscheidung zwischen dem monetären depositum irregulare und dem mutum zu beenden. Einerseits tendierten übereifrige Kanonisten, entschlossen, alle versteckten Darlehen aufzudecken und die dazugehörigen Zinsen zu verdammen, automatisch dazu, die Depositenverträge und die Mutuumverträge gleichzusetzen. Sie glaubten, dass durch die Aufdeckung der Darlehen, die, wie sie annahmen, hinter jedem Depositum standen, sie der Täuschung durch das depositum confessatum ein Ende setzen könnten. Hierin lag genau ihr Fehler: sie betrachteten alle Depositen, auch die wirklichen Depositen (die mit dem zur Verbergung der „gefährlichen Zinsen“ macht. Economic and Social History of Medieval Europe (London: Kegan Paul, Trench and Company, 1947), S. 140.
grundlegenden Zweck der sicheren Aufbewahrung des tantundem und unter der Bedingung ständiger Verfügbarkeit für den Deponenten gemacht wurden) als deposita confessata. Andererseits verteidigten jene Experten, die Darlehen und Zinsen relativ stärker unterstützten und nach Wegen suchten, sie für die Kirche akzeptabel zu machen, das depositum confessatum als eine Art säumiges Darlehen, welches nach den im Digest enthaltenen Prinzipien die Zahlung von Zinsen rechtfertigte. Als Resultat beider Lehrmeinungen kamen die Gelehrten zu der Auffassung, dass die „Irregularität“ beim monetären depositum irregulare sich nicht auf das Depositum einer bestimmten Menge eines fungiblen Gutes bezog (dessen Einheiten von denen der gleichen Art ununterscheidbar waren und dessen tantundem ständig dem Deponenten bereitgehalten werden musste), sondern auf die „Irregularität“, Darlehen immer als Depositen zu verschleiern.49 Des Weiteren erkannten schließlich die Bankiers, die das depositum confessatum mit dem Ziel genutzt hatten Darlehen als Depositen zu tarnen und die illegale Zinszahlung zu rechtfertigen, dass die Lehre, nach der Depositen immer versteckte Darlehen darstellten, für sie äußerst lukrativ sein könnte. Denn sie konnten diese Lehre anwenden, um sich sogar gegen die Veruntreuung von Geldern zu verteidigen, die eigentlich als Sichteinlagen hinterlegt worden waren und ihnen gar nicht geliehen worden waren. Auf diese Weise hatte das kanonische Zinsverbot den unerwarteten Effekt die klare Rechtsdefinition des Vertrages des monetären depositum irregulare, welche die römischen Juristen erarbeitet hatten, zu verschleiern. Viele nutzen die folgende Verwirrung aus, um zu versuchen, das betrügerische Bankwesen und die Veruntreuung der Sichteinlagen juristisch zu rechtfertigen. Den Experten gelang es bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts nicht, das resultierende rechtliche Chaos aufzuklären.50 49 Die Gleichsetzung durch die Kanonisten des monetären depositum irregulare mit dem Vertrag eines Darlehens oder mutuum hat Experten dazu veranlasst, nach einer gemeinsamen juristischen Eigenschaft beider Verträge zu suchen. Sie erkannten bald, dass beim Depositum eines fungiblen Guts das „Eigentum“ der individuellen deponierten Einheiten „übertragen“ wird, da der Depositar nur dazu verpflichtet ist, das tantundem sicher zu aufzubewahren, zu erhalten und auf Verlangen zurückzugeben. Diese Eigentumsübertragung schien mit der beim Darlehensvertrag oder mutuum übereinzustimmen, so dass es ein natürlicher Schritt für die Gelehrten war, automatisch anzunehmen, dass alle monetären deposita irregularia Darlehen darstellten, da beide eine „Übertragung“ des „Eigentums“ vom Deponenten zum Depositar darstellten. Daher übersahen die Theoretiker den grundlegenden Unterschied (vgl. Kapitel 1) zwischen dem monetären depositum irregulare und dem mutuum oder Darlehen: der Hauptzweck des depositum irregulare ist die Bewachung und sichere Aufbewahrung des Gutes und obzwar das „Eigentum“ in einem gewissen Sinne „übertragen“ wird, trifft das nicht auf die Verfügbarkeit zu und das tantundem muss ständig dem Deponenten verfügbar gehalten werden. Im Gegensatz dazu impliziert ein Darlehen zusätzlich zur Eigentumsübertragung (in der Tat werden Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter getauscht) die Übertragung der vollständigen Verfügbarkeit und beinhaltet folgendes fundamentales Element: eine Laufzeit während der die Güter aufhören, dem Darlehensgeber verfügbar zu sein. Deposita irregularia beinhalten eine solche Laufzeit nicht. Kurzum, weil das kanonische Zinsverbot zu der betrügerischen und falschen Institution des depositum confessatum führte, war es indirekt dafür verantwortlich, dass die Unterscheidung zwischen dem monetären depositum irregulare und dem mutuum verloren ging. Diese Verwirrung liegt eindeutig dem falschen, endgültigen Gerichtsurteil aus dem Jahr 1342 im Fall Isabetta Querini vs. die Bank von Marino Vendelino zu Grunde, das von Reinhold C. Mueller in The Venetian Money Market: Banks, Panics, and the Public Debt, 1200-1500 erwähnt wird (Baltimore: John Hopkins Univeristy Press, 1997), S. 12-13. 50 In der Tat war Pasquale Coppa-Zucarri, dessen Werk wir bereits zitiert haben, der erste, der damit begann, eine
Wir werden uns jetzt drei besonderen Fällen zuwenden, die zusammen die Entwicklung des mittelalterlichen Bankwesens illustrieren: die florentinischen Banken des vierzehnten Jahrhunderts; die Depositenbank Barcelonas, die Taula de Canvi im fünfzehnten Jahrhundert und später; sowie die Bank der Medici. Diese Banken, wie alle wichtigen Banken des Spätmittelalters, offenbarten durchweg das Muster, das wir schon in Griechenland und Rom gesehen haben: die Banken respektierten zunächst die traditionellen Rechtsprinzipien, die im Corpus Juris Civilis zu finden sind, d.h. sie operierten mit einer 100-prozentigen Reservedeckung, welche die sichere Aufbewahrung des tantundem und seine ständige Verfügbarkeit für die Deponenten garantierte. Dann begann man allmählich diese Prinzipien dank der Gier der Bankiers und der Komplizenschaft der Regierenden allmählich zu verletzen und die Bankiers begannen das Geld der Sichteinlagen zu verleihen, oftmals in der Tat an die Regierenden. So entstand ein Teildeckungsbankwesen und eine künstliche Kreditausweitung, die in der ersten Phase das wirtschaftliche Wachstum anzuregen schien. Der ganze Prozess endete in einer allgemeinen wirtschaftlichen Krise und dem Zusammenbruch der Banken, welche die Depositen auf Verlangen nichtzurückgeben konnten, als die Rezession zuschlug und dadruch das Vertrauen der Öffentlichkeit verloren ging. Wann immer Darlehen systematisch aus Sichteinlagen vergeben wurden, scheint die historische Konstante im Bankwesen der letztendliche Zusammenbruch gewesen zu sein.51 Außerdem wurden die Bankenzusammenbrüche von einer starken Kontraktion der Geldmenge (vor allem einem Mangel an Darlehen und Depositen) und von der resultierenden, unvermeidlichen wirtschaftlichen Rezession begleitet. Wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, brauchten die ökonomischen Gelehrten beinahe fünf Jahrhunderte, um die theoretischen Ursachen all dieser Prozesse zu
vollständige Rechtstheorie des monetären depositum irregulare zu rekonstruieren. Er startete von den gleichen Prämissen wie die klassischen römischen Gelehrten und enthüllte erneut die Illegitimität der Veruntreuung des Sichteinlagen durch die Banken. Bezüglich der Folgen des depositum confessatum auf die theoretische Behandlung der juristischen Institution des depositum irregulare, folgert Coppa-Zuccari, dass le condizioni legislative die tempi rendevano fertile il terreno in cui il seme della discordia dottrinale cadeva. Il divieto degli interessi nel mutuo non valeva pel deposito irregolare. Qual meraviglia dunque se chi aveva denaro da impiegare fruttuosamente lo desse a deposito irregolare, confessatum se occorreva, e non a mutuo? Quel divieto degli interessi, che tanto addestrò il commercio a frodare a legge e la cui efficacia era nulla di fronte ad un mutuo dissimulato, conservò in vita questo ibrido instituto, e fece sì che il nome di deposito venissi imposto al mutuo, che non poteva chiamarsi col proprio nome, perchè esso avrebbe importato la nullità del patto relativo agli interessi. (Coppa-Zuccari, Il deposito irregolare, S. 59- 60). 51 Zum Beispiel erwähnt Raymond Bogaert, dass es urkundliche Beweise gibt, die zeigen, dass mindesten 93 der 163 in Venedig bekannten Banken zusammenbrachen. Bogaert, Banques et banquiers dans les cités grecques, Fußnote 513, S. 392. Für eine detaillierte List von 46 Zusammenbrüchen von venezianischen Banken vgl. Mueller, The Venetian Money Market, S. 585-86. Das gleiche Schicksal des Zusammenbruchs erfasste alle Banken von Sevilla im 15. Jahrhundert. Daher ist der systematische Zusammenbruch von privaten Teildeckungsbanken, die nicht von einer Zentralbank (oder einem Äquivalent) unterstützt werden eine geschichtliches Faktum. Pascal Salin übersieht diese Tatsache in seinem Artikel „In Defense of Fractional Monetary Reserves,“ präsentiert auf der Austrian Scholars Conference, März 30-31, 2001.
verstehen.52
DAS BANKWESEN IM FLORENZ DES VIERZEHNTEN JAHRHUNDERTS Gegen Ende des zwölften und zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts war Florenz die Stätte des entstehenden Bankwesens, welches im vierzehnten Jahrhundert eine große Bedeutung gewann. Die folgenden Familien besaßen einen Großteil der bedeutendsten Banken: Die Acciaioulis, die Bonaccorsis, die Cocchis, die Antellesis, die Corsinis, die Uzzanos, die Perendolis, die Peruzzis und die Bardis. Es gibt Beweise, die belegen, dass ab dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts die Bankiers allmählich sich anschickten, betrügerischen Gebrauch eines Teils der Gelder in den Sichteinlagen zu machen, wobei sie aus dem Nichts und in expansiver Weise eine bedeutende Menge an Krediten schufen.53 Daher ist es nicht überraschend, dass ein Anstieg der Geldmenge (in der Form einer Kreditausweitung) einen künstlichen wirtschaftlichen Aufschwung verursachte, dem eine schwere und unvermeidbare Rezession folgte. Diese Rezession wurde nicht nur durch das massive Abheben von Geldern durch neapolitanische Fürsten ausgelöst, sondern auch durch das Unvermögen Englands seine Darlehen zurückzuzahlen und den drastischen Preisverfall bei florentinischen Staatsobligationen. In Florenz waren die öffentlichen Schulden durch spekulative, aus dem Nichts und von florentinischen Banken geschaffene Darlehen finanziert worden. Eine
52 Wie man sich vorstellen kann, führten die Bankiers ihre Verstöße gegen die allgemeinen Rechtsprinzipien und ihre Veruntreuungen der Gelder der Sichteinlagen in einem geheimnisvollen und schmachvollen Manier aus. In der Tat waren sie sich vollkommen der unrechtmäßigen Natur ihrer Aktivitäten bewußt und wussten außerdem, dass, falls ihre Kunden von ihren Aktivitäten erfahren würden, diese unmittelbar das Vertrauen in die Bank verlieren würden und diese bestimmte zusammenbrechen würde. Das erklärt die exzessive Geheimhaltung, die traditionell für das Bankwesen typisch ist. Zusammen mit der verwirrenden, abstrakten Natur von Finanztransaktionen schützt dieser Mangel an Offenheit sogar heutzutage weitgehend von öffentlicher Rechenschaft. Die Geheimhaltung lässt auch einen Großteil der Öffentlichkeit über die tatsächliche Natur des Bankwesen im Dunkeln. Während Banken für gewöhnlich als wahrhaftige Finanzintermediäre präsentiert werden, wäre es treffender die Banken lediglich als die Erschaffer von Darlehen und Depositen, die aus dem Nichts entstehen und einen expansiven Effekt auf die Wirtschaft haben, zu sehen. Die schändliche und daher geheime Natur dieser Bankpraktiken wurde geschickt von Knut Wicksell mit den folgenden Worten enthüllt: in effect, and contrary to the original plan, the banks became credit institutions, instruments for increasing the supplies of a medium of exchange, or for imparting to the total stock of money, an increased velocity of circulation, physical or virtual. Giro banking continued as before, though no actual stock of money existed to correspond with the total of deposit certificates. So long, however, as people continued to believe that the existence of money in the banks was a necessary condition of the convertibility of the deposit certificates, these loans had to remain a profound secret. If they were discovered the bank lost the confidence of the public and was ruined, especially if the discovery was made at a time when the Government was not in a position to repay the advances. (Wicksell, Lectures on Political Economy, Bd.2, S. 74-75) 53 Verschiedene Artikel sind zu diesem Thema geschrieben worden. Vgl. den interessanten Artikel von Reinhold C. Mueller, „The Role of Bank Money in Venice, 1300-1500,“ in Studi Veneziani n.s. 3 (1979): 47-96, und das 5. Kapitel seines Buches, The Venetian Money Market. Carlo M. Cipolla bestätigt zudem die Kreditausweitung der Banken in seiner bemerkenswerten Veröffentlichung, The Monetary Policy of Fourteenth-Century Florence (Berkeley: University of California Press, 1982), S. 13: „Die Banken dieser Zeit hatten sich bereits zu dem Punkt entwickelt, dass die Geld schufen und seine Umlaufsgeschwindigkeit vergrößerten.“
allgemeine Vertrauenskrise brach aus und führte zum Zusammenbruch aller oben erwähnten Banken zwischen 1341 und 1346. Wie man erwarten konnte, waren diese Bankzusammenbrüche zum Nachteil aller Deponenten, die nach einer ausgedehnten Zeitspanne höchsten die Hälfte, ein Drittel oder sogar nur ein Fünftel ihrer Depositen erhielten.54 Glücklicherweise beschreibt Villani die wirtschaftlichen und finanziellen Ereignisse dieser Periode in einer Chronik, die Carlo M. Cipolla entdeckt hat. Nach Villani war die Rezession von einer enormen Krediteinschränkung begleitet (die anschaulich als mancamento della credenza, oder „Kreditmangel“ beschrieben wird), welche die wirtschaftliche Lage weiter verschlechterte und zu einer Sintflut von Zusammenbrüchen von Industrie-, Handwerker- und Handelsbetrieben führte. Cipolla hat diese wirtschaftliche Rezession im Detail untersucht und beschreibt anschaulich in folgenden Worten den Übergang vom wirtschaftlichen Aufschwung zur Krise und Rezession: „Das Zeitalter des „Lobgesangs der Sonne“ wich dem Zeitalter des Danse macabre.“55 In der Tat dauerte die Rezession laut Cipolla „dank“ der verheerenden Effekte der Pest, welche die Bevölkerungszahl radikal verminderte, solange an, bis das Pro-Kopf-Angebot an Bar- und Kreditgeld seinen Vorkrisenstand erreicht und die Grundlage für eine anschließende Erholung gelegt hatte.56 DIE MEDICIBANK Die Geschichte der Medicibank ist durch die Forschung und Entschlossenheit von Raymond de Roover ans Licht gekommen. Roovers Arbeit wurde seinerseits durch die Entdeckung der
54 Cipolla, The Monetary Policy of Fourteenth-Century Florence, S. 9. 55 Ebenda, S. 1. Vgl. zudem Boccaccios Kommentar zu den wirtschaftlichen Folgen der Pest, der von John Hicks in Capital and Time: A Neo-Austrian Theory (Oxford: Clarendon Press, 1973), S. 12-13, erwähnt wird; vgl. Fußnote 60, Kapitel 5. 56 Carlo M. Cipollas interpretative Analyse der historischen Ereignisse offenbart ein größeres Wissen und eine bessere Anwendung der ökonomischen Theorie als die Analyse andere Autoren gezeigt hat (wie jene von A.P. Usher und Raymond de Roover, die beide ihr Erstaunen über die mittelalterlichen Rezessionen ausdrücken, deren Ursprünge für beide oft „mysteriös und unerklärlich“ waren). Dennoch konzentriert sich seine, in ihrer Natur monetaristische Analyse, auf die Phasen der Rezession, die er einem Geldmangel zuschreibt, der seinerseits in einer allgemeinen Krediteinschränkung begründet ist. Bemerkenswerterweise ignoriert er den vorhergehenden ökonomischen Aufschwung und fällt unbewußt in die „monetaristische“ Interpretation der Geschichte, sodass er nicht dazu kommt, zu erkennen, dass der künstliche durch die Kreditausweitung verursachte Aufschwung die wahre Quelle der folgenden unvermeidbaren Rezessionen ist. Cipollas These, dass es der Schwarze Tod war, der schließlich die Geld“knappheit“ löste, ist höchst diskutabel, da ein Geldmangel dazu tendiert, sich spontan durch einen allgemeinen Fall der Preise (via einem entsprechendem Anstieg im Geldwert) zu korrigieren, was es für die Individuen obsolet macht, solch hohe Geldvorräte zu halten. Es besteht daher kein Notwendigkeit eines Krieges oder einer Plage, um die Bevölkerung zu dezimieren. Sogar wenn es keine Pest gegeben hätte, hätte, wenn erst einmal die während des Aufschwungs gemachten Investitionsfehler korrigiert worden wären, der Prozess des wirtschaftlichen Niedergang früher oder später geendet, weil der Geldwert angestiegen wäre und sich die Geldvorräte in der Folge verringert hätten. Dieser Entwicklung fiel unzweifelhaft mit den Folgen des Schwarzen Tods zusammen, trat jedoch unabhängig von ihnen auf. Daher machen sogar die gebildetsten und einsichtigsten Historiker, wie Cipolla, eindeutig teilweise Fehler in ihrer Beurteilung, wenn sie nicht die geeigneten theoretischen Werkzeuge zu gebrauchen wissen. In jedem Fall ist es sehr bezeichnend, dass diese Vertreter einer inflationären Interpretation der Geschichte weiterhin auf die „positiven Effekt“ von Kriegen und Plagen hinweisen und diese als den Schlüssel zur Erholung von wirtschaftlichen Krisen betrachten.
vertraulichen Bücher (libri segreti) der Medicibank im florentinischen Archivio di Stato gefördert.57 Die Geheimhaltung dieser Bücher zeigt erneut die verborgene, schamvolle Natur der Bankaktivitäten (vgl. Fußnote 52), wie auch den Wunsch vieler Kunden italienischer Banken (Adliger, Prinzen, und sogar des Papstes), ihr Geld auf Geheimkonten zu hinterlegen. Diese Mutuumverträge wurden depositi a discrezione genannt. Die Wörter a discrezione zeigen an, dass diese sogenannten „Depositen“ tatsächlich Darlehen waren und die Bank diese vollständig gebrauchen und nach Belieben investieren konnte – zumindest für die Länge der festgelegten Laufzeit.58 Discrezioni war auch ein Hinweis auf die Zinsen, welche die Bank den Kunden zahlte, die ihr Geld in Form von Termin“einlagen“ geliehen hatten. In seinem Buch nimmt Raymond de Roover eine gründliche und detaillierte Untersuchung der Entwicklung und der Wechselhaftigkeit der Medicibank durch das Jahrhundert ihrer Existenz vor. Für unsere Zwecke ist es lediglich notwendig hervorzuheben, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die Bank begann, Sichteinlagen zu akzeptieren und einen Teil dieser Sichteinlagen unerlaubterweise als Darlehen zu nutzen. Die libri segreti dokumentieren diese Tatsache. Die Buchungsunterlagen vom März 1442 enthalten eine Notiz neben jedem Eintrag einer Sichteinlage, die anzeigt, mit welcher Wahrscheinlichkeit jeder Deponent sein Geld zurückfordern könnte.59 Eine Bilanz der englischen Niederlassung der Medicibank, datiert mit dem 12. November 1477, zeigt bereit, dass ein signifikanter Teil der Verpflichtungen der Bank Sichteinlagen waren. Raymond de Roover selbst schätzt, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die liquiden Reserven der Bank auf 50 Prozent der gesamten Sichtverbindlichkeiten gesunken waren.60 Wenn wir das Standardkriterium, welches von A. P. Usher genutzt wird, anwenden, impliziert dies ein Verhältnis von Kreditausweitung zu empfangenen Sichteinlagen von 2:1. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich dieses Verhältnis über die Lebensspanne des Instituts verschlechterte, vor allem nach 1464, einem Jahr, welches den Beginn wachsender Schwierigkeiten für die Bank markierte. Die Ursprünge der allgemeinen wirtschaftlichen Krise und der Bankenkrise, welche die Medicibank in den Ruin trieb, ähneln jenen, welche Carlo M. Cipolla in seiner Studie des Florenz des 14. Jahrhunderts ausmacht. In der Tat führte eine Kreditausweitung, die aus der widerrechtlichen Aneignung der Sichteinlagen durch die Bankiers resultierte, zu einem künstlichen Aufschwung, der 57 De Roover, The Rise and Decline of the Medici Bank 1397-1494. 58 „The Medici Bank and its subsidiaries also accepted deposits from outsiders, especially great nobles, church dignataries, condottieri, and political figures, such as Philippe de Commines and Ymbert de Batarnay. Such deposits were not usually payable on demand but were either explicitly or implicitly time deposits on which interest, or rather discrezione, was paid.“ . (De Roover, The Rise and Decline of the Medici Bank 1397-1494, S. 101) 59 Ebenda, S. 213. 60 Ebenda, S. 245.
durch den Geldmengenanstieg alimentiert wurde, und zu dessen scheinbar „vorteilhaften“, kurzfristigen Folgen. Nichtsdestoweniger war, da dieser Aufschwungprozess aus einem Geldmengenanstieg, nämlich einer Kreditausweitung ohne einem realen Anstieg der Ersparnisse, hervorging, die Umkehr des Prozesses unvermeidbar, wie wir in Kapitel 4 und folgende detailliert erklären werden. Genau dies geschah in den italienischen Geschäftszentren in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. In ökonomischen Belangen ist Raymond de Roovers Erfassen des historischen Prozesses unglücklicherweise noch oberflächlicher als Cipollas und er geht sogar so weit zu behaupten: „what caused these general crises remains a mystery.“61 Es kann jedoch nicht überraschen, dass die Medicibank wie die anderen Banken, deren Geschäfte hauptsächlich vom Teildeckungsbankwesen abhingen, schließlich bankrott ging. Obwohl Raymond de Roover behauptet, er verstünde nicht, was die allgemeine Krise am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts verursachte, zeigt seine genaue historische Darstellung der letzten Phase der Medicibank alle typischen Anzeichen einer unvermeidbaren Rezession und eines Kreditengpasses, die auf einen Prozess einer großen künstlichen Kreditausweitung folgen. De Roover erklärt, dass die Medici gezwungen waren, eine Politik der Krediteinschränkung zu fahren. Sie forderten die Rückzahlung von Darlehen ein und versuchten die Liquidität der Bank zu erhöhen. Ferner ist gezeigt worden, dass die Medicibank in ihrer letzten Phase mit einer sehr geringen Reservedeckung operierte. Die Reservedeckung der Bank fiel sogar unter die Marke von 10 Prozent der gesamten Vermögenswerte und war daher unangemessen, um die Verpflichtungen der Bank während der Rezessionsperiode zu erfüllen.62 Die Medicibank ging schließlich bankrott und alle ihre Vermögenswerte fielen in die Hände ihrer Gläubiger. Die Wettbewerber der Bank gingen aus denselben Gründen bankrott: die unvermeidbaren Folgen der künstlichen Expansion und der anschließenden wirtschaftlichen Rezession, welche ausnahmslos durch das Verletzen der traditionellen Rechtsprinzipen, die das monetäre depositum irregulare regulieren, bedingt wird.
DAS BANKWESEN IM KATALONIEN DES VIERZEHNTEN UND FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERTS: DIE TAULA DE CANVI 61 Ebenda, S. 239. 62 Mithin verletzten über die Lebensspanne der Bank ihre Eigentümer zunehmend die traditionellen Rechtsprinzipien, welche von ihnen bedingten im Besitz von 100 Prozent der Sichteinlagen zu sein, und verringerten ihre Reservedeckung kontinuierlich: A perusal of the extant balance sheets reveals another significant fact: the Medici Bank operated with tenuous cash reserves which were usually well below 10 percent of total assets. It is true that this is a common feature in the financial statements of medieval merchant-bankers, such as Francesco Datini and the Borromei of Milan. The extent to which they made use of money substitutes is always a surprise to modern historians. Nevertheless, one may raise the question whether cash reserves were adequate and whether the Medici Bank was not suffering from lack of liquidity. (Ebenda, S. 371)
Das Aufkommen von Privatbanken in Barcelona fiel mit der Entwicklung des privaten Bankwesens in den großen italienischen Geschäftszentren zusammen. Unter der Herrschaft von Jaime I. dem Eroberer (1213-1276) wurden die gotischen und römischen Gesetze, welche Geschäftsbeziehungen regelten, abgeschafft und durch die Usos de Barcelona ersetzt. Außerdem wurde von den Cortes von 1300-1301 eine grundlegende und detaillierte Reihe von Regulierungen zur Kontrolle des Bankwesens eingeführt. Die Regulierungen bestimmten die Befugnisse, Rechte und Pflichten der Bankiers und legten die Erfordernisse in Bezug auf Bürgschaften fest. Einige der eingeführten Regeln sind für unser Thema sehr relevant. Zum Beispiel wurde am 13. Februar 1300 festgesetzt, dass jeder Bankier, der bankrott ging, durch einen öffentlichen Ausrufer in ganz Barcelona verunglimpft und gezwungen würde von Wasser und Brot zu leben, bis er die gesamten Depositen seinen Gläubigern zurückgegeben hätte.63 Des Weiteren wurde ein Jahr später, am 16. Mai 1301, entschieden, dass Bankiers verpflichtet wären Sicherheiten oder Garantien von dritten Parteien zu haben, um ihr Geschäft betreiben zu können und jene Bankiers, welche dies nicht taten, würde es nicht erlaubt sein, eine Tischdecke über ihrem Bankschalter auszubreiten. Der Zweck dieser Vorsehung war es, jedermann klar zu machen, dass die Bankiers ohne Tischdecke nicht so liquide waren wie jene, die Tischdecken benutzten und von Sicherheiten gestützt wurden. Jeder Bankier, welcher der Regel zuwider handelte (d.h. der mit einer Tischdecke operierte ohne Sicherheiten zu haben), würde des Betrugs schuldig befunden werden.64
In Anbetracht dieser Regulierungen muss Barcelonas Bankensystem
ursprünglich recht liquide gewesen sein und die Banken müssen im großen und ganzen die grundlegenden Rechtsprinzipien, die das monetäre Bankdepositum bestimmten, respektiert haben. Nichtsdestoweniger gibt es Anzeichen dafür, dass trotz allem die Privatbankiers bald damit begannen, ihre Kunden zu täuschen und am 14. August 1321 wurden die Regulierungen bezüglich der Bankzusammenbrüche modifiziert. Es wurde festgelegt, dass derjenige, der nicht auf der Stelle seine Verpflichtungen nachkam, als bankrott erklärt wurde; und wenn er seine Schulden nicht binnen eines Jahres zahlen konnte, so würde er in öffentliche Ungnade fallen, welche durch einen städtischen Ausrufer in ganz Katalonien verkündet werden würde. Direkt nach dieser Maßnahme würde der Bankier vor seinem Bankschalter geköpft und sein Eigentum vor Ort verkauft werden, um seine Gläubiger zu bezahlen. In der Tat war dies eine der wenigen historischen Fälle, in denen die Regierenden sich darum bemühten, die allgemeinen Prinzipien der Eigentumsrechte in Bezug 63 Usher, The Early History of Deposit Banking in Mediterranean Europe, S. 239. 64 Ebenda, S. 239.
auf den monetären Bankdepositenvertrag effektiv zu verteidigen. Während es wahrscheinlich ist, dass die meisten katalonischen Bankiers versuchten, zu fliehen oder ihre Schulden innerhalb eines Jahres zu bezahlen, beweisen Dokumente, dass zumindest ein Bankier, ein gewisser Francesch Castello, direkt vor seinem Schalter im Jahre 1360 geköpft wurde, in strikter Auslegung des Gesetzes.65 Trotz dieser Sanktionen kamen die liquiden Gelder der Banken nicht den Beträgen gleich, die als Sichteinlagen empfangen wurden. Als eine Folge gingen sie schließlich en masse im vierzehnten Jahrhundert bankrott, in derselben wirtschaftlichen Rezession und Kreditkrise, welche die italienische Finanzwelt verheerte und von Carlo M. Cipolla untersucht worden ist. Obgleich es Anzeichen dafür gibt, dass die katalanischen Banken ein wenig länger als die italienischen aushielten (die schweren Strafen für Betrug führten unzweifelhaft zu einer höheren Reservedeckung), zeigen die Dokumente, dass die katalanischen Banken schließlich auch nicht mehr ihren Verpflichtungen nach kommen konnten. Im März 1397 wurden weitere Regulierungen eingeführt als die Öffentlichkeit begann, sich darüber zu beschweren, dass die Bankiers nur widerstrebend das deponierte Geld zurückgaben, ihren Kunden alle möglichen Ausreden anboten, ihnen sagten, „später wieder zu kommen“ und sie nur (letztendlich, wenn die Kunden Glück hatten) in kleineren Münzen geringen Wertes und niemals im ursprünglich deponierten Gold auszahlten.66 Die Bankenkrise des vierzehnten Jahrhunderts führte nicht zu einer erhöhten Überwachung und einem besseren Schutz der Eigentumsrechte der Deponenten. Stattdessen hatte die Krise die Schaffung einer städtischen, öffentlichen Bank, die Taula de Canvi, Barcelonas Depositenbank, zur Folge. Diese Bank wurde mit dem Zweck gegründet, Depositen anzunehmen und sie zur Finanzierung städtischer Ausgaben und der Emission von öffentlichen Anleihen der Stadt Barcelona zu verwenden. Mithin passt die Taula de Canvi in das traditionelle Muster einer Bank, die von den Regierenden geschaffen wird, um direkt die unehrlichen Vorteile des Bankwesen auszunutzen. A.P. Usher hat das Wirken dieser Bank bis ins Detail untersucht. Wie vorherzusehen war, endete es in Zahlungsunfähigkeit (im Februar 1468), weil ein großer Teil ihrer Reserven in Darlehen für die Stadt Barcelona geflossen waren und die Bank nicht im Stande war, die Wünsche der Deponenten, Bargeld abzuheben, zu befriedigen.67 Von diesem Zeitpunkt an wurde die Bank 65 Ebenda, S. 240 und 242. In Anbetracht jüngster Skandale und Bankkrisen in Spanien könnte man sich spaßeshalber fragen, ob es nicht eine gute Idee wäre, betrügerische Bankiers wieder so hart wie im vierzehnten Jahrhundert in Katalonien zu bestrafen. Eine unserer Studentinnen, Elena Sousmatzian, hat mir angezeigt, dass in der jüngsten Bankkrise, die Venezuela heimsuchte, ein Senator der sozialen christlichen Partei Copei sogar „ernsthaft“ derartige Schritte in einer Presseerklärung vorgeschlagen hat. Übrigens wurden diese Vorschläge von den von der Krise betroffenen Deponenten sehr gut aufgenommen. 66 Ebenda, S. 244. 67 „In February 1468, after a long period of strain, the Bank of Deposit was obliged to suspend specie payments completely. For all balances on the books at that date, annuities bearing interest at 5 percent were issued to depositors willing to accept them. Those unwilling to accept annuities remained creditors of the bank, but they were nor allowed to withdraw funds in cash.“ (Ebenda, S. 278)
reorganisiert. Es wurden ihr mehr und mehr Privilegien, wie das Monopol auf alle Depositen, die aus richterlich angeordneten Pfändungen und Beschlagnahmungen stammten, zugestanden. Dies war beinahe eine garantierte, kontinuierliche Einnahmequelle und fungierte als Sicherheit bei Darlehen zur Finanzierung der Projekte der Stadt. Die Taula erhielt zudem das Monopol auf die Ressourcen aller Depositen der Exekutive. Ferner mussten Gelder in Vormundschafts- und Testamentsprozessen bei der Bank eingezahlt und festgesetzt werden.68
4 DAS BANKWESEN IN DER HERRSCHAFT KARLS DES V. UND DIE LEHRE DER SCHULE VON SALAMANCA69 Das Bankwesen in der Herrschaft Karls V. ist aus verschiedenen Gründen paradigmatisch. Erstens wechselte der ökonomische Fokus, zumindest zeitweise, von den norditalienischen Handelsstädten nach Spanien, vor allem nach Sevilla und anderen spanischen Wirtschaftszentren. Zweitens war Karl der V. wegen seiner kostspieligen Reichspolitik fortwährend neuer Gelder bedürftig und wandte sich an das Bankensystem auf der Suche nach einer beständigen Finanzierungsquelle. So nutzte er skrupellos die Liquidität aus, mit der ihn das Bankensystem versorgte und festigte die traditionelle Komplizenschaft zwischen Regierenden und Bankiers. Zu dieser Zeit war eine zunehmend verdeckte Zusammenarbeit zwischen den beiden bereits an der Tagesordnung. Des Weiteren war Karl V. nicht imstande, den Bankrott der königlichen Staatskasse zu verhindern, was, wie man hätte erwarten können, sehr negative Folgen für die spanische Wirtschaft und die Bankiers, die seine Projekte finanziert hatten, zeitigte. Alle diese Vorkommnisse regten die brillantesten Köpfe ihrer Zeit an, die Finanz- und Bankaktivitäten, deren sie Zeuge wurden, zu reflektieren. Diese Theoretiker hinterließen uns einige sehr wertvolle Analysen, die es wert sind, detailliert studiert zu werden. Wir werden nun jedes dieser historischen Vorkommnisse in ihrer Reihenfolge untersuchen.
68 Die Dokumente zeigen, dass im Jahr 1433, mindesten 28 Prozent der Depositen der Taula de Canvi Barcelonas aus gerichtlichen Zwangsbeschlagnahmungen stammten und sehr stabil waren. Vgl. Usher, The Early History of Deposit Banking in Mediterranean Europe, S. 339 und Kindleberger, A Financial History of Western Europe, S. 49. Auf jeden Fall verschlechterte sich die Reservedeckung progressiv bis zur Zahlungseinstellung im Jahr 1468. In der Folge der Reorganisation zu dieser Zeit gelang es Barcelonas Depositenbank eine zerbrechliche, finanzielle Existenz für die nächsten 300 Jahre zu führen, was auf die Privilegien zurückzuführen ist, die sie hinsichtlich der juristischen Depositen inne hatte, sowie auf die Grenzen, welche den Darlehen an die Stadt gesetzt wurden. Kurz nachdem Barcelona am 14. September 1714 von den Bourbonen erobert wurde, wurden der Bank neue Statuten gegeben, welche vom Grafen von Montemar am 14. Januar 1723 entworfen wurden. Diese Statuten waren das Rückgrat der Bank bis zu ihrer endgültigen Liquidierung im Jahr 1853. 69 Eine weitere englische Version dieses Kapitels ist in Jesús Huerta de Soto, „New Light on the Prehistory of the Theory of Banking and the School of Salamanca,“ Review of Austrian Economics 9. Nr. 2 (1996): 59-81 erschienen.
DIE ENTWICKLUNG DES BANKWESENS IN SEVILLA Dank der Arbeiten von Ramon Carande kennen wir heute in einigen Details die Entwicklung des privaten Bankwesens in Sevilla in der Herrschaft Karls V.70 Carande zufolge kam seiner Forschung die Entdeckung einer Liste zugute, die vor der Konfiszierung der Edelmetalle durch Sevillas Casa de Contratación (Handelskammer) 1545 zusammengestellt worden war. Eine verarmte Staatskasse veranlasste Karl den V., die grundlegendsten Rechtsprinzipien zu verletzten und Gelder zu beschlagnahmen, wo er sie nur finden konnte: d. h. Gelder deponiert in den Tresoren der Sevillanischen Bankiers. Zugegebenermaßen verletzen auch diese Bankiers die grundlegenden Rechtsprinzipien, die das monetäre depositum irregulare regeln, und hatten in ihren eigenen privaten Unternehmungen einen Großteil des deponierten Geldes benutzt. Jedoch veranlasste sie gerade die Politik des Kaisers, jegliche Gelder, die sich in den Tresorräumen befanden, zu konfiszieren dazu, gewohnheitgsgemäß den Großteil des deponierten Geldes an Dritte zu verleihen. Da es letztendlich keine Garantien gab, dass die Regierenden die Bankreserven respektieren würden (und ihre eigenen Erfahrungen lehrten die Bankiers, dass, wenn der Kaiser knapp an Geld war, er keine Skrupel hatte, diese Gelder sich gewaltsam in Form von Zwangsdarlehen an die Krone anzueignen), erschien es weiser, einen Großteil des deponierten Geldes in Darlehen an die Privatindustrie und den Handel zu geben, wodurch eine Enteignung verhindert werden und höhere Profite erwirtschaftet werden konnte. Die Praxis des Konfiszierens der Depositen ist vielleicht das extremste Beispiel der traditionellen Politik der Regierenden, aus den Bankgewinnen Kapital zu schlagen, indem die Vermögenswerte jener, die einer rechtliche Pflicht haben, die Depositen dritter besser zu schützen, enteignet wurden. Es ist daher verständlich, dass die Herrschenden als die Hauptnutznießer der zweifelhaften Aktivitäten der Bankiers, schließlich dieses Gebaren legitimierten und den Bankiers allerlei Privilegien gewährten und es ihnen erlaubten mit einer Teildeckung an der Randzone der Legalitätzu operieren. In seinem Hauptwerk, Carlos V y sus banqueros, führt Ramón Carande die wichtigsten Bankiers im Sevilla Karls V. auf, nämlich die Espinosas, Domingo de Lizarrazas und Pedro de Morga, einher mit den weniger prominenten Cristóbal Francisquín, Diego Martínez, Juan Iñiguez und Octavio de Negrón. Unaufhaltsam fielen alle diese Bankiers dem Ruin anheim, meistens wegen einer Liquidität, die nicht ausreichte, um den Abruf von Sichteinlagen durch die Deponenten zu 70 Ramón Carande, Carlos V y sus banqueros, 3. Bde. (Barcelona und Madrid: Editorial Crítica, 1897).
befriedigen. Dies zeigt, dass sie mit einer Teildeckung operierten, unterstützt durch eine Lizenz oder ein Privileg, welches sie von der Stadt Sevilla oder Karl V. selbst erhielten.71 Wir haben keine Informationen über die genaue Höhe der Reservedeckung, aber wir wissen, dass die Bankiers in einigen Fällen persönliche Investitionen in die amerikanische Handelsflotte, die Steuereintreibung, etc. vornahmen. Diese riskanten Unternehmungen waren besonders verlockend, denn wenn sie mit einigem Erfolg beendet wurden, warfen sie einen beträchtlichen Gewinn ab. Ferner bestärkte, wie schon oben erwähnt, die wiederholte Konfiszierung der Edelmetalle in den Bankdepositen die Bankiers weiter darin, ihre illegitimen Aktivitäten fortzusetzen. Infolgedessen ging die Bank der Espinosas 1579 bankrott. Die Hauptgesellschafter wurden eingesperrt. Die Bank des Domingo de Lizarrazas ging am 11. März 1553 bankrott, als er unfähig war, eine Zahlung von mehr als sechseinhalb Millionen Maravedis vorzunehmen, während die Bank des Pedro de Morga, die ihre Geschäfte 1553 aufnahm, 1575 während des zweiten Bankrotts Philipp II. ihrerseits bankrott ging. Die weniger prominenten Banken erlitten das gleiche Schicksal. Thomas Gresham machte einen interessanten Kommentar über diesen Sachverhalt. Er war nach Sevilla gereist mit der Instruktion, 320.000 Dukaten in Bar abzuheben, wofür er die notwendige Bewilligung des Kaisers und von Queen Mary erhalten hatte. Gresham staunte, dass Geld gerade in der Stadt, welche die Schätze der Neuen Welt erhalten hatte, so knapp sein konnte. Auch auf den Märkten war das Geld knapp und Gresham fürchtete, dass alle Banken der Stadt die Zahlungen einstellen würden, sobald seine Abhebung abgewickelt war.72
Es ist bedauerlich, dass Ramón Carande solch unzulängliche
Analysewerkzeuge benutzt und dass sich seine Interpretation der Bankrotte hauptsächlich aus anekdotenhaften Informationen ableitet, wie z. B. die Gier nach Metallen, welche ständig die Zahlungsfähigkeit der Banken bedrohte; die wagemutigen persönlichen Unternehmungen der Bankiers (ihre Mitwirkung beim Chartern von Schiffen, dem Überseehandel, Versicherungen, verschiedenen Arten der Spekulation, etc.), welche diese kontinuierlich in missliche Lagen brachte; und die wiederholte Konfiszierung von Wertgegenständen durch das königliche Schatzamt und dessen Wunsch nach Liquidität. Er erwähnt nicht einmal die folgende Kette von Ereignissen: Das Teildeckungsbankwesen führte zu einer künstlichen Kreditausweitung, welche nicht durch ausreichende, reale Ersparnisse gestützt wurde; diese generierte, zusammen mit der Inflation der Edelmetalle aus Amerika einen künstlichen Aufschwung; der Aufschwung seinerseits erzeugte
71 Die spanischen Banken des siebzehnten Jahrhundert hatten nicht mehr Glück: Zu Beginn der siebzehnten Jahrhunderts gab es Banken am Hofe, in Sevilla, Toledo und Granada. Kurz nach 1622 beschwerte sich Alejandro Lindo, dass keine Bank mehr existierte, wobei die letzte (im Eigentum von Jacome Matedo) in Sevilla bankrott ging. (M. Colmeiro, Historia de la economía política española [1863; Madrid: Fundación Banco Exterior, 1988], Bd. 2, S. 342) 72 Schließlich, nach einigen Anstrengungen, war es ihm möglich, ungefähr 200.000 Dukaten zu erhalten, woraufhin er schrieb: „Ich befürchte, dass ich den Bankrott sämtlicher Banken Sevillas verursachen werden.“ Vgl. Carande, Carlos V y sus banqueros, Bd. 1, S. 299-323, vor allem die Stelle, S. 315-16, in der sich auf Greshams Besuch Sevilllas bezogen wird.
wiederum eine wirtschaftliche Krise und eine unausweichliche Rezession; und diese war der wahre Grund der Bankzusammenbrüche. Glücklicherweise wurde Ramón Carandes Auslassung der Theorie zumindest teilweise durch Carlo M. Cipollas interpretative Studie der wirtschaftlichen und finanziellen Krise der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts kompensiert. Obwohl sich seine Analyse strikt auf die italienischen Banken bezieht, ist sie auch direkt auf das spanische Finanzsystem anwendbar, was auf die enge Beziehung zwischen den Finanz- und Handelsströmen der beiden Länder zu dieser Zeit zurückzuführen ist.73 Cipolla erklärt, dass in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts die Geldmenge (oder was wir heute als M1 oder M2 bezeichnen würden) eine große Menge an „Bankgeld“ oder Depositen umfasste, die von Bankiers, die keine 100 prozentige Bargelddeckung ihrer Sichteinlagen aufrecht erhielten, aus dem Nichts geschaffenen wurden. Das führte zu einer Periode künstlichen wirtschaftlichen Wachstums, welche in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts begann, in eine Rezession umzukehren, als Deponenten nervös anfingen, erste wirtschaftliche Schwierigkeiten zu erfahren und die wichtigsten florentinischen Banken Bankrott gingen. Cipolla zufolge wurde die Phase der Expansion in Italien durch die Direktoren der Riccibank ausgelöst, die einen Großteil ihrer Depositen benutzten, um Staatspapiere zu kaufen und Darlehen zu gewähren. Die anderen Privatbanken sahen sich gezwungen, die gleiche Kreditausweitungspolitik anzuwenden, wollten ihre Manager wettbewerbsfähig bleiben und ihre Gewinne und Marktanteile erhalten. Dieser Prozess führte zu einem Kreditboom, der eine Phase größter, künstlicher Expansion einleitete, die sich bald umkehrte. 1574 klagte eine Proklamation die Bankiers an, da sie sich weigerten, die Depositen sofort in Bar auszuzahlen und prangerte den Umstand an, dass die Bankiers nur „mit Tinte bezahlten.“ Es wurde zunehmend schwieriger für die Bankiers die Depositen sofort in Bar zurückzuzahlen und die Venezianischen Städte begannen eine bedeutende Geldknappheit zu erleben. Handwerker konnten weder ihre Depositen abheben noch ihre Rechnungen bezahlen und eine schwere Kreditrestriktion (d.h. Deflation) zusammen mit einer ernsten wirtschaftlichen Krise, welche detailliert von Cipolla analysiert wurde, waren die Folge. Von einem theoretischen Standpunkt aus ist Cipollas Analyse besser als die von Ramón Carandes, obwohl Cipollas Analyse auch nicht völlig angemessen ist, weil sie auf die Krise und Kreditklemme eine größere Betonung legt als auf die vorhergehenden Stufen der Kreditausweitung, in denen die 73 Vgl. Cipolla Money in Sixteenth-Century Florence (Berkeley: University of California Press, 1989), vor allem S. 101 ff. Die enge Beziehung der Finanzwelt und des Handels zwischen Spanien und Italien um das sechzehnte Jahrhundert ist sehr gut in Felipe Ruiz Martíns Buch, Pequeño capitalismo, gran capitalismo: Simón Ruiz y sus negocios en Florencia (Barcelona: Editorial Crítica, 1990) dokumentiert.
Wurzel des Übels liegt. Die Phase der Kreditausweitung ihrerseits wurzelt in dem Versäumnis der Bankiers der Verpflichtung zu entsprechen, das tantundem zu beschützen und 100 Prozent intakt zu halten.74 Von internationaler Bedeutung waren die langjährigen Verbindungen zwischen Karl V. und den Mitgliedern der prominenten Bankiersfamilie, den Fuggern (bekannt in Spanien als die Fúcares). Die Fugger aus Augsburg begannen als Woll- und Silberhändler und handelten auch Gewürze zwischen ihrer Stadt und Venedig. Später konzentrierten sie sich auf das Bankwesen und zu ihrer Glanzzeit betrieben sie achtzehn Zweigstellen in verschiedenen Teilen Europas. Sie gewährten Kredite, welche halfen, die Wahl Karls des V. zum Kaiser zu finanzieren und versahen viele weitere seiner Unternehmungen mit Geldmitteln, wobei sie als Sicherheit sowohl die Silberlieferungen aus Amerika als auch die Bevollmächtigung erhielten, Steuern einzutreiben. Ihre Geschäfte kamen zu einem abrupten Halt und entgingen nur knapp dem Bankrott, als Philipp II. 1557 de facto die Zahlungen an die Gläubiger der Krone einstellte. Trotz allem blieben die Fugger bis 1634 Pächter der Ordensgebiete.75
DIE SCHULE VON SALAMANCA UND DAS BANKGESCHÄFT Die angesprochenen Phänomene der Bank- und Finanzwelt gingen nicht unbeachtet an den illustren Geistern der Mitglieder der Schule von Salamanca vorbei, die gemäß sehr glaubwürdigen Forschungen der modernen subjektivistischen Werttheorie, die von der Österreichischen Schule entwickelt wurde, den Weg bereiteten.76 Aus chronologischer Sicht ist das erste zu 74 Cipolla zeigt, dass die Riccibank in den 1570er Jahren nicht mehr den Wünschen nach Bargeldabhebungen nachkommen konnte, tatsächlich die Zahlungen einstellte und nur „mit Tinte“ oder „Bankwertpapieren“ zahlte. Die florentinische Regierung richtete ihr Augenmerk nur auf die Symptome dieser besorgniserregenden Situation und machte den typischen Versuch, die Situation durch bloße Verordnungen in den Griff zu bekommen. Sie zwang die Bankiers, ihre Gläubiger sogleich in Bar auszuzahlen, aber sie diagnostizierte und attackierte den Ursprung des Problems nicht (die Entwendung der Depositen und ihre Kanalisierung in Darlehen sowie das Versäumnis eine 100prozentige Reservedeckung aufrecht zu erhalten). In der Folge verfehlten die Dekrete die beabsichtigte Wirkung und die Krise verschlechterte sich stetig bis sie sich in der Mitte der 1570er Jahre rapide verschlechterte. Vgl. Cipolla, Money in Sixteenth-Century Florence, S. 107. 75 Die beste Quelle der Beziehungen zwischen der Fuggerbank und Karl V. ist wohl Ramón Carandes Carlos V y sus banqueros. Außerdem verdient die Studie Rafael Termes Carrerós mit dem Titel Carlos V y uno de sus banqueros: Jacobo Fugger (Madrid: Asociación de Caballeros del Monasterio de Yuste, 1993) Erwähnnung. Rafael Termes macht eine interessante Beobachtung über die Fuggersche Dominanz in Spanien, in dem er aufzeigt, dass es eine Straße in Madrid gibt, die nach den Fuggern benannt ist. Die Calle de Fúcar, zwischen der Straße von Atocha und Motarín, trägt eine hispanisierte Fassung ihres Nachnamens. Außerdem ist das Wort fúcar sogar heute mit der Bedeutung „eine reichte und wohlhabende Person“ im Diccionario de la Real Academia verzeichnet. (S. 25) 76 Die folgenden Autoren haben in jüngster Vergangenheit unter anderen die Beiträge der spanischen Scholastiker zur ökonomischen Theorie untersucht: Murray N. Rothbard, „New Light on the Prehistory of the Austrian School,“ in The Foundations of Modern Austrian Economics, Edwing G. Dolan, Hrsg. (Kansas City, Mo.: Sheed and Ward,
berücksichtigende Werk und das vielleicht für unsere These relevanteste; die Instrucción de mercaderes (Anweisung für Händler), welche von Doktor Luis Saravia de la Calle geschrieben und von Medina del Campa 1544 veröffentlicht wurde. Saravia de la Calle kritisiert die Bankiers harsch und nennt sie „unersättliche Vielfraße, die alles schlucken, alles zerstören, alles verwirren, alles stehlen und verunreinigen, wie die Harpyien des Phineus.“77 Er sagt, dass die Bankiers „raus auf die Straßen und Plätze mit ihrem Tisch und Stuhl und Kasse und Buch gehen, wie die Dirnen ins Freudenhaus mit ihrem Stuhl“ und wenn sie die notwendige Lizenz und die durch die Gesetze des Königreichs erforderliche Garantie erhalten haben, gehen sie hinaus, um Depositen von ihren Klienten zu akquirieren, denen sie Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrsdienste anbieten, Zahlungen von den Konten ihrer Klienten wie befohlen ausführen und sogar auf diese Depositen Zinsen zahlen. In einwandfreier juristischer Argumentation zeigt Saravia de la Calle, dass Zinsen mit der Natur des monetären Depositums unvereinbar sind und in jedem Fall der Bankier eine Gebühr für 1976), S. 52-74, und Economic Thought Before Adam Smith, Kap. 4, S. 97-133; Lucas Beltrán, „Sobre los orígenes hispanos de la economía de mercado,“ in Ensayos de economía política (Madrid: Unión Editorial, 1996), S. 234-54; Marjorie Grice-Hutchinson, The School of Salamanca: Readings in Spanish Monetary Theory 1544-1605 (Oxford: Clarendon Press, 1952), Early Economic Thought in Spain 1177-1740, London: George Allen and Unwin, und Economic Thought in Spain: Selected Essays of Marjorie Grice-Hutchinson, Laurence S. Moss and Christopher K. Ryan, eds. (Aldershot, England: Edward Elgar, 1993); Alejandro Al Chafuen, Christians for Freedom: LateScholastic Economics (San Francisco: Ignatius Press, 1986); und Huerta de Soto, „New Light on the Prehistory of the Theory of Banking and the School of Salamanca,“ S. 59-81. Der intellektuelle Einfluss der Schule von Salamanca auf die Österreichische Schule ist kein reiner Zufall oder ein Treppenwitz der Geschichte, sondern die Folge einer engen historischen, politischen und kulturellen Verbundenheit zwischen Spanien und Österreich während der Zeit Karls V. und seines Bruders Ferdinand I. Diese Verbundenheit dauert mehrere Jahrhunderte an, wobei Italien eine entscheidenden Rolle spielte, indem es als eine wahrhaftige kulturelle, wirtschaftliche und finanzielle Brücke zwischen den beiden äußersten Rändern Europas (Spanien und Wien) fungierte. (Zu diesem Thema empfehlen wir Jean Bérengers interessantes Buch, A History of the Habsburg Empire, 1273-1700, C.A. Simpson, trans. [London: Longman, 1994, S. 133-35]). Nichtsdestoweniger ist die scholastische Banklehre in der oben genannten Literatur größtenteils übersehen worden. Marjorie Grice-Hutchinson berührt das Thema mit einer beinahe wörtlichen Reproduktion von Ramón Carandes kurzen Beitrag bezüglich der Sache (vgl. The School of Salamanca, S. 7-8). Ramón Carande seinerseits zitiert lediglich (auf S. 297-98 des ersten Bandes seines Buches Carlos V y sus banqueros) Tomás de Mercados Reflexionen über das Bankwesen. Eine tiefgehendere Untersuchung wird von Alejandro A. Chafuen gemacht, der zumindest die Sichtweise von Louis de Molina bezüglich des Bankwesen wiedergibt und den Grad betrachtet, mit dem die Schule von Salamanca das Teildeckungsbankwesen gutheißt oder ablehnt. Eine weitere relevante Quelle ist Restituto Sierra Bravos Arbeit, El pensamiento social y económico de la Escolástica desde sus orígenes al comienzo del catolicismo social (Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Científicas, Instituto de Sociología „Balmes,“ 1975), Bd. 1, S. 214-37 enthält eine eher unausgewogene Interpretation der Standpunkte der Mitglieder der Schule von Salamanca über das Bankwesen. Nach Sierra Bravo tendierten einige der Theoretiker der Schule (einschließlich Domingo de Soto, Luis de Molina und sogar Tomás de Mercado) dazu, das Teildeckungsbankwesen zu akzeptieren. Sierra Bravo ignoriert jedoch die Schriften anderer Vertreter der Schule, die auf festerem theoretischen Boden eine radikal entgegengesetzte Auffassung vertraten. Die gleiche Kritik kann auch gegen die Verweise vorgebracht werden, die Francisco G. Camacho in seinem Vorwort zur spanischen Übersetzung von Molinas Werken macht, besonders gegen seine „Einleitung“ zu La teoría del justo precio (Madrid: Editora Nacional, 1981), vor allem S. 33-34. Diese Fassung der Lehre, nach der einige Vertreter der Schule von Salamanca das Teildeckungsbankwesen akzeptierten, wurde stark von einem Artikel von Francisco Belda, S. J. mit dem Titel „Ética de la creación de créditos según la doctrina de Molina, Lessio y Lugo,“ veröffentlicht in Pensamiento 19 (1963): 53-89, beeinflusst. Aus den im Text angeführten Gründen stimmen wir nicht mit diesen Autoren über die Interpretation, welche diese über die Lehre der Schule von Salamanca machen, überein. Wir werden ihre Einwände genauer im ersten Abschnitt von Kapitel 8 betrachten. 77 Saravia de la Calle, Instrucción de mercaderes, S. 180.
die sichere Aufbewahrung des Geldes erhalten sollte. Saravia de la Calle rügt sogar Kunden, die derartige Verträge mit Bankiers abschließen und stellt fest: Und wenn Du, Händler, behauptest, dass du das Geld nicht verleihst, sondern dass Du es deponierst, ist dass ein noch größerer Spott; denn wer hat jemals einen Depositar zahlen gesehen? Er wird gewöhnlich für den Umstand der sicheren Aufbewahrung des Depositums bezahlt. Des Weiteren, wenn du jetzt einem Profitjäger dein Geld als ein Darlehen oder Depositum anvertraust, wirst du - genau wie du einen Teil des Gewinn erhälst - auch einen Teil der Schuld auf dich laden, sogar noch einen größeren Teil.78 In Kapitel 12 seines Buches macht Saravia de la Calle eine gute Unterscheidung zwischen zwei radikal unterschiedlichen Operationen, die Bankiers ausführen: Sichteinlagen und Termin“einlagen“. Im ersten Fall vertrauen die Kunden ihr Geld den Bankiers zinsfrei an, damit das Geld sicherer und für die Vornahme von Zahlungen erreichbarer ist; weiterhin um die Schwierigkeiten und Umstände zu vermeiden, die mit dem Zählen und Aufbewahren einhergehen; und auch weil der Bankier in Dankbarkeit, dass ihm das Geld anvertraut wurde, auch Überziehungen ohne Zinsen akzeptiert, falls es vorkommen sollte, dass die Kunden kein Geld mehr in seiner Obhut übrig haben.79 Die zweite Operation, die Termin“einlage“, ist von der ersten grundverschieden und stellt tatsächlich ein echtes Darlehen oder Mutuum dar, welches dem Bankier für eine festgelegte Zeit gewährt wird und Zinsen abwirft. Saravia de la Calle verurteilt in Einklang mit der traditionellen kanonischen Zinslehre diese Transaktionen. Außerdem erklärt er eindeutig, dass im Falle des Sichteinlagenvertrages die Kunden den Bankier bezahlen sollten, denn wenn sie Geld deponieren, sollten sie für die sichere Aufbewahrung bezahlen und sie sollten keine so großen Gewinne erzielen wie das Gesetz erlaubt, wenn sie Geld oder Eigentum deponieren, welches die Bewachung erfordert80. Saravia de la Calle fährt fort, jene Klienten zu tadeln, die eigennützig versuchen, die rechtswidrige Aktivität der Bankiers auszunutzen, indem sie Depositen vornehmen und erwarten, dass die Bankiers Zinsen zahlen. Wie er es eindringlich ausdrückt: 78 Ibid., S. 181. 79 Ibid., S. 195. 80 Ibid., S. 197.
Jener, welcher sein Geld bei jemanden hinterlegt, von dem er weiß, dass er es nicht bewachen, sondern es ausgeben wird, ist nicht frei von Sünde, zumindest nicht lässlicher Sünde. Er handelt wie jemand, der eine Jungfrau einem Lustmolch oder eine Delikatesse einem Vielfrass übergibt.81 Des Weiteren kann der Deponent sein Gewissen nicht dadurch erleichtern, indem er denkt, dass der Bankier das Geld anderer Leute verleihen oder nutzen wird, jedoch nicht sein eigenes. Er glaubt, dass der Bankier wahrscheinlich das Geld, welches er deponiert, sicher aufbewahrt und keine Geschäfte mit ihm macht, obwohl dieses von keinem dieser Profitjäger erwartet werden kann. Im Gegenteil wird der Bankier bald das Depositum zur Gewinnerzielung investieren und versuchen, mit ihm Geld zu verdienen. Wie könnten Bankiers, die 7 und 10 Prozent Zinsen an jene zahlen, die sie mit Geld versorgen, davon Abstand nehmen, die Depositen zu benutzen? Sogar wenn es eindeutig bewiesen worden ist, dass du nicht sündigst (was nicht der Fall ist, sondern das Gegenteil) wird der Geldverleiher ganz sicher sündigen, wenn er mit deinem Geld Geschäfte macht und er schließlich das Geld nutzt, um von deinen Nachbarn Eigentum zu stehlen.82 Saravia de la Calles Lehre ist insofern sehr kohärent, als der eigennützige Gebrauch (mittels der Darlehensvergabe) des als Sichteinlage bei den Bankiers platzierten Geldes unrechtmäßig ist und eine schwere Sünde darstellt. Diese Lehre stimmt mit derjenigen überein, die ursprünglich von den klassischen Autoren des römischen Rechts eingeführt worden war. Eine Lehre, die sich natürlich gerade aus der Essenz, dem Zweck und der rechtlichen Natur des Vertrages des monetären depositum irregulare ableitet, die wir in Kapitel 1 untersucht haben. Saravia de la Calle beschreibt zudem plastisch die verhältniswidrig hohen Gewinne, welche die Bankiers durch ihre rechtswidrige Praxis der Aneignung der Depositen erwirtschaften, anstatt sich mit den moderateren Gewinnen zufrieden zu geben, die sie für die einfache Bewachung und sichere Aufbewahrung erhalten würden. Seine Erklärung ist recht anschaulich: Wenn ihr einen Lohn erhaltet, sollte er moderat und eurem Beitrag angemessen sein, keine exzessive Beute, mit der ihr prächtige Häuser errichtet, verschwenderische Anwesen kauft, 81 Ibid., S. 197. 82 Ibid.
Diener bezahlt, euren Familien extravaganten Luxus bereitet und große Feste gebt und euch so glänzend kleidet, vor allem wenn ihr arm ward, als ihr mit euren Geschäften begannt, und ihr den bescheidenen Handel verliesset.83 Außerdem erklärt Saravia de la Calle, dass Bankiers sehr anfällig dafür sind, bankrott zu gehen, und er nimmt sogar eine oberflächliche Analyse vor, die zeigt, dass der Expansionsphase, welche durch eine künstliche Kreditausweitung durch diese „Profitjäger“ hervorgebracht wurde, unausweichlich v eine Rezessionsphase folgt, während welcher die Nichtzahlung von Schulden zu einer Reihe von Bankzusammenbrüchen führt. Er fügt hinzu, dass wenn der Händler den Profitjäger nicht bezahlt, er dessen Bankrott bewirkt, und dieser alle Zahlungen einstellt und alles verloren ist. Wie allgemein bekannt ist, sind die Geldverleiher, der Beginn, die Möglichkeit und sogar der Grund von all dem. Denn wenn sie nicht existieren würden, würde jede Person ihr Geld in dem Ausmaß nutzen, in dem sie es könnte und nicht mehr, und die Dinge würden kosten, was sie wert sind und mehr als ein fairer Cashpreis würde nicht verlangt werden. Deshalb wäre es sehr erstrebenswert für Fürsten, damit aufzuhören, diese Profitjäger in Spanien zu tolerieren, da keine andere Nation auf der Welt diese erträgt, und diese Pestilenz von ihren Höfen und aus dem Königreich zu verbannen.84
Wie wir wissen, ist es nicht wahr, dass die Regierenden anderer Nationen die Aktivitäten der Bankiers erfolgreicher kontrolliert haben als die Spanier. Stattdessen passierte das gleiche mehr oder weniger überall, und die Herrscher gewährten schließlich den Bankiers Privilegien, die es ihnen erlaubten, einen eigennützigen Gebrauch der Gelder ihrer Deponenten vorzunehmen. Diese Privilegien erhielten sie im Austausch für die Möglichkeit, aus dem Bankensystem Kapital zu schlagen, welches eine schnellere und einfachere Finanzierung ermöglichte als Steuern. Um seine Untersuchung abzuschließen bekräftigt Saravia de la Calle, dass ein Christ unter keinen Umständen sein Geld diesen Profitjägern geben sollte, weil er mit diesem Tun sündigen würde, was immer der Fall ist. Er sollte davon Abstand nehmen; und wenn er nicht sündigt, dann sollte er es unterlassen, um den Geldverleiher nicht zur Sünde 83 Ibid., S. 186. 84 Ibid., S. 190; Hervorhebung hinzugefügt.
zu veranlassen. Des Weiteren fügt er hinzu, dass, falls die Dienstleistungen der Bankiers nicht genutzt werden, folgender zusätzlicher Vorteil entsteht: Die Deponenten werden nicht schockiert sein, wenn der Geldverleiher die Zahlungen einstellt; wenn er bankrott geht, wie wir es so oft sehen und wie unser Herrgott es erlaubt, lasst ihn und seine Herren die unehrlichen Gewinne wieder verlieren.85 Wie wir gesehen haben, ist Saravia de la Calles Analyse ebenso gescheit und humorvoll, wie sie tadellos und frei von Widersprüchen ist. Jedoch legt er in seiner Kritik der Bankiers eine zu große Betonung auf die Tatsache, dass sie Zinsen erhoben und zahlten und damit das kanonische Zinsverbot verletzten, anstatt zu betonen, dass sie Sichteinlagen veruntreuten. Ein anderer Autor, der den Vertrag des monetären depositum irregulare studierte, ist Martín de Azpilcueta, bekannt als „Doctor Navarro“. In seinem Buch Comentario resolutorio de cambios (Aufklärende Kommentare über den Tausch), welches zuerst am Ende des Jahres 1556 veröffentlicht worden ist, bezieht sich Martín de Azpilcueta explizit auf das „Bankwesen des sicheren Aufbewahrens“, welches in dem Bankvertrag der monetären Sichteinlage besteht. Für Martín de Azpilcueta ist das Bankwesen des sicheren Aufbewahrens, oder der Vertrag des depositum irregulare, vollauf gerecht und bedeutet, dass der Bankier der Wächter, Depositar und Bürger des Geldes [ist], welches ihm gegeben wurde oder für welchen Zweck auch immer von jenen getauscht wurde, die ihm Geld geben oder senden. Außerdem ist der Bankier verpflichtet, Zahlungen an Händler oder Personen vorzunehmen, an welche die Deponenten Zahlungen in einer gewissen Weise vornehmen wollen, [für die] er legitim eine faire Gebühr an die Republik oder die Deponenten erheben kann, weil dieser Handel und diese Pflicht für die Republik nützlich sind und frei von Frevel; denn es ist gerecht, dass ein Arbeiter seinen Lohn verdient. Und es ist die Arbeit des Geldwechslers, das Geld so vieler Händler zu erhalten, zu bewahren und bereitzuhalten, und ihre Konten mit großer Schwierigkeit und manchmal mit der Gefahr eines Fehlers in den Aufzeichnungen und anderen Dingen zu führen. Dieses Übereinkommen könnte in einem Vertrag formalisiert werden, in welchem sich eine Person verpflichtet, dass Geld anderer Leute als Depositum zu halten und Zahlungen vorzunehmen und die Aufzeichnungen, wie sie von 85 Ibid., S. 198.
ihnen angeordnet wurden, zu tätigen, etc., denn dies ist die Abmachung, eine Person für eine Arbeit anzustellen, was ein wohlbekannter, gerechter und gesegneter Vertrag ist.86 Wie wir sehen, betrachtet Martín de Azpilcueta den Vertrag des monetären depositum irregulare als einen völlig legitimen Vertrag, bei dem die Leute den Schutz ihres Geldes einem Experten (dem Bankier) anvertrauen, der dieses wie ein guter Vater bewahren und es ständig dem Deponenten verfügbar halten muss. Er muss jegliche Zahlungen vornehmen, die von ihm verlangt werden und er hat das Recht, von den Deponenten eine Gebühr für seine Dienste zu verlangen. Tatsächlich spürt Martín de Azpilcueta, dass es die Deponenten sind, die den Depositar oder Bankier bezahlen müssen und niemals umgekehrt, sodass Deponenten „als Kompensation für die Schwierigkeiten und Umstände, die der Geldwechsler beim Empfangen und Aufbewahren ihres Geldes hat, bezahlen“ und dass die Bankiers ihr Geschäft ehrlich [durchführen müssen] und sich mit einem gerechten Lohn begnügen sollten, den sie von jenen beziehen, die ihn ihnen schulden und deren Geld sie sicher aufbewahren und dessen Konten sie führen, und nicht von jenen, die ihnen nichts schuldig sind.87 Ferner verurteilt Martín de Azpilcueta (wobei er dieselbe Argumentation wie Doktor Saravia de la Calle nutzt) in einem Versuch, die Angelegenheiten klar zu stellen und Missverständnisse zu vermeiden, ausdrücklich die Klienten, die wünschen, nichts für die Bewachung ihrer Depositen zu bezahlen und sogar versuchen, mit ihnen Zinsen zu verdienen. Der Doktor Navarro schließt, dass in dieser Art des Tausches, es nicht nur die Sünde des Geldwechslers ist, sondern auch ... derer, die ihnen ihr Geld zur sicheren Aufbewahrung wie oben dargestellt anvertrauen. Später weigern sie sich, eine Gebühr zu zahlen, wobei sie behaupten, dass die Gewinne, die mit ihrem Geld erzielt werden und von jenen stammen, die sie in bar bezahlen, genug an Lohn ist. Und wenn die Geldwechsler einen Lohn verlangen, verlassen die Kunden sie und machen ihre Geschäfte woanders. Um also diese Kunden zu halten, verzichten die Bankiers auf ihre Gebühren und nehmen stattdessen das Geld von jenen, die ihnen nichts schulden.88
86 Martín de Azpilcueta, Comentario resolutorio de cambios (Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Científicas, 1965), S. 57-58. Bei unserem Studium der Lehren Dr. Navarros haben wir die erste spanische Ausgabe benutzt, welche von Andrés de Portanarijs in Salamanca im Jahre 1556 veröffentlicht wurde, wie auch die portugiesische Auflage, welche von Ioam de Barreyra in Coimbra im Jahr 1560 veröffentlicht wurde und den Titel Comentario resolutorio de onzenas trägt. In dieser Ausgabe erscheint der korrespondierende Text auf den Seiten 77-80. 87 Azpilcueta, Comentario resolutorio de cambios, S. 60-61. 88 Ibid., S. 61.
In seinem Buch, Suma de tratos y contratos (Aufstellung von Abkommen und Verträgen) (Sevilla 1571), leistet Tomás de Mercado eine Analyse des Bankwesens, die den Studien des vorangegangenen Autors sehr ähnlich ist. Er beginnt, indem er richtig sagt, dass die Deponenten die Bankiers für ihre Leistung des sicheren Aufbewahrens der Gelddepositen bezahlen sollten und kommt zum Schluß, dass es eine bekannte, allgemeine Regel unter allen Bankiers ist, Löhne von jenen zu beziehen, die Geld in ihrer Bank deponieren, eine gewisse Summe pro Jahr oder für jedes Tausend, weil die Bankiers den Deponenten dienen und ihre Vermögenswerte sicher aufbewahren.89 Nichtsdestoweniger weist Tomás de Mercado ironisch darauf hin, dass die Bankiers Sevillas so „generös“ sind, dass sie nichts für die Bewachung der Depositen verlangen: „jene [Bankiers] dieser Stadt, das ist wahr, sind so königlich und nobel, dass sie weder nach einem Lohn fragen noch einen Lohn beziehen.“90 Tomás de Mercado bemerkt, dass diese Bankiers es nicht nötig haben, eine Gebühr zu erheben, denn ein Großteil des Geldes, welches sie durch die Depositen erhalten, bringt ihnen stattliche Profite durch ihre persönlichen Geschäfte ein. Wir müssen betonen, dass unserer Meinung nach Tomás de Mercado hier nur eine Tatsache verifiziert und dass seine Formulierung nicht impliziert, dass diese Handlungen auf irgendeine Art gerechtfertigt wären, wie es verschiedene moderne Autoren (unter anderen, Restituto Sierra Bravo und Francisco G. Camacho) nahe zu legen scheinen.91 Das Gegenteil entspricht der Wahrheit. Vom Standpunkt der reinsten römischen Lehre und der grundlegenden rechtlichen Natur des Vertrages des monetären depositum irregulare, die im ersten Kapitel analysiert wurde, ist Tomás de Mercado der scholastische Autor, der am klarsten zeigt, dass die Übertragung des Eigentums beim depositum irregulare nicht eine gleichzeitige Übergabe der Verfügbarkeit des tantundem impliziert und es daher aus praktischer Sicht keinen vollen Transfer des Eigentums gibt. Er formuliert es recht gut: „sie [die Bankiers] müssen verstehen, dass das Geld nicht ihres ist, sondern anderen gehört; und dass es nicht gerecht ist, dass sie, wenn sie es benutzen, aufhören seinen Besitzern zu Diensten zu sein.“ Tomás de Mercado fügt an, dass die Bankiers zwei fundamentalen Prinzipien Folge leisten sollten. Erstens:
89 Wir zitieren aus der Ausgabe des Instituto de Estudios Fiscales, publiziert in Madrid im Jahre 1977, herausgegeben mit einer Einleitung von Nicolás Sánchez Albornoz, Bd. 2, S. 479. Eine andere Ausgabe ist von Restituto Sierra Bravo, publiziert durch Editora Nacional im Jahr 1975. Der obige Ausschnitt erscheint auf Seite 401 dieser Ausgabe. Die ursprüngliche Ausgabe wurde 1571 in Sevilla veröffentlicht „en casa de Hernanda Díaz Impresor de Libros, en la calle de la Sierpe.“ 90 Mercado, Suma de tratos y contratos, Bd. 2, S. 480 der Ausgabe des Instituto de Estudios Fiscales und S. 401 des Restituto Sierra Bravo. 91 Vgl. die Werke von Restituto Sierra Bravo, Francisco Belda, und Francisco García Camacho, die in Fußnote 76 zitiert werden.
Sie sollten die Bank nicht derart entblößen, dass die nicht die Wechsel, die sie behalten, bedienen können. Denn wenn sie unfähig werden, diese zu bezahlen, weil sie das Geld ausgegeben und in dubiosen Geschäften und anderen Unternehmungen investiert haben, sündigen sie eindeutig...Zweitens: sollten sie sich nicht in riskante Geschäfte verwickeln, denn sie sündigen sogar, wenn die Geschäfte erfolgreich verlaufen, weil es die Bankiers riskieren, dass sie nicht fähig sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen und jenen, die ihnen vertraut haben, ernsten Schaden zu fügen.92 Obwohl man diese Vorschläge als ein Anzeichen dafür sehen könnte, dass Tomás de Mercado eine gewisse Teildeckung zu akzeptieren bereit ist, ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass er mit Nachdruck seine juristische Meinung ausdrückt, dass das deponierte Geld nicht den Bankiers gehört, sondern letztlich den Deponenten, und dass er Des Weiteren schreibt, dass keiner der Bankiers sich seinen beiden Vorschlägen fügt: Jedoch beherzigt keiner von ihnen diese Warnungen, noch erfüllt er die Bedingungen, weil, wenn die Geschäfte gut laufen, es in Zeiten des Überflusses sehr schwierig ist, die Gier zu zäumen.93 Aus diesem Grunde erachtet er die Regelungen, die Kaiser Karl V. erlassen hatte, in dieser Hinsicht sehr nützlich. Sie verboten den Bankiers, persönliche Geschäfte durchzuführen und zielten darauf ab, die Versuchung zu eliminieren, solche Geschäfte endlos mit dem Geld zu finanzieren, dass sie von ihren Deponenten erhalten hatten.94
92 Mercado, Suma de tratos y contratos, Bd. 2, S. 480 der Ausgabe des Instituto de Estudios Fiscales und S. 401 der Ausgabe des Restituto Sierra Bravo. 93 Ibid. 94 Nueva Recopilación, Gesetz 12, Titel 8, Buch 5, erlassen in Zamora am 6. Juni 1554 von Karl Vl, Königin Juana und Prinz Philipp. Das Gesetz ließt sich wie folgt: Weil die öffentlichen Banken auf den Märkten von Medina del Campo, Rioseco und Villalón, und in den Städten, Orten und Dörfern dieses Königreichs. . . [Geschäften nachgegangen sind, die nicht ihrer speziellen Aufgabe hinsichtlich des Geldes entsprachen], haben sie als eine Folge die Zahlungen eingestellt und sind bankrott gegangen; [Um] die oben erwähnten Ereignisse zu verhindern, ordnen wir an, dass von jetzt an, sie sich auf ihre spezielle Aufgabe beschränken, und dass nicht nur eine Person, sondern zumindest zwei, erforderlich sind, um diese öffentlichen Banken zu gründen. . .und dass sie bevor sie. . .[ihrem Beruf nachgehen können], ausreichende Bürgen bereitstellen müssen. (Hervorhebung hinzugefügt) Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der Ausdruck „öffentliche Banken“ hier nicht auf Staatsbanken bezieht, sondern auf Privatbanken, die unter bestimmten Auflagen Depositen von der Öffentlichkeit erhalten dürfen (mindestens zwei Eigentümer, ausreichende Bürgschaften, usw.). Vgl. José Antonio Rubio Sacristán, „La fundación del Banco de Amsterdam y la banca de Sevilla (1609) y la banca de Sevilla,“ Moneda y crédito (März 1948).
Zudem schreibt Tomás de Mercado am Ende des vierten Kapitels der Suma de tratos y contratos, dass die Bankiers von Sevilla Gelddepositen und Edelmetall halten, welche den Händlern, die mit der Neuen Welt handelten, gehörten, und dass sie mit solch beachtlichen Depositen „große Investitionen vornehmen“ und ansehnliche Profite erwirtschaften. An dieser Stelle verurteilt er nicht diese Praktiken. Aber wir müssen uns wiederum daran erinnern, dass die fragliche Stelle mehr eine Beschreibung der Umstände als eine Bewertung ihrer Rechtmäßigkeit ist. Jedoch betrachtet er den Aspekt der Rechtmäßigkeit detaillierter im vierzehnten Kapitel, dass wir bereits behandelt haben. Tomás de Mercado zieht auch den Schluß, dass die Bankiers zudem in Geldwechsel- und Abrechnungsgeschäften involviert sind; Bankiers engagieren sich in dieser Republik in einer extrem weiten Palette von Aktivitäten, weiter als der Ozean, aber manchmal halten sie sich so wenig zusammen, dass alles verloren ist.95 Die Scholastiker, die in ihrer Analyse des Vertrages des monetären depositum irregulare am weitesten fehlgingen, waren Domingo de Soto und (vor allem) Luis de Molina und Juan de Lugo. In der Tat ließen sich diese Theoretiker von der mittelalterlichen Tradition der Glossatoren, die wir im zweiten Abschnitt dieses Kapitels behandelt haben, beeinflussen; vor allem von der Verwirrung, die durch die Lehre des depositum confessatum entstand. De Soto und vor allem Molina betrachten das depositum irregulare als ein Darlehen, in dem sowohl das Eigentum als auch die volle Verfügbarkeit des tantundem zum Bankier übergeht. Deshalb glauben sie, dass die Praxis, die deponierten Gelder an dritte Parteien zu verleihen, legitim ist, solange die Bankiers dabei „umsichtig“ handeln. Domingo de Soto kann wohl als der erste betrachtet werden, der diese These vertrat, obgleich er dies nur sehr indirekt tat. In der Tat lesen wir in Buch 6, Thema 11 seines Werkes La justicia y el derecho (Über die Gerechtigkeit und das Recht) (1556), dass die Bankiers, so wird gesagt, die Gepflogenheit haben, für eine größere Summe Geldes verantwortlich zusein, als deponierte wurde, wenn ein Händler sein Depositum in Bar vornimmt. Ich gab dem Geldwechsler Zehntausend; also wird er mir für zwölf, vielleicht fünfzehn verantwortlich sein; denn Bargeld zu haben ist sehr profitabel für den Geldwechsler. Es wird auch kein Übel darin gesehen.96 95 Dies ist ein Zitat von Mercado, welches Ramón Carande in seinen Bd. 1 des Carlos V y sus banqueros aufgenommen hat und zwar in der Einleitung zu seiner Behandlung der Bankiers von Sevilla und der Krise, die zu ihrer aller Bankrott führte. Vgl. Mercado, Suma de tratos y contratos, Bd. 2, S. 381-82 der Ausgabe von 1977 durch das Instituto de Estudios Fiscales und S. 321 der Sierra Bravo Edition. 96 Habet autem praeterea istorum usus, ut fertur si mercatorum quispiam in cambio numeratam pecuniam deponat, campsor pro maio ri illius gratia respondeat. Numeravi campsori dece milia: fide habebo apud ipsum & creditu pro duodecim, & forfam pro quim decim: qui capsori habere numerata pecuniam bonum est lucrum. Neq, vero quicq vitij in hoc foedere apparet. (Domingo de Soto, De iustitita et iure [Salamanca:
Eine weiteres typisches Beispiel für die Kreditschaffung, welche Domingo de Soto gut zu heißen scheint, ist das Darlehen in Form einer Diskontierung von Wechseln, welche mit Hilfe der Depositen von Klienten finanziert wurde. Nichtsdestoweniger ist der Jesuit Luis de Molina der Gelehrte, der am deutlichsten eine fehlerhafte Lehre über den Bankvertrag des monetären depositum irregulare vertrat.97 In der Tat vertritt er in der Tratado sobre los cambios (Traktat über den Tausch) (1597) die mittelalterliche Lehre, dass das depositum irregulare ein Darlehens- oder Mutuumvertrag zugunsten des Bankiers ist, ein Vertrag, in welchem nicht nur das Eigentum transferiert wird, sondern auch die volle Verfügbarkeit des tantundem, was bedeutet, dass der Bankier berechtigt ist, das Geld in seinem eigenen Interesse zu nutzen, sei es in der Form von Darlehen oder irgendeiner anderen Weise. Werfen wir einen Blick darauf, wie er sein Argument präsentiert: Weil diese Bankiers, wie alle anderen, die wahren Eigentümer des in ihren Banken deponierten Geldes sind, und sie sich auf diese Art erheblich von anderen Depositaren unterscheiden . . . erhalten sie das Geld als ein unsicheres Darlehen und damit auf ihr eigenes Risiko. Weiterhin deutet er sogar noch klarer an, dass solch ein Depositum tatsächlich ein Darlehen ist, wie gesagt worden ist, und das Eigentum des deponierten Geldes auf den Bankier übergeht, so dass, wenn es verloren geht, dem Bankier verloren geht.98 Diese Position steht im Konflikt mit der Lehre, die Luis de Molina selbst im Tratado sobre los préstamos y la usura (Tratat über Darlehen und Wucher) vertritt, in dem er andeutet, dass ein Andreas Portonorijs, 1556], Buch 6, Thema 11, der einzige Paragraph, S. 591. Instituti de Estudios Políticos edition [Madrid, 1968], Bd. 3, S. 591) Sierra Bravo (El pensamiento social y económico de la Escolástica, S. 215) ist der Meinung, dass diese Sätze von Domingo de Soto implizieren, dass er das Teildeckungsbankwesen akzeptierte. 97 Es ist sehr aussagekräftig, dass verschiedene Autoren, darunter Marjorie Grice-Hutchinson, damit zögern, Luis de Molina den Theoretikern der Schule von Salamanca zuzuordnen: „The inclusion of Molina in the School seems to me now to be more dubious.“ Marjorie Grice-Hutchinson, „The Concept of the School of Salamanca: Its Origins and Development,“ Kapital 2 des Economic Thought in Spain: Selected Essays of Marjorie Grice-Hutchinson, S. 25. Es is offensichtlich, dass die Kernmitglieder der Schule von Salamanca Dominikanermönche waren und es zumindest bei den Bankangelegenheiten es notwendig ist, ihre Auffassungen von denen der Jesuitischen Theologen zu trennen, welche eine abweichlerische und weniger rigorose Gruppe formten. 98 Luis de Molina, Tratado sobre los cambios, mit einer Einleitung und herausgegeben von Francisco Gómez Camacho (Madrid: Instituto de Estudios Fiscales, 1991), S. 137-40. Die ursprüngliche Ausgabe wurde 1597 in Cuenca veröffentlicht.
Laufzeit eine essentielles Element aller Darlehensverträge ist, und dass, wenn die Laufzeit des Darlehens nicht explizit festgelegt und kein Datum für seine Rückzahlung ausgemacht wurde, „es notwendig sein wird, eine richterliche Entscheidung über die Laufzeit des Darlehens zu akzeptieren.“99 Außerdem ignoriert Luis de Molina sämtliche Argumente, die in Kapitel 1 präsentiert wurden und zeigen, dass der Vertrag des depositum irregulare nichts mit dem Darlehensoder Mutuumvertrag in seiner rechtlichen Natur und Essenz gemein hat. Deshalb ist sein doktrinärer Versuch, die beiden Verträge miteinander gleich zu setzen, ein klarer Schritt zurück im Vergleich nicht nur zu den viel kohärenteren Ansichten von Saravia de la Calle und Martín de Azpilcueta, sondern auch in Hinblick auf die wahre rechtliche Natur des Vertrages, wie sie schon von den Vertretern der römischen Rechtswissenschaft entwickelt worden war. Daher ist es seltsam, dass solch ein brillanter und durchdringender Kopf wie Luis de Molina nicht die extreme Gefahr erkannte, die von der Akzeptanz der Verletzung der allgemeinen Rechtsprinzipien, welche das depositum irregulare regeln, ausgeht und dass er behauptete, dass es niemals vorkommt, dass alle Deponenten ihr Geld in derartiger Weise benötigen, dass sie nicht viele Tausende Dukaten deponiert lassen, mit denen die Bankiers Geschäft machen können und entweder einen Gewinn erzielen oder Verluste machen.100 Molina erkennt nicht, dass auf diese Weise nicht nur das Ziel und der essentielle Zweck des Vertrages (Schutz und Aufbewahrung) verletzt wird, sondern dass auchein Anreiz für alle Arten von rechtswidrigen Geschäften und Missbräuchen gegeben wird, die unausweichlich eine wirtschaftliche Rezession und Bankzusammenbrüche generieren. Wenn das traditionelle Rechtsprinzip, welches die kontinuierliche sichere Aufbewahrung des tantundem zugunsten des Deponenten
erfordert,
nicht
respektiert
wird,
gibt
es
keine
klare
Richtlinie,
um
Bankzusammenbrüche zu vermeiden. Des Weiteren ist es offensichtlich, dass solche vagen, oberflächlichen Vorschläge, wie „versuchen, umsichtig zu handeln“ und „nicht in riskante Geschäfte involviert werden“ nicht ausreichend sind, um die sehr schädlichen ökonomischen und sozialen Effekte des Teildeckungsbankwesens zu vermeiden. In jedem Fall macht sich Luis de Molina zumindest die Mühe, festzustellen: Es ist wichtig davor zu warnen, dass [Bankiers] die Todsünde begehen, wenn sie in ihren eigenen Geschäften so viel des Geldes benutzen, welches sie als Depositum halten, dass sie 99 Luis de Molina, Tratado sobre los préstamos y la usura, mit einer Einleitung und herausgegeben von Francisco Gómez Camacho (Madrid: Instituto de Estudios Fiscales, 1989), S. 13. Die ursprüngliche Ausgabe wurde 1597 in Cuenca veröffentlicht. 100 Molina, Tratado sobre los cambios, S. 137.
später unfähig sind, zur rechten Zeit, die Mengen zu übergeben, die von den Deponenten selbst verlangt werden, oder die angewiesen werden, mit ihren deponierten Geldern zu bezahlen. . . . Zusätzlich begehen sie die Todsünde, wenn sie sich in Geschäften involvieren, die ein derart hohes Risiko enthalten, dass die Rückzahlung der Depositen gefährdet wird. Zum Beispiel wenn sie so viel Handelsware nach Übersee senden, dass, sollte das Schiff sinken oder von Piraten gekapert werden, sie unfähig wären, die Depositen zurückzuzahlen, nachdem sie sogar alle ihre Vermögenswerte verkauft haben. Und sie sind nicht nur der Todsünde schuldig, wenn sich die Geschäfte schlecht entwickeln, sondern auch, wenn sie sich gut
entwickeln. Dies ist die Folge davon, dass sie das Risiko eingehen, die
Deponenten und Bürgen, die sie selbst für die Depositen bereitstellen, zu schädigen.101 Wir finden diese Warnung von Luis de Molina vortrefflich, aber zugleich sind wir erstaunt ob seines Versäumnisses, den tief greifenden Widerspruch zu erkennen, der letztendlich zwischen seiner Warnung und seiner expliziten Akzeptanz des „umsichtigen“ Teildeckungsbankwesens besteht. Fakt ist, dass unabhängig davon, wie umsichtig die Bankiers sind, der einzige narrensichere Weg, Risiken zu vermeiden und sicher zu stellen, dass die Depositen permanent den Deponenten verfügbar sind, die allzeitige Aufrechterhaltung einer 100-prozentigen Reservedeckung ist.102 5 EIN NEUER VERSUCH EINES LEGITIMEN BANKWESEN: DIE BANK VON AMSTERDAM.
DAS
BANKWESEN
DES
SIEBZEHNTEN
UND
ACHTZEHNTEN
JAHRHUNDERTS
DIE BANK VON AMSTERDAM 101 Ibid., S. 138-39; Hervorhebung hinzugefügt. 102 Nach Molina ist der führende Gelehrte mit einem ähnlichem Standpunkt hinsichtlich des Bankwesens Juan de Lugo, ebenfalls ein Jesuit. Dieser weist darauf hin, dass es hinsichtlich des Bankwesens in der Schule von Salamanca zwei Strömungen gab: Eine war solide, mit gutem doktrinären Unterbau und ihr Standpunkt war nahe an der künftigen Currency-School gelegen. Sie wurde repräsentiert von Saravia de la Calle, Martín de Azpilcueta, und Tomás de Mercado. Die andere war für die Torheiten des Inflationismus und des Teildeckungsbankwesens anfälliger und stand der künftigen Banking-School nahe. Louis de Molina, Juan de Lugo, und zu einem geringeren Maße Domingo de Soto stehen für diese Strömung. In Kapitel 8 werden wir diese These detaillierter verfolgen. An dieser Stelle würden wir nur gerne herausstellen, dass Juan de Lugo in Molinas Fußstapfen trat und einen besonders klare Warnung an die Bankiers aussprach: Qui bene advertit, eivsmodi bancarios depositarios peccare graviter, & damno subsequuto, cum obligatione restituendi pro damno, quoties ex peduniss apud se depositis tantam summam ad suas negotiationes exponunt, ut inhabiles maneant ad solvendum deposentibus, quando suo tempore exigent. Et idem est, si negotiationes tales aggrediantur, ex quibus periculum sit, ne postea ad paupertatem redacti pecunias acceptas reddere non possint, v.g. si euenrus ex navigatione periculosa dependeat, in qua navis hostium, vel naufragij pericula exposita sit, qua iactura sequunta, ne ex propio quidem patrimonio solvere possint, sed in creditorum, vel fideiussorum damnum cedere debet. (R.P. Joannis de Lugo Hispalensis, S.I., Dispitationum de iustitia et iure tomus secundus, Disp. XXVIII, Abschnitt V [Lyon: Sumptibus Petri Prost, 1642], S. 406407.
Der letzte ernsthafte Versuch, eine Bank einzurichten, welche auf den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des monetären depositum irregulare basierte und dem Ziel ein effizientes System der Staatskontrolle - der adäquaten Definition und Verteidigung der Eigentumsrechte der Deponenten - einzuführen, fand 1609 mit der Gründung der städtischen Bank von Amsterdam statt. Sie wurde nach einer Periode großen monetären Chaos und betrügerischen privaten (Teildeckungs)bankwesens geschaffen. Mit der Intention diesen Umständen ein Ende zu setzen und in den finanziellen Beziehungen Ordnung herzustellen, begann die Bank von Amsterdam ihre Operationen am 31. Januar 1609 und wurde Wechselbank genannt.103 Das Markenzeichen der Bank von Amsterdam war von Zeitpunkt ihrer Gründung, dass sie den universellen Rechtsgrundsätzen verpflichtet war, die das monetäre depositum irregulare bestimmen. Genauer wurde die Bank auf dem Prinzip gegründet, dass die Verpflichtung der Depositenbank beim Vertrag des monetären depositum irregulare darin besteht, zu jeder Zeit eine 100-prozentige Reservedeckung hinsichtlich der „Sicht“einlagen aufrechtzuerhalten. Diese Maßnahme sollte die Legitimität der Bankaktivitäten gewährleisten, sowie Missbräuche und Bankzusammenbrüche verhindern, die in der Geschichte aller Länder aufgetreten waren, in denen der Staat sich nicht damit geplagt hatte, die widerrechtliche Aneignung des Geldes der Sichteinlagen in den Banken zu verbieten und als illegal zu erklären, sondern im Gegenteil letztendlich den Bankiers allerlei Arten von Privilegien und Lizenzen gewährt hatte, um ihnen ihre betrügerischen Operationen zu erlauben, was im Gegenzug mit der Möglichkeit daraus fiskalischen Vorteil zu ziehen, vergolten wurde. Für eine sehr lange Zeit, über einhundertfünfzig Jahre, erfüllte die Bank von Amsterdam die Verpflichtung, mit der sie gegründet worden war, peinlich genau. Die Zeugnisse reflektieren, dass während der ersten Jahre ihrer Existenz, zwischen 1610 und 1616, sowohl die Depositen der Bank als auch ihre Barreserven nahe an eine Million Gulden reichten. Von 1619 bis 1635 betrugen die Depositen beinahe vier Millionen Gulden und die Barreserven überstiegen 3,5 Million Gulden. Nach dieser leichten Unausgeglichenheit wurde das Gleichgewicht 1645 wiederhergestellt, als die Depositen 11.288.000 Gulden betrugen und sich die Barreserven auf 11.800.000 Gulden beliefen. Diese Ausgewogenheit und das Wachstum blieben mehr oder weniger stabil und im achtzehnten Jahrhundert zwischen 1721 und 1722 summierten sich die Depositen der Bank auf 28 Millionen Gulden und ihr Bargeld reichte mit 27 Millionen beinahe an diesen Betrag heran. Dieser große Anstieg bei den Depositen der Bank von Amsterdam ist neben anderen Gründen auf ihre Rolle als 103 Für die merkwürdige Referenz zu den öffentlichen Banken von Sevilla (und Venedig) als Vorbilder (!) fpr die Bank von Amsterdam, die sich in einer Petition von führenden niederländischen Händlers an die Stadtrat von Amsterdam wiederfindet, vgl. José Antonio Rubio Sacristán, „La fundación del Banco de Amsterdam (1609) y la banca de Sevilla.“
ein Zufluchtsort für Kapital zurückzuführen, welches vor der verrückten inflationären Spekulation floh, welche das System von John Law im Frankreich der 1720er Jahre generierte. Wir werden uns damit später noch gründlicher auseinandersetzen. Dieser Zustand der Bank von Amsterdam hielt bis 1772 an, als Depositen zu Bargeldreserven 28 respektive 29 Millionen Gulden betrugen. Wie offensichtlich ist, hielt die Bank von Amsterdam praktisch während der ganzen Periode eine 100prozentige Bargeldreserve. Dies erlaubte ihr in allen Krisen jeden Wunsch nach Bargeldabzügen der deponierten Gulden zu erfüllen; so auch im Jahre 1672, als eine Panik, welche durch eine Bedrohung durch Frankreich ausgelöst worden war, zu einer massiven Abhebung von Geld aus niederländischen Banken führte, von denen die meisten sich gezwungen sahen, die Zahlungen einzustellen (so wie es bei den Banken von Rotterdam und Middelburg geschah). Die Bank von Amsterdam war eine Ausnahme und hatte logischerweise keine Schwierigkeiten die Depositen zurückzugeben. Die Folge war ein ansteigendes und dauerhaftes Vertrauen in ihre Bonität. Die Bank von Amsterdam wurde zu einem Objekt der Bewunderung für die zivilisierte ökonomische Welt der Zeit. Pierre Vilar weist darauf hin, dass der französische Botschafter 1699 in einem Bericht an seinen König schrieb: Von allen Städten der Vereinigten Provinzen steht Amsterdam ohne Zweifel an erster Stelle, ersichtlich an ihrer Größe, ihrem Reichtum und dem Ausmaß ihres Handels. Es gibt sogar in Europa wenige Städte, die ihr in den beiden letzteren Aspekten gleich kommen; ihr Handel erstreckt sich über beide Hälften des Globus und ihr Reichtum ist so groß, dass sie während des Krieges mehr als fünfzig Millionen, wenn nicht mehr, pro Jahr bereitstellte.104 Im Jahr 1802 als, wie wir jetzt sehen werden, die Bank von Amsterdam begann korrupt zu werden und die Grundsätze verletzte, auf denen sie begründet war, erfreute sich die Bank immer noch eines enormen Prestiges, so dass der französische Konsul in Amsterdam schrieb: Am Ende des Seekrieges, der die Schätze der Minen in den spanischen und portugiesischen Kolonien aufgestaut hat, ist Europa plötzlich in Mengen, die weit über dem liegen, was es benötigt, mit Gold und Silber überschwemmt worden, sodass sie im Wert fallen würden, wenn sie auf einmal in Umlauf gebracht werden würden. In einer solchen 104 Pilar Vilar, A History of Gold and Money, 1450-1920, Judith White (Übersetzung). (London: NLB, 1976), S. 207. Die Depositen- und Reservezahlen, die wir im Text zitiert haben, lassen sich auch hier finden, S. 208-09. Zwei weitere Banken, die nach dem Vorbild der Bank von Amsterdam modelliert waren, waren die Bank von Venedig und die Bank von Hamburg. Sie wurden beide 1619 gegründet. Obgleich die erstere letztendlich die Verpflichtung der strikten sicheren Aufbewahrens verletzte und 1797 verschwand, operierte die Bank von Hamburg auf eine konsistentere Weise und überlebte, bis sie schließlich mit der Reichsbank 1873 verschmolz. J.K. Ingram, „Banks, Early European,“ in Palgrave´s Dictionary of Political Economy, Henry Higgs, (Hrsg.) (London: Macmillan, 1926), Bd. 1, S. 103-06.
Eventualität deponierten die Bürger von Amsterdam das Metall in Form von Barren in der Bank, wo sie es zu ihrer Verfügung zu sehr geringen Kosten halten konnten, und sie holten es stückchenweise wieder hervor, um es in verschiedene Länder zu senden, als der Anstieg in den Wechselkursen es nötig machte. Dieses Geld, welches, wenn ihm erlaubt wird zu schnell zu zirkulieren, alle Güterpreise außerordentlich ansteigen lässt, was all jenen zu großem Nachteil gereicht, die von festen und begrenzten Einkommen leben, wurde dann allmählich durch verschiedene Kanäle verteilt, wodurch der Industrie Leben eingehaucht und der Handel angeregt wurde. Die Bank von Amsterdam handelte damit nicht nur den speziellen Interessen der Händler dieser Stadt zu Folge. Ganz Europa steht nämlich in ihrer Schuld für die höhere Stabilität der Preise, das Gleichgewicht der Wechselkurse und ein konstanteres Verhältnis zwischen den beiden Metallen, aus denen die Münzen geprägt werden. Und falls die Bank nicht wiederhergestellt wird, könnte man sagen, dass das großartige System des Handels und der Volkswirtschaften der zivilisierten Welt ohne einen grundlegenden Teil seiner Maschinerie sein wird.105 So sehen wir, dass die Bank von Amsterdam nicht versuchte, übertrieben Gewinne durch den betrügerischen Gebrauch von Depositen zu erzielen. Stattdessen, und im Einklang mit den Forderungen Saravia de la Calles und anderer, die wir erwähnten, begnügte sie sich mit bescheidenen Gewinnen aus den Gebühren für die sichere Aufbewahrung, mit einem geringen Einkommen aus dem Geldwechselgeschäft und dem Verkauf von Barren gestempelten Metalls. Nichtsdestoweniger war dieses Einkommen mehr als ausreichend, um die betrieblichen und administrativen Kosten der Bank zu befriedigen, einige Gewinne zu generieren und eine ehrliche Institution aufrechtzuerhalten, die allen ihren Verpflichtungen nachkam. Das große Ansehen der Bank von Amsterdam ist auch durch eine Referenz belegt, die sich in der Gründungsurkunde der spanischen Banco de San Carlos aus dem Jahr 1782 finden lässt. Obgleich es dieser Bank von Anfang an der Bürgschaften der Bank von Amsterdam mangelte und sie mit der Intention gegründet wurde, ihre Depositen, Autorität und ihren Einfluss zu nutzen, um bei der Finanzierung der Staatskasse behilflich zu sein, konnte sie sich nicht des immensen Einflusses der niederländischen Bank entziehen. Auf die Weise setzt ihr Artikel XLIV fest, dass Privatleute Depositen oder äquivalente Gelder in Bar in der Bank selbst [halten dürfen], und wer immer wünscht, Depositen zu hinterlegen, entweder um Wechsel auf das Geld zu ziehen oder es schrittweise 105
Vilar, A History of Gold and Money, 1450-1920, S. 209.
abzuheben, dem soll es erlaubt sein, dies zu tun; und auf diese Weise werden sie davon befreit sein, die Zahlungen selbst vorzunehmen, wenn ihre Wechsel als zahlbar durch die Bank akzeptiert werden. In ihrer ersten Versammlung werden die Anteilseigner den Betrag pro Tausend bestimmen, den die Händler der Bank in Relation zu ihren Depositen zahlen müssen, wie sie es in Holland machen, und sie werden Klauseln bezüglich der Ausführung von Nachlässen und Ermäßigungen festlegen.106
DAVID HUME UND DIE BANK VON AMSTERDAM Ein Zeichen des enormen Ansehens der Bank von Amsterdam unter Gelehrten und Intellektuellen, wie auch Händlern, ist die explizite Erwähnung, die David Hume von ihr in seinem Essay Of Money macht. Dieser Essay erschien zuerst in einem Buch mit dem Titel Political Discourses, veröffentlicht in Edinburgh 1752. In ihm bringt David Hume seine Opposition zum Papiergeld zum Ausdruck und argumentiert, dass die einzig solide Finanzpolitik darin besteht, die Banken zu zwingen, eine 100-prozentige Reservedeckung im Einklang mit den traditionellen Rechtsgrundsätzen, die das monetäre depositum irregulare regeln, aufrechtzuerhalten. David Hume kommt zu dem Schluß, dass, to endeavour artificially to encrease such a credit, can never be the interest of any trading nation; but must lay them under disadvantages, by increasing money beyond its natural proportion to labour and commodities, and thereby heightening their price to the merchant manufacturer. And in this view, it must be allowed, that no bank could be more advantageous, than such a one as locked up all the money it received, and never augmented the circulating coin, as is usual, by returning part of its treasury into commerce. A public bank, by this expedient, might cut off much of the dealings of private bankers and moneyjobbers; and though the state bore the charge of salaries to the directors and tellers of this bank (for, according to the preceding supposition, it would have no profit from its dealings), the national advantage, resulting from the low price of labour and the destruction of paper 106 Wir zitieren aus einer Ausgabe von Real Cédula de S. M. Y Señores del Consejo, por la qual se crea y autoriza un Banco nacional y general para facilitar las operaciones del Comercio y el beneficio público de este Reynos y los de Indias, con la denominación de Banco de San Carlos baxo las reglas que se expresan (Königliche Urkunde seiner H. M. und seines Rates durch die eine allgemeine nationale Bank geschaffen, errichtet und autorisiert wird, um den Handel und das Allgemeinwohl dieser Königreiche und der Neuen Welt zu fördern), gedruckt durch Pedro Marín (Madrid, 1782), S. 31-32; Hervorhebung hinzugefügt. Es gibt eine exzellente Darstellung der Geschichte der Banco de San Carlos von Pedro Tedde de Lorca mit dem Titel El banco de San Carlos, 1782-1829 (Madrid: Banco de España und Alianza Editorial, 1988).
credit, would be a sufficient compensation.107 Hume liegt nicht völlig richtig, wenn er erklärt, die Bank würde keine Gewinne erzielen, denn ihre Aufbewahrungsgebühren würden ausreichen, um die Betriebskosten zu decken und sie könnte sogar bescheidene Gewinne erwirtschaften, wie es in der Tat die Bank von Amsterdam vor machte. Allerdings ist seine Analyse grundsätzlich und offenbart, dass er mit der Verteidigung der Gründung einer öffentlichen Bank mit diesen Eigenschaften den Erfolg und der Bank von Amsterdam und das Beispiel, welches sie schon für über einhundert Jahre gegeben hatte, im Sinn hatte. Des Weiteren enthält die dritte Auflage seiner Essays and Treatises on Several Subjects, 1753-1754 eine Notiz von Hume in Referenz zum folgenden Satz: „no bank could be more advantageous, than such a one as locked up all the money it received.“ Fußnote Nummer vier beinhaltet die folgenden Wörter: „This is the case with the Bank of Amsterdam.“ Es scheint, als hätte Hume diese Fußnote mit der Intention geschrieben, seinen Standpunkt, dass die Bank von Amsterdam das ideale Vorbild für eine Bank sei, noch klarer zu betonen. Hume war nicht der allererste, der die Erfordernis einer 100-prozentigen Reservedeckung im Bankwesen vorschlug. Ihm ging Jacob Vanderlint (1734) und vor allem der Direktor der königlichen Münzanstalt, Joseph Harris, voraus, für den Banken so lange nützlich waren, als sie „issued no bills without an equivalent in real treasure.“108
SIR JAMES STEUART, ADAM SMITH, UND DIE BANK VON AMSTERDAM Sir James Steuart offeriert uns eine wichtige zeitgenössische Studie des Betriebs der Bank von Amsterdam in seiner Abhandlung aus dem Jahr 1767 mit dem Titel, An Enquiry into the Principles of Political Oeconomy: Being an Essay on the Science of Domestic Policy in Free Nations. In Kapitel 39 des zweiten Bandes präsentier Steuart eine Analyse der „circulation of coin through the Bank of Amsterdam.“ Er behauptet, dass „every shilling written in the books of the bank is actually locked up, in coin, in the bank repositories.“ Außerdem stellt er fest: Although, by the regulations of the bank, no coin can be issued to any person who demands it in consequence of his credit in bank; yet I have not the least doubt, but that both the credit written in the books of the bank, and the cash in the repositories which balance it, may 107 Wir zitieren von S. 284-85 der exzellenten Neuausgabe von David Humes Werk, Essays: Moral, Political and Literary, herausgegeben von Eugene F. Miller und veröffentlicht durch Liberty Fund, Indianapolis 1985; Hervorhebung hinzugefügt. 108 Zitiert in Rothbard, Economic Thought Before Adam Smith, S. 332-35 und 462.
suffer alternate augmentations and diminutions, according to the greater or less demand for bank money.109 In jedem Fall zeigt Steuart, dass die Aktivitäten der Bank „are conducted with the greatest secrecy“ und damit mit dem traditionellen Mangel an Offenheit des Bankwesens im Einklang, der besonders im Fall der Bank von Amsterdam wichtig war, weil deren Status und Betrieb die Aufrechterhaltung einer durchgehend 100-prozentigen Reservedeckung forderten. Falls Steuart Recht hat und die Deckung zu gewissen Zeiten verletzt wurde, ist es logisch, dass zu der Zeit die Bank von Amsterdam gewillt war, dies um jeden Preis zu verbergen. Obzwar es Anzeichen dafür gibt, dass die Bank von Amsterdam am Ende der 1770er Jahre damit begann, die Prinzipien, auf denen sie gegründet war, zu verletzen, versicherte Adam Smith noch 1776 in seinem Buch, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, dass The Bank of Amsterdam professes to lend out no part of what is deposited with it, but, for every guilder for which it gives credit in its books, to keep in its repositories the value of a guilder either in money or bullion. That it keeps in its repositories all the money or bullion for which there are receipts in force, for which it is at all times liable to be called upon, and which, in reality, is continually going from it and returning to it again, cannot well be doubted. . . .At Amsterdam no point of faith is better established than that for every guilder, circulated as bank money, there is a correspondant guilder in gold or silver to be found in the treasure of the bank.110 Adam Smith fährt fort festzuhalten, dass die Stadt selbst den Betrieb der Bank von Amsterdam wie oben beschrieben garantierte und dass sie von vier Bürgermeistern geleitet wurde, die jedes Jahr wechselten. Jeder Bürgermeister stattete den Tresorräumen seine Besuche ab, verglich ihren Inhalt an Bargeld mit den Einträgen der Depositen in den Büchern und erklärte mit großer Feierlichkeit unter Eid, dass die beiden übereinstimmten. Adam Smith bemerkt mit ironischem Unterton, dass „in that sober and religious country oaths are not yet disregarded.“111 Er endet seinen Kommentar, indem er anfügt, dass alle diese Praktiken ausreichend waren, um die
109 Wir zitieren aus der Originalausgabe, veröffentlicht von A. Miller und T. Cadell in the Strand (London, 1767), Bd. 2, S. 301; Hervorhebung hinzugefügt. Vor Steuarts Analyse gibt es einer oberflächlichere Studie des Betriebs der Bank von Amsterdam in Abbot Ferdinando Galianis berühmten Buch, Della moneta. The Erstausgabe wurde von Guiseppe Raimondi publiziert (Naples, 1750), S. 326-28. 110 Wir zitieren direkt aus der Originalausgabe von Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (London: W. Strahan and T. Cadell in the Strand, 1776), Bd. 2, S. 72-73. 111 Ibid., S. 73.
absolute Sicherheit der Depositen in der Bank zu garantieren, eine Tatsache, die sich in verschiedenen politischen Revolution in den Niederlanden bewahrheitete. Keine politische Partei war jemals in der Lage, ihre Vorgänger mit Treulosigkeit im Management der Bank zu bezichtigen. Als ein Beispiel erwähnt Adam Smith, dass selbst im Jahr 1672, als der König von Frankreich nach Utrecht marschierte und die Gefahr bestand, dass Holland durch eine ausländische Machte erobert würde, die Bank von Amsterdam die Wünsche auf Rückzahlung der Sichteinlagen bis auf den letzten befriedigte. Wie wir oben angeführt haben, führte dies zu einer noch eindrucksvolleren Verstärkung des öffentlichen Vertrauens in die absolute Solvenz der Bank. Als einen zusätzlichen Beweis dafür, dass die Bank von Amsterdam eine 100-prozentige Reservedeckung aufrecht erhielt, liefert Adam Smith die Anekdote, dass einige Münzen, die aus der Bank abgezogen wurden, scheinbar durch ein Feuer im Gebäude, welches die Bank gleich nach ihrer Schaffung 1609 heimsuchte, beschädigt worden waren, was zeigt, dass diese Münzen mehr als 150 Jahre in der Bank geblieben waren. Schließlich zeigt Adam Smith, dass das Einkommen der Bank im strikten Einklang mit der wahren rechtlichen Natur des Vertrages des depositum irregulare, welches erfordert, dass es die Deponenten sind, welche die Bank bezahlen, aus den Gebühren für die sichere Aufbewahrung stammte: The City of Amsterdam derives a considerable revenue from the bank, besides what may be called the warehouse-rent above mentioned, each person, upon first opening an account with the bank, pays a fee of ten guilders, and for every new account three guilders three stivers; for every transfer two stivers; and if the transfer is for less than three hundred guilders, six stivers, in order to discourage the multiplicity of small transactions.112 Darüberhinaus nennt Adam Smith weitere Einkommensquellen, die wir bereits erwähnt haben, wie das Geldwechseln und den Verkauf von Gold- und Silberbarren. Unglücklicherweise begann die Bank von Amsterdam in den 1780er Jahren die rechtlichen Grundsätze, auf denen sie gegründet wurde, systematisch zu verletzen und Belege zeigen, dass sich die Reservedeckung ab der Zeit des vierten englisch-niederländischen Seekrieges drastisch verringerte, weil die Stadt von Amsterdam von der Bank forderte, einen Großteil ihrer Depositen als Darlehen zur Deckung der öffentlichen Ausgaben zu geben. Daher beliefen sich die Depositen zu dieser Zeit auf zwanzig Millionen Gulden, während nur vier Millionen Gulden an Edelmetallen in den Tresorräumen lagerten. Dies zeigt nicht nur, dass die Bank das grundlegende Prinzip der 112
Ibid., S. 74.
sicheren Aufbewahrung, auf dem sie gegründet worden war, verletzte, sondern auch, dass die Reservedeckung von 100 Prozent auf weniger als 23 Prozent reduziert worden war. Dies bedeutete den endgültigen Verlust der langanhaltenden Reputation der Bank von Amsterdam: Die Depositen schrumpften darauf hin auf weniger als 140.000 Gulden im Jahre 1820 zusammen.113 Die Bank von Amsterdam war die letzte Bank der Geschichte, die eine 100-prozentige Reservedeckung aufrecht erhielt und ihr Verschwinden markierte das Ende der letzten Versuche, Banken auf den allgemeinen Rechtsprinzipien zu begründen. Die finanzielle Dominanz von Amsterdam wurde durch das Finanzsystem der Vereinigten Königreichs ersetzt, ein viel weniger stabiles und solventes System, welches auf der Expansion von Krediten, Depositen und Papierwährung beruhte.
DIE BANK VON SCHWEDEN UND ENGLAND Die Bank von Amsterdam war ein Vorgänger der Bank von Stockholm (Riksbank), welche 1656 den Betrieb aufnahm und in zwei Abteilungen unterteilt war: eine verantwortlich für die sichere Aufbewahrung der Depositen (wobei eine 100-prozentige Reservedeckung zur Anwendung kam) und nach dem Vorbild der Bank von Amsterdam modelliert und einer andere, die sich den Darlehen widmete. Obwohl diese Abteilungen getrennt voneinander operieren sollten, waren sie in der Praxis nur auf dem Papier getrennt und die Bank von Stockholm kehrte sich bald von den Standards, welche die niederländische Bank gesetzt hatte, ab.114 Die schwedische Regierung nationalisierte die Bank 1668 und machte sie damit zur ersten Staatsbank der modernen Welt.115 Sie verletzte nicht nur die traditionellen Prinzipien, welche die Bank von Amsterdam leiteten, sondern begann mit einer neuen betrügerischen und systematischen Praxis: der Ausgabe von Banknoten und Depositenbelegen in einer größeren Summe als tatsächlich Depositen in bar entgegengenommen wurden. Auf diese Weise kamen Banknoten sowie die Praxis auf, diese in einer höheren Summe zu emittieren als die Depositen ausmachten. Im Laufe der Zeit wurde diese Aktivität zur Bankpraxis par excellence – besonders während der folgenden Jahrhunderten, als sich die Gelehrten täuschen ließen und nicht realisierten, dass die Ausgabe von Banknoten die gleichen Auswirkungen wie eine künstliche Kreditausweitung und Depositenschaffung hatte. Diese beiden Praktiken hatten, wie A.P. Usher bemerkt hat, von seinem Ursprung an im Zentrum des Bankgeschäfts gestanden.
113 Vilar, A History of Gold and Money, 1450-1920, S- 208. Zum Betrieb der Bank von Amsterdam vgl. auch Wicksell, Lectures on Political Economy, Bd. 2, S. 75-76. 114 In diesem Sinne war, wie Kindleberger eindringlich in A Financial History of Western Europe, S. 52-53 aufzeigt, das Organizationssystem der Riksbank ein Vorläufer der Struktur, welche zwei Jahrhunderte später die Peelsche Bankakte 1844 der Bank von England zuwies. 115 Bei der Dreihundertjahrfeier der Bank von Stockholm 1968 wurde eine Stiftung gegründet, um den alljährlichen Nobelpreis für Ökonomie zu finanzieren.
Die Bank von England wurde 1694 gegründet und wurde auch nach dem Vorbild der Bank von Amsterdam geschaffen, was auf den beträchtlichen Einfluss zurückzuführen ist, den Holland nach der Besteigung des englischen Throns durch das Königshaus Oranien auf England ausübte. Jedoch wurde die Bank nicht mit den gleichen rechtlichen Garantien der sicheren Aufbewahrung ausgestattet wie die Bank von Amsterdam. Stattdessen war von Beginn an eine der wichtigsten Aufgaben der Bank die Finanzierung der öffentlichen Finanzen. Aus diesem Grunde und obwohl die Bank von England versuchte, die allgemein üblichen, systematischen Missbräuche, die von den Privatbankiers und der Regierung begangen wurden116, zu beenden, wurde dieses Ziel niemals erreicht. Kurzum brach die Bank von England schließlich trotz ihrer privilegierten Rolle als Bank der Regierung, ihres Monopols der begrenzten Haftbarkeit in England und ihrer exklusiven Autorisierung der Notenausgabe zusammen. Als eine Folge ihrer systematischen Vernachlässigung der Aufbewahrungspflicht und ihrer Praxis der Darlehens- und Vorschussgewährung an die Staatskasse mittels der Depositen der Bank, stellte die Bank von England schließlich 1797 nach verschiedenen kuriosen Unbeständigkeiten, welche die Südseeblase einschließen, die Zahlungen ein.117 Auch wurde 1797 im selben Jahr, in dem es der Bank von England verboten wurde, Depositen in Bar auszuzahlen, festgesetzt, dass Noten, welche die Bank emittiert hatte, zu gesetzlichen Zahlungsmitteln von Steuern und Schulden wurden und es wurde ein Versuch
116 Zum Beispiel wiederholte 1640 Charles I. die Maßnahmen, die sein Namensvetter Karl V. 100 Jahre früher in Spanien ergriffen hatte, und beschlagnahmte das Gold und die Wertsachen, die zur sicheren Aufbewahrung im Tower von London deponiert worden waren und ruinierte in diesem Prozess die Reputation des Münzamtes als sicheren Ort für Wertsachen. Zweiunddreißig Jahre später kam Charles II. seinen Pflichten nicht nach und ließ das königliche Schatzamt die Zahlungen einstellen, womit er den Zusammenbruch vieler privater Banken herbeiführte, die der Krone Darlehen gewährt hatten oder direkt Staatsanleihen mit den Geldern der Sichteinlagen gekauft hatten. Vgl. Kindleberger, A Financial History of Western Europe, S. 53-54. 117 1720 entwickelte die South Sea Company den ehrgeizigen Plan, die britischen Staatsschulden für einen Geldbetrag zu übernehmen. Die Gesellschaft entsprang der Partei der Tory, genau wie die Bank von England, und war dazu gedacht, beim Finanzieren des Krieges behilflich zu sein. Im Gegenzug gewährte die Regierungen Privilegien für gewisse Unternehmungen. Das eigentliche Ziel der Organisatoren der South Sea Company war es, mit den Aktien der Unternehmung zu spekulieren. Dies geschah in einem Ausmaße, dass sogar Regierungsanleihen als Bezahlung für neue Aktien akzeptiert wurden. Die Rolle, welche die Bank von England während des Jahres 1720 spielte bestand darin, dass sie, genau wie die South Sea Company es getan hatte, Darlehen auf ihrer eigenen Aktien zu gewähren, um deren Kauf zu erleichtern. Dies löste einen inflationären Prozess aus, in dessen Verlauf der Aktienkurse der South Sea Company und der Bank auf neue Höchststände getrieben wurden und hohe Profite generierten. Die Spekulanten, zu denen auch viele Funktionäre der Company gehörten, nutzten diese Gewinne aus. Ein Teil der Gewinn wurde in Grundstücke investiert, deren Preise auch signifikant stiegen. Die ganze spekulative und inflationäre Manie kam zu einen abrupten Halt im Sommer 1720, zu der gleichen Zeit, als John Laws Spekulationen in Paris im Abschwung begriffen waren. Als schließlich die Preise zu fallen begannen, war es nahezu unmöglich ihren Absturz aufzuhalten. Die Aktienkurse der South Sea Company fielen von 775 Punkten im September auf 170 Mitte Oktober und die Aktien der Bank von England fielen von 225 Punkten auf 135 in nur einem Monat. Das Parlament reagierte mit der Verabschiedung des Bubble Act, mit dem von dieser Zeit an die Gründung von Gesellschaften stark eingeschränkt wurde. Jedoch wurden die finanziellen Probleme nach langen Verhandlungen erst 1722 gemildert. In jenem Jahr stimmte das Parlament einer Vereinbarung zwischen der Bank von England und der South Sea Company zu, welche festlegte, dass erstere 4 Millionen Pfund von letzterer in der Form von jährlichen von der Staatskasse garantierten Zahlungen von 5 Prozent erhielt. Vgl. zudem das Ende von Fußnote 43 von Kapitel 7.
unternommen, Vorschüsse und Darlehen an die Regierung zu begrenzen.118 Dies war der Beginn des modernen Bankensystems, welches auf einer Teildeckung und einer Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz basiert. Im 8. Kapitel werden wir detailliert die Gründe aus denen Zentralbanken ins Leben gerufen wurden, ihre Rolle und die theoretisch bedingte Unmöglichkeit diese Rolle zu erfüllen, wie auch die Kontroverse Zentralbankwesen vs. Free-Banking und ihren Einfluss auf die verschiedenen Geld-, Bank- und Konjunkturtheorien analysieren. Das vorliegende Kapitel wäre jedoch ohne eine Referenz an die Entwicklung des Bankwesens und des Papiergeldes im Frankreich des 18. Jahrhunderts nicht komplett.
JOHN LAW UND DAS BANKWESEN IM FRANKREICH DES 18. JAHRHUNDERTS Die Geschichte des Geld- und Bankwesens im Frankreich des 18. Jahrhunderts ist eng mit dem schottischen Finanzier John Law und dem „System“ verknüpft, welches er ausheckte und in Frankreich in die Praxis umsetzte. Law überzeugte den französischen Regenten Philippe d'Orleans, dass eine ideale Bank die Depositen, die sie erhielt, benutzen sollte, weil dies die Menge des im Umlauf befindlichen Geldes erhöhte und
das wirtschaftliche Wachstum „stimulierte“. Laws
System, wie der ökonomische Interventionismus im Allgemeinen, ergab sich aus drei miteinander in Beziehung stehenden Faktoren. Erstens, die Missachtung der traditionellen rechtlichen und moralischen Prinzipien, in diesem Falle der Erfordernis der kontinuierlichen Aufbewahrung von 100 Prozent des deponierten Geldes. Zweitens, ein Argumentationsfehler, welcher die Verletzung der Rechtsprinzipien zu rechtfertigen scheint, um scheinbar nutzbringende Ziele schnell zu erreichen. Drittens, die Tatsache, dass es immer bestimmte Agenten geben wird, die in den vorgeschlagenen Reformen eine Möglichkeit zur Erzielung großer Gewinne sehen. Die Kombination dieser drei Faktoren erlaubte es einem politischen Träumer wie Law sein „Bankensystem“ zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Frankreich in Gang zu setzen. In der Tat begann 118 Von dieser Zeit an warnten vieler Theoretiker, vor allem aus den Vereinigten Staaten, vor der großen Gefahr, die für die individuelle Freiheit von der impliziten oder expliziten Allianz zwischen Bankiers und Regierungen ausgeht. Diese Art von Pakt drückte sich durch eine ständige, systematische Vergabe von Privilegien aus, die es den Banken erlaubten, ihre rechtlichen Verpflichtungen zu verletzen, indem sie die Barauszahlung der Depositen aussetzten. So stufte John Taylor, ein amerikanischer Senator aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, diese Praxis als einen wahrhaftigen Betrug ein, in dem er sagt, dass „under our mild policy the banks´ crimes may possibly be numbered, but no figures can record their punishments, because they are never punished.“ Vgl. John Taylor, Construction Construed and Constitutions Vindicated (Richmond, Va.: Shepherd and Polland, 1820; New York: Da Capa Press, 1970), S. 182-83. Ein weiteres sehr interessantes Schriftstück über diese Thema ist James P. Philbins Artikel mit den Titel „An Austrian Perspective on Some Leading Jacksonian Monetary Theorists,“ veröffentlicht im Journal of Libertarian Studies 10, Nr. 1 (Herbst, 1991): 83-95, vor allem S. 89. Murray N. Rothbard verfasste eine großartige Zusammenfassung über die Entstehung des Teildeckungsbankwesens in den ersten Jahren der Vereinigten Staaten: „Inflation and the Creation of Paper Money,“ Kapitel 26 der Conceived in Liberty, Bd. 2: „Salutary Neglect“: The American Colonies in the First Half of the 18th Century (New York: Arlington House, 1975), S. 123-40; 2. Aufl. (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1999)
die Bank, sobald sie einmal das Vertrauen der Leute erworben hatte, Banknoten in einem Ausmaß zu emittieren, welches die verfügbaren Depositen weit überstieg. Die Menge der im Umlauf befindlichen Noten stieg sehr rasch an und es folgte logischerweise ein signifikanter künstlicher wirtschaftlicher Aufschwung. 1718 wurde die Bank verstaatlicht, wobei sie zur königlichen Bank wurde, und begann am laufenden Band noch mehr Noten zu produzieren und Darlehen zu gewähren. Dies ermutigte die Börsenspekulation im Allgemeinen und im Besonderen das spekulative Kaufen und Verkaufen der Aktien von Laws Compagnie de la Lousiane ou d'Occident oder
Mississippi-Kompanie, welche den Handel und die fortschreitende Kolonisierung der
französischen Territorien in Amerika unterstützen sollte. Im Jahr 1720 waren die absurden Proportionen der Finanzblase offensichtlich geworden. Law versuchte verzweifelt den Kurs der Aktie der Kompanie und den Wert des Papiergeldes seiner Bank zu stabilisieren: die Bank und die Kompanie wurden fusioniert, die Aktien der Kompanie wurden zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt, die Münzen verloren in einem Versuch ihre Beziehung zu den Noten wiederherzustellen einen Teil ihres Gewichts, etc. Es war jedoch alles vergeblich und die inflationäre Blase platze und brachte nicht nur der Bank den finanziellen Ruin, sondern auch vielen französischen Investoren, die ihr Vertrauen in sie und die Mississippi-Kompanie gesetzt hatten. Die Verluste waren so schwer und schmerzhaft, dass für über hundert Jahre gar die Äußerung des Wortes „Bank“ in Frankreich als faux pas betrachtet wurde. Der Begriff Bank war für eine Zeit Synonym für „Betrug“.119 Die Verheerungen der Inflation plagten Frankreich erneut ein paar Dekaden später, wie durch das ernste monetäre Chaos während der Revolution und die unkontrollierte Ausgabe der assignats zu dieser Zeit nachgewiesen werden kann. All diese Phänomene machten einen bleibenden Eindruck auf das kollektive Bewußtsein der Franzosen, die sich noch heute der großen Gefahren der Papiergeldinflation bewusst sind und sich die Tradition bewahrt haben, beträchtliche Mengen an Goldmünzen und -barren zu sammeln. In der Tat ist Frankreich zusammen mit Indien eines der Länder, in denen die Menschen die größten Goldvorräte auf privater Basis halten. Ungeachtet des oben gesagten und trotz seines unglücklichen Bankexperiments, machte John Law einige Beiträge zur Geldtheorie. Obzwar wir seine inflationistischen und protokeynesianischen Auffassungen nicht teilen können, müssen wir, wie es Carl Menger schon tat, 119 Eine detaillierte Darstellung von Laws berüchtigtem Bankzusammenbruch in Frankreich von einem Gelehrten mit einer Kenntnis der Ereignisse aus erster Hand kann in dem Buch Della moneta on Ferdinando Galiani, S. 32934; und im Kapitel 23 bis 35 des zweiten Bandes des An Enquiry into the Principles of Political Oeconomy von Sir James Steuart (S. 235-91) gefunden werden. Eine aufschlussreiche und theoretisch solide Analyse des Finanz- Geldund Bankwesens im Frankreich des 18. Jahrhunderts ist in F.A. Hayeks Artikel „First Paper Money in Eighteenth Century France“, gefunden werden, welcher als Kapitel 10 in dem Buch The Trend of Economic Thinking: Essays on Political Economists and Economic History, Bd. 2 von Collected Works of F.A. Hayek, W.W. Bartley III und Stephen Kresge (Hrsg.) (London und New York: Routledge, 1991), S. 155-76, erschienen. Die beste Biographie von John Law ist von Antoin E. Murphy, John Law: Economic Theorist and Policy Maker (Oxford: Clarendon Press), 1997.
anerkennen, dass Law der erste war, der eine solide Theorie des spontanen, evolutionären Ursprungs des Geldes formulierte.
RICHARD CANTILLON UND DIE BETRÜGERISCHE VERLETZUNG DES VERTRAGES DES DEPOSITUM IRREGULARE Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass drei der berühmtesten Geldtheoretiker des achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts Bankiers waren: John Law, Richard Cantillon120, und Henry Thornton. Alle ihre Banken brachen zusammen.121 Nur Cantillon entkam relativ unbeschadet und in guter finanzieller Verfassung, nicht nur weil er seine riskante Spekulation rechtzeitig beendete, sondern auch, und das ist noch gewichtiger, weil er große Gewinne machte, indem er die Verpflichtung, die Vermögenswerte seiner Klienten sicher aufzubewahren, brach. In der Tat verletzte Cantillon eindeutig den Vertrag des depositum irregulare, auch wenn in diesem Fall die Depositen nicht Gelder, sondern Aktien der von John Law gegründeten MississippiKompanie waren. Cantillons betrügerisches System funktionierte wie folgt: er gab große Summen an Geld als Darlehen an seine Kunden, damit diese damit Aktien der Kompany kaufen konnten, mit der Bedingung, dass die Aktien als Sicherheit in Cantillons Bank in der Form eines depositum irregulare, in diesem Falle von fungiblen und nicht zu unterscheidenden Aktien, verblieben. Später eignete sich Cantillon ohne das Wissen seiner Klienten die deponierten Wertpapiere widerrechtlich an und verkaufte sie, als er die Kurse für hoch hielt und behielt das Geld aus dem Verkauf. Als schließlich die Aktien praktisch ihren ganzen Wert verloren hatten, kaufte Cantillon sie für einen Bruchteil ihres alten Preises zurück und stellte die Depositen wieder her, womit er einen saftigen Gewinn einfuhr. Schließlich forderte er die Rückzahlung der Darlehen ein, die er anfangs seinen
120 Richard Cantillon war der erste, der behauptete ein „sicheres“ Bankgeschäft könnte mit einer Reservedeckung von lediglich 10 Prozent durchgeführt werden: „Dans ce premier exemple la caisse d'un Banquier ne fait que la dixième partie de son commerce.“ Vgl. S. 400 der Originalausgabe des Essai sur la nature du commerce en général. „[I]n der Regel ist es für ihn [den Bankier] hinreichend, den zehnten Teil dessen in seiner Kasse zurückzubehalten, was ihm anvertraut wurde. Abhandlung über die Natur des Handels im allgemeinen, 1931, Jena: Gustav Fischer, S. 191-92. Diese Werk wurde zunächst anonym und unter nicht existierendem Verleger veröffentlicht in London, Fletcher Gyles in Holborn, 1755. Erstaunlicherweise erwähnt Murray Rothbard dies nicht in seiner brillanten Studie von Cantillon. Vgl. Rothbard, Economic Thought Before Adam Smith, S. 345-62. 121 Zugegebenermaßen brach Thornton Bank erst nach seinem Tode zusammen, im Dezember 1825. Vgl. S. 3436 vpm F.A. Hayeks „Introduction“ zu Henry Thorntons Buch An Inquiry into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain, ursprünglich veröffentlicht 1802 und neu aufgelegt von Augustus M. Kelley, 1978. A. E, Murphy bemerkt zudem, dass Law und Cantillon der unglückseligen „Auszeichnung“ erfreuen können, dass sie neben Antoine de Montchrétien die einzigen Ökonomen sind, die des Mordes und anderer Verbrechen angeklagt wurden. Vgl. A.E. Murphy, Richard Cantillon: Entrepreneur and Economist (Oxford: Clarendon Press, 1986), S. 237. Thornton´s religiöse und puritanische Reputation schützte ihn zumindest davor, solcher Grässlichkeiten beschuldigt zu werden.
Kunden gewährt hatte, welche unfähig waren, das Geld zurückzugeben, weil der Wert der Sicherheit, die sie in der Bank hatten, nahe Null lag. Diese betrügerischen Operationen führten zu mehreren Strafanzeigen und Zivilprozessen gegen Cantillon, der, nachdem er festgenommen und für kurze Zeit eingesperrt worden war, gezwungen war, Frankreich eilends zu verlassen und nach England zu fliehen. Zu seiner Verteidigung brachte Cantillon dasselbe Argument vor, welches so oft im Mittelalter mit dem Ziel, das depositum irregulare mit dem Darlehen durcheinander zu bringen, von verschiedenen Autoren gebraucht worden war. Tatsächlich versuchte Cantillon sich zu verteidigen, in dem er behauptete, dass die bei ihm deponierten Aktien als nicht nummerierte, fungible Güter in Wahrheit kein richtiges Depositum dargestellt hatten, sondern ein Darlehen, was den vollen Übergang des Eigentums und der Verfügbarkeit an die Bankiers impliziert. Daher betrachtete Cantillon seine Operationen als vollkommen „legitim“. Nichtsdestoweniger wissen wir, dass sein juristischen Argument unfundiert war und dass, obwohl das Depositum von Wertpapieren als ein depositum irregulare von fungiblen Gütern angesehen werden konnte, die Verpflichtung zur sicheren Aufbewahrung und der Aufrechterhaltung des kontinuierlichen Besitzes sämtlicher Aktien erhalten blieb. Mithin beging Cantillon, als er die Aktien zum Nachteil seiner Kunden verkaufte, eindeutig einen kriminellen Akt der Veruntreuung. F.A. Hayek erklärt Cantillons Versuch, seine betrügerischen Handlungen zu rechtfertigen: His point of view was, as he later explained, that the shares given to him, since their numbers had not been registered, were not a genuine deposit, but rather – as one would say today – a block deposit so that none of his customers had claim to specific securities. The firm actually made an extraordinary profit in this way, since it could buy back at reduced prices the shares sold at high prices, and meanwhile the capital, for which they were charging high interest, lost nothing at all but rather was saved and invested in pounds. When Cantillon, who had partially made these advances in his own name, asked for repayments of the loans from the speculators, who had suffered great losses, and finally took them to court, the latter demanded that the profits obtained by Cantillon and the firm from their shares be credited against these advances. They in turn took Cantillon to court in London and Paris, charging fraud and usury. By presenting to the courts correspondence between Cantillon and the firm, they averred that the entire transaction was carried out under Cantillon´s immediate direction and that he therefore bore personal responsibility.122 122 Vgl. Hayek, „Richard Cantillon (1680-1734),“ Kapitel 13 aus The Trend of Economic Thinking, S. 245-93, besonders S. 284.
Im folgenden Kapitel werden wir erklären, dass die Verletzung des depositum irregulare von Wertpapieren von einem rechtlichen Standpunkt aus genauso verderblich ist wie die Verletzung des depositum irregulare von Geld und sehr ähnliche wirtschaftliche und soziale Übel zur Folge hat. Ein perfektes Beispiel aus dem 20. Jahrhundert war der Zusammenbruch der Bank von Barcelona und anderer katalanischer Banken, die das depositum irregulare von Wertpapieren systematisch akzeptiert hatten ohne für die vollständige Verwahrung zu sorgen.123 Stattdessen benutzten sie, um einen Gewinn zu erzielen, die Wertpapiere in allerlei Arten spekulativer Operationen zum Nachteil ihrer wahren Eigentümer, genauso wie es Cantillon zwei Jahrhunderte früher getan hatte. Richard Cantillon wurde 1734 nach zwölf Jahren Rechtsstreitigkeiten, zwei Festnahmen und der ständigen Gefahr einer Gefängnisstrafe inseinem Londoner Haus brutal ermordet. Obzwar er nach der offiziellen Version ermordet wurde und sein Körper bis zur Unkenntlichkeit von einem ehemaligen Koch, der ihn tötete, um ihn zu berauben, verbrannt worden war, ist es plausibel anzunehmen, dass einer seiner vielen Gläubiger den Mörder anstiftete, oder sogar dass Cantillon, wie A.E. Murphy, sein neuester Biograph nahe legt, seinen eigenen Tod inszenierte, um zu fliehen und so weitere Jahre voller Rechtsstreitigkeiten und rechtlicher Verfahren gegen ihn zu vermeiden.124
123 Über das depositum irregulare von Wertpapieren und die Art der widerrechtlichen Aneignung, welche von Cantillon und später den katalanischen Bankiers zu Beginn des 20. Jahrhunderts begangen worden war, vgl. La cuenta corriente de efectos o valores de un sector de la banca catalana: su repercusión en el crédito y en la economía, su calificación jurídica en el ámbito del derecho penal, civil y mercantil positivos españoles según los dictámenes emitidos por los letrados señores Rodríguez Sastre, Garrigues, Sánchez Román, Goicoechea, Miñana y Clemente de Diego, seguidos de un estudio sobre la cuenta de efectos y el mercado libre de valores de Barcelona por D. Agustín Peláez, Síndico Presidente de la Bolsa de Madrid (Madrid: Delgado Sáez, 1936). 124 Antoin E. Murphy, Richard Cantillon: Entrepreneur and Economist (Oxford: Clarendon Press, 1986), S. 209 und 291-97. Murphy erwähnt die folgenden Fakten, um seine letzte These zu unterstützen: (1) Cantillon liquidierte einen Großteil seines Vermögens einen Tag vor seinem Mord; (2) Der Körper wurde bis zur Unkenntlichkeit verbrannt; (3) Seine Familie offenbarte nach dem Mord eine mysteriöse Gleichgültigkeit; und (4) Der Angeklagte benahm sich seltsam und verhielt sich niemals wie ein typischer Mörder.
3 DIE VERSUCHE DER JURISTISCHEN RECHTFERTIGUNG DES TEILDECKUNGSBANKWESENS In diesem Kapitel setzen wir uns kritisch mit den verschiedenen theoretischen Versuchen auseinander,
das
Teildeckungsbankwesen
juristisch
zu
rechtfertigen.
Wir
werden
die
vorgeschlagenen Argumente betrachten, die dazu dienen sollen, den Vertrag eines monetären depositum irregulare zu unterstützen, bei dem der Depositar zu seinem eigenen Interesse Gebrauch vom Geld der Sichteinlagen machen kann. Im Licht der rechtlichen Lehre, die wir in Kapitel 1 präsentiert haben, und der ökonomischen Analyse in den folgenden Kapiteln, werden wir zwei Hauptverteidigungslinien kritisieren.
1 EINLEITUNG
Die Rechtslehren zur Rechtfertigung des Teildeckungsbankwesens sind ex post facto formuliert worden. Sie basieren nicht auf vorher existenten Rechtsprinzipien, welche dann zu gewissen Rechtsgeschäften führten. Ganz im Gegenteil haben die Bankpraktiken, wie wir im vorangegangenen Kapitel erklärt haben, für lange Zeit gegen die grundlegenden, universellen Rechtsprinzipien verstoßen. Und dies geschah als Reaktion auf die spezifischen Umstände, welche zusammengenommen diese Vergehen konspirativ möglich machten (menschliche Gier; unangemessene Regulierung; die finanziellen Bedürfnisse der Regierung; die systematische Intervention der Regierenden und die Verwirrung, die auf das depositum confessatum zurückzuführen war, welches seinerseits ein Produkt des kanonischen Zinsverbots war). Logischerweise veranlasste bald das Fehlen einer rechtlichen Basis für diese weit verbreitete Praxis die Bankiers wie auch die Gelehrten, nach einer passenden juristischen Rechtfertigung zu suchen. Des Weiteren war dieser Drang durch die Tatsache verstärkt, dass in fast allen Fällen letztlich die Regierung oder die öffentlichen Behörden die Hauptbegünstigten dieser betrügerischen Bankaktivitäten waren. Deshalb kann es in Anbetracht der traditionellen Symbiose zwischen politischen Autoritäten und der Intellektuellen nicht überraschen, dass letztere durch erstere dazu gedrängt wurden, nach rechtlichen Grundlagen zu suchen, welche die von der Politik erlaubten und ermutigten Praktiken unterstützten.1 Es war für das Überleben des ganzen Netzwerks von verknüpften Interessen, welche das Teildeckungsbankwesen erzeugt hatte, essentiell, adäquate rechtliche Grundlagen zu finden. Es war 1 Vgl. Bertrand de Jouvenel, „The European Intellectuals and Capitalism,“ in Friedrich A. von Hayek (Hrsg.) Capitalism and the Historians (Chicago: University of Chicago Press, 1954).
für jede gebildete Person klar, dass diese Praktiken auf etwas soliderem als eine reine de facto Situation basieren mussten. Es ist nicht ausreichend zu erkennen und zu versichern, wie es Shepard B. Clough tut, dass In fact, [goldsmiths] even lent money given them for save-keeping on the theory and experience that they needed to have on hand only enough to meet the expected, current demand of depositors. This practice led them, at least by the seventeenth century, to the issuing of „promises to pay,“ that is, „goldsmiths´notes,“ which, like modern banknotes, circulated from person to person. These „promises to pay,“ which could be paid by using the deposits of customers, came actually to exceed the amount of money on deposit. When this happened credit had been actually created by issuing paper-a very major discovery. 2 Nichtsdestoweniger und unabhängig davon wie „gewaltig“ (major) jemand diese „Entdeckung“ (discovery) erachtet, dass es möglich ist, einen betrügerischen Gebrauch von dem Geld der Deponenten zu machen oder Depositenbelege in einer den tatsächlich deponierten Betrag übersteigenden Summe auszustellen, ist es klar, dass diese Handlungen die gleichen Charakteristika besitzen, die allen anderen kriminellen Handlungen der widerrechtlichen Aneignung inne wohnen; Handlungen, welche immer ein Untersuchungsobjekt für die Strafrechtsexperten gewesen sind. Die Ähnlichkeit dieser zwei Arten von Handlungen ist daher so offensichtlich, dass die Gelehrten bei einer derartigen rechtlichen Unregelmäßigkeit in der Wirtschaft wie dieser, nicht untätig bleiben konnten. Daher ist es nicht überraschend, dass große Anstrengungen unternommen wurden, um das zu rechtfertigen, was als nicht zu rechtfertigen erscheint: nämlich dass es vom Standpunkt der allgemeinen Rechtsprinzipien legitim ist, sich die Gelder, die zur sicheren Aufbewahrung deponiert worden waren, anzueignen und Depositenbelege für mehr Geld, als tatsächlich deponiert wurde, auszustellen. Jedoch haben es die daran interessierten Parteien (hauptsächlich Bankiers und Regierungen) als so wichtig empfunden, eine adäquate theoretische Rechtfertigung zu finden, die über die simple, voluntaristische Lösung hinausging, eine verderblich kriminelle Praxis einfach als legal zu erklären (was schließlich trotz aller gelehrten Fassaden und Konstrukten geschah), dass immer noch viele Juristen daran arbeiten und versuchen, eine bis heute andauernde Praxis mit dem Mäntelchen der rechtlichen Respektabilität zu bedecken.
2 Shepard B. Clough, The Economic Development of Western Civilization (New York: McGraw-HIll, 1959), S. 109; Hervorhebung hinzugefügt.
Die lehrmäßigen Versuche, den Gebrauch einer Teildeckung beim depositum irregulare zu rechtfertigen, können in zwei große Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe versuchte, das Problem durch die Gleichsetzung des Vertrages des depositum irregulare mit dem Darlehensvertrag zu beseitigen. Wir werden die Theorien dieser Gruppe detailliert analysieren und zeigen, dass es aus rechtlicher Sicht unmöglich ist, diese beiden Verträge gleichzusetzen. Die Verfasser der zweiten und jüngeren Lehren beginnen damit, dass sie anerkennen, dass es fundamentale Unterschiede zwischen dem Darlehensvertrag und dem Vertrag des depositum irregulare gibt. Diese Theoretiker haben ihre Anstrengungen auf die Erschaffung eines neuen Rechtskonzepts, der „Verfügbarkeit“, fokussiert und behaupten, dass dieser Begriff „großzügig“ interpretiert werden sollte. Die Bankiers sollten demnach nur dazu verpflichtet sein, ihre Investitionen umsichtig vorzunehmen und Regulierungen sowie Bankgesetzgebungen jederzeit zu befolgen. Eine detaillierte Studie dieser zweiten Art von Theorien wird zeigen, dass sie letztlich eine Rückkehr zum verfehlten Versuch der ersten Gruppe mit sich bringen, nämlich der Rechtfertigung des Gebrauchs einer Teildeckung beim depositum irregulare, indem der Depositenvertrag mit dem Darlehensvertrag gleichgesetzt wird. Auf diese Weise fallen die Lehren der zweiten Art den gleichen Fehlern und rechtlichen Widersprüchen anheim, wie wir sie bei denen der ersten Art erkennen werden. Zusätzlich werden wir im nächsten Kapitel erklären, warum die Essenz der neuen Interpretation der Verfügbarkeit (basierend auf dem „Gesetz der großen Zahl“) aus Sicht der ökonomischen Theorie unzulässig ist. Wir werden mithin zu dem Schluss kommen, dass die zurückliegenden Versuche, das Teildeckungsbankwesen bei Sichteinlagen zu rechtfertigen, gescheitert sind. Dies erklärt sowohl die Mehrdeutigkeit, die in den Lehren zu dieser Art von Bankpraktiken präsent ist, als auch den verzweifelten Versuch, Klarheit und Offenheit bei ihrer Behandlung zu vermeiden, das allgemeine Fehlen von Verantwortlichkeit sowie letztlich (,da das Teildeckungsbankwesen einfach nicht selbständig wirtschaftlich überlebensfähig ist) die Tatsache, dass ihm die Unterstützung einer Zentralbank gespendet wurde, welche die Regulierungen einleitet und zu jeder Zeit für die Liquididät sorgt, die notwendig ist, um den Zusammenbruch des ganzen Konstrukts zu verhindern. Im achten Kapitel werden wir das Zentralbankwesen diskutieren und mittels einer theoretischen Analyse zeigen, dass die Nationalisierung des Geldes sowie die Bankgesetzgebung mit der Kontrolle des Bankensystems durch die Zentralbank nicht dazu im Stande gewesen sind, ein stabiles Finanzsystem aufrecht zu erhalten, welches Konjunkturzyklen verhindert und Bankenkrisen abwendet. Daher können wir zu dem Schluss kommen, dass das Teildeckungsbankwesen ebenfalls versagt hat, selbst wenn es von einer Zentralbank gestützt und beschützt wird. Am Ende dieses Kapitels werden wir die verschiedenen Arten von finanziellen Verträgen
untersuchen, von denen einige jenen ähneln, welche die Bankiers bei den Bankdepositen zum Einsatz bringen. Besonders werden wir die verschiedenen finanziellen Operationen betrachten, die eine „Rückkaufvereinbarung“ beinhalten. Wir werden zeigen, dass diese eine Umgehung des Rechts mit sich bringen und wenn immer die Zahlung eines vorher festgelegten Preises ungeachtet des derzeitigen Preises am Sekundärmarkt garantiert wird, diese Operationen einen echten Depositenvertrag verschleiern. Schließlich werden wir einen Blick auf die tiefgründigen, essentiellen Unterschiede zwischen den finanziellen Operationen des Bankwesens und jenen im Lebensversicherungswesen werfen. Letztere repräsentieren eine perfektionierte Form des wahren Sparens, bei dem Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter getauscht werden. Dies ist ein Tausch mit besonders attraktiven Eigenschaften, welcher jedoch in keiner Weise eine Aneignung der Sichteinlagen, eine Kreditschaffung, noch die Ausgabe von Belegen ohne Deckung involviert. Wir werden auch den verderblichen Einfluss diskutieren, der durch den jüngsten Trend (der in der staatlichen Gesetzgebung ganz offensichtlich wird) hin zu einer Eintrübung und Verschleierung der traditionellen rechtlichen und technischen Grenzen zwischen diesen beiden Arten von Institutionen auf den Versicherungssektor ausgeübt wird (der Lebensversicherung und dem Bankwesen).
2 WARUM ES UNMÖGLICH IST, DEN VERTRAG DES DEPOSITUM IRREGULARE MIT DEM DARLEHENS- ODER MUTUUMSVERTRAG GLEICHZUSETZEN DIE WURZELN DER VERWIRRUNG Die Versuche, den Vertrag des monetären depositum irregulare mit dem Darlehens- oder Mutuumsvertrag rechtlich gleichzusetzen, sind besonders attraktiv für jene, die am meisten von den Bankpraktiken profitieren (Bankiers und Regierungen). In der Tat haben wir in Kapitel 1, welches eine Erklärung der rechtlichen Natur beider Institutionen enthält, aufgezeigt, dass ein Darlehen die Übertragung nicht nur des Eigentums des geliehenen Gegenstandes impliziert, sondern auch seine volle Verfügbarkeit und daher der Darlehensnehmer dieses in Gänze verwenden kann, indem er es investiert, ausgibt, etc. Wenn man bedenkt, dass dies letztlich der Bankier tut, wenn er sich die als Sichteinlagen deponierten Gelder aneignet, ist für ihn die ideale rechtliche Lösung eindeutig die Gleichsetzung des Vertrages des depositum irregulare mit dem Darlehensvertrag. Darüber hinaus wurde beharrlich ein abgenutzter Vorwand dazu benutzt, das Argument der Gleichsetzung der beiden Verträge zu verstärken. Oberflächlich und vereinfacht handelt es sich um das folgende Argument: Weil der Vertrag des depositum irregulare in dem Depositum von fungiblen Gütern besteht, deren wirkliches Wesen den unumgänglichen Transfer des Eigentums an den individuellen
deponierten Gegenständen impliziert (weil sie voneinander ununterscheidbar sind), sind das Depositum und das Darlehen naturgemäß ein und dasselbe, da beide Institutionen die Übertragung des Eigentums mit sich bringen. In Kapitel 1 sahen wir, dass diese Argumentationskette falsch, oberflächlich und abstrus ist. Tatsächlich unterscheiden sich beide Verträge selbst unter der Annahme, dass das Eigentum in beiden Fällen übertragen wird, immer noch radikal hinsichtlich der Verfügbarkeit des Gegenstandes (eine essentielle Eigenschaft der Verträge). Wohingegen beim Darlehensvertrag die volle Verfügbarkeit des Gegenstandes zusammen mit dem Eigentum übertragen wird, erfordert in der Tat das eigentliche Wesen des Vertrages des depositum irregulare, dass der Zweck der sicheren Aufbewahrung und Bewachung vorherrscht. Dementsprechend ist, obgleich wir in der Theorie davon ausgehen, dass das Eigentum übertragen wird, eine solche Übergabe in der Praxis vernachlässigbar, weil die sichere Aufbewahrung und Bewachung des fungiblen Gutes die beständige Verfügbarkeit des tantundem für den Deponenten erfordert. Deshalb würde, selbst wenn das Eigentum bei beiden Institutionen im gleichen Sinne transferiert wird, immer noch ein grundlegender rechtlicher Unterschied zwischen ihnen existieren: der Unterschied in der Verfügbarkeit. Es mag überraschend erscheinen, dass die Juristen, welche sich entschlossen, den Depositenvertrag mit dem Darlehens- oder Mutuumsvertrag gleichzusetzen, einen solch offensichtlichen Unterschied übersehen haben. Die Gleichsetzung von beiden Verträgen wirkt so gezwungen und die Argumente sind so schwach, dass es erstaunlich ist, dass eine gewisse Gruppe von Theoretikern versucht hat, die Gleichsetzung zu verteidigen. Jedoch hat ihr Versuch eine historisch bedingte, theoretische Erklärung: das depositum confessatum, ein juristischer Kunstgriff, der im Mittelalter aus Versuchen, das kanonische Zinsverbot zu umgehen, geboren wurde. Obwohl wir bereits gezeigt haben, dass das kanonische Zinsverbot und die Entwicklung des Teildeckungsbankwesens eine sehr geringe direkte Verbindung teilen, fungierte das depositum confessatum als ein starkes, indirektes Glied zwischen ihnen. Wir wir bereits wissen, musste der Depositar ab der Zeit der römischen Rechts Zinsen zahlen, falls er nicht in der Lage war, die zur sicheren Aufbewahrung hinterlegten Depositen zurückzuzahlen, wenn der Deponent es forderte. Danach, ungeachtet irgendwelcher anderer absehbarer zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Klagen (die actio depositi und die actio furti), wurde logischerweise ein zusätzlicher Prozess angestrengt, um Zinsen für die verspätete Zahlung und den Verlust der Verfügbarkeit für den Deponenten bis zu
dem Zeitpunkt der Rückgabe der deponierten Gelder zu erhalten.3 Mithin ist es einfach zu verstehen, wie gelegen es im Mittelalter kam, ein Darlehen als ein Depositum zu tarnen, um die Zinszahlung juristisch zu rechtfertigen und sozial akzeptabel zu machen. Aus diesem Grund begannen die Bankiers systematisch, sich in Operationen zu engagieren, in denen die Parteien öffentlich erklärten, dass sie einen Depositenvertrag und nicht einen Darlehensvertrag abschlossen. Jedoch ist nach dem lateinischen Sprichwort festzuhalten: excusation non petita, accusatio manifesta (eine nicht geforderte Entschuldigung entspricht einer Selbstanklage). In der Tat war es bei einem wahren Depositum nicht notwendig, irgendwelche Erklärungen abzugeben und eine solche Erklärung, wenn sie abgegeben wurde, legte den Versuch offen, einen Darlehens- oder Mutuumsvertrag zu verschleiern. Der Zweck der Verschleierung eines Darlehens als ein Depositum war es, dem strikten kanonischen Verbot von zinsbringenden Darlehen auszuweichen und viele wahrhaftige Kredittransaktionen möglich zu machen, die sowohl wirtschaftlich als auch sozial notwendig waren. Das depositum confessatum trübte die entschieden klaren rechtlichen Grenzen zwischen dem Vertrag des depositum irregulare und dem Darlehens- oder Mutuumsvertrag. Was auch immer die Sicht der Gelehrten zum kanonischen Zinsverbot war, das depositum confessatum führte beinahe unvermeidlich
zu
einer
„natürlichen“
Identifikation
der
Depositenverträge
mit
den
Mutuumsverträgen. Für einen Gelehrten, der alle Verletzungen des kanonischen Verbots und jeden Fall der Verschleierung einer Zinszahlung entdecken und entblößen wollte, erschien gewiss von Beginn an alles, was einem „Depositum“ ähnelte, als verdächtig und die offensichtlichste und effizienteste Lösung aus dieser Sicht der Dinge war es, automatisch Depositen mit Darlehen gleichzusetzen und die Zinszahlung in allen Fällen, ungeachtet der äußeren, juristischen Erscheinung der Operation, zu verdammen. Paradoxerweise begnügten sich die liberalen Moralphilosophen nicht mit der Verteidigung der rechtlichen Berechtigung der Depositen und der daraus folgenden Rechtmäßigkeit der Zinszahlung bei verspäteter Zahlung, sondern gingen weiter, indem sie darlegten, dass solche Depositen letztlich Darlehen waren und die Bankiers daher das Geld benutzen oder investieren konnten. Diese Autoren wollten nicht nur die Zahlung von Zinsen rechtfertigen, sondern auch eine Institution legitimieren, welche eben jene Handlungen der Investition oder des Tausches von gegenwärtigen gegen zukünftige Güter erlaubte, welche der Darlehensvertrag traditionell möglich machte. Des Weiteren war diese Art von Tausch für Industrie und Handel extrem wichtig. Während des ganzen Mittelalters vertraten die meisten Juristen, die 3 Wie wir wissen, bedeutet die Tatsache, dass das monetäre depositum irregulare ein Depositenvertrag ist, dass die actio depositi directa zu Anwendung kommt. Die römischen Juristen entwickelten dieses Konzept, welches es dem Deponenten überlässt, jederzeit zu bestimmen, wann sein Depositum ihm zurückgegeben wird. Diese Bedeutung der Verfügbarkeit ist so wichtig, dass der Anspruch des Deponenten als äquivalent zum Eigentum des deponierten Geldes angesehen wird (weil das tantundem des Depositums ihm vollständig und unmittelbar verfügbar ist).
Gesetzestexte kommentierten, diese Meinung. Wie wir im vorangegangenen Kapitel gesehen haben, war dies auch die Meinung verschiedener Vertreter der Schule von Salamanca, wie Luis de Molina, der glaubte, der Vertrag des monetären depositum irregulare sei ein „prekäres Darlehen“, bei welchem das Eigentum des Geldes (was, wie wir gesehen haben, im Fall des Depositums von fungiblen Geld statthaft ist), wie auch die vollständige Verfügbarkeit (was, wie wir wissen unmöglich und dem wahren Wesen des Depositum entgegengesetzt ist) an den Bankier übergeht.4 Des Weiteren hatte sich, wie wir bereits gesehen haben, der irische Bankier und Ökonom Richard Cantillon während einer Welle der Spekulation, die in Frankreich durch John Laws System verursacht worden war, die bei ihm als fungible Güter in einem Vertrag eines depositum irregulare deponierten Wertpapiere widerrechtlich angeeignet. In den zivilrechtlichen und strafrechtlichen Prozessen, die gegen ihn angestrengt wurden, versuchte er sich durch die einzige bis dahin entwickelte Lehre, die seine Position begünstigte, zu verteidigen: Weil der Vertrag für ein „irreguläres“ depositum sei (i.e., die Wertpapiere als fungible Güter betrachtet wurden), fände ein vollständiger Transfer sowohl des Eigentums als auch der Verfügbarkeit statt. Wäre das der Fall gewesen, hätte er sich legitimerweise die Aktien aneignen, sie verkaufen und zur Spekulation am Markt nutzen können ohne irgendein Verbrechen zu begehen oder seinen Deponenten zu schaden. 5 Dasselbe juristische Argument, welches Richard Cantillon zu seiner Verteidigung nutzte, war von den Gelehrten hinsichtlich der irregulären Gelddepositen (an Stelle der irregulären Wertpapierdepositen) entwickelt worden. Folglich würde, wenn es juristisch angemessen und gerechtfertigt wäre, den Gelddepositenvertrag mit dem Mutuumsvertrag gleichzusetzen, das gleiche sicherlich, mutatis mutandis, auf alle anderen Depositen fungibler Güter anwendbar sein; und im Besonderen auf die Depositen von Wertpapieren, die als Güter voneinander ununterscheidbar sind. Deshalb müssen wir hervorheben, dass jedwede gelehrte Analyse, die gegen die Rechtmäßigkeit des vollständigen Übergangs des Eigentums und der Verfügbarkeit beim depositum irregulare von Wertpapieren befindet, auch letztlich ein schlagkräftiges Argument gegen den Gebrauch einer Teildeckung beim monetären depositum irregulare begründet. Der bedeutende spanische Merkantilist Joaquín Garrigues hat diesen Tatbestand erkannt. Er schreibt:
4 Vgl. Luis de Molina, Tratado sobre los cambios, herausgegeben mit einem Vorwort von Francisco Gómez Camacho, Disputation 608, 1022 d., S. 138. Wie wir gesehen haben, teilt Juan de Lugo die Sichtweise Molinas, wie es auch, obzwar in einem geringeren Maße, Domingo de Soto tut. Die anderen Mitglieder der Schule von Salamanca, vor allem Dr. Saravia de la Calle, waren als weise Juristen der römischen Tradition treu und trotz des gegen sie ausgeübten Drucks und der von ihnen miterlebten Praktiken gegen das Teildeckungsbankwesen. 5 Vgl. F.A. Hayek, „Richard Cantillon (1680-1734),“ in The Collected Works of F.A. Hayek, Bd. 3: The Trend of Economic Thinking: Essays on Political Economists and Economic History, S. 159. Vgl. zudem den klassischen Artikel von Henry Higgs, „Richard Cantillon,“ in The Economic Journal 1 (Juni 1891): 276-84. Siehe schließlich A. E. Murphy, Richard Cantillon: Entrepreneur and Economics.
Die Argumentation hat uns bis jetzt zu der Bestätigung geführt, dass wenn ein Kunde seine Aktien der Bank anvertraut, er einen Bankdepositenvertrag abzuschließen versucht; unverzüglich nach dieser Feststellung werden wir uns eines anderen Vertrages mit einem ähnlichen finanziellen Zweck bewusst. Dieser Vertrag beinhaltet auch das Anvertrauen eines fungiblen Gutes (Geld) an die Bank. Zudem werden von der Bank Kontoführungsdienste geleistet. Dies – so werden Verteidiger des Bankkontos sagen – ist ein anderer einzigartiger Vertrag, der in den Bankdokumenten weder als Darlehen noch als depositum aufgeführt wird und der die gleichen rechtlichen Folgen hat wie das Wertpapierkonto; nämlich, die Übertragung des Eigentums an die Bank und die Rückgabe des tantundem durch die Bank.6 Trotz Garrigues gekünstelten und nicht überzeugenden Versuches uns weiß zu machen, dass diese beiden Depositen unterschiedlich sind, ist es offensichtlich, dass beide irreguläre Depositenverträge (des Geldes und der Wertpapiere) im wesentlichen identisch sind und wir deshalb, wenn wir die Übertragung der vollen Verfügbarkeit des Gutes in einem Falle (beim Gelddepositum) akzeptieren, wir dies auch in dem anderen Falle tun müssen. Folglich ist es nicht möglich, die Gesetzmäßigkeit des einen (des Wertpapierdepositums) abzustreiten, ohne die Gesetzmäßigkeit des anderen (des Geldepositums) abzustreiten.7 Als Fazit lässt sich festhalten, dass die juristischen Argumente, welche Cantillon zu seiner Verteidigung gebrauchte von den Theorien hinsichtlich des Vertrages des monetären depositum irregulare abgeleitet waren. Und wenn wir diese Theorien als richtig ansehen, dann rechtfertigen sie auch Cantillons offensichtlichen Betrug an seinen Kunden und die Heerschar an irregulären und betrügerischen Aktivitäten, die später in Verbindung mit irregulären Wertpapierdepositen in anderen Ländern, vor allem in Spanien, durchgeführt wurden. Die katalanischen Bankiers begingen derartigen Betrug bis weit ins
6 Zu diesem Thema siehe S. 194 ff. in dem „Dictamen de Joaquín Garrigues,“ Bestandteil des Buches, La cuenta corriente de efectos o valores de un sector de la banca catalana y el mercado libre de valores de Barcelona, S. 159209. Aus diesem bemerkenswerten Buch können daher viele Argumente gegen die These, dass die vollständige Verfügbarkeit beim depositum irregulare von Wertpapieren als eine Art fungibler Güter übertragen wird, direkt auf die Kritik der gleichen Theorie hinsichtlich des depositum irregulare des Geldes als einem fungiblen Gut angewendet werden. Wir werden diese Argumente in unsere Studie, wann immer es angemessen ist, aufnehmen. 7 Das Gegenteil wäre ein unzulässiger logischer Widerspruch; Florencio Oscáriz Marco jedoch begeht einen solchen Fehler. Er behauptet, dass Depositen von Bulkwaren nicht irreguläre Depositen seien, „weil es keine Ermächtigung gibt, sie zu benutzen und noch weniger sie sich nach Belieben anzueignen, nur die Ermächtigung sie zu vermischen,“ während er im Fall der Depositen anderer fungibler Güter (Geld) mysteriöserweise davon ausgeht, dass eine Übergabe der Berechtigung des Gebrauchs und der Verfügbarkeit statt findet; eine Übertragung, welche die Depositen in „Darlehen“ umformt. Zusätzlich zu diesem konzeptionellen Fehler, begeht Oscáriz einen terminologischen Fehler: er zitiert in einer Analyse des „einzigartigen Falles“ des Depositums von Bulkwaren die Entscheidung des obersten spanischen Gerichts hinsichtlich eines Öldepositums, welches einige Olivenhändler vorgenommen hatten (Entscheidung des obersten spanischen Gerichts vom 2. Juli 1948). In Wirklichkeit ist das Depositum von Bulkwaren eines der besten vorstellenbaren Beispiel eines Depositums von fungiblen Gütern oder eines depositum irregulare. Vgl. Oscáriz Marco, El contrato de depósito: estudio de la obligación de guarda, S. 110-112.
zwanzigste Jahrhundert hinein. Die spanischen Gelehrten haben die unehrliche und kriminelle Natur dieses Verhaltens korrekt und einmütig festgestellt.8
DIE IRRIGE LEHRE DES COMMON LAW Die Lehre, welche den Vertrag des monetären depositum irregulare mit dem Darlehens- oder Mutuumsvertrag gleichsetzt, hat sich durch Rechtsschaffung nach dem Binding-Case-System auch im angelsächsischen Common Law durchgesetzt. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurden mehrere Prozesse geführt, in denen Deponenten, nachdem sie entdeckt hatten, dass sie nicht die Rückzahlung ihrer Depositen sichern konnten, ihre Bankiers auf widerrechtliche Aneignung und Betrug in der Ausübung der Verpflichtungen bei der sicheren Aufbewahrung verklagten. Unglücklicherweise fielen die Urteile der britischen Rechtsprechung dem von den Bankiers, der Bankpraxis und der Regierung ausgeübten Druck zum Opfer, und es wurde bestimmt, dass der Vertrag des monetären depositum irregulare von dem Darlehensvertrag nicht verschieden sei und deshalb Bankiers, die zu ihrem eigenen Nutzen Gebrauch vom Geld ihrer Deponenten machten, sich keine widerrechtliche Aneignung zu Schulden kommen ließen.9 Von allen diesen Gerichtsentscheiden ist es lohnenswert, das Urteil im Fall Foley vs. Hill und andere von Richter Lord Cottenham aus dem Jahre 1848 zu betrachten. Hier kommt der Richter zu dem falschen Schluss, dass the money placed in the custody of a banker is, to all intents and purposes, the money of the banker, to do with it as he pleases. He is guilty of no breach of trust in employing it. He is not answerable to the principal if he puts it into jeopardy, if he engages in a haphazardous speculation; he is not bound to keep it or deal with it as the property of his principal, but he is, of course, answerable for the amount, because he has contracted, having received that 8 See La cuenta corriente de efectos o valores de un sector de la banca catalana y el mercado libre de valores de Barcelona. 9 Diese Art der Gerichtsentscheide sticht von dem Trend der soliden Urteile ab, welche sich durch die Erklärung etablierte, dass amerikanische Getreidedepositare betrügerisch handelten, als sie in den 1860er Jahren sich einen Teil der Getreidedepositen aneigneten, welche sie aufbewahren sollten und mit diesem Teil am Chicagoer Markt spekulierten. In Antwort auf die verwirrende Begebenheit fragt Rothbard: [W]hy did grain warehouse law, where the conditions – of depositing fungible goods – are exactly the same . . . develop in precisely the opposite direction? . . .. Could it be that the bankers conducted a more effective lobbying operation than did the grain men? Vgl. Murray N. Rothbard, The Case Against the Fed (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1994), S. 43. Die gleiche gültige Rechtslehre ist in den spanischen Gerichtsentscheiden bezüglich der Bulkdepositen von Öl in den Olivenölfabriken evident geworden. (Vgl. das Urteil des obersten spanischen Gerichtshofs vom 2. Juli 1948).
money, to repay to the principal, when demanded, a sum equivalent to that paid into his hands.10 In Anbetracht dieser Urteile ist es nicht überraschend, dass Richard Cantillon von Frankreich nach England floh, wo die finanziellen Praktiken – wie wir gesehen haben - sehr viel lockerer waren und die Gerichtsurteile der gleichen Argumentationslinie folgten, welche er bei seiner Verteidigung gebraucht hatte. In Kontinentaleuropa übte dagegen die römische Rechtstradition noch einen großen Einfluss aus. Die römischen Juristen hatten auf unfehlbare Art und Weise die Natur des monetären depositum irregulare formuliert, wobei sie sich auf die Pflicht der sicheren Aufbewahrung und die Gesetzlosigkeit der Aneignung der deponierten Gelder durch die Banken stützten. Mithin ist Richard Cantillons Angst verständlich. Er floh aus Kontinentaleuropa zu einer Zeit, als die Bank von Amsterdam noch in ihrem vollen Prestige stand und mit einer 100-prozentigen Reservedeckung operierte.11 Zudem begann das Konzept des depositum irregulare zu seinen klassischen Rechtswurzeln (welche Teildeckungsbanken gesetzlich verboten) zurückzukehren. Es war bereits klar geworden, dass alle Bankensysteme, welche auf einer Teildeckung basiert hatten, zusammengebrochen waren (im systematischen Zusammenbruch der europäischen Banken des späten Mittelalters, der Banken von Sevilla und Italien im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert und des Systems von Law im achtzehnten Jahrhundert), und die Richter hatten regelmäßig Urteile gegen die Aneignung der Depositengelder durch Bankiers ausgesprochen (und, wie wir wissen, sind derartige Entscheidungen bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein in Frankreich und Spanien gefällt worden). Wir müssen betonen, dass, zumindest hinsichtlich der uns interessierenden Institution (das depositum irregulare), das angelsächsische Common Law System weniger effektiv die Verteidigung der Eigentumsrechte und die richtige Regulierung der sozialen Interaktion garantiert hat als das Rechtssystem Kontinentaleuropas. Damit soll nicht gesagt sein, dass das kontinentale System in seiner letzten, kelsenianischen und positivistischen Ausprägung dem Common Law System überlegen ist, sondern lediglich, dass letzteres oft dem römischen Recht unterlegen war. Mit 10 Vgl. die Fußnote auf S. 73 des Buches von E.T. Powell, Evolution of Money Markets (London: Cass, 1966), und den Kommentar von Mark Skousen zu dieser Entscheidung in seinem Buch, The Economics of a Pure Gold Standard (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1977), S. 22-24. Zwei Präzedenzfälle zu Lord Cottenhams Entscheidung waren das Urteil von Sir William Grant 1811 im Fall Carr vs. Carr und die Entscheidung fünf Jahre später bei Devaynes vs. Noble. Vgl. J. Milden Holden, The Law and Practice of Banking, Bd.1: Banker and Customer (London: Pitman Publishing, 1970), S. 31-32 und 52-55. 11 Erstaunlicherweise erwähnt Cantillon in seinem Essai [Abhandlung] diese wohl bekannte Tatsache unter folgendem Vorwand nicht: „Ich konnte keine genauen Informationen .. über ... [die] Summen [erhalten], die sie gewöhnlich in ihrer Kasse zurückbehalten, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.“ (S. 196). Es muss angenommen werden, dass die Essai hauptsächlich geschrieben wurden, um Cantillon´s Verteidigung in seinen Rechtsprozessen gegen seine Kläger zu verleichtern.
„römischen Recht“
beziehen wir uns auf das evolutionäre, auf Gewohnheitsrecht basierende
System, welches sich auf die logische, exegetische und gelehrte Analyse der Juristen der römischen klassischen Schule stützt. Mit anderen Worten sind im angelsächsischen Common Law System die einmal getroffenen Entscheidungen zu stark bindend. Die Richter werden oft mehr durch die spezifischen Details eines jeden Falles und die vordergründige Geschäftspraktik als durch eine leidenschaftslose, logische und exegetische Analyse beeinflusst, wie sie auf grundlegenden Rechtsprinzipien fußend durchgeführt werden sollte. Kurzum, hängt das angelsächsische Rechtssystem übermäßig von Präzedenzfällen ab, während das kontinentale, auf dem römischen Recht basierende System, auf Präzedenzfällen, eine soliden Lehre, und der juristischen Theorie ruht.
DIE
DOKTRIN
DES
(SPANISCHEN)
BÜRGERLICHEN
GESETZBUCHES
UND
HANDELSGESETZBUCHES Eine Gruppe spanischer Theoretiker hat gleichfalls versucht, den Vertrag des monetären depositum irregulare mit dem Darlehensvertrag gleichzusetzen. Sich auf verschiedene Artikel im spanischen bürgerlichen Gesetzbuch und Handelsgesetzbuch stützend, behaupten sie, dass das depositum irregulare in der spanischen Gesetzgebung nicht als ein separates Konzept anerkannt wird und es mithin nicht mehr als ein einfacher Darlehens- oder Mutuumsvertrag sei. Nichtsdestoweniger sichert noch nicht einmal das spanische positive Recht eine Verbindung zwischen dem Vertrag des depositum irregulare und dem Darlehensvertrag. Ganz im Gegenteil ist eine solche Verbindung äußerst zweifelhaft und unsicher und tatsächlich ist die Mehrheit der modernen spanischen Theoretiker – im Einklang mit der klassischen Auffassung - zu dem Schluss gekommen, dass sogar vom Standpunkt des gegenwärtigen spanischen positiven Rechts der Darlehensvertrag eine Sache und der Vertrag des depositum irregulare eine ganz andere ist. Um die Gleichsetzung der beiden Vertragstypen zu rechtfertigen, haben sich die Theoretiker wiederholt auf
den Artikel 1768 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches bezogen. Dieser
Artikel setzt fest, dass wenn der Depositar die Erlaubnis besitzt, das deponierte Gut zu benutzen, der Vertrag die Eigenschaft eines Depositums verliert und zum Darlehen oder commodatum wird. Die Erlaubnis wird nicht vorausgesetzt, sondern ist zu beweisen.
Nach diesem Artikel und wenn wir das Wort „benutzen“ in seinem allgemeinsten und weitesten Sinne verstehen, dann würde, weil alle Verträge eines depositum irregulare die Übertragung des Eigentums der individuellen deponierten Dinge und damit auch einen vagen „Gebrauch“ des fungiblen Gutes beinhalten, der Vertrag des depositum irregulare auch ipso facto zu einem Darlehen oder Mutuum werden. Obgleich wir später die verschiedenen Fälle untersuchen werden, von welchen angenommen werden könnte, dass eine „Übergabe des Gebrauchs“ stattfindet, ist es an dieser Stelle ausreichend zu erinnern, dass, wie wir im ersten Kapital gesehen haben, die Übertragung des Eigentums und des Gebrauchs in einem allgemeinen Sinne eine Sache ist, es aber eine völlig andere Sache ist, ob das tantundem ständig dem Deponenten gänzlich verfügbar gehalten wird oder nicht. In dem Ausmaße, in dem der Artikel 1768 dazu intendiert ist zu unterscheiden, ob das tantundem ständig dem Deponenten verfügbar gehalten wird oder nicht, wäre es vollkommen möglich, im spanischen positiven Recht die Existenz eines Vertrages des depositum irregulare zu erblicken, welcher sich radikal von dem Darlehensvertrag unterscheidet. In der Tat scheint der Artikel 1770 eben dieses Bürgerlichen Gesetzbuches diese zweite Interpretation anzudeuten. Dieser Artikel legt fest, dass das deponierte Gut zusammen mit allen seinen Einnahmen und Zugängen zurückgegeben werden soll. Sollte das Depositum aus Geld bestehen, sind in Hinblick auf den Depositar die gleichen Vorschriften wie für den Bevollmächtigten aus Artikel 1724 anzuwenden. In anderen Worten scheint das Bürgerliche Gesetzbuch selbst einen Raum für eine Art Gelddepositum zu gestatten, welches kein Darlehen ist. Wie José Luis Albácar und Jaime Santos Briz darlegen: Angesichts einer solchen Diskrepanz – man könnte es beinahe eine Antinomie nennen – zwischen
widerstreitenden
gesetzlichen
Vorschriften
[die
„modernen“
und
die
„klassischen“], sollten wir festhalten, dass es heut zu Tage die häufigere Auffassung ist, dass das Mutuum und das depositum irregulare verschieden sind; und zwar in einem Ausmaße, dass einige Menschen glauben, dass es sich in den besagten Fällen um eine besondere Art depositum handelt: das atypische und komplexe Konzept des depositum irregulare.12 Die Behandlung, welche das monetäre depositum irregulare im spanischen Bürgerlichen 12 José Luis Albácar López und Jaime Santos Briz, Código Civil: doctrina y jurisprudencia (Madrid: Editorial Trivium, 1991), Bd. 6, S. 1770. Das Bürgerliche Gesetzbuch Navarras enthält (im Gesetz 554 am Ende von Titel 12) ebenfalls eine Referenz zum depositum irregulare: Wenn bei einem Depositum eines fungiblen Gutes dem Depositar vom Deponent entweder explizit oder implizit die Berechtigung zum Gebrauch des Gutes gegeben wird, sind die Vorschriften für das Gelddarlehen, welche in den Gesetze 532, 534 und 535 festgelegt sind, anzuwenden. Wie zu sehen ist, wird der Inhalt von Artikel 1768 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches hier beinahe wörtlich wiederholt
Gesetzbuch erfährt, könnte auch als widersprüchlich angesehen werden und eignet sich für beide Interpretationen. In der Tat legt Artikel 309 fest, wenn immer der Depositar mit der Zustimmung des Deponenten das deponierte Gut für sich selbst oder seine Geschäfte, oder in Operationen, die der Deponent anordnet, benutzt,
enden
die
Rechte und Pflichten des Depositars und des Deponenten und weichen zugunsten
der Regeln
und Vorschriften, die beim kommerziellen Darlehen, der Besorgung, oder dem Vertrag, den sie anstelle des Depositum geschlossen hätten, angewendet werden. Es scheint deshalb, dass einige Parallelen zwischen Artikel 309 des spanischen Handelsgesetzbuches und Artikel 1768 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestehen. Indes legt Artikel 307 des Handelsgesetzbuches, welche Bargelddepositen regelt, fest: Wenn Bargelddepositen in nicht gekennzeichneter Währung oder in einem offenen unversiegeltem Paket hinterlegt werden, ist der Depositar für ihre Aufbewahrung und Sicherheit nach den Konditionen, die in Paragraph 2 des Artikels 306 festgesetzt werden, verantwortlich. Und Artikel 306, Paragraph 2 liest sich wie folgt: Bei der sicheren Aufbewahrung von Depositen, ist der Depositar für jeglichen Schaden der deponierten Güter verantwortlich, die aus Vorsatz und Fahrlässigkeit, wie auch aus der Natur der Güter oder Fehlern in ihnen resultieren, wenn er es in solchen Fällen unterlässt, die notwendigen Maßnahmen vorzunehmen, um diesen Schaden zu verhindern oder zu reparieren, wobei er den Deponenten sobald der Schaden offensichtlich wird, zu benachrichtigen hat. (Hervorhebung hinzugefügt). Auf diese Weise erlaubt, wenn wir den letzten Paragraphen des Artikel 307 zusammen mit dem zweiten Paragraphen des Artikels 306 betrachten, das spanische Handelsgesetzbuch das Konzept des monetären depositum irregulare gänzlich und legt dem Depositar eine sehr klare Aufbewahrungspflicht zu Gunsten des Deponenten auf. Es erfordert sogar, dass, sollte irgendein Schaden dem deponierten fungiblen Geld zustoßen, der Depositar den Deponenten unverzüglich zu benachrichtigen hat. Nichtsdestoweniger gewährt Artikel 310 des Handelsgesetzbuches den Bankiers ein gesetzliches Privileg (ius privilegium), welches die Aneignung der bei ihnen deponierten Gelder legalisiert. Dieser Artikel spezifiziert, dass
ungeachtet der in den vorangehenden Artikeln dargelegten Vorschriften, sind Depositen, die in Banken, öffentlichen Warenlagern, Kreditgenossenschaften oder irgendeiner anderen Gesellschaft hinterlegt worden sind, zunächst den Statuten dieser Gesellschaft unterworfen, und dann den Vorschriften dieses Gesetzbuches und letztlich den allgemeinen Regeln, die auf alle Depositen anwendbar sind. Die Natur dieses „verhassten“ Privilegs, über welches sich die Banken und andere ähnliche Gesellschaften erfreuen, ist offensichtlich. Sogar aus der Sicht des spanischen positiven Rechts könnte man argumentieren, dass nach dem oben zitierten Artikel 306 des Handelsgesetzbuches, jede Person, welche nicht dem Metiers des Bankiers oder einer ähnlichen Profession angehört, und welche das ihr durch ein depositum irregulare anvertraute Geld benutzt, die Aufbewahrungspflicht verletzt und daher das Verbrechen der Entwendung begeht. Indes sind Bankiers von dieser Möglichkeit ausgenommen, falls die Statuten ihrer Gesellschaft vorsehen, dass sie die Gelder der Deponenten benutzen und für ihre eigenen Geschäfte aneignen dürfen. Nichtsdestoweniger sind die Bankstatuten und -verträge keinesfalls einfach zu verstehen. Im Gegenteil sind Dokumente dieser Art für gewöhnlich vieldeutig und verwirrend13, was die Gerichtsentscheide erklärt, die festsetzen, 13 Merkwürdigerweise vermeiden spanische Banken, wenn sie die allgemeinen Konditionen für die verschiedenen Bankkontenverträge spezifizieren, den Gebrauch des Wortes „Depositum“ aus Furcht der rechtlichen Auswirkungen eines solchen Vertrages (vor allem Beschuldigungen der Entwendung). Sie vermeiden zudem die Wörter „Darlehen“ und „Kredit“, obwohl sie rechtlich abgesichert wären, wenn sie die monetären irregulären Depositen „Darlehen“ nennen würden, weil es offensichtlich ist, dass es im Hinblick auf ihre Geschäfte viel schwieriger wäre, Depositen von Kunden zu locken, wenn diese sich im Allgemeinen bewusst wären, dass sie mit der Eröffnung eines Bankkontos tatsächlich der Bank Geld leihen und kein Depositum hinterlegen. Folglich ziehen es die Bankiers vor, die gegenwärtige Vieldeutigkeit und Verwirrung aufrechtzuerhalten, zumal die existierende vertragliche Verworrenheit sie solange begünstigt, wie sie sich des Privilegs erfreuen, eine Teildeckung benutzen zu dürfen und von der Zentralbank im Falle einer Liquiditätskrise abgesichert werden. Zum Beispiel ist in der sechsten allgemeinen Geschäftsbedingung der Banco Bilbao-Vizcaya hinsichtlich der Wechselgeschäfte zu lesen: Ohne Rücksicht auf die verschiedenen Konten und Operationen des Zedenten, sei es in Bar, Wertpapieren, Sicherheiten, Garantien oder einer anderen Dokumentenart, welche sie repräsentiert, und ungeachtet der Art, in welcher sie aufgegliedert sind. . . ist die Bank dazu befugt, sie mit Darlehen zu verrechnen, welche sie für irgendeinen Anspruch, einbegriffen jeglicher Art von Depositen, abschließt . . .diese Kondition ist sogar auf Operationen und Darlehen anzuwenden, welche der Zedent gegenüber der Bank im Vorfeld der gegenwärtigen Transaktion hält. Während die Banco Bilbao-Vizcaya in Referenz zu den Sichteinlagen, repräsentiert durch das sogenannte „ Sparbuch“, das letztere als „den Beleg, der das Recht des Inhabers repräsentiert, die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Saldos zu seinen Gunsten zu verlangen und zu erhalten“ klassifiziert, ging die Banco HispanoAmericano noch weiter, indem sie festlegte, dass das Sparbuch „das nominelle und nicht nicht-übertragbare Dokument konstituiert, welches den Beweis des Eigentums des Inhabers liefert.“ Wie wir sehen schreibt im letzteren Falle die Bank ohne es zu realisieren dem Depositenvertrag Eigentumsstatus zu; Übrigens ist diese Klassifikation sehr viel näher an der wahren rechtlichen Natur der Institution (gegeben die ständige Verfügbarkeit zugunsten des Deponenten) als die Klassifikation eines reinen Darlehensanspruchs auf die deponierte Summe. Siehe zu diesem Thema, Garrigues, Contratos bancarios, S. 368-79, Fußnote 31 und 36. Garrigues notiert, dass Privatbankiers sich nicht direkt auf den Gelddepositenvertrag mit Namen beziehen, sondern Sichteinlagen gewöhnlich Kontokorrentkonten nennen, wie aus der Auswertung von Formularen von Einzahlungen, allgemeinen Geschäftsbedingungen bezüglich Bankkonten, sowie aus Bankberichten, Saldenveröffentlichungen etc. hervorgeht. Darüber hinaus ist dieses Zögern von „Gelddepositen“ zu sprechen sogar aus den Bankbilanzen abzulesen, in denen es niemals irgendeine Erwähnung einer derartigen Überschrift gibt und in denen irreguläre Gelddepositen stattdessen unter der den Passiva korrespondierenden Spalte unter dem Eintrag „Gläubiger“ mit dem Untertitel „Kontokorrentkonten“ gebucht werden (In Deutschland wird teilweise auch der weniger verschleiernde Begriff der
dass das spanische positive Recht von den Bankiers verlangt, ständig den Deponenten die ganze Summe ihrer Depositen (tantundem) verfügbar zu halten; das heißt, eine 100-prozentige Reservedeckung aufrechtzuerhalten. Diese Urteile (wie die Entscheidung des Obersten Spanischen Gerichtshofs vom 21. Juni 1928 sowie andere im 1. Kapitel zitierte Entscheidungen) basieren auf Interpretationen der Rechtssprechung des spanischen positiven Rechts und sind bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein in dieser Weise gefällt worden. Schließlich müssen wir Artikel 7 und 8 der Statuten der spanischen Zentralbank (Banco de España) erwähnen, welche sich auf Depositen beziehen. Die ersten beiden Paragraphen von Artikel 7 legen fest, dass „autorisierte Stellen Depositen der lokalen Währung oder von Noten der Bank selbst erhalten dürfen.“ Artikel 8 setzt fest, dass „es die Verantwortlichkeit der Bank als Depositar ist, die gleiche Menge an lokaler Währung, wie in Bar deponiert wurde, zurückzugeben.“ Artikel 10, welcher sich auf Bankkonten bezieht, besitzt mehr oder weniger denselben Inhalt: die Bank darf Bargeld- und Wertpapierkonten für Individuen und rechtliche Personen sowie ordnungsgemäß vertretene Kapitalgesellschaften und Organisationen, deren Antrag durch die Institution vertraulich geprüft wird, eröffnen und führen. Das Folgende darf in gewöhnlichen Geldkonten deponiert werden: legale Banknoten und Münzen, Schecks und andere mit Banknoten in Verbindung stehende Dokumente . . . für jede Art des Bankkontos wird die Bank die Scheckbücher erstellen, die der Kontoinhaber benötigt; und via ordnungsgemäß autorisierter Schecks wird sie die Beträge zahlen und die Wertpapiere zulasten der Passivseite der korrespondierenden Konten auszahlen. Gegen Geldkonten sind zudem die folgenden Operationen zulässig: Schecks zahlbar an den Überbringer, zahlbar an Order, sowie Privat- und Verrechnungsschecks. Wie man sieht regulieren diese Artikel der Statuten der Banco de España und im allgemeinen die Statuten aller anderen Banken lediglich die Funktion der Konten des monetären depositum irregulare aus der Sicht der Deponenten, und sie halten immer die Verwirrung und Vieldeutigkeit in Bezug auf die Frage aufrecht, ob dieses Geld beständig von der Bank aufbewahrt und verfügbar gehalten wird, oder ob die Bank explizit durch die Deponenten befugt ist, sich Gelder anzueignen und sie in private Geschäfte zu investieren. Wir müssen uns Artikel 180 des Handelsgesetzbuches zuwenden, um die wahre, originäre Bedeutung der spanischen Handelsgesetzgebung hinsichtlich „Einlagen“ verwendet. Anmerkung des Übersetzers). Auf diese Weise versuchen von einem rechtlichen und vertraglichen Standpunkt aus betrachtet die Bankiers mit dem Einverständnis der Finanzbehörden, die wahre rechtliche Natur ihrer Aktivitäten, vor allem vor dritten Parteien und ihren Kunden, zu verbergen. Die Effekte dieser von den Banken geschaffenen Verwirrung werden von Jörg Guido Hülsmann in seinem Artikel, „Has FractionalReserve Banking Really Passed the Market Test?“ The Independent Review 7, no. 3 (Winter, 2003): 399-422, untersucht.
dieses Punktes zu sehen. In der Tat spezifiziert Artikel 180, dass die „Banken in ihren Tresoren Bargeld in Höhe von mindestens einem Viertel der Summe der Depositen und Kontokorrentkonten und der im Umlauf befindlichen Noten vorhalten.“ Dieses Verhältnis, welches traditionell von der spanischen Zentralbank als ein Instrument ihrer Geldpolitik genutzt wurde und bis auf gegenwärtig 2 Prozent reduziert worden ist, stellt den Höhepunkt der gesetzlichen Privilegien dar, welcher sich die Bankenindustrie erfreut. Das Bankwesen ist die einzige Institution, die durch das spanische positive Recht ausdrücklich dazu autorisiert ist, die Aufbewahrungspflicht beim Vertrag des monetären depositum irregulare zu verletzen, wodurch die Bankiers die Befugnis erhalten, sich das Geld der Deponenten für den eigenen Gebrauch für Investitionen und persönliche Geschäfte anzueignen. Obgleich nur diese Regulierung der Reservedeckung die Bankiers davon abhält unter dem positiven Recht, welches in Spanien in Kraft ist, Kriminelle zu sein, kompensiert sie nicht im geringsten die fehlende juristische
Rechtfertigung für den Bankdepositenvertrag in seiner
gegenwärtigen Form und – logischerweise – auch nicht für die die Gesellschaft schädigenden wirtschaftlichen Effekte der Verletzung der traditionellen Prinzipien der Eigentumsrechte in Bezug auf das monetäre depositum irregulare. In den folgenden Kapiteln werden wir diese Effekte untersuchen (die Verzerrung der Produktionsstruktur; die Erzeugung der sukzessiven, wiederkehrenden Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Rezession; die Förderung von umfassenden
Fehlinvestitionen;
die
Kreation
einer
massiven
Arbeitslosigkeit
und
die
Aufrechterhaltung eines privilegierten Finanzsystems, welches unfähig ist, eine gleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung zu garantieren). KRITIK DES VERSUCHS, DEN VERTRAG DES MONETÄREN DEPOSITUM IRREGULARE MIT DEM DARLEHENS- ODER MUTUUMVERTRAG GLEICHZUSETZEN Obgleich die doktrinäre Vereinigung von irregulären Depositen und Darlehens- oder Mutuumverträgen das perfekte Werkzeug für die Rechtfertigung des Teildeckungsbankwesens ist, ist diese Vereinigung so misslungen, dass die angesehensten Experten des Handelsrechts sie nicht akzeptierten. Joaquín Garrigues, obgleich es den Anschein hat, er wolle die Vereinigungslehre freimütig verteidigen, erkennt letztlich, dass sie nicht zu rechtfertigen ist, und schließt, dass trotz möglicher Argumente des positiven Rechts (Artikel 1768 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs und Artikel 309 des spanischen Handelsgesetzbuches, welche wir beide vorher zitiert haben), welche man dazu benutzen könnte, die Vereinigung von Darlehens- oder Mutuumsvertrag mit dem Vertrag des depositum irregulare zu rechtfertigen, es weiterhin einige Faktoren gibt, welche den Betrachter dazu veranlassen, den Vertrag als ein Depositum und nicht als ein Darlehen aufzufassen (zum Beispiel die freie Verfügbarkeit
für den Deponenten; die Tatsache, dass der Deponent den Vertrag initiiert; die begrenzten Zinsen, etc.).14 Kurioserweise legt Joaquín Garrigues diese Faktoren nicht ausführlich dar, sondern erwähnt sie nur im Vorübergehen. Stattdessen versucht er direkt eine Theorie, basierend auf der Reinterpretation des Konzepts der Verfügbarkeit, zu konstruieren, welche wir im nächsten Abschnitt studieren werden. Nichtsdestoweniger und unter Beachtung dessen, was wir in Kapitel 1 behandelt haben, wäre es sehr interessant zu wissen, was Garrigues über die Argumente gegen das Gleichsetzen der beiden Verträge gesagt haben könnte und gesagt haben müsste; eine Frage, welcher wir nun mit größere Tiefe betrachten werden.15
DIE UNTERSCHIEDLICHE URSACHE ODER DER VERSCHIEDENE ZWECK DER BEIDEN VERTRÄGE Das bedeutendste und entschiedenste Argument für eine Unterscheidung zwischen dem Vertrag des depositum irregulare und dem Darlehens- oder Mutuumsvertrag liegt in der grundlegenden Differenz zwischen der Ursache bzw. dem Zweck der beiden Verträge. Es handelt sich dabei um ein fundamentales rechtliches Motiv (ähnlich der sogenannten Ursache16 von
14 Garrigues, Contratos bancarios, S. 363; Hervorhebung hinzugefügt. 15 Seltsamerweise stürzt sich unser erstklassiger Handelsrechtsgelehrte in einen Rechtfertigungsversuch des Teildeckungsbankwesens, wobei er das Konzept des depositum irregulare durch den Kunstgriff einer Redefinition der Verfügbarkeit rettet, ohne sich damit aufzuhalten, die Faktoren zu analysieren, welche es unmöglich machen, den Vertrag des depositum irregulare mit dem Darlehensvertrag gleichzusetzen. Es ist als ob Garrigues sich letztlich darüber im Klaren war, dass seine Redefinition implizit eine Gleichsetzung - zumindest aus der Perspektive der Bankiers (Empfänger) - von Depositen- und Darlehensverträgen enthält. Mithin steht es ihm nicht an, ein detailliertes Argument gegen die Gleichsetzung von Depositen und Darlehen vorzutragen, weil ein solches Argument auf die Doktrin, die er später verteidigt, zurückfallen würde. Diese Einstellung ist bei einem berühmten Gelehrten ganz verständlich, dessen Hauptabnehmer die Banken und Bankiers des Landes waren und der es sich deshalb zweimal überlegt haben würde, bevor er sein Prestige und akademisches Ansehen durch die Infragestellung der Legitimation einer solch einflussreichen Institution wie das in der Praxis verwurzelte und von der Regierung gebilligte Teildeckungsbankwesen aufs Spiel setzte. Weiterhin konnte sich Garrigues, während der Jahre, in denen er seine Theorien entwickelte, nur auf eine ökonomische Wissenschaft stützen, die, von den keynesianischen Theorien (vgl. Fußnote 20 in ibid.) paralysiert, ein System der Kreditausweitung rechtfertigte, wobei das Ausmaß der Kreditausweitung keine Rolle spielte, weil fälschlicherweise angenommen wurde, dass dies die „wirtschaftliche Aktivität“ begünstigen würde. Während dieser Jahre der theoretischen Armut in der Ökonomie, wäre die einzige mögliche Verteidigung der Prozesse der sozialen Interaktion gegen die Bankpraktiken die strikte Befolgung der grundlegenden Prinzipien gewesen, welche das depositum irregulare bestimmen und welche unglücklicherweise von den Mainstreamstheoretikern eine nur schwache Unterstützung erfuhren und rasch aufgegeben wurden. Trotz all dieser widrigen Umstände vermitteln die Schriften von Garrigues und anderer, die sich auf das gleiche Thema konzentrieren einen unmissverständlichen Eindruck: Um das nicht zu rechtfertigende zu rechtfertigen haben Theoretiker extrem gekünstelte juristische Argumente und Manöver durchgeführt, um eine Aktivität als legitim zu verschleiern, die aus einem unziemlichen, unrechtmäßigen, von der Regierung gewährten Privileg resultiert. 16 Vgl. beispielsweise die juristische Untersuchung, die Jean Dabin der Ursache von Verträgen in La teoría de la causa angedeihen lässt.
Verträgen), die mit den verschiedenen subjektiven Gründen17 der Parteien verbunden ist, aus denen sie sich dazu entscheiden, einen gewissen Vertrag zu schließen.
Es besteht daher eine perfekte
Symbiose zwischen der subjektivistischen Konzeption, auf der die moderne Wirtschaftswissenschaft basiert18 und dem juristischen Standpunkt, welcher die unterschiedlichen subjektiven Ziele der Parteien beim Abschluss einer bestimmten Vertragsart berücksichtigt. Im ersten Kapitel haben wir die grundlegenden und unüberbrückbaren Unterschiede zwischen dem Vertrag des monetären depositum irregulare und dem Darlehens- oder Mutuumsvertrag aufgezeigt. Alle diese Unterschiede können letztendlich auf die verschiedenen Ursachen bzw. den unterschiedlichen Zweck der beiden Verträge zurückgeführt werden. Einerseits impliziert der Darlehensvertrag immer einen Tausch von Gegenwartsgütern, deren Verfügbarkeit für den Darlehensgeber verloren ist, gegen Zukunftsgüter, die der Darlehensnehmer zusammen mit einer zusätzlichen Summe in Form von Zinsen als Zahlung für den unvermeidlichen Verlust der Verfügbarkeit der Gegenwartsgüter zurückgeben muss. Andererseits ist das Ziel oder die Ursache des Vertrages beim monetären depositum irregulare radikal verschieden. In diesem Falle gibt es weder einen Austausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter, noch hat der Deponent das geringste Interesse daran, die direkte Verfügbarkeit des deponierten Guter zu verlieren. Daher ist das grundlegende Element beim Vertrag des depositum irregulare nicht, wie beim Darlehensvertrag die Übertragung der Verfügbarkeit, sondern vielmehr die Bewachung und sichere Aufbewahrung des tantundems, was die rechtliche Ursache oder den fundamentalen Zweck konstituiert, aus dem der Deponent den Vertrag abschließt. Aus diesem Grunde gibt es keine Laufzeit und die Gelder sind „auf Sicht“ deponiert; das heißt, dass sie jederzeit abgezogen werden können. Wenn der Deponent darüber informiert wäre, dass der Vertrag, den er abzuschließen beabsichtigt, ein Darlehensvertrag ist, durch den er der Bank ein Darlehen gewährt, und dass daher das Geld für ihn nicht mehr länger verfügbar ist, würde er sicherlich nicht mit dem Vertrag verfahren als sei er ein Depositum, und er könnte sehr wohl entscheiden, das Geld zu behalten. Auf diese Weise besteht gar 17 Für Antonio Gullón ist, die Gleichsetzung des depositum irregulare mit dem Mutuum noch immer eine Kunstgriff, der mit dem wahren Willen der Parteien im Konflikte steht. Der Deponent des Geldes, zum Beispiel, intendiert nicht, dem Depositar ein Darlehen zu gewähren. Wie beim depositum regulare erwünscht er sich die sichere Aufbewahrung des Gutes und seine ständige Verfügbarkeit. Ihm gelingt die Erreichung dieser Ziele leichter mit dem depositum irregulare als mit dem depositum regulare, denn bei letzteren riskiert er den Verlust seines Depositums im Falle eines unvermeidbaren Unfalls und er müsste den Verlust anstelle des Depositars tragen. Derweil ist beim depositum irregulare der Depositar der Schuldner einer Art von Gut, welche als solche niemals verloren ist. (Hervorhebung hinzugefügt) Zitiert von José Luis Lacruz Berdejo, Elementos de derecho civil, 3. Aufl. (Barcelona: José María Bosch, 1995), BD. 2, S 270. 18 Diese subjektivistische Konzeption ist die Basis der Logik der menschlichen Handlungen, auf welcher, nach der Österreichischen Schule der Nationalökonomie gegründet durch Carl Menger, die ganze Ökonomie konstruiert ist. Zu diesem Thema, vgl. meinen Aufsatz „Génesis, esencia y evolución de la Escuela Austriaca de Economía,“ veröffentlicht in Huerta de Soto, Estudios de economía política, S. 17-55.
kein Zweifel daran, dass die Ursache oder der rechtliche Zweck der beiden Verträge radikal voneinander verschieden sind und wegen der grundlegenden Differenz zwischen ihnen der Versuch, sie zu vermischen, dem Versuch gleichkommt, Öl mit Wasser zu vermengen. Die Theoretiker, die versuchen, den Vertrag des depositum irregulare mit dem Darlehensvertrag gleichzusetzen, erkennen nicht, dass ihr theoretischer Standpunkt die wahre Ursache bzw. den wahren Zweck ignoriert, der die vertragsschließenden Parteien dazu motiviert, den Vertrag einzugehen. Und ungeachtet der Frage, wie viele relativ leere Äußerungen sie über die Gleichwertigkeit der beiden Verträge vorbringen, stoßen sie unvermeidlich gegen die gleiche juristische Mauer: die radikale, grundlegende Differenz in der rechtlichen Ursache hinter den beiden Verträgen. Deshalb können sie nicht weiter voranschreiten, als festzustellen, dass jede der Parteien des Vertrages des monetären Bankdepositums denkt, dass sie „verschiedene“ Verträge eingehen. In anderen Worten, der Deponent händigt das Geld aus, als ob er ein Depositum vornehme und der Bankier nimmt es entgegen, als sei es ein Darlehen. Indes welche Art von Verträgen hat zwei grundlegend verschiedene rechtliche Ursachen? Oder anders ausgedrückt: Wie ist es möglich, dass die beiden Parteien ein und desselben Vertrages simultan intendieren, die Verfügbarkeit der gleichen Summe innezuhaben?19 In der Tat übergeben die Deponenten eindeutig ihr Geld mit dem Wunsch, die völlige Verfügbarkeit des transferierten Gutes zu behalten (das Gelddepositum „auf Sicht“)20, während die Banken die Depositen nicht mit den Ziel akzeptieren, 100 Prozent des tantundem zu jeder Zeit in ihrem Besitz zu behalten, sondern vielmehr mit der Intention, den Großteil von dem, was sie als Deposit erhalten, dazu zu nutzen, persönliche Darlehen zu vergeben und Investitionen vorzunehmen. Diese „doppelte Verfügbarkeit“ konnte unmöglich von Garrigues ignoriert werden, der sie logischerweise als sehr beunruhigend und verwirrend in Bezug auf ihre Rechtmäßigkeit einstufte.21 In der Tat ist für Garrigues die herausragendste
19 Francisco Beldo glaubt, indem er Luis de Molina und Juan de Lugo folgt, dass er diesen Widerspruch mit der leichten, oberflächlichen Behauptung löst, dass „jede der beiden, dass perfekte Recht hat, die Operation aus dem Blickwinkel zu betrachten, der ihr am genehmsten ist.“ Jedoch scheitert Belda daran zu erkennen, dass das Problem aufgrund der grundlegenden Differenz und des Widerspruchs zwischen den Gründen, welche die Parteien zum Vertragsschluss veranlassen, ein ganz anderes ist: Es ist nicht so, dass jede Partei den Vertrag so betrachtet, wie er ihr am genehmsten ist, sondern vielmehr, dass die Erfüllung des Ziels oder der Ursache von einer Partei (die Investition von Geldern durch den Bankier) die erfolgreiche Erfüllung des Ziels oder der Ursache der anderen Partei verhindert (die Bewachung, sichere Aufbewahrung und ständige Verfügbarkeit des Geldes). Vgl. Belda, S.J. „Ética de la creación de créditos según la doctrina de Molina, Lesio y Lugo,“ S. 64-87. Vgl. zudem Oscáriz Marco, El contrato de depósito: estudio de la obligación de guarda, Fußnote 83, S. 48. 20 Die Tatsache, dass Deponenten manchmal Zinsen erhalten, lenkt in keiner Weise von dem grundlegenden Zweck des Depositum ab (die sichere Aufbewahrung des Geldes). Da Zinsen attraktiv sind, wird der ahnungslose Deponent das Zinsangebot hastig annehmen, wenn er dem Bankier noch vertraut. Aber im Falle eines wahren Depositums, würde der Deponent den Vertrag eingehen, sogar wenn er keine Zinsen erhalten würde und eine Aufbewahrungsgebühr zahlen müsste. Die grundlegende Natur des Vertrages wird nicht durch die unnatürliche Zinszahlung an den Deponenten verändert, sondern zeigt nur an, dass die Bankiers einen unangemessenen Gebrauch des bei ihnen platzierten Geldes machen. 21 Bezeichnenderweise ist die einzige theoretische Referenz, die von Garrigues in seinem Buch, Contratos bancarios,
Eigenschaft der monetären Bankdepositen in ihrer gegenwärtigen Form (welche keine 100prozentige Reserve erfordert) ihre doppelte Verfügbarkeit: die deponierten Güter sind simultan für sowohl die Bank als auch den Kunden verfügbar. Er fügt hinzu, dass genau diese doppelte Verfügbarkeit der Grund für die Schwierigkeit ist, eine juristische Beschreibung des Vertrages zu formulieren, weil die Verfügbarkeit zugunsten des Deponenten, eine Haupteigenschaft von Depositen, schlecht mit der Verfügbarkeit zugunsten der Bank harmoniert.22 Anstatt zu sagen, dass es schwer ist, eine rechtliche Beschreibung des Vertrages zu formulieren, wäre es präziser zu sagen, dass eine solche Beschreibung rechtlich unmöglich ist, was auf die radikale Differenz zwischen der Ursache bzw. dem Zweck bei den beiden Arten von Rechtsakten zurückzuführen ist. Deshalb ist es nicht so, dass die eine Verfügbarkeit mit der anderen „schlecht harmoniert“, sondern, dass die beiden sich gegenseitig auf einem fundamentalen Level ausschließen.23 Joaquín Garrigues Unsicherheit ist sogar noch offensichtlicher, wenn er in einer Fußnote24 die im ersten Kapitel behandelten Entscheidungen des Pariser Gerichts zitiert. Diese Gerichtsentscheide unterstützen eine strikte Aufbewahrungspflicht und eine 100-prozentige Reservedeckung für Banken, was Garrigues „überraschende Aussagen“ nennt. Was wirklich überraschend ist, ist, dass Garrigues nicht erkennt, dass seine eigene Analyse unvermeidbar zu der Schlussfolgerung führt, dass die beiden Verträge verschieden sind, und dass es daher unmöglich ist, in irgendeiner Form den Vertrag des depositum irregulare mit dem Darlehensvertrag gleichzusetzen. Bei der Lektüre von Garrigues Behandlung der monetären Bankdepositenverträge bekommt man unvermeidbar den Eindruck, dass Garrigues selbst an einem „schlechten Gewissen“ leidet, weil er eine solch gekünstelte Rechtsanalyse mit dem Ziel vornimmt, das zu rechtfertigen, zitiert wird, Keynes Buch Treatise on Money, welche er ausdrücklich mindestens zweimal im Haupttext (S. 357 und 358) erwähnt und zweimal in den Fußnoten (S. 352 und 357, Fußnote 1 und 11). Mit einer solchen theoretischen Basis ist die Verwirrung, die in Garrigues gesamter Diskussion des depositum irregulare deutlich wird, kaum überraschend. Es scheint, als ob sein außergewöhnlicher juristischer Instinkt ihm in die richtige Richtung deutete, während die ökonomischen Abhandlungen über das Bankwesen, die er las, ihn fehlleiteten. 22 Garrigues, Contratos bancarios, S. 367; Hervorhebung hinzugefügt. Es überrascht, dass Garrigues nicht erkennt, dass aus ökonomischer Sicht, eine doppelte Verfügbarkeit bedeutet, dass „it becomes possible to create a ficticious supply of a commodity, that is, to make people believe that a supply exists which does not exist.“ Vgl. William Stanley Jevons, Money and the Mechanism of Exchange (New York: D. Appleton, 1875 und London: Kegan Paul, 1905), S. 210. Die Überzeugung der Öffentlichkeit von der Existenz eines fiktiven Bestands fungibler Güter, ist der definitive Beweis der Unrechtmäßigkeit aller irregulären Depositen (fungibler Güter), bei denen eine Teildeckung (eine Reservedeckung geringer als 100 Prozent) erlaubt ist. 23 Garrigues, indem er sein charakteristisches Ausdrucksvermögen demonstriert, kommt zu dem Schluss, dass in diesem Vertrag „der Bankier auf das Geld baut, als sei es das seinige, und der Kunde auf das Geld baut, obgleich es nicht das seinige ist.“ Die Lösung dieses offenkundigen Paradoxons ist sehr einfach, weil der Kunde, obzwar er aufgehört hat, das Geld zu besitzen, das Recht behält, vom Bankier die allzeitige Bewachung und sichere Aufbewahrung des tantundem zu fordern; das heißt eine 100-prozentige Reservedeckung, welche im Einklang mit der grundlegenden, ontologischen Rechtsnatur des Vertrages des monetären depositum irregulare steht, die wir im ersten Kapitel behandelt haben. Vgl. Garrigues, Contratos bancarios, S. 368. 24 Ibid., Fußnote 31 auf S. 367-68.
was nicht zu rechtfertigen ist: die angebliche Existenz eines Vertrages des monetären depositum irregulare, welcher rechtlich und im Einklang mit Rechtsprinzipien und der juristischen Logik, dem Bankier erlaubt, die deponierten Güter nach seinem Gusto zu gebrauchen; in anderen Worten: das Teildeckungsbankwesen.
DER BEGRIFF DER UNAUSGESPROCHENEN ODER IMPLIZITEN ABMACHUNG Ebenfalls unzulässig ist das Argument, dass Artikel 1768 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches darauf hinweist, dass beim Vertrag des depositum irregulare eine Art „implizierte oder unausgesprochene Abmachung“ existiert, durch welche die Deponenten die Bankiers dazu befugen, das deponierte Geld zu gebrauchen. Diese Argumentation ist in erster Linie deswegen inakzeptabel, weil Artikel 1768 von der Erlaubnis „das deponierte Gut zu nutzen“ spricht und wir wissen, dass es nicht die Befugnis, das Gut zu nutzen, ist, welche einen monetären Depositenvertrag zu einem Vertrag des depositum irregulare macht. Diese Autorisation ist allen Depositen fungibler Güter inhärent, deren Natur selbst es verhindert, dass sie individuell behandelt werden können. In einem gewissen Sinne wird eine Übertragung des Eigentums vorgenommen, was seinerseits die Autorisierung des Depositars zur Benutzung der Güter impliziert. Nichtsdestoweniger haben wir bereits gesehen, dass diese Übertragung von Eigentum und der Befugnis, die deponierten Güter zu nutzen in einem allgemeinen Sinne verstanden werden muss. Wenn es nicht möglich ist, die individuellen deponierten Einheiten zu identifizieren, dann müssen wir sicherlich davon ausgehen, dass eine Übertragung des Eigentums und der Befugnis, die spezifischen deponierten Gegenstände zu nutzen, existiert. Indes ist dies logischerweise vollkommen mit der Erfordernis einer kontinuierlichen 100-prozentigen Reserve kompatibel; das heißt, mit der Bewachung und sicheren Aufbewahrung des tantundem und seiner Verfügbarkeit für den Deponenten. Dieses konstituiert die grundlegende Pflicht des Bankiers und ist die Basis des essentiellen Zwecks des Depositenvertrags. Um
es
anders
auszudrücken:
die
charakteristische,
essentielle
Natur
des
irregulären
Depositenvertrags wird nicht durch die Übertragung der Befugnis, die Güter zu nutzen, bestimmt, sondern durch die fungible Natur der deponierten Gegenstände und den Zweck des Vertrages. Eine Übertragung der Befugnis, die deponierten Güter zu nutzen, kann unabhängig von einem depositum irregulare vorkommen und in der Tat geschieht dies, zum Beispiel, beim Darlehens- oder Mutuumsvertrag. Wie wir wissen ist die rechtliche Ursache bzw. der rechtliche Zweck dieses Vertrages radikal verschieden (er enthält nicht nur die Übertragung des Eigentums und der Befugnis, die Güter zu nutzen, sondern auch die Übertragung der Verfügbarkeit der Güter, welche simultan auf den Darlehensnehmer übergeht). Deshalb ist, Coppa-Zucarri folgend, die Behauptung,
dass eine angebliche Autorisierung (explizit oder implizit) den Vertrag des depositum irregulare in ein Darlehen oder Mutuum konvertiert, sowohl nicht zwingend wie auch ungenau. Sie ist nicht zwingend, da ja alle irregulären Depositenverträge wegen ihrer ihnen eigenen Natur eine Übertragung des Eigentums und der Befugnis, das Gut zu nutzen (was logischerweise mit der grundlegenden Pflicht eine 100-prozentige Reserve des tantundems aufrechtzuerhalten, kompatibel ist) bedingen. Und sie ist ungenau, da, auch wenn die Befugnis, das Gut zu nutzen, übertragen wird, dies in keiner Weise den ursprünglichen Zweck des Vertrages ändert, welcher nichts anderes als die Bewachung und sichere Aufbewahrung des tantundems ist.25 In der Tat bestehen drei logische Möglichkeiten hinsichtlich der angeblichen Befugnis (explizit oder implizit) das deponierte Gut zu benutzen. Wir werden jede Möglichkeit separat betrachten. Erstens können wir annehmen, dass die große Mehrheit der Deponenten sich nicht darüber bewusst ist, dass sie durch die Deponierung ihres Geldes in einer Bank gleichzeitig den Bankier autorisiert, das Geld für seinen eigenen Profit in privaten Geschäften zu nutzen. Es ist gewiss, dass die überwältigende Mehrheit der Deponenten, wenn sie eine Sichteinlage vornimmt, unter dem ehrlichen Eindruck steht, dass sie in der Tat genau dies tut, nämlich einen Vertrag eines depositum irregulare abschließt, dessen grundlegender Zweck es ist, die Bewachung und sichere Aufbewahrung ihres Geldes auf den Bankier zu übertragen. Auf jeden Fall nimmt der Bankiers simultan das Geld so entgegen als wäre es ein Darlehen oder Mutuum; das heißt er geht davon aus, dass die gesamte Verfügbarkeit des Gutes auf ihn übertragen wird und dass er daher dazu befugt ist, es für seine eigenen Geschäfte zu nutzen. Es ist offensichtlich, dass die Ursache bzw. der Zweck der Teilnahme der beiden Parteien bei dem Vertrag nicht mit dem Ziel der anderen Partei übereinstimmt: die eine geht den Vertrag in dem Glauben ein, es handele sich um ein Depositum und händigt auf dieser Annahme basierend das Geld aus, und die andere nimmt das Geld entgegen als sei es ein Darlehen oder Mutuum und investiert von dieser Idee ausgehend. Dies ist mithin ein klarer Fall eines error in negotio, welcher ein Fehler bezüglich der Natur der Transaktion ist und diese vollkommen ungültig macht.26 Für viele mag dieser Schluss extrem oder unausgewogen erscheinen, aber es ist schwierig zu einem anderen zu kommen, wenn wir unsere Analyse auf den juristischen Argumenten und Prinzipien basieren, die den von uns studierten Verträgen inhärent sind.27 25 Coppa-Zuccari, Il deposito irregolare, S. 132. 26 Vgl. Hernández-Tejero Jorge, Lecciones de derecho romano, S. 107-08. Hernández-Tejero selbst liefert das folgende Beispiel, welches ohne Probleme auf den Fall, den wir behandeln, angewendet werden kann: „Wenn eine Person einer anderen ein Gut als depositum anvertraut und die das Gut entgegennehmende Person glaubt, dass die Transaktion ein Mutuum oder Darlehen sei, dann existiert weder ein depositum noch ein mutuum.“ 27 Desweiteren ist es offensichtlich, dass die Erlaubnis oder Befugnis, die Güter zu nutzen nicht angenommen werden kann, sondern in jedem Fall bewiesen werden muss. Es erscheint unwahrscheinlich, dass bei der Mehrheit der von Individuen eingegangenen Sichteinlagenverträge ein derartiger Beweis möglich wäre.
Zweitens werden wir jetzt annehmen, dass eine bestimmte Gruppe von Bankkunden (oder, um des Argumentes willen, alle Bankkunden) einen Depositenvertrag eingeht und sich dabei bewusst ist und vollkommen akzeptiert, dass die Banken einen Großteil des Geldes, welches sie deponieren, investieren (oder verleihen, etc.). Selbst wenn dies so ist, beeinträchtigt dieses Wissen und die hypothetische Autorisierung in keiner Weise die essentielle Ursache bzw. den grundlegenden Zweck des Vertrages für diese Kunden, deren Intention es immer noch ist, ihr Geld dem Bankier zur sicheren Aufbewahrung anzuvertrauen; das heißt einen Vertrag eines monetären depositum irregulare durchzuführen. In diesem Falle ist der Vertrag, den die Deponenten vermeinen abgeschlossen zu haben, aus technischer und rechtlicher Sicht unmöglich. Wenn sie es dem Bankier erlauben, das Geld zu benutzen, dann ist es für sie nicht länger verfügbar, was ja genau die grundlegende Ursache bzw. der essentielle Zweck des Vertrages ist. Darüberhinaus werden wir im 5. Kapitel aus einer ökonomischen Perspektive sehen, dass in einem Teildeckungsbankensystem Vertragsabschlüsse in großer Zahl und das „Gesetz der großen Zahl“ niemals die Erfüllung aller Deponentenwünsche auf die volle Rückzahlung gewährleisten kann. Zu diesem Zeitpunkt werden wir unsere These noch nicht im Detail darstellen, sondern nur festhalten, dass sie auf der Erkenntnis beruht, dass das gegenwärtige Bankensystem Darlehen generiert, die nicht durch Ersparnisse gedeckt sind. Diese Darlehen wiederum fördern tollkühne Investitionen von Ressourcen und führen zu unklug investierten Geschäftsanlagen, welche entweder wertlos oder von begrenztem Wert sind und deshalb unfähig sind, die korrespondierenden Depositenkonten in den Bankbilanzen auszugleichen. Infolgedessen treten wieder Bankzusammenbrüche auf, bei denen Banken wiederholt nicht dazu in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen (ohne die externe Hilfe einer Zentralbank). Zusätzlich wird, wenn wir um des Argumentes willen annehmen, dass das Gesetz der großen Zahl auf das Bankwesen anwendbar ist, dann bei Präsenz einer Teildeckung der Depositenvertrag eindeutig zu einem Glücksvertrag.28 Bei einem solchen Vertrag ist die Serviceleistung durch die Bank in jedem Fall ein unsicheres Ereignis, welches von den besonderen Umständen jeden Falles abhängt. Die Unsicherheit des Vertrages ergibt sich genau aus der bestimmten Wahrscheinlichkeit, dass ein Anteil an Deponenten, der den Reservekoeffizienten übersteigt, zur Bank geht und versucht, seine Depositen abzuziehen und daher dies nicht tun kann. Die ersten, welche die Bank erreichen, werden ihr Geld erhalten können, jedoch jene, die nach einem gewissen Punkt 28 Zu Glücksverträgen siehe Albaladejo, Derecho civil II, Derecho de obligaciones, Bd. 1: La obligación y el contrato en general, S. 350-52. Es ist wichtig zu betonen, dass die Tatsache, dass es beim Vertrag des monetären depositum irregulare mit einer Teildeckung zufälliger Natur ist, ob das Gesetz der großen Zahl erfüllt wird (eine Erfüllung, welche in der Tat unmöglich ist), nur zweitrangig zu den anderen Punkten zu sehen ist, welche wir gegen einen solchen Vertrag vorgebracht haben.
ankommen, nicht. Gewiss intendieren noch nicht einmal die Deponenten dieser zweiten Hypothese dazu, einen Glücksvertrag einzugehen, der dem gerade beschriebenem Risiko unterliegt. Daher ist die logische Schlussfolgerung aus diesem zweiten Falle entweder, dass der Vertrag nicht existiert, weil der Zweck unmöglich ist (ohne eine 100-prozentige Reservedeckung ist es unmöglich sicher zu stellen, dass der Bankier immer seinen Verpflichtungen nachkommen kann), oder, dass die angebliche Autorisierung durch die Deponenten der rechtlichen Gültigkeit entbehrt, weil das grundlegende Ziel immer noch die sichere Aufbewahrung des Gutes ist, was unweigerlich und zwingend die Bewachung von 100 Prozent des tantundems erfordert.29 Es besteht eine natürliche Inkompatibilität zwischen dem legitimen Vertrag des depositum irregulare, dessen Zweck die Bewachung und sichere Aufbewahrung der deponierten Güter ist, und der Befugnis der Depositare das erhaltene Geld zu ihrem eigenen Gewinn zu nutzen. Diese Depositare (Bankiers) nehmen Gelder an, welche sie sich verpflichten zurückzugeben, sobald es von den Bankkonteninhabern gewünscht wird; aber sobald die Bankiers das Geld erhalten haben, nehmen sie Investitionen vor, gewähren Darlehen und gehen Geschäfte ein, welche sie binden und unter verschiedenen Umständen tatsächlich die unverzügliche Rückgabe verhindern. Die angebliche Autorisierung - sei es explizit oder implizit – der Bankiers, das Geld der Depositen zu nutzen, ist von geringer Bedeutung, wenn der grundlegende Zweck des Vertrags, das Gelddepositum zur sicheren Aufbewahrung, beständig intakt bleibt. In diesem Falle wäre die angebliche Autorisierung wegen ihrer Inkompatibilität mit dem Vertragszweck irrelevant und es wäre deshalb so, dass der Vertrag rechtlich wie jeder Vertrag null und nichtig ist, in dem eine der beiden Parteien die andere dazu befugt, sie zu täuschen oder schriftlich eine Selbsttäuschung zum eigenen Nachteil akzeptiert. Wie der große spanische Privatrechtsgelehrte Felipe Clemente de Diego so passend sagt, ist ein irregulärer Depositenvertrag, bei dem es dem Depositar erlaubt ist, eine Teildeckung aufrechtzuerhalten und der daher in seinem eigenen Interesse einen Teil der deponierten Gelder nutzen kann, einer rechtliche Verirrung, weil er auf einem fundamentalen Level mit universalen Rechtsprinzipien kollidiert. Für Felipe Clemente de Diego besteht kein Zweifel, dass dieser Vertrag den Nachteil hat, uns zu der Entdeckung eines Ungeheuers zu führen, welchem durch seine eigene Natur die Realisierbarkeit abgeht - wie Menschen mit verheerenden Missbildungen (monstrua prodigia) – und welchen das römische Recht keinen Rechtsstatus gewährte. Artikel 30 des spanischen Privatrechts drückt eine moderate Version des gleichen Konzepts 29 Die bekannte Reaktion der argentinischen Bürger auf die Bankenkrise von 2001 und das Einfrieren aller ihrer Sichteinlagen in der Folge (bekannt als corralito) ist eine perfekte empirische Illustration des wahren Aufbewahrungszwecks von Bankdepositenverträgen und der Unmöglichkeit eines Teildeckungsbankwesens (ohne einen Kreditgeber letzter Instanz).
aus: „Für private Zwecke werden nur Föten mit einer menschlichen Figur als geboren gemeldet. . . .“ Denn jedes Wesen hat seine eigene Natur und wenn diese nicht in dem Wesen selbst zu finden ist, sondern von anderen mehr oder weniger ähnlichen ihm zugeschrieben wird, dann stellt es sich ein, dass die wahre Natur flieht und verschwindet und aufhört, sich zu entwickeln, wobei es, angrenzend an ein Unwesen, zu einem monstruösen Hybrid reduziert wird. 30 Es wäre schwierig, die fundamentale Inkompatibilität und den unauflösbaren logischen Widerspruch zwischen dem monetären irregulären Depositenvertrag und dem Darlehensvertrag genauer und bündiger auszudrücken. Clemente de Diego schließt mit der Kritik von Versuchen, den radikalen Gegensatz (zwischen dem Vertrag des depositum irregulare und dem Darlehensvertrag) in eine einzige Einheit zu konvertieren, welche einen neuen Vertrag darstellen würde, welcher weder das eine noch das andere wäre, sondern beide zur gleichen Zeit; dies ist unmöglich, weil sich ihre Konditionen gegenseitig ausschließen. Eine solcher Vertrag ist einfach ontologisch unmöglich. Um unseren Kommentar zu dieser zweiten Möglichkeit abzuschließen, müssen wir hinzufügen, dass der Widerspruch zu offensichtlich ist, dass Bankiers in ihren Verträgen, allgemeinen Geschäftsbedingungen, und Formularen, sich stets dagegen sträuben, die genaue Natur der Vereinbarung und der Aufbewahrungsverpflichtung, welche sie erwerben, zu spezifizieren. Alles wird deshalb auf eine vage und verwirrende Art ausdrückt, und deshalb ist es nicht unbedacht, zu behaupten, dass die vollständige und perfekte Zustimmung der Deponenten fehlt, weil die Zweideutigkeit, Komplexität und Verworrenheit des Vertrages unzweifelhaft die Kunden täuscht, welche im guten Glauben vermeinen, einen wahren Depositenvertrag abzuschließen. Wenn der Wert und die Effektivität der Aushändigung des Gutes von der Prozedur oder dem Dokument, welches die Handlung begleiten abhängen, dann ist es eindeutig wichtig, dass die Prozedur oder der Vertrag klar definiert und angemessen benannt wird, dass seine Konditionen klar reguliert werden und dass beide Parteien sich der rechtlichen Konsequenzen dieser Konditionen bewusst sind. Es zu unterlassen, diese Details klar zu stellen und zu spezifizieren, deutet eine bemerkenswerte 30 „Dictamen del señor de Diego (Felipe Clemente)“ in La cuenta corriente de efectos o valores de un sector de la banca catalana y el mercado libre de valores de Barcelona, S. 370-71. Es ist wahr, das Felipe Clemente de Diego diesen Kommentar als Antwort auf das Argument von Bankiers abgibt, die versuchten, die Gültigkeit der irregulären Depositenverträge von Wertpapieren mit einer Teildeckung zu verteidigen, in welchen es dem Depositar erlaubt sei, die deponierten Güter frei zu benutzen, wie es beim monetären irregulären Depositenvertrag geschieht. Jedoch sind, wie wir bereits gesehen haben die Argumente für und gegen beide Institutionen identisch, weil beide Verträge eines depositum irregulare fungibler Güter sind, deren rechtliche Natur, Ursache, Zweck und Umstände die gleichen sind. Pasquale Coppa-Zuccari betont zudem die widersprüchliche Natur des monetären Bankdepositenvertrages, welcher in der Form, in der er von den Regierungen „legalisiert“ worden ist, weder ein Depositum noch ein Darlehen ist. „La natura guiridica del deposito bancario,“ Archivo guiridico „Filippo Serafini,“ Modena n.s. 9 (1902); 441-72.
Zweideutigkeit seitens der Bankiers und im Falle von ungünstigen rechtlichen Konsequenzen sollte deren Last auf die Schulter der Bankiers fallen und nicht auf die Schultern der vertragsschließenden Partei, welche im guten Glauben den Vertrag abschließt, wobei sie glaubt, dass der grundlegende Zweck bzw. die Ursache die simple Bewachung oder sichere Aufbewahrung des deponierten Geldes sei. Drittens und letztens können wir annehmen, dass, wenn dies der wirkliche Wunsch der Deponenten ist, sie ihren ursprünglichen Plan, ein depositum irregulare des Geldes vorzunehmen, ändern und stattdessen einen Mutuums- oder Darlehensvertrag abschließen könnten, bei welchem sie den Verlust der Verfügbarkeit des Gutes und seiner Übergabe an den Bankier für eine bestimmte Laufzeit im Tausch gegen Zinsen zustimmen. Dies bedeutete eine wahre Novation des Vertrages, welcher sich von einem depositum irregulare in ein Darlehen wandeln würde. Diese Novation würde den allgemeinen rechtlichen Regulierungen bezüglich dieser Art von vertraglichen Modifikationen unterliegen. Dies ist eine völlig legitime rechtliche Möglichkeit, welche wenig in der Praxis genutzt wird. Desweiteren ist paradoxerweise der Zweck von Novationen, welche im Bankwesen stattfinden, für gewöhnlich genau das Gegenteil. In anderen Worten, was unzweifelhaft als ein Mutuums- oder Darlehensvertrag beginnt, obgleich es „Termineinlage“ genannt wird, weil es eine reale Übergabe der Verfügbarkeit des Gutes an den Bankier für eine bestimmte Laufzeit oder Zeitperiode involviert, wird in vielen Fällen zu einem irregulären Depositenvertrag mittels der korrespondierenden Novation. Dies geschieht, wenn Bankiers, um ihre Resourcen zu erhalten oder weitere anzuziehen, den Inhabern von „Termineinlagen“ die Möglichkeit anbieten, ihr Geld jederzeit mit einer geringen oder gar keiner finanziellen Strafe abzuziehen. In dem Ausmaß, dass diese Konteninhaber diese „Termineinlagen“ (welche eindeutig Darlehen sind) mit dem subjektiven und primären Ziel der Deponierung des Geldes zur sicheren Aufbewahrung vornehmen, findet eindeutig ein monetäres depositum irregulare ungeachtet der äußeren Erscheinung statt. Darüberhinaus findet, zu dem Ausmaße in dem der fundamentale Grund oder Zweck des Vertrages der Austausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter plus Zinsen ist, eine wahre „Termineinlage“ statt. Von einem rechtlichen Standpunkt aus ist dies unzweifelhaft ein Mutuum oder Darlehen, welches später durch eine explizite Vereinbarung zwischen den Parteien in ein monetäres depositum irregulare umgewandelt oder durch dieses ersetzt werden kann.31
31 Wir vertreten nicht die Theorie, dass „Termineinlagen“ aus rechtlicher Sicht keine Darlehens- oder Mutuumsverträge sind, weil sowohl ihr ökonomische als auch ihre rechtliche Natur die fundamentalen Erfordernisse eines Darlehens oder Mutuum, welche wir im ersten Kapitel studiert haben, erfüllen. Unter den Gelehrten, welche versuchen, die Theorie zu rechtfertigen, dass “Termineinlagen“ keine Darlehen sind, ragt José Luis García-Pita y Lastres heraus mit seinem Aufsatz „Los depósitos bancarios de dinero y su documentación,“ vor allem S. 991 ff.. Die von García-Pita y Lastres zu diesem Thema angebotenen Argumente vermögen uns nicht zu überzeugen.
Kurzum kann, aus welcher Sichtweise auch immer, der Vertrag des monetären depositum irregulare nicht mit dem Mutuums- oder Darlehensvertrag gleichgesetzt werden. Die beiden Verträge sind grundsätzlich unvereinbar und die Existenz von Sichteinlagen im Teildeckungsbankwesen, obgleich diese Existenz einem „Ungeheuer“ oder einer „juristischen Verirrung“ gleichkommt, kann nur insoweit erklärt werden, dass sie ursprünglich toleriert wurde und später absichtlich von den politischen Machthabern legalisiert wurde.32 Nichtsdestoweniger bewirkt die Tatsache, dass solch eine „monströse“ (Clemente de Diego) rechtliche Institution im Verlauf der menschlichen Interaktion eine Rolle spielt, unvermeidbar schädigende wirtschaftliche und soziale Konsequenzen. In den folgenden Kapiteln werden wir erklären, warum das Teildeckungsbankwesen für die Krisen und Rezessionen, welche die Volkswirtschaften wiederholt ergreifen, verantwortlich ist und dies wird ein zusätzliches Argument gegen die Rechtmäßigkeit des Bankdepositenvertrages formen, welche sogar zur Anwendung kommt, wenn beide Parteien in vollständiger Übereinstimmung handeln. Ferner erklärt dies die Unmöglichkeit der jederzeitigen Rückzahlung dieser Depositen ohne Schaffung eines ganzen staatlichen Überbaus, genannt Zentralbank. Sobald diese Organisation ein Monopol für die Ausgabe von Papiergeld innehat und dieses als gesetzliches Zahlungsmittel erklärt, besitzt sie die Funktion, die Schaffung aller liquiden Werte zu versichern, die notwendig sind, um sämtliche dringenden Bedürfnisse zu befriedigen, die Privatbanken für Gelder haben. Im achten Kapitel werden wir das daraus resultierende Aufkommen einer zentralisierten Geldpolitik studieren, welche, wie alle Versuche, eine Gesellschaft durch Zwangsmaßnahmen (Sozialismus und Interventionismus) zu koordinieren, und aus denselben Gründen, letztlich zum Scheitern verurteilt ist. In der Tat sind Zentralbanken und die staatliche Geldpolitik die Hauptschuldigen für die chronische Inflation, welche zu unterschiedlichem Grade die westlichen Volkswirtschaften erfasst, sowie für die sukzessiven und wiederkehrenden Phasen von künstlichem Aufschwung und wirtschaftlicher Rezession, welche ihrerseits so viele soziale Umstürze bedingt. Aber zunächst werden wir mit unserer juristischen Analyse fortfahren.
3 EINE UNANGEMESSENE LÖSUNG: DIE NEUDEFINIERUNG DES KONZEPTS DER VERFÜGBARKEIT Die von den qualifiziertesten Theoretiker vertretene Meinung, dass es unmöglich ist, zwei solch unvereinbare Verträge wie den Vertrag des monetären depositum irregulare und des 32 Das heißt, dass das Teildeckungsbankwesens mit den traditionellen Rechtsprinzipien im Widerspruch steht und lediglich überlebt, weil ein Akt von zwangbasierter Intervention vorliegt, welche in einer staatlichen Verfügung oder einem gesetzlichen Privileg besteht – ein Privileg, welches andere ökonomischen Agenten nicht ausnutzen können und welches explizit festlegt, dass es für Bankiers legal ist, eine Teildeckung aufrechtzuerhalten (Artikel 180 der spanischen Handelsgesetzbuches).
Darlehensvertrages in Einklang zu bringen, einher mit der Tatsache, dass die Mehrheit der das heutige Bankwesen stützenden Verträge Sichteinlagen (monetäre irreguläre Depositenverträge) sind, hat die Gelehrten dazu veranlasst, zu versuchen, alternative juristische Konstruktionen zu formulieren, um den irregulären Depositenvertrag mit dem „traditionellen“ Bankwesen, d.h. dem Teildeckungsbankwesen, in Einklang zu bringen. Einige versuchten diesen Widerspruch durch eine „Neudefinierung“ des Begriffs der Verfügbarkeit aufzulösen. In der Tat muss für die Anhänger dieser Lehre die Verfügbarkeit nicht in einem strikten Sinne (100-prozentige Reservedeckung oder die Bereithaltung des tantundem für den Deponenten zu jeder Zeit) verstanden werden, sondern könnte in einem „laxen“ Sinne interpretiert werden: zum Beispiel als die „generelle“ Solvenz der Bank, mit der sie ihren Verpflichtungen nachzukommen im Stande ist; als „umsichtiges“ Anlegen; die Aufrechterhaltung von angemessenen Liquiditäts- und Investitionskennziffern; und kurzum die Erfüllung eines ganzen Gebäudes von rigorosen Bankgesetzen, welche im Zusammenspiel mit der hypothetischen Operation des „Gesetzes der großen Zahl“ bei der Eröffnung von Depositenkonten und dem Abzug von Sichteinlagen letztlich die Fähigkeit der Bank garantieren könnte, die Depositen zurückzugeben, wann immer es von einem Deponenten gefordert wird. So wird für Garrigues die Verpflichtung, die Depositen für die Deponenten verfügbar zu halten „zu der Pflicht, sorgfältig zu arbeiten, einen umsichtigen und vernünftigen Gebrauch der Depositen zu machen, sodass die Bank immer in der Lage ist, sie auf Verlangen zurückzugeben.“33 Lalumnias Beispiel folgend setzt Garrigues hinzu, dass der Depositar nicht „verpflichtet ist, dass tantundem zu halten, sondern nur, es weitsichtig zu investieren und es liquide zu halten, sodass er immer in der Lage ist, es zurückzugeben, sofern es notwendig ist.“34 Die Bank würde nur in ihren Tresoren genügend Geld halten müssen, um den „wahrscheinlichen“ Forderungen ihrer Klienten nachkommen zu können. Garrigues kommt mithin zu dem Schluss, dass bei den Bankdepositen das Element der Bewachung durch das technische Element der Berechnung der Wahrscheinlichkeit von Depositenabzügen ersetzt wird. Diese Berechnung wiederum hängt von der Tatsache ab, dass Bankdepositen in großem Umfang vorgenommen werden.35 33 Garrigues, Contratos bancarios, S. 375. 34 Ibid., S. 365. 35 Ibid., S. 367. García-Pita y Lastres verteidigt die gleiche Theorie in seinem Aufsatz „Los depósitos bancarios de dinero y su documentación,“ in dem er folgert, dass wir unter diesen Umständen anstatt die „Verfügbarkeit“ als ein einfaches Recht auf eine unverzügliche Auszahlung zu begreifen, diese als eine Kombination von Verhaltensmustern sowie ökonomischen und finanziellen Aktivitäten mit dem Ziel betrachten sollten, die Rückzahlung möglich zu machen. (S. 990) Auf die gleiche Art fährt er in seinem Aufsatz „Depósitos bancarios y protección del depositante,“ S. 119-226 fort. Ebenfalls diese Sicht unterstützend argumentiert Eduardo María Valpuesta Gastaminza, dass die Bank in keiner Weise dazu verpflichtet ist, das deponierte Gut bereit zu halten, sondern vielmehr wird
Recht bedeutsam ist, dass Garrigues selbst anerkennt, dass seine ganze Theorie „den unvermeidbaren Austausch des traditionellen Konzepts der Bewachung durch ein ad hoc Konzept, dessen Plausibilität höchst zweifelhaft ist,“ impliziert.36 Garrigues hat darin Recht, dass diese Neuinterpretation des Konzept der Verfügbarkeit durch die Theoretiker „gekünstelt“ wirkt (obgleich er diese letztlich selbst anerkennt). Die Theorie, dass die Verpflichtung der sicheren Aufbewahrung beim irregulären Depositenvertrag lediglich darin besteht, die Ressourcen „umsichtig“ zu nutzen, sodass die Bank die notwendige Liquidität bewahrt, um ihre Schulden zu zahlen, ist überhaupt unhaltbar. Das umsichtige Nutzen der Ressourcen ist bei allen menschlichen Handlungen ratsam; zum Beispiel bei allen Darlehensverträgen (nicht Depositenverträgen), welche spezifizieren, dass bestimmte Ressourcen genutzt werden und dann nach einer festgelegten Laufzeit zurückzugeben sind. Das heißt, dieses Verhalten ist ratsam, falls der Wunsch besteht, diese Verpflichtung zu erfüllen (die wahre Bedeutung von Solvenz).37 Indes ist, wie wir wissen, der Zweck des irregulären Depositenvertrages von dem des Darlehensvertrages verschieden und erfordert etwas völlig anderes: die Bewachung oder sichere Aufbewahrung des Gutes zu jeder Zeit. Das bedeutet, dass, wenn die Deponenten versuchen ihre Depositen abzuziehen und die Bank diese nicht auszahlen kann - unabhängig davon, ob sie insgesamt solvent ist und zahlen kann, sobald sie ihre Investitionen in Bargeld umgewandelt hat – die grundlegende Verpflichtung des Depositenvertrages eindeutig verletzt ist. Dies ist dadurch begründet, dass eine vertragsschließende Partei (die Deponenten), welche dem Vertrag zugestimmt hat im Glauben, sein fundamentaler Zweck sei die Bewachung und sichere Aufbewahrung des Gutes und seine ständige Verfügbarkeit, dazu gezwungen wird etwas radikal verschiedenes zu werden: Darlehensgeber wider Willen. Als solche verlieren sie die unmittelbare Verfügbarkeit ihrer Güter und sind gezwungen eine längere Zeitperiode zu warten, bis die Bank in mehr oder weniger geordneter Art und Weise ihre Vermögenswerte in Bargeld umgewandelt hat und zahlen kann. Obzwar die Konzepte der Solvenz und des umsichtigen Ressourcengebrauchs nicht ausreichend die Bewachung zu der Verpflichtung, sowohl die Ressourcen der Kunden als auch die der Bank umsichtig zu handhaben und diese verfügbar zu halten, was auch durch legitime staatliche Regulierungen garantiert wird (welche die Reservepflicht festlegen, der Risikoübernahme Grenzen setzen, etc.). (S. 122-23) Vgl. „Depósitos bancarios de dinero: libretas de ahorro“ in Contratos bancarios, Enrique de la Torre Saavedra, Rafael García Villaverde, und Rafael Bonardell Lenzano, Hrsg. (Madrid: Editorial civitas, 1992). Dieselbe Theorie ist kürzlich in Italien von Angela Principe in ihrem Buch La responsabilità della banca nei contratti di custodia (Milan: Editorial Guiffrè, 1983) gut geheißen worden. 36 Garrigues, Contratos bancarios, S. 365. 37 Ferner ist das Standardkriterium der „Umsicht“ in diesem Falle nicht anwendbar: eine nicht umsichtig handelnde Bank kann in ihrer Spekulation erfolgreich sein und ihre Solvenz bewahren. Ebenso kann ein wahrhaft „umsichtiger“ Bankier ernsthaft von den Vertrauenskrisen getroffen werden, welche unvermeidbar auf die künstlichen Aufschwünge folgen, welche durch das Teildeckungsbankwesen selbst erzeugt werden. Daher ist die Umsicht von einem geringen Nutzen, wenn die einzige Bedingung verletzt wird, die garantieren kann, dass die Verpflichtungen jederzeit erfüllt werden (eine 100-prozentige Reservedeckung).
sind, um die grundlegende Bedeutung der Verfügbarkeit beim irregulären Depositenvertrag zu modifizieren, könnte man versucht sein zu denken, dass das Problem durch die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten und das von Garrigues erwähnte „Gesetz der großen Zahl“ gelöst werden könnte. Nichtsdestoweniger würde, wie wir zuvor argumentiert haben, sogar wenn es statistisch möglich wäre, Wahrscheinlichkeiten in diesem Gebiet zu berechnen (was gewiss nicht der Fall ist, wie wie in den folgenden Kapiteln zeigen werden) der Vertrag zumindest aufhören ein Depositenvertrag zu sein und ein Glücksvertrag werden, bei dem die Möglichkeit eine unverzügliche Rückzahlung des deponierten Gutes zu erlangen von der höheren oder geringeren Wahrscheinlichkeit abhinge, dass eine gewisse Anzahl von Deponenten sich simultan dazu entschlösse, zu derselben Bank zu gehen um ihre Depositen abzuziehen. In jedem Falle werden wir in Kapitel 5 darlegen, dass man eine objektive Berechnung von Wahrscheinlichkeiten nicht auf menschliche Handlungen im allgemeinen anwenden kann und im besonderen nicht auf solche Handlungen, die zum depositum irregulare in Beziehung stehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass eben jene Institution des depositum irregulare ohne eine Verpflichtung zur sicheren Aufbewahrung (d.h. mit einer Teildeckung) – ein rechtlich widersinniger Vertrag – einen wirtschaftlichen Prozess anstößt, der Banken dazu veranlasst im großen Stil mit den Depositen, welche sie sich aneignen oder schaffen, unkluge Darlehen und Investitionen vorzunehmen. Dies wird dadurch bedingt, dass diese Darlehen und Investitionen letztlich durch eine Kreditausweitung, welcher kein Anstieg in den realen Ersparnissen vorangegangen ist, finanziert wurde. Daraus resultieren, einhergehend mit einer Verringerung der Solvenz der Banken und einem Vertrauensverlust der Deponenten in diese (was seinerseits zu einem massiven Abzug von Depositen führt), unvermeidlich wirtschaftliche Krisen. Jeder Versicherungsmathematiker weiß, dass wenn die Konsequenzen eines Ereignisses von der Existenz der Versicherungspolice selbst nicht völlig unabhängig sind, die Konsequenzen aufgrund von Moral Hazard technisch nicht zu versichern sind. In den folgenden Kapiteln werden wir zeigen, dass das Teildeckungsbankensystem (d.i. ein System, welches auf einem monetären depositum irregulare basiert, bei welchem nicht 100 Prozent des tantundem als Reserve gehalten wird und den Deponenten verfügbar ist) endogen, unvermeidlich und wiederholt wirtschaftliche Rezessionen generiert, in denen es regelmäßig im großen Ausmaße notwendig wird, Investitionsprojekte zu liquidieren, Darlehen zurückzunehmen und Depositen abzuziehen. Deshalb führt ein auf dem depositum irregulare mit einer Teildeckung basierendes Bankensystem, eine Institution, welche Clemente de Diego eine „Verirrung“ oder ein „juristisches Ungeheuer“ genannt hat, ausnahmslos und schlussendlich (und dies ist einer der Hauptbeiträge, welche die ökonomische Analyse zu diesem Rechtsgebiet gemacht hat) dazu, dass Bankiers - sogar wenn sie eine ausreichend erhöhte
Reservedeckung aufrecht erhalten -
insolvent und unfähig werden, ihrer Verpflichtung
nachzukommen, die Depositen auf Verlangen zurückzugeben. Genau aus diesem Grunde brach die überwältigende Mehrheit der Privatbanken, welche nicht die Aufbewahrungspflicht erfüllten, zusammen. Dies war der Stand der Dinge bis die Bankiers die Erschaffung einer Zentralbank38 forderten und ihren Forderungen nachgekommen wurde. Die Zentralbank sollte als ein Kreditgeber letzter Instanz fungieren und bereitstehen, den Bankiers all die Liquidität zu gewährleisten, welche sie während der wiederkehrenden Phasen der durch die Instabilität des Teildeckungsbanksystems selbst verursachten Krise benötigten. Mithin ist die Neudefinierung des Konzepts der Verfügbarkeit ein Sprung ins Leere. Erstens akzeptieren die Banken weiterhin Depositen, als ob diese Darlehen wären und demgemäß investieren sie diese in privaten Geschäften; und die Deponenten hinterlegen immer noch die Depositen mit dem Hauptziel der Übertragung der Bewachung und sicheren Aufbewahrung ihres Geldes bei gleichzeitiger Beibehaltung der völligen Verfügbarkeit. Mit anderen Worten hat der gekünstelte Versuch, das Konzept der Verfügbarkeit umzudefinieren es nicht geschafft, den Widerspruch in der rechtlichen Logik abzumildern. Zweitens ist, vom strikten Standpunkt des Privatrechts aus und im Einklang mit den Lehren der Ökonomie, die allgemeine Richtlinie eines „umsichtigen“ Ressourcengebrauchs und die Anwendung einer „Wahrscheinlichkeitsrechnung“ nicht nur unzureichend, um zu garantieren, dass, wenn eine Teildeckung benutzt wird, die Bank immer in der Lage ist, allen Rückzahlungsforderungen zu entsprechen, sondern sie stößt auch unweigerlich einen Prozess an, der - zumindest alle paar Jahre – zu einem unvermeidbaren Vertrauensverlust in die Banken und einem massiven und unerwarteten Depositenabzug führt. Ein schlüssiger Beweis dieser obigen Behauptungen liegt in der Tatsache begründet, dass das Teildeckungsbankwesen (i.e. ein Bankwesen ohne eine strikte Aufbewahrungspflicht) nicht in der Lage gewesen ist, ohne eine staatlich gegründete Zentralbank zu überleben, welche durch die Einführung eines gesetzlichen Zahlungsmittels und den Zwang, Papiergeld zu akzeptieren, die im Notfall notwendige Liquidität aus dem Nichts erzeugen kann. Auf dem freien Markt und ohne Bedarf an Privilegien und Regierungsunterstützung kann eine Institution im Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien einzig auf Grund des freiwilligen Gebrauchs ihrer Leistungen durch die Bürger im Einklang mit dem Rahmenwerk aus allgemeinen und abstrakten Privatrechtsregeln
38 Rothbard, The Case Against the Fed, S. 90-106. Auf diese Art erklärt Rothbard die führende Rolle, welche Privatbankiers, vor allem J.P. Morgan bei der Gründung der American Federal Reserve spielten: J.P. Morgan´s fondness for a central bank was heightened by the memory of the fact that the bank of which his father Junius was junior partner – the London firm of George Peabody and Company – was saved from bankruptcy in the Panic of 1857 by an emergency credit from the Bank of England. The elder Morgan took over the firm upon Peabody´s retirement and its name changed to J.S. Morgan and Company. (S. 93 Fußnote 22)
überleben. Verfügbarkeit ist auch definiert worden als die Befolgung der ganzen Struktur der staatlichen Bankgesetzgebung durch die Privatbanken im Austausch für die Absicherung durch die Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz. Indes ist diese Auflage auch gekünstelt und transferiert das Problem der Unmöglichkeit einer rechtlichen Definition eines teilgedeckten Depositenvertrages aus der Sphäre des Privatrechts (in der die beiden nicht in Einklang gebracht werden können) in das Gebiet des Öffentlichen Rechts; d.i. Verwaltungsrecht und purer Voluntarismus, mit dem die Regierung jede Institution - völlig unabhängig davon wie rechtlich monströs sie anmutet – legalisieren kann. Es ist ein seltsames Paradox, dass das ganze Finanzsystem von der Überwachung durch den Staat (welcher historisch gesehen der erste war, der von den Gewinnen aus der Nichtbeachtung der Aufbewahrungspflicht beim monetären Depositenvertrag profitiert hat) abhängig gemacht wird und wie F.A. Hayek weise hinweist, Die Geschichte staatlichen Umganges mit Geld ist . . . eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug. In dieser Hinsicht haben sich Regierungen als weit unmoralischer erwiesen, als es je eine privatrechtliche Körperschaft hätte sein können, die im Wettbewerb mit anderen eigene Arten von Geld auf den Markt bringt.39 Hayek meint damit, dass die heutige Bankenstruktur trotz ihrer juristischen Inkonsistenz auf Grund der Unterstützung tragfähig erscheinen kann, welche sie gegenwärtig vom Staat und durch die Institution einer offiziellen Zentralbank erhält, welche die notwendige Liquidität generiert, um Banken
in
Schwierigkeiten
(im
Austausch
für
Einhaltung
eines
verworrenen
Verwaltungsgesetznetzes, welches aus endlosen, kryptischen und ad hoc konzipierten Verfügungen und Memoranden besteht) aus der Klemme zu helfen. Nichtsdestoweniger hat die Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien unausweichlich negative soziale Konsequenzen. Beispielsweise kann auf diese Weise die Rückgabe der Depositen zumindest theoretisch „garantiert“ werden (sogar bei einer Teildeckung solange die Zentralbank zur Hilfe eilt) . Was jedoch nicht garantiert werden kann ist, dass die Kaufkraft der Geldeinheiten des ursprünglichen Depositums nicht stark schwankt. In der Tat sind wir seit der Errichtung der modernen Geldsysteme jedes Jahr in einem leicht verschiedenen Grade durch eine ernsthafte, chronische Inflation geplagt worden, welche die Kaufkraft der den Deponenten zurückgegeben Geldeinheiten beträchtlich verringert hat. Außerdem müssen wir die Effekte der intra- und intertemporalen Fehlkoordination berücksichtigen, welche
39 Friedrich A. von Hayek, Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus (Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1996), S. 112. Englisch: The Fatal Conceit, S. 103-04.
durch das gegenwärtige Finanzsystem, welches auf einer Teildeckung für Privatbanken begleitet von der Geldpolitik der Zentralbank basiert, den modernen Volkswirtschaften auferlegt werden. Diese Effekte bestehen in den wiederkehrenden, sukzessiven Phasen des künstlichen Aufschwungs und der wirtschaftlichen Rezession mit ihren hohen Arbeitslosenquoten, welche der harmonischen, stabilen Entwicklung unserer Gesellschaften großen Schaden zufügen. Als eine Folge sehen wir wieder einmal, diesmal auf dem Gebiet des Geldes und des Bankwesens, die Gültigkeit von Hayeks bahnbrechender Idee bestätigt, dass wenn immer eine traditionelle Verhaltensregel, entweder durch einen direkten Regierungseingriff oder durch die Gewährung von speziellen staatlichen Privilegien für gewisse Personen oder Organisationen, oder eine Kombination von beiden (wie es beim monetären depositum irregulare mit einer Teildeckung vorkommt) gebrochen wird, sich früher oder später zum großen Nachteil des spontanen Prozesses der sozialen Kooperation schädliche, unerwünschte Konsequenzen einstellen. Die traditionelle im Bankwesen gebrochene Verhaltensregel, wie wir sie im Detail in diesen ersten drei Kapiteln untersucht haben, ist das allgemeine Rechtsprinzip, dass beim Vertrag des monetären depositum irregulare die Bewachung und sichere Aufbewahrung (das essentielle Element oder der Zweck der Depositen) immer in der Form einer kontinuierlichen 100-prozentigen Reservepflicht erfolgen muss. Folglich beinhaltet jeglicher Gebrauch dieses Geldes (vor allem auch um damit Darlehen zu geben) eine Verletzung dieses Prinzips und einen Akt der Veruntreuung. Während der ganzen Menschheitsgeschichte waren die Bankiers bei der Verletzung dieser traditionellen Verhaltensregel schnell und machten im eigenen Interesse Gebrauch vom Gelde ihrer Deponenten, wie wir anhand verschiedener Beispiel im zweiten Kapitel gezeigt haben. Zunächst taten die Bankiers dies schuldbewusst und heimlich, weil sie sich noch der unrechtmäßigen Natur ihrer Handlungen bewusst waren. Später dann, als sie vom Staat das Privileg bekamen persönlichen Gebrauch vom Geld ihrer Deponenten zu machen (im allgemeinen in der Form von Darlehen, welche zunächst häufig dem Staat selbst gewährt wurden), erhielten sie die Erlaubnis, dieses Prinzip offen und legal zu verletzen. Die juristische Ausführung des Privilegs ist plump und hat in der Regel die Form einer einfachen Verwaltungsbestimmung, welche ausschließlich Bankiers dazu autorisiert, einen reduzierten Reservekoeffizienten aufrecht zu erhalten. Dies
markiert
den
Beginn
einer
heute
schon
traditionellen
Beziehung,
einer
Komplizenschaft und Symbiose zwischen Staaten und Banken. Diese Beziehung erklärt das vertrauliche „Verständnis“ und die enge „Kooperation“, welche bis zum heutigen Tag in allen westlichen Ländern zwischen diesen beiden Arten von Institutionen mit geringen Abweichungen existiert hat. Bankiers und Regierungen begriffen bald, dass sie durch das Opfer der traditionellen
Rechtsprinzipien beim Depositenvertrag an einer äußerst lukrativen Finanzaktivität teilhaben konnten, obschon dafür ein Kreditgeber letzter Instanz, bzw. Zentralbank benötigt wurde, um die notwendige Liquidität in schwierigen Zeiten bereitzustellen, und obschon die Erfahrung zeigte, dass diese Zeiten früher oder später wiederkehrten. Jedoch wurden die schädigenden sozialen Konsequenzen dieses Privilegs, welches nur den Bankiers gewährt wurde, nicht vollständig verstanden bis die Geld- und Kapitaltheorie ausreichend fortgeschritten war und das wiederkehrende Aufkommen von Konjunkturzyklen erklären konnte. Die Österreichische Schule im Besonderen hat uns gelehrt, dass das widersprüchliche (aus rechtlich-vertraglicher wie auch aus technisch-ökonomischer Sicht) Ziel einen Vertrag anzubieten, der im Wesentlichen inkompatible Elemente enthält und darauf abzielt, die Vorteile des Darlehens (besonders die Möglichkeit des Zinsgewinns auf „Depositen“) mit denen des traditionellen monetären depositum irregulare (welcher per definitionem dem Deponenten erlauben muss, seine Gelder jederzeit abzuziehen) zu verbinden, früher oder später vorherbestimmt ist, unausweichliche spontane Anpassungen hervorzurufen. Zunächst manifestieren sich diese Anpassungen als Ausweitungen der Geldmenge (mit der Schaffung von Darlehen, welche sich nicht mit dem tatsächlichen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse decken), Inflation, eine allgemeine mangelhafte Allokation der knappen produktiven Ressourcen der Gesellschaft auf einem mikroökonomischen Level, und letztlich in der Rezession, der Berichtigung der durch die Kreditausweitung verursachten Fehler in der Produktionsstruktur und einer weit verbreiteten Arbeitslosigkeit. Die nächsten Kapitel sind der ökonomischen Untersuchung all dieser Punkte gewidmet. Nichtsdestoweniger werden wir zunächst unsere rechtliche Studie mit der Analyse einiger weiterer juristischer und den Bankdepositen verwandten Institutionen abschließen. Um diesen Abschnitt zu beschließen, stellt die folgende Tabelle die sieben möglichen Arten dar, mit denen der Bankdepositenvertrag - aus der Sicht der in dieser Institution inhärenten Logik (und natürlich nicht aus der Sicht des positiven Rechts, welches, wie wir wissen, allem Rechtsgültigkeit verschaffen kann) - rechtlich klassifiziert werden kann. ________________________________________________________________________________ TABELLE 1 SIEBEN
MÖGLICHE
RECHTLICHE
KLASSIFIKATIONEN
DES
BANKDEPOSITENVERTRAGS MIT EINER TEILDECKUNG ________________________________________________________________________________
1. Es liegt eine Täuschung oder Betrug vor: es handelt sich um den Tatbestand der Veruntreuung und der Vertrag ist Null und nichtig (historisch der unrühmliche Ursprung des Teildeckungsbankwesens). 2. Es liegt keine Täuschung vor, jedoch besteht ein error in negotio: der Vertrag ist Null und nichtig. 3. Es liegt kein error in negotio vor, jedoch verfolgt jede Partei ihren typischen Zweck bei dem Vertrag: aufgrund der notwendigerweise unvereinbaren Zwecke ist der Vertrag Null und nichtig. 4. Sogar wenn man die unvereinbaren Zwecke als kompatibel ansieht, ist der Vertrag Null und nichtig, weil er (ohne eine Zentralbank) unmöglich vollzogen werden kann. 5. Ein ergänzendes Argument: Sogar wenn das „Gesetz der großen Zahl“ gültig wäre (was es in diesem Falle nicht ist,) wäre der Vertrag immer noch ein Glücksvertrag (es wäre weder ein Depositen- noch ein Darlehensvertrag). 6. Die Anwendung des Vertrages hängt von einer Staatsvollmacht (Privileg) und der Unterstützung durch eine Zentralbank ab, welche das Geld nationalisiert, gesetzliche Zahlungsmittelregulierungen einführt und Liquidität schafft. 7. In jedem Fall ist der Vertrag Null und nichtig, weil er dritten Parteien schwerwiegende Schäden zufügt (wirtschaftliche, durch die Zentralbank verschärfte Krisen); viel größere Schäden als jene, welche von einem Geldfälscher verursacht werden. ________________________________________________________________________________
4 DAS MONETÄRE DEPOSITUM IRREGULARE, TRANSAKTIONEN MIT RÜCKKAUFVEREINBARUNGEN UND LEBENSVERSICHERUNGSVERTRÄGE In den ersten drei Kapiteln haben wir eine Analyse der rechtlichen Natur des irregulären
Depositenvertrages vorgenommen. Diese Analyse könnte u. a. als ein verlässlicher Leitfaden dazu dienen, echte Darlehensverträge (in der reichen Vielfalt der Rechtsverträge in der sich schnell ändernden realen Welt), irreguläre Depositen, bei denen die Aufbewahrungspflicht eingehalten wird und Verträge mit einer widersprüchlichen oder gar betrügerischen Natur zu identifizieren. Dieser Leitfaden ist von außerordentlicher Wichtigkeit, da der menschliche Einfallsreichtum keine Grenzen kennt, wenn es darum geht zu versuchen, die traditionellen Rechtsprinzipien zum eigenen Nutzen und zum Schaden anderer zu umgehen. Des Weiteren ist diese Gefahr besonders akut, wenn die Rechtsprinzipien vom Staat nicht adäquat definiert und verteidigt werden; besonders in einem Gebiet wie dem Finanzwesen, welches sehr abstrakt und für die meisten Bürger schwer zu verstehen ist. TRANSAKTIONEN MIT EINER RÜCKKAUFVEREINBARUNG Immer wenn wir wie bei den Gelddepositen beobachten, dass den Kunden die unmittelbare Verfügbarkeit des Gutes offeriert wird, um ihre Gelder40 anzulocken und dann diese Gelder investiert oder in privaten Geschäften genutzt werden, etc., dann sollten wir ungeachtet des rechtlichen äußeren Scheins dieser Transaktion auf der Hut sein. Beispielsweise verpflichtet sich bei bestimmten Verträgen mit einer Rückkaufvereinbarung eine der Parteien - wann immer es von der zweiten Partei gewünscht wird - ein Wertpapier, ein Recht oder eine Finanzanlage zu einem vorbestimmten Preis, der mindestens dem ursprünglich für das Gut gezahlten Preis gleich ist, von der zweiten Partei zurückzukaufen. Die Absicht in diesen Fällen ist es, entgegen der Rechtsprinzipien einen wahren monetären irregulären Depositenvertrag zu verschleiern, bei dem eine der vertragsschließenden Parteien das grundlegende Ziel der Garantie der unmittelbaren Verfügbarkeit des Gutes verfolgt und die andere den bekannten, widersprüchlichen Zweck, monetäre Ressourcen anzusammeln, um sie in verschiedenen Geschäften zu investieren. Kurzum sind dies häufig betrügerische Transaktionen, in denen ein professioneller „Depositensammler“ versucht, seine „Kunden“ davon zu überzeugen, ihre verfügbaren Vermögenswerte ohne Umstände und ohne eine große Verpflichtung zu übergeben; im Austausch für das
grundsätzliche
Versprechen, dass ihr Geld ihnen verfügbar bleibt und ihnen, wann immer sie es wünschen (mittels der „Rückkaufvereinbarung“), zurückgegeben wird.
40 Viele „irreguläre“ Transaktionen werden von der „Garantie“ der ständigen Verfügbarkeit begleitet, um den Kunden zu überzeugen, dass weder die Erfordernis besteht, ihre Güter preis zu geben , noch das Opfer zu bringen, welches eine Ausleihe erfordert. Diese Praxis macht es sehr viel einfacher, Gelder anzulocken, vor allem wenn der Kunde naiv ist und von der Möglichkeit, große Gewinne ohne Opfer oder Risiko zu erzielen (wie in jeder Täuschung und jedem Schwindel), verleitet werden kann.
Ein ähnlicher Fall liegt vor, wenn wir beobachten, dass, wie es häufig mehr oder weniger explizit in der Praxis vorkommt, eine Institution (zum Beispiel eine Bank) systematisch versucht, den Marktwert ihrer Aktien aufrecht zu erhalten oder zu „konservieren“, indem sie eine Reihe von Finanzmarktoperationen durchführt, um dem Markt anzuzeigen, dass der Verkauf der Aktien zu einem bestimmten Preis „garantiert“ ist. Falls dies wahr ist, sind wir in dem Maße, in dem die allgemeine Öffentlichkeit dies glaubt, Zeuge einer weiteren Transaktion, bei welcher der Vertrag des monetären depositum irregulare letztlich mittels Investitionen in Wertpapieren, Aktien oder Anleihen, deren Liquidität auf dem Markt implizit zu jeder Zeit durch eine vertrauenswürdige Institution „garantiert“ wird, inszeniert wird.41 Es ist deshalb nicht überraschend, dass viele Bankenkrisen stärker durch den massiven Verkauf von Bankaktien bedingt worden sind, als durch ein weit verbreitetes Abziehen von Depositen. Diese Aktien waren dazu vorgesehen, einen sicheren Hafen für Gelder bei gleichzeitiger Beinahegarantie ihrer Verfügbarkeit darzustellen. Wenn die Solvenz einer Bank in Frage gestellt wird, werden zunächst ihre Wertpapiere massiv verkauft, was es der Bank unmöglich macht, ihre implizite Verpflichtung, den Marktwert ihrer Aktien konstant zu halten, zu ehren. Zumindest in der Vergangenheit waren diese massiven Verkäufe durch die Tatsache bedingt, dass die unterschiedslose Unterstützung der in Not geratenen Privatbanken durch die Zentralbanken nicht den Punkt des ständigen Erhalts des gegenwärtigen Aktienkurses erreicht hat. Die jüngsten Bankenkrisen in Spanien und anderen Ländern haben gezeigt, dass letztlich die einzigen „Deponenten“, die schlecht dabei weg kamen, die Aktienbesitzer selbst waren. Es gibt sehr viele „Grenzfälle“. Beispielsweise „verpflichten“ sich einige Finanz- und Holdinggesellschaften ihre Aktien zum Emissionspreis, wann immer es von den Aktienbesitzern verlangt wird, zurückzukaufen, um die Zeichnung ihrer Aktien zu ermutigen. Im Allgemeinen sollte man bei jeder Transaktion mit einer Rückkaufvereinbarung, bei welcher der Rückkaufpreis fixiert ist und nicht mit dem gegenwärtigen Preis des Gegenstandes auf dem korrespondierendem Sekundärmarkt übereinstimmt, argwöhnisch sein.42 Deshalb kommt es dem Juristen und dem 41 Wenn wir diesen Gedankengang bis an sein Ende verfolgen, kann der ganze Aktienmarkt als Inszenator von wahrhaftigen Depositen angesehen werden, wenn der Staat garantiert, jederzeit die notwendig Liquidität zu schaffen, um die Aktienindizes zu stützen. Aus Gründen des öffentlichen Ansehens haben Regierungen und Zentralbanken darauf bestanden, dieses Ziel und diese Politik zumindest gelegentlich, während vieler Aktienmarktkrisen, zu verfolgen. 42 Ein weiteres Beispiel eines fingierten depositums ist eine temporäre Überlassung mit einer Vereinbarung zum Rückkauf auf Verlangen. Diese Transaktion wird als ein Darlehen vom Kunden zur Bank durchgeführt: Sicherheiten für den Fall der Nichteinhaltung durch den Depositar werden in der Form von Wertpapieren, normalerweise Staatsanleihen, angeboten. Das Darlehen wirft bis zu einem spezifischen Zeitpunkt zu einem vereinbarten Satz Zinsen ab und ist durch ein simples Ersuchen des „Darlehensgebers“ vor diesem Zeitpunkt rückzahlbar. Wenn er diese Option der frühen Aufhebung wahrnimmt, berechnet sich der Betrag, der ihm schließlich ausbezahlt wird, durch die Aufzinsung der Zinsen auf den ursprünglichen Betrag zum vereinbarten Zinssatz bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Option ausübt. Für den Kunden ist die Operation identisch zu einem mit Wertpapieren gesicherten Darlehen mit einer amerikanischen Option. Eine Option ist eine Vereinbarung, die das Recht (nicht die Pflicht) überträgt, eine bestimmte Menge eines Vermögenswertes zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bis zu einem
Ökonomen zu, sein analytisches Urteil bei dem Studium dieser Finanztransaktionen zur Anwendung zu bringen und genau zu entscheiden, was für eine Art von Operation vorliegt, was seine wahre Natur und Konsequenzen sind. Dies muss im Licht der von uns in den ersten drei Kapiteln untersuchten Rechtsprinzipien und den wirtschaftlichen Implikationen geschehen, welche wir nun betrachten werden.43 Weiterhin würde diese Analyse eine große Bedeutung erlangen, sollte irgendwann in der Zukunft das existierende Finanzsystem, basierend auf dem Monopol einer öffentlichen Zentralbank, vollständig privatisiert und ein Free-Banking-System eingerichtet werden. In diesem Falle würde das gegenwärtige verworrene Netz von Verwaltungsregulierungen im Bankwesen durch ein paar klare, einfache Regeln - aufgenommen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Handelsgesetzbuch und Strafgesetzbuch – ersetzt werden. Der Hauptzweck dieser Regeln wäre es, die strikte Befolgung des Aufbewahrungsprinzips nicht nur hinsichtlich der monetären Depositenverträge zu gewährleisten (100-prozentige Reservedeckung) zu garantieren, sondern auch bei allen anderen Finanztransaktionen, bei denen es der Hauptzweck der Teilnehmer ist, die Bewachung und Aufbewahrung ihrer Depositen sicherzustellen. In dieser (aus heutiger Sicht) hypothetischen Situation würde die von uns vorgeschlagene Analyse den Richtern und Juristen von großer Hilfe dabei sein, aus der reichen und extrem komplexen Vielfalt der Verträge und Transaktionen einen Sinn zu ziehen, welche beständig in der Wirtschafts- und Finanzwelt hervortreten. Ferner würde die Analyse es ihnen erlauben, festzulegen, wann diese Transaktionen als Null und nichtig, bzw. wann sie nach den allgemeinen Zivilrechts- und Strafrechtsverordnungen als kriminell zu klassifizieren sind.44 bestimmten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Eine Kaufoption wird Call und eine Verkaufsoption wird auch Put genannt. Wenn das zugestandene Recht bis zu einem spezifischen Zeitpunkt währt, wird die Option eine „amerikanische“ Option genannt; wenn sie sich auf ein bestimmtes Datum bezieht, handelt es sich um eine „europäische“ Option. Der Käufer des Rechts entschädigt die andere Partei mittels Zahlung eines Aufpreises zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Der Auftraggeber wird die Option nur ausüben, wenn der Zinssatz, der auf neue, und zur gleichen Zeit fällige Termineinlagen gezahlt wird, den Zinssatz übersteigt, welchen er ursprünglich ausgehandelt hatte. Er wird die Option nicht ausüben, wenn die Zinssätze fallen; auch nicht, wenn er die Liquidität benötigt, weil er normalerweise ein Darlehen für die Restlaufzeit zu einem geringeren Zinssatz nehmen und durch die Staatsanleihen Sicherheiten bieten kann. Einige Institutionen bieten derartige Verträge sogar im Verbund mit für Sichteinlagen typischen Kassenführungsdiensten an, sodass die Kunden Schecks ausstellen können und Rechnungen durch eine direkte Abbuchung bezahlen können. Banken benutzen diesen Vertrag als eine Möglichkeit, um mit Wertpapieren zu spekulieren, weil die Öffentlichkeit sie finanziert und die Banken die Gewinne behalten. Ich bin Professor Ruben Manso dafür dankbar, dass er mich mit einigen Detail dieser Art von Operation vertraut gemacht hat. 43 Eine weitere interessante Frage ist es, wie man in der Praxis bestimmt, wann „Termineinlagen“ (Darlehen mit einer sehr kurzen Laufzeit) zu wahrhaftigen Depositen werden. Obzwar die allgemeine Regel eindeutig ist (die subjektive Intention muss letztlich entscheiden und bei Fälligkeit werden alle Darlehen zu Depositen, die eine 100-prozentige Reservedeckung erfordern, bis sie abgezogen werden), ist für praktische Zwecke häufig ein temporäres Limit notwendig (ein Monat? eine Woche? einen Tag?), bei dessen Unterschreitung die der Bank gewährten Darlehen als effektive Depositen angesehen werden sollten. Zu den so genannten sekundären Tauschmitteln, welche zwar kein Geld, jedoch leicht in Bargeld zu konvertieren sind, was einen Aufpreis bei ihrem Kauf im Markt rechtfertigt, vgl. Mises, Nationalökonomie – Theorie des Handelns und Wirtschaftens (Genf: Editions Union, 1940), S. 419-423. 44 In der Variante, die wir vorschlagen (und welche im letzten Kapitel detaillierter vorgestellt werden wird), würde die von der Zentralbank und ihren Offiziellen in der Finanzwelt ausgeübte Kontrolle durch die von Richtern ersetzt werden, welche ihre vollen Befugnisse und ihrer zentrale Rolle in der Anwendung der allgemeinen Rechtsprinzipien auch in der Finanzwelt zurück erhielten.
Auf jeden Fall sollten wir die egoistische und defätistische Haltung, die im Finanzsektor verbreitet ist, vermeiden. Sie basiert auf dem Glauben, dass der menschliche Einfallsreichtum immer ausgefeiltere Methoden zum betrügerischen Umgehen der universellen Rechtsprinzipien finden kann und dass diese daher in der Praxis niemals befolgt und verteidigt werden. Diese defätistische Einstellung sollten wir vermeiden, weil die Fruchtbarkeit ausgeklügelter Methoden, um diese Prinzipien zu verletzen, gerade auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass die öffentlichen Behörden diese immer in einer äußerst verwirrenden, vieldeutigen und widersprüchlichen Art definiert und verteidigt haben, wodurch kein allgemeines Bewusstsein der Wichtigkeit ihrer Einhaltung besteht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die vorherrschenden Werte und Ideen sind im Laufe der Zeit so korrupt geworden, dass die Leute heute den irregulären Depositenvertrag mit einer Teildeckung als legitim betrachten. Wenn die allgemeinen Rechtsprinzipien wieder verstanden und respektiert würden, dann würde die Zahl der regelwidrigen Handlungen signifikant zurückgehen (vor allem wenn die öffentlichen Behörden sich wirklich der Bewahrung und Verteidigung der korrespondieren Eigentumsrechte annähmen). Gleichzeitig beeinträchtigt die bewiesene Tatsache, dass der menschliche Einfallsreichtum ständig nach neuen Wegen sucht, um das Recht zu brechen und andere zu betrügen, nicht im geringsten die fundamentale Wichtigkeit einer Reihe von klaren Prinzipien, welche die Bürger leiten und die Regierungen in ihrer Pflicht Eigentumsrechte zu definieren und zu verteidigen lenken.
DER FALL DER LEBENSVERSICHERUNGSVERTRÄGE Lebensversicherungen sind eine typische altehrwürdige Institution, welche hinsichtlich ihrer Essenz und ihrer rechtlichen Inhalte detailliert beschrieben wurde und durch versicherungsmathematische, wirtschaftliche und finanzielle Praktiken gründlich gestützt ist. Nichtsdestoweniger wurde jüngst versucht, diese Institution zur Durchführung von Transaktionen zu nutzen, welche dem monetären depositum irregulare mit einer Teildeckung sehr ähnlich sind. Diese Versuche sind der Entwicklung und der traditionellen Solvenz von Lebensversicherungen als Institution sehr abträglich und schließen die Täuschung von angeblichen „Versicherungsnehmer-Deponenten“ ein. In der Tat ist es vor allem wichtig zu verstehen, dass ein Lebensversicherungsvertrag mit dem irregulären Gelddepositenvertrag in keiner Verbindung steht. Eine Lebensversicherung ist ein Glücksvertrag bei dem eine der Parteien, die abschließende Partei oder Versicherungsnehmer, sich dazu verpflichtet, eine Prämie oder einen Preis für die Operation zu zahlen und im Gegenzug die
andere Partei, die Versicherungsgesellschaft, einwilligt, bestimmte Leistungen für den Fall zu zahlen, dass der Versicherungsnehmer stirbt oder das Ende einer im Vertrag spezifizierten Laufzeit überlebt. Mithin sind die vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien diesem nicht mehr verfügbar und die Verfügbarkeit geht völlig auf den Versicherer über.45 Folglich enthalten alle Lebensversicherungsverträge einen Tausch von gegenwärtigen, sicheren Gütern gegen zukünftige, unsichere Güter (weil ihrer Zahlung von einem unsicheren Ereignis wie dem Tod oder dem Überleben des Versicherungsnehmers abhängt). Der Lebensversicherungsvertrag ist deshalb einer Spartransaktion gleichwertig (bei der das Eigentum und die Verfügbarkeit von Gegenwartsgütern im Tausch für das Eigentum und die Verfügbarkeit von Zukunftsgütern überlassen wird). Jedoch stellt die Lebensversicheerung eine Form des perfekten Sparens dar, weil ermöglicht wird, eine beträchtliche Summe von dem Moment an zu erhalten, in dem der Vertrag in Kraft tritt, falls das imaginäre, unsichere Ereignis eintritt (und beispielsweise der Versicherungsnehmer stirbt). Jede andere traditionelle Sparmethode (traditionell die Mutuums- oder Darlehensoperation) würde eine mehrjährige Sparperiode erforderlich machen, um das Kapital zu akkumulieren, welches von einer Versicherungsgesellschaft im Todesfall ausgezahlt wird. In andere Worten machen es Lebensversicherungsverträge, die Wahrscheinlichkeitsberechnung basierend auf Sterbe- und Überlebenstabellen, und das Prinzip der Gegenseitigkeit oder die Verlustaufteilung unter allen Versicherungsnehmern, um die Institution aufrecht zu erhalten, möglich, vom ersten Moment an, sollte das imaginäre Ereignis eintreten, eine signifikante Geldsumme zu erhalten, welche mit anderen Methoden erst nach einer sehr langen Periode hätte akkumuliert werden können. Des Weiteren sind Lebensversicherungen langfristige Verträge, welche komplexe finanzielle und versicherungsmathematische Komponenten enthalten und ein umsichtiges Investieren von signifikanten
Ressourcen
erfordern.
Die
Verfügbarkeit
dieser
Ressourcen
wird
dem
Gegenseitigkeitsverein oder der Lebensversicherungsgesellschaft übertragen. Diese müssen die mathematisch berechneten Reserven sammeln und investieren, die notwendig sind, um die künftigen Zahlungen vorzunehmen, zu denen sie verpflichtet sind. Diese Beträge werden als „mathematisch“ bezeichnet, weil sie das Resultat von Wahrscheinlichkeitsberechnungen hinsichtlich des Sterbens und Überlebens nach den Sterblichkeitstabellen sind, welche für die meisten westlichen Gesellschaften äußerst verlässlich und konstant sind. Es ist möglich, mit einer
45 Da eine Lebensversicherung ein diszipliniertes Sparen über einen Zeitraum von vielen Jahren beinhaltet, ist sie schwieriger zu verkaufen, als andere Finanzprodukte, welche mit der Garantie verkauft werden, dass das Geld des Kunden diesem stets verfügbar bleibt (Depositen). Aus diesem Grunde werden Lebensversicherungen durch ein teures Netzwerk von Verkäufern vertrieben, während die Öffentlichkeit sich willig und bedenkenlos aufmacht, um Bankdepositen vorzunehmen. Lebensversicherungsgesellschaften fördern und ermutigen freiwilliges, langfristiges Sparen, wohingegen Banken Darlehen und Depositen aus dem Nichts schaffen und von niemanden das vorangehende Opfer des Sparens verlangen.
so geringen Ruinwahrscheinlichkeit, wie es gewünscht wird, den Geldbetrag zu berechnen, der notwendig ist, um alle garantierten Leistungen zu bezahlen. Im Weiteren werden wir die radikalen Unterschiede untersuchen, welche zwischen einer Lebensversicherung und dem irregulären Depositenvertrag mit einer Teildeckung bestehen. Im Gegensatz zu einer Lebensversicherung erlaubt der irreguläre Depositenvertrag es nicht, Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, weil diese Institution (das Teildeckgunsbankwesen) nicht völlig unabhängig von den wiederkehrenden massiven Depositenabzügen besteht. Eine weitere Komplexität entsteht, weil einige Lebensversicherungsarten das Recht auf Rückkauf einschließen. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer seinen Vertrag auflösen und in Bar den mathematischen Liquidationswert seiner Police erhalten kann. Viele Theoretiker haben die Position verteidigt, dass Versicherungspolicen, welche diesen „Rückkaufswert“ einschließen den irregulären Gelddepositenverträgen mit Teildeckung sehr ähnlich sind.46 Gegen diese Sicht ist es wichtig herauszustellen, dass die Frage, ob ein verstecktes depositum irregulare besteht oder nicht, letztlich von dem wahren Motiv, Zweck oder der subjektiven Ursache, aus welcher der Vertrag vorgenommen wird, abhängt. Wenn, wie es bei traditionellen Lebensversicherungspolicen gewöhnlich der Fall ist, der Kunde beabsichtigt, die Police bis zum Ende ihrer Laufzeit zu halten, und sich nicht darüber bewusst ist, dass er die Gelder jederzeit einlösen kann, dann ist die Transaktion
eindeutig
kein
depositum
irregulare
sondern
ein
traditioneller
Lebensversicherungsvertrag. Diese Art von Versicherung wird mit der Intention verkauft, dass der Rückkauf ein „letzter Ausweg“ ist, eine Lösung, welche nur in Situationen von drängender Not zur Anwendung kommt, wenn eine Familie völlig unfähig ist, weiterhin die Zahlungen für eine Police vorzunehmen, welche für die Seelenruhe aller ihrer Mitglieder so notwendig ist.47 Wir müssen jedoch anerkennen, dass in jüngster Zeit der Großteil der Banken und anderer Finanzinstitutionen einen beständigen Druck ausgeübt hat, die fundamentalen, traditionellen Unterschiede
auszulöschen
und
die
Grenzen
zwischen
Lebensversicherungen
und
Bankdepositenverträgen zu verwischen.48 46 Murray N. Rothbard, „Austrian Definitions of the Supply of Money,“ in New Directions in Austrian Economics, Louis M. Spadaro, Hrsg. (Kansas City: Sheed Andrews and McMeel, 1978), S. 143-56, vor allem S. 150-51. Rothbards Position ist jedoch vollkommen gerechtfertigt in Hinblick auf alle neuen „Lebensversicherungsoperationen“, welche erdacht sind, Depositenverträge zu simulieren. 47 Weiterhin enthält für gewöhnlich der Rückkauf einer Versicherungspolice eine signifikante finanzielle Strafe für den Versicherungsnehmer. Diese Strafe resultiert daraus, dass die Versicherungsgesellschaft die hohen Akquisitionskosten, welche im ersten Jahr des Vertrages entstehen, amortisieren muss. Die Tendenz, diese Strafen zu reduzieren, ist ein klares Anzeichen dafür, dass diese Operation keine traditionelle Lebensversicherungspolice mehr ist, sondern zu einem simulierten Bankdepositum geworden ist. 48 Wie wir am Ende des 7. Kapitels sehen werden, spielte John Maynard Keynes, als er der National Mutual Life Assurance Society, eine führende britische Lebensversicherungsgesellschaft, von 1921 bis 1938 vor stand, eine
Echte Gelddepositenoperationen sind getarnt als Lebensversicherungspolicen am Markt entstanden. Das Hauptverkaufsargument, welches den Kunden präsentiert wird, ist, dass sie mit diesen
Transaktionen
sich
nicht
langfristigen,
regelmäßigen
Zahlungen
involvierenden
Sparoperationen unterwerfen müssen, weil die der Versicherungsgesellschaft übergebenen Gelder jederzeit ohne Strafe und ohne jegliche Ausgabe (und welche sogar Zinsen enthalten können) zurück genommen werden können. Ein Grund, warum die Unternehmen diese Operationen als Lebensversicherungspolicen tarnen, ist es aus den üblichen Steuervorteilen einen Vorteil zu ziehen, die fast jeder Staat der entwickelten Welt Versicherungsgesellschaften gewährt. Dieser Vorteil wird gewährt in Anerkennung des positiven Einflusses der Versicherungen auf allen Ebenen der Gesellschaft als Förderer von freiwilligem Sparen und Vorsorge und damit auf ein nachhaltiges, nicht inflationäres wirtschaftliches Wachstum und die Entwicklung der Nation. Somit ist der Schwindel der „Lebensversicherungsoperationen“ en masse vorgekommen. Dabei handelt es sich wirklich um nichts anderes als getarnte Depositen, von einer Öffentlichkeit mühelos hinterlegt, welche die Idee hatte, dass ihr Geld jederzeit straffrei wieder zu erlangen wäre, wenn sie es brauchte oder es einfach in einer anderen Finanzinstitution platzieren wollte. Dies hat eine Menge Verwirrung verursacht. Zum Beispiel sind die den Bankdepositen (Operationen, welche ohne jeden Bezug zu Lebensversicherungen stehen) korrespondierenden Zahlen in den offiziellen Statistiken der Lebensversicherungsprämien einbezogen worden und inmitten der großen Verwirrung am Markt sind die traditionellen Lebensversicherungspolicen diskreditiert worden und ihre Definition ist unscharf geworden.49
Hauptrolle in der Korruption der traditionellen Prinzipien, welche die Lebensversicherung bestimmen. Während seines Vorsitzes brachte er nicht nur eine „aktive“ Investitionspolitik voran, welche sich stark variabel verzinsten Wertpapieren zu wandte (und sich damit von der Tradition der Investition in Anleihen abkehrte), sondern er verteidigte auch ein unorthodoxes Kriterium zur Bewertung der Vermögenswerte (zum Marktwert) und sogar die Verteilung von Gewinnen an Versicherungsnehmer durch Boni, welche durch nicht realisierte „Aktienmarktgewinne“ finanziert werden sollten. Alle diese typischen Keynesianischen Angriffe auf die traditionellen Versicherungsprinzipien brachten seine Gesellschaft in verzweifelte Engpässe als der Aktienmarkt 1929 zusammenbrach und die Große Depression zuschlug. Als eine Folge begannen Keynes Vorstandskollegen seine Strategie und Entscheidungen zu hinterfragen. So kamen Meinungsverschiedenheiten unter ihnen auf und führten 1938 zu Keynes Rücktritt. Denn wie er es ausdrückte, glaubte er nicht, dass „it lies in my power to cure the faults of the management and I am reluctant to continue to take responsibility for them.“ Vgl. John Maynard Keynes, The Collected Writings (London: Macmillan, 1983), Bd. 12, S. 47 und 114-54. Vgl. zudem Nicholas Davenport, „Keynes in the City,“ in Essays on John Maynard Keynes, hrsg. von Milo Keynes (Cambridge: Cambridge University Press, 1975), S. 24-25. Vgl. zudem Fußnote 108 in Kapitel 7. 49 Kurzum war der scheinbare Boom bei den Lebensversicherungsverkäufen eine Illusion, weil die Zahlen eigentlich mit radikal verschiedenen Operationen, nämlich teilgedeckten Bankdepositen, korrespondierten. Diese Zahlen verlieren ihren Glanz gänzlich, wenn wir sie anstatt traditionellen Lebensversicherungsverkäufen gegenüber zustellen (die viel bescheidener sind, weil sie einen Verzicht und ein langfristiges Bekenntnis zum Sparen und zur Vorsorge erfordern) mit der Summe aller Bankdepositen eines Landes vergleichen, von denen sie nur einen schmalen Prozentsatz ausmachen. Wenn nur authentische Lebensversicherungsverkäufe in den Sektorstatistiken einbezogen werden, relativiert sich die die Situation wieder und das Trugbild, welches von jedermann angespannt beobachtet wurde (vor allem von der Regierung), verschwindet.
4 DER KREDITAUSWEITUNGSPROZESS
Dieses Kapitel umfasst zusammen mit den fünf folgenden Kapiteln die Analyse der wirtschaftlichen Konsequenzen der Verletzung der dem irregulären Depositenvertrag inhärenten Rechtsprinzipien. Wir haben die rechtlichen und historischen Konsequenzen derartiger Verletzungen bereits in den Kapiteln 1, 2, und 3 untersucht und werden uns jetzt auf den Prozess konzentrieren, mit dem die Banken Darlehen und Depositen aus dem Nichts schaffen, sowie auf die verschiedenen Implikationen, welche dieser Prozess für die Gesellschaft hat. Die ernsthafteste Konsequenz der Kreditausweitung durch die Banken ist die folgende: in dem Ausmaß, in dem die Darlehen ohne korrespondierende Deckung durch Ersparnisse gewährt werden, wird die reale Produktionsstruktur unvermeidlich verzerrt und wiederkehrende wirtschaftliche Krisen und Rezessionen sind die Folge. Wir werden die Zirkulationskredittheorie des Konjunkturwechsels darlegen und dann kritisch die makroökonomischen Theorien des Monetarismus und Keynesisnismus analysieren. Das erstere der letzten beiden Kapitel enthält eine theoretische Studie des Zentralbankwesens und des Free Banking. Letzteres umfasst eine Untersuchung des Vorschlags der Erfordernis einer 100prozentigen Reservedeckung im Bankwesen. 1 EINLEITUNG Die Erarbeitung einer ökonomischen Theorie des Geldes, der Banken und der Konjunkturzyklen ist eine relativ junge Entwicklung in der Geschichte der Ökonomie. Dieser Teil des ökonomischen Wissen ist den relevanten Ereignissen (der Entwicklung des Teildeckungsbankwesens und den wiederkehrenden Zyklen von Aufschwung und Rezession) und den korrespondierenden juristischen Untersuchungen mit einer großen Verzögerung gefolgt. Wie wir bereits gesehen haben, fand das Studium der Rechtsprinzipien, die Analyse ihrer Schlupflöcher und Widersprüche, die Suche und Berichtigung ihrer logischen Unzulänglichkeiten, etc. viel früher statt und lässt sich sogar bis zur klassischen römischen Rechtslehre zurückverfolgen. In jedem Fall und im Einklang mit der evolutionären Theorie der Institutionen (der rechtlichen, linguistischen, und ökonomischen), nach der Institutionen in einem langwierigen historischen Prozess entstehen und eine enorme Menge an Informationen, Wissen und Erfahrung beinhalten, sind die Schlussfolgerungen, zu welchen wir mittels unserer Analyse des monetären Bankdepositenvertrages in seiner heutigen Form gelangen, wenig überraschend. Diese Folgerungen unterstützen und decken sich im großen und ganzen mit den Deduktionen, welche der Leser vielleicht schon (aus einer rein rechtlichen Sicht) in den 1
vorangegangen Kapiteln gezogen hat. Unsere Analyse des Bankwesens wird sich auf das Studium des Gelddepositenvertrages beschränken, welcher in der Praxis bei den so genannten Sichteinlagen, Spareinlagen und Termineinlagen zu Anwendung kommt, wenn immer die letzten beiden de facto dem Kunden erlauben, das Guthaben jederzeit abzuheben. Mithin sind von unserer Studie zahlreiche, gegenwärtig von den Banken unternommene Aktivitäten ausgenommen, welche in keiner Art mit dem monetären irregulären Depositenvertrag in Bezug stehen. Beispielsweise bieten moderne Banken ihren Kunden Dienstleistungen bei der Buchhaltung und Kassenführung an. Zudem kaufen und verkaufen sie ausländische Währungen, folgen einer Geldwechslertradition, welche bis auf die Entstehung
der
ersten
Geldeinheiten
zurückdatiert.
Wertpapierdepositen,
und
ziehen
für
ihre
Wertpapieremittenten
ein,
wobei
sie
ferner
Zusätzlich
Klienten die
akzeptieren
Dividenden
Kunden
über
und
Banken
Zinsen
von
Kapitalerhöhungen,
Hauptversammlungen, etc. dieser Gesellschaften informieren. Weiterhin kaufen und verkaufen Banken für ihre Klienten Wertpapiere über Broker und bieten Bankschließfächer in ihren Niederlassungen an. Ebenso agieren Banken in vielen Fällen als echte Finanzintermediäre, indem sie Darlehen von ihren Kunden anwerben (unter der Bedingung, dass die Kunden sich bewusst sind, dass sie der Bank als Eigentümer von Anleihen, Zertifikaten oder echten „Termineinlagen“ Darlehen gewähren) und diese Gelder dann dritten Parteien leihen. Auf diese Weise ziehen die Banken einen Gewinn aus dem Zinssatzdifferential zwischen dem Satz, welchen sie auf die Darlehen empfangen, welche sie gewähren, dem, welchen sie ihren Kunden zahlen, die ihnen das Darlehen ursprünglich gewährt haben. Keine dieser Operationen ist ein monetäres Bankdepositum, eine Transaktionen, welche wir in den folgenden Abschnitten untersuchen werden. Wie wir sehen werden, repräsentiert dieser Vertrag zweifellos die bedeutsamste und vom wirtschaftlichen und sozialen Standpunkt die wichtigste Operation, welche Banken heute ausführen. Wie wir bereits dargelegt haben, liefert uns eine ökonomische Analyse des monetären Bankdepositenvertrages eine weitere Illustration von Hayeks tiefgründiger Einsicht: Immer wenn ein universelles Rechtsprinzip verletzt wird – entweder durch systematischen staatlichen Zwang oder staatliche Privilegien oder bestimmten Gruppen oder Individuen verliehene Vorteile -, dann wir der spontane Prozess des sozialen Interaktion unvermeidlich und ernsthaft gehemmt. Diese Idee, parallel durch die Theorie der Unmöglichkeit des Sozialismus verfeinert, hat eine verbreiterte Anwendung erfahren. Wohingegen sie zunächst nur auf System des so genannten realen Sozialismus angewendet wurde, wird sie nun auch mit Teilen und Sektoren einer sozialen Marktwirtschaft assoziiert, in welcher systematischer Staatszwang oder die „verhasste“ Billigung 2
von Privilegien vorherrschen. Obzwar die ökonomische Analyse des Interventionismus mehr die Zwangsmittel des Staates zu betreffen scheint, ist sie nicht weniger relevant und aufschlussreich in Bezug auf solche Bereiche, in denen die traditionelllen Rechtsprinzipien durch die Gewährung von Vergünstigungen und
Privilegien
an
gewissen
Interessengruppen
verletzt
worden
sind.
In
modernen
Volkswirtschaften gibt es zwei Hauptbereiche, in denen dies geschieht. Die Arbeitsgesetzgebung, welche durch und durch Arbeitsverträge und -beziehungen reguliert, ist der erste. Nicht nur sind diese Gesetze die Basis für Zwangsmittel (es wird verhindert, dass die Parteien die Konditionen eines Arbeitsvertrages so aushandeln, wie sie es für richtig halten), sie verleihen auch gewichtige Privilegien an Interessengruppen und erlauben diesen in vielfältiger Art am Rande der traditionellen Rechtsprinzipien zu agieren (wie es beispielsweise die Gewerkschaften tun). Der zweite Bereich, in dem sowohl Privilegien als auch institutioneller Zwang überwiegen, ist das allgemeine Feld des Geldes, Bankwesens und der Finanzwelt, welches den Hauptfokus dieses Buches ausmacht. Obwohl beide Gebiete sehr wichtig sind, und es daher dringend ist, dass beide theoretisch untersucht werden, um die notwendigen Reformen ein- und durchzuführen, ist die theoretische Analyse des institutionellen Zwangs und der Gewährung von Privilegien auf dem Arbeitsmarkt eindeutig weniger komplex. Als eine Folge hat sich das von der theoretischen Analyse des Arbeitsmarktes hervorgerufene Bewusstsein sehr schnell verbreitet und alle Ebenen der Gesellschaft sehr tief durchdrungen. Die diesbezüglichen Theorien sind detailliert ausgearbeitet worden und es wurde sogar ein breiter gesellschaftlicher Konsens bezüglich der Notwendigkeit und Richtung der Reformen erreicht. Demgegenüber bleibt in der Sphäre des Geldes, des Bankkredits und der Finanzmärkte eine anspruchsvolle Herausforderung für die Theoretiker und ein Mysterium für die meisten Bürger bestehen. Die sozialen Beziehungen, in welchen Geld direkt oder indirekt involviert ist, sind bei weitem die abstraktesten und am schwierigsten zu verstehenden sozialen Beziehungen. Als ein Folge ist das darauf bezogene Wissen das umfassendste, komplexeste und am schwersten zu erfassende Wissen. Aus diesem Grund ist der systematische durch den Staat und die Zentralbanken in diesem Bereich ausgeübte Zwang der abträglichste und verderblichste.1 Weiterhin hat die 1 „Das funktionierende Geld- und Kreditsystem ist jedoch zusammen mit Sprache und Moral eine jener spontanen Ordnungen, die allen Bemühungen um zureichende theoretische Erklärung am beharrlichsten widerstanden, und nach wie vor Thema tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten unter Kennern der Materie. . . . Vielmehr wird in die Selektionsprozesse hier mehr als irgendwo sonst eingegriffen: Selektion durch Evolution wird durch Staatsmonopole verhindert, die wettbewerbliches Experimentieren unmöglich machen . . . Die Geschichte staatlichen Umganges mit Geld ist, mit Ausnahme einiger kurzer glücklicher Perioden, eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug. In dieser Hinsicht haben sich Regierungen als weit unmoralischer erweisen, als es je eine privatrechtliche Körperschaft hätte sein können, die im Wettbewerb mit anderen eigene Arten von Geld auf den
3
unzureichende Formulierung der Geld- und Banktheorie die Entwicklung der Weltwirtschaft negativ beeinflusst. Dies wird durch die Tatsache offensichtlich, dass moderne Vokswirtschaften trotz theoretischer Fortschritte und der Bemühungen der Regierungen sich immer noch nicht von den wiederkehrenden Aufschwüngen und Rezessionen befreien konnten. Erst vor ein paar Jahren wurde trotz aller Opfer, die zur Stabilisierung der westlichen Volkswirtschaften im Gefolge der Krise der 1970er Jahre erbracht wurden, die Banken- und Finanzwelt wieder von den gleichen unbesonnenen Fehlern geplagt. Als eine Folge markierte der Beginn der 1990er Jahre das unvermeidbare Erscheinen einer neuen weltweiten wirtschaftlichen Rezession von beachtlicher Härte und der westliche Welt ist es erst vor kurzem gelungen, sich von ihr zu erholen.2 Und vor kurzem (im Sommer 1997) verwüstete einmal mehr eine akute Finanzkrise die Hauptmärkte Asiens, und drohte sich auf den Rest der Welt auszubreiten. Ein paar Jahr später (seit 2001) rutschten die drei wirtschaftlichen Hauptzonen der Welt (die Vereinigten Staaten, Europa und Japan) gleichzeitig in eine Rezession ab. Die Zweck der ökonomischen Analyse des Rechts und der Regulierungen ist es zu untersuchen, welche Rolle letztere in spontanen Prozess der sozialen Interaktion spielen. Unsere ökonomische Analyse des monetären Bankdepositenvertrages wird die Ergebnisse enthüllen, welche die Anwendung der traditionellen Rechtsprinzipien (einschließlich einer 100-prozentigen Reservepflicht) auf den monetären irregulären Depositenvertrag hat. Gleichzeitig wird sie Licht auf die zerstörerischen, unvorhergesehenen Konsequenzen werfen, welche aus der Verletzung dieser Prinzipien folgen, indem Bankiers erlaubt wurde, im eigenen Interesse die Sichteinlagen zu nutzen. Bis heute sind diese Effekt im großen und ganzen nicht beachtet worden. Wir werden nun sehen, wie der Gebrauch der Sichteinlagen, es den Bankiers möglich macht, Bankdepositen (d.h. Geld) und im Gegenzug Darlehen (Kaufkraft, welche den Darlehensnehmern, sei es Geschäftleuten oder Konsumenten, transferiert wird) aus dem Nicht zu schaffen. Diese Markt bringt“. (Hayek, Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus, S. 110-112 [Hayek, The Fatal Conceit, S. 102-04]). 2 Es ist auch interessant zu notieren, dass die Geld- und Finanzexzesse, welche diese Krise hervorriefen, hauptsächlich auf die Politik zurückzuführen ist, welche in den späten 1980er Jahren von den angeblich neoliberalen Regierungen der Vereinigten Staaten und der Vereinigten Königreiches angewandt wurde. So hat beispielsweise Margaret Thatcher jüngst zugegeben, dass das Hauptwirtschaftsproblem ihrer Regierungszeit „on the ´demand side´as money and credit expanded too rapidly and sent the prices of assets soaring“ ihren Ursprung hatte. Vgl. Margaret Thatcher, The Downing Street Years (New York: HarperCollins, 1993), S. 668. Ferner folgte das Vereinigte Königreich in dem Bereich des Geldes und des Kredits lediglich dem verantwortungslosen Prozess, welche in den Vereinigten Staaten während Reagans zweiter Regierungszeit initiiert worden war. Falls dies überhaupt möglich ist, so verdeutlichen diese Ereignisse noch eindringlicher die Wichtigkeit der Weiterentwicklung der Theorie, um andere politisch Verantwortliche (sogar solche mit marktwirtschaftlichen Ansichten) von den gleichen Fehlern, wie sie Reagan und Thatcher begingen, abzuhalten und es ihnen zu erlauben, die Art von Geldund Bankensystem klar zu identifizieren, welche für eine freie Gesellschaft angemessen ist; ein Punkt, bei dem viele Vertreter eines laissez-faire noch merklich unsicher sind.
4
Depositen und Darlehen resultieren nicht von einem realen Anstieg in den freiwilligen Ersparnissen der sozialen Agenten. In diesem Kapitel werden wir uns auf die Untermauerung dieser Behauptung sowie einige ihrer Implikationen konzentrieren und in folgenden Kapiteln werden wir die ökonomischen Effekte der Kreditausweitung studieren (die Analyse der wirtschaftlichen Krisen und Rezessionen). Um dem Vorgehen der ersten Kapitel zu folgen, werden wir zunächst Effekt aus einer ökonomischen und buchhalterischen Sicht im Falle des Darlehens- oder Mutuumsvertrages betrachten. Auf diese Weise werden wir durch Vergleich besser die ökonomischen Effekte des essentiell verschiedenen monetären Bankdepositenvertrages verstehen können. 2 DIE ROLLE DER BANKE ALS EIN WAHRHAFTIGER INTERMEDIÄR BEIM DARLEHENSVERTRAG Zunächst werden wir annehmen, dass ein Bankier von einem Kunden ein Darlehen in Höhe von 1.000.000 Geldeinheiten (GE) erhält. Es besteht ein echter rechtlicher Darlehensvertrag, welcher vorschreibt, dass der Kunde die Verfügbarkeit von 1.000.000 GE in Form von Gegenwartsgütern (Geld), welche er hätte ausgegeben oder für sich behalten können, aufgibt, und dass er dieses für eine Zeitperiode oder eine Laufzeit (das essentielle Element jedes Darlehensvertrages) von einem Jahr tut. Im Austausch für diese Gegenwartsgüter verpflichtet sich der Bankier, nach einem Jahr eine größere Quantität, als er ursprünglich erhalten hatte, zurückzugeben. Wenn der vereinbarte Zinssatz 10 Prozent ist, dann wird der Bankier am Ende des Jahres 1.100.000 Geldeinheiten zurückgeben müssen. Der folgende Buchungseintrag wird, wenn das Darlehen erhalten wird, vorgenommen: (1)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000 GE Bargeld
Darlehen erhalten
(Zugang beim Kassenguthaben
(Zuwachs bei den Verbindlichkeiten)
1.000.000 GE
der Bank) _____________________________
_____________________________ 5
Aus ökonomischer Sicht beinhaltet dieser Vertrag eindeutig einen einfachen Austausch von Gegenwartsgütern (deren Verfügbarkeit vom Darlehensgeber auf die Bank übertragen wird) gegen Zukunftsgüter (welche Bank A sich einverstanden erklärt hat, dem Darlehensgeber am Endes des einen Jahres zu übergeben). Daher gibt es aus monetärer Sicht keine Veränderung. Eine gewisse Anzahl an Geldeinheiten hört auf, für den Darlehensgeber verfügbar zu sein und wird der Bank (für eine vorher bestimmte Zeitperiode) verfügbar. Der Transfer der 1.000.000 GE findet ohne eine Veränderung in der Gesamtsumme der vorher existenten Geldeinheiten statt. Wir könnten den Eintrag (1) als die Grundbuchung ansehen, welche am Tag des Vertragsabschlusses und der Übergabe der 1.000.000 Geldeinheiten vom Darlehensgeber an die Bank vom Darlehensgeber vorgenommen wird. Wir könnten ihn auch als die Bilanz von Bank A ansehen, welche unmittelbar nach der Transaktion abgeschlossen wird, wobei auf der linken Seite (der Vermögensseite) 1.000.000. GE im Kassenguthaben stehen und auf der rechten Seite (Verbindlichkeitsseite) die gegenüber dem Darlehensgeber eingegangene Schuld in Höhe von 1.000.000 GE. Wir werden nun auch noch annehmen, dass Bank A diese Operation durchführt, weil ihre Manager planen im Gegenzug ein Darlehen von 1.000.000. an Unternehmen Z zu geben, welches dringend Geld benötigt, um seine Geschäfte zu finanzieren und bereit ist, 10 Prozent Zinsen pro Jahr auf das Darlehen von 1.000.000 von Bank A zu zahlen.3 Wenn Bank A das Geld an Unternehmen Z leiht, wird in Bank As Grundbuch ein Eintrag vorgenommen, um den Abfluss von 1.000.000 GE aus der Kasse und die Schulden von Unternehmen Z an die Bank zu reflektieren, wobei der originäre Barvermögenswert ersetzt wird. Der Eintrag ist wie folgt:
3 Wir hätten genau so gut annehmen können, dass Bank A das Geld benutzt hätte, um einen Konsumentendarlehen oder auch kurzfristige Handelskredite zu gewähren, wie es geschieht, wenn Wechsel drei, fünf, neun oder zwölf Monate vor Fälligkeit diskontiert werden. Die Betrachtung dieser Benutzung ist für unsere Analyse jedoch irrelevant.
6
(2)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000 GE Darlehen gewährt
Bargeld
(Konto der Schuldner)
(Abfluss aus dem Kassenguthaben)
_____________________________
_____________________________
1.000.000 GE
In diesem Fall agiert Bank A eindeutig als ein echter Finanzintermediär. Ihre Manager erkennen und nutzen eine Geschäftsmöglichkeit.4 In der Tat sehen sie eine Gewinnchance, weil sich an einer Stelle des Marktes ein Darlehensgeber befindet, der bereit ist, ihnen Geld zu einem Zinssatz von 10 Prozent zu leihen, und an einer anderen Stelle Unternehmen Z bereit ist, ein Darlehen zu 18 Prozent aufzunehmen, was zu einer Gewinndifferenz von 5 Prozent führt. Mithin agiert die Bank als ein Intermediär zwischen dem ursprünglichen Darlehensgeber und Unternehmen Z. Ihre soziale Funktion besteht genau in dem Erkennen des existierenden Missverhältnisses oder des Koordinationsmangels (der ursprüngliche Darlehensgeber wollte sein Geld verleihen, konnte aber keinen kreditwürdigen Darlehensnehmer finden, der bereit war, es entgegen zu nehmen, während Unternehmen Z dringend ein Darlehen von 1.000.000 GE benötigte und seine Manager nicht wussten, wo ein geeigneter Darlehensgeber zu finden war). Indem die Bank von dem einen ein Darlehen erhält und dem anderen ein Darlehen gewährt, befriedigt sie die subjektiven Bedürfnisse von beiden und erzielt einen reinen unternehmerischen Gewinn in der Form des Zinsdifferentials von 5 Prozent. Am Ende des Jahres wird Unternehmen Z die 1.000.000 GE an Bank A zusammen mit den vereinbarten 15 Prozent Zinsen zurückgeben. Die Einträge sind wie folgt:
4 Zur Essenz der unternehmerischen Funktion, welche in der Entdeckung und Nutzung von Gewinnmöglichkeiten besteht und zu dem resultierenden reinen unternehmerischen Gewinn, vgl. Kapitel 2 von Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, S. 41-86.
7
(3)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Darlehen gewährt
Bargeld
1.000.000
(Tilgung) _____________________________
_____________________________
150.000
Zinsen erhalten von
Bargeld
Unternehmen Z (Jahreseinnahmen) _____________________________
150.000.
_____________________________
Gleich darauf muss Bank A im Gegenzug den Vertrag in Ehren halten, den sie mit dem ursprünglichen Darlehensgeber abgeschlossen hat und ihm die 1.000.000 GE zurückgeben, welche die Manager zusammen mit den 10 Prozent Zinsen versprochen haben, zu zahlen. Die Einträge sind wie folgt: (4)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Bargeld
Darlehen erhalten
1.000.000
(Tilgung) _____________________________
_____________________________
100.000
Bargeld
Zinszahlung
100.000
(Jahresausgaben) _____________________________
_____________________________ 8
In anderen Worten tilgt die Bank das Darlehen, erfasst den Abfluss aus ihrem Kassenguthaben der 1.000.000 GE, welche sie zuvor von Unternehmen Z erhalten hat, und addiert dazu die Summe von 100.000 GE (welche sie auch dem Kassenguthaben anlastet) an vereinbarten Zinsen, die sie dem ursprünglichen Darlehensgeber zahlt. In der Gewinn- und Verlustrechnung der Bank sind diese Zinsen als Kosten in der Form von im Laufe des Jahres geleisteten Zinszahlungen erfasst. Nach diesen Einträgen würde die Gewinn- und Verlustrechnung der Bank wie folgt aussehen: (5)
Bank A Gewinn- und Verlustrechnung (Für das Beispielsjahr)
Aufwand (Soll)
Ertrag (Haben)
_____________________________
_____________________________
Gezahlte Zinsen
100.000
Erhaltene Zinsen
Jahresüberschuss
50.000
150.000
_____________________________
_____________________________
Summe Soll
Summe Haben
150.000
150.000
Diese Gewinn- und Verlustrechnung reflektieren den unternehmerischen Jahresgewinn von 50.000 GE; ein Jahresüberschuss, der in der Differenz zwischen den Jahreserträgen (150.000 GE in erhaltenen Zinsen) und Jahresaufwendungen (100.000 GE in gezahlten Zinsen) seinen Ursprung hat. Am Jahresende würde die Bilanz von Bank A wie folgt aussehen:
9
(6)
Bank A Bilanz (Jahresende) Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
Eigenkapital
50.000
50.000
(Jahresüberschuss) _____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
50.000
50.000
Wenn wir auf die Bilanz am Jahresende schauen, sehen wir, dass die Aktiva der Bank als Kassenguthaben verfügbar die 50.000 GE umfassen, welche mit dem Jahresüberschuss korrespondieren und bei den Passiva unter Eigenkapital (Stammvermögen und Bilanzgewinne) gebucht sind. Die folgenden Punkte rekapitulieren unsere Beschreibung der Bankaktivität basierend auf dem Aufnehmen und Gewähren eines Darlehens oder Mutuums in Buchhaltungsbegriffen: erstens gibt der ursprüngliche Darlehensgeber für ein Jahr die Verfügbarkeit von 1.000.000 GE Gegenwartsgüter auf; zweitens wurde die Verfügbarkeit des Geldes für genau den gleichen Zeitraum auf Bank A übertragen; drittens entdeckte Bank A eine Gewinnmöglichkeit, weil ihre Manager einen Darlehensnehmer, Unternehmen Z, kannten, welcher bereit war, einen höheren Zinssatz zu zahlen als derjenige, den die Bank sich zu zahlen verpflichtet hatte; viertens gewährte die Bank ein Darlehen an das Unternehmen Z und übergab daraufhin die Verfügbarkeit von 1.000.000 GE für ein Jahr; fünftens erhielt das Unternehmen Z die Verfügbarkeit von 1.000.000 GE für ein Jahr, um seine Geschäfte expandieren zu können; sechstens veränderte sich daher für den Zeitraum des einen Jahres die Anzahl der GE nicht, weil sie einfach vom ursprünglichen Darlehensgeber an das Unternehmen Z via des Intermediärs – Bank A – transferiert wurden; siebtens erwirtschaftete Unternehmen Z durch seine Aktivitäten einen Gewinn, der es ihm ermöglichte, eine Zinszahlung von 150.000 GE zu leisten (diese 150.000 GE repräsentieren keine Geldschaffung, sondern sind durch die Verkäufe und Käufe von Unternehmen Z bedingt); achtens 1
gab Unternehmen Z am Ende des Jahres 1.000.000 GE an Bank A zurück und Bank A zahlte dieselbe Summe zurück an den ursprünglichen Darlehensgeber zusammen mit 100.000 GE Zinsen; neuntens erwirtschaftete als eine Folge Bank A einen unternehmerischen Gewinn von 50.000 GE (die Differenz zwischen den Zinsen, welche der ursprüngliche Darlehensgeber zahlte und welche sie von Unternehmen Z erhielt), einen reinen unternehmerischen Gewinn, welcher aus ihrer legitimen Geschäftsaktivität als Intermediär resultierte. Logischerweise hätte sich Bank A in ihrer Wahl von Unternehmen Z auch irren können. Sie hätte das beinhaltete Risiko oder die Fähigkeit von Unternehmen Z das Darlehen zu tilgen und Zinsen zu Zahlen falsch einschätzen können. Mithin hängt der Erfolg der Aktivität der Bank in diesem Falle nicht nur vom erfolgreichen Abschluss der Operation mit Unternehmen Z ab, sondern auch davon, dass ihre eigene Verpflichtung (dem ursprünglichen Darlehensgeber die 1.000.000 GE plus Zinsen zurückzugeben) erst nachdem Unternehmen Z das Darlehen zusammen mit den 15 Prozent Zinsen der Bank zurückzahlt, fällig wird. Auf diese Weise kann die Bank ihre Solvenz aufrecht erhalten und unglückliche Vorfälle vermeiden. Nichtsdestoweniger können Banken wie jede andere Unternehmung auch unternehmerische Fehler begehen. Beispielsweise könnte es Unternehmen Z unmöglich sein, den der Bank geschuldeten Betrag zurückzuzahlen, oder das Unternehmen könnte sogar seine Zahlungen einstellen oder bankrott gehen, was dann Bank A insolvent machen würde, weil sie unfähig wären, das Darlehen zurückzuzahlen, welche sie vom ursprünglichen Darlehensgeber erhalten hatte. Indes ist dieses Risiko in keiner Weise von dem allen Unternehmungen inhärenten Risiko verschieden und es kann relativ einfach durch Umsicht und Bedächtigkeit in den Geschäftsaktivitäten der Bank verringert werden. Desweiteren bleibt die Bank für die Operationsdauer (während des Jahres) völlig solvent und hat keine Liquiditätsprobleme, weil sie keine Verpflichtung zu Bargeldzahlungen hat, solange der Darlehensvertrag mit dem ursprünglichen Darlehensgeber in Kraft bleibt.5 3 DIE ROLLE DER BANK BEIM MONETÄREN 5 Murray N. Rothbard schreibt in Bezug auf die Rolle der Banken als echte Intermediäre zwischen originären Darlehensgebern und den endgültigen Darlehensnehmern: [t]he bank is expert on where its loans should be made and to whom, and reaps the reward of this service. Note that there has still been no inflationary action by the loan bank. No matter how large it grows, it is still only tapping savings from the existing money stock and lending that money to others. If the bank makes unsound loans and goes bankrupt, then, as in any kind of insolvency, its shareholders and creditors will suffer losses. This sort of bankruptcy is little different from any other: unwise management or poor entrepreneurship will have caused harm to owners and creditors. Factors, investment banks, finance companies, and money-lenders are just some of the institutions that have engaged in loan banking. (Murry N. Rothbard, The Mystery of Banking [New York: Richardson and Snyder, 1983], S. 84-85).
1
BANKDEPOSITENVERTRAG Die
ökonomischen
Tatbestände
und
Bilanzierungspraktiken
beim
monetären
Bankdepositenvertrag unterscheiden sich substantiell von denjenigen im vorangehenden Abschnitt, dem Darlehen oder Mutuum. (Wir haben uns zunächst den Darlehensvertrag vorgenommen, um die grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Verträgen durch den Vergleich besser illustrieren zu können.) Im Falle eines regulären (oder versiegelten) Depositums einer bestimmten Anzahl von eindeutig und individuell markierten Geldeinheiten, braucht die das Depositum empfangende Person überhaupt nichts unter Aktiva oder Passiva zu erfassen, weil keine Übertragung von Eigentum statt gefunden hat. Jedoch repräsentiert, wie unser Studium der rechtlichen Grundlage des irregulären (oder offenen) Depositenvertragen enthüllt hat, dieser zweite Vertrag ein Depositum von fungiblen Gütern, bei denen es unmöglich ist, zwischen den individuellen deponierten Einheiten zu unterscheiden und daher in einem gewissen Sinne eine Übertragung des „Eigentums“ stattfindet. Es liegt eine Übertragung vor, da in einem strikten Sinne der Depositar nicht verpflichtet ist, genau dieselben Einheiten, die er erhalten hat, zurückzugeben (was auch durch die Schwierigkeit der genauen Identifizierung der entgegen genommenen Einheiten des fungiblen Gutes unmöglich wäre), sondern andere der gleichen Quantität und Qualität (das tantundem). Nichtsdestoweniger wird, obwohl eine Eigentumsübertragung stattfinden könnte, die Verfügbarkeit nicht an den Depositar übertragen, weil dieser beim irregulären Depositenvertrag verpflichtet ist, beständig das tantundem des Depositum sicher aufzubewahren und er daher immer für den Deponenten Einheiten der gleichen Quantität und Qualität wie die ursprünglich deponierten verfügbar halten muss (obgleich sie nicht dieselben spezifischen Einheiten sein müssen). Daher liegt die einzige Rechtfertigung, die ein Depositar dafür hat, einen Depositenvertrag in seiner Buchhaltung aufzuführen, in der Eigentumsübertragung begründet, die das depositum irregulare mit sich bringt; indes ist es wichtig hervorzuheben, dass angesichts des extrem engen Sinnes, in dem eine Eigentumsübertragung vorliegt (so ist von einer Übertragung der Verfügbarkeit nicht zu reden), diese Information höchstens in reinen „Notizbüchern“ aus reinen Informationszwecken erfasst werden. Wir werden jetzt in unser Vorstellung durch die Zeit bis in die Frühzeit des Teildeckungsbankwesens zurück reisen und uns vorstellen, dass ein Deponent, Herr X, sich entschließt, 1.000.000 GE in der Bank A zu deponieren (oder auch – falls dies vorgezogen wird – dass irgendeine Person heute sich entschließt, ein Bankkonto zu eröffnen und bei einer Bank 1
1.000.000 GE zu deponieren). Dieser zweite Fall beinhaltet einen echten Depositenvertrag, obschon ein irregulärer angesichts der fungiblen Natur des Geldes. In anderen Worten die grundlegende Ursache oder Zweck des Depositenvertrages ist der Wunsch von Deponent X, dass Bank A die 1.000.000 GE für ihn sicher aufbewahrt. Herr X glaubt, dass er trotz der Eröffnung des Bankkontos die unmittelbare Verfügbarkeit der 1.000.000 GE behält und sie jederzeit für jeden Nutzen, der ihm vorschwebt, abziehen kann, weil er eine „Sichteinlage“ vorgenommen hat. Aus ökonomischer Sicht sind die 1.000.000 GE dem Herrn X in Gänze jederzeit verfügbar und tragen mithin zu seinem Geldvorrat bei: das heißt, dass, obwohl die Geldeinheiten in der Bank A deponiert wurden, sie aus subjektiver Sicht dem Herrn X genauso verfügbar bleiben, als wenn er sie in seiner Geldbörse trüge. Die korrespondierenden Einträge zu diesem depositum irregulare sind wie folgt: (7)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Sichteinlagen
Bargeld
1.000.000
(vorgenommen von Herrn X) _____________________________
_____________________________
(Dies sollte ein reiner Notizbucheintrag sein) Wir sehen, dass, obwohl Bank A das Recht hat, diesen Buchungseintrag vorzunehmen ( zumal sie der Eigentümer der Geldeinheiten wird und sie in ihren Tresoren aufbewahrt ohne sie von anderen zu trennen), die Referenzeinträge nur die Informations- oder Notizbücher beeinflussen sollten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass, obwohl das Eigentum der Geldeinheiten der Bank übertragen worden ist, dieses nicht in Gänze transferiert wurde, sondern ganz und gar eingeschränkt bleibt in dem Sinne, dass Deponent X noch immer die volle Verfügbarkeit der Geldeinheiten inne hat. Abgesehen von dieser letzten Beobachtung ist bis jetzt nichts ungewöhnliches aus ökonomischer oder buchhalterischer Sicht vorgefallen. Ein Herr X hat ein depositum irregulare von Geld bei der Bank A vorgenommen. Bis jetzt hat dieser Vertrag nicht zu einer Änderung der existierenden Geldmenge geführt, die weiterhin 1.000.000 Geldeinheiten ist und Herrn X verfügbar bleibt, der sie zu seiner eigenen Annehmlichkeit in der Bank A deponiert hat. Vielleicht ist die Deponierung des Geldes bequem für Herrn X, weil er wünscht, dass sein Geld besser aufbewahrt wird, die Gefahren vermieden werden, die das Geld in seinem eigenen Haus ausgesetzt wäre 1
(Diebstahl und Verlust), und er Dienstleistungen bei der Kassenführung und dem Zahlungsverkehr von der Bank erhält. Auf dieses Weise vermeidet Herr X, das Geld in seiner Geldbörse tragen zu müssen, kann einfach Zahlungen vornehmen, indem er eine Summe auf einen Scheck schreibt und die Bank instruieren, jeden Monat ihm einen Auszug aller durchgeführten Operationen zu schicken. Diese Bankdienstleistungen sind alle sehr wertvoll und rechtfertigen die Entscheidung von Herrn X sein Geld in der Bank A zu deponieren. Desweiteren ist es vollkommen berechtigt dem Deponenten diese Dienstleistungen zu berechnen. Wir werden nun annehmen, dass der vereinbarte Preis für die Dienstleistungen 3 Prozent der deponierten Menge pro Jahr ist (die Bank könnte auch einen Festpreis ohne Bezug zur deponierten Menge berechnen, aber zu Illustrationszwecken werden wir annehmen, dass die Dienstleistungskosten von dem ganzen deponierten Betrag abhängen); mit dieser Summe kann die Bank ihre Betriebskosten decken und auch eine kleine Gewinnmarge realisieren. Wir nehmen an, dass die Betriebskosten 2 Prozent der deponierten Geldmenge betrage, und die Bank einen Gewinn von 1 Prozent pro Jahr, oder 10.000 GE erzielen wird. Falls Herr X seine jährliche Gebühr (30.000) in Bar bezahlt, würden die folgenden Buchungseinträge aus den oben erwähnten Leistungen resultieren: (8)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
30.000 Bargeld
Einnahmen von Kunde X als Zahlung für Dienstleistungen
30.000
_____________________________
_____________________________
20.000 Betriebskosten, welche die
Bargeld
20.000
Bank zahlt, um ihrer Dienstleistungen anzubieten _____________________________
_____________________________
Am Jahresende würden die Gewinn- und Verlustrechnung und die Bilanz von Bank A wie folgt aussehen:
1
(9)
Bank A Gewinn- und Verlustrechnung (Für das Beispielsjahr)
Aufwand (Soll)
Ertrag (Haben)
_____________________________
_____________________________
Betriebskosten
20.000
Einkommen aus
Jahresüberschuss
10.000
Dienstleistungen
30.000
_____________________________
_____________________________
Summe Soll
Summe Haben
30.000
_____________________________
30.000
_____________________________ Bilanz (Jahresende)
Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
Eigenkapital
1.010.000
10.000
(Jahresüberschuss) Sichteinlagen
1.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.010.000
_____________________________
1.010.000
_____________________________
Wie wir sehen können, enthalten die ökonomischen Vorgänge oder Bilanzierungspraktiken, welche aus dem monetären irregulären Depositenvertrag resultieren, nicht ungewöhnliches oder überraschendes. Die Bank hat einen kleinen, legitimen Gewinn erwirtschaftet, welcher in ihrer Rolle als Anbieter von Dienstleistungen begründet ist, welche vom Kunden mit 30.000 GE bewertet wurden. Desweiteren gab es keine Veränderung der Geldmenge und nach allen Transaktionen ist das Kassenguthaben der Bank nur um 10.000 GE angestiegen. Dieser Betrag korrespondiert mit 1
dem reinen unternehmerischen Gewinn, welchen die Bank durch die Differenz zwischen den Preisen, welche der Kunde für die Dienstleistungen bezahlt (30.000 GE), und den Betriebskosten ihrer Bereitstellung (20.000 GE) erzielt. Schließlich braucht der Deponent - angesichts der Tatsache, dass er glaubt, dass das von ihm in Bank A deponierte Geld ständig ihm verfügbar ist, und dieses für ihn eine Situation darstellt, welche er der Situation als gleich oder besser empfindet, in der er das Geld in seiner eigenen Geldbörse oder zu Hause aufbewahrt – keine zusätzliches Entgelt nachzufragen, so wie es beim radikal verschiedenen Darlehensvertrag der Fall ist. Der Darlehensvertrag erfordert vom Darlehensgeber die Verfügbarkeit über 1.000.000 GE von Gegenwartsgütern aufzugeben (in anderen Worten: zu leihen) und die Verfügbarkeit auf den Darlehensnehmer - im Austausch für die korrespondierenden Zinsen und die Tilgung der Schuld ein Jahr später – zu übertragen. 6 4 DIE DURCH DIE NUTZUNG DER SICHTEINLAGEN DURCH DIE BANKEN HERVORGERUFENEN EFFEKTE: DER FALL EINER EINZELNEN BANK Nichtsdestoweniger sahen wir im zweiten Kapitel, dass Bankiers bald dazu verleitet wurden, die traditionellen Verhaltensregeln zu verletzen, welche erfordern, dass sie das tantundem der irregulären Gelddepositen beständig den Deponenten verfügbar halten und sie schließlich zumindest einen Teil der Sichteinlagen für ihren eigenen Gewinn nutzten. Im dritten Kapitel berichteten wir von Saravia de la Calles Kommentaren hinsichtlich dieser menschlichen Versuchung. An dieser Stelle müssen wir betonen, wie - angesichts der gewaltigen Gewinne, die aus ihrem Nachgegeben resultieren - unermesslich und beinahe unwiderstehlich diese Versuchung ist. Als die ersten Bankiers das Geld ihrer Deponenten zu nutzen begannen, geschah dies so beschämt und im Geheimen, wie wir es im zweiten Kapitel bei der Analyse von verschiedenen historischen Fällen gezeigt haben. Erst später, nach vielen Jahrhunderten und Wechselhaftigkeiten waren die Bankiers mit ihrem Ziel erfolgreich, ganz offen und legal die traditionellen Rechtsprinzipien verletzen zu können, weil sie zu ihrer Freude die Regierungsprivilegien, die zum Nutzen des Deponentengeldes erforderlich sind, erhielten (die Nutzung erfolgte im Allgemeinen
6
Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, (1924, S. 272) bietet diese Erklärung an: „Darum schätzt er auch die Forderung, welche er im Austausch für die Geldsummer erhält, nicht anders ab, ob er sie früher, später oder überhaupt niemals einzieht, und nur darum kann er, ohne sein wirtschaftlichen Interessen zu schädigen, derartige Forderungen gegen die Hingabe von Geld erwerben, ohne eine Vergütung für eine aus einer – eben nicht verhandenen – Zeitdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung herrührende Wertungleichheit zu fordern.“
1
durch die Gewährung von Darlehen, welche anfangs den Regierungen selbst zu kamen.)7 Wir werden nun die Art betrachten, mit der die Bankiers die Aneignung der Sichteinlagen in ihren Büchern buchhalterisch erfassen. Unsere Studie beginnt mit dem Fall einer einzelnen Bank und wird später auf das Bankensystem als Ganzes ausgedehnt. DIE KONTINENTALE BILANZIERUNG Zwei Bilanzierungsysteme, das kontinentale und das angelsächsische, sind traditionell dazu verwendet worden, die von uns studierten Phänomene zu dokumentieren. Das kontinentale System basiert auf der falschen Ansicht, dass der irreguläre Depositenvertrag für den Deponenten ein echter Depositenvertrag, jedoch für den Bankier ein Darlehens- oder Mutuumsvertrag ist. In diesem Falle macht Herr X eine „Sichteinlage“ von 1.000.000 GE in der Bank A und Bank A nimmt das Geld nicht als Depositum entgegen, sondern als Darlehen zum freien Gebrauch unter der Annahme, dass der Deponent sich weder dieses Gebrauchs bewusst ist, noch dass er durch ihn betroffen ist. Weiterhin geht die Bank, derweil sie nur einen Teil der Depositen als Sicherheitsreserve verfügbar hält, davon aus, dass sie den Wünschen der Deponenten auf Abhebung entsprechen kann. Diese Erwartungen sind besonders überzeugend angesichts der Tatsache, dass unter normalen Umständen es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Kunden versuchten werden, einen Betrag abzuziehen, der die Sicherheitsmarge oder die Reservedeckung übersteigt. Die Erfahrung scheint dies zu bestätigen und das Vertrauen, welche die Bank über die Jahre hin durch das ordnungsgemäße Verwahren der Kundendepositen erworben hat, trägt zu der Unwahrscheinlichkeit einer derartig misslichen Lage ebenso wie die ausgleichende Eröffnung neuer Depositen bei. Wenn wir annehmen, dass der 7 Stephen Horwitz behauptet, dass die Entwendung des Deponentengeldes durch die Bankiers als „an act of true entrepreneurship as the imaginative powers of individual bankers recognized the gains to be made through financial intermediation“ begann. Aus den im Haupttext gegebenen Gründen sehen wir diese Aussage als äußerst gefährlich an. Weiterhin findet, wie wir sehen werden, bei der Aneignung der Sichteinlagen keine Finanzintermediation statt. Bei dem angeblich „lobenswerten“ Akt der „unternehmerischen Kreativität“ sehen wir nicht, wie dieser überhaupt von dem „kreativen Unternehmertum“ einer jeden kriminellen Handlung unterschieden werden könnte, bei der die Vorstellungskraft des Verbrechers diesen zu der „unternehmerischen Entdeckung“ führt, dass er durch den Betrug anderer oder durch die gewaltsame Entwendung ihrer Eigentum einen Nutzen hat. Vgl. Stephen Horwitz, Monetary Evolution, Free Banking, and Economic Order (Oxford und San Francisco: Westview Press, 1992), S. 117. Vgl. zudem Geral P. O´Driscoll, „An Evolutionary Approach to Banking and Money,“ Kapitel 6 in Hayek, Co-ordination and Evolution: His Legacy in Philosophy, hrsg. von Jack Birner und Rudy van Zijp (London: Routledge, 1994), S. 126-37. Vielleicht war Murray N. Rothbard der heftigste und am besten verständlichste Kritiker der Horwitzschen These. Rothbard schreibt: [a]ll men are subject to the temptation to commit theft or fraud. . . . Short of this thievery, the warehouseman is subject to a more subtle form of the same temptation: to steal or „borrow“ the valuables „temporarily“ and to profit by speculation or whatever, returning the valuables before they are redeemed so that no one will be the wiser. This form of theft is known as embezzlement, which the dictionary defines as „appropriating fraudulently to one´s own use, as money or property entrusted to one´s care.”” (Rothbard, The Mystery of Banking, S. 90) Für weitere Ausführungen zur Begründung, warum obiges Verhalten rechtlich als ein krimineller Akt der Veruntreuung klassifiziert werden sollte, vgl. Kapitel 1.
1
Bankier eine 10-prozentige Sicherheitsreserve (auch genannt „Reservekoeffizient“) als ausreichend erachtet, um mögliche Wünsche von Depositenabzügen zu befriedigen, dann wären die anderen 90 Prozent der Sichteinlagen, oder 900.000 GE ihm verfügbar, um sie zu seinem eigenen Gewinn zu nutzen. Unter Verwendung des europäischen Buchhaltunssystems würde dieses ökonomische Ereignis auf folgende Art repräsentiert werden:8 Wenn Herr X die Sichteinlage deponiert, wird eine Buchung identisch mit der Nummer (7) vorgenommen. Jedoch kann diese dieses Mal nicht als ein Notizbucheintrag betrachtet werden. (10)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Sichteinlagen
Bargeld
1.000.000
(vorgenommen von Herrn X) _____________________________
_____________________________
Sobald die Bank der Versuchung nachgegeben hat, sich den Großteil des tantundems (welches sie dem Deponenten in Bar verfügbar halten sollte) anzueignen, wird die folgende Buchung vorgenommen:
(11)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
900.000
Bargeld
Darlehen an Z
_____________________________
900.000
_____________________________
In dem Augenblick in dem sich der Banker des Geldes bemächtigt und es an Z leiht, 8 Die Beschreibung der verschiedenen Bilanzierungssysteme (das Englische und das Kontinentale) und wie sie letztlich die identischen wirtschaftlichen Folgen hervorbringen, kann in F. A. Hayek, Geldtheorie und Konjunkturtheorie (Salzburg: Wolfgang Neugebauer, 2. erw. Aufl., 1976), S. 85 ff. gefunden werden.
1
geschieht ein ökonomisches Ereignis von höchster Wichtigkeit: 900.000 GE werde ex nihilo bzw. aus dem Nichts geschaffen. In der Tat war das grundlegende Motiv von Herrn X bei der Deponierung der Sichteinlagen von 1.000.000 GE die Bewachung und sichere Aufbewahrung des Geldes und er glaubt aus gutem Grunde subjektiv, dass er die vollständige Verfügbarkeit des Geldes behält, genauso verfügbar, als wenn er es in seiner Gedlbörse gehabt hätte und in einem gewissen Sinne sogar besser. Eigentlich hat Herr X noch 1.000.000 GE in Bar, so als ob das Geld physisch „in seinem Besitz“ wäre, da es nach dem von ihm abgeschlossenen Vertrag ihm vollständig verfügbar ist. Aus ökonomischer Sicht besteht kein Zweifel, dass die 1.000.000 von Herrn X in Bank A deponierten Geldeinheiten weiterhin zu seinem Geldvorrat zählen. Wenn sich jedoch die Bank der 900.000 GE aus den Depositen bemächtigt und sie an Z leiht, dann wird simultan zusätzliche Kaufkraft aus dem nichts geschaffen und an Z, den Darlehensnehmer, der die 900.000 GE erhält, transferiert. Es ist klar, dass sich Z sowohl subjektiv als auch objektiv der vollen Verfügbarkeit der 900.000 GE erfreut und zwar von dem Zeitpunkt an, in dem diese Geldeinheiten an ihn transferiert werden.9 Daher hat es einen Anstieg des im Umlauf befindlichen Geldes gegeben infolge der simultanen Überzeugung, die zwei unterschiedliche ökonomische Agenten aus gutem Grunde hatten: der eine denkt, er hätte 1.000.000 GE zu seiner Verfügung und der andere glaubt, er könnte über 900.000 GE verfügen. In anderen Worten führt die Aneignung der 900.000 GE aus den Sichteinlagen durch die Bank zu einem Anstieg in Höhe von 900.000 GE in den summierten am Markt existenten Geldbilanzen. Im Gegenteil dazu involviert der vorher behandelt Darlehens- oder Mutuumsvertrag kein solches Vorkommnis. Wir sollten zudem den Ort des im Markt existenten Geldes zum Zeitpunkt der Depositenaneignung durch den Bankier betrachten. Die Anzahl der Geldeinheiten im Markt ist eindeutig auf 1.900.000 angestiegen, obzwar dieses Einheiten in unterschiedlicher Form existieren. Wir sagen, dass es 1.900.000 GE gibt, weil die verschiedenen ökonomischen Agenten subjektiv glauben, dass sie zu ihrer Verfügung 1.900.000 GE für Tauschgeschäfte im Markt haben und weil Geld aus allen allgemein akzeptierten Tauschmitteln besteht. Nichtsdestoweniger verändert sich die Form des Geldes: Der Darlehensnehmer Z besitzt es in einer anderen Form als Herr X, der das Depositum vorgenommen hat. In der Tat verfügt Z über 900.000 physischen Geldeinheiten (welche
9 Geld ist der einzige vollkommen liquide Vermögenswert. Das Versäumnis der Bank eine 100-prozentige Reservedeckung zu erfüllen, führt zu einer ernsthaften, ökonomischen Situation, in der zwei Menschen (der originäre Deponent und der Darlehensnehmer) simultan glauben, dass sie nach Belieben dieselbe vollkommen liquide Summe von 900.000 GE benutzen können. Es ist logisch unmöglich, dass zwei Personen gleichzeitig dasselbe vollkommen liquide Gut (Geld) besitzen (oder vollständig zu ihrer Verfügung haben). Dies ist das grundlegende ökonomische Argument hinter der rechtlichen Undurchführbarkeit des irregulären Gelddepositenvertrages mit einer Teildeckung. Diese erklärt auch, dass wenn diese „rechtliche Verirrung“ (in den Worten von Clemente de Diego) durch den Staat eingeführt wird (in der Form eines der Bank gewährten Privilegs (ius privilegium)), sie die Schaffung von neuem Geld beinhaltet (900.000 GE).
1
wir Sachgeld oder, heutzutage, Papiergeld oder Zeichengeld nennen würden), wohingegen Deponent X ein Bankkonto, welches ein Depositum von 1.000.000 GE beinhaltet, besitzt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Bank 100.000 GE in ihrem Tresor als eine Sicherheitsreserve oder Reservedeckung behalten hat, ist die Differenz zwischen den 1.900.000 GE und den in physischer Form existenten 1.000.000 GE dem Geldbetrag gleich, den die Bank aus dem Nichts geschaffen hat. (Die gesamte Geldmenge von 1.900.000 GE minus den 900.000 GE im Besitz von Z und den 100.000 physischen Geldeinheiten im Tresor der Bank sind 900.000 GE, die nirgendswo physisch existieren.) Da diesem Geld die korrespondierende Deckung fehlt und es durch das Vertrauen von Deponent X in die Bank existiert, wird es fiduciary money (oder besser fiduciary media [Anmerkung des Übersetzers: fiduciary media ist eine Übersetzung des deutschen von Mises benutzten Begriffs Umlaufsmittel, spiegelt aber besser als dieser die Notwendigkeit des Vertrauens für die Existenz dieser Art Geld wieder]. Es ist wichtig zu betonen, dass im Grunde Sichteinlagen wie physische Einheiten sind, d.h. dass sie vollkommene Geldsurrogate sind. Der Deponent kann sie benutzen, um jederzeit Zahlungen durch die Ausstellung eines Schecks vornehmen, auf den er die Summe schreibt, die er zu zahlen wünscht und damit die Bank zu dieser Zahlung anweist. Der Anteil dieser vollkommenen Geldsurrogate, oder Sichteinlagen, der nicht gänzlich durch physische Geldeinheiten in den Tresoren der Bank gedeckt ist (die 900.000 GE, die in unserem Beispiel nicht durch Reserven gedeckt sind) werden Umlaufsmittel genannt.10 Die Sichteinlagen, welche durch die Barreserven bei der Bank (100.000 GE in unserem Beispiel) gedeckt sind, werden auch primäre Depositen genannt, während der nicht durch die Bankreserven gedeckte Anteil der Sichteinlagen (Umlaufsmittel) auch sekundäre Depositen oder derivative Depositen genannt wird.11
10 „Bleibt die Deckung der Geldsurrogate in Geld hinter dem Betrag der ausgegebenen Geldsurrogate zurück, so nennen wir den Betrag der Geldsurrogate, der den Deckungsfonds übersteigt, Umlaufsmittel.“ Mises, Nationalökonomie, S. 393. Mises stellt klar, dass es im Allgemeinen nicht möglich ist, zu bestimmen, ob ein bestimmtes Geldsurrogat ein Umlaufsmittel ist oder nicht. Wenn wir einen Scheck ausstellen, wissen wir nicht (da uns die Bank darüber nicht direkt informiert), welcher Anteil der Schecksumme durch physische Geldeinheiten gedeckt ist. Folglich wissen wir aus ökonomischer Sicht nicht, welcher Anteil des Geldes, welches wir bezahlen, ein Umlaufsmittel ist und welcher Anteil mit physischen Geldeinheiten korrespondiert. 11 Diese Terminologie ist als Folge von Chester Arthur Phillips mittlerweise klassischem Werk die verbreiteste. Phillips schreibt: a primary deposit is one growing out of a lodgement of cash or its equivalent and not out of credit extended by the bank in question . . . derivative deposits have their origins in loans extended to depositors . . . they arise directly from a loan, or are accumulated by a borrower in anticipation of the repayment of a loan. (Bank Credit: A Study of the Principles and Factors Underlying Advances Made by Banks to Borrowers (New York: Macmillan, [1920] 1931, S. 34 und 40) Nichtsdestoweniger müssen wir einen kleinen Einspruch gegen Phillips Definition der „derivativen Depositen“ als Darlehen entspringende Depositen erheben. Obgleich Darlehen die häufigste Ursache von derivativen Depositen sind, werden sie gerade in dem Augenblick geschaffen, in dem sie, entweder zur Darlehensvergabe oder aus irgendeinem anderen Grund, von der Bank benutzt werden, was sie ipso facto in Umlaufsmittel oder derivative Depositen verwandelt. Zu diesem Thema vgl. Richard H. Timberlake, „A Reassessment of C.A. Phillips´s Theory of Bank Credit,“ History of Political Economy 20 no. 2 (1988): 299-308.
2
Sobald die Banken einmal das Rechtsprinzip verletzt haben, dass sich niemand, das bei ihm zur sicheren Aufbewahrung hinterlegte Depositum aneignen darf, und damit aufgehört haben, 100 Prozent des tantundem zu bewahren, war es logisch für sie, dass sie versuchten, diese Vorgehen zu rechtfertigen und mit dem Argument zu verteidigen, dass sie eigentlich, dass Geld empfangen hätten, als sei es ein Darlehen. In der Tat ist, wenn ein Bankier das erhaltene Geld als Darlehen betrachtet, nicht verwerfliches an seinem Verhalten und aus der im vorangehenden Abschnitt beschriebenen ökonomischen und buchhalterischen Sicht übernimmt er nur die legitime und notwendige
Rolle
des
Intermediärs
zwischen
Darlehensgeber
und
Darlehensnehmer.
Nichtsdestoweniger entsteht hier eine grundlegende Differenz: das Geld wird nicht der Bank als Darlehen, sondern als Depositum übergeben. In anderen Worten, als Herr X sein Depositum vornahm, hatte er nicht die geringste Absicht, die Verfügbarkeit der Gegenwartsgüter im Tausch gegen eine etwas größere Anzahl (unter Rücksichtnahme der Zinsen) von Zukunftsgütern aufzugeben. Stattdessen war sein einziger Wunsch die Bewachung und sichere Aufbewahrung seines Geldes zu verbessern und andere periphere Dienstleistungen (der Kassenführung und der Buchhaltung) zu erhalten, während er zu jeder Zeit die volle unveränderte Verfügbarkeit des tantundems behielt. Die Abwesenheit eines Tausches von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter ist genau, was uns anzeigt, dass wir vor einem radikal verschiedenen ökonomischen Ereignis stehen; eines welches die Schaffung ex nihilo von 900.000 GE Umlaufsmitteln oder derivativen Depositen beinhalten, sobald die Bank 90 Prozent des Geldes in ihrem Tresor verleiht. Zusätzlich ist es wichtig eindeutig zu verstehen, dass - wenn die Bank das Geld nutzt, um Z ein Darlehen zu gewähren, wie wir es in unserem Beispiel angenommen haben und es auch gewöhnlich der Fall ist - dieses Darlehen einen Tausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter enthält, obwohl es nirgendwo im Markt durch einen notwendigen, vorhergehenden Anstieg von 900.000 GE in den freiwilligen Ersparnissen gedeckt wird. In der Tat schafft die Bank aus dem Nichts Geld und leiht es Z in der Form von Gegenwartsgütern, wobei niemand zuvorderst gezwungen gewesen ist, seine Ersparnisse um die Höhe des Darlehens zu steigern. Herr X, der originäre Deponent, glaubt subjektiv weiterhin, dass er die volle Verfügbarkeit der von ihm in der Bank deponierten 1.000.000 GE besitzt; das bedeutet, dass er denkt, er hätte 1.000.000 GE eines völlig
liquiden
Vermögenswertes
(Geld)
zu
seiner
Verfügung.
Gleichzeitig
nimmt
Darlehensnehmer Z für seine Investitionen 900.000 GE an neuer Liquidität entgegen, die nicht aus den Ersparnissen von irgendjemand stammen. Kurzum glauben zwei verschiedene Leute simultan, dass sie den gleichen liquiden Vermögenswert von 900.000 GE zu ihrer vollen Verfügung haben; ein Betrag, der mit dem Anteil des Depositums von 1.000.000 entspricht, den die Bank an Z 2
geliehen hat (derivates Depositum). An dieser Stelle ist es offensichtlich, dass die Bank Liquidität generiert, die ohne vorheriges Sparen investiert wird. Diese Phänomen macht den Hauptgrund der wiederkehrenden ökonomischen Krisen und Rezessionen aus. In den folgenden Kapiteln werden wir die entscheidende ökonomische Wichtigkeit des Phänomens erklären. Sobald die Bank das Darlehen an Z gegeben hat, sieht die Bankbilanz wie folgt aus:
(12)
Bank A Bilanz (Jahresende) Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
100.000
Sichteinlagen
Darlehen gewährt
900.000
1.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.000.000
_____________________________
1.000.000
_____________________________
Offensichtlich wird der Bankiers geneigt sein, sich selbst zu täuschen und anzunehmen, er habe das Geld des Deponenten als ein Darlehen erhalten. Desweiteren würde es ihm niemals in den Sinn kommen, dass er durch die Darlehensgewährung an Unternehmen Z 900.000 GE ex nihilo geschaffen hat. Noch weniger würde es ihm aufgehen, dass er ein Darlehen gwwährt, ohne dass dieses zuvorderst durch die Ersparnisse von irgendjemanden gedeckt worden wäre. Weiterhin wird der Bankier die natürliche Gegenwirkung von Abhebungen und Einzahlungen bedenken; und im Einklang mit seiner „Erfahrung“wird er seine Entscheidung, eine Bar- oder Sicherheitsreserve von 10 Prozent zu halten und die resultierende Barreserve von 100.000 GE als angemessen befinden, um die Wünsche nach normalen Depositenabzügen der Kunden zu befriedigen.12 Diese ganze Struktur wird erst möglich durch das Vertrauen der Kunden, dass die Bank ihre zukünftigen 12 Nichtsdestoweniger werden wir zeigen, dass das Teildeckungsbankwesen selbst regelmäßig abnormale (massive) Depositenabzüge verursacht und mit einer Teildeckung nicht jeder Zeit den Deponentenwünsche auf Abhebung nach kommen kann.
2
Verpflichtungen ehren wird. Die Bank muss sich dieses Vertrauen durch die tadellose Bewachung und sichere Aufbewahrung des Geldes während einer längeren Zeitperiode erarbeiten, ohne irgendwelche Veruntreuungen.13 Es ist verständlich, dass ein Bankier nicht mit der ökonomischen Theorie vertraut ist und daher nicht in der Lage ist, die von uns beschriebenen, grundlegenden ökonomischen Vorgänge zu verstehen. Schwieriger zu entschuldigen ist die Tatsache, dass es sich bei seiner Entwendung der Depositen um eine Verletzung von traditionellen Rechtsprinzipien handelt, die bei Fehlen einer Theorie zur Erklärung der verbundenen sozialen Prozesse als der einzige sichere Leitfaden angesehen werden können, dessen Befolgung schwere soziale Schäden vermeidet. Indes würde sicherlich jede intelligente Person, ob Bankier oder nicht, in der Lage sein, einige Anzeichen davon zu beobachten, was wirklich geschieht. Warum ist es notwendig, dass Bankiers irgendeinen Reservekoeffizienten aufrecht erhalten? Begreift er nicht, dass er, wenn er legitim als echter Intermediär zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer handeln würde, er gar keine Reservedeckung brauchte? Versteht er nicht, wie Röpke sagt, dass eine “Bank .. daher eine Institution [ist], die regelmäßig weniger zu halten braucht, als sie verspricht, und daher davon lebt, daß sie regelmäßíg mehr verspricht, als sie im Ernstfall halten kann?14 In jedem Fall sind dies nur Anzeichen, welche jede praktische Person verständlicherweise in einer Reihe von Weisen interpretieren könnte. Genau aus diesem Grunde bestehen Rechtsprinzipien. Sie fungieren als ein „Autopilot“ für das menschliche Verhalten und erleichtern die Kooperation, obgleich wir angesichts der abstrakten Natur dieser Prinzipien nicht dazu fähig sein können, ihre eindeutige Rolle in den Prozessen der sozialen Interaktion zu verstehen. Wie Mises korrekt aufzeigt, wird die Bank, solange das Vertrauen in sie bestehen bleibt, weiterhin den Großteil der deponierten Gelder nutzen können und die Kunden werden in Unkenntnis darüber bleiben, dass der Bank die notwendige Liquidität fehlt, um alle ihren Verpflichtungen nachzukommen. Es ist, als ob die Bank eine permanente Finanzierungsquelle durch die Erzeugung neuen Geldes entdeckt hätte; eine Quelle, die sie solange weiter anzapfen wird, wie die Öffentlichkeit ihr Vertrauen in die Fähigkeit der Bank ihre Verpflichtungen zu erfüllen aufrecht erhält. In der Tat wird die Bank, solange diese Umstände währen, sogar in der Lage sein, die neu geschaffene Liquidität zur Deckung ihrer eigenen Ausgaben oder für jeden anderen Zweck neben der Darlehensgewährung zu nutzen. Kurzum generiert die Möglichkeit ex nihilo Geld zu schaffen einen Reichtum, den der Bankier sich leicht aneignen kann, solange die Kunden sein korrektes Benehmen nicht in Frage stellen. Diese Reichtumserzeugung ist vielen dritten Parteien abträglich, deren jede einzelne einen Teil des von den Bankiermachenschaften 13 Wir beziehen uns natürlich auf die verschiedenen historischen Stufen der Entstehung des Teildeckungsbankwesen (bevor es Zentralbanken gab). Diese Stufen wurden in Kapitel 2 behandelt. 14 Wilhelm Röpke, Die Lehre von der Wirtschaft (Erlenbach-Zürich: Eugen Rentsch, 1954, 7. Aufl.), S. 130.
2
verursachten Schadens erleidet. Es ist unmöglich, diese Individuen zu identifizieren und wahrscheinlich werden die gar nicht den Schaden, den sie erleiden, und auch nicht die Identität des Täter erkennen.15 Obgleich sich Privatbankiers oft nicht bewusst waren, dass ihre Fähigkeit Geld ex nihilo zu schaffen (indem sie Kundendepositen zur Darlehensgewährung gewährten) eine gewaltige Gewinnquelle darstellt und obwohl sie naiv denken könnten, dass sie nur einen Teil dessen, was sie empfangen, verleihen, stammt ein Großteil ihrer Gewinne dennoch aus einem allgemeinen Prozess, in dem sie involviert sind und dessen Implikationen sie nicht völlig verstehen. Wir werden diesen Punkt später bestätigt sehen, wenn wir die Effekt des Teildeckungsbankwesens im Hinblick auf das gesamte Bankensystem studieren. Eine Sache, die die Bankiers jedoch genau verstehen, ist, dass sie durch die Verleihung der von ihren Klienten deponierten Gelder einen viel größeren Gewinn machen als wenn sie nur als legitime Intermediäre zwischen Darlehensgebern und Darlehensnehmern agieren – Einträge (1) bis (6) – oder als reine Dienstleister von Buchhaltungsoder Kassenführungsdiensten – Einträge (8) und (9). In der Tat wird Bank A auf das gesamte dem Z gewährte Darlehen von 900.000 GE einen Zinssatz von 15 Prozent erzielen; das bedeutet 135.000 GE. Die Buchung ist wie folgt: (13)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
135.000
Einnahmen durch Zinsen
Bargeld
auf Darlehen
135.000
15 Wir werden den Prozess der Darlehensschaffung und den resultierenden Reichtumstransfer an die Bankiers in unserer Analyse der Effekte des Teildeckungsbankwesens aus der Sicht des gesamten Bankensystem untersuchen. Abgesehen von der Tatsachen, dass es nicht notwendig ist, dass die Umlaufsmittel verliehen werden (obgleich dies in der Praxis immer oder fast immer geschieht), schreibt Ludwig von Mises: „Es ist bekannt, daß manche Bank, die für ihre Kunden die Kassenführung besorgt, mitunter nicht durch Geld gedeckte Kassenführungsguthaben nicht nur als Darlehen eröffnet, sondern solche unmittelbar auch zur Beschaffun von Produktivmitteln für eigene Produktion verwendet. Mehr als eine der modernen Kredit- und Handelsbanken hat auf diese Weise einen Teil ihrer Mittel festgelegt ... Der Emittent der Umlaufsmittel in Verkehr setzt, kann aber auch den Wert eines jeden einzelnen ausgegebenen Umlaufsmittels als Vermögens- oder Einkommenzuwachs ansehen. Er utnerläßt es dann, für die Bedeckung der ihm durch die Ausgabe erwachsenen Verpflichtungen durch Ausscheidung eines besonderen Aikivfonds aus seinem Vermögen Sorge zu tragen. Den Emissionsgewinn, der wenn es sich um Scheidemünzen ahndelt, Münzgewinn genannt wird, streeicht er ruhig wie jede andere Einnahme ein.“ Ludwig von Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 282-83 (Meine Hervorhebungen). Im Lichte dieser Überlegungen ist es nicht überraschend, dass von allen wirtschaftlichen Institutionen im Allgemeinen die Banken der Öffentlichkeit die spektakulärsten und luxuriösesten Bauwerke zur Schau stellen und einen unverhältnismäßigen Teil für Geschäftsstellen, Gehaltskosten, etc. ausgeben. Es ist nicht weniger überraschend, dass die Staaten die ersten Waren, die die große Macht der Banken Geld zu schaffen ausgenutzt haben.
2
_____________________________
_____________________________
Wenn wir annehmen, dass die Bank, die vorher beschriebenen Kassenführungs- und Buchhaltungsdienstleistungen anbietet, welche für Bankkonten typisch sind und in unserem Beispiel zu Betriebskosten in Höhe von 20.000 GE führen, dann kann sie sogar diese Kosten durch ihr Zinseinkommen decken und diese Dienstleistungen gratis anbieten. Der folgende Buchungseintrag erfasst die Betriebskosten: (14)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
20.000
Bargeld
Betriebskosten der
20.000
Dienstleistungen _____________________________
_____________________________
Obzwar die Bank eindeutig das Recht hätte, weiterhin 30.000 für ihre Leistungen in Rechnung zu stellen (3 Prozent des deponierten Betrages) und obwohl sie diese Leistungen ihren Deponenten gratis anbietet, um weitere Depositen anzulocken und das mehr oder weniger verborgene Ziel des Gebrauchs dieser Depositen zur Darlehensvergabe zu verfolgen, macht sie immer noch einen großen Gewinn, der den 135.000 GE, die sie als Zinsen erhält, minus den 20.000, die als Betriebskosten anfallen, entspricht. In der Tat ist der Bankgewinn von 115.000 mehr als doppelt so hoch wie der legitime Gewinn, den sie als reiner Finanzintermediär zwischen Darlehensgebern und Darlehensnehmern machte und mehr als zehn mal so hoch wie das, was sie verdiente, wenn sie ihren Kunden die Kassenführungs- und Buchhaltungsdienstleistungen in Rechnung stellte.16 Die Gewinn- und Verlustrechnung würde damit wie folgt aussehen: (15)
Bank A Gewinn- und Verlustrechnung (Für das Beispielsjahr)
16 Vgl. Fußnote Nummer 25.
2
Aufwand (Soll)
Ertrag (Haben)
_____________________________
_____________________________
Betriebskosten
Zinsen erhalten
Jahresüberschuss
20.000
135.000
115.000
_____________________________
_____________________________
Summe Soll
Summe Haben
135.000
_____________________________
135.000
_____________________________
Nach der Durchführung aller Operation würde die Bankbilanz wie folgt aussehen:
(16)
Bank A Bilanz (Jahresende) Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
Eigenkapital
215.000
(Jahresüberschuss) Darlehen gewährt
900.000
115.000
Sichteinlagen
1.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.115.000
_____________________________
1.115.000
_____________________________
DIE BILANZIERUNGSPRAKTIKEN DER ENGLISCHSPRACHIGEN WELT Die englischen Bankpraktiken reflektieren geringere Vorbehalte gegen das einfache Erfassen der 2
Schaffung ex nihilo von Umlaufsmitteln in den Konten. In der Tat, wie Hayek schreibt, werden die englische Bankpraxis davon aus, “zumindest teilweise … gewährte Kredite dem Kunden auf seinem Konto gutzuschreiebn, noch bevor sie tatsächlich in Anspruch genommen werden.“17 In englischsprachigen Ländern entspricht, wenn ein Kunde eine Sichteinlage von 1.000.000 GE bei der Bank vornimmt, der erste Buchungseintrag genau mit dem des kontinentalen Systems: (17)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Sichteinlagen
Bargeld
_____________________________
1.000.000
_____________________________
Der Unterschied zwischen dem angelsächsischen und dem kontinentalen System liegt in dem Eintrag, den der englischsprachige Bankier bei der Darlehensgewährung an Z vornimmt. Also wenn er im eigenen Interesse die 900.000 GE benutzt, welche seine Sicherheitsreserve, die sich in seinem Tresor befindet, überschreiten. Bei den angelsächsischen Bankpraktiken wird eine Buchung vorgenommen, um dass Darlehen unter den Aktiva zu erfassen und zur gleichen Zeit wird ein Bankkonto zugunsten des Darlehensnehmers unter Passiva in der Höhe des Darlehens eröffnet (900.000 GE). Der Buchungseintrag sieht wie folgt aus: (18)
Bank A Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
900.000
Sichteinlagen
Darlehen gewährt
_____________________________
900.000
_____________________________
17 Hayek, Geldtheorie und Konjunkturtheorie, S. 86. Hayek fährt fort: „Unter dieser Voraussetzung ist der Prozeß, der zur Vermehrung der Umlaufsmittel führt, verhältnismäßig leicht zu überblicken und darum auch am wenigsten bestritten.
2
Mithin ist der englische Brauch viel aufrichtiger und den tatsächlichen ökonomischen Vorgängen viel
angemessener
als
die
kontinentale
Vorgehensweise.
Die
angelsächsischen
Bilanzierungspraktiken reflektieren augenscheinlich die ex nihilo Erzeugung von 900.000 GE, welche resultiert, wenn die Gelder der Sichtanlagen an Z verliehen werden. Nach dem das Darlehen gewährt wurde, erscheint die Bankbilanz wie folgt: (19)
Bank A Bilanz Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
1.000.000
Sichteinlagen
Darlehen
900.000
1.900.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.900.000
_____________________________
1.900.000
_____________________________
Um bei den englischen Praktiken zu bleiben, enthüllt diese Bilanz eindeutig, dass in dem Augenblick, in dem die Bank ein Darlehen von 900.000 GE gewährt, simultan Depositen ex nihilo erzeugt werden in der Höhe von 900.000 GE. In anderen Worten stellt die Bank dem Darlehensnehmer bis zu 900.000 GE zur Verfügung, was die Summe der Sichteinlagen auf 1.900.000 GE erhöht. Von diesem Betrag entsprechen 1.000.000 GE den physischen Geldeinheiten; das heißt den primären Depositen. Die anderen 900.000 GE reflektieren die aus dem Nichts geschaffenen Umlaufsmittel; in anderen Worten, derivative oder sekundäre Depositen. Wenn wir wieder um des Argumentes willen annehmen, dass der Bankier das bei ihm als Sichteinlage platzierte Geld als ein Darlehen ansieht, dann hat, weil dieser Darlehen aus einem irregulären Gelddepositenvertrag entstammt, welches per definitionem keine Frist für die Rückgabe des Geldes festlegt (da es „auf Sicht“ liegt), das fragliche „Darlehen“ eindeutig keine Laufzeit. Weiterhin wird der Bankier, falls die Deponenten in die Bank vertrauen, zu Recht annehmen, dass sie nur einen kleinen Anteil ihrer Depositen unter normalen Bedingungen abheben werden. Folglich kann der Bankier, obgleich das „Darlehen“, welches er angeblich erhalten hat, „auf Sicht“ ist, aus triftigen Gründen dieses als ein „Darlehen“ betrachten, welches er niemals zurückzahlen muss, weil es letztlich keine Laufzeit hat. Offensichtlich handelt es sich, wenn der Bankiers ein Darlehen 2
empfängt, von dem er ausgeht, dass er es niemals zurückzahlen muss (und er in den meisten Fällen noch nicht einmal Zinsen auf das Darlehen zahlen muss, obgleich dies nicht für unser Argument von fundamentaler Bedeutung ist), statt um ein Darlehen um eine de facto Geschenk, welche sich der Bankier selbst macht und den Geldern seiner Deponenten anlastet. Dies bedeutet, dass, obwohl die Bank aus Gründen der Bilanzierung eine Schuld (in der Höhe des gewährten Darlehens) in der Form von „Sichteinlagen“ (derivative oder sekundäre Depositen in der Höhe von 900.000 GE) anerkennt,
die
Bank
unter
normalen
Umständen
aus
dem
Nichts
eine
beständige
Finanzierungsquelle schafft, von welcher der Bankier annimmt, sie niemals zurückzahlen zu müssen. Mithin und trotz des Eindrucks, den die Geschäftsbücher vermitteln, eignet sich der Bankier letztlich dieses Geld an und betrachtet es als sein Eigentum. Kurzum häufen die Banken einen enormen Reichtum an, hauptsächlich indem sie Zahlungsmittel zum Nachteil dritter Parteien erzeugen. Diese Phänomen kommt andauernd vor und ist auf die ex nihilo Schaffung von Zahlungsmitteln durch das Bankensystem zurückzuführen. Dieser beständige Reichtumstransfer zugunsten der Bankiers geht so lange weiter wie das Bankengeschäft keinen Störungen unterliegt und die Vermögenswerte der Bilanzen der Bankiers in Form von Darlehen und Investitionen, die durch die entsprechenden aus dem Nicht geschaffenen Depositen gedeckt werden, immer weiter erhöhen. Die volle Erkenntnis dieser niemals endenden Finanzierungsquelle und des enormen Reichtums, welchen die Banken zum Nachteil von anderen Bürgern angesammelt haben (und welcher immer noch die Bankbilanzen erhöht und als von „Depositen“ gedeckte Investitionen bei den Aktiva verschleiert wird), wird noch im letzten Kapitel von großer Wichtigkeit sein, wenn wir einen Vorschlag zur Veränderung und Reform des gegenwärtigen Bankensystems unterbreiten. Obgleich diese Gelder in der Tat nur Banken und Regierungen nutzen, und obwohl sie aus ökonomischer und aus buchhalterischer Sicht den vermeintlichen Deponenten gehören, gehören sie in Wirklichkeit niemandem, da diese Deponenten ihre Depositen als perfekte Geldsurrogate ansehen. Daher könnten, wie wir beim Studium des Bankreformprozesses sehen werden, diese Ressourcen für wichtige Ziele im Interesse der Allgemeinheit benutzt werden. Derartige Ziele könnten die Beseitigung der verbleibenden Staatsverschuldung oder sogar die Finanzierung eines Prozesses zur Reform der sozialen Sicherungssysteme (um einen Übergang von einem staatlichen Umlageverfahren zu seinem privaten auf Investitionen basierendem Kapitaldeckungsverfahren zu erreichen) beinhalten. Wir werden nun zu unserem Beispiel zurückkehren. Wenn Darlehensnehmer Z nach und nach sein Geld durch die Ausstellung von Schecks auf das für ihn bei der Bank eröffnete Konto benutzt, beginnen
die
beiden
Bankensysteme,
das
angelsächsische
und
das
kontinentale,
die
Kontenaufzeichnungen der Bank in einer zunehmend ähnlichen Art zu reflektieren. Wir werden nun 2
annehmen, dass der Darlehensnehmer sein Darlehen in zwei Teilen, in zwei separaten, aufeinander folgenden Begebenheiten abhebt. Zum ersten Zeitpunkt (t1) hebt er 500.000 GE ab und am zweiten (t2) 400.000 GE. Die Buchungen würde wie folgt aussehen: Bank A (t1)
(20) Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
500.000
Bargeld
Sichteinlagen
500.000
(Abhebung eines Teil des Darlehens von Z) _____________________________
(21)
_____________________________
Bank A (t2) Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
400.000
Bargeld
Sichteinlagen
400.000
(der Rest des Darlehens) _____________________________
_____________________________
Nachdem der Darlehensnehmer das ganze Darlehen abgehoben hat, erscheint die Bankbilanz wie folgt:
3
(22)
Bank A Bilanz Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
100.000
Sichteinlagen
Darlehen
900.000
1.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.000.000
_____________________________
1.000.000
_____________________________
Diese Bilanz entspricht genau der Bilanz (12), welche wir unter Benutzung der kontinentalen Bilanzierungsmethode erhalten haben und welche von Kunden hinterlegte Sichteinlagen von 1.000.000 GE, gedeckt durch 100.000 GE in Bar (die Reservedeckung oder Reservebedarf), sowie 900.000 als Darlehen an Z gewährte Geldeinheiten umfasst. Sobald einmal der Darlehensnehmer sein ganzes Darlehen abhebt, sind die Bilanzierungseinträge für beide System identisch: 1.900.000 GE existieren im Markt, von denen 900.000 GE Umlaufsmitteln (der Teil der Sichteinlagen, welcher nicht durch die Barreserven der Bank gedeckt ist, in diesem Fall 1.000.000 GE minus 100.000 GE) und 1.000.000 GE physische Geldeinheiten sind (die 100.000 in den Tresoren der Bank und die 900.000 GE, welche an Darlehensnehmer Z übergeben wurden und welche er bereits für seine eigenen Zwecke benutzt hat).18 Der Hauptvorteil des angelsächsischen Bilanzierungssystem ist, dass es zeigt, wie Herbert J. Davenport 1913 dargelegt hat, dass die Banken „do not lend their deposits, but rather, by their own extensions of credit, create the deposits.“19 In anderen Worten fungieren die Banken nicht als 18 Die Bankpraktiken der englischsprachigen Welt sind auch in Spanien angewendet worden, wie es unter anderen Quellen von Pedro Pedraja García in seinem Buch Contabilidad y análisis de balances de la banca, Bd. 1: Principios generales y contabilización de operaciones (Madrid: Centro de Formación del Banco de España), vor allem S. 116-209 belegt wird. 19 Herbert J. Davenport, The Economics of Enterprise (New York: Augustus M. Kelley, [1913] 1968), S. 263. Vierzehn Jahre später brachte W.F. Crick dieselbe Idee in seinem Artikel „The Genesis of Bank Deposits“ Economica (Juni 1927): 191-202 zum Ausdruck. Der Großteil der Öffentlichkeit und sogar einige so ausgezeichnete Wissenschaftler wie Joaquín Garrigues versagten darin, zu verstehen, dass Banken anstatt als Vermittler von Darlehensnehmern und Darlehensgebern hauptsächlich als Erzeuger von Darlehen und Depositen tätig sind. In seinem Buch Contratos bancarios (S. 31-32 und 355) insistiert Garrigues weiterhin, dass Banken in erster Linie Kreditvermittler sind, die „Geld verleihen, welchen ihnen geliehen wurde“ (S. 355) und dass daher Bankiers verleihen, was ihnen geliehen wird. Sie sind Kreditvermittler, Geschäftsleute, die zwischen jenen, die Geld für Geschäftsaktivitäten brauchen, und jenen, die ihr Geld profitabel anlegen wollen, vermitteln. Banken, indes, können sich in zwei verschiedenen Geschäftstypen engagieren: Sie können als reine Vermittler agieren, welche die vertragsschließenden Parteien zusammenbringen (direkte Kreditvermittlung) oder sie
3
Finanzintermediäre, wenn sie das Geld der Sichteinlagen verleihen, weil diese Aktivität keine Vermittlung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer darstellt. Stattdessen gewähren Banken einfach Darlehen gegen Depositen, die sie aus dem Nichts schaffen (Umlaufsmittel) und welche daher ihnen vorher nicht von einer dritten Partei in Form von Depositen von physischen Geldeinheiten anvertraut worden sind. Noch nicht einmal im kontinentalen Bilanzierungssystem sind die Banken Finanzintermediäre, weil die tatsächlichen, ursprünglichen Deponenten ihr Geld zur Bewachung und sicheren Aufbewahrung übergeben, und nicht als Darlehen an die Bank. Weiterhin haben wir bereits gezeigt, dass durch die Reduzierung der Geldeinheiten, welche sie vorrätig halten (Reservedeckung), auf einen Bruchteil der ursprünglich deponierten, die Banken in Proportion zu der Gesamtsumme der nicht gedeckten Depositen Umlaufsmittel erzeugen. Mithin führt uns mit einer in gewissen Sinne abstrakteren Analyse
das
kontinentale
Bilanzierungssystem
zu
derselben
Schlußfolgerung
wie
das
angelsächsische: Anstatt Kreditintermeditäre darzustellen, sind die Banken vielmehr Erzeuger von Darlehen und Depositen, bzw. Umlaufsmitteln. Nichtsdestoweniger ist der Prozess viel offensichtlicher und einfacher zu verstehen, wenn man ihn nach den angelsächsischen Bilanzierungskriterien untersucht, weil diese Methode von Beginn an die Tatsache reflektiert, dass die Bank ex nihilo Depositen schafft und gegen sie Darlehen gewährt. Deshalb ist keine abstrakte intellektuelle Anstrengung zum Verständnis dieses Prozesses notwendig. Aus
der
Sicht
der
ökonomischen
Theorie,
ist
der
Hauptnachteil
beider
Bilanzierungssysteme, dass sie ein viel geringeres Volumen der Depositenschaffung und Darlehenskonzession reflektieren als tatsächlich stattfindet. Das heißt, sie enthüllen nur einen Bruchteil des Gesamtvolumens an Depositen und Darlehen, welche das Bankensystem als Ganzes zu erzeugen in der Lage ist. Nur wenn wir die Effekte des Teildeckungsbankwesen vom Standpunkt des gesamten Bankensystems aus betrachten, werden wir diesen wichtigen Punkt bestätigt finden. Jedenfalls ist es zunächst notwendig, die Grenzen der Depositenschaffung und Darlehenskonzession können eine Zweischrittoperation durchführen, wobei sie sich Geld leihen, um es später zu verleihen zu verleihen (indirekte Kreditvermittlung). (S. 32) Garrigues erkennt eindeutig nicht, dass in Hinblick auf das wichtigste Geschäft der Banken (die Annahme von Depositen bei Aufrechterhaltung einer Teildeckung), die Banken tatsächlich Darlehen aus dem Nichts schaffen und sie mit Depositen decken, die sie auch aus dem Nichts schaffen. Deshalb sind sie statt Kreditvermittler vielmehr Exnihilo-Erzeuger von Krediten. Garrigues unterschreibt zudem das populäre Missverständnis, dass „aus ökonomischer Sicht“ der Bankgewinn in „der Differenz zwischen den Zinsen, die sie für die Depositenoperation zahlt und den Zinsen, die sie bei der Darlehensoperation verdient“ besteht (S. 31). Obzwar die Banken scheinbar ihrer Gewinn hauptsächlich aus dem Zinssatzdifferential beziehen, wissen wir, dass in der Praxis die Hauptquelle ihres Gewinns in der ex nihilo Schaffung von Geld (welches die Banken unbegrenzt finanziert) zu suchen ist. Die Banken eignen sich diese Gelder zu ihrem eigenen Nutzen an und berechnen zusätzlich Zinsen auf sie. Kurzum schaffen Banken Geld aus dem Nichts, verleihen es und verlangen, dass es mit Zinsen zurückgezahlt wird.
3
einer isolierten Bank zu identifizieren. DIE FÄHIGKEIT ZUR KREDITEXPANSION UND DEPOSITENSCHAFFUNG EINER ISOLIERTEN BANK Wir werden nun die Grenzen betrachten, die einer isolierten Bank in ihrer Fähigkeit gesetzt sind, Darlehen zu schaffen und Depositen aus dem Nichts zu expandieren. Die folgenden Variablen werden benutzt: d:
das ursprünglich im Banktresor deponierte Geld;
das Geld oder die Reserven, welche als Folge der Darlehensgewährung die Bank verlassen; x : ausgehend von d die maximal mögliche Kreditausweitung der Bank; c : die Bar- bzw. Reservedeckung, welche die Bank aufrecht erhält, und welche mit der Erfahrung des Bankiers und seinem vorsichtigen Urteil darüber, wieviel Geld er benötigt, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, im Einklang steht; und k : der Anteil der gewährten Darlehen, welcher im Durchschnitt zu jedem beliebigen Zeitpunkt von den Darlehensnehmern ungenutzt bleibt.
Aus den obigen Definitionen wird klar, dass die Reserven, welche die Bank verlassen,
,
den gewährten Darlehen multipliziert mit dem Prozentsatz dieser Darlehen, welcher von den Darlehensnehmer benutzt wird, entsprechen; das bedeutet: [1]
Weiterhin ist
d1 = (1-k) x
, wenn wir das die Bank verlassende Geld betrachten, gleich der
ursprünglich deponierten Summe, d, minus des Mindestbetrages, welcher als Reserve in Relation zum ursprünglich deponierten Geld vorgehalten wird, cd, und als Reserve in Relation zum Prozentsatz der Darlehen, welche im Durchschnitt ungenutzt bleiben, ergibt, ckx, dann haben wir: [2]
d1 = d – (cd + ckx) 3
Wenn wir nun
in Formel [2] mit dem Wert von
in [1] ersetzten, dann erhalten wir:
(1-k) x = d – ( cd + ckx) Jetzt lösen wir die Gleichung, in dem wir die gemeinsamen Faktoren herausziehen und x isolieren: (1-k) x = d – cd -ckx (1-k) x + ckx = d - cd x (1 – k + ck) = d (1 – c) Mithin wäre das Maximum an Kreditausweitung, x, welches eine isolierte Bank ex nihilo erzeugen kann:20
Oder, um es anders auszudrücken:
[3]
20 Bezeichnenderweise hat jedoch Ludwig von Mises in seinen bedeutenden theoretischen Abhandlungen über Geld, Kredit und Konjunkturwechsel immer sich dagegen verwehrt, seine Analyse auf das Studium des von uns gerade im Text erarbeiteten Kreditexpansionsmultiplikators zu basieren. Alle diese Schriften von Mises konzentrieren sich auf die zerstörerischen Effekte der Darlehensschaffung, welche nicht durch einen Anstieg in den tatsächlichen Ersparnissen, sowie auf das Teildeckungsbankwesen, welche eine derartige Darlehensschaffung durch die Erzeugung von Depositen oder Umlaufsmittel bewerkstelligt. Mises Vorbehalte gegen den Multiplikator sind völlig verständlich, wenn man die Abneigung bedenkt, welche der große österreichische Ökonom gegen den Gebrauch der Mathematik in der Ökonomie und noch spezifischer gegen die Anwendung von Konzepten hegte, welche wie der Bankmultiplikator gerechterweise als „mechanistisch“ oft ungenau und sogar irreführend benannt werden können. Diese Benennung ist darauf zurückzuführen, dass diese Konzepte nicht den Prozess der unternehmerischen Kreativität und der Evolution der subjektiven Zeit berücksichtigen. Desweiteren ist es aus strikt ökonomischer Sicht unnötig, den Multiplikator mathematisch zu erarbeiten, um das grundlegende Konzept der Kredit- und Depositenausweitung zu begreifen und zu verstehen, wie dieser Prozess unausweichlich ökonomischen Krisen und Rezessionen provoziert. (Ludwig von Mises theoretisches Hauptziel war es, ein derartiges Verständnis zu erreichen.). Nichtsdestoweniger bietet der Bankmultiplikator den Vorteil, die Erklärung des kontinuierlichen Prozesses der Kredit- und Depositenausweitung zu vereinfachen und zu verdeutlichen. Deshalb verstärkt mit dem Zweck der Illustration der Multiplikator unser theoretisches Argument. Der erste, der den Bankmultiplikator in einer theoretischen Analyse von wirtschaftlichen Krisen anwandte war Herbert J. Davenport in seinem Buch, The Economics of Enterprise, (vor allem Kapitel 17, S. 254-331), ein bereits zitiertes Werk. Nichtsdestoweniger verdient F.A: Hayek Anerkennung für die Einbettung der Theorie des Bankkreditausweitungsmultiplikators in die Österreichische Konjunkturtheorie (Geldtheorie und Konjunkturtheorie, S. 81 ff.) Vgl. auch Fußnote 28, in der Marshall im Jahr 1887 eine detaillierte Beschreibung davon liefert, wie man zu einfachsten Version der Formel des Bankmultiplikators kommt.
3
Wie Formel [3] klar macht, haben der Reservekoeffizient, c, und der durchschnittliche Prozentsatz der ungenutzten Darlehen, k, gegensätzliche Effekte auf die Kapazität der Darlehensund Depositenschaffung einer isolierten Bank. Das bedeutet, je niedriger c ist und je höher k ist, desto höher wird x sein. Die ökonomische Logik hinter Formel [3] ist deshalb sehr simpel: je größer der Reservekoeffizient, welchen die Bank als notwendig ansieht, desto geringer wird das Ausmaß der Darlehen sein, welche sie gewähren kann; im Gegensatz dazu wird bei gleichbleibenden Reservekoeffizienten oder Mindestreserve desto mehr Geld der Bank zur Darlehensausweitung zur Verfügung stehen, je geringer die Darlehenssumme ist, von der die Bank ausgeht, dass sie im Durchschnitt von den Darlehensnehmer abgehoben wird. Bis jetzt haben wir angenommen, dass k der durchschnittliche Prozentsatz der von den Darlehensnehmern ungenutzten Darlehen ist. Indes kann k nach C.A. Phillips noch andere Phenomene beinhalten, welche letztlich den gleichen Effekt haben.21 Zum Beispiel kann k für die sehr hohe Wahrscheinlichkeit stehen, dass in einem Markt, in dem wenige Banken operieren, ein Darlehensnehmer Zahlungen an einen anderen Kunden seiner eigenen Bank vornimmt. Es wird angenommen, dass wenn dies vorkommt, diese Kunden ihre Schecks in ihren Konten in derselben Bank deponieren werden und damit verhindern, dass das Geld die Bank verlässt. Dieses Phänomen hat letztlich den gleichen Effekt wie ein Anstieg in dem durchschnittlichen Prozentsatz der von den Darlehensnehmern ungenutzten Darlehen. Je weniger Banken in dem Markt operieren, desto höher wird k sein; je höher k ist, desto weniger Geld wird die Bank verlassen; und je weniger Geld die Bank verlässt, desto größer ist die Fähigkeit der Bank zur Darlehensausweitung. Eines der stärksten Motive
hinter
dem
Trend
zu
Bankfusionen
und
-übernahmen,
welcher
im
Teildeckungsbankensystem immer offensichtlich gewesen ist, ist gerade der Wunsch, dass k ansteigt.22 In der Tat ist die Möglichkeit, dass die Bürger, welche die Umlaufsmittel der Bank 21 Phillips, Bank Credit, S. 57-59. 22 Es gibt noch andere Kräfte, welche den Prozess der Bankfusionen erklären. Sie alle sind auf den Versuch der Banken zurückzuführen, die unerwünschten Konsequenzen zu minimieren, welche sie als Folge ihrer Verletzung – mittels der korrespondierenden Staatsprivilegien – der grundlegenden Prinzipien des irregulären Gelddepositenvertrages erleiden. Ein Vorteil, den Banken durch Fusionen und Übernahmen gewinnen, ist die Möglichkeit eine zentralisierte Barreserve einzurichten, welche zur Erfüllung von Abhebungswünschen an jedem Ort, wo eine den Durchschnitt übersteigende Zahl gemacht wird, bereit gehalten wird. In einem Markt, in dem viele Banken operieren, gibt es diesen Nutzen nicht, weil jede Bank eine getrennte, relative hohe Barreserve vorhalten muss. Die Regierenden drängen auch auf schnelle Fusionen, weil sie hoffen, dass es für sie dadurch einfacher wird, Liquiditätskrisen zu vermeiden, die Geldpolitik zu implementieren und die Bankindustrie zu regulieren. Wir werden später das beharrliche Verlangen der Bankiers untersuchen, das Volumen ihrer Depositen zu vergrößern. Denn wie die Formel zeigt, macht die Summe der Depositen die Basis für die vielfache Ausweitung der Darlehen und Depositen aus, welche die Banken ex nihilo erzeugen und die ihnen so viele Vorteile verschaffen. Zu Bankfusionen vgl. Constantino Bresciani-Turroni, Curso de economía política, Bd. 2: Problemas de economía política (Mexico: Fondo de Cultura Económica, 1961), S. 144-45. Es ist in jedem Falle wichtig zu erkennen, dass der unwiderstehliche Bankfusionsprozess aus den Staatsinterventionen in den Finanzmarkt und das Bankwesen resultiert, sowie aus dem Privileg, welches es den Banken erlaubt entgegen den traditionellen Rechtsprinzipien mit
3
erhalten, deren eigene Kunden sind, desto größer, je mehr Banken fusionieren. Mithin erhöht sich sowohl k als auch die entsprechende Kapazität Darlehen und Depositen aus dem Nichts zu schaffen. Der resultierende Gewinn steigt stark an. Der Wert von k steigt auch an, wenn Gelddepositen bei anderen Banken hinterlegt werden, welche ihrerseits ihre Darlehen ausweiten und ihre Darlehensnehmer letztlich einen signifikanten Anteil des neuen Geldes, welches sie erhalten, in der ursprünglichen Bank deponierten. Diese Phänomen verursacht zudem einen Anstieg in den Geldreserven der Bank und damit in ihrer Kapazität zur Kreditausweitung. Wenn wir beispielsweise annehmen, dass der Reservekoeffizient oder die Mindestreserve, c, 10 Prozent ist; dass der Anteil der ungenutzt bleibenden Darlehen, k (welcher auch die Effekte einer größeren Anzahl Bankkunden sowie andere Faktoren einschließt) 20 Prozent ist; und dass die Summe der ursprünglich bei der Bank hinterlegten Depositen, d, gleich 1.000.000 GE ist; dann erhalten wir, wenn wir diese Werte in Formel [3] einsetzen:
[4]
Wir sehen daher, dass eine Bank, welche 1.000.000 GE in Sichteinlagen annimmt und welche eine Reservedeckung von 10 Prozent bei einem k von 20 Prozent aufrechterhält, in der Lage sein wird, nicht nur Darlehen in der Höhe von 900.000 GE zu gewähren, wie wir zu Illustrationszwecken in den Buchungen (18) und folgenden angenommen haben, sondern auch in einer beträchtliche höheren Summe, nämlich 1.097.560 GE. Mithin ist das Vermögen der Kreditexpansion und der Schaffung von Depositen ex nihilo sogar für den Fall einer isolierten Bank um 22 Prozent größer als wir ursprünglich in den Buchungen (18) und folgenden angenommen haben.23 Folglich sollten wir unsere früheren Buchungseinträge modifizieren. So ist die Bank, bei Beibehaltung des angelsächsischen Buchungssystems und c=0,1 und k=0,2, in der Lage seinen Kredit um 1.097.560 GE zu expandieren, anstatt der 900.000, wie wir zuvor angenommen hatten (damit ist das Vermögen der Bank zur Kreditexpansion um 22 Prozent größer). Die modifizierten Buchungseinträge und die korrespondierende Bilanz würden wie folgt aussehen (vergleiche mit den einer Teildeckung auf ihre Sichteinlagen zu operieren. In einer freien Marktwirtschaft ohne Staatseingriffe, in der die ökonomischen Agenten den Rechtsprinzipien unterworfen sind, würde dieser beständige Trend zu Bankfusionen verschwinden und die Bankgröße würde praktisch unerheblich. Es bestünde eine Tendenz zu einer großen Anzahl solventer Banken. 23 Obgleich es vom Standpunkt der isolierten Bank so aussieht, als ob die Bank einen Teil ihrer Depositen verleiht, ist es in Wirklichkeit so, dass eine isolierte Bank Darlehen ex nihilo schafft, in einer Summe, die größer ist, als die ursprünglichen Depositen. Das zeigt, dass die Hauptquelle der Depositen nicht die Deponenten sind, sondern vielmehr die Darlehen, welche die Banken aus dem Nichts schaffen. (Die Depositen sind Sekundäreffekte dieser Darlehen.) Dies wird noch klarer werden, wenn wir das gesamte Bankensystem betrachten. C.A. Phillips drückt diesen Sachverhalt wie folgt aus: „It follows that for the banking system, deposits are chiefly the offspring of loans.“ Vgl. Phillips, Bank Credit, S. 64, und die Zitierung durch Taussig, Fußnote 63, Kapital 5.
3
ursprünglichen Einträgen 18 und 19):
(23)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Sichteinlagen
Bargeld
1.000.000
(Bankkonten) 1.097.560
Darlehen gewährt
Sichteinlagen
1.097.560
(neu-geschaffene Depositen) _____________________________
_____________________________
Diese Einträge korrespondieren mit der ursprünglichen Einlage von 1.000.000 GE und der ex nihilo Schaffung von Darlehen und Depositen durch eine isolierte Bank in Höhe von 1.097.560 GE. Der Wert von k (0,2) zeigt an, dass die Darlehensnehmer im Durchschnitt 80 Prozent der geliehenen Gelder abziehen. Wenn diese Abzüge vorgenommen werden (oder - was auf das gleiche heraus kommt - wenn sogar einer größere Summe abgehoben wird und einige der Endempfänger des Geldes auch Kunden der ursprünglichen Bank sind und ihr Geld dort deponieren), dann wird der folgende Eintrag erfasst:24 24 Die alten kontinentaleuropäischen Buchungsmethoden sind komplexer. Es ist jedoch möglich zu der Bilanz (25) zu gelangen unter der Annahme, dass k=0,2 anstelle des Prozentsatzes der ungenutzten Darlehensgelder (welche, wie wir wissen, von diesem System nicht reflektiert werden), die Proportion repräsentiert, in welcher die Öffentlichkeit regelmäßig Geschäfte mit der Bank erledigt und daher Gelder wieder in der Bank deponiert. In diesem Falle würden die Einträge wie folgt aussehen: Bank A (26) Soll Haben ___________________________________ _________________________________ 1.000.000 Bargeld ___________________________________
Sichteinlagen 1.000.000 _________________________________
Nach der Verleihung der 900.000 GE würde die Bank folgenden Eintrag vornehmen: Bank A Soll ___________________________________
Haben _________________________________
900.000 Darlehen ___________________________________
Bargeld 900.000 _________________________________
Und wenn wir annehmen, dass 20 Prozent der 900.000 GE, welche die Tresore der Bank verlassen, erneut in
3
derselben Bank deponiert werden und dass 90 Prozent dieser Summe als Darlehen vergeben, etc. dann folgen diese Einträge: (27) Soll ___________________________________
Haben _________________________________
180.000 Bargeld ___________________________________
Sichteinlagen 180.000 _________________________________
Wenn 90 Prozent dieser Summe verliehen wird: Bank A (28) Soll ___________________________________
Haben _________________________________
162.000 Darlehen ___________________________________
Bargeld 162.000 _________________________________
32.400 Bargeld ___________________________________
Sichteinlagen 32.400 _________________________________
29.160 Darlehen ___________________________________
Bargeld 29.160 _________________________________
5.832 Bargeld ___________________________________
Sichteinlagen 5.832 _________________________________
5.248 Darlehen ___________________________________
Bargeld 5.248 _________________________________
Wir haben angenommen, dass 20 Prozent jedes gewährten Darlehens in die Tresore der Bank zurückgeflossen sind, da die Endempfänger dieses Anteils der geliehenen Gelder selbst Kunden der Bank sind. Mithin würde eine Bilanz nach dem kontinentaleuropäischen System wie folgt aussehen: (29) Bank A Bilanz (nach dem kontinentaleuropäischen System) c=0,1 k=0,2 Aktiva ___________________________________ Bargeld
121.824
Darlehen 1.096.408 ___________________________________ Summe Aktiva
1.218.232
Passiva _________________________________ Sichteinlagen
1.218.232
_________________________________ Summe Passiva
1.218.232
Diese Zahlen sind praktisch mit denen der Bilanz (25) identisch. Sie entsprechen sich nicht genau, weil unser Beispiel nach der dritten Wiederholung des Darlehen-Depositen Prozesses endet. Wenn wir den Prozess fortsetzten, würden die Zahlen der Bilanz (29) nach und nach sich denen in (25) annähern und letztlich würden sie sich genau entsprechen.
3
Bank A (24)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
878.048
Bargeld
Sichteinlagen
878.048
(80% von 1.097.560) _____________________________
_____________________________
Die Bankbilanz würde wie folgt aussehen: (25) Bank A Bilanz c=0,1 und k=0,2 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
121.952
Sichteinlagen
Darlehen
1.097.560
1.219.512
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.219.512
_____________________________
1.219.512
_____________________________
DER FALL EINER SEHR KLEINEN BANK Wir werden nun einen besonderen Fall einer isolierten Bank betrachten: eine sehr kleine oder „liliputanischen“ Bank; das heißt, eine Bank mit k=0. Das bedeutet, dass die Darlehensnehmer unverzüglich ihr gesamtes Darlehen abheben und jene, an die sie Zahlungen richten, nicht Kunden derselben Bank wie die Darlehensnehmer sind. Wenn k=0 ist und wir diesen Wert in die Formel [3] einsetzen, erhalten wir Formel [5]:
[5] Und da in unserem Beispiel d = 1.000.000 GE und c = 0,1, folgt dann: 3
x = 1.000.000(1-0.1) = 1.000.000 · 0,9 = 900.000 GE Dies ist genau die Summe der Depositen oder der Umlaufsmittel welche ex nihilo geschaffen wird und in den Einträgen (11) und (18) erscheint. Nichtsdestoweniger sahen wir im letzten Abschnitt, dass wenn k nur ein wenig größter als Null ist, die Bank eine beträchtlich größere Summe an Umlaufsmitteln schaffen kann. (Wenn k=0,2 dann kann sie 22 Prozent mehr Umlaufsmittel schaffen, oder 1.097.560 GE anstatt der 900.000 GE in dem ersten Beispiel.) Die triff zu, gleich ob die Bank das kontinentaleuropäische Buchungsssystem oder das angelsächsische System verwendet. Die geschaffene Summe kann sogar den Betrag der ursprünglichen Depositen in der isolierten Bank übertreffen. In Anbetracht dessen ist es einfach zu verstehen, warum Banken so heftig konkurrieren wie sie es tun, um die größtmögliche Zahl von Deponenten und Kunden anzuziehen. Bankiers versuchen soviel Geld als möglich in der Form von Depositen zu erlangen, weil sie in der Lage sind, Kredite in einer noch größeren Summe als das Volumen ihrer Depositen auszuweiten. Daher gilt, je größer das Volumen, desto größer die korrespondierende Kreditausweitung zu der die Bank in der Lage ist. Bankiers versuchen so viele Kunden zu gewinnen, wie sie eben können, weil k desto größer ist, je mehr Kunden sie haben; und je größer k ist, desto größer ist ihr Vermögen, Darlehen zu expandieren und Depositen zu generieren. Am wichtigsten ist, dass Bankiers technisch nicht in der Lage sind zu unterscheiden, ob ihre Wachstumspolitik zu einer Erweiterung ihrer individuellen Aktivitätsbereiche auf Kosten anderer Banken führt, oder ob ihrer Politik letztlich zu einem allgemeinen Anstieg der Kreditausweitung führt, welcher das ganze Bankensystem erfasst, oder ob beides gleichzeitig geschieht. Banken weiten Kredit und Depositen selbständig aus und nehmen auch an Prozessen teil, welche eine noch größere Kredit- und Depositenexpansion im Bankensystem als ganzes bewirken. Ferner versuchen die Banken in diesem Prozess eine zunehmend wichtigere Rolle in Relation zu anderen Banken einzunehmen. In Folge dessen geben sie kontinuierlich neuen Antrieb zur Kreditausweitung auf dem Niveau individueller Banken und des Bankensystems als ganzes. In jedem Fall ist k der entscheidende Faktor bei der Bestimmung der Ertragskraft einer Bank. Der Wettbewerb zwischen Banken hält k signifikant unter 1. Jedoch versucht jede Bank den Wert ihres k Faktors kontinuierlich zu steigern. Um dies zu erreichen, nutzen die Banken ihre Möglichkeiten hinsichtlich geographischer Expansion, der Fähigkeit Wettbewerber auszuschließen und zu übernehmen und der Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
4
aus.25 Obgleich ein Faktor k gleich eins für eine isolierte Bank unmöglich ist (außer im Fall einer monopolistischen Bank), sind Werte für k, die signifikant höher als null sind, recht häufig. Und unter fast allen Umstände unternehmen Banken extreme Anstrengungen, um k zu vergrößern. Neben anderen Phenomena, erklärt dies den konstanten Druck, dem sie ausgesetzt sind, mit anderen Banken zu fusionieren. Zu illustrativen Zwecken haben wir die folgende Tabelle von verschiedenen Kombinationen von Reservekoeffizienten, c, und Prozentsätzen von ungenutzten Krediten oder von Kunden, die ihr Bankgeschäft mit derselben Institution betreiben, k, zusammengestellt, welche es einer isolierten Bank alleine erlauben, ihre Geldmenge zu verdoppeln (durch das Einsetzen dieser Werte in die Formel [3], erhalten wir x=d). Reservekoeffizient „c“
Prozentsatz von ungenutzten Krediten „k“
( x = d = 1)
2 Prozent
2,04 Prozent
5 Prozent
5,26 Prozent
7 Prozent
7,52 Prozent
13 Prozent
14,94 Prozent
15 Prozent
17,64 Prozent
17 Prozent
20,48 Prozent
20 Prozent
25,00 Prozent
KREDITAUSWEITUNG UND EX NIHILO DEPOSITENSCHAFFUNG EINE EINZELNEN, MONOPOLISTISCHEN BANK Wir werden nun annehmen, dass k=1 ist. Wir behandeln entweder eine einzelne, monopolistische Bank, bei der die Kreditnehmer zwangsläufig alle ihre geliehenen Gelder als Depositen halten 25 In einigen Fällen zahlen Banken sogar Zinsen an ihre Bankkonteninhaber, um neue Depositen anzuziehen und zu halten. In Folge dessen reduzieren sie letztlich die großen Gewinnmargen aus Buchung (15). Dies berührt weder unser grundlegendes Argument noch die Fähigkeit Depositen zu schaffen - ihre Hauptgewinnquelle. In Mises Worten zu diesem kompetitiven Prozess: „Durch übermäßiges Entgegenkommen in der Behandlung solcher Einlagen sind schon manche Banken illiquid und selbst insolvent geworden.“ Mises, Nationalökonomie, p. 422.
4
müssen, weil es keine andere Bank gibt, oder eine Situation, in der alle Letztempfänger der Zahlungen, welche durch die Kreditnehmer der Bank vorgenommen werden, zugleich Kunden der Bank sind. (Dieses „Ideal“ziel könnte durch eine Fusion alle verbleibenden Großbanken erreicht werden.) Wenn wir den Wert k=1 in die Formel [3] einsetzen, erhalten wir:
[6]
Indem wir auf unser Beispiel zurückkommen, indem d=1.000.000 GE und c=0,1, und diese Werte in die Formel einsetzen, erhalten wir:
[7]
GE
In diesem Fall könnte die Bank alle ex nihilo Kredit und Depositen oder Umlaufsmittel in der Summe von 9.000.000 GE schaffen, was bedeutet, dass sie ihre gesamte Geldmenge verzehnfachen kann (1.000.000 ursprünglich deponierte GE plus 9.000.000 GE in der Form von Umlaufsmitteln oder Depositen, die aus dem Nichts geschaffen wurden und Kredit decken, welche die Bank gewährt hat). Dem Beispiel von Bresciani-Turroni26 folgend und annehmend, dass alle Zahlungstransaktionen zwischen der Bank und Kunden derselben Bank (gegeben den Fall, dass sie monopolistisch ist oder bestimmte Umstände existieren, welche eine derartige Situation herbeiführen) ausgeführt werden, werden wir jeden Bilanzierungseintrag nutzen, um den Prozess darzulegen, der zu diesem Ergebnis führt. Wir werden jetzt dem traditionellen kontinentalen System (und nicht dem angelsächsischen) folgen, in dem alle Zahlungen in dem Kassenposten festgehalten werden. Die folgenden Einträge repräsentieren das Buch in den Zeitpunkten t1, t2, t3, . . . t9, etc. und reflektieren die Bankpraxis, wiederholt den eigenen Kunden Darlehen in der Höhe von 90 Prozent der in Bargeld erhaltenen Geldern zu gewähren. Die Kunden heben die volle Summe des Darlehens ab. Weil sie jedoch kein Konto bei einer anderen Bank haben (es gibt keine andere Bank in dieser Gesellschaft), deponieren sie letzlich das Geld, welches sie erhalten, in derselben Bank. Dies erlaubt es der Bank wiederum neue Darlehen zu gewähren und neue Depositen zu generieren, und dieser Prozess wird immer wieder wiederholt. 26 Bresciani-Turroni, Curso de economía, vol. 2: Problemas de economía política, S. 133-38.
4
Bank A (Buch der jährlichen Operationen) (26) Soll ___________________________________
Haben _________________________________
t1 1.000.000 Bargeld
Sichteinlagen deponiert durch Herrn X
t2
900.000 Kredite an U
___________________________________
Bargeld
1.000.000 900.000
_________________________________
Wir setzen als Annahme voraus, dass U den gesamten Betrag seines Kredits abhebt und an seinen Gläubiger, A, zahlt. A ist auch ein Kunde von U´s Bank und deponiert die 900.000 GE, die er erhält. Es resultieren die folgenden Einträge: ___________________________________ t3 t4
900.000 Bargeld 810.000 Kredite an V
___________________________________
_________________________________ Sichteinlagen deponiert durch Herrn A
900.000
Bargeld
810.000
_________________________________
Wir unterstellen, dass Kreditnehmer V sein Geld abhebt und an Kreditgeber B zahlt, welcher ebenfalls Kunde der Bank ist und sein Geld in dieser deponiert. Dieser repetitive Prozess setzt sich fort und führt zu den folgenden Buchungseinträgen: ___________________________________ t5
810.000 Bargeld
___________________________________ t6 729.000 Kredite an Y ___________________________________ t7
729.000 Bargeld
___________________________________ t8 656.000 Kredite an Z ___________________________________ t9
656.000 Bargeld
_________________________________ Sichteinlagen deponiert durch Herrn B 810.000 _________________________________ Bargeld 729.000 _________________________________ Sichteinlagen deponiert durch Herrn C 729.000 _________________________________ Bargeld 656.000 _________________________________ Sichteinlagen deponiert durch Herrn D
656.000 4
___________________________________
_________________________________
Dies geschieht wieder und wieder, bis am Ende des Jahres die gesamten Depositen der Bank der folgenden Formel entsprechen: [8] 1.000.000 + 1.000.000 x 0,9 + 1.000.000 x 0,92 + 1.000.000 x 0,93 + 1.000.000 x 0,94 + ... = 1.000.000 (1 + 0,9 + 0,92 + 0,93 + 0,94 + ...) Der obige Ausdruck repräsentiert die Summe einer geometrischen Reihe. Die Glieder steigen an und stehen in einem gemeinsamen Verhältnis von 0,9.27 In unserem Beispiel, r=0,9 und a= 1.000.000 GE wäre die Summe der Glieder deshalb:
GE
[13]
Unter Berücksichtigung, dass d= 1.000.000 ursprünglich deponierte GE repräsentiert und dass r=1c; d.h. r=1-0,1=0,9 ; dann ist die Summe aller Bankdepositen (ursprüngliche und sekundäre) gegeben durch:
[14]
Mithin würde das Gesamtvolumen der Depositen einer monopolistischen Bank (oder einer Bank, 27 Die Summe der Folge ist: [9] Sn = a + ar + ar2 ... + arn-1 ; bei Multiplikation mit dem gemeinsamen Verhältnis von r ergibt sich: [10] rSn = ar + ar2 + ar3 ... + arn-1 + arn ; wenn wir [10] von [9] subtrahieren erhalten wir: Sn - rSn = a – arn ; durch ausklammern des gemeinsamen Faktors auf beiden Seiten: Sn (1-r) = a (1 – rn) ; sodann isolieren wir Sn: [11]
und wenn r < 1, rn nähert sich 0
und der Lim Sn = Lim n∞ n∞ Wir können daher schließen, dass: [12]
; if | r | < 1.
; if | r | < 1
Der griechische Sophist Zenon war der erste, der das Problem des Summierens von Gliedern in einer Folge mit einem gemeinsamen Verhältnis kleiner als eins aufwarf. Er adressierte das Problem im fünften Jahrhundert vor Christus, in dem er die allgemein bekannte Frage stellte, ob der Athlet Achilleus in der Lage sein würde, die Schildkröte zu fangen, oder nicht. Das Problem wurde jedoch nicht zufriedenstellend gelöst, weil Zenon nicht erkannte, dass eine endliche Reihe mit einem gemeinsamen Verhältnis kleiner eins, eine konvergente Summe hat (und nicht eine divergente, wie er annahm). Vgl. The Concise Encyclopedia of Mathematics, W. Gellert, H. Kustner, M. Hellwich, und H. Kastner, hrsg. (New York: Van Nostrand, 1975), S. 388.
4
bei welcher alle, die Geld von den Kreditnehmern der Bank erhalten, letztlich auch ihre Konten haben) gleich dem Wert der ursprünglichen Depositen, d, geteilt durch den Reservekoeffizienten, c, sein. Formel [14] ist die einfachste Fassung des so genannten Geldschöpfungsmultiplikator, und ist identisch mir der Formel [27], welche dasselbe Resultat für ein Banksystem von vielen kleinen Banken erbringt und augenscheinlich das erste Mal von Alfred Marshall im Jahre 1887 herausgearbeitet
wurde.28
Wir
könnten
die
folgende
Formel
zur
Berechnung
der
Nettokreditexpansion benutzen, welche die Bank ex nihilo generiert (in anderen Worten, die Depositen und Umlaufsmittel, welche aus dem Nichts geschaffen werden, um die Kreditexpansion möglich zu machen):
[15]
Jetzt ziehen wir die gemeinsamen Faktoren heraus:
[16] Die obige Formel ist mit [6] identisch. In der Tat ist, wenn im Fall einer monopolistischen Bank d=1.000.000 GE und c=0,1 ist, die Nettokreditexpansion gleich:
[17]
GE
Mithin würde die Bilanz von Bank A, eine monopolistische Bank, letztlich wie folgt aussehen: (31) Bank A 28 Folgend beschreibt Marshall den Prozess, der ihn zu dieser Formel führte: I should consider what part of its deposits a bank could lend, and then I should consider what part of its loans would be redeposited with it and with other banks and, vice versa, what part of the loans made by other banks would be received by it as deposits. Thus I should get a geometrical progression; the effect being that if each bank could lend two-thirds of its deposits the total amount of loaning power got by the banks would amount to three time what it otherwise would be. If it could lend four-fifths, it will then be five times; and so on. The question how large a part of its deposits a bank can lend depends in a great measure on the extent on which the different banks directly or indirectly pool their reserves. But this reasoning, I think, has never been worked out in public, and it is very complex. (Alfred Marshall, „Memoranda and Evidence before the Gold and Silver Commission,“ December 19, 1887, in Official Papers by Alfred Marshall [London: Royal Economic Society, Macmillan, 1926], S. 37)
4
(Monopolist) Bilanz Aktiva ___________________________________ Bargeld
Passiva _________________________________
1.000.000
Sichteinlagen
Darlehen an U 900.000 Darlehen an V 810.000 Darlehen an Y 729.000 Darlehen an Z 656.000 · · · · · · ___________________________________ Summe Aktiva
Von X 1.000.000 Von A 900.000 Von B 810.000 Von C 729.000 Von D 656.000 · · · · _________________________________
10.000.000
Summe Passiva
10.000.000
Mit nur 1.000.000 GE in ursprünglichen Depositen in ihren Tresoren hat die Bank A, ein Monopolist, den Kredit durch die Gewährung von Darlehen in der Höhe von 9.000.000 GE ausgeweitet und aus dem Nichts 9.000.000 GE in neuen Depositen oder Umlaufsmittel geschaffen, um diese Darlehen zu decken. 29 5 KREDITAUSWEITUNG UND DIE SCHAFFUNG NEUER DEPOSITEN DURCH DAS GESAMTE BANKENSYSTEM Wir haben bereits die bedeutenden Möglichkeiten isolierter Banken zur Schaffung von Umlaufsmitteln (Darlehen und Depositen) betrachtet. In der Tat können sie normalerweise 29 Relevant ist auch die Formel der maximalen Kreditausweitung, welche eine isolierte Bank, nicht basierend auf dem in ursprünglichen Depositen erhaltenem Geld, sondern basierend auf den von ihr gehaltenen Reserven, r, in Überschuss des erforderlichen Betrags, cd, hervorzubringen vermag. In diesem Falle muss der Rückgang an Reserven, welcher von der neuen Ausweitung x(1-k) resultiert, gleich den Überschussreserven, r, minus der Reservedeckung sein, welche mit dem Anteil der ungenutzten Darlehen korrespondiert, k·c·x. Oder anders ausgedrückt: [18] (1-k)x = r - k·c·x k·c·x + (1-k)x = r x(kc + 1 – k) = r [19] Falls wir, wie in unserem Beispiel annehmen, dass ein ursprüngliches Depositum von 1.000.000 GE vorgenommen wurde, c=0,1 und k=0,2, dann ist die Überschussreserve genau r=900.000, und damit: [20]
GE
Dies ist natürlich genau dasselbe Ergebnis wie wir es mit der Formel [4] erzielt haben.
4
eigenhändig
ihre
Geldmenge
verdoppeln.
Wir
werden
jetzt
sehen,
dass
ein
Teildeckungsbankensystem als ganzes ex nihilo ein bedeutend größeres Volumen an Depositen schafft
und
eine
viele
höhere
Kreditausweitung
erzeugt.
In
der
Tat
bewirkt
ein
Teildeckungsbankensystem in dieser Hinsicht ähnliche Effekte wie eine monopolistische Bank. Wir werden unsere Demonstration auf dem allgemeinsten Fall eines Bankensystems bestehend aus einer Gruppe normaler Banken, welche jede Bargeldreserven, c, von 10 Prozent hält, basieren. Zudem heben die Kunden einer jeder dieser Banken im Durchschnitt 20 Prozent der gewährten Darlehen nicht ab (oder 20 Prozent der Umlaufsmittel gelangen zur Bank zurück, weil eine signifikante Anzahl der letztlichen Empfänger des Geld auch Kunden der Bank sind.) Daher ist k = 20 Prozent. In dem folgenden Beispiel nehmen wir an, dass Herr X 1.000.000 GE in Bank A deponiert. Die Bank macht dann den folgenden Buchungseintrag: Bank A (32)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Sichteinlagen
Bargeld
1.000.000
(vorgenommen durch Herrn X) _____________________________
_____________________________
Bank A wäre dann in der Lage, in der durch Formel [3] bestimmten Höhe Darlehen zu schaffen und Z zu gewähren. Bank A (33)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.097.560
Sichteinlagen
Darlehen an Z
_____________________________
1.097.560
_____________________________
Und weil k = 0,2 ist, werden 80 Prozent der gewährten Darlehen abgehoben, was zum folgenden Eintrag führt: (34)
Soll
Haben 4
_____________________________
_____________________________
878.045.000 Sichteinlagen
Bargeld
_____________________________
_____________________________
878.048
Die Bilanz von Bank A sieht nach diesen Einträgen wie folgt aus: (35) Bank A Bilanz c=0,1 und k=0,2 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
121.952
Sichteinlagen
Darlehen
1.097.560
1.219.512
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.219.512
_____________________________
1.219.512
_____________________________
Wir werden nun annehmen, dass wenn Z sein Depositum abhebt, er Y bezahlt, der ein Kunde von Bank B ist und sein Geld dort deponiert. Es ergeben sich drei Einträge parallel zu den obigen. Zur Bestimmung der Beträge wird wieder Formel [3] benutzt. Bank B (36)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
878.048
Sichteinlagen
Bargeld
878.048
(vorgenommen durch Herrn Y) _____________________________
_____________________________
963.710
Sichteinlagen
Darlehen an V
963.710 4
_____________________________
_____________________________
770.969
Bargeld
Sichteinlagen
_____________________________
770.969
_____________________________
Nach diesen Operationen sieht Bank B´s Bilanz wie folgt aus: (37) Bank B Bilanz c=0,1 und k=0,2 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
107.079
Sichteinlagen
Darlehen
963.710
1.070.789
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.070.789
_____________________________
1.070.789
_____________________________
Wenn wir uns vorstellen, dass V seine Schulden an U bezahlt, der wiederum das Geld, welches er erhält, in seiner Bank deponiert, Bank C, dann ergeben sich die folgenden Buchungseinträge: Bank C (38)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
770.969
Sichteinlagen
Bargeld
770.969
(vorgenommen durch Herrn U) _____________________________
_____________________________
846.185
Sichteinlagen
Darlehen an R
_____________________________
846.185
_____________________________ 4
676.948
Sichteinlagen
Bargeld
_____________________________
676.968
_____________________________
Die Bank macht diesen letzten Eintrag, wenn R 80 Prozent (k=0,2) seines Darlehens bei der Bank C abhebt und seine Gläubiger (T, zum Beispiel) bezahlt. Sobald diese Operationen durchgeführt sind, erscheint Bank C´s Bilanz wie folgt: (39) Bank C Bilanz c=0,1 und k=0,2 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
94.021
Sichteinlagen
Darlehen
846.185
940.206
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
940.206
_____________________________
940.206
_____________________________
Und wenn Gläubiger T das ihm geschuldete Geld in seiner Bank, Bank D, deponiert, dann resultieren die folgenden Einträge: Bank D (40)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
676.948
Sichteinlagen
Bargeld
676.948
(vorgenommen durch Herrn T) _____________________________
_____________________________
5
742.992
Darlehen an S
Sichteinlagen
742.992
_____________________________
_____________________________
594.393
Bargeld
Sichteinlagen
_____________________________
594.393
_____________________________
Die Bank macht diesen letzten Eintrag in ihrem Buch, wenn S seine Gläubiger bezahlt. Zu diesem Zeitpunkt sieht Bank D´s Bilanz wie folgt aus: (41) Bank D Bilanz c=0,1 und k=0,2 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
82.555
Sichteinlagen
Darlehen
742.992
825.547
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
825.547
_____________________________
825.547
_____________________________
Der Prozess setzt sich in dieser Weise fort und die Kette von Depositen und Darlehen dehnt sich durch das gesamte Bankensystem aus. Sobald die Effekte des ursprünglichen Depositums von 1.000.000 GE vollständig verschwunden sind, ist die Gesamtsumme der durch das Bankenssystem geschaffenen Depositen gleich der Summe der folgenden Folge: [21] 1.219.512 + 1.219.512 x 0,878 + 1.219.512 x 0,8782 + ... = a + ar + ar2 + ... = Σarn ; mit a = 1.219.512 n=0
5
und der gemeinsame Koeffizient r= (1—k) Das ist darauf zurückzuführen, dass in unserem Beispiel r gleich 80 Prozent (1-k) des Anteil der durch jede Bank in jedem Schritt neu geschaffenen Depositen ist. Dieser Anteil stammt aus der Formel [3] und ist gleich:
Somit: [22]
und da |r| 0 (in unserem vorigen Beispiel k = 0,2) reproduzieren. Mit c = 0,1 ist eine Bank dann in der Lage, für jede 1.000.000. GE die sie erhält, aus dem Nichts neue Banknoten in der folgenden Höhe zu schaffen:
[43]
Das heißt, dass die Bank die Möglichkeit hat, 1.097.560 GE in der Form von ungedeckten Noten zu schaffen. Ein Resultat nach dem anderen, welches wir für die Bankdepositen erhalten haben, könnten wir für die Banknoten duplizieren, was zeigt, dass aus ökonomischer Sicht kein Unterschied zwischen der Ausgabe von ungedeckten Noten und der ex nihilo Ausweitung des Bankkredits, welcher durch aus dem nichts geschaffenen Depositen gedeckt wird, besteht. Die einzige bedeutende Differenz lieg in der rechtlichen Natur, da nach allgemeinen Rechtsprinzipien die Ausgabe von ungedeckten Noten ein Fälschungs- und Betrugsdelikt impliziert, während der monetäre Bankdepositenvertrag einzig eine Veruntreuung involviert.
8
Nichtsdestoweniger bestehen einige Unterschiede in der Art, in der die Operation durchgeführt wird. Banknoten haben die Form einer Inhaberschuldverschreibung und jede hat ihren eigenen Nennwert, was den Transfer der Noten zwischen Privatpersonen ermöglicht, ohne dass es für die Bank notwendig wird, einen Eintrag in ihren Büchern vorzunehmen (und als ein Ergebnis vermindern sich die Kosten von Banktransaktionen). Im Gegensatz dazu haben Depositen für die Kunden den Vorteil, eine exakte Summe auf einen Scheck zu schreiben können, ohne eine spezifische Anzahl Noten eines festgesetzten Wertes übergeben zu müssen.
Jedoch stellt die
Tatsache, dass der Bankier den durchgeführten Transaktionen folgen und sie in seinen Büchern aufzeichnen muss, einen Nachteil dar. Dennoch sind trotz dieser rechtlichen und formellen Unterschiede beide Operationen aus ökonomischer Sicht im Wesentlichen identisch und produzieren die gleichen Effekte. Wie wir jedoch später sehen werden, erkannten die Theoretiker in den geldtheoretischen Anfängen lediglich die Unmoral der Kreation von ungedeckten Banknoten und den schweren Schaden, den sie verursachen. Zunächst beantworteten und realisierten sie jedoch nicht die Tatsache, dass die expansive Darlehensschaffung, welche durch aus dem Nichts geschaffenen Depositen gedeckt wird, die gleichen Effekte zeitigt. Dies erklärt, warum die Peelsche Bankakte vom 19. Juli 1844, die Grundlage aller modernen Bankensystem, die Emission von ungedeckten Banknoten verbot, jedoch kläglich daran scheiterte, ihre Ziele der monetären Stabilität und einer angemessenen Definition und Verteidigung der Eigentumsrechte der Bürger in Bezug auf das Bankwesen zu erreichen. Das Scheitern war in der Unfähigkeit der Gesetzgeber begründet, zu verstehen, dass Bankdepositen mit einer Teildeckung genau die gleiche Natur und wirtschaftlichen Effekte wie ungedeckte Banknoten haben. Als eine Folge verbot der Gesetzesakt das Teildeckungsbankwesen nicht und gestattete die Fortsetzung der jahrhundertealtes Praxis der „Emission“ von ungedeckten (sekundären) Depositen. In der Realität gingen die sekundären Depositen der Emission von ungedeckten Banknoten voras. Weil erstere sich jedoch als viel komplexer erwiesen, wurden nur letztere (sehr verspätet) verboten. Der monetäre Bankdepositenvertrag mit Teildeckung ist noch heute legal, obwohl er genau die gleich ökonomische Natur besitzt und die gleichen schädigenden Effekte wie die Emission von ungedeckten Banknoten besitzt, welche 1844 durch die Peelsche Bankakte verboten wurde.41
41 Wie das Kapital 8 später detaillierter enthüllen wird (S. 605 ff engl. Ausg. Und S. 625ff.) war der erste Theoretiker, der realisierte, dass Bankdepositen Geld sind und das Teildeckungsbankwesen die Geldmenge erhöht der spanische Scholastiker Luis de Molina, Tratado sobre los cambios, herausgeben und mit Vorwort von Francisco Gómez Camacho (Madrid: Instituto de Estudios Fiscales, 1991; Die erste Auflage wurde 1597 in Cuenca veröffentlicht). Vgl. beispielsweise Disputation 409, S. 145-56, bes. S. 147. Nichtsdestoweniger erkannte Luis de Molina die Parallelen zwischen sekundären Depositen und ungedeckten Noten nicht, da zu seiner Zeit die Banken noch nicht damit begonnen hatten, sich der Banknotenemission zu bedienen. Es sollte bis 1797 dauern, bis Henry Thornton zum ersten Mal die Gleichwertigkeit von Noten und Depositen erwähnen würde (vgl. seine Erwiderung vom 30. März 1797 in „Evidence given before the Lords´Committee of Secrecy appointed to inquire into the courses which
8
8 DER KREDITRESTRIKTIONSPROZESS Eines der zentralen Probleme des Prozesses der Kreditausweitung und der ex nihilo Depositenschaffung und damit des Bankdepositenvertrages mit einer Teildeckung ist, dass genau wie dieser Kräfte freisetzt, welche die Effekte der Kreditausweitung auf die reale Wirtschaftstätigkeit umkehren, er auch Kräfte entfesselt, welche zu einem parallelen Prozess der Kreditrestriktion oder Kreditkontraktion führen. Ceteris paribus kann jedes der folgenden Ereignisse dazu führen, dass ein derartiger Prozess angestoßen wird: (a) eine Verringerung der ursprünglichen Depositen; (b) ein Anstieg in der Neigung der Öffentlichkeit Geldeinheiten außerhalb des Bankensystems zu halten (d.h. f steigt an); (c) Banken werden „vorsichtiger“, was sie dazu veranlasst, ihren Reservekoeffizienten, c, zu steigern, um in der Lage zu sein, einer höheren Anzahl von durchschnittlichen möglichen Abhebungswünschen nachzukommen; (d) ein plötzlicher Anstieg in der Rückzahlung von Darlehen, welcher nicht durch einen Anstieg bei den gewährten
produced the Order of Council of the 27th February 1797“ reproduziert in An Inquiry into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain, F. A. Hayek, Hrsg. (Fairfiled, N. J.: Augustus M. Kelley, 1978), S. 303. Einige Jahre später kamen Walter Boyd, James Pennington und der pennsylvanische Senator Condy Raguet zu der gleichen Schlussfolgerung. Diese Persönlichkeiten glaubten, dass sowohl Depositen und Banknoten Teil der Geldmenge waren und dass jede Bank, die darin fehlte, nicht unverzüglich und auf Verlangen den Wert der von ihr ausgegebenen Banknoten zu zahlen, ihre Betriebslizenz verlieren sollte; wie es jeder Bank geschehen sollte, der es nicht gelang, sofort und in Bar Abhebungswünschen der von der Bank emittierten Depositen zu entsprechen [ vgl. „Report on Bank Charters“ von Condy Ragued, enthalten in Journal of the Senate, 1820-1921, Pennsylvania Legislature, S. 252-68 und die diesbezüglichen Kommentar von Murray N. Rothbard in seinem Buche, The Panic of 1819: Reactions and Policies (New York und London: Columbia University Press, 1962), S. 148]. Es ist sehr bedeutend, dass es die Banking School Theoretiker selbst waren, die als erste mit Recht darauf insistierten, dass es in Anbetracht der Tatsache, dass Noten und Depositen von der gleich ökonomischen Natur sind, sehr paradox war, zu versuchen, die Emission von ungedeckten Noten zu limitieren und gleichzeitig nicht die gleiche Maßnahme hinsichtlich der Depositen zu befürworten. Vgl. beispielsweise James Wilson´s Werk, Capital, Currency and Banking (London: The Economics, 1847), S. 282; vgl. zudem Vera C. Smiths Kommentare in ihrem Buch, The Rationals of Central Banking and the Free Banking Alternative, S. 89. Smith macht die folgende scharfsinnige Beobachtung, wenn sie sich in Hinblick auf Wilson und den schweren Fehler der Currency School, die nicht in der Lage war, die ökonomischen Parallelen zwischen Noten und Depositen zu erkennen, ausführt: The reason the currency school usually gave for this distinction was that bank notes increased the circulation and deposits did not. Such an argument was not, of course, acceptable to Wilson as a member of the banking school of thought which both denied that the issue of notes could be increased to any undesirable extent so long as convertibility was strictly maintained, and pointed out that the difference claimed between notes and deposit liabilities was invalid. But it was still denied in many quarters that demand deposits formed part of the circulation, and it was probably by no means generally admitted right up to the time of MacLeod. S. 89. Wilson hatte sicher völlig Recht, diesen Widerspruch anzusprechen; Angesichts der ökonomischen Äquivalenz von Banknoten und Depositen sind die Argumente für die Regulierung von einer ungedeckten Emissionsform direkt mutatis mutandis auf die andere anwendbar. Darüber hinaus stellt dieses Verhalten die gleiche Inkonsistenz dar, welche fast ein Jahrhundert später die Verteidiger des irregulären Wertpapierdepositenvertrages zeigen. Diese Kontroverse kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Hinblick auf Bankpraktiken in Barcelona auf und zu diesem Zeitpunkt wurde die Teildeckung bei irregulären Wertpapierdepositen in Frage gestellt und scharf kritisiert. Wie die Verteidiger dieses Vertrages zu dieser Zeit ganz richtig feststellten, sollten die Gründe, die gegen diese Praxis vorgebracht werden, auch auf monetäre Bankdepositen mit Teildeckung angewendet werden (vgl. die diesbezüglichen Betrachtungen in Kapitel 3).
8
Darlehen kompensiert wird; und (e) eine Steigerung der Anzahl der Darlehensnehmer, denen es unmöglich ist, ihre Darlehen zurückzuzahlen, d.h. mehr säumige Zahler. Erstens, ist es klar, dass wenn eine bestimmte Menge an ursprünglichen Depositen von einer Bank abgehoben wird (zum Beispiel die 1.000.000 in vorherigen Illustrationen deponierten GE), alle geschaffenen Darlehen und Depositen, auf die wir uns in vorhergehenden Beispielen bezogen haben, in einer Kettenreaktion verschwinden würden, was zu einem Rückgang der Darlehen und Depositen führen würde. Wenn wir annehmen, dass c = 0,1 und k = f = 0, dann entspricht der Rückgang der Darlehen und Depositen 9.000.000 GE, was einer signifikanten Abnahme der Geldmenge gleichkommt. Die Geldmenge würde auf ein Zehntel der früheren Menge fallen. Die Folge ist eine starke Deflation, bzw. ein Rückgang in der Geldmenge in Zirkulation, was zu einer Verringerung der Waren- und Dienstleistungspreise führt. Dies verstärkt kurz- und mittelfristig die Rezession, welche letztlich im Markt durch die Prozesse der Kreditausweitung entsteht. Zweitens, hat der Wunsch der Öffentlichkeit mehr Geld außerhalb des Bankensystem zu halten die gleichen Effekte. Dieser Wunsch bewirkt ein Anstieg von f und ein Verringerung der Fähigkeit der Banken zur Kreditausweitung, was wiederum zu einer Rezession und Geldmengenverringerung führt. Drittens, führt die Entscheidung von Banken „vorsichtiger“ zu sein und ihre Reservekoeffizienten zu erhöhen ebenfalls zu einer Kontraktion. Viertens, bewirkt die Rückzahlung von Darlehen gleichfalls deflationäre Effekte (wenn nicht genug neue Darlehen gewährt werden, um zumindest die zurückgezahlten zu ersetzen). Wir werden diese Möglichkeit detaillierter untersuchen. Wir stellen uns zunächst eine Bank vor mit c = 0,1, k = 0 und f = 0, deren Kreditnehmer ihre Darlehen zurückzahlen. Die Buchungseinträge und die sich ergebende Bilanz, wenn die Darlehen gewährt werden, sind die folgenden: Bank A (64)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
1.000.000
Sichteinlagen
Bargeld
_____________________________
1.000.000
_____________________________
8
900.000
Darlehen
Sichteinlagen
_____________________________ 900.000
900.000
_____________________________
Sichteinlagen
Bargeld
_____________________________
900.000
_____________________________
(65) Bank A Bilanz c=0,1, k=0 und f=0 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
100.000
Sichteinlagen
Darlehen
900.000
1.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.000.000
_____________________________
1.000.000
_____________________________
In vorherigen Beispielen betrachteten wir die Schaffung von neuen Darlehen und Depositen durch das Bankensystem in Höhe von 9.000.000 GE. In dem Moment, in dem die Darlehensnehmer die Darlehen zurückzahlen, werden die letzten beiden Buchungseinträge in der folgenden Weise rückgängig gemacht: Bank A (66)
Soll
Haben
_____________________________ 900.000
Bargeld
_____________________________ 900.000
Sichteinlagen
_____________________________ Sichteinlagen
900.000
_____________________________ Darlehen
900.000 8
_____________________________
_____________________________
Die Bilanz von Bank A sieht nun folgendermaßen aus: (67) Bank A Bilanz c=0,1, k=0 und f=0 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
Sichteinlagen
1.000.000
1.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1000.000
_____________________________
1.000.000
_____________________________
Aus ökonomischer Sicht bedeutet dies, dass vom Standpunkt einer einzelnen Bank betrachtet, die Geldmenge um 900.000 GE gesunken ist. Die Geldmenge ist von 1.900.000 GE zum Zeitpunkt der Kreditvergabe (1.000.000 in Depositen und 900.000 in den Händen der Darlehensnehmer) auf 1.000.000 GE, das einzige Geld, was nach Rückzahlung der Darlehen noch übrig ist, gefallen ist. Mithin fällt die Geldmenge eindeutig aus Sicht einer isolierten Bank. Für den Fall, dass alle Banken simultan Kredit ausweiten und ursprüngliche Depositen empfangen, wissen wir bereits, dass jede Bank in der Lage ist, ihr Bargeldreserven konstant zu halten und Darlehen in Höhe eines Vielfachen ihrer Reserven zu gewähren. Daher erscheint die Bilanz einer beliebigen Bank, z.B. Bank A, wie folgt: (68) Bank A Bilanz c=0,1, k=0 und f=0 Aktiva
Passiva 8
_____________________________
_____________________________
Bargeld
1.000.000
Sichteinlagen
Darlehen
9.000.000
10.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
10.000.000
_____________________________
10.000.000
_____________________________
Wenn nun alle Darlehensnehmer der Bank ihre Darlehen zurückzahlen und mit Schecks bezahlten, sieht die Bankbilanz folgendermaßen aus: (69) Bank A Bilanz c=0,1, k=0 und f=0 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
Sichteinlagen
1.000.000
1.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
1.000.000
1.000.000
Diese Bilanz bildet klar die Verringerung der Geldmenge bzw. die Kreditkontraktion in Höhe von 9.000.000 GE ab. Ein identischer Fall würde aus einer simultanen Rückzahlung an isolierte Banken, wie in den Einträgen (66) und (67) dargestellt, resultieren, wobei ein Prozess durchlaufen wird, der identisch mit der Umkehrung, des in Tabelle IV-2 dargestellten Prozesses ist. Fünftens muss, wenn Darlehen durch die Erfolgslosigkeit der ökonomischen Aktivitäten, die sie finanzierten, an Werten verlieren, die entsprechende Bank diese Tatsache als einen Verlust verbuchen, wie es hier gezeigt wird: Bank A (70)
Soll
Haben 8
_____________________________ Verluste durch
_____________________________
9.000.000
Darlehen
9.000.000
säumige Zahler (Ausgaben) _____________________________
_____________________________
Die Bankbilanz würde wie folg aussehen: (71) Bank A Bilanz c=0,1, k=0 und f=0 Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Bargeld
1.000.000
Sichteinlagen
Jahresverlust
9.000.000
10.000.000
_____________________________
_____________________________
Summe Aktiva
Summe Passiva
10.000.000
10.000.000
Wenn wir dies mit der Bilanz (69) vergleichen, sehen wir, dass die Bank in beiden Fällen die gleichen Bargeldreserven hält, jedoch mit einem sehr bedeutenden Unterschied: in (71) stehen unter Passiva 10.000.000 GE in Depositen verzeichnet im Vergleich zu 1.000.000 GE in (69). In anderen Worten, die Bank ist technisch bankrott. Nichtsdestoweniger wird sich die Geldmenge nicht verringern, so lange die Deponenten der Bank weiterhin ihr Vertrauen schenken. Tatsächlich könnte die Bank sogar, da niemand die sekundären, von den Bankiers geschaffenen Depositen von 9.000.000 abheben wird, diesen Betrag als Jahresgewinn auffassen, was eine Summe ist, welche die 9.000.000 an säumige Zaher verlorene GE kompensiert und die Bilanz wie in (69) erscheinen lassen würde.42 Indes ist im Hinblick auf eine Deflation diese Situation sogar noch gefährlicher als jene, die einer Darlehensrückzahlung folgt: bevor es zu einer solchen Situation kommt, werden Banken 42 Es ist interessant festzustellen, wie Bankiers in Krisensituationen sich ausnahmslos darüber beschweren, dass sie mit nur ein wenig Hilfe von jemandem (dem Staat oder der Zentralbank) bei der Wiederherstellung des Vertrauens ihrer Kunden ohne Probleme weiter funktionieren könnten und schnell ihre „Solvenz“ wieder herstellen zu könnten.
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nämlich neue Darlehen massiv einschrängen (sie werden sehr viel strenger bei den Kriterien der Kreditvergabe sein) und damit den deflationären Prozess beschleunigen; und wenn die von ihnen getroffenen Maßnahmen sich als unzureichend erweisen, um säumige Zahler und die Zusammenbruchsgefahr zu vermeiden, werden sie nur einen Schritt davon entfernt sein, das Vertrauen ihrer Deponenten zu verlieren. Diese Deponenten können die Banken dazu bringen, ihre Zahlungen einzustellen oder den Bankrott zu erklären. Im letzteren Falle werden sogar die ursprünglich in Bar deponierten 1.000.000 GE abgehoben, was die Existenz des gesamten Bankensystems bedrohen würde. Unter normalen Umständen kommt es nicht zu einer Kontraktion oder Deflation, wie wir sie beschreiben, weil, wenn ein Kunde einer Bank ein Darlehen zurückzahlt, diese Summe durch ein anderes Darlehen, welches von einer anderen Bank gewährt wird, kompensiert wird. In der Tat wird sogar innerhalb derselben Bank immer der Versuch unternommen, das zurückgezahlte Darlehen durch ein neues zu ersetzen. Darüberhinaus kann eine Bank unter normalen Umständen Zahlungsrückstände einfach als weitere Betriebskosten betrachten. Das Kernproblem, welches durch eine Kreditklemme (wie wir es in den folgenden Kapitlen genauer untersuchen werden) aufgeworfen wird, besteht in der Tatsache, dass es gerade der Prozess der Kreditausweitung basierend auf einer Teildeckung ist, welcher unvermeidlich die Darlehensgewährung, welche nicht auf freiwilliges Sparen gestützt ist, anstößt. Diese Darlehensgewährung führt zu einem Prozess der intertemporalen Fehlkoordination, welcher wiederum auf die verzerrte Information zurückzuführen ist, welche das Bankenssystem den Geschäftleuten, welche von dem System ex nihilo geschaffenen Darlehen erhalten, übermittelt. So drängen die Geschäftleute dazu, neue Investitionsprojekte zu lancieren, so als ob die realen Ersparnisse der Gesellschaft angestiegen wären, obwohl dies in Wirklichkeit nicht geschehen ist. Das Ergebnis ist ein künstlicher wirtschaftlicher Aufschwung oder „Boom“, welcher durch Prozesse, die wir später noch en Detail untersuchen werden, zwangsläufig eine Anpassung in der Form einer Krise und wirtschaftlichen Rezession hervorruft. Dies fasst die negativen Effekte zusammen, welche durch die Finanzpraxis der Kreditausweitung durch die Emission von Umlaufsmitteln (Depositen) auf die reale Wirtschaft ausgeübt werden. Die Krise und wirtschaftliche Rezession machen offenbar, dass eine signifikant hohe Zahl von Investitionsprojekten, welche durch neue von den Banken geschaffene Darlehen finanziert wurden nicht profitabel sind, weil sie nicht den wahren Wünschen der Konsumenten entsprechen. Mithin gehen viele Investitionsprojekte bankrott, was letztlich schwerwiegende Effekte auf das Bankenssystem hat. Die schädlichen Konsequenzen zeigen sich in einer weitverbreiteten Darlehensrückzahlung durch viele demoralisierte Geschäftleute, die ihre Verluste abschätzen und 8
unsolide Investitionsprojekte liquidieren (wodurch sie eine Deflation und Kreditkontraktion provozieren). Diese Konsequenzen spiegeln sich auch in einem alarmierenden und atypischen Anstieg von Zahlungsrückständen wieder, was die Solvenz der Banken negativ beeinflusst. Genau wie die Geldmenge gemäß des Geldschöpfungsmultiplikators wuchs, stößt der künstliche wirtschaftliche Aufschwung, welcher durch die ex nihilo Schaffung von Darlehen angeregt wurde, letztlich eine endogene Rezession an, welche in Form einer weitverbreiteten Darlehensrückzahlung und einem Anstieg in Zahlungsrückständen die Geldmenge wesentlich verringert. Daher erzeut ein Teildeckungsbankwesen eine extrem elastische Geldmenge, welche sich mit Leichtigkeit ausdehnt, dann aber sich mit der gleichen Mühelosigkeit zusammenzieht und dabei korrespondierende Wirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität ausübt, welche wiederkehrend zwischen den sukzessiven Phasen des Booms und der Rezessions hin und hergeworfen wird. Eine „manisch-depressive“ wirtschaftliche Aktivität mit all ihren schweren schmerzhaften sozialen Kosten ist unzweifelhaft der schwerwiegendste, schädlichste Effekte, welche das gegenwärtige Bankenssystem (basierend auf eine Teildeckung und gegen allgemeine Rechtsprinzipien verstoßend) auf die Gesellschaft ausübt. Kurzum machen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Bankkunden, eine der unvermeidlichen Folgen jeder Kreditausweitung, viele Darlehen uneinbringlich, was den Kreditkontraktionsprozess (die Inverse des Expansionsprozesses) noch beschleunigt. In der Tat kann als Folge, wie in unserem Bilanzierungsbeispiel, die Bank komplett bankrott gehen. In diesem Falle verlieren die von ihr ausgegebenen Noten und Depositen (die wie wir wissen aus ökonomischer Sicht äquivalent sind) ihren ganzen Wert, was den Geldschrumpfungsprozess noch steigert (antelle der Verringerung um 9.000.000 GE der Geldmenge durch die Darlehensrückzahlung, fällt die Geldmenge dann um 10.000.000 GE; d.h. die Geldmenge fällt auch um die 1.000.000 GE primärer Depositen, welche von der Bank gehalten werden). Des weiteren sind Solvenzprobelem einer Bank ausreichend, um unter den Kunden aller anderen Banken Panik zu säen, was dazu führt, dass eine nach der anderen ihre Zahlungen einstellt, mit tragischen wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen. Darüberhinaus müssen wir darauf hinweisen, dass sogar wenn die Öffentlichkeit weiterhin den Banken vertraut (trotz ihrer Insolvenz), und sogar wenn eine Zentralbank, welche für solche Situationen ad hoc gegründet wird, jegliche notwendige Liquidität bereitstellt, um den Deponenten zu versichern, dass ihre Depositen vollständig geschützt sind, die Unfähigkeit Darlehen zurückzubekommen einen Kreditkontraktionsprozess initiiert, welcher spontan ausgelöst wird, wenn Darlehen zurück gezahlt werden und nicht in dem gleichen Maße durch neue ersetzt werden können. Diese Phänomen ist typische für Rezessionsphasen. Wenn die Kunden ihre Darlehen nicht bezahlen, werden die Banken bei der erneuten Kreditgewährung vosichtiger. Daher wird der 9
natürliche Widerwille der demoralisierten Öffentlichkeit bei der Darlehensnachfrage durch die größere Umsicht und Strenge der Banken bei der Darlehensgewährung verstärkt. Zusätzlich werden die Bankiers, wenn sie ihre Profitibilität zusammen mit dem Wert ihre Aktiva aufgrund von uneinbringbaren Darlehen fallen sehen, versuchen, vorsichtiger zu sein und unter sonst gleichen Umständen versuchen, ihren Bargeldbestand durch die Erhöhung ihres Reservekoeffizienten zu steigern, was einen noch größeren Kontraktionsprozess nach sich ziehen wird. Schließlich werden Firmenzusammenbrüche und die Frustration, welche aus der Unfähigkeit resultiert, den Verpflichtungen gegenüber den Banken nachzukommen, noch mehr zu der Demoralisierung der ökonomischen Agenten und ihrer Bestimmtheit beitragen, neue durch Bankdarlehen finanziert Investitionsprojekte zu vermeiden. In der Tat erkennen viele Geschäftsleute schließlich, dass sie sich gestattet haben von einem ungerechtfertigten Optimismus in den Expansionsphasen mitgerissen zu werden, was größtenteils auf die maßlos generösen Kreditbedingungen, welche die Bankiers zunächst anboten, zurückzuführen ist. So werden die Geschäftsleute richtigerweise ihre Einschätzungsfehler diesen lockeren Bedingungen zuschreiben.43 Als eine Folge beschließen sie, die gleichen Fehler nicht noch mal zu machen. (Ob sie bei ihrem Versuch der Fehlerbehebung erfolgreich sind oder nicht und ob die Geschäftsleute sich in der Zukunft ihrer unerfreulichen Erfahrungen während der Rezessionsphasen erinnern werden. ist ein anderer Punkt, dem wir später begegnen werden.) Als Schlussfolgerung lässt sich festhalten, dass ein Teildeckungsbankensystem die Geldmenge genauso einfach zusammenzieht und drastisch reduziert, wie es den Kredit ausweitet und die Geldmenge vergrößert. In anderen Worten generiert das System eine elastische und extrem fragile Geldmenge, welche großen Konvulsionen unterworfen ist, die sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, zu entschärfen oder zu unterbinden sind. Dieses Geld- und Bankenssystem stellt sich unelastischen Systemen gegenüber (beispielsweise dem System, welches einen klassischen Goldstandard mit einem 100 Prozentigen Deckung verbindet), welche keine überproportionalen Ausdehnung der Geldmenge erlauben (die weltweite Goldproduktion ist in vergangenen Jahrhunderten mit einer Rate von 1 bis 2 Prozent pro Jahr angestiegen). Desweiteren haben sie den folgenden Vorteil: Durch die Inelastizität dieser Systeme (Gold ist unzerstörbar und durch die
43 Vgl. zudem Kapitel 5, Abschnitt 4. Der ernste Schaden, den die Bankiers den Kunden zufügen, die sie drängen sich der neuen Darlehen zu „erfreuen“ und sich in Geschäften zu involvieren, die eine Bankfinanzierung benötigen, sollten theoretisch als Rechtsfälle zugelassen werden, in welchen Banken auf die Schäden verklagt werden, welche sie den Darlehensnehmern in dieser Weise zu fügen. Wenn derartige Klagen bis jetzt noch nicht vor die Gerichte gebracht worden ist, dann ist das darauf zurückzuführen, dass die ökonomische Theorie noch nicht weit genug vorangeschritten war, um die Ursache und Natur der Schäden klar zu identifizieren. Jedoch machen es jetzt die Entwicklungen der Theorie möglich, die Theorie vor Gericht anzuwenden. Ein sehr ähnlicher, analoger Fall wäre die Nutzung von Durchbrüchen in der Biologie um rechtliche Vaterschaftserklärungen zu erleichtern, welche vor ein paar Jahren unmöglich waren.
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Geschichte hindurch hat die Welt eine sehr inflexible Menge von Gold angehäuft) erlauben sie weder einen abrupten Fall der Geldmenge, noch (logischerweise) irgendwelche Kreditklemmen oder Geldengpässe, welche einen schwächenden Effekt auf die Wirtschaft ausüben; im Gegensatz zur gegenwärtigen Situation, für welche sich das existierende Bankensystem verantwortlich zeichnet.44
44 Im letzten Kapitel werden wir die komparativen Vorteile eines klassischen Goldstandards basierend auf einem Bankensystem, das den Rechtsprinzipien unterworfen ist, untersuchen; dass heißt ein System, welches eine 100prozentige Deckung einhält.
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DIE KREDITAUSWEITUNG DER BANKEN UND IHRE WIRTSCHAFTLICHEN FOLGEN In voranstehenden Kapiteln haben wir erklärt, wie der monetäre Bankdepositenvertrag mit einer Teildeckung zur Schaffung neuen Geldes (Depositen) und Injektion dieses Geldes in das Wirtschaftssystem in Form von neuen Darlehen führt, welche nicht durch einen natürlichen Anstieg der Ersparnisse gedeckt sind (Kreditausweitung). In diesem Kapitel werden wir uns auf die Effekte der Kreditausweitung auf das Wirtschaftssystem konzentrieren. Wir werden die Verzerrungen analysieren, welche der Expansionsprozess verursacht: Investitionsfehler, Kreditklemmen,
Bankkrisen
und
schließlich
Arbeitslosigkeit
und
wirtschaftliche
Abschwünge. Zunächst müssen wir jedoch im Detail die Kapitaltheorie als auch die Produktionsstruktur einer realen Volkswirtschaft untersuchen, zumal ein klares Verständnis beider wesentlich für das Verstehen der Prozesse ist, welche im Markt durch die Gewährung von Bankdarlehen ausgelöst werden, welche sich nicht aus einem vorhergehenden Sparanstieg ableiten.
Unsere Analyse wird zum Vorschein bringen, dass das uns betreffende
Rechtskonzept (der monetäre Bankdepositenvertrag mit einer Teildeckung) vielen ökonomischen Agenten (und der Gesellschaft als ganzer) großen Schaden zufügt, da es die Hauptursache der wiederkehrenden wirtschaftlichen Rezessionen ist. Des Weiteren werden wir zeigen, dass die Kreditausweitung durch die Auslösung von Wirtschafts- und Bankenkrisen das „Gesetz der großen Zahl“ für das Bankwesen ungeeignet macht und es dadurch technisch unmöglich wird, den Abschluß der Operationen der Teildeckungsbanken zu versichern. Diese Tatsache ist von größter Wichtigkeit in Anbetracht des unvermeidbaren Aufkommens einer Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz, was wir in einem späteren Kapitel gründlich untersuchen werden. Wir werden damit beginnen, die Prozesse zu erklären, die in einem Wirtschaftssystem spontan ausgelöst werden, wenn neue Darlehen aus einem freiwilligen Anstieg der realen Ersparnisse in der Gesellschaft resultieren; dann wird es als Kontrast und Vergleich leichter zu verstehen sein, was passiert, wenn Banken ex nihilo Darlehen in einem Kreditausweitungsprozess schaffen. 1 DIE GRUNDLAGEN DER KAPITALTHEORIE
In diesem Abschnitt werden wir die Grundsätze der Kapitaltheorie untersuchen, welche zum Verständnis der Effekte der Kreditausweitung auf das Wirtschaftssystem notwendig sind. 1 Wir werden mit der Betrachtung der subjektiven Konzeption menschlicher Handlungen als einer Reihe von produktiven Etappen mit Zielerreichungsabsicht beginnen. MENSCHLICHES HANDELN ALS EINE REIHE SUBJEKTIVER ETAPPEN Wir können damit beginnen, menschliches Handeln als bewußtes Verhalten zu definieren.2 Eine Person handelt, um bestimmte Ziele zu erreichen, die sie als wichtig erachtet. Man nennt Wert die subjektive und psychisch mehr oder weniger starke Wertschätzung, die der Handelnde seinem Ziel zuweist. Mittel ist alles, was der Handelnde subjektiv als geeignet zum Erreichen seines Ziels erachtet. Der Nutzen bezieht sich auf die subjektiver Wertschätzung, die der Handelnde dem Mittel zuweist; in Funktion des Werts des Zieles, welches er glaubt, mit diesem Mittel erreichen zu können. Die Mittel müssen per definitionem knapp sein: denn wenn der Handelnde die Mittel in Hinblick auf seine Ziele nicht als knapp betrachten würden, dann würde er sie noch nicht einmal beim Handeln berücksichtigen. Ziele und Mittel sind nicht „gegeben“ (d.h. sie sind keine Daten), sondern resultieren vielmehr aus der fundamentalen unternehmerischen Aktivität des Menschen; eine Aktivität, die in der Schaffung, Entdeckung oder einfach in der Bemerkung der Ziele und Mittel besteht, welche für den Handelnden in den spezifischen Umständen von Zeit und Standort, in denen er sich befindet, wichtig sind. Sobald der Handelnde glaubt, er habe die erreichenswerten Ziele entdeckt, überlegt er, welche Mittel ihm für diese Ziele zur Verfügung stehen. Diese beziehen dann, fast immer stillschweigend, in einen Handlungsplan ein, den er sich dann durch einen Willensakt in Angriff nimmt. Folglich ist der Plan ein mentales, durch den Handelnden erzeugtes Bild der verschiedenen zukünftigen Etappen, Elemente und Umstände, die seine Handlung mit sich bringen könnte. Der Plan ist eine persönliche Einschätzung seitens des Handelnden der praktischen Information, die er besitzt und allmählich im Kontext jeder Handlung entdeckt. Des Weiteren 1
Die von uns dargelegte Kapitaltheorie ist fundamental zum Verstehen des Prozesses, mit dem die Bankkreditausweitung die reale Producktionsstruktur einer Volkswirtschaft verzerrt. In der Tat besteht der Fehler der Kritiker der Österreichischen Konjunkturtheorie (auch Zirkulationskredittheorie genannt), welche wir hier vorstellen, darin, dass sie die Kapitaltheorie einfach nicht berücksichtigen. Dies trifft zum Beispiel auf Hans-Michael Trautwein und seine beiden Artikel zu: „Money, Equilibrium, and the Business Cycle: Hayek´s Wicksellian Dichotomy,“ History of Political Economy 28, Nr. 1 (Frühling 1996): 27-55 und „Hayek´s Double Failure in Business Cycle Theory: A Note,“ Kapitel 4 in Money and Business Cycles: The Economics of F.A. Hayek, M. Colonna und H. Hagemann (Hrsg.) (Aldershot, U.K.: Edward Elgar, 1994), Bd. 1, S. 74-81. 2 Zu den Konzepten Handeln, Handlungspläne, subjektive Zeiterfassung, und Handeln verstanden als eine Reihe sukzessiver Etappen, vgl. Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, S. 43 ff.
beinhaltet jede Handlung einen kontinuierlichen Prozess von individueller oder persönlicher Planung durch den der Handelnde seine Pläne kontinuierlich konzipiert, korrigiert und modifiziert. Zumal er ständig bezüglich der von ihm gesteckten Ziele und der Mittel, von denen er glaubt, sie seien ihm zur Erreichung dieser Ziele verfügbar und nützlich, neue subjektive Informationen entdeckt und schafft3. Jede menschliche Handlung zielt auf die Erreichung eines Zieles bzw. Konsumgutes ab; ein Konsumgut kann als ein Gut definiert werden, welches direkt und auf subjektive Weise die Bedürfnisse des Handelnden befriedigt. Der Ausdruck Güter erster Ordnung bezeichnet traditionell diese Konsumgüter, welche im spezifischen, subjektiven Kontext einer jeden Handlung das vom Handelnden verfolgte Ziel darstellen4. Der Erreichung dieser Ziele, Konsumgüter, oder ökonomischer Güter erster Ordnung geht notowendigerweise eine Reihe von Zwischenetappen voraus, die „Güter höherer Ordnung“ (zweiter, dritter, vierter, etc.) repräsentieren. Je höher die Ordnung jeder Etappe, desto weiter befindet sich das Gut vom letztendlichen Konsumgut entfernt. Des Weiteren dehnt sich jede menschliche Handlung in der Zeit aus. Mit dem Begriff Zeit beziehen wir uns hier nicht auf den deterministischen oder newtonianischen Sinn des Wortes (d.h. rein physisch und analog) sondern auf den subjektiven Sinn; das heißt auf die subjektive Wahrnehmung der Zeit durch den Handelnden im Kontext seiner Handlung. Nach dieser subjektiven Konzeption erfährt der Handelnde das Verfließen der Zeit, wenn er handelt; in anderen Worten erfasst er neue Ziele und Mittel, entwirft Handlungspläne und vollendet die verschiedenen Etappen, welche jede Handlung ausmachen.
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Die Entwicklung der Ökonomie als Wissenschaft immer basierend auf dem Menschen als kreativ Handelnder und Protagonist aller sozialen Prozesse und Phänomene (der subjetivistischen Konzeption) ist zweifelsohne der bedeutendste und charakteristischste Beitrag der von Carl Menger gegründeten Österreichischen Schule der Nationalökonomie. In der Tat sah es Menger als unerlässlich an, sich vom sterilen Objektivismus der klassischen (angel-sächsischen) Schule, deren Vertreter von der angeblichen Existenz von externen und objektiven Gebilden (soziale Klassen, Aggregate, materielle Produktionsfaktoren, etc.) besessen waren, abzukehren. Menger vertrat die Ansicht, dass die Ökonomen stattdessen immer eine subjektivistische Sicht des handelnden Menschen annehmen sollten. Diese Perspektive sollte den ausschließlichen und entscheidenden Einfluss auf die Art nehmen, wie ökonomische Theorien in Hinblick auf ihren wissenschaftlichen Inhalt und ihre praktischen Schlüsse und Ergebnisse zu formulieren seien. Vgl. zu diesem Thema Huerta de Soto, „Génesis, esencia y evolución de la Escuela Austriaca de Economía,” in Estudios de economía política, Kapital 1, S. 17-55. 4 Diese Klassifikation und Terminologie geht auf Carl Menger zurück, dessen Theorie der wirtschaftlichen Güter verschiedener Ordnungen eine der wichtigsten logischen Konsequenzen seiner subjektivistischen Konzeption der Ökonomie ist. Carl Menger, Grundsätze der Volkswirthschaftlehre (Vienna: Wilhelm Braumüller, 1871). Menger benutzt den Ausdruck „Güter der ersten Ordnung“ (S. 8), um sich auf Konsumgüter zu beziehen.
Wenn Menschen handeln, kommt es unvermeidlich in ihrem Geiste zu einer Art Verschmelzung der Erinnerungen der Vergangenheit, die sich in ihrem Gedächtnis befinden und ihrer simultanen und kreativen Projektion in die Zukunft in Form von Vorstellungen oder Erwartungen in Hinblick auf die verschiedenen Etappen, welchen den Handlungsprozess, der sich in der Zukunft entwickelt, ausmachen. Die Zukunft ist niemals a apriori vorbestimmt. Vielmehr malt der Handelnde sie sich aus, schafft sie und entwickelt sie Schritt für Schritt. Daher ist die Zukunft immer unsicher. Denn sie muss erst noch entwickelt werden und der Handelnd besitzt mit Blick auf die Zukunft nur bestimmte Ideen, Vorstellungen oder Erwartungen, die er hofft durch die Vollendung der Etappen zu realisieren, von denen er sich vorstellt, dass sie seinen persönlichen Handlungsprozess ausmachen. Des Weiteren ist die Zukunft allen kreativen Eigenschaften des Menschen geöffnet; und zu jeder Zeit vermag der Handelnde seine Ziele zu modifizieren oder die Etappen des Handlungsprozesses, in den er involviert ist, abzuwandeln, umzudisponieren oder umzudenken. Mithin ist in der Ökonomie die Zeit untrennbar mit dem Handeln verbunden. Es ist unmöglich, eine Handlung zu denken, welche sich nicht in der Zeit ausdehnt, welche nicht eine Zeit lang dauert. Des Weiteren nimmt der Handelnde das Vergehen der Zeit wahr, wenn er handelt und die verschiedenen Etappen seines Handlungsprozesses durchläuft. Handeln, welches immer auf das Erreichen eines Zieles oder das Mildern eines Unbefriedigtseins ausgerichtet ist, braucht unvermeidlich Zeit; in dem Sinne, dass es die Realisierung und Vollendung einer Reihe sukzessiver Etappen erfordert. Was den Handelnden von der Erreichung seines Ziels daher trennt, ist die Zeitperiode, welche für die Abfolge der sukzessiven Etappen, welche den Handlungsprozess ausmachen, erforderlich ist.5 Die folgende Tendenz bezüglich der subjektiven Sicht der Zukunft durch den Handelnden existiert immer: Je länger die Zeitperiode ist, welche eine Handlung braucht (d.h. je komplexer und zahlreicher die sukzessiven Stufen, welche die Handlung ausmachen, sind), desto wertvoller wird das Ergebnis oder Ziel der Handlung. Eine Handlung kann einen größeren subjektiven Wert – ausgedrückt in Anzahl, Dauer und Komplexität der involvierten Etappen – auf zwei Arten erlangen: dadurch, dass der Handelnde in die Lage versetzt wird, Ergebnisse zu erzielen, die er subjektiv höher einschätzt und mit kürzeren Handlungen nicht
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Zur subjektiven, experimentiellen und dynamischen Konzeption der Zeit als der einzigen Konzeption, die auf das menschlichen Handeln in der Ökonomie anwendbar ist, vgl. Kapitel 4 des Buches von Gerald P. O`Driscoll und Mario J. Rizzo, The Economics of Time and Ignorance (Oxford: Basil Blackwell, 1985), S. 5270.
erreichen könnte; oder dadurch, dass es ihm ermöglicht wird, das Ergebnis zahlenmäßig größer zu gestalten, als es mit kürzeren Handlungsprozessen möglich gewesen wäre.6 Das ökonomische Prinzip, dass Handlungsprozesse dazu tendieren Ziele von desto größerem Wert zu erreichen, je länger sie dauern, ist einfach zu verstehen. Tatsächlich würde der Handelnde, wenn dies nicht der Fall wäre, d.h. wenn der Handelnde den Ergebnissen längerer Handlungen keinen größeren Wert beimessen würde, niemals diese Handlungen unternehmen und stattdessen kürzere Handlungen wählen. In anderen Worten, wird der Handelnde von seinem Ziel gerade durch eine bestimmte Zeitlänge getrennt (d.h. durch die Zeit, die notwendig ist, um die Reihe von Etappen seines Handlungsprozesses zu vollenden). Damit ist es ceteris paribus evident, dass Menschen immer ihre Ziele so schnell als möglich erreichen wollen und sie nur bereit sein werden, das Erreichen ihrer Ziele aufzuschieben, wenn sie subjektiv davon ausgehen, dass sie damit Ziele von höherem Wert verwirklichen können 7. Wir können nun die logische Kategorie der Zeitpräferenz diskutieren, welche festlegt, dass ceteris paribus ein Handelnder es vorzieht, seine Bedürfnisse so schnell als möglich zu befriedigen bzw. seine Ziele so schnell als möglich zu erreichen. In anderen Worten wird der Handelnde, der mit zwei Zielen mit für ihn gleichen Wert konfrontiert wird, immer das Ziel vorziehen, welches er in kürzerer Zeit erreichen kann. Oder um es noch kürzer auszudrücken, ceteris paribus werden „Gegenwartgüter“ den „Zukunftsgütern“ vorgezogen. Das Gesetz der Zeitpräferenz ist nur eine andere Weise, um das folgende grundlegende Prinzip auszudrücken: Jeder Handelnde versucht, während seines Handlungsprozesses die Ergebnisse seiner Handlung so schnell als möglich zu erreichen und was ihn von seinen Zielen trennt, ist eine Abfolge von Zwischenstufen, deren Durchschreiten eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Mithin ist die Zeitpräferenz kein psychologisches oder physiologisches Konzept. Vielmehr 6
Wie Ludwig M. Lachmann richtigerweise feststellt, beinhaltet der wirtschaftliche Fortschritt nicht nur einen Anstieg in der Zahl der produktiven Stufen, sondern auch einen Anstieg in ihrer Komplexität und damit eine Änderung ihrer Zusammensetzung. Ludwig M. Lachmann, Capital and its Structure (Kansas City: Shees Andrews and McMeel, 1978), S. 83.Vgl. zudem Peter Lewin, “Capital in Disequilibrium: A Reexamination of the Capital Theory of Ludwig M. Lachmann,” History of Political Economy 29, Nr. 3, (Herbst 1997): 523-48; und Roger W. Garrison, Time and Money: The Macroeconomics of Capital Structure (London und New York: Routledge, 2001), S. 25-26. 7 José Castañeda beredt formuliert: Je mehr Hilfsmittel in den Produktionsprozess eingeführt werden, desto länger und für gewöhnlich desto produktiver wird der Prozess. Natürlich können mehrere indirekte Prozesse existieren; das heißt Prozesse, die länger sind oder größere Umwege enthalten, jedoch nicht ergiebiger sind. Nichtsdestoweniger werden diese nicht berücksichtigt, da sie nicht angewendet werden. Ein längerer Prozess wird nur eingeführt, wenn er ergiebiger ist. José Castañeda Chornet, Lecciones de teoría económica (Madrid: Editorial Aguilar, 1972), S. 385.
folgt die Kategorie der Zeitpräferenz aus der logischen Struktur der Handlung, wie sie im Geiste jedes menschlichen Wesens präsent ist. Kurzum zielt das Handeln auf bestimmte Ziele ab und der Handelnde wählt Mittel, um diese zu erreichen. Das Ziel ist die Motivation jeder Handlung und in jeder Handlung ist es die Zeit, welche den Handelnden von seinem Ziel trennt. Daher befindet sich der Handelnde, je näher er sich seinem Ziel in der Zeit befindet, auch desto näher den von ihm geschätzten Zielsetzungen. Die oben beschriebene Tendenz und die von uns gerade erklärte Zeitpräferenz sind nur zwei Arten, um den gleichen Sachverhalt auszudrücken. Nach ersterer Art unternimmt der Handelnde zeitkonsumierendere Handlungen, weil er erwartet, auf diese Weise wertvollere Ziele zu verwirklichen; nach letzterer zieht der Handelnde ceteris paribus immer Güter vor, die sich ihm zeitlich gesehen näher befinden8. Mithin ist es unmöglich, sich eine Handlung vorzustellen, auf welche die Kategorie der Zeitpräferenz nicht anwendbar ist. Eine Welt ohne Zeitpräferenz ist unvorstellbar und wäre absurd: Die Abwesenheit von Zeitpräferenz würde bedeuten, dass die Menschen immer die Zukunft der Gegenwart vorziehen und die Zielsetzungen, eine nach der anderen kurz vor ihrem Erreichen immer verschoben würden und sie mithin niemals verwirklicht würden und die Handlung sinnlos wäre.9
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Das Gesetz der Zeitpräferenz kann sogar bis zum Heiligen Thomas von Aquin zurückdatiert werden. Und es wurde ausdrücklich von einem seiner brillantesten Schüler im Jahre 1285 erwähnt, der schreibt, dass res futurae per tempora non sunt tantae existimationis, sicut eadem collectae in instanti nec tantam utilitatem inferunt possidentibus, propter quod oportet quod sint minors existimationis secundum iustitiam. In anderen Worten, werden Zukunftsgüter nicht so hoch bewertet wie unmittelbar verfügbare Güter, noch sind sie ihren Besitzern so nützlich, und daher erfordert die Gerechtigkeit, dass sie als weniger wertvoll betrachtet werden müssen. Aegidius Lessines, De usuris in communi et de usurarum contractibus, opuscule 66, 1285, S. 426 ; zitiert nach Dempsey, Interest and Usury, Note 31 auf S. 214. Diese Idee findet sich später beim Heiligen Bernhard von Sienna, Conrad Summenhart und Martín de Azpilcueta jeweils in den Jahren 1431, 1499 und 1556. (Vgl. Rothbard, Economic Thought Before Adam Smith, S. 85, 92, 106-07 und 399-400). Die Implikationen, welches dieses Konzept für die ökonomische Theorie besitzt, wurden später von Turgot, Rae, Böhm-Bawerk, Jevons, Wicksell, Fisher und besonders Frank Albert Fetter und Ludwig von Mises erarbeitet. 9 In einer Welt ohne Zeitpräferenz würden die Menschen nichts konsumieren und alles sparen. Schließlich würden die Menschen verhungern und die Zivilisation untergehen. „Ausnahmen“ des Gesetzes der Zeitpräferenz gibt es nur scheinbar und ergeben sich unweigerlich aus dem Vernachlässigen der ceteris parisbus Bedingung, welche diesem Gesetz zu Grunde liegt. Mithin genügt eine vorsichtige Untersuchung dieser „Gegenbeispiele“ um zu enthüllen, dass die scheinbare Widerlegung der Zeitpräferenz nicht identische Umstände mit sich bringt. Dies ist der Fall bei Gütern, welche nicht simultan konsumiert werden können, oder welche, obwohl sie physisch gleich erscheinen, aus der subjetiven Sicht des Handelnden nicht identisch sind (z.B. Speiseeis, welches wir im Sommer vorziehen, selbst wenn wir uns dem Winter näher befinden). Zur Theorie der Zeitpräferenz vgl. Mises, Nationalökonomie, S. 434-448.
KAPITAL UND KAPITALGÜTER Wir können den Ausdruck Kapitalgüter benutzen, um die Zwischenstufen eines jeden Handlungsprozesses, wie sie subjektiv als solche vom Handelnden betrachtet werden, zu bezeichnen. Oder um es anders auszudrücken, ist jede Zwischenstufe im Produktionsprozess des Handelnden ein Kapitalgut. Daher fügt sich diese Kapitalgüterdefinition perfekt in die subjektivistische Konzeption der Ökonomie ein, die wir bis jetzt präsentiert haben. Die ökonomische Natur eines Kapitalgutes hängt nicht von seinen physischen Eigenschaften ab, sondern von der Einschätzung eines Handelnden, der glaubt, dass das Gut es ihm ermöglicht, eine Etappe in seinem Handlungsprozess zu erreichen oder zu vollenden. Mithin stellen Kapitalgüter nach unserer Definition die Zwischenetappen dar, von denen der Handelnde glaubt, dass er sie vor der Zielerreichung seine Handlung durchlaufen muss. Kapitalgüter sollten immer in einen teleologischen Zusammenhang gesetzt werden, in dem die grundlegenden und definierenden Elemente das verfolgte Ziel und die subjektive Meinung des Handelnden hinsichtlich der zu durchlaufenden Stufen sind10. Mithin sind Kapitalgüter „wirtschaftliche Güter höherer Ordnung“ bzw. Produktionsfaktoren, welche sich als die subjektiv als solche betrachteten Zwischenstufen eines bestimmten Handlungsprozess materialisieren. Des Weiteren entstehen Kapitalgüter aus der Vereinigung dreier wesentlicher Elemente: natürliche Ressourcen, Arbeit und Zeit, welche allesamt in einer unternehmerischen Handlung, welche von Menschen konzipiert und ausgeführt wird, kombiniert werden11. 10
The principal point to be emphasized is that capital goods, thus defined, are distinguished in that they fall neatly into place in a teleological framework. They are the interim goals aimed at in earlier plans; they are the means toward the attainment of still further ends envisaged by the earlier plans. It is here maintained that the perception of this aspect of tangible things now available provides the key to the unravelling of the problems generally attempted to be elucidated by capital theory. Israel M. Kirzner, An Essay on Capital (New York: Augustus M. Kelley, 1966), S. 38; wiederabgedruckt in Israel M. Kirzners Werk, Essays on Capital and Interest: An Austrian Perspective (Aldershot, U.K.: Edward Elgar, 1996), S. 13-122. 11
Dies erklärt die traditionelle Einteilung in drei Produktionsfaktoren: Land oder natürliche Ressourcen, Arbeit und Kapitalgüter bzw. wirtschaftliche Güter höherer Ordnung. In jedem Handlungs- oder Produktionsprozess schafft und kombiniert der Handelnde, indem er seinen unternehmerischen Sinn gebraucht, diese Faktoren oder Ressourcen. Der Prozess kulminiert im Markt in vier verschiedene Einkommensarten: reiner unternehmerischer Gewinn, welcher aus Wachsamkeit und Kreativität des Handelnden herrührt; Pacht aus Land oder natürlichen Ressourcen in Funktion ihrer Produktivität; Arbeitseinkommen oder Löhne; und Mietzinsen abgeleitet aus dem Gebrauch von Kapitalgütern. Obgleich alle Kapitalgüter letztlich aus einer Kombination von natürlichen Ressourcen und Arbeit bestehen, fließt auch die zur Produktion notwendige Zeit ein (abgesehen noch von der unternehmerischen Wachsamkeit und Kreativität, welche notwendig sind, um sie zu konzipieren und schaffen). Des Weiteren können aus ökonomischer Sicht Kapitalgüter von natürlichen Güter nicht lediglich durch ihre unterschiedliche physikalische Form unterschieden werden. Nur rein ökonomische Kriterien, wie das unveränderte Vorhandensein eines Gutes in Hinblick auf das Erreichen der Ziele und die Tatsache, dass keine nachträgliche Handlung durch den Handelnden zur Erhaltung notwendig ist, erlauben uns aus ökonomischer Sich klar zwischen Land (oder einer natürlichen Ressource), die immer vorhanden ist, und Kapitalgütern zu
Die conditio sine qua non für die Produktion von Kapitalgütern ist Sparen, bzw. der Verzicht oder das Hinantstellen des umgehenden Konsums. In der Tat wird ein Handelnder in einem Handlungsprozess nur in der Lage sein, sukzessive und zunehmend zeitkonsumierendere Produktionsumwege zu vollenden, wenn er zunächst die Chance opfert, Handlungen zu unternehmen, die ihm ein schnelleres Ergebnis bringen würden. In anderen Worten muss er auf das Erreichen von unmittelbaren Zielen verzichten, welche augenblickliche menschliche Bedürfnisse befriedigen (Konsum). Um dieses wichtige Konzept zu veranschaulichen, werden wir das von Beispiel benutzen, welches von Böhm-Bawerk zur Erklärung des Spar- und Investitionsprozesses in Kapitalgüter durch einen individuellen Handelnden in isolierter Situation -wie Robinson Crusoe auf seiner Insel- gegeben wird.12 Wir stellen uns vor, dass Robinson Crusoe gerade auf seiner Insel angekommen ist und seine Zeit damit verbringt, Beeren, sein einziges Verpflegungsmittel, zu pflücken. Jeden Tag verwendet er seine ganze Anstrengung auf das Sammeln der Beeren. Er pflückt genug um zu überleben. Er kann sogar ein paar Extrabeeren jeden Tag verzeeren. Nach mehreren Wochen mit dieser Kost macht Robinson Crusoe die unternehmerische Entdeckung, dass er mit einem hölzernen, einige Meter langen Stock höher und weiter reichen, die Büsche kraftvoll schlagen und die notwendigen Beeren schneller sammeln könnte. Das einzige Problem ist, dass er annimmt, dass es ihn fünf ganze Tage kosten könnte, um einen geeigneten Baum zu finden, von dem er einen geeigneten Zweig abschlagen und dann zum Stock formen könnte, indem er die Äste, Blätter und Unvollkommenheiten entfernte. Während dieser Zeit, wird er gezwungen sein, das Beerenpflücken zu unterbrechen. Wenn er den Stock produzieren will, muss er seinen Beerenkonsum eine Zeit lang reduzieren und den nicht konsumierten Rest in einem Korb aufbewahren, bis er genug Beeren angesammelt hat, um für fünf Tage zu überleben, d.h. während der erwarteten Länge des Produktionsprozesses des Holzstocks. Nach dem Planen seiner Handlung beschließt Robinson Crusoe, diese auch anzugehen. Daher muss er zunächst einen Teil der Beeren, welche er jeden Tag mit der Hand pflückt, sparen und seinen Konsum um diesen Betrag reduzieren. Dies bedeutet eindeutig, dass er ein unterscheiden, welche streng genommen nicht bleibend sind, sondern im Produktionsprozess aufgebraucht oder konsumiert werden, was es notwendig macht, ihre Abschreibung zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde hat Hayek versichert, dass allem Anschein zum trotz „Naturschätze, soweit es sich um 'sich erschöpfende Werte' handelt“ zum Konzept des Kapitals gezählt werden. F.A. Hayek, Die reine Theorie des Kapitals (Friedrich A. von Hayek, Gesammelte Schriften in deutscher Sprache, hrsg. von Alfred Bosch, Manfred E. Streit, Viktor Vanberg, Reinholt Veit, mit Unterstützung der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft und des Walter Eucken Instituts, Abteilung B: Bücher, Band 6; Tübingen: Mohr Siebeck, [1941] 2008, hrsg. von Erich W. Streissler und überseitzt von Monika Streissler ), S. 49. Vgl. auch S. 298 und Fußnote 31. 12 Dies ist das klassische Beispiel von Eugen von Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins: Positive Theorie des Kapitals (Innsbruck: Verlag der Wagner´schen Universitäts-Buchhandlung, 1889), S. 107-35.
unvermeidliches Opfer machen muss, welches ihm jedoch den Aufwand in Relation mit dem Ziel, welches er zu erreichen sehnt, Wert erscheint. So entscheidet er sich, seinen Konsum für mehrere Wochen zu reduzieren (in anderen Worten zu sparen), in denen er die übrig bleibenden Beeren in einem Korb aufbewahrt. Dies geschieht bis er einen Betrag angehäuft hat, von dem er ausgeht, dass er ausreichend sein wird, um ihn während der Produktion des Stockes zu unterhalten. Dieses Beispiel zeigt, dass jeder Investitionsprozess in Kapitalgüter zunächst Sparen erfordert; das heißt ein Rückgang des Konsums unter sein potentielles Niveau.13 Sobald Robinson Crusoe genug Beeren angespart hat, nutzt er fünf Tage dafür, einen Zweig zu suchen, aus dem er seinen Holzstock fertigen kann, ihn vom Baum zu trennen und zu perfektionieren. Was ißt er während der fünf Tage, die er braucht um den Stock zu fertigen, in einem Produktionsprozess, der in dazu zwingt, seine tägliche Beerenernte zu unterbrechen? Er verzehrt einfach die Beeren, die er in dem Korb in den vorangegangenen Wochen akkumuliert hat, in denen er den notwendigen Anteil seiner handgepflückten Beeren gespart und ein wenig Hunger gelitten hat. Auf diese Weise wird Robinson Crusoe, wenn seine Berechnungen korrekt gewesen sind, am Ende der fünf Tage einen Stock haben (ein Kapitalgut), welcher einen Produktionsumweg und eine von den unmittelbaren Beerenproduktionsprozessen (mit der Hand), die ihn bis zu diesem Zeitpunkt beansprucht haben, zeitlich entfernt liegende Stufe repräsentiert. Mit dem fertigen Stock kann Robinson Crusoe Stellen erreichen, die ihm mit der Hand unzugänglich waren und die Büsche kraftvoll schlagen, was seine Beerenproduktion verzehnfacht. Als Folge davon erlaubt ihm der Stock von nun an in einem zehntel Tag die Beeren zu sammeln, die er zum Überleben braucht und er kann den Rest seiner Zeit mit Muße oder mit dem Verfolgen von nachfolgenden Zielen, die für ihn wichtiger sind, verbringen (wie das Bauen eines Unterschlupfs oder das Jagen von Tieren zur Ernährungsanreicherung oder das Fertigen von Kleidung).
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Sparen resultiert immer in Kapitalgütern, sogar wenn diese zunächst nur in den Konsumgütern bestehen (in unserem Beispiel den „Beeren“), welche unverkauft bleiben (oder nicht konsumiert werden). Dann werden nach und nach diese Kapitalgüter (die Beeren) durch andere Kapitalgüter ersetzt (der Holzstock), in dem die Arbeiter (Robinson Crusoe) ihre Arbeit mit natürlichen Ressourcen in einem zeitkonsumierenden Prozess verbinden. Diesen Prozess zu durchschreiten sind die Menschen nur dank der unverkauften Kapitalgüter (den gesparten Beeren) in der Lage. Mithin erzeugt das Sparen zunächst Kapitalgüter (die unverkauften im Lager verbleibenden Konsumgüter), welche allmählich aufgebraucht und durch andere Kapitalgüter (den Holzstock) ersetzt werden. Siehe zu diesem wichtigen Punkt Richard von Strigl, Kapital und Produktion, Beiträge zur Konjunkturforschung hrsg. vom Österreichischen Institut für Konjunkturforschung, Nr. 7 (Wien: Verlag von Julius Springer), S. 39f. und 91f.
Robinson Crusoes Produktionsprozess entsteht wie jeder andere in einem Akt unternehmerischer Kreativität und in der Erkenntnis des Handelnden, dass dieser Prozess für ihn einen Gewinn bedeutet, d.h. dass der Handelnde für ihn wertvollere Ziele durch Handlungsprozesse verwirklichen kann, die eine längere Zeit dauern (weil sie mehr Stufen beinhalten). Daher erzeugen Handlungs- oder Produktionsprozesse Kapitalgüter, welche einfach wirtschaftliche Zwischengüter in einem Handlungsprozess sind, dessen Ziel nicht nicht erreicht worden ist. Der Handelnde ist nur bereit, seinen unmittelbaren Konsum zu opfern (d.h. zu sparen), wenn er davon ausgeht, dass er dadurch Ziele erreicht, die er höher bewertet (in unserem Falle die Produktion von einem Zehnfachen der Beeren, die er mit der Hand sammeln könnte). Des Weiteren muss Robonson Crusoe versuchen, sein gegenwärtiges Verhalten so gut als möglich mit seinem voraussichtlichen zukünftigen Verhalten abzustimmen. Genauer gesagt muss er vermeiden, Handlungsprozesse zu beginnen, welche in Hinblick auf seine Ersparnisse exzessiv lang sind: es wäre tragisch für ihn, wenn ihm zur Hälfte des Produktionsprozesses des Kapitalguts und ohne sein Ziel erreicht zu haben, die Beeren ausgehen würden (das heißt, wenn er alle gesparten Beere zu diesem Zeitpunkt konsumiert haben würde). Zudem muss er auch davon Abstand halten, in Hinblick auf seine zukünftige Investition zu viel zu sparen, denn dadurch würde er nur unnötig seinen unmittelbaren Konsum opfern. Es ist gerade die subjektive Einschätzung seiner Zeitpräferenz, die es ihm ermöglicht, sein gegenwärtiges Verhalten mit seinen zukünftigen Bedürfnissen oder Verhalten angemessen abzustimmen bzw. daran anzupassen. Andererseits erklärt die Tatsache, dass er eine Zeitpräferenz hat, warum er seine Anstrengungen lediglich der Erstellung eines Kapitalguts widmet, welches er in einer begrenzten Zeitperiode produzieren kann und welches ein Opfern und Sparen für eine begrenzte Anzahl von Tagen erfordert. Wenn Robinson Crusoe keine Zeitpräferenz hätte, würde ihn nichts davon abhalten, alle seine Anstrengungen gleich auf den Bau eines Unterschlupfs zu verwenden (was zum Beispiel mindestens einen Monat dauern könnte); ein Plan, den er nicht vollenden könnte ohne vorher eine große Anzahl von Beeren zu sparen. Daher würde er entweder verhungern oder das Projekt, welches sich außerhalb jeder Proportion mit seine potentiellen Ersparnissen befindet, würde bald unterbrochen und aufgegeben werden. Auf jeden Fall ist es wichtig zu verstehen, dass die real angesparten Ressourcen (die Beeren im Korb) gerade die Ressourcen sind, die es Robinson Crusoe ermöglichen, während der Zeit zu überleben, die zur Produktion des Kapitalguts verwendet und während der er es unterlässt Beeren direkt zu sammeln. Obzwar Robinson Crusoe unzweifelhaft viel produktiver Beeren mit seinem Holzstock als mit seinen bloßen Händen sammelt, besteht auch kein Zweifel darüber, dass der Prozess der
Beerenproduktion mit dem Stock zeitlich gesehen länger dauert (mehr Etappen enthält) als der Beerenproduktionsprozess durch das Pflücken mit der Hand. Produktionsprozesse tendieren dazu sich als Folge des Sparens und der unternehmerischen Aktivität der Menschen in ihrer Länge und Zeitdauer (d.h. sie werden komplexer und beinhalten mehr Etappen) auszudehnen; und je länger und zeitkonsumierender diese Prozesse werden, desto tendenziell produktiver sind sie. In einer modernen Volkswirtschaft, in der viele ökonomische Agenten simultan verschiedene Funktionen übernehmen, werden wir den Ausdruck Kapitalist verwenden, um die Wirtschaftssubjekte zu bezeichnen, deren Funktion das Sparen ist; oder in anderen Worten deren Funktion es ist, weniger zu konsumieren als erzeugt oder produziert wurde und dadurch den Arbeitern die Ressourcen verfügbar zu machen, welche sie brauchen, um während der Dauer der Produktionsprozesse, in denen sie involviert sind, zu leben. (Robinson Crusoe benahm sich also wie ein Kapitalist als er die Beeren sparte, die es ihm später ermöglichten zu überleben, während er seinen Holzstock produzierte.) Mithin setzt der Kapitalist, wenn er spart, Ressourcen frei (Kosumgüter), welche dazu benutzt werden können, Arbeiter zu unterhalten, die ihre Energien in Produktionsstufen lenken, die weiter entfernt vom letztlichen Konsum liegen, d.h. diese Energien der Kapitalgüterproduktion widmen. Im Gegensatz zu unserem Beispiel mit Robinson Crusoe sind Produktionsprozesse in einer modernen Volkswirtschaft hochgradig komplex und in Hinblick auf die Zeit sehr lang. Sie beinhalten seine Vielzahl von Etappen, welche alle miteinander in Beziehung stehen und sich in zahlreiche sekundäre Prozesse teilen, welche die Menschen in den unzähligen Handlungsprojekten anwenden, die sie ständig neu beginnen. Zum Beispiel besteht der Prozess einer Autoproduktion aus hunderten oder tausenden von produktiven Etappen, welche eine sehr lange Zeit brauchen. Von dem Moment, in dem die Automobilgesellschaft beginnt, das Fahrzeug zu bauen (die am weitesten vom Konsum entfernteste Etappe), über das Bestellen der korrespondieren Materialien von ihren Zulieferern, der Montage dieser Materialien, der Bestellung von verschiedenen Teilen für den Motor und allen Zubehörs ,etc. bis das Auto in der dem Konsum nächsten Stufen ankommt - wie dem Transport und den Vertrieb durch die Händler, der Entwicklung von Marketingkampagnen und der Präsentation und dem Verkauf des Autos an das Publikum - können sogar mehrere Jahre vergehen. Mithin dürfen wir uns, wenn wir eine Fabrik besuchen und beobachten wie jede Minute ein fertiges Fahrzeug vom Band läuft, nicht dazu verleiten lassen zu glauben, dass die Produktion jedes
Autos eine Minute dauert. Stattdessen sollten wir uns dessen bewußt sein, dass jedes Auto einen mehrjährigen Produktionsprozess erfordert; einen Prozess, der zahlreiche Etappen umfasst und beginnt, wenn das Modell entworfen und designed wird und endet, wenn das Auto seinem stolzen Besitzer als Konsumgut präsentiert wird. Darüberhinaus haben die Menschen in modernen Gesellschaft die Tendenz, sich in verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses zu spezialisieren. Eine ansteigende Artbeitsteilung (oder Wissensteilung um genauer zu sein), sowohl horizontal als auch vertikal, führt dazu, dass die Etappen des Produktionsprozesses sich mit derVerbreitung und Vertiefung der Wissensteilung ständig in andere Etappen teilen. Spezifische Unternehmen und Wirtschaftsubjekte tendieren dazu, sich in einer dieser Etappen zu spezialisieren. Abgesehen von dieser stufenweisen Analyse können wir den Prozess auch untersuchen, indem wir mehrere Etappen berücksichtigen, die gleichzeitig stattfinden. Zu jedem Zeitpunkt koexistieren diese Stufen mit anderen und deshalb verwenden einige Menschen ihre Zeit für den Entwurf von Fahrzeugen (Autos, welche dem Publikum in zehn Jahren zur Verfügung stehen werden), während andere simultan Materialien von Zulieferern bestellen, andere an Montagelinien arbeiten und andere ihre Anstrengung dem kommerziellen Bereich (sehr nahe dem Konsum) widmen und den Verkauf von schon produzierten Fahrzeugen fördern.14 Es ist mithin klar, dass genau wie der Unterschied zwischen einem „reichen“ Robinson Crusoe mit seinem Holzstock und dem „armen“ Robinson Crusoe ohne Stock in dem Kapitalgut besteht, welches ersterer durch vorhergehendes Sparen erworben hat, der grundlegende Unterschied zwischen reichen und armen Gesellschaften nicht aus einer größeren Arbeitsanstrengung ersterer, noch einem größeren technologischen Wissen resultiert, welches erster haben. Stattdessen rührt die Differenz hauptsächlich aus der Tatsache her, dass reiche Nationen ein viel umfangreicheres Netzwerk von -aus unternehmerischer Sicht- umsichtig investierten Kapitalgütern besitzen. Diese Güter bestehen in Maschinen, Werkzeugen, Computern, Gebäuden, halbfertigen Gütern, Software, etc. und diese Güter existieren dank dem vorhergehenden Sparen der Bürger dieser Nation. In anderen Worten verfügen verhältnismäßig reiche Gesellschaften über mehr Reichtum, weil sie mehr Zeit in 14
Mark Skousen bildet in seinem Buch The Structure of Production (London and New York: New York University Press, 1990) ein vereinfachtes Schema der Stufen des Produktionsprozesses in der Textil und Ölindustrie der Vereinigten Staaten ab (S. 168-69). Er veranschaulicht detailliert die Komplexität beider Prozesse wie auch die signifikante Anzahl von Etappen, die sie umfassen, und die sehr ausgedehnte Zeitperiode, die sie andauern. Diese Art von Flußdiagramm kann benutzt werden, um eine vereinfachte Beschreibung der Aktivität in jedem anderen Sektor oder Industrie zu liefern. Skousen übernimmt die Diagramme der oben erwähnten Industrien aus dem Buch von E.B. Alderfer und H.E. Michel, Economics of American Industry, dritte Aufl. (New York: McGraw-Hill, 1957).
Form von Kapitalgütern akkumuliert haben, was sie der Erreichung von wertvolleren Zielen zeitlich gesehen näher bringt. Es besteht kein Zweifel daran, dass ein amerikanischer Arbeiter ein viel höheren Lohn verdient als ein indischer Arbeiter. Dies ist jedoch hauptsächlich darin begründet, dass ersterer viel mehr Kapitalgüter (Traktoren, Computer, Maschinen etc.) zur Verfügung hat und benutzt als der Inder, und dass die von ihm genutzten Kapitalgüter von einer viel höheren Qualität sind. Oder um es anders auszudrücken: Wie wir gesehen haben gilt; je länger der Produktionsprozess ist, desto produktiver tendiert er zu sein. Der moderne Traktor pflügt die Erde viel produktiver als der römische Pflug. Nichtsdestoweniger ist der Traktor ein Kapitalgut, dessen Produktion eine viel zahlreichere, komplexere und längere Reihe von Etappen erforfert als notwendig sind, um einen römischen Pflug zu erstellen. Die Kapitalgüter des extrem komplexen Netzwerks, welche die reale Produktionsstruktur einer modernen Volkswirtschaft ausmacht, währen nicht ewig, sondern sind immer vergänglich in dem Sinne, dass sie während des Produktionsprozesses physisch aufgebraucht oder konsumiert werden; oder dass sie obsolet werden. In andere Worten ist die Abnutzung der Kapitalgüterausstattung nicht nur physisch, sondern auch technologisch und wirtschaftlich (Veralterung). Mithin müssen Kapitalgüter gepflegt und erhalten werden (in Robinson Crusoes Fall muss er sich um seinen Stock kümmern und vor Abnutzung schützen.) Dies bedeutet, dass die Unternehmer die bestehenden Kapitalgüter reparieren müssen; und weiterhin, was noch wichtiger ist, müssen sie beständig neue Kapitalgüter produzieren, um die alten zu ersetzen, die sie am Konsumieren sind. Die Wertminderungen beziehen sich auf die Abnutzung der Kapitalgüter während des Produktionsprozesses. Ein gewisses Mindestlevel von Ersparnissen ist essentiell, um die Wertminderungen zu kompensieren und die Kapitalgüter zu produzieren, die notwendig sind, um die abgenutzten oder wertgeminderten Kapitalgüter zu ersetzen. Dies ist der einzige Weg, den der Handelnde hat, um seine Produktionskapazität intakt zu halten. Des Weiteren muss er, falls er wünscht, die Zahl der Etappen weiter zu steigern, die Prozesse zu verlängern und produktiver zu machen, noch mehr als dieses Mindestlevel an Ersparnissen akkumulieren, das notwendig ist, um die Abschreibungsrate, der Bilanzierungsfachbegriff für die Wertminderung der Kapitalgüter, zu neutralisieren. Um zu sparen muss der Handelnde seinen Konsum in Hinblick auf die Produktion reduzieren. Wenn sein Produktionsergebnis konstant ist, muss er seinen gegenwärtigen Konsum verringern; wenn jedoch das Produktionsergebnis im Wachsen begriffen ist, wird er in der Lage sein, zu sparen
(Kapitalgüter zu akkumulieren), indem er sein Konsumvolumen relativ konstant hält. Nichtsdestoweniger bedeutet sogar im letzten Falle das Sparen wie immer einen Verzicht auf das wachsende Konsumpotential, welches ein sich ansteigendes Produktionsvolumen erlauben würde. In jedem Produktionsprozess (d.h. in jeder Reihe von sukzessiven Etappen oder Kapitalgütern) ist es möglich, Etappen, welche den letztendlichen Konsumgütern zeitlich gesehen relativ näher stehen, von anderen Etappen, welche diesen relativ ferner sind, zu unterscheiden. Als eine allgemeine Regel sind Kapitalgüter nur schwer konvertierbar. Und je näher sie sich der letzten Konsumstufen befinden, desto schwerer sind sie konvertierbar. Nichtsdestoweniger bedeutet die Tatsache, dass Kapitalgüter nur schwer anpassbar sind, nicht, dass der Handelnde nicht des öfteren gezwungen wäre, die Ziele seiner Handlung zu modifizieren und infolgedessen die bereits vollendeten Stufen zu prüfen und zu konvertieren (d.h. seine Kapitalgüter so weit als es praktikabel ist, zu konvertieren.) In jedem Fall können die Kapitalgüter, die er bis zu diesem Punkt produziert hat, völlig nutzlos oder nur nach einer aufwändigen Umwandlung nutzbar werden, wenn der Handelnde seine Absichten ändert und sein Handlungsziel modifiziert. Der Handelnde könnte auch einen alternativen Weg finden, die Kapitalgüter zu nutzen, jedoch immer noch empfinden, dass - wenn er von Anfang an gewusst hätte, dass die Güter letztlich in einem anderen Produktionsprozess gebraucht werden würde - er sie auf eine ganz andere Weise gefertigt hätte. Schließlich ist es sehr selten, dass sich ein Kapitalgut derart weit vom Konsum entfernt befindet, oder dass derartige Umstände gelten, dass das Gut in jedem alternativen Projekt perfekt nutzbar ist. Mithin sehen wir den Einfluss der Vergangenheit auf heute durchgeführte Handlungen. Die Handlung -wie wir sie definiert haben- ist immer vorausschauend niemals rückblickend; und ein Handelnder betrachtet ein Gut als Kapitalgut basierend auf einer geplanten zukünftigen Handlung und nicht wegen der materiellen Eigenschaften des Gutes oder früherer Handlungsprojekte.15 Nichtsdestoweniger beeinflusst die Vergangenheit unzweifelbar
15
Aus diesem Grunde ist Hayek mit der traditionellen Definition eines Kapitalguts als eines durch Menschen produzierten Zwischengutes besonders kritisch. Er betrachtet diese Definition als als ein Überbleibsel der Produktionskostentheorien des Wertes [.], der alten Sichtweise, welche die ökonomischen Merkmale eines Dines anhand der in ihm verkörperten Kräfte zu erklären suchte... Vorbei ist vorbei, gilt in der Kapitaltheorie nicht weniger als sonst in der Ökonomie. Und der Gebrauch von Begriffen, die die Bedeutung eines Gutes in vergangenen Ausgaben für dieses sehen, kann nur irreführen. Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 77. Hayek schließt:
zukünftige Handlungen, in dem Ausmaß, dass sie den gegenwärtigen Startpunkt festlegt. Die Menschen begehen unzählige unternehmerische Fehler, wenn sie ihre Handlungen ersinnen, unternehmen und vollenden; und infolgedessen beginnen sie nachfolgende Handlungen oft von einer gegenwärtigen Position aus, welche sie versucht hätten anders zu gestalten, hätten sie nur von ihr im Voraus gewußt. Wenn sich die Geschehnisse jedoch einmal in einer gewissen Weise dargestellt haben, versuchen die Menschen mit Blick auf das Erreichen ihrer Ziele in der Zukunft, immer das Beste aus ihren gegenwärtigen Umständen zu machen. Während Kapitalgüter schwer umwandelbar sind, behelfen sich die Investoren dadurch, dass sie sich diese mit beachtlicher „Mobilität“ beschaffen, was ihnen durch die juristischen Institutionen des Eigentums und Vertragsrechts, welche die verschiedenen Formen der Übergabe dieser Güter regelt, gelingt. Daher erlaubt die (extrem komplexe und verlängerte) Produktionsstruktur durch den Tausch und Verkauf von Kapitalgüter im Markt, die beständige Mobilität der Investoren.16 Wir sind nun in der Lage das Konzept des Kapitals zu betrachten, welches sich aus ökonomischer Sicht vom Konzept der „Kapitalgüter“ unterscheidet. In der Tat werden wir „Kapital“ definieren als den vom individuell Handelnden - welcher Kapitalgüter im freien Markt kauft und verkauft - geschätzten Marktwert der Kapitalgüter.17 Auf diese Weise ist erkennbar, dass Kapital einfach ein abstraktes Konzept bzw. Instrument der Wirtschaftsrechnung ist; in anderen Worten ist Kapital die subjektive Bewertung oder Schätzung des Marktwertes, den die Unternehmer den Kapitalgütern zuweisen und auf deren Basis sie ständig Kapitalgüter kaufen und verkaufen, in dem Versuch mit jeder Transaktion einen reinen unternehmerischen Gewinn zu erzielen. Deshalb ist es vielleicht möglich, in einer sozialistischen Wirtschaft, in der es weder freie Märkte noch Marktpreise gibt, von Kapitalgütern zu sprechen nicht jedoch von Kapital: letzteres erfordert immer einen Markt und Preise, welche von den Wirtschaftssubjekten, welche an ihm teilnehmen, frei bestimmt Für alle mit der Nachfrage nach Kapital verbundenen Probleme ist die Möglichkeit der Produktions neuer Ausrüstung grundlegend wichtig. Und alle in der Kapitaltheorie gebrauchten Zeitbegriffe, insbesondere jene der verschiedenen Investitionsperioden, beziehen sich auf zukünftige Perioden und sind immer “vorwärtsgerichtet” und nie “rückwärtsgerichtet.” (Ebenda S. 77) 16 Ein demoralisierter Unternehmer, der wünscht, sein Geschäft aufzugeben und an anderer Stelle zu siedeln, kann eine sichere, beständige Mobilität im Markt finden: Rechtliche Verträge erlauben es ihm, sein Geschäft zum Verkauf anzubieten und seine neue Liquidität zum Erwerb einer anderen Gesellschaft zu verwenden. Auf diese Weise erreicht er eine reale effektive Mobilität, die sehr viel größer als die reine physische oder technische Mobilität des Kapitalguts ist (welche -wie wir gesehen haben- für gewöhnlich eher begrenzt ist). 17 Nichtsdestoweniger werden wir in verschiedenen Begebenheiten gezwungen sein, den Begriff des Kapitals weniger strikt zu benutzen und uns auf die Reihe der Kapitalgüter beziehen, welche die Produktionsstruktur ausmachen. Dieser weite Sinn von „Kapital“ ist derjenige, der unter anderen von Hayek in Die reine Theorie des Kapitals, S. 47, gemeint ist; der gleiche Sinn wird von Lachmann in Capital and its Structure intendiert, wo er auf Seite 11 „capital“ als „the heterogenous stock of material resources“ definiert.
werden. Ohne Marktpreise und die subjektive Schätzung des Kapitalwerts der Güter, welche die Zwischenstufen des Produktionsprozesses ausmachen, wäre es in einer modernen Gesellschaft unmöglich, zu schätzen oder zu berechnen, ob der letztliche Wert der Güter, die mit den Kapitalgütern produziert werden, die Kosten des Produktionsprozesses rechtfertigt oder nicht. Außerdem wäre es nicht möglich, auf eine koordinierte Art die Anstrengungen der Personen zu lenken, welche zu den verschiedenen Handlungsprozessen beitragen.18 Wir haben an anderer Stelle zu zeigen versucht, dass jeder systematische Zwang, welcher die frei Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit beinträchtigt, die Menschen von der Entdeckung der Information abhält, welche sie zur Durchführung ihrer Handlungen benötigen.19 Darüberhinaus hält der Zwang die Menschen von der spontanen Übertragung dieser Information und von der Anpassung ihres Verhaltens auf die Bedürfnisse anderer ab. Dies bedeutet, dass die Intervention mittels Zwang, welche für den Sozialismus, den Staatsinterventionismus in die Wirtschaft und - im Gegensatz zu traditionellen Rechtsprinzipien stehend – für die Gewährung von Privilegien an bestimmte Gruppen charakteristisch ist, in mehr oder weniger großem Ausmaße die Ausübung des Unternehmertums und damit koordinierte Handlungen der Menschen verhindert. Der Zwang tendiert auch dazu, Fehlabstimmungen im Gefüge der Gesellschaft zu generieren. Die systematische Fehlabstimmung kann intratemporal sein; oder wie im Falle der menschlichen Handlungen in Relation zu den verschieden Etappen des Produktionsprozesses bzw. der Kapitalgüter auch intertemporal, indem Menschen, welche nicht frei handeln können, dazu tendieren, ihre gegenwärtiges Verhalten schlecht mit ihrem zukünftigen Verhalten und Bedürfnissen koordinieren. Wie wir bei Robinson Crusoes isoliertem Produktionsprozess gesehen haben, ist die intertemporale Koordination fundamental für die menschlichen Handlungen, welche Zeit konsumieren und besonders für solche Handlungen, die mit Kapitalgütern in Verbindung stehen. Daher ist es besonders wichtig, die freie Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit in diesem Feld zu erlauben. Auf diese Weise entdecken Unternehmer kontinuierliche neue Gewinnmöglichkeiten im Markt, indem sie neue mögliche Kombinationen von Kapitalgütern erwägen und diese Kombinationen als unterbewertet in Relation zu den Marktpreisen finden,
18
Dies ist gerade das grundlegende Argument, welches Mises in Hinblick auf die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung in einer sozialistischen Wirtschaft vorbrachte. Vgl. Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, Kapitel 3-7. 19 Ebenda Kapital 2 und 3, S. 41-155.
welche sie erwarten, in der Zukunft mit den produzierten Konsumgütern erzielen zu können. Kurzum beziehen wir uns auf einen Prozess des kontinuierlichen Kaufens und Verkaufens, auf eine „Rekombination“ und Produktion neuer Arten von Kapitalgütern; ein Prozess der eine dynamische und sehr komplexe Produktionsstruktur generiert, welche immer dazu tendiert, sich horizontal und vertikal auszudehnen.20 Ohne freies Unternehmertum und freie Märkte für Kapitalgüter und Geld, ist es unmöglich, die notwendigen ökonomischen Berechnungen hinsichtlich der horizontalen und vertikalen Ausdehnung der verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses zu machen, was zu einer allgemeinen Fehlabstimmung der Verhalten führt, die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht bringt und eine harmonische Entwicklung verhindert. In dem unternehmerischen Prozess der intertemporalen Koordination wird eine herausragende Rolle von einem wichtigen Marktpreise gespielt: der Preis der Gegenwartsgüter im Verhältnis zu den Zukunftsgütern. Dieser Preis ist gemeinhin auch als Zinssatz bekannt und reguliert das Verhältnis von Konsum, Sparen und Investition in modernen Volkswirtschaften, welches wir im nächsten Abschnitt detailliert untersuchen werden. DER ZINSSATZ Wie wir gesehen haben nehmen ceteris paribus die Gegenwartsgüter auf der Werteskala der Menschen immer einen höheren Rang als Zukunftsgüter ein. Nichtsdestoweniger variiert die relative Intensität dieses Unterschieds in der subjektiven Bewertung beträchtlich von einer Person zur nächsten; und sie kann sogar im Leben einer einzelnen Person aufgrund ihrer Lebensumständen stark variieren. Einige Personen haben eine hohe Zeitpräferenz und bewerten die Gegenwart sehr hoch im Vergleich mit der Zukunft; auf diese Weise sind sie nur bereit, das unmittelbare Erreichen ihrer Ziele hinantzustellen, wenn sie erwarten oder glauben, dass sie dadurch in der Zukunft Ziele verwirklichen werden, welche sie außerordentlich hoch bewerten. Andere Menschen haben eine weniger stark ausgeprägte Zeitpräferenz. Obzwar sie auch Gegenwartsgüter höher bewerten als Zukunftsgüter, sind sie eher bereit auf das unmittelbare Erreichen ihrer Ziele im Tausch für Ziele, die sie nur ein wenig höher schätzen und in der Zukunft erreicht werden, zu verzichten. Dieser Unterschied in der psychischen Intensität der subjektiven Bewertung der Gegenwartsgüter im Vergleich mit den Zukunftsgütern - eine Differenz, welche sich in der Werteskala jedes Menschen reflektiert -
20
Dies ist die Terminologie, die beispielsweise Knut Wicksell in seinen Vorlesungen über Nationalökonomie, Neudruck der Ausgabe Jena 1913 (Aalen: Scientia Verlag, 1969), Bd. 1, S. 229f., in denen Wicksell ausdrücklich eine „Breitendimension“ und eine „Höhendimension“ der Struktur der Kapitalgüter erwähnt.
bedeutet, dass in einem aus vielen Wirtschaftssubjekten bestehenden Markt, von denen ein jeder seine eigene und veränderbare Zeitpräferenz hat, zahlreiche Möglichkeiten zum gegenseitig begünstigenden Tausch entstehen. Mithin sind Menschen mit einer niedrigen Zeitpräferenz bereit, Gegenwartsgüter im Tausch für nur ein wenig höher bewertete Zukunftsgüter aufzugeben. Diese Menschen werden daher tauschen, in dem sie ihre Gegenwartsgüter Menschen mit einer höheren Zeitpräferenzrate übergeben, d.h. Menschen, welche Gegenwartsgüter intensiver bewerten als sie selbst es tun. Die dem Unternehmertum inhärente Kreativität und Aufmerksamkeit führt zu einem Marktprozess, der dazu tendiert, einen Marktpreis für Gegenwartsgüter in Bezug auf Zukunftsgüter zu etablieren. Wir werden den Begriff „Zinssatz“ verwenden, um den Marktpreis der Gegenwartsgüter ausgedrückt in Zukunftsgütern zu bezeichnen. Gegeben dass im Markt viele Handlungen ausgeführt werden, in denen Geld als allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel verwendet wird, ist der Zinssatz der Preis, den man zahlen muss, um eine bestimmte Menge GE unmittelbar zu erhalten; dieser Preis reflektiert die Anzahl der Einheiten, die man am Ende der gesetzen Frist oder Periode im Tausch zurückgeben muss. Im Allgemeinen wird dieser Preis aus Gewohnheitsgründen als ein bestimmter jährlicher Prozentsatz ausgedrückt. Zum Beispiel zeigt ein Zinssatz von 9 Prozent an, dass Markttransaktionen derart durchgeführt werden, dass es möglich ist, 100 GE unmittelbar (Gegenwartsgut) im Tausch für das Versprechen zu erhalten, 109 GE am Ende des Jahres (Zukunftsgut) zu übergeben.21 21
Der Zinssatz kann tatsächlich auf zwei verschiedene Arten interpretiert werden. Er kann als das Verhältnis von heutigen Preise (von denen einer mit dem heute verfügbaren Gut und der andere mit dem gleichen, jedoch erst morgen verfügbaren Gut korrespondiert) angesehen werden; oder er kann als der Preis der Gegenwartsgüter in Zukunftsgütern ausgedrückt betrachtet werden. Beide Ideen führen zum selben Ergebnis. Die erste Interpretation wird von Ludwig von Mises vertreten, für den der Zinssatz „a ratio of commodity prices, not a price in itself“ ist (Human Action, S. 526). Wir ziehen jedoch letztere Interpretation vor, dabei Murray N. Rothbard folgend. Eine detaillierte Analyse davon, wie der Zinssatz als der Marktpreis von Gegenwartsgütern in Zukunftsgütern ausgedrückt interpretiert werden kann, sowie weitere Analyses können in Murray N. Rothbards Buch, Man, Economy, and State: A Treatise on Economic Principles, 3rd ed. (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1993), Kapitel 5-6, S. 273-387. In jedem Fall wird der Zinssatz auf die gleiche Weise bestimmt wie jeder andere Marktpreis. Der einzige Unterschied liegt in der Tatsache, dass der Zinssatz anstatt einen etablierten Preis für jedes Gut bzw. jede Nutzleistung in Geldeinheiten ausgedrückt zu reflektieren, vielmehr auf dem Verkauf von Gegenwartsgütern im Tausch für Zukunftsgüter, beide in der Form von Geldeinheiten, basiert. Obwohl wir die Idee verteidigen, dass der Zinssatz ausschließlich durch die Zeitpräferenz bestimmt ist (d.h. durch die subjektiven Nutzeneinschätzungen, welche die Zeitpräferenz enthält), beeinträchtigt die Akzeptanz einer anderen Zinstheorie (beispielsweise der Theorie, das der Zinssatz in einem mehr oder weniger starken Ausmaß durch die Grenzproduktivität des Kapital bestimmt wird) das grundlegende Argument dieses Buches hinsichtlich der verzerrende Effekte, welche die Kreditausweitung der Banken auf die Produktionsstruktur ausübt, nicht. In dieser Hinsicht bemerkt Charles E. Wainhouse: Hayel establishes that his monetary theory of economic fluctuations is consistent with any of the “modern interest theories” and need not be based on any particular one. The key is the monetary causes of deviations of the current from the equilibrium rate of interest.
Mithin ist der Zinssatz der Preis, der in einem Markt etabliert wird, in dem die Anbieter bzw. Verkäufer von Gegenwartsgütern gerade die Sparer sind; das heißt all jene, die relativ gesehen eher dazu bereit sind, auf den Konsum im Austausch für Güter höheren Werts in der Zukunft zu verzichten. Die Käufer von Gegenwartsgütern sind all jene, die unmittelbar Güter und Nutzleistungen konsumieren (sei es Arbeiter, Besitzer natürlicher Ressourcen oder Kapitalgüter, oder Kombinationen dieser). In der Tat besteht der Markt von Gegenwarts- und Zukunftsgütern, in dem der Zinssatz bestimmt wird, aus der gesamten Produktionsstruktur der Gesellschaft. In der gesamten Produktionsstruktur geben Sparer bzw. Kapitalisten den unmittelbaren Konsum auf und bieten Gegenwartsgüter den Besitzen der primären bzw. ursprünglichen Produktionsfaktoren (Arbeiter und Besitzer natürlicher Ressourcen) sowie den Besitzern von Kapitalgütern an, im Tausch für den vollen Besitz der Konsum- und Kapitalgüter, welche -wie sie annehmen- einen höheren Wert besitzen werden, sobald einmal die Produktion dieser Güter in Zukunft vollendet worden ist. Wenn wir vom positiven (bzw. negativen) Effekt des reinen Unternehmergewinns (bzw. Verlusts) absehen, tendiert die Wertdifferenz zwischen dem Wert der Produktionsfaktoren und den in der Zukunft fertiggestellten Gütern dazu, mit dem Zinssatz übereinzustimmen. Aus juristischer Sich kann der Tausch von Gegenwartsgütern für Zukunftsgüter viele Formen annehmen. Zum Beispiel können in einer Kooperative die Arbeiter selbst simultan als Kapitalisten auftreten und bis zum Ende des gesamten Produktionsprozesses warten, um den Besitz des Endproduktes und seinen gesamten Wert zu erwerben. Nichtsdestoweniger sind die Arbeiter in den meisten Fällen weder bereit, zu warten bis der Produktionsprozess endet, noch die Risiken und Unsicherheit, die dieser mit sich bringt, auf sich zu nehmen. Anstatt Kooperativen zu formen, ziehen sie es daher vor, die Ergebnisse ihrer produktiven Anstrengungen im Tausch für unmittelbare Gegenwartsgüter zu verkaufen. Sie gehen einen Arbeitsvertrag ein, der festlegt, dass die Person, welche ihnen die Gegenwartsgüter vorschießt (der Kapitalist, Sparer oder Anbieter von Gegenwartsgütern), den vollen Besitz des Endproduktes erhält, sobald es produziert worden ist. Auch eine Kombination dieser beiden Vertragsarten sind möglich. Hier ist nicht die geeignete Stelle, um die verschiedenen rechtliche Formen zu erörtern, welche der Tausch der Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgütern “Empirical Evidence for Hayek´s Theory of Economic Fluctuations,” 2. Kapitel in Money in Crisis: The Federal Reserve, the Economy and Monetary Reform, Barry N. Siegel, Hrsg. (San Francisco: Pacific Institute for Public Policy Research, 1984), S. 40.
in einer modernen Gesellschaft annimmt. Des Weiteren beeinflussen diese Formen das grundlegende Argument, welches wir in diesem Buch vorbingen nicht, obzwar sie unzweifelhaft aus theoretischer und praktischer Sicht von größtem Interesse sind. Es sollte festgehalten werden, dass der „Kreditmarkt“, auf dem man ein Darlehen durch das Versprechen, den korrespondierenden Zinssatz zu zahlen, erhalten kann, nur einen relativ kleinen Teil des Gesamtmarktes ausmacht, auf dem Gegenwartsgüter gegen und Zukunftsgüter getauscht werden und welcher die gesamte Produktionsstruktur der Gesellschaft umfasst. Auf dem Gesamtmarkt treten die Besitzer der ursprünglichen Produktionsmittel (Arbeit und natürliche Ressoourcen) und Kapitalgüter als Nachfrager der Gegenwartsgütern auf, während die Sparer als deren Anbieter auftreten. Mithin stellen der kruzfristige, mittelfristige und langfristige Darlehensmarkt lediglich einen Teilbereich des viel breiteren Marktes dar, auf dem Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter getauscht werden. Im Hinblick auf diesen breiteren Gesamtmarkt spielt der Darlehensmarkt, trotz der Tatsache, dass er der sichtbarste und dem allgemeinen Publikum offenbarste Teilbereich ist, nur eine sekundäre und abhängige Rolle.22 In der Tat ist es ohne Problem möglich, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der kein Darlehensmarkt existiert und in der alle ökonomischen Agenten ihre Ersparnisse direkt in die Produktion investieren (mittels interner Finanzierung und Rückstellungen durch Partnerschaften, Unternehmen oder Kooperativen). Obzwar in diesem Falle kein Zinssatz in dem (ja gar nicht existierenden) Kreditmarkt etabliert werden würde, würde der Zinssatz immer noch durch das Verhältnis, in dem Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter in den verschiedenen Zwischenstufen des Produktionsprozesses getauscht werden, bestimmt. Unter diesen Umständen würde der Zinssatz durch die „Profitrate“ determiniert, welche dazu tendieren würde, gleich dem Nettoeinkommen pro Werteinheit und Zeitperiode in jeder Produktionsstufe zu sein. Obwohl dieser Zinssatz nicht direkt im Markt beobachtbar ist und obgleich in jeder Unternehmung und jedem spezifischen Produktionsprozess dieser Satz wichtige externe Faktoren umfassen würde (wie die Komponenten des reinen Unternehmergewinns oder –verlustes und die Risikoprämie), würde der in jeder Stufe des gesamten wirtschaftlichen Systems generierte Gewinn dazu tendieren 22
Was wir umgangssprachlich als „Geldmarkt“ bezeichnen ist tatsächlich nur der kurzfristige Darlehensmarkt. Der wahre Geldmarkt umfasst den gesamten Markt, auf dem Güter und Nutzleistungen für Geldeinheiten getauscht werden und auf dem der Preis bzw. die Kaufkraft des Geldes sowie der Geldpreis jeden Gutes und jeder Nutzleistung simultan bestimmt werden. Aus diesem Grunde ist die folgende Behauptung von Marshall gänzlich irreführend: „The ´money market´ is the market for command over money: ´the value of money´in it at any time is the rate of discount, or of interest for short period loans charged in it.” Alfred Marshall, Money Credit and Commerce (Londong: Macmillan, 1924), S. 14. Mises klärt Marshalls Begriffsverwirrung in Nationalökonomie, S. 362, vollständig auf.
mit dem Zinssatz zu korrespondieren. Dies ist der Fall, weil der typische unternehmerische Prozess die Buchgewinne über die verschiedenen Stufen der Produktionsstruktur hinweg ausgleicht, wenn wir annehmen, dass keine weiteren Veränderungen geschehen und alle kreativen Möglichkeiten und unternehmerischen Gewinnchancen bereits entdeckt und ausgeschöpft wurden.23 In der realen Welt sind die einzig direkt beobachtbaren Zahlen jene, die wir den Bruttozinssatz oder den Marktzins nennen könnten und die Bruttobuchgewinne, welche von jeder Produktionsaktivität erwirtschaftet werden (d.h. das Nettoeinkommen). Der Bruttozinssatz besteht in dem Zinssatz wie wir ihn definiert haben (auch manchmal ursprünglicher oder natürlicher Zinssatz genannt) plus der Risikoprämie der korrespondierenden Operation, plus oder minus der Prämie für die erwartete Inflation oder Deflation; das heißt die erwartete Verringerung oder den erwarteten Anstieg der Kaufkraft der Geldeinheit, die beim Tausch der Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter und in den Berechnungen bei solchen Transaktionen benutzt werden. Die zweite Zahl, welche auch direkt im Markt beobachtbar ist, repräsentiert die Bruttobuchgewinne (d.h. Nettoeinkommen) aus der spezifischen Produktionsaktivität, die in jeder Stufe des Produktionsprozesses durchgeführt wird. Diese Gewinne tendieren dazu, sich dem Bruttozinssatz (bzw. dem Marktzinssatz) - wir wir ihm im voranstehenden Abschnitt definiert haben – plus/minus des reinen Unternehmergewinns oder Verlusts anzupassen24. Wie in allen Märkte besteht eine Tendenz, dass die unternehmerischen Gewinne und Verluste als Folge des Wettbewerbs der Unternehmer verschwinden; die Buchgewinne jeder produktiven Aktivität pro Zeitperiode tendieren dazu, sich dem Bruttomarktzins anzupassen. In der Tat können die Buchgewinne, die jedes Unternehmen für ein Finanzjahr berichtet,
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Jedoch macht genau genommen das Konzept der „Profitrate“ im realen Leben keinen Sinn und wir haben es lediglich eingeführt, um zu illustrieren und dem Lesen beim Verständnis der Konjunkturtheorie zu helfen. Wie es Mises ausdrückt: [I]t becomes evident that it is absurd to speak of a “rate of profit” or a “normal rate of profit” or an “average rate of profit.” . . .There is nothing “normal” in profits and there can never be an “equilibrium” with regard to them. (Mises, Human Action, S. 297). 24 In der Tat beinhaltet auch der Zinssatz zu dem die Darlehen im Darlehensmarkt ausgehandelt werden eine unternehmerische Komponente, die wir nicht im Text erwähnt haben. Diese entsteht aus der unausweichlichen Unsicherheit (nicht „Risiko“) beispielsweise hinsichtlich der Möglichkeit, dass systematische Veränderungen in der sozialen Zeitpräferenzrate oder andere Störungen, gegen die es unmöglich ist, sich zu versichern, vorkommen: Wir wissen schon, dass mit jeder Darlehensgewährung, auch ganz abgesehen vom Risiko der Veränderungen der Kaufkraft des Geldes, ein Unternehmerrisiko verbunden ist. Jede Darlehensgewährung ist ein Unternehmen, das auch fehlschlagen kann. Jeder Darlehensgeber bezieht im Bruttozins auch Unternehmergewinn. (Mises, Nationalökonomie, S. 486).
dahingehend interpretiert werden, dass sie implizit eine Zinskomponente mit Hinblick auf die von den Kapitalisten, welche das Unternehmen besitzen, gesparten und investierten Ressourcen enthält. Diese implizite Komponente resultiert zusammen mit dem Risikofaktor und den unternehmerischen Gewinnen bzw. Verlusten, welche sich aus der reinen unternehmerischen Aktivität des Geschäfts ergeben, in den Buchgewinnen. Aus dieser Perspektive ist es möglich, dass eine Unternehmung Buchgewinne meldet (d.h. Nettoeinkommen), obwohl sie tatsächlich unternehmerische Verlust erlitten hat. Dies ist der Fall, wenn die Buchgewinne nicht ausreichend sind, um den impliziten Bruttomarktzins zu übertreffen, der sich auf die von den Kapitalisten in ihren Geschäften im Finanzjahr investierten Ressourcen bezieht. In jedem Falle ist es ungeachtet der äußerlichen Form, welche die Zinsen annehmen, fundamental sich daran zu erinnern, dass der Zins als Marktpreis bzw. als soziale Rate der Zeitpräferenz eine vitale Rolle in der Koordination des Verhaltens von Konsumenten, Sparern, Investoren und Produzenten in einer modernen Gesellschaft spielt. Genau wie es für Robinson Crusoe entscheidend war, seine Handlungen zu koordinieren und davon Abstand zu nehmen, sich künftigen Zielen in einem Maße zu widmen, das seinen Vorrat an gesparten Gegenwartsgütern überstieg, besteht das Problem der intertemporalen Koordination auch beständig für die gesamte Gesellschaft. In einer modernen Gesellschaft werden gegenwärtiges und künftiges Verhalten durch die unternehmerische Aktivität in dem Markt koordiniert, in dem Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter getauscht werden und der Zinssatz, der Marktpreis einer Art dieser Güter ausgedrückt in der anderen, bestimmt wird. Je reichlicher die Ersparnisse sind, d.h. je größer die Menge unverkaufter und angebotener Gegenwartsgütern ist, desto geringer ist daher ceteris paribus ihr Preis ausgedrückt in Zukunftsgütern und desto niedriger ist folglich der Marktzinssatz. Dieser zeigt Unternehmern an, dass mehr Gegenwartsgüter verfügbar sind. Dies ermöglicht es ihnen, die Länge und Komplexität der Stufen in ihren Produktionsprozessen zu steigern und diese Stufen produktiver zu machen. Je geringer hingegen die Ersparnisse sind, d.h. je weniger die Wirtschaftssubjekte ceteris paribus bereit sind, den unmittelbaren Konsum von Gegenwartsgütern aufzugeben, desto höher ist der Marktzinssatz. Mithin zeigt ein hoher Marktzins, dass die Ersparnisse relative knapp sind, was für die Unternehmer ein unmißverständlicher Hinweis dafür ist, dass sie eine übermäßige Verlängerung der verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses und die daraus
resultierende Fehlkoordination oder Mißanpassung, welche eine große Gefahr für eine nachhaltige, gesunde und harmonische Entwicklung der Gesellschaft bedeutet, möglichst vermeiden sollten.25 Kurzum vermittelt der Zinssatz den Unternehmern, welche neuen produktiven Etappen oder Investitionsprojekte sie unternehmen können und sollten und welche nicht, damit das Verhalten von Sparern, Konsumenten und Investoren so koordiniert bleibt wie eben menschlich möglich und um zu vermeiden, dass die verschiedenen Produktionsstufen unnötig kurz bleiben oder zu lang werden. Zum Schluss müssen wir noch darauf hinweisen, dass eine Tendenz zum Ausgleich des Marktzinses über den gesamten Zeitmarkt bzw. die ganze gesellschaftliche Produktionsstruktur hinweg besteht und dass die Ausgleichstendenz nicht nur intratemporal d.h. in verschiedenen Marktteilen, sondern auch intertemporal, d.h. in den Produktionsstufen, die relativ nahe am Konsum liegen als auch in weiter entfernten Produktionsstufen gilt. In der Tat wird, wenn der Zinssatz, den man durch den Vorschuss von Gegenwartsgütern in einigen Stufen (beispielsweise in denen dem Konsum am nächsten liegenden) erzielen kann, höher ist als in anderen Stufen (beispielsweise den dem Konsum entferntesten Stufen), der unternehmerische Geist angetrieben durch den Gewinnerzielungswunsch dazu führen, dass Individuen in den Stufen, in welchen der Zinssatz bzw. die „Profitrate“ relativ geringer sind, deinvestieren werden, und in den Stufen investieren, in denen der erwartete Zinssatz bzw. die „Profitrate“ höher ist.
DIE PRODUKTIONSSTRUKTUR Obgleich es nahezu unmöglich ist, die überaus komplexe Struktur der Produktionsstufen, welche die moderne Volkswirtschaft charakterisieren, graphisch zu illustrieren, versucht Graph V-1 eine simplifizierte Version dieser Struktur zu repräsentieren und wir bilden den Graphen ab, um die theoretischen Argumente, welche wir im Weiteren entwickeln werden, zu verdeutlichen.
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Die gleiche Idee steht im Zentrum von Roger Garrisons letztem Buch, welches wir nach der ersten spanischen Auflage unseres Buches gelesen haben. Garrison schreibt: [T]he intertemporal allocation may be internally consistent and hence sustainable, or it may involve some systematic internal inconsistency, in which case its sustainability is threatened. The distinction between sustainable and unsustainable patterns of resource allocation is, or should be, a major focus of macroeconomic theorizing. (Garrison, Time and Money, S. 33-34)
Obwohl diese Graphik streng genommen nicht notwendig ist, um die grundlegenden theoretischen Argumente zu erklären und in der Tat Autoren vom Format eines Ludwig von Mises sie niemals in ihrer Darstellung der Kapital- und Konjunkturtheorie benutzt haben26, haben es traditional weiterhin viele Theoretiker als hilfreich angesehen, vereinfachte Graphiken der Stufen von realen Produktionsprozessen zu benutzen, um ihre Argumente zu verdeutlichen.27 Chart V- 1 = Graph V-1 Two points of view= Zwei Sichtweisen Consecutive= fortlaufend (diachron) Simultaneous= Simultan (synchron) Stages as consecutive time periods = Stufen als fortlaufende Zeitabschnitte 26
Mises, Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel und auch Nationalökonomie. Der erste Theoretiker, der eine im Grunde mit Graph V-1 identische Darstellung vorgetragen hat, war William Stanly Jevons in seinem Buch The Theory of Political Economy, deren erste Ausgabe 1871 veröffenlicht wurde. Wir haben einen Wiederdruck der fünfte Auflage (Kelley and Millman, Hrsg.) veröffentlicht 1957 in New York benutzt. Die Seite 230 beinhaltet ein Diagramm, welches nach Jevons „line ox indicates the duration of investment and the height attained at any point, i, is the amount of capital invested.” Ein paar Jahre später im Jahre 1889 lieferte Böhm-Bawerk eine grundlegendere Betrachtung der theoretischen Aspekte der Struktur der sukzessiven Kapitalgüterstufen und benutzte Graphiken, um ihre Struktur zu illustrieren. Er schlug vor, diese durch sukzessive, konzentrische Jahresringe, von denen ein jeder eine Produktionsstufe darstellte, zu repräsentieren. Diese Art der Darstellung befindet sich zusammen mit Böhm-Bawerks Erläuterungen auf den Seiten 142-143 seines Buches Kapital und Kapitalzins, Band 2: Positive Theorie des Kapitales (1921, Jena: Gustav Fischer) Das Hauptproblem von Böhm-Bawerks Darstellung ist, dass sie das Vergehen der Zeit in einer sehr schwerfälligen Art portraitiert und mithin den Bedarf einer zweiten (vertikalen) Dimension anzeigt. BöhmBawerk hätte diese Schwierigkeiten einfach umgehen können, in dem er die konzentrischen Jahreszinge durch eine Anzahl von übereinander plazierten Zylindern ersetzte, von denen jeder Zylinder eine kleinere Basis als der darunterliegende hätte (wie eine runder Hochzeitskuchen, dessen Schichten einen desto kleineren Durchmesser besitzten je höher sie sich befinden). Hayek löste diese Schwierigkeit dann später im Jahre 1931, in der ersten Auflage seinen Klassikers, Prices and Production, mit einem Vorwort von Lionel Robbins (London: Routledge, 1931; zweite und überarb. Aufl. 1935); S. 36 der ersten und S. 39 der zweiten Aufl. und S. 42 der deutschen Auflage, Preise und Produktion, 1976, Wien: Springer). Von jetzt an beziehen sich alle Zitate dieses Buches auf die zweite Auflage. Das Buch enthält einen Graphen der dem Graph V-1 sehr ähnlich ist. Hayek benutzte diese Art der Darstellung erneut 1941 (aber nun in stetiger Form) in seinem Buch The Pure Theory of Capital (vgl. beispielsweise S. 109 der englischen und S. 96 der deutschen Ausgabe Die reine Theorie des Kapitals). Des Weiteren entwickelte Hayek auch einen zukunftsgerichteten dreidimensionalen Graphen der verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses. Was dieser Chart in Genauigkeit, Präzision und Eleganz gewinnt, verliert er jedoch an Verständlichkeit (S. 117). Im Jahr 1962 schlug Murray Rothbard (Man, Economy, and State, Kapital 6-7) eine Abbildung vor, die in vielerlei Hinsicht der Hayekschen überlegen ist. Mark Skousen folgt Rothbards Illustration sehr eng in seinem Buch The Structure of Production. Im Spanischen haben wir zuerst den Graphen der Stufen der Produktionsttruktur vor mehr als 20 Jahren in dem Artikel „La teoría austriaca del ciclo económico“ vorgestellt, der ursprünglich in Moneda y crédito, Nr. 152 (März 1980): 37-55 erschien und in unserem Buch Estudios de economía política, Kapitel 13, S. 160-76 wiederabgedruckt ist. Obzwar die Dreiecksgraphen, welche Knut Wicksell in Vorlesungen über Nationalökonomie (Bd. 1, S. 224) vorschlägt, auch als eine Ilustration der Produktionsstruktur interpretiert werden können, haben wir sie absichtlich nicht in dieser kurzen Übersicht zur Geschichte der Graphiken, welche die Stufen des Produktionsprozesses abbilden, erwähnt. Vgl. zudem Alonso Neira, M.A. „Hayek´s Traingle,“ An Eponymeus Dictionary of Economics: A Guide to Laws and Theorems Named after Economists, Julio Segura und Carlos Rodriguez Brauns, Hrsg. (Cheltenham, U.K.: Edward Elgar, 2004). Siehe schließlich für eine kritische Analyse der hayekschen Dreiecke Walter Block und William Barnett, „Hayekian Triangles,“ Procesos de Mercado 3, Nr. 2 (2006). 27
Simutaneous stages in the production process (capital goods or intermediate products) = Simultane Stufen im Produktionsprozess (Kapitalgüter oder Zwischenprodukte) 1st year = 1. Jahr 2nd year = 2. Jahr 3rd year = 3. Jahr 4th year = 4. Jahr 5th year = 5. Jahr 5th stage (fifth-order goods) = 5. Stufe (Güter fünfter Ordnung) 4th stage /(fourth-order goods) = 4. Stufe (Güter vierter Ordnung) 3rd stage /(third-order goods) = 3. Stufe (Güter dritter Ordnung) 2nd stage /(second-order goods) = 2. Stufe (Güter zweiter Ordnung) 1st stage /(fourth-order goods) = 1. Stufe (Güter erster Ordnung) Outline of the productive structure = Abbildung der Produktionsstruktur Original means of production (labor and natural ressources) = ursprüngliche Produktionsmittel (Arbeit und natürliche Ressourcen) Interest= Zinsen 100 monetary units of net income = 100 Geldeinheiten Nettoeinkommen Profit or interest at each state (=Approximately 11 % per year) Rendite bzw. Zinssatz auf jeder Stufe (= ungefähr 11% pro Jahr) Final consumption = 100 monetary units of net income = Endkonsum = 100 Geldeinheiten Nettoeinkommen
Die in Graph V-1 dargestellten Stufen der Produktionsstruktur repräsentieren nicht die Produktion von Kapital- und Konsumgütern in physischen Einheiten, sondern vielmehr ihren Wert in Geldeinheiten (GE). Am linken Rand der Graphik wird angenommen, dass die Produktionsstruktur sich aus fünf Stufen zusammensetzt, deren „Ordnungsnummer“ - um Mengers klassischen Beitrag zu berücksichtigen - mit der Entfernung von der letzten Stufe des Konsums ansteigt. Dadurch umfasst die erste Stufe „Güter erster Ordnung“ bzw. Konsumgüter, welche in unserem Graphen für den Wert von hundert Geldeinheiten getauscht werden. Die zweite Stufe umfasst die „Güter zweiter Ordnung“ bzw. die dem Konsum nächsten Kapitalgüter. Die dritte, vierte und fünfte Stufe setzen dieses Muster fort und die
fünfte Stufe ist die dem Konsum entfernteste. Um unsere Erklärung zu vereinfachen, haben wir angenommen, dass jede Stufe ein Jahr dauert und daher der Produktionsprozess von Graph V-1 von seinem Beginn in der fünften Stufe (der dem Konsum entferntesten) bis zu den letztlichen Konsumgütern der ersten Stufe fünf Jahre dauert. Die Stufen unserer Abbildung sind auf zwei Arten interpretierbar: Wir können sie als fortlaufend betrachten, d.h. als die Reihe von Produktionsstufen, welche wir durchlaufen müssen, bevor wir nach fünf Jahren zu den endgültigen Konsumgütern gelangen (diachrone Sichtweise); oder wir können sie als simultan ansehen, wie eine „Fotographie“ der Stufen, welche gleichzeitig im selben Finanzjahr angegangen werden (die synchrone Sichtweise). Wie Böhm-Bawerk andeutet, hat diese zweite Interpretation der Graphik (als eine Repräsentation des Produktionsprozessen als eine Reihe synchronisierter Stufen) große Ähnlichkeit mit den Altersstrukturpyramiden, welche mit den Daten von Volkszählungen konstruiert werden. Diese Pyramiden liefern Querschnitte der Bevölkerung nach Alter klassifiziert. In ihnen können wir auch den Veränderung der Zahl der Personen jeden Alters sehen, welche am Leben bleiben (Sterblichkeitstabellen). Diese zweite Interpretation bedeutet, die Stufen als fortlaufend zu betrachten.28 Die Pfeile in unserem Diagramm stellen den Strom des monetären Einkommens, welcher in jeder Stufe der Produktionsprozesses die Eigentümer der ursprünglichen Produktionsmittel (Arbeit und natürliche Ressourcen) in der Form von Löhnen und Mieten und die Eigentümer von Kapitalgütern (Kapitalisten und Sparer) in der Form von Zinsen (oder Buchgewinnen) erreicht. In der Tat geben die Konsumenten, wenn wir mit der ersten Stufe unseres Beispiels beginnen, 100 Geldeinheiten für Konsumgüter aus. Dieses Geld geht in das Eigentum der Kapitalisten, welche die Konsumgüterindustrien besitzen, über. Ein Jahr zuvor hatten diese Kapitalisten von ihren Ersparnissen 80 GE vorgeschossen, welche mit den Leistungen des Anlagekapitalgüter und Umlaufskapitalgütern korrespondieren, die von anderen Kapitalisten in der zweiten Stufe der Produktiosnprozesses erzeugt wurden. Die ersten Kapitalisten zahlen also 10 GE an die Eigentümer der ursprünglichen Produktionsmitteln (Arbeit und natürliche Ressourcen), welche sie direkt in der letzten Stufe zur Produktion der Konsumtür anheuern (diese Zahlung an die Eigentümer der ursprünglichen Produktionsfaktoren haben wir in unserer Graphik durch den vertikalen Pfeil repräsentiert, welche rechts auf der letzten Stufe 28
Das Kapitalinventar legt nun gewissermaßen einen Querschnitt durch die ungleich langen und nicht gleichzeitig begonnenen Produktionsbahnen und kreuzt sie dabei natürlich in den verschiedensten Stadien – analog wie eine Volkszählung einen Querschnitt durch die Lebensbahnen legt und die einzelnen Volksglieder in den verschiedensten Altersstufen antrifft und fixiert. Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins, Bd. 2: Positive Theorie des Kapitals, S. 141.
[100 GE] beginnt und sich bis zur oben rechts befindenden und 10 GE enthaltenden Box ausdehnt). Da die Kapitalisten der Konsumgüterstufe 80 GE an die Eigentümer der Kapitalgüter der zweiten Stufe und 10 Geldeinheiten an die Arbeiter und Eigentümer natürlicher Ressourcen (eine Summe von 90 GE) vorgeschossen haben, erzielen diese Kapitalisten am Ende des Jahres, wenn sie die Konsumgüter für 100 Einheiten verkaufen, einen Buchgewinn bzw. einen Zinsgewinn aus dem Vorschuß der 90 GE, d.h. aus den Ersparnissen des Jahres. Die Differenz zwischen der gesamten von ihnen vorgeschossenen Summe (den 90 GE, welche sie konsumiert hätten können, jedoch gespart und investiert haben) und dem Betrag, den sie am Ende des Jahres erhalten (100 GE), ist gleich einem Zinssatz von ungefähr 11 Prozent pro Jahr (10:90 = 0,11). Aus buchhalterischer Sicht erscheint diese Summe in der Gewinn- und Verlustrechnung, welche die unternehmerischen Aktivität der Kapitalisten der Konsumgüterstufe reflektiert, als Gewinn (dies wird im Graphen V-1 durch die Box in der unteren rechten Ecke repräsentiert). Wir können nun die gleichen Überlegungen für die restlichen Stufen anstellen. Mithin schossen beispielsweise die Kapitalisten,welche die Zwischenprodukte der dritten Stufe besitzen, zu Beginn der Periode 40 GE als Bezahlung für in der vierten Stufe produzierte Kapitalgüter als auch 14 GE an die Eigentümer der ursprünglichen Produktionsmittel (Arbeit und natürliche Ressourcen) vor. Im Tausch für die 54 vorgeschossenen GE werden die Kapitalisten zum Eigentümer des Produktes, welches sie, sobald es fertig ist, an die Kapitalisten der zweiten Stufe für 60 GE verkaufen, was ihnen die Differenz von sechs GE einbringt. Diese Differenz stellt den Buchgewinn bzw. Zins dar und beträgt ebenfalls ungefähr 11 Prozent. Dieses Muster wiederholt sich in jeder Stufe. Der obere Teil der Graphik zeigt die Beträge, welche die Kapitalisten jeder Stufe den ursprünglichen Produktionsmitteln (Arbeiter und Eigentümer der natürlichen Ressourcen) vorschießen und welcher sich zu einer Summe von 70 GE (18+16+14+12+10=70) addiert. In der Spalte auf der rechten Seite zeigen wir die Geldsummen an, welche in jeder Stufe als Buchgewinne anfallen. Diese Gewinne reflektieren die buchhalterische Differenz zwischen den GE, welche die Kapitalisten in jeder Stufe vorschießen und die sie für den Verkauf ihres Produktes an die folgende Stufe erhalten. Wie wir wissen stimmt dieser Buchgewinn tendenziell mit dem Zins überein, welcher sich aus dem Betrag ableitet, den die Kapitalisten in jeder Stufe sparen und an die Kapitalisten früherer Stufen und an die Eigentümer der ursprünglichen Produktionsmittel vorschießen. Die Summe der buchhalterischen Differenzen
zwischen Einnahmen und Ausgaben aller Stufen addiert sich zu 30 GE. Die 30 GE ergeben zusammen mit den 70 GE, welche die ursprünglichen Produktionsmittel erhalten, 100 GE an Nettoeinkommen, was genau mit der Summe überstimmt, die für die Konsumgüter während dieser Periode ausgegeben werden. WEITERE ÜBERLEGUNGEN Wir müssen nun einige wichtige ergänzende Betrachtungen hinsichtlich unserer Abbildung der Stufen im Produktionsprozesss diskutieren. 1. Die willkürliche Selektion der Zeitdauer jeder Stufe. Wir müssen zunächst festhalten, dass die Entscheidung jede Stufe ein Jahr dauern zu lassen, rein willkürlich war und jede andere Zeitdauer hätte gewählt werden können. Wir entschieden uns für ein Jahr, weil dies die gemeinhin genutzte Geschäfts- und Rechnungsperiode ist und mithin die vorgestellte illustrative Abbildung der Produktionsstufen leichter verständlich macht.
2. Die Vermeidung des fehlerhaften Konzepts der „durchschnittlichen Produktionsperiode“ Zweitens sollten wir verdeutlichen, dass die Fünfjahresdauer des Produktiosnprozesses in unserem Beispiel auch rein willkürlich ist. Moderne Produktionsprozesse sind, wie wir wissen, äußerst komplex und variieren beträchtlich hinsichtlich der Anzahl und Dauer der Stufen von einem Sektor oder Geschäftszweig zum anderen. In jedem Falle ist es unnötig und sinnlos, sich auf eine „durchschnittliche Produktionsperiode“ zu beziehen, denn a priori Schätzungen der Länge eines besonderen Produktionsprozesses hängen vom spezifischen Prozess selbst ab. Wir wissen, dass Kapitalgüter eigentlich die Zwischenstufen eines von einem Unternehmer initiierten Produktionsprozesses darstellen. Aus subjektiver Sicht besitzt ein Produktionsprozess immer einen Anfang; der spezifische Moment in dem der Handelnde zuerst ein bestimmtes Ziel, welches ihm erstrebenswert erscheint, wie auch eine gewisse Reihe von Zwischenstufen wahrnimmt, welche er sich im Voraus vorstellt und später versucht mit seinen Handlungen umzusetzen.
Unsere Analyse basiert mithin nicht auf der Idee einer „durchschnittlichen Produktionsperiode“ und ist daher auch immun gegen Kritiken dieses Konzepts.29 In der Tat haben alle Produktionsperioden einen spezifischen Ursprung, welcher nicht unbegrenzt in der Zeit zurückverfolgt werden kann. Stattdessen endet dieses Unterfangen an einem bestimmten Zeitpunkt, an dem ein bestimmter Unternehmer die Verfolgung eines Ziels aufnahm, welches die sich von ihm vorgestellte letzte Stufe in dem Prozess ausmachte. 30 Mithin beginnt die erste Produktionsstufe genau zu dem Moment, in dem der Unternehmer die letzte Stufe in diesem Prozess sich vorstellt (ein Konsumgut oder ein Kapitalgut). Bei der Identifizierung des Beginns der ersten Stufe ist es vollkommen irrelevant, ob der fragliche Produktionsprozess den Gebrauch von zuvor hergestellten Produktionsfaktoren oder Kapitalgütern impliziert, die jedoch niemand jemals sich als Teil eines solchen Prozesses vorgestellt hatte. Des Weiteren ist es unnötig, das Konzept der Reihe von Stufen im Produktionsprozess unbegrenzt in der Zeit zurückzuverfolgen, weil jedes Kapitalgut, welches im vorhinein produziert worden jedoch nichtsdestoweniger ohne spezifischen Grund ungenutzt geblieben ist, letztlich sozusagen eine „ursprüngliche“ Ressource wird. Dieses ungenutzt gebliebene Kapitalgut ist in diesem Sinne allen anderen natürlichen, einkommengenerierenden Produktivkräften ähnlich, zumal sie vom Handelnden einfach als ein weiterer Anfangsfaktor seines Handlungswegs angesehen werden.31 Kurzum sind alle Produktionsprozesse ausnahmslos vorausschauend. Sie haben einen identifizierbaren Anfang und eine voraussehbares Ende. Ihre Dauer variiert je nach spezifischen Prozess, ist jedoch weder unbegrenzt noch unbestimmt. Mithin ist die zurückblickende Berechnung von angenommenen, der Phantasie entsprungenen durchschnittlichen Produktionperioden bedeutungslos.
29
John B. Clark “The Genesis of Capital,” Yale Review 2 (November 1893): 302-15; und “Concerning the Nature of Capital: A Reply,” Quarterly Journal of Economics (May 1907). Frank H. Knight, “Capitalist Production, Time and the Rate of Return,” in Economic Essays in Honour of Gustav Cassel (Londong: George Allen and Unwin, 1933). 30 Ludwig von Mises very clearly states that The length of time expended in the past for the production of capital goods available today does not count at all. These capital goods are valued only with regard to their usefulness for future satisfaction. The “average period of production” is an empty concept. Mises, Human Action, S. 489. Rothbard bringt in seinem Werk Man, Economy, and State eine ähnliche Meinung zum Ausdruck, S. 412-13. 31 Des Weiteren stellt Rothbard klar, dass [l]and that has been irrigated by canals or altered through the chopping down of forests has become a present, permanent given. Because it is a present given, not worn out in the process of production, and not needing to be replaced, it becomes a land factor under our definition. (Hervorhebung im Original) Rothbard schließt, dass sobald einmal the permament are separated from the nonpermanent alterations, we see that the structure of production no longer stretches back infinitely in time, but comes to a close within a relatively brief span of time. (Man, Economy and State, S. 414; Kursivschritt hinzugefügt)
3. Anlage- und Umlaufskapitalgüter Eine dritte sachdienliche Beobachtung unseres Portraits der Produktionsstufen ist, dass es nicht nur Anlagekapitalgüter, sondern auch Umlaufskapitalgüter und langlebige Konsumgüter einschließt. Aus der vorausschauenden Sicht des Handelnden ist die Unterscheidung von Anlage- und Umlaufskapitalgütern irrelevant, weil sie zum großen Teil auf den physikalischen Eigenschaften der fraglichen Güter basiert und vor allem davon abhängt, ob man diese Güter als „vollendet“ ansieht oder nicht. In der Tat werden, wenn Anlagekapitalgüter im Produktionsprozess eingesetzt werden, diese als „vollendet“ angesehen, während man Umlaufskapitalgüter als halbfertig oder als „Zwischen“prozess der Produktion betrachtet. Jedoch sind nach der subjektivistischen Sicht des auf den Konsum gerichteten Produktionsprozesses sowohl Anlage- als auch Umlaufskapitalgüter die Zwischenstufen im Handlungsprozess, der erst mit den endgültigen Konsumgütern, welche die Wünsche der Konsumenten befriedigrn, abschließt. Mithin ist es aus ökonomischer Sicht sinnlos, zwischen den beiden zu unterscheiden. Das gleiche kann von „Vorräten“ oder vom Inventar von Zwischengütern, welche in jeder Produktionsstufe gelagert werden, gesagt werden. Diese Vorräte, welche als Teil der Umlaufskapitalgüter angesehen werden, machen einen der wichtigsten Komponenten des Werts jeder Stufe im Produktionsprozess aus. Weiterhin ist gezeigt worden, dass diese Vorräte mit der Entwicklung und Blüte der Volkswirtschaft immer wichtiger werden, weil sie es den verschiedenen Firmen ermöglichen, ihre immer latenten Risiken von unerwarteten Fehlmengen oder Engpässen, welche die Auslieferungsdauer verlängern, minimieren. Auf diese Weise ermöglichen es die Vorräte, den Kunden auf allen Stufen (nicht nur auf der Konsumstufen, sondern auch auf den Stufen der Zwischenprodukte) eine wachsende Vielfalt von Produkten zur Auswahl und direkten Kauf verfügbar zu halten. Daher ist eine Manifestation der Verlängerung von Produktionsprozesses genau dieser kontinuierliche Anstieg in den Vorräten oder Lagerbeständen von Zwischenprodukten.
4. Die Rolle der langlebigen Konsumgüter Viertens befriedigen Konsumgüter die menschlichen Bedürfnisse über eine sehr lange Zeit hinweg. Mithin sind sie gleichzeitig Teil verschiedener Stufen: der letzten Stufe des Konsums und verschiedener vorangehender Stufen, je nach ihrer Länge. In jedem Falle ist es für unsere Zwecke irrelevant, ob der Konsument eine bestimmte Anzahl von Jahren oder Stufen selbst warten muss, bevor er die letzten Leistungen nutzt, welche sein langlebiges Konsumgut
leisten kann. Erst wenn diese Leistungen direkt genutzt werden, erreichen wir die letzte Stufe im Graphen V-1, die Konsumstufe. Die Jahre, welche der Eigentümer darauf verwendet, sein langlebiges Konsumgut zu pflegen und zu erhalten, sodass es weiterhin die Konsumdienste für ihn in der Zukunft leisten kann, korrespondieren mit den Stufen, welche oberhalb des Konsums und immer weiter vom ihm entfernt stehen: die Stufen zwei, drei, vier, etc. 32 Mithin besteht eine der Manifestationen der Verlängerung der Produktionsprozesses und des Anstiegs der Anzahl der Stufen gerade in der Produktions einer größeren Zahl von langlebigen Konsumgüter von steigender Qualität und Lebenszeit.33 5. Der Tendenz zum Ausgleich des Buchgewinnrate bzw. des Zinssatzes in jeder Stufe. Der fünfte fundamentale Punkt, den wir unterstreichen müssen, ist der folgende: Im Markt existiert eine Tendenz (angetrieben durch die Kraft der unternehmerischen Funktion) zum Ausgleich der „Profitrate“ in allen wirtschaftlichen Aktivitäten. Dies geschieht nicht nur horizontal innerhalb jeder Produktionsstufe, sondern auch vertikal zwischen den Stufen. In der Tat führen Disparitäten bei den Gewinnen dazu, dass die Geschäftleute ihre Anstrengungen, Kreativität und Investitionen jenen Aktivitäten widemen, welche relativ höhere Gewinne generieren und sie werden aufhören, diese Dinge jenen Aktivitäten zu widmen, die geringere Gewinne abwerfen. Bezeichnenderweise ist im Beispiel von Graph V1 die buchhalterische Rendite bzw. die relative Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben in jeder Stufe die gleiche, d.h. ungefähr 11 Prozent pro Jahr. Falls die Situation änders wäre, 32
Wie F.A. Hayek es erklärt hat: In unserer schematischen Darstellung müßte dies so zum Ausdruck gebracht werden, daß die einzelnen Dienstleistungen, die ein solches dauerhaftes Produktionsmittel abzugeben vermag, in um so höhere Produktionsstufen eingereiht werden, je länger es noch bis zu ihrer tatsächlichen Verwendung dauert. Preise und Produktion, S. 38; Fußnote S. 2. In der deutschen Fassung, In dieser Hinsicht war die Gleichwertigkeit von langlebigen Konsumgütern und Kapitalgütern schon von Eugen von Böhm-Bawerk enthüllt worden, nach dem: “In Folge davon verfällt der Werth der entlegeneren Nutzleistungsraten demselben Schicksale, wie der Werth künftiger Güter.“ Kapital und Kapitalzins, Bd. 2: Positive Theorie des Kapitales, S. 413. Vgl. das Kapitel mit dem Titel „Der Zins aus ausdauernden Gütern“ auf den Seiten 410-426 der bereits zitierten Ausgabe von 1921. In Spanien zeigt José Castañeda Chornet, dass er vielleicht derjenige ist, der diese grundlegende Idee am besten verstanden hat, wenn er feststellt, dass langlebige Konsumgüter, welche einen Strom von Konsumleistungen über die Zeit hinweg erbringen, zum Anlagekapital einer Volkswirtschaft gezählt werden können. In engen Sinne konstituieren sie fixes Konsumkapital, nicht Produktivkapital. Mithin umfasst Kapital im weiteren Sinne Produktivbzw. echtes Kapital als auch Konsum- bzw. Gebrauchskapital. (Castañeda, Lecciones de teoría económica, S. 686) 33 Roger W. Garrison hat das zusätzliche Argument vorgebracht, dass alle Konsumgüter, für die ein Gebrauchtmarkt existiert, aus ökonomischer Sicht als Investitionsgüter klassifiziert werden sollten. In der Tat sind Konsumgüter, die als „langlebig“ klassifiziert werden, simultan Teil von aufeinander folgenden Stufen im Produktionsprozess, obgleich sich rechtlich den „Konsumenten“ gehören, weil die Konsumenten sich um sie kümmern, sie schützen und in ihrer Produktionskapazität aufrechterhalten, sodass sie direkte Nutzleistungen über eine Dauer von mehreren Jahren erbringen können. Roger Garrison „The Austrian-Neoclassical Relation: A Study in Monetary Dynamics,” Dissertation an der University of Virginia, 1981, S. 45. Für die Möglichkeit und Einfachheit der Präsentation von langlebigen Konsumgütern in unserem Graphen vgl. Garrison, Time and Money, S. 47-48.
d.h. falls in einer der Stufen die Rendite bzw. die Zinsen höher wären, würden Desinvestitionen statt finden und es würden Produktivkräfte von den Stufen mit geringerer Rendite abgezogen und in jene mit einer höheren Rendite gelenkt. Diese Ressourcenumlenkung in die empfangenden Stufen hält solange an, bis dort die stärkere Nachfrage nach Kapitalgütern und ursprünglichen Produktionsmitteln einen Kostenanstieg für diese Komponenten auslöst und zugleich der Produktionsanstieg in diesen Stufen dazu führt, dass die Preise ihrer Produkte tendenziell sinken, sodass die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben reduziert wird, was letztlich zu einer Profitrate führt, die mit der Rate der anderen Produktionsstufen identisch ist. Diese mikroökonomische Argumentation ist für das Verständnis der Veränderungen in der Zahl und der Länge der Produktionsstufen grundlegend. Wir werden diese Veränderungen später noch genauer untersuchen.
6. Brutto- und Nettoinvestition sowie Brutto- und Nettoersparnisse. Sechstens gibt es ein signifikantes Volumen an Bruttoersparnissen und Bruttoinvestition, obgleich im Beispiel von Graph V-1 die gesamten Nettoeinkommen der Eigentümer der ursprünglichen Produktionsmittel und der Kapitalisten in Form von Gewinnen bzw. Zinsen (100 GE) genau mit der Summe, die für Konsumgüter ausgeben wird, übereinstimmt, was bedeutet, dass die Nettoerparnisse gleich Null sind. In der Tat kann man die Bruttoersparnisse und die Bruttoinvestition in der Tabelle V-1 ablesen, welche für jede Stufe auf der linken Seite das Angebot an Gegenwartsgütern im Tausch für Zukünftsgüter anzeigt. Auf der rechten Seite finden wir die korrespondierende Nachfrage für Gegenwartsgüter, welche die Anbieter von Zukunftsgütern - hauptsächlich die Eigentümer von ursprünglichen Produktionsmitteln (Arbeit und natürliche Ressourcen) sowie die Kapitalisten früherer Stufen – ausüben. Wir können von der Tabelle ablesen, dass die Bruttoersparnisse bzw. das Gesamtangebot an Gegenwartsgütern 270 GE beträgt. Diese gesamten Bruttoersparnisse, welche in der Volkswirtschaft stattfinden sind 2,7 Mal größer als der Betrag, der während des Jahres für Konsumgüter ausgegeben wird. Diese Bruttoersparnisse sind identisch mit den Bruttoinvestitionen des Finanzjahrs, welche in der Form von Ausgaben der Kapitalisten für natürliche Ressourcen, Arbeit und Kapitalgüter aus früheren Stufen des Produktionsprozesses unternommen werden.34 34
Ähnliche Tabellen mit dem gleichen Zweck wurden von Böhm-Bawerk angelegt (Kapital und Kapitalzins, Bd. 2, S. 108-09, in dem er 1889 (S. 144-45 der 1921er Auflage) zuerst für jede Produktionsstufe den Wert in „Arbeitsjahren“ des Produkts der jeweiligen Stufe auswies.) Später, im Jahr 1929, vollführte F.A. von Hayek die gleiche Aufgabe in seinem Artikel „Gibt es einen ´Widersinn des Sparens´?“ (Zeitschrift für Nationalökonomie, Bd. 1, Heft 3, 1929) mit größerer Präzision. Wie Hayek selbst zugibt war es gerade der
6 Weitere Betrachtungen zur Konjunkturtheorie Dieses Kapitel präsentiert einige weitergehende Betrachtungen zur Klarstellung verschiedener Aspekte der Zirkulationskredittheorie der Konjunktur. Diese Überlegungen sollen unsere Analyse so weit als möglich erweitern und Licht auf verschiedene periphere Punkte von großem theoretischen und praktischen Interesse werfen. Der letzte Teil des Kapitels widmet sich der Besprechung des empirischen Beweismaterials, welches die in den vorangehenden Kapiteln vorgetragene Theorie veranschaulicht und unterstützt.
1 WARUM KEINE KRISE AUSBRICHT, WENN DIE NEUEN INVESTITIONEN DURCH REALE ERSPARNISSE FINANZIERT SIND (UND NICHT DURCH EINE KREDITAUSWEITUNG
Wenn die Verlängerung der Stufen der Produktionsstruktur aus einem vorangehenden Anstieg der freiwilligen Ersparnisse resultiert und nicht aus der Kreditausweitung, welche Banken ohne die Deckung durch Anstieg der realen Ersparnisse erzeugen, dann kommt es nicht zur Wirtschaftskrise und anschließender Rezession. Wenn ein anhaltender Anstieg der freiwilligen Ersparnisse diesen Prozess auslöst, verhindert in der Tat dieses Sparen alle sechs mikroökonomischen Phänomene, welche spontan als Reaktion auf die Kreditausweitung entstehen und den künstlichen Aufschwung umkehren, den die Kreditausweitung zunächst schafft. Tatsächlich kommt es in einem solchen Falle nicht zu einem Preisanstieg bei den ursprünglichen Produktionsmitteln. Im Gegenteil ergibt sich, wenn die Darlehen aus einem Anschwellen der realen Ersparnisse stammen, ein relativer Rückgang des unmittelbaren Konsums. Somit setzt dieses Sparen unweigerlich ein großes Volumen an Produktivkräften im Markt der ursprünglichen Produktionsmittel frei. Diese Ressourcen werden für den
Gebrauch in den konsumfernsten Stufen verfügbar und es besteht kein Grund, für sie höhere Preise zu zahlen. Im Falle der Kreditausweitung sahen wir, dass die Preise gerade darum steigen, weil eine solche Ausweitung nicht in einem vorherigen Sparanstieg begründet ist. Daher werden die ursprünglichen Produktivkräfte nicht in den konsumnächsten Stufen freigesetzt. Das einzige Mittel, mit dem Unternehmer aus den konsumfernsten Stufen diese Ressourcen erhalten konnten, war, für sie relative höhere Preise anzubieten. Weiterhin gibt es, wenn die Verlängerung der Produktionsstruktur auf ein Wachstum der freiwilligen Ersparnisse zurückzuführen ist, keinen überproportionalen Anstieg der Konsumgüterpreise im Vergleich zum Anstieg der Preise der Produktionsfaktoren. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Zunächst gibt es tendenziell einen bedeutsamen Rückgang in den Preisen dieser Güter. In der Tat impliziert ein Sparanstieg immer einen gewissen kurzfristigen Konsumrückgang. Mithin wird es keinen relativen Anstieg der Buchgewinne in den konsumnächsten Industrien geben. Auch kommt es nicht zu einem Gewinnrückgang, oder gar zu einem Verlust in den konsumfernsten Stufen. Daher wird sich der Prozess nicht umkehren und es gibt nichts, was eine Krise verursachen würde. Außerdem spielt, wie wir in Kapitel 5 sahen, der „Ricardoeffekt“ eine Rolle, da es für die Unternehmer vorteilhaft wird, Arbeit durch Kapitalausrüstung zu ersetzen. Dies ist auf den dem relativen Rückgang der Konsumgüterpreise
folgenden
Reallohnanstieg
zurückzuführen.
Der
Konsumgüterpreisrückgang ist seinerseits durch den Sparanstieg bedingt. Zudem klettern die Marktzinssätze nicht. Im Gegenteil, sie tendieren dazu, dauerhaft zu sinken, wobei sie die neue gesellschaftliche Zeitpräferenzrate reflektieren, welche nun angesichts des angestiegenen Sparinteresses noch niedriger ist. Falls eine Komponente in den Marktzinssatz eingefügt werden muss, um für eine Veränderung der Kaufkraft des Geldes zu kompensieren, wenn die freiwillige Ersparnisse anschwillen, kommt noch hinzu, dass diese Komponente negativ sein wird. Dies ist dadurch bedingt, dass – wie wir gesehen haben – eine Tendenz besteht, dass die Konsumgüterpreise fallen (kurzfristig und langfristig), was tendenziell die Kaufkraft des
Geldes erhöht. Diese Vorgang wird einen weiteren Abwärtsdruck auf die Nominalzinssätze auslösen. Weiterhin ist das Wirtschaftswachstum basierend auf freiwilligen Ersparnissen gesund und nachhaltig und damit tendieren auch die unternehmerische Komponente sowie die Risikokomponente zu fallen. Die obigen Betrachtungen bekräftigen, dass die Rezession immer aus dem Fehlen von freiwilligen Ersparnissen entspringt, welche notwendig ist, um die Produktionsstruktur zu unterhalten. Die Produktionsstruktur erweist sich damit als zu kapitalintensiv. Die Rezession wird durch die Kreditausweitung ausgelöst, welche das Bankensystem ohne die entprechende Unterstützung der Wirtschaftssubjekte unternimmt. Denn diese wünschen in der Regel nicht, ihre freiwilligen Ersparnisse zu vergrößern. Vielleicht haben Moss und Vaughn am präzisesten den Schluß der gesamten theoretischen Analyse dieses Prozesses formuliert:
Any real growth in the capital stock takes time and requires voluntary net savings. There is no way for the expansion of the money supply in the form of bank credit to short-circuit the process of economic growth1.
2 DIE MÖGLICHKEIT DEN AUSBRUCH DER KRISE ZU VERSCHIEBEN: DIE THEORETISCHE ERKLÄRUNG DES STAGFLATIONSPROZESSES Der Beginn der Wirtschaftskrise kann hinausgezögert werden, wenn die zusätzlichen nicht durch reale Ersparnisse gedeckten Darlehen in einer immer höheren Rate gewährt werden; d.h.
wenn
die
Kreditausweitung
eine
Geschwindigkeit
erreicht,
welche
die
Wirtschaftssubjekte nicht vollständig antizipieren können. Dieses Vorgehen besteht in der Administration von zusätzlichen Dosen von Bankkrediten an die Unternehmen, welche neue Investitionsprojekte gestartet und die Stufen des Produktionsprozesses verbreitert und 1
???391?.
Moss und Vaughn, “Hayek´s Riccardo Effect: A Second Look,” S. 555. Vgl. zudem Fußnote 91 auf S.
verlängert haben. Diese neuen Kredite können die sechs Phänomene aufschieben, die wir in Kapitel 5 erklärt haben und die immer darauf abzielen, die anfänglichen Wirkungen der Kreditausweitung auf den Markt spontan umzukehren. Obzwar diese Prozedur die Depression aufschieben kann, und dies sogar für eine relative lange Zeit2, ist indes diese Strategie zum Scheitern verurteilt und beinhaltet gewaltige Zusatzkosten: Wenn die Rezession einmal ausbricht, wird sie viel tiefgreifender, schmerzhafter und auch viel länger sein 3. Der Erfolg dieser Aufschubstrategie der Krise mittels zusätzlichen Darlehen ist abhängig von kontinuierlich anwachsenden Kreditausweitungsraten. Hayek enthüllte dieses Prinzip schon 1934 als er schrieb: „[I]n order to bring about constant additions to capital, [credit] would have to . . . increase at a constantly increasing rate.”4 Die Notwendigkeit dieser immer weiter steigenden Kreditausweitungsrate beruht auf der Tatsache, dass diese Rate jederzeit die Rate des Konsumgüterpreisanstiegs übertreffen muss. Dieser Konsumgüterpreisanstieg resultiert aus der höheren monetären Nachfrage nach diesen Gütern, welcher auf den Anstieg in den Nominaleinkommen der ursprünglichen Produktionsfaktoren folgt. Daher muss sich diese
2
Hayek selbst gab in seinem Kommentar zum Ausbruch der Wirtschaftskrise am Ende der 1970er Jahre
zu: [m]y expectation was that the inflationary boom would last five or six years, as the historical ones had done, forgetting that then their termination was due to the gold standard. If you had no gold standard – if you could continue inflating much longer – it was very difficult to predict how long it would last. Of course, if has lasted very much longer than I expected. The end result was the same. Hayek bezieht sich dabei auf den inflationären Prozess, der sich in den 1960er und 1970er Jahren in der Welt ausbreitete und durch die historischen Umstände wie den Vietnamkrieg und andere Ereignisse belebt wurde, die eine beinahe unbegrenzte weltweite Kreditweitung förderten. Dabei wurde ein Prozess ausgelöst, der später zu einer schweren Stagflation und hoher Arbeitlosigkeit zum Ende der 1970er und Beginn der 1980er Jahre führte. Vgl. Hayek on Hayek: An Autobiographical Dialogue, Stephen Kresge und Leif Wenar, Hrsg. (London: Routledge, 1994), S. 145. 3 Murray Rothbard schätzt die Möglichkeit eines Aufschubs des Depressionsausbruchs mit den folgenden Worten ein: Why do booms, historically, continue for several years? What delays the reversion processs? The answer is that as the boom begins to peter out from an injection of credit expansion, the banks inject a further dose. In short, the only way to avert the onset of the depression-adjustment process is to continue inflating money and credit. For only continual doses of new money on the credit market will keep the boom going and the new stages profitable. Furthermore, only ever increasing doses can step up the boom, can lower interest rates further, and expand the production structure, for as the prices rise, more and more money will be needed to perform the same amount to work. . . . But it is clear that prolonging the boom by ever larger doses of credit expansion will have only one result: to make the inevitable ensuing depression longer and more grueling. (Rothbard, Man, Economy, and State, S. 86162) 4 Hayek, Prices and Production, S. 150. [Stelle nur in der englischen Fassung. Anmerkung des Übersetzers]
Ausweitung in Anbetracht der großen Menge an neuen Einkommen der Eigentümer ursprünglicher Produktionsmittel, welcher direkt aus der Kreditausweitung entspringt, progressiv intensivieren, so dass die Preise der Produktionsfaktoren immer den Konsumgüterpreisen voraus eilen. In dem Moment, in dem dies nicht mehr der Fall ist, setzen spontan die sechs mikroökonomischen Prozesse ein, welche die der Produktionsstruktur zugefügten Veränderungen umkehren, und sie verkürzen und abflachen. Die Krise und die wirtschaftlichen Rezession schlagen unwiderruflich zu. In jedem Falle muss die Kreditausweitung sich in einem Maße beschleunigen, welches es nicht den Wirtschaftssubjekten erlaubt, diese adäquat vorauszusehen. Denn wenn die Wirtschaftssubjekte beginnen, die Zuwachsraten korrekt zu antizipieren, werden die uns bekannten sechs Phänomene angestoßen. In der Tat werden die Konsumgüter bald beginnen noch
schneller
zu
steigen
als
die
Preise
der
Produktionsfaktoren,
wenn
die
Inflationserwartungen um sich greifen. Des Weiteren werden die Marktzinssätze, schon während sich die Kreditausweitung weiter intensiviert, emporschnellen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Inflations- und Wachstumserwartungen in den Zinssätzen sich unmittelbar in ihren Marktwerten reflektieren. Deshalb kann die Strategie der gesteigerten Kreditausweitung zum Krisenaufschub nicht unbegrenzt verfolgt werden. Früher oder später wird die Krise von einem der folgenden drei Faktoren ausgelöst werden, welche auch die Rezession einleiten: (a) Die Zuwachsrate der Kreditausweitung verlangsamt sich oder stoppt auf Grund der Angst der Bankiers und der Wirtschaftsbehörden, dass eine Krise ausbrechen wird und dass die folgende Depression noch heftiger ausfallen könnte, wenn die Inflation weiter anwächst. In dem Moment, in dem die Kreditausweitung nicht mehr mit einer ansteigenden Rate wächst, mit einer gleichmäßigen Rate ansteigt, oder ganz anhält, setzen die sechs mikroökonomischen Prozesse ein, welche zur Krise und Wiederanpassung der Produktionsstruktur führen.
(b) Die Kreditausweitung wird bei einer Zuwachsrate aufrechterhalten, welche trotz des Zuwachses nicht schnell genug beschleunigt, um die Umkehreffekte zu jeder Zeit zu verhindern. In diesem Fall entwickeln sich die sechs beschriebenen Effekte unweigerlich trotz des kontinuierlichen Geldmengenanstiegs. Daher schlagen die Krise
und
wirtschaftliche
Rezession
zu.
Zur
großen
Überraschung
der
Keynesianischen Theoretiker hat die westliche Welt bereits derartige Umstände erlebt. Sie tat dies sowohl in der inflationären Depression der späten 1970er Jahre als auch in geringerem Maße in der Wirtschaftsrezession der frühen 1990er. Der deskriptive Begriff, der sich auf solche Prozesse bezieht ist die Stagflation5. Hayek legte dar, dass die
ansteigende
Geschwindigkeit
mit
der
die
Nominaleinkommen
der
Produktionsfaktoren wachsen die Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen antreibt. Dies begrenzt letztlich die Möglichkeit, den unvermeidlichen Ausbruch der Krise mittels einer anschließenden Beschleuningung der Kreditausweitung zu verschieben. In der Tat wird früher oder später der Punkt erreicht sein, an dem das Konsumgüterpreiswachstum tatsächlich beginnt, den Anstieg der Nominaleinkommen der ursprünglichen Faktoren zu überflügeln; wenngleich diese Überflügelung nur durch das Auftreten einer Verlangsamung der Konsumgüter und Leistungen im Markt bedingt sein kann. Diese Verlangsamung ist das Ergebnis von Engpässen, die durch den Versuch entstehen, die gesellschaftliche Produktionsstruktur kapitalintensiver zu gestalten. An diesem Punkt werden die von den Produktionsfaktoren generierten
5
Markt Skousen weist mit Recht darauf hin, dass relativ gesehen die Stagflation ein universelles Phänomen ist, in Anbetracht der Tatsache, dass in allen Rezessionen die Konsumgüterpreise relativ stärker ansteigen (oder weniger stark fallen) als die Preise der Produktionsfaktoren. Das verbreitete Wachstum der nominalen Konsumgüterpreise während einer Rezessionsphase fand zuerst in der Depression der 1970er Jahre und später in der Rezession der 1990er statt. Es läßt sich darauf zurückführen, dass die Kreditausweitung, welche beide Prozesse nährte groß genug war, in den verschiedenen Phasen des Zyklus Inflationserwartungen im Markt der Konsumgüter und Dienstleistungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Dies gelang sogar in den tiefsten Phasen der Depression (zu den Inflationserwartungen kamen noch die typischen jüngsten Phänomene des unerbittlichen Wachstums der öffentlichen Ausgaben und Defizite, und der massiven Sozialtransferleistungen, welche direkt das Nachfragewachstum für Konsumgüter und Leistungen und damit ihre Preise unterstützen). Vgl. Skousen, The Structure of Production, S. 313-15.
Einkommen, vor allem die Löhne, beginnen relativ zu sinken. Deshalb werden es die Unternehmer vorteilhaft finden, Maschinen durch nun relativ billigere Arbeit zu ersetzen. Der „Ricardoeffekt“ setzt ein und behindert die Investitionsprojekte in kapitalintensive Güter. Somit wird der Ausbruch der Rezession sicher gestellt6. (c) Schließlich wollen wir annehmen, dass das Bankensystem zu keiner Zeit die Rate, mit der es die Kreditausweitung beschleunigt, reduziert sondern genau das Gegenteil tut: es intensiviert kontinuierlich und progressiv diese Rate mit dem Ziel jegliches Anzeichen einer anbrechenden Depression zu unterdrücken. In diesem Falle setzt in dem Moment, in dem die Wirtschaftssubjekte beginnen zu realisieren, dass die Inflationsrate sicher weiter steigen wird, eine allgemeine Flucht in Sachwerte ein. Zugleich springen die Preise von Gütern und Leistungen in astronomische Höhen und schließlich bricht das Geldsystem zusammen. Der Zusammenbruch des Geldsystems
6
Hayek zeigt die folgende Analogie auf, um diese Phänomen zu erklären: The question is rather similar to that whether, by pouring a liquid fast enough into one side of a vessel, we can raise the level at that side above that of the rest to any extent we desire. How far we shall be able to raise the level of one part above that of the rest will clearly depend on how fluid or viscid the liquid is; we shall be able to raise it more if the liquid is syrup or glue than if it is water. But in no case shall we be at liberty to raise the surface in one part of the vessel above the rest to any extent we like. Just as the viscosity of the liquid determines the extent to which any part of its surface can be raised above the rest, so the speed at which an increase of incomes leads to an increase in the demand for consumers’ goods limits the extent to which, by spending more money on the factors of productions, we can raise their prices relative to those of the products. (Hayek, “The Ricardo Effect,” S. 127-52; Individialism and Economic Order, S. 241) Im Jahr 1969 benutze Hayek diese Analogie erneut in seinem Artikel „Three Elucidations of the Ricardo Effect“, in dem er wiederholt, dass die verzerrenden Wirkungen der Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur so lange weitergehen müssen, wie die Banken neues Geld schaffen und dieses Geld das Wirtschaftssystem an gewissen Punkten in einer progressiv ansteigenden Rate erreicht. Hayek kritisiert Hicks für die Annahme, dass ein inflationärer Schock die gesamte Produktionsstruktur gleichförmig beeinflusst und zeigt, dass bei einer Kreditausweitung, welche sich in einer den Preisanstieg übertreffenden Rate erhöht, dieser Prozess „can evidently go on indefinitely, at least as long as we neglect change in the manner in which expectations concerning future prices are formed.“ Er kommt zum folgenden Schluß: I find it useful to illustrate the general relationship by an analogy which seems worth staing here, though Sir John [Hicks] (in cprrespondence) did not find it helpful. The effect we are discussing is rather similar to that which appears when we pour a viscous liquid, such as noey, into a vessel. There will, of course, be a tendency for it to spread to an even surface. But if the stream hits the surface at one point, a little mound will form there from which the additional matter will slowly spread outward. Even after we have stopped pouring in more, it will take some time until the even surface will be fully restored. It will, of course, not reach the height which the top of the mound had reached when the inflow stopped. But as long as we pour at a constant rate the mound will preserve its height relative to the surrounding pool – providing a very literal illustration of what I called before a fluid equilibrium. (Hayek, New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas, S. 171-73) Vgl. besonders Garrison, Time and Money, Kapitel 1-4 für die wichtige Rolle der Erwartungen in diesem gesamten Prozess.
ergibt sich, wenn der Prozess der Hyperinflation die Kaufkraft der Geldeinheit zerstört und die Wirtschaftssubjekte spontan beginnen andere Geldarten zu nutzen. Zu diesem Zeitpunkt treten die sechs mikroökonomischen uns bekannten Umkehreffeke mit ihrer vollen Intensität in Erscheinung. Zudem kommt es zu einer heftigen Depression, welche
zusätzlich
zur
schmerzhaften
Anpassung
des
völlig
verzerrten
Produktivsystem nun auch noch die enormen Kosten und sozialen Schaden hinzufügt, welche der totale Zusammenbruch des Geldsystems mit sich bringt7.
3 KONSUMENTENKREDIT UND DIE KONJUNKTURTHEORIE
Wir sind nun in der Lage, die Modifikationen – die, falls überhaupt, bei unserer Analyse gemacht werden müssen - für den Fall vorzunehmen, dass wie in modernen Volkswirtschaften üblich ein signifikanter Anteil der Kreditausweitung, welche die Banken ohne die Unterstützung freiwilligen Sparens zu Stande bringen, in der Form von Konsumentenkrediten erfolgt. Diese Analyse ist von großer theoretischer und praktischer Bedeutung. Denn es ist bisweilen argumentiert worden, dass in dem Maße, in dem die
7
Ludwig von Mises untersucht diesen Prozess in seiner Analyse der Hyperinflation, welche Deutschland von 1920 bis 1923 heimsuchte. Mises schließt: Wollten die Banken dann noch immer das Rennen nicht aufgeben, wollten sie noch immer fortfahren, die ins Ungemessene anschwellenden Kreditwünsche durch Zirkulationskredit zu befriedigen, um den Leihsatz zu drücken, dann würden sie das Ende, den Zusammenbruch des gesamten Umlaufsmittelssystems, nur beschleunigen. Die Inflation kann nur solange fortgehen, als die Meinung besteht, daß sie doch einmal aufhören werde. Hat aber die Bevölkerung die Überzeugung gewonnen, daß die Inflation nicht mehr zum Stillstand kommen wird, dann wendet sie sich von dem Gebrauche dieses Geldes ab, flüchtet zu den „Sachwerten“, zum ausländischen Geld, zum Edelmetall und zum Tauschhandel. (Mises, „Geldtheorie und Konjunkturpolitik,“ S. 129) Später in Human Action schreibt Mises: The boom can last only as long as the credit expansion progresses at an ever-accelerated pace. The boom comes to an end as soon as additional quantities of fiduciary media are no longer thrown upon the loan market. But it could not last forever even if inflation and credit expansion were to go on endlessly. It would then encounter the barriers which prevent the boundless expansion of circulation credit. It would lead to the crack-up boom and breakdown of the whole monetary system. (S. 555) Die klassische Untersuchung von Deutschlands Hyperinflation ist die von Bresciani-Turroni in seinem The Economics of Inflation: A Study of Currency Depreciation in Post-War Germany. Vgl zudem Richard M. Ebeling, „The Great Austrian Inflation,“ The Freeman (April 2006): 2-3.
Kreditausweitung zunächst auf den Konsum und nicht auf die Investitionen wirkt, die ökonomischen Effekte, welche eine Rezession auslösen, nicht notwendigerweise auftreten. Nichtsdestoweniger ist diese Meinung aus den in diesem Abschnitt erklärten Gründen falsch. Zunächst
ist
es
notwendig
klarzustellen,
dass
die
Banken
den
Großteil
der
Konsumentenkredite an Haushalte für den Kauf langlebiger Konsumgüter vergeben. Wir haben bereits festgestellt, dass langlebige Konsumgüter in Wirklichkeit Kapitalgüter sind, welche ihre direkten Konsumleistungen über einen sehr langen Zeitraum gewähren. Deshalb ist aus ökonomischer Sicht die Darlehensgewährung zur Finanzierung von langlebigen Konsumgütern
ununterscheidbar
von
der
direkten
Darlehensgewährung
an
die
kapitalintensivesten und konsumfernsten Stufen. In der Tat wird eine Erleichterung der Kreditbedingungen und ein Rückgang der Zinssätze, neben anderen Effekten, für einen Anstieg in der Quantität, Qualität und Laufzeit der sogeannten „langlebigen Konsumgüter“ sorgen. Diese werden simultan eine Verbreiterung und Verlängerung der involvierten Produktionsstufen erfordern; besonders der konsumfernsten Stufen. Mithin müssen wir nur unsere Konjunkturtheorie anpassen, wenn ein bedeutender Anteil der Kreditausweitung entgegen der gängigen Praxis nicht zur Finanzierung von langlebigen Konsumgütern, sondern dem gegenwärtigen Konsum in jedem Finanzjahr gewidmet wird. Dieser gegenwärtige Konsum geschieht in Form von Gütern und Leistungen, welche direkt menschliche Bedürfnisse befriedigen und sich während der jeweiligen Periode erschöpfen. Große Modifikationen sind auch in diesem Falle nicht notwendig, da einer der folgenden Tatbestände gilt: entweder befriedigt die Kreditausweitung eine mehr oder weniger konstante Nachfrage zur Finanzierung des existierenden direkten Konsums in der Volkswirtschaft, und gegeben dass die Kreditmärkte wie „kommunizierende Röhren“ sind, setzt diese Ausweitung Kapazitäten frei, um Darlehen für die konsumfernsten Stufen zu gewähren und so die typischen uns bekannten Prozesse der Expansion und Rezessions zu initiieren; oder diese Darlehen üben ihren Einfluss auf denen gegenwärtigen Konsum aus, ohne dass zusätzliche
Kapazitäten frei werden, um Darlehen an Industrien in den konsumfernsten Stufen zu gewähren.
Nur im zweiten Falle, welcher für die Praxis unbedeutend ist, gibt es eine direkte Wirkung auf die monetäre Nachfrage von Konsumgütern und Leistungen. In der Tat schiebt das neue Geld unmittelbar die Konsumgüterpreise an und vermindert relativ gesehen die Preise der Produktionsfaktoren. Der „Ricardoeffekt“ setzt ein und die Unternehmer beginnen relativ mehr Arbeit anzustellen und damit Maschinen zu ersetzen. Mithin etabliert sich ein Trend der Abflachung der Produktionsstruktu,r ohne dass es vorher zu einem expansionären Aufschwung in den konsumfernsten Stufen gekommen wäre. Daher ist die einzige Modifizierung, die in unserer Analyse gemacht werden muss, die folgende: Wenn der Konsum direkt durch die Kreditausweitung angestoßen wird, ist die existierende konsumfernste Produktivstruktur relativ gesehen nicht mehr profitable. So entsteht ein Trend zur Liquidation dieser Stufen und einer allgemeinen Abflachung der Produktionsstruktur. Dies stellt einen wirtschaftlichen Verarmungsprozess dar, der sich zunächst in einer Blase manifestiert. Dieser Prozess ist nicht nur auf die ansteigende Konsumnachfrage zurückzuführen,
sondern
auch
darauf,
dass
viele
Unternehmer
versuchen,
die
Investitionsprojekte zu beenden, welchen sie sich schon verschrieben haben. Dieser Prozess ist genau umgekehrt zu dem, den wir zu Beginn von Kapitel 5 untersucht haben, als wir die vorteilhaften Effekte eines Anstiegs der freiwilligen Ersparnisse (oder eines Rückgang des unmittelbaren Konsums von Gütern und Leistungen) auf die wirtschaftlichen Entwicklung studierten8. 8
Vielleicht hat Fritz Machlup am klarsten und präzisesten dieses Phänomen erklärt. Er schreibt: Die Ansicht, daß bei inflationistischer Finanzierung der Verbrauchsgütererzeugung keine Inflation eintreten muß, erweist sich auf Grund folgender Überlegung als unrichtig. Entweder die Konsumgüterindustrie wäre auch ohne Ausdehnung des Bankkredits als Kreditwerber am Geld- oder Kapitalmarkt aufgetreten, dann ist es klar, daß die Befriedigung ihrer Kreditnachfrage durch die zusätzlichen Kredite eine Entlastung des übrigen Kreditmarktes bedeuten muß und daß dort nun eine Produktionsmittelindustrie, die sonst keinen Kredit erlangt hätte, die Mittel zu ihrer Expansion erhalten kann . . . Oder die Konsumgüterindustrie hätte sich ohne die zusätzlichen Mittel nicht zur Ausdehnung
In jedem Falle verursacht die Kreditausweitung immer die gleichen ausgedehnten Fehlinvestitionen in der Produktionsstruktur, sei es durch eine künstliche Verlängerung der bestehenden Struktur (wenn die Ausweitung durch die Finanzierung von langlebigen Konsumgütern direkt die Kapitalgüterstufen berührt) oder durch ihre Verkürzung (wenn die Kreditausweitung direkt nicht langlebige Konsumgüter finanziert) 9.
4 DAS SELBSTZERSTÖRENDE WESEN DES DURCH DIE KREDITAUSWEITUNG ERZEUGTEN
KÜNSTLICHEN
AUFSCHWUNGS:
DIE
THEORIE
DES
„ZWANGSSPARENS“
Im weiteren Sinne des Begriffs kommt es zu „Zwangssparen“ immer wenn es einen Anstieg der umlaufenden Geldmenge oder eine Ausweitung des an einem bestimmten Punkt in das
ihrer Erzeugung veranlaßt gesehen, dann ist es klar, daß ihr Auftreten auf dem Produktionsmittelmarkt, auf welchem sie nun gegenüber den anderen Industrien relativ gestärkt ist, zu einer Veränderung in der Verteilung der Produktivkräfte, zu einer Verschiebung von den konsumferneren zu den konsumnäheren Stufen führen muß. (Machlup, Börsenkredit, Industriekredit und Kapitalbildung, S. 128) In Preise und Produktion (S. 60-62 der Auflage von 1931) benutzt Hayek sein Dreiecksdiagramm, um zu erklären, wie die Produktionsstruktur unvermeidbar flacher und weniger kapitalintensiv, und damit auch weniger produktiv und ärmer wird, wenn der Konsum direkt durch der Vergabe von Darlehen zur Finanzierung von nicht langlebigen Konsumgütern und Leistungen angeschoben wird. 9 In den 1970er Jahren veranlasste dieses Phänomen zusammen mit der Notwendigkeit eine vereinfachte Erklärung des Fehlinvestitionsprozesses anzubieten, ohne auf die komplizierte der Kapitaltheorie inhärenten Argumentation aufzubauen, F. A. Hayek dazu, die populäre Darstellung seiner Konjunkturtheorie leicht zu modifizieren. In seinem Artikel „Inflation, the Misdirection of Labor, and Unemployment,“ aus dem Jahre 1975 (und enthalten in dem Buch, New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas, S. 197209) schreibt er: [T]he explanation of extensive unemployment ascribes it to a discrepancy between the distribution of labour (and the other factors of production) between the different industries (and localities) and the distribution of demand among their products. This discrepancy is caused by a distortion of the system of relative prices and wages. (p.200) In einer vor kurzem erschienenen “Biographie” von Hayek sehen wir, dass er in seinen letzten Lebensjahren glaubte, dass moderne Zyklen durch sehr verschiedenen Formen von Fehlinvestitionen charakterisiert werden; nicht nur durch Kreditausweitung in den konsumfernsten Stufen, sondern auch durch eine künstliche Stimulation des Konsums und im Allgemeinen alle öffentlichen Ausgaben, welche in der Produktionsstruktur einen Wandel erzeugen, welcher letztlich nicht dauerhaft sein kann, weil das Konsumentenverhalten ihn nicht trägt. Hayek schließt: [S]o much of the credit expansion has gone to where government directed it that the misdirection may no longer be of an overinvestment in industrial capital but may take any number of forms. You must really study is separately for each particular phase and situation. . . . But you get very similar phenomena with all kinds of modifications. (Hayek, Hayek on Hayek: An Autobiographical Dialogue, S. 146)
Wirtschaftssystem injizierten Bankkredits (nicht gedeckt durch freiwillige Ersparnisse) gibt. Wenn das Geld oder die Kredite gleichmäßig unter allen Wirtschaftssubjekten verteilt würden, gäbe es keine „expansiven“ Effekte außer dem Rückgang der Kaufkraft der Geldeinheit in Proportion zum Anstieg der Geldmenge. Wenn das neue Geld jedoch den Markt an spezifischen Punkten erreicht, wie es immer geschieht, dann erhält in der Realität zunächst eine kleine Anzahl an Wirtschaftssubjekten die neuen Darlehen. Mithin erfreuen sich diese Wirtschaftssubjekte zeitweilig einer höheren Kaufkraft, da sie eine größere Anzahl an Geldeinheiten besitzen, mit denen sie Güter und Dienstleistungen zu Marktpreisen erwerben können, die nicht die volle Wirkung der Inflation erfahren haben und daher noch nicht gestiegen sind. Daher führt dieser Prozess zu einer Einkommensumverteilung zugunsten jener, die als erste die neuen Injektionen bzw. Dosierungen der Geldeinheiten erhalten, zu Lasten der übrigen Gesellschaft, die feststellt, dass bei gleichem Geldeinkommen die Preise von Gütern und Dienstleistungen beginnen zu steigen. Das „Zwangssparen“ betrifft diese zweite Gruppe von Wirtschaftssubjekten (die Mehrheit). Da ihr Geldeinkommen in langsameren Raten wächst als die Preise sind sie daher gezwungen ceteris paribus ihren Konsum zu verringern 10.
10
Folglich bezieht sich im weiteren Sinne das „Zwangssparen“ auf die erzwungene Enteignung einer Großteils der Gesellschaft durch die Banken und Notenbanken. Diese erzeugen eine diffuse Wirkung, wenn sie sich zur Ausweitung des Kredits und des Geldes entschließen, indem sie die Kaufkraft der Geldeinheiten im Besitz des Individuums in Vergleich zu dem Wert verringern, den diese Einheiten in Abwesenheit einer solchen Kredit- und Geldvermehrung gehabt hätten. Die Gelder aus dieser sozialen Brandschatzung können entweder gänzlich verprasst werden (wenn ihre Empfänger sie für Konsumgüter und Leistungen verausgaben oder sie in vollkommen verfehlten Investitionen versenken) oder sie können zu Geschäfts- oder anderen Vermögenswerten werden, welche entweder direkt oder indirekt de facto unter Kontrolle der Banken oder des Staates kommen. Der erste Spanier, welcher diesen inflationären Enteignungsprozess richtig analysierte war der Scholastiker Padre Juan de Mariana in seinem 1609 veröffentlichtem Werk De monetae mutatione. In ihm schreibt er: Aus dem Gesagten ergibt sich auch, daß der Fürst, wenn er nämlich Schutzherr über die Güter der Untertanen ist, nicht aber Verfügungsberechtigter, werde auf diese noch auf eine andere Weise einen Teil ihrer Güter nach seinem Belieben für sich beanspruchen kann. Genau das passiert, sooft die Münzen manipuliert werden: Es wird für Dinge mehr bezahlt, die weniger wert sind. Wenn aber der Fürst seinen Untertanen nicht gegen deren Willen Steuern auferlegen und auch keine Monopole auf Handelsgüter einführen darf, so wird er auch aus der Verfälschung der Münzen keinen neuen Gewinn machen dürfen. Denn diese Tricks laufen auf dasselbe hinaus: Die Geldbörsen des Volkes werden bestohlen, das Geld des Landes dient zu Füllung der Staatskasse. (Juan de Mariana, De Monetae Mutatione: (1609) = Über die Münzveränderung, Lateinisch-Deutsch, herausgegeben von Josef Falzberger [Heidelberg: Manutius Verlag: 1996], S. 35, Hervorhebung hinzugefügt.
Ob das Phänomen des Zwangssparens, welches durch die Injektion neuen Geldes an bestimmten Punkten der Wirtschaft provoziert wird, zu einem Nettoanstieg oder Nettorückgang des gesamten freiwilligen Sparens der Gesellschaft führt, hängt von den spezifischen
Umständen
jedes
historischen
Falles
ab.
In
der
Tat
werden
die
Gesamtersparnisse fallen, wenn jene, deren Einkommen steigt (d.h. die als erste das neu geschaffene Geld erhalten), einen größeren Anteil diese Einkommen konsumieren als vorher von jenen konsumiert wurde, deren Realeinkommen jetzt fällt. Es ist zudem vorstellbar, dass die Profitierenden eine stärkere Sparneigung haben. In dem Fall mag der Gesamteffekt auf die Ersparnisse positiv sein. In jedem Fall setzt der Inflationsprozess andere Kräfte frei, welche das Sparen behindern: die Inflation fälscht die Wirtschaftsrechnung, indem fiktive Buchgewinne generiert werden, welche in größerem oder kleinerem Maße konsumiert werden. Mithin ist unmöglich, theoretisch im Voraus festzulegen, ob eine Injektion neuen Geldes an spezifischen Punkten des Volkswirtschaft in einen Anstieg oder Rückgang des gesellschaftlichen Sparens mündet11.
Die spanische Übersetzung ist: Juan de Mariana, Tratado y discurso sobre la moneda de vellón que al presente se labra en Castilla y de algunos desórdenes y abusos mit einem Vorwort von Lucas Beltrán [Madrid: Instituto de Estudios Fiscales, Ministerio de Economía y Hacienda, 1987]. Eine etwas andere Übersetzung des ursprünglichen lateinischen Texts ist jüngst auf Englisch veröffentlicht worden. Juan de Mariana, S. J., A Treatise on the Alteration of Money, Übersetzung von Patrick T. Brannan, S.J. Einführung von Alejandro Al Chafuen, Journal of Markets and Morality 5, Nr. 2 (Herbst, 2002): 52393. Das Zitat ist auf Seite 544 (12 der Übersetzung). 11 In seinem Buch, Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, erschienen im Jahre 1912 (Leipzig: Duncker und Humblodt), beschreibt Joseph A. Schumpeter den angebrachten Begriff des „Zwangssparens“ oder „erzwungenen Sparens“ Ludwig von Mises zu. Mises räumt ein, dass er das Phänomen 1912 in der ersten Auflage seines Buches, Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, beschrieb; gibt aber auch an, dass er nicht glaubte, den genauen Ausdruck, den ihm Schumpeter zuschreibt, benutzt zu haben. Auf jeden Fall analysiert Mises das Phänomen des Zwangssparens sorgfältig und zeigt, dass es nicht mittels der Theorie möglich ist, vorher zu bestimmen, ob ein Anstieg der umlaufenden Geldmenge ein Nettowachstum der freiwilligen Ersparnisse erzeugt oder nicht. Vgl. zu diesem Thema Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik (Jena: Gustav Fischer [1928]), S. 45, 49-52 und 63-64. Zudem Human Action, S. 148-50. Zuerst behandelte Mises das Thema in Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 356. Obgleich wir weiterhin den Begriff “Zwangssparen” Mises zuschreiben wollen, wurde ein sehr ähnlicher Ausdruck, „forced frugality“ von Jeremy Bentham schon 1804 benutzt (Vgl. Hayeks Aufsatz, „A Note on the Development of the Doctrine of ‘Forced Saving’,“ veröffentlicht als Kapitel 7 von Profits, Interest and Investment, S. 183-97). Wie Roger Garrison treffend gezeigt hat, besteht eine gewisse Disparität zwischen Mises Konzept des Zwangssparens (welche wir hier als “im weiteren Sinne” bezeichnen) und Hayeks Konzeption (welche wir als „im engeren Sinne“ benennen)
Im engeren Sinne bezeichnet das „Zwangssparen“ die Verlängerung (länglich gerichtete) und die Verbreiterung (seitlich gerichtete) der Kapitalgüterstufen der Produktionsstruktur. Dies sind Veränderungen, welche aus der Kreditausweitung resultieren, welche das Bankensystem ohne sich auf freiwillige Ersparnisse zu stützen anstößt. Wie wir wissen erzeugt dieser Prozess zunächst einen Anstieg im Geldeinkommen der ursprünglichen Produktionsfaktoren und später einen mehr als proportionalen Anstieg der Konsumgüterpreise (bzw. im Bruttoeinkommen
der
Konsumgüterindustrien).
In
der
Tat
erklärt
die
Zirkulationskredittheorie des Konjunkturzyklus theoretisch die mikroökonomischen Faktoren, welche den Versuch, eine kapitalintensivere Produktionsstruktur ohne die korrespondierende Deckung durch freiwillige Ersparnisse zu erzeugen, zum Scheitern verurteilen und unvermeidlich umkehren, wobei sie Wirtschaftskrisen und Rezessionen auslösen. Dieser Prozess bringt beinahe sicher letztlich eine Ressourcenumverteilung mit sich, welche auf bestimmte Art das gesamte freiwillige Sparverhältnis modifiziert, welches vor Beginn der Kreditausweitung Bestand hatte. Es ist jedoch unmöglich die neuen und kapitalintensiveren Stufen, welche unternommen wurden, auf recht zu erhalten und zu beenden, wenn nicht der gesamte Prozess von einem simultanen, unabhängigen und spontanen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse in einer Höhe begleitet wird, die zumindest den neu von den Banken ex nihilo geschaffenen Krediten entspricht. Ist dies nicht der Fall setzen die typischen Umkehreffekte ein, welche wir detailliert untersucht haben, wie auch eine Krise und wirtschaftliche Rezession. Weiterhin bringt der Prozess eine Vergeudung von zahlreichen Kapitalgütern und den knappen gesellschaftlichen Ressourcen mit sich, was die Gesellschaft ärmer macht. Als eine Folge werden im Großen und Ganzen die freiwilligen Ersparnisse der Gesellschaft letztlich eher zu einem Rückgang als zu einem Anstieg tendieren. In jedem Fall wird abgesehen von einem dramatischen, spontanen, unvorhergesehenen Anstieg der freiwilligen und damit „what Mises termed malinvestment is what Hayek called forced savings.“ Vgl. Garrison, „Austrian Microeconomics: A Diagrammatical Exposition,“ S. 196.
Ersparnisse, den wie hier um des Argumentes Willen an dieser Stelle von der theoretischen Analyse ausschließen (welche außerdem immer die ceteris paribus Annahme beinhaltet) – die Kreditausweitung einen selbstzerstörerischen Aufschwung provozieren, welcher früher oder später sich in Form einer Wirtschaftskrise und Rezession umkehrt. Diese zeigt die Unmöglichkeit eine wirtschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft durch eine künstliche Ermutigung
von
Investitionen
und
durch
eine
anfängliche
Finanzierung
durch
Kreditausweitung zu erzwingen, wenn die Wirtschaftssubjekte nicht bereit sind, eine solche Politik zu unterstützen, indem sie mehr sparen. Mithin können die gesellschaftlichen Investitionen nicht für lange Zeiträume die gesellschaftlichen Ersparnisse übersteigen (dies würde eine alternative Definition von „Zwangssparen“ darstellen, welche stärker mit der keynesianischen Analyse im Einklang steht wie F.A. Hayek mit Recht feststellt)12. Stattdessen ist ungeachtet des letztlichen Spar- und Investitionsvolumens der Gesellschaft (welche immer ex post identisch sind) das einzige Ergebnis des Versuchs ein Investitionsniveau über dem Sparniveau zu forcieren eine allgemeine Fehlinvestition der von der Gesellschaft gesparten Ressourcen sowie eine Wirtschaftskrise, welche dazu bestimmt ist, die Gesellschaft ärmer zu machen13.
5 KAPITALVERSCHWENDUNG,
STILLIEGENDE
KAPAZITÄTEN,
UND
FEHLINVESTITION VON PRODUKTIVKRÄFTEN Die Hauptwirkung, welche die Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur ausübt, ist, dass sie letztlich das Verhalten der verschiedenen Wirtschaftssubjekte in Unordnung bringt. In der Tat 12
drängen
die
Unternehmer
auf
eine
Verlängerung
und
Verbreiterung
der
See Hayek, „A Note on the Development of the Doctrine of ‘Forced Saving’”, S. 197. Vgl. Auch die Kommentare zu Cantillons und Humes Beiträgen in Kapitel 8, Fußnote 1, S. ?? hängt von Übersetzung ab. 13 Fritz Machlup hat in seinem Artikel “Forced of Induced Saving: An Exploration into its Synonyms and Homonyms,” The Review of Economics and Statistics 25, Nr 1 (Februar 1943); wieder abgedruckt in Fritz Machlup, Economic Semantics (London: Transaction Publishers, 1991), S. 213-40, bis zu 34 verschiedene Konzepte des „Zwangssparens“ zusammengetragen.
Produktionsstufen. Zudem wollen sie die Stufen kapitalintensiver gestalten. Währenddessen sind die übrigen Wirtschaftssubjekte nicht zur Kooperation bereit, in dem sie auf Konsum verzichten und ihre freiwilligen Gesamtersparnisse erhöhen. Diese Fehlabstimmung oder Diskoordination, welche aus einer systematischen Attacke auf den Prozess der sozialen Interaktion herrührt (das Privileg, welches Regierungen den Banken gewähren und ihnen erlaubt mit einer Teildeckung auf Sichteinlagen zu operieren), löst ausnahmslos eine Krise aus, welche letztlich die begangenen unternehmerischen Fehler korrigiert. Nichtsdestoweniger braucht dieser Prozess Zeit, weil unweigerlich ernste Fehler gemacht worden sind, die irreversibel sind. Die Fehler bestehen in dem Beginn und dem Versuch eine Reihe von Investitionsprojekten zu beenden, welche eine Verlängerung und Verbreiterung der Kapitalgüterstruktur mit sich bringen. Diese Projekte können nichtsdestoweniger wegen eines Mangels an real ersparten Ressourcen keine Früchte tragen. Desweiteren werden, sobald einmal Ressourcen und ursprüngliche Produktionsfaktoren in Kapitalgüter transformiert worden sind, diese Güter zu einem gewissen Grade unumwandelbar. In anderen Worten werden viele Kapitalgüter ihren gesamten Wert verlieren, sobald es klar wird, dass es keine Nachfrage für sie gibt, es ein Fehler war, sie zu produzieren und sie niemals hätten produziert werden sollten. Es wird möglich sein, andere Kapitalgüter weiter zu benutzen, aber nur nachdem eine große Geldsumme für ihre Umgestaltung ausgegeben wurde Die Produktion noch anderer Kapitalgüter mag vollendet werden. Gegeben, dass die Kapitalgüterstruktur erfordert, dass die Güter komplementär sind, können sie jedoch niemals in Anwendung kommen, falls die notwendigen komplementären Ressourcen nicht produziert werden. Schließlich ist es vorstellbar, dass gewisse Kapitalgüter zu relativ geringen Kosten umgestaltet werden, obgleich diese Güter unzweifelhaft in der Minderheit sind14. Mithin findet eine
14
Als eine allgemeine Regel sind die Kapitalgüter desto schwerer umwandelbar je näher sich das Kapitalgut der Konsumgüterstufe befindet. In der Tat sind alle menschlichen Handlungen desto schwerer konvertierbar, desto näher sie ihrem Endziel sind: ein fehlerhaft errichtetes Haus ist ein beinahe unumkehrbarer
weitverbreitete Fehlinvestition der knappen gesellschaftlichen Produktivkräfte statt. Es folgt ein Verlust vieler der knappen Kapitalgüter der Gesellschaft. Dieser Verlust ist auf die verzerrte Information zurückzuführen, welche die Unternehmer während einer gewissen Zeit in Form von leichteren Kreditbestimmungen und relative niedrigen Zinssätzen empfingen15. Viele Investitionsprozesse werden auch auf halber Strecke aufgegeben, weil ihre Organisatoren erkennen, dass sie nicht weiterhin die zu ihrer Fertigstellung notwendigen neuen finanziellen Ressourcen erhalten können, oder weil sie, obgleich sie in der Lage sind, weiterhin Darlehen zu bekommen, sie feststellen, dass die Investitionsprozesse wirtschaftlich nicht realisierbar sind. Kurzum reflektieren sich die weitverbreiteten Fehlinvestitionen auf folgender Art: Viele Kapitalgüter bleiben ungenutzt, viele Investitionsprozesse können nicht fertig gestellt werden, und fertig gestellte Kapitalgüter werden auf eine ursprünglich nicht vorgesehene Weise benutzt. Ein großer Anteil der knappen Ressourcen der Gesellschaft sind verschwendet worden und als eine Folge wird die Gesellschaft allgemein ärmer und der Lebensstandard fällt relativ zur Situation, wie sie ohne Fehlinvestitionen gewesen wäre. Viele Ökonomen haben die Tatsachen missverstanden, dass eine signifikante Anzahl der begangenen
Fehler
sich
als
fertiggestellte
Kapitalgüter
manifestieren,
welche
nichtsdestoweniger nicht genutzt werden können, weil die notwendigen komplementären Kapitalgüter oder das Umlaufkapital fehlen. In der Tat sehen viele dieses Phänomen der „stillliegenden Kapazitäten“ als einen eindeutigen Beweis der Notwendigkeit, den gesamten Konsum mit dem Zweck anzukurbeln, diese brachliegenden Kapazitäten, die fertig gestellt Verlust, während es in gewisser Weise leichter ist, die Verwendung der Ziegel zu modifizieren, falls es während der Bauphase offensichtlich wird, dass ihr Gebrauch zur Errichtung eines spezifischen Hauses ein Fehler ist. (Vgl. die Kommentare auf S. ????). 15 Daher ist die Konjunkturtheorie einfach eine Anwendung der Theorie der verzerrenden Effekte von institutionellem Zwang - eine Theorie, welche wir in Socialismo, cálculo economic y función empresarial (vor allem 111-18) vorstellen - auf den spezifischen Fall der Wirkung der Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur. Lachmann kommt zum gleichen Schluß, wenn er schreibt, dass Fehlinvestitionen „the waste of capital resources in plans prompted by misleading information“ sind und hinzufügt, dass obgleich viele Kapitalgüter fertig gestellt werden, sie will lack complementary factors in the rest of the economy. Such lack of complementary factors may well express itself in lack of demand for its services, for instance where these factors would occupy “the later stages of production.” To the untrained observer it is therefore often indistinguishable from “lack of effective demand.” (Lachmann, Capital and its Structure, S. 66 und 117-18)
wurden aber noch nicht benutzt werden, in Betrieb zu nehmen. Sie verstehen nicht, dass -wie Hayek
es
zeigt16-
das
Bestehen
von
„stillliegenden
Kapazitäten“
in
vielen
Produktionsprozessen (aber vor allem in den konsumentferntesten wie Hochtechnologie, Baugewerbe, und Kapitalgüterindustrie im Allgemeinen) in keiner Weise einen Nachweis eines Sparüberschusses oder unzureichenden Konsums. Genau das Gegenteil ist der Fall: dies ist ein Symptom der Tatsache, dass wir nicht das gesamte fehlerhaft produzierte Anlagekapital nutzen können, weil die unmittelbare Konsumgüter- und Leistungsnachfrage derart dringend ist, dass wir uns weder den Luxus erlauben können, die komplementären Kapitalgüter zu produzieren noch das Umlaufkapital, welches notwendig ist, diese brachliegenden Kapazitäten auszunutzen. Kurzum wird die Krise durch einen relativen Konsumüberschuss provoziert, d.h. eine relative Sparknappheit, welcher es weder erlaubt, die begonnen Prozesse fertig zu stellen, noch die komplementären Kapitalgüter oder Umlaufskapitalgüter
zu
produzieren,
welche
notwendig
sind,
um
die
laufenden
Investitionsprozesse aufrecht zu erhalten und die Kapitalgüter zum Einsatz zu bringen, welche die Unternehmer - aus was für Gründen auch immer – während der Expansionsphase fertig stellen konnten17.
16
In F.A. Hayeks eigenen Worten: Der Eindruck, daß wir mit Hilfe der vorhandenen Produktionsanlagen die Produktion fast beliebig vermehren könnten, ist eine Täuschung. Was immer uns Techniker über die angeblich bestehenden ungeheure unausgenützte Kapazität des vorhandenen Produktionsapparates sagen, tatsächlich besteht keine Möglichkeit, die Produktions in diesem Ausmaß zu steigern. Sie und ebenso alle Nationalökonomen, die glauben, daß Kapital im Überfluß vorhanden sei, lassen sich von dem Umstand täuschen, daß die vorhandenen Maschinen, Gebäude u. dgl. auf eine viel größere Produktion zugeschnitten sind. Sie übersehen aber, daß „Kapital“ nicht nur aus dauerhaften Gütern besteht und daß, damit wir die vorhandenen dauerhaften Produktionsmittel voll ausnützen können, eine große Menge anderer Produktionsmittel zunächst in langdauernden Produktionsprozessen investiert werden müßten, um erst in einer verhältnismäßig entfernten Zukunft Früchte zu tragen. Das Bestehen von unausgenützten Produktionsanlagen ist daher nichts weniger als ein Beweis, daß Kapital im Überfluß vorhanden und etwa der Konsum unzureichend ist: ganz im Gegenteil, es ist ein Zeichen dafür, daß wir diese Produktionsanlagen nicht verwenden können, weil die laufende Nachfrage nach Konsumgütern zu dringend ist, um uns zu erlauben, die verfügbaren Produktivkräfte in den langwierigen Produktionsprozessen zu investieren, für die wir (infolge von „Kapitalfehlleitungen“) die entsprechende Ausrüstung haben. (Hayek, Preise und Produktion, S. 93-94). 17 After the boom period is over, what is to be done with the malinvestments? The answer depends on their profitability for further use, i. e., on the degree of error that was committed. Some maoinvestments will have to be abandoned, since their earnings from consumer demand will not even cover the current costs of their operation. Others, though monuments of failure, will be able to yield a profit over current costs, although it will not pay to replace them as they wear out. Temporarily working them fulfills the economic principle of always makings the best of even a bad bargain. Because oft he
6 KREDITAUSWEITUNG ALS URSACHE VON MASSENARBEITSLOSIGKEIT Die direkte Ursache von Massenarbeitslosigkeit ist die Inflexibilität des Arbeitsmarkts. In der Tat resultieren die Staatseingriffe in den Arbeitsmarkt und der gewerkschaftliche Zwang ermöglicht durch die Privilegien, welche das Rechtssystem den Gewerkschaften einräumt - in einer Reihe von Regulierungen (Minimallöhne, Eintrittsbarrieren, um Löhne künstlich hoch zu halten, sehr strenge Regulierungen des Einstellens und Entlassens, usw.), welche den Arbeitsmarkt zu einem der starrsten Märkte machen. Weiterhin erreicht wegen künstlichen durch die Arbeitsgesetzgebung erzeugten Kosten das diskontierte reale Wertgrenzprodukt des Arbeiters tendenziell nicht die gesamten Arbeitskosten, welche der Unternehmer bei der Einstellung des Arbeiters in Form von monetären Kosten, wie Löhnen, und anderen Kosten, wie subjektiven Misslichkeiten, eingeht. Dies führt zu ausgesprochen hoher Arbeitslosigkeit, welche alle Arbeiter betrifft, deren erwartetes Grenzprodukt einen niedrigeren diskontierten Wert annimmt als die mit ihrer Anstellung involvierten Kosten. Daher werden sie entweder entlassen oder erst gar nicht eingestellt. Während die direkte Ursache der Arbeitslosigkeit immer die oben erwähnte ist, ist die indirekte Ursache noch die Inflation; genauer, die Kreditausweitung des Bankensystems ohne Deckung mit realen Ersparnissen. Die Kreditausweitung führt letztlich zu einer Massenarbeitslosigkeit, da sie den ganzen beschriebenen Prozess der weitverbreiteten Fehlabstimmung und Fehlinvestitionen anregt. Dies geschieht, indem die Kreditausweitung in großem Umfang ursprüngliche Produktionsfaktoren Stellen der Produktionsstruktur zuweist, wo sie nicht hingehören, wenn man bedenkt, dass die Unternehmer diese Produktivkräfte
malinvestments, however, the boom always leads to general impoverishment, i.e., reduces the standard of living below what it would have been in the absence of the boom. Fort he credit expansion has caused the squandering of scarce resources and scarce capital. Some resources have been completely wasted, and even those malinvestments that continue in use will satisfy consumers less than would have been the case without the credit expansion. (Rothbard, Man, Economy, and State, S. 863).
anziehen, um die Kapitalgüterstruktur zu verlängern und zu verbreitern, ohne dass sie begreifen, dass sie damit einen ernsten, großangelegten unternehmerischen Fehler begehen. Wenn die Krise anbricht und die Fehler ans Licht kommen, werden erneut massive Transfers von ursprünglichen Produktionsfaktoren und Arbeit von den konsumfernsten Stufen in die konsumnächsten Stufen notwendig. Diese Transfers erfordern einen besonders flexiblen Arbeitsmarkt; einen, der frei von irgendwelchen institutionellen oder gewerkschaftlichen Restriktionen und Zwang ist. Mithin werden jene Gesellschaften mit einem rigideren Arbeitsmarkt eine höhere und anhaltendere Arbeitslosigkeit als Reaktion auf die unvermeidbare Aufdeckung der unternehmerischen Fehler erfahren, die durch die Kreditausweitung in der Produktionsstruktur hervorgerufen worden sind18. Daher ist der einzige Weg, um die Arbeitslosigkeit auf kurze Sicht zu bekämpfen, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes in jedem erdenklichen Sinne. Auf mittlere und lange Sicht ist es die Verhinderung des Beginns jeglichen Prozesses der künstlichen Expansion, welcher aus der Gewährung von Darlehen durch das Bankensystem ohne vorherigen freiwilligen Sparanstieg entsteht.
7 DIE
VOLKSWIRTSCHAFTLICHE
GESAMTRECHNUNG
IST
FÜR
DIE
DARSTELLUNG DER VERSCHIEDENEN STUFEN DES KONJUNKTURZYKLUSES UNZUREICHEND Die Statistiken des Bruttonationalprodukts (BNP) und im Allgemeinen die Definitionen und die Methodologie der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung stellen keine verlässliche Indikation der wirtschaftlichen Schwankungen dar. In der Tat verbergen die Größen des Bruttonationaleinkommens systematisch sowohl die künstlichen expansiven Effekte der 18
Wir beziehen uns hier auf unfreiwillige (bzw. institutionelle) Arbeitslosigkeit und nicht auf die sogenannte “natürliche Arbeitslosenrate” (oder freiwillige und “katallaktische” Arbeitslosigkeit), welche in der modernen Zeit aufgrund der freizügigen Arbeitslosenunterstützung und anderen Maßnahmen, welche als starke Entmutigung des Wunsches der Arbeiter wieder zu arbeiten wirken, so spektakulär gewachsen ist.
Darlehensschaffung durch die Banken als auch die kontrahierenden Effekte, welche die Krise auf die konsumfernsten Stufen ausübt19. Dieses Phänomen kann auf die folgende Art erklärt werden: im Gegensatz zur eigentlichen Implikation des Ausdrucks „Brutto“, welcher dem Begriff „Nationalprodukt“ zugefügt wird, ist das BNP tatsächlich eine Nettogröße, welche den Wert aller Zwischenkapitalgüter, welche am Ende der Messperiode als Inputs für das nächste Finanzjahr verfügbar werden, ausschließt. Mithin übertreiben die Größen des Bruttonationalprodukts die Bedeutung des Konsums20 auf das Nationaleinkommen und verweisen nach den Staatsausgaben die Produktion der in dieser Periode hergestellten Endkapitalgüter (die einzigen Kapitalgüter, die per definitionem im BNP reflektiert werden) auf den dritten Rang. Dabei wird absurderweise ungefähr die Hälfte aller unternehmerischen
19
Vgl. S. ??????305.12 und 336 Fußnote 55.. Wie Mark Skousen herausgestellt hat: Gross Domestic Product systematically underestimates the expansionary phase as well as the contraction phase of the business cycle. For example, in the most recent recession, real GDP declined 12 percent in the United States, even though the recession was quite severe according to other measures (earnings, industrial productions, employment). . . . A better indicator of total economic activity is Gross Domestic Output (GDO), a statistic I have developed to measure spending in all stages of production, including intermediate stages. According to my estimates, GDO declined at least 10-15 percent during most oft he 1990-92 recession. (Vgl. „I Like Hayek: How I Use His Model as a Forecasting Tool,“ präsentiert auf The Mont Pélerin Society General Meeting, welches in Cannes, Frankreich, 25. - 30. September 1994 stattfand, unveröffentlichtes Manuskript, S. 12) 20 Die meisten konventionellen Ökonomen wie auch die politische Behörden und Wirtschaftskommentatoren tendieren dazu, die Bedeutung des Konsumsektors zu vergrößern. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Größen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung tendenziell die Bedeutung des Konsums im Hinblick auf die Gesamtproduktion übertreiben, da sie die meisten Produkte ausschließen, die in den Zwischenstufen des Produktionsprozesses hergestellt werden. So stellen sie den Konsum als den wichtigsten Sektor der Volkswirtschaft dar. In modernen Volkswirtschaften macht dieser Sektor gewöhnlich 60 bis 70 Prozent des gesamten Nationaleinkommens aus, während er normalerweise nicht ein Drittel des Bruttoinlandsausstoßes erreicht, wenn er in Beziehung zu den Gesamtausgaben in allen Stufen der Produktionsstruktur berechnet wird. Weiterhin ist es evident, dass die keynesianischen Theorien weiterhin einen starken Einfluss auf die Methodologie der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sowie auf die statistischen Methoden ausüben, die genutzt werden, um die für ihre Erstellung notwendigen Informationen zu sammeln. Aus keynesianischer Sicht ist es von Vorteil die Rolle des Konsums als wesentlichen Bestandteil der aggregierten Nachfrage zu vergrößern und damit die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auf dieses Phänomen zu konzentrieren. Dabei wird der Teil des Bruttoinlandsausstoßes von den Berechnungen ausgenommen, der nicht gut in die keynesianischen Modelle passt. Somit wird kein Versuch unternommen, die Entwicklung der verschiedenen Stufen zu reflektieren, die sich der Produktion von Zwischenkapitalgütern widmen. Deren Entwicklung ist viel volatiler und schwerer vorherzusagen als die Konsumentwicklung. Zu diesen interessanten Themen vgl. Skousen, The Structure of Production, S. 306. Nach einer Studie des U.S. Department of Commerce mit dem Titel „The Interindustry Structure of the United States“ und veröffentlicht 1986, bestehen 43,8 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandausstoßes (3.297.977 Millionen Dollar) aus Zwischenprodukten, welche nicht in den BNP-Zahlen (lediglich gleich 56,2 Prozent des Bruttoinlandausstoßes, d.h. 4.235.116 Millionen Dollar) widergegeben werden. Vgl. Arthur Middleton Hughes, „The Recession of 1990: An Austrian Explanation“, Review of Austrian Economics 10, Nr. 1 (1997): 108, Fn 4. Vergleiche diese Daten mit jenen für das Jahr 1982 in Fußnote 38 von Kapitel 5.
Mühen, Arbeits- und Produktivanstrengungen in der Gesellschaft, welche der Herstellung von Zwischenprodukten gewidmet sind, ausgeschloßen. Der Bruttoinlandausstoß (BIA) eines Finanzjahres wäre ein viel präziserer Indikator des Einflusses, welchen die Konjunkturzyklen auf den Markt und die Gesellschaft ausüben. Dieses Maß wird -wie in den Tabellen von Kapitel 5 beschrieben- berechnet, d.h. als wahrhaftige Bruttogröße. Die Bruttogröße beinhaltet alle monetären Ausgaben, und damit nicht nur die Ausgaben für die Endprodukte und Leistungen, sondern auch für alle Zwischenprodukte, die in den Stufen der Produktionsstruktur gefertigt werden. Eine derartige Größe würde die wahren Effekte offen legen, welche auf die Produktionsstruktur durch die Kreditausweitung und durch die von ihr unvermeidlich ausgelöste wirtschaftliche Rezession ausgeübt werden21.
8 DIE UNTERNEHMERISCHE FUNKTION UND DIE KONJUNKTURTHEORIE Die Konzeption der unternehmerischen Funktion, entwickelt von Ludwig von Mises, Friedrich A. von Hayek, und Israel M. Kirzner, ist der Ursprung der Theorie der unternehmerischen Funktion, welche wir an anderer Stelle vorgestellt haben22. Ein
21
Hayek untersucht auf den letzten Seiten seine 1942er Aufsatzes zum Ricardoeffekt („The Ricardo Effect“ S. 251-54) die Arten, in denen traditionelle Konsumentenpreisindizes tendenziell die empirische Beschreibung der Konjunkturentwicklung im Allgemeinen und die Wirkung des Ricardoeffekts während des Zyklus im Besonderen verschleiern bzw. ihm ausweichen. In der Tat reflektieren die verwendeten Statistiken weder die Preisveränderungen bei den in den verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses hergestellten Gütern noch die Beziehung, die in jeder Stufe zwischen den für die ursprünglichen Produktionsfaktoren gezahlten Preisen und dem Preis der erzeugten Produkts existiert. Glücklicherweise haben jüngste statistische Studien in allen Fällen die Österreichische Analyse bestätigt und gezeigt, dass die Preise der Güter der konsumfernsten Stufen viel volatiler sind als die Konsumgüterpreise. Mark Skousen hat in seinem bereits zitierten auf der Hauptversammlung der Mont Pelerin Society von 25.-30. September 1994 in Cannes präsentierten Aufsatz gezeigt, dass in den Vereinigten Staaten in den vorangegangenen fünfzehn Jahre die Preise der konsumfernsten Güter zwischen einem +30 prozentigen Anstieg und einem -10 prozentigen Rückgang pendelten; während abhängig von der konkreten Stufe die Preise für Produkte aus den Zwischenstufen zwischen +14 Prozent und -1 Prozent schwankten und die Konsumgüterpreise zwischen + 10 Prozent und – 2 Prozent schwangen. Diese Ergebnisse werden auch von V.A. Rameys bedeutenden Aufsatz „Inventories as Factors of Production and Economic Fluctuations,“ American Economic Review (Junie 1989): 338-54 bestätigt. 22 Vgl. Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, Kapitel 2 und 3.
Unternehmer ist jeder Handelnde, der seine Handlungen mit Scharfsinn ausführt, wachsam für die subjektiven Gewinnmöglichkeiten bleibt, die in seinem Umfeld auftauchen, und der dann versucht, diese Möglichkeiten wahrzunehmen. Die angeborene unternehmerische Kapazität des Menschen veranlasst ihn nicht nur dazu, ständig neue Informationen hinsichtlich seiner Ziele und Mittel zu schaffen, sondern stößt auch spontan einen Prozess an, in dem diese Information dazu tendiert, sich in der Gesellschaft zu verbreiten, wobei dies durch die spontane Koordination von unabgestimmten menschlichen Verhaltensweisen begleitet wird. Die koordinierende Kapazität der unternehmerischen Funktion stößt die Entstehung, Evolution und abgestimmte Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und Zivilisation an, solange die unternehmerisch Handelnden nicht systematisch zu anderen Handlungen gezwungen werden (Interventionismus und Sozialismus) oder gezwungen werden, in einer Umgebung zu handeln, in der traditionelle Rechtsnormen nicht respektiert werden, weil die Regierung gewissen sozialen Gruppen Privilegien gewährt hat. Wenn die unternehmerische Funktion nicht in einen Rahmen von allgemeinen Rechtsprinzipien eingebettet werden kann oder systematischer Zwang angewandt wird, hört sie nicht nur auf, eine große Menge an sozialen Informationen zu schaffen und zu übermitteln, sondern sie generiert zudem beschädigte
und
entstellte
Informationen
und
provoziert
unkoordiniertes
und
unverantwortliches Verhalten. Aus dieser Perspektive kann unsere Konjunkturtheorie als eine Anwendung einer allgemeineren Theorie des Unternehmertums auf den spezifischen Fall der intertemporalen Fehlabstimmung (d.h. zwischen den verschiedenen Zeitperioden) betrachtet werden, welche sich daraus ergibt, dass das Bankgeschäft nicht den allgemeinen Rechtsprinzipien unterworfen ist und dieses mithin auf dem Privileg basiert, Darlehen zu vergeben, welche nicht durch einen vorherigen freiwilligen Sparanstieg gedeckt sind (den monetären Bankdepositenvertrag mit einer Teildeckung). Daher erklärt unsere Theorie wie die Verletzung von Rechtprinzipien, die unausweichlich ernste soziale Verzerrungen verursacht, den gleichen Effekt in einem so abstrakten und komplexen Feld wie dem des
Geldes und Bankkredits ausübt. Auf diese Weise hat es die ökonomische Theorie ermöglicht, rechtliche und wirtschaftliche Phänomene zu verbinden (nämlich die Vergabe von Privilegien als Verletzung von Rechtsprinzipien; und Krisen und Rezessionen), welche bis jetzt als völlig ohne Bezug angesehen wurden. Man könnte sich fragen, warum Unternehmer es nicht schaffen, zu erkennen, dass sie die von den Ökonomen entwickelte und hier präsentierte Konjunkturtheorie betrifft und ihr Verhalten modifizieren, indem sie nicht mehr die Darlehen akzeptieren, welche sie vom Bankensektor angedient bekommen und die Investitionsprojekte vermeiden, welche sie in vielen Fällen in den Bankrott führen. Die Unternehmen können jedoch nicht von dem weitverbreiteten Prozess der Fehlabstimmung, den die Kreditausweitung in Bewegung setzt, Abstand halten, sogar wenn sie ein perfektes theoretisches Verständnis der Entwicklung des Zyklus haben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein einzelner Unternehmer nicht weiß, ob ein ihm angebotenes Darlehen aus dem Wachstum der freiwilligen Ersparnisse der Gesellschaft entstanden ist, oder nicht. Obzwar die Unternehmer hypothetisch vermuten, dass das Darlehen ex nihilo von der Bank geschaffen wurde, haben sie weiterhin keinen Grund von Inanspruchnahme des Darlehens abstand zu nehmen und es zur Expansion ihrer Investitionsprojekte zu nutzen, wenn sie glauben, dass sie sich aus diesen Projekten vor dem Beginn der unausweichlichen Krise zurückziehen können. In anderen Worten besteht die Möglichkeit, einen beträchtlichen unternehmerischen Gewinn zu erzielen für die Unternehmer, welche obzwar sie sich bewusst sind, dass der ganze Prozess auf einem künstlichen Aufschwung beruht, scharfsinnig genug sind, sich rechtzeitig zurückzuziehen und ihre Projekte und Unternehmungen zu liquidieren bevor die Krise einbricht. (Dies ist beispielsweise das Vorgehen von Richard Cnatillon, wir wir in Kapitel 2 sahen.) Daher bestimmt der unternehmerische Geist selbst und das Gewinnmotiv, auf dem er ruht, die Unternehmer dazu, im Zyklus zu partizipieren, sogar wenn sie sich seiner Theorie bewusst sind. Logischerweise kann niemand genau vorhersagen, wenn und wo die Krise ausbrechen
wird und eine große Zahl von Unternehmern wird unzweifelhaft von diesem Ereignis „überrascht“
werden
sowie
sich
ernsten
Schwierigkeiten
gegenüber
sehen.
Nichtsdestoweniger können wir aus theoretischer Sicht im Voraus niemals alle Unternehmer als „irrational“ beschreiben, die sich, obwohl sie mit der Konjunkturtheorie vertraut sind, sich von dem neuen Geld, welches sie empfangen, hinreißen lassen. Diese Gelder hat das Bankensystem aus dem Nichts geschaffen und die Unternehmer von Beginn an mit einer großen zusätzlichen Kaufkraft und der Chance auf ansehnliche Gewinne versorgt23.
Eine weitere Verbindung verflechtet die Theorie des Unternehmertums mit der Konjunkturtheorie. Diese beinhaltet die Phasen der Rezession und Anpassung, in welchen die schweren Fehler ans Licht kommen, die in den früheren Phasen des Zyklus begangen worden sind. In der Tat sind wirtschaftliche Krisen die Perioden, in denen historisch die Samen für die größten unternehmerischen Vermögen gesät worden sind. Dieses Phänomen ist darauf zurückzuführen, dass die tiefsten Rezessionsphasen mit einer Unzahl von fehlerhaft hergestellten Kapitalgütern verbunden sind. Diese Güter sind zu einem Bruchteil ihres ursprünglichen Marktpreises erhältlich. Daher besteht die Möglichkeit zu großen unternehmerischen Gewinnen für jene Unternehmer, welche scharfsinnig genug sind, in die 23
Mises jedoch macht die folgende scharfsinnige Beobachtung: Es mag sein, dass die Wirte auf die Kreditausweitung in Hinkunft anders reagieren werden als in der Vergangenheit; es mag sein, dass sie es scheuen werden, die angebotenen Krediterleichterungen zu Geschäftserweiterungen zu benützen, weil sie an das unvermeidliche Ende der guten Konjunkturlage denken. Manche Anzeichen sprechen dafür, dass ein solcher Wandel sich vorbereitet. Doch es ist zu früh, darüber eine bestimmte Aussage zu machen. (Mises, Nationalökonomie, S. 696-97)
Nichtsdestoweniger ist diese prophetische Präsentation, die Mises 1940 von den rationalen Erwartungen gab, aus im Haupttext erläuterten Gründen nicht ganz gerechtfertigt. Denn sogar wenn Unternehmer ein perfektes Verständnis der Konjunkturtheorie haben und sich wünschen nicht in einen Zyklus zu geraten, werden sie weiterhin immer versucht sein, an ihm und den exzellenten Gewinnen teilzuhaben, die er mit sich bringen kann, wenn sie aufmerksam genug sind, rechtzeitig sich aus den entsprechenden Investitionsprojekten zurückzuziehen. Zu diesem Thema siehe auch den Abschnitt mit dem Titel, „Eine kurze Bemerkung zur Theorie der rationalen Erwartungen“ in Kapitel 7 im vorliegenden Werk, S.??? .
Rezessionsphase des Zyklus mit reichlich Liquidität zu gelangen und sehr selektiv die Kapitalgüter zu erwerben, welche beinahe ihren gesamten kommerziellen Wert verloren haben, aber wieder als sehr wertvoll erachtet werden, sobald sich die Wirtschaft erholt. Die unternehmerische Funktion besteht grundlegend darin, in diesem Szenario zu retten, was zu retten ist und der best-möglichen Verwendung zuzuführen. Abhängig von den jeweiligen Umständen wählen die Unternehmer aus den fehlerhaft hergestellten Kapitalgütern und bewahren sie für die mehr oder weniger ferne Zukunft auf, in der die Wirtschaft sich erholt haben wird und diese Kapitalgüter wieder der Gesellschaft nützlich sein können.
9 DIE
POLITIK
DER
PREISNIVEAUSTABILISIERUNG
UND
IHRE
DESTABILISERENDE WIRKUNG AUF DIE VOLKSWIRTSCHAFT Die Theoretiker sind besonders an der folgenden Frage interessiert, welche eine große praktische Relevanz in der Vergangenheit gehabt hat und anscheinend erneut erlangt hat: Wenn das Bankensystem eine nicht durch reale Ersparnisse gedeckte Kreditausweitung unternimmt und als eine Folge die Geldmenge ansteigt, jedoch gerade stark genug, um die Kaufkraft des Geldes (oder das „allgemeine Preisniveau“) konstant zu halten, folgt dann die Rezession, die wir in diesem Kapital analysieren? Diese Frage bezieht sich auf jene Wirtschaftsperioden, in denen die Produktivität als Folge der Einführung neuer Technologien und unternehmerischer Innovationen, sowie der umsichtig und sorgfältig investierten Kapitalakkumulation durch einsichtige Unternehmer anspringt24. Wie wir gesehen haben,
24
Dies scheint für den amerikanischen Aufschwung der späten Neunziger Jahr der Fall gewesen zu sein, als der große und verbreitete Produktivitätsanstieg die negativen und verzerrenden Effekte der großen Expansion des Geldes, Kredites und der Aktienmärkte verbarg. Die Parallele zur Entwicklung der Wirtschaft in den 1920er Jahren ist augenfällig und es ist sehr wohl möglich, dass dieser Prozess erneut durch eine Rezession unterbrochen werden wird, welche wieder all jene überraschen wird, die sich nur auf ihre Analyse der
führt ein Anstieg der freiwilligen Ersparnissen zu einer Verbreiterung (lateral) und Verlängerung (längs) der Kapitalgüterstufen in der Produktionsstruktur, wenn der Bankkredit nicht künstlich ausgeweitet wird und die umlaufende Geldmenge mehr oder weniger konstant bleibt. Diese Stufen können problemlos beendet werden. Sobald sie einmal fertig sind, werden sie einen erneuten Anstieg in der Quantität und Qualität von Konsumgütern und Leistungen abwerfen. Diese gestiegene Herstellung von Konsumgütern und Leistungen muss an eine gefallene monetäre Nachfrage (welche gerade wegen des Anstiegs der Ersparnisse gefallen ist) verkauft werden. Folglich tendieren die Preise der Konsumgüter- und Leistungseinheiten zu fallen. Dieser Preisrückgang ist immer schneller als der mögliche Rückgang
in
den
Nominaleinkommen
der
Eigentümer
der
ursprünglichen
Produktionsfaktoren, deren Einkommen mithin real gesehen signifikant ansteigt. Die Frage, die wir nun stellen ist, ob eine Politik, die darauf abzielt, die Geldmenge durch Kreditausweitung oder eine andere Prozedur zu erhöhen und das Preisniveau der Konsumgüter und Leistungen konstant zu halten, die Prozesse anstößt, welche zu der intertemporalen Fehlabstimmung zwischen den verschiedenen Wirtschaftssubjekten und letztlich zu einer Wirtschaftskrise sowie Rezession führen, oder nicht. Die amerikanische Volkswirtschaft befand sich in einer derartigen Situation in den 1920er Jahren, als ein dramatisches Produktivitätswachstum indes nicht von einem natürlichen Rückgang der Konsumgüter und Leistungen begleitet war. Diese Preise fielen nicht, weil das Amerikanische Bankensystem eine expansive Politik verfolgte, welche von der Federal Reserve abgestimmt
Entwicklung des „allgemeinen Preisniveaus“ und andere makroökonomische Maße konzentrieren, welche die zugrundeliegende mikroökonomische Situation verdecken; nämlich die Fehlabstimmung in der realen Produktiosstruktur der Volkswirtschaft. Während des Schreibens dieser Zeilen (am Ende des Jahres 1997) haben sich bereits die ersten Symptome einer neuen Rezession gezeigt. Zumindest die ernste Banken-, Aktienmarkt- und Finanzkrise, welche in den asiatischen Märkten ausgebrochen ist, stellt ein solches Anzeichen dar. [Die Entwicklung der Weltwirtschaft seit 1998 hat die Analyse dieses Buches vollkommen bestätigt, wie bereits im Vorwort der zweiten spanischen Auflage erwähnt worden ist].
und koordiniert wurde, um die Kaufkraft des Geldes zu stabilisieren, d.h. sie von einem Anstieg abzuhalten25. An diesem Punkt sollte es offensichtlich sein, dass eine Politik der Kreditausweitung ungedeckt durch reale Ersparnisse unvermeidbar alle Prozesse anstößt, welche zum Ausbruch der Wirtschaftskrise und Rezession führt, selbst wenn sich die Ausweitung mit einem Anstieg in der Produktivität des Systems überschneidet und die nominalen Konsumgüterpreise und Leistungen nicht ansteigen. In der Tat geht es nicht um absolute Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus der Konsumgüter, sondern darum wie diese Veränderungen sich relativ zu den Veränderungen der Preise der Zwischenprodukte und ursprünglichen Produktionsfaktoren verhalten. Tatsächlich stiegen in der 1929-Krise die Konsumgüterpreise, welche nominal gesehen nicht stiegen und sogar leicht fielen, relativ zu den Kapitalgüterpreisen, welche nominal gesehen abstürzten, sprunghaft an. Weiterhin schnellten
25
Vgl. beispielsweise Murray N. Rothbard`s detaillierte Analyse dieser Periode in seinem bemerkenswerten Buch, Amerika´s Great Depression, 5. Auflage, (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 2000). Mises (Human Action, S. 561) zeigt, dass in der Vergangenheit Wirtschaftskrisen im Allgemeinen während Phasen eines kontinuierlichen Produktivitätsanstieg zugeschlagen haben, was darauf zurückzuführen ist, dass [t]he steady advance in the accumulation of new capital made technological improvement possible. Output per unit of input was increased and business filled the markets with increasing quantities of cheap goods. Mises erklärt, dass dieses Phänomen tendenziell dem Preisansteig, der auf den Anstieg der Kreditausweitung folgt, entgegenwirkt und dass in gewissen Situationen die Konsumgüterpreise sogar fallen können anstatt zu steigen. Er schließt: As a rule the resultant of the clash of opposite forces was a preponderance of those producing the rise in prices. But there were some exceptional instances too in which the upward movement of prices was only slight. The most remarkable example was provided by the American boom of 1926–29. In jedem Fall warnt Mises vor der Politik der Preisniveaustabilisierung nicht nur, weil sie die Kreditausweitung während Phasen des Produktivitätsanstiegs verbirgt, sondern auch wegen des theoretischen Fehlers, den sie enthält: It is a popular fallacy to believe that perfect money should be neutral and endowed with unchanging purchasing power, and that the goal of monetary policy should be to realize this perfect money. It is easy to understand this idea . . . against the still more popular postulates of the inflationists. But it is an excessive reaction, it is in itself confused and contradictory, and it has worked havoc because it was strengthened by an inveterate error inherent in the thought of many philosophers and economists. (Human Action, p. 418)
die Gesamteinnahmen und damit die Gewinne der konsumnahen Unternehmen während der letzten Expansionsjahre als Folge des bedeutenden Produktivitätsanstiegs in die Höhe. Ihre Güter wurden zu konstanten Nominalpreise in einer Umgebung großer inflationärer Expansion verkauft. Daher sind die Faktoren, welche typischerweise die Rezession anstoßen (das relative Wachstum der Gewinne im Konsumsektor und ein sich erhöhender Zinssatz) in einem Umfeld steigender Produktivität präsent. Auch der „Ricardoeffekt“ ist präsent, denn ansteigende Gewinne und Verkäufe im Konsumsektor (anstatt eines nominalen Preisanstiegs, welcher in diesem Punkt nicht statt findet), enthüllen den relativen Kostenrückgang für Arbeit in diesem Sektor.
Die theoretischen Aufsätze, welche Hayek im Zuge seines ersten wissenschaftlichen Ausflugs in die Vereinigten Staaten in den 1920er Jahren schrieb, versuchten die Wirkungen der Politik der Gedlwertstabilisierung zu analysieren. Fisher und andere Monetaristen protegierten diese Politik und zu dieser Zeit wurden die Wirkungen dieser Politik als harmlos und dem Volkswirtschaft sehr günstig angesehen. Nach der Analyse der Situation in den Vereinigten Staaten kam Hayek zu der entgegengesetzten Feststellung und präsentierte sie in seinem bekannten Aufsatz „Das intertemporale Gleichgewichtssystem der Preise und die Bewegungen des `Geldwertes‘,“ veröffentlicht im Jahre 192826. Darin zeigt Hayek, dass die
26
Dieser Aufsatz ist publiziert in Weltwirtschaftliches Archiv 2 (1928): 36-76. Der Aufsatz wurde erst 1984 ins Englische übersetzt und im Buch Money, Capital and Fluctuations: Early Essays, S. 71-118 unter dem Titel „Intertemporal Price Equilibrium and Movements in the Value of Money,“ veröffentlicht. Eine zweite Übersetzung durch William Kirby erschien 1994. Sie ist der ersten überlegen und betitelt „The System of Intertemporal Price Equilibrium and Movements in the `Value of Money‘“, Kapitel 27 in Classics in Austrian Economics: A Sampling in the History of a Tradition, Israel M. Kirzner, Hrsg., Bd. 3: The Age of Mises and Hayek (London: William Pickering, 1994), S. 161-98. Vor diesem Aufsatz behandelte Hayek das gleiche Thema in „Die Währungspolitik der Vereinigten Staaten seit der Überwindung der Krise von 1920,“ Zeitschrift für Volkswirtschaft und Sozialpolitik 5 (1925): Bd. 1-3, S. 25-63 und Bd. 4-6, S. 254-317. Der theoretische Teil dieses Aufsatzes erschien auf Englisch unter dem Titel „The Monetary Policy of the United States after the Recovery from the 1920 Crisis,“ in Money, Catpial and Fluctuations: Early Essays, S.
Politik der Kaufkraftstabilisierung der Geldeinheit mit der notwendigen Geldfunktion in Hinblick auf die Koordination der Entscheidungen und Verhalten von Wirtschaftssubjekten an verschiedenen Zeitpunkten inkompatibel ist. Hayek erklärt, dass wenn die umlaufende Geldmenge konstant bleibt, ein allgemeines Produktivitätswachstum im Wirtschaftssystem zu einem Fall in den Konsumgüterpreisen und Leistungen, d.h. im allgemeinen Preisniveau, führen muss, soll das intertemporale Gleichgewicht der Handlungen der verschiedenen Wirtschaftssubjekte aufrecht erhalten bleiben. Mithin erzeugt eine Politik, welche einen Produktivitätsanstieg daran hindert, die Preise von Konsumgütern und Leistungen zu verringern, unvermeidlich Erwartungen hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Preisniveaus in der Zukunft. Diese Erwartungen führen unweigerlich zu einer künstlichen Verlängerung der Produktionsstruktur, eine Veränderung, welche vorherbestimmt ist, sich in Form einer Rezession umzukehren. Im Jahre 1928 hatte Hayek seine verfeinerten wissenschaftlichen Beiträge der 1930er Jahre, Schriften, welche wir in unseren Analyse benutzt haben und dieses Phänomen viel einfacher verständlich machen, noch nicht verfasst. Daher ist es besonders anerkennenswert, dass er schon an diesem Punkt zum folgenden Schluss kommt (in seinen eigenen Worten): Man wird also im schärfsten Gegensatz zu der herrschenden Auffassung schon nach dem bisher gesagten annehmen müssen, daß nicht die mangelhafte Stabilität der Kaufkraft des Geldes, sondern im Gegenteil die den fundamentalen Bestimmungsgründen des Wirtschaftens fremde, allen Warenwährungen eigene Tendenz zur Stabilerhaltung der Kaufkraft des Geldes auch bei Änderungen des allgemeinen Versorgungsstandes eine der wichtigsten Quellen der Störungen der Wirtschaft von Seiten des Geldes ist27.
5-32. Darin kritisiert Stabilisierungspolitik. 27
Hayek
die
von
den
Vereinigten
Staaten
verfolgte
F.A. Hayek, “Intertemporal Price Equilibrium and Movements in the Value of Money,” S. 59; Hervorhebung entfernt. Noch spezifischer folgert Hayek: Obwohl die Vorstellung, daß sich zur Erhaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichtszustandes oder – was dasselbe bedeutet – zur Verhütung monetärer Störungen der Wirtschaft die Geldmenge Änderungen der Wirtschafts anpassen muß, in der ökonomischen Theorie in keine Weise begründet ist, wird sie doch allgemein als Selbstverständlichkeit angenommen. (S. 69)
Es ist daher nicht überraschend, dass F.A. Hayek und andere Theoretiker seiner Schule in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre in der Folge der Untersuchung der expansiven Geldpolitik der Vereinigten Staaten, welche sich nichtsdestoweniger angesichts des Produktivitätsanstiegs nicht in einem Preisanstieg manifestierte, als einzige dazu fähig waren, nicht nur die größtenteils künstliche Natur des expansiven amerikanischen Aufschwungs und seine begleitenden Auswirkungen in der Form eines scheinbar unbegrenzten Anstiegs der New Yorker Aktienmarktindizes richtig zu interpretieren, sondern auch das Eintreten der Großen Depression von 1929 gegen den Strom und zur Überraschung aller zu prognostizieren28. Somit können wir mit Fritz Machlup enden, dass 28
Vgl. Mark Skousen, „Who Predicted the 1929 Crash?“ in The Meaning of Ludwig von Mises, Jeffrey M. Herbener, Hrsg. (Amsterdam: Kluwer Academic Publishers, 1993), S. 247-84. Lionel Robbins bezieht sich im Vorwort zur ersten englischen Auflage von Prices and Production (S. xii) auch ausdrücklich auf die Prognose des Auftretens der Großen Depression durch Mises und Hayek. Diese Prognose erschien in Druck in einem Aufsatz von Hayek, der 1929 in den Monatsberichte[n] des Österreichischen Instituts für Konjunkturforschung veröffentlicht wurde. In jüngerer Zeit, im Jahre 1975, wurde Hayek zu diesem Thema befragt und gab die folgende Antwort (Gold & Silver Newsletter [Newport Beach, Calif.: Monex International, Juni 1975]): I was one of the only ones to predict what was going to happen. In early 1929, when I made this forecast, I was living in Europe which was then going through a period of depression. I said that there [would be] no hope of a recovery in Europe until interest rates fell, and interest rates would not fall until the American boom collapses, which I said was likely to happen within the next few months. What made me expect this, of course, is one of my main theoretical beliefs, that you cannot indefinitely maintain an inflationary boom. Such a boom creates all kinds of artificial jobs that might keep going for a fairly long time but sooner or later must collapse. Also, I was convinced after 1927, when the Federal Reserve made an attempt to stave off a collapse by credit expansion, the boom had become a typically inflationary one. So in early 1929 there was every sign that the boom was going to break down. I knew by then that the Americans could not prolong this sort of expansion indefinitely, and as soon as the Federal Reserve was no longer to feed it by more inflation, the thing would collapse. In addition, you must remember that at the time the Federal Reserve was not only unwilling but was unable to continue the expansion because the gold standard set a limit to the possible expansion. Under the gold standard, therefore, an inflationary boom could not last very long. Der gesamte Prozess, den die Österreichischen Ökonomen ohne Mühen verstehen und prognostizieren konnten, weil sie bereits über die notwendigen analytischen Werkzeuge verfügten, fand in einem Umfeld statt, in dem das allgemeine Konsumgüterpreisniveau nicht nur nicht anstieg, sondern tendenziell leicht fiel. In der Tat war das allgemeine Preisniveau in dern Vereinigten Staaten während der 1920er Jahre sehr stabil: der Index bewegte sich von 93,4 (bei 100 im Basisjahr 1926) im Juni 1921 auf 104,5 im November 1925. Dann fiel er
[t]he creation of new circulating media so as to keep constant a price level which would otherwise have fallen in response to technical progress, may have the same unstabilizing effect on the supply of money capital that has been described before, and thus be liable to lead to a crisis. In spite of their stabilizing effect on the price level, the emergence of the new circulating media in the form of money capital may cause roundabout processes of production to be undertaken which cannot in the long run be maintained29.
Obgleich diese Betrachtungen in der Vergangenheit als von geringer praktischer Relevanz betrachtet werden konnten, da die allgemeinen Preisniveaus der westlichen Welt kontinuierlich anstiegen, erringen sie heute wieder Signifikanz und zeigen, dass sogar mit einer Politik der monetären „Stabilität“ garantiert durch die Zentralbank in einem Umfeld von emporschnellender Produktivität unvermeidlich Wirtschaftskrisen ausbrechen, wenn die Kreditausweitung nicht gänzlich verhindert wird. Mithin könnten diese Betrachtungen in der nahen Zukunft sehr wohl wieder von hoher praktischer Signifikanz sein. In jedem Falle sind sie von großem Nutzen, um viele Konjunkturzyklen der Vergangenheit
- und am
folgenreichsten die Große Depression von 1929 – zu verstehen. Ferner sind sie als eine Anwendung der theoretischen Schlussfolgerungen unserer Analyse nützlich30. wieder auf 95,2 im Juni 1929. Indes stieg während dieser sieben Jahre die Geldmenge von 45,3 auf 73,2 Milliarden Dollar, d.h. mehr als 61 Prozent. Vgl. Rothbard, America´s Great Depression, S. 88 und 154. Rothbard kommt mit seinem natürlichen Verständnis zum folgenden Schluß: The ideal of a stable price level is relatively innocuous during a price rise when it can aid sound money advocates in trying to check the boom; but it is highly mischievous when prices are tending to sag, and the stabilizationists call for inflation. And yet, stabilization is always a more popular rallying cry when prices are falling. (S. 158) Im Übrigen besteht eine große Parallele zwischen der von Hayek beschriebenen Situation und jener, welche sich siebzig Jahre später entwickeln sollte zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen (1997). Daher könnte der amerikanische Wirtschafts- und Aktienmarktboom sich bald in der Form einer weltweiten Rezession umkehren (was sich bereits in den asiatischen Märkten abzeichnet.) 29 Machlup, The Stock Market, Credit and Capital Formation, S. 177. 30 Gottfried von Haberler zeigte, dass ein Rückgang des allgemeinen Preisniveaus, welches durch Verbesserungen in allen Produktionslinien verursacht ist, nicht zu den gleichen widrigen Konsequenzen wie eine monetäre Deflation führt. Siehe seine Monographie, Der Sinn der Indexzahlen: Eine Untersuchung über den Begriff des Preisniveaus und die Methoden seiner Messung (Tübingen: Verlag von J.C.B. Mohr
10 WIE KONJUNKTURZYKLEN ZU VERMEIDEN SIND: PRÄVENTION UND ERHOLUNG VON WIRTSCHAFTSKRISEN An dieser Stelle können wir ohne Probleme herleiten, dass sobald Banken einmal eine Politik der Kreditausweitung lanciert haben, bzw. die Geldmenge in der Form von neuen Darlehen, welche nicht durch neue freiwillige Ersparnisse gestützt sind, gestiegen ist, spontan Prozesse angestoßen werden, welche letztlich eine Krise und Rezession hervorrufen. Mithin können Wirtschaftskrisen und Depression nicht vermieden werden, sobals eine Kreditausweitung [Paul Siebeck], 1927), S. 112 ff. Vgl. zudem seinen Aufsatz „Monetary Equilibrium and the Price Level in a Progressive Eonomics,“ veröffentlicht in Economica (Februar 1935): 75-81 (dieser Aufsatz wurde wiederveröffentlicht in Gottfried von Haberler, The Liberal Economic Order, Bd. 2: Money and Cycles and Related Things, Anthony Y.C. Koo, Hrsg. [Aldershot: Edward Elgar, 1993], S. 118-25. Gottfried von Haberler relativierte später seine Position zur Österreichischen Konjunkturtheorie. Diese Revision veranlasste einige Beobachter anzunehmen, dass Haberler seine Position gänzlich widerrief. Diese Meinung halte ich für ungerechtfertigt. Das größte Zugeständnis, welches Haberler machte, besteht in der Aussage, dass die Theoretiker der Österreichischen Schule nicht streng bewiesen haben, dass die Preisstabalisierung in einer wachsenden Wirtschaft notwendigerweise immer zu einer Wirtschaftskrise führt. (Vgl. Haberler, Prosperity and Depression, S. 56-57). Ferner basierte Haberler seine Meinungsänderung nicht auf irgendeine theoretische Überlegung, sondern lediglich auf der Möglichkeit, dass während der Entwicklung des Zyklus zusätzlich unvorhergesehene Phänomene eintreten könnten – wie beispielsweise ein Anstieg der freiwilligen Ersparnisse etc. Dies Phänomene könnten tendenziell zu einem gewissen Grade die Kräfte, die wir in unserer wirtschaftlichen Analyse angezeigt haben, neutralisieren. Daher obliegt es Haberler und seinen Unterstützern in Hinblick auf jeden spezifischen Zyklus zu erklären, was die besonderen Umstände sind, welche die typischen Effekte der Kreditausweitung neutralisiert haben. Diese Effekte werden von den Österreichern mittels einer formalen Theorie prognostiziert, welche Haberler und seiner Unterstützer bis jetzt überhaupt nicht diskreditieren konnten. Vgl. dazu auch unsere Kommentare zu einer ähnlichen These von D. Laidler in Kapitel 7, S. ???528-31. Ein weiterer Autor eines in dieser Hinsicht bedeutenden Werkes ist L. Albert Hahn, der in seinem Buch, Common Sense Economics (New York: Abelard-Schumann, 1956, S. 128) fragt, ob ein Produktivitätsanstieg eine Politik der inflationären Kreditausweitung rechtfertigt oder nicht. Er kommt zu dem Schluß, dass solch eine Politik, die eine Inflation ohne Inflation erzeugt und im Allgemeinen als völlig harmlos angesehen wird, sehr störende Wirkungen haben und eine schwere Wirtschaftkrise verursachen kann. Nach Kahn täuschen sich die Theoretiker, die eine solche Politik als unverfänglich betrachten, weil sie „overlook the fact that productivity increases mean profit increases for the entrepreneur as long as cosi – for labor as well as for capital – are not fully raised accordingly.“ Daher kommt Murray Rothbard zu dem Schluß, dass der entscheidenden Punkt nicht so sehr die Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus ist, sondern vielmehr, ob der Zinssatz durch eine Politik der Kreditausweitung unter das Niveau gesenkt wird, welches er auf dem freien Markt ohne eine solche Politik angenommen hätte (Man, Economy, and State, S. 862-63).
einmal statt gefunden hat. Die einzig mögliche Maßnahme um zu verhindern, dass dieser Prozess beginnt, ist es, einer Politik der Kreditausweitung bzw. eines Geldmengenwachstums in Form von neuen Bankdarlehen vorzubeugen. Das letzte Kapital dieses Buches enthält eine Erklärung
der
institutionellen
Änderungen,
die
notwendig
sind,
um
moderne
Volkswirtschaften gegen die sukzessiven Etappen von Aufschwung und Abschwung, welche sie regelmäßig durchschreiten, zu immunisieren. Diese institutionellen Reformen involvieren im Wesenlichen die Wiederherstellung der traditionellen Rechtsprinzipien, welche den irregulären Depositenvertrag bei fungiblen Gütern regulieren und welche die ständige Vorhaltung des tantundems erfordern; in anderen Worten eine 100 prozentige Reservedeckung. Dies ist die einzige Möglichkeit, um zu garantieren, dass das System nicht unabhängig eine nicht durch reale Ersparnisse gedeckte Kreditexpansion unternimmt, und dass die gewährten Darlehen immer aus einem vorherigen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse der Gesellschaft stammen. Somit werden Unternehmer nur eine Verlängerung der Produtionsstruktur vornehmen, wenn sie auch - abgesehen von ungewöhnlichen Umständen in der Lage sind, diese zu beenden und unterhalten. Dabei gibt es keine systematische Fehlabstimmung zwischen den unternehmerischen Entscheidungen der Investoren und denen anderer Wirtschaftssubjekte in Hinblick auf den Betrag und die Proportion ihres Einkommen, welches sie zu konsumieren und sparen wünschen. Unter der Vorraussetzung einer Kreditausweitung in der Vergangenheit, wissen wir, dass die Wirtschaftskrise unweigerlich zuschlagen wird, unbekümmert irgendwelcher Versuche, ihr Eintreten durch die Injektion neuer Kredite in einer progrossiv ansteigenden Rate hinauszuschieben. In jedem Falle bedeutet der Ausbruch der Krise und Rezession letztlich den Beginn der Erholung. In anderen Worten ist die Wirtschaftsrezession der Beginn der Erholungsphase, zumal in ihr die begannenen Fehler enthüllt, die fehlerhaft unternommenen Investitionsprojekte liquidiert sowie Arbeit und die restlichen Produktionsfaktorn allmählich in jene Sektoren und Stufen transferiert werden, in denen die Verbraucher sie am höchsten
bewerten. Genau wie ein Kater ein Zeichen einer gesunden Reaktion des Körpers auf einen Angriff von Alkohol ist, markiert die wirtschaftliche Rezession den Beginn der Erholungsphase, welche genauso gesund und notwendig wie schmerzhaft ist. Diese Phase resultiert in eine Produktionsstruktur, welche besser mit den wahren Wünschen der Verbraucher abgestimmt ist31. Der Abschwung setzt ein, wenn sich die Kreditausweitung verlangsamt oder stoppt. Als eine Folge
werden
die
fehlerhaft
unternommenen
Investitionsprojekte
liquidiert,
die
Produktionsstruktur wird schlanker, sowie die Anzahl der Stufen geht zurück, und die Arbeiter und anderen in den konsumfernsten Produktionsstufen eingesetzten ursprünglichen Produktionsfaktoren werden dort, wo sie nicht länger profitabel sind, entlassen oder nicht länger nachgefragt. Die Erholung festigt sich, wenn die Wirtschaftssubjekte im Allgemeinen und die Verbraucher im Besonderen sich dazu entschließen, ihren Konsum relativ gesehen zu verringern und ihre Ersparnisse steigern, um ihre Darlehen zurückzuzahlen und die neue Phase der wirtschaftlichen Unsicherheit und Rezession zu bestreiten. Mit dem Ende des Aufschwungs und der beginnenden Anpassung geht naturgemäß ein Rückgang des Zinssatzes einher. Dieser Rückgang liegt in der Verringerung und sogar Auflösung der Prämie begründet, welche auf der Erwartung eines Rückgangs in der Kaufkraft des Geldes basiert. Außerdem steigt der Zinssatz, weil die Rezession einen relativen Anstieg der Ersparnisse provoziert. Die Verlangsamung der rasanten Geschwindigkeit mit der Güter und Leistungen der letzten Produktionsstufe konsumiert werden bestärkt zusammen mit dem Sparanstieg und
31
One point should be stressed: the depression phase is actually the recovery phase; . . . it is the time when bad investments are liquidated and mistaken entrepreneurs leave the market—the time when “consumer sovereignty” and the free market reassert themselves and establish once again an economy that benefits every participant to the maximum degree. The depression period ends when the free-market equilibrium has been restored and expansionary distortion eliminated. (Rothbard, Man, Economy, and State, S. 860) Mithin markiert, obgleich die anstehende Tabelle VI-I, S. ??? zwischen den Phasen der „Depression“ und „Erholung“ unterscheidet, genau genommen die Depressionsphase den Beginn der echten Erholung.
der Reorganization der Produktionsstufen auf allen Niveaus weiter die Erholung. Diese Effekte erscheinen zunächst in den Aktienmärkten, welche im Allgemeinen als erste eine gewisse Verbesserung erfahren. Desweiteren löst der Reallohnanstieg, welcher in dieser Phase der Erholung einsetzt, den „Ricardoeffekt“ aus und belebt damit die Investitionen in den konsumfernsten Stufen wieder, in denen Arbeit und Produktivkräfte erneut eingesetzt werden. In dieser spontanen Weise endet die Erholung. Dieser Zustand kann in Abwesenheit neuer Phasen mit nicht durch reale Ersparnisse gedeckter Kreditausweitung unbegrenzt bestärkt und aufrechterhalten werden. Für gewöhnlich kommt es indes zu einer weiteren Kreditausweitung, welche zu neuen wiederkehrenden Krisen führt32. Nachdem wir festgestellt haben, dass Wirtschaftskrisen nicht verhindert werden können, sobald ihre Samen einmal gesät worden sind und die einzige Alternative ist, es gar nicht erst zur Kreditausweitung kommen zu lassen, stellt sich jetzt nichtsdestoweniger die Frage, was die angemessenste Politik ist, sobald die unvermeidbare Krise und die Rezession zugeschlagen haben? Die Antwort ist einfach, wenn wir uns die Wurzel der Krise und was die Krise impliziert vergegenwärtigen: Es besteht die Notwendigkeit, die Produktionsstruktur anzupassen und mit dem wahren Konsumentenwünschen bezüglich ihres Sparens in Einklang zu bringen, die fehlerhaft unternommenen Investitionsprojekte zu liquidieren und im großen Stil Produktionsfaktoren in die konsumnächsten Stufen zu transferieren, in denen die Verbraucher ihren Einsatz nachfragen. Daher besteht die einzig mögliche und angebrachte
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Eine ausführliche Stufe der Erholung und ihrer verschiedenen Phasen kann auf den Seiten 38-82 von Hayeks Buch, Profits, Interest and Investment gefunden werden, in denen sich Skousen auf eine Aussage von Hayek bezieht, nach der: It is a well-known fact that in a slump the revival of final demand is generally an effect rather than a cause of therevival in the upper reaches of the stream of production— activities generated by savings seeking investment and by the necessity of making up for postponed renewals and replacements. (Skousen, The Structure of Production, p. 315) Hayek machte diese scharfsinnige Beobachtung in der Zeitschrift, The Economics, in einem Artikel vom 11. Juni 1983 mit dem Titel „The Keynes Centenary: The Austrian Critic,“ Nr. 7293, S. 46.
Politik im Krisenfall in dem Bestreben, die Wirtschaft so flexibel als möglich zu machen. Vor allem die verschiedenen Faktormärkte, allen voran der Arbeitsmarkt, sollten flexibilisiert werden, so dass die Anpassung so schnell als möglich und mit den geringst möglichen Mühen durchgeführt werden kann. Daher wird die Anpassung umso länger dauern und mit desto größeren sozialen Schärfen verbunden sein, je rigider und regulierter die Wirtschaft ist. Die begannenen Fehler und die Rezession könnten sogar unbegrenzt fortbestehen, wenn es für die Wirtschaftssubjekte institutionell unmöglich ist, ihre Projekte zu liquidieren und ihre Kapitalgüter und Produktionsfaktoren vorteilhafter umzugruppieren. Daher ist die Faktormarktstarrheit der Haupthinderungsgrund der Erholung und jede Politik, die auf die Linderung der Krise und die Einleitung und Bestärkung der Erholung abzielt, sollte sich so schnell als möglich auf das mikroökonomische Ziel der größtmöglichen Deregulierung aller Faktormärkte, vor allem des Arbeitsmarktes fokussieren und diese so flexibel als möglich gestalten33. Dies ist die einzige empfehlenswerte Maßnahme während einer wirtschaftlichen Krise und Rezession. Es ist besonders wichtig jegliche politischen Maßnahmen zu vermeiden, welche in geringeren oder größeren Maße aktiv die notwendigen spontanen Prozesse der Anpassung behindern oder unterbinden34. Zudem sollten besonders gewisse Maßnahmen vermieden
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Wie Ludwig M. Lachmann schreibt, [w]hat is needed is a policy which promotes the necessary readjustments. . . . Capital regrouping is thus the necessary corrective for the maladjustment engendered by a strong boom. (Capital and its Structure, S. 123 and 125) 34
Wir stimmen mit Murray N. Rothbard überein, wenn er empfiehlt, dass sobald einmal die Krise ausbricht, die Wirtschaft so flexibel als möglich gemacht werden und das Gewicht und der Einfluß des Staates in der Wirtschaft in allen Bereichen reduziert werden sollte. Auf diese Weise wird nicht nur die unternehmerische Funktion in dem Sinne bestärkt, dass Geschäftsleute ermutig werden, fehlerhaft begonnen Projekte zu liquidieren und sich angemessen umzugestalten, sondern auch eine höhere soziale Spar- und Investitionsquote begünstigt. Nach Rothbard, Reducing taxes that bear most heavily on savings and investment will further lower social time preferences. Furthermore, depression is a time of economic strain. Any reduction of taxes, or of any regulations interfering with the free-market, will stimulate healthy economic activity.
werden, welche sich stets großer Beliebheit und politischer Unterstützung in Krisen angesichts ihrer sozialen Härten erfreuen. Im Folgenden seien die wichtigsten normalerweise vorgeschlagen und zu vermeidenden Maßnahmen aufgeführt: (a) Die Gewährung neuer Darlehen an Unternehmen aus den Kapitalgüterstufen, um sie vor der Krise, Zahlungseinstellungen und dem Reorganisationsdruck zu schützen. Die Vergabe neuer Darlehen verzögert lediglich den Ausbruch der Krise, macht jedoch die nachfolgende notwendige Anpasung um einiges schärfer und schwieriger. Desweiteren vertagt die systematische Gewährung neuer Darlehen zur Rückzahlung alter Darlehen die schmerzhaften Investitionsliquidierungen und mit ihnen sogar unbegrenzt den Beginn der Erholung. Mithin sollte jegliche Kreditsausweitungspolitik vermieden werden.
Er kommt zu dem Schluß: There is one thing the government can do positively, however: it can drastically lower its relative role in the economy, slashing its own expenditures and taxes, particularly taxes that interfere with saving and investment. Reducing its taxpending level will automatically shift the societal savinginvestment-consumption ratio in favor of saving and investment, thus greatly lowering the time required for returning toa prosperous economy. (America’s Great Depression, S. 22) Rothbard legt auch eine Liste von typischen Krisenmaßnahmen des Staates an, welche höchst kontraproduktiv sind und in jedem Falle tendenziell die Depression verlängern und mühsamer machen. Die Liste liest sich wie folgt: (1) Prevent or delay liquidation. Lend money to shaky businesses, call on banks to lend further, etc. (2) Inflate further. Further inflation blocks the necessary fall in prices, thus delaying adjustment and prolonging depression. Further credit expansit creates more malinvestments, which, in their turn, will have to be liquidated in some later depression. A government “easy-money” policy prevents the market’s return to the necessary higher interest rates. (3) Keep wage rates up. Artificial maintenance of wage rates in a depression insures permanent mass unemployment. . . . (4) Keep prices up. Keeping prices above the free-market levels will create unsalable surpluses, and prevent a return to prosperity. (5) Stimulate consumptionand discourage saving. . . . [M]ore saving and less consumption would speed recovery; more consumption and less saving aggravate the shortage of saved capital even further. . . . (6) Subsidize unemployment. Any subsidization of unemployment . . . will prolong unemployment indefinitely, and delay the shift of workers to the fields where jobs are available. (America’s Great Depression, S. 19)
(b) Zudem sind die unpassenderweise als „Vollbeschäftigungspolitik“ bezeichneten Maßnahmen sehr schädlich. Sie sollen allen Arbeitern ihre Arbeitsstelle garantieren. Wie Hayek sehr klar sagt, [A]ll attempts to create full employment with the existing distribution of labour betweenindustries will come up against the difficulty that with full employment people will want a larger share of the total output in the form of consumers’ goods than is being produced in that form35. Es ist damit unmöglich, dass eine Politik der Staatsausgaben und Kreditausweitung erfolgreich alle bestehenden Arbeitsplätze sichert, wenn die Arbeiter das Einkommen, welches aus der Kreditausweitung und der künstlichen Nachfrage des öffentlichen Sektors stammt, auf eine Weise ausgeben, die eine andere Produktionsstruktur erforderlich macht, d.h. eine Struktur, die es ihnen unmöglich macht, ihre bestehenden Arbeitsplätze zu behalten. Jede Politik der künstlichen Arbeitsplatzerhaltung, die durch Inflation oder Kreditausweitung finanziert wird ist in dem Maße selbstzerstörerisch, in dem die Verbraucher das neu geschaffene Geld, sobald es in ihren Besitz gelangt, auf eine Weise ausgeben, welche es unmöglicht macht, dass diese Arbeitsplätze profitabel sind. Daher ist die einzig mögliche Arbeitsmarktpolitik, die Entlassung und Wiedereinstellung von Arbeitern zu erleichtern, in dem man die Arbeitsmärkte äußerst flexibel gestaltet. (c) Desgleichen sollte jede Politik vermieden werden, welche auf die Wiederherstellung des status quo in Hinblick auf die makroökonomischen Aggregate abzielt. Krisen und Rezessionen sind von Natur aus mikroökonomisch und nicht makroökonomisch. Daher ist eine solche Politik in dem Maße zum Scheitern verurteilt, in dem sie es Unternehmern schwierig oder gar unmöglich macht, ihre Pläne zu überdenken, ihre Kapitalgüter umzuorganisieren, ihre Investitionsprojekte zu liquidieren und ihre Unternehmen zu sanieren. Wie es Ludwig M. Lachmann deutlich macht,
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Hayek, Profits, Interest and Investment, S. 60. Hayek erwähnt zudem, dass die Arbeitslosenquote nicht die unterschiedlichen Verhältnisse in den verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses reflektiert. Er stellt heraus, dass normalerweise in der tiefsten Rezessionphase bis zu 25 oder 30 Prozent der Arbeiter in den konsumfernsten Stufen arbeitslos sein können, während die Arbeitslosigkeit unter Arbeitern in den konsumnächsten Stufen signifikant geringer ist und zwischen 5 und 10 Prozent erreichen könnte. Vgl. auch Fußnote 2 auf S. 59-60 von Hayek´s Buch.
[A]ny policy designed merely to restore the statusquo in terms of “macroeconomic” aggregate magnitudes, such as incomes and employment, is bound to fail. The state prior to the downturn was based on plans which have failed; hence a policy calculated to discourage entrepreneurs from revising their plans, but to make them “go ahead” with the same capital combinations as before, cannot succeed. Even if business men listen to such counsel they would simply repeat their former experience. What is needed is a policy which promotes the necessary readjustments36. Daher wird eine Geldpolitik, die ungeachtet der Kosten darauf abzielt, den Aufschwung angesichts der ersten Krisensymptome (im Allgemeinen ein Rückgang des Aktien- und Immobilienmarktes) aufrechtzuerhalten, nicht die Rezession vermeiden, auch wenn sie geeignet ist, das Eintreten der Krise hinauszuschieben. (d) Weiterhin sollte der Preis der Gegenwartsgüter ausgedrückt in Zukunftsgütern, der die soziale Zeitpräferenzrate reflektiert, bzw. der Zinssatz nicht manipuliert werden. In der Tat tendiert der Zinssatz des Kreditmarktes während der Erholungsphase spontan dazu, zu sinken - wegen des Kosumgüterpreisrückgangs und des Sparanstiegs, welcher durch die Reorganisation begründet ist, welche die Rezession mit sich bringt. Nichtsdestoweniger ist jegliche Manipulation des Marktzinssatzes kontraproduktiv und übt einen negativen Einfluss auf den Liquidationsprozess aus und führt zu neuen unternehmerischen Fehlern. In der Tat können wir mit Hayek schließen, dass jede Politik, welche versucht, die Zinssätze auf einem Niveau zu fixieren, der Stabilität der Wirtschaft äußerst abträglich ist, da die Zinssätze sich spontan im Einklang mit den wirklichen Spar- und Konsumpräferenzen der Wirtschaftssubjekte entwickeln müssen. [T]he tendency to keep the rates of interest stable, and especially to keep them low as long as possible, must appear as the arch-enemy of stability, causing in the end much greater fluctuations, probably even of the rate of interest, than are really necessary. Perhaps it should be repeated that this applies especially to the doctrine, now so widely accepted, that interest rates should be kept low till “full employment” in general is reached37. (e) Schließlich ist jede Politik zu unterlassen, welche die Schaffung von künstlichen Arbeitsplätzen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder andere staatlich finanzierte
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Lachmann, Capital and its Structure, S. 123. Hayek, Profits, Interest and Investment, S. 70.
Investitionsprojekten beinhaltet. Es ist offensichtlich, dass wenn solche Projekte durch Steuern oder die Ausgabe von Staatsschulden finanziert werden, diese Politik jediglich Ressourcen aus den Bereichen der Volkswirtschaft abzieht, in denen die Verbraucher sie haben wollen, und sie den öffentlichen staatlich finanzierten Projekte zukommen lässt. Damit wird eine neue Schicht von umfassenden Fehlinvestitionen geschaffen. Weiterhin kommt es, wenn diese Arbeiten oder „Investitionen“ durch die simple Schaffung neuen Geldes finanziert werden, zu allgemeinen Fehlinvestitionen, in dem Sinne, dass, wenn die in diesen Abläufen angestellten Arbeiter einen Großteil ihres Einkommen auf den Konsum verwenden, die Konsumgüterpreise relativ gesehen ansteigen und die heikle Situation der Unternehmern, die in den konsumfernsten Stufen operieren, noch verschärfen. In jedem Falle ist es den Regierungen, welche sich antizyklischer Ausgabenprogramme bedienen, nahezu unmöglich, dem Einfluss mannigfaltigen politischen Drucks zu widerstehen, welche diese Maßnahmen noch ineffizienter und schädlicher machen. Dies wird auch durch die Ergebnisse der PublicChoice-Schule angezeigt. Desweiteren gibt es keine Garantie, dass zu dem Zeitpunkt, an dem die Regierungen die Situation diagnostizieren und sich entschließen, die angeblich hilfreichen Maßnahmen zu unternehmen, sie sich nicht in Hinblick auf die zeitliche Planung oder die Abfolge der verschiedenen Phänomene irren und mit ihren Maßnahmen tendenziell die Fehlabstimmungen verschärfen anstatt sie zu lösen38.
11 DIE KONJUNKTURTHEORIE UND BRACHLIEGENDE RESSOURCEN: IHRE ROLLE IN DEN ANFANGSPHASEN DES AUFSCHWUNGS Kritiker der Österreichischen Konjunkturtheorie haben oft argumentiert, dass diese Theorie auf der Annahme der Vollbeschäftigung der Ressourcen fuße, und dass mithin die Existenz von ungenutzen Ressourcen bedeute, dass die Kreditausweitung nicht notwendigerweise zu ausgedehnten Fehlinvestitionen führen würde. Jedoch ist diese Kritik vollkommen unbegründet. Wie Ludwig M. Lachmann einsichtig offen gelegt hat, beginnt die Österreichische Konjunkturtheorie nicht mit der Annahme der Vollbeschäftigung. Im Gegenteil begann Mises beinahe von dem Zeitpunk an, als er die Konjunkturtheorie 1928 38
Vgl. zu diesem Thema Ludwig von Mises, „The Chimera of Contracyclical Policies,“ S. 798-800 in Human Action. Siehe auch die einschlägigen Beobachtungen von Mark Skousen zu „The Hidden Drawbacks of Public Works Projects,“ S. 337-39 seines Buches, The Structure of Production.
formulierte, mit der Voraussetzung, dass zu jeder Zeit ein sehr signifikantes Volumen an Ressourcen ungenutzt sein kann.39 In der Tat bewies Mises von Anfang an, dass das Brachliegen von Ressourcen nicht nur mit der von ihm entwickelten Theorie kompatibel, sondern tatsächlich eines ihrer grundlegendsten Element war. In Marktprozessen, in denen Unternehmer Pläne schmieden, welche die Produktion von heterogenen und komplementären Kapitalgütern beinhalten, werden kontinuierlich Fehler begangen und aufgrund von „Engpässen“ sind nicht alle Produktivkräfte und Ressourcen in Nutzung. Daraus erwächst die Notwendigkeit eines der Ausübung der unternehmerischen Aktivität zuträglichen flexiblen Marktes. Diese Aktivität enthüllt tendenziell die existierenden Fehlabstimmungen und erneuert die Koordination in einem niemals endenden Prozess. In der Tat erklärt die Theorie, wie die Bankkreditausweitung den Koordinationsprozess, in dem die existierenden Fehlabstimmungen behoben werden, unterbricht und erschwert.40 Die Konjunkturtheorie lehrt gerade, dass die nicht durch reale Ersparnisse gedeckte Kreditausweitung die Fehlinvestition von Produktivkräften fördert, sogar wenn es eine signifikantes Volumen an ungenutzten Ressourcen, vor allem Arbeit gibt. In anderen Worten ist die Vollbeschäftigung entgegen der Meinung, welche viele Kritiker der Theorie vorgebracht haben, keine Voraaussetzung für die mikroäkonomischen Verzerrungen durch die Kreditausweitung. Wenn eine Kreditausweitung stattfindet, erscheinen ökonomische Projekte rentabel, welche es in Wirklichkeit nicht sind, ungeachtet der Frage, ob sie mit Ressourcen durchgeführt werden, welche vor dem Beginn 39
[T]he Austrian theory does not, as is often suggested, assume “Full Employment.” It assumes that in general, at any moment, some factors are scarce, some abundant. It also assumes that, for certain reasons connected with the production and planned use of capital goods, some of these scarcities become more pronounced during the upswing. Those who criticize the theory on the ground mentioned merely display their inability to grasp the significance of a fundamental fact in the world in which we are living: the heterogeneity of all resources. Unemployment of some factors is not merely compatible with Austrian theory; unemployment of those factors whose complements cannot come forward in the conditions planned is an essential feature of it. (Lachmann, Capital and its Structure, S. 113–14) 40 Mises schrieb 1928: Es gibt auch auf dem unbehinderten Markte zu Zeiten eine gewisse Menge von unverkauften Gütern, die über das Maß der der Statik entsprechenden Lagerhaltung hinausgeht, von unbeschäf-tigten Produktionsmittelanlagen und von unbeschäftigten Arbeitern. Diese Reserven werden nun zunächst von der Belebung der Geschäfts- und Produktionstätigkeit erfaßt. Sind sie aber einmal verschwunden, dann muß die Vermehrung der Umlaufsmittelmenge Störungen besonderer Art auslösen. (Mises, Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik, S. 49)
Hayek präsentiert in seinem Buch Profits, Interest and Investment, S. 3-73, seine Konjunkturtheorie, wobei er von der Existenz von brachliegenden Ressourcen ausgeht. Dort erinnert er uns ausdrücklich daran, dass von dem Zeitpunkt an, als Mises begann ,seine Konjunkturtheorie im Jahre 1928 zu entwickeln, er annahm, dass Arbeitskräfte und andere Produktivkräfte ungenutzt wären (Vgl. auch Fußnote 1 auf Seite 42.)
der Porjekte ungenutzt waren oder nicht. Der einzige Effekt besteht darin, dass der nominale Preis der ursprünglichen Produktionsfaktoren nicht so stark steigen könnte, wie er gestiegen wäre, wenn vorher Vollbeschäftigung geherrscht hätte. Nichtsdestoweniger treten schließlich die anderen Faktoren auf, welche zu den Fehlinvestitionen und der spontanen Korrektur der begangenen Fehler, in der Form einer Krise und Rezession, führen; ungeachtet der Tatsache, ob diese Fehler mit ursprünglich ungenutzten Ressource begangen wurden oder nicht. Ein künstlicher auf Bankkreditausweitung fußender Aufschwung, welcher die zuvor brachliegenden ursprünglichen Produktionsfaktoren umleitet, unterbricht lediglich den noch nicht beendeten Anpassungsprozess dieser Faktoren. Folglich überlagert eine neue Schicht ausgedehnter Fehlinvestitionen eine vorherige Schicht, welche noch nicht gänzlich liquidiert und vom Markt absorbiert worden ist. Ein weiterer möglicher Effekt des Gebrauchs von zuvor brachliegenden Ressourven ist der folgende: Abgesehen von der Tatsache, dass ihr Preis absolut gesehen nicht schnell ansteigt, könnten sie eine kurzfristige Verlangsamung in der Produktion von Konsumgüter und Dienstleistungen unnötig machen. Nichtsdestoweniger findet eine Fehlallokation von Ressourcen statt, da diese in nicht rentablen Projekten investiert werden. Die Effekte des Zyklus werden dann eintreten, wenn die Geldeinkommen der zuvor ungenutzten ursprünglichen Produktionsmittel allmählich für die Konsumgüter und Leistungen verausgabt werden. Die Preise dieser Güter und Dienstleistungen steigen relativ stärkter als die Preise der Produkte der konsumfernsten Stufen. Dadurch werden die Reallöhne relativ gesehen gesenkt und der „Ricardoeffekt“ sowie die anderen Effekte ausgelöst, welche zur Krise und Rezession führen. In jedem Falle wird die Kreditausweitung immer von vornherein einen überproportionalen Anstieg in den relativen Preisen der Produkte aus den konsumfernsten Stufen verursachen. Dieser Anstieg ist auf der neuen monetären Nachfrage begründet, welche die Kredite für diese Güter generieren und auf der künstlichen Zinssatzsenkung, welche diese Projekte attraktiver macht. Diese resultiert in einer Verlängerung der Produktionsstruktur. Diese Veränderung kann auf lange Sicht nicht aufrechterhalten werden und ist vollkommen unabhängig davon, ob in einigen dieser Projekte zuvor ungenutzte Ressourcen eingesetzt worden sind. Mithin ist das verbreitete Argument, dass die von Mises, Hayek und der Österreichischen Schule entwickelte Theorie auf der Vollbeschäftigung der Ressourcen beruht, abwegig. Sogar
wenn wir eine hohe Arbeitslosigkeit annehmen, führt der Kreditausweitungsprozess unvermeidbar zu einer Rezession41. 12 DIE NOTWENDIGE KREDITRESTRIKTION WÄHREND DER REZESSIONSPHASE: KRITIK DER THEORIE DER „SEKUNDÄREN DEPRESSION“ Wir werden nun drei verschiedene Deflationsarten untersuchen. Dabei wird Deflation als jedweder Rückgang in der „umlaufenden“ Geldmenge definiert42. Die Deflation besteht in einem Rückgang der Geldmenge oder in einer steigenden Geldnachfrage und verursacht ceteris paribus eine Tendenz zum Anstieg der Kaufkraft der Geldeinheit (d.h. ein Rückgang im „allgemeinen Preisniveau“). Nichtsdestoweniger ist es wichtig, die Verwechslung der
41
Man erkennt somit, was für eine Bewandtnis es mit der Berufung auf die unausgenützte Produktionskapazität, die unverkauften - oder, wie man ungenau sagt, unverkäuflichen - Vorräte und die unbeschäftigten Arbeiter hat. Der Beginn einer jeden Kreditausweitung stößt auf solche noch nicht angepasste Reste älterer Kapitalfehlleitung und «saniert» sie scheinbar. In der Tat aber handelt es sich dabei um nichts anderes als um die Störung von im Zuge befindlichen Anpassungsprozessen. Das Vorhandensein unbeschäftigter Produktionsmittel erschüttert nicht die Schlüssigkeit der Gedankengänge der Zirkulationskredittheorie des Konjunkturwechsels. Wenn die Befürworter der Kreditausweitung im Hinblick auf diese unbeschäftigten Produktionsmittel meinen, dass die Unterdrückung aller Möglichkeiten der Kreditausweitung die Depression verewigen würde, sind sie in Irrtum befangen. Die von ihnen empfohlenen Maßnahmen würden nicht die gute Konjunktur verewigen, sondern den Anpassungsprozess und die Gesundung immer wieder stören. (Mises, Nationalökonomie, S. 528) Hayek kommt zu einem ähnlich Schluß, obgleich seine Argumentation ein wenig differiert: If the proportion as determined by the voluntary decisions of individuals is distorted by the creation of artificial demand, it must mean that part of the available resources is again led into a wrong direction and a definite and lasting adjustment is again postponed. And, even if the absorption of the unemployed resources were to be quickened in this way, it would only mean that the seed would already be sown for new disturbances and new crises. The only way permanently to “mobilise” all available resources is, therefore, not to use artificialstimulants—whether during the crisis or thereafter— but to leave it to time to effect a permanent cure by the slow process of adapting the structure of production to the means available for capital purposes. (Hayek, Prices and Production, S. 98–99) Mark Skousen macht in seinem Buch, The Structure of Production, S. 289-90 einige scharfsinnige Bemerkungen zu diesem Thema. 42 Dieser Ausdruck ist, obgleich er ganz anschaulich ist, nicht theoretisch rigoros, da Geld niemals „im Umlauf“ ist, sondern immer Teil der Kassenhaltung eines Wirtschaftssubjektes ist.
Deflation mit ihrer typischsten und hervorstechendsten Wirkung (dem Rückgang des allgemeinen Preisniveaus) zu vermeiden, denn in gewissen Fällen können die Preise der Güter und Dienstleistungen in Abwesenheit von Deflation fallen. Wie wir gesehen haben ist dieser Preisniveaurückgang Bestandteil eines gesunden Wachstumsprozesses einer Volkswirtschaft, deren Produktivität aufgrund der Einbindung neuer Technologien sowie der aus dem unternehmerischen
Geist
und
dem
natürlichen
freiwilligen
Sparanstiegs
der
Wirtschaftssubjekte entspringenden Kapitalakkumulation ansteigt. Wir haben diesen Prozess im vorangehenden Abschnitt untersucht. Ohne einen Rückgang der zirkulierenden Geldmenge führt dieser Prozess zu einem Produktionsanstieg der Güter und Dienstleistungen, welche nur zu niedrigeren Preisen verkauft werden können. Mithin resultiert der Prozess in einem Anstieg der Reallöhne und des Einkommens der ursprünglichen Produktionsmittel, weil, obzwar das Einkommen der Arbeiter und anderer Eigentümer ursprünglicher Faktoren nominal gesehen ziemlich konstant bleibt, die Preise der von den Arbeitern erworbenen Konsumgüter und Dienstleistungen beträchtlich fällt. In diesem Falle ist der Rückgang des allgemeinen Preisniveaus nicht monetären sondern realen Ursprungs43 und er ist auf den allgemeinen Produktivitätsanstieg in der Volkswirtschaft zurückzuführen. Mithin ist dieses Phänomen vollkommen ohne Bezug zur Deflation, wie wir sie definiert haben und ist einfach ein Zeichen des gesündesten und natürlichen Prozesses der Wirtschaftsentwicklung. Nichtsdestoweniger werden wir nun drei verschiedene Deflationarten (streng definiert als ein Angebotsrückgang oder ein Nachfrageanstieg des Geldes) analysieren. Diese Deflationsarten haben radikal verschiedene Ursachen und Folgen. Wir werden diese Deflationsarten detailliert untersuchen44:
43
Vgl. das Kapitel „Veränderungen der Kaufkraft von der Geldseite her und von der Warenseite her“ (Mises, Nationalökonomie, S. 379-383). 44 Kurzum versuchen wir eine wichtige Lücke der Theorie der Deflation zu schließen. Ludwig von Mises offenbarte diese Lücke 1933 als er schrieb, Unglücklicherweise läßt sie die Theorie noch immer gerade dort im Stiche, wo die Belehrung am dringendsten nottäte: in der Beurteilung der Wirkungen sinkender Preise. Allgemeiner Preisrückgang wurde zu allen Zeiten ungünstig beurteilt; heute stört die Starrheit der Löhne und mancher anderer Kostenfaktoren noch mehr als früher die unbefangene Betrachtung des Problems. Es wäre wohl an der Zeit, die Wirkungen sinkender Geldpreise grundsätzlich zu untersuchen und sich mit der weitverbreiteten Auffassung auseinanderzusetzen, die glaubt, daß sinkende Preise und fortschreitende Mehrung des Sozialprodukts und mithin des Wohlstandes unvereinbar sind. Daran hätte sich die Frage zu knüpfen, ob es denn wahr sei, daß nur inflatorische Vorgänge fortschreitende Kapitalbildung und Ausgestaltung des Produktionsapparats ermöglichen. Solange an der naiv inflationistischen Fortschrittstheorie festgehalten
(a) Die erste Art besteht in der Politik der staatlichen Autorität absichtlich die zirkulierende Geldmenge zu vermindern. Eine derartige Politik ist bei verschiedenen historischen Begebenheiten implementiert worden und stößt einen Prozess an, bei dem die Kaufkraft der Geldeinheit tendenziell ansteigt45. Desweiteren verzerrt dieser erzwungene Rückgang in der zirkulierenden Geldmenge die gesellschaftliche Produktionsstruktur. In der Tat führt der Geldmengenrückgang zunächst zu einer Verringerung der Darlehensvergabe und einer künstlichen Erhöhung des Marktzinses, was
wiederum
eine
Abflachung
der
Produktionsstruktur
hervorruft.
Diese
Modifizierung wird durch rein monetäre Faktoren und nicht durch die wahren Wünsche der Konsumenten erzwungen. Folglich erscheinen viele rentable Kapitalgüterstufen in der Produktionsstruktur fälschlicherweise als unrentabel – vor allem die konsumfernsten und kapitalintensivsten Stufen. Als eine Folge erleiden die spezialisiertesten Unternehmen der kapitalintensiven Sektoren weitverbreitete Buchverluste. Weiterhin wird in allen Sektorn die verringerte monetäre Nachfrage nicht von einem parallelen und genauso schnellen Kostenrückgang begleitet. Damit entstehen Buchverluste und Pessimismus breitet sich aus. Weiterhin verursacht der Anstieg der Kaufkraft der Geldeinheit und der Rückgang der Verkauftspreise der Produkte einen bedeutenden Reallohnanstieg der Eigentümer der ursprünglichen Produktionsfaktoren. Diese werden in dem Maße, in dem ihre Preise rigide sind und nicht so schnell fallen wie die Konsumgüterpeise, tendenziell ihre Beschäftigung verlieren. Damit beginnt eine anhaltende und schmerzvolle Anpassungsperiode, die solange anhält bis sich die gesamte Produktionsstruktur und die ursprünglichen Produktionsfaktoren den neuen monetären Bedingungen angepasst haben. Dieser gesamte Prozess einer absichtlichen Deflation bringt nichts Positives ein und setzt lediglich das Wirtschaftssystem einem unnötigen Druck aus. Bedauerlicherweise hat
wird, werden die Vorschläge, durch Kreditausweitung Aufschwung auszulösen, immer wieder Erfolg haben. Ludwig von Mises, „Die Stellung und die nächste Zukunft der Konjunkturforschung,“ veröffentlicht in Festschrift für Arthur Speithoff (München: Duncker und Humblot, 1933), S. 175-80. Der Ausschnitt ist von S. 179-80. 45 Zum Beispiel entschied am 13. Mai 1925 Winston Churchull, zu der Zeit Finanzminister der Vereinigten Königreichs, die Vorweltkriegsgoldparität des Pfund Sterling wiederherzustellen. In anderen Worten die Parität, welche seit 1717 existiert hatte, als Sir Isaac Newton sie bei einem Pfund pro 4.86 Golddollar festlegte.
ein mangelndes theoretisches Wissen die Politiker in verschiedenen historischen Situationen dazu veranlasst, einen derartigen Prozess zu initiieren46. (b) Die zweite Deflationsart, welche von der ersten klar zu unterscheiden ist, liegt vor, wenn die Wirtschaftssubjekte sich zum Sparen entschließen; d.h. wenn sie darauf Verzichten einen signifikanten Anteil ihres Einkommens zu konsumieren und einen Teil oder die Gesamtheit der monetären Ersparnisse der Erhöhung ihrer Kassenhaltung widmen (d.h. sie horten) 46
47
. In diesem Falle erhöht tendenziell die gestiegene
Die typischsten Beispiele einer absichtlich durch die Regierung initiierten Deflation lassen sich im Vereinigten Königreich finden. Zunächst in der Folge der Napoleonischen Kriege und dann, wie oben erwähnt, unter der Schirmherrschaft Winston Churchills 1925, als dieser -trotz einer gewaltigen Inflation, welche die Pfund-Sterling-Noten im Ersten Weltkrieg betrafen – sich dazu entschließ, die Vorkriegsparität der Währung mit dem Gold wiederherzustellen. Kurzum missachtete Churchill offenkundig den Rat, welchen Ricardo 100 Jahre zuvor in einer ähnlichen Situation nach den Napoleonischen Kriegen gegeben hatte: „I should never advise a government to restore a currency which had been depreciated 30 per cent to par.“ Brief von David Ricardo an John Wheatley vom 18. September 1821, The Works of David Ricardo, Piero Sraffa, Hrsg. (Cambridge: Cambridge University Press, 1952), Bd. 9, S. 73. Ludwig von Mises schreibt in Bezug auf diese beiden historischen Fälle: The outstanding examples were provided by Great Britain’s return, both after the wartime inflation of the Napoleonic wars and after that of the first World War, to the prewar gold parity of the sterling. In each case Parliament and Cabinet adopted the deflationist policy without having weighed the pros and cons of the two methods open for a return to the gold standard. In the second decade of the nineteenth century they could be exonerated, as at that time monetary theory had not yet clarified the problems involved. More than a hundred years later it was simply a display of inexcusable ignorance of economics as well as of monetary history. (Mises, Human Action, S. 567–68 zudem S. 784 (S. 683 von Nationalökonomie)) F.A. von Hayek stellt den großen Fehler der Wiederherstellung der Vorkriegsparität des Goldes und des Pfundes heraus und erwähnt zudem, dass diese Politik auf langsame und graduelle Weise implementiert wurde anstatt in der Form eines schnellen Schocks, wie es in den Vereinigten Staaten zwischen 1920 und 1921 geschah. Hayek kommt zum folgenden Schluß: Though the clear determination of the government to restore the gold standard made it possible to do so as early as 1925, internal prices and wages were then still far from being adapted to the international level. To maintain this parity, a slow and highly painful process of deflation was initiated, bringing lasting and extensive unemployment, to be abandoned only when it became intolerable when intensified by the world crisis of 1931—but, I am still inclined to believe, just at the time when the aim of that painful struggle had been nearly achieved. (F.A. Hayek, 1980s Unemployment and the Unions: The Distortion of Relative Prices by Monopoly in the Labour Markets, 2. Aufl. [London: Institute of Economic Affairs, 1984], S. 15. Vgl. zudem Fußnote 43 in Kapitel 8) 47 Es ist auch theoretisch und praktisch möglich, dass die Wirtschaftssubjekte ihre Kassenhaltung (Geldnachfrage) erhöhen, ohne dass sie das Volumen ihres monetären Konsums modifizieren. Dies können sie damit erreichen, indem sie sich aus Anlagen in Produktivkräfte zurückziehen und Kapitalgüter verkaufen. Dies führt zu einer Abflachung der Produktionsstruktur und erzeugt eine allgemeine Verarmung der Gesellschaft in einem
Geldnachfrage die Kaufkraft der Geldeinheit; in anderen Worten wird das „allgemeine Preisniveau“ tendenziell gedrückt. Jedoch unterscheidet sich diese Deflationsart radikal von der vorherigen in dem Sinne, dass sie einen positiven Beitrag leistet, da sie aus dem Sparanstieg der Wirtschaftssubjekte entspringt, welche dadurch Ressourcen in der Form unverkaufter Konsumgüter und Leistungen freisetzen. Diese führt zu den in Kapitel 5 untersuchten Wirkungen, welche wir bei einem freiwilligen Sparanstieg betrachteten. Genauer gesprochen kommt es zum „Ricardoeffekt“, da die Konsumgüterpreise relative sinken, was wiederum ceteris paribus zu einem Anstieg Reallöhne der Arbeiter und der Einkommen ursprünglichen Produktionsfaktoren führt. Damit werden Prozesse ausgelöst, welche eine Produktionsstrukturverlängerung anstoßen. Die Produktionsstruktur wird kapitalintensiver durch die neu unternommen Investitionsprojekte. Die Projekte können von den Unternehmern beendet werden, weil Produktivkräfte in den konsumnächsten Stufen freigesetzt wurden. Der einzige Unterschied zwischen dieser Situation und der des freiwilligen Sparanstiegs, welcher sofort und direkt in der Produktionsstruktur bzw. den Kapitalmärkten angelegt wird, ist wie folgt: Wenn Ersparnisse sich als ein Anstieg in der Kassenhaltung manifestieren, kommt es notwendigerweise zu einem Preisrückgang der Konsumgüter und Leistungen sowie der Produktpreise der Zwischenstufen. Außerdem verringern sich unweigerlich die Nominaleinkommen der ursprünglichen Produktionsfaktoren und die Löhne, welche sich somit der gestiegenen Kaufkraft der Geldeinheit anpassen. Nichtsdestoweniger beinhaltet diese Deflationsart im Unterschied zur zuerst erwähnten, welche nichts einbringt, keinen schmerzvollen Prozess. Statt dessen ist der Prozess in diesem Fall auf wirklichen Ersparnissen basierend, was einen Anstieg der gesellschaftlichen Produktivität verursacht. Die Verlängerung der Produktionsstruktur und die Umplatzierung der Produktivkräfte geschehen in dem Ausmaße, wie es eine Veränderung (wie in Kapitel 5 erklärt) in den relativen Preisen der Produkte der Zwischenstufen und der letzten Stufe der Konsums gibt. Eine derartige Veränderung ist unabhängig davon, ob die Preise allgemein in unterschiedlichen Ausmaße als Folge der gestiegenden Kaufkraft der Geldeinheit absolut -nominal gesehen - fallen müssen, oder nicht48.
Prozess, der genau dem in Kapital 5 in Hinblick auf eine Produktionsstrukturverlängerung finanziert durch einen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse aufgezeigten Prozess entgegengesetzt ist. 48 Whenever an individual devotes a sum of money to saving instead of spending it for consumption, the process of saving agrees perfectly with the process of capital accumulation
(c)
Die dritte Deflationsart, welche wir betrachten werden, resultiert aus
der Kreditverknappung, welche normalerweise in der Krisen- und Rezessionsphase auftritt, die der Kreditausweitung folgt. Dieser Prozess ist in den Kapiteln 4 und 5 erwähnt worden, in denen wir folgendes analysierten: Genauso wie die Kreditausweitung
die
umlaufende
Geldmenge
erhöht,
lösen
die
massive
Darlehensrückzahlung und der Wertverlust der Vermögenswerte der Bankbilanzen – Phänomene, die beide auf die Krise zurückzuführen sind – einen unvermeidbaren kumulativen Kreditverknappungsprozess aus. Dieser Kreditverknappungsprozess verringert die umlaufende Geldmenge und erzeugt so Deflation. Die dritte Deflationsart tritt auf, wenn bei Anbruch der Krise die Kreditausweitung nicht nur stoppt, sondern es tatsächlich zu einer Kreditklemme und damit Deflation bzw. einem Rückgang
des
Geldangebots
oder
der
zirkulierenden
Geldmenge
kommt.
Nichtsdestoweniger unterscheidet sich diese Deflationsart vom bereits untersuchten Typ (a) und erzeugt verschiedenen positive Effekte, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Erstens veranlasst die durch die Kreditverknappung ausgelöste Deflation nicht die unnötigen Anpassungsprozesse, die wir im Absatz (a) behandelt haben. Stattdessen erleichtert und beschleunigt sie die Liquidierung von fehrlerhaft in der Expansionsphase begonnenen Investitionsprojekten. Die Kreditverknappung ist daher die natürliche Marktreaktion, die für die schnelle Liquidierung der während der Expansionsphase fehlerhaft unternommenen Investitionsprojekte notwendig ist. Ein zweiter positiver Effekt der Kreditdeflation besteht darin, dass sie in einem gewissen Sinne die Einkommensumverteilung umkehrt, welche in der Expansionsphase des inflationären Aufschwungs stattfand. In der Tat führt die inflationäre Expansion tendenziell zu einem Rückgang der Kaufkraft des Geldes, was wiederum die Realeinkommen aller Wirtschaftssubjekte mit einem fixen Einkommen (Sparer, Witwen, Weisen, und Rentner) zugunsten jener reduziert, die als erste die Darlehen des Bankensystems empfangen und einen Anstieg ihres Nominaleinkommens and investment. It does not matter whether the individual saver does or does not increase his cash holding. The act of saving always has its counterpart in a supply of goods produced and not consumed, of goods available for further production activities. A man’s savings are always embodied in concrete capital goods. . . . The effect of our saver’s saving, i.e., the surplus of goods produced over goods consumed, does not disappear on account of his hoarding. The prices of capital goods do not rise to the height they would have attained in the absence of such hoarding. But the fact that more capital goods are available is not affected by the striving of a number of people to increase their cash holdings. . . . The two processes— increased cash holding of some people and increased capital accumulation—take place side by side. (Mises, Human Action, S. 521–22)
erfahren. In der Phase der Kreditverknappung dreht sich diese Zwangsumverteilung dann um, zugunsten derer, die in der Expansionsphase als erste geschädigt wurden. So werden Wirtschaftssubjekte mit einem fixen Einkommen (Witwen, Weisen und Rentner) einen Vorteil gegenüber jenen haben, welche die Situation in der früheren Phase am stärksten ausgenutzt haben. Dritten lässt eine Kreditdeflation im Allgemeinen unternehmerische Vorhaben weniger rentabel erscheinen, da die historischen Kosten in Geldeinheiten mit geringerer Kaufkraft und später die Bucheinnahmen in Geldeinheiten mit höherer Kaufkraft erfasst werden. Als eine Folge werden die Unternehmergewinne in der Buchhaltung künstlich verringert, was die Unternehmer dazu veranlasst, mehr zu sparen und weniger in Form von Dividenden zu verteilen. Sie verhalten sich damit genau umgekehrt zur Expansionsphase. Die Tendenz mehr zu sparen ist dem Beginn der wirtschaflichen Erholung äußerst zuträglich49. Der durch die Kreditklemme provozierte Rückgang in der zirkulierenden Geldmenge erhöht unzweifelhaft die Kaufkraft der Geldeinheit. Es folgt ein unvermeidbarer Rückgang der Löhne und Einkommen der ursprünglichen Produktionsfaktoren. Jedoch wird dieser Rückgang zunächst schneller sein als die Verringerung der Konsumgüter und Leistungen, falls eine derartige Verringerung stattfindet. Folglich werden relativ gesehen die Löhne und Einkommen der ursprünglichen Produktionsfaktoren fallen, was zu einem erhöhten Einsatz von Arbeitern im Vergleich zu Maschinen und einem massiven Transfer von Arbeit in die konsumnächsten Stufen führt. In anderen Worten verstärkt und beschleunigt die Kreditklemme die notwendige „Abflachung“ der Produktionstruktur; ein Prozess, der mit der Rezession einhergeht. Dabei ist es bedeutend, dass die Arbeitsmärkte in jeder Hinsicht flexibel sind, um die massive Umlenkung von Produktivkräften und Arbeit zu erleichtern. Je eher die Anpassung beendet und die Wirkung der Darlehen, die für 49
Eine Untersuchung des positive Effekts dieser dritten Deflationsart, verursacht durch die Kreditverknappung in den Rezessionsphase des Zyklus, ist in Rothbard, Man, Economy, and State, S. 863-71 zu finden. Vgl. zudem Mises, Human Action, S. 566-70; Nationalökonomie, S. 514-518. Außerdem zeigt Mises, dass trotz der negativen Effekte eine Deflationsklemme niemals so schädlich ist wie eine Kreditausweitung, weil contraction produces neither malinvestment nor overconsumption. The temporary restriction in business activities that it engenders may by and large be offset by the drop in consumption on the part of the discharged wage earners and the owners of the material factors of production, the sales of which drop. No protracted scars are left. When the contraction comes to an end, the process of readjustment does not need to make good for losses caused by capital consumption. (Mises, Human Action, S. 567)
irrtümlicherweise begonnene Investitionsprojekte genutzt wurden, eliminiert ist, desto eher wird die Basis für die nachfolgende Erholung gelegt. Die Erholung wird durch eine Wiederherstellung der relativen Preise der ursprünglichen Produktionsmittel, d.h. einen
Rückgang
in
den
Preisen
der
Konsumgüter
und
Dienstleistungen,
gekennzeichnet. Diese Preisverringerung der Konsumgüter und Dienstleistungen wird relativ gesehen größer sein, als der Lohnrückgang, was auf den Anstieg der gesellschaftlichen Ersparnisse zurückzuführen ist, welcher erneutes Wachstum der Kapitalgüterstufen stimuliert. Dieses Wachstum wird nachhaltig sein, da es auf dem Anstieg der freiwilligen Ersparnisse beruht. Wie Wilhelm Röpke einsichtsvoll folgert, ist diese dritte Deflationsart als Folge der krisenerzeugten Kreditklemme, is the unavoidable reaction to the inflation of the boom and must not be counteracted, otherwise a prolongation and aggravation of the crisis will ensue, as the experiences in the United States in 1930 have shown50. Unter gewissen Umständen können Eingriffe der Regierung und der Gewerkschaften zusammen mit einer institionellen Rigidität der Market die notwendige Anpassung verhindern, welche der Erholung der wirtschaftlichen Aktivität vorangeht. Wenn Löhne und Anstellungsbedingungen starr sind, die Gewerkschaftsmacht groß ist und die Regierungen der Versuchung der Protektionismus erliegen, dann kann eine extrem hohe Arbeitslosigkeit in der Tat unbegrenzt aufrechterhalten werden, ohne dass es zu irgendeiner Anpassung an die neuen wirtschaftlichen Bedingungen von Seiten der ursprünglichen Produktionsfaktoren käme. Unter diesen Umstünden kann auch ein kumulativer Schrumpfungsprozess angestoßen werden. Bei einem derartigen Prozess veranlasst das massive Wachsen der Arbeitslosigkeit einen allgemeinen Nachfragerückgang, welcher seinerseits neue Wellen der Arbeitslosigkeit generiert, usw. Einige Theoretiker haben in Bezug auf diesen Prozess den Begriff „sekundäre Depression“ verwendet. Dieser Prozess entsteht nicht aus den spontanen Marktkräften, sondern aus Regierungseingriffen in die Arbeits- und Produktmärkte sowie in den internationalen Handel. In einigen Fällen haben die Theoretiker der „sekundären Depression“ die Möglichkeit einer solchen Situation selbst als prima facie Argument zur Rechtfertigung von Regierungseingriffen verstanden und zu einer erneuten Kreditausweitung sowie erhöhten Staatsausgaben ermutigt. Indes ist die einzig effektive Politik, um eine „sekundäre Deflation“ zu vermeiden bzw. um ihr Ausmaß zu mildern, eine allgemeine Liberalisierung der Märkte und
der
Widerstand
gegenüber
jedweder
Versuchung
einer
erneuten
Kreditausweitungspolitik. Jede Politik, welche tendenziell die Löhne hoch hält und die 50
Wilhelm Röpke, Crises and Cycles (London: William Hodge, 1936), S. 120.
Märkte rigide macht, sollte aufgegeben werden. Derartige Maßnahmen würden den Anpassungsprozess nur länger und mühseliger gestalten, bis zu dem Punkt, ihn politisch unerträglich zu machen51. Was sollte getan werden, wenn es in gewissen Umständen politisch „unmöglich“ erscheint, die zur Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Aufgeben des Protektionismus und Förderung der Anpassung notwendigen Maßnahmen als Vorraussetzung der Erholung durchzusetzen? Dies ist eine äußerst faszinierende Frage für die Wirtschaftspolitik. Ihre Antwort muss von der richtigen Einschätzung der Schwere der jeweiligen besonderen Umstände abhängen. Obgleich die Theorie anzeigt, dass jede Politik kontraproduktiv ist, welche in einem künstlichen Konsumanstieg, in erhöhten öffentlichen Ausgaben oder in Kreditausweitung besteht, kann niemand abstreiten, dass es auf kurze Sicht möglich ist, jedes Volumen an Arbeitslosigkeit einfach durch erhöhte öffentliche Ausgaben oder Kreditausweitung zu absorbieren, wiewohl dies als Kosten die Unterbrechung des Anpassungsprozesses und Verschärftung der letztendlich eintretenden Rezession mit sich bringt. Nichtsdestoweniger hat Hayek selbst zugegeben, dass in gewissen Umständen die Situation so verzweifelt werden könnte, dass politisch die einzig verbleibende Option ein erneuter Eingriff wäre, was analog zu der Situation ist, in dem einer Person mit einem Kater ein weiteres alkoholischen Getränk verabreicht wird. Im Jahr 1939 machte in dieser Hinsicht Hayek den folgenden Kommentar: it has, of course, never been denied that employment can be rapidly increased, and a position of “full employment” achieved in the shortest possible time by means of Mostary expansion. . . . All that has been contended is that the kind of full employment which can be created in this way is inherently unstable, and that to create employment by these means is to perpetuate fluctuations. There may be desperate situations in which it may indeed be necessary to increase employment at all costs, even if it be only for a short period—perhaps the situation in which Dr. Brüning found himself in Germany in 1932 was such a situation in which desperate means would have been justified. But the economist should not conceal the fact that to aim at the maximum of employment which can be achieved in the short run by means of 51
Wilhelm Röpke, der Haupttheoretiker der “sekundären Depression” erkennt in seiner zaudernden und zuweilen widersprüchlichen Behandlung des Themas an, dass in jedem Falle in der Abwesenheit von äußerlichen Eingriffen und Rigidität die spontanen Marktkräfte das Auftreten und Entstehen einer “sekundären Depression” verhindern. Sogar wenn die Rigidität der Arbeitsmärkte und die Einführung von protektionistischen Maßnahmen eine solche Depression verursachen und diese voran schreiten, bildet der Markt letztlich, ausnahmslos und spontan einen “Boden” für den kumulativen Depressionsprozess. Vgl. Röpke, Crises and Cycles, S. 128-29.
monetary policy is essentially the policy of the desperado who has nothing to lose and everything to gain from a short breathing space52. Wir wollen nun annehmen, dass die Politiker die Empfehlungen der Ökonomen in den Wind schlagen und die Umstände eine Liberalisierung der Wirtschaft nicht erlauben. Es kommt somit zu weitverbreiteter Arbeitslosigkeit, die Anpassung wird niemals beendet und die Wirtschaft gerät in eine kumulative Schrumpfungsphase. Desweiteren wollen wir annehmen, dass es politisch unmöglich ist, irgendwelche angemessenen Maßnahmen zu ergreifen und die Gefahr erwächst, dass die Situation in eine Revolution mündet. Welche Art der monetären Ausweitung wäre die aus ökonomischer Sicht am wenigsten schädliche? In diesem Fall wäre die Politik mit den am wenigsten schädlichen Effekten, obgleich sie immer noch dem Wirtschaftsystem sehr abträglich wäre, das Einleiten eines Arbeitsbeschaffungsprogramms, welches den Arbeitslosen zu relativ niedrigen Löhnen Arbeit verschafft, sodass die Arbeiter später schnell in rentablere und komfortablere Aktivitäten wechseln könnten, sobald sich die Umstände verbesserten. In jedem Falle ist es wichtig, davon Abstand zu nehmen, den Unternehmen in den konsumfernsten Produktionsstufen direkt Darlehen zu gewähren. Mithin wäre eine Politik der staatlichen Hilfe für die Arbeitslosen im Tausch für die tatsächliche Vollendung von Arbeiten sozialen Werts und bei niedriger Bezahlung (um zu vermeiden, dass
52
Hayek, Profits, Interest and Investment, Fußnote 1 auf S. 63-64. Hayek erweiterte später seine Ideen zu diesem Thema. Er machte deutlich, dass er in den dreissiger Jahren die expansive Politik Deutschlands ablehnte und sogar einen Artikel schrieb, den er tatsächlich niemals veröffentlichte. Er schickte den Artikel an Professor Röpke mit einer persönlichen Notiz, in der er das folgende schrieb: Apart from political considerations I feel you ought not—not yet at least—to start expanding credit. But if the political situation is so serious that continuing unemployment would lead to a political revolution, please do not publish my article. That is a political consideration, however, the merits of which I cannot judge from outside Germany but which you will be able to judge. Hayek schließt: Röpke’s reaction was not to publish the article, because he was convinced that at that time the political danger of increasing unemployment was so great that he would risk the danger of causing further misdirections by more inflation in the hope of postponing the crisis; at that particular moment, this seemed to him politically necessary and I consequently withdrew my article. (F.A. Hayek, “The Campaign Against Keynesian Inflation,” Kapitel 13 in New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas, S. 211) In jedem Falle können derart verzweifelte Maßnahmen nur einen kurze Atempause sichern, da sie die Lösung der Problem nur Verzögern, diese aber mit der Zeit viel schwerwiegender werden. In der Tat verschlechterte sich trotz Röpkes konsequentialistischer Entscheidung die Situation in Deutschland und es war nicht möglich, Hitlers Machtergreifung 1933 zu verhindern.
den Arbeitern Anreize geliefert werden, dauerhaft arbeitslos zu bleiben) die am wenigsten schwächende Maßnahme unter den oben beschriebenen extremen Bedingungen 53. 13 DIE „MANISCH-DEPRESSIVE“ WIRTSCHAFT: DIE VERKÜMMERUNG DES UNTERNEHMERISCHEN GEISTS UND ANDERE NEGATIVE FOLGEN, WELCHE DIE WIEDERKEHRENDEN KONJUNKTURZYKLEN AUF DIE MARKTWIRTSCHAFT AUSÜBEN Die Wirtschaftskrisen, welche die Kreditausweitung wiederholt provoziert, haben noch andere Konsequenzen, welche zwar subtiler sind, jedoch der harmonischen Kooperation der Wirtschaftsubjekte und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung nicht weniger abträglich54. Es ist notwendig, die Art genauer zu unterstreichen, in der das gegenwärtige Geldsystem, basierend auf der Kreditausweitung, es üblich gemacht hat, die wirtschaftliche Entwicklung durch Aufschwünge und Krise zu stören. In anderen Worten erscheint es, als ob ein „manisch-depressives“ Verhalten der Marktwirtschaft erforderlich wäre.
53
F.A. von Hayek selbst erwähnt, dass unter derartigen Umständen, die am wenigsten schädliche Politik im Anbieten des Folgenden bestehen würde: employment through public works at relatively low wages so that workers will wish to move as soon as they can to other and better paid occupations, and not by directly stimulating particular kinds of investment or similar kinds of public expenditure which will draw labour into jobs they will expect to be permanent but which must cease as the source of the expenditure dries up. (Hayek, “The Campaign against Keynesian Inflation,” S. 212) Das Risiko dieser Art des Eingeständnisses ist jedoch, dass es im gegenwärtigen demokratischen System beinahe sicher ist, dass dieses Eingeständnis von Politikern in wenig rigoroser Weise ausgenutzt wird, um ihre Eingriffe jeder Art von Wirtschaftsrezession zu rechtfertigen. Eine mögliche Lösung könnte es sein, in der Verfassung einen Artikel mit dem Prinzip des ausgeglichenen Haushalts einzuführen, so wie es von den klassischen Experten der öffentlichen Finanzen gefordert wurde. Da die Übereinstimmung aller politischen Kräfte erforderlich wäre, um den Artikel zu modifizieren, würde dies nur in dem Falle einer einhelligen Einschätzung der “kritischen” Natur der Lage geschehen und das Risiko einer ungerechtfertigten Durchführung von expansive Maßnahmen in Krisenzeiten wäre reduziert. 54 Die Tatsache, dass alle paar Jahre neue Krise ausbrechen, zeigt, dass sie aus dem Kreditausweitungsprozess resultieren, welcher notwendigerweise die spontanen von uns untersuchten Anpassungsprozesse auslöst. In der Abwesenheit von Kreditausweitung wären Wirtschaftskrisen spezifische, isolierte Ereignisse, welche lediglich aus einem ungewöhnlichen Phänomen physikalischer (Mißernten, Erdbeben, etc.) oder sozialer Art (Kriege, Revolutionen, etc.) stammen. Sie würden nicht regelmäßig auftreten und würden auch geographisch begrenzter sein, als sie es normalerweise sind.
In der Tat sind Geschäftsleute, Journalisten, Politiker, Gewerkschaftsmitglieder, und Wirtschaftssubjekte im Allgemeinen zu der Auffassung gelangt, dass die künstliche expansive Phase, welche für den Aufschwung charakteristisch ist, die normale Properitätsphase ist, welche angestrebt und mit allen Mitteln erhalten werden sollte. Auf die gleiche Weise werden die unvermeidbaren Konsequenzen der Ausweitung, d.h. die Krise und Rezession, als eine sehr negative Phase bewertet, welche um jeden Preis vermieden werden sollte55. Die Wirtschaftssubjekte erkennen die Rezession nicht als unvermeidbare Folge der künstlichen Ausweitung und sie realisieren nicht, dass sie den Vorteil mit sich bringt, die begangenen Fehler bloß zu stellen und die Erholung sowie die Anpassung der Produktionsstruktur zu erleichtern. Weiternhin
überstrapaziert
die
Kreditausweitung
die
Arbeitsfähigkeit
und
den
Arbeitsrhythmus der Wirtschaftssubjekte. Solange die Ausweitung anhält, wird die Arbeitsfähigkeit der Menschen bis an ihre Grenze getrieben und der unternehmerische Geist verdorben. Psychologischer Stress und Abnutzung sind die Folge und bringen hohe menschliche und persönliche Kosten. Desweiteren wird das neue, durch die expansive Kreditvergabe
geschaffene
Geld
benutzt,
um
allerlei
spekulative
Operationen,
Übernahmeabgebote, sowie Finanz- und Handelskriege zu finanzieren, in denen die Kultur der kurzsichtigen Spekulation überwiegt. In anderen Worten breitet sich die Meinung aus, dass es möglich und wünschenswert sei, astronomische Gewinne mit erstaunlicher Einfachheit und Hurtigkeit zu erzielen. Dies entmutigt den traditionellen unternehmerischen Geist und die sauber durchgeführte Arbeit. Beide beruhen auf einer umsichtigen Geschäftsentwicklung, welche auf Beständigkeit und dem Engagement zur Erreichung langfristiger Ziele aufbaut. Dies haben wir im Sinne, wenn wir uns auf die allgemeine Demoralisierung in Folge der künstlichen Kreditausweitung beziehen. Diese Entmutigung ist besonders für die jüngste und dynamischste Generation der Gesellschaft verheerend 56. 55
The boom is called good business, prosperity, and upswing. Its unavoidable aftermath, the readjustment of conditions to the real data of the market, is called crisis, slump, bad business, depression. People rebel against the insight that the disturbing element is to be seen in the malinvestment and the overconsumption of the boom period and that such an artificially induced boom is doomed. (Mises, Human Action, S. 575) Es ist mithin ein schwerer Fehler zu glauben, dass realer Wohlstand durch den Aktienmarktkrach, der die Krise ankündigt, zerstört wird. Ganz im Gegenteil findet die wirtschaftliche Zerstörung viel früher statt, in der Form von allgemeinen Fehlinvestitionen in der früheren Phase der Kreditbooms. Der Fall des Aktienmarktes zeigt lediglich, dass die Wirtschaftssubjekte schließlich dieses Phänomen bemerkt haben. Vgl. auch Unterkapital 14. 56 Die Wirkung der Kreditausweitung ist um so schädlicher, je mehr die Wirtschaftsubjekte eine schlichte Wirtschaftsentwicklung gewohnt sind, deren nachhaltiges
Das Problem wird verschlimmert, wenn, wie Ökonomen gezeigt haben57, welche den Zyklus aus politischer Sicht untersucht haben, die Politiker ihre Entscheidungen rein aus kurzfrister Sicht mit dem Ziel treffen, die unmittelbare Unterstützung zu erringen, die ihnen den Sieg bei der nächsten Wahl sichert. Daher werden sie niemals zögern, die Politik der monetären Ausweitung, die ihnen zur Erreichung des kurzfristigen Wahlerfolgs am Hilfreichsten ist, zu empfehlen und einzuleiten. Desweiteren wird jede Abweichung von der künstlichen Ausweitung und des von ihr erzeugten Optimismus als ungünstig angesehen, unmittelbar von den Medien attackiert und als politische Waffe von der Opposition, den Gewerkschaften und Unternehmerorganisationen in Feld gebracht. Somit weiss niemand, die Übel der Kreditpolitik
zu
verurteilen.
Diese
schafft
ein
Umfeld
der
monetären
Verantwortungslosigkeit, welche tendenziell die Probleme verschärft und es sehr unwahrscheinlich macht, dass sie durch eine vernünftige Anpasssung und Liquidierung, welche die Grundlage für eine nachhaltige, von Kreditausweitung unabhängiger Erholung legen, gelöst werden. Die wiederkehrenden Wirtschaftskrisen, welche die Kreditausweitung provoziert, üben einen weiteren sehr destruktiven Effekt auf die Marktwirtschaften und das Prinzip der wirtschaftlichen Freiheit aus. In der Tat wird jeder Ausweitungsprozess unweigerlich von einer schmerzhaften Wiederanpassungsphase gefolgt, welche der Brutplatz für die Begründung von anschließenden Staatseingriffen in die Wirtschaft und für beliebte Argumente
ist,
dass
es
gerade
die
wirtschaftliche
Rezession
ist,
welche
die
Unzulänglichkeiten der Marktwirtschaft enthüllt und die Notwendigkeit „beweist“, dass der Staat verstärkt auf allen Gebieten in die Wirtschaft eingreift, um die Folgen der Rezession abzufedern und weitere Krisen zu verhüten. Mithin bietet die Rezession eine günstige Umgebung für das Wiederaufleben von Vorschlägen des Handelsprotektionismus, der Marktintervention, steigenden Staatsdefiziten, und der Wirtschaftsregulierung. Wie wir wissen führen die Eingriffe nur dazu, dass die Rezession verlängert und verschärft wird.
Wachstum rein von den Ersparnissen abhängt. Unter diesen Umständen bereitet die Kreditausweitung den größten Schaden. Nichtsdestoweniger beginnen unter den gegenwärtigen Bedingungen, in denen sich künstliche Aufschwünge mit Rezessionen abwechseln, die Wirtschaftssubjekte von der Erfahrung zu lernen und die expansive Effekte der Kreditvergabe werden zunehmend reduziert bzw. nur auf Kosten der Injektion von höheren Volumina an Krediten in einem ansteigenden Rhythmus erreicht. 57 William D. Nordhaus, “The Political Business Cycle,” Review of Economic Studies, 42, Nr. 130 (April 1975): 169-90. Vgl. zudem Edward R. Tufte, Political Control of the Economy (Princeton, N.J.: Princeton University Press, 1978); und C. Duncan MacRae, “A Political Model of the Business Cycle,” veröffentlicht in Journal of Political Economy 85 (1977): 239-63. Vgl. zudem Fußnote 56 von Kapitel 9.
Außerdem behindern sie die notwendige Erholung. Leider gehen die schüchternen Anfänge der Erholung mit einem so starken öffentlichen Druck für eine neue Kreditausweitung einher, dass die Ausweitung erneut beginnt und der gesamte Prozess wiederholt wird. Wie Mises eloquent schließt: „But the worst is that people are incorrigible. After a few years they embark anew upon credit expansion, and the old story repeal itself. 58“
14 DER EINFLUSS DER WIRTSCHAFTSSCHWANKUNGEN AUF DIE BÖRSE Die Börse ist ein wichtiger Bestandteil des Marktes, in dem Wertpapiere, die Darlehen an Unternehmen repräsentieren, gehandelt werden. Sie ist mithin Bestandteil des sogenannten „Kapitalmarktes“. Wertpapiere sind die rechtliche Verkörperung der Investitionen, welche Sparer, bzw. Kapitalisten bei der folgenden Transaktionsart vornehmen: Kapitalisten überlassen Gegenwartgüter ihren Nachfragern. Diese sind bereit, eine höhere Anzahl von Zukunftsgütern den Sparern, bzw. Verleihern, im Tausch für die Möglichkeit, die Gegenwartsgüter in den Produktionsprozessen zu nutzen, in der Zukunft auszuhändigen. Diese Wertpapiere können eine Vielfalt von rechtlichen Formen annehmen. Sie können Aktien, Anleihen, etc. sein. In jedem Falle ist es der große Vorzug der Börse, den Eigentumswechsel derartiger Wertpapiere und damit der korrespondierenden Kapitalgüter, von denen ein Anteil durch das Wertpapier repräsentiert wird, zu erleichtern. Ein weiterer Hauptvorteil der Börse ist, dass sie es den Wertpapierhaltern erlaubt, sich auf schnelle Art Liquidität zu sichern, falls sie sich von ihnen zu trennen wünschen59. Weiterhin erlaubt sie den Wirtschaftssubjekten einen Überschuß an Kassenhaltung temporär zu investieren, indem sie
Wertpapiere
erwerben.
Obgleich
diese
Wertpapiere
langfristige
Investitionen
repräsentieren, können sie für kürzere Periode gehalten und jeder Zeit verkauft werden60. In
58
Mises, Human Action, S. 578. Eine weitere grundlegenden Funktion der Börse, sowie der Options- und Futuremärkte wurde im vollsten Einklang mit der Tradition der Österreichischen Schule von Ludwig M. Lachmann gezeigt, der schreibt: [T]he Stock Exchange by facilitating the exchange of knowledge tends to make the expectations of large numbers of people consistent with each other, at least more consistent than they would have been otherwise; and that through the continual revaluation of yield streams it promotes consistent capital change and therefore economic progress. (Lachmann, Capital and its Structure, S. 71; Hervorhebung hinzugefügt) 60 Es ist wichtig herauszustellen, dass der Bankensektor diese wichtige Aufgabe der Börse zum großen Teil usurpiert hat. Da der Bankensektor Kredite ausweiten, Depositen 59
einer Volkswirtschaft, die von einem gesunden und nachhaltigen Wachstum gekennzeichnet ist, fließen die freiwilligen Ersparnisse auf zwei Wegen in die Produktionsstruktur: entweder durch die Eigenfinanzierung der Unternehmen, oder über die Börse. Nichtsdestoweniger ist das Eintreffen der Ersparnisse in der Produktionsstruktur mittels der Börse langsam und allmächlich. Es involviert keine Börsenbooms oder Euphorien61. Nur wenn der Bankensektor eine Politik der Kreditausweitung ungedeckt durch einen vorherigen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse unternimmt, verzeichnen Börsenindizes dramatische und anhaltende allgemeine Aufwärtsbewegungen. In der Tat gelangt das neue, in Form von Bankkrediten geschaffene Geld schnell an die Börse, wo es einen rein spekulativen Aufwärtstrend der Marktpreise auslöst, der im Allgemeinen die meisten Wertpapiere im gleichen Umfange erfasst. Die Preise können solange klettern, wie die Kreditausweitung in einem beschleunigten Rhythmus fortgeführt wird. Die Kreditausweitung verursacht nicht nur einen scharfen und künstlichen relativen Rückgang der Zinssätze mit einer allgemeinen
generieren und auszahlen kann, ist er zu einem populären Werkzeug für die Investition von temporären Liquiditätsüberschüssen geworden. Dies ist sehr schädlich, da dadurch eine noch höhere Kreditausweitung ermöglicht wird, was die uns bekannten negative Wirkungen mit sich bringt. Wenn jedoch der Bargeldüberschuss an der Börse investiert werden würde, würde diese zu einem wirklichen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse führen, was eine Verlängerung der Investitionsprozesse erlauben würde. Keine unvermeidbare nachfolgende Krise würde die Unternehmer dazu zwingen, diese Prozesse aufzugeben. Falls die Sparer die Wertpapiere verkaufen, würden sie jedoch niemals die Garantie haben, den gleichen nominalen Betrag für ihre Wertpapiere zu erhalten, wie sie ihn bei ihrem Kauf bezahlt haben. Eine verbreitete Kritik gegenüber der Börse ist, das ihre geringe Größe und begrenzte Entwicklung die Emission von Bankdepositen notwendig machen, um Produktionsprojekte zu finanzieren. Wir sind nun in der Lage, zu verstehen, warum diese Kritik ungerechtfertigt ist. Die Realität zeigt uns gerade das Gegenteil: Die Fähigkeit der Banken Investitionsprojekte mittels nicht durch reale Ersparnisse gedeckter Kreditausweitung zu finanzieren, bringt die Banken gerade die vorherrschende Stellung bei vielen Investitionsprojekten ein. Dies geschieht zum Nachteil der Börse, welche an Bedeutung für den Investitionsprozess verliert und in vielen Fällen zu einem zweitrangigen Markt wird, der während des Zyklus der Richtlinie folgt, die durch den Bankensektor vorgegeben wird. 61 Nur ein plötzlicher, unwahrscheinlicher Abfall der sozialen Zeitpräferenzrate würde es den Börsenindizes in Abwesenheit von Kreditausweitung erlauben, sich zu neuen, gefestigten Niveaus aufzuschwingen. Von dort könnte höchsten ein langsames graduelles Börsenwachstum stattfinden. Mithin sind kontinuierliche und langanhaltende Börsenaufschwünge und Euphorien unweigerlich künstlich und werden durch eine Kreditausweitung am Leben gehalten. Desweiteren veranlassen derartige Perioden der Euphorie die Öffentlichkeit dazu, den Konsum kurzfristige aufzuschieben und Teile ihrer Kassenhaltung in die Börse zu investieren. Mithin können die Krise und Rezession temporär verzögert werden, solange die Erwartungen eines durch Kreditausweitung gefütterten Börsenaufschwungs anhalten. Dies geschah am Ende der 1990er Jahre, bevor die scharfe Börsenkorrektur von 2000-2001 einsetzte.
Aufwärtsbewegung der Marktpreise als unvermeidbarer Folge. Sie erlaubt zudem die Nutzung von Wertpapieren mit ständig steigenden Preisen als Sicherheit für neue Darlehensgesuche. Dieser Teufelskreis nährt kontinuierliche, spekulative Börsenaufschwünge und endet nicht, solange die Kreditausweitung anhält. Wie es Fritz Machlup erklärt: Ohne die oft gelobte Elastizität des Bankkredites hätte der “Boom” der Börsenwerte keinen langen Bestand. Die (ohne Bankkredite) angebotenen Leihgelder – und wenn das Angebot auch ganz beträchtlich gewachsen wäre – würden, für Zwecke der Publikumsspekulation nachgefragt, rasch erschöpft sein, denn auch ein großes Angebot ist schließlich beschränkt62. Daher, und dies ist vielleicht eine der bedeutendsten Schlußfolgerungen, die wir an dieser Stelle machen können, ist ein ununterbrochener Börsenanstieg niemals ein Indikator von günstigen wirtschaftlichen Bedingungen. Ganz im Gegenteil: alle diese Anstiege sind das untrügliche Zeichen einer nicht durch reale Ersparnisse gedeckten Kreditausweitung. Diese Ausweitung nährt einen künstlichen Aufschwung, der unweigerlich in einer scharfen Börsenkrise kulminieren wird. Ebenso hat Hayek gezeigt, dass die signifikanten Kapitalgewinne an der Börse während der Expansionsphase in dem Ausmaß, in dem die Wirtschaftssubjekte sie als einen Zuwachs in ihrem Reichtum betrachten und zum Erwerb von Konsumgütern und Dienstleistungen verwenden, einen bedeutenden Kapitalkonsum implizieren. Dieser Kapitalkonsum macht die Gesellschaft letztlich ärmer63. Auch wenn es aus analytischer Sicht vollkommen einfach ist, die Prozesse zu identifizieren, welche die Tendenz zur Umkehr der fehlerhaft als Folge der Kreditausweitung unternommenen Investitionsprojekte auslösen, ist es unmöglich im Voraus genau zu bestimmen, wenn und unter welchen spezifischen Umständen, die künstliche Natur der Expansion an der Börse offensichtlich wird, woraufhin letztlich die Krise eingeleitet wird. Jedoch wird die Börse zweifellos das erste Zeichen geben, dass die Ausweitung künstlich ist 62
Machlup, Börsenkredit, Industriekredit und Kapitalbildung, S. 96. Dieses Buch von Machlup ist essentiell für das Verständnis des Einflusses der Zyklus auf die Börse. 63 Stock Exchange profits made during such periods of capital appreciation in terms of money, which do not correspond to any proportional increase of capital beyond the amount which is required to reproduce the equivalent of current income, are not income, and their use for consumption purposes must lead to a destruction of capital. (F.A. Hayek, “The Maintenance of Capital,” Economica 2 [August 1934]) Dieser Artikel erscheint als Kapitel 3 in Profits, Interest and Investment, S. 83-134. Der obige Ausschnitt ist auf S. 133.
und auf tönernen Füßen steht. Dann wird sehr wahrscheinlich der kleinste Anstoß einen Börsenkrach auslösen64. Der Krach wird dann stattfinden, wenn die Wirtschaftssubjekte beginnen, an der Kontinuität des Expansionsprozesses zu zweifeln, eine Verlangsamung oder eine Einstellung der Kreditausweitung beobachten und sie kurzum zur Überzeugung gelangen, dass Krise und Rezession in der nahen Zukunft auftreten werden. Zu diesem Zeitpunkt ist das Schicksal der Börse besiegelt. Die
ersten
Anzeichen
einer
Börsenkrise
erschrecken
ernsthaft
die
Politiker,
Wirtschaftsbehörden und die Öffentlichkeit im Allgemeinen. Man vernimmt für gewöhnlich ein verbreitetes Geschrei zugunsten einer weiteren Kreditausweitung, um die hohen Börsenindizes zu festigen und zu erhalten. Die hohen Wertpapierpreise werden irrtümlicherweise als Zeichen einer guten wirtschaftlichen „Gesundheit“ gewertet. Es wird daher fälschlicherweise angenommen, dass alle verfügbaren Maßnahmen zur Vermeidung eines Börsenzusammenbruchs unternommen werden sollten65. In der Tat wollen weder die Öffentlichkeit noch die Mehrheit der Spezialisten akzeptieren, dass der Börsenrückgang die erste Warnung einer unvermeidbaren Rezession ist, und dass die Börsenindizes ohne weitere Kreditspritzen nicht unverändert bleiben können66. Derartige 64
Unabhängig des spezifischen historischen Anstoßs wird die Börsenkrise ausbrechen, nachdem die Kreditausweitung abnimmt. Denn wie Fritz Machlup schreibt, Es wird sogar ein baldiger Kursrückschlag sehr wahrscheinlich sein, da die festeren Kurse ein Effektenangebot – zur außerbörslichen Verwertung des Verkaufserlöses – hervorrufen werden, das ohne das erforderliche Mehr an Kapitaldisposition nicht aufgenommen werden kann(Machlup, Börsenkredit, Industriekredit und Kapitalbildung, S. 93) 65 Dabei haben wir noch nicht erwähnt, dass unzweifelhaft zum großen Teil die Interessen vieler spekulativer Wertpapierbesitzer hinter dem “öffentlichen Geschrei” nach einer institutionellen Unterstützung der Börse stehen. Gleichermaßen ist es sehr bedeutsam, dass wenn die Börsenkrise ausbricht, die Medien beinahe einmütig “beruhigende” Botschaften verbreiten, die darauf insistieren, dass das Phänomen vorübergehend und “ungerechtfertigt” ist. Sie raten der Öffentlichkeit nicht nur, sich nicht von ihren Aktien zu trennen, sondern zudem die Situation auszunutzen und weitere Wertpapiere zu einem guten Preise zu erwerben. Die abweichenden Stimmen, welche die Situation anders einschätzen und glauben, dass es das klügste sei, zu verkaufen (und diese Stimmen repräsentieren in Krisensituationen unter denen, welche den Markt nutzen, die Mehrheit), werden immer diskret und in geeigneter Weise zum Schweigen gebracht. 66 So behauptete am 17. Oktobner 1929 beispielsweise Irving Fisher, kurz vor dem Börsenkrach am 24. Oktober 1929, selbstbewußt, dass “We are in a ‘high plateau’ of stock exchange prices,” das einen vollkommen gefestigten Level erreicht hätte und niemals fallen müsste. Vgl. die Bemerkungen, die er den Commercial & Financial Chronicle gab und am 26. Oktober 1929, S. 2618-19 erschienen. Zitiert von Benjamin M. Anderson, Economics and the Public Welfare: A Financial and Economic History of the United States, 1914-1946 (Indianapolis, Ind.: Liberty Press, 1979), S. 210. Wesley C. Mitchell, R.G. Hawtrey und sogar
Spritzen würden die Krise nur aufschieben und die letzendliche Rezession nur noch schärfer machen. Wenn die Krise ausbricht, dient die Börse als ein Indikator ihrer Entwicklung. Ceteris paribus reflektieren Indizes, welche mit den Wertpapieren von Unternehmen, welche in den konsumfernsten Stufen operieren, korrespondieren, einen dramatischeren Absturz in den Marktpreisen als solche, die Unternehmen repräsentieren, die Konsumgüter und Leistungen herstellen. Dies ist die Bestätigung durch die Börse, dass die größten unternehmerischen Fehler in den Kapitalgüterstufen gemacht worden sind und es notwendig ist, diese Fehler zu liquidieren, zu retten, was zu retten ist und die korrespondierenden Ressourcen und ursprünglichen Produktionsmittel in konsumnähere Unternehmen zu transferieren. Sobald einmal die Rezessionsphase begonnen hat, wird die Marktträgheit für die Dauer des Anpassungsprozesses anhalten und damit nicht nur anzeigen, dass dieser schmerzhafte Prozess noch andauert, sondern auch, dass die Marktzinssätze auf ihr Niveau von vor der Kreditausweitung gestiegen sind (oder sogar auf ein höheres Niveau, wenn wie es normalerweise vorkommt, die Zinssätze eine höhere Risiko- und Inflationsprämie beinhalten)67. In jedem Falle wird die Marktträgheit solange wie die Anpassung anhalten. Sie kann unbegrenzt anhalten, falls die Anpassung niemals vollendet wird, weil neue Darlehen
John Maynard Keynes begingen den gleichen Fehler wie Fisher. Vgl. Skousen, “Who Predicted the 1929 Crash?” S. 254-57 (Vgl. zudem Fußnote 100 unten). 67
This is clearly seen on the Stock Exchange which discounts future yield streams on the basis of the present rate of interest. A sensitive and well-informed market witnessing the spectacle of a strong boom will of course in any case toner or later have its misgivings about future yields and the cost of present projects. But we need not doubt that where this is not so, a rising rate of interest would strongly reinforce the discounting factor and thus damp excessive optimism. (Lachmann, Capital and Its Structure, pp. 124–25) Lachmann erklärt die große Bedeutung der Börse und der Terminmärkte bei der Verbreitung des zerstreuten Wissens und der Informationen der verschiedenen Wirtschaftssubjekte. Durch die Wissensverbreitung wird die inter- und intratemporale Koordination zwischen den Wirtschaftssubjekten erhöht. Daher fördern sowohl die Börse als auch die Terminmärkte die wirtschaftliche Koordination und Stabilität, so lange sie nicht durch den inflationären Einfluss der Kreditausweitung verzerrt werden. In jedem Falle werden die Terminmärkte die ersten sein, welche die sukzessiven Phasen des Konjunkturzyklus prognostizieren. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, werden die Ereignisse selbst (ein Anstieg in den Zinssätzen, Buchverluste in den kapitalintensiven Industrien, etc.) schließlich dem Börsenaufschwung ein Ende setzen und die Wirtschaftskrise auslösen.
die Fehlinvestitionen am Leben erhalten und der Arbeitsmarkt sowie andere Märkte stark reguliert und rigide sind68. Wenn die Anpassung geendet hat, kann die Erholung beginnen, vorausgesetzt, die Wirtschaftssubjekte gewinnen ihre Zuversicht wieder und erhöhen ihr freiwillige Sparrate. In diesem Falle werden die Preise der Konsumgüter und Dienstleistungen tendenziell relativ zu den Löhnen und Einkommen der ursprünglichen Produktionsmittel zurückgehen. Dies löst den „Ricardoeffekt“ aus und die Unternehmer werden sich wieder für den Beginn neuer Investitionsprojekte zur Verlängerung und Verbreiterung der Kapitalgüterstufen der Produktionsstruktur interessieren. Dieser Sparanstieg wird einen Anstieg der Wertpapierpreise stimulieren, was ein Zeichen ist, dass die Erholung begonnen hat und die Unternehmer wieder neue Investitionsprozesse in Kapitalgüter starten. Nichtsdestoweniger wird der Anstieg der Börsenindizes nicht spektakulär sein, so lange keine neue Kreditausweitung initiiert wird69. Obgleich viele weitere Betrachtungen hinsichtlich der Entwicklung der Börse während des Konjunkturzyklus präsentiert werden könnten, ist die wichtigste Idee diese: im Allgemeinen kann kein signifikanter, kontinuierlicher Anstieg der Wertpapierpreise auf eine Verbesserung der Produktionsbedingungen oder einen freiwilligen Sparanstieg zurückgeführt werden. Ein solcher Anstieg kann nur unbegrenzt als Folge eines inflationären Wachstums der Kreditausweitung aufrechterhalten werden. Eine nachhaltige Verbesserung der Wirtschaft und ein Anstieg der freiwilligen Ersparnisse erzeugen einen größeren Geldfluss an die Börse. 68
Dies war bei der (1995-2001) japanischen Rezession der Fall. Es sollte uns daher nicht überraschen, dass die Erholungsphase einen relativen Rückgang der Preise der Konsumgüter und Leistungen und damit der Preise der notierten Wertpapiere bringt, welche mit denen der letzten Produktionsstrukturstufe nächsten Unternehmen korrespondieren, und zugleich einen Anstieg der Preise der Wertpapiere, die mit den am konsumfernsten operierenden Unternehmen korrespondieren. Wie Fritz Machlup zeigt, Wenn jemand Effekten zu erwerben wünscht und die zum Kauf erforderlichem Mittel durch Verzicht auf Gegenstände seines bisherigen Bedarfs bereitstellt, so nennt man die Nachfrageverschiebung – Sparen. Der Sparprozeß ist eine Verschiebung der Nachfrage von Gegenwartsgütern auf Zukunftsgüter und führt auf dem Wege über die entsprechende Preisverschiebung zur Produktionsverschiebung. Man wird aber, ohne erst von uns eine besondere Anleitung zu erwarten, unschwer begreifen, daß die Preisverschiebung nicht bloß zwischn Konsumgütern und Effekten, sondern zwischen Konsumgütern und Produktionsmitteln erfolgt, Er wird vielleicht manchem verwunderlich erscheinen, daß der Preissenkung von Konsumgütern auf der anderen Seite Preissteigerungen in gleich zwei Güterkategorien gegenüberstehen sollen; es ist aber gar nicht so kompliziert: die Preiserhöhung von Anteilsrechten an Kapitalgütern muß wohl auch eine Preiserhöhung dieser Kapitalgüter selbst sein. (Machlup, The Börsenkredit, Industriekredit und Kapitalbildung, S. 76–77) 69
Jedoch ist dieser Fluss langsamer und gradueller und wird schnell durch die Ausgabe neuer Wertpapiere durch Unternehmen absorbiert, die ihre neuen Investitionen finanzieren wollen. Nur ein kontinuierliches überproportionales Wachstum des Geldangebots in Form von Kreditausweitung kann die spekulative Manie (oder „irrationale Überschwänglichkeit“) nähren, welche für alle Börsenbooms charakteristisch ist70.
15 DIE WIRKUNGEN DES KONJUNKTURZYKLUS AUF DEN BANKENSEKTOR An dieser Stelle unserer Untersuchung sollte es ein leichtes sein, die Wirkungen und Beziehungen, welche den Konjunkturzyklus und den Bankensektor verbinden, zu bestimmen. Zunächst müssen wir feststellen, dass der Konjunkturzyklus aus der Kreditausweitung des Bankensektors resultiert, was eine Folge des rechtlichen Privilegs der Teildeckung bei monetären Depositenverträgen ist. Desweiteren sahen wir in Kapitel 4, dass dieses Privileg den Trend zu Zusammenschlüssen in der Bankindustrie erklärt. Denn je größer der Marktanteil einer Bank, desto größer sind ihre Möglichkeiten zur Kreditausweitung, ohne dass sie sich durch eine korrespondierende Interbankenclearingstelle begrenzt sieht. Desweiteren machen es Bankenfusionen möglich, die Teildeckungsreserven besser zu „managen.“ Dies erlaubt den Banken die normalen Abzüge mit niedrigeren zentralen Bargeldbeständen zu befriedigen. Nichtsdestoweniger sahen wir in Kapitel 5 wie der Kreditausweitungsprozess unweigerlich eine Krisen- und Anpassungsperiode provoziert, während derer sich ein Großteil der Bankvermögenswerte in Luft auflöst. Weiterhin kommt es zu einem allgemeinen Anstieg der Geldnachfrage und einem Depositenabzug – zumindest in den marginell am wenigsten solventen Banken. Dies erklärt, warum die Bankiers die Schaffung einer öffentlichen Einrichtung mit dem Namen „Zentralbank“ geschaffen haben, welche hauptsächlich darauf ausgelegt ist, als Kreditgeber letzter Instanz in den Phasen der Wirtschaftsrezession, welche den Banken so gefährlich ist, zu fungieren. Zudem verstärken die Schwierigkeiten und 70
A continual rise of stock prices cannot be explained by improved conditions of production or by increased voluntary savings, but only by an inflationary credit supply. A lasting boom can result only from inflationary credit supply. (englische Ausgabe, The stock market, credit and capital formation, S. 99 and 290)
überwältigenden Sorgen, welche die Bankiers als Konsequenz von Zahlungseinstellungen und Depositenabzügen befallen, noch mehr den Trend zu Bankfusionen. In der Tat sind Banken auf diese Weise in der Lage, säumige Schuldner gleichförmiger zu behandeln, bedeutende Größenvorteile bei der Handhabung von Zahlungsrückständen zu erzielen und die marginal weniger solvente Situation zu vermeiden, in der sich der Bankensektor befinden würden, wenn ein höherer Prozentsatz der Darlehen notleidend wäre oder die Öffentlichkeit ein geringeres Vertrauen in sie hätte. Wir können damit zu dem Schluß kommen, dass ein inhärenter Trend in der privilegierten Ausübung des Teildeckungsbankwesen zu einer Bankenkonzentration führt sowie die Bankiers ermutigt, eine enge Beziehung mit der Zentralbank zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, zumal die Zentralbank die einzige Institution ist, welche in Krisenmomenten, welche die Banken selbst regelmäßig erzeugen, in der Lage ist, das Überleben der Banken zu garantieren. Desweiteren dirigiert und organisiert die Zentralbank die Kreditausweitung, was sicher stellt, dass die Banken mehr oder weniger im Gleichklang expandieren und dass keine Bank sich weit von dem festgelegten Rhythmus entfernt.
16 MARX, HAYEK, UND DIE AUFFASSUNG, DASS WIRTSCHAFTSKRISEN DEN MARKTWIRTSCHAFTEN INHÄRENT SIND Es ist eine interessante Feststellung, dass Marx sich in seiner Analyse des kapitalistischen Wirtschaftssystems hauptsächlich auf die Untersuchung der Ungleichgewichte und Fehlabstimmungen, welche im Markt vorkommen, konzentriert. Dies begründet die Tatsache, dass die marxistische Theorie primär eine Theorie des Marktungleichgewichts ist und sie gelegentlich sogar in bemerkenswerter Weise mit der dynamischen Analyse der Marktprozesse übereinstimmt, wie sie von den Ökonomen der Österreichischen Schule und besonders von Mises und Hayek selbst entwickelt wurde. Einer der merkwürdigsten Punkt mit einer gewissen Übereinstimmung bezieht sich gerade auf die Theorie der Krisen und Rezession, welche systematisch das kapitalische System heimsuchen. Es ist daher interessant zu beobachten, dass gewisse Autoren in der marxistischen Tradition, wie der Ukrainer Mikhail Ivanovich Tugan-Baranovsky (1865-1919), zu dem Schluß gekommen sind, dass die Wirtschaftskrise aus der Tendenz einer mangelhaften Proportion zwischen den verschiedenen
Produktionsbranchen erwächst. Diesen Mangel sah Tugan-Baranovsky als dem kapitalischen System inhärent an71. Baranovsky zu Folge kommt es zur Krise weil, the distribution of production ceases to be proportional: the machines, tools, tiles and wood used in construction are requested less than before, given that new companies are less numerous. However the producers of the means of production cannot withdraw their capital from their companies, and in addition, the importance of the capital involved in the form of buildings, machines, etc., obliges producers to continue producing (if not, the idle capital would not bear interest). Thus there is excessive production of the means of production72. Eindeutig hat ein Teil der der Analyse zugrundeliegenden ökonomischen Argumentation eine starke Ähnlichkeit mit der Österreichischen Konjunkturtheorie. In der Tat erwähnt Hayek selbst Tugan-Baranovsky als einen Vorläufer der Konjunkturtheorie, welche er in Prices and Production präsentiert73.
71
Tugan-Baranovsky, Industrial Crises in Contemporary Britain. Eine spanische Übersetzung findet sich in Lecturas de economía política, Francisco Cabrillo, Hrsg. (Madrid: Minerva Ediciones, 1991), S. 190-210. Die deutsche Ausgabe trägt den Titel Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen in England. Das genannte Kapitel befindet sich auf den Seiten 232-254 (Neudruck der Ausgabe Jena 1901. Aalen: Scientia Verlag, 1969) Vgl. zudem Kapitel 7, Fußnote 87. 72 Ausschnitt übersetzt aus der spanischen Ausgabe. Ebenda, S. 205; Hervorhebung hinzugefügt. 73 In the German literature similar ideas were introduced mainly by the writings of Karl Marx. It is on Marx that M.v. Tougan-Baranovsky’s work is based which in turn provided the starting point for the later work of Professor Spiethoff and Professor Cassel. The extent to which the theory developed in these lectures corresponds with that of the two last named authors, particularly with that of Professor Spiethoff, need hardly be emphasised. (Hayek, Prices and Production, p. 103) [Anmerkung des Übersetzers. In der ersten auch in deutsch erschienenen Auflage ist diese Stelle nicht enthalten.] Vgl. auch Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 379. Zu Tugan-Baranovsky und dem Inhalt seiner Dissertation, The Industrial Crises in England, siehe den biographischen Artikel zu diesem Autor von Alec Nove veröffentlicht in The New Palgrave: A Dictionary of Economics, John Eatwell, Murray Milgate, und Peter Newman, Hrsg. (London: Macmillan, 1987), Bd. 4, S. 705-06. Der Fehler in all diesen Lehren einer „mangelhaften Proportion“ liegt darin, dass sie den monetären und interventionistischen Ursprung (in Form einer privilegierten Geschäftstätigkeit des Bankensystems) verkennen. Sie begreifen nicht die unternehmerische Tendenz in Abwesenheit von Regierungseingriffen Fehlinvestitionen zu entdecken und zu korrigieren. Ferner nehmen sie naiverweise an, dass die Wirtschaftsbehörden der Regierung eine tieferes Wissen dieser Effekte besitzen als das Netzwerk von Unternehmern, die auf den Märkten in freier Weise handeln. Vgl. Mises, Human Action, S. 582-83.
Weiterhin ist es interessant festzustellen, dass Hayek selbst für einige Zeit wie Marx glaubte, dass Wirtschaftskrisen dem kapitalistischen System inhärent sind, obgleich Hayek sie als notwendige Kosten der Aufrechterhaltung eines elatischen Geld- und Kreditsystem, dessen Expansion jederzeit die wirtschaftliche Entwicklung „garantierte,“ betrachtete. Genauer behauptete Hayek, dass Wirtschaftskrisen schon in dem Bestehen der modernen Kreditorganisation begründet sind. Solange wir uns des Mittels des Bankkredits bedienen, um die Entwicklung zu fördern, werden wir auch die Konjunkturschwankungen mit in Kauf nehmen müssen, die durch ihn verursacht werden. Sie sind gewissermaßen der Preis des Fortschritts über jenes Maß, den die Menschen freiwillig durch ihr Sparen ermöglichen, und der ihnen darum abgelistet werden muß. Und wenn es auch ein Irrtum ist, der gerade durch die Krisen widerlegt wird, daß auf diese Weise die wirtschaftlichen Hemmnisse beseitigt werden können, die dem Fortschritt entgegenstehen, so kann doch anderseits kaum ein Zweifel bestehen, daß die außerwirtschaftlichen Faktoren des Fortschritts, wie die technischen und kommerziellen Kenntnisse, dadurch in einer Weise gefördert werden, die wir nicht missen möchten. 74
74
Hayek, Geldtheorie und Konjunkturtheorie, S. 111. Im Jahr 1929 fügte der junge Hayek hinzu, dass seiner Meinung nach ein rigides Bankensystem Krise verhindern würde, jedoch „würde doch die Stbailität der Wirtschaft damit erkauft werden, daß der Zins (weil ja heute sogar während der Depressionsperioden in der Regel eine Kreditvermehrung erfolgt) dauernd höher stünden, als dies sonst der Fall wäre, und dadurch der technische Fortschritt verlangsamte würde.“ Er schloß: Es ist wohl nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß eine derartige Politik bei dem heutigen Stand der Einsicht des Publikums und der Vertreter der Wissenschaft nicht nur praktisch völlig undurchführbar, sondern auch theoretisch kaum zu rechtfertigen wäre. (Ebenda, S. 112) Hayek selbst gibt zu, dass diese Schlussfolgerung eher auf Intuition und nichtökonomischen Faktoren beruht denn auf einer rigorosen theoretischen Untersuchung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er nur ein paar Jahre später in Prices and Production und in Monetary Nationalism and International Stability, seine Einstellung änderte und einen gleichbleibende Geldmenge vorschlug sowie die Forderung einer 100 prozentigen Reservedeckung im Bankwesen unterstützte. In „Hayek, Business Cycles and Fractional Reserve Banking: Continuing the De-Homogenization Process,“ The Review of Austrian Economics 9, Nr. 1 (1996): 77-94 lanzieren Walter Block und Kenneth M. Garschina eindringende Kritik an den vom jungen Hayek 1929 vorgenommenen Aussagen. Jedoch sollten vielleicht nach einer Reflexion Hayek´s Kommentare in einem anderen Licht verstanden werden. Schon im Jahr 1925 schlug er als eine radikale Lösung für die Konjunkturzyklen eine Rückkehr zu den Vorschriften des Bank Charter Act von 1844 und die Einrichtung einer 100 prozentigen Reservepflicht für bei Banken gehaltenen Sichteinlagen vor. Mithin könnte es vielleicht weiser sein, die von Hayek 1929 gemacht Behauptungen (in Geldtheorie und Konjunkturtheorie) im Kontext eines Vortrags zu interpretieren, den er beim Verein für Sozialpolitik in Zürich im September 1928 hielt, anstatt im Kontext seiner anderen
Diese frühe These von Hayek, welche teilweise mit der von Marx übereinstimmt, würde nur richtig sein, wenn die Österreichische Konjunkturtheorie nicht gezeigt hätte, dass Wirtschaftskrisen der Produktionsstruktur großen Schaden zufügen und einen allgemeinen Konsum des akkumulierten Kapital verursachen. Diese Wirkungen behindern ernsthaft die harmonische Wirtschaftsentwicklung einer Gesellschaft. Desweiteren und dies ist sogar noch wichtiger, zielt die hier unternommene theoretische, juristische und ökonomische Analyse auf den Beweis ab, dass Wirtschaftskrisen nicht das unvermeidbare Nebenprodukt von Marktwirtschaften sind, sondern im Gegenteil aus dem Privileg resultieren, welches die Regierungen den Banken gegeben haben, indem sie ihnen erlauben, bei den monetären Sichteinlagen außerhalb
der
traditionellen
Rechtsprinzipien
des
Privateigentums,
die
für
entscheidend sind, zu operieren. Daher sind Krisen in keiner Weise dem kapitalistischen System inhärent. Sie entstehen auch nicht unweigerlich in einer Marktwirtschaft, die den allgemeinen Rechtsprinzipien unterworfen ist, welche ihren grundlegenden Rechtsrahmen konstituieren. In einer solchen Wirtschaft werden keine Privilegien gewährt. Es gibt noch eine zweite Verbindung von Marxismus und Österreichischer Konjunkturtheorie. Falls jemals irgendeine Ideologie den Klassenkampf gerechtfertigt und genährt hat, und die populäre Auffassung gestärkt hat, dass es notwendig ist, die Arbeitsmärkte scharf zu regulieren und zu kontrollieren, um die Arbeiter vor den Unternehmern und ihrer Ausbeutung „schützen,“ so ist diese gerade die marxistische Ideologie gewesen. Daher hat der Marxismus vielleicht ungewollt eine Schlüsselrolle
Forschungen. (Dieser Vortrag war die Basis für sein 1929er Buch). Hayeks Vortrag war der rigorosen Bewertung durch Professoren unterworfen, die wenig dazu geneigt waren, die Schlußfolgerungen zu akzeptieren, die sie als zu originär und revolutionär betrachteten. Hayeks erste Befürwortung der 100 prozentigen Reservepflicht kann in Fußnote 1 seines Artikels „Die Währungspolitik der Vereinigten Staaten seit der Überwindung der Krise von 1920”, Zeitschrift für Volkswirtschaft und Sozialpolitik (Nr. 5, 1925, Vol. 1-3, S. 25-63, und Vol. 4-6, S. 254-317),“ S. 267 gefunden werden. (Siehe zudem die folgende Fußnote 95). Hayeks fehlerhaftes und kurzzeitiges Zugeständnis in Hinblick auf die angeblich günstigen Effekte der Kreditausweitung auf den technologischen Fortschritt gibt den naiven Inflationismus wieder, der in Joseph Schumpeters Buch, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, implizit ist. Eine brillante kritische Einschätzung von Schumpeters unorthodoxer Natur aus Sicht der Kapital- und Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule wird von José Antonio Aguirre vorgenommen in seiner „Introducción“ der spanischen Ausgabe von Böhm-Bawerks Buch, Capital and Interest, Bd. 2: Positive Theory of Capital (Teoría positiva del capital) (Madrid: Ediciones Aosta/Unión Editorial, 1998), S. 19-22.
in der Rechtfertigung und Förderung der Rigidität der Arbeitsmärkte gespielt75. Damit ist er auch dafür verantwortlich, dass der Anpassungsprozess, welche unweigerlich auf jede Phase der Bankkreditausweitung folgt, viel länger und schmerzhafter wurde. Wenn die Arbeitsmärkte viel flexibler wären (ein Zustand der erst politisch möglich wird,
wenn
die
allgemeine
Öffentlichkeit
realisiert,
wie
schädlich
die
Arbeitsgesetzgebung ist), dann würden die der Kreditausweitung folgenden notwendigen Anpassungsprozesse von geringerer Dauer und weniger schmerzvoll sein. Es gibt noch eine dritte mögliche Verbindung zwischen der Österreichischen Konjunkturtheorie und dem Marxismus: die Abwesenheit von Wirtschaftskrisen in System des „real-existierenden Sozialismus“. Diese Abwesenheit ist von vielen Autoren in der Vergangenheit hoch gerühmt worden. Nichtsdestoweniger macht es keinen Sinn zu argumentieren, dass es in einem System zu keinen Wirtschaftskrisen kommt, in dem die Produktionsmittel niemals Privateigentum sind und alle ökonomischen Prozesse von oben mittels eines Zwangsplans „koordiniert“ werden, welchen die staatlichen Stellen ganz bewusst den Wirtschaftssubjekten aufzwingen. Wir müssen uns daran erinnern, dass es in der Marktwirtschaft gerade deshalb zur Depression kommt, weil die Kreditausweitung die Produktionsstruktur verzerrt, sodass sie nicht länger mit jener Struktur übereinstimmt, welche die Konsumenten freiwillig erhalten würden. Wo immer die Konsumenten keine Wahlfreiheit haben und die Produktionsstruktur ihnen von oben aufgezwängt wird, ist es daher keineswegs der Fall, dass die sukzessiven Phasen von Aufschwung und Rezession gar nicht auftreten könnten. Vielmehr können wir mit aller theoretischer Berechtigung annehmen, dass sich derartige Volkswirschaften kontinuierlich und permanent in einer Krisen- und Rezessionssituation
befinden.
Dies
ist
darauf
zurückzuführen,
dass
die
Produktionsstruktur von oben aufgezwängt wird und nicht mit den Wünschen der
75
Tatsächlich betrachtete Marx selbst die interventionistischen und syndikalistischen Versionen des Sozialismus als “utopisch” und sagte sogar, dass die sozialpolitische und arbeitspolitische Gesetzgebung zum Wohle der Arbeiter unweigerlich erfolglos bliebe. In diesem Sinne akzeptierte er vollkommen die Argumente der klassischen Schule gegen die Eingriffe der Regierung in die Marktwirtschaft. Marx Position zu diesem Thema mindert in keiner Weise die Tatsache, dass der Marxismus ganz unabsichtlich die hauptideologische Kraft hinter den “Reformbewegungen” war, welche die Eingriffe in den Arbeitsmarkt rechtfertigten.
Bürger übereinstimmt. Es ist für dieses System theoretisch unmöglich die Fehlabstimmung und Fehlanpassung zu korrigieren76. Zu behaupten, dass eine Wirtschaft des real existierenden Sozialismus den Vorteil mit sich bringt, die Wirtschaftskrisen zu eliminieren, entspricht mithin der Versicherung, dass der Vorteil des Todes ist, dass man gegen Krankheiten immun ist77. In der Tat wurde es nach dem Fall der sozialistischen Regime in Osteuropa, als die Verbraucher wieder die Möglichkeiten hatten, die Produktionsstruktur nach ihren Wünschen zu formen, sofort deutlich, dass das Ausmaß und die Größe der vergangenen Investitionsfehler den Anpassunsprozess viel tiefgreifender, länger und schmerzvoller machen würde, als es für die Rezessionsphasen, welche die Marktwirtschaften befallen, normal ist. Es ist offensichtlich geworden, dass der Großteil der Kapitalgüterstruktur, welche in den sozialistischen Wirtschaften existierte in Hinblick auf die Befürnisse und Ziele, welche einer modernen Wirtschaft charakteristisch sind, vollkomenen nutzlos war. Kurzum provoziert der Sozialismus ausgedehnte, intensive und
chronische
Fehlinvestitionen
der
gesellschaftlichen
Produktionsfaktoren
und
Kapitalgüter, und damit viel schwerwiegendere Fehlinvestitionen als die durch die Kreditausweitung verursachten. Wir können mithin folgern, dass der „real existierende“ Sozialismus in einer tiefen „chronischen Depression“ eingebettet ist, d.h. in einer Situation einer fortwährenden Fehlinvestition von Produktivkräften. Dieses Phänomen ist sogar von wiederkehrenden und verschlechternden Veränderungen begleitet worden, die dem Zyklus sehr ähnlich sind und mit einem gewissen Detail von verschiedenen Theoretikern aus den ehemaligen Planwirtschaften untersucht worden78. Die erschreckenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen die Volkswirtschaften aus dem ehemaligen Ostblock heute konfrontiert sind, stammen aus den zahlreichen Dekaden systematischer ökonomischer 76
Wir haben das komplette Buch, Socialismo, cálculo economic y function empresarial, dem Beweis gewidmet, dass es einem System des real existierenden Sozialismus mittels seiner Politik unmöglich ist, eine koordinierende Wirkung sogar in den günstigsten Umstände auszuüben. 77 A dictator does not bother about whether or not the masses approve of his decision concerning how much to devote for current consumption and how much for additional investment. If the dictator invests more and thus curtails the means available for current consumption, the people must eat less and hold their tongues. No crisis emerges because the subjects have no opportunity to utter their dissatisfaction. Where there is no business at all, business can be neither good nor bad. There may be starvation or famine, but no depression in the sense in which this term is used in dealing with the problems of a market economy. Where the individuals are not free to choose, they cannot protest against the methods applied by those directing the course of production. (Mises, Human Action, S. 565–66) 78 Unter anderen Tomask Stankiewicz in seinem Aufsatz „Investment under Socialism,“ Communist Economies 1, Nr. 2 (1989): 123-30. Vgl. zudem Jan Winieckis Buch, The Distorted World of Soviet-Type Economies (London: Routledge, 1988 und 1991).
Fehler. Diese Fehler sind viel schwerwiegender (und sind in einem sehr viel schnelleren Rhythmus begangen worden) als jene, welche sich regelmäßig im Westen als Folge der Kreditausweitung durch das Bankensystem und der Geldpolitik der staatlichen Stellen einstellen.
17 ZWEI WEITERE ÜBERLEGUNGEN Zu verschiedenen historischen Begebenheiten ist die Kreditausweitung benutzt worden, um bei der Finanzierung des nationalen Haushaltsdefizits zu helfen. Dies kann auf zwei Arten geschehen: Entweder können die Banken instruiert werden, Staatsanleihen mit einem Teil ihrer Kreditausweitung zu erwerben, oder die Regierung leiht sich das Geld direkt von den Banken. Obgleich dies Beispiele von Kreditausweitung sind, beeinflussen sie hier nicht direkt den Darlehensmarkt, sondern fungieren vielmehr als perfekte Substitute für die Geldschaffung. In der Tat kommt die Kreditausweitung in diesem Falle der einfachen Geldschaffung zur Haushaltsdefizitfinanzierung gleich und führt zu den traditionellen Effekten jeden inflationären Prozesses: eine anfängliche Einkommensumverteilung wie sie allen inflationären Prozessen ähnlich ist; und eine Verzerrung der Produktionsstruktur in dem Maße, in dem die Regierung Ausgaben und öffentliche Arbeiten finanziert, welche die Produktionsstruktur vorübergehend modifizieren und später nicht mit den derzeitigen Ausgaben der Wirtschaftssubjekte für Konsumgüter und Leistungen dauerhaft erhalten werden können. In jedem Falle ist es notwendig, zwischen echter Kreditausweitung, welche zu einem künstlichen Aufschwung und dem Konjunkturzyklus führt, und der reinen Geldschaffung und Platzierung dieses neuen Geldes in den Händen des Staates zu unterscheiden. Letztere Prozedur übt die einer Inflationssteuer typischen Wirkungen aus79. Eine
weitere
Schlußbetrachtung
Konjunkturzyklen.
bezieht
Volkswirtschaften,
die
sich
auf
derart
die internationale integriert
sind
Natur
wie
von
moderne
Volkswirtschaften, initiieren einen Kreditausweitungsprozess für gewöhnlich simultan und 79
Der massive Anstieg der Haushaltsdefizite war für die 1980er Jahre üblich (vor allem in Spanien und Italien) und diente zur Verlängerung der expansiven Phasen und zum Aufschub und Verschärfung der nachfolgenden Rezessionen. Die negativen Wirkungen dieser indirekt monetisierten Defizite haben sich mit den abträglichen Wirkungen der Kreditausweitung verbunden. Das Ergebnis ist eine noch größere Fehlabstimmung in der Allokation der Ressourcen und eine Verzögerung des Beginns der notwendigen Anpassung gewesen.
die Wirkungen verbreiten sich schnell auf allen Weltmärkten. Während der Goldstandard vorherrschte, war die Kapazität der Länder für die inländische Kreditausweitung automatisch begrenzt. Diese Grenze wurde durch den unweigerlichen Abfluss von Gold aus den relativ stärker inflationierenden Volkswirtschaften bestimmt. Mit der Abkehr vom Goldstandard, dem Aufkommen von flexiblen Wechselkursen und dem Triumpf des monetären Nationalismus wurde es jedem Land möglich, seine Kreditausweitungspolitik frei zu wählen, was einen Inflationswettbewerb auslöste, bei dem ein Land gegen alle anderen Länder antritt. Nur eine sehr große und integrierte ökonomische Zone, welche verschiedene Nationen umfasst, die der Kreditausweitung abgeschworen haben und unter sich die Wechselkurse fix halten, wird in der Lage sein, sich relativ gesehen (nicht vollkommen) von den abträglichen Effekten einer allgemeinen Kreditausweitung außerhalb ihrer Grenzen zu entziehen. Nichtsdestoweniger werden die Inflationseffekte sogar innerhalb der Zone gefühlt werden, wenn nicht ein flexibler Wechselkurs zwischen ihr und den außerhalb liegenden Ländern, welche am Prozess der Kreditausweitung leiden, etabliert wird. Es ist wahr, dass feste Wechselkurse als ein (unvollkommenes) Substitut für die Grenzen fungieren, welche der Goldstandard der Kapazität jeden Landes setzt, unabhängig die Geldmenge in der Form von Darlehen zu erhöhen. Jedoch ist dies mit der Tatsache verträglich, dass der negative Effekt einer externen Ausweitung auf die Nation mit umsichtigerer Geldpolitik nur durch die Etablierung von fexiblen Wechselkursen gemildert werden kann. In jedem Fall erfordert die entgültige Eliminierung von Wirtschaftkrisen eine weltweite Reform des Geldsystems. Eine solche Reform wird im neunten und letzten Kapitel dieses Buches dargelegt.
18 EMPIRISCHE BELEGE FÜR DIE KONJUNKTURTHEORIE In diesem Abschnitt werden wir untersuchen, wie die bisher präsentierte Konjunkturtheorie mit der Wirtschaftsgeschichte übereinstimmt. In andere Worten werden wir betrachtetn, ob unsere theoretische Analyse ein brauchbaren Abriss zur Interpretation der Aufschwungs- und Rezessionsphänomene bietet, welche in der Geschichte vorgekommen sind und weiterhin vorkommen. Wir werden daher überlegen, wie historische Vorkommnisse, sowohl in der ferneren als auch in der jüngeren Vergangenheit, die hier entwickelte Theorie illustrieren und sich mit ihr decken.
Nichtsdestoweniger ist es notwendig, mit einem Wort der Vorsicht hinsichtlich der historischen Interpretation von Konjunkturzyklen zu beginnen. Im Gegensatz zu den Annahmen der Schule des „Positivismus“ halten wir empirische Belege alleine als nicht ausreichend, um eine wissenschaftliche Theorie auf dem Gebiet der Ökonomie zu bestätigen oder zu widerlegen. Mit Absicht schrieben wird, dass wir versuchen wollen zu untersuchen, wie die historischen Vorkommnisse die in unserer Analyse gemachten theoretischen Folgerungen „illustrieren“ bzw. „sich mit ihnen decken.“ Wir schrieben nicht, dass wir einen empirischen Test durchführen wollten, der es uns erlaubte, die Wahrheit unserer Analyse zu falsifizieren, bestätigen oder zu beweisen. In der Tat ist es eindeutig, obgleich dies möglicherweise nicht der angemessene Ort ist, um die ganze kritische Analyse der logischen Unzulänglichkeiten der „positivistischen Methodologie“ zu reproduzieren 80, dass die Erfahrung in den Sozialwissenschaften immer „historisch“ ist, das heißt sie besteht in äußerst
80
Eine Zusammenfassung der kritischen Analyse der positivistischen Methodologie mit einer kurzen Bibliographie der wichtigsten Schriften zu diesem Thema ist in unserem Artikel „Método y crisis en la ciencia económica,“ Hacienda pública española 74 (1982): 33-48, wiederveröffentlicht in Jesús Huerta de Soto, Estudios de economía política (Madrid: Unión Editorial, 1994), Kapitel 3, S. 59-82 zu finden. Vgl. zudem unseren Aufsatz „The Ongoing Methodenstreit of the Austrian School,“ S. 75-113. Die methodologischen Ideen der Österreichischen Schule entwickelten sich parallel zur Debatte zur Wirtschaftsrechnung im Sozialismus . Die Kritik der positivistischen Methodologie ist eines der interessantesten Nebenprodukte dieser Debatte. Gerade die Faktoren, welche den Sozialismus zu einem intellektuellen Fehler (z.B. die Unmöglichkeit, die notwendigen praktischen Informationen auf eine zentrale Weise zu erlangen) machen, erklären in der Tat, warum es in der Ökonomie weder möglich ist, empirische Ereignisse direkt zu beobachten, noch eine Theorie empirisch zu testen, noch kurzum irgendeine spezifische Prognose in Hinblick auf Zeit und Ort künftiger Ereignisse zu machen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Forschungsgegenstand in der Ökonomie in Ideen und Wissen besteht, welche die Menschen besitzen und in Verbindung mit ihren Handlungen schaffen. Diese Informationen ändern sich ständig, sind höchst komplex und können weder gemessen, noch beobachtet, noch von einem Wissenschaftler (oder eine zentralen Planungsbehörde) erfasst werden. Wenn es möglich wäre, soziale Ereignisse zu messen und ökonomische Theorie empirisch zu testen, dann wäre der Sozialismus möglich. Gerade die Faktoren, welche den Sozialismus unmöglich machen, zeigen, dass die positivistische Methodologie nicht anwendbar ist. Daher können „Ereignisse“ in der sozialen Welt wegen ihrer „geistigen“ Natur nur aus einer historischen Perspektive interpretiert werden und erfordern immer eine vorherige Theorie. Für weiteres zu diesen kontroversen und zum Nachdenken anregenden Punkten, vgl. die 33 bibliographischen Quellen, die in unserem Aufsatz „Método y crisis en la ciencia económica,“ erwähnt werden. Zudem siehe vor allem Mises Buch, Theory and History (New Haven, Conn.: Yale University Press, 1957), Haykes Aufsatz „The Facts of the Social Sciences,“ in Individualism and Economic Order, S. 57-76 und The Counter-Revolution of Science (Glencoe, Ill.: Free Press, 1952; Indianapolis, Ind.: Liberty Press, 1979). Eine günstige und vorurteilslose Erklärung des österreichischen methodologischen Paradigmas ist in Bruce Caldwell, Beyond Positivism: Economic Methodology in the Twentieth Century (London: George Allen and Unwin, 1982; 2. Aufl., London: Routledge 1994) vor allem S. 117-38 zu finden.
komplexen Ereignissen, in denen unzählige „Variablen“ involviert sind. Es ist unmöglich diese Variablen direkt zu beobachten. Wir können sie nur im Lichte einer vorher bestehenden Theorie interpretieren. Desweiteren variieren sowohl die Ereignisse (in ihrer grenzenlosen Komplexität) als auch ihre spezifische Struktur von einer Situation zur nächsten und damit variiert, obgleich die bedeutsamsten zugrundeliegenden Kräfte als die gleichen betrachtet werden können, ihre spezifische historische Natur beträchtlich von einem besonderen Fall zum anderen. Jede Konjunkturtheorie wird eine andere Selektion und Interpretation von historischen Ereignissen vornehmen. Diese Tatsache macht der vorherigen Etablierung einer wahren Theorie mittels anderer Methoden, als sie von den Positivisten angewandt werden, sehr bedeutsam. Die wahre Theorie erlaubt die adäquate Interpretation der Realität. Mithin gibt es keine unwiderlegbaren historischen Beweise und noch viel weniger gibt es historische Beweise, welche bestätigen könnten, ob eine Theorie wahr oder falsch ist. Deswegen sollten wir sehr vorsichtig und demütig in unserer Hoffnung sein, eine Theorie empirisch zu bestätigen. Bestenfalls müssen wir damit zufrieden sein, eine logisch kohärente Theorie zu entwickeln, welche so weit als möglich frei von logischen Defekten in der korrespondierende Kette von analytischen Argumenten ist und auf den grundliegenden Prinzipien der menschlichen Handlung beruht („Subjektivismus“). Mit dieser Theorie zu unserer Verfügung ist der nächste Schritte zu überprüfen, wie gut sie mit den historischen Ereignissen übereinstimmt und es uns erlaubt, das tatsächliche Geschehen in einer allgemeineren, ausgewogeneren und brauchbareren Weise als andere, alternative Theorien zu interpretieren. Diese Betrachtungen sind besonders für die Konjunkturtheorien relevant. Wie F.A. Hayek gezeigt hat, bestimmt die „scientistische“ Einstellung, welche bis heute die Ökonomie dominiert, dass nur ökonomische Theorien, welche in empirischen Begriffen formuliert und auf messbare Größen anwendbar sind, zu beachten sind. In Hayeks Worten: It can hardly be denied that such a demand quite arbitrarily limits the facts which are to be admitted as possible causes of the events which occur in the real world. This view, which is often quite naively accepted as required by scientific procedure, has some rather paradoxical consequences. We know, of course, with regard to the market and similar social structures, a great many facts which we cannot measure and on which indeed we have only some very imprecise and general information. And because the effects of these facts in any particular instance cannot be confirmed by
quantitative evidence, they are simply disregarded by those sworn to admit only what they regard as scientific evidence: they thereupon happily proceed on the fiction that the factors which they can measure are the only ones that are relevant. The correlation between aggregate demand and total employment, for instance, may only be approximate, but as it is the only one on which we have quantitative data, it is accepted as the only causal connection that counts. On this standard there may thus well exist better “scientific” evidence for a false theory, which will be accepted because it is more “scientific,” than for a valid explanation, which is rejected because there is no sufficient quantitative evidence for it81. In diesem Abschnitt werden wir sehen, dass die verfügbaren historischen Daten hinsichtlich vergangener
Aufschwungs-
und
Rezessionszyklen
sich
exzellent
mit
unserer
Konjunkturtheorie decken, wobei wir die obigen Warnungen und Überlegungen berücksichtigen. Weiterhin werden wir am Ende dieses Abschnitts die Forschungsarbeiten besprechen, welche die Österreichische Konjunkturtheorie empirisch getestet haben.
KONJUNKTURZYKLEN VOR DER INDUSTRIELLEN REVOLUTION (a) Es wäre unmöglich an dieser Stelle (nicht einmal in einer kondensierten Form) alle Zyklen von Aufschwung und Rezession, welche die Volkswirtschaften vor der Industriellen Revolution befallen haben, zu behandeln. Dennoch können wir uns glücklich schätzen, eine wachsende Anzahl von Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte verfügbar zu haben, welche die Anwendung der Konjunkturtheorie auf die spezifischen ökonomischen Ereignisse der Vergangenheit erheblich erleichtert. Wir könnten damit beginnen, Carlo M. Cipollas Arbeiten zu den Krisen zu erwähnen, welche die florentinische Wirtschaft in der Mitte der vierzehnten Jahrhunderts und im
81
Hayek stellte diese wichtigen Überlegungen zur Schwierigkeit des empirischen Tests ökonomischer Theorien und besonders der Konjunkturtheorie bei seinem Vortrag bei der Entgegennahme des Nobelpreise am 11. Dezember 1974 an. Vgl. seinen Artikel „The Pretence of Knowledge,“ The American Economic Review (Dezember 1989): 3. Hayek folgert an derselben Stelle: [W]hat is probably the true cause of extensive unemployment has been disregarded by the scientistically minded majority of economists, because its operation could not be confirmed by directly observable relations between measurable magnitudes, and that an almost exclusive concentration on quantitatively measurable surface phenomena has produced a policy which has made matters worse. (S. 5)
sechzehnten Jahrhundert befielen. Diese Krise werden in Kapitel 2 behandelt82. In der Tat sahen wir, dass Cipolla - R.C. Muellers Studien folgend83 - die beträchtliche Kreditausweitung durch die florentinischen Banken ab dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts dokumentiert84. Das Ergebnis war der signifikante wirtschaftliche Aufschwung,
der
Florenz
zum
Zentrum
der
Finanzwirtschaft
und
der
Handelsaktivitäten im Mittelmeer machten. Nichtsdestoweniger lösten eine Serie von Ereignisse wie der Bankrott von England, der Abzug von Geldern aus Neapel und der Krach der forentinischen Staatsanleihen den Beginn der unvermeidbaren Krise aus. Diese Krise spiegelt sich in den weitverbreiteten Bankzusammenbrüchen und der starken Kreditrestriktion im Markt, was damals als mancamento della credenza bekannt war. Cipolla stellt heraus, dass die Krise in der Zerstörung großen Reichtums mündete. Immobilienpreise, welche emporgeschnellt waren, brachen um die Hälfte ein und nicht einmal dieser Preisrückgang war ausreichend, um genügend Käufer anzulocken. Laut Cipolla dauerte es dreissig Jahre (von 1349 bis 1379) bis die Erholung einsetzte. Seiner Meinung nach spielte die desaströse Pest eine bedeutende Rolle in der Erholung. Die Pest broke the vicious spiral of deflation. Since the number of capita was suddenly and dramatically reduced, the average per capita amount of currency available rose. In addition, during the three years that followed the plague, the output of the mint remained high. Consequently, cash balances were unusually large, and they were not hoarded: the prevailing mood among the survivors was that of spending. Thus prices and wages increased85. In Kapitel 2 kritisierten wir den Gebrauch der Geldtheorie durch Cipolla, der seiner Interpretation der florentinischen Geldprozesse zugrunde liegt. (b) Die zweite Wirtschaftkrise, welche Cipolla ausführlich studiert, kann auch vollständig mit der Österreichischen Konjunkturtheorie erklärt werden. Sie beinhaltet die 82
Carlo M. Cipolla, The Monetary Policy of Fourteenth-Century Florence (Berkeley: University of California Press, 1982); und Money in Sixteenth-Century Florence (Berkeley: University of California Press, 1989). 83 R.C. Mueller, „The Role of Bank Money in Venice: 1300-1500,“ S. 47-96. Und in jüngerer Zeit, The Venetian Money Market: Bank, Panics, and the Public Debt, 1200-1500. 84 Wie Carlo Cipolla wörtlich schreibt: “The banks of that time had already developed to the point of creating money besides increasing its velocity of circulation.” Cipolla, The Monetary Policy of Fourteenth-Century Florence, S. 13. 85 Ebenda S. 48.
Kreditausweitung, welche in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhundert in Florenz statt fand. Cipolla erklärt dort, dass the managers of the Ricci bank used the public funds as a monetary base for a policy of credit expansion. The preeminence of the Ricci bank in the Florentine market must have lured the other banks into emulating its policy of credit expansion86. Cipolla zufolge war die florentinische Wirtschaft in den 1560er Jahre sehr aktiv, angetrieben durch eine Krediteuphorie. Jedoch gipfelte die Situation in einer ersten Liquiditätsklemme, welche das gesamte Bankensystem erfasste. Bankiers, wie es die Chroniken bildhaft umschrieben, „zahlten nur mit Tinte“. Die Krise verschlechterte sich zunächst allmählich, um dann in der Mitte der 1570er heftig zu explodieren, als es zu einer „großen Geldknappheit“ (Deflation) und Kreditrestriktion in der Stadt kam. Cipolla schreibt: The credit multiplier suddenly worked perversely, and the Florentine market was throttled by a liquidity crisis, induced by the credit squeeze, that was exceptionally serious both in intensity and length. In the chronicler’s pages, in the merchants’ letters, and in the contemporary bans we find continual, concerned references to the monetary and credit “stringency,” to the banks that did not “count” (that is, did not pay out cash), and to the lack of cash to pay workers on Saturdays87. Mithin wurden Kreditausweitung und der Aufschwung von einer Depression gefolgt, dank derer der Handel schnell schrumpfte und es zu zahlreichen Insolvenzen kam. Zu diesem Zeitpunkt schwenkte die florentinische Wirtschafts auf einen langen Abwärtstrend. (c) In Kapitel 2 haben wir zudem andere Kreditausweitunsprozesse erwähnt, welche unausweichlich zu auf sie folgenden Wirtschaftskrisen führten. Zum Beispiel behandelten wir den Fall der venezianischen Medici Bank, welche den Kredit ausweitete und schließlich im Jahre 1492 zusammenbrach. Weiterhin haben wir Ramón Carande folgend die Ausweitungsprozesse und Bankzusammenbrüche untersucht, welche alle sevillanischen Bankiers zu Zeit Karl´s V erfassten. In ähnlicher Weise reflektierten wir die große Depression, welche auf John Laws spekulative und
86 87
Cipolla, Money in Sixteenth-Century Florence, S. 106. Ebenda, S. 111.
finanzielle Expansion in Frankreich zu Beginn des 18. Jahrhunderts folgte. Diese Expansion haben verschiedene Autorn, darunter Hayek selbst, detailliert untersucht88. DIE KONJUNKTURZYKLEN AB BEGINN DER INDUSTRIELLEN REVOLUTION Mit den napoleonischen Kriegen, dem Anfang der Industriellen Revolution und der Verbreitung des Teildeckungsbankensystems begannen die Konjunkturzyklen mit größerer Regelmäßigkeit und mit den bedeutendsten Eigenschaften, welche die in diesem Buch vorgestellte Theorie identifiziert, wieder aufzutreten. Wir werden nun kurz die Daten und Eigenschaften der wichtigsten Zyklen seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts berühren. 1. Die Panik von 1819. Diese Panik betraf besonders die Vereinigten Staaten und ist hauptsächlich von Murray N. Rothbard in einem heutigen klassischen Werk zu dem Thema untersucht worden. Der Panik ging eine Ausweitung der Kredite und der Geldmenge voraus. Beide Ausweitungen geschahen in der Form von Banknoten und Darlehen, wobei beide nicht durch reale Ersparnisse gedeckt waren. Die neu geschaffene Bank of the United States spielte in diesem Prozess eine führende Rolle. So wurde eine große künstliche Wirtschaftsausweitung erzeugt, die dann 1819 abrupt unterbrochen wurde, als die Banken die Kreditexpansion einstellten und die Zahlung der in ihrem Besitz befindlichen Noten anderer Banken einforderten. Es folgte ein typische Kreditrestriktion zusammen mit einer tiefen, ausgedehnten Wirtschaftsdepression, welche die während des Aufschwungs begonnenen Investitionsprojekte unterbrach und die Arbeitslosigkeit antrieb89.
88
Vgl. Hayeks Aufsatz „First Paper Money in Eighteenth Century France,“ gedruckt als Kapitel 10 des Buches, The Collected Works of F. A. Hayek, Bd. 3: The Trend of Economic Thinking, S. 155-76. Siehe außerdem Kindleberger, A Financial History of Western Europe, S. 98 ff.. 89 Vgl. Rothbard, The Panic of 1819: Reactions and Policies. Rothbard machte einen weiteren wichtigen Beitrag in diesem Buch. Er zeigte, dass die Krise eine hoch intellektuelle Kontroverse bezüglich der Rolle der Banken entfachte. Rothbard betont das Auftauchen einer großen Gruppe von Politikern, Journalisten und Ökonomen, welche in der Lage waren, die Ursprünge der Krise zu diagnostizieren und geeignete Maßnahmen zur Verhinderung der Wiederkehr derartiger Krise in der Zukunft vorzuschlagen. All diese geschah Jahre bevor Torrens und andere in England die grundlegenden Prinzipien der Currency-School definierten. Im Folgenden sind die wichtigsten Persönlichkeiten aufgeführt, welche die Kreditausweitung als den Ursprung der ökonomischen Übel identifizierten: Thomas Jefferson, Thomas Randolph, Daniel Raymond, Senator Condy Raguet, John Adams, und Peter Paul de Grand, der sogar die Forderung an die Banken verteidigte, dem Modell der Bank von Amsterdam zu folgen und ständig eine 100 prozentige Reservedeckung aufrechtzuerhalten (S. 151).
2. Die Krise von 1825. Diese war hauptsächlich eine englische Krise. Sie wurde durch eine beachtliche Kreditausweitung charakterisiert, welche zur Finanzierung einer Produktionsstrukturverlängerung genutzt wurde, d.h. es wurden die konsumfernsten Stufen vermehrt. Dabei wurden hauptsächlich Investitionen in die ersten Eisenbahnlinien und die Entwicklung der Textilindustrie finanziert. Als die Krise 1825 ausbracht, wurde eine bis 1832 andauernde Depression angestoßen. 3. Die Krise von 1836. Die Banken begannen die Kredit auszudehnen, was zu einem Aufschwung führte, in dem sich die Bankunternehmungen und Gesellschaften sprunghaft vermehrte. Neue Darlehen finanzierten Eisenbahnen, die Eisen- Stahl- und Kohleindustrie und den Einsatz der Dampfmaschine als neue Energiequelle. Zu Beginn der Jahres 1836 begannen die Preise emporzuschnellen. Die Entwicklung kam zu einem Stillstand, als sich die Banken entschlossen, ihre Darlehenserhöhung im Anblick der Tatsache, dass sie mehr und mehr Geldreserven verloren, einzustellen. Diese Goldreserven verließen das Land hauptsächlich mit dem Ziel der Vereinigten Staaten. Im gleichen Jahr noch begannen die Preise und die Banken zusammenzubrechen. Außerdem stellten Banken ihre Auszahlungen ein. Die Folge war die tiefe Depression die bis 1840 anhielt. 4. Die Krise von 1847. Bereits 1840 kam es zu einer erneuten Kreditausweitung im Vereinigten Königreich, welche sich bis auf Frankreich und die Vereinigten Staaten ausdehnte. Tausende von Eisenbahnkilometern wurden gebaut und die Börse trat in eine unnachgiebige Wachstumsperiode ein, in der vor allem Eisenbahnaktien gefragt waren. So begann eine spekulative Bewegung, welche bis 1846 anhielt, als eine Wirtschaftskrise in Großbritannien ausbrach. Es ist interessant festzustellen, dass England unter der Federführung von Peel am 19. Juli 1844 den Bank Charter Act ratifiziert hatte. Dies bedeutete den Triumph der Currency School von David Ricardo. Der Bank Charter Act verbot die Emission von nicht vollständig durch Gold gedeckten Noten. Dennoch wurde diese Vorschrift nicht in Bezug auf Depositen und Darlehen eingeführt, was die Ausbreitung der Spekulation und die Schärfe der Krise, welche in 1846 ausbrach, erklärt. Die Depression breitete sich nach Frankreich aus. Die Kurse der Eisenbahnaktien stürzten an den verschiedenen Börsen in bodenlose. Im Allgemeinen gingen die Gewinne, besonders in den Kapitalgüterindustrien, zurück. Die Arbeitslosigkeit wuchs vor allem im Sektor des Eisenbahnbaus. In diesem historischen Kontext sollten wir die, eindeutig von der
Arbeiterklasse durchgeführte sozialistische Revolution einschätzen, welche 1848 in Frankreich ausbrach. 5. Die Panik von 1857. Die Struktur dieser Krise ähnelte den vorangegangenen. Die Panik hatte ihren Ursprung in einem vorausgehenden Aufschwung, der fünf Jahre von 1852 bis 1857 anhielt und auf einer ausgedehnten Kreditausweitung mit weltweiten Folgen ruhte. Preise, Gewinne und Nominallöhne stiegen an und eine Börsenhausse fand statt. Der Aufschwung favorisierte besonders Minenunternehmen sowie Eisenbahnbauunternehmungen (die wichtigsten Kapitalgüterindustrien dieser Periode). Weiterhin verallgemeinerte sich die Spekulation. Die ersten Zeichen des Aufschwungsende waren mit dem allmählichen Rückgang der Minen- und Eisenbahngewinne (die konsumfernsten Stufen) zu erkennen. Ansteigende Produktionskosten setzten den Gewinnen weiter zu. In der Folge erfasste die Abschwächung die Eisen-, Stahl- und Kohleindustrien und die Krise brach aus. Sie dehnte sich schnell aus und stieß eine weltweite Depression an. Der 22. August 1857 war in New York ein echter Paniktag und viele Banken stellten ihre Operationen ein. 6. Die Krise von 1866. Die Expansionsphase begann 1861. Dabei spielten die Entwicklung des Bankwesens in England und die Kreditausweitung, welche in Frankreich durch Credit Foncier eingeleitet wurde, eine Schlüsselrolle. Die Ausdehnung trieb die Preise der Zwischengüter, sowie der bau- und baumwollverbundenen Industrien an. Die Expansion setzte sich in hoher Geschwindigkeit fort bis 1866 eine Panik ausbrach, was auf eine Reihe von spektakulären Zusammenbrüchen, die berühmteste davon die von Overend Gurney in London, zurückzuführen ist. Zu diesem Zeitpunkt wurde Peels Bank Charter Act genau wie 1847 und 1857 temporär außer Kraft gesetzt mit dem Ziel der Wirtschaft Liquidität zuzuführen und die Goldreserven der Bank von England zu verteidigen. Frankreichs größte Investmentbank, die Crédit Mobiliaire, brach zusammen. Das obige führte zu einer Depression, die wie gewöhnlich hauptsächlich den Eisenbahnbausektor erfasste. Die Arbeitslosigkeit dehnte sich vor allem in den Kapitalgüterindustrien aus. Zwischen 1859 und 1864 weitete Spanien bedeutend seine Kredite aus, was ausgedehnte Fehlinvestitionen vor allem in Eisenbahnen förderte. Ab 1864 litt Spanien an einer Rezession, welche 1866 ihren Höhepunkt erreichte. Gabriel Tortella Casares hat diesen Prozess analysiert. Obgleich im Lichte unserer Theorie
einige seiner interpretativen Folgerungen modifiziert werden sollten, passen die von ihm in seinen Schriften präsentierten Ereignisse perfekt zu unserer Theorie90. 7. Die Krise von 1873. Das Muster dieser Krise ähnelt dem vorheriger Krisen stark. Die Expansion wurde in den Vereinigten Staaten als Folge der hohen Kosten des Bürgerkrieges initiiert. Das Eisenbahnschienennetz wurde auf dramatische Weise vergrößert und die Eisen- und Stahlindustrien wuchsen stark. Die Expansion dehnte sich auf den Rest der Welt aus. In Europa kam es zu einer enormen Börsenspekulation, in welcher die Wertpapiere des industriellen Sektors in die Höhe schossen. Die Krise schlug zunächst auf dem Kontinent im Mai von 1873 zu. Im folgenden Sommer gelangte sie dann in die Vereinigten Staaten, als eine Rezession offensichtlich wurde und eine der großen amerikanischen Banken, Jay Cook & Co. zusammenbrach. Bemerkenswerterweise entkam Frankreich, welches sich der vorangegangenen Kreditausweitung enthalten hatte, der Panik und der folgenden schweren Depression. 8. Die Krise von 1882. Die Kreditausweitung wurde 1878 in den Vereinigten Staaten und in Frankreich wieder aufgenommen. In Frankreich schnellte die Emission von Industrieaktien in die Höhe und ein ambiziöses Arbeitsbeschaffungsprogramm wurde eingeführt. Die Banken spielten seine sehr aktive Rolle in der Anziehung der Familienersparnisse und der massiven Darlehensgewährung an die Industrie. Die Krise brach 1882 mit dem Zusammenbruch von Union Générale aus. Crédit Lyonnais, auch an der Grenze des Zusammenbruchs, sah sich einem massiven Depositenabzug (rund der Hälfte) gegenüber. In den Vereinigten Staaten brachen von einer Gesamtsumme von 3.271 Banken über 400 zusammen. Arbeitslosigkeit und Krise verbreiteten sich in den konsumfernsten Industrien. 9. Die Krise von 1890-1892. Eine Kreditausweitung dehnte sich in der ganzen Welt in Form von Darlehen aus, die hauptsächlich an Südamerika gerichtet waren. Schiffsbau und Schwerindustrie entwickelten sich schnell. Die Krise brach 1890 aus und die Depression hielt bis 1896 an. Die üblichen Zusammenbrüche von
90
Tortella stellt Vicens zitierend heraus, dass die spanische Krise von 1866 „was at the origin of the Catalonian businessmen´s proverbial mistrust towards banks and large corporations.“ Vgl. Gabriel Tortella-Casares, Banking, Railroads, and Industry in Spain 1829-1874 (New York: Arno Press, 1977), S. 585. Für weitere Information zur spanischen Wirtschaft in dieser Periode vgl. Juan Sardá, La política monetaria y las fluctuaciones de la economía españ ola en el siglo XIX (Barcelona: Ariel, 1970; 1. Aufl., Madrid C.S.I.C. 1948) vor allem S. 131-51.
Eisenbahnunternehmen, der Zusammenbruch der Börse, die Krise der Eisen- und Stahlindustrie, sowie die Arbeitsloskeit traten mit Nachdruck in Erscheinung, wie es in allen Depressionsjahren, welche auf eine Krise folgen, typisch ist. 10. Die Krise von 1907. Eine erneute Kreditausweitung wurde 1896 initiiert und hielt bis 1907 an. In diesem Falle wurden die neuen Darlehen (ex nihilo geschaffen) in elektrische Energie, Telephonie, Untergrundbahnen und den Schiffsbau investiert. Die Elektrizitätsbranche spielte dabei die vorher von den Eisenbahnen übernommene führende Rolle. Weiterhin nutze zum ersten Male die chemische Industrie die Bankdarlehen aus und die ersten Automobile wurden gebaut. Im Jahre 1907 schlug die Krise zu. Sie war besonders ernst in den Vereinigten Staaten, wo viele Banken zusammenbrachen. Nach Beendigung der Krise von 1907 begann ein neuer Aufschwung, welcher 1913 in eine neue Krise, ähnlich den vorangehenden, mündete. Diese neue Krise wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrise unterbrochen, der die Produktionsstruktur von nahezu allen Ländern der Erde änderte91. DIE „ROARING TWENTIES“ UND DIE GROSSE DEPRESSION VON 1929 Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wurden durch eine große Kreditausweitung gekennzeichnet, die ihren Ursprung in den Vereinigten Staate nahm. Die neu etablierte Federal Reserve (gegründet 1913) organisierte die Kreditausweitungsphase, welche in Programmen zur Geldwertstabilisierung involviert war. Theoretiker wie Irving Fisher und andere Monetaristen unterstützten diese Programme, welche zu dieser Zeit eine große und anhaltende Beliebheit erworben hatten. Da die Dekade der 1920er Jahre einen beachtlichen Produktivitätsanstieg sah, in dem viele neue Technologien eingesetzt wurden und eine große Menge Kapital akkumuliert worden war, wäre es ohne diese Ausweitung des Geldangebots in Form von Darlehen zu einem signifikanten Fall der Preise der Konsumgüter und Dienstleistungen, und damit zu einem beachtlichen Reallohnanstieg gekommen. Jedoch hielt die Kreditausweitung die Konsumgüterpreise während der ganzen Periode praktisch konstant. Benjamin M. Anderson stellt in seiner bemerkenswerten Wirtschafts- und Finanzgeschichte dieser Periode in den Vereinigten Staaten das Volumen der 91
Für eine detailliertere historische Darstellung der Krise und Wirtschaftszyklen vom Beginn der Industriellen Revolution bis zum Ersten Weltkrise vgl. zum Beispiel Maurice Niveau, Historia de los hechos económicos contemporáneos, Übersetzung ins Spanische durch Antonio Bosch Doménech (Barcelona: Editorial Ariel 1971), S. 143-60.
Kreditausweitung des amerikanischen Bankensystem detailliert dar. In wenig mehr als fünf Jahren, wuchs die ex nihilo durch das Bankensystem geschaffene Darlehensmenge von $33 Milliarden auf über $47 Milliarden. Anderson schreibt explizit, dass Between the middle of 1922 and April 1928, without need, without justification, lightheartedly, irresponsibly, we expanded bank credit by more than twice as much, and in the years which followed we paid a terrible price for this92. Murray N. Rothbard berechnet einen Anstiegs des Geldangebots in den Vereinigten Staaten von $37 Milliarden im Jahr 1921 auf über $55 Milliarden im Januar 192993. Diese Zahlen nähern sich eng den Schätzungen von Milton Friedman und Anna J. Schwartz an, nach denen das Geldangebot von über $39 Milliarden im Januar 1921 auf $57 Milliarden im Oktober 1929 anstieg94.
92
Anderson, Economics and the Public Welfare, S. 145-57. Der oben zitiert Ausschnitt ist auf der S. 146 zu finden. 93 Rothbard, America´s Great Depression, S. 88, Spalte 4.. Rothbard untersucht alle Besonderheiten des Inflationsprozesses. Im Besonderen analysiert er Übereinstimmung mit der vorsätzlichen Politik der Federal Reserve, welche unter anderem von Finanzminister William G. McAdoo gutgeheißen wurde. Nach McAdoo: The primary purpose of the Federal Reserve Act was to alter and strengthen our banking system that the enlarged credit resources demanded by the needs of business and agricultural enterprises will come almost automatically into existence and at rates of interest low enough to stimulate, protect and prosper all kinds of legitimate business. (S. 113) Siehe zudem George A. Selgin, “The ‘Relative’ Inflation of the 1920’s,” in Less Than Zero, S. 55–59. 94 Milton Friedman und Anna J. Schwartz, A Monetary History of the United States, 1867–1960 (Princeton, N.J.: Princeton University Press, 1963), S. 710–12 (Tabelle A-1, Spalte 8). In diesem Kapitel, welches sich mit den 1920er Jahren beschäftigt, weisen Friedman und Schwartz darauf hin, dass eine der Hauptänderungen dieser Periode die Entscheidung war, erstmals in der Geschichte central-bank powers to promote internal economic stability as well as to preserve balance in international payments and to prevent and moderate strictly financial crises. In retrospect, we can see that this was a major step toward the assumption by government of explicit continuous responsibility for economic stability. (S. 240) Obgleich Friedman und Schwartz mit dieser Beobachtung den Finger auf das Problem legten, veranlasst die Unzulänglichkeit der monetären Analyse, mit der sie ihre Daten interpretieren, sie dazu, die Ursache der Großen Depression von 1929 in geldpolitischen Fehlern der Federal Reserve ab diesem Datum und nicht, wie es die Theorie der Österreichischen Schule aufzeigt, in der Kreditausweitung der 1920er Jahre zu suchen. Friedman und Schwartz übersehen völlig den Einfluss einer solchen Ausweitung auf die Produktionsstruktur. Diesen Zusammenhang begreifen sie nicht.
F.A. Hayek selbst war ein qualifizierter Zeuge erster Hand dieser expansiven Kreditpolitik der Federal Reserve in den 1920er Jahren. In der Tat studierte 15 Monate in situ die Geldpolitik der Federal Reserve. Ein Ergebnis dieses Aufenthaltes war sein Artikel zur amerikanischen Geldpolitik nach der Krise von 192095. In diesem Aufsatz analysiert Hayek kritisch das Ziel der Federal Reserve, nach dem jede Steigerung des Index um einen bestimmten Prozentsatz unmittelbar mit einer Erhöhung des Diskontsatzes, beziehungsweise sonstigen Kreditbeschränkungen, jede Senkung des allgemeinen Preisniveaus mit einer Herabsetzung des Diskontsatzes beantwortet werden müsse.96 Hayek weist darauf hin, dass der Vorschlag der Stabilisierung des allgemeinen Preisniveaus, ursprünglich von Irving Fisher in den Vereinigten Staaten und J.M. Keynes und Ralph Hawtrey in England gemacht worden war und von verschiedenen Ökonomen angeführt von Benjamin M. Anderson auf Schärfste kritisiert wurde. Hayeks Hauptbeanstandung zum Stabilisierungsprojekt ist, dass, wenn das allgemeine Preisniveau im Fallen begriffen ist, Stabilisierungsversuche unweigerlich die Form von Kreditausweitung annehmen, was unvermeidbar einen Aufschwung, eine mangelhafte Ressourcenallokation in der Produktionsstruktur und danach eine tiefe Depression provoziert. Dies geschah dann auch tatsächlich. In der Tat wurde das Ziel der Stabilität des allgemeinen Preisniveaus der Konsumgüter nahezu vollständig in den 1920er Jahren auf Kosten einer großen Kreditausweitung erreicht. Dies generierte einen Aufschwung, der im Einklang mit unseren theoretischen Prognosen 95
F.A. von Hayek “Die Währungspolitik der Vereinigten Staaten seit der Überwindung der Krise von 1920” Zeitschrift für Volkswirtschaft und Sozialpolitik (Nr. 5, 1925, Vol. 1-3, S. 25-63, und Vol. 4-6, S. 254-317). Es ist wichtig festzuhalten, dass in Fußnote 1 dieses Artikels (S. 267-68) Hayek zum ersten Mal die grundlegende Argumentation präsentiert, welche er später detailliert in Prices and Production entwickeln würde. Mit dieser Argumentation baut er auf Mises auf. Desweiteren enthält Fußnote 1 (auf S. 267) dieses Artikels Hayeks erstes explizites Bekenntnis zur Wiedereinführung einer 100 prozentigen Reservepflicht für das Bankwesen. Hayek schließt: Eine konsequente Fortbildung des Grundgedankens der Peelakte, die auch für die Bankdepositen eine 100prozentige Golddeckung vorschreiben müßte, würde denn auch das Problem der Krisenverhütung radikal lösen. (S. 267) 96
Hayek, “Die Währungspolitik der Vereinigten Staaten seit der Überwindung der Krise von 1920”, S. 270.
hauptsächlich die Kapitalgüterindustrien beeinflusste. Mithin stiegen die Aktienpreise an der Börse um das vierfache und während die Produktions der Güter des laufenden Konsums um 60 Prozent in dieser Periode wuchs, stieg die Produktions der langlebigen Konsumgütern, von Eisen, Stahl und anderen Anlagekapitalgütern, um 160 Prozent.97 Eine weitere Tatsache, welche die Österreichische Konjunkturtheorie illustriert, ist, dass während der 1920er Jahre die Löhne hauptsächlich in den Kapitalgüterindustrien anstiegen. In einer Periode von acht Jahren, stiegen sie in diesem Sektor real gesehen rund 12 Prozent an, wohingegen sie nur ein durchschnittlichen reales Wachstum von 5 Prozent in den Konsumgüterindustrien verzeichneten. In gewissen Kapitalgüterindustrien stiegen die Löhne noch stärker. Beispielsweise stiegen sie um 22 Prozent in der chemischen Industrie und 25 Prozen in der Eisen- und Stahlindustrie. Neben John Maynard Keynes, und Irving Fisher, war Ralph Hawtrey, der Direktor für Finanzstudien im britischen Finanzministerium, ein weiterer besonders einflussreicher Ökonom, der die Kreditausweitung mit dem angeblich vorteilhaften Ziel der allgemeinen Preisniveaustabilisierung rechtfertigte. Haytrey zufolge: The American experiment in stabilization from 1922 to 1928 showed that early treatment could shake a tendency ether to inflation or to depression in a few months, before any serious damage had been done. The American experiment was a great advance upon the practice of the 19th century98. 97
In anderen Worten war eine hohe „Inflation“ definitiv ein diese Periode prägender Faktor, der sich jedoch in dem Sektor der Finanzwerte und Kapitalgüter und nicht im Konsumgütersektor manifestierte (Rothbard, America´s Great Depression, S. 154). In seinem Artikel „The Federal Reserve as a Cartelization Device: The Early Years: 1913-1930,“ Kapital 4 in Money in Crisis, Barry N. Siegel, Hrsg., S. 89-136, bietet uns Murray Rothbard eine faszinierende Übersicht der Entwicklung der Geldpolitik der Federal Reserve von 1913 bis 1930 zusammen mit einer Analyse der engen, expansionsbezogenen Zusammenarbeit von Strong, Präsident der Federal Reserve, und Montagu Norman, Präsident der Bank of England. Aus dieser Zusammenarbeit entsprangen Offenmarktoperationen der 1920er Jahre. Ihr Zweck war die Inflationierung des amerikanischen Geldangebots, um dem Vereinigten Königreich mit seinem selbstzugefügten Deflationsproblem zu helfen. 98 Ralph G. Hawtrey, The Art of Central Banking (London: Longman, 1932), S. 300. Rothbard beschreibt Hawtrey als „one of the evil geniuses of the 1920s.“ Rothbard, America´s Great Depression, S. 159. Der schwerwiegendste Fehler, den Fisher, Hawtrey und die übrigen „Stabilisierungstheoretiker“ begingen, war, dass sie nicht verstanden, dass die Hauptfunktion des Geldes ist als ein Vehikel für die kreative Ausübung des Unternehmertums zu dienen und dabei alle kreativen Optionen für die menschliche Handlung in der Zukunft offen zu halten. Deshalb darf die Geldnachfrage und die Kaufkraft des Geldes niemals aufhören, sich zu verändern. Wie Mises schreibt,
Die Kreditausweitungpolitik, welche vorsätzlich zur Stabilisierung des allgemeinen Preisniveaus initiiert wurde, provozierte einen Aufschwung. Dieser Aufschwung zusammen mit dem Fehlen der analytischen Werkzeuge die notwendig sind, um zu verstehen, dass der Plan in Wirklichkeit eine tiefe Depression verursachen würde, veranlasste die Behörden dazu, mit dieser Politik fortzufahren. Diese Politik war, wie wir wissen, zum Scheitern verurteilt99. Der Ausbruch der Krise überraschte Monetaristen wie Fisher, Hawtrey, etc., die inspiriert von einer mechanischen Quantitätstheorie des Geldes glaubten, dass sobald einmal das Geldangebot erhöhte worden sei, sein Einfluss auf die Preise stabil und unabänderlich sei. Diese Theoretiker verstanden nicht, dass das expansive Darlehenswachstum einen höchst ungleichen Effekt auf die Produktionstruktur und die relativen Preise ausübte. Professor Irving Fisher war vielleicht der berühmteste amerikanische Ökonom dieser Zeit und seine Kommentare waren unter den am weitesten beachteten. Fisher verteidigte hartnäckig die Theorie, dass der Aktienmarkt ein Level (ein hohes Plateau) erreicht hätte, unter das er niemals wieder fallen könnte. Die 1929er Krise überraschte und ruinierte ihn nahezu100. Das New Yorker Börsendesaster lief in mehreren Etappen ab. Der Aktienindex mehr als verdoppelte sich von 1926 bis 1929. Er stieg von 100 auf 216. Die erste Warnung erschien am Donnerstag, den 24. Oktober 1929, als ein Angebot von dreizehn Millionen Aktien auf eine beinah nicht existierende Nachfrage traf und die Preise zusammenbrachen. Banken intervenierten und waren in der Lage den Preisverfall vorübergehend aufzuhalten. Die Preise In der gegebenen Welt des Handelns und der unaufhörlichen Veränderung, in der Welt die nicht starr sein kann, weil sie lebt, kann es Neutralität, wie man sie vom Gelde verlangt, ebensowenig geben wie Stabilität der Austauschverhältnisse. Eine Welt, in der die Bedingungen, die neutrales Geld und starre Austauschverhältnisse voraussetzen, gegeb-en wären, wäre eine Welt, in der nicht gehandelt wird. (Mises, Nationalökonomie, 378) 99 According to Phillips, McManus, and Nelson, “The end result of what was probably the greatest price-level stabilization experiment in history proved to be, simply, the greatest depression.” Phillips, McManus, and Nelson, Banking and the Business Cycle, S. 176. 100 Am 17. Oktober 1929 erklärte Fisher: „Stocks have reached what looks like a permanently high plateau.“ Anderson, Economics and the Public Welfare, S. 210. Zu dem Vermögen, welches Fisher mit der Entwicklung einer Rechenmaschine machte, und seiner Unfähigkeit, die von ihm durchlebten Ereignisse theoretisch zu erklären und den Börsenkrach, in dem er praktisch sein gesamtes Vermögen verlor, zu prognostizieren, vgl. Robert Loring Allens fesselnde Biographie, Irving Fisher: A Biography (Oxford: Blackwell, 1993). Fishers große Prognosefehler erklären den Schaden für seine akademische und populäre Reputation und die Tatsache, dass seine spätere Theorie der Ursachen der Großen Depression nicht sehr ernst genommen wurde. Vgl. Robert W. Dimand, „Irving Fisher and Modern Macroeconomics,“ American Economic Review, 87, Nr. 2 (Mai 1997): 444.
fielen zwischen 12 und 25 Punkten. Obgleich erwartet wurde, dass die Panik über das Wochenende enden würde, brachte der Morgen des Montags, 28. Oktober, ein neues, unaufhaltbares Desaster. Über neun Millionen Aktien wurden zum Verkauf angeboten und der Markt viel um 49 Punkte. Der verheerendste Tag war Dienstag, 29. Oktober, als 33 Million Aktien angeboten wurden und der Markt um weitere 49 Punkte abstürzte. An diesem Punkt schlug die Depression mit ihren typischen Eigenschaften zu. Mehr als 5.000 Banken der Gesamtsumme von 24.000 brachen zusammen oder stellten ihre Zahlungen zwischen 1929 und 1932 ein101. Außerdem kam es zu einer dramatischen Kreditklemme und die privaten Bruttoinvestitionen gingen von über $15 Milliarden in 1929 auf knapp eine Millarde 1932 zurück. Zusätzlich erreichte die Arbeitslosigkeit 1933 ihren Höhepunkt, als um die 27 Prozent der aktiven Bevölkerung ohne Arbeit waren. Die Dauer und besondere Härte der Großen Depression, welche eine ganze Dekade anhielt, kann nur mit Rücksicht auf die wirtschafts- und geldpolitischen Fehler, welcher hauptsächlich auf die Hooveradministration (Präsident Hoover wurde 1928 wiedergewählt) aber auch auf Roosevelt, einen interventionistischen Demokraten, zurückgehen, verstanden werden. Buchstäblich jede der kontrakproduktivsten Maßnahmen wurde unternommen, was die Probleme verschärft und den Beginn der Erholung verzögerte. Namentlich trieb eine erzwungene Politik der künstlichen Lohnhochhaltung die Arbeitslosigkeit in die Höhe und verhinderte den Transfer von Produktivkräften und Arbeit von einer Industrie zur anderen. Desweiteren stellte der enorme Anstieg der öffentlichen Ausgaben im Jahr 1931 einen weiteren schwerwiegenden wirtschaftspolitischen Fehler dar. In diesem Jahr stieg der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 16,4 auf 21,5 Prozent, bei einem Haushaltsdefizit von über $2 Milliarden. Die staatlichen Behörden entschieden sich irrtümlicherweise dazu, den Haushalt durch Steuererhöhungen auszugleichen (anstatt die Ausgaben zu senken): die Einkommenssteuer stieg von 1,5 – 5 Prozent auf 4-8 Prozent an. Zahlreiche Steuerabzüge wurden eliminiert und die Grenzsteuersätze für die höchsten Einkommen stiegen sprunghaft an. In ähnlicher Weise kletterten die Unternehmenssteuersätze von 12 Prozent auf fast 14 Prozent und die Vermögenssteuer- Schenkungssteuersätze verdoppelten sich, wobei sie einen Höchstsatz von 33,3 Prozent erreichten.
101
Elmus Wicker, The Banking Panics of the Great Depression (Cambridge: Cambridge University Press, [1996] 2000).
Außerdem wurden die öffentliche Arbeiten, die zur Linderung des Problems der Arbeitslosigkeit als notwendig angesehen wurden, durch eine großangelegte Emission von Staatspapieren finanziert, die letztlich das knappe Angebot der verfügbaren Kapitals absorbierten und den privaten Sektor einschnürten. Franklin D. Roosevelt, der in den 1932 Wahlen auf Hoover folgte, setzte diese schädigende Politik fort und führte ihre disaströsen Folgen einen Schritt weiter102. DIE WIRTSCHAFTLICHEN REZESSIONEN DER SPÄTEN 1970ER UND FRÜHEN 1990ER JAHRE Die typischste Eigenschaft der Konjunkturzyklen nach dem Zweiten Weltkrieg ist, dass sie aus ganz bewußter inflationärer Politik entsprangen, welche durch die Zentralbanken geleitet und koordiniert wurde. Während der Nachkriegsjahrzehnte und bis in die späten 60er Jahre vermittelte die Keynesianische Theorie den Glauben, dass eine „expansive“ Fiskal- und Geldpolitik allen Krisen abwenden könne. Man kam dann mit der schweren Rezession in den 1970er Jahren auf den Boden der bitteren Realität zurück, als die Stagflation die keynesianischen Annahmen unterhöhlte und diskreditierte. Weiterhin markieren die 1970er Jahre und das Aufkommen der Stagflation ein wiedererwachendes Interesse an der Ökonomie der Österreichischen Schule. So erhielt Hayek 1974 den Wirtschaftsnobelpreise gerade für seine Studien zur Konjunkturtheorie. In der Tat waren die Krise und Stagflation der 70er Jahre ein „Spiel mit dem Feuer“, welches die Keynesianer nicht überlebten und den Ökonomen der Österreichischen Schule, welche die Stagflation seit einiger Zeit prognostiziert hatten, zu großer Anerkennung verhalf. Ihr einziger Fehler lag, wie Hayek zugesteht, in ihrer anfänglichen Fehleinschätzung der Länge des Inflationsprozesses, welcher, da er nicht mehr durch die Vorgaben des Goldstandards gebunden war, mit zusätzlichen 102
Murray N. Rothbard folgert in seiner Analyse der Großen Depression: Economic theory demonstrates that only governmental inflation can generate a boomand-bust cycle, and that the depression will be prolonged and aggravated by inflationist and other interventionary measures. In contrast to the myth of laissez-faire, we have shown how government intervention generated the unsound boom of the 1920’s, and how Hoover’s new departure aggravated the Great Depression by massive measures of interference. The guilt for the Great Depression must, at long last, be lifted from the shoulders of the free market economy, and placed where it properly belongs: at the doors of politicians, bureaucrats, and the mass of “enlightened” economists. And in any other depression, past or future, the story will be the same. (Rothbard, America’s Great Depression, S. 295) Wir haben bis jetzt noch nicht die europäische Erfahrung der Großen Depression erwähnt. Eine Analyse des europäischen Teils der Großen Depression ist in Lionell Robbins Buch, The Great Depression (1934) zu finden. In einem neueren Werk, The Credit-Anstalt Crisis of 1931 (Cambridge University Press, 1991), gibt Aurel Schubert eine klare Übersicht der Krise des österreichischen Bankensystems, obzwar die der Analyse zugrunde liegende Theorie bisweilen zu Wünschen übrig lässt.
Kreditausweitungsdosen verlängert wurde und sich über zwei Dekaden spannte. Das Ergebnis war ein noch nie dagewesenes Phänomen: ein akute Depression, welche mit hohen Inflationsraten und hoher Arbeitslosigkeit einher ging103. Die Krise der späten Siebziger gehört zur jüngeren Wirtschaftsgeschichte und wir werden sie nicht ausführlich besprechen. Es genügt festzustellen, dass die notwendige weltweite Anpassung sehr kostspielig war. Vielleicht hätten nach dieser bitteren Erfahrung und mit dem Anbruch der wirtschaftlichen Erholung die westlichen Wirtschafts- und Finanzbehörden dazu verpflichtet werden können, die notwendigen Maßnahmen zu unternehmen, um in der Zukunft ausgedehnte Kreditausweitungen und damit künftige Rezessionen zu vermeiden. Unglücklicherweise war dies nicht der Fall und trotz aller Anstrengung und Kosten, welche die Wiederanpassung der westlichen Volkswirtschaften nach der Krise der späten Siebziger Jahre involvierte, sah die zweite Hälfte der Achtziger Jahre den Beginn einer neuen signifikanten Kreditausweitung, welche in den Vereinigten Staaten ihren Ursprung hatte und sich über Japan, England und den Rest der Welt verbreitete. Trotz der „Warnungen“ der Aktienmärkte, besonders des Einbruchs des New York Stock Exchange am 10. Oktober 1987 „Black Monday,“ (als der New York Stock Exchange Index 22,6 Prozent abstürzte) reagierten die monetären Behörden nervös und injizierten neue Kreditdosen in die Wirtschaft, um die Börsenindizes zu stützen. 103
Milton Friedman erklärt in einem Artikel, in dem er die Daten der Krisen zwischen 1961 und 1987 untersucht, dass er keine Korrelation zwischen der Kreditausweitungsmenge und der nachfolgenden Kontraktion sieht und folgert, dass diese Ergebnisse „would cast grave doubt on those theories that see as the source of a deep depression the excesses of the prior expansion (the Mises cycle theory is a clear example).“ Vgl. Milton Friedman, „The ´Plucking Model‘ of Business Fluctuations Revisited“ Economic Inquiry 31 (April 1993): 171-77 (der obige Ausschnitt erscheint auf S. 172). Nichtsdestoweniger ist Friedmans Interpretation der Fakten und ihrer Beziehung zur Österreichischen Theorie aus den folgenden Gründen falsch: (a) Friedman benutzt als einen Indikator der Evolution des Zyklus BIPZahlen, welche wie wir wissen beinahe die Hälfte des gesamten Bruttonationalausstoßes unberücksichtigt lassen. Der Bruttonationalausstoß enthält den Wert der Zwischenprodukte und ist die Maßzahl, welche am stärksten währen des Zyklus variiert; (b) Die Österreichischen Konjunkturtheorie stellt eine Korrelation zwischen Kreditausweitung, mikroökonomischen Fehlinvestitionen und der Rezession her, und nicht zwischen dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Rezession, welche durch ein Aggregat (BIP) gemessen werden, welches verbirgt, was wirklich geschieht; (c) Friedman untersucht eine sehr kurze Zeitperiode (1961-1987), während derere jedem Anzeichen von Rezession mit energischer expansiver Politik begegnet wurde, was die folgenden Rezessionen verkürzte – mit Ausnahme der von uns im Text benannten zwei Fällen (die Krise der späten Siebziger und der frühen Neunziger), in denen die Wirtschaft in die Stagflationsfalle geriet. Ich möchte Mark Skousen dafür danken, dass er mir seine interessante Privatkorrespondenz mit Milton Friedman zu diesem Thema zugänglich gemacht hat. Vgl. zudem für den Beweis der vollkommenen Kompatibilität von Friedmans aggregierten Daten und der Österreichischen Konjunkturtheorie, Garrison, Time and Money, S. 222-35.
In einer empirischen Studie der Rezession der frühen Neunziger104, enthüllt W.N. Butos, dass zwischen 1983 und 1987 die jährliche Wachstumsrate der von der Federal Reserve an das amerikanische Bankensystem bereitgestellten Reserven auf 14,5 Prozent pro Jahr anstieg (d.h. von $25 Billionen im Jahr 1985 auf über $40 Billionen drei Jahre später). Dies führte zu einer enormen Kreditausweitung und monetären Expansion, welche wiederum eine beachtliche Börsenhausse und zahlreiche Arten von spekulativen Finanzoperationen nährte. Desweiteren betrat die Wirtschaft eine merkliche Aufschwungsphase, in der die Kapitalgüterstufen beachtlich verlängert wurden und die Produktion von langlebigen Konsumgütern spektakulär anstieg. Diese Phase ist später als das „Goldene Zeitalter“ der Reagan-Thatcher Jahre bezeichnet worden. Sie ruhte hauptsächlich auf dem wackligen Fundament der Kreditausweitung105. Auch eine empirische Studie von Arthur Middleton Hughes bestätigt diese Fakten. Weiterhin untersucht Hughes den Einfluss der Kreditausweitung und der Rezession auf verschiedenen Sektoren in verschiedenen Stufen der Produktionsstruktur (einige dem Konsum näher, andere dem Konsum ferner). Seine empirischen Zeitreihen bestätigen die wichtigsten Schlußfolgerungen unserer Konjunkturtheorie106. Desweiteren wurde diese Rezession von einer ernsten Bankenkrise begleitet, welche in den Vereinigten Staaten durch den Zusammenbruch verschiedener wichtiger Banken und vor allem der „Savings and Loan“ Banken offensichtlich wurde. Eine Analyse „Savings and Loan“ Bankenkrise erschien in verschiedenen Publikationen107.
104
W.N. Butos „The Recession and Austrian Business Cycle Theory: An Empirical Perspective,“ in Critical Review 7, Nr. 2-3 (Frühling und Sommer, 1993). Butos folgert, dass die Österreichische Konjunkturtheorie eine stichhaltige analytische Erklärung der Expansion der Achtziger und der nachfolgenden Krise in den frühen Neunzigern liefert. Ein weiterer interessanter Artikel, der die Österreichischen Theorie auf den jüngsten Wirtschaftszyklus anwendet ist Roger W. Garrisons „The Roaring Twenties and the Bullish Eigthies: The Role of Government in Boom and Bust,“ Critical Review 7, Nr. 2-3 (Frühling und Sommer, 1993): 259-76. Das Geldangebot wuchs in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auch in Spanien dramatisch an, wo es von dreissig Billionen Peseten auf beinahe sechzig Billionen Peseten von 1986 bis 1992 anstieg, als eine heftige Krise Spanien erschütterte („Banco de España,“ Boletín estadístico [August 1994]: 17. 105 Margaret Thatcher gab schließlich selbst in ihrer Autobiographie zu, dass alle wirtschaftlichen Probleme ihrer Regierung entstanden, als die Geld- und Kreditmenge zu schnell ausgedehnt wurde und die Konsumgüterpreise in den Himmel schossen. Thatcher, The Downing Street Years. 106 Hughes, „The Recession of 1990: An Austrian Explanation,“ S. 107-23. 107 Zum Beispiel, Lawrence H. White, „What has been Breaking U.S. Banks?“ S. 32134, und Catherine England, „The Savings and Loan Debacle,“ in Critical Review 7, Nr. 2-3 (Frühling und Sommer, 1993): 307-20. In Spanien ragt das folgende Werk von Antonio Torrero Mañas heraus: La crisis del sistema bancario: lecciones de la experiencia de Estados Unidos (Madrid: Editorial Cívitas, 1993).
Diese letzte Rezession überraschte erneut Monetaristen, die nicht verstehen können, wie derartiges passieren kann108. Jedoch korrespondieren die typischsten Eigenschaften des Aufschwungs, die Erscheinung der Krise und die folgende Rezession alle mit den Vorhersagen der Österreichischen Konjunkturtheorie. Vielleicht ist die interessanteste und herausragendste Eigenschaft des letzten Zyklus die Schlüsselrolle gewesen, welche der japanischen Wirtschaft zugekommen ist. Besonders in der Vierjahresperiode von 1987 bis 1991 kam es in der japanischen Wirtschaft zu einer enormen Geld- und Kreditausweitung, welche, wie die Theorie beschreibt, hauptsächlich die konsumfernsten Stufen beeinflusst hat. In der Tat erhöhten sich die Preise von „festen“ Vermögenswerten, wie Land, Immobilien, Aktien, Kunstwerken und Juwellen sprunghaft, obgleich die Konsumgüterpreise nur zwischen 0 und 3 Prozent anstiegen. Ihr Wert sprang auf ein Vielfaches ihres ursprünglichen Wert und die jeweiligen Märkte traten in eine spekulative Hausse ein. Die Krise schlug im zweiten Quartal 1991 zu und die nachfolgende Rezession dauerte mehr als 10 Jahre. Eine allgemeine Fehlinvestition von Produktivkräften ist evident geworden. Dies ist ein für Japan bislang unbekanntes Problem und hat es notwendig gemacht, dass die japanische Wirtschaft in einen schmerzhaften ausgedehnten Anpassungsprozess eintrat, in dem sie sich bei Niederschrift dieser Zeilen (2001) noch befindet109.
108
Zu diesem Thema gelingt Robert E. Hall die anschaulichste Schlußfolgerung: Established models are unhelpful in understanding this recession, and probably most of its predecessors. There was no outside force that concentrated its effects over the few months in the late summer and fall of 1990, nor was there a coincidence of forces concentrated during that period. Rather, there seems to have been a cascading of negative responses during that time, perhaps set off by Iraq’s invasion of Kuwait and the resulting oilprice spike in August 1990. (Hall “Macrotheory and the Recession of 1990–1991,” American Economic Review (May 1993): 275–79; der obige Ausschnitt ist von S. 278–79) Es ist entmutigend zu sehen, dass ein derart angesehener Autor in dieser Weise über das Entstehen und die Entwicklung der 1990er Krise verwirrt ist. Diese Situation sagt viel über den bemitleidenswerten Zustand der gegenwärtigen makroökonomischen Theorie aus. 109 Der Nikkei 225 Index der Börse in Tokyo fiel in Folge des Zusammenbruchs zahlreicher Banken und Aktienmarktfirmen (wie Hokkaido Takushoku, Sanyo und Yamaichie Securities u.a.) von über 30.000 Yen zu Beginn des Jahres 1990 auf weniger als 12.000 Yen im Jahr 2001. Diese Zusammenbrüche haben die Glaubwürdigkeit des japanischen Finanzsystems, welches eine lange Zeit für seine Erholung brauchen wird, ernsthaft erschüttert. Weiterhin hat sich die japanische Banken- und Aktienmarktkrise auf den gesamten Rest der asiatischen Märkte ausgedehnt (zu nennen sind der Zusammenbruch der Peregrine Bank of Hong Kong, der Bangkok Bank of Commerce, und der Bank Korea First, u.a.). Zur Anwendung der Österreichischen Theorie auf die japanische Rezession vgl. einen interessanten Artikel von Yoshio Suzuki, präsentiert auf dem Regionaltreffen der Mont Pélerin Society, September 25-30, 1994 in Canes, Frankreich. Vgl. zudem die entsprechenden Kommentare von Hiroyuki Okon in Austrian Economics Newsletter (Winter, 1997): 6-7.
Im Hinblick auf die Effekte, welche die weltweite Wirtschaftskrise auf Spanien ausgeübt hat, ist es notwendig festzuhalten, dass das Land von der Krise 1992 sehr heftig erfasst wurde und die Rezession beinahe fünf Jahre dauerte. Alle typischen Charakteristika des Aufschwungs, der Krise und Rezession sind dabei in Spaniens unmittelbarer wirtschaftlicher Umgebung präsent gewesen mit der möglichen Ausnahme, dass der künstliche Aufschwung sogar durch den Eintritt Spaniens in die Europäische Wirtschaftsunion noch ausgeprägter war. Weiterhin trat die Krise im Kontext einer überbewerteten Peseta ein, welche innerhalb von zwölf Monaten bei drei aufeinanderfolgenden Begebenheiten abgewertet werden musste. Der Aktienmarkt wurde stark getroffen und es kam zu wohlbekannten Finanz- und Bankkrisen in einem Umfeld von Spekulation und Plänen des schnellen Reichwerdens. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis Spanien sich gänzlich von diesen Vorkommnissen erholt hat. Bis heute haben die spanischen Behörden nicht alle Maßnahmen eingeführt, die notwendig sind, um die Flexibilität der Wirthscaft, vor allem des Arbeitsmarktes zu erhöhen. Zusammen mit einer umsichtigen Geldpolitik und einer Verringerung der Staatsausgaben und des Haushaltsdefizits sind derartige Maßnahmen grundlegend für die zügige Konsolidierung eines stabilen andauernden Erzolungsprozesses in Spanien110. Schließlich koordinierte in der Folge der großen asiatischen Wirtschaftskrise von 1997 die Federal Reserve eine Kreditausweitung in den Vereinigten Staaten (und im Rest der Welt), was einen intensiven Aufschwung und eine Aktienmarktblase erzeugte. Zur Zeit (Ende 2001) erscheint es sehr wahrscheinlich, dass diese Situation in einen Aktienmarktkrach (wie es bereits für die Aktien der sogenannten „New Economy“ des elektornischen Handels, neuer Technologie- und Kommunkationsunternehmen evident ist) und einen neuen, ausgeprägten Abschwung der Weltwirtschaft mündet wird111.
EMPIRISCHE TESTS DER ÖSTERREICHISCHEN KONJUNKTURTHEORIE
110
Wir werden nicht noch auf die verheerenden Effekte der Wirtschafts- und Bankenkrise auf die Entwicklungländern (beispielsweise Venezuela) und die Volkswirtschaften des ehemaligen Ostblocks (Russland, Albanien, Litauen, Lettland, Czechische Republik, Rumänien, etc.) eingehen, welche in großer Naivität und Enthusiasmus dem Pfad der ungehemmten Kreditausweitung gefolgt sind. Beispielsweise brach in Litauen Ende 1995 nach eine Periode der Euphorie eine Bankenkrise aus, die zur Auflösung von 16 der 28 existierenden Banken, einer plötzlichen Kreditklemme, einem Investitionsrückgang, Arbeitslosigkeit und öffentlichem Unbehagen führte. Das gleiche kann für den Rest der erwähnten Fälle konstatiert werden (in einigen Fällen war die Krise sogar noch schärfer). 111 Wie bereits im Vorwort erwähnt, kam es bei Erstellung der englischen Ausgabe dieses Buches (2002-2003) zu einem weltweiten Wirtschaftsabschwung, der simultan Japan, Deutschland und (sehr wahrscheinlich) die Vereinigten Staaten betraf.
Verschiedene faszienierende Studien haben der Österreichischen Konjunkturtheorie eine starke empirische Unterstützung verliehen. Dies geschah, trotz der Schwierigkeiten, welche das Testen einer Theorie bereitet, welche auf dem Einwirken der Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur und auf der ungleichen Weise beruht, in der eine derartige Ausweitung die relativen Produktpreise der verschiedenen Produktionsstufen beeinflusst. Es ist schwierig diese ökonomischen Prozesse empirische zu testen, vor allem wenn weiterhin versucht wird, die existierenden Statistiken der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu benutzen, die, wie wir wissen, den Großteil des Bruttowertes, der in den Zwischenstufen der Produktionsstruktur erzeugt wird, unberücksichtigt lassen. Charles E. Wainhouse hat eine dieser herausragenden empirischen Studien verfasst112. Wainhouse führt neun Hypotheses auf, welche er von der Österreichischen Konjunkturtheorie ableitet und eine nach der anderen testet 113. Die Tests erbringen verschiedene Schlußfolgerungen. Als erstes testet Wainhouse die Hypothese, dass Veränderungen im Angebot der freiwilligen Ersparnisse von Veränderungen des Bankkredits unabhängig sind. Er benutzt statistische Daten, welche von Januar 1959 bis Juni 1981 datieren und findet, dass bis auf einen Fall in allen Fällen die empirische Belege diese erste Hypothese belegen. Wainhouses zweite Hypothese ist, dass Veränderungen des Kreditangebots zu Änderungen des Zinssatzes führen, und dass die beiden Variablen invers korreliert sind. Es gibt reichhaltige empirische Hinweise, die auch diese Hypothese unterstützen. Wainhouses dritte Hypothese besagt, dass eine Veränderung in der Rate der Kreditvergabe einen Anstieg der Produktion der Zwischengüter verursacht, was er auch glaubt mit den von ihm analysierten Daten bestätigen zu können. Die letzten drei empirisch von Wainhouse getesteten Hypothesen sind die folgenden: das Verhältnis der Preise der Zwischenprodukte zu den Konsumgüterpreise erhöht sich nach dem Beginn der Kreditausweitung; während des Ausweitungsprozesses steigen die Preise der konsumnahen Güter relativ zu den Preisen der Zwischenprodukte; und zu guter letzt steigen in der letzten Phase des Aufschwungs die 112
Wainhouse, „Empirical Evidence for Hayek´s Theory of Economic Fluctuations,“ S. 37-71. Siehe außerdem seinen Artikel „Hayek´s Theory of the Trade Cycle: The Evidence from the Time Series“ (Ph.D. dissertation, New York University, 1982). 113 Wainhouse states: Within the constellation of available tests of causality, Granger’s notion of causality—to the extent that it requires neither the “true” model nor controllability— seems to offer the best prospects for practical implementation. (Wainhouse, “Empirical Evidence for Hayek’s Theory of Economic Fluctuations,” S. 55) Wainhouse erwähnt die folgenden Artikel von Granger und beruht auf ihnen seine empirische Überprüfung der Österreichischen Konjunkturtheorie: C.W.J. Granger, “Investigating Causal Relations by Econometric Models and Cross-Spectral Methods,” Econometrica 37, Nr. 3 (1969): 428 ff.; und “Testing for Causality: A Personal Viewpoint,” Journal of Economic Dynamics and Control 2, Nr. 4 (November 1980): 330 ff.
Konsumgüterpreise schneller an, als die Preise der Zwischenprodukte, was den ursprünglichen Trend umkehrt. Wainhouse glaubt auch, dass diese letzten drei Hypothesen im allgemeinen mit den empirischen Daten übereinstimmen. Er folgert daher, dass die Daten die theoretischen Hypothesen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie unterstützen. Wainhouse belässt drei Hypothesen ungetestet und damit ein offenes Feld für künftige Studien von Ökonometrikern114. Eine weitere empirisch einschlägige Studie zur Österreichischen Konjunkturtheorie ist von Valerie Ramey von der University of California in San Diego durchgeführt worden115. Ramey entwickelt in dieser Studie ein intertemporäres Modell, welches die Voratsgüter als verschiedenen Stufen zugehörig unterteilt. Diese Stufen sind Konsumgüter, Güter des Großhandels, erzeugte Anlagegüter und produzierte Zwischenprodukte. Ramey kommt zu dem Schluß, dass der Preis der Voratsgüter desto stärker schwankt je weiter sie von der letzten Stufe des Konsums entfernt sind. Die konsumnächsten Vorratsgüter sind die preisstabilsten und verändern sich während des Zyklus am wenigsten. Mark Skousen kommt zu einem ähnlichen Schluß in seiner Analyse der Trends der Produktpreise aus drei verschiedenen Produktionsstufen: die Konsumgüterpriese, die Preise der Zwischenprodukte und die Preise der materiellen Produktionsfaktoren. Skouesen zeigt, wie in Fußnote 21 erwähnt, dass während der Periode von 1976 bis 1992 die Preise der konsumfernsten Produkte von +30 Prozent bis -10 Prozent geschwankten, die Preise der Zwischenprodukte nur zwischen +14 Prozente und -1 Prozent oszillierten, und die
114
In seinem Buch, Prices in Recesssion and Recovery (New York: National Bureau of Economic Research, 1936), präsentiert Frederick C. Mills eine weitere relevante empirische Studie, welche sich auf die Jahre der Großen Depression von 1929 konzentriert. In dieser Studie bestätigt Mills empirisch, dass die Evolution der relativen Preise während der Periode der Krise, der Rezession und der Erholung, welche auf den Krach von 1929 folgte, eng jener Evolution ähnelt, welche die Österreichischen Konjunkturtheorie darstellt. Namentlich folgert Mills, dass während der Depression „Raw materials dropped precipitously; manufactured goods, customarily sluggish in their response to a downward pressure of values, lagged behind.“ Im Hinblick auf Konsumgüterpreise schreibt Mills, dass sie „fell less than did the average of all commodity prices.“ In Bezug auf die Erholung von 1934-1936 zeigt Mills, dass „the prices of industrial raw materials, together with relatively high prices of finished goods, put manufacturers in an advantageous position on the operating side“ (S. 25-26, zudem S. 9697, 151, 157-58, und 222). Eine hilfreiche Einschätzung von Mills Schriften ist in Skousens Buch, The Structure of Production, S. 58-60 zu finden. 115 Valerie A. Ramey, „Inventories as Factors of Production and Economic Fluctuations,“ American Economic Review (Juli 1989): 338-54..
Konsumgüterpreise von + 10 Prozent bis – 2 Prozent variierten116. Weiterhin schätzt Mark Skousen selbst, dass in der Krise der frühen neunziger Jahre der Bruttonationalausstoß der Vereinigtern Staaten – eine Größe, die alle Güter der Zwischenstufen beinhaltet- zwischen 10 und 15 Prozent fiel und nicht nur zwischen 1 und 2 Prozent zurückging, wie es die traditionellen Größen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in diesem signifikant geringeren Prozentsatz reflektieren. Zu diesen Größen gehört das Bruttonationalprodukt, welches alle Zwischenprodukte von der Berechnung ausschließt und damit die relative Wichtigkeit des Konsums in Hinblick auf die gesamten nationalen Produktionsanstrengungen erheblich übertreibt117. Hoffentlich bringt die Zukunft häufigere und ergiebige historisch-empirische Studien zur Österreichischen Konjunkturtheorie. Mit etwas Glück werden diese Forschungen auf Daten von Input-Output Tabllen beruhen und die Nutzung der Österreichischen Theorie zur Reform der Methodologie der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erlauben. Somit können statistische Daten zu den Variationen der relativen Preise, welche die Essenz des Konjunkturzyklus ausmachen, gesammelt werden. Tabelle VI-1 ist darauf ausgelegt, diese Art von empirischer Forschung in der Zukunft zu vereinfachen und zu erleichtern. Sie fasst zusammen und vergleicht die verschiedenen Phasen der Marktprozesse, welche von einem Anstieg der freiwilligen gesellschaftlichen Ersparnisse ausgelöst werden, mit jenen, die auf eine Ausweitung des Bankkredits folgen, der nicht durch einen vorherigen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse gedeckt ist. SCHLUSSFOLGERUNG 116
Mark Skousen, „I Like Hayek: How I Use His Model as a Forecasting Tool,“ präsentiert auf der Hauptversammlung der Mont Pélerin Society, welche vom 25.-30. September 1994 in Cannes, Frankreich stattfand, S. 10-11. 117 Andere empirische Studien haben zudem den nicht-neutralen Einfluss des Geldmengenwachstums und die Tatsache offen gelegt, dass das Geldmengenwachstum eine relativ größere Wirkung auf die Industrien hat, in denen langlebige Güter produziert werden. Vgl. beispielsweise Peter E. Kretzmer, „The Cross-Industry Effects of Unanticipated Money in an Equilibrium Businss Cycle Model,“ Journal of Monetary Economics 23, Nr. 2 (März 1989): 275-396; und Willem Thorbecke, „The Distributional Effects of Disinflationary Monetary Policy“, Jerome Levy Economics Institute Working Paper Nr. 144 (Fairfax, Va.: George Mason University, 1995). Tyler Cowen folgert in seinen Kommentaren zu diesen und weiteren Studien: [T]he literature on sectoral shifts presents some of the most promising evidence in favor of Austrian approaches to business cycles. The empirical case for monetary non-neutrality across sectors is relatively strong, and we even see evidence that monetary shocks have greater real effects on industries that produce highly durable goods. (Tyler Cowen, Risk and Business Cycles: New and Old Austrian Perspectives [London: Routledge, 1997], Kap. 5, S. iv, Fußnote 13)
Im Lichte der vorgenommenen theoretischen Analyse und der angesammelten historischen Erfahrung ist es überraschend, dass bei Anbruch des 21. Jahrhunderte immer noch Zweifel in Hinblick auf die rezessive Natur der Kreditausweitung bestehen. Wir haben gesehen, dass die Phasen von Aufschwung, Krise und Rezession mit großer Regelmäßigkeit wiederkehren und wir haben die Schlüsselrolle der Kreditausweitung der Banken in diesen Phasen untersucht. Trotz dieser Wahrheiten beharrt eine große Zahl von Ökonomen darauf zu bestreiten, dass Wirtschaftskrise aus einer zugrundeliegenden theoretischen Ursache entstehen. Diese Ökonomen verstehen nicht, dass ihre eigenen Analyse (sei sie von keynesianscher, monetaristischer, oder irgendeiner anderen Tendenz) auf der impliziten Annahme beruht, dass die monetären Faktoren im Hinblick auf den Kredit eine Schlüsselrolle spielen. Diese Faktoren sind fundamental für das Verständnis des Aufschwungs und des anfänglichen Booms, des exzessiven, kontinuierlichen Anstiegs, der unweigerlich am Aktienmarkt stattfindet, der invermeidbaren Kreditklemme beim Anbruch der Krise und der Rezession, welche hauptsächlich die Kapitalgüterindustrien betrifft. Weiterhin sollte es offensichtlich sein, dass derartige Zyklen fortwährend aus einem instittutionellen Grund wiederkehren; ein Grund, der in der Lage ist, dieses inhärente Verhalten von (kontrollierten) Marktwirtschaft zu erklären. Wie wir von Beginn des ersten Kapitels an argumentiert haben, besteht dieser Grund in dem den Bankiers bewilligten Privileg, was es ihnen erlaubt in Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien das bei ihnen als Sichteinlage deponierte Geld zu verleihen und damit mit einer Teildeckung zu operieren. Die Regierungen haben zudem dieses Privileg ausgenutzt, um eine einfache Finanzierung in schwierigen Zeiten zu erhalten und später mittels Zentralbanken, billigen Kredit und inflationäre Liquidität zu gewährleisten,was bis heute als notwendig und als Stimulus der wirtschaftlichen Entwicklung als günstig angesehen wurde. Das „Gesetz des Schweigens“ dem die Österreichische Konjunkturtheorie im Allgemeinen unterworfen ist, ist von großer Bedeutung wie auch die weitverbreitete Unwissenheit der Öffentlichkeit über die Arbeitsweise des Finanzsystems. Es ist als ob beide Tatsachen einer impliziten Strategie entsprechen, um eine Veränderung zu vermeiden. Die Strategie mag aus dem Wunsch vieler Theoretiker entspringen, eine Rechtfertigung der Regierungseingriffe in die Finanz- und Bankmärkte aufrechtzuerhalten, als auch aus der Angst und der Ehrfurcht, welche die meisten Menschen gegenüber Banken empfinden. Daher schließen wir mit Mises: Für die nichtmonetären Konjunkturtheorien ist die Erfahrungstatsache, dass es Krisen gibt, das Primäre. Ihre Vertreter sehen in ihrem System der katallaktischen Abläufe
zunächst nichts, was dieses Faktum - diese «Störung» - erklären könnte. Sie suchen nach den Ursachen einer Störung, um sie dann ihrem System als Konjunkturlehre anzuflicken. Für die monetäre Theorie liegt die Sache anders. Die moderne Geldtheorie hat mit allen Vorstellungen, denen vermeintliche Neutralität des Geldes zugrundeliegt, aufgeräumt und hat gezeigt, dass in der Marktwirtschaft Kräfte wirksam sind, über die eine Theorie, die von der Triebkraft des Geldes nichts weiß, nichts zu sagen hat...Wer den Konjunkturwechsel anders erklären will als die Zirkulationskredittheorie, kommt daher ohne Zuhilfenahme der Überlegungen dieser Theorie nicht nur darum nicht aus, weil man allgemeine Preissteigerung, die nicht durch allgemeinen Rückgang der Produktion und des Angebots an Kaufgütern ausgelöst wurde, nicht ohne Vergrößerung des Geldangebots (im weiteren Sinne) zu denken vermag118. The fanaticism with which the supporters of all these nonmonetary doctrines refuse to acknowledge their errors is, of course, a display of political bias. . . . [T]he interventionists are . . . anxious to demonstrate that the market economy cannot avoid the return of depressions. They are the more eager to assail the monetary theory, as currency and credit manipulation is today the main instrument by means of which the anticapitalist governments are intent upon establishing government omnipotence 119. TABELLE VI-1 EINE ZUSAMMENFASSUNG DER PHASEN (1) Ein Anstieg der freiwilligen Ersparnisse S1 – Die Konsumrate geht zurück. Die Konsumgüterpreise fallen. S2 – Die Buchgewinne im Konsumsektor gehen zurück. S2 – Die Reallöhne steigen tendenziel an (bei unverändertern Nominallöhnen und geringeren Konsumgüterpreisen). S2 – Der „Ricardoeffekt“: Arbeiter werden durch Kapitalausrüstung ersetzt. S2 – Der Zinssatz fällt (aufgrund der Sparanstiegs). Am Aktienmarkt kommt es zu moderaten Anstiegen.
118
Mises, “Bemerkungen über Versuche, den Konjunkturwechsel nicht monetär zu erklären,“ in Nationalökonomie, S. 529-30. 119 Mises erweitert mit diesen Sätzen seine Ausführung in Human Action im entsprechenden Abschnitt „Fallacies of the Nonmonetary Explanations of the Trade Cycle,“ S. 580-82.
S2 – Die Kapitalgüterpreise steigen (wegen des Nachfrageanstiegs – des Ricardoeffekts – und der Verringerung des Zinssatzes.) S3 – Die Kapitalgüterproduktion steigt. S3 – Arbeiter werden im Konsumgütersektor entlassen und in den Kapitalgüterindustrien angestellt. S4 – Die Produktionsstruktur wird dauerhaft verlängert. S5 – Die Produktion von Konsumgütern und Leistungen steigt, während ihre Preise fallen (größeres Angebot und geringere monetäre Nachfrage). Die Reallöhne und das Volkseinkommen steigen dauerhaft an. (2) Kreditausweitung (Kein Sparanstieg) Expansion = Aufschwung Boom = Boom Crisis = Krise Depression = Depression Recovery = Erholung S1 – Der Konsum geht nicht zurück. S1 – Die Banken gewähren im großen Stil neue Darlehen und der Zinssatz fällt. S2 – Die Kapitalgüterpreise steigen. S2 – Die Börsenkurse klettern. S2 – Die Produktionsstruktur wird künstlich verlängert. S2 – Es kommt zu hohen Buchgewinnen im Kapitalgütersektor. S3 – Der Kapitalgütersektor fragt mehr Arbeiter nach. S3 – Die Löhne steigen. S3 – Der expansionäre Boom und die Börsenhausse breiten sich aus. Zügellose Spekulation. S4 – Die monetäre Nachfrage nach Konsumgütern beginnt zu steigen (das gestiegene Lohnund Unternehmereinkommen wird dem Konsum gewidmet). S4 – Ab einem gewissen Punkt hört die Kreditausweitung zu wachsen auf: der Zinssatz steigt. Die Börsen stürzen ab. S4 – Es kommt zu Buchgewinnen im Konsumgütersektor (die Nachfrage steigt). S4 – Die Konsumgüterpreise beginnen relativ schneller als die Löhne zu wachsen.
S4 – Die Reallöhne fallen. Der „Ricardoeffekt“: Kapitalausrüstung wird durch Arbeiter ersetzt. S5 – Der Kapitalgütersektor erleidet hohe Buchverluste. (rückgängige Nachfrage – der „Ricardoeffekt“ – und steigende Kosten. Der Zinssatz und die Löhne steigen.) S5 - Arbeiter werden in den Kapitalgüterindustrien entlassen. S5 – Unternehmer liquidieren irrtümlich unternommene Projekte: Firmenpleiten und Zahlungseinstellungen. Weitverbreiteter Pessimismus. S5 – Die Zahlungseinstellungen von Banken häufen sich: Marginal weniger solvente Banken sehen sich großen Schwierigkeiten ausgesetzte. Kreditklemme. S5 – Arbeiter werden wieder in konsumnahen Stufen eingestellt. S5 – Kapital wird konsumiert, und die Produktionsstruktur wird kürzer. S5- Die Produktion von Konsumgütern und Leistungen verlangsamt sich. S5 – Die Konsumgüterpreise steigen relativ sogar noch stärker (verringertes Angebot und höhere monetäre Nachfrage). S5 - Das Volkseinkommen und die Reallöhne sinken. S6 – Sobald die Wiederanpassung vollendet ist, kann ein Anstieg der Ersparnisse eine Erholung bringen. Vgl. Spalte (1). Alternativ kann eine neue Kreditausweitung beginnen. Vgl. Spalte (2).
BEMERKUNGEN ZU TABELLE VI-1 1. Alle Hinweise auf Preis-„anstiege“ und –„Rückgänge“ beziehen sich auf die relativen Preise und nicht auf die Nominalpreise oder absolute Größen. Beispielsweise will ein „Anstieg der Konsumgüterpreise“ sagen, dass diese Preise relativ zu den Preisen der Zwischengüter ansteigen. 2. Es ist einfach, die notwendigen Modifizierungen in den Phasen des in der Tabelle zusammengefassten Prozesses vorzunehmen, um die historischen Besonderheiten eines jeden Zyklus zu berücksichtigen. Wenn daher ein Anstieg der freiwilligen Ersparnisse von einem Anstieg des Hortens bzw. der Geldnachfrage begleitet wird, bleiben die Phasen die gleichen, jedoch wird es zu einem größeren nominalen Rückgang der Konsumgüterpreise und einem geringeren Anstieg der nominalen Preise der Produktionsfaktoren kommen. Nichtsdestoweniger bleiben alle Beziehungen zwischen den relativen Preisen genau so, wie es in der Tabelle abgebildet wird. Im Fall der Kreditausweitung werden, wenn es bei ihrem Beginn „ungenutzte
Kapazitäten“ gibt, die Nominalpreise der Produktionsfaktoren und Kapitalgüter zu Beginn nicht so signifikant steigen, obgleich die restlichen Stufen wie beschrieben durchschritten werden und sich außerdem törichte Investitionen auftürmen. 3. Obgleich die Nummer, welche auf den Buchstaben „S“ folgt, die Reihenfolge der Stufen bezeichnet, ist diese Nummerierung in gewissen Fällen willkürlich und hängt von der jeweiligen historischen Situation ab und ob diese Stufen mehr oder weniger simultan ablaufen. 4. In der Realität kann dieser Prozess während jeder Stufe zu einem unbegrenzten Halt kommen, wenn Regierungseingriffe die Märkte sehr rigide machen und wenn vor allem die Preise der Zwischengüter, die Löhne und die Arbeitsgesetzgebung erfolgreich manipuliert werden. Weiterhin kann ein progressiver Anstieg der Kreditausweitung
den
Ausbruch
der
Krise
(bzw.
die
Liquidierung
der
Fehlinvestitionen) verzögern. Indes wird dies die Krise viel schärfer und schmerzhafter machen, wenn sie dann unausweichlich zuschlägt.
Glücklicherweise stellt sich wieder Normalität ein und sowohl die traditionellen privaten Versicherer als auch die öffentlichen Behörden beginnen zu erkennen, dass nichts die Lebensversicherung mehr schädigt als ein Verwischen der Unterschiede zwischen ihr und den Bankdepositen. Diese Verwirrung ist jedermann abträglich: der traditionellen Lebensversicherung, welche viele ihrer Steuervorteile verloren hat und sich mit ansteigenden Interventionen und Kontrolle durch Zentralbanken und Geldpolitiker konfrontiert sieht; den Kunden, welche im Glauben eine Lebensversicherung abgeschlossen zu haben, Bankdepositen vornahmen und vice versa; den Banken, welche in vielen Fällen Gelder von wahrhaftigen Depositen (getarnt als Lebensversicherungen) angelockt und mit ihnen versucht haben, langfristige Investitionen zu tätigen, was ihre Solvenz gefährdet; und schließlich die überwachenden öffentlichen Behörden, welche nach und nach die Kontrolle über die Institution der Lebensversicherung verloren haben, eine Institutionen, deren Definition unscharf geworden und zu einem Großteil von einer anderen Institution (der Zentralbank) übernommen worden ist. Die Banken sind eine vollkommen andere Art von Institution, deren finanzielle und rechtliche Grundlagen, wie wir sehen werden, viel zu wünschen übrig lassen.
7 EINE KRITIK DER MONETARISTISCHEN UND KEYNESIANISCHEN THEORIEN In diesem Kapitel werden wir alternative Erklärungen des Konjunkturzyklus einer Kritik unterziehen. Genauer gesprochen werden wir die Theorien der beiden am tiefsten verwurzelten, makroökonomischen Schulen betrachten: die monetaristische Schule und die keynesianische Schule. Nach allgemeiner Auffassung bieten diese beiden Ansätze alternative, konkurrierende Erklärungen von ökonomischen Phänomenen. Jedoch leiden sie aus der Sicht der hier präsentierten Analyse an sehr ähnlichen Unzulänglichkeiten und können mit den gleichen Argumenten kritisiert werden. Nach eine Einführung, in der wir darlegen, was wir als das vereinigende Element dieser makroökonomischen Ansätze halten, werden wir die monetaristische Position (mit einigen Referenzen zu Neuen Klassischen Ökonomie und der Schule der rationalen Erwartungen) und dann die keynesianischen und neo-ricardianischen Standpunkte untersuchen. In diesem Kapitel schließen wir mit dem bedeutenden analytischen Teil dieses Buches ab. Am Ende nehmen wir einen Anhang auf, in dem wir eine theoretische Untersuchung von peripheren Finanzinstitutionen vornehmen, die nicht mit dem Bankwesen verwandt sind. Nun sind wir vollkommen darauf vorbereitet, die verschiedenen Wirkungen zu verstehen, die sie auf das Wirtschaftssystem ausüben. 1 EINFÜHRUNG Obgleich die meisten Lehrbücher der Ökonomie und der Dogmengeschichte die Beteuerung enthalten, dass die subjektivistische Revolution, welche Carl Menger 1871 begann, von der modernen Wirtschaftstheorie vollkommen absorbiert worden ist, ist diese Behauptung lediglich rhetorischer Natur. Der alte „Objektivismus“der klassischen Schule, welcher die Ökonomie bis zum Ausbruch der Grenznutzenrevolution beherrschte, übt weiterhin einen mächtigen Einfluss aus. Außerdem sind verschiedene wichtige Gebiete in der Ökonomie ist heute weitgehend unproduktiv gewesen, weil die „subjektivistische Sicht“ unzureichend angenommen und assimiliert wurde1. 1
Als beispielsweise Oskar Lange und andere Ökonomen die neoklassische Sozialismustheorie entwickelten, versuchten sie Walras Modell des Allgemeinen Gleichgewichts auf das Problem des sozialistischen Wirtschaftsrechnung anzuwenden. Die Mehrheit der Ökonomen glaubte jahrelang, dass diese Aufgabe erfolgreich gelöst worden war. Indes wurde jüngst deutlich, dass dieser Glauben nicht gerechtfertigt war. Der Fehler wäre offensichtlich gewesen, wenn die meisten Ökonomen von Beginn an die wahre Bedeutung und das Ausmaß der subjektivistischen Revolution verstanden und sie vollständig absorbiert hätten. In der Tat, wenn alle Willensentscheidungen, Informationen und alles Wissen von Menschen geschaffen wird und in der freien Interaktion mit anderen Akteuren im Markt entsteht, dann sollte es offensichtlich sein, dass in dem Ausmaß, in dem die Fähigkeit der Wirtschaftssubjekte frei zu handeln systematisch eingeschränkt wird (die
Vielleicht sind Geldtheorie und „Makroökonomik“ (ein Begriff von wechselnder Genauigkeit) die beiden wichtigsten Bereiche, in denen der Einfluss der Grenznutzenrevolution und des Subjektivismus noch nicht erkennbar sind. In der Tat waren mit Ausnahme der Ökonomen der Österreichischen Schule, die Makroökonomen in der Vergangenheit im Allgemeinen nicht in der Lage, ihre Theorie und Argumente auf ihren wahrhaftigen Ursprung zurückzuführen: die Handlung von Individuen. Genauer gesagt haben sie nicht die folgende grundlegende Idee Mengers in ihren Modellen berücksichtigt: jede Handlung beinhaltet eine Reihe von aufeinander folgenden Stufen, welche der Handelnde vollenden muss (und welche Zeit brauchen), bevor er sein Ziel in der Zukunft erreicht. Mengers wichtigster konzeptioneller Beitrag zur Volkswirtschaftslehre war eine Theorie der wirtschaftlichen Güter verschiedener Ordnung (Konsumgüter bzw. wirtschaftliche Güter „erster Ordnung“ und Güter „höherer Ordnung). Nach seiner Theorie machen die Güter höherer Ordnung eine Reihe sukzessiver Stufen aus, von denen eine jede weiter vom letztendlichen Konsum entfernt ist als die letzte, endend mit der Anfangsstufe, in welcher der Handelnde seinen gesamten Handlungsprozess plant. Die gesamte von uns dargelegte Kapitalund Konjunkturtheorie basiert auf diesem mengerschen Konzept. Dies ist eine grundlegende und einfach zu verstehende Idee, zumal alle Menschen, einfach aufgrund ihres menschlichen Wesens, dieses Konzept der menschlichen Handlung in ihrer täglichen Praxis in sämtlichen Umständen, unter denen sie handeln, wiedererkennen. Kurzum haben die Ökonomen der Österreichischen Schule die gesamte Kapital- Geld- und Konjunkturtheorie entwickelt, welche dem Subjektivismus implizit ist, der die Volkswirtschaftslehre 1871 revolutionierte. Nichtsdestoweniger sind in der Volkswirtschaftslehre veraltete Denkschemata die Wurzel von sehr kraftvollen Reaktionen gegen den Subjektivismus gewesen; Reaktionen die noch heute zu spüren sind. So kann es nicht überraschen, dass Frank H. Knight, einer der bedeutendsten Autoren einer der beiden „objektivistischen“ Schulen, die wir in diesem Kapital kritisch analysieren wollen, geschrieben hat: Perhaps the most serious defect in Menger´s economic system . . . is his view of production as a process of converting goods of higher order to goods of lower order2.
Essenz des sozialistischen Systems liegt in derartigem institutionellen Zwang), sich ihre Fähigkeit kreativ zu schaffen, neue Informationen zu entdecken und die Gesellschaft zu koordinieren, verringert. Dies macht es den Akteuren unmöglich, die praktischen Informationen zu entdecken, die notwendig sind, um die Gesellschaft zu koordinieren und Wirtschaftsrechnungen durchzuführen. Zu diesem Thema siehe Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, Kap. 4-7, S. 157-41. 2 Frank H. Knight in seiner Einführung zur ersten englischen Ausgabe von Carl Mengers Buch, Principles of Economics, S. 25.
Wir werden nun betrachten, wie die Ideen der klassischen Schule in den monetaristischen und keynesianischen Schulen weiterhin vorgeherrscht haben. Ihre Vertreter haben bis jetzt die subjektivistische, 1871 begonnene Revolution außer Acht gelassen. Unsere Analyse beginnt mit der Erklärung der Fehler im Kapitalkonzept, welche von J.B. Clark und F.H. Knight vorgeschlagen wird. Dann werden wir die mechanische Version der Quantitätstheorie des Geldes, wie sie von den Monetaristen vertreten wird, kritisch analysieren. Nach einem kurzen Exkurs zur Schule der rationalen Erwartungen werden wir studieren, in welcher Weise die keynesianische Ökonomie, welche sich heute in der Krise befindet, viele theoretische Fehler mit der monetaristischen Makroökonomie teilt3.
2 KRITIK DES MONETARISMUS DER MYSTISCHE KAPITALBEGRIFF Im Großen und Ganzen ist die neoklassische Schule einer Tradition gefolgt, die älter als die subjektivistische Revolution ist und von einem Produktionssystem ausgeht, in dem die verschiedenen Produktionsfaktoren auf homogene Weise auf einer Ebene Konsumgüter und Leistungen erzeugen, ohne dass eine Einbindung dieser Faktoren in Zeit und Raum in einer temporären Struktur der Produktionsstufen gestattet würde. Dies war mehr oder weniger der grundlegende wissenschaftliche Rahmen der klassischen Ökonomen von Adam Smith,
3
Die folgenden Sätze von John Hicks liefern den schlagenden Beweis, dass die subjektivistische Revolution, welche von der Österreichischen Schule ausgelöst wurde, im Zentrum der Entwicklung der Volkswirtschaftslehre stand, bis die neoklassische-keynesianische “Gegenrevolution” ausbrach: I have proclaimed the “Austrian” affiliation of my ideas; the tribute to Böhm-Bawerk, and to his followers, is a tribute that I am proud to make. I am writing in their tradition; yet I have realized, as my work has continued, that it is a wider and digger tradition than at first appeared. The “Austrians” were not a peculiar sect, out of the main stream; they were in the main stream; it was the others who were out of it. (Hicks, Capital and Time, p. 12) Die persönliche wissenschaftliche Entwicklung von Sir John Hicks ist sehr interessant. Die erste Auflage seines Buchs, The Theory of Wages (London: Macmillan, 1931), zeigt einen starken österreichischen Einfluss auf sein frühes Werk. Die Kapitel 9 bis 11 waren stark von Hayek, Böhm-Bawerk, Robbins und anderen Österreichern beeinflusst, die er oft zitiert (vgl. beispielsweise die Zitate auf S. 190, 201, 215, 217 und 231). Hicks wurde später zu einem der Hauptarchitekten der neoklassischen Synthese der walrasianischen und keynesianischen Schule. Am Ende seiner Karriere als Ökonom kehrte er mit einer gewissen Reue zu seinen subjektivistischen Ursprüngen zurück, welche tief in der Österreichischen Schule verwurzelt waren. Das Ergebnis davon ist sein letztes Werk zur Kapitaltheorie, aus dem der Auszug zu Beginn dieser Fußnote stammt. Die folgende Aussage von John Hicks im Jahr 1978 macht es, sofern dies möglich ist, noch deutlicher: “I now rate Walras and Pareta, who were my first loves, so much below Menger.” John Hicks, “Is Interest the Price of a Factor of Production?” enthalten in Time, Uncertainty, and Disequilibrium: Exploration of Austrian Themes, Mario J. Rizzo, Hrsg. (Lexington, Mass.: Lexington Books, 1979), S. 63.
Ricardo, Malthus, und Stuart Mill bis zu Marshall4. Dieser Rahmen hat letztlich auch die Struktur für die Arbeiten von John Bates Clark (1847-1939) gestellt. Clark war Professor für Volkswirtschaftslehre an der Columbia Universität in New York und seine stark antisubjektivistische Reaktion auf dem Gebiet der Kapital- und Zinstheorie dient noch heute als Grundlage für das gesamte neoklassisch-monetaristische Theoriegebäude 5. In der Tat betrachtete Clark Produktion und Konsum als simultan ablaufend. Aus seiner Sicht bestehen die Produktionsprozesse weder aus Stufen, noch besteht die Notwendigkeit überhaupt eine Zeit lang zu warten, bis die Ergebnisse des Produktionsprozesses erlangt werden. Clark betrachtet Kapital als einen permanenten Fonds, welcher „automatisch“ ein Ergebnis in Form von Zinsen erzeugt. Nach Clark ist der Zins desto niedriger, je größer dieser soziale Kapitalfonds ist. Das Phänomen der Zeitpräferenz beeinflusst den Zins in seinem Modell in keiner Weise. Es ist offensichtlich, dass Clark´s Idee des Produktionsprozesses einfach eine Übertragung von Walras Konzept des allgemeinen Gleichgewichts auf das Gebiet der Kapitaltheorie ist. Walras entwickelte ein ökonomisches allgemeines Gleichgewichtsmodell, welches er mittels
4
Unzweifelhaft ist Alfred Marshall der Hauptveranwortliche für das Scheitern sowohl der monetaristischen als auch der keynesianischen Ökonomen, die seine intellektuellen Erben sind. Diesen gelang es nicht, die Prozesse zu verstehen, durch welche die Kredit- und Geldausweitung die Produktionsstruktur beeinflusst. In der Tat war Marshall nicht in der Lage, die subjektivistische Revolution, welche Carl Menger 1871 begann, in die angelsächsische Ökonomie einzugliedern und zu ihrer logischen Schlussfolgerung zu führen. Ganz im Gegenteil bestand er darauf, eine schale Synthese der neuen Betrachtungen zum Grenznutzen und der Theorie der klassischen angelsächsischen Schule zu konstruieren. Diese Synthese hat bis heute die neoklassischen Ökonomie belastet. Es ist daher interessant festzustellen, dass für Marshall, wie auch für Knight, die grundlegende subjektivistische Unterscheidung zwischen Gütern erster Ordnung, bzw. Konsumgütern, und Gütern höherer Ordnung „is vague and perhaps not of much practical use“ (Alfred Marshall, Principles of Economics, 8. Aufl. [London: MacMillan, 192], S. 54). Weiterhin gelang es Marshall nicht, sich der alten vorsubjektivistischen Denkweise, nach der die Kosten die Preise bestimmen und nicht umgekehrt, zu entledigen. Tatsächlich glaubte Marshall, dass, während der Grenznutzen die Güternachfrage bestimmt, das Angebot letztlich von „realen“ Faktoren abhinge. Er vernachlässigte es zu berücksichtigen, dass Kosten lediglich die subjektive Bewertung durch den Handelnden der Ziele ist, welche er durch sein Handeln aufgibt. Somit sind beide Schneiden von Marshalls berühmter „Schere“ des gleichen subjektiven Wesens, welches auf dem Nutzen basiert. (Rothbard, Man, Economy, and State, S. 301-08). Sprachprobleme (die Arbeiten der österreichischen Ökonomen wurden erst verspätet und dann auch nur teilweise ins Englische übersetzt) und der offensichtliche intellektuelle Chauvinismus vieler britischer Ökonomen haben signifikant dazu beigetragen, Marshalls Lehren aufrecht zu erhalten. Dies erklärt, warum die meisten Ökonomen in der angelsächsischen Tradition nicht nur den Österreichern gegenüber sehr misstrauisch sind, sondern auch darauf insistiert haben, die Ideen von Marshall und damit auch von Ricardo und dem Rest der klassischen Ökonomen als Bestandteil ihrer Modelle beizubehalten. Vgl. beispielsweise H.O. Meredith´s Brief an John Maynard Keynes vom 8. Dezember 1931 und veröffentlicht auf den Seiten 267-8 des 13. Bands von The Collected Writings of John Maynard Keynes: The General Theory and After, Teil I, Preparation, Donald Moggridge, Hrsg. [London: Macmillan, 1973]. Vgl. zudem die Kritik Schumpeters an Marshall in Joseph A. Schumpeter, History of Economic Analysis [Oxford und New York: Oxford University Press, 1954], S. 920-924. 5 Die folgenden Werke sind J.B. Clark´s bedeutendste Schriften: „The Genesis of Capital,“ S. 302-15; „The Origin of Interest,“ Quarterly Journal of Economics 9 (April 1895): 257-78; The Distribution of Wealth (New York: Macmillan, 1899, Neudruck von Augustus M. Kelley, New York 1965); und „Concerning the Nature of Capital: A Reply.“ Quarterly Journal of Economics 21 (Mai 1907).
eines Systems simultaner Gleichungen ausdrückte. Dabei sollten die Gleichungen erklären, wie die Marktpreise der verschiedenen Güter und Dienstleistungen bestimmt werden. Der fundamentale Fehler in Walras Modell ist, dass es die Interaktion von Größen (Variablen und Parametern) mittels eines Systems simultaner Gleichungen beinhaltet, welche nicht simultan sind, sondern welche nacheinander in der Zeit auftreten, wenn die Handlungen der Wirtschaftssubjekte, welche am Wirtschaftssystem teilnehmen, den Produktionsprozess lenken. Kurzum ist das walrasianische Modell des allgemeinen Gleichgewichts ein strikt statisches Modell, welches den Zeitablauf nicht berücksichtigt und die Interaktionen von als gleichzeitig angenommen Variablen und Parametern beschreibt, welche niemals im realen Leben simultan auftreten. Logischerweise ist es unmöglich, die realen wirtschaftlichen Prozesse mittels eines ökonomischen Modells zu erklären, welche den Zeitfaktor ignoriert und in dem das Studium der sequentiellen Erzeugung von Prozessen schmerzlich vermisst wird6. Es überrascht, dass eine Theorie wie die von Clark nichtsdestoweniger die bis zum heutigen Tag in der Ökonomie allgemein akzeptierte geworden ist und in den meisten einführenden Lehrbüchern erscheint. Tatsächlich beginnen alle diese Bücher mit einer Erklärung des „Einkommenskreislaufs7“, welcher die Interdependenz von Produktion, Konsum und die Tauschhandlungen der verschiedenen Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Unternehmen, etc.) beschreibt. Derartige Erklärungen übersehen vollständig die Rolle der Zeit in der Entwicklung
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Der Ökonom, der am brillantesten die verschiedenen Versuche kritisiert hat, eine funktionelle Erklärung der Preistheorie mittels statischen Gleichgewichtsmodellen (allgemein oder partiell) anzubieten, ist vielleicht Hans Mayer gewesen mit seinem Artikel „Der Erkenntniswert der funktionellen Preistheorien“ veröffentlicht in Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart (Wien: Verlag von Julius Springer, 1932), Bd. 2, S. 147239b. Dieser Artikel wurde ins Englische auf Geheiß von Israel M. Kirzner übersetzt und mit dem Titel „The Cognitive Value of Functional Theories of Price: Critical and Positive Investigations Concerning the Price Problem,“ Kapitel 16 in Classics in Austrian Economics: A Sampling in the History of aTradition, Bd. 2: The InterWar Period (London: William Pickerung, 1994), S. 55-168. Hans Mayer schließt: Es ist im Grund die den mathematischen Gleichgewichtstheorien, mehr oder weniger verdeckt, immanente Fiktion, daß sie nicht-gleichzeitig, sondern in genetisch-zeitlicher Abfolge geltende Größen als gleichzeitig existierend in simultanten Gleichungen miteinander verbinden. Es wird ein Tatbestand in der „statischen“ Betrachtungsweise synchronisiert, wo es sich in Wahrheit um einen Prozeß handelt. Aber ein Entstehungsvorgang läßt sich eben nicht „statisch“ als Ruhezustand betrachten, ohne daß damit gerade das, was sein Wesen ausmacht, eliminiert wird. (Mayer, p. 183-184 der deutschen Ausgabe; Hervorhebung im Original) Mayer überarbeitete und erweiterte seinen Artikel später substantiell auf Wunsch von Gustavo del Vecchio: Hans Mayer, „Il concetto di equilibrio nella teoria economica,“ in Economía Pura, Gustavo del Vecchio, Hrsg., Nuova Colana di Economisti Stranieri e Italiani (Turin: Unione Tipografico-Editrice Torinese, 1937), S. 645-799. 7 Eine Standarddarstellung des „Einkommenskreislaufmodells“ und seines traditionellen Flussdiagramms erscheint beispielsweise in Paul A. Samuelson und William D. Nordhaus, Economics. Nach Mark Skousen war der Erfinder des Flussdiagramms (unter dem Namen „wheel of wealth“) gerade Frank H. Knight. Vgl. Skousen, Vienna and Chicago: Friends or Foes (Washington, D.C.: Capital Press, 2005), S. 65.
der wirtschaftlichen Ereignisse. In anderen Worten beruht dieses Modell auf der Annahme, dass alle Handlungen auf einmal geschehen, eine falsche und völlig haltlose Hypothese, welche nicht nur die Lösung von wichtigen realen ökonomischen Streitfragen verhindert, sondern auch ein beinahe unüberwindbares Hindernis für die Beantwortung und Analyse dieser Fragen durch die Gelehrten der Ökonomie darstellt. Diese Idee hat Clark und seine Anhänger zudem zu glauben veranlasst, dass der Zins durch die „Grenzproduktivität“ dieses mysteriösen, homogenen Fonds, als den sie das Kapital betrachten, bestimmt wird. Dies erklärt ihre Schlussfolgerung, dass bei Anstieg der Kapitalfonds, der Zinssatz zu sinken tendiert8. 8
Für unsere Zwecke, d.h. für die Analyse der Effekte, welche die Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur ausübt, ist es nicht notwendig, an dieser Stelle sich für die stichhaltigste Zinstheorie zu entscheiden. Es ist jedoch erwähnenswert, dass Böhm-Bawerk die Theorien, welche den Zins auf der Produktivität des Kapitals basieren, widerlegte. In der Tat können nach Böhm-Bawerk die Ökonomen, die behaupten, dass der Zins durch die Grenzproduktivität des Kapital bestimmt wird, unter anderem nicht erklären, warum der Wettbewerb der verschiedenen Unternehmer nicht tendenziell den Wert der Kapitalgüter mit dem ihres entsprechenden Outputs identisch werden lässt und damit jegliche Wertdifferenz zwischen Kosten und Output während der Produktionsperiode eliminiert. Wie Böhm-Bawerk zeigt, sind die Produktivitätstheorien des Zinses lediglich ein Überbleibsel der objektivistischen Wertlehre, nach welcher der Wert von den historischen Kosten bestimmt wird, welche im Produktionsprozess der verschiedenen Güter und Leistungen angefallen sind. Jedoch bestimmen die Preise die Kosten und nicht umgekehrt. In anderen Worten sind Wirtschaftssubjekte bereit, Kosten zu tragen, weil sie glauben, dass der Wert, den sie aus den Konsumgütern erlangen können, welche sie produzieren, diese Kosten übersteigen wird. Das gleiche Prinzip trifft auch für die Grenzproduktivität jeden Kapitalguts zu. Diese Grenzproduktivität wird letztlich durch den künftigen Wert der Konsumgüter und Leistungen bestimmt, bei deren Fertigstellung es mitwirkt. Diese Grenzproduktivität ergibt mittels eines Diskontierungsprozesses den gegenwärtigen Marktwert der fraglichen Kapitalgüter. Mithin muss der Ursprung und die Existenz der Zinsen unabhängig von den Kapitalgütern sein und auf der subjektiven Zeitpräferenz der Menschen beruhen. Es ist leicht verständlich, warum Theoretiker der Clark-Knight-Schule in die Falle tappen und annehmen, dass der Zinssatz durch die Grenzproduktivität des Kapitals bestimmt wird. Wir brauchen nur zu beobachten, dass der Zins und die Grenzproduktivität bei folgenden Annahmen identisch sind: (1) in einem Umfeld des vollkommenen Gleichgewichts, in dem keine Änderungen vorkommen; (2) bei einem Kapitalkonzept als mystischen Fonds, welcher sich selbst reproduziert und keine spezifische Entscheidungsfindung hinsichtlich seiner Abnutzung erfordert (3) eine Konzeption der Produktion als „unmittelbaren“ Prozess, welcher keine Zeit erfordert. Wenn diese drei Bedingungen vorliegen, welche so absurd wie sie der realitätsfern sind, ist die Rendite des Kapitalguts immer gleich dem Zinssatz. Im Licht dieser Tatsache ist es vollkommen verständlich, dass die Theoretiker, die einer synchronen, unmittelbaren Kapitalkonzeption anhängen, durch die mathematische Gleichheit des Einkommens und der Zinsen in einer derart hypothetischen Situation getäuscht worden sind, und dass sie von dieser Situation in einem gedanklichen Sprung zu der theoretisch nicht gerechtfertigten Folgerung gelangt sind, dass die Produktivität den Zinssatz bestimmt (und nicht vice versa, wie der Österreicher behaupten). Siehe zu diesem Thema: Eugen von Böhm-Bawerk, Capital and Interest, Bd. 1, S. 73-122. Bd. 1, S. 73–122. Vgl. zudem Israel M. Kirzner’s Artikel, “The
Nach John Bates Clark vertrat ein weiterer amerikanischer Ökonom, Irving Fisher, der herausragendste Vertreter der mechanistischen Version der Quantitätstheorie des Geldes, die These, dass Kapital ein „Fonds“ oder Bestandsgröße in der gleichen Weise wie Einkommen eine „Flussgröße“ sei. Fisher vertrat diese These in seinem Buch, The Nature of Capital and Income, und verteidigte damit Clark‘s betont „makroökonomische“ Sichtweise unter Einbeziehung eines allgemeinen Gleichgewichts9. Außerdem wurde Clark´s objektivistisches statisches Kapitalkonzept von Frank H. Knight (1885-1962), dem Gründer der heutigen Chicagoer Schule, verfochten. In der Tat betrachtet Knight -dabei Clark´s Fußstapfen folgend- das Kapital als einen dauerhaften Fonds, der automatisch und synchron Einkommen erzeugt. Weiterhin sah er den „Produktionsprozess“ als unmittelbar und nicht aus verschiedenen zeitlichen Stufen bestehend an10. DIE ÖSTERREICHISCHE KRITIK AN CLARK UND KNIGHT
Pure Time-Preference Theory of Interest: An Attempt at Clarification,” veröffentlicht als Kapitel 4 des Buches, The Meaning of Ludwig von Mises: Contributions in Economics, Sociology, Epistemology, and Political Philosophy, Jeffrey M. Herbener, Hrsg. (Dordrecht, Holland: Kluwer Academic Publishers, 1993), S. 166–92; wiederveröffentlicht als Essay 4 in Israel M. Kirzner’s Werk, Essays on Capital and Interest, S. 134–53.Vgl. auch Fetter’s Werk, Capital, Interest and Rent, S. 172–316. 9
Irving Fisher, The Nature of Capital and Income (New York: Macmillan, 1906); Vgl. zudem seinen Aufsatz, „What is Capital?“ veröffentlicht im Economic Journal (Dezember 1896): 509-34.
10
George J. Stigler ist ein weiterer Autor der Chicagoer Schule, der keine Mühen gescheut hat, um Clark´s und Knight´s mystisches Kapitalkonzept zu unterstützen. In der Tat attackiert Stigler in seiner Dissertation, die er interessanterweise unter der Direktion von Frank H. Knight im Jahr 1938 schrieb, energisch die von Menger, Jevons und Böhm-Bawerk entwickelte subjektivistische Kapitalkonzeption. In Bezug auf Menger´s bahnbrechenden Beitrag zu Gütern verschiedener Ordnung meint Stigler, dass „the classification of goods into ranks was in itself, however, of dubious value.“ Somit kritisiert er Menger dafür, kein Konzept des „Produktionsprozesses“ zu formulieren, in dem Kapitalgüter „a perpetum stream of services (income)“ erzeugen. George J. Stigler, Production and Distribution Theories (London: Transaction Publishers, 1994), S. 138 und 157. Logischerweise stellt Stigler dann fest, dass „Clark´s theory of capital is fudamentally sound, in the writer´s opinion“ (S. 314). Stigler gelingt es nicht zu erkennen, dass ein mystischer, abstrakter Fonds, der sich selbst erneuert, keinen Platz für Unternehmer lässt. Denn alle wirtschaftlichen Ereignisse kehren immer ohne Veränderung wieder. Im realen Leben erhält das Kapital nur seine produktive Kapazität durch konkrete menschliche Handlungen hinsichtlich aller Aspekte des Investierens, der Abschreibung und des Konsums spezifischer Kapitalgüter. Derartige unternehmerische Handlungen mögen erfolgreich sein, sie sind jedoch auch fehleranfällig.
Die österreichischen Ökonomen reagierten energisch auf Clark´s und Knight´s fehlerhafte, objektivistische Konzeption des Produktionsprozesses. Böhm-Bawerk beispielsweise beschreibt Clark´s Konzept des Kapital als mystisch und mythologisch. Er weist dabei darauf hin, dass die Produktionsprozesse niemals von einem mysteriösen, homogenen Fonds abhängen, sondern sich unvermeidlich auf den gemeinsamen Betrieb von spezifischen Kapitalgütern stützen, welche die Unternehmer immer zuerst konzipieren, erzeugen, aussuchen und innerhalb des Wirtschaftsprozesses kombinieren müssen. Nach Böhm-Bawerk betrachtet Clark das Kapital als eine Art „value jelly“ bzw. als einen fiktiven Begriff. Mit großer Voraussicht warnt Böhm-Bawerk, dass die Akzeptanz einer derartigen Idee dazu vorherbestimmt ist, zu großen Fehlern in der künftigen Entwicklung der ökonomischen Theorie zu führen11. 11
Eugen von Böhm-Bawerk, „Professor Clark´s Views on the Genesis of Capital,“ Quarterly Journal of Economics IX (1895): 113-31, erneut veröffentlicht auf S. 131-43 von Classics in Austrian Eocnomics, Kirzer, Hrsg., Bd. 1. Böhm-Bawerk sagt speziell mit großem Weitblick voraus, dass lang diskreditierte Unterkonsumtionstheorien wieder belebt werden würden, sollte sich Clark´s statisches Modell durchsetzen. Der Keynesianismus, der in gewissen Sinne aus Marshall´s neoklassischen Theorien hervorging, ist ein gutes Beispiel dafür: When one goes with Professor Clark into such an account of the matter, the assertion that capital is not consumed is seen to be another inexact, shining figure of speech, which must not be taken at all literally. Any one taking it literally falls into a total error, into which, for sooth, science has already Allen once. I refer to the familiar and at one time widely disseminated doctrine that saving is a social evil and the class of spendthrifts a useful factor in social economy, because chat is saved is not spent and so producers cannot find a market. (Böhm-Bawerk zitiert in Classics in Austrian Economics, Kirzner, Hrsg., Bd. 1, S. 137) Mises kommt zum gleichen Schluß, wenn er Knight für die Nutzung von fantastischen Begriffen tadelt: chimerical notions such as “the self-perpetuating character” of useful things. In any event their teachings are designed to provide a justification for the doctrine which blames oversaving and underconsumption for all that is unsatisfactory and recommends spending as a panacea. (Human Action, S.848) Weitere Kritik Böhm-Bawerk´s an die Adresse von Clark findet sich hauptsächlich in seinen Aufsätzen, “Capital and Interest Once More,” veröffentlicht in Quarterly Journal of Economics (November 1906 und February 1907): vor allem S. 269, 277 und 280–82; “The Nature of Capital: A Rejoinder,” Quarterly Journal of Economics (November 1907); und im oben zitierten Kapital und Kapitalzins. Weiterhin wurde die Tatsache, dass Böhm-Bawerk´s „durchschnittliche Produktionsperiode“ eine fehlgeleitete Idee war, von Menger, Mises, Hayek und anderen erkannt und rechtfertigt in keiner Weise das mystische Kapitalkonzept, welches Clark und Knight vorschlagen. Die Mitglieder der Österreichischen Schule haben einhellig anerkannt, dass Böhm-Bawerk mit der Einführung der (nicht-existenten) „durchschnittlichen Produktionsperiode“ in seiner Analyse einen Fehlgriff getan hat, da die gesamte Kapitaltheorie auf einfache Weise vorausschauend gebildet werden kann; d.h. im
Jahre nach Böhm-Bawerk brachte sein österreichischer Landsmann Fritz Machlup seine starke Kritik an der Kapitaltheorie von Clark und Knight zum Ausdruck und folgerte, dass [t]here was and is always the choice between maintaining, increasing, or consuming capital. And past and “present” experience tells us that the decision in favour of consumption of capital is far from being impossible or improbable. Capital is not necessarily perpetual 12. Hayek erkannte, dass die Debatte zwischen den beiden Seiten tiefer gehende Gründe hatte, da sie ein Aufeinandertreffen von zwei radikal inkompatiblen Konzeptionen der Volkswirtschaftslehre darstellte, nämlich des Subjektivismus auf den auf einem allgemeinen Gleichgewicht basierendem Objektivismus. Mithin attackiert auch Hayek die Position von Clark und Knight, welche seiner Meinung nach auf dem folgenden grundlegenden Fehler beruhte: This basic mistake—if the substitution of a meaningless statement for the solution of a problem can be called a mistake– is the idea of capital as a fund which maintains itself automatically, and that, in consequence, once an amount of capital has been brought into existence the necessity of reproducing it presents no economic problem.13 Hayek insistierte, dass die Debatte über die Natur des Kapitals nicht rein terminologischer Natur war. Im Gegenteil betonte er, dass die mystische Konzeption des Kapitals als ein sich selbst erhaltender Fonds in einem zeitlosen „Produktionsprozess“ es ihren Vertretern unmöglich macht, die wichtigen wirtschaftlichen Fragestellungen des realen Lebens gänzlich zu identifizieren. Im Besonderen verstellt diese Konzeption die Sicht auf die Veränderungen Lichte der subjektiven Erwartungen des Handelnden hinsichtlich der Zeitdauer, welche seine künftigen Handlungen nehmen werden. Tatsächlich schreibt Hayek: Professor Knight seems to hold that to expose the ambiguities and inconsistencies involved in the notion of an average investment period serves to expel the idea of time from capital theory altogether. But it is not so. In general it is sufficient to say that the investment period of some factors has been lengthened, while those of all others have remained unchanged. (F.A. Hayek, “The Mythology of Capital,” Quarterly Journal of Economics [February 1936]: 206) 12 Fritz Machlup, „Professor Knight and the `Period of Production,´“ S. 580, wieder veröffentlicht in Israel M. Kirzner, Hrsg., Classics in Austrian Economics, Bd. 2, Kapitel 20, S. 275-315. 13
F.A. Hayek, “The Mythology of Capital,” Quarterly Journal of Economics (Februar 1936): 203. Sieben Jahre später fügte Hayek hinzu: Ich fürchte, bei aller Hochachtung für Professor Knight kann iach diese Ansicht nicht ernst nehmen, weil ich mit diesem phantastischen >Fonds< keinen Sinn verbinden kann, und ich werde diese Ansicht nicht als ernsthafte Konkurrenz zur hier vertretenen behandeln. (Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 81)
der Produktionsstruktur, welche aus Veränderungen im Niveau freiwilliger Ersparnisse resultieren, und auf die Weise wie die Kreditausweitung die Produktionsstruktur beeinflusst. In anderen Worten hält die mystische Konzeption des Kapitals seine Verteidiger davon ab, die enge Beziehung zwischen den mikro- und makroökonomischen Aspekten in der Volkswirtschaftslehre zu verstehen, da die Verbindung zwischen den beiden sich genau aus den sich zeitlich erstreckenden Plänen von kreativen Unternehmern zusammensetzt. Diese Unternehmer werden per definitionem aus dem walrasianischen Modell des Wirtschaftssystem ausgeschlossen, welches Clark und Knight in ihre Kapitaltheorie einbinden14. Ludwig von Mises stieg später in die Debatte ein, wobei er seine Abneigung gegenüber den „new chimerical notions such as the ´self-perpetuating character´of useful things“ zum Ausdruck brachte15. Mises wiederholt Böhm-Bawerk´s16 Ansichten, wenn er herausstellt, dass derartige Begriffe („notions“) letztlich vorgebracht werden, um die Lehren zu rechtfertigen, auf denen der Mythos der „Unterkonsumtion“ und das angebliche „Sparparadoxon“ beruhen und so eine theoretische Basis für eine Wirtschaftspolitik liefern, welche den Konsum zuungunsten des Sparens fördert. Mises erklärt, dass die gesamte an einem
Zeitpunkt
bestehende
Kapitalgüterstruktur
das
Ergebnis
von
konkreten
unternehmerischen Entscheidungen ist, welche in der Vergangenheit von realen Personen getroffen wurden, die zu spezifischen Gelegenheiten dazu optiert haben, in gewisse Kapitalgüter zu investieren und bei anderen Gelegenheiten die Kapitalgüter zu ersetzen oder neu zu gruppieren, und bei noch anderen Gelegenheiten die bereits erzeugten Kapitalgüter aufzugeben oder zu konsumieren. Mithin ist es so, „dass wir dank dem von unseren Vorfahren ererbten Kapital in der Kapitalbildung nicht mehr von Frischem anfangen müssen. 17“ Es
14
Die negativen Konsequenzen der Vernachlässigung des Zeitfaktors und der Stufen, die einen jeden Handlungsprozess ausmachen, wurden von Hayek bereits 1928 betont, als er feststellte: Wenn sich trotzdem die Wirtschaftstheorie in ihren Untersuchungen wenigstens anfänglich der methodisch wertvollen Fiktion bedient, vom Zeitablauf zu abstrahieren und von einem Wirtschaftssystem auszugehen, in dem sich vorgestelltermaßen alle Einzelvorgänge simultan abspielen und sich daher auch die Preise aller Waren einer Art unter denselben Bedingungen bilden, so können auch die von ihr in diesem Stadium der Untersuchung erzielten Ergebnisse nur ein unvollständiges Erklärungsschema für die Vorgänge in der bestehenden Wirtschaft bieten. (Hayek, F.A. 1928. "Das intertemporale Gleichgewichtssystem der Preise und die Bewegungen des 'Geldwertes'“, S 33). 15 Mises, Human Action, S. 848. 16 Vgl. Fußnote 11, oben. 17 Mises, Nationalökonomie, S. 451.
erscheint unglaublich, dass dieses theoretische Prinzip und andere genauso offensichtliche noch nicht von der Volkswirtschaftslehre aufgenommen worden sind. In einem seiner jüngeren Bücher, An Essay on Capital, betont Israel M. Kirzner, dass das Kapitalkonzept von Clark und Knight die menschliche, unternehmerische Entscheidungsfällung im Produktionsprozess unmöglich macht. Die verschiedenen Pläne, welche die Individuen hinsichtlich der spezifischen Kapitalgüter machen, welche sie sich zu erzeugen und in ihrem Produktionsprozess zu nutzen entschließen, werden so nicht berücksichtigt. Kurzum nehmen Clark und Knight an, dass der Ablauf der Ereignisse „von alleine“ fließt und dass die Zukunft objektiv gegeben ist, einem gegebenen Muster folgt und nicht durch die mikroökonomischen Handlungen und Entscheidungen der individuellen Wirtschaftssubjekte beeinflusst wird. Kirzner folgert, dass die Sichtweise von Clark und Knight „the planned character of capital goods maintenance“ ignoriert. Er fügt hinzu, dass ihr Modell die Akzeptanz der Auffassung erfordert, dass the future will take care of itself so long as the present “sources” of future output flows are appropriately maintained. . . . The Knightian approach reflects perfectly the way in which this misleading and unhelpful notion of “automaticity” has been developed into a fully articulated and self-contained theory of capital.18 EINE KRITIK DER MECHANISTISCHEN, MONETARISTISCHEN VERSION DER QUANTITÄTSTHEORIE DES GELDES Monetaristen übersehen nicht nur die Rolle, welche die Zeit und die verschiedenen Stufen in der Produktionsstruktur spielen. Sie akzeptieren auch eine mechanistische Version der Quantitätstheorie des Geldes. Diese Version basiert auf einer Gleichung, welche angeblich die Existenz einer direkten kausalen Verbindung der im Umlauf befindlichen Geldmenge, dem „allgemeinen Preisniveau“ und der Produktionsmenge beweist. Die Gleichung ist wie folgt: MV=PT, wobei M die Geldmenge, V die „Umlaufsgeschwindigkeit“ (die Anzahl der Male, mit der die Geldeinheit durchschnittlich in einer gewissen Zeitperiode ihren Besitzer wechselt), P das allgemeine Preisniveau und T das „Aggregat“ aller Gütermengen und Leistungen ist, welche in einem Jahr getauscht werden19. 18
Kirzner, An Essay on Capital, S. 63; Hervorhebung entfernt. Dies ist die Transaktionsversion der Verkehrsgleichung. Nach Irving Fisher (The Purchasing Power of Money: Its Determination and Relation to Credit Interest and Crises [New York: Macmillan, 1911 und 1925], S. 48 der Auflage von 1925) kann die linke Seite 19
Unter der Annahme, dass die „Umlaufsgeschwindigkeit“ des Geldes im Laufe der Zeit relativ konstant bleibt, und das Bruttonationalprodukt sich dem der „Vollbeschäftigung“ nähert, glauben die Monetaristen, dass Geld auf lange Sicht neutral ist und dass daher eine Expansion der Geldmenge (M) tendenziell das entsprechende allgemeine Preisniveau proportional ansteigen lässt. In anderen Worten bleiben, obwohl nominal gesehen die verschiedenen Faktoreinkommen und Produktions- und Konsumgüterpreise mit dem gleichen Prozentsatz wie die Geldmenge ansteigen, die realen Preise gleich. Daher glauben Monetaristen, dass die Inflation ein monetäres Phänomen ist, welches alle Wirtschaftssektoren gleichförmig und proportional beeinflusst, und dass die Inflation daher nicht die Struktur der Produktionsstufen verschiebt und diskoordiniert. Die monetaristische Sicht ist daher eindeutig rein „makroökonomisch“ und verkennt die mikroökonomischen Effekte des Geldmengenwachstums auf die Produktionsstruktur. Wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, geht dieser Ansatz auf das Fehlen einer den Zeitfaktor berücksichtigenden Kapitaltheorie zurück. Der englische Ökonom R.G. Hawtrey, einer der wichtigsten Vertreter der Schule der Monetaristen im frühen zwanzigsten Jahrhundert, verdeutlicht mit seiner Position die Schwierigkeiten des Monetarismus. In seiner Rezension von Haykes Buch, Prices and Production, welche 1931 erschien, drückt Hawtrey seine Unfähigkeit aus, dieses Buch zu verstehen. Um diese Aussage zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass Hayek´s Ansatz eine Kapitaltheorie voraussetzt, die Monetaristen jedoch nicht über eine derartige Theorie verfügen und daher nicht begreifen können, wie die Kreditausweitung die Produktionsstruktur
der Gleichung auch in zwei Teile getrennt werden, nämlich MV und M´V´, wobei M´und V´ respektive die Menge und die Umlaufsgeschwindigkeit der Bankdepositen bezeichnen: MV + M´V´= PT Außerdem ist eine Version der Gleichung unter Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vorgeschlagen worden. In diesem Falle repräsentiert T eine „reale“ Größe des Volkseinkommens (beispielsweise das „reale“ Bruttonationaleinkommen), welches wie wir wissen, nur Konsumgüter und –dienstleistungen sowie Endkapitalgüter beinhaltet (vgl. beispielsweise Samuelson und Nordhaus, Economics.) Diese Version ist besonders fehlerhaft, da sie alle Produkte der Zwischenstufen im Produktionsprozess ausschließt. Diese Zwischenprodukte werden aber auch gegen Einheiten der Geldmenge, M, getauscht. Mithin mehr als halbiert diese Gleichung den wahren realen Wert von T, den MV angeblich beeinflusst. Schließlich gibt es noch die Kassenhaltungsversion von Cambridge: M=kPT, wobei M die Geldmenge (obgleich sie auch als die gewünschte Kassenhaltung interpretiert werden kann) und PT eine Größe des Nationaleinkommens ist. Vgl. Milton Friedman, „Quantity Theory of Money,“ in The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Bd. 4, vor allem, S. 4-7.
beeinflusst20. Weiterhin erklärt Hawtrey entgegen aller empirischen Belege, dass das erste Symptom einer Depression ein Verkaufsrückgang im Konsumgütersektor ist, womit er die Tatsache übersieht, dass ein viel stärkerer Rückgang der Kapitalgüterpreise diesem immer vorangeht. Daher schwanken die Konsumgüterpreise während des Zyklus relativ wenig im Vergleich zu den Preisen der in den konsumfernsten Stufen produzierten Kapitalgüter. Weiterhin glaubt Hawtrey in guter monetaristischer Tradition, dass die Kreditausweitung zu einer monetären Übernachfrage führt, welche sich gleichförmig auf alle Güter und Dienstleistungen in der Gesellschaft verteilt21. In jüngerer Vergangenheit haben andere Monetaristen gezeigt, dass sie nicht über eine geeignete Kapitaltheorie verfügen, und mithin die gleiche Verwirrung wie Hawtrey in Hinblick auf die Studien zu den Wirkungen der monetären Expansion auf die Produktionsstruktur an den Tag gelegt. Milton Friedman und Anna J. Schwartz schreiben über die möglichen Effekte des Geldes auf die Produktionsstruktur:
20
Um genau zu sein, schreibt Hawtrey: Hayek´s Buch war „so difficult and obscure that is is impossible to understand.“ Vgl. R.G. Hawtrey, „Review of Hayek´s Prices and Production,“ Economica 12 (1932): 119-25. Hawtrey war ein Beamter der britischen Finanzministeriums und ein Monetarists, der mit Keynes in den 1930er Jahren um Bedeutung und Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der Regierung wetteiferte. Sogar noch heute verblüfft die Österreichischen Konjunkturtheorie die Monetaristen. Moderne Monetaristen wiederholen Hawtrey´s kapriziösen Ausspruch oft: The book is obscure and incomprehensible. Fortunately for all of us, and for political economy and social science, Hayek did not spend his life trying to explain what Prices and Production tried to do. (Alan Meltzer, “Comments on Centi and O’Driscoll,”Manuskript präsentiert auf dem General Meeting of the Mont Pèlerin Society, Cannes, France, September 25–30, 1994, S. 1) 21 R.G. Hawtrey, Capital and Employment (London: Longmans Green, 1937), S. 250. Hayek richtet eine eindringliche Kritik an Hawtrey in seiner Rezension von Hawtreys Buch, Great Depression and the Way Out, in Economica 12 (1932): 126-27. In dem selben Jahr schrieb Hayek den Artikel („Das Schicksal der Goldwährung,“ veröffentlicht in Deutsche Volkswirt 20 (Februar 1932): 642-45, und Nr. 21, S. 677-81; die englische Übersetzung trägt den Titel „The Fate of the Gold Standard,“ Kapital 5 von Money, Capital and Fluctuations, S. 118-35), in dem er Hawtrey stark dafür kritisiert, dass er neben Keynes einer der Hauptarchitekten und Verteidiger des Programms zur Stabilisierung der Geldeinheit ist. Nach Hayek verursacht ein solches Programm, das auf Kreditausweitung basiert und in einem Umfeld steigender Produktivität implementiert wird, unweigerlich eine profunde Fehlabstimmung in der Produktionsstruktur und eine schwere Rezession. Hayek folgert, dass Mit den beiden schon genannten Männern und mit dem gleich zu nennenden einflußreichsten Mann der Gruppe gehört wohl auch Mr. Hawtrey zu den eingangs erwähnten Stabilisierungs-Theoretikern, deren Einfluß es zuzuschreiben ist, wenn die Leiter der Zentralbanken williger als je zuvor von den traditionellen Regeln der Notenbankpolitik abwichen. (Hayek, Das Schicksal der Goldwährung, S. 643)
We have little confidence in our knowledge of the transmissionmechanism, except in such broad and vague terms as to constitute little more than an impressionistic representation rather than an engineering blueprint22. Weiterhin behaupten diese Autoren überraschenderweise, dass es keine empirischen Belege für die These gibt, dass die Kreditausweitung einen ungleichmäßigen Einfluss auf die Produktionsstruktur ausübt. Daher ignorieren sie nicht nur die hier detailliert dargestellte theoretische Analyse, sondern auch die verschiedenen im letzten Kapital besprochenen empirischen Studien. Diese Studien stimmen weitgehend hinsichtlich der typischen empirischen Eigenschaften überein, welche wir in allen Zyklen seit ihren historischen Anfängen beobachtet haben. Friedrich A. von Hayek schreibt, dass seine chief objection against [monetarist] theory is that, as what is called a “macrotheory,” it pays attention only to the effects of changes in the quantity of money on the general price level and not to the effects on the structure of relative prices. In consequence, it tends to disregard what seems to me the most harmful effects of inflation: the misdirection of resources it causes and the unemployment which ultimatem results from it23. Es ist leicht verständlich, warum eine Theorie, wie die der Monetaristen, welche in strikt makroökonomischen Begriffen und ohne eine Analyse der zugrundeliegenden mikroökonomischen Faktoren konstruiert ist, nicht nur die Wirkungen der Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur ignorieren muss, sondern auch im Allgemeinen, die Wege, in denen Schwankungen des „allgemeinen Preisniveaus“ die Struktur der relativen Preise beeinflussen24. Anstatt einfach nur das allgemeine Preisniveau zu erhöhen oder zu senken,
22
Vgl. Milton Friedman, The Optimum Quantity of Money and Other Essays (Chicago: Aldine, 1979), S. 222, und das Werk von Milton Friedman und Anna J. Schwartz, Monetary Trends in the United States and United Kingdom: Their Relation to Income, Prices and Interest Rates, 1867-1975 (Chicago: University of Chicago Press, 1982), vor allem S. 26-27 und 30-31. Das Erwähnen von „engineering“ und des „transmission mechanism“ verrät die szientistische Tendenz der beiden Autoren. 23 Hayek, New Studies in Philosophy, Politics, Economics, and the History of Ideas, S. 215. Gegen Ende seines Lebens kommentierte Fritz Machlup zum gleichen Thema: I don’t know why a man as intelligent as Milton Friedman doesn’t give more emphasis to relative prices, relative costs, even in an inflationary period. (Joseph T. Salerno und Richard M. Ebeling, “An Interview with Professor Fritz Machlup,” Austrian Economics Newsletter 3, Nr. 1 [Sommer, 1980]: 12) 24
Die Vertreter der älteren Quantitätstheorie haben geirrt, wenn sie angenommen haben, dass dann - wenn nicht etwa noch andere Veränderungen in den Daten vorgegangen sind - die
lösen Fluktuationen im Kreditvolumen eine „Revolution“ aus, welche alle relativen Preise beeinflusst und schließlich eine Fehlinvestitionskrise und eine wirtschaftliche Rezession verursacht. Die Unfähigkeit der Monetaristen diese Tatsache zu erkennen, hat den amerikanischen Ökonomen Benjamin M. Anderson dazu veranlasst zu erklären, dass der fundamentale Defekt der Quantitätstheorie des Geldes einfach darin besteht, dass sie vor dem Forscher die zugrunde liegenden mikroökonomischen Phänomene verbirgt, welche durch die Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus ausgelöst werden. Tatsächlich geben sich Monetaristen mit der Quantitätsgleichung zufrieden und meinen, dass alle wichtigen Aspekte mit dieser Gleichung angemessen angesprochen sind und nachfolgende mikroökonomische Analysen nicht notwendig sind25. Die obigen Überlegungen werfen Licht auf das Nichtvorhandensein einer befriedigenden Konjunkturtheorie unter den Monetaristen und ihren Glauben, dass Krise und Depressionen ausschließlich durch eine „monetäre Kontraktion“ verursacht werden. Diese naive und oberflächliche Diagnose verwechselt die Ursache mit der Wirkung. Wie wir wissen, entstehen Wirtschaftskrisen, weil die Kreditausweitung und die Inflation zunächst die Produktionsstruktur in einem komplexen Prozess verzerren, der sich später in einer Krise, einer Kreditklemme, und Rezession manifestiert. Das Zurückführen der Krise auf die monetäre Kontraktion entspricht der Erklärung der Masern durch das sie begleitende Fieber und den Ausschlag. Diese Erklärung der Krise kann nur mittels der szientistischen,
Kassenhaltung jedes Wirts und die Preise aller Güter und Dienste in dem Verhältnis der Geldmengenvergrößerung gestiegen sein werden. Jene Datenänderungen, die zu Veränderungen der Kaufkraft des Geldes führen, müssen notwendigerweise zugleich auch noch andere Veränderungen im Gefüge der Marktwirtschaft hervorrufen. Das Gefüge vor dem Eintreten der zusätzlichen Geldmenge und das Gefüge, das nach dem Ablauf aller durch den Zuwachs an Geldmenge ausgelösten Veränderungen wieder dem Gleichgewicht zustrebt, unterscheiden sich nicht bloß dadurch, dass die Kassenhaltung der Einzelnen nun größer ist und dass die Preise gestiegen sind. Es sind Veränderungen in dem Verhältnis der Preise der einzelnen Waren untereinander vorgegangen, die durch den Ausdruck Umwälzung der Preise oder Preisrevolution besser gekennzeichnet werden als durch den Ausdruck Veränderung des Preisniveaus. (Mises, Nationalökonomie, S. 372-73) 25
The formula of the quantity theorists is a monotonous “tic-tac-toe”—money, credit, and prices. With this explanation the problem was solved and further research and further investigation were unnecessary, and consequently stopped—for those who believed in this theory. It is one of the great vices of the quantity theory of money that it tends to check investigation for underlying factors in a business situation. Anderson folgert: The quantity theory of money is invalid. . . . We cannot accept a predominantly monetary general theory either for the level of commodity prices or for the movements of the business cycle. (Anderson, Economics and the Public Welfare, S. 70–71)
ultraempiristischen Methodologie der monetaristischen Makroökonomie aufrecht erhalten werden; ein Ansatz, der einer die Zeit berücksichtigenden Kapitaltheorie entbehrt 26. Weiterhin sind die Monetaristen nicht nur unfähig, wirtschaftliche Rezessionen ohne Bezug auf die monetäre Kontraktion zu erklären27; sie sind zudem nicht in der Lage gewesen, irgendein stichhaltiges theoretisches Argument gegen die Österreichische Konjunkturtheorie vorzubringen: sie haben diese einfach ignoriert, oder wie es Friedman getan hat, nur im Vorbeigehen erwähnt und fälschlicherweise behauptet, dass es ihr an „empirischer“ Basis fehlte. Mithin blieb Davd Laidler in seiner kürzlich vorgebrachten Kritik der Österreichischen Konjunkturtheorie nicht anderes übrig, als sich den alten, abgenutzten keynesianischen Argumenten zuzuwenden, welche sich auf den angeblich gesunden Einfluss der effektiven Nachfrage auf das Realeinkommen konzentrieren. Die grundlegende Idee ist die folgende: Ein Anstieg der effektiven Nachfrage würde letztlich zu einem Einkommensanstieg führen und somit vermutlich auch einem Anstieg der Ersparnisse. Daher könnte die künstliche Verlängerung, welche auf der Kreditausweitung basiert, unbegrenzt aufrecht erhalten werden und der Prozess der mangelhaften Ressourcenallokation würde sich nicht notwendigerweise in Form einer Rezession umkehren28. Der grundlegende Fehler in Laidler´s Argumentation wurde von Hayek bereits im Jahr 1941 offen gelegt, als er erklärte, dass die einzige Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der mit Kreditausweitung finanzierten
26
Der spanische Monetarist Pedro Schwartz schrieb einmal: Es gibt keine bewiesene Konjunkturtheorie: Es ist ein Phänomen, welches wir einfach nicht verstehen. Jedoch ist es einfach zu verstehen, dass bei einem elastisch werdenden Geld und Expansionen und Rezessionen, die uns sprachlos machen, wir Makroökonomen unbeliebt werden (Pedro Schwartz, „Macro y Micro,“ Cinco Días [April 12, 1993], S. 3) Es ist bedauerlich, dass die Effekte der „Kreditelastizität“ auf die Realwirtschaft weiterhin die Monetaristen verwirren und dass sie immer noch darauf beharren, die Österreichischen Konjunkturtheorie zu ignorieren; eine Theorie, welche nicht nur die mikroökonomischen und makroökonomischen Aspekte der Volkswirtschaftslehre vollständig integriert, sondern auch erklärt, wie die Kreditausweitung als ein Produkt des Teildeckungsbankwesens unweigerlich eine weit verbreitete Missallokation von Ressourcen aus mikroökonomischer Sicht provoziert, die unvermeidbar in einer makroökonomischen Rezession endet. 27 Vgl. beispielsweise Leland Yeager, The Fluttering Veil: Essays on Monetary Disequilibrium, George Selgin, Hrsg. (Indianapolis, Ind.: Liberty Fund, 1997). 28 It is now a commonplace that, if saving depends upon real income, and if the latter is free to vary, then variations in the rate of investment induced by credit creation, among other factors, will bring about changes in the level of real income and therefore the rate of voluntary saving as an integral part of the mechanisms that re-equilibrate intertemporal choices. (Vgl. David Laidler, “Hayek on Neutral Money and the Cycle,” veröffentlicht in Money and Business Cycles: The Economics of F.A. Hayek, M. Colonna und H. Hagemann, Hrsg., Bd. 1, S. 19.)
Produktionsprozesse ohne eine Rezession darin besteht, dass die Wirtschaftssubjekte ihr gesamtes neues Geldeinkommen, welches von den Banken geschaffen worden und zur Finanzierung derartiger Prozesse verwendet wurde, sparen. Die Österreichische Konjunkturtheorie zeigt, dass Zyklen auftreten, sobald nur ein Teil der neuen Geldeinkommen, welche die Banken in Form von Darlehen schaffen und welche die Produktionsstruktur erreichen, von den Eigentümern der Kapitalgüter und ursprünglichen Produktionsfaktoren für Konsumgüter und Leistungen ausgeben wird. Mithin ist die Verwendung eines Teils für den Konsum, was sicherlich immer der Fall ist, ausreichend, um die bekannten mikroökonomischen Prozesse auszulösen, welche unumstößlich zur Krise und Rezession führen. In Hayek´s eigenen Worten: Um unsere Analyse anwendbar zu machen, ist nichts weiter nötig, als daß dann, wenn die Einkommen sich infolge von Investitionen erhöhen, der während einer beliebigen Zeitspanne auf Konsumgüter verwendete Teil des zusätzlichen Einkommen größer sein müßte als der Bruchteil, um den in derselben Zeitspanne die Neuinvestition den Ausstoß an Konsumgütern erhöht. Und es gibt natürlich keinen Grund, zu erwarten, daß mehr als ein Bruchteil des [durch die Kreditausweitung geschaffenen] Einkommens (und sicherlich nicht so viel, wie neu investiert wurde) gespart werden wird; denn das würde heißen, daß praktisch das gesamte aus der Neuinvestition bezogenen Einkommen gespart werden müßte29. Es ist interessant festzustellen, dass der heut zu Tage prominenteste Monetarist, David Laidler, sich dazu gezwungen sieht, in seinem fruchtlosen Versuch, die Österreichischen Konjunkturtheorie zu kritisieren, auf keynesianische Argumente zurückzugreifen. Nichtsdestoweniger gibt der Autor korrekterweise selbst zu, dass vom Standpunkt der Österreichischen Theorie die Unterschiede zwischen Monetaristen und Keynesianern rein
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In anderen Worten wäre es notwendig, dass die Wirtschaftssubjekte ihre gesamtes Geldeinkommen, welches mit der beschatteten Fläche in Graphik V-6 korrespondiert, sparen. Diese Fläche stellt den Teil der Produktionsstruktur dar, welcher sich als Folge der Kreditausweitung verlängert und verbreitert hat. Verständlicherweise ist es beinahe unmöglich, dass dieser Fall im realen Leben eintritt. Der obige Ausschnitt erscheint auf S. 337 von The Pure Theory of Capital. Kurzum löst die Kreditausweitung eine Fehlabstimmung im Verhalten der verschiedenen produktiven Wirtschaftssubjekte aus und das einzige Heilmittel besteht in einem Anstieg der freiwilligen Ersparnisse und einem Rückgang der künstlich verlängerten Investitionen, bis die beiden wieder aufeinander abgestimmt sind. Wie es Lachmann eloquent ausdrückt: What the Austrian remedy—increasing voluntary savings— amounts to is nothing but a change of data which will turn data which originally were purely imaginary— entrepreneurs’ profit expectations induced by the low rate of interest—into real data. (Lachmann, “On Crisis and Adjustment,” Review of Economics and Statistics [Mai 1939]: 67)
trivial und größtenteils offensichtlich sind, da beide Gruppen sehr ähnliche „makroökonomische“ Methoden in ihren Analysen anwenden30. Die obigen Überlegungen zum Monetarismus, d.h. das Nichtvorhandensein einer Kapitaltheorie und die Verwendung einer makroökonomischen Sichtweise, welche die wahrhaft wichtigen Themen verbirgt, wäre nicht vollständig ohne einer Kritik der Verkehrsgleichung, MV=PT, auf der Monetaristen aufbauen, seitdem Irving Fisher sie in seinem Buch, The Purchasing Power of Money, vorgeschlagen hat31. Diese
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David Laidler, The Golden Age of the Quantity Theory (New York: Philip Allan, 1991). Laidler folgert im Besonderen: I am suggesting, more generally, that there is far less difference between neoclassical and Keynesian attitudes to policy intervention, particularly in the monetary area, than is commonly believed. The economists whose contributions I have analyzed did not regard any particular set of Mostary arrangements as sacrosanct. For most of them, the acid test of any system was its capacity to deliver price level stability and hence, they believed, output and employment stability too. Laidler fügt hinzu: The consequent adoption of Keynesian policy doctrines, too, was the natural product of treating the choice of economic institutions as a political one, to be made on pragmatic grounds. (S. 198) Laidler´s Werk ist für das Verständnis der gegenwärtigen monetaristischen Lehren und ihrer Entwicklung grundlegend. 31 Irving Fisher, The Purchasing Power of Money, vor allem S. 25 ff. der Auflage von 1925. Mises mit dem ihm eigenen Einblick weist darauf hin, dass die Verteidiger der Quantitätstheorie des Geldes dieser mehr Schaden zugefügt haben als ihre Gegner. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die große Mehrheit der Vertreter dieser Theorie die mechanistische Verkehrsgleichung akzeptiert haben, die im besten Fall bloß eine Tautologie repräsentiert: das Einkommen und die Ausgaben aus allen Transaktionen müssen gleich sein. Weiterhin versuchen die Verteidiger der Verkehrsgleichung eine umfassende Erklärung der wirtschaftlichen Phänomene anzubieten, in dem sie die Preise von Gütern und Dienstleistungen addieren, welche in verschiedenen Zeitperioden gehandelt werden, und annehmen, dass der Wert der Geldeinheit neben anderen Faktoren von der „Umlaufsgeschwindigkeit“ des Geldes bestimmt wird. Es gelingt ihnen nicht zu erkennen, dass der Wert des Geldes aus dem menschlichen subjektiven Wunsch herrührt, einen bestimmten Kassenvorrat zu halten und dass der ausschließliche Fokus auf Aggregate und Durchschnittsgrößen wie die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes den Eindruck vermittelt, dass das Geld nur seine Funktion erfüllt, wenn Transaktionen durchgeführt werden und nicht wenn es in der Form von Kassenvorräten, welche die Wirtschaftssubjekte vorhalten, „brachliegt“. Nichtsdestoweniger umfasst die Geldnachfrage der Wirtschaftssubjekte sowohl die Kassenvorräte, die sie jederzeit vorhalten, als auch die zusätzlichen Beträge, die sie nachfragen, wenn sie eine Transaktion vornehmen. Mithin erfüllt das Geld in beiden Fällen seine Funktion und hat immer einen Besitzer; in anderen Worten ist es Teil des Kassenvorrats eines Wirtschaftssubjekts, unabhängig davon, ob das Wirtschaftssubjekt plant, seine Kassenhaltung an irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft zu erhöhen oder zu vermindern.
„Verkehrsgleichung“ ist eindeutig nur ein Ideogramm, welches eher unbeholfen die Beziehung zwischen dem Wachstum der Geldmenge und dem Rückgang der Kaufkraft des Geldes abbildet. Der Ursprung dieser „Formel“ ist eine einfache Tautologie, welche ausdrückt, dass die gesamte Geldsumme, die in Transaktionen im Wirtschaftssystem in einer bestimmten Periode ausgegeben wurde, mit der Geldsumme identisch sein muss, die in den gleichen Transaktionen während derselben Periode, eingenommen wurden (MV=Σpt). Die Monetaristen unternehmen dann jedoch einen Sprung ins Unbekannte, wenn sie annehmen, dass die andere Seite der Gleichung mit PT dargestellt werden kann, wobei T ein absurdes „Aggregat“ ist, welches die Addition von heterogenen Güter- und Dienstleistungenmengen erfordert, die in eine Periode ausgetauscht wurden. Das Nichtvorhandensein der Homogenität macht diese Addition zu einer unmöglichen Aufgabe32. Mises weist zudem auf die Absurdität des Konzept der „Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes“ hin, welches einfach als die von den anderen Größen abhängige Variable definiert wird, welche notwendig ist, um den Ausgleich der Verkehrsgleichung zu gewährleisten. Diese Konzept macht ökonomisch keinen Sinn, da die einzelnen Wirtschaftssubjekte nicht so handlen können, wie es die Formel anzeigt33. Nach Mises ist ein weiterer entscheidender Defekt der Verkehrsgleichung, dass sie die Wirkungen verbirgt, welche die Geldmenge auf relative Preise ausübt und zudem die Tatsache verschleiert, dass das neue Geld das Wirtschaftssystem an verschiedenen spezifischen Punkten erreicht, was die Produktionsstruktur verzerrt und bestimmte Wirtschaftssubjekte zuungunsten der Übrigen bevorteilt. Ludwig von Mises, „The Position of Money Among Economic Goods,“ zuerst veröffentlicht in Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart, Hans Mayer, Hrsg. (Vienna: Julius Springer, 1932), Bd. 2. Dieser Aufsatz ist ins Englische von Albert H. Zlabinger übersetzt worden. Er ist erschienen in dem Werk: Money, Method, and the Market Process: Essays by Ludwig von Mises, Richard M. Ebeling, Brsg. (Dordrecht, Holland: Kluwer Academic Publishers, 1990), S. 55ff. 32 Murray N. Rothbard argumentiert, dass das „allgemeine Preisniveau“, P, ein gewichteter Durchschnitt der Preise von Gütern ist, die in ihrer Quantität und Qualität im Zeit und Raum variieren, und dass man gleichfalls versucht, in diesen gewichteten Durchschnitt die Summe von heterogenen Gütermengen, die in verschiedenen Einheiten ausgedrückt sind (die reale Gesamtproduktion eines Jahres), einzubringen. Rothbard´s brillante und scharfsinnige Kritik der monetaristischen Verkehrsgleichung erscheint in seinem Werkt, Man, Economic, and State, S. 727-37. 33 „Für die Einzelwirtschaften aber ist es nicht möglich, eine Konstruktion aufzustellen, die jener Formel: Umsatzmenge durch Umlaufsgeschwindigkeit nachgebildet erschiene. Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 112. Das Konzept der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes macht nur Sinn, wenn wir versuchen, das allgemeine Preisniveau über einen gewissen Zeitraum zu messen, was offenkundig absurd ist. Es ist zwecklos die Preise von Gütern und Dienstleistungen über einen Zeitraum, z.B. ein Jahr, zu betrachten. Denn während dieses Zeitraums verändert sich die Quantität und Qualität der erzeugten Güter und Dienstleistungen, wie sich auch die Kaufkraft der Geldeinheit ändert. So geschieht es, dass aus der Sicht des Individuums die Preise in jeder Transaktion bestimmt werden, immer wenn ein bestimmter Geldbetrag seinen Besitzer wechselt. Mithin ist eine „durchschnittliche Umlaufsgeschindigkeit“ nicht vorstellbar. Weiterhin können wir aus
Mithin reduziert die Tatsache, dass die monetaristische Verkehrsgleichung keinen mathematischen oder ökonomischen Sinn macht, die Gleichung höchstens zu einem Ideogramm, oder wie es das Shorter Oxford English Dictionary ausdrückt „a charakter of figure symbolizing the idea of a thing without expressing the name of it, as the Chinese characters, etc.“ 34 Diese Ideogramm enthält unbestreitbar ein Körnchen Wahrheit, in sofern es den Gedanken reflektiert, dass Veränderungen der Geldmenge letztlich die Kaufkraft des Geldes beeinflussen, d.h. den Preis der Geldeinheit ausgedrückt in jedem Gut und jeder Dienstleistung. Nichtsdestoweniger hat sich sein Gebrauch als angebliche Hilfe für die Erklärung der Wirtschaftsprozesse für den Fortschritt der Wirtschaftswissenschaft als sehr abträglich erwiesen. Denn sein Gebrauch verhindert die Analyse der zugrunde liegenden mikroökonomischen Faktoren, forciert eine mechanistische Interpretation der Beziehung zwischen der Geldmenge und dem allgemeinen Preisniveau und verbirgt, kurzum, die wahren mikroökonomischen Effekte, welche Variationen der Geldmenge auf die reale Produktionsstruktur ausüben. Daraus resultiert die abträgliche Idee, dass Geld neutral ist. Jedoch hat Ludwig von Mises bereits 1912 gezeigt, dass jeder Anstieg der Geldmenge unweigerlich die Struktur der relativen Preise von Gütern und Dienstleistungen verändert. Abgesehen von dem rein imaginären Fall, in dem das neue Geld gleichmäßig auf alle Wirtschaftssubjekte verteilt wird, wird es immer erst nach und nach und an verschiedenen spezifischen Punkten in die Volkswirtschafts injiziert (mittels öffentlicher Ausgaben, Kreditausweitung, oder der Entdeckung neuer Geldvorkommen an bestimmten Orten). In dem Ausmaß, in dem dies geschieht, werden nur bestimmte Leute die ersten sein, welche die neuen Geldeinheiten erhalten und die Möglichkeit haben, neue Güter und Dienstleistungen zu Preisen zu erwerben, die noch nicht durch das Geldmengenwachstum beeinflusst worden sind. Somit beginnt ein Prozess der Einkommensumverteilung, bei dem die ersten, die die Geldeinheiten erhalten, von der Situation auf Kosten derer profitieren, welche sich beim Kauf von Gütern und Dienstleistungen steigenden Preisen gegenüber sehen, bevor die neu geschaffenen Geldeinheiten in ihre Taschen gelangen. Dieser Prozess der Einkommensumverteilung ändert nicht nur unweigerlich die „Struktur“ der Werteskalen der Wirtschaftssubjekte, sondern auch ihre Gewichte auf dem Markt, was zu Veränderungen in der gesamten Struktur der relativen Preise in der Gesellschaft führen muss. Die spezifischen
„gesellschaftlicher“ Sicht höchstens ein „allgemeines Preisniveau“ hinsichtlich eines bestimmten Zeitpunkts (nicht eines Zeitraums) betrachten. Somit ist das Konzept der „Umlaufsgeschwindigkeit“ in diesem Fall auch völlig bedeutungslos. 34 The Shorter Oxford English Dictionary, 3. Aufl. (Oxford: Oxford University Press, 1973), Bd. 1, S. 1016.
Charakteristika dieser Veränderungen in den Fällen, in denen das Geldmengenwachstum sich aus der Kreditausweitung ableitet, sind detailliert in den vorangegangenen Kapiteln behandelt worden35. Welche Maßnahmen befürworten Monetaristen, um Krisen und wirtschaftlichen Rezessionen entgegen zuwirken und diese zu vermeiden? Im Allgemeinen beschränken sie sich darauf, wirtschaftspolitische Maßnahmen zu empfehlen, die lediglich die Krisensymptome, nicht aber ihre letzten Ursachen, behandeln. In anderen Worten schlagen sie vor, die umlaufende Geldmenge zu erhöhen und damit die Volkswirtschaft zu reinflationieren, um die monetäre Kontraktion zu bekämpfen, welche in einem größeren oder kleineren Ausmaße immer auf eine Krise folgt. Es gelingt den Monetaristen nicht zu verstehen, dass diese makroökonomische Maßnahme die Liquidation von fehlerhaft unternommenen Projekten verhindert, die Rezession verlängert und letztlich in eine Stagflation, eine von uns bereits analysierte Phase, führen kann36. Auf lange Sicht kann, wie wir wissen, eine erneute Kreditausweitung während einer Krise höchstens das unausweichliche Eintreffen der Rezession hinausschieben, was die nachfolgende Wiederanpassung noch schwieriger macht. Wie Hayek eindeutig schreibt: Any attempt to combat the crisis by credit expansion will, therefore, not only be merely the treatment of symptoms as causes, but may also prolong the depression by delaying the inevitable real adjustments37. Schließlich schlagen einige Monetaristen die Einführung einer verfassungsrechtlichen Regel vor, die das Wachstum der Geldmenge bestimmt und die monetäre Stabilität und 35
Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 119 ff. Mises folgert: Die Geldpreise der Waren stehen nach dem Eintritt der Preissteigerung nicht mehr in demselben Verhältnis untereinander wie vor ihrem Beginn, die Verminderung der Kaufkraft des Geldes ist den einzelnen wirtschaftlichen Gütern gegenüber keine gleichmäßige. (p. 121) Vor Mises wurde die gleiche Idee auch schon unter anderen von Cantillon, Hume, und Thornton zum Ausdruck gebracht. Vgl. beispielsweise „Of Money“, einer von Hume´s Aufsätzen, welche in Essays, S. 286 ff. enthalten sind. Hume nimmt diese Idee von Cantillon auf, der diese als erster in seinem Essai sur la nature du commerce en général, Kapitel VII, Teil II, S. 112-115 der deutschen Ausgabe ausdrückte. 36 Hans F. Sennholz, Money and Freedom (Spring Mills, Penn.: Libertarian Press, 1985), S. 38-39. Sennholz erklärt das Nichtvorhandensein einer echten Konjunkturtheorie bei Friedman und seinen Versuch, diese Lücke zu verschleiern, indem er Maßnahmen entwirft, die einfach darauf abzielen, aus der Rezession mittels monetären Mitteln auszubrechen, ohne ihre Ursachen zu berücksichtigen. 37 F.A. von Hayek, „A Rejoinder to Mr. Keynes,“ Economica 11, Nr. 34 (November 1931): 398-404. Wiederveröffentlicht als Kapitel 5 von Friedrich A. Hayek: Critical Assessments, John Cunningham Wood und Ronald N. Woods, Hrsg. (London und New York: Routledge, 1991), Bd. 1, S. 82-83; siehe auch Contra Keynes and Cambridge, S. 159-64.
Wirtschaftswachstum „garantiert.“ Jedoch würde auch dieser Plan nicht effektiv Wirtschaftskrisen verhindern können, falls weiterhin neue Geldspritzen, egal welcher Größe, in das System durch eine Kreditausweitung injiziert werden. Immer wenn ein Anstieg der allgemeinen Produktivität eine erhöhte Kreditausweitung zur Stabilisierung der Kaufkraft des Geldes „erfordert,“ erzeugt und intensiviert diese Handlung außerdem all die Prozesse, welche unweigerlich zu Investitionsfehlern und Krise führen und welche die Monetaristen wegen den offensichtlichen Defiziten der von ihnen benutzten makroökonomischen Analysewerkzeuge nicht zu verstehen in der Lage sind38.
EINE KURZE BEMERKUNG ZUR THEORIE DER RATIONALEN ERWARTUNGEN Die hier genutzte Analyse kann auch auf die Hypothese der rationalen Erwartungen und andere Beiträge der neuen klassischen Ökonomie angewandt werden. Nach der Hypothese der rationalen Erwartungen tendieren Wirtschaftssubjekte zum Aufstellen von korrekten Prognosen basierend auf der angemessenen Einbeziehung aller relevanten Informationen und des wissenschaftlichen Wissens, welche die ökonomische Theorie bereitstellt. Die Vertreter dieser Hypothese argumentieren, dass die Regierungsversuche die Produktion und Beschäftigung mittels Geld- und Fiskalpolitik zu beeinflussen fruchtlos sind. Die Unterstützer der Hypothese behaupten daher, dass in dem Ausmaß, in dem Wirtschaftssubjekte die Konsequenzen der traditionellen Politikinstrumente vorhersehen können, diese Instrumente keinen Einfluss mehr auf die reale Produktion und Beschäftigung ausüben39. Nichtsdestoweniger enthält die ökonomische Logik dieser analytischen Entwicklungen der neuen klassischen Ökonomie ernste Mängel. Einerseits müssen wir berücksichtigen, dass die Wirtschaftssubjekte unmöglich die Gesamtheit der relevanten Informationen sich aneignen können. Die relevanten Informationen sind sowohl Informationen in Hinblick auf die besonderen Umstände des gegenwärtigen Zyklus (praktisches Wissen) als auch in Hinblick auf die Wirtschaftstheorie, welche am Besten den Ablauf der Ereignisse erklärt (wissenschaftliches Wissen). Dies ist neben anderen Faktoren auf das Fehlen einer einhelligen Auffassung darüber, welche Konjunkturtheorie die treffendste ist, zurückzuführen: Obgleich die hier vorgelegten Argumente anzeigen, dass die korrekte Erklärung, die von der 38
Vgl. Unterkapitel 9 aus Kapitel 6 (S. 424-31??), welches die abträglichen Effekte der Maßnahmen zur Stabilisierung der Kaufkraft des Geldes behandelt. 39
Vgl. die Erklärungen zur Evolution der Schule der rationalen Erwartungen in Garrison, Time and Money, Kapitel 3, S. 15-30.
Österreichischen Konjunkturtheorie offerierte ist, können wir, solange die wissenschaftliche Gemeinschaft als ganze diese nicht akzeptiert, nicht erwarten, dass alle anderen Wirtschaftssubjekte diese Theorie als eine akzeptable Erklärung erkennen 40. Des weiteren ist es wie es für einen hypothetischen wohlwollenden Diktator unmöglich ist -und wie aus denselben Gründen die ökonomische Theorie des Sozialismus gezeigt hat -, dass er alle praktischen Informationen hinsichtlich seiner Untertanen sich aneignet, genauso unmöglich, dass jedes Wirtschaftssubjekt sich alle praktischen Informationen hinsichtlich seiner Mitbürger aneignet und das gesamte wissenschaftliche Wissen, das zu jedem Zeitpunkt verfügbar ist41. Andererseits liegen, sogar wenn wir um des Argumentes willen die Annahme gestatten, die Wirtschaftssubjekte könnten die relevanten Informationen sich aneignen und die richtige theoretische Erklärung des Zyklus auf den Punkt ausmachen (das einhellige Verständnis der grundlegenden Elemente unserer Zirkulationskredittheorie), die „Theoretiker der rationalen Erwartungen“ noch immer falsch, wenn sie schließen, dass die Fiskal- und Geldpolitik der Regierung keine realen Konsequenzen mit sich bringen würde. Sogar wenn Unternehmer ein „perfektes“ Wissen über die auf sie zukommenden Ereignisse hätten, könnten sie vor den Wirkungen einer Kreditausweitung nicht sich abwenden, da ihr Gewinnerzielungsstreben sie unweigerlich dazu veranlassen wird, das neu geschaffene Geld zu ihrem Vorteil zu nutzen. In der Tat können sie, sogar wenn sie die Gefahren einer Verlängerung der Produktionsstruktur ohne Deckung mit realen Ersparnissen verstehen, einfach große Gewinne erzielen, indem die die neu geschaffenen Darlehen akzeptieren und in die Finanzierung neuer Projekte stecken, solange sie in der Lage sind, sich aus diesem Prozess rechtzeitig zurückzuziehen und ihre neuen Kapitalgüter zu hohen Preise zu verkaufen, bevor ihr Marktwert fällt; ein Ereignis,
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Wie Leijonhufvud eloquent schreibt: When theorists are not sure they understand, or cannot agree, it is doubtful that they are entitled to the assumption that private sector agents understand and agree. (Axel Leijonhufvud, “What Would Keynes Have Thought of Rational Expectations?” UCLA Department of Economics Discussion Paper No. 299 [Los Angeles: University of California, Los Angeles, 1983], p. 5)
Dieses Argument verläuft parallel zu dem von uns in Socialismo, cálculo económico y función empresarial zur Erklärung der theoretischen Undurchführbarkeit des Sozialismus angewandten Arguments. Seine Logik basiert auf dem radikalen Unterschied zwischen praktischer (subjektiver) Information oder Wissen und wissenschaftlicher (objektiver) Information oder Wissen. Mithin begehen die Theoretiker der rationalen Erwartungen den gleichen Fehlertyp, den die neoklassischen Theoretiker begingen, welche versuchten, den Sozialismus als möglich zu beweisen. Es gibt nur einen Unterschied: Anstatt anzunehmen, dass ein Wissenschaftler oder Diktator die Gesamtheit der praktischen Informationen hinsichtlich seiner Untertanen sich aneignen kann, beginnen die neuen klassischen Ökonomen mit der Voraussetzung, dass die Untertanen selbst in der Lage sind, alle relevanten Informationen sich an zueignen, sowohl praktischer (hinsichtlich der restlichen Wirtschaftssubjekte) als auch wissenschaftlicher (hinsichtlich der richtigen Theorien der Entwicklung des Zyklus) Natur. Vgl. Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, S. 52-54 und 87-110.
welches den Beginn der Krise angekündigt.42 In der Tat entstehen die Unternehmergewinne aus der Kenntnis der spezifischen Bedingungen von Zeit und Ort. Und Unternehmer können sehr gut signifikante Gewinnmöglichkeiten in jedem historischen Kreditausweitungsprozess ausmachen. Trotz ihres theoretischen Wissens über die Prozesse, welche unausweichlich zu einer Depression führen, können sie ganz legitim hoffen, dieser Stufe durch ihre überlegenes Wissen über die ersten Symptome der Rezession zu entrinnen. Gerald P. O´Driscoll und Mario J. Rizzo machen eine ähnliche Beobachtung: Though entrepreneurs understand this [theory] at an abstract (or macro-) level, they cannot predict the exact features of the next cyclical expansion and contraction. That is, they do not know how the unique aspects of one cyclical episode will differ from the last such episode or from the “average” cycle. They lack the ability to make micro-predictions, . . . even though they can predict the general sequence of events that will occur. These entrepreneurs have no reason to foreswear the temporary profits to be garnered in an inflationary episode. In the end, of course, all profits are purely temporary. And each individual investment opportunity carries with it a risk. For one thing, other entrepreneurs may be quicker. Or so many may have perceived an opportunity that there is a temporary excess supply at some point in the future43.
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Im Anblick der vorstehenden Überlegungen mag die folgende Bemerkung von Ludwig von Mises ein wenig übertrieben erscheinen (Vgl. seinen Artikel“Elastic Expectations in the Austrian Theory of the Trade Cycle,” published in Economica [August 1943]: 251–52): The teachings of the monetary theory of the trade cycle are today so well known even outside of the circle of economists, that the naive optimism which inspired the entrepreneurs in the boom periods has given way to a greater skepticism. It may be that businessmen will in the future react to credit expansion in another manner than they did in the past. It may be that they will avoid using for an expansion of their operations the easy money available, because they will keep in mind the inevitable end of the boom. Some signs forebode such a change. But it is too early to make a positive statement. Obzwar es offensichtlich ist, dass „korrekte“ Erwartungen den Ablauf der Ereignisse beschleunigen und die Kreditausweitung weniger „effektiv“ machen, als es andernfalls der Fall wäre, können die Unternehmen, sogar wenn sie ein „perfektes“ Wissen über die typischen Charakteristika des Zyklus haben, nicht die Gewinne ausschlagen, welche die Kreditausweitung kurzfristig ihnen erzeugt, besonders wenn sie glauben, dass sie in der Lage sind, den angemessenen Zeitpunkt für den Verkauf ihrer Kapitalgüter zu prognostizieren und so die korrespondierenden Verluste zu vermeiden. Mises selbst macht in Human Action (S. 871) die folgende Klarstellung: What the individual businessman needs in order to avoid losses is knowledge about the date of the turning point at a time when other businessmen still believe that the crash is farther away than is really the case. Then his superior knowledge will give him the opportunity to arrange his own operations in such a way as to come out unharmed. But if the end of the boom could be calculated according to a formula, all businessmen would learn the date at the same time. Their endeavors to adjust their conduct of affairs to this information would immediately result in the appearance of all the phenomena of the depression. It would be too late for any of them to avoid being victimized. If it were possible to calculate the future state of the market, the future would not be uncertain. There would be neither entrepreneurial loss nor profit. What people expect from the economists is beyond the power of any mortal man. (Hervorhebung hinzugefügt) 43 Geral P. O´Driscoll und Mario J. Rizzo, The Economics of Time and Ignorance, S. 222. Weitere kritische Bemerkungen zur Theorie der rationalen Erwartungen ist in Gerald P. O´Driscolls Artikel „Rational Expectations, Politics and Stagflation“ Kapital 7 des Buches, Time, Uncertainty and Disequilibrium: Exploration of Austrian Themes, Mario J. Rizzo, Hrsg. (Lexington; Mass.: Lexington Books, 1979), S. 153-76 zu finden. In ähnlicher Weise argumentiert Roger Garrison:
Weiterhin verstehen die Theoretiker der rationalen Erwartungen noch nicht die Österreichische Konjunkturtheorie und es mangelt ihnen an einer adäquaten Kapitaltheorie. Im Besonderen erkennen sie nicht, wie die Kreditausweitung die Produktionsstruktur beeinflusst und warum sich unausweichlich eine Rezession ergibt, sogar wenn die Erwartungen hinsichtlich des allgemeinen Ablaufs der Ereignisse fehlerlos war. Schließlich würde es den Unternehmern widerstreben, die Möglichkeit von kurzfristigen Gewinnen im Markt, in dem eine Kreditausweitung begonnen wurde, fallen zu lassen, wenn sie glauben, dass sie mehr (subjektive) Informationen als alle anderen Wirtschaftssubjekte besitzen und sich für fähig halten, sich aus dem Expansionsprozess zurückzuziehen, bevor sie Verluste erleiden. In anderen Worten wird niemand seine Nase über das geschaffene Geld rümpfen, nur weil es letztlich die Rezession einleitet. Man schaut dem geschenkten Gaul nicht ins Maul, besonders wenn man plant, sich des Gauls zu entledigen, bevor die Katastrophe einbricht. Wie Mises und Hayek in ihrer Behandlung der Österreichischen Konjunkturtheorie enthüllen, ist die Rolle der Erwartungen im Zyklus viel subtiler als die neuen klassischen Ökonomen behaupten. In der Tat erklärt Mises, dass es oftmals eine gewisses time lag zwischen dem Beginn der Kreditausweitung und dem Auftreten von Erwartungen über seine Konsequenzen besteht. In jedem Fall beschleunigt die Bildung von realistischen Erwartungen lediglich die Prozesse, welche die Krise auslösen und macht es notwendig, dass die neuen Darlehen in einer progressiv ansteigenden Geschwindigkeit gewährt werden, damit die Politik der Darlehensgewährung weiterhin ihre expansiven Effekte produziert. Daher wird ceteris paribus die Kreditausweitung umso zerstörerischer sein und desto mehr Fehlabstimmungen in den Stufen des Produktionsprozesses verursachen, je stärker sich die Wirtschaftssubjekte an eine stabile institutionelle Umgebung gewöhnen. (Dies trifft besonders auf die Ausweitung der
Feedback loops, multiple alternatives for inputs, and multiple uses of outputs . . . are complexities [that] preclude the hedging against crisis and downturn on a sufficiently widespread basis as to actually nullify the process that would have led to the crisis. The idea that entrepreneurs know enough about their respective positions to hedge against the central bank is simply not plausible. It all but denies the existence of an economic problem that requires for its solution a market process. (Roger W. Garrison, “What About Expectations?: A Challenge to Austrian Theory,” Artikel präsentiert auf der 2. Austrian Scholars Conference [Mises Institute, Auburn, Alabama, April 4–5, 1997, unveröffentlichtes Manuskript], p. 21; Vgl. zudem Time and Money, S. 15– 30) Unserer Standpunkt zur Theorie der rationalen Erwartungen ist jedoch noch radikaler als der von O´Driscoll und Rizzo. Wie wir bereit erwähnt haben, werden die Wirtschaftssubjekte, sogar wenn sie nicht nur die typische Form des Zyklus kennen, sondern auch die spezifischen Zeitpunkte und Werte, an denen die wichtigsten Veränderungen zu Stande kommen, dazu geneigt sein, das neu geschaffene Geld zu akzeptieren, um die mannigfaltigen Gewinnmöglichkeiten auszunutzen, welche in der Kapitalgüterstruktur plötzlich auftauchen, wenn der Marktprozesse durch die verschiedenen Stufen des Zyklus voranschreitet.
1920er Jahre zu, welche zur Großen Depression führte). Wenn sich die Wirtschaftssubjekte nach und nach an die Kreditsausweitung gewöhnen, müssen weiterhin ceteris paribus immer größere Kreditausweitungsdosen in das Wirtschaftssystem gepumpt werden, um einen Aufschwung zu induzieren und die uns bekannten Umschwungseffekte zu verhindern. Dies macht den einzigen Wahrheitsgehalt in der Hypothese der rationalen Erwartungen aus. (in den wohl gesetzten Worten von Roger W. Garrison ist dies „the kernel of truth in the rational expectations hypothesis.44“) Nichtsdestoweniger sind die Annahmen, auf denen die Theorie beruht, weit davon entfernt als richtig bewiesen zu sein und die Unternehmer werden niemals fähig sein, sich vollkommen der unmittelbaren Gewinnmöglichkeiten zu enthalten, welche entstehen, wenn sie neu geschaffenes Geld erhalten. Daher wird die Kreditausweitung sogar mit „perfekten“ Erwartungen immer die Produktionsstruktur verzerren45. Kurzum ist die unterschwellige These hinter der Theorie der rationalen Erwartungen, dass Geld neutral ist, unter der Annahme, dass die Wirtschaftssubjekte dazu tendieren, den Ablauf der Ereignisse genau vorher zu sagen46. Die Vertreter dieser Hypothese gelingt es nicht, zu verstehen, dass, wie es schon Mises richtig erklärt hat, das Konzept des neutralen Geldes eine contradictio in adiectio ist: Der Gedanke eines neutralen Geldes kann ebenso wenig bis zu Ende gedacht werden wie der des Geldes von unveränderlichem Werte oder unveränderlicher Kaufkraft. Geld ohne Triebkraft wäre nicht etwa vollkommenes Geld, es wäre überhaupt nicht Geld47.
44
Garrison, „What About Expectations?“, S. 1. The crucial question devolves around the source of errors in cyclical episodes. In Hayek’s analysis, misallocations and errors occur as economic actors respond to genuine price signals. . . . Entrepreneurs are being offered a larger command over the real resources in society; the concomitant changes in relative prices make investing in these real resources genuinely profitable. There is surely nothing “irrational” in entrepreneurs grasping real profit opportunities. (O’Driscoll,“Rational Expectations, Politics and Stagflation,” in Time, Uncertainty and Disequilibrium, S. 166) 46 Vgl. Robert E. Lucas verfeinerte und konzise Exposition in seiner „Nobel Lecture: Monetary Neutrality,“ Journal of Political Economy 104, Nr. 4 (August 1996): 661-82. Lucas hat Zyklen als das reale Ergebnis von monetären Schocks beschrieben, welche nicht von den Wirtschaftssubjekten antizipiert wurden. Als eine Konsequenz haben verschiedene Autoren auf angebliche Ähnlichkeiten zwischen den Theoretikern der Österreichischen Schule und der neuen klassischen Ökonomie hingewiesen. Angesichts der Tatsache, dass es den neuen klassischen Ökonomen an einer Kapital- und Fehlinvestitionstheorie mangelt und dass die Österreicher das Gleichgewichtsmodell, den maximierenden repräsentativen Agenten und Aggregate, welche ihre neu klassischen Ökonomen benutzen, als unrealistisch bzw. bedeutungslos betrachten, können wir wohl schließen, dass die „Ähnlichkeiten“ eher oberflächlich denn real sind. Vgl. Richard Arena, „Hayek and Modern Business Cycle Theory,“ in Money and Business Cycles: The Economics of F.A. Hayek, M. Colonna und H. Hagemann, Hrsg., Bd.1, Kapitel 10, S. 203-17; vgl. zudem Carlos Usabiaga Ibáñez und José María O´Kean Alonso, La nueva macroeconomía clásica (Madrid: Ediciones Pirámide, 1994), S. 140-44. Eine detaillierte Analyse der tiefgründigen Unterschiede zwischen dem Österreichischen Ansatz und der neoklassischen Perspektive, welche die mikroökonomische Basis für Lucas Ansichten darstellt, kann in Huerta de Soto, „The Ongoing Methodenstreit of the Austrian School“, gefunden werden; vgl. zudem Garrison, Time and Money, vor allem Kapitel 10-12. 47 Mises, Nationalökonomie, S. 377. Wir müssen betonen, dass die Österreicher das Geld noch nicht einmal langfristig als neutral ansehen, denn die Produktionsstruktur, welche nach all den Anpassungen auf die 45
Unter diesen Umständen ist es nicht überraschend, dass die neuklassischen Ökonomen genau wie ihre monetaristischen Vorgänger einer befriedigenden Konjunkturtheorie entbehren, und dass ihre einzige Erklärung des Zyklus auf mysteriösen, unvorhersehbaren, realen Schocks basiert48. So sind sie letztlich nicht in der Lage zu erklären, warum derartige Schocks regelmäßig auftreten und beständig die gleichen typischen Eigenschaften zeigen49. 3 KRITIK DER KEYNESIANISCHEN ÖKONOMIE Nach unserer Untersuchung des Monetarismus erscheint es angemessen, eine kritische Analyse der keynesianischen Theorie zu unternehmen. Wir haben diese Vorgehensweise aus zwei Gründen gewählt. Erstens brach die „keynesianische Revolution“ aus, nachdem sich der alte neoklassische Monetarismus (eine mechanistische Konzeption der Quantitätstheorie des Geldes, das Fehlen einer Kapitaltheorie, etc.) einen festen Stand erarbeitet hatte. Zweitens ist heute die keynesianische Ökonomie unzweifelhaft im Vergleich zur Monetaristischen Schule in den Hintergrund gedrängt. Trotz dieser Fakten müssen wir vom analytischen Standpunkt dieses Buches, d.h. aus Sicht der Österreichischen Schule, betonen, dass Monetaristen und Keynesianer sehr ähnliche Ansätze und Methoden verfolgen. Wie die Monetaristen fehlt es Keynes an einer Kapitaltheorie, welche es ihm ermöglichte, die Teilung des Wirtschaftsprozesse in Produktionsstufen und die Rolle, welche die Zeit in diesen Prozessen spielt, zu verstehen. Weiterhin basiert seine makroökonomische Preistheorie aus Konzepten wie dem allgemeinen Preisniveau, der Geldmenge und sogar der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes50. Nichtsdestoweniger verdienen gewisse bedeutende Besonderheiten der keynesianischen Theorie eine Diskussion.
Kreditausweitung zurückbleibt, hat keine Ähnlichkeit mit jener Struktur, welche sich ohne die Inflation gebildet hätte. 48 Vgl. Finn E. Kydland und Edward C. Prescott, „Time to Build and Aggregate Fluctuations,“ Econometrica 50 (November 1982): 1345-70; und zudem „Business Cycles: Real Facts and Monetary Myth,“ Federal Reserve Bank of Minneapolis Quarterly Review 14 (1990): 3-18. Die Autoren dieser und anderer Erklärungen des Konjunkturzyklus, welche nicht auf der Wirkung der Kreditausweitung beruhen, sind gezwungen zumindest implizit anzuerkennen, dass die Kreditausweitung immer ein Faktor und ein notwendiges Element in jeder Erklärung des anhaltenden Wachstums eines expansiven Aufschwungs ist. Vgl. Mises, „Bemerkungen über Versuche, den Konjunkturwechsel nicht monetär zu erklären,“ in Nationalökonomie. 49 Was ist weiterhin der Sinn der wiederholten Ausführung einer expansiven Politik, wenn die Theoretiker der rationalen Erwartungen im Recht sind und alle staatlichen Wirtschaftsmaßnahmen „nutzlos“ sind? Die Antwort liegt in den (anscheinend positiven) kurzfristigen Wirkungen, welche sich immer umkehren und die Wirtschaft auf mittlere und lange Sicht sabotieren. 50 John Maynard Keynes, The General Theory of Employment, Interest and Money (London: Macmillan, 1936 und 1970), Kapitel 21, S. 292-309. Es ist offensichtlich in Keynes Buch, The General Theory, dass seine makroökonomische Preistheorie lediglich eine Variante der monetaristischen Konzeption ist. In seinem Buch macht Keynes die folgende explizite Erklärung:
Bevor wir beginnen, sollten wir uns jedoch daran erinnern, dass Keynes nur ein sehr begrenztes Wissen der Ökonomie im Allgemeinen und des Marktprozesses der unternehmerischen Koordination im Besonderen besaß. Nach F.A. Hayek ist Keynes theoretischer Hintergrund beinahe ausschließlich auf das Werk Alfred Marshall beschränkt und er war nicht in der Lage in ausländischen Sprachen verfasste (mit der möglichen Ausnahme von französischen Werken) Ökonomiewerke zu verstehen. Hayek schrieb: Keynes was not a highly trained or a very sophisticated economic theorist. He started from a rather elementary Marshallism economics and what had been achieved by Walras and Pareto, the Austrians and the Swedes was very much a closed book to him. I have reason to doubt whether he ever fully mastered the theory of international trade; don’t think he had ever thought systematically on the theory of capital, and even in the theory of the value of money his starting point—and later the object of his criticism— appears to have been a very simple, equation-of-exchange-type of the quantity theory rather than the much more sophisticated cash-balances approach of Alfred Marshall51. Keynes selbst gab zu, dass es in seiner Bildung Lücken gab, besonders hinsichtlich seiner minderwertigen Deutschlesekenntnisse. In Bezug auf die Werke von Mises blieb Keynes in seinem A Treatise on Money keine andere Wahl als zu gestehen, dass seine geringen Deutschkenntnisse ihn davon abgehalten hatten, ihren Inhalt so vollständig, wie er gerne wollte, zu begreifen. Er schrieb weiter:
The Theory of Prices, that is to say, the analysis of the relation between changes in the quantity of money and changes in the price-level with a view to determining the elasticity of prices in response to changes in the quantity of money, must, therefore, direct itself to the five complicating factors set forth above. (Keynes, The General Theory, S. 296–97; Hervorhebung hinzugefügt) Die beste moderne Exposition des keynesianischen Theoriegebildes ist auf Roger Garrison (Time and Money, Kapitel 7-9) zurückzuführen, der zeigt, dass Keynes letztlich ein Sozialist war, der nicht an freie Märkte für Investitionen glaubte. Keynes selbst erkannte diese Tatsache an, als er schrieb, dass seinen Theorien „viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden“ können. Diese Aussage erscheint im Prolog (welchen Keynes am 7. September 1936) für die deutsche Übersetzung von The General Theory verfasste. Die exakten Worte lauten: Trotzdem kann die Theorie der Produktion als Ganzes, die den Zweck des folgenden Buches bildet, viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbes und eines großen Maßes von Laissez-faire erstellten Produktion. (Vgl. John Maynard Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes [Berlin: Duncker and Humblot, 1936 und 1994], S. ix) Die Fußnote 76 dieses Kapitel enthält Keynes explizites Geständnis, dass ihm eine adäquate Kapitaltheorie fehlte. 51 F.A. Hayek, A Tiger by the Tail: A 40-Years´Running Commentary on Keynesianism by Hayek, zusammengestellt und herausgegeben von Sudha R. Shenoy (London: Institute of Economic Affairs, 1972), S. 101.
In German I can only understand what I know already!- so that new ideas are apt to be veiled from me by the difficulties of language52. DAS SAYSCHE MARKTGESETZ John Maynard Keynes beginnt sein Buch, The General Theory, mit der Verdammung von Say´s Gesetz als eines der grundlegenden Prinzipien, auf denen die klassische Analyse ruht. Nichtsdestoweniger übersah Keynes die Tatsache, dass die von den Ökonomen der Österreichischen Schule (Mises und Hayek) durchgeführte Analyse bereits gezeigt hatte, dass der Prozess der Kreditausweitung und monetären Expansion letztlich die Produktionsstruktur verzerrt und eine Situation schafft, in welcher das Angebot der Kapitalgüter und Konsumgüter- und Leistungen nicht länger mit der Nachfrage der Wirtschaftssubjekte nach diesen Gütern und Leistungen korrespondiert. In anderen Worten ergibt sich eine temporäre Fehlabstimmung im Wirtschaftssystem53. In der Tat erklärt die gesamte Österreichische Theorie des Konjunkturwechsels bloß, warum unter gewissen Umständen und als Konsequenz der Kreditausweitung das Saysche Gesetz wiederholt nicht eingehalten wird. Die Theorie erklärt zudem die spontanen Umkehreffekte, welche in Form einer Krise und der notwendigen Rezession oder Wiederanpassung des Produktionssystems tendenziell dazu führen, dass das System wieder koordiniert ist. So antwortete Hayek, nachdem er von Keynes ein Exemplar von The General Theory erhalten hatte, dass obwohl I fully agree about the importance of the problem which you outline at the beginning, I cannot agree that it has always been completely neglected as you suggest54.
52
John Maynard Keynes, A Treatise on Money, Bd. 1: The Pure Theory of Money, in The Collected Writings of John Maynard Keynes (London: Macmillan, 1971), Bd. 5, S. 178, fn. 2. In seinem letzten vor seinem Tod veröffentlichten Artikel kommentiert Haberler mit Ironie die Schwäche der kritischen Bemerkungen, die Keynes an Mises in seiner Rezension des Buches, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, veröffentlicht in The Economic Journal (September 1914) und wieder veröffentlicht auf den Seiten 400-03 von Bd. 11 der The Collected Writings richtet. Vgl. Gottfried von Haberler, „Reviewing a Book Without Reading It,“ Austrian Economics Newsletter 8 (Winter, 1995); zudem Journal of Economic Perspectives 10, Nr. 3 (Sommer 1996): 188. 53
Say’s law is violated in the short run by a fiat credit inflation. Of course, the short run may take some time to work itself out! True, the larger supply created by the fiat money also creates its own excessive demand, but it is the wrong kind of demand in the case of a business credit expansion, an ephemeral demand which cannot last. (Skousen, The Structure of Production, S. 325). 54
Brief von F.A. Hayek an John Maynard Keynes, datiert mit dem 2. Februar 1936 und gedruckt auf S. 207 von Band 29 von The Collected Writings of John Maynard Keynes: The General Theory and After: A Supplement (London: Maxmillan, 1979), S. 207.
Als die Mitglieder der Österreichischen Schule die Kapitaltheorie entwickelten, warfen sie zum ersten Mal Licht auf den Prozess der Fehlabstimmung, den die Produktionsstruktur oftmals durchläuft. Mithin waren die Österreicher die ersten, welche die mikroökonomischen Prozesse identifizierten, mit denen sich ein Anstieg der Ersparnisse als eine Verlängerung und Verbreiterung der Produktionsstruktur der Kapitalgüter manifestiert. Es ist daher nicht überraschend, dass in Mangel einer elaborierten Kapitaltheorie in der Marshallschen Ökonomie und als Folge von Keynes Ignoranz hinsichtlich der Österreichischen Beiträge, Keynes alle klassischen Ökonomen für die Annahme kritisierte, dass „supply must always automatically create its own demand.“ In der Tat schreibt Keynes, dass die klassischen Ökonomen are fallaciously supposing that there is a nexus which unites decisions to abstain from present consumption with decisions to provide for future consumption; . . . whereas the motives which determine the latter are not linked in any simple way with the motives which determine the former55. Obzwar diese Behauptung in Hinblick auf die neoklassische Ökonomie zur Zeit von Keynes gerechtfertigt sein mag, passt sie in keiner Weise auf die Österreichische Ökonomie, wenn wir den Entwicklungsstand berücksichtigen, welche die Österreicher mit ihrer Kapital- und Konjunkturtheorie erreicht hatten, als The General Theory veröffentlicht wurde. Mithin ging Keynes fehl, als er Hayek als neoklassischen Autor bezeichnete56. Hayek kam aus der subjektivistischen Tradition, welche sich scharf von Marshalls neoklassischem Hintergrund unterschied. Weiterhin hatte er mit Hilfe von Mises subjektiver Geld- Kapital- und Konjunkturtheorie (eine typisch Österreichische Theorie) bereits genau analysiert, in welchem Ausmaße das Saysche Gesetz temporär nicht gilt und hatte die verwerfenden Effekte studiert, welche die wiederholten, kreditbezogenen Attacken auf das Wirtschaftssystem haben. DIE DREI ARGUMENTE VON KEYNES ZUR KREDITAUSWEITUNG Keynes versuchte mit Nachdruck zu leugnen, dass der Bankenkredit eine wichtige Rolle in der Unterbrechung der engen Beziehung zwischen Sparen und Investitionen spielt. In der Tat hatte Keynes als er The General Theory veröffentlichte, bereits genug mit Hayek debattiert, 55
Keynes, The General Theory, S. 21. John Maynard Keynes, The General Theory and After, Teil 2: Defence and Development, in The Collected Writings of John Maynard Keynes, Bd. 14 (London: Macmillan, 1973), S. 24 und 486. Dort bezieht sich Keynes auf “recent figures like Hayek, whom I should call ‘neoclassicals’” (S. 24) and to “the neo-classical school of Professor Hayek and his followers” (p. 486) 56
um Hayeks Hauptargument zu identifizieren: dass eine Kreditausweitung zu einer temporären, nicht aufrecht zu erhaltenen Trennung zwischen den Investitionen der Unternehmer und der realen freiwilligen Ersparnisse der Gesellschaft führt. Wenn Hayek´s These korrekt ist, bedeutet sie einen tödlichen Schlag für Keynes Theorie. Mithin war es von großer Wichtigkeit für Keynes, Hayeks Argument zu entkräften. Nichtsdestoweniger war Keynes Argumentation zum Thema des Bankkredits zu verwirrt und fehlerhaft, um Hayeks Theorie zu widerlegen. Wir wollen Keynes Argumente eines nach dem anderen untersuchen. Erstens behauptet Keynes, dass der Bankkredit überhaupt keinen expansiven Effekt auf die aggregierten Investitionen hat. Er basiert seine Behauptung auf das absurde buchhalterische Argument, dass sich die korrespondierenden Gläubiger- und Schuldnerpositionen gegenseitig aufheben: We have, indeed, to adjust for the creation and discharge of debts (including changes in the quantity of credit or money); but since for the community as a whole the increase or decrease of the aggregate creditor position is always exactly equal to the increase or decrease of the aggregate debtor position, this complication also cancels out when we are dealing with aggregate investment57. Nichtsdestoweniger kann eine solche Aussage nicht den starken, verzerrenden Einfluss verdecken, welche die Kreditausweitung auf die Investitionen ausübt. Es ist in der Tat richtig, dass eine Person, welche ein Darlehen von einer Bank empfängt, ein Schuldner der Bank in Höhe des Darlehens ist und ein Gläubiger in Höhe der Einlage. Jedoch ist wie B.M. Anderson aufzeigt, die Schuld des Darlehensnehmers bei der Bank nicht Geld. Der Kredit wird jedoch seinem Kontokorrentkonto gut geschrieben, welches eindeutig Geld ist (oder präziser gesagt ein perfektes Geldsubstitut). Sobald der Darlehensnehmer sich dazu entschließt, die geliehenen Gelder in Kapitalgüter und in Leistungen der Produktionsfaktoren zu investieren, benutzt er das Geld (ex nihilo durch die Bank geschaffen) um die Investitionen zu steigern, wobei dem kein korrespondierender Anstieg der freiwilligen Ersparnisse gegenübersteht. Er tut dies ohne die Höhe seiner Schuld mit der Bank zu ändern58. Zweitens bringt Keynes, als er die große Schwäche seinen „Buchhaltungsarguments“ erkennt, ein noch groteskeres Argument vor. Er behauptet, dass die neu von der Bank geschaffenen und ihren Kunden geliehenen Gelder nicht zur Finanzierung von Investitionen über dem Level der freiwilligen Ersparnisse verwendet werden, weil das neu geschaffene Geld, welches die Kreditnehmer erhalten, auch zum Erwerb von Konsumgüter gebraucht werden könnte. In 57 58
Keynes, The General Theory, S. 75; Hervorhebung hinzugefügt. Anderson, Economics and the Public Welfare, S. 391.
dem Ausmaß, in dem das neue Geld nicht zum Kauf von Konsumgütern und Leistungen genutzt wird, folgert Keynes, wird es impliziert „gespart“ und wenn es investiert wird, entspricht seine Summe daher exakt den „echten, vorangehenden“ Ersparnissen. Auf die folgende Art bringt Keynes selbst dieses Argument vor: [T]he savings which result from this decision are just as genuine as any other savings. No one can be compelled to own the additional money corresponding to the new bank-credit, unless he deliberately prefers to hold more money rather than some other form of wealth59. Hier beruft sich Keynes eindeutig auf die ex post facto Gleichwertigkeit von Ersparnissen und Investitionen um die schädigenden Effekte, welche die Kreditausweitung auf die Investitionen und die Produktionsstruktur ausübt, abzustreiten60. Nichtsdestoweniger erfordert alles Sparen Disziplin und Verzicht auf den vorangehenden Verzehr von Konsumgütern und Leistungen und nicht bloß die Entsagung des potentiellen Konsums, welche die ex nihilo neu geschaffenen Geldeinheiten bieten. Andernfalls wäre jeder Anstieg der Geldmenge durch Kreditausweitung gleichbedeutend mit einem „Anstieg der Ersparnisse“, was reiner Unsinn ist61. Selbst wenn wir um des Arguments willen annehmen, dass die gesamten mit den neuen Krediten finanzierten Investitionen unmittelbar und simultan „gespart“ werden, sind wir immer noch mit einem weiteren Problem konfrontiert. Sobald das neue Geld seine Endbesitzer erreicht hat (Arbeiter und Eigentümer von Kapitalgütern und ursprünglichen Produktionsmitteln), wird sich, wenn sich die Leuten entschließen, das gesamte oder einen Teil dieses Geldes für Konsumgüter und Leistungen zu verausgaben, die Produktionsstruktur als zu kapitalintensiv erweisen und die Rezession wird zuschlagen. Bei all seiner Spitzfindigkeit kann Keynes nicht die offensichtliche Tatsache leugnen, dass die künstliche Kreditausweitung nicht garantiert, dass die Wirtschaftssubjekte dazu gezwungen sind, zu 59
Keynes, The General Theory, S. 83. Benjamin Anderson folgert in Hinblick auf Keynes Theorie, dass die Kreditausweitung nicht zu einer Fehlabstimmung von Investitionen und freiwilligen Ersparnissen kommt, weil das neu investierte Geld auch für Konsumgüter und Leistungen hätte verwendet werden können und daher zunächst „gespart“ werden muss: One must here protest against the dangerous identification of bank expansion with savings, which is part of the Keynesian doctrine. . . . This doctrine is particularly dangerous today, when we find our vast increase in money and bank deposits growing out of war finance described as “savings,” just because somebody happens to hold them at a given moment of time. On this doctrine, the greater the inflation, the greater the savings! (Anderson, Economics and the Public Welfare, S. 391–92) 61 George Selgin basiert im Wesentlichen seine Doktrin des monetären Gleichgewichts auf diesem zweiten Argument von Keynes, ohne ihn spezifisch zu zitieren. Wir werden Selgins Lehre im nächste Kapitel kritisch untersuchen. Es ist paradox, dass Selgin, ein Ökonom mit Österreichischen Hintergrund, in die Keynesianische Falle laufen sollte, bei dem Versuch zu beweisen, dass die Kreditausweitung in einem Bankfreiheitssystem für das Wirtschaftssystem harmlos wäre. Vielleicht liefert diese Tatsache den klarsten Beweis dafür, dass die alte Banking School heute in Ökonomen, die wie Selgin das teilgedeckte Bankfreiheitssystem verteidigen, wieder auferstanden ist. Vgl. George A. Selgin, The Theory of Free Banking: Money Supply under Competitive Note Issue (Totowa, N.J.: Rowman and Littlefiled, 1988), vor allem S. 54-55. 60
sparen und mehr zu investieren als sie es normalerweise täten62. Weiterhin ist es paradox, dass Keynes darauf insistieren sollte, dass freiwillige Ersparnisse nicht mehr Investitionen garantieren und gleichzeitig behaupten, dass alle Investitionen vorheriges Sparen implizieren. Wenn wir zugeben, dass die Wirtschaftssubjekte, welche sparen und jene, welche investieren, unterschiedlich sind, und dass eine fehlende Abstimmung in ihren Entscheidungen ein Gleichgewicht verhindern kann, dann müssen wir zugegeben, dass eine solche Fehlabstimmung nicht nur auf der Seite der freiwilligen Ersparnisse (mehr freiwillige Ersparnisse ohne zusätzliche Investitionen) bestehen kann, sondern auch auf der Investitionsseite (mehr Investitionen ohne vorangehendes Sparen). Im ersten Falle kommt es zu einem Anstieg der Geldnachfrage. Wie wir im letzten Kapital sahen, ruft ein solcher Anstieg verschiedene überlappende Effekte hervor: sowohl die Effekte, welche allen freiwilligen Ersparnissen charakteristisch sind (Veränderungen in der relativen Preisstruktur, welche zu einer Verlängerung des Investitionsprozesses führen) als auch jene, die auf einen Anstieg der Kaufkraft des Geldes zurückzuführen sind63. Im zweiten Falle (mehr Investitionen ohne vorangehendes Sparen) wird eine künstlich lange Produktionsstruktur geschaffen. Dies kann nicht unbegrenzt aufrecht erhalten werden, da die Wirtschaftssubjekte nicht bereit sind, ausreichend zu sparen. Dies erklärt zudem den Ausbruch von Krisen und Rezessionen, welche auf Perioden der Kreditausweitung folgen. In seinem Versuch die Österreichische Hypothese der abträglichen Effekte der Kreditausweitung zu widerlegen, offeriert Keynes ein drittes und letztes Argument. Er
62
In anderen Worten übersieht Keynes, obgleich ex post facto alle investierten Ressourcen gespart worden sind (I=S), die Tatsache, dass mikroökonomisch gesprochen die ersparten Ressourcen entweder umsichtig oder töricht investiert werden können. Tatsächlich führt die Kreditausweitung die Unternehmer mit Blick auf die wahre freiwillige Sparrate in die Irre. So werden die mageren Ersparnisse der Gesellschaft auf unkluge Weise in Prozessen investiert, welche exzessiv kapitalintensiv sind und nicht beendet oder erhalten werden können. Als eine Folge wird die Gesellschaft ärmer. (Vgl. S. 375-84??hängt von Übersetzung ab?? von Kapitel 5) 63 Jacques Rueff hat darauf hingewiesen, dass in einer Wirtschaft mit einem reinen Goldstandard ein Anstieg der Nachfrage nach Geld (bzw. „Horten“) nicht zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt. In der Tat wird im Einklang mit dem Preissystem ein größerer Anteil der gesellschaftlichen Produktivkräfte (Arbeit, Kapitalausrüstung, und ursprüngliche Produktionsmittel) in den Abbau, die Produktion und die Verteilung von zusätzlichen Geldeinheiten (Gold) geleitet. Dies ist die natürliche, spontane Reaktion des Marktes auf die neuen Wünsche der Wirtschaftssubjekte nach höherer Kassenhaltung. Es ist daher nicht notwendig ein öffentliches Arbeitsbeschaffungsprogramm zu initiieren (auch nicht, wenn - wie Keynes es ironisch bemerkt - es lediglich in dem Ausheben von Gräben besteht, um diese dann wieder zu zuschütten), weil die Gesellschaft spontan die Produktivkräfte benutzen wird, um tiefere Minen zu graben und Gold zu schürfen. Dadurch werden die Wünsche der Konsumenten und Wirtschaftssubjekte nach höherer Kassenhaltung effektiver befriedigt. Mithin kann eine höhere „Liquiditätsnachfrage“ unmöglich einen permanenten Zustand des Gleichgewichts kombiniert mit Unterbeschäftigung erzeugen. Eine Kombination von Gleichgewicht und Arbeitslosigkeit kann nur aus einem rigiden Arbeitsmarkt resultieren, in dem die Zwangsmaßnahmen des Staates, der Gewerkschaften oder beider zusammen die Flexibilität der Löhne sowie andere Bedingungen der Arbeitsverträge und des Arbeitsmarktes behindern. Vgl. Jacques Rueff´s Artikel „The Fallacies of Lord Keynes´General Theory,“ veröffentlicht in The Critics of Keynesian Economics, Henry Hazlitt, Hrsg. (New York: Arlington House, 1977), S. 239-63, vor allem S. 244.
behauptet, dass die Kreditausweitung letztlich genutzt werden kann, um einen Anstieg der Investitionen zu finanzieren, welcher zu einem Einkommensanstieg führen und damit endlich die Ersparnisse ankurbeln würde. Mithin glaubt Keynes, dass die Unternehmer unmöglich geliehene Gelder in einem schnelleren Rhythmus investieren können als die Öffentlichkeit sich entschließt, ihre Ersparnisse zu erhöhen. In Keynes eigenen Worten: The notion that the creation of credit by the banking system allows investment to take place to which “no genuine saving” corresponds can only be the result of isolating one of the consequences of the increased bank-credit to the exclusion of the others. If the grant of a bank credit to an entrepreneur additional to the credits already existing allows him to make an addition to current investment which would not have occurred otherwise, incomes will necessarily be increased and at a rate which will normally exceed the rate of increased investment. Moreover, except in conditions of full employment, there will be an increase of real income as well as of money-income. The public will exercise a “free choice” as to the proportion in which they divide their increase of income between saving and spending; and it is impossible that the intention of the entrepreneur who has borrowed in order to increase investment can become effective . . . at a faster rate than the public decide to increase their savings64.
Keynes sagt eindeutig, dass es unmöglich ist, dass die Investitionsrate die Sparrate übersteigt. Seine Behauptung wird durch seinen tautologischen Glauben konditioniert, dass Investitionen und Ersparnisse immer gleich sind. Diese Konzeption hält ihn davon ab, die verzerrenden Effekte zu würdigen, welche Darlehen, finanziert durch neu geschaffenes Geld, auf die Produktionsstruktur ausüben. Nichtsdestoweniger können wir uns, wenn ein Investitionsanstieg hypothetisch zu einem realen Einkommensanstieg führt, immer noch fragen, ob ein derartiger Einkommensanstieg ein ausreichendes Ersparniswachstum stimulieren würden, um die neuen zunächst durch die Kreditausweitung finanzierten Investitionen aufrecht zu erhalten. Wir müssen daran erinnern, dass Hayek gezeigt hat, dass es praktisch unmöglich ist, dass der Einkommensanstieg, welcher auf die durch die neue Kreditausweitung finanzierten Investitionen zurückzuführen ist, genügend freiwillige Ersparnisse provoziert, um die zunächst unternommenen Investitionen aufrecht zu erhalten. Falls eine derartige Investition 64
Keynes, The General Theory, S. 82-83; Hervorhebung hinzugefügt.
durch einen nachfolgenden Anstieg der freiwilligen Ersparnisse erhalten werden soll, werden in der Tat die Wirtschaftssubjekte letztlich uneingeschränkt das gesamte aus der neuen Investition resultierende Geldeinkommen sparen müssen. In anderen Worten werden die Konsumenten, wenn der in Graphik V-6 beschattete Anteil des Bruttoeinkommens ihre Taschen erreicht, diesen gänzlich sparen müssen. (Der beschattete Teil reflektiert die künstliche Verlängerung und Verbreiterung der Produktionsstruktur, welche durch die aus dem Nichts von den Banken geschaffenen neuen Darlehen möglich wurden.) Offensichtlich werden die Konsumenten niemals die Gesamtheit eines derartigen Einkommen sparen, da sie zumindest einen Teil (und für gewöhnlich den größten Teil) des neuen monetären, von den Banken geschaffenen Einkommens für Konsumgüter und Leistungen verausgaben werden. In Übereinstimmung mit der in den beiden letzten Kapitel detailliert dargelegten Theorie, wird diesey Ausgabeverhalten notwendigerweise die neuen Investitionsprozesse monetären Ursprungs umkehren und Krise und Rezession werden ausbrechen. In Hayek´s eigenen Worten: S]o long as any part of the additional income thus created is spent on consumers’ goods (i.e. unless all of it is saved), the prices of consumers’ goods must rise permanently in relation to those of various kinds of input. And this, as will by now be evident, cannot be lastingly without effect on the relative prices of the various kinds of input and on the methods of production that will appear profitable. An einer anderen Stelle in demselben Werk folgert Hayek: Um unsere Analyse anwendbar zu machen, ist nichts weiter nötig, als daß dann, wenn die Einkommen sich infolge von Investitionen erhöhen, der während einer beliebigen Zeitspanne auf Konsumgüter verwendete Teil des zusätzlichen Einkommens größer sein müßte als der Bruchteil, um den in derselben Zeitspanne die Neuinvestitionen den Ausstoß an Konsumgütern erhöht. Und es gibt natürlich keinen Grund, zu erwarten, daß mehr als ein Bruchteil des neuen Einkommens (und sicherlich nicht so viel, wie neu investiert wurde) gespart werden wird; denn das würde heißen, daß praktisch das gesamte aus der Neuinvestition bezogene Einkommen gespart werden müßte. 65.
65
Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 337 und 350-51. In der Fußnote auf S. 351 betont Hayek diese These noch vehementer, wenn er schreibt: [W]esentlich ist . . ., daß wir immer das in konkreten Gütern verkörperte Ergebnis der Investition mit den Geldausgaben für diese Güter vergleichen müssen. Niemals bestimmt diejenige Investition, die gleichzeitig mit dem Sparen stattfindet, sondern immer das Ergebnis vergangener Investitionen das Angebot an Kapitalgütern, dem die monetäre Nachfrage entsprechen mag oder auch nicht.
DIE KEYNESIANISCHE ANALYSE ALS EINE SPEZIFISCHE THEORIE Die Österreichischen Ökonomen im Allgemeinen und Mises im Besonderen zeigten bereits 1928, dass im spezifischen Falle von allgemein brachliegenden Ressourcen und verbreiteter Arbeitslosigkeit die Unternehmer damit fortfahren können, die Produktionsstruktur mittels neuer Darlehen zu verlängern ohne die bekannten Umkehreffekte zu provozieren, bis zu dem Moment, in dem die komplementären Faktoren im Produktionsprozess knapp werden66. Diese Tatsache zeigt mindestens, dass Keynes sogenannte allgemeine Theorie bestenfalls eine spezifische Theorie ist, welche nur dann anwendbar ist, wenn sich die Volkswirtschaft in der tiefsten Phase einer Depression befindet, bei der allgemein brachliegende Kapazitäten in allen Sektoren gibt67. Wie wir jedoch im letzten Kapitel gesehen haben, wird die Kreditausweitung sogar unter diesen Bedingungen eine verbreitete Fehlinvestition von Ressourcen verursachen. Diese Fehlinvestitionen werden sich zu den vorherigen Fehlern addieren, welche wegen der institutionellen Rigidität des Arbeitsmarktes und anderer Produktivkräfte noch nicht beseitigt wurden. Wenn die Inhaber der Arbeitsplätze, welche in diesen Phasen der akuten Depressionen geschaffen wurden, beginnen ihre Löhne für Konsumgüter und Leistungen in einem schnelleren Rhythmus auszugeben, als dass Konsumgüter am Markt eintreffen (wegen der relativen Knappheit einiger Faktoren oder wegen Engpässen hinsichtlich von komplementären Faktoren oder Produktivkräften), werden die bekannten mikroökonomischen Prozesse ausgelöst, welche dazu tendieren, die anfänglichen expansiven Effekte der neuen Bankkredite umzukehren. Unter derartigen Bedingungen wird es nur möglich sein, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wenn die Reallöhne fallen; ein Phänomen, welches wir beobachten, wenn die Preise der Konsumgüter und Leistungen beginnen, schneller als die Löhne zu steigen68.
66
Mises, Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik, S 125. Für Roger Garrison ist die echte allgemeine Theorie die der Östereicher und die „Keynesian theory [wir würden hinzufügen: auch die monetaristische Theorie] becomes a special case of Austrian theory.“ Vgl. Garrison, Time and Money, S. 250. 68 Es ist interessant sich zu vergegenwärtigen, wie Keynes „unfreiwillige“ Arbeitslosigkeit definiert: Men are involuntarily unemployed if, in the event of a small rise in the price of wage-goods relatively to the money-wage, both the aggregate supply of labour willing to work for the current money-wage and the aggregate demand for it at that wage would be greater than the existing volume of employment. (Keynes, The General Theory, S. 15; Hervorhebung entfernt) Mit dieser undurchsichtigen Definition meint Keynes einfach, dass „unfreiwillige“ Arbeitslosigkeit vorliegt, wenn ein Rückgang der relativen Löhne zu einem Anstieg der Beschäftigung führt. Es gibt jedoch zwei Wege zu einer relativen Lohnverringerung: Entweder kann ein Arbeiter niedrigere Nominallöhne akzeptieren, oder er kann sich dazu bereit finden, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem die Nominallöhne unverändert bleiben aber die Konsumgüterpreise steigen. Der letztere ist der indirekte Weg. In keinem der Fälle ist die Arbeitslosigkeit unfreiwillig: die Arbeitslosigkeit ist vollkommen freiwillig in beiden Fällen. Im ersteren bleibt 67
DIE SOGENANNTE GRENZLEISTUNGSFÄHIGKEIT DES KAPITALS Einen weiteren Hinweis dafür, dass Keynes Theorie eher eine spezifische denn eine allgemeine ist, finden wir in seiner Definition der „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“, welche er ausdrückt als that rate of discount which would make the present value of the series of annuities given by the returns expected from the capital-asset during its life just equal to its supply price69. Der bedeutendste Fehler den Keynes macht, ist die Ansicht, dass die Investitionen durch die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“, wie oben definiert, bestimmt werden. Dabei sieht er den Angebotspreis des Kapitalguts als gegeben, als einen unveränderlichen, konstanten Betrag an, sogar wenn die erwarteten Unternehmergewinne sich ändern. In der Tat glaubt Keynes, wobei er sich der klassischen „objektivistischen“ von Marshall kommenden Tradition verschreibt, dass der Angebotspreis der Kapitalgüter nicht schwankt, wenn die Gewinnerwartungen der Unternehmer sich verbessern oder verschlechtern. Dieser Glaube basiert auf der impliziten Vorstellung, dass diese Preise letztlich durch die historischen Produktionskosten der Kapitalgüter determiniert sind. Damit hält Keynes an einem Rest der alten objektiven Wertlehre fest, nach welcher der Wert durch die Kosten bestimmt ist. Diese ein Arbeiter arbeitslos, weil er sich freiwillig entschließt, nicht für einen niedrigeren Nominallohn zu arbeiten. Im zweiten Falle ist er nur bereit zu arbeiten, wenn er sich selbst getäuscht hat; denn sein Reallohn fällt, obgleich sein Nominallohn der gleiche bleibt. (In anderen Worten ist er im zweiten Falle bereit in einem Umfeld zu arbeiten, in dem die Preise der Konsumgüter und Leistungen schneller steigen als die Löhne.) In der Tat laufen die meisten von Keynes wirtschaftspolitischen Rezepten auf den Versuch hinaus, die Arbeitslosigkeit durch eine Senkung der Reallöhne zu verringern, über den indirekten Weg höherer Inflation und damit höherer Konsumgüterpreise bei konstant bleibenden Nominallöhnen. Dieses Heilmittel hat versagt, nicht nur, weil die Arbeiter nicht mehr länger durch die Geldillusion an der Nase herum geführt werden können und Nominallohnerhöhungen fordern, sondern auch weil die vorgeschlagene „Medizin“, abgesehen davon, dass sie ineffektiv ist, die enormen sozialen Kosten der Wirtschaftskrisen und Rezessionen mit sich bringt, welche von der Kreditausweitung provoziert werden. Weiterhin müssen wir realisieren, dass in einem großen Ausmaß Keynes eigene Rezepte, welche in der Ankurbelung der effektiven Nachfrage durch fiskal- und geldpolitische Mittel bestehen, die Hauptschuldigen dafür sind, dass sie Arbeitsmärkte starr bleiben und sogar allmählich noch rigider werden; denn die Wirtschaftssubjekte, genauer Arbeiter und Gewerkschaften, sind zum Glauben gelangt, dass die Anpassungen der Reallöhne immer in der Form von Steigerungen des allgemeinen Preisniveau stattfinden müssen. Daher ist die keynesianische Doktrin statt eines „Heilmittels“ für die Krankheit zu einem verschärfenden Faktor geworden, der die Krankheit verschlimmert. Es wird eine lange Zeit und eine große Anstrengung für die Wirtschaftssubjekte brauchen, um sich wieder daran zu gewöhnen, in einem stabilen Umfeld zu leben, in dem das Preissystem wieder ohne die Inflexibilität operieren kann, welche es heute behindert. Zu diesem Thema vgl. Hans-Hermann Hoppe´s Artikel „Theory of Employment, Money, Interest and the Capitalist Process: The Misesian Case Against Keynes,“ Kapitel 5 in The Economics of Ethics and Private Property (London: Kluwer Academic Publishers, 1993), S. 111-38, vor allem S. 124-26. In ähnlicher Weise auf den Bankensektor gemünzt hat Jörg Guido Hülsmann geschrieben, t]he public no longer perceives business cycles and break-down of the entire banking system as upshots of the fractional-reserve principle run amok under the protection of the law, but as a “macroeconomic” problem requiring action by the central bank managers. Vgl. seinen Aufsatz, “Has Fractional-Reserve Banking Really Passed the Market Test?” S. 416 69 Keynes, The General Theory, S. 135.
Lehre, eindeutig im Vergleich mit der österreichischen subjektivistischen Konzeption im Niedergang begriffen, wurde teilweise durch Marshall wiederbelebt, zumindest hinsichtlich der Angebotsseite der Preisbildung70. Hayek hat überzeugend gezeigt, dass die gesamte keynesianische Lehre der „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“ als der bestimmende Faktor für die Investitionen nur gültig ist, wenn es überhaupt keinen Mangel an Kapitalgütern gibt und diese daher in jeder Menge zu einem konstanten, gegebenen Preise erworben werden könnten. Dies wäre indes nur in einer mystischen Volkswirtschaft, in der es niemals zu Knappheit kommt, vorstellbar oder in einer hypothetischen Volkswirtschaft in der tiefsten Phase einer außerordentlich schweren Depression, in der daher enorme Überkapazitäten bestünden. Im wirklichen Leben werden zumindest einige der Komplementärgüter, die notwendig sind ein Kapitalgut zu produzieren, ab einem gewissen Punkt immer relativ knapp werden und die Unternehmer werden unter Beibehaltung ihrer Gewinnerwartungen den Betrag erhöhen, den sie bereit sind, für die fraglichen Güter zu bezahlen, bis die Grenzfähigkeit oder Grenzproduktivität des Kapitals dem Zinssatz gleich wird. In anderen Worten wird, wie Hayek zeigt, der Wettbewerb unter den Unternehmern letztlich dazu führen, dass sie die Kosten bzw. die Angebotspreise der Kapitalgüter nach oben treiben bis zu dem Punk treiben, an dem sie genau mit dem abgezinsten Wertgrenzprodukt (dem mit dem Zinssatz diskontierten Wert der Grenzproduktivität) des jeweiligen Ausrüstungsguts übereinstimmen. Daher wird die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapital“ immer dazu tendieren mit dem Zinssatz übereinzustimmen71. Dies ist gerade der Kern der Österreichischen Theorie des Einflusses des Zinssatzes auf die Produktionsstruktur; eine Theorie, die wir in Kapitel 5 behandelt haben. In der Tat wissen wir, dass der Zinssatz der Preis der Gegenwartsgüter ausgedrückt in Zukunftsgütern ist, und dass eine Tendenz besteht, dass er sich in der gesamten Produktionsstruktur als das Buchgewinndifferential manifestiert, welches zwischen den verschiedenen Stufen im Produktionsprozess entsteht. Um es anders auszudrücken, äußert sich der Zinssatz als die Differenz zwischen Einnahmen und Kosten auf jeder Stufe, und es 70
Herr Keynes... ist vermutlich... unter dem Einfluß der Lehre von den „Realkosten“, die bis heute in der Cambridger Tradition eine so große Rolle spielt, [und so] annimmt, die Preise aller Güter mit Ausnahme der dauerhaften seien selbst kurzfristig durch die Kosten bestimmt. (Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 334, Fn 5) 71
Unternehmer werden weiterhin die Preise der verschiedenen Arten von Einsätzen tendenziell bis zum diskontierten Wert ihrer jeweiligen Grenzprodukte hinauf treiben, und wenn der Satz, zu dem sie Geld borgen können, unverändert bleibt, ist die einzige Art, wie diese Gleichheit von Einsatzpreis und diskontiertem Wert von dessen Grenzprodukt wiederhergestellt werden kann, offensichtlich die Verringerung dieses Grenzproduts. (Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 341)
besteht immer eine unerbittliche Tendenz dahingehend, dass sich die Gewinne in jeder Stufe dem Zinssatz anpassen (d.h. dass sich die Produktionskosten auf jeder Stufe dem Gegenwartswert der Grenzproduktivität der Stufe angleichen). KEYNES´ KRITIK AN MISES UND HAYEK Angesichts der obigen Überlegungen ist die deutliche Kritik, die Keynes gegen Mises und Hayek auf den Seiten 192 und 193 seines Werks The General Theory vorträgt, absurd. Keynes beschuldigt Mises und Hayek den Zinssatz mit der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals zu verwechseln. Wie wir wissen glauben die Österreicher, dass der Zinssatz unabhängig bestimmt wird und zwar durch die Werteskalen der Zeitpräferenz (dem Angebot und der Nachfrage von Gegenwartsgütern im Tausch für Zukunftsgüter), und dass die Grenzproduktivität bzw. Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals lediglich den Gegenwartswert der Kapitalgüter beeinflusst. Im Markt ist der Preis (Kosten) des Kapitalguts tendenziell gleich dem Wert (diskontiert mit dem Zinssatz) seiner von ihm generierten künftigen Zahlungsströme, bzw. der Reihe der Werte, welche mit der Grenzproduktivität des Kapitalguts korrespondieren. Die Österreicher gehen daher davon aus, dass eine Tendenz besteht, dass die Grenzproduktivität des Kapitals dem Zinssatz folgt und nicht umgekehrt, und dass nur im Gleichgewicht (welches im wirklichen Leben niemals erreicht wird) die beiden gleich werden. Auf diese Art läuft es im wirklichen Leben ab. Die Österreicher haben diese Tatsachen in ihrer Analyse berücksichtigt. Wenn daher Keynes kühn behauptet, dass die Österreicher den Zinssatz mit dem Zinssatz „verwechseln“ verdreht er auf skandalöse Weise die Tatsachen72.
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Unter anderem stimmt uns hier Dennis H. Robertson zu. Als er The General Theory kritisch analysierte, schrieb Robertson das folgende direkt an Keynes: I don’t think these pages (192–93) are at all a fair account of Hayek’s own exposition. In his own queer language he is saying that the fall in the rate of interest will so much increase the demand price for machines (in spite of the fall in the price of their products) as to make it profitable to produce more machines. (Vgl. den Brief von Dennis H. Robertson an John Maynard Keynes datiert mit dem 3. Februar, 1935 und veröffentlicht auf den S. 496ff. des Bands 13 der The Collected Writings of John Maynard Keynes. Der obige Ausschnit erscheint auf Seite 504. In seiner Korrespondenz mit Robertson (20. Februar 1935) gab Keynes sogar zu, dass er in dem oben erwähnten Absatz von The General Theory Hayek´s Worten falsch interpretierte: Thanks for the reference to Hayek which I will study. I do no doubt that Hayek says somewhere the opposite to chat I am here attributing to him. (Ebenda, S. 519).
DIE KRITIK DES KEYNESIANISCHEN MULTIPLIKATORS Keynes unterlaufen derartige Fehler, weil er nicht über eine Kapitaltheorie verfügt, die ihm helfen könnte zu verstehen, wie Ersparnisse mittels einer Reihe mikroökonomische Prozesse, welche er gänzlich übersieht, in Investitionen umgewandelt werden. Daher ist es nicht überraschend, dass Keynes ganz einfach unfähig ist, die Hayeksche Argumentation zu verstehen, und dass er, wenn er sich auf die ökonomischen Denkrichtungen bezieht, die wie die Österreichische Schule die Wirkungen der Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur analysieren, folgert: „I can make no sense at all of these schools of thought 73.“ Das Nichtvorhandensein einer angemessenen Kapitaltheorie bei Keynes erklärt auch seine Entwicklung einer mechanistischen Konzeption des Investitionsmultiplikators, welchen er als den Kehrwert von 1 minus der marginalen Konsumneigung definiert. Je größer die marginale Konsumneigung desto stärker kurbelt ein Investitionsanstieg das Volkseinkommen an. Indes beruft sich der Investitionsmultiplikator auf ein rein mathematisches Argument, welches der grundlegenden Logik der Kapitaltheorie widerspricht. In der Tat zeigt der Multiplikator, dass ein Anstieg der Kreditausweitung ein reales Wachstum des Volkseinkommens in Höhe des Kehrwerts der marginalen Sparneigung (1 minus marginale Konsumneigung) multipliziert mit Kreditausweitung verursacht. Mithin steigt das Realeinkommen nach keynesianischer Logik desto stärker an, je weniger die Menschen sparen. Nichtsdestoweniger wissen wir, dass der mathematische Automatismus, der dem Multiplikatorkonzept zugrunde liegt, in keiner Beziehung zu den realen Prozessen steht, die in der Produktionsstruktur wirken. Die Kreditausweitung wird Investitionen stimulieren, welche die Produktionsfaktorpreise nach Nichtsdestweniger fehlte es Keynes an ausreichend intellektueller Ehrlichkeit, um das Manuskript vor seiner definitiven Veröffentlichung im Jahre 1936 zu korrigieren. Auch Ludwig M. Lachmann kommentiert die Kritik, welche Keynes an Mises und Hayek auf den Seiten 192 und 193 von The General Theory richtet, in denen Keynes folgert, dass „Professor von Mises and his disciples have got their conclusions exactly the wrong way round.“ Lachmann antwortet: In reality, however, the Austrians were merely following Wicksell in drawing a distinction between the “natural rate of interest” and the money rate, and Keynes’ own distinction between marginal efficiency of capital and the latter is exactly parallel to it. The charge of simple confusion of terms is groundless. (Ludwig M. Lachmann, “John Maynard Keynes: A View from an Austrian Window,” South African Journal of Economics 51, Nr. 3 (1983): 368–79, vor allem S. 370–71) 73
Keynes, The General Theory, S. 329. Monetaristische Autoren wie Hawtrey, Friedman, und Meltzer haben das gleiche explizite Geständnis abgelegt.
oben treiben und einen nachfolgenden, überproportionalen Anstieg der Preise der Konsumgüter und Leistungen erzeugen werden. Sogar für den Fall, dass das nominale Bruttoeinkommen als Folge der Injektion von neuem, durch das Bankensystem geschaffene, Geld steigt, ist der Multiplikator wegen seiner mechanischen und makroökonomischen Natur ungeeignet, die zerstörerischen mikroökonomischen Effekte, welche die Kreditausweitung immer auf die Produktionsstruktur ausübt, abzubilden. Folglich verbirgt der Multiplikator die verbreitete Fehlinvestition von Ressourcen, welche auf lange Sicht die Gesellschaft als ganzes ärmer macht (anstatt sie reicher zu machen, wie Keynes es behauptet). Wie stimmen Gottfried Haberler zu, wenn er folgert, dass der Multiplikator turns out to be not an empirical statement which tells us something about the real world, but a purely analytical statement about the consistent use of an arbitrarily chosen terminology—a statement which does not explain anything about reality. . . . Mr. Keynes’ central theoretical idea about the relationships between the propensity to consume and the multiplier, which is destined to give shape and strength to those observations, turns out to be not an empirical statement which tells us something interesting about the real world, but a barren algebraic relation which no appeal to facts can either confirm or disprove74. Hayek wirft in seiner detaillierten Kritik der beiden Bände von Keynes A Treatise on Money (1930) diesem vor, dass er gänzlich die Kapital- und Zinstheorie, vor allem die Werke von Böhm-Bawerk und anderer Theoretiker der Österreichischen Schule auf diesem Gebiete, außer acht lässt75. Nach Hayek ist das Nichtvorhandensein dieses Wissens dafür
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Gottfried Haberler, „Mr. Keynes?´Theory of the ´Multiplier´: A Methodological Criticism,“ zuerst veröffentlicht in Zeitschrift für Nationalökonomie 7 (1936): 299-305, und erneut veröffentlich als Kapitel 23 des Buches Selected Essays of Gottfried Haberler, Anthony Y. Koo, Hrsg. (Cambridge, Mass.: The MIT Press, 1985), S. 553-60, und vor allem S. 558-59. Interessanterweise war Hawtrey, ein Monetarist, ein Vorläufer von Keynes bei der Entwicklung der Multiplikatortheorie. Vgl. Robert B. Dimand´s Darstellung in „Hawtrey and the Multiplier,“ History of Political Economy 29, Nr. 3 (Herbst 1997): 549-56. 75
Hayek verfasste drei Artikel, in denen er die Geldtheorien von Keynes in dessen Buch, A Treatise on Money, kritisiert. Diese Artikel sind: “Reflections on The Pure Theory of Money of Mr. J. M. Keynes (1),” veröffentlicht in Economica 11, Nr. 33 (August 1931): 270– 95; “A Rejoinder to Mr. Keynes,” S. 398–403; und schließlich, “Reflections on The Pure Theory of Money of Mr. J.M. Keynes (continued) (2),” ebenfalls veröffentlicht in Economica 12, Nr. 35 (Februar 1932): 22–44. Diese Artikel und Keynes Antworten erscheinen in Friedrich A. Hayek: Critical Assessments, John Cunningham Wood und Ronald N. Woods, Hrsg. (London: Routledge, 1991), S. 1–86 und auch in The Collected Works of F.A. Hayek, vol. 9: Contra Keynes and Cambridge: Essays, Correspondence (London: Routledge, 1995). Im ersten dieser Artikel (Wood und Woods, Hrsg, S. 7), folgert Hayek, dass Keynes Hauptproblem methodologischen Ursprungs ist und auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass die makroökonomischen Aggregate, welche die Basis seiner Analyse bilden, ihm die
verantwortlich, dass Keynes die Existenz von verschiedenen Stufen in der Produktionsstruktur übersieht (wie es Clark vor ihm getan hatte und Knight nach ihm tun würde). Zudem ist dieser Mangel dafür verantwortlich, dass es Keynes letztlich nicht gelingt zu realisieren, dass die grundlegende Entscheidung, welche die Unternehmer treffen müssen, nicht ist, ob sie Konsumgüter oder Kapitalgüter investieren, sondern ob sie in Produktionsprozesse investieren, welche in naher Zukunft Konsumgüter erzeugen, oder in solche, die dies erst in einer ferneren Zukunft tun. Mithin umfasste Keynes´Vorstellung der Produktionsstruktur nur zwei Stufen (eine Konsumgüterstufe und eine Kapitalgüterstufe) und seine Unterlassung die zeitliche Dimension letzterer Stufe und die aufeinander folgenden sie ausmachenden Stufen zu berücksichtigen führten ihn in die Falle des „Sparparadoxons“, der von uns in Kapital 5 besprochenen fehlerhaften Argumentation76. Mithin verfügen die Keynesianer nicht über eine Theorie, die erklärt, warum Krisen in einer gehemmten Marktwirtschaft, die an Kreditausweitungen krankt (d.h. eine Marktwirtschaft in der die allgemeinen Rechtsprinzipien verletzt werden), wiederkehren. Die Keynesianer machen für Krisen einfach plötzliche Einbrüche in der Investitionsnachfrage verantwortlich. Diese Einbrüche werden ihrer Ansicht nach durch das irrationale Verhalten von Unternehmern oder durch einen unerwarteten Verlust des Vertrauens und der Zuversicht der Wirtschaftssubjekte ausgelöst. Weiterhin beachten Keynesianer in ihren Analyse nicht, dass Krisen eine endogene Konsequenz gerade der Kreditausweitungsprozesse ist, welche den Aufschwung zunächst auslösten. Anders als ihre makroökonomischen Kollegen, die Monetaristen, glauben die Keynesianer, dass die Wirkungen von expansiver Geldpolitik relativ effektiver und wichtiger sind als die einer expansiven Fiskalpolitik. Sie treten für öffentliche Ausgaben als ein Mittel zur direkten Steigerung der effektiven Nachfrage ein. Sie verstehen nicht, dass eine derartige Politik den Prozess noch erschwert, mit dem sich die Produktionsstruktur anpasst und zudem die Aussichten der konsumfernsten Stufen noch mikroökonomischen Prozesse verbergen, die für das Verständnis von Änderungen in der Produktionsstruktur grundlegend sind. 76 Ist ist wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass John Maynard Keynes selbst ausdrücklich und öffentlich gegenüber Hayek zugab, dass er nicht über eine adäquate Kapitaltheorie verfügte. In Keynes eigenen Worten: Dr. Hayek complains that I do not myself propound any satisfactory theory of capital and interest and that I do not build on any existing theory. He means by this, I take it, the theory of capital accumulation relatively to the rate of consumption and the factors which determine the natural rate of interest. This is quite true; and I agree with Dr. Hayek that a development of this theory would be highly relevant to my treatment of monetary matters and likely to throw light into dark corners. (John Maynard Keynes, “The Pure Theory of Money: A Reply to Dr. Hayek,” Economica 11, Nr. 34 [November 1931]: 394; S. 56 der Wood und Woods Ausgabe)
verschlechtert. Als eine Folge der keynesianischen „Heilmittel“ werden Unternehmer sicherlich noch größere Schwierigkeiten haben, diese Stufen mittels freiwilliger Ersparnisse dauerhaft zu finanzieren. Im Hinblick auf die Annahme, dass die keynesianischen Wirtschaftsmaßnahmen die Langzeitarbeitslosigkeit durch die vollständige Sozialisierung der Investitionen ausmerzen könnten, ist das Österreichische Theorem der Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus vollkommen anwendbar. Dies wird durch die massiven industriellen Fehlinvestitionen illustriert, die sich während der Jahrzehnte der regierungsgelenkten Investitionen in den ehemals sozialistischen Volkswirtschaften Osteuropas angesammelt haben. Kurzfristig kann die Arbeitslosigkeit durch „aktive“ Maßnahmen nur eliminiert werden, wenn sich die Arbeiter und Gewerkschaften durch die monetäre Illusion täuschen lassen und so die Nominallöhne in einer inflationären Atmosphäre steigender Verbraucherpreise konstant lassen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das keynesianische Heilmittel für die Arbeitslosigkeit (die Reallohnreduzierung durch einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus) gescheitert ist: die Arbeiter haben gelernt, Lohnanstiege zu fordern, welche zumindest für den Rückgang der Kaufkraft ihres Geldes kompensieren. Mithin hat die Ausweitung des Kredits und der effektiven Nachfrage, eine von Keynesianern unterstützte Maßnahme, nach und nach aufgehört, eine nützliches Werkzeug zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu sein. Es hat zudem Kosten mit sich gebracht: immer stärkere Verzerrungen der Produktionsstruktur. In der Tat folgte eine tiefe Depressionsphase kombiniert mit hoher Inflation (Stagflation) auf die Krise der späten Siebziger. Die Phase war die empirische Episode, die am meisten zur Entkräftung der keynesianischen Theorien beitrug77.
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Dies ist nicht der geeignete Ort, um eine ausführliche Analyse des restlichen keynesianischen Theoriegebäudes, z.B. der Konzeption des Zinssatzes als strikt monetäres Phänomen, welches durch die Geldmenge und die „Liquiditätspräferenz“ bestimmt wird, durchzuführen. Nichtsdestoweniger wissen wir, dass Angebot von und die Nachfrage nach Geld seinen Preis bzw. seine Kaufkraft bestimmt, und nicht den Zinssatz, wie die Keynesianer behaupten, wobei sie sich ausschließlich auf die Wirkungen konzentrieren, welche die Kreditausweitung unmittelbar auf die kurze Sicht ausübt. (Im Übrigen gerät Keynes mit seiner Liquiditätspräferenztheorie in einen Zirkelschluss, welcher für die funktionelle Analyse der mathematischen Ökonomen typisch ist. In der Tat behauptet er zunächst, dass der Zinssatz durch die Geldnachfrage bzw. Liquiditätspräferenz bestimmt wird, und dann sagt er, dass letztere vom Zinssatz abhängen). Eine weitere bedeutende Unzulänglichkeit der keynesianischen Lehre ist die Annahme, dass die Wirtschaftssubjekte zuerst entscheiden, wie viel sie konsumieren und dann bestimmen, welchen Anteil des gesparten Betrages sie benutzen, um ihre Kassenhaltung zu vergrößern und welchen Anteil sie zur Investition nutzen. Die Wirtschaftssubjekte entscheiden jedoch simultan, welchen Anteil sie den drei Möglichkeiten widmen wollen: Konsum, Investition, und Anstieg der Kassenhaltung. Wenn es daher zu einem Anstieg des Geldbetrags kommt, den die Wirtschaftssubjekte als Kasse
Daher müssen wir Hayeks Aussage zustimmen, dass die Lehren von John Maynard Keynes uns mitnehmen in das vorwissenschaftliche Stadium der Ökonomie. ., als man das gesamte Funktionieren des Preismechanismus noch nicht verstand und nur die Probleme der Einwirkung eines wechselnden Geldstromes auf einen Bestand an Gütern und Leistungen mit gegebenen Preise auf Interesse stießen78. Tatsächlich erleichtern die keynesianischen Rezepte, welche in der Steigerung der effektiven Nachfrage und der Kreditausweitung bestehen, noch nicht einmal die Arbeitslosigkeit. Stattdessen vergrößern diese Rezepte das Problem, weil sie eine mangelhafte Allokation von Arbeitern und Produktionsfaktoren in der gesamten Abfolge der Produktionsstufen verursachen; eine Allokation, welche die Verbraucher langfristig nicht aufrechterhalten wollen79. vorhalten, könnte der zusätzliche Betrag aus dem folgenden resultieren: (a) Gelder, welche zuvor dem Konsum zugewendet waren; (b) Gelder, welche zuvor für Investitionen verwendet wurden; oder (c) eine Kombination von (a) und (b). Offensichtlich fällt im Fall (a) der Zinssatz; im Fall (b) steigt er; und in Fall (c) kann er sogar konstant bleiben. Es existiert somit keine direkt Beziehung zwischen der Liquiditätspräferenz bzw. der Geldnachfrage und dem Zinssatz. Ein Anstieg der Geldnachfrage braucht den Zinssatz nicht zu beeinflussen, wenn die Beziehung zwischen dem für Konsumgüter vorgesehenen und dem für Zukunftsgüter bestimmten Betrag (die Zeitpräferenz) sich nicht ändert. Vgl. Rothbard, Man, Economy, and State, S. 690. Eine Auflistung aller relevanter kritischer Literatur zur keynesianschen Theorie zusammen mit verschiedenen Artikeln zu unterschiedlichen Aspekten der keynesianischen Theorie erscheint in Dissent on Keynes: A Critical Appraisal of Keynesian Economics, Marc Skousen, Hrsg. ( New York und London: Praeger, 1992). Vgl. außerdem die zuvor zitierten Kapitel 7-9 von Garrison´s Time and Money. 78 Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 363. Hayek folgert: Es erstaunt nicht, daß Herr Keynes feststellt, seine Ansichten seien von den Merkantilisten und begabten Amateuren vorweggenommen worden: Von jeher war die Beschäftigung mit Oberflächenphänomenen typisch für die erste Stufe der wissenschaftlichen Behandlung unseres Themas. Beängstigend aber ist es, wenn wir feststellen, daß wir, nachdem wir doch einmal den Prozeß der Entwicklung einer systematischen Erklärung der langfristigen Bestimmungsgründe von Preisen und Produktion durchgemacht haben, diese nunmehr aufgeben sollen, um sie durch die kurzsichtige Weltdeutung des Geschäftsmannes zu ersetzen, der die Würde einer Wissenschaft verliehen wird. Sagt man uns nicht sogar, 'in the long run wew are all dead'. Weshalt die Politik ausschließich von kurzfristigen Erwägungen geleitet sein sollte? Ich fürchte, diese Verfechter des Grundsatzes après nous le déluge werden das, was sie sich eingehandelt haben, früher bekommen, als ihnen lieb ist. (S. 363-64) 79
Hayeks größter Einwand gegenüber der Makroökonomie (sowohl gegen die keynesianische als auch die monetaristische Variante) ist, dass die Makroökonomen mit Makroaggregaten arbeiten und mithin nicht die abträglichen mikroökonomischen Wirkungen der Kreditausweitung berücksichtigen, die – wie wir gesehen haben- zur Fehlinvestition von
KRITIK DES „AKZELERATORPRINZIPS“ Die Theorie der Auswirkung der Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur beruht auf der von uns im Kapital 5 detailliert dargestellten Kapitaltheorie. Nach dieser Theorie ist eine gesunde, nachhaltige „Verlängerung“ der Produktionsstruktur durch einen vorangehenden Ersparnisanstieg bedingt. Mithin müssen wir das sogenannte „Akzeleratorprinzip“, das durch die keynesianische Schule entwickelt wurde, kritisieren. Die Vertreter dieses Prinzips behaupten, dass jeder Anstieg des Konsums zu einem überproportionalen Anstieg der Investitionen führt, was unserer Theorie entgegengesetzt ist. In der Tat erzeugt nach dem Akzeleratorprinzip ein Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen einen überaus starken Anstieg der Kapitalgüternachfrage. Die Argumentation basiert auf der Idee, dass eine feste Beziehung zwischen dem Output von
Ressourcen und letztlich zu Krise und Arbeitslosigkeit führen. Weiterhin, tendieren Keynesianer als Folge der Annahme eines Überangebots aller Faktoren (durch brachliegende Kapazitäten und ungenutzte Ressourcen) dazu, das Preissystem, dessen Funktionieren sie für unwichtig erachten, zu ignorieren. Das Preissystem wird mithin zu einer vagen, unverständlichen Redundanz. In dem Grade, in dem alles durch makroökonomische Funktionen bestimmt wird, wird die traditionelle mikroökonomische Theorie der relativen Preisbestimmung und die Kapital-, Zins- und Verteilungstheorie, welche das Rückgrat der Ökonomie darstellen, nicht mehr verstanden. Unglücklicherweise hat, wie Hayek herausstellt, eine ganze Generation von Ökonomen nichts anderes als keynesianische [und monetaristische] Makroökonomie gelernt („I fear the theory will still give us a lot of trouble: it has left us with a lost generation of economists who have learnt nothing else,“ F.A. Hayek, „The Campaign against Keynesian Inflation,“ in New Studies, S. 221.) Hayek glaubt, dass Keynes wusste, dass er ein schwaches Theoriegebäude entwickelte hatte. Hayek weist darauf hin, dass er, als er Keynes das letzte Mal vor dessen Tod sah, fragte, ob er nicht langsam ob des schlechten Gebrauchs seiner Theorien durch die Mehrheit seiner Schüler beunruhigt wäre: His reply was that these theories had been greatly needed in the 1930s; but if these theories should ever become harmful, I could be assured that he would quickly bring about a change in public opinion. (Hayek, “Personal Recollections of Keynes and the Keynesian Revolution,” S. 287) Hayek gibt an, dass Keynes zwei Wochen später starb ohne jemals die Chance gehabt zu haben, den Ablauf der Ereignisse zu ändern. Hayek kritisiert ihn dafür, ein fehlerhaftes theoretisches System, welches -wie sein eigener Autor letztlich zugab- ad hoc erdacht und auf die speziellen Umstände der 1930er Jahre zugeschnitten war, „allgemeine Theorie“ genannt zu haben. Heute konzentrieren sich die sogenannten „neukeynesianischen Makroökonomen“ (Stiglitz, Shapiro, Summers, Romer, etc.) auf die Analyse von realen und monetären Starrheiten, welche sie im Markt beobachten. Jedoch verstehen sie immer noch nicht, dass derartige Starrheiten und ihr Hauptwirkungen gerade als Folge der Kreditausweitung und der Regierungseingriffe auftreten und sich verschlimmern. Sie erkennen auch nicht, dass gewisse spontane, mikroökonomische Kräfte im Markt existieren, welche in Abwesenheit von Regierungseingriffen dazu tendieren die Fehlabstimmungen durch einen Prozess der Krise, Rezession und Erholung umzukehren, zu koordinieren und aufzulösen. Zu den Neukeynesianern siehe zudem die folgende Fußnote 94.
Konsumgütern und der zu ihrer Produktion notwendigen Maschinen besteht. Daher verursacht ein Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen einen proportionalen Anstieg in der Anzahl der für ihre Produktion notwendigen Maschinen. Wenn wir diese neue Zahl mit der normalerweise nachgefragten Zahl der Maschinen vergleichen, welche zur Kompensation der üblichen Abschreibung benötigt werden, sehen wir einen Ansprung der Kapitalgüternachfrage, die stark überproportional zum Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen ist80. Wir wissen, dass nach dem Akzeleratorprinzip ein Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen ein enorm vergrößertes Wachstum der Nachfrage nach Kapitalgütern verursacht. Jedoch impliziert das Prinzip auch, dass – falls die Nachfrage nach Kapitalgütern konstant bleibt - die Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen in einer progressiv ansteigenden Rate wachsen muss. Das ist darauf zurückzuführen, dass eine stabile Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen, d.h. eine nicht steigende Nachfrage, eine ausgeprägte Kontraktion in der Nachfrage nach Ausrüstungsgütern zur Folge hat. Die Nachfrage nach diesen Gütern wird nur zu dem Level zurückkehren, der notwendig ist, um den Ersatz von alter Ausrüstung sicherzustellen. Das Akzeleratorprinzip passt eindeutig und perfekt zu den keynesianischen Rezeption einer unbegrenzten Expansion des Konsums und der aggregierten Nachfrage: in der Tat zeigt die Akzeleratorlehre, dass ein Anstieg des Konsums einen riesigen Ansprung der Investitionen verursacht und dass die Ersparnisse bedeutungslos sind! Damit hält das Akzeleratorprinzip als falsches Substitut für die Kapitaltheorie her, die dem keynesianischen Modell fehlt. Dies beruhigt das theoretische Gewissen der Keynesianer und bestärkt sie in ihrem Glauben, dass freiwillige Ersparnisse für die wirtschaftliche Entwicklung kontraproduktiv und unnötig (das „Sparparadoxon“) sind. Deshalb ist es besonders wichtig, 80
Samuelson liefert das folgende Beispiel zur Illustration des Akzeleratorprinzips: Imagine a typical textile firm whose stock of capital equipment is always kept equal to about 2 times the value of its yearly sales of cloth. Thus, when its sales have remained at $30 million per year for some time, its balance sheet will show $60 million of capital equipment, consisting of perhaps 20 machines of different ages, with 1 wearing out each year and being replaced. Because replacement just balances depreciation, there is no net investment or saving being done by the corporation. Gross investment takes place at the rate of $3 million per year, representing the yearly replacement of 1 machine. . . . Now let us suppose that, in the fourth year, sales rise 50 percent—from $30 to $45 million. Then the number of machines must also rise 50 per cent, or from 20 to 30 machines. In that fourth year, instead of 1 machine, 11 machines must be bought—10 new ones in addition to the replacement of the wornout one. Sales rose 50 per cent. How much has machine production gone up? From 1 machine to 11; or by 1,000 percent! (Samuelson, Economics, 11th ed. [New York: McGraw-Hill, 1980], pp. 246–47) Interessanterweise wurde die Analyse des Akzeleratorprinzips aus der 15. Auflage des Buches aus dem Jahr 1992 gestrichen.
dass wir die Fehler und Trugschlüsse, welche die Grundlage dieses Prinzips bilden, sorgfältig aufdecken81. Die auf dem Akzelerator basierende Theorie lässt nicht nur die elementarsten Prinzipien der Kapitaltheorie aus; es wurde auch auf Basis einer mechanistischen, automatischen und irrigen Konzeption der Ökonomie entworfen. Wir werden diese Behauptung nun analysieren. Erstens, schließt die Akzeleratortheorie das wirkliche Funktionieren des unternehmerischen Marktprozesses aus und suggeriert, dass die unternehmerischen Aktivitäten nichts weiter als eine blinde und automatische Antwort auf die momentanen Impulse der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen ist. Jedoch sind Unternehmer keine Roboter und ihre Handlungen sind nicht mechanisch. Im Gegenteil prognostizieren die Unternehmer den Ablauf der Ereignisse und mit dem Zweck einen Gewinn zu erzielen handeln sie mit Rücksicht darauf, was – wie sie glauben - passieren könnte. Mithin gibt es keinen Transmissionsmechanismus, der automatisch und unverzüglich bestimmt, dass ein Wachstum der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen einen unmittelbaren proportionalen Anstieg der Kapitalgüternachfrage auslöst. Gerade das Gegenteil entspricht der Wahrheit. Unter Rücksichtnahme auf die potentiellen Variationen der Nachfrage nach Konsumgütern und Dienstleistungen halten Unternehmer für gewöhnlich ein gewisses Maß an ungenutzten Kapazitäten in Form von Kapitalausrüstung bereit. Diese ungenutzte Kapazität erlaubt es ihnen, einen unerwarteten Nachfrageanstieg zu befriedigen, sobald er auftritt. Das Akzeleratorprinzip erweist sich als viel weniger stichhaltig, wenn die Unternehmen wie im realen Leben einige Kapitalgüter als Reserve halten. Es ist mithin offensichtlich, dass das Akzeleratorprinzip nur stichhaltig wäre, wenn die Kapitalgüter voll ausgelastet würden, sodass es unmöglich wäre, den Ausstoß an Konsumgüter ohne eine Erhöhung der Maschinenanzahl zu vergrößern. Nichtsdestoweniger und zweitens, ist der große Trugschluss des Akzeleratorprinzips, dass es von der Existenz von festen, unveränderbaren Proportionen zwischen Kapitalgütern, Arbeit und dem Ausstoß an Konsumgütern und Leistungen abhängig ist. Das Akzeleratorprinzip versagt darin, zu berücksichtigen, dass das gleiche Ergebnis an Konsumgütern und Leistungen mittels zahlreicher unterschiedlicher Kombinationen von Anlagekapital, variablen Kapital und vor allem Arbeit erreicht werden kann. Die spezifische Kombination, welche ein Unternehmer in einem gegeben Fall wählt, hängt von der Struktur der relativen Preise ab. Daher ist die Annahme falsch, dass es feste Proportionen zwischen dem Output von Konsumgütern und 81
Vorläufer des „Akzeleratorprinzips“ erscheinen in den Werken von Karl Marx, Albert Aftalion, J.M. Clark, A. C. Pigou, und R.F. Harrod. Vgl. P.N. Junankar, „Acceleration Principle,“ in The New Palgrave: A Dictionary of Economy, Eatwell, Milgate und Newman, Hrsg., Bd. 1, S. 10-11.
Leistungen und der Menge an Kapitalgütern, die notwendig sind, um sie zu erzeugen, gäbe. Zudem widerspricht dies dem grundlegenden Prinzipien der Preistheorie der Faktormärkte. In der Tat veranlasst, wie wir bei der Analyse des „Ricardoeffekts“ gesehen haben, ein Rückgang im relativen Preis der Arbeit die Unternehmen dazu, die Konsumgüter und Leistungen auf eine arbeitsintensivere Art zu erzeugen, d.h. unter Nutzung von relativ weniger Kapitalgütern. Die Umkehrung ist auch wahr: ein relativer Anstieg der Arbeitskosten wird einen Anstieg in der Nutzung von Kapitalgütern auslösen. Weil das Akzeleratorprinzip auf der Annahme von festen Proportionen zwischen den Produktionsfaktoren beruht, klammert es vollkommen die Rolle aus, welche das Unternehmertum, das Preissystem und der technologische Wandel im Marktprozess spielen. Sogar wenn wir um des Argumentes willen annehmen, dass es feste Verhältnisse zwischen dem Konsum und der genutzten Kapitalausrüstung gibt und wir auch noch annehmen, dass es bei den Kapitalgütern keine ungenutzten Kapazitäten gibt, müssen wir uns weiterhin drittens die folgende Frage stellen: Wie kann der Ausstoß an Kapitalgütern steigen, wenn die für die Finanzierung einer derartigen Investition benötigten Ersparnisse nicht vorhanden sind? Es ist ein unüberwindbarer logischer Widerspruch der Ansicht zu sein, dass ein Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen automatisch und unmittelbar einen überproportionalen Anstieg der Kapitalgüterproduktion provoziert, da die Produktion dieser Güter in Abwesenheit von ungenutzten Kapazitäten von einem Wachstum der freiwilligen Ersparnisse abhängig ist. Außerdem beinhaltet ein derartiges Wachstum einen temporären Rückgang der Konsumgüternachfrage, was eindeutig der Prämisse, auf der das Akzeleratorprinzip basiert, widerspricht. Mithin widerspricht die Akzeleratortheorie den grundlegenden Prinzipien der Kapitaltheorie. Viertens ist es wichtig zu verstehen, dass eine Investition in Kapitalgüter, die stark überproportional zum Anstieg der Konsumgüternachfrage ist, nur finanziert werden kann, wenn eine Kreditausweitung eingeleitet und fortgesetzt wird. In anderen Worten setzt das Akzeleratorprinzip letztlich voraus, dass der Anstieg der Kreditausweitung, welcher notwendig ist, um die enorm übertriebenen Investitionen in Kapitalgütern zu finanzieren, auch statt findet. Wir sind bereits mit den Wirkungen einer derartigen Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur und mit der Weise bekannt, mit der das System der relativen Preise unweigerlich die Expansion begrenzt und eine Umkehr erzwingt, welche sich selbst in einer Krise und Rezession manifestiert82.
82
Selbst wenn wir annehmen, dass die Unternehmer so vorgehen wollen, wie die Accelerationstheorie es beschreibt, wäre nicht abzusehen, wie sie ohne Kreditausweitung die Neuinvestitionen durchführen könnten. Ihr
Fünftens ist es absurd zu erwarten, dass ein Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen eine unmittelbare Vergrößerung des Ausstoßes von Kapitalgütern verursacht. Wir wissen, dass während eines mittels Kreditausweitung finanzierten Aufschwungs die Unternehmen und Industriesektoren, welche sich der Produktion von Ausrüstungs- und Kapitalgütern widmen an ihrer Kapazitätsgrenze operieren. Auftragseingänge häufen sich an und die Unternehmen sind nicht in der Lage die gesteigerte Nachfrage ohne sehr langen Zeitrückstand und ohne dramatische Preissteigerungen für Ausrüstungsgüter zu befriedigen. Mithin ist es unmöglich sich vorzustellen, dass ein Outputanstieg der Kapitalgüter so schnell statt finden könnte, wie es das Akzeleratorprinzip annimmt. Sechstens beruht die Akzeleratortheorie auf einer besonders mechanistischen Argumentation, bei der versucht wird, das Wachstum der in monetären Größen gemessenen Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen mit einem Anstieg der physischen Nachfrage nach Ausrüstungs- und Kapitalgütern in Beziehung zu setzen. Unternehmer basieren ihre Entscheidungen niemals auf einen Vergleich von monetären und physischen Größen; stattdessen vergleichen sie immer die erwarteten Einnahmen und Kosten strikt in monetären Größen gemessen. Heterogene Größen zu vergleichen ist absurd und macht die unternehmerische Wirtschaftsrechnung schlichtweg unmöglich. Offensichtlich werden sich die unternehmerischen Entscheidungen, wenn die Preise der Kapitalgüter zu steigen beginnen, nicht mechanisch in einer „fixen Proportion“ zu den Inputs manifestieren. Stattdessen werden die Unternehmer die Evolution der Kosten sorgfältig beobachten, um zu bestimmen, in welchem Ausmaß die Produktion in den alten Proportionen fortgeführt wird oder sie aber damit beginnen einen höheren Anteil von alternativen Faktoren, vor allem Arbeit, einzusetzen83. Siebtens hat William Hutt gezeigt, dass die gesamte Akzeleratortheorie auf der Wahl einer völlig willkürlichen Zeitperiode für die Analyse beruht84. Warum sollte man in der Tat den angeblichen relativen Anstieg der Kapitalgüternachfrage auf einer Einjahresperiode basieren? Je kürzer die gewählte Zeitperiode, desto stärker vergrößert sich der angeblich automatische Anstieg der Maschinennachfrage; ein Anstieg, der aus einem beliebigen fixen Verhältnis des Outputs der Konsumgüter und der Kapitalgüter resultiert. Wenn wir jedoch eine längere Zeitperiode berücksichtigen, wie beispielsweise die Lebensdauer einer Maschine,
Auftreten müsste den Marktzins und die Preise der komplementären Produktionsmittel in die Höhe treiben; die Expansionsbestrebungen würden damit sehr schnell abgebremst werden. (Mises, Nationalökonomie, S. 586) 83 Vgl. beispielsweise Jeffrey M. Herberner´s interessanten Aufsatz „The Myths of the Multiplier and the Accelerator,“ Kapitel 4 von Dissent on Keynes, S. 63-88, vor allem S. 84-85. 84 William H. Hutt, The Keynesian Episode: A Reassessment (Indianapolis, Ind.: Liberty Press, 1979), S. 404-08.
verschwinden die ausgeprägten Schwingungen, welche scheinbar aus dem Akzeleratorprinzip hervorgehen, vollständig. Hinzu kommt, dass es immer die langfristige Perspektive ist, welche bei den Unternehmern Berücksichtigung findet. Um in der Lage zu sein, den Ausstoß in der Zukunft bei Bedarf zeitweilig zu steigern, erhöhen sie für gewöhnlich ihre Nachfrage mehr als streng genommen notwendig wäre, um ein gewisses Volumen an Konsumgütern zu erzeugen. Somit sind, wenn wir die Gesellschaft als ganzes und die unternehmerischen Erwartungen berücksichtigen, die Steigerungen der Ausrüstungs- und Maschinengüternachfrage in den konsumnächsten Stufen viel moderater als die Lehre des Akzeleratorprinzips suggeriert. Kurzum basiert das Akzeleratorprinzip auf einer irreführenden, mechanistischen Argumentation, welche die elementarsten Prinzipien des Marktprozesses, vor allem das Wesen des Unternehmertums ausklammert. Diese Lehre ignoriert das Funktionieren und die Wirkungen des Preissystem, die Möglichkeit gewissen Inputs gegen andere zu substituieren, die grundlegenden Aspekte der Kapitaltheorie und der Analyse der Produktionsstruktur, und schließlich die mikroökonomischen Prinzipien, welche die Beziehung zwischen Ersparnissen und der Verlängerung der Produktionsstruktur regeln85.
4 DIE MARXISTISCHE TRADITION UND DIE ÖSTERREICHISCHE KONJUNKTURTHEORIE. DIE NEORICARDIANISCHE REVOLUTION UND DIE „RESWITCHING“-KONTROVERSE In seiner kritischen Analyse des Kapitalismus akzeptiert Karl Marx die von der klassischen Schule vertretene objetivistische Konzeption von zwei grundlegenden Produktionsfaktoren (Kapital und Arbeit) und eines Produktionsprozesses der nur aus zwei Stufen besteht (Konsum und Produktion). Nichtsdestoweniger verweist Friedrich Engels in seinem Vorwort zum dritten Band von Karl Marx´ Kapital ausdrücklich auf die unterschiedlichen Stufen im Produktionsprozess. Er stellt sie in ähnlicher Weise wie die Österreichische Schule dar, obgleich er diese Argumentation zu dem Zweck nutzt, die angebliche Ungerechtigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystem zu veranschaulichen. Engels schreibt: Die kapitalistischen Verkäufer, der Rohstoffproduzent, der Fabrikant, der Großhändler, der Kleinhändler, machen bei ihren Geschäften Gewinn, indem jeder teurer verkauft als er kauft, 85
Rothbard, Man, Economy, and State, S. 759-64.
also den Selbstkostenpreis seiner Ware um einen gewissen Prozentsatz erhöht. Nur der Arbeiter ist nicht imstande, einen ähnlichen Wertzuschlag durchzusetzen, er ist vermöge seiner ungünstigen Lage dem Kapitalisten gegenüber genötigt, seine Arbeit für den Preis zu verkaufen, den sie ihm selbst kostet, nämlich für den notwendigen Lebensunterhalt 86. Der Marxist Mijail Ivanovich Tugan-Baranovsky baute später auf Engels Kommentaren mit dem Ziel auf, eine Konjunkturtheorie basierend auf dem Phänomen der „Überproduktion“ in den Investitionsstufen zu entwickeln. Wir wir bereits gezeigt haben, steht diese Theorie in sehr enger Beziehung zur hier vorgestellten Österreichischen Konjunkturtheorie. In der Tat ist Tugan-Baranovsky´s Interpretation in Hinblick auf die Kapitaltheorie im Großen und Ganzen korrekt, obgleich er nicht in der Lage ist den monetären Ursprung (Kreditausweitung) der Überinvestitionen und des Ungleichgewichts zwischen den verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses zu identifizieren. Hayek selbst hat seine Theorie als einen Vorläufer der Österreichischen Konjunkturtheorie bezeichnet87. Es kann daher nicht überraschen, dass ein Autor wie Howard J. Sherman mit eindeutig marxistischen Tendenzen behauptet hat, dass Hayek´s Theorie der verschiedenen Stufen des Produktionsprozess perfekt in das marxistische Theoriegebäude passt. Dieses Theoriegebäude hat traditionell die Tendenz zu einer signifikanten Fehlproportion zwischen den verschiedenen industriellen Stufen im kapitalistischen System betont. Wie man erwarten kann ist der Zweck dabei nicht gewesen, die abträglichen Wirkungen der Kreditausweitung und der staatlichen und zentralbankgesteuerten Geldpolitik auf die Produktionsstruktur zu zeigen, sondern einfach die angeblich inhärente Instabilität des kapitalistischen System zu illustrieren88. Nach der Österreichischen Schule liegt der marxistische Fehler nicht in ihrer Diagnose der Symptome der Krankheit, die zum großen Teil korrekt ist, sondern in ihrer Analyse der Ursachen, welche die Österreicher in der Kreditausweitung sehen, die sich aus der Verletzung der Rechtsprinzipien des monetären Bankdepositenvertragen (Teildeckung) ableitet. Zusätzlich hat die neoricardianische und neoklassische Kontroverse bezüglich der Möglichkeit des technischen Reswitching günstige Implikationen für die Österreichische Konjunkturtheorie. In der Tat hat die Reswitching-Debatte die heterogene, komplementäre
86
Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 25, Das Kapital, Bd. III, „Vorwort“, S. 7 – 30 (Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968). Die zitierte Stelle ist auf Seite 16 zu finden. 87 Hayek´s explizite Referenz zu Tugan-Baranowsky erscheint in der englischen Fassung von Prices and Production, S. 103, und auch in Die Reine Theorie des Kapitals, S. 379. Vgl. zudem Kapitel 6, Fußnote 71. 88 Vgl. Howard J. Sherman´s Buch, Introduction to the Economics of Growth, Unemployment and Inflation (New York: Appleton, 1964), vor allem S. 95.
Natur der verschiedenen Kapitalgütern in reinster Österreichischer Tradition gegenüber der neoklassischen Konzeption des Kapitals als homogenen Fonds herausgestellt. Weiterhin haben die Österreicher und Hayek im Besonderen von Beginn an gezeigt, dass die Verlängerung der Produktionsstruktur oftmals paradox anmutende Fälle des Reswitching hervorbringen kann, welche nichtsdestoweniger bei vorausblickender Interpretation lediglich eine weitere Manifestation des normalen Verlängerungsprozesses sind89. Die Erklärung des Wechsels zwischen zwei alternativen Produktionstechniken, der die kontinuierliche Veränderungen des Zinssatzes begleiten kann und der neoklassische Ökonomen verwundert hat, stellt für die Österreichischen Kapitaltheorie überhaupt kein Problem dar. In der Tat manifestiert sich ein Sparanstieg und damit ein Rückgang des Zinssatzes immer in einer Veränderung der zeitlichen Perspektive der Konsumenten, die damit beginnen, ihre Handlungen aus einer weiter in die Zukunft blickenden Perspektive zu betrachten. Daher wird die Produktionsstruktur unabhängig davon verlängert, ob Veränderungen oder sogar ein Reswitching im Hinblick auf die spezifischen Produktionstechniken stattfinden. In anderen Worten zeigt innerhalb des Österreichischen Modells das Vorkommnis, dass ein Zinsrückgang zu einer Wiederbelebung einer früheren Technik in Verbindung mit neuen Investitionsprojekten führt, lediglich im Kontext dieses spezifischen Produktionsprozesses, dass dieser Prozess als Folge des Ersparnisanstiegs und Zinsrückgangs länger geworden ist90. Wir dürfen uns daher nicht von der „komparativ-statischen Gleichgewichtsanalyse“ der neoklassischen Ökonomen täuschen lassen, die wie Mark Blaug glauben, dass die Reswitching-Kontroverse irgendwie die Österreichische Kapitaltheorie widerlegt91. Ganz im 89
Es ist offensichtlich und galt in der Regel als selbstverständlich, daß Produktionsmethoden, die durch einen Rückgang des Zinssatzes von sieben auf fünf Prozent rentabel wurden, durch einen weiteren Rückgang von fünf auf drei Prozent unrentabel werden können, weil die bisherige Methode nicht länger mit dem konkurrieren kann, was nunmehr die billigere Methode ist. . . . Erst auf dem Wege über diese Preisveränderungen können wir erklären, warum einen Produktionsmethode, die rentable war, als der Zinssatz fünf Prozent betrug, unrentabel werden muß, wenn er auf drei Prozent fällt. Ähnlich können wir nur anhand von Preisveränderungen zulänglich erklären, warum einen Veränderung des Zinssatzes Produktionsmethoden rentabel werden läßt, die bislang unrentabel waren. (Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 346 [zudem S. 66, 123ff, 168ff, und 177-78]) Augusto Graziani seinerseits behauptet, dasss Hayek „had sown the possibility of reswitching.“ Vgl. Graziani´s Rezension von „Hayek on Hayek: An Autobiographical Dialogue,“ in The European Journal of the History of Economic Thought 2, Nr. 1 (Frühling, 1995): 232. 90 O´Driscoll und Rizzo, The Economics of Time and Ignorance, S. 183. 91 Mark Balug bezeichnet die Reswitchingtheorie irrtümlicherweise als „the final nail in the coffin of the Austrian theory of capital.“ Blaug, Economic Theory in Retrospect, S. 552. Es gelingt Blaug nicht zu begreifen, dass, sobald einmal die objektivistischen Überreste, die Böhm-Bawerk in die Österreichischen Kapitaltheorie einbrachte (das Konzept der messbaren durchschnittlichen Produktionsperiode) eliminiert worden sind und der Produktionsprozess strikt in die Zukunft schauend betrachtet wird, die Österreichische Kapitaltheorie gegen die Attacken der Reswitchingtheoretiker immun wird und sogar durch die Reswitchingtheorie gestärkt wird. Zu diesem Thema siehe Ludwig M. Lachmann, „On Austrian Capital Theory,“ veröffentlicht in The Foundations of Modern Austrian Economics, Edwin G. Dolan, Hrsg. (Kansas City: Sheed unad Ward, 1976), S. 150; vgl. zudem
Gegenteil wissen wir, dass die reale von den Österreichischen Ökonomen studiert Welt in einem kontinuierlichen Wandel ist, und dass ein Wachstum der freiwilligen Ersparnisse immer aus vorwärts gerichteter Sicht eine „Verlängerung“ der Produktionsstruktur verursacht, unabhängig davon, ob in gewissen neuen Investitionsprozessen erneut Techniken benutzt werden, welche nur bei einem höheren Zinssatz profitabel waren92. Aus der Sicht eines einzelnen Handelnden oder Unternehmers werden, sobald die in die Zukunft gerichtete Entscheidung zur Verlängerung der Produktionspläne (aufgrund des Sparanstiegs) gefällt ist, alle zu diesem Zeitpunkt bestehen Faktoren (Boden, Arbeit und die existierenden Kapitalgüter) subjektiv als „ursprüngliche Produktionsmittel“ angesehen, die lediglich den Startpunkt des Produktionsprozesses bestimmen. Es ist daher irrelevant, ob die neuen Investitionsprojekte Techniken verwenden, die für sich betrachtet, bei höheren Zinssätzen profitabel gewesen sein mögen93. SCHLUSSFOLGERUNG Israel M. Kirzner, „Subjectivism, Reswitching Paradoxes and All That,“ in Essays in Capital and Interest, S. 710. Kirzner folgert, dass we should understand that comparing the complex, multidimensional waiting requirements for different techniques simply does not permit us to pronounce that one technique involves unambiguously less waiting than a second technique. (S. 10) 92 Die Hauptunzulänglichkeit der Neoricardianischen Theorie des Reswitching ist nicht nur, dass sie auf der komparativ-statischen Gleichgewichtsanalyse beruht, die keinen vorausschauendes Herangehen an die dynamischen Marktprozesse zulässt, sondern auch, dass es ihr nicht gelingt, die letztliche Ursache für die Variationen des Zinssatzes zu identifizieren, welche das angebliche Reswitching in die profitabelsten Techniken provozieren. Ein Ersparnisanstieg (und damit ceteris paibus ein Zinsrückgang) kann in einem Ersatz von gewissen Techniken (z.B. eines Pflugs) durch kapitalintensivere (einen Traktor) führen. Trotzdem kann der Zinsrückgang auch die Wiedereinführung des Pflugs in neuen Produktionsprozessen erlauben, die zuvor mangels Ersparnisse nicht möglich waren. In anderen Worten werden die etablierten Prozesse davon nicht beeinträchtigt und der Traktor wird weiterhin benutzt. In der Tat können durch eine neue Verlängerung der Produktionsprozesse neue Stufen in der Landwirtschaft oder im Gartenbau entstehen, welche Techniken verwenden, welche sogar bei Annahme einer effektiven Verlängerung der Produktionsprozesse weniger kapitalintensiv erscheinen mögen, wenn sie separat in einer komparativ-statischen Analyse betrachtet werden. 93 Wir dürfen nicht vergessen, dass die Neo-Ricardianer, obgleich sie in ihrer Kritik der Neoklassik Verbündete gewesen sind, ihr ausgemachtes Ziel, gerade die Neutralisierung des Einflusses ist, den seit 1871 die von Menger begonnene Revolution auf die Ökonomie ausübt; ein Einfluss, der unserer Meinung nach noch nicht stark genug ist. Die Ricardianische Gegenrevolution brach mit Piero Sraffa´s Rezension von Hayek´s Buch, Prices and Production aus (vgl. „Doctor Hayek on Money and Capital,“ Economic Journal 42 [1932]: 42-53) wie Ludwig M. Lachmann in seinem Aufsatz, „Austrian Economics under Fire: The Hayek-Sraffa Duel in Retrospect,“ veröffentlicht in Austrian Economics: History and Philosophical Background, W. Grassel und B. Smith, Hrsg. (London und Sydney: Croom Helm, 1986), S. 225-42. Zudem sollten wir Joan Robinson´s 1953 veröffentlichtes und der Kritik der neoklassischen Produktionsfunktion gewidmetes Werkt erwähnen (Vgl. Joan Robinson, Collected Economic Papers [London: Blackwell, 1960], Bd. 2, S. 114-31). Von besonderer Bedeutung ist Kapitel 12 von Piero Sraffa´s Buch, Production of Commodities by Means of Commodities: Prelude to a Critique of Economic Theory (Cambridge: Cambridge University Press, 1960). Das gesamte Kapital handelt von dem „switch in methods of production.“ Für die neoklassische Seite der Debatte siehe den berühmten Aufsatz von Paul A. Samuelson, in dem er seine bedingungslose Kapitulation vor dem Cambridge Switching Theorem erklärt. Dieser Ausatz erschien in Quarterly Journal of Economics 80 (1966): 568-83, und trägt den Titel „Paradoxes in Capital Theory: A Summing Up.“ Zu diesem Punkt ist G.C. Harcourt´s Buch, Some Cambridge Controversies in the Theory of Capital (Cambridge: Cambridge University Press, 1972) eine weitere interessante Ressource. Schließlich siehe noch Ludwig Lachmann, Macroeconomic Thinking and the Market Economy (London: Institute of Economic Affairs, 1973).
Aus unserer Sicht ist es eindeutig, dass es weitaus größere Gemeinsamkeiten als mögliche Unterschiede zwischen Monetaristen und Keynesianer gibt. In der Tat hat Milton Friedman selbst zugegeben: „We all use the Keynesian language and apparatus. None of us any longer accept the initial Keynesian conclusions.94“ Peter F. Drucker seinerseits zeigt, dass Milton Friedman im Wesentlichen und vor allem epistemologisch ein Keynesianer ist: His economics is pure macroeconomics, with the national government as the one unit, the one dynamic force, controlling the economy through the money supply. Friedman’s economics are completely demand-focused. Money and credit are the pervasive, and indeed the only, economic reality. That Friedman sees money supply as original and interest rates as derivative, is not much more than minor gloss on the Keynesian scriptures95.
94
Milton Friedman, Dollars and Deficits (Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall, 1968), S. 15. Die NeuKeynesianer haben wiederum auf den Fundamenten der neoklassischen Mikroökonomie aufgebaut, um die Existenz von Lohnstarrheiten im Markt zu begründen. Namentlich haben sie die Effizienzlohnhypothese formuliert, nach der die Löhne tendenziell die Produktivität des Arbeiters bestimmen und nicht umgekehrt. Vgl. beispielsweise Robert Gordon, „What is New-Keynesian Economics?“ Journal of Economic Literature 28 (September 1990); und Lawrence Summers, Understanding Unemployment (Cambridge, Mass.: The MIT Press, 1990). Unserer Kritik der Neu-Keynesianer (für die nach Garrison in Time and Money, S. 232, ein passenderer Name „Neu-Monetaristen“ wäre) konzentriert sich auf die Tatsache, dass ihre Modelle, wie die der Monetaristen, zum großen Teil auf den Konzepten des Gleichgewichts und der Maximierung aufgebaut sind, und ihre Hypothesen beinahe so unrealistisch sind (die Erfahrung lehrt uns, dass sehr oft, wenn nicht immer, die Löhne der am stärksten nachgefragten Begabungen jene sind, die tendenziell steigen) wie die der neuklassischen Ökonomen, welche die Theorie der rationalen Erwartungen vertreten. Peter Boettke folgert in Hinblick auf beide Schulen: Like rational-expectations theorists who developed elaborate “proofs” of how the (Neo-) Keynesian picture could not be true, the New Keynesians start with the assumption that it must be true, and then try to explain how this “reality” might have come to be. In the end, then, the New Keynesians are as ideological as the Chicago School. In the hands of both, economics is reduced to a game in which preconceived notions about the goodness or badness of markets are decked out in spectacular theory. (Vgl. Peter Boettke, “Where Did Economics Go Wrong? Modern Economics as a Flight From Reality,” Critical Review 1 [Winter, 1997]: 42–43) Eine gute Übersicht der Trends in der weitschweifigen modernen Makroökonomie ist in O.J. Blanchard und S. Fischer, Lectures on Macroeconomics (Cambridge, Mass.: The MIT Press, 1990) zu finden; Vgl. zudem David Romer, Advanced Macroeconomics (New York: McGraw-Hill, 1996). 95 Peter F. Drucker, „Toward the Next Economics,“ veröffentlicht in The Crisis in Economic Theory, Daniel Bell und Irving Kristol, Hrsg. (New York: Basic Books, 1981), S. 9. Mithin ist es, wie Mark Skousen herausgestellt, nicht überraschend, dass einer der prominentesten Monetaristen des 1930er Jahre, Ralph G. Hawtrey sich mit Keynes gegen Hayek verbündete und die Antisparposition verteidigte sowie den Sichtweisen vertrat, die denen der Keynesianer in Bezug auf die Kapitaltheorie und Makroökonomie sehr ähnlich waren (Vgl. neben anderen Quellen Hawtrey´s Capital and Employment, S. 270-86, und Skousen´s Capital and its Structure, S 263). Die gesamte „Konsumfunktionsdebatte“ enthüllt erneut den offensichtlichen keynesianischen und makroökonomischen Einfluss auf die Monetaristen. In der Tat versucht Milton Friedman bei gleichzeitiger Beibehaltung aller keynesianischen analytischen und theoretischen Werkzeuge mit seiner permanenten „Einkommenshypothese“ eine empirische Variante einzuführen, welche es möglich macht, die durch die makroökonomische Analyse gezogenen Schlussfolgerungen zu modifizieren. Wenn tatsächlich die Wirtschaftssubjekte ihren Konsum mit Blick auf ihre langfristiges permanentes Einkommen planen, dann ergibt sich nach der keynesianischen Logik bei einem Einkommensanstieg kein überproportionaler Ersparnisanstieg, wodurch die von den Keynes analysierten Unterkonsumtionsprobleme verschwinden. Nichtsdestoweniger weist diese Art von „empirischen Argument“ auf eine implizite Anerkennung der Gültigkeit der keynesianischen Hypothesen im Hinblick auf die abträglichen Effekte des Sparens und der kapitalistischen Tendenz zur Unterkonsumtion hin. Gleichwohl haben wir bereits die analytischen Fehler eines derartigen Standpunkt offen gelegt und wir haben unsere Argumentation auf der mikroökonomischen Logik aufgebaut, die erklärt, dass gewisse Marktkräfte zur Investition der gesparten Summen führen unabhängig der sichtbaren historischen Form
Desweiteren empfahlen die Hauptvertreter der monetaristischen Ökonomen der Chicagoschule bereits vor der Publikation von Keynes The General Theory die typisch keynesianischen Heilmittel für eine Depression und setzten sich für große Haushaltsdefizite ein96. Tabelle VII-1 rekapituliert die Unterschiede zwischen der Österreichischen Sicht und den großen makroökonomischen Schulen. Die Tabelle enthält zwölf Vergleiche, welche die radikalen Differenzen zwischen den beiden Ansätzen offen legen97.
der angeblichen Konsumfunktion. Vgl. Milton Friedman, A Theory of the Consumption Function (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1957). 96 Frank H. Knight, Henry Simons, Jacob Viner and their Chicago colleagues argued throughout the early 1930’s for the use of large and continuous deficit budgets to combat the mass unemployment and deflation of the times. (J. Ronnie Davies, “Chicago Economists, Deficit Budgets and the Early 1930’s,” American Economic Review 58 [Juni 1968]: 476) Selbst Milton Friedman gibt zu: So far as policy was concerned, Keynes had nothing to offer those of us that had sat at the feet of Simons, Mints, Knight and Viner. (Milton Friedman, “Comment on the Critics,” in Robert J. Gordon, Hrsg., Milton Friedman’s Monetary Framework [Chicago: Chicago University Press, 1974], S. 163) Skousen kommentiert hinsichtlich beider Perspektiven: No doubt one of the reasons why the Chicago school gained greater acceptance was that there were some things they had in common with the Keynesians: they both used aggregate concepts; they both relied on empirical studies to support their models; and they both favoured some form of government involvement in the macroeconomic sphere. Granted, the Chicagoites favored monetary policy, while the Keynesians emphasized fiscal policy, but both involved forms of state interventionism. (Mark Skousen, “The Free Market Response to Keynesian Economics,” in Dissent on Keynes, S. 26; Hervorhebung hinzugefügt) Zu diesem Thema siehe auch Roger W. Garrison’s Aufsatz, “Is Milton Friedman a Keynesian?” veröffentlicht als Kapitel 8 von Dissent on Keynes, S. 131–47. Zudem hat Robert Skidelsky bestätigt, dass die keynesianischen „Rezessionsheilmittel“ für die Ökonomen der Chicagoschule der 1930er Jahre nicht neues waren.Vgl. Robert Skidelsky, John Maynard Keynes: The Economist as Saviour,1920–1937 (London: Macmillan, 1992), S. 579. Siehe schließlich den neueren, gut dokumentierten Aufsatz von George S. Tavlas, “Chicago, Harvard and the Doctrinal Foundations of Monetary Economics,” Journal of Political Economy 105, Nr. 1 (Februar 1997): 153–77. 97 Diese Tabelle erschien zunächst in meinem Vorwort zur spanischen Ausgabe von F.A. von Hayek´s Contra Keynes and Cambridge [Contra Keynes y Cambridge, p. xii]. Es ist meine persönliche Anpassung der in Hayek´s Die reine Theorie des Kapitals, S. 40-2, und Skousen´s The Structure of Production, S. 370, enthaltenen Tabellen. Auch Huerta de Soto, „The Ongoing Methodenstreit of the Austrian School,“ S. 96 enthält eine Tabelle, welche den österreichischen und die neoklassischen Ansätze gegenüberstellt. Auch die in dieser Tabelle enthaltenen Informationen werden hier im Wesentlichen reproduziert.
TABELLE VII-1 ZWEI GEGENSÄTZLICHE ANSÄTZE IN DER ÖKONOMIE Die Österreichische Schule
Makroökonomen (Monetaristen und Keynesianer)
1. Die Zeit spielt eine grundlegende Rolle.
1. Der Einfluss der Zeit wird ignoriert.
2. „Kapital“ wird als eine heterogene Gruppe 2. Das Kapital wird als ein homogener Fonds von Kapitalgütern angesehen, welche sich
betrachtet, der sich selbst reproduziert.
kontinuierlich abnutzen und ersetzt werden müssen. 3. Die Produktion ist dynamisch und teilt sich 3. Es besteht die Vorstellung einer in vielfache, vertikale Stufen.
eindimensionalen, horizontalen Produktionsstruktur, die sich im Gleichgewicht befindet (Einkommensflussmodell).
4. Das Geld beeinflusst den Prozess durch die 4. Das Geld beeinflusst das allgemeine Veränderung der relativen Preisstruktur.
Preisniveau. Veränderungen der relativen Preise werden nicht berücksichtigt.
5. Makroökonomische Phänomene werden
5. Makroökonomische Aggregate verhindern
mikroökonomisch erklärt (Veränderungen der die Analyse der zugrunde liegenden relativen Preise)
mikroökonomischen Faktoren (Fehlinvestitionen)
6. Die Österreicher vertreten eine
6. Es fehlt an einer endogenen
Konjunkturtheorie mit endogenen Ursachen,
Konjunkturtheorie. Krisen haben exogene
welche ihre wiederkehrende Natur erklärt
Ursachen (psychologische, technologische
(korrupte Institutionen:
bzw. geldpolitische Fehler)
Teildeckungsbankwesen und künstliche Kreditausweitung) 7. Die Österreicher verfügen über eine
7. Es fehlt an einer Kapitaltheorie.
elaborierte Kapitaltheorie (Produktionsstruktur) 8. Das Sparen spielt eine entscheidende Rolle. 8. Das Sparen ist unwichtig. Das Kapital Es verursacht vertikal laufende Veränderungen reproduziert sich horizontal (mehr der in der Produktionsstruktur und bestimmt die
gleichen Art), die Produktionsfunktion ist fix
genutzte Technologie.
und durch den Technologiestand bestimmt.
9. Es besteht eine inverse Beziehung zwischen 9. Die Kapitalgüternachfrage verändert sich der Kapitalgüter- und der
gleichgerichtet mit der
Konsumgüternachfrage. Jede Investition
Konsumgüternachfrage.
erfordert Ersparnisse und damit einen vorübergehenden Konsumrückgang. 10. Es wird angenommen, dass die
10. Die Produktionskosten sind objektiv, real
Produktionskosten subjektiv und nicht gegeben und werden als gegeben angesehen. sind. 11. Die Marktpreise bestimmen tendenziell die 11. Die historischen Produktionskosten Produktionskosten und nicht umgekehrt.
bestimmen tendenziell die Marktpreise.
12. Der Zinssatz ist ein Marktpreise, der durch 12. Der Zinssatz wird tendenziell von der die subjektiven Zeitpräferenzraten bestimmt
Grenzproduktivität bzw.
wird. Der Zinssatz wird benutzt um zum
Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals
Barwert, gegen den der Marktpreis jedes
bestimmt. Die Grenzleistungsfähigkeit des
Kapitalguts tendiert, durch das Diskontieren
Kapital wird als der interne Diskontsatz
des erwarteten künftigen Einkommensstroms definiert, bei dem der erwartete zu gelangen.
Einkommensstrom mit den historischen Produktionskosten jedes Kapitalguts gleich ist, wobei die historische Kosten als unveränderbar und gegeben angenommen werden. Die kurzfristige Zinssatz wird als hauptsächlich monetär bestimmt angesehen.
Tabelle VII-1 gruppiert die Monetaristen und Keynesianer zusammen, weil ihre Gemeinsamkeiten ihre Unterschiede weit überwiegen. Nichtsdestoweniger müssen wir anerkennen, dass auch diese Schule bestimmte wichtige Unterschiede trennen. Obwohl beiden eine Kapitaltheorie98 mangelt und sie die gleiche „Makro“-Methodologie in der Ökonomie anwenden99, konzentrieren sich die Monetaristen auf die langfristigen Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen und sehen eine direkte, unmittelbare und wirksame Verbindung zwischen monetären und realen Größen. Im Gegensatz dazu basieren die Keynesianer ihre Analyse auf die kurze Sicht und sind sehr skeptisch hinsichtlich einer möglichen Verbindung zwischen monetären und realen Größen, welche in der Lage ist zu garantieren, dass irgendwie ein Gleichgewicht erreicht und erhalten wird. Im Vergleich dazu präsentiert die hier dargestellte Österreichische Analyse und die elaborierte Kapitaltheorie, auf der diese Analyse ruht, eine ausgewogene Mitte zwischen den monetaristischen und keynesianischen Extremen. In der Tat sind es für die Österreicher die monetären Attacken (Kreditausweitung), welche die endogene Tendenz des Systems erklären, sich vom „Gleichgewicht“ zu entfernen und sich auf unhaltbare Pfade zu begeben. In anderen Worten erklären sie, warum die Struktur des Kapitalgüterangebots dazu tendiert nicht mit der 98
Except for the Austrian school and some sectors of the Swedish and early neoclassical school, the contending macroeconomic theories are united by a common omission. They neglect to deal with capital or, more pointedly, the economy’s intertemporal capital structure in any straightforward and satisfactory way. Yet capital theory offers the richest and most promising forum for the treatment of the critical time element in macroeconomics. (Roger W. Garrison, “The Limits of Macroeconomics,” in The Cato Journal: An Interdisciplinary Journal of Public Policy Analysis 12, Nr. 1 [1993]: 166). 99 Luis Ángel Rojo schreibt: Im Großen und Ganzen wird die derzeitige makroökonomische Anschauung durch einen hohen Grad an Verunsicherung charakterisiert. Die Keynesianische Ökonomie befindet sich in einer schweren Krise, da sie nicht in der Lage gewesen ist, angemessen den Ablauf der Ereignisse zu erklären , geschweige denn zu kontrollieren. Gleichzeitig haben sich die neuen Ideen noch nicht etabliert und sind noch ein leichtes Ziel für empirische Kritik.
Obzwar wir glauben, dass Rojo´s Diagnose korrekt ist und er sich auf die theoretischen Unzulänglichkeiten sowohl von Keynesianern als auch Monetaristen bezieht, ist es unglücklich, dass er es vernachlässigt die Notwendigkeit zu erwähnen, die Makroökonomie auf eine angemessene Kapitaltheorie zu bauen, welche es erlaubt, die „mikro“ und makro“ Aspekte der Ökonomie auf korrekte Art zu integrieren. Vgl. Luis Ángel Rojo, Keynes: su tiempo y el nuestro (Madrid: Alianza Editorial, 1984), S. 365 ff. In dem gleichen Werk macht Rojo einen kurzen und höchst unzureichenden Hinweis auf die Österreichische Konjunkturtheorie (vgl. S. 324-25). Ramón Febrero gibt eine nützliche Zusammenfassung des gegenwärtigen Zustands der Makroökonomie und versucht ihre chaotische und diffuse Verfassung in seinem Artikel „El mundo de la macroeconomía: perspectiva general y concepciones originarias,“ in Qué es la eocnomía, Ramón Febrero, Hrsg. (Madrid: Ediciones Pirámide, 1997), Kapitel 13, S. 383-424, in eine gewisse Ordnung zu bringen. Unglücklicherweise wird Febrero dem alternativen Österreichischen Ansatz nicht gerecht, den er beinahe überhaupt nicht erwähnt.
Nachfrage der Wirtschaftssubjekte nach Konsumgütern und Leistungen kompatibel zu ein ( und warum darum das Saysche Gesetz vorübergehend außer Kraft gesetzt ist). Nichtsdestoweniger neigen gewisse unerbittliche mikroökonomische Kräfte angetrieben von der unternehmerischen Funktion dazu, diese das Gleichgewicht störenden expansiven Prozesse umzukehren und zur Koordination der Volkswirtschaft zurückzukehren. Mithin sehen die Österreicher eine gewissen Verbindung – eine „lockeres Gelenk“ (loose joint) um Hayek´s Terminologie zu benutzen100 – zwischen monetären und realen Phänomenen. Diese Verbindung ist weder absolut, wie es die Monetaristen behaupten, noch vollkommen inexistent, wie es die Keynesianer versichern101. Kurzum glauben die Österreicher, dass Geld niemals neutral ist (weder auf kurze, noch auf mittlere oder lange Sicht), und dass Institutionen, welche mit dem Geld zu tun haben (Banken im besonderen) auf universellen Rechtsprinzipien basiert sein müssen , welche einer „Verfälschung“ der relativen Preise durch strikt monetäre Faktoren verhindern. Derartige Verfälschungen führen einer verbreiteten Fehlinvestition von Ressourcen und unvermeidbar zu Krise und Rezession. Daher betrachten die Österreichischen Ökonomen die folgenden drei Prinzipien als die grundlegenden der makroökonomischen Wirtschaftspolitik geordnet nach ihrer Bedeutung: 1. Die Geldmenge muss so konstant wie möglich (d.h. wie in einem reinen Goldstandard) bleiben und besonders die Kreditausweitung muss vermieden werden. Diese Ziele
100
Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 362. The conception of money as a loose joint suggests that there are two extreme theoretical constructs to be avoided. To introduce money as a “tight joint” would be to deny the special problem of intertemporal coordination. . . . At the other extreme, to introduce money as a “broken joint” would be to deny even the possibility of a market solution to the problem of intertemporal coordination. . . . Monetarism and Keynesianism, have tended to adopt one of the two polar positions with the result that, as a first approximation, macroeconomic problems are seen to be either trivial or insoluble. Between these extreme conceptions is Hayek’s notion of loose-jointed money, which serves to recognize the problem while leasing the possibility of a market solution to it an open question. (Roger W. Garrison, “Time and Money: The Universals of Macroeconomic Theorizing,” Journal of Macroeconomics 6, Nr. 2 [Frühling, 1984]: 203) Nach Garrison nehmen die Österreicher auch eine gesunde Mittelposition auf dem Gebiet der Erwartungen ein: 101
Assuming either superrational expectations or subrational expectations detract from the equally crucial role played by the market process itself, which alone can continuously inform expectations, and subtracts from the plausibility of the theory in which these unlikely expectational schemes are employed. (Garrison, “What About Expectations?, S. 22.)
erfordern eine Rückkehr zu den traditionellen Rechtsprinzipien, welche den monetären Bankdepositenvertrag regeln, als auch die Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht im Bankwesen. 2. Es sollte alles versucht werden, um zu gewährleisten, dass die relativen Preise der verschieden Güter, Dienstleistungen, Ressourcen und Produktionsfaktoren flexibel bleiben. Im Allgemeinen gilt: Je größer die Kreditausweitung und monetäre Expansion, desto rigider werden die relativen Preise tendenziell sein, desto mehr Leute werden nicht die wahren Kosten dieses Mangels an Flexibilität erkennen, und desto korrupter werden die Verhaltensweise der Wirtschaftssubjekte werden. Die Wirtschaftssubjekte werden schließlich die irrige Idee annehmen, dass die lebenswichtige Anpassung immer mittels Erhöhungen der umlaufenden Geldmenge stattfinden muss und sollte. In jedem Fall liegt, wie wir bereits argumentiert haben, die indirekte und zugrunde liegende Ursache der wirtschaftlichen Fehlabstimmungen in der Kreditausweitung, welche eine allgemeine Fehlinvestition von Ressourcen provoziert, die wiederum Arbeitslosigkeit erzeugt. Je rigider die Märkte sind, desto höher ist die Arbeitslosigkeit. 3. Wenn die Wirtschaftssubjekte langjährige in Geldeinheiten ausgehandelte Verträge abschließen, müssen sie in der Lage sein, die Veränderungen der Kaufkraft des Geldes angemessen prognostizieren zu können. Diese letzte Forderung erscheint am Einfachsten zu befriedigen sein, entweder wenn die Kaufkraft des Geldes kontinuierlich fällt, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg geschehen ist, oder, was noch einfacher wäre, wenn sie graduell und vorhersagbar ansteigt, wie es bei einer Politik der Gleichhaltung der umlaufenden Geldmenge geschehen würde102. 102
Vgl. Hayek´s Aufsatz, „On Neutral Money,“ veröffentlich als Kapitel 7 von Money, Capital and Fluctuations, S. 159-62, vor allem S. 161. Dies ist die englische Fassung des deutschen Originals „Über ´Neutrales Geld´“ erschienen in Zeitschrift für Nationalökonomie 4 (1933): 659-61. Donald C. Lavoie hat gezeigt, dass in jedem Fall die zerstörerischen Effekte, welche eine simple Veränderung des allgemeinen Preisniveaus verursachen kann, weniger schädlich und viel leichter vorherzusagen sind als solche, die von der Art monetärer Injektion, welche die Kreditausweitung der Banken enthält, auf die Produktionsstruktur ausgeübt werden: My own judgment would be that the price-level effects are less damaging and easier to adjust to than the injection effects; thus the optimal policy for monetary stability would be as close to zero money growth as can be practically attained. In my view the gradual deflation that this policy would permit would be preferable to the relative price distortion which would be caused by attempting to inject enough money into the economy to keep the price level constant. Er fügt hinzu: Even gold money would undergo gradual increases in its supply over time. Some have estimated that about a two percent increase per year would be likely. To me this appears to be the best we can do. (Don C. Lavoie, “Economic Calculation and Monetary Stability,” veröffentlicht in Cato Journal 3, Nr. 1 [Frühling, 1983]: 163–70, vor allem S. 169)
6 ERGÄNZUNG ZU LEBENSVERSICHERUNGSGESELLSCHAFTEN UND ANDEREN NICHTBANK-FINANZINTERMEDIÄREN Die Analyse der letzten vier Kapital hat uns in die Lage versetzt, die wichtige Rolle zu verstehen, die echte Finanzintermediäre in der Wirtschaft spielen. Logischerweise benutzen wir den Ausdruck „echt“, um solche Finanzintermediäre zu beschreiben, die keine Banken sind und nicht ex nihilo weder Darlehen noch korrespondierende Depositen schaffen. Diese echten Finanzintermediäre fungieren ausschließlich als Vermittler in dem Markt, in dem Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter gehandelt werden. In anderen Worten nehmen die Finanzintermediäre Gelder von Darlehensgebern, die damit Gegenwartsgüter anbieten, und übergeben sie an Darlehensnehmer. Als Gegenleistung für ihre Dienste als reine Intermediäre erhalten sie einen Gewinn, der im Allgemeinen klein ist. Diese dürftige Gewinnmarge setzt sich von den disproportionalen Gewinnen ab, welche der Bankensektor akkumuliert, welcher ex nihilo Geld in der Form von Depositen schafft; eine Aktivität, welche die Banken dank ihrer rechtlichen Privilegien ausführen, welche es ihnen erlauben, im eigenen Interesse den Großteil des bei Ihnen auf Sicht hinterlegten Geldes zu nutzen. Obgleich die Banken mit ermüdender Beharrlichkeit als die wichtigsten „Finanzintermediäre“ der Wirtschaft dargestellt werden, ist diese Behauptung ohne Basis und unrealistisch. Die Banken sind im Wesentlichen keine Finanzintermediäre. Ihre Hauptaktivität besteht in der Schaffung von Darlehen und Depositen aus dem Nichts (und ist getrennt von ihrer Funktion als echte Finanzintermediäre; eine Rolle von zweitrangiger Bedeutung sowohl quantitativ als auch qualitativ) 103. Tatsächlich haben die Banken und das Bankensystem in den modernen Volkswirtschaften nicht deswegen eine bedeutende Rolle eingenommen, weil sie als In Kapitel 9 schlagen wir einen Reformprozess für das Geld- und Bankensystem vor. Nach seiner Vollendung würde die Notwendigkeit „makroökonomische Wirtschaftspolitik“ zu entwerfen und zu implementieren entfallen.
103
Luis Ángel Rojo hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Hauptgeschäft der Banken nicht ihre Funktion als Finanzintermediäre involviert, sondern ihre Fähigkeit Darlehen und Depositen aus dem Nichts zu schaffen. Jedoch bezieht er sich auf die Banken noch mit „Finanzintermediäre“ und übersieht die bedeutende Rolle, welche die echten Finanzintermediäre (welche er als „Nichtbanken“ bezeichnet) in einer Wirtschaft frei von speziellen Privilegien für die Banken spielen würden. Vgl. Luis Ángel Rojo, Teoría económica III, Skript und Unterrichtsprogramm, Jahr 1970-71 (Madrid, 1970), S. 13ff., und 90-96.
Finanzintermediäre agieren, sondern weil sie üblicherweise Darlehen und damit Depositen ex nihilo schaffen, womit sie die Geldmenge erhöhen. Es ist daher nicht überraschend, dass Banken in der Lage sind, die Produktionsstruktur und das Verhalten der Wirtschaftssubjekte zu verzerren, welche die große relative Leichtigkeit mit der sie Gegenwartsgüter von der Bank erwerben können als äußerst verlockend empfinden. Es ist vergleichsweise schwieriger Ressourcen aus realen freiwilligen Ersparnissen zu beziehen. Der Ressourcenbezug aus Ersparnissen beinhaltet immer ein größeres anfängliches Opfer und Disziplin von Seiten der Dritter, der Sparer. Es ist daher viel schwieriger Gegenwartsgüter aus realen freiwilligen Ersparnissen als mit die Hilfe der Geld schaffenden Banken zu beziehen. Es ist mithin absurd zu behaupten, wie man es teilweise vernimmt, dass die Banken aufgrund der unzureichenden Entwicklung der Kapitalmärkte sowie der NichtbankFinanzintermediären „keine andere Wahl haben“ als eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung des Produktionsprozesses anzunehmen. In der Tat entspricht gerade das Gegenteil der Wahrheit. Die expansive Fähigkeit der Banken, Darlehen aus dem Nichts zu schaffen, beraubt unvermeidbar den Kapitalmarkt und die Nichtbank-Finanzintermediäre eines signifikanten Teils ihrer ökonomischen Bedeutung. Denn das Bankensystem, das Darlehen ausgeben kann, ohne dass irgendjemand zuerst auf den unmittelbaren Konsum durch freiwilliges Sparen hätte verzichten müssen, wird immer bereitwilliger ein Darlehen gewähren als die Nichtbank-Finanzintermediäre oder der Kapitalmarkt Kapital zur Verfügung stellen. Sobald die allgemeine Öffentlichkeit beginnt, die Übel der Bankkreditausweitung zutreffend zu identifizieren, zu verstehen, dass der Expansionsprozess von einem rechtlichen Privileg abhängt, wessen sich kein anderes Wirtschaftssubjekt erfreut, und zu sehen, dass dieser Prozess unweigerlich wiederkehrende Aufschwungs- und Depressionszyklen erzeugt, wird die Öffentlichkeit eine Reform des Bankensystem antreiben können. Einer derartigen Reform wird die Wiedereinführung einer 100-prozentigen Reservedeckung für Sichteinlagen zugrunde liegen, d.h. die Anwendung der traditionellen Rechtsprinzipien auf die Banktätigkeit. Sobald diese Reform durchgeführt worden ist, wird dem Kapitalmarkt und den echten Finanzintermediären ihr eigentlicher Status wiedergegeben werden. Diese NichtbankFinanzintermediäre sind von Natur aus jene Unternehmer, die sich darauf spezialisieren, die Wirtschaftssubjekte von der Wichtigkeit und Notwendigkeit von kurz- mittel- und langfristigen Ersparnissen zu überzeugen als auch die Geldgeber und Darlehensnachfrager effizient miteinander zu verbinden, wobei sie das Risiko streuen und Skaleneffekte ausnutzen.
DIE LEBENSVERSICHERUNGSGESELLSCHAFTEN ALS ECHTE FINANZINTERMEDIÄRE Die gesellschaftliche Bedeutung von Lebensversicherungsgesellschaften setzt sie von anderen echten Finanzintermediären ab. Die von diesen Institutionen angebotenen Verträge ermöglichen es breiten Schichten der Bevölkerung die ernsthafte und disziplinierte Anstrengung des längerfristigen Sparens zu unternehmen. In der Tat bieten Lebensversicherungen die perfekte Art des Sparens an. Denn Lebensversicherungssparen ist die einzige Sparmethode die gerade in den Momenten, in denen die Haushalte den größten Bedarf haben (in anderen Worten im Todes-, Berufsunfähigkeitsfall oder beim Ausscheiden in den Ruhestand), die unmittelbare Verfügbarkeit von großen Geldsummen garantiert, die über andere Sparmethoden nur über sehr lange Zeiträume hinweg angesammelt werden könnten. Mit der ersten Prämienzahlung erwirbt der vom Versicherungsnehmer eingesetzte Bezugsberechtigte das Recht, beispielsweise im Fall des Todes dieser Person einen beträchtlichen Geldbetrag zu erhalten. Diesen Betrag mittels anderer Methoden zu sparen, hätte den Versicherungsnehmer viele Jahre gekostet. Weiterhin entwickeln und unterhalten Lebensversicherer große kommerzielle Netzwerke, welche sich darin spezialisieren, Familien die fundamentale Bedeutung einer Bindung zu langfristigem disziplinierten Sparen näher zu bringen. Dieses disziplinierte Sparen bereitet nicht nur für mögliche Unglücksfälle verbunden mit Tod, Behinderung, oder Krankheit vor, sondern garantiert auch ein ordentlichen Einkommen, falls eine bestimmtes Alter überschritten wird. Mithin können wir folgern, dass die Lebensversicherungsgesellschaften die „echten Finanzintermediäre“ in ihrer reinsten Form sind, da ihrer Aktivität gerade darin besteht, langfristiges Sparen in Familien zu ermutigen und Ersparnisse in sehr sichere langfristige Investitionen zu kanalisieren (vor allem erstklassige Anleihen und Immobilien) 104
. Dass Lebensversicherungsgesellschaften keine Kreditausweitung vornehmen oder Geld
104
Österreichische Ökonomen haben immer schon die emminente Rolle erkannt, welche Lebensversicherung in der Erleichterung des freiwilligen Ersparnisse für breite Schichten der Gesellschaft spielen. So bezieht sich Richard von Strigl explizit auf das „in der Kapitalbildung außerordentlich wichtige Lebensversicherungsgeschäft.“ Strigl zeigt, dass, damit das freiwilige Sparen im Allgemeinen und die Lebensversicherungen im Besonderen prosperieren, es klar sein muss, dass die Kaufkraft der Geldeinheit zumindest konstant bleiben wird. Vgl. Richard von Strigl, Einführung in die Grundlagen der Nationalökonomie (Wien: Verlag Julius Springer [1937]), S. 259. Weiterhin nennt F.A. von Hayek in seinem klassischen Aufsatz zum Sparen die Lebensversicherung und den Häuserkauf als zwei der wichtigsten Quellen freiwilliger Ersparnisse (Vgl. F.A. Hayek, „Saving,“ ursprünglich veröffentlicht für die 1933er Ausgabe von Encyclopedia of the Social Sciences, und erneut veröffentlicht als Kapital 5 in Profits, Interest and Investment, vor allem S. 169-70).
schaffen, ist offensichtlich, vor allem wenn man die von ihnen angebotenen Verträge mit den Sichteinlagenoperationen der Banken vergleicht. Die Buchungseinträge einer typischen Lebensversicherungsgesellschaft sind wie folgt: Sobald die Unternehmung ihre Kunden von der Wichtigkeit eines langfristigen, disziplinierten Sparplans überzeugt hat, zahlt der Kunde in jedem Jahr der Laufzeit des Lebensversicherungsvertrages einen Beitrag an die Versicherung. Die Beiträge werden als Teil des Einkommens des Lebensversicherers betrachtet wie folgender Eintrag zeigt: (76)
Soll
_____________________________ Bargeld
Haben _____________________________ Lebensversicherungsbeiträge (Auf der Ertragsseite der Gewinn- und Verlustrechnung
_____________________________
_____________________________
Die Lebensversicherungsgesellschaften nutzen die Beiträge, die sie erhalten, um eine Reihe von Betriebskosten zu decken, vor allem Versicherungsansprüche, Werbungs- und Verwaltungsausgaben, sowie im Allgemeinen die Ausgaben bei der technischen Erfassung der Todesrisiken, bei der Behinderung und im Erlebensfall. Der Buchungseintrag, der die Zahlung dieser technischen Kosten erfasst, ist der folgende: (77)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
Betriebskosten
Bargeld
(Ansprüche, Verwaltungsausgaben, etc.) _____________________________
_____________________________
Wir sollten betonen, dass die Betriebskosten nur einen Teil der gesamten den Lebensversicherungen gezahlten Beiträge absorbieren. Diese müssen einen bedeutenden Teil ihres Beitragsaufkommens reservieren, nicht nur um künftige Risiken (denn die Gesellschaften erheben konstante Jahresbeiträge für Risiken, welche mit dem Alter des Versicherungsnehmers anwachsen), sondern auch die wichtige Sparkomponente zu decken,
welche für gewöhnlich bei den beliebtesten Lebensversicherungen berücksichtigt wird. Dieser zweite Anteil des Beitragsaufkommens erzeugt Reserven, in der Form von langfristigen Investitionen. Diese Investitionen erscheinen auf der Aktivseite des Versicherers und werden auf der Passivseite durch die Position „Deckungsrücklage“ ausgeglichen. Diese Position gibt den
versicherungsmathematischen
Wert
der
künftigen
Verpflichtungen
der
Versicherungsgesellschaft gegenüber ihren Versicherungsnehmern an. Die entsprechenden Einträge sind wie folgt: (78)
Soll
Haben
_____________________________
_____________________________
Langfristige Investitionen
Bargeld
_____________________________
_____________________________
(79) Anteils des investierten
Deckungsrücklage (künftige
Beitragsaufkommens (Ausgaben)
Verpflichtungen gegenüber Versicherungsnehmern)
_____________________________
_____________________________
Die Bilanz der Versicherungsgesellschaft würde wie folgt aussehen: (80)
Lebensversicherungsgesellschaft E Bilanz (Jahresende) Aktiva
Passiva
_____________________________
_____________________________
Langfristige Investitionen
Deckungsrücklage
_____________________________
_____________________________
Offenkundig wir kein Geld geschaffen und die Deckungsrücklage, welche den Buchwert künftiger Verpflichtungen gegenüber Versicherungsnehmern repräsentiert, korrespondiert mit der Tatsache, dass die Versicherten eine gewisse Menge an Gegenwartsgütern im Tausch für eine größere Menge an Gütern an einem unbestimmten Punkt in der Zukunft übergeben haben, wenn der versicherte Eventualfall – Tod, Behinderung, oder Erleben – eintritt. Bis
dieser Fall eintritt, verlieren die Versicherungsnehmer die Verfügbarkeit ihres Geldes, das den Darlehensnehmern verfügbar wird, die es von den Versicherungsgesellschaften erhalten. Diese Darlehensnehmer sind die Emittenten der korrespondierenden Anleihen und festverzinslichen Wertpapiere, welche die Lebensversicherungsgesellschaften erwerben. Wenn die Lebensversicherungen in Immobilien investieren, so geschieht dies direkt, wodurch sie die Rolle von bedeutenden Immobilienbesitzern annehmen, die ihre Objekte an die Öffentlichkeit vermieten. Die Gewinn- und Verlustrechnung der Lebensversicherungsgesellschaft sieht wie folgt aus (81)
Bank A Gewinn- und Verlustrechnung (Für ein Jahr)
Aufwand (Soll)
Ertrag (Haben)
_____________________________
_____________________________
Betriebskosten
Beiträge
Deckungsrücklage (Zuwendung)
Finanzeinkommen
Gewinn _____________________________
_____________________________
Es ist offensichtlich, dass die ausgewiesenen Gewinn des Versicherers aus der Differenz zwischen seinen Einnahmen (Beiträge und Finanzeinkommen) und Ausgaben (technische Kosten und solche, die aus der Erhöhung der Deckungsrücklage entspringen) resultieren. Die Versicherungsgesellschaften erzielen gewöhnlich einen sehr bescheidenen Gewinn, der sich aus drei möglichen Quellen speist: Anspruchsgewinn (d.h. das Unternehmen kann die Zahl der Ansprüche bei der Berechnung der Beiträge überschätzen), Gewinn abgeleitet aus technischen, administrativen Kosten (die Verwaltungsausgaben, die bei der Berechnung der Beiträge angesetzt wurden, sind größer als die tatsächlichen Kosten des Unternehmens), und schließlich Finanzgewinne (die Finanzeinnahmen können die „technische Verzinsung“, welche bei der Beitragsberechnung verwendet wird, übersteigen).
Weiterhin hat der
Wettbewerb im Versicherungsmarkt die Lebensversicherer dazu veranlasst, einen Großteil ihrer
Jahresgewinne
an
die
Versicherungsnehmer
abzuführen,
da
heutige
Lebensversicherungsverträge für gewöhnlich Erfolgsbeteilungsklauseln enthalten, welche das versicherte Kapital der Kunden Jahr für Jahr ohne Beitragserhöhung ansteigen lassen. Mithin wird, zumindest aus ökonomischer Sicht und ungeachtet ihres rechtlichen Status (ob
Aktiengesellschaft oder Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) eine Lebensversicherung zumindest teilweise zu einer Art „Versicherungsverein“, in dem die Versicherungsnehmer Anteile an den Gewinnen des Unternehmens bekommen. Die Institution der Lebensversicherung hat sich graduell und spontan im Markt während der letzten zweihundert Jahre geformt. Diese Institution basiert auf einer Reihe von technischen, versicherungsmathematischen,
finanztheoretischen
und
rechtlichen
Prinzipien
des
Unternehmensverhaltens, welche es ihr erlaubt haben, ihre Aufgabe perfekt zu erfüllen und Wirtschaftskrisen und Rezessionen zu überleben, welche andere Institutionen, vor allem das Bankwesen, nicht in der Lage waren zu überstehen. Somit setzt sich die hohe „finanzielle Todesrate“ der Banken, welche systematisch Zahlungen einstellen und ohne Hilfe der Zentralbank zusammenbrechen, historisch von der gesunden und technischen Solvenz der Lebensversicherungsgesellschaften ab. (In den letzten zweihundert Jahre ist eine vernachlässigbare Anzahl von Lebensversicherungsgesellschaften aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten verschwunden.) Die folgenden technischen Prinzipien haben Tradition im Lebensversicherungssektor: Die Vermögenswerte werden zu historischen Kosten bewertet, und die Beiträge werden auf Basis von sehr vorsichtigen technischen Zinssätzen berechnet, welche niemals eine Komponente für die erwartete Inflation enthalten. Daher tendieren Lebensversicherungsgesellschaften dazu, ihre Vermögenswerte zu unterschätzen, ihre Verbindlichkeiten zu überschätzen und einen hohen Grad an statischer und dynamischer Solvenz zu erreichen, was sie gegen die tiefsten Rezessionsphasen immun macht, die mit den Wirtschaftszyklen wiederkehren. In der Tat sind Lebensversicherungen
für
gewöhnlich
nicht
betroffen,
wenn
der
Wert
von
Finanzvermögenswerten und Kapitalgütern in den schwersten Rezessionsphasen des Zyklus einbricht, was auf den reduzierten Buchwert zurückzuführen ist, den sie für ihre Investitionen erfassen. Mit Hinblick auf ihre Verbindlichkeiten berechnen die Versicherer ihre Deckungsrücklage zu Zinssätzen, die weitaus niedriger sind als die tatsächlich am Markt bezahlten. Daher tendieren sie dazu den Barwert ihrer Verpflichtungen auf der Passivseite zu überschätzen. Weiterhin ziehen die Versicherungsnehmer einen Vorteil aus den von der Versicherung erbrachten Gewinnen, so lange diese Gewinne a posteriori verteilt werden im Einklang mit den zuvor erwähnten Gewinnbeteiligungsklauseln. Folgerichtig kann die Höhe derartiger Gewinne nicht a priori in den entsprechenden Verträgen garantiert werden 105. 105
Wir haben an anderer Stelle versucht, die Österreichischen Konjunkturtheorie mit einer Erklärung der Versicherungstechniken in Einklang zu bringen und erklärt, wie die Versicherungsmethoden spontan entstanden sind, um den abträglichen Effekten von Rezessionen entgegenzutreten. Gleichzeitig haben sich Versicherungsgesellschaften bemüht,
DER RÜCKKAUFWERT UND DIE GELDMENGE Lebensversicherungsverträge bieten im Allgemeinen die Option an, dass die Gesellschaft auf Wunsch des Versicherungsnehmers die Police mittels der Zahlung eines bestimmten Bargeldbetrages einlöst. Diese Option, die für gewöhnlich bei allen Arten von Lebensversicherungen enthalten ist - mit der Ausnahme derer, die ausschließlich das Todesrisiko oder den Erlebensfall abdecken - kann, wenn immer der Versicherungsnehmer es wünscht gezogen werden, vorausgesetzt, eine in der Police festgelegte Eingangsphase ist abgelaufen (normalerweise nach zwei oder drei Jahren). Diese Vertragsklausel könnte den Anschein geben, dass eine Lebensversicherungspolice auch dafür genutzt werden könnte, einen monetären Sichteinlagenvertrag rechtlich zu implementieren. Nichtsdestoweniger wissen wir, dass Gelddepositenverträge durch das ihnen wesentliche Element charakterisiert sind. Dieses besteht in der Verpflichtung zur sicheren Aufbewahrung und in der Fähigkeit des Deponenten, das hinterlegte Geld jederzeit zurückzunehmen. Mithin unterscheidet sich die Lebensversicherung grundlegend von Sichteinlagen. Die folgenden Faktoren verhindern eine Verwechslung der beiden106: Erstens haben Lebensversicherer traditionell ihre Produkte als langfristige Sparinstrumente verkauft. Wenn daher Kunden Lebensversicherungen kaufen, sind sie unzweifelhaft von dem Wunsch beseelt, damit zu beginnen einen Teil ihres Einkommen auf die Seite zu legen und fortwährend ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden (Witwen, Waisen, und Rentnern) zu erfüllen. Wir folgern, dass dieser Ansatz, der durchgängig erfolgreich gewesen ist, auch auf die unversicherten „Pensionsfonds“ angewendet werden sollten, falls beabsichtigt wird, dass sie ihren Zweck zu erfüllen und gegenüber den schädigenden Konsequenzen des Zyklus so immun wie möglich sind. Vgl. unseren Artikel, „Interés, ciclos económicos y planes de pensiones,“ veröffentlicht auf S. 458-68 des Anales del Congreso Internacional de Fondos de Pensiones, der im April 1984 in Madrid statt fand. Jesús Huerta Peña hat die grundlegenden Prinzipien, welche hinter der finanziellen Stabilität der Lebensversicherungsgesellschaften stehen, in seinem Buch, La estabilidad financiéra de las empresas de seguros (Madrid 1954) studiert. 106 [T]he cash surrender values of life insurance policies are not funds that depositors and policy holders can obtain and spend without reducing the cash of others. These funds are in large part invested and thus not held in a monetary form. That part which is in banks or in cash is, of course, included in the quantity of money which is either in or out of banks and should not be counted a second time. Under present laws, such institutions cannot extend credit beyond sums received. If they need to raise more cash than they have on hand to meet customer withdrawals, they must sell some of their investments and reduce the bank accounts or cash holdings of those who buy them. Accordingly, they are in noposition to expand credit or increase the nation’s quantity of money as can commercial and central banks, all of which operate on a fractional reserve basis and can lend more money than is entrusted to them. (Percy L. Greaves, in seiner Einleitung zu Mises’ Buch, On the Manipulation of Money and Credit, S. xlvi–xlvii; Hervorhebung hinzugefügt)
langfristig zu sparen, um ein Kapital aufzubauen, welches genutzt werden kann, wenn ihre Familien es am dringendsten brauchen. Aus der Sicht der Vertragsursache als auch der subjektiven Ziele des Versicherungsnehmers werden eindeutig Gegenwartsgüter, deren vollständige Verfügbarkeit verloren geht, gegen die Garantie eines substantiellen Einkommens oder Kapitals unter gewissen künftigen Umständen (in denen der Bedarf der Familie am größten ist, so wie der Tod eines Versorger oder das Überleben einer gewissen Altersschwelle) getauscht. Zweitens besteht bei den meisten Lebensversicherungsoperationen nicht die Möglichkeit, den Rückkaufwert unmittelbar zu erhalten, d.h. in dem Moment, in dem der Vertrag unterzeichnet und das Geld gezahlt wird. Stattdessen gibt es für gewöhnlich eine Wartezeit, die abhängig vom Markt und der Gesetzgebung in ihrer Länge zwischen zwei und drei Jahren variiert. Erst nach dieser Eingangsphase erwirbt der Kunde das Recht auf den Rückkaufwert. Drittens
erreichen
die
Versicherungsgesellschaft
Rückkaufwerte gezahlte
bei
weitem
Beitragssumme,
nicht
denn
die
von
gesamte
dieser
an
die
werden
die
Eingangskosten der Police abgezogen, welche über die Gesamtdauer der Police amortisiert werden und aus technischen und geschäftlichen Gründen für gewöhnlich sehr hoch sind und die beim Erwerb der Police anfallen. Weiterhin enthalten Rückkaufwerte normalerweise einen Abschlag zugunsten des Versicherers, um die Kunden einen noch größeren Anreiz zu geben, die
Policen
bis
zur
Fälligkeit
fortzuführen.
Damit
ist
es
offensichtlich,
dass
Lebensversicherungen dahingehend entworfen wurden, um die Versicherungsnehmer vom Gebrauch der Rückkaufoption so weit als möglich zu demotivieren, so dass sie nur bereit sind diese in Situationen auszuüben, in denen der Bedarf der Familie extrem ist oder wenn sie die Versicherungsgesellschaft wechseln möchten. Daher müssen wir konstatieren, dass aus subjektiver Sicht für die meisten Kunden, die traditionellen Lebensversicherungen nicht Depositenverträge verbergen107. 107
Obzwar die im Text dargelegten Argumente mehr als ausreichend sind, um zu zeigen, dass traditionelle Lebensversicherungen keine Maske für Sichteinlagen darstellen, können wir dessen aus rechtlicher und ökonomischer Sicht nicht absolut sicher sein, so lange die Versicherer nicht aufhören, eine vorgegebenen Rückkaufwert zu garantieren und nicht diesen Betrag auf den jeweiligen Marktwert der erworbenen Investitionen beschränken, welche mit der Deckungsrücklage einer jeden Police korrespondieren. In diesem Falle hätte niemand das Recht auf einen vorgegebenen Rückkaufwert. Ein Kunde hätte nur Anspruch auf den Liquidationswert seiner Police zu Sekundärmarktpreisen. Nichtsdestoweniger haben die Schwierigkeiten, welchen sich die Versicherer bei der Zuordnung von spezifischen Investitionen zu einer jeden Police gegenübersehen und die in der langfristigen Natur der Lebensversicherungsverträge begründet sind, die Unternehmen veranlasst aus rechtlicher und versicherungsmathematischer Sicht eine Reihe von Vetragsklauseln zu entwickeln (Warteperiode, Strafabzüge im Fall des Rückkaufs, etc.), welche de facto die gleiche
DER VERFALL DER TRADITIONELLEN LEBENSVERSICHERUNGSPRINZIPIEN Trotz der obigen Überlegungen müssen wir anerkennen, dass in jüngster Zeit und unter dem Vorwand einer angeblich vorteilhaften „Deregulierung der Finanzmärkte“, die klaren Grenzen zwischen der Institution der Lebensversicherung und des Banksektors oftmals in vielen westlichen Ländern verwischt worden sind. Diese Grenzverwischung hat die Entstehung von verschiedenen vermeintlichen „Lebensversicherungsoperationen“ erlaubt, die anstatt den traditionellen Prinzipien des Sektors zu folgen, entworfen worden sind, um echte Gelddepositenverträge zu maskieren. Diese Verträge bringen den Versuch mit sich, die unmittelbare und vollständige Verfügbarkeit des in Form von „Beiträgen“ hinterlegten Geldes und der entsprechenden Zinsen für den Versicherungsnehmer zu garantieren108. Diese abschreckende Wirkung haben, wie der Erhalt eines reduzierten Werts zu Sekundärmarktpreisen für den Fall, dass der Kunde die Police während einer wirtschaftlichen Rezession beendet. Eine Übersicht der typischsten Rückkaufsklausen ist in Jesús Huerta Ballester, A Brief Comparison Between the Ordinary Life Contract of Ten Insurance Companies (Madrid, 1954) zu finden. 108 Mithin kann auch die traditionelle Lebensversicherung beschädigt werden, vor allem wenn ihre wichtigsten Prinzipien in unterschiedlichem Ausmaß unter dem Vorwand der „Deregulierung des Finanzmarktes“ über Bord geworden werden oder wenn der Versuch unternommen wird, diese Institution mit einem dem Lebensversicherungssektor so fremden wie dem Banksektor zu verbinden. John Maynard Keynes liefert ein historisches Beispiel dieser Korruption der Lebensversicherung in den Zwischenkriegsjahren, als er Vorsitzender der National Mutual Life Assurance Society in London war. Vgl. die diesbezüglichen Kommentare in Kapitel 2, Fußnote 47. Als Vorsitzender verfolgte Keynes eine ad hoc Investitionspolitik, die sich auf Wertpapiere mit variabler Verzinsung konzentrierte, im Gegensatz zur traditionellen Investitionspolitik in festverzinsliche Wertpapiere. Weiterhin favorisierte der den Gebrauch von unorthodoxen Buchhaltungsprinzipien. So bewertete er beispielsweise die Vermögenswerte zu Marktpreisen und nicht zu ihren historischen Kosten. Außerdem autorisierte er sogar die Gewinnverteilung von unrealisierten Gewinnen an die Versicherungsnehmer. All diese typischen keynesianischen Attacken auf die traditionellen Versicherungsprinzipien kosteten seiner Firma beim Eintreten der Großen Depression beinahe die Solvenz. Der negative Einfluss von Keynes auf die britische Lebensversicherungsindustrie ist noch heute spürbar und hat sich ein einem gewissen Maße auch auf den amerikanischen Versicherungsmarkt ausgedehnt. Dieser Sektor versucht sich gerade dieser ungesunden Einflüsse zu entziehen und zu den traditionellen Prinzipien zurückzukehren, die von seiner Geburt an das problemlose Funktionieren und die Solvenz der Industrie garantiert haben. Zu diesen Themen siehe die folgenden Referenzen: Nicholas Davenport, „Keynes in the City,“ veröffentlicht in Essays on John Maynard Keynes, Milo Keynes, Hrsg., (Cambridge: Cambridge University Press, 1975), S. 224-25; Skidelsky, John Maynard Keynes: The Economist as Saviour, 1920-1937, vor allem S. 25-26 und 524; und D. E. Moggridge, Maynard Keynes: An Economist´s Biography (London: Routledge, 1992), vor allem 410 und 411. Keynes übte nicht nur eine direkte korrumpierende Wirkung als ein höchst einflussreicher Verantwortlicher im britischer Versicherungssektor seiner Zeit aus. Er übte auch einen viel schädlicheren indirekten Effekt auf den Versicherungssektor allgemein in dem Sinne aus, dass seine ökonomische Theorie dazu verhalf, die Inflation anzutreiben und die
Korrpution der Versicherungsprinzipien, den wir in Kapital 3 angerissen haben, hat einen sehr negativen Einfluss auf den Versicherungssektor als ganzen gehabt und es hat es einigen Lebensmittelversicherungen ermöglicht, Depositeion in Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien anzubieten, und mithin in unterschiedlichen Ausmaß als Banken zu agieren, d.h. das bei ihnen als Sichteinlage hinterlegte Geld aus Darlehen zu vergeben. Mithin haben verschiedene
Lebensversicherungsgesellschaften
Kreditausweitung
der
Banken
teilzunehmen.
damit
begonnen,
Dieser
Prozess
am
Prozess
der
beschädigt
die
Produktionsstruktur und erzeugt Wirtschaftszyklen und Rezessionen. Weiterhin haben diese Gesellschaften der Versicherungsindustrie selbst erheblichen Schaden zugefügt. Denn diese ist verstärkt das Zielen von Eingriffen des Staates und der Zentralbank geworden und hat einen Großteil der steuerlichen Vorteile, deren sie sich in der Vergangenheit erfreute, verloren. Diese Vorteile sind im Hinblick auf die beachtlichen Vorteile gerechtfertigt, die diese Institution durch die Förderung des langfristigen Sparens allen Sektoren der Gesellschaft bringt109. In jedem Falls versuchen wir durch die in diesem Werk durchgeführte
Spargewohnheiten der gewöhnlichen Leute zu diskreditieren und zu zerstören. Dies geschah im Einklang seiner Philosophie der „Euthanasie des Rentiers“, welche einen sehr abträglichen Einfluss auf die Entwicklung des Lebensversicherungs- und Pensionsmarktes weltweit hatte. In dieser Hinsicht konstituiert die Tatsache, dass Keynes viele Jahre lang der Vorsitzende einer Lebensversicherungsgesellschaft war, vielleicht die bemerkenswertesten Ironie in der Geschichte der Lebensversicherung. Vgl. Ludwig von Mises, „Pensions, the Purchasing Power of the Dollar and the New Economics“ in Planning for Freedom and Twelve Other Addresses (South Holland, Ill.: Libertarian Press, 1974), S. 86-93. Vgl. zudem die Reden, welche Keynes auf siebzehn Hauptversammlungen (1922-1938) der National Mutual Life Assurance Assurance Society als Vorsitzender hielt. Die Reden sind eine faszinierende Lektüre und illustrieren herrlich die höchst zerstörerischen Effekte, die in der Ironie des Schicksals dadurch entstanden, dass man einen spekulativen „Wolf“ und Feind des Sparens wie Keynes zum Hirten von friedlichen „Schafen“ (seiner Lebensversicherungsgesellschaft) machte. Vgl. Band 12 von The Collected Writings of John Maynard Keynes (London: Macmillan, 1983), S. 114-254. Hermann Heinrich Gossen war ein weitere Ökonom, der im Versicherungssektor involviert war. Neben seiner Rolle als Berater einer Tier- und Futtermittelversicherungsgesellschaft, die bankrott ging, entwarf Gossen einen Plan für eine Sparkasse, die sich dem Lebensversicherungsgeschäft widmen sollte. Das Projekt wurde jedoch niemals ausgeführt. Vgl. S. 356 des Aufsatzes, den F.A. von Hayek über Gossen schrieb und in Hayek´s The Trend of Economic Thinking, Bd. 3, enthalten ist. 109 Diese jüngste „Verwechslung“ von Versicherungs- und Bankensektor rechtfertigt in dem Ausmaß, in dem die Wirtschaftssubjekte damit beginnen, subjektiv den Rückkaufwert ihrer Policen als ihnen zu jederzeit verfügbares Geld zu betrachten, die Berücksichtigung der Rückkaufwerte (welche im Allgemeinen niedriger als die Deckungsrücklage der Versicherer ist ) als Teil der Geldmenge. Diese These vertritt Murray N. Rothbard in seinem Aufsatz „Austrian Definitions of the Supply of Money,“ in New Directions in Austrian Economics, S. 143-56, vor allem S. 151-52. Nichtsdestoweniger stimmen wir nicht mit Rothbard´s Meinung überin, dass Rückkaufwerte automatisch in der Geldmenge berücksichtigt werden sollten, denn diese hängt letztlich davon ab, ob die Wirtschaftssubjekte im Allgemeinen die
theoretische Analyse den Lebensversicherern ihr Selbstvertrauen und ihren Glauben in die positive Natur der traditionellen Institution, von der sie ein Teil sind, zurückzugeben, und eine klare Trennung zwischen dem Lebensversicherungs- und „Bankgeschäft“, welches der Lebensversicherung fremd ist, zu ermutigen. Wie wir wissen fehlt dem „Bankgeschäft“ nicht nur die notwendige juristische Fundierung, sondern entwickelt es auch wirtschaftliche Effekte, die der Gesellschaft höchst abträglich sind. Im Gegensatz dazu beruht die Institution der
Lebensversicherung
auf
versicherungsmathematischen
einem und
ungemein
soliden
finanz-theoretischen
rechtlichen,
Fundament.
technischWenn
die
Lebensversicherungsgesellschaften den traditionellen Prinzipien ihres Sektors treu bleiben, stören sie nicht nur nicht das harmonische Wirtschaftswachstum; sie sind sogar für dieses essentiell und äußerst günstig durch die Förderung der langfristigen Ersparnisse und Investitionen.
Dadurch unterstützen sie die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der
Gesellschaft. WEITERE
ECHTE
FINANZINTERMEDIÄRE:
INVESTMENTFONDS
UND
BETEILIGUNGSGESELLSCHAFTEN Weitere wahre Finanzintermediäre, welche sich noch weiter entwickeln könnten, wenn die Privilegien
der
Banken
abgeschafft
werden
würden,
sind
Investmentfonds,
Beteiligungsgesellschaften, sowie Leasing- und Finanzierungsunternehmen, etc. Alle diese Institutionen erhalten Gegenwartsgüter von Sparern und transferieren die Güter in ihrer Funktion als Intermediäre an die letztendlichen Kreditnehmer. Obgleich keine dieser Institutionen die Fähigkeit der Lebensversicherung besitzt, ein beachtliches Einkommen von dem ersten Moment an zu garantieren, in dem ein Zufallsereignis (Tod, Behinderung, Erlebensfall) eintritt, ist es offensichtlich, dass sie noch bedeutender werden würden als sie es heute sind, wenn die Banken dazu verpflichtet würden, eine 100 prozentige Reservedeckung aufrecht zuerhalten und damit ihre Macht verlieren würden, Depositen und Darlehen aus dem Nichts zu gewähren. Vor allem die Investmentfonds würden eine sehr wichtige Rolle annehmen, in dem Sinne, dass die Wirtschaftssubjekte ihren überschüssigen Kassenvorrat Rückkaufwerte ihrer Policen subjektiv als Teil ihres unmittelbar verfügbaren Kassenvorrats betrachten. Dies ist bis jetzt in den meisten Märkten noch nicht der Fall. Weiterhin ist die Verwechslung von der Institution der Versicherung und der Banktätigkeit noch nicht vollkommen und sogar in den Märkten, in denen sie am weitesten voran geschritten ist, scheint es als kehrten die Gesellschaften zu den traditionellen Versicherungsprinzipien und vor allem zur radikalen Trennung von Versicherungs- und Banktätigkeit zurück. Zu den neuen Geschäftsbereichen der Lebensversicherungen siehe das Buch von Thierry Delvaux und Martin E. Magnee, Les nouveaux produits d´assurance-vie (Brüssel: Editions de L´Université de Bruxelles, 1991).
durch sie investieren würden und durch den Verkauf ihrer Anteile unmittelbar Liquidität erhalten könnten; obgleich zu Sekundärmarktpreisen und niemals zum Nominalwert. Das gleiche trifft für Beteiligungsgesellschaften und andere Finanz- und Investmentinstitutionen zu. Diese haben in vielen Fällen einen Korruptionsprozess und einen Angriff ähnlich dem auf die Lebensversicherung erfahren. Dieser „innovative“ Korruptionsprozess besteht im Entwurf von verschiedenen Ansätzen, um den entsprechenden „Investoren“ die unmittelbare Verfügbarkeit ihres Geldes zu „garantieren“, d.h. ihnen die Möglichkeit zu verschaffen, ihre „Ersparnisse“ jederzeit zu ihrem Nominalwert zurückzugewinnen. Beispielsweise befinden sich, wie wir schon in Kapitel 3 in Verbindung mit den verschiedenen Arten von Finanzoperationen sahen, Klauseln, welche die Rückkaufvereinbarung zu einem festgelegten Preis beinhalten, unter den rechts missbrauchenden Instrumenten, die üblicherweise für die Verschleierung von echten „Sichteinlagenverträgen“ von Institutionen eingesetzt werden, die vollkommen ohne Bezug zum Bankwesen sind110.
Aus ökonomischer Sicht haben die
fraglichen Verträge und Institutionen mit der Verbreitung dieser Praktiken begonnen, die gleichen abträglichen Effekte zu erzeugen wie das Teildeckungsbankwesen. Mithin muss, wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, jeder Reformvorschlag des Bankensystems einen Plan einschließen, die verschiedenen rechts missbrauchenden Praktiken zu identifizieren, die erdacht werden könnten, um echte Teildeckungssichteinlagenverträge zu verbergen. Diese Praktiken müssen eingedämmt werden, da sie gegen die allgemeinen Rechtsprinzipien verstoßen und den harmonischen Prozess der wirtschaftlichen Koordination ernsthaft stören. EINIGE SPEZIFISCHE KOMMENTARE ZUR KREDITVERSICHERUNG Schließlich sollten wir noch kurz die Kreditversicherungsoperationen erwähnen, welche spontan in den entwickelten Volkswirtschaften entstanden sind. Im Tausch für einen Beitrag garantieren diesen Policen, dass für den Fall, dass der Kunde der versicherten kommerziellen 110
Es ist aus ökonomischer Sicht einfach zu zeigen, dass eine Finanzoperation, die eine Vereinbarung über einen garantierten Rückkauf zu jeder Zeit zu ihrem Nominalwert garantiert (nicht zu einem nicht vorhersagbaren, schwankendem Preis an Sekundärmärkten), eine Sichteinlage darstellt, die eine 100 prozentige Reservedeckung erfordert. In der Tat ist die einzige Möglichkeit für ein Unternehmen zu jeder Zeit seine Fähigkeit zu garantieren, all seine Rückkaufvereinbarungen einzulösen, die Vorhaltung einer Geldreserve, die im Wert der Summe entspricht, die ausgezahlt werden müsste, wenn alle Rückkaufversprechen auf einmal eingefordert werden würden (100 prozentige Reservedeckung). Solange die Unternehmen nicht eine derartige Reserve vorhalten, besteht für sie immer das Risiko, dass sie nicht unmittelbar der Ausübung der Rückkaufoption entsprechen können. Dieser Fall wird in den Rezessionsphasen des Wirtschaftszyklus ohne die bedingungslose Hilfe der Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz beinahe mit Sicherheit eintreten.
und industriellen Firmen seine Schulden, die üblicherweise innerhalb einer bestimmten Periode (30, 60, 90 Tage, etc.) und mittels eines bestimmten Finanzinstruments (z.B. eines Wechsels) beglichen werden, nicht zahlen kann, die Versicherungsgesellschaft einspringt und einen Prozentsatz (zwischen 75 und 95 Prozent) der entsprechenden geschuldeten Summe zahlt. Dafür übernimmt die Versicherungsgesellschaft das Finanzinstrument, um später den Betrag vom säumigen Schuldner einzufordern. Mithin richtet sich die Kreditversicherung an ein reales Bedürfnis, das an den Märkten vorhanden ist. Sie gibt die Antwort auf gewisse Umstände, die aus der ständigen Kreditvergabe von verschiedenen kommerziellen und industriellen Firmen an ihre Kunden entspringen. Diese Kredite entsprechen, ökonomisch gesprochen, einem traditionellen Vorgang, bei dem Sparer, vor allem die Kapitalisten, die ein Unternehmen besitzen, finanzielle Ressourcen für eine Zeit an ihre Arbeiter und die Eigentümer der ursprünglichen Produktionsfaktoren als auch in ihre Kunden vor strecken, denen sie mehrere Tage oder Monate für die Zahlung ihrer Schulden gewähren. Logischerweise erfordern die Kredite, welche die Kunden erhalten, immer einen vorherigen Verzicht gewisser Wirtschaftssubjekte, die ihren Konsum verringern und die entsprechenden Ressourcen sparen müssen, um die lockeren Zahlungsbedingungen ermöglichen zu können. Daher kann der Konsumentenkredit nicht aus dem Nichts geschaffen werden, sondern erfordert immer, dass jemand (die Eigentümer der Gesellschaft, die den Kredit anbietet) zunächst spart. In Abwesenheit der durch die Bankenkreditausweitung erzeugten Verzerrungen, erfüllt die Kreditversicherung eine besonders wichtige ökonomische Funktion. Die großen Datenbanken der Kreditversicherungsgesellschaften erlauben es diesen, die Kunden
nach
ihrem
Kreditrisiko
zu
klassifizieren.
Außerdem
bieten
die
Kreditversicherungsgesellschaften rechtliche Inkassoleistungen an, wobei sie bedeutende Größenvorteile nutzen, die außerhalb der Reichweite ihrer individuellen Kunden liegen. Das Problem entsteht dann, wenn die Bankenkreditausweitung alle Kreditmärkte verzerrt und wiederkehrende Aufschwungs- und Rezessionszyklen erzeugt. Während der durch die Kreditausweitung
gespeisten
Aufschwungsphase
werden
zahlreiche
unrealistische
Investitionsprojekte künstlich in Gang gesetzt. Dabei werden viele Marktoperationen mittels Ratenzahlungen finanziert und durch eine korrespondierende Kreditversicherung versichert. Als eine Folge übernehmen Gesellschaften, die sich auf die Kreditversicherung spezialisiert haben, systematische Risiken, die ihrer Natur nach technisch nicht versicherbar sind. Tatsächlich muss sich der Ausweitungsprozess früher oder später umkehren. Verbreitete Firmenzusammenbrüche,
Zahlungseinstellungen
und
Liquidationen
von
erfolglosen
Investitionsprojekten werden die begangenen Fehler enthüllen. Infolgedessen ist die
8 DIE THEORIE DER ZENTRALBANK UND DER BANKFREIHEIT Dieses Kapitel enthält eine theoretische Analyse der im Laufe der Zeit für und gegen das Zentralbankwesen und die Bankfreiheit vorgebrachten volkswirtschaftlichen Argumente. Zu Beginn werden wir die theoretische Debatte zwischen jenen, die für ein privilegiertes Bankensystem, d.h. eines, welches nicht den traditionellen Rechtsprinzipien unterworfen ist und daher Kredite ausweiten kann (die Banking Schule), und jenen Ökonomen, die immer dafür eingetreten sind, dass die Banken allgemeinen Regeln und Prinzipien folgen sollten (die Currency Schule)1 , nachzeichnen. Die Analyse und Bewertung der theoretischen Beiträge beider Schulen ermöglicht es uns auch, die Kontroverse zwischen den Vertretern einer Zentralbank und den Verteidigern eines Bankfreiheitssystems zu studieren. Wir werden sehen, dass zunächst die Vertreter der CurrencySchule im großen und ganzen die Einrichtung einer Zentralbank verteidigten und die BankingSchule Theoretiker ein Bankfreiheit System bevorzugten. Jedoch behielten letztlich die inflationistischen Lehren der Banking Schule die Oberhand, und zwar ironischerweise mit Einbeziehung der Schirmherrschaft einer Zentralbank. In der Tat ist eine der wichtigsten Schlussfolgerungen unserer Analyse, dass die Zentralbank weit davon entfernt ist, das Ergebnis eines spontanen Prozesses sozialer Kooperation zu sein. Vielmehr ist die Zentralbank als unvermeidbare Folge eines privaten Teildeckungsbankensystems entstanden. In einem Teildeckungsbankwesen sind es die Privatbankiers selbst, welche schließlich einen Kreditgeber letzter Instanz fordern, der ihnen hilft, die zyklischen Wirtschaftskrisen und Rezessionen zu überstehen, welche ein derartiges System erzeugt. Wir werden das Kapitel mit einer Betrachtung des Theorems der Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus abschließen. Bei der Anwendung auf Zentralbankpraktiken erklärt dieses Theorem die weit bekannten Probleme der Bankverwaltungsgesetze. Schließlich werden wir ausführen, dass die gegenwärtigen Advokaten einer Bankfreiheit für gewöhnlich den Fehler begehen, die Teildeckungspraktiken zu akzeptieren und zu rechtfertigen und nicht erkennen, dass ein derartiges Zugeständnis nicht nur unweigerlich zur Neuentstehung der Zentralbanken führen, sondern auch für die Volkswirtschaft und Gesellschaft abträgliche zyklische Krise auslösen würde. 1
Die hier benutzten Definitionen der „Banking Schule“ und „Currency Schule“ stimmen grundsätzlich mit den von Anna J. Schwartz gewählten überein. Nach Schwartz glaubten die Ökonomen der Currency Schule, dass die Geldpolitik durch allgemeine Regeln und Prinzipien diszipliniert werden sollte, während die Vertreter der „Banking Schule“ im Allgemeinen den Bankiers (und letztlich der Zentralbank) uneingeschränkte Handlungsfreiheit sogar unter Missachtung traditioneller Rechtsprinzipien zusprechen wollten. In der Tat bemerkt Anna J. Schwartz, dass die gesamte Kontroverse sich darum dreht, ob policy should be governed by rules (espoused by adherents of the Currency School), or whether the authorities should allow discretion (espoused by adherents of the Banking School). (Anna J. Schwartz’ Aufsatz, “Banking School, Currency School, Free Banking School,” der in Bd. 1 von The New Palgrave: Dictionary of Money and Finance [London: Macmillan, 1992], S. 148–51 erschien.)
1 EINE KRITISCHE ANALYSE DER BANKING SCHULE In diesem Abschnitt werden wir die theoretischen Argumente untersuchen, welche die Advokaten des Teildeckungsbankwesens zu seiner Rechtfertigung konstruiert haben. Obgleich diese Argumente traditionell als ein Produkt der Kontroverse zwischen Banking und Currency Schule im England der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts angesehen wurden, können die frühesten Argumente zum Teildeckungsbankwesen wie auch die beiden gegenüberstehenden Sichtweisen (die der Banking Schule vs. die der Currency Schule) tatsächlich bis auf Beiträge der Gelehrten der Schule von Salamanca im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert zurückgeführt werden. DIE SICHTWEISE DER BANKING UND DER CURRENCY SCHULE UND DIE SCHULE VON SALAMANCA Die Gelehrten der Schule von Salamanca leisteten wichtige Beiträge zur Geldtheorie.2 Der erste spanische Scholastiker, der eine Abhandlung zum Gelde verfasste war Diego de Covarrubias y Leyva, der 1550 Veterum collatio numismatum („Kompilation zur Münzkunde“) veröffentlichte. In diesem Werk untersucht der berühmte segovianische Bischof die Geschichte der Abwertung des kastilianischen Maravedi und stellt eine große Anzahl von Preisstatistiken zusammen. Obzwar die grundlegenden Elemente der Quantitätstheorie des Geldes schon implizit in Covarrubia´s Abhandlung enthalten sind, verfügt er nicht über eine explizite Geldtheorie3. Es war erst 1556, viele Jahre später, dass Martín de Azpilcueta unzweideutig erklärte, dass ein Anstieg der Preise, bzw. ein Rückgang der Kaufkraft des Geldes, ein Ergebnis eines Geldmengenanstiegs ist; ein Anstieg, der in Kastilien durch den massiven Einstrom von Edelmetallen aus Amerika ausgelöst wurde. In der Tat ist Martín de Azpilcueta´s Beschreibung der Beziehung von Geldmenge und Preisen 2
3
Diese Beiträge sind detailliert untersucht worden. Vgl. vor allem die Forschung von Marjorie Grice-Hutchinson, welche unter der Leitung von F.A. von Hayek voröffentlicht wurde, The School of Salamanca: Readings in Spanish Monetary Theory, 1544-1605; Rothbard, „New Light on the Prehistory of the Austrian School,“ S. 52-74; Alejandro A. Chafuen, Christians for Freedom: Late-Scholastic Economics (San Francisco: Ignatius Press, 1986), S. 74-86. Zu Marjorie Grice-Hutchinson siehe die lobenden Worte von Fabián Estapé in seiner Einführung zur dritten spanischen Ausgabe von Schumpeter´s Buch, Geschichte der ökonomischen Analyse [Historia del análisis económmico (Barcelona: Editorial Ariel, 1994), S. Xvi-xvii]. Wir haben die Omnia opera Ausgabe, veröffentlicht 1604 in Venedig, benutzt. Band 1 enthält Diego de Covarrubias Abhandlung zum Geld unter dem vollständigen Titel, Veterum collatio numismatum, cum his, quae modo expenduntur, publica, et regia authoritate perpensa, S. 669-710. Davanzati zitiert oftmals dieses Werk und Ferdinando Galiani tut dies zumindest einmal in Kapitel 2 seines berühmten Werkes, Della moneta, S. 26. Carl Menger bezieht sich ebenfalls auf die Abhandlung Covarrubias in seinem Buch, Principles of Economics (New York und London: New York University Press, 1981), S. 317; S. 257 der ursprünglichen deutschen Fassung, Grundsätze der Volkswirthschaftslehre.
tadellos: In den Ländern, in denen eine ernste Geldknappheit besteht, werden alle anderen absatzfähigen Gegenstände und sogar die menschliche Arbeitskraft gegen weniger Geld getauscht als dort, wo Geld reichlich ist; zum Beispiel zeigt die Erfahrung, dass in Frankreich, wo es weniger Geld als in Spanien gibt, Brot, Wein, Kleidung und Arbeit viel weniger kosten; und sogar als es weniger Geld in Spanien gab, wurden absatzfähige Gegenstände und menschliche Arbeit für viel weniger hergegeben als nachdem die Indischen Inseln entdeckt worden und Spanien mit Gold und Silber überflutet worden war. Der Grund hierfür ist, dass Geld dort und dann mehr wert ist, wo es selten ist, als dort und dann wenn es reichlich vorhanden ist4. Im Vergleich mit den profunden und detaillierten Studien, welche zur Geldtheorie der Schule von Salamanca vorgenommen wurden, ist bis heute geringes Gewicht auf die Analyse und Bewertung der Position der Scholastiker zum Bankwesen gelegt worden5. Nichtsdestoweniger haben die Gelehrten der Schule von Salamanca eine durchdringende Analyse der Bankpraktiken unternommen und waren im Großen und Ganzen Vorgänger der verschiedenen theoretischen Positionen, welche mehr als zwei Jahrhunderte später in der Debatte zwischen Mitgliedern der „Banking Schule“ und der „Currency Schule“ wieder auftauchen sollten. In der Tat erwähnten wir in Kapitel 2 die heftige Kritik, welche Doktor Saravia de la Calle in den letzten Kapiteln seines Buches, Instrucción de mercaderes, gegen das Teildeckungsbankwesen vor brachte. In ähnlicher Weise, jedoch nicht derartig kritisch wie Saravia de la Calle, unternahmen Martín de Azpilcueta und Tomás de Mercado eine rigorose Analyse des Bankwesens. Ihre Analyse beinhaltete einen Katalog von Bedingungen an eine faire und rechtmäßige monetäre Bankeinlage. Diese frühen Autoren könnten als Mitglieder einer beginnenden „Currency Schule“ betrachtet werden, welche sich schon lange im Herz der Schule von Salamanca entwickelt hatte. Diese Gelehrten nahmen typischerweise einen konsistenten, festen Standpunkt hinsichtlich der rechtlichen Erfordernisse für Bankdepositenverträge, wie auch eine allgemein kritische, wachsame Einstellung gegenüber dem Bankwesen ein. 4
5
Azpilcueta, Comentario resolutorio de cambio, S. 74-75; Hervorhebung hinzugefügt. Jedoch kam Nicholas Copernicus dem Spanier Azpilcueta beinahe dreißig Jahre zuvor, da er in seinem Buch, De monetae cudendae ratio (1526), eine (embryonalere) Version der Quantitätstheorie des Geldes formuliert. Vgl. Rothbard, Economic Thought Before Adam Smith, S. 165. Vgl. beispielsweise die Kommentare, die Francisco Gómez Camacho in seiner Einleitung zu Luis de Molina´s Werk, La teoría del justo precio (Madrid: Editora Nacional, 1981), S. 33-34, macht; die Bemerkungen von Sierra Bravo in El pensamiento social y económico de la escolástica desde sus orígines al comienzo del catolicismo social, Bd. 1, S. 214-37; den Artikel von Francisco Belda, welchen wir auf den folgenden Seiten detailliert behandeln werden; und den jüngeren Aufsatz von Huerta de Soto, „New Light on the Prehistory of the Theory of Banking and the School of Salamanca.“
Eine andere, zweite Gruppe von Gelehrten angeführt von Luis de Molina beinhaltet Juan de Luego, Leonardo de Lesio und in einem geringerem Ausmaße Domingo de Soto. Wie im Kapitel 2 dargestellt folgen diese Autoren Molina´s Beispiel und fordern, wie dieser, nur eine schwache rechtliche Basis für den monetären Bankdepositenvertrag und nehmen Teildeckungspraktiken hin, wobei sie argumentieren, dass ein derartiger Vertrag eher ein „unsicheres“ Darlehen bzw. mutuum ist denn ein Depositum. Wir werden hier nicht alle Argumente gegen Molina´s Position zum Bankdepositenvertrag wiederholen. Es genügt zu sagen, dass seine Position ein verbreitetes Missverständnis darstellt, welches auf die mittelalterlichen Juristen und ihre Kommentare zur Institution des depositum confessatum zurückgeht. Was uns jetzt interessiert ist, dass diese zweite Gruppe von Scholastikern viel nachsichtiger in ihrer Kritik an den Bankiers war und so weit ging, dass Teildeckungsbankwesen zu rechtfertigen. Es ist daher nicht völlig abwegig, diese Gruppe als eine frühe „Banking Schule“ in der Schule von Salamanca anzusehen. Wie ihre englischen und kontinentalen Erben es einige Jahrhunderte später machen würden, rechtfertigten die Mitglieder dieser Denkschule nicht nur das Teildeckungsbankwesen trotz der klaren Verletzung von traditionellen Rechtsprinzipien, sondern glaubten auch, dass diese Praxis eine höchst nützliche Wirkung auf die Wirtschaft ausüben würde. Obwohl Luis de Molina´s Argumente hinsichtlich des Bankvertrags auf einer sehr wackligen theoretischen Grundlage beruhen und in gewisser Weise einen Rückschritt in Hinblick auf die Ansichten von anderen Mitgliedern der Schule von Salamanca darstellen, sollte bemerkt werden, dass Molina der erste in der Tradition der „Banking Schule“ war, der realisierte, dass Schecks und andere Dokumente, welche die direkte Bezahlung von bestimmten Summen aus Depositen autorisieren, genau dieselbe Funktion wie Bargeld erfüllen. Es stimmt mithin nicht, obzwar dies weithin angenommen wird, dass die Theoretiker der Banking Schule des neunzehnten Jahrhunderts als erste entdeckt haben, dass die Sichteinlagen bei Banken in Gänze Teil der Geldmenge sind und daher die Wirtschaft auf die gleiche Weise beeinflussen wie Banknoten. Luis de Molina hatte die Tatsache schon mehr als zwei Jahrhunderte früher in Disputation 409 seines Werks, Tratado sobre los cambios [„Treatise on exchanges“] illustriert. In der Tat schreibt Molina: Die Leute bezahlen die Bankiers auf zwei Weisen: sowohl in Bar, indem sie Ihnen Münzen geben; als auch mit Wechseln oder anderen Formen der Zahlungsanweisung, bei der derjenige, der die Zahlungsanweisung bezahlen muss, der Schuldner der Bank im von der Zahlungsanweisung angezeigten Betrag wird, welche auf das Konto derjenigen Person
eingezahlt wird, welche die Zahlungsanweisung bei der Bank hinterlegt6. Genauer bezieht sich Molina auf bestimmte Dokumente, welche er chirographis pecuniarum („geschriebenes Geld“) nennt und welche als Zahlung in vielen Markttransaktionen genutzt wurden. Mithin schreibt er: Obwohl viele Transaktionen mit Bargeld durchgeführt werden, werden die meisten mittels Dokumenten ausgeführt, welche attestieren, dass entweder die Bank jemanden Geld schuldet oder dass jemand sich zur Zahlung verpflichtet und das Geld bleibt in der Bank. Weiterhin weist Molina daraufhin, dass diese Schecks als „auf Sicht“ angesehen werden: „Der Ausdruck „Sicht“ wird im Allgemeinen benutzt, um diese Zahlungen zu beschreiben, weil das Geld in dem Moment gezahlt werden muss, in dem die Zahlungsanweisung präsentiert und gelesen wird.7“ Am Wichtigsten ist, dass Molina lange vor Thornton im Jahr 1797 und Pennington im Jahr 1826 die grundlegende Idee ausdrückte, dass das monetäre Gesamttransaktionsvolumen, das am Markt stattfindet, nicht mit der Bargeldmenge, die am Markt die Hände wechselt, ausgeführt werden könnte, würden die Banken nicht Geld mit ihren Depositeneinträgen schaffen und die Deponenten Schecks gegen diese Depositen ausstellen. Daher resultieren die Finanzaktivitäten der Bank in einer ex nihilo Schaffung neuer Geldsummen (in der Form von Depositen), welche in Transaktionen genutzt werden. In der Tat sagt uns Molina ausdrücklich: Die meisten im Voraus abgemachten Transaktionen werden mittels unterschriebenen Dokumenten gemacht, denn es gibt nicht genug Geld, um zu erlauben, dass die unglaubliche Zahl der auf dem Markt angebotenen Güter in Bar bezahlt wird. Falls sie in Bar gezahlt werden müssten, könnten nicht so viele Geschäfte abgeschlossen werden8. Schließlich unterscheidet Molina scharf zwischen jenen Operation, welche eine Darlehensgewährung beinhalten, da die Zahlung der Schuld zeitlich verschoben wird, und jenen, welche in Bar mittels Scheck oder Bankeinlage durchgeführt werden. Er schließt: Wir müssen warnen, dass ein Gegenstand nicht als auf Kredit erworben angesehen werden kann, wenn der Preis von einem Bankkonto abgehoben wird. Das gilt sogar, wenn keine 6 7 8
Molina, Tratado sobre los cambios, S. 145. Ebenda, S. 146. Ebenda, S. 147; Hervorhebung hinzugefügt.
unmittelbare Bargeldzahlung gemacht wird; denn der Bankier wird die geschuldete Summe in Bar bezahlen, wenn der Markt vorbei ist, wenn nicht früher9. Juan de Lugo seinerseits folgt strikt Molina´s Lehre und Sicht, dass der monetäre Bankdepositenvertrag ein „unsicheres“ Darlehen bzw. Mutuum ist, welches der Bankier in seinen privaten Geschäften nutzen darf, so lange der Deponent dieses nicht beansprucht10. Molina und Lugo zeigen sich derart verwirrt hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen des Bankdepositenvertrags, dass sie tatsächlich behaupten, dass dieser für die beiden involvierten Parteien eine verschiedene rechtliche Natur hat (z.B. dass dieser simultan ein Depositum für den Deponent und ein Darlehen für den Bankier sein kann). Diese beiden Gelehrten sehen in dieser Auffassung keinen Widerspruch und geben sich im Hinblick auf die Geschäfte der Bankiers damit zufrieden, dass sie diese ermahnen „umsichtig“ zu handeln, so dass sie durch das Gesetz der großen Zahl immer genügend Liquidität haben, um die „gewöhnlichen“ Rückzahlungsforderungen erfüllen zu können. Sie erkennen nicht, dass ihr Standard von Umsichtigkeit kein objektives Kriterium ist, um adäquat die Handlungen der Bankiers zu leiten. Dieses Kriterium gewährleistet sicherlich nicht, dass die Bankiers jederzeit die bei ihnen hinterlegten Depositen zurückzahlen können und Molina und Lugo selbst stellen vorsichtig klar, dass Bankiers eine „moralische Sünde“ begehen, wenn sie die Gelder ihrer Deponenten spekulativ und unklug benutzen, sogar wenn die Handlungen gut enden und sie in der Lage sind das Geld ihrer Deponenten rechtzeitig zurückzuzahlen11. Weiterhin ist das Umsichtigkeitskriterium keine hinreichende Bedingung: ein Bankier mag sehr umsichtig sein, jedoch nicht für sich bietende Gelegenheiten aufmerksam, oder er mag sogar Pech haben im Geschäft, sodass, wenn der Zahlungszeitpunkt gekommen ist, er nicht über ausreichend Liquidität verfügt und die Depositen nicht zurückgeben kann12. Was ist unter diesen Gesichtspunkten dann ein annehmbarer Grad von Umsichtigkeit? Diese Frage besitzt eindeutig keine objektive Antwort, die als Leitfaden im Bankwesen dienen könnte. Des Weiteren ist, wie wir in früheren Kapiteln gesehen haben, das Gesetz der großen Zahl nicht auf das Teildeckungsbankwesen anwendbar, da die in derartigen Bankpraktiken involvierte Kreditausweitung zu wiederkehrenden Zyklen von 9 10
11 12
Ebenda, S. 149. Quare magis videntur pecuniam precario mutuo accipere, reddituri quotiscumque exigetur a deponente. Communiter tamen, pecunia illa interim negotiantur, et lucrantur, sine ad cambium dando, sine aliud negotiationis genus exercendo. Dies ist ein direktes Zitat von S. 406, Sektion 5, Nr. 60, „De Cambiis,“ von Lugo Hispalensis, Disputationum de iustitia et iure. Es war vielleicht Juan de Lugo, der am klarsten und genauesten dieses Prinzip zum Ausdruck brachte, wie wir in Fußnote 102 von Kapitel 2 gesehen haben. In anderen Worten vermag der Bankier reine bzw. echte unternehmerische Fehler begehen (diejenigen, die nicht durch das Gesetz der großen Zahl zu versichern sind). Die Fehler können ernsthafte unternehmerische Verluste zur Folge haben, unabhängig vom Grad der vom Bankier an den Tag gelegten Umsichtigkeit. Zum Konzept des „echten Fehlers“ vgl. Israel Kirzner, „Economics and Error;“ in Perception, Opportunity and Profit (Chicago: University of Chicago Press, 1979), Kapitel 8, S. 120-36.
Aufschwung und Rezession führt, welche unweigerlich den Bankiers Schwierigkeiten bereiten. In der Tat schafft das Bankgeschäft selbst die Liquiditätskrisen und so die verbreitete Insolvenz der Banken. In jedem Falle ist es sehr wahrscheinlich, dass die Bank, wenn die Krise zuschlägt, nicht zahlungsfähig sein wird, d.h. dass sie ihre Zahlungen einstellen wird. Sogar wenn letztlich alle Gläubiger ausreichend Glück haben, um ihr Geld zu erhalten, kann dies unter den besten Umständen nur nach einem langem Liquidationsprozess geschehen, in welchem die Rolle der Deponenten geändert wird. Sie verlieren die unmittelbare Verfügbarkeit ihres Geldes und werden zu Zwangskreditgebern, denen keine andere Wahl bleibt, als den Abzug ihrer Depositen aufzuschieben, bis die Liquidation vorüber ist. Tomás de Mercado war unzweifelhaft von obigen Betrachtungen motiviert, als er betonte, dass Molina und Lugo´s Umsichtigkeitsprinzip ein Anspruch war, welches keine Bank in der Praxis erfüllte. Es scheint, als ob Tomás de Mercado sich bewusst war, dass ein derartiges Prinzip keinen praktischen Leitfaden zur Garantie der Banksolvenz ausmachte. Wenn dieses Prinzip, weiterhin, ineffektiv für das Ziel der Erhaltung der Solvenz und Liquidität ist, wird das Teildeckungsbankensystem nicht in der Lage sein, seine Verpflichtungen zu jeder Zeit zu erfüllen. Zwei jesuitische Volkswirtschaftler haben jüngst die scholastische Banklehre untersucht; einer tat dies aus der Sicht der Banking Schule, der andere aus der Sicht der Currency Schule. Der erste ist der spanische Jesuit Francisco Belda; Verfasser des interessanten Aufsatzes „Ética de la creación de créditos según la doctrina de Molina, Lesio y Lugo“ [„Die Ethik des Kreditschaffung nach der Doktrin von Molina, Lesio und Lugo“].13 In der Tat erscheint Pater Belda folgendes als offensichtlich: Es kann aus Molina´s Beschreibung geschlossen werden, dass es im Fall der Bankiers zu einer echten Kreditschaffung kommt. Die Intervention der Banken hat zur Schaffung von neuer Kaufkraft geführt, die zuvor nicht existent war. Dasselbe Geld wird simultan zweimal benutzt; die Bank benutzt es in ihrer Geschäftstätigkeit und der Deponent benutzt es auch. Das Gesamtergebnis ist, dass die zirkulierende Tauschmittelmenge ein vielfaches des realen anfänglichen Bargeldbetrages ist, und dass die Bank von diesen Operationen profitiert. Weiterhin glaubt Molina laut Belda: Banken können in vernünftiger Weise mit den Depositen ihrer Kunden Geschäfte machen, 13
Veröffentlicht in Pensamiento, eine vierteljährliche Zeitschrift mit philosophischer Forschung und Information, veröffentlicht von der philosophischen Fakultät der Compañia de Jesús en España 73, Nr. 19 (Januar-März 1963): 53-89.
so lange sie dies umsichtig tun und nicht riskieren, ihre eigenen Verpflichtungen zeitgemäß zu erfüllen14. Belda fügt hinzu, dass Juan de Lugo eine gründliche Beschreibung der Praktiken der Geldwechsler und Bankiers [anbietet]. Hier finden wir eine explizite Billigung der Kreditschaffung, obgleich nicht in der formalen Erscheinung des geschaffenen Kredits. Banken machen mit den Depositen ihrer Kunden Geschäfte. Gleichzeitig geben diese Kunden nicht den Gebrauch ihres eigenen Geldes auf. Banken expandieren die Zahlungsmittel durch Darlehen, das Diskontieren von Wechseln und andere ökonomische Aktivitäten, die sie mit dem Geld dritter ausführen. Das Endergebnis ist, dass die Kaufkraft im Markt viel höher ist als jene, welche durch die Bargelddepositen repräsentiert werden, welche diese Zahlungsmittel entstehen ließen15. Belda kommt offensichtlich zu dem richtigen Schluss, dass unter allen scholastischen Banklehren, Molina und Lugo dem Bankwesen am Wohlwollendsten gegenüberstehen. Nichtsdestoweniger müssen wir Pater Belda für die fehlende Erklärung der Positionen der anderen Mitglieder der Schule von Salamanca, z.B. Tomás de Mercado, und vor allem Martín de Azpilcueta und Saravia de la Calle kritisieren. Wie wir wissen waren diese Gelehrte viel strengere und kritischere Einschätzer der Institution des Bankwesens. Außerdem basiert Belda seine Analyse von Molina und Lugo auf eine keynesianische Sicht der Ökonomie; eine Perspektive, die nicht nur alle abträglichen Effekte, welche die Kreditausweitung auf die Produktionsstruktur ausübt, ignoriert, sondern gar derartige Praktiken als höchst nützlich präsentiert, weil sie die „effektive Nachfrage“ und das Nationaleinkommen erhöhen. Mithin übernimmt Belda die Sicht der keynesiansichen Schule und Banking Schule und analysiert nur die Beiträge derjenigen Mitglieder der Schule von Salamanca, welche am wenigsten strikt gegenüber der juristischen Rechtfertigung der monetären Bankdepositen eingestellt sind und, daher, am ehesten dazu geneigt, das Teildeckungsbankwesen zu verteidigen. Nichtsdestoweniger ist ein weiterer prominenter Jesuit, Pater Bernard W. Dempsey, der Autor einer ökonomischen Abhandlung mit dem Titel Interest and Usury16, in der er auch die Position der Mitglieder der Schule von Salamanca zum Bankgeschäft untersucht.
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Belda, S. 63 und 69. Ebenda, S. 87. Belda bezieht sich auf Juan de Lugo, Disputationum de iustitia et iure, Bd. 2, Provision 28, Sektion 5, Nr. 60-62. Dempsey, Interest and Usury. Wir müssen notieren, dass Pater Belda tatsächlich intendierte, mit seinem Artikel eine keynesianische Kritik der von Pater Dempsey in diesem Buch präsentierten Ideen zu liefern. Unser Dank gilt Professor James Sadowsky von der Fordham University für die Bereitstellung einer Kopie von Dempsey´s Buch, welches nicht in Spanien zu finden war.
Pater Dempsey´s theoretisches Wissen zum Geld, Kapital und Zyklus dient ihm als Grundlage für seine Studie und stellt eine viel stabilere Basis dar als die, auf der Pater Belda baut17. Seltsamerweise entwickelt Dempsey seine These nicht mittels einer Analyse der Sicht jener Mitglieder, welche am Stärksten gegen das Bankwesen eingestellt waren (Saravia de la Calle, Martín de Azpilcueta, und Tomás de Mercado), sondern konzentriert sich vielmehr in seinen Schriften auf die dem Bankwesen am Wohlwollendsten gegenüberstehenden Vertreter (Luis de Molina, Juan de Lugo und Lesio). Dempsey nimmt eine Exegese der Werke dieser Autoren vor und schließt, dass das Teildeckungsbankwesen nicht einmal vom Standpunkt ihrer eigenen Lehre legitim wäre. Diese salamantinischen Autoren verteidigen bestimmte traditionelle Prinzipien hinsichtlich des Wuchers. Dempsey unterstützt seine Schlussfolgerung durch die Anwendung dieser Prinzipien auf das Bankwesen und seine ökonomischen Konsequenzen welche, obgleich sie in der Zeit dieser Scholastiker unbekannt waren, in den Theorien von Mises und Hayek aufgezeigt worden waren, d.h. bevor Dempsey seine Abhandlung verfasste. Obgleich wir in der Tat Molina´s und Lugo´s günstigere Behandlung des Bankwesens anerkennen müssen, sagt Demsey ausdrücklich, dass die von den Banken ex nihilo und unter ihrer Teildeckungstätigkeit geschaffenen Darlehen die Erzeugung von Kaufkraft beinhalten, welche nicht durch ein vorangehendes Sparen oder Opfer gedeckt ist. Als eine Folge wird einer großen Zahl von dritten Parteien beachtlicher Schaden zugefügt. Diese sehen die Kaufkraft ihrer Geldeinheiten fallen, was auf die inflationäre Expansion der Banken zurückzuführen ist18. Nach Dempsey verletzt diese ex nihilo Erzeugung von Kaufkraft, welche keinen vorherigen Verlust von Kaufkraft anderer Leute impliziert, die grundlegenden Rechtsprinzipien, welche Molina und Lugo selbst darlegen und ist in diesem Sinne zu tadeln. Genau schreibt Dempsey folgendes: We may conclude from this that a Scholastic of the seventeenth century viewing the modern monetary problems would readily favor a 100-percent reserve plan, or a time limit on the validity of money. A fixed money supply, or a supply altered only in accord with objective 17
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In seiner Einleitung zu Pater Dempsey´s Buch betont Schumpeter ausdrücklich Dempsey´s tiefes theoretisches Wissen und seine vollständige Vertrautheit mit den ökonomischen Theorien von Ludwig von Mises, Friedrich A. von Hayek, Wicksell, Keynes und anderen. Außerdem erwähnt Schumpeter in seinem monumentalen Werk, Die Geschichte der ökonomischen Analyse, Dempsey lobend. The credit expansion results in the depreciation of whatever circulating medium the bank deals in. Prices rise; the asset appreciates. The bank absolves its debt by paying out on the deposit a currency of lesser value. . . . No single person would be convicted by a Scholastic author of the sin of usury. But the process has operated usuriously; again we meet systematic or institutional usury. . . . The modern situation to which theorists have applied the concepts of diversion of natural and money interest, diversion of saving and investment, diversion of income disposition from tenable patterns by involuntary displacements, all these have a sufficient common ground with late medieval analysis to warrant the expression, “institutional usury,” for the movements heretofore described in the above expressions. (Dempsey, Interest and Usury, S. 225 und 227–28; Hervorhebung hinzugefügt) Kurzum wendet Depmsey einfach die von Juan de Mariana in seinem Werk, De Monetae Mutatione, entwickelte These auf das Bankwesen an.
and calculated criteria, is a necessary condition to a meaningful just price of money19. Dempsey insistiert, dass die Kreditausweitung der Banken die Kaufkraft des Geldes verringert und dass daher die Banken tendenziell Depositen in Geldeinheiten von zunehmend geringerer Kaufkraft zurückzahlen. Dies führt ihn zu dem Schluss, dass wenn die Vertreter der Schule von Salamanca über ein detailliertes, theoretisches Verständnis der Funktion und Implikationen des vom Teildeckungsbankwesen ausgelösten ökonomischen Prozesses verfügt hätten, dann hätten selbst Molina, Lesio, und Lugo es als einen gewaltigen, abträglichen und illegitimen Prozess institutionellen Wuchers verurteilt. Nachdem wir nun die wichtigsten Standpunkte der Vertreter der Schule von Salamanca in Bezug auf das Bankwesen analysiert haben, werden wir nun sehen, wie ihrer Ideen in späteren Jahrhunderten sowohl durch kontinentaleuropäische als auch angelsächsische Denker aufgenommen und weiterentwickelt wurden. DIE ANTWORT DER ENGLISCHSPRACHIGEN WELT AUF DIESE IDEEN ZUM BANKGELD Obgleich eine umfassende Analyse der Evolution der Geldtheorie von den Scholastikern bis zur englischen Klassik den Rahmen dieses Buches überschreiten würde20, ist es angebracht, dass wir kurz die Entwicklung der Ideen zum Teildeckungsbankwesen bis in die Zeit kommentieren, als die Kontroverse zwischen Banking und Currency Schule offiziell begann. Die bahnbrechenden monetären Ideen entwickelt von den Vertretern der Schule von Salamanca gewannen später die Unterstützung der Italiener Bernardo Davanzati21 und Geminiano Montanari, dessen Buch, La moneta, 1683 veröffentlicht wurde22. Obzwar der Einfluss dieses intellektuellen Trends in der Geldtheorie bald auf England übersprang, im Wesentlichen durch die Werke William Petty´s (1623-1687)23, John Locke (1632-1704)24, und anderen, müssen wir bis auf die Beiträge
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Dempsey, Interest and Usury, S. 210. Eine brillante und präzise Zusammenfassung dieser Evolution in der Geldtheorie erscheint mit dem Titel „English Monetary Policy and the Bullion Debate,“ in den Kapiteln 9-14 (Teil 3) von Bd. 3 von F.A. Hayek´s The Collected Works. Vgl. zudem D. P. O´Brien, The Classical Economists (Oxford: Oxford University Press, 1975), Kapitel 6; und Rothbard, Classical Economics, Kapitel 5 und 6. Eine englische Übersetzung von Davanzati´s Buch mit dem Titel A Discourse upon Coins wurde 1696 veröffentlicht (London: J.D. and J. Churchill, 1696). Montinari´s Buch trug ursprünglich den Titel La zecca in consulta di stato und wurde neu aufgelegt als La moneta in Scrittori classici italiani di economía política (Milan: G. Destefanis, 1804), vol. 3. Vgl. Sir William Petty´s Quantulumcumque Concerning Money, 1682, in The Economic Writings of Sir William Petty (New York: Augustus M. Kelley, 1964), Bd. 1, S. 437-48. Locke´s geldtheoretische Schriften beinhalten „Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, and Raising the Value of Money“ (London: Awnsham and John Churchill, 1692) und sein „Further Considerations Concerning Raising the Value of Money“ (London: Anwsham and John Churchill, 1695). Beide Werke sind in The Works of John Locke, 12. Aufl. (London: C. and J. Rivington, 1824), Bd. 4 und auch in Several Papers Relating to Money, Interest, and Trade, Etcetera (New York: Augustus M. Kelly, 1968) neu aufgelegt worden. Locke führte als erster in England die Idee ein, dass der Wert der Geldeinheit letztlich durch die umlaufende Geldmenge bestimmt wird.
von John Law, Richard Cantillon und David Hume warten, um ausdrückliche Referenzen zu jener Problematik zu finden, welche die Ausübung einer Teildeckung auf die Gebiet des Geldes und die reale Produktionsstruktur hat. Wir haben John Law (1671-1729) bereit an anderer Stelle in diesem Buch erwähnt: in Kapitel 2 stellten wir seine ungewöhnliche Persönlichkeit als auch seine utopischen und inflationistischen Vorschläge zum Geldwesen heraus. Obgleich er einige wertvolle, originelle Beiträge machte, so wie seine Opposition gegenüber Locke´s nominalistischer und auf Konvention begründeter Theorie des Ursprung des Geldes25, findet sich bei John Law auch der erste Versuch der falschen und beliebten Idee, dass eine Wachstum der umlaufenden Geldmengen immer die wirtschaftliche Aktivität stimuliert, einen äußeren Anstrich theoretischen Ansehens zu geben. In der Tat leitet Law von der richtigen Anfangsprämisse, dass Geld als ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel den Handel antreibt und die Arbeitsteilung fördert, den falschen Schluss ab, dass je größer die umlaufende Geldmenge ist, desto größer die Zahl der Transaktionen und desto höher der Level der wirtschaftlichen Aktivität ist. Daraus folgt ein weiter schwerwiegender Fehler in seiner Lehre, nämlich der Glaube, das Geldangebot müsse jederzeit seiner „Nachfrage“ entsprechen, bzw. genauer ausgedrückt, das Geldangebot müsse der Einwohnerzahl und dem Level der wirtschaftlichen Aktivität entsprechen. Dies impliziert, dass außer wenn die umlaufende Geldmenge mit der wirtschaftlichen Aktivität Schritt hält, letztere fallen und die Arbeitslosigkeit steigen wird26. Diese Theorie von Law, die später von Hume und den Geldtheoretikern der Österreichischen Schule diskreditiert wurde, hat in der einen oder anderen Form bis in die Gegenwart überlebt; nicht nur durch die Werke der Gelehrten der Banking Schule des neunzehnten Jahrhunderts, sondern auch durch viele moderne Monetaristen und Keynesianer. Kurzum schreibt Law Schottlands geringen Level wirtschaftlicher Aktivität zu seiner Zeit der „reduzierten“ Geldmenge zu und führt damit die Ideen der Merkantilisten zu ihrem logischen Schluss. Aus diesem Grund behauptet Law, dass das primäre Ziel jeder Wirtschaftspolitik ein Anstieg der umlaufenden Geldmenge sein muss, ein Ziel, welches er 1705 durch die Einführung von Papiergeld, gedeckt durch den seiner Zeit wichtigsten realen Vermögenswert – Boden -, zu erreichen suchte27. Wir werden hier weder bei den Details des inflationären Booms verweilen, welchen Law´s Vorschlag im achtzehnten Jahrhundert in Frankreich erzeugte, noch bei den Einzelheiten des Zusammenbruchs 25 26
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Wir erinnern daran, dass Carl Menger zu folge Law der erste war, der korrekt die evolutionäre Theorie des Ursprung des Geldes formulierte. Vgl. John Law, Money and Trade Considered: With a Proposal for Supplying the Nation with Money (Edinburgh: A. Anderson, 1705; New York: Augustus M. Kelley, 1966). In Law’s eigenen Worten: The quantity of money in a State must be adjusted to the number of its inhabitants. . . . One million can create employment for only a limited number of persons . . . a larger amount of money can create employment for more people than a smaller amount, and each reduction in the money supply lowers the employment level to the same extent. (Zitiert nach Hayek in “First Paper Money in Eighteenth-Century France,” Kapitel 10 von The Trend of Economic Thinking, S. 158) Vgl. John Law´s Essay on a Land Bank, Antoin E. Murphy, Hrsg. (Dublin: Aeon Publishing, 1994).
seines gesamten Systems, welcher dieser Nation großen sozialen und wirtschaftlichen Schafen zufügte. Ein Zeitgenosse von John Law war sein Bankierskollege Richard Cantillon (ca. 1680-1734), dessen Leben und Abenteuer wir bereits behandelt haben. Cantillon, ebenfalls Spekulant und Bankier, war mit großem Verständnis für die theoretische Analyse ausgestattet. Er schrieb eine äußerst wichtige Studie zum Einfluss des Anstiegs der zirkulierenden Geldmenge auf die Preise. Dieser Einfluss wird zunächst bei den Preisen bestimmter Güter und Dienstleistungen offensichtlich und dehnt sich dann graduell durch das gesamte Wirtschaftssystem aus. Daher argumentierte Cantillon, wie es Hume später machen würde, dass Veränderungen in der Geldmenge in erster Linie die relative Preisstruktur und weniger bedeutsam das allgemeine Preisniveau beeinflussen. Cantillon, zunächst und zuvorderst Bankier, rechtfertigte das Teildeckungsbankwesen und seinen eigennützigen Gebrauch allen Geldes und der Wertpapiere, welche seine Kunden ihm als irreguläres Depositum vertretbarer voneinander ununterscheidbarer Güter anvertraut hatten. In der Tat enthält Kapitel 6 („Des Banques, et de leur credit“ [Über Banken und ihren Kredit]) des dritten Teils seines bemerkenswerten Werks, Essai sur la nature du commerce en général [Abhandlung über die Natur des Handels im allgemeinen], die erste theoretische Analyse des Teildeckungsbankwesens. In dieser rechtfertigt Canillon nicht nur die Institution, sondern kommt zudem zum Schluss, dass Banken unter normalen Bedingungen ihr Geschäft mit einer 10-prozentigen Bargeldreserve reibungslos betreiben können. Cantillon schreibt: Wenn ein Privatmann tausend Unzen einem anderen zu bezahlen hat, wird er ihm die Note des Bankiers für diese Summe in Zahlung geben, dieser andere wird das Geld vielleicht nicht vom Bankier verlangen, er wird die Note behalten und sie bei Gelegenheit einem Dritten als Zahlung geben und diese Note wird bei großen Zahlungen durch mehrere Hände laufen können, ohne daß lange Zeit hindurch das Geld vom Bankier verlangt würde. Nur jemand, der kein vollkommenes Vertrauen diesem gegenüber hat, oder jemand, der verschiedene kleine Summen zu bezahlen hat, wird den Betrag dafür verlangen. In diesem ersten Beispiel beläuft sich die Kasse eines Bankiers nur auf den zehnten Teil seines Geschäftes.” (Hervorhebung hinzugefügt)28
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Si un particulier a mille onces à païer à un autre, il lui donnera en paiement le billet du Banquier pour cette somme: cet autre n’ira pas peut-être demander l’argent au Banquier; il gardera le billet et le donnera dans l’occasion à un troisième en paiement, et ce billet pourra passer dans plusieurs mains dans les gros paiements, sans qu’on en aille de long-temps demander l’argent au banquier: il n’y aura que quelqu’un qui n’y a pas une parfaite confiance, ou quelqu’un qui a plusieurs petites sommes à païer qui en demandera le montant. Dans ce premier exemple la caisse d’un Banquier ne fait que la dixième par- tie de son commerce. (Cantillon, Essai sur la nature du commerce en général, S. 399–400). In der zitierten deutschen Ausgabe ist der Ausschnitt auf S. 192 zu finden. Cantillon macht offensichtlich die gleiche Beobachtung wie die Gelehrten der Schule von Salamanca fast zwei Jahrhunderte zuvor im Hinblick auf die Bankiers in Sevilla und in anderen Städten. Weil diese Bankiers sich des Vertrauens der Öffentlichkeit erfreuten, konnten sie ihre Geschäfte reibungslos führen, in dem sie nur einen geringen Teil in Bar vor hielten, um die laufenden Zahlungen zu erfüllen. Und was noch bedeutender ist erhöht die Darlehensausweitung durch Depositen die Geldmenge und schafft „Verwirrung“ (S. 197-200).
Nach Cantillon und abgesehen von einigen interessanten geldtheoretischen Untersuchungen von Turgot, Montesquieu und Galiani29, tauchen keine bedeutenden Referenzen zum Bankwesen auf, bis schließlich Hume seine grundlegenden Beiträge macht. David Hume´s (1711-1776) Behandlung der Geldprobleme sind in drei kurzen jedoch umfassenden und erhellenden Essays mit den Titeln „Of Money,“ „Of Interest“, und „Of the Balance of Trade“ enthalten30. Hume verdient besondere Anerkennung für seine erfolgreiche Widerlegung von John Law´s merkantilistischen Trugschlüssen, in dem er zeigte, dass die im Umlauf befindliche Geldmenge irrelevant für die Wirtschaftsaktivität ist. In der Tat argumentiert Hume, dass das Volumen der umlaufenden Geldmenge unwichtig ist und letztlich nur den Trend der nominal Preise beeinflusst, wie es von der Quantitätstheorie des Geldes festgestellt wird. Um Hume zu zitieren: „The greater or less plenty of money is of no consequence; since the prices of commodities are always proportioned to the plenty of money.“31 Nichtsdestoweniger hindert Hume´s unqualifizierte Bestätigung, dass die Geldmenge belanglos ist, ihn nicht daran zu erkennen, dass Anstiege und Rückgänge der umlaufenden Geldmenge einen wichtigen Effekt auf die wirtschaftliche Aktivität ausüben. Denn diese Veränderungen beeinflussen immer primär die Struktur der relativen Preisen, und nur sekundär das „allgemeine“ Preisniveau. In der Tat werden bestimmte Geschäftsleute immer als erste das neue Geld erhalten (bzw. einen Abfall ihrer Verkäufe als Resultat eines Geldmengenrückgangs erfahren), und damit beginnt der künstliche Aufschwungsprozess (bzw. Rezessionsprozess) mit weitreichenden Konsequenzen für die wirtschaftliche Aktivität. Hume schreibt: In my opinion, it is only in this interval or intermediate situation, between the acquisition of money and rise of prices that the encreasing quantity of gold and silver is favourable to industry.32 Obgleich Hume nicht über eine Kapitaltheorie verfügt, die ihm zeigte, wie künstliche Geldmengenanstiege die Produktionsstruktur beschädigen und eine Rezession auslösen - der
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Ferdinando Galiani folgt den Fußstapfen von Davanzati und Montanari. Seine Schriften beinhaltet in Della moneta sind sogar auf einem Niveau mit den Werken Cantillon´s und Hume´s. Diese Essays sind in herrlichen Ausgaben durch Liberty Classics neu aufgelegt worden. Vgl. Hume, Essays: Moral, Political and Literary, S. 281-327. Vgl. „Of Money,“ ebenda, S. 281. Noch heute entgeht diese grundlegende Einsicht Hume´s einigen hoch ausgezeichneten Ökonomen wie aus der folgenden Behauptung von Luis Ángel Rojo deutlich wird: Aus sozialer Sicht sollten die realen Kassenvorräte, die von der Öffentlichkeit gehalten werden, auf einem Level sein, auf dem die soziale Grenzproduktivität des Geldes gleich den sozialen Grenzproduktionskosten ist – diese sind in einer modernen Volkswirtschaft sehr niedrig. Aus privater Sicht wird der Gesamtbesitz an realen Kassenvorräten ein Level erreichen, auf dem ihre private Grenzproduktivität – welche wir aus Gründen der Vereinfachung als gleich der sozialen Grenzproduktivität annehmen – gleich den privaten Opportunitätskosten für das Halten von Reichtum in Geldform ist. Da die Öffentlichkeit basierend auf persönlichen Standards beschließen wird, welches Volumen an realen Kassenvorräten sie halten will, wird der tatsächlich gehaltenen Betrag tendenziell geringer sein als jener, der aus sozialer Sicht ideal wäre. (Luis Ángel Rojo, Renta, precios y balanza de pagos [Madrid: Alianza Universidad, 1976], S. 421-22. Hume, Essays, S. 286.
unvermeidbare Umschwung der anfänglich expansiven Effekte dieses Geldmengenanstiegs – ahnt er auf korrekte Weise den Prozessablauf und bezweifelt, dass ein Anstieg der Kreditausweitung und der Papiergeldemission irgendwelche langfristigen wirtschaftlichen Vorteile bietet: „This has made me entertain a doubt concerning the benefit of banks and paper-credit, which are so generally esteemed advantageous to every nation.“33 Aus diesem Grund verurteilt Hume die Kreditausweitung im Allgemeinen und das Teildeckungsbankwesen im Besonderen und befürwortet eine strikte 100-prozentige Reservedeckung im Bankwesen – wie wir es in Kapitel 2 sahen. Hume schliesst: [T]o endeavour artificially to encrease such a credit, can never be the interest of any trading nation; but must lay them under disadvantages, by encreasing money beyond its natural proportion to labour and commodities, and thereby heightening their price to the merchant and manufacturer. And in this view, it must be allowed, that no bank could be more advantageous, than such a one as locked up all the money it received [dies war bei der Bank von Amsterdam der Fall], and never augmented the circulating coin, as is usual, by returning part of its treasure into commerce.34 Von gleichem Wert ist Hume´s Essay „Of Interest“, der in seiner Gänze der Kritik der merkantilistischen (heute keynesianischen) Vorstellung gewidmet ist, dass eine Verbindung zwischen der Geldmenge und dem Zinssatz bestünde. Hume´s Argumentation folgt: For suppose, that, by miracle, every man in GREAT BRITAIN should have five pounds slipt into his pocket in one night; this would much more than double the whole money that is at present in the kingdom; yet there would not next day, not for some time, be any more lenders, nor any variation in the interest.35 Hume zufolge ist der Einfluss des Geldes auf den Zinssatz nur vorübergehend (d.h. kurzfristig), wenn die Geldmenge durch die Kreditausweitung vermehrt und ein Prozess angestoßen wird, der, sobald er beendet ist, den Zinssatz veranlasst auf seine vorherigen Höhe zurückzukommen: The encrease of lenders above the borrowers sinks the interest; and so much the faster, if those, who have acquired those large sums, find no industry or commerce in the state, and no method of employing their money but by lending it at interest. But after this new mass of gold and silver has been digested, and has circulated through the whole state, affairs will soon return to their former situation; while the land-lords and new money-holders, living idly, squander above their income; and the former daily contract debt, and the latter encroach on their stock till its final extinction. The whole money may still be in the state, and make 33 34 35
Ebenda, S. 284; Hervorhebung hinzugefügt. Ebenda, S. 284-54. Hume, „Of Interest,“ Essays, S. 299.
itself felt by the encrease of prices: But not being now collected into any large masses or stocks, the disproportion between the borrowers and lenders is the same as formerly, and consequently the high interest returns.36 Hume´s zwei kurze Essays stellen eine äußerst präzise und korrekte ökonomische Analyse dar. Wir dürfen uns fragen, wie anders die ökonomische Theorie und die soziale Realität verlaufen wären, wenn Keynes und andere ähnliche Autoren von Anfang an diese wichtigen Beiträge Hume´s gelesen und verstanden hätten, und so gegen die überholten merkantilistischen Ideen, welche von Zeit zu Zeit wieder auftauchen und eine neue Akzeptanz erringen, immun gewesen wären37. Verglichen mit Hume müssen Adam Smith´s Beiträge im Großen und Ganzen als ein klarer Rückschritt bezeichnet werden. Smith bringt nicht nur eine weitaus positiverer Meinung zum Papiergeld und Bankkredit zum Ausdruck, er unterstützt auch offen das Teildeckungsbankenwesen. In der Tat behauptet Smith: What a bank can with propriety advance to a merchant or undertaker of any kind, is not, either the whole capital with which he trades, or even any considerable part of that capital; but that part of it only, which he would otherwise be obliged to keep by him unemployed, and in ready money for answering occasional demands.38 Die einzige Begrenzung, die Smith der Darlehensgewährung gegen Sichteinlagen setzt, ist, dass die Banken die Depositen „umsichtig“ nutzen müssen. Denn wenn sie die Vorsicht fallen lassen, verlieren sie das Vertrauen ihrer Kunden und gehen bankrott. So wie es bei den salamantinischen Scholastikern (Molina und Lugo), deren Sicht der der Banking Schule am nächsten war, der Fall war, definiert Smith an keiner Stelle sein Kriterium der „Umsichtigkeit“. Außerdem versteht er nicht die verheerenden Effekte, welche eine vorübergehende Kreditausweitung (über das Niveau der freiwilligen Ersparnisse hinaus) auf die Produktionsstruktur ausübt.39
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Ebenda, S. 305-06. Hayek hat auf die überraschenden Wissenslücken von Keynes hinsichtlich der Geschichte der monetären Wirtschaftstheorie im England des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts verwiesen und gemeint, dass, wenn Keynes´ Wissen umfassender gewesen wäre, uns vieles von der rückläufigen Entwicklung, welche die keynesianische Lehre präsentiert, erspart geblieben wäre. Vgl. Hayek, „The Campaign against Keynesian Inflation,“ in New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas, S. 231. Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Bd. 1, S. 304; Hervorhebung hinzugefügt. Zur Entwicklung der Smithschen Ideen zum Bankwesen vgl. James Al Gherity, „The Evolution of Adam Smith´s Theory of Banking,“ History of Political Economy 26, Nr. 3 (Herbst, 1994): 423-441. Edwin G. West hat darauf verwiesen, dass Perlman glaubt, dass Smith sich der Probleme der Kreditausweitung über das Maß der freiwilligen Ersparnisse hinaus bewusst war, obzwar Smith nicht in der Lage war, den Widerspruch zwischen seiner wohlwollenden Behandlung des Teildeckungsbankwesens und seiner stichhaltigen These, dass nur Investitionen, die durch freiwillige Ersparnisse finanziert sind für die Volkswirtschaft zuträglich sind, zu lösen. Vgl. Edwing G. West, Adam Smith and Modern Economics: From Market Behaviour to Public Choice (Aldershot, U.K.: Edward Elgar, 1990), S. 67-69. Pedro Schwartz erwähnt, dass „Adam Smith seine Gedanken zum Kredit und Geldthemen nicht so klar ausdrückte, wie es Hume tat“ und dass, in der Tat, „ er verschiedene seiner Anhänger auf die falsche Spur führte...indem er nicht immer seine institutionellen Annahmen offenbarte.“ Pedro Schwartz zeigt zudem, dass Adam Smith viel weniger über Banken und Papiergeld wusste als James Steuart und schreibt gar:
Nach Adam Smith sind Henry Thornton und David Ricardo die wichtigsten Denker, die über Bankaktivitäten geschrieben haben. Thornton, ein Bankier, veröffentlichte 1802 ein bemerkenswertes Buch zur Geldtheorie mit dem Titel An Inquiry into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain40. Thornton bot darin eine sehr genaue Analyse der Effekte, welche die Kreditausweitung auf die Preise in den verschiedenen Stufen der Produktionsstruktur erzeugt. Er vermutete sogar, dass wenn immer die Zinssätze der Banken niedriger sind als die „durchschnittliche Gewinnrate“ der Unternehmen, es zu einem unangemessenen Anstieg in der Emission von Wechseln kommt sowie eine Inflation und auf lange Sicht eine Rezession angestoßen werden. Thornton´s Intuition nahm nicht nur Wicksell´s Theorie des natürlichen Zinssatzes vorweg, sondern auch einen Großteil der Österreichischen Konjunkturtheorie41. Nach Thornton´s ist das bemerkenswerte Werk von David Ricardo produziert worden, dessen Misstrauen gegenüber Banken dem von Hume entspricht. Ricardo mag als der offizielle Vater der englischen Currency Schule betrachtet werden. In der Tat missbilligte Ricardo aufs äußerste den Missbrauch, den Bankiers in seinen Tagen begingen und ärgerte sich besonders über den Schaden, welcher der Unter- und Mittelschicht zugefügt wurde, wenn Banken nicht in der Lage waren, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Er erachtete dieses Phänomen als das Ergebnis von Banksünden und obzwar er nicht die genaue Entwicklung der Österreichischen oder Zirkulationskredittheorie des Konjunkturzyklus antizipierte, verstand er zumindest, dass die künstlichen Expansions- und Depressionsprozesse durch bestimmte Bankpraktiken verursacht wurden; nämlich durch die ungehinderte Papiergeldemission, welche nicht durch Bargeld gedeckt ist, und die Injektion dieses Geldes in die Wirtschaft mittels Kreditausweitung42. Im folgenden Abschnitt werden wir detailliert die Schlüssenprinzipien der Currency Schule beginnend mit Ricardo als auch die Hauptthesen der Banking Schule untersuchen.43
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„Einige der Kriterien in Smith´s Präsentation mögen aus der Lektüre von Steuart´s Buch, Political Economy, stammen.“ Vgl. den Artikel von Pedro Schwartz,“ El monopolio del banco central en la historia del pensamiento económica: un siglo de miopía en Inglaterra,“ veröffentlicht in Homenaje a Lucas Beltrán (Madrid: Editorial Moneda y Crédito, 1982), S. 696. Vgl. F.A. Hayek´s Ausgabe dieses Buches und seine Einleitung ( New York: Augustus M. Kelley. 1978). Hayek, The Trend of Economic Thinking, S. 194-195. Schwartz, „El monopolio del banco central en la historia del pensamiento económicco: un siglo de miopío en Inglaterra,“ S. 712. Ricardo Hauptbeiträge zum Bankenthema erscheinen in seinem bekannten Buch Proposals for an Economical and Secure Currency (1816), welches erneut aufgelegt wurde in The Works and Correspondence of David Ricardo, Piero Sraffa, Hrsg. (Cambridge: Cambridge University Press, 1951-1973) Bd. 4, S. 34-106. Ricardo´s Bankkritik ist unter anderen Dokumenten in einem Brief zu finden, den er Malthus am 10. September 1815 schrieb. Dieser Brief befindet sich in Band 4 von The Works, hrsg. von Sraffa, S. 177. Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass Ricardo niemals einer Regierung geraten hätte, die Parität ihrer abgewerteten Währung auf dem Vorabwertungslevel wiederherzustellen, wie klar aus seinem Brief an John Wheatley am 18. September 1821 (beinhaltet in Band 9 von The Works, S. 71-74) hervorgeht. Hayek selbst schrieb 1975: I ask myself often how different the economic history of the world might have been if in the discussion of the years preceding 1925 one English economist had remembered and pointed out this long-before published passage in one of Ricardo’s letters. (Hayek, New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas, S. 199) In der Tat war dieser fatale Fehler, der sich in dem britischen Nachkriegsversuch zum Goldstandard, der während
DIE KONTROVERSE ZWISCHEN DER CURRENCY SCHULE UND DER BANKING SCHULE Die beliebten Argumente, welche die Verteidiger des Teildeckungsbankwesen seit den Tagen der Schule von Salamanca hervorbrachten, verbreiteten sich immer weiter und wurden in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in England systematisiert, was den Bemühungen der sogenannten Banking Schule zu verdanken ist.44 In dieser Periode formte sich eine beachtliche Gruppe von Gelehrten (Parnell, Wilson, MacLeod, Tooke, Fullarton, etc.) und sammelte und systematisierte die drei Haupttheoreme der Banking Schule, nämlich: (a) dass das Teildeckungsbankwesen juristisch gerechtfertigt und für die Wirtschaft äußerst zuträglich ist; (b) dass das ideale Geldsystem eines ist, welches die Ausweitung der Geldmenge nach den „Erfordernissen des Handels“ (needs of trade) erlaubt, und besonders die Anpassung an das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum ermöglicht (dies ist die ursprünglich von John Law entwickelte Idee); und (c) dass das Teildeckungsbankwesen durch Kreditausweitung und die Emission von nicht durch Warengeld gedeckten Banknoten einen Anstieg in der Geldmenge erlaubt, welcher die „Erfordernisse des Handels“ befriedigt ohne inflationäre Effekte und Verzerrungen der Produktionsstruktur zu erzeugen. John Fullarton (ca. 1780-1849) war unzweifelhaft das prominenteste Mitglied der Banking Schule. Er war unter den überzeugendsten Autoren der Schule und veröffentlichte 1844 das weit gelesene Buch mit dem Titel On the Regulation of Currencies45. In diesem Werk stellt er sein Rückstromgesetz von Banknoten und Kredit vor, das noch berühmt werden sollte. Nach Fullarton
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des Ersten Weltkriegs suspendiert worden war, zurückzukehren und dabei das Pfund auf seinem vorherigen Wert wieder herzustellen, obgleich dieser Wert durch die Kriegsinflation verringert worden war, bereits in einer bemerkenswert ähnlichen Situation (nach den Napoleonischen Kriegen) durch David Ricardo 100 Jahre zuvor enthüllt worden. Ricardo schrieb zu dieser Zeit, dass er never should advise a government to restore a currency which had been depreciated 30 percent to par; I should recommend, as you propose, but not in the same manner, that the currency should be fixed at the depreciated value by lowering the standard, and that no farther deviations should take place. (David Ricardo, im oben erwähnten Brief an John Wheatley vom 19. September 1821 in beinhaltet in The Works and Correspondence of David Ricardo, hrsg. von Sraffa, Bd. 9, S. 73; vgl. zudem Kapitel 6, Fußnote 46. Tatsächlich waren die Hauptlehren der Banking Schule zumindest in embryonaler Form bereits von den Gelehrten der Anti-Bullionist Schule im 18. Jahrhundert in England aufgestellt worden. Vgl. Kapitel 5 („The Early Bullionist Controversy“) aus Rothbard´s Buch, Classical Economics (Aldershot, U.K.: Edward Elgar 1995), S. 159-274; und Hayek, The Trend of Economic Thinking, Bd. 3, Kapitel 9-14. John Fullarton, On the Regulation of Currencies, being an examination of the principles on which it is proposed to restrict, within certain fixed limits, the future issues on credit of the Bank of England and of the other banking establishments throughout the country (London: John Murray, 1844; 2. überarb. Aufl., 1845). Fullarton´s Rückstromgesetz (“law of reflux”) erscheint auf S. 64 des Buches. In Kontinentaleuropa popularisierte Adolph Wagner (1835-1917) Fullarton´s Version des inflationären Credos der Banking Schule. John Fullarton war Chirurg, Verleger, rastloser Reisender, und zudem Bankier. Zum Einfluss, den Fullarton auf derart verschiedene Autoren wie Marx, Keynes, und Rudolph Hilferding hatte, vgl. Roy Green´s Aufsatz in The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Bd. 2, S. 433-434.
bringt eine Kreditausweitung in Form von Banknoten durch ein Teildeckungsbankensystem keine Inflationsgefahr mit sich, weil die von den Banken emittierten Noten in das Wirtschaftssystem als Darlehen injiziert werden und nicht mittels direkter Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen. Somit, argumentiert Fullarton, werden, wenn die Wirtschaft mehr Zahlungsmittel „braucht“, mehr Darlehen nachgefragt und wenn sie weniger braucht, werden die Darlehen zurückgezahlt und fließen an die Banken zurück. Daher hat die Kreditausweitung überhaupt keine negative Wirkung auf die Wirtschaft. Diese Lehre wurde sehr populär, obgleich sie einen klaren Rückschritt im Vergleich mit den durch Hume und anderen bereits in der Geldtheorie erzielten Fortschritten darstellt. Nichtsdestoweniger gewann diese Theorie die unerwartete Unterstützung selbst eines John Stuart Mills, der schließlich im Großen und Ganzen Fullarton´s Theorien zu diesem Thema unterstützte. Wir haben bereits ausführlich erklärt, warum die fundamentalen Prinzipien der Banking Schule von Grund auf unsolide sind. Nur die Unkenntnis des einfachsten Basiswissens von Geld- und Kapitaltheorie mag die inflationistischen Irrlehren dieser Schule etwas glaubwürdig erscheinen lassen. Der Hauptfehler des Fullartonschen Rückstromgesetzes liegt in dem Nichtverstehen der Natur von Zirkulationskrediten. Wir wissen, dass wenn eine Bank einen Wechsel diskontiert oder eine Darlehen gewährt, sie Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter tauscht. Da die Banken, welche den Kredit ausweiten, Gegenwartsgüter ex nihilo schaffen, wäre eine natürliche Grenze für das Volumen an Umlaufsmitteln, welches das Bankensystem schaffen könnte, nur unter einer Bedingung vorstellbar: wenn die Menge der auf dem Markt im Tausch für Bankdarlehen angebotenen Zukunftsgüter in irgendeiner Weise beschränkt wäre. Dies ist jedoch, wie Mises eloquent festgestellt hat, niemals der Fall.46 In der Tat können die Banken den Kredit ohne Limit ausweiten, indem sie einfach den Zinssatz reduzieren, den sie für die korrespondieren Darlehen verlangen. Weiterhin gibt es kein Limit für die Kreditausweitung, weil die Darlehensempfänger sich dazu verpflichten am Ende einer gewissen Zeitperiode eine größere Menge an Geldeinheiten zurückzuzahlen. Tatsächlich können Darlehensnehmer ihre Darlehen mit neuen Geldeinheiten zurückzahlen, welche das Bankensystem selbst in der Zukunft ex nihilo schafft. Wie Mises es ausdrückt: „[Fullarton] übersieht jedoch dabei, daß der Schuldner die für die Rückzahlung der Darlehenssumme erforderliche Umlaufsmittelmenge sich auch durch Aufnahme eines neuen Darlehens verschafft haben kann.”47 Obgleich die monetären Theorien der Banking Schule hinfällig sind, sind sie in einem bestimmten Punkt sehr akkurat. Die Gelehrten der Banking Schule waren die ersten, welche eine monetäre 46 47
Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 311-12. Ebenda, S. 313. Für weitere Kritik von Mises an der Banking Schule vgl. Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik, S. 43-44 und Nationalökonomie, S. 392-409.
Lehre der „Banking Schulgruppe“ der salamantinischen Schule wieder entdeckte, nämlich, dass die Bankdepositen genau die gleiche ökonomische Funktion wie Banknoten erfüllen. Wie wir im Weiteren sehen werden, haben während der Debatte zwischen Banking und Currency Schule, in der sich letztere einzig auf die abträglichen Effekte der ungedeckten Banknoten konzentrierte, die Verteidiger der Banking Schule ganz richtig argumentiert, dass wenn die Empfehlungen der Currency Schule vernünftig wären (und das waren sie), diese auch auf alle Bankdepositen angewendet werden sollten. Denn Depositen als Bankgeld spielen eine identische Rolle wie ungedeckte Banknoten. Obzwar diese Lehre (d.h. dass Bankdepositen Teil der Geldmenge sind) bereits von der salamantinischen Gruppe, die dem Bankwesen am Gewogensten war (Luis de Molina, Juan de Lugo, etc.) unterstützt wurde, war sie im England des neunzehnten Jahrhunderts praktisch vergessen worden bis die Theoretiker der Banking Schule sie wieder entdeckten.Vielleicht der erste, der diesen Sachverhalt ansprach, war Henry Thornton selbst. Er sagte am 17. November 1797 vor dem Committee on the Restriction of Payments in Cash by the Bank aus: “The balances in the bank are to be considered in very much the same light with the paper circulation.”48 Nichtdestoweniger kam die klarste Aussage zu diesem Thema 1826 von James Pennigton: The book credits of a London banker, and the promissory notes of a country banker are essentially the same thing, that they are different forms of the same kind of credit; and that they are employed to perform the same function . . . both the one and the other are substitutes for a metallic currency and are susceptible of a considerable increase or diminution, without the corresponding enlargement or contraction of the basis on which they rest. (Hervorhebung hinzugefügt)49 In den Vereinigten Staaten zeigte 1831 Albert Gallatin die ökonomische Äquivalenz von Banknoten und Depositen. Diese tat er sogar expliziter als Condy Raguet es getan hatte. Genau schreibt Gallatin: The credits in current accounts or deposits of our banks are also in their origin and effect perfectly assimilated to banknotes, and we cannot therefore but consider the aggregate amount of credits payable on demand standing on the books of the several banks as being part of the currency of
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Erneut veröffentlicht in den Records from Committees of the House of Commons, Miscellaneous Subjects, 1782, 1799, 1805, S. 119-31. James Pennington´s Beitrag ist datiert mit dem 13. Februar 1826 und trägt den Titel „On Private Banking Establishments of the Metropolis.“ Er schien als Appendix zu Thomas Tookes Buch, A Letter to Lord Grenville; On the Effects Ascribed to the Resumption of Cash Payments on the Value of Currency (London: John Murray, 1826); er ist außerdem beinhaltet in Tooke´s Werk, History of Prices and of the State of the Circulation from 1793-1837, Bd. 2, S. 369 und 374. Murray N. Rothbard weist darauf hin, dass vor Pennington der pennsylvanische Senator Condy Raguet, ein amerikanischer Gelehrter der Currency Schule und Verteidiger einer 100-prozentigen Reservepflicht bereits gezeigt hatte (1820), dass Papiergeld mit von Banken geschaffenen Depositen äquivalent sind. Zu diesem Thema siehe Rothbard, The Panic of 1819, S. 149 und Fußnote 52 auf S. 231-32, wie auch S. 3 von Rothbard´s Buch, The Mystery of Banking.
the United States.50 Trotz dieses wertvollen Beitrags der Banking Schule, d.h. die Wiederentdeckung der Einsicht, dass Bankdepositen und Papiergeld genau dieselbe ökonomische Funktion wie Bargeld inne haben und dieselben Problem verursachen, waren die restlichen Lehre der Banking Schule, wie Mises es feststellte, äußerst fehlerhaft. Die Gelehrten der Banking Schule waren nicht in der Lage, ihre widersprüchlichen Ideen schlüssig zu verteidigen. Vergebens versuchten sie die Quantitätstheorie des Geldes zu widerlegen und es misslang ihnen der Versuch eine verständliche Zinstheorie zu entwickeln.51 Diese Lehren der Banking Schule trafen auf entschiedenen Widerstand der Vertreter der Currency Schule, welche die altehrwürdige Tradition fortführte, die nicht nur bis auf die salamantinischen Scholastiker, die in ihrer Sichtweise am kompromisslosesten mit dem Bankwesen waren (Saravia de la Calle, Martín de Azpilcueta und in geringerem Maße auch Tomás de Mercado) zurückgeht, sondern auch – wie wir gesehen haben- auf Hume und Ricardo. Die führenden Gelehrten der Currency Schule des neunzehnten Jahrhunderts waren Robert Torrens, S.J. Lloyd (der spätere Lord Overstone), J.R. McCulloch, und George W. Norman.52 Die Gelehrten der Currency Schule offerierten eine stichhaltige Erklärung der wiederkehrenden Aufschwungs- und Rezessionsphasen, welche die britische Wirtschaft in den 1830er und 1840er Jahren plagten: die Aufschwünge hatten ihre Wurzel in der Kreditausweitung, welche die Bank of England initiierte und andere britische Banken fortführten. Gold floss systematisch aus dem Vereinigten Königreich ab, immer wenn seine Handelspartner keine Kreditausweitung vornahmen oder dies in einem langsameren Rhythmus als Großbritannien taten, wo das Teildeckungsbankensystem relativ weiter entwickelt war. Jedes der Argumente, das die Gelehrten der Banking Schule erdachten, um die zentrale Idee der Currency Schule (d.i. dass der Abfluss von 50 51
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Albert Gallatin, Considerations on the Currency and Banking System of the United States (Philadelphia: Carey and Lea, 1831), S. 31. It was the only merit of the Banking School that it recognized that what is called deposit currency is a moneysubstitute no less than banknotes. But except for this point, all the doctrines of the Banking School were spurious. It was guided by contradictory ideas concerning money’s neutrality; it tried to refute the quantity heory of money by referring to a deus ex machina, the much talked about hoards, and it misconstrued entirely the problems of the rate of interest. (Mises, Human Action, S. 440) Die wertvollsten Beiträge von diesen Autoren werden in Hayek´s jüngst erschienener Zusammenfassung der Kontroverse der Banking und Currency Schule angesprochen. Vgl. Kapitel 12 von The Trend of Economic Thinking. Im besonderen müssen wir folgende Quellen hervorheben: Samuel Jones Lloyd (Lord Overstone), Reflections Suggested by a Perusal of Mr. J. Horseley Palmer’s Pamphlet on the Causes and Consequences of the Pressure on the Money Market (London: P. Richardson 1837); spatter erneut veröffentlicht von J.R. McCulloch in seinem Tracts and Other Publications on Metallic and Paper Currency, von Right Hon. Lord Overstone (London: Harrison and Sons 1857). Zudem George Warde Norman, Remarks upon some Prevalent Errors with respect to Currency and Banking, and Suggestions to the Legislature and the Public as to the Improvement in the Monetary System (London: P. Richardson 1838); und vor allem Robert Torrens (vielleicht der feinste Gelehrte der Currency Schule theorist), A Letter to the Right Hon. Lord Viscount Melbourne, on the Causes of the Recent Derangement in the Money Market, and on Bank Reform (London: Longman, Rees, Orme, Brown and Green, 1837).
Gold und Bargeld aus Großbritannien die unvermeidbare Konsequenz der heimischen Kreditausweitung war) zu widerlegen, scheiterte kläglich. Jedoch begingen die Vertreter der Currency Schule drei ernste Fehler, die sich auf lange Sicht als fatal erwiesen. Erstens, erkannten sie nicht, dass die Bankdepositen genau die gleiche Rolle wie nicht durch Hartgeld gedeckte Banknoten spielen. Zweitens, waren sie nicht in der Lage, ihre richtige Geldtheorie mit einer vollständigen Erklärung des Konjunkturzyklus zu verbinden. Sie kratzten lediglich an der Oberfläche des Problems. Da es ihnen an einer adäquaten Kapitaltheorie mangelte, waren sie nicht fähig zu begreifen, dass die Kreditausweitung der Banken einen negativen Einfluss auf die verschiedenen Kapitalgüterstufen in der Produktionsstruktur einer Volkswirtschaft ausübt. Sie analysierten nicht detailliert die bestehende Beziehung zwischen den Veränderungen der Geldmenge und dem Marktzinssatz. Daher stützten sie sich implizit auf der naiven und verfehlten Annahme, dass Geld neutral sein könnte; eine Idee, die heutige Monetaristen unterstützt haben. Es dauerte daher bis 1912, als Ludwig von Mises die Lehren der Currency Schule neu formulierte, dass schließlich die Geldtheorie vollständig mit der Kapitaltheorie in einer allgemeinen Konjunkturtheorie integriert war. Der dritte fatale Fehler der Currency Schule besteht in der Ansicht – dabei Ricardo´s Vorschlägen folgend -, dass er beste Weg, um die inflationären Exzesse der Banking Schule einzuschränken, die Gewährung eines Monopols der Notenemission an eine offizielle Zentralbank sei.53 Den Gelehrten der Currency Schule gelang es nicht zu erkennen, dass auf lange Sicht eine solche Institution dazu bestimmt war, durch die Mitglieder der Banking Schule selbst dazu benutzt zu werden, die Kreditausweitung in Form von im Umlauf befindlichen Banknoten und Depositen zu beschleunigen. Diese drei Fehler der Currency Schule erwiesen sich als fatal: sie waren der Grund dafür, dass Sir Robert Peel´s berühmter Bank Charter Act (verabschiedet am 19. Juli 1844) trotz der höchst ehrenwerten Intentionen seiner Verfasser darin versagte, die Schaffung von Umlaufsmitteln (nicht durch Metallgeld gedeckte Depositen) zu bannen, obgleich er die Emission von ungedeckten Noten bannte. Als eine Folge war es den privaten Banken, obgleich das Peelsche Gesetz den Beginn des Zentralbankmonopols auf die Emission von Papiergeld markierte und obwohl die Zentralbank theoretisch nur Banknoten emittierte, die vollkommen durch Hartgeld (100-prozentige Reserve) gedeckt waren, möglich, die Geldmenge durch die Gewährung neuer Darlehen und die Schaffung der entsprechenden Depositen ex nihilo zu expandieren. Mithin kam es weiterhin zu expansiven Aufschwüngen und nachfolgenden Phasen von Krise und Depression und während dieser Perioden sah sich die Bank von England wieder und wieder dazu gezwungen, die Vorschriften des Peelschen Gesetzes aufzuheben und die Papiergeldmenge zu emittieren, welche notwendige war, den 53
Nichtsdestoweniger sah Ricardo voraus, dass es von Wichtigkeit ist, dass die Zentralbank von der Regierung unabhängig ist. Vgl. José Antonio de Aguirre, El poder de emitir dinero: de J. Law a J.M. Keynes (Madrid: Unión Editorial, 1985). S. 52-62 und Fußnote 16.
Liquiditätsbedarf der privaten Banken zu befriedigen und diese so, falls möglich, vor dem Bankrott zu retten. Es mutet mithin ironisch an, dass die Currency Schule die Gründung einer Zentralbank unterstützte, die Schritt für Schritt und hauptsächlich auf Grund politischen Drucks und des negativen Einflusses der führenden Gelehrten der Banking Schule schließlich benutzt wurde, um eine Politik zu rechtfertigen und ermutigen, welche von einer monetären Sorglosigkeit und finanziellen Exzessen gezeichnet war, die viel schlimmer waren als jene, für deren Verhinderung die Zentralbank ursprünglich gegründet worden war54. Folglich triumphierte die Banking Schule schließlich in der Praxis, obgleich sie in der Theorie eine totale Niederlage erlitten hatte. In der Tat war das Peelsche Bankgesetz ein Fehlgriff, denn es verbot nicht die Emission neuer Darlehen und Depositen ohne eine 100-prozentigen Reserve. Als eine Folge kam es weiterhin zu wiederkehrenden Aufschwungs- und Rezessionszyklen und die Vorschläge und Theorie der Currency Schule verloren verständlicherweise einer Großteil ihres Prestiges. Daher fanden die beliebten Forderungen nach inflationärer Politik, welche die Kreditausweitung erleichterte, eine Brutstelle in einem auf einer Zentralbank basierendem System. Diese Forderungen wurden durch die immer praktischen merkantilistischen Theorien der Banking Schule unterstützt. Schließlich wurde das Zentralbanksystem zu einem wesentlichen Instrument einer interventionistischen, geplanten Kredit- und Geldpolitik, deren einziges Ziel eine praktisch ungehemmte Geld- und Kreditexpansion war. Nur Modeste, Cernuschie, Hübner, und Michaelis, gefolgt von Ludwig von Mises und seiner viel tiefgründigeren Analyse sahen, dass die Empfehlung der Currency Schule für das Zentralbankwesen verfehlt war und dass der beste, in der Tat der einzige Weg zur Aufrechterhaltung der Prinzipien gesunden Geldes, welches die Currency Schule vertrat, die Einführung eines Bankfreiheitsystems war, welches dem Privatrecht unterworfen ist (d.h. einer 100-prozentigen Reservepflicht) und nicht von Privilegien profitiert. Wir werden diesen Punkt indes im nächsten Abschnitt detaillierter untersuchen, wenn wir die Debatte zwischen den Unterstützern der Bankfreiheit und des Zentralbankwesens studieren. 2 DIE DEBATTE ZWISCHEN VERTEIDIGERN DER ZENTRALBANK UND ADVOKATEN DER BANKFREIHEIT Eine Analyse der Debatte im neunzehnten Jahrhundert zwischen Verteidigern der Zentralbank und 54
Wir stimmen vollkommen mit Pedro Schwartz überein, wenn er Keynes (und in einem geringeren Maße auch Marshall) als Theoretiker der Banking Schule klassifiziert, der nichtsdestoweniger das Zentralbanksystem verteidigte (gerade um die maximale „Flexibilität“ für die Expansion der Geldmenge zu erlangen). Vgl. Schwartz´s Aufsatz, „El monopolio del banco central en la historia del pensamiento económico: un siglo de miopía en Inglaterra,“ S. 685-729, vor allem S. 729.
Advokaten des Bankfreiheit muss mit dem Zugeständnis der unbestreitbar engen Verbindung beginnen, welche ursprünglich zwischen der Banking Schule und der Bankfreiheitsschule auf der einen Seite und zwischen Currency Schule und Zentralbankschule auf der anderen Seite bestand55. Es ist in der Tat einfach zu verstehen, warum die Unterstützer des Teildeckungsbankwesens im Allgemeinen anfangs ein Bankensystem frei von jeglichen Eingriffen favorisierten: sie wünschten weiterhin Geschäfte mit einer Teildeckung zu tätigen. In ähnlicher Weise war es nur natürlich für die Gelehrten der Currency Schule, welche den Bankiers stets misstrauten, auf naive Weise eine Regulierung in Form einer Zentralbank gut zu heißen, welche die Missbräuche zu verhindern suchte, welche die Banking Schule zu rechtfertigen versuchte. PARNELL´S ARGUMENT FÜR DIE BANKFREIHEIT UND DIE ANTWORTEN VON MCCULLOCH UND LONGFIELD Wir werden uns nicht daran machen, eine umfangreiche Übersicht über die Kontroverse zwischen Bankfreiheit und Zentralbank-Schule zu geben: Vera C. Smith und andere haben bereits exzellente Studien zu diesem Thema hervorgebracht. Nichtsdestoweniger sind ein paar weitere Punkte der Beachtung wert. Ein Gedanke, den wir im Hinterkopf behalten müssen, ist, dass die Vertreter der Bankfreiheit ihre Lehre auf den unberechtigten inflationistischen Argumenten der Banking Schule, welche wir im letzten Abschnitt gesehen haben, basiert haben. Unabhängig von den Wirkungen die ein Bankfreiheitssystem tatsächlich auf die Wirtschaft ausübt, ist mithin die theoretische Fundierung, auf welche die meisten Advokaten der Bankfreiheit ihre Argumente stützen, entweder gänzlich falsch oder zumindest höchst fragwürdig. Folglich gelangen der Bankfreiheitsschule in dieser Periode wenige Beiträge von Wert. Ein solcher Beitrag war die Erkenntnis, dass -ökonomisch gesehen- Depositen und ungedeckte Noten die gleiche Rolle spielen. Ein weiterer Beitrag von besonderem analytischem Interesse gelang Sir Henry Parnell bereits 1827. Nach Parnell setzt ein Bankfreiheitssystem der Banknotenemission natürliche Grenzen durch den Einfluss der 55
Vgl, Vera C. Smith, The Rationale of Central Banking and the Freebanking Alternative. Leland B. Yeager hat ein Vorwort zu dieser großartigen Ausgabe geschrieben. Diese Arbeit ist die Dissertation, welche die zukünftige Vera Lutz unter der Leitung von F.A. von Hayek schrieb. In der Tat hatte Hayek bereits einige Zeit für ein geplantes Buch zur Geld- und Banktheorie gewidmet, als er nach seiner berühmten Vortragsreihe an der London School of Economics, welche das Buch Prices and Production hervorbrachte, zum Tooke Professor of Economic Science and Statistics an dieser prestigeträchtigen Institution ernannt wurde und sich dazu gezwungen sah, seine Forschung zu unterbrechen. Hayek hatte vier Kapitel vollendet: die Geschichte der Geldtheorie in England, Geld im Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts, die Entwicklung der Papierwährung in England und die Kontroverse zwischen Banking und Currency Schule. Zu diesem Zeitpunkt entschloss er sich, die bis dahin vollendete Arbeit wie auch Notizen für ein fünftes und ein abschließendes Kapitel an eine seiner brillantesten Studentinnen, Vera C. Smith (die spätere Vera Lutz), zu übergeben. Vera C. Smith baute auf dieser Vorabeit ihre Dissertation auf und produzierte das oben genannte Buch. Erfreulicherweise wurde Hayek´s Originalmanuskript durch Alfred Bosch und Reinhold Weit wieder entdeckt. Eine englische Übersetzung durch Grete Heinz ist als Kapitel 9, 10, 11, und 12 von Band 3 von The Collected Works of F.A. Hayek veröffentlicht worden. Vgl. F.A. von Hayek, The Trend of Economic Thinking. Auf den S. 112-13 (2. englische Auflage) ihres Buches erwähnt Vera C. Smith die anfänglich allgemeine Übereinstimmung von Banking und Bankfreiheitsschule sowie von Currency und Zentralbankschule. Siehe zu diesem Thema auch Rothbard, Classical Economics, Bd. 2, Kapitel 7.
entsprechenden Clearingstelle. Diese, so glaubte Parnet würde sich nach dem Modell des schottischen Bankensystems immer dort entwickeln, wo Banken frei in der Banknotenemission konkurrieren. Parnell argumentierte, dass Banken in einem völlig freien Bankensystem nicht in der Lage sein würden, ihre Papiergeldbasis endlos zu auszudehnen ohne Wettbewerber dazu veranlassen, die Zahlung der Noten in Hartgeld durch die Clearingstelle zu fordern. Mithin würden die Banken aus Angst, dass sie nicht in der Lage sein würden, den entsprechenden Goldabfluss zu überstehen, in ihrem eigenem Interesse der Emission von Umlaufsmitteln strenge Grenzen setzen 56. Parnell´s Analyse stellt einen beachtlichen Verdienst und den Kern der bis heute vorgebrachten Argumente für ein Bankfreiheit dar. Seine Analyse ist sogar von bestimmten Autoren der Currency Schule (wie Ludwig von Mises) genutzt und weiterentwickelt worden, die nichtsdestoweniger dem Zentralbanksystem sehr skeptisch gegenüber standen.57
EIN FEHLSTART FÜR DIE KONTROVERSE ZWISCHEN ZENRALBANKWESEN UND BANKFREIHEIT Zwei angesehene Theoretiker der Currency Schule, J.R. McCulloch und S.M. Longfield bestritten Parnell´s Argument. McCulloch wand ein, dass der von Parnell beschriebene Mechanismus die Inflation nicht zügeln würde, wenn alle Banken in einem Bankfreiheitssystem kollektiv bei einer Expansionswelle bei der Emission von Banknoten mitschwimmen würden.58 Samuel Mountifort Longfield führte McCulloch´s Einwand noch weiter, indem er behauptete, dass sogar wenn nur eine einzelne Bank ihre Papiergeldbasis in einem Bankfreiheitssystem ausweitete, die restlichen Banken unweigerlich gezwungen wären mit zu ziehen, damit nicht ihre Finanzmarktanteile bzw. ihre Gewinne fielen.59 Longfield´s Argument enthält ein wichtiges Körnchen Wahrheit, denn die Liquidation von Überschussbanknoten durch eine Clearingstelle braucht Zeit und es besteht daher immer eine (vielleicht unwiderstehliche) Versuchung zur Überemission unter der Annahme, dass alle anderen Banken früher oder später das gleiche tun werden. Auf diese Weise erzielt die erste Bank, die eine expansive Politik beginnt, den höchsten 56
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Henry Parnell, Observations on Paper Money, Banking and Other Trading, including those parts of the evidence taken before the Committee of the House of Commons which explained the Scotch system of banking (London: James Ridgway, 1827), vor allem S. 86–88. Vgl. bspw. Mises, „Die Grenzen der Umlaufsmittelausgabe“ vgl. Abschnitt XII von Kapitel 4 in Nationalökonomie, S. 394-406; vor allem „Bemerkungen zur Diskussion über Bankfreiheit“, S. 404. 8J.R. McCulloch, Historical Sketch of the Bank of England with an Examination of the Question as to the Prolongation of the Exclusive Privileges of that Establishment (London: Longman, Rees, Orme, Brown and Green, 1831). Vgl. zudem sein A Treatise on Metallic and Paper Money and Banks (Edinburgh: A. and C. Black, 1858). Longfield’s Beiträge erschienen in einer Reihe von vier Aufsätzen zu “Banking and Currency” veröffentlicht vom Dublin University Magazine in 1840. Vera C. Smith kommt zum folgenden Schluß: The point raised by the Longfield argument is by far the most important controversial point in the theory of free banking. No attempt was made in subsequent literature to reply to it. (Smith, The Rationale of Central Banking and the Free Banking Alternative, S. 88) Vgl. zudem unsere Analyse auf S. XXXX?, welche Longfield´s ursprüngliche Einsicht unterstützt.
Gewinn und etabliert sich schließlich in einer vorteilhaften Position gegenüber ihre Wettbewerbern. Trotz der theoretischen Basis für die Argumente von Parnell bzw. für jene von McCulloch und Longfield ist eine Sache eine sicher: ihre Debatte löste eine falsche Kontroverse zwischen Zentralbank- und Bankfreiheitsunterstützern aus. Wir benutzen das Wort „falsch“, weil die theoretische Diskussion zwischen den beiden Seiten den Kern des ganzen Problems verfehlt. In der Tat hat Parnell Recht, wenn er sagt, dass in einem Bankfreiheitssystem die Clearingstelle tendenziell als ein Puffer gegen isolierte Fälle einer expansiven Banknotenemission wirkt. Gleichzeitig haben McCulloch und Longfield auch Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass Parnell´s Argumentation nicht ans Ziel führt, wenn alle Banken simultan eine Expansionspolitik beginnen. Nichtsdestoweniger meinten die Gelehrten der Currency Schule, dass ihre gegen Parnell´s Sicht gerichteten Argumente, prima facie die Einrichtung einer Zentralbank unterstützte, welche, wie sie glaubten, einen effektiveren Schutz gegen die Missbräuche des Teildeckungsbankwesen bot. Parnell seinerseits gab sich damit zufrieden, die Bankfreiheit mit der Begrenzung zu verteidigen, welche die Interbankenclearingstelle den Banken in ihrer unbekümmerten Expansion ihrer Papiergeldbasis setzte. Nichtsdestoweniger gelang es ihm nicht zu erkennen, dass ungeachtet der Argument von McCulloch und Longfield eine Rückkehr zu den traditionellen Rechtsprinzipien und einer 100prozentigen Reservepflicht viel einfacher und effektiver wäre als irgendeine Clearingstelle. Das Übersehen dieser Option, zumindest in Hinblick auf Bankdepositen, ist auch der entscheidende Fehler, den der durch McCulloch und Longfield repräsentierte Flügel der Currency Schule begangen hat. Durch die Befürwortung der Gründung einer Zentralbank ebnete diese Fraktion unbeabsichtigterweise den Weg für eine künftige Stärkung gerade der Inflationspolitik, welche ihre Gegner favorisierten.60 So begann eine lang anhaltende Kontroverse zwischen Verfechtern der Bankfreiheit und Förderern des Zentralbankwesens. Letztere offerierten folgende Argumente, um ihre Sache gegen die Position der Banking Schule und Bankfreiheitsschule zu verteidigen: Erstens, das Bankfreiheitssystem würde aus sich selbst heraus sogar unter optimalen Bedingungen für gelegentliche, isolierte Bankkrisen anfällig sein, welche die Kunden und Besitzer von Banknoten und Depositen schädigen würde. Mithin besteht unter derartigen Umständen der Bedarf einer offiziellen Zentralbank mit der Fähigkeit im Fall einer Krise die Notenbesitzer und Deponenten zu schützen. Diese Argumentation ist eindeutig paternalistisch und zielt auf die 60
Parallel zu dieser Debatte fand eine Kontroverse in Belgien und Frankreich statt zwischen Vertretern der Bankfreiheit aus der Banking Schule (Courcelle-Seneuil, Coquelin, Chevalier und anderen) sowie Vertretern der Currency Schule, welche eine Zentralbank favorisierten (Autoren wie Lavergne, D'Eichtal, und Wolowsky). In Deutschland wurden die streitenden Parteien von Adolph Wagner und Lasker auf der Seite der Bankfreiheit und Tellkampf, Geyer, Knies und Neisser auf der Seite der Currency Schule, welche pro Zentralbank eingestellt ist. Zu diesem Thema siehe Kapitel 8 und 9 von Smith, The Rationale of Central Banking, S. 92-132.
Rechtfertigung der Existenz einer Zentralbank ab. Sie ignoriert die Tatsache, dass wenn eine derartige Unterstützung den von der Krise getroffenen gewährt wird, auf lange Sicht diese Unterstützung nur dahin tendiert, dass reibungslose Funktionieren des Bankensystems, welches die kontinuierliche und aktive Überwachung und das Vertrauen von Seiten der Öffentlichkeit erfordert, noch weiter zu behindern. Die Überwachung erschlafft und das Vertrauen wird gestärkt, wenn die allgemeine Öffentlichkeit die Intervention der Zentralbank zur Vermeidung sämtlicher Schäden im Falle eines Bankzusammenbruchs als selbstverständlich betrachtet. Weiterhin tendieren Bankiers tatsächlich dazu, weniger verantwortlich zu handeln, wenn sie sich der Unterstützung der Zentralbank, wenn sie diese brauchen, sicher sind. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Existenz einer Zentralbank tendenziell Bankkrisen verschärft, so wie es sich sogar jüngst in verschiedenen Fällen gezeigt hat. Das System der „Einlagensicherung“ hat in vielen Ländern eine große Rolle bei der Förderung von perversen Verhaltensweisen unter Bankiers geführt und Bankkrisen ermöglicht sowie verschärft. Nichtsdestoweniger vermag aus politischer Sicht das obige paternalistische Argument äußerst einflussreich und in einem demokratischen Kontext gar unwiderstehlich werden. In jedem Fall markiert dieses erste Argument den Beginn des Fehlstarts in der Bankfreiheits-Zentralbank-Debatte, in dem Sinne, als dass das Argument bedeutungslos wäre, wenn die traditionellen Rechtsprinzipien respektiert und eine 100-prozentige Reservepflicht wieder eingeführt werden würde. Unter diesen Bedingungen würde den Besitzern von Banknoten und Depositen kein Schaden zugefügt. Sie würden immer in der Lage sein, ihre Geld abzuheben unabhängig vom Schicksal ihrer Bank. Daher macht das paternalistische Argument, dass es notwendig ist, die Interessen der geschädigten Parteien zu schützen, keinen Sinn. Wenn wir der Logik des Teildeckungsbankensystems folgen, ist dieses erste Argument zugunsten einer Zentralbank äußerst zweifelhaft, während es im Kontext eines Bankfreiheitssystems basierend auf traditionellen Rechtsprinzipien und einer 100-prozentigen Reservepflicht vollkommen irrelevant ist. Das zweite Argument, welches zugunsten von Zentralbanken vorgebracht wird, beruht auf der Vorstellung, dass ein durch eine Zentralbank kontrolliertes Bankensystem weniger Wirtschaftskrisen verursacht als ein Bankfreiheitssystem. Dieses Argument repräsentiert wie das erst eine unangebrachte Herangehensweise an die Debatte. Wir wissen bereits, dass ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem ein Wachstum der Geldmenge in Form von Darlehen stimulieren kann und dass dieses Wachstum unweigerlich die Produktionsstruktur der Kapitalgüter verzerrt und endogen und wiederholt einen Umkehrprozess anstößt, der sich in einer Wirtschaftskrise manifestiert, welche die Banken besonders hart trifft. In der Tat war es genau der Wunsch, die Banken vor den Auswirkungen der wiederkehrenden und durch das Teildeckungsbankwesen ausgelösten Krisen zu schützen, der die Bankiers selbst dazu veranlasste, die Einrichtung einer Zentralbank zu fordern, die ihnen als letzten Ausweg Darlehen gewährte. Die Erfahrung hat gezeigt,
dass das Aufkommen von Zentralbanken weit entfernt davon die Wirtschaftskrisen zu entschärfen, diese vielmehr verschlimmert. In einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem (ohne Zentralbank) operieren - obzwar der Expansionsprozess, der die Krise provoziert, nicht vermieden werden kann die Umkehrmechanismen, welche zur notwendigen Anpassung und Korrektur der wirtschaftlichen Fehler führen, viel früher und schneller als in einem zentralbankbasierten System. In der Tat ist der Vertrauensverlust der Öffentlichkeit nicht der einzige Faktor, der die expansivsten Banken gefährdet, deren Reserven sich schnell verringern, wenn die Banknotenbesitzer den Gegenwert ihrer Noten in Hartgeld abheben. Der Mechanismus der Interbankenclearingstelle der Depositen gefährdet jene Banken, welche ihre Kreditbasis schneller als der Rest ausweiten. Sogar wenn die meisten Banken ihre Depositen und Noten simultan ausweiten, wird der spontane Prozess der Konjunkturtheorie schnell in Gang kommen und dazu tendieren, die anfänglich expansiven Effekte umzukehren und die marginal weniger solventen Banken in den Bankrott zu treiben. Im Gegensatz dazu vermag eine Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz den Prozess der Kreditausweitung und monetären Expansion viel länger fortzusetzen als der unabhängige Prozess andauert, der von einem Bankfreiheitssystem angestoßen wird. Man vermag unmöglich den der Institution der Zentralbank inhärenten Widerspruch verkennen: die Zentralbank war theoretisch dazu geschaffen worden, die monetäre Expansion einzudämmen, die wirtschaftliche Stabilität aufrecht zu erhalten und Krisen zu verhindern. Jedoch dient sie in der Praxis zur massiven Versorgung der Banken mit neuer Liquidität, wenn diese sich Krisen und Paniken gegenüber sehen. Wenn wir zudem die politischen Einflüsse und die Inflationswünsche der Öffentlichkeit berücksichtigen, verstehen wir, warum sich die inflationären Prozesse und die durch sie verursachten Verzerrungen der Produktionsstruktur verschärft haben und es als historisches Ergebnis zu viel heftigeren und schwereren Wirtschaftskrisen und Rezessionen gekommen ist als es in einem Bankfreiheitssystem gekommen wäre. Mithin können wir zu dem Schluss kommen, dass das zweite Argument für eine Zentralbank gegenstandslos ist, da gerade die Existenz einer Zentralbank tendenziell die Wirtschaftskrisen und Rezessionen verschärft. Nichtsdestoweniger müssen wir auch zugestehen, dass Krisen sogar in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem ausbrechen würden, obzwar sie nicht derart große Auswirkungen haben würden, wie in einem von einer Zentralbank gesteuerten Geldsystem. Wir haben auf diesen Punkt in früheren Kapiteln hingewiesen und werden ihn im folgenden beweisen. In jedem Falle müssen wir uns nicht damit bescheiden, mit wiederkehrenden Wirtschaftskrisen und Rezessionen zu leben, denn eine einfache Wiedereinführung der allgemeinen Rechtsprinzipien (100-prozentige Reservepflicht) würde ein Bankfreiheitssystem davon abhalten auf die Wirtschaftsprozesse irgendwelche negativen Effekte auszuüben und auf diese Weise würde der beliebteste Vorwand für die Schaffung einer Zentralbank hinfällig werden. Das dritte Argument für eine Zentralbank ist, dass sie, indem sie die notwendige Liquidität anbietet,
den besten Weg zur Bewältigung der Krise offeriert, sobald diese einmal zugeschlagen hat. Es ist wiederum offensichtlich, dass die Theoretiker substantiell in ihrer Herangehensweise an die Debatte zwischen Zentralbank- und Bankfreiheitsunterstützern fehl gehen, weil es ihnen nicht gelingt, die grundlegenden Probleme des Bankwesens zu identifizieren. Obzwar der Interbankclearingmechanismus und die kontinuierliche Überwachung durch die Öffentlichkeit tendenziell die Kreditausweitung in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem begrenzen würden, wären sie nicht im Stande sie gänzlich zu vermeiden und es würde unvermeidbar zu Bankkrisen und Wirtschaftsrezessionen kommen. Es besteht kein Zweifel, dass Krisen und Rezessionen Politikern und Technokraten ideale Möglichkeiten bieten, um eine Zentralbankintervention zu organisieren. Es ist daher offensichtlich, dass die Existenz eines Teildeckungsbankensystems selbst unweigerlich zur Entstehung einer Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz führt. Solange nicht die traditionellen Rechtsprinzipien und mit ihnen eine 100-prozentige Reservepflicht für Banken wiederhergestellt sind, ist es praktisch unvorstellbar, dass die Zentralbank verschwindet (in anderen Worten wird sie unweigerlich aufkommen und andauern). Zudem tendiert die Einrichtung einer Zentralbank zur Krisenbekämpfung dazu die Wirtschaftsrezessionen zu verschlimmern. Die Existenz eines Kreditgebers letzter Instanz verstärkt die Expansionsprozesse und macht sie kräftiger und länger andauernd als sie es in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem wären (d.h. ohne eine Zentralbank). Es ist daher paradox zu behaupten, dass die richtige Behandlung von Wirtschafts- und Bankkrisen von der Existenz einer Zentralbank abhängt, obwohl die Zentralbank letztlich der Hauptschuldige der Verlängerung und Verschärfung der Krisen ist. Nichtsdestoweniger dürfen wir nicht vergessen, dass, auch wenn die Einführung eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems die Krisen etwas abmildern würde, es sie dennoch nicht vollkommen eliminieren würde und die verschiedenen betroffenen Wirtschaftssubjekte (vor allem Bankiers und Bürger, die potentiell in jeder Krise geschädigt werden) unweigerlich auf die Einrichtung einer Zentralbank drängen würden. Der einzige Weg, um diesen Teufelskreis zu beenden, ist die Erkenntnis, dass der Ursprung des gesamten Problems im Teildeckungsbankwesen liegt. In der Tat würde die Wiedereinführung einer 100-prozentigen Reservepflicht nicht nur Bankenkrisen und wiederkehrende Wirtschaftskrisen vermeiden, sondern auch dieses dritte Argument entkräften, welches eines des schalsten Argument ist, welches zur Rechtfertigung der Existenz der Zentralbank aktiviert worden ist. Schließlich sind noch zwei zusätzliche Nebenargumente zugunsten der Zentralbank hervorgebracht worden. Das erste bezieht sich auf die angebliche „Notwendigkeit“ einer „rationalen“ Geldpolitik die von oben durch die Zentralbank auf gezwängt wird. Das zweite Argument ist mit dem ersten verwandt und konzentriert sich auf das Bedürfnis, eine adäquate Politik monetärer Kooperation zwischen verschiedenen Ländern zu etablieren. Angeblich erfordert dieses Ziel auch die Existenz
von verschiedenen koordinierten Zentralbanken. Wir werden die theoretische Unmöglichkeit der Implementation einer Geld- und Bankenpolitik in einer zentralisierten Art und unter Gewaltandrohung mittels einer Zentralbank in einem anstehenden Abschnitt untersuchen. In diesem Abschnitt werden wir die Theorie der Unmöglichkeit des Sozialismus auf das Bankwesen und den Finanzsektor anwenden. Mithin werden wir an dieser Stelle davon Abstand nehmen, diese beiden letzten Argument detailliert zu untersuchen. DIE POSITION DER GELEHRTEN DER CURRENCY SCHULE, WELCHE EIN BANKFREIHEITSSYSTEM VERTEIDIGTEN Unglücklicherweise waren die Gelehrten der Currency Schule aufgrund ihrer Unfähigkeit die ökonomischen Effekte von Depositen mit jenen von Banknoten gleichzusetzen und ihrer Naivität in ihrem Vorschlag, eine Zentralbank zur Eindämmung der Missbräuche des Teildeckungsbankensystem einzurichten, nicht in der Lage zu sehen, dass das von ihnen verschriebene Heilmittel sich notwendigerweise schlimmer als die von ihnen richtig diagnostizierte Krankheit erweisen würde. Nur eine Hand voll von Theoretikern der Currency Schule verstand, dass ihre Ziele der monetären Stabilität und Solvenz viel gefährdeter waren, wenn eine Zentralbank eingerichtet wurde. Als ein geringeres Übel und um diese Missbräuche so weit als nur möglich zu verhindern, empfahlen diese Gelehrten die Aufrechterhaltung bzw. Einrichtung eines Bankfreiheitssystems ohne eine Zentralbank. Nichtsdestoweniger täuschten sich viele Autoren der Currency Schule, die eine Bankfreiheit verteidigten, nicht über die expansiven Möglichkeiten eines solchen System und sie verfochten stets, dass die Endlösung zu den aufgeworfenen Problemen nur durch das Verbot der Emission von neuen Umlaufsmitteln (d.h. durch das Verbot der Kreditausweitung, welche nicht durch einen Anstieg in den realen Ersparnissen gedeckt ist) erreicht werden würde. Durch den Vorschlag eines Systems, in dem Banken frei Noten und Depositen emittieren konnten, hofften sie im Wesentlichen, dass der Interbankenclearingmechanismus, die Überwachung durch die Kunden und die Kontrolle durch den Markt, sowie der unverzügliche Zusammenbruch von Banken, welche das öffentliche Vertrauen verloren, auf effektivere Art als eine Emissionsbegrenzung von fungieren würde.61 Auf diese indirekte Weise planten sie ein 61
Die künftige Entwicklung der Zahlungs- und Clearingsystem durch das Internet und andere computerbasierte Kommunikationsformen wir die „Entleerung“ von jenen Banken, welche mit einer Teildeckung operieren, beinahe unmittelbar eintreten lassen, sobald die leichtesten Zweifel an ihrer Solvenz auftreten. In diesem Hinblick wird die technische Revolution im Feld der Computerkommunikation tendenziell eines Privatbankwesen mit einer Reservepflicht von nahe 100 Prozent fördern (unter der Annahme, dass das gegenwärtige System vollständig privatisiert und die Zentralbank verschwinden würde). Vgl. den Aufsatz unseres Schülers Jesper N. Katz, „An Austrian Perspective in Law and Economics,“ Erasmusprogramm in Rechtwissenschaft und Volkswirtschaftslehre, Sommer 1997. Vgl. zudem The Future of Money in the Information Age, James A. Dorn, Hrsg. (Washington, D.C.: Cato Institute, 1997). Im Hinblick auf Kreditkarten, oder „Plastik-“ bzw. „elektronisches Geld“, wie sie diese allgemeine bekannt sind, müssen wir bemerken, dass sie nicht Geld sind, sondern lediglich Instrument, welche wie Papierschecks die Möglichkeit bieten, durch die Abbuchung von realem Geld (oder perfekten Geldsubstitution wie
wirkungsvollen Schritt auf das Ziel einer 100-prozentigen Reservepflicht (sowohl für Noten als auch Depositen); ein Ziel, welches mit allen im jeweiligen historischen Kontext verfügbaren rechtlichen Mitteln verfolgt werden sollte. Die Idee wurde als erstes in Frankreich von Victor Modeste verteidigt.62 Und Henri Cernuschi gab mit der gleichen Zielsetzung am 24. Oktober 1865 vor einer Kommission zur Untersuchung der Bankaktivitäten folgendes zu Protokoll: Ich glaube, dass das, was Bankfreiheit genannt wird, in einer totalen Verdrängung von Banknoten in Frankreich resultieren würden. Ich möchte jedem das Recht geben, Banknoten zu emittieren, sodass niemand mehr irgendeine Banknote akzeptiert.63 Cernuschi´s Lehre hatte nur zwei Defekte: sie bezog sich nur auf Banknoten und ignorierte Bankdepositen. Zudem war sie nicht so radikal wie Modeste´s Lehre, der das Teildeckungsbankfreiheitssystem als ein betrügerisches System ansah, welches überhaupt nicht erlaubt werden sollte. Während die französische Currency Schule ihre Position für die Bankfreiheit und einen 100prozentigen Reservekoeffizienten etablierte, unternahmen eine Reihe von deutschen Ökonomen, unter ihnen Hübner und Michaelis, eine tiefer gehende theoretische Analyse, welche zu den gleichen Schlussfolgerungen führte. In den Vereinigten Staaten hatte die Panik von 1819 die Formulierung einer Lehre gegen das Teildeckungsbankwesen als auch die Einrichtung einer Zentralbank ausgelöst und diese Lehre beeinflusste stark die obige Schule der deutschsprachigen Ökonomen. Wie wir bereits wissen, entwickelten in den Vereinigten Staaten Condy Raguet und andere (William M. Gouge, John Taylor, John Randolph, Thomas Hart Benton, Martin van Buren, etc.) den Körper einer dem Bankwesen sehr kritisch eingestellten monetären Doktrin. 64 Diese
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Bankdepositen) zu zahlen. Victor Modeste, “Le billet des banques d’émission et la fausse monnaie,” Le Journal des Économistes n.s. 3 (August 15, 1866). Je crois que ce qu’on appelle liberté bancaire aurait pour résultat la disparition complète des billets de banque en France. Je souhaite donner à tout le monde le droit d’émettre des billets, de sorte que plus personne désormais n’en accepterait. (Henri Cernuschi, Contre le billet de banque [Paris: Guillaumin, 1866], S. 55) Vgl. zudem Cernuschi’s interessantes Werk, Mécanique de l’échange (Paris: A. Lacroix, 1865). Ludwig von Mises akzeptiert Cernuschi´s oben ausgedrückte Sicht vollkommen und zitiert den oben aufgeführten Ausschnitt in Nationalökomie mit dem folgenden Kommentar: „Doch die Bankfreiheit hätte im Gegenteil den Spielraum der Banknote sehr eingeengt,wenn sie ihr nicht überhaupt den Boden entzogen hätte.“ Mises, Nationalökonomie, S.405-406. Gelehrte der Banking Schule, die eine Bankfreiheit unterstützten, lehnten Cernuschi ab. In Frankreich wurde die Gruppe von J.G. Courcelle-Seneuil angeführt. Vgl. vor allem sein Buch, La banque libre: exposé des fonctions du commerce de banque et de son application à l’agriculture suivi de divers écrits de controverse sur la liberté des banques (Paris: Guillaumin, 1867). Die beste Darstellung der Lehren von Modeste und Cernuschi sowie einer Analyse ihrer Unterschiede ist die Oskari Juurikkala´s „The 1866 False Money Debate, in the Journal des Économistes: Déjà Vu for Austrians?” Quarterly Journal of Austrian Economics 5, S. 4 (Winter, 2002): 43–55. Eine weitere Stimme für ein Bankensystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht war die des berühmten Davy Crockett. Crocket war ein Held des Wilden Westens, der es bis zum Senator gebracht hatte, und für den das Teildeckungsbankensystem eine Art groß angelegter Schwindel („species of swindling on a larg scale“, Skousen,
Männer identifizierten richtig das Teildeckungsbankwesen als letzte Krisenursache und kamen zu dem Schluss, dass eine Rückkehr zu einer 100-prozentigen Reservequote der einzige Weg war, um diese Krisen mit der Wurzel auszureißen65. Tellkampf hatte als junger Mann die USA besucht und die Missbräuche und die höchst schädigenden Effekte des dortigen Teildeckungsbankwesen miterlebt. Er war von der rigorosen Gelddoktrin, welche in Amerika zu dieser Zeit entwickelt wurde, inspiriert. Als er nach Deutschland zurückkehrte und eine Professur für Volkswirtschaftslehre in Breslau erhielt, schrieb er verschiedene Aufsätze, in denen er für das Verbot der Umlaufsmittelemission durch Banken eintrat. 66 Auch Otto Hübner teilte einige der Ansichten Tellkampf´s und der amerikanischen Schule. Hübner beobachte, dass je weniger reguliert die Banken waren, desto weniger häufig hatten sie tendenziell Solvenzprobleme. Er empfand, dass es die Wahl zwischen einem privilegiertem Bankensystem geschützt von einer Zentralbank und geeignet um unverantwortliche Praktiken zu ermutigen und einem Bankfreiheitssystem ohne Zentralbank, die irgendwelche Privilegien und Schutz versprach, gab. In diesem zweiten System wäre jede Bank notwendigerweise für ihre eigene Politik verantwortlich und folglich würden die Bankiers auf umsichtigere Art handeln. Nach Hübner muss das Endziel die Beendigung der Notenemission ohne eine 100-prozentige Deckung durch Hartgeld sein. Nichtsdestoweniger glaubte er, dass im Licht der derzeitigen Situation der schnellste und effektivste Weg zum idealen System
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The Economics of a Pure Gold Standard, S. 32) war. Ähnliche Ansichten wurden von Andrew Jackson, dem oben genannten Martin van Buren, Henry Harrison, und James K. Polk, alles Persönlichkeiten, die später U.S. Präsidenten werden sollten, vertreten. Eine Übersicht der Entwicklung dieser Schule in den Vereinigten Staaten während der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ist in James E. Philbin´s Aufsatz, “An Austrian Perspective on Some Leading Jacksonian Monetary Theorists,” The Journal of Libertarian Studies: An Interdisciplinary Review 10, Nr. 1 (Herbst 1991): 83–95, zu finden. Ein weiteres Buch, welches die verschiedenen Banking und Currency Schulen behandelt, die in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten entstanden, ist Harry E. Miller’s Banking Theory in the United States Before 1860 (1927; New York: Augustus M. Kelley, 1972). Johann Ludwig Tellkampf, Essays on Law Reform, Commercial Policies, Banks, Penitentiaries, etc., in Great Britain and the United States of America (London: Williams and Norgate, 1859). Vgl. zudem sein Werk Die Prinzipien des Geld- und Bankwesens (Berlin: Puttkammer und Mühlbrecht, 1867). Bereits 1912 machte Mises die folgende Referenz zu Tellkampf´s und Geyer´s Vorschlag in der folgenden eher verwirrenden Passage: Durch die Ausgabe von Umlaufsmitteln wurden und werden die Erschütterungen vermieden, die mit der Steigerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes Hand in Hand gehen, und die Kosten des Geldapparates herabsetzen. (Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 329) Diese Aussage scheint nicht zu anderen Misesschen Kommentaren zu passen. Denn Mises schlägt am Ende des Buches eine Rückkehr zu einer 100-prozentigen Reservequote und ein Verbot der Schaffung von Umlaufsmitteln vor, gerade so wie es Tellkampf und Geyer (unter den Befürwortern der Zentralbank), und Hübner und Michaels (unter den Befürwortern des Bankfreiheit) tun. Wie wir in Kapitel 7 gesehen haben, besteht ein paralleler Widerspruch zwischen dem Hayek von Geldtheorie und Konjunkturtheorie (1929) und dem Hayek von Prices and Production (1931). Die einzige Erklärung liegt in dem intellektuellen Entwicklungsprozess dieser beiden Autoren, die zunächst sich dagegen sträubten, die Implikationen ihrer eigenen Analyse energisch zu verteidigen. Des Weiteren dürfen wir nicht vergessen, dass, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, Mises die Einführung einer 100prozentigen Reservepflicht verteidigt, jedoch nur für neu geschaffene Banknoten und Depositen in der gleichen Art und Weise wie das Peelsche Bankgesetz. Mithin ist es in gewisser Weise verständlich, dass er die Vorteile von früheren Emissionen von Umlaufsmitteln erwähnen sollte. Es überrascht jedoch, dass er vernachlässigt zu erklären, warum das System, welches er am geeignetsten für die Zukunft hält, es nicht auch in der Vergangenheit gewesen ist. Wir glauben, dass die „Vorteile“ der Emission von Umlaufsmitteln in der Vergangenheit weit von den schweren Schäden überwogen werden, welche sie in Form von Wirtschaftskrisen und Rezessionen, und vor allem mit den groben Missverhältnissen unseres gegenwärtigen Finanzsystems, welches ein Resultat dieser vergangenen Fehler ist, verursacht haben.
eine Bankfreiheitssystem war, in dem jede Bank zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen angehalten war67. Bereits 1867 hatte der namhafte Gelehrte Philipp Joseph Geyer eine Theorie zur Erklärung der Wirtschaftszyklen (ein Vorgänger der in diesem Buch dargestellten Theorie) vorgelegt, welche später Mises und Hayek bis an ihren logischen Schluss führen würden. In der Tat fasst Geyer unfehlbar die Defekte des Teildeckungsbankwesen zusammen und beschreibt, wie es Wirtschaftskrisen hervorruft. Nach Geyer produziert das Bankensystem „künstliches Kapital“, womit er sich genau auf die von den Banken geschaffenen und nicht durch realen Reichtum aus freiwilligen Ersparnissen gedeckten Umlaufsmittel bezieht. Geyer erkärt, warum ein Aufschwung folgt und warum dieser unvermeidbar in eine Bankkrise und Wirtschaftsrezession umkehren muss. 68 Schließlich verteidigte neben Hübner auch Otto Michaelis ein Bankfreiheitssystem als ein Mittel um Missbräuche zu zügeln und einen Schritt in Richtung des Ideals einer 100-prozentigen Reservepflicht.69 Die Tradition von Modeste, Cernuschi, Hübner, und Michaelis wurde von Ludwig von Mises fortgeführt, der 1912 die Grundsätze der Currency Schule überzeugend aufrecht erhielt. Er stellte nicht nur fest, dass sowohl Banknoten und Depositen Umlaufsmittel sind, sondern er gründete auch die Geldtheorie auf die Theorie des Grenznutzens und auf die Böhm-Bawerksche Kapitaltheorie. Das Ergebnis war zum ersten Mal eine vollständige, kohärente und integrierte Konjunkturtheorie. Mithin erkannte Mises, dass die Gelehrten der englischen Currency Schule darin irrten, eine Zentralbank zu empfehlen und dass der beste, und in der Tat einzige Weg, zum Erreichen des Ziels der monetären Solvenz, welches sich die Schule gesetzt hatte, die Einrichtung eines Bankfreiheitssystems war, welches ohne Privilegien dem Privatrecht gehorchte (d.h. mit einer 100prozentigen Reservepflicht). Weiterhin erkannte Mises, dass die meisten Advokaten der Prinzipien der Banking Schule letztlich die Einrichtung einer Zentralbank akzeptierten, welche als Kreditgeber letzter Instanz die expansiven Privilegien der Privatbankiers garantierte und endlos fortführte. Diese Bankiers machten immer stärkere Anstrengungen, um sich vor ihren Verpflichtungen zu drücken und sich dem lukrativen „Geschäft“ der Umlaufsmittelschaffung mittels Kreditausweitung zu 67 68
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Vgl. Otto Hübner, Die Banken, veröffentlicht durch den Autor in Leipzig 1853 und 1854. Philipp Geyer, Theorie und Praxis des Zettelbankwesens nebst einer Charakteristik der Englischen, Französischen und Preussischen Bank (München: Fleischmann´s Buchhandlung, 1867). Vgl. zudem Geyer´s Werk, Banken und Krisen (Leipzig: T.O. Weigel, 1865). Vera C. Smith kritisiert Geyer´s und Tellkampf´s Vorschlag der Abschaffung der Umlaufsmittelemission und Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht. Smith behauptet, dass ein solches Vorgehen einen deflationären Prozess mit sich bringen würde. Sie berücksichtigt jedoch nicht, dass -wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, wenn wir den Übergangsprozess zu einem 100 Prozent basierten System betrachten - es nicht notwendig ist, die Beziehung wiederherzustellen, welche zwischen Banknoten und Hartgeld vor der Umlaufsmittelemission existiert. Im Gegenteil erfordert jeder gesunde Übergangsprozess die Vermeidung von Deflation und die Redefinition der Beziehung zwischen Umlaufsmitteln und Hartgeld im Licht der Gesamtmenge von Banknoten und Depositen, die bereits vom Bankensystem emittiert worden sind. Es geht mithin nicht um die Auslösung einer monetären Kontraktion, sondern um die Vermeidung von späterer Kreditausweitung. Otto Michaelis, Volkswirthschaftliche Schriften (Berlin: Herbig, 1873), Bd. 1 und 2.
widmen, ohne dass sie sich besonders mit Liquiditätsproblemen beschäftigen mussten, was dank der Absicherung, welches die Erreichung einer Zentralbank darstellt, möglich war. Es kann daher nicht überraschen, dass Mises besonders kritisch gegenüber der Tatsache war, dass das Peelsche Bankgesetz von 1844 trotz der exzellenten Intentionen, mit denen es entworfen worden war, nicht die expansive Schaffung von Umlaufsmitteldepositen verbot, so wie es dies mit Banknoten tat. Mises verurteilt zudem den Gebrauch der Gesetzgebung, um ein Zentralbanksystem zu konstituieren und zu verfestigen; ein System, welches – wie wir wissen - letztlich zur Rechtfertigung und Förderung einer Politik des monetären Chaos und finanzieller Exzesse genutzt wurde, die viel schädlicher waren, als jene, für deren Vermeidung es entworfen worden war. Mises grundlegender Beitrag zum Studium des Geldes und der Konjunkturzyklen ist in der zuerst 1912 veröffentlichten Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel enthalten 70. Erst acht Jahre später, im Jahre 1920, erklärte er sein berühmtes Theorem der Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Gemeinwesen, wodurch er eine wichtige Debatte einleitete, welche sich um dieses Thema in den folgenden Jahrzehnten ranken würde. Es gibt keinen expliziten Beweis, der suggeriert, dass Mises sich dar ob bewusst war, dass die grundlegenden Argumente, welche er 1920 zur Unmöglichkeit des Sozialismus ansprach auch direkt auf das Teildeckungsbankwesen und vor allem auf die 70
H.E. Batson übersetzte das Werk ins Englisch und Jonathan Cape veröffentlichte 1934 in London die erste englische Ausgabe. Es mag mithin Vera Smith´s Dissertation beeinflusst haben, welche zwei Jahre später erschien. Es ist interessant, dass Smith Mises zusammen mit Hübner, Michaelis und Cernuschi in der zweispaltigen Tabelle auf S. 144-45 ihres Buchen aufführt. Sie listet ihn in dem Feld, das mit den striktesten Gelehrten der Currency Schule korrespondiert, welche unter den gegebenen Umständen nichtsdestoweniger ein Bankfreiheitssystem als die beste Route zu einer 100-prozentigen Reservedeckung verteidigen. Vielleicht einer der wertvollsten Aspekte von Smith´s Buch, ist die Enthüllung, dass sich die Banking Schule und die Bankfreiheitsschule nicht genau und automatisch decken und ebenso wenig die Currency Schule und die Zentralbankschule. Stattdessen fallen die Theoretiker in vier verschiedene Gruppen, welche in einer zweispaltigen Tabelle dargestellt werden können. Da Vera Smith´s Tabelle bedeutsam und erhellend ist, haben wir hier eine revidierte Fassung eingefügt. TABELLE VIII-1 Bankfreiheit Schule Zentralbankschule _______________ ______________________________________ _________________________ Banking Schule Die meisten Banking-Schultheoretiker des Keynesianer und die meisten (Teildeckung) neunzehnten Jahrhundert. Monetaristen des zwanzigsten White, Selgin, Dowd und David Friedman im Jahrhunderts. zwanzigsten Jahrhundert.
_______________ Currency Schule
→ (natürliche Evolution der Banking Schule) ______________________________________ Modeste, Cernuschi, Hübner, Michaelis Mises, möglicherweise Hayek 1925 und 1937 Rothbard, Huerta de Soto, Joseph Salerno Hans-Hermann Hoppe und Jörg Guido Hülsmann
_________________________ Der Vorschlag der Chicago Schule in den 1930er Jahren. Maurice Allais
← (natürliche Entwicklung der Currency Schule) Die Klassifizierung der Ökonomen in vier Schulen (Teildeckungsbankfreiheit, Teildeckungszentralbankwesen, Bankfreiheit mit einer 100-prozentigen Reserve und Zentralbankwesen mit einer 100-prozentigen Reserve) ist viel klarer und genauer als die Methode, welche unter anderen von Anna J. Schwartz und Lawrence H. White gewählt wurde, welche nur drei Schulen identifizieren: die Currency Schule, die Banking Schule und die Bankfreiheitsschule. (Vgl. Anna J. Schwartz, „Banking School, Currency School, Free Banking School,“ S. 148-52.)
Einrichtung und Operation einer Zentralbank anwendbar waren. Wir werden jedoch im nächsten Abschnitt die These verteidigen, dass unsere Analyse des Teildeckungsbankwesen und der Zentralbank lediglich den spezifischer Fall darstellt, der sich ergibt, wenn man das allgemeine Theorem der theoretischen Unmöglichkeit des Sozialismus auf die Finanzsphäre ausdehnt 71. 3 DAS „THEOREM DER UNMÖGLICHKEIT DES SOZIALISMUS“ UND DIE ANWENDUNG AUF DAS ZENTRALWESEN In Kapitel 2 sahen wir, dass in der Geschichte Zentralbanken nicht als Ergebnis eines spontanen, evolutionären Prozesses im freien Markt sondern als Konsequenz einer gezielten Staatsintervention in den Bankensektor entstanden sind. In der Tat wurzelt die Institution der Zentralbank im Versagen der öffentlichen Autoritäten die Eigentumsrechte der Deponenten adäquat zu definieren und zu verteidigen. In anderen Worten scheiterten die öffentlichen Stellen darin, dem Missbrauch des Geldes, welches die Kunden den Bankiers als Depositum anvertrauten, ein Ende zu setzen. Dieses Versagen führte zur Entstehung des Teildeckungsbankwesens, eine Praxis, welche, wie wir wissen, es den Bankiers erlaubt, neue monetäre Instrumente ex nihilo zu schaffen und so große Gewinne zu generieren. Wir sind bereits mit den schädigen Effekten bekannt, welche derartige Bankaktivitäten auf die Wirtschaft in Form von Fehlinvestitionen, schweren Krisen und Rezessionen ausüben. Diese abträglichen Effekten sollten prinzipiell eine besonders gewissenhafte Sorge seitens der Regierung um die Garantie der Erfüllung der traditionellen Rechtsprinzipien (eine 100-prozentige Reservepflicht für Sichteinlagen) rechtfertigen. Nichtsdestoweniger sind Staaten -in der Geschichte weit entfernt davon, ihren Eifer bei der Sicherstellung der Gesetzeseinhaltung zu vergrößern- die ersten gewesen, welche aus dem Bankgeschäft Nutzen gezogen haben, in dem sie den Bankiers viele Privilegien gewährten. Um mit den immer währenden Finanzschwierigkeiten, verursacht durch ihre finanzielle Fahrlässigkeit, fertig zu werden, haben Staaten nicht nur das Teildeckungsbankwesen durch entsprechende Privilegien legalisiert, sondern auch durch die gesamte Geschichte hinweg kontinuierlich versucht, aus dieser Konstruktion Vorteile zu ziehen, in dem sie entweder verlangten, dass eine große Zahl an Darlehen, welche ex nihilo durch das Teildeckungsbankensystem geschaffen wurden an den Staat selbst gewährt wurden, oder in dem sie 71
Zur Entwicklung der Doktrin zugunsten einer Zentralbank in Spanien und des Einflusses dieser Doktrin auf die Gründung einer spanischen Notenbank, vgl. Luis Coronel de Palma, La evolución de un banco central (Madrid: Real Academia de Jurisprudencia y Legislación, 1976) und die darin zitierten Quellen. Vgl. auch die Schriften von Rafael Anes, “El Banco de España, 1874–1914: un banco nacional,” und Pedro Tedde de Lorca, “La banca privada española durante la Restauración, 1874–1914.” Beide erscheinen in Band 1 von La banca española en la Restauración (Madrid: Servicio de Estudios del Banco de España, 1974). Trotz der wertvollen Referenzen in diesen Werken muss eine Geschichte der spanischen Wirtschaftstheorie zur Debatte zwischen Zentralbank- und Bankfreiheitsunterstützern erst noch geschrieben werden. Der wichtigste (Teildeckungs)-Bankfreiheitstheoretiker in Spanien war Luis María Pastor (1804–1872). Vgl. sein Werk Libertad de Bancos y Colas del de España (Madrid: B. Carranza, 1865).
einen Teil oder die Gesamtheit des höchst lukrativen Teildeckungsbankgeschäfts für sich reservierten. Bankiers ihrerseits versäumten es nicht zu erkennen, dass ihre Industrie wiederkehrenden Paniken und Liquiditätskrisen ausgesetzt war, welche regelmäßig die Kontinuität ihres lukrativen Bankgeschäfts gefährdeten. Mithin sind Privatbankiers die ersten gewesen, welche die Gründung einer Zentralbank verlangten, die als Kreditgeber letzter Instanz ihr Überleben in schwierigen Zeiten garantieren würde. Auf diese Weise kam es dazu, dass sich die Interessen der Privatbankiers mit denen des Staats und seiner Zentralbank deckten. Es formte sich eine Symbiose zwischen beiden. Der Staat finanziert sich auf einfache Weise durch Darlehen und Inflation, deren Kosten von den Bürgern, welche nicht sofort eine höhere Steuerlast haben, unbemerkt bleiben. Die Privatbankiers akzeptierten freudig die Existenz der Zentralbank und der Regeln, welche sie durchsetzte, da die Bankiers erkannten, dass ihr gesamtes Geschäftssystem letztlich zusammenbrechen würde ohne die Unterstützung einer offiziellen Institution zur Bereitstellung der notwendigen Liquidität sobald einmal die „unvermeidbaren“ Bankkrisen und Wirtschaftsrezessionen ausbrachen. Wir können damit mit Vera Smith schließen, dass die Zentralbank nicht ein spontanes Ergebnis des Marktprozesses ist. Vielmehr wurde sie mittels Gewalt durch den Staat der Gesellschaft aufgedrängt, um gewisse Ziele zu erreichen (vor allem die einfache Finanzierung seiner Ausgaben und die Abstimmung von inflationärer Politik, welche immer sehr beliebt ist). All dies geschah mit Billigung oder Unterstützung der Privatbanken, welche auf diesem Gebiet in der Vergangenheit immer als Komplizen der Regierung gehandelt haben72. Obige Ausführungen erklären das historische Aufkommen des Zentralbankwesens, welches durch die Komplizenschaft und gemeinsamen Interessen zu erklären ist, welche traditionell Regierungen und Bankiers geeint haben und das intime „gegenseitige Verständnis“ und „Kooperation“ zwischen
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A central bank is not a natural product of banking development. It is imposed from outside or comes into being as the result of Government favours. This factor is responsible for marked effects on the whole currency and credit structure which brings it into sharp contrast with what would happen under a system of Bankfreiheit from which Government protection was absent. (Smith, The Rationale of Central Banking and the Bankfreiheit Alternative, S. 169) Wir akzeptieren mithin die Hypothese von Professor Charles Goodhard (vgl. Fußnote 73), der glaubt, dass das Entstehen einer Zentralbank die notwendige Konsequenz eines Systemwechsels von Warengeld zu Umlaufsmittelgeld ist. Wir akzeptieren diese Hypothese unter der Bedingung, dass anerkannt wird, dass ein derartiger Wechsel nicht das spontane Ergebnis des Marktes ist, sondern im Gegenteil ein unvermeidbares Ergebnis der Verletzung traditioneller Rechtsprinzipien (100-prozentige Reservedeckung für Sichteinlagen), welche wesentlich für die reibungslose Funktionieren eines freien Marktes ist. Der einzige gravierende Fehler in Vera Smiths Buch liegt in der Versäumnis der Autorin zu erkennen, dass ein Zentralbanksystem ganz einfach die logische und unvermeidbare Konsequenz der graduellen und verstohlenen Einführung des Teildeckungsbankwesen durch die Privatbankiers mit der historischen Komplizenschaft der Regierungen ist. Unglücklicherweise vernachlässigt es Smith den Vorschlägen einer 100-prozentigen Reservepflicht, welche schon zur der Zeit, als sie ihr Buch, schrieb, im Umlauf waren, Beachtung zu schenken. Wenn sie diese Vorschläge untersucht hätte, hätte sie erkannt, dass ein echtes Bankfreiheitssystem die Wiedereinführung der 100-prozentigen Reservedeckung von Sichteinlagen erfordert. Wie wir sehen werden, begehen viele zeitgenössische Verteidiger des Bankfreiheitssystem den gleichen Fehler.
diesen Typen von Institution erklären. Heutzutage ist diese Beziehung mit nur leichten Variationen in allen westlichen Ländern und in beinahe allen Situationen evident. Das Überleben der Privatbanken wird durch die Zentralbank garantiert. Diese Institution und damit letztlich die Regierung selbst üben eine eingehende Überwachung und politische und wirtschaftliche Kontrolle über die Banken aus. Weiterhin versucht die Zentralbank, die Geld- und Kreditpolitik des jeweiligen Landes zu dirigieren mit dem Ziel, bestimmte wirtschaftspolitische Ziele zu erreichen. Im nächsten Abschnitt werden wir sehen, warum es einer Zentralbank theoretisch unmöglich ist, ein Geld- und Kreditsystem aufrecht zu erhalten, welches keine schwerwiegenden wirtschaftlichen Fehlanpassungen und Störungen hervorbringt.73 DIE THEORIE DER UNMÖGLICHKEIT DER KOORDINATION EINER GESELLSCHAFT DURCH INSTITUTIONELLEN ZWANG ODER DIE VERLETZUNG TRADITIONELLER RECHTSPRINZIPIEN An anderer Stelle haben wir die These verteidigt, dass der Sozialismus als jedes System der institutionellen Aggression gegen die freie Ausübung des unternehmerischen Handelns redefiniert werden sollte74. Diese Aggression kann die Gestalt von direkter physischer Gewalt (oder ihrer Androhung) seitens der Obrigkeit annehmen oder von Privilegien, welche bestimmten sozialen Gruppen (Gewerkschaften, Bankiers, usw.) gewährt werden, sodass sie die traditionellen Rechtsprinzipien mit staatlicher Unterstützung verletzen dürfen. Der Versuch die Gesellschaft mittels institutionellem Zwang zu koordinieren ist ein intellektueller Fehler, weil es der Behörde, welche für diese Art von Aggression verantwortlich ist (ein zentraler Planungsrat), theoretisch unmöglich ist, die Information zu erlangen, welche sie benötigen würde, um durch ihre Anordnungen eine soziale Koordination zu etablieren75. Dies ist aus folgenden Gründen der Fall: Erstens, ist es der Behörde unmöglich, kontinuierlich die enormen Volumen an praktischer Information zu assimilieren, welche in den Köpfen der Menschen gespeichert ist; zweitens, die subjektive, praktische, stillschweigende und nicht-verbale Natur des Großteils der notwendigen Informationen schließt die Übertragung an das Zentralorgan aus; drittens, die Informationen, 73
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Das klassische Werk zur Evolution von Zentralbanken ist Charles Goodhart’s The Evolution of Central Banks, 2. Aufl. (Cambridge, Mass.: MIT Press, 1990), vor allem S. 85–103. Eine kurze, hilfreiche Übersicht zur Entstehung und Entwicklung von Zentralbanken erscheint auf den S. 9ff von Tedde de Lorca’s Buch, El Banco de San Carlos, 1782–1822. Ramón Santillana bietet uns eine gute Illustration der Gründung einer Zentralbank im Spanien des neunzehnten Jahrhunderts mit dem Ziel die finanziellen Schwierigkeiten des Staates zu lösen. Dieser sah sich kontinuierlich dazu gezwungen, die Privilegien der Geldschöpfung (Banknoten und Depositen), welche das Teildeckungsbankwesen ermöglicht, auszunutzen. Vgl. Santillana´s Buch, Memoria histórica sobre los bancos Nacional de San Carlos, Español de San Fernando, Isabel II, Nuevo de San Fernando, y de España (Reprint durch Banco de España [Madrid, 1982]), vor allem S. 1, 3, 132, 236 und 237. Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, S. 87. Vgl. zudem Jesús Huerta de Soto, “The Economic Analysis of Socialism,” in Gerrit Meijer, Hrsg.., New Perspectives on Austrian Economics (London und New York: Routledge, 1995), Kapitel 14. Huerta de Soto, „The Economic Analysis of Socialism,“ S. 95.
welche die Handelnden noch nicht entdeckt oder geschaffen haben und die im freien Marktprozess, der selbst ein Produkt des unternehmerischen, dem Gesetz unterliegenden Handelns ist, entstehen, ist nicht übertragbar; und viertens hält der Zwang die Unternehmer von der Entdeckung und Erzeugung der zur Koordination der Gesellschaft notwendigen Information ab. Dies ist genau das von Mises ursprünglich im Jahr 1920 vorgebrachte Argument zur Unmöglichkeit des Sozialismus und im Allgemeinen der staatlichen Intervention in die Wirtschaft. Das Argument erklärt theoretisch das Versagen der Volkswirtschaften des ehemaligen Ostblocks, wie auch die wachsenden Spannungen, Fehlanpassungen und Ineffizienzen, welche aus dem für die westlichen Volkswirtschaften typischen Wohlfahrtsstaaten resultieren. Ebenso verhindert die Gewährung von Privilegien, welche mit den traditionellen Rechtsprinzipien im Konflikt stehen, die koordinierte Kooperation der verschiedenen Wirtschaftssubjekte in der Gesellschaft. In der Tat sind die traditionellen Rechtsprinzipien essentiell für die koordinierte und friedliche Ausübung der unternehmerischen Funktion. Ihre systematische Verletzung hemmt die freie Kreativität der Unternehmer, wie auch die Schaffung und Übertragung der für die Koordination der Gesellschaft notwendigen Informationen. Wenn diese Prinzipien missachtet werden, bleiben soziale Fehlanpassungen verborgen und tendieren dazu, sich systematisch zu verschärfen.76 Die unausweichliche Folge des staatlichen, systematischen Zwangs auf die Gesellschaft und der Gewährung von Privilegien, die den traditionellen Rechtsprinzipien entgegenstehen, ist eine allgemeine soziale Fehlordnung und eine Fehlanpassung auf allen Gebieten und Ebenen der Gesellschaft, welche durch derartigen Zwang und Privilegien betroffen sind. In der Tat ermutigen sowohl Zwang als auch Privilegien fehlerhaft Informationen und unverantwortliche Handlungen. Beide führen zur Korrumpierung der individuellen Verhaltensweisen, welche Rechtsgrundsätzen unterliegen. Sie begünstigen die Entwicklung der Schattenwirtschaft. Kurzum verursachen und erhalten sie alle Arten sozialer Fehlanpassung und Konflikte. DIE ANWENDUNG DES THEOREM DER UNMÖGLICHKEIT DES SOZIALISMUS AUF DIE ZENTRALBANK UND DAS TEILDECKUNGSBANKENSYSTEM Eine der zentralen Thesen dieses Buches ist, dass das Theorem der Unmöglichkeit des Sozialismus und die Österreichische Analyse der sozialen Fehlkoordination, welche unausweichlich aus institutionellem Zwang und der Privilegienvergabe im Widerspruch mit dem Gesetz entsteht, direkt auf das Finanz- und Bankensystem, welches sich in unseren Volkswirtschaften entwickelt hat, 76
Eine detailliert Analyse aller oben aufgeführten Schlussfolgerungen erscheint in den ersten drei Kapiteln von Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, S. 21-155.
anwendbar ist. Dieses System basiert auf einem privaten Teildeckungsbankwesen und wird durch eine öffentliche Institution (eine Zentralbank) kontrolliert, die zum Architekten der Geldpolitik geworden ist. In der Tat basiert das moderne Finanz- und Bankensystem der Marktwirtschaften rein auf systematischen Zwang gegen die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion im Finanzsektor und auf der Privilegienvergabe an die privaten Banken. Diese Privilegien stehen mit den traditionellen Rechtsprinzipien im Konflikt und erlauben Banken mit einer Teildeckung zu operieren. Wir brauchen nicht bei der rechtlichen Natur des „verhassten“ Privilegs, welches das Teildeckungsbankwesen involviert, zu verweilen, denn wir haben diesen Aspekt detailliert in den ersten drei Kapiteln untersucht. Im Hinblick auf die systematische Ausübung von Zwang im Gebiet des Bank- und Finanzwesens, ist leicht verständlich, dass dieser Zwang durch die Regulierungen in Form eines gesetzlichen Zahlungsmittels ausgeführt wird. Diese Regulierungen zwingen zur Akzeptanz der durch die monopolistische Zentralbank emittierten Geldeinheit als Zahlungsmittel zur Begleichung von Schulden.77 Der durch die Zentralbank angewandte, institutionelle Zwang manifestiert sich auch im gesamten Netzwerk der administrativen Bankengesetzgebung, welches zur rigorosen Kontrolle der Tätigkeit der Banken und -auf einer makroökonomischen Ebene- zur Definition und Implementierung der Geldpolitik eines jeden Landes entworfen wurde. 78 Kurzum können wir kaum die Schlussfolgerung vermeiden, dass „die Organisation des Bankensystems einer sozialistischen Wirtschaft viel näher ist als einer Marktwirtschaft.“ 79 Mithin 77
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Vgl. beispielsweise Artikel 15 des Autonomiestatuts 13/1994 der Bank von Spanien vom 1. Juli. Das Statut liest sich: Die Bank von Spanien soll das exklusive Recht zur Notenemission von Pesetas haben, welche, ungeachtet des Status des Münzgelds, das einzige gesetzliche Zahlungsmittel im spanischen Territorium mit vollkommener, unbegrenzter Fähigkeit der Schuldbegleichung sein soll. (Boletín del Estado, 2. Juli, 1994, S. 15404; Hervorhebung hinzugefügt.) Folgerichtig haben mit Spaniens Eintritt in die europäische Währungsunion am 1. Januar 2002 der Euro und die Europäische Zentralbank die Peseta bzw. die Bank von Spanien ersetzt. Vgl. beispielsweise die allgemeine Liste der Zentralbankpflichten, welche in Artikel 7 des obigen Autonomiestatuts der Bank von Spanien zu finden ist. Vgl. den von unserer Studentin Elena Sousmatzian Ventura verfassten Aufsatz, „¿Puede la intervención gubernamental evitar las crisis bancarias?” Revista de la Superintendencia de bancos y otras instituciones financieras 1 (April–Juni 1994): 66–87. In diesem Aufsatz fügt Elena Sousmatzian hinzu, dass, obzwar die Ansicht, dass das gegenwärtige Bankensystem die Charakteristiken einer sozialistischen oder intervenierten Wirtschaft trägt, viele zunächst überraschen mag, diese leicht einzusehen ist, wenn wir uns daran erinnern, dass : (a) das gesamte System auf dem staatlichen Geldmonopol ruht; (b) das System auf dem Privileg basiert, welches Banken erlaubt, Darlehen ex nihilo zu schaffen, in dem sie nur eine Teildeckung für ihre Depositen halten; (c) das gesamte System durch einer Zentralbank geführt wird, eine unabhängige monetäre Amtsgewalt, welche sich wie ein echtes Planungsbüro des Finanzsystems verhält; (d) aus rechtlicher Sicht lässt sich das Prinzip, welches für die Verwaltung gilt, d.h. dass sie nur das tun darf, was ihr erlaubt ist, auch auf die Banken anwenden, im Gegensatz zu den Regeln für die restlichen privaten Personen, die immer dies tun mögen, was nicht verboten ist; (e) Banken sind gemeinhin von den allgemeinen Insolvenzverfahren, welche im Handelsrecht vorgesehen sind, ausgeschlossen. Sie unterliegen vielmehr verwaltungsrechtlichen Verfahren basierend auf der Intervention und dem Austausch des Managements; (f) Bankpleiten werden verhindert, indem die Folgen der Bankliquiditätskrisen externalisiert werden. Diese Kosten werden von den Bürgern durch Zentralbankkredite zu Leitzinssätzen und nicht erstattungsfähige Beiträge des Einlagensicherungsfonds getragen; (g) eine große unmäßig komplizierte Anzahl von Regulierungen sind auf das Bankwesen anwendbar und ähneln stark jenen, welche die Verwaltung kontrollieren; und (h) es gibt eine geringe
entspricht in Bank- und Kreditangelegenheiten unserer Situation derjenigen, welche in den sozialistischen Ländern des ehemaligen Ostblocks vorherrschte, die wirtschaftliche Entscheidungen und Prozesse durch eine System der zentralen Planung zu koordinieren suchten. In anderen Worten ist die zentrale Planung zu einem Gemeinplatz im Banken- und Kreditsektor der Marktwirtschaften geworden. Mithin ist es natürlich, dass wir auf diesem Gebiet die gleiche Fehlabstimmung und Ineffizienz sehen, welche die Sozialismus plagten. Wir werden nun drei getrennte Fälle von Staatseingriffen bzw. Privilegien in der Organisation des Bankwesen betrachten. Das Theorem der Unmöglichkeit des Sozialismus ist auf alle drei anwendbar, nämlich: (a) der verbreiteste Fall einer Zentralbank, welche ein Teildeckungsbankensystem beaufsichtigt; (b) der Fall einer Zentralbank, welche ein Bankensystem lenkt, das mit einer 100-prozentigen Reservedeckung operiert; und schließlich, (c) der Fall eines Bankfreiheitssystems (ohne Regulierungen und Zentralbank), welches nichtsdestoweniger das Privileg ausübt, nur eine Teildeckung aufrecht zu erhalten. (a) Ein System, welches auf einer Zentralbank basiert, welche das Netzwerk der mit Teildeckung operierenden Banken kontrolliert und überwacht Dieses System bestehend aus einer Zentralbank und Privatbanken mit Teildeckung ist das zerstörerischste Beispiel einer „zentralen Planung“ in der Finanzsphäre. 80 In der Tat ist dieses System auf einem Privileg begründet, an welchem sich Privatbankiers erfreuen (sie benutzen eine Teildeckung) und welches naturgemäß Verzerrungen in Form von Kreditausweitungen, Fehlinvestitionen und wiederkehrenden Zyklen von Aufschwung und Rezession verursacht. Weiterhin wird das gesamte System durch eine Zentralbank, koordiniert, geleitet und unterstützt. Diese Zentralbank agiert als Kreditgeber letzter Instanz und übt einen systematischen, institutionellen Zwang auf dem Gebiet des Bank- und Finanzwesens als auch des Geldes aus. Indem die Zentralbank die Banken in Krisenzeiten mit der notwendigen Liquidität versorgt, wirkt sie tendenziell den Mechanismen entgegen, welche in einem freien Markt spontan die expansiven Effekte des Bankwesens umkehren. Diese Mechanismen bestehen gerade in dem raschen Zusammenbruch der expansivsten und am wenigsten solventen Banken. Folglich kann der Prozess der Depositenerzeugung und Kreditausweitung (d.h. ohne die Deckung realer, freiwilliger Ersparnisse) unbegrenzt fortgesetzt werden, was die Verzerrung der Produktionsstruktur und die von ihr unvermeidbar hervorgerufenen Wirtschaftskrisen und Rezession verschlimmert. Jedoch kann das System der Finanzplanung, welches auf einer Zentralbank beruht, unmöglich den
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oder keine Überwachung der Regierungseingriffe in Bankkrisen. In vielen Fällen wird ein solcher Eingriff ad hoc bestimmt und die Prinzipien der Rationalität, Effizienz und Effektivität bleiben ungeachtet. Offensichtlich schließen wir vollkommen verstaatlichte Bankensysteme (China, Kuba, etc.) aus, welche in jedem Fall heutzutage von geringer Bedeutung sind.
wiederkehrenden Wirtschaftszyklen ein Ende setzen. Es kann höchstens ihre Auftreten verzögern, in dem in Krisenzeiten neue Liquidität geschaffen wird und die gefährdeten Banken unterstützt werden auf Kosten einer Verschärfung der unvermeidbaren Rezessionen. Früher oder später tendiert der Markt immer dazu, spontan zu reagieren und die von der monetären Aggression entfesselten Effekte umzukehren. Daher sind bewusste Versuche, solche Effekte durch Zwang oder die Gewährung von Privilegien zu vermeiden zum Scheitern verurteilt. Die meisten dieser Versuche vermögen einen Aufschub und folglich die Verschlimmerung der notwendigen Umkehr und Erholung, bzw. der Wirtschaftskrise, zu erreichen. Sie können diese jedoch nicht verhindern. In einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem (d.h. ohne eine Zentralbank) geschieht die Umkehr tendenziell um einiges früher, was auf den spontanen Interbankenclearingprozess zurückzuführen ist (dennoch wird die Produktionsstruktur ein wenig verzerrt). Die Gründung einer Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz und die Versorgung mit der notwendigen Liquidität in Krisenzeiten neutralisiert tendenziell die spontane Umkehrreaktion des Marktes und den Erholungsprozess. Als eine Folge davon kann die expansive Politik viel länger anhalten und einen viel größeren Schaden anrichten81. Die Zentralbank als „zentraler Finanzplanungsrat“ verkörpert einen immanenten Widerspruch. In der Tat sehen sich, wie Hayek gezeigt hat, alle Zentralbanken einem fundamentalen Dilemma gegenüber, da sie ausnahmslos über einen großen Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Politik verfügen, jedoch nicht all die Informationen haben, die sie für das Erreichen ihrer Ziele benötigen. Die Zentralbank übt ihre Macht über die Privatbanken hauptsächlich durch die Androhung aus, diesen nicht die von ihnen benötigte Liquidität bereitzustellen. Und gleichzeitig glaubt man, dass die Hauptaufgabe und der Zweck der Zentralbank gerade darin besteht, nicht die Versorgung mit der notwendigen Liquidität zu verweigern, wenn die Bankenkrise zuschlägt. 82 Obige Ausführungen erklären die großen Schwierigkeiten, welchen sich die Zentralbanker bei der Beendigung der Wirtschaftskrisen trotz ihrer Anstrengungen und Einsatzes gegenüber sehen. Sie 81
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Außerdem kann die Zentralbank nicht allen Kunden der Privatbanken die Auszahlung ihrer Depositen in Geldeinheiten von unveränderter Kaufkraft garantieren. Der Glaube, dass die Zentralbanken allen Bürgern die Rückgabe ihrer Depositen unabhängig der Handlungen der involvierten Privatbanken „garantieren“ kann, ist pure Fiktion, da, was die Zentralbanken höchstens tun können, die Schaffung neuer Liquidität ex nihilo ist, um die gesamte Nachfrage nach Depositenauszahlung zu befriedigen mit der die Privatbanken konfrontiert sind. Nichtsdestoweniger stoßen sie jedoch durch die Maßnahme einen inflationären Prozess an, welcher vielmals die Kaufkraft der Geldeinheiten, welche aus den entsprechenden Depositen abgezogen werden, signifikant mindert. Es gibt ein grundlegendes Dilemma, dem alle Notenbanken gegenüberstehen und das es unvermeidlich macht, daß ihre Politik mit weitem Ermessen verbunden sein muß. Eine Notenbank kann nur eine indirekte und daher beschränkte Kontrolle über alle zirkulierenden Mittel ausüben. Ihre Macht beruht hauptsächlich auf der Drohung, kein Bargeld zur Verfügung zu stellen, wenn es gebraucht wird. Dieses Problem und nicht die allgemeinen Wirkungen der Politik auf die Preise oder den Geldwert muß den Leiter der Notenbank notwendig in seiner täglichen Arbeit beschäftigen. Diese Aufgabe macht es notwendig, daß die Notenbank ständig den Entwicklungen im Kreditbereich zuvorkommt oder entgegenwirkt, wofür einfache Regeln keine ausreichende Führung bieten. (Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 422).
erläutern auch die strenge Kontrolle, welche die Zentralbank über die Privatbanken durch administrative Gesetzgebung und direkten Zwang ausübt.83 Des Weiteren ist die Zentralbank, wie der Gosplan - die wichtigste Wirtschaftsplanungsbehörde in der nun untergegangenen Sowjetunion - dazu verpflichtet, unaufhörliche Anstrengungen zu unternehmen, um eine extreme große Menge an statistischen Informationen zum Bankengeschäft, den unterschiedlichen Komponenten des Geldangebots und der Geldnachfrage zu sammeln. Diese statistischen Informationen beinhalten nicht die qualitativen Daten, welche die Zentralbank benötigen würde, um auf harmlose Weise in die Bankangelegenheiten einzugreifen. Denn derartige Informationen sind nicht nur außerordentlich übermäßig in ihrer Menge, sondern -was noch wichtiger ist – sie sind zudem subjektiv, dynamisch, beständig in Veränderung begriffen, und besonders schwierig für den Finanzsektor zu beschaffen. Es wird mithin schmerzhaft offenkundig, dass die Zentralbank unmöglich sich all die Informationen aneignen kann, welche sie benötigt, um auf eine koordinierende Weise zu agieren. Ihre Unfähigkeit dies zu tun, ist eine weitere Illustration des Theorems der Unmöglichkeit des Sozialismus, in diesem Fall auf das Finanzsystem angewendet. Das Wissen über die verschiedenen Komponenten des Geldangebots und der Geldnachfrage kann niemals objektiv gesammelt werden. Ganz im Gegenteil ist dieses Wissen von einer praktischen, subjektiven und diffusen Natur und schwer zu artikulieren. Ein derartiges Wissen entsteht aus den subjektiven Wünschen der Wirtschaftssubjekte, welche kontinuierlich sich ändern und im Wesentlichen von der Entwicklung der Geldmenge selbst abhängen. Wir wissen bereits, dass jede Geldmenge optimal ist. Sobald einmal Veränderungen im Geldangebot ihre Wirkungen auf die relative Preisstruktur ausgeübt haben, können die Wirtschaftssubjekte die Kaufkraft ihres Geldes zu ihrem vollen Vorteile nutzen, unabhängig vom absoluten Volumen des Geldes. Dann wenn die Menge und die Verteilung des Geldes sich mittels der Ausweitung von nicht durch Ersparnissen gedeckten Darlehen oder das direkte Ausgeben von neuen Geldeinheiten in bestimmten Sektoren
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Die verschiedenen Systeme und Behörden, die in vielen westlichen Ländern entworfen wurden, um die geschaffenen Depositen zu „versichern“, erzeugen tendenziell einen Effekt, der genau das Gegenteil des Zweckes ist, für den diese Institutionen eingerichtet worden sind. Diese „Einlagensicherungsfonds“ fördern eine weniger umsichtige und verantwortliche Politik der Privatbanken, da sie den Bürgern die falsche Sicherheit geben, dass ihre Depositen „garantiert“ sind und dass sie daher sich nicht die Mühe machen müssen, jede Bank zu studieren und das Vertrauen, welche sie ihnen schenken, zu hinterfragen. Diese Fonds überzeugen zudem die Bankiers davon, dass ihr Verhalten letztlich ihren direkten Kunden keinen großen Schaden zufügen kann. Die führende Rolle, welche Einlagengarantie- oder „Einlagensicherungssysteme“ beim Ausbruch der amerikanischen Bankenkrise in den 1990er Jahre spielte, wird unter anderen Quellen in The Crisis in American Banking, Lawrence H. White, Hrsg. (New York: New York University Press, 1993) behandelt. Es ist daher entmutigend, dass die Harmonisierungsprozesse des europäischen Bankengesetzes die Verabschiedung der Richtlinie 94/19 C.E. vom 30. Mai, 1994 im Hinblick auf die Einlagensicherungssysteme beinhaltet hat. Diese Richtlinie setzt fest, dass jeder Mitgliedsstaat offiziell ein Einlagensicherungssystem anerkennen muss und verpflichtet jede europäische Kreditinstitution sich einer für diesen Zwecke in jedem Land gegründeten Behörden anzuschließen. Die Richtlinie bestimmt zudem, dass die Garantiesysteme die Absicherung von bis zu 24.000 ECU für alle Depositen, die ein Deponent vornimmt, garantieren und dass die Europäische Kommission diese Zahl alle fünf Jahr überprüft.
der Wirtschaft verändert, kommt es zu schwerwiegenden Störungen und verbreiteten Fehlinvestitionen. Zudem treten Fehlabstimmungen im Verhalten der verschiedenen Wirtschaftssubjekte auf. Deshalb kann es nicht überraschen, dass das von uns analysierte Zentralbankensystem sich dadurch auszeichnet, die schwerwiegendste intertemporale Fehlabstimmung der Geschichte ausgelöst zu haben. Wir haben gesehen, dass die Geldpolitik der Zentralbanken, vor allem der Bank von England und der Federal Reserve der Vereinigten Staaten mit dem Zweck der „Stabilisierung“ der Kaufkraft der Geldeinheit einen Prozess gewaltiger Kredit- und Geldausweitung während der wilden Zwanziger Jahre ermutigte. Dieser Prozess führte zur schärfsten Wirtschaftsdepression des letzten Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es immer wieder zu Konjunkturzyklen gekommen und einige haben sich sogar in ihrer Stärke der Großen Depression angenähert: zum Beispiel die Rezession der späten Siebziger und im geringeren Ausmaß der frühen Neunziger Jahre. Es kam zu diesen Rezessionen trotz vielfacher politischer Erklärungen bezüglich der Notwendigkeit, dass Regierungen und Zentralbanken eine stabile Geldpolitik machen müssten und trotz der massiven Anstrengungen, die in Form von menschlichen, statistischen und materiellen Ressourcen gemacht wurden, um diese Ziel zu erreichen. Nichtsdestoweniger könnte das Scheitern derartiger Anstrengungen nicht offenkundiger sein.84 Es ist einer Zentralbank als einer zentralen Finanzplanungsagentur unmöglich, irgendwie die exakte Funktion zu erfüllen, welche privates Geld in einem freien Markt, in den die Rechtsprinzipien eingehalten werden, einnimmt. Es mangelt der Zentralbank nicht nur an der notwendigen Information. Ihre bloße Existenz verstärkt tendenziell die verzerrenden expansiven Effekte der Teildeckungsbankwesens und führt zu schwerwiegenden intertemporalen Verzerrungen im Markt, welche in den meisten Fällen noch nicht einmal die Zentralbank zu entdecken vermag bevor es zu spät ist. Sogar Verteidiger der Zentralbank wie Charles Goodhart mussten eingestehen, dass entgegen der Implikationen ihrer Gleichgewichtsmodelle und trotz aller unternommenen Anstrengungen in der Praxis es für die Zentralbankoffiziellen so gut wie unmöglich ist, das Angebot und die Nachfrage des Geldes angemessen zu koordinieren angesichts des höchst wandelbaren, unvorhersagbaren, saisonalen Verhaltens der vielen Variablen, mit denen sie arbeiten. Es ist daher äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, die sogenannte „monetäre Basis“ und andere Aggregate 84
Mithin wurde der geldpolitische Fehler, welcher am meisten zum Erscheinen der Großen Depression beitrug, von den europäischen Zentralbanken und der amerikanischen Federal Reserve während der 1920er Jahre begangen. Und der entscheidenden geldpolitische Fehler lag nicht darin, wie es Stephen Horwitz andeutet und Milton Friedman und Anna Schwartz vor ihm taten, dass die Zentralbanken darin scheiterte, nach dem Börsenkrach von 1920 angemessen auf einen 30 prozentigen Rückgang der umlaufenden Geldmenge zu reagieren. Wie wir wissen, brach die Krise aus, weil zuvor eine Geld- und Kreditausweitung Verzerrungen in der Produktionsstruktur verursacht hatte und nicht weil der darauf folgende Umkehrprozess unvermeidbar eine Deflation mit sich bringt. Horwitz´s Interpretationsfehler erscheint zusammen mit seiner Verteidigung der Argumente, welche von den Vertretern der modernen Teildeckungsbankfreiheitsschule vorgebracht werden in seinem Aufsatz “Keynes’ Special Theory,” in Critical Review: A Journal of Books and Ideas 3, Nr. 3 und 4 (Sommer-Herbst, 1989): 411–34, vor allem S. 425.
und Orientierungshilfen wie den Preisindex, die Zinssätze und Wechselkurse, zu manipulieren, ohne eine erratische und destabilisierende Geldpolitik zu initiieren. Weiterhin gibt Goodhart zu, dass die Zentralbanken den gleichen Zwängen und Kräften ausgesetzt sind, die alle bürokratischen Agenturen beeinflussen. Diese Zwänge sind durch die Public Choice Schule untersucht worden. In der Tat sind die Zentralbankoffiziellen Menschen und werden wie alle öffentlichen Bediensteten von den gleichen Anreizen und Restriktionen getrieben. Daher können sie in ihrem Entscheidungsprozess von Gruppen beeinflusst werden, die ein wohl begründetes Interesse an der Einflussnahme auf die Geldpolitik der Zentralbank haben. Diese Gruppen schließen Politiker ein, welche darauf aus sind, sich Stimmen zu sichern, die Privatbankiers selbst, Börsenanleger und eine Vielzahl weiterer spezieller Interessensgruppen. Goodhart kommt zu dem Schluss: There is a temptation to err on the side of financial laxity. Raising interest rates is (politically) unpopular, and lowering them is popular. Even without political subservience, there will usually be a case for deferring interest rate increases until more information on current developments becomes available. Politicians do not generally see themselves as springing surprise inflation on the electorate. Instead, they suggest that an electorally inconvenient interest rate increase should be deferred, or a cut ‘safely’ accelerated. But it amounts to the same thing in the end.This political manipulation of interest rates, and hence of the monetary aggregates, leads to a loss of credibility and cynicism about whether the politicians’ contra-inflation rhetoric should be believed. 85 Das Eingeständnis des schädigenden Verhaltens der Zentralbankoffiziellen analysiert durch die Public Choice Schule und der „perverse“ Einfluss, welche Politiker und Interessengruppen auf diese ausüben, hat zu dem Konsens geführt, dass die Zentralbanken so „unabhängig“ von den aktuellen politischen Entscheidungen wie möglich sein sollen und dass diese Unabhängigkeit sogar gesetzlich verankert werden sollte.86 Dies stellt einen kleinen Schritt zur Reform des Finanzsystems dar. Jedoch selbst wenn die Phrasen für die Unabhängigkeit der Zentralbanken ihren Weg in die Gesetzgebung oder in die Verfassung selbst finden, und selbst wenn diese Idee in der Praxis effektiv ist (was in den meisten Fällen mehr als zweifelhaft ist), blieben noch viele Public Choice Argumente hinsichtlich des Verhaltens der Zentralbankoffiziellen unangetastet. Außerdem und noch 85
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Charles A.E. Goodhart hat eine präzise Zusammenfassung der unüberbrückbaren theoretischen und praktischen Schwierigkeiten geschrieben, denen sich die Zentralbank bei der Implementierung ihrer Geldpolitik gegenüber sieht. Vgl. seinen Aufsatz “What Should Central Banks Do? What Should be their Macroeconomic Objectives and Operations?” veröffentlicht in Economic Journal 104 (November 1994): 1424–36. Der obige Ausschnitt erscheint auf den S. 1426–27. Weitere interessante Arbeiten von Goodhart beeinhalten: The Business of Banking 1891–1914 (London: Weidenfeld and Nicholson, 1972), und The Evolution of Central Banks. Auch Thomas Mayer hat die unvermeidbaren politischen Einflüsse, welche auf die Entscheidungen der Zentralbanken -selbst auf die aus rechtlicher Sicht von der Exekutive unabhängigsten Banken - ausgeübt werden, angesprochen. Vgl. Mayer´s Buch, Monetarism and Macroeconomic Policy (Aldershot, U.K.: Edward Elgar, 1990), Eine hilfreiche Übersicht zu den verschiedenen Positionen zu diesem Punkt und die jüngste darauf bezogene Literatur ist in einem Aufsatz von Antonio Erias Rey und José Manuel Sánchez Santos, “Independencia de los bancos centrales y política monetaria; una síntesis,” Hacienda Pública Española 132 (1995): 63–79, zu finden.
wichtiger würde die Zentralbank weiterhin massive, systematische intertemporale Fehlabstimmungen erzeugen, selbst wenn sie anscheinend eine „stabilere“ Geldpolitik verfolgt.87 Seltsamerweise hat die Kontroverse zur Zentralbankunabhängigkeit den Kontext für die Diskussionsfrage gestellt, welche Anreizstrukturen die Zentralbankoffiziellen am besten zur Entwicklung der korrekten Geldpolitik motivieren würden. Mithin würde in Verbindung mit der „zentralen Finanzplanungsagentur“ die sterile Debatte über Anreize wiederbelebt, welche in den 1960er und 1970er Jahren die Theoretiker aus den ehemaligen Ostblockstaaten wahrhaftige Tintenströme schreiben ließ. In der Tat erinnert der Vorschlag, das Gehalt der Zentralbanker von ihrer Leistung im Hinblick auf das vorgegebene Ziel der Preisstabilität abhängig zu machen, stark an die Anreizmechanismen, welche in den sozialistischen Ländern bei dem erfolglosen Versuch eingeführt wurden, die Leiter der Staatsunternehmer dazu motivieren, effizienter zu agieren. Derartige Reformvorschläge des Anreizsystems scheiterten genau so wie die jüngsten ähnlich gut gemeinten Vorschläge hinsichtlich der Zentralbank zum Scheitern verurteilt sind. Sie scheitern, weil sie von Beginn an die grundlegende Tatsache verkennen, dass die Beamten, welche für die Staatsinstitutionen verantwortlich sind, sei es staatliche Unternehmen oder Zentralbanken, in ihrem Alltag dem bürokratischen Umfeld, in dem sie arbeiten, nicht entkommen können. Sie können auch nicht die unvermeidliche Unkenntnis ihrer Situation überwinden. János Kornai macht den folgenden angemessenen kritischen Kommentar hinsichtlich der Versuche, ein künstliches Anreizsystem zu entwickeln, um das Verhalten der Funktionäre effizienter zu machen: An artificial incentive scheme, supported by rewards and penalties, can be superimposed. A scheme may support some of the unavowed motives just mentioned. But if it gets into conflict with them, vacillation and ambiguity may follow. The organization’s leaders will try to influence those who impose the incentive scheme or will try to evade the rules. . . . What emerges from this procedure is not a successfully simulated market, but the usual conflict between the regulator and the firms regulated by the bureaucracy. . . . Political bureaucracies have inner conflicts reflecting the divisions of society and the diverse pressures of various social groups. They pursue their own individual and group interests, including the interests of the particular specialized agency to which they belong. Power creates an irresistible temptation to make use of it. A bureaucrat must be interventionist because that is his role in society; it is dictated by his situation. 88 (b) Ein Bankensystem, welches mit einer 100-prozentigen Reservedeckung operiert und durch eine 87
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Zum positiven Effekt der Zentralbankunabhängigkeit auf das Finanzsystem vgl. Geoffrey A. Wood et al., Central Bank Independence: What is it and What Will it Do for Us? (London: Institute for Economic Affairs, 1993). Siehe zudem Otmar Issing’s Buch, Central Bank Independence and Monetary Stability (London: Institute for Economic Affairs, 1993). János Kornai, “The Hungarian Reform Process,” Journal of Economic Literature 24, Nr. 4 (Dezember 1986): 1726.
Zentralbank kontrolliert wird In diesem System würde die Verzerrung und Fehlabstimmung, welche durch die systematische Attacke der Zentralbank auf die Finanzmärkte entsteht, verringert, da die Privatbanken sich nicht mehr des Privilegs der Teildeckung erfreuen würden. In diesem Sinne würden die Bankdarlehen notwendigerweise die wahren Sparwünsche der Wirtschaftssubjekte reflektieren und die durch die Kreditausweitung (d.h. die nicht durch einen vorherigen Anstieg der realen freiwilligen Ersparnisse gedeckte Ausweitung der Kredit) verursachte Verzerrung würde eingedämmt. Nichtsdestoweniger können wir daraus nicht schließen, dass die gesamte von der Zentralbank erzeugte Fehlabstimmung verschwinden würden, denn die reine Existenz der Zentralbank und ihre Abhängigkeit von systematischen Zwang (das Aufzwingen eines gesetzlichen Zahlungsmittels und einer vorgegebenen Geldpolitik) würde immer noch einen schädigenden Effekt auf die sozialen Koordinationsprozesse ausüben. In diesem Beispiel wäre die kritischste Fehlabstimmung eher intratemporal als intertemporal 89, weil das neue von der Zentralbank geschaffene und im Wirtschaftssystem platzierte Geld die Struktur der relativen Preise „horizontal“ beeinflussen würde. Mit anderen Worten würde die Zentralbank tendenziell eine Produktionsstruktur hervorbringen, welche aus horizontaler Sicht nicht notwendigerweise mit derjenigen übereinstimmt, welche die Konsumenten erhalten wollen. Es kommt zu einer schlechten Ressourcenallokation zusammen mit der Notwendigkeit, die Wirkungen der neuen Geldinjektionen auf das Wirtschaftssystem umzukehren.90 Weiterhin wäre, obgleich wir keine reales Beispiel von einer Zentralbank geben können, die ein System von Privatbanken mit einer 100-prozentigen Reserve überwacht hat, ein solches System den politischen Einflüssen und Lobbyzwängen ausgesetzt, welche von der Public Choice Schule studiert werden. Es wäre naiv zu glauben, dass Zentralbanker mit der Macht ausgestattet, Geld zu 89
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Trotzdem können wir die Möglichkeit von intertemporalen Verzerrungen in diesem Fall nicht völlig ausschließen. Sogar wenn die Banken zu einer 100-prozentigen Reserve verpflichtet sind, kommt es unvermeidbar zu intertemporalen Verzerrungen, wenn die Zentralbank neues Geld in das Wirtschaftssystem mittels massiven Offenmarktkäufen injiziert, welche direkt die Wertpapiermärkte, und die Renditen und damit indirekt den Zinssatz auf dem Kreditmarkt beeinflussen. F.A. von Hayek hat erklärt, dass Arbeitslosigkeit vielmals aus intratemporalen Diskrepanzen der Nachfrageverteilung auf die verschiedenen Konsumgüter und Leistungen und der Allokation von Arbeit und anderen Produktivkräften entsteht, welche zur Produktion dieser Güter notwendig sind. Die Schaffung und Injektion neuen Geldes in verschiedene Stellen des Wirtschaftssystems durch die Zentralbank erzeugt und verschlimmert tendenziell eine derartige qualitative Fehlabstimmung. Dieses Argument, welches durch das Teildeckungsbankwesen illustriert und in dem Maß verstärkt wird, in dem es die intratemporale Verzerrung mit dem weitaus heftigeren intertemporalen Fehlabstimmungen kombiniert, wäre sogar dann gültig, wenn die Zentralbank ein Bankensystem leiten würde, welches mit einer 100-prozentigen Deckung operiert. In diesem Fall würde jeder Geldmengenanstieg, hervorgebracht durch die Zentralbank bei der Verfolgung ihre geldpolitischen Ziele, immer horizontal bzw. intratemporal die Produktionsstruktur verzerren, es sei denn, dass (und das ist im realen Leben unvorstellbar) das neue Geld gleichmäßig auf alle Wirtschaftssubjekte verteilt würde. In diesem Falle würde der Anstieg der umlaufenden Geldmenge keinen Effekt zeitigen außer die proportionale Erhöhung der Preise aller Gütern, Leistungen und Produktionsfaktoren. Alle realen Bedingungen, die anfänglich als Rechtfertigung für den Geldmengenanstieg herhalten könnten, würden unverändert bleiben.
emittieren, sich wünschen würden und dazu fähig wären, eine stabile, unverzerrte Geldpolitik zu entwickeln, selbst wenn sie ein privates Bankensystem überwachen, welches mit einer 100prozentigen Reservepflicht funktioniert. Die Machtbefugnis der Geldemission stellt eine derart überwältigende Versuchung dar, dass Regierungen und spezielle Interessengruppen nicht widerstehen würden können diese auszunutzen. Daher würde sich die Zentralbank, selbst wenn sich ihre Fehler nicht durch ein Teildeckungsbankensystem verstärken würden, immer noch der allgegenwärtige Gefahr ausgesetzt sehen, dem Druck von Politikern und Lobbyisten nachzugeben, welche begierig sind, die Macht der Zentralbank auszunutzen, um die politischen Ziele zu erreichen, welche sie im jeweiligen Augenblick am geeignetsten halten. Kurzum müssen wir anerkennen, dass wegen der Abwesenheit des Privilegs des Teildeckungsbankwesens beim in diesem Abschnitt behandelten Modell der Großteil der intertemporalen Fehlabstimmung, die auf die Konjunkturzyklen zurückgeht, ebenfalls nicht vorhanden ist. Nichtsdestoweniger bleiben vielfache Möglichkeiten der intratemporalen Fehlabstimmung, was auf die Injektion der neuen durch die Zentralbank kreierten Geldeinheiten in das Wirtschaftssystem zurückzuführen ist und unabhängig von der spezifischen Methode gilt, die zur Injektion des neuen Geldes in die Gesellschaft genutzt wird (die Finanzierung öffentlicher Ausgaben, etc.) Außerdem würden die von der Public Choice Schule untersuchten Effekte eine Schlüsselrolle in diesen intratemporalen Fehlanpassungen spielen. In der Tat ist es beinahe unvermeidbar, dass die Zentralbankmacht der Geldemission von verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gruppen mit dem Ergebnis der Produktionsstrukturverzerrung ausgenutzt wird. Obzwar die Geldpolitik eindeutig berechenbarer und weniger verzerrend wäre, wenn die Privatbanken eine 100-prozentige Reservedeckung auf recht erhielten, sind die Theoretiker, welche die Beibehaltung der Zentralbank unter diesen Umständen verteidigen naiv, in dem sie glauben, dass die Regierung und die verschiedenen sozialen Gruppen ein stabile und (so weit als möglich) „neutrale“ Geldpolitik wünschen würden und ausführen könnten. Selbst wenn die Banken eine 100-prozentige Reservedeckung halten, würde die reine Existenz der Zentralbank mit ihrer enormen Macht der Geldemission allerlei perverse politische Einflüsse wie ein mächtiger Magnet anziehen.91 (c) Ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem Das dritte und letzte System, welches wir unter dem Licht der Theorie der Unmöglichkeit des Sozialismus untersuchen werden, ist ein privilegiertes Bankfreiheitssystem, d.h. ein System ohne 91
Die Hauptvertreter eines privaten Bankensystems, welches auf einer 100-prozentigen Reservepflicht basiert und von einer Zentralbank geleitet wird, beinhalten Vertreter der Chicago Schule in den 1930er Jahren und gegenwärtig Maurice Allais, ein Wirtschaftsnobelpreisträger. Im nächsten Kapitel werden wir ihre Vorschläge detailliert untersuchen.
eine Zentralbank jedoch mit der Erlaubnis mit einer Teildeckung zu operieren. Die Theorie der Unmöglichkeit des Sozialismus erklärt auch, dass die Gewährung von Privilegien, welche es gewissen sozialen Gruppen erlauben, die traditionellen Rechtsprinzipien zu verletzen, die gleiche allgemeine Fehlabstimmung verursachen wie der Sozialismus verstanden als jedes System einer ständigen institutionellen Aggression gegen die freie Ausübung des Unternehmertums. Wir haben einen Großteil diese Buches (Kapitel 4-7) dazu verwendet, zu untersuchen wie die Verletzung traditioneller Rechtsprinzipien in Verbindung mit dem monetären Bankdepositenvertrag den Banken die Möglichkeit bietet, ihrer Kreditbasis zu expandieren, sogar wenn die freiwilligen gesellschaftlichen Ersparnisse nicht angestiegen sind. Wir haben zudem gesehen, dass es in der Folge zu einer Fehlabstimmung von Sparern und Investoren kommt, welche sich in Form einer Bank- und Wirtschaftskrise umkehren muss. Die wichtigste Klarstellung, welche bezüglich des teilgedeckten Bankfreiheitssystems gemacht werden muss, ist, dass der spontane Marktprozess, welcher die verzerrenden Wirkungen der Kreditausweitung umkehrt, in diesem System tendenziell früher einsetzt als in einem Zentralbanksystem und daher Missbräuche und Verzerrungen nicht so schwerwiegend werden können, wie sie es oftmals tun, wenn ein Kreditgeber letzter Instanz existiert und den gesamten Expansionsprozess dirigiert. Es ist mithin vorstellbar, dass in einem Bankfreiheitssystem isolierten Versuchen der Kreditausweitung relativ schnell und spontan Einhalt geboten wird durch die Kundenüberwachung der Bankoperationen und Banksolvenz, durch die kontinuierliche Neubewertung des in die Banken gesetzten Vertrauens und mehr als alles andere durch den Effekt der Interbankclearingstellen. In der Tat würde jede Bank, die ihrer Kredite schneller als der Sektordurchschnitt ausdehnt oder Noten schneller als die meisten anderen Banken emittiert, das Volumen ihrer Reserven schnell schrumpfen sehen, was auf den Interbankclearingmechanismus zurückzuführen ist und die Bankiers würden sich gezwungen sehen, die Expansion anzuhalten, um eine Zahlungseinstellung und letztlich einen Zusammenbruch zu vermeiden.92 Nichtsdestoweniger besteht, obgleich diese bestimmte Marktreaktion dazu tendiert, die Missbräuche und isolierten Expansionsmachenschaften gewisser Banken einzudämmen, kein Zweifel, dass der Prozess nur a posteriori wirkt und die Emission neuer Umlaufsmittel nicht verhindern kann. Wie wir in Kapitel 2 sahen, markierte das Aufkommen des Teildeckungsbankwesens (welches in seinen frühen Tagen nicht von einer Zentralbank begleitet war) den Beginn eines substantiellen und anhaltenden Wachstums der Umlaufsmittel zunächst in Form von Depositen und nicht durch Ersparnisse gedeckten Darlehen und später in Form von nicht 92
Genau dieser Prozess wurde von Parnell ursprünglich 1826 beschrieben und später von Ludwig von Mises weiter entwickelt in Kapitel 4 XII von Nationalökonomie „Die Grenzen der Umlaufsmittelausgabe“, S. 394-406.
mit Metallgeld gedeckten Banknoten. Dieser Prozess hat immer wieder die Produktionsstruktur verzerrt und Aufschwungs- und Rezessionszyklen generiert, welche historisch erfasst und studiert worden sind. In diesen Fällen funktionierten Privatbanken mit einer Teildeckung und ohne die Existenz und Überwachung einer Zentralbank. Eine der ersten derartiger Studien geht bis auf die Wirtschafts- und Bankkrisen zurück, welche die Stadt Florenz im vierzehnten Jahrhundert plagten. Genau wie die Theorie der Bankfreiheit zeigt, brach die große Mehrheit dieser expansiven Banken schließlich zusammen, jedoch erst nach einer Umlaufsmittelemission, die von variierender Länge war und es niemals versäumte einen lähmenden Einfluss auf die Realwirtschaft durch das Hervorrufen von Bankkrisen und Wirtschaftsrezessionen auszuüben.93 Nicht nur ist ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem unfähig Kreditausweitung und das Aufkommen von Zyklen zu vermeiden, es verleitet tatsächlich auch Bankiers im Allgemeinen dazu ihre Darlehen auszuweiten. Das Resultat ist eine Politik, in der alle Bankiers mehr oder weniger durch den Optimismus in der Darlehensgewährung und Depositenschaffung mitgerissen werden94. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass immer wenn Eigentumsrechte nicht angemessen verteidigt werden – und dies trifft im Falle des Teildeckungsbankwesens zu, welches per definitionem die Verletzung der traditionellen Eigentumsrechte der Deponenten mit sich bringt – tendenziell der Effekt der „Tragik der Allmende“ zum Tragen kommt.95 Mithin erzielt ein Bankier, der seine Darlehen ausweitet einen ansehnlichen und sehr großen Gewinn (falls seine Bank nicht zusammenbricht), während die Kosten seines unverantwortlichen Handelns von allen anderen Wirtschaftssubjekten getragen werden. Aus diesem Grunde sehen sich die Bankiers der beinahe unwiderstehlichen Versuchung ausgesetzt, vor ihren Wettbewerbern als erste eine expansive Politik einzuleiten; vor allem wenn sie erwarten, dass die anderen Banken in gewissen Maßen mitziehen
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Charles A.E. Goodhart schreibt: “There were plenty of banking crises and panics prior to the formation of central banks” und zitiert O.B.W. Sprague’s Buch, History of Crises and the National Banking System, zuerst veröffentlicht im Jahr 1910 und erneut aufgelegt in New Jersey von Augustus M. Kelley im Jahr 1977. Vgl. Charles A.E. Goodhart, “What Should Central Banks Do? What Should be their Macroeconomic Objectives and Operations?” S. 1435. Vgl. zudem den Aufsatz desselben Autors, “The Free Banking Challenge to Central Banks,” veröffentlicht in Critical Review 8, Nr. 3 (Sommer 1994): 411–25. Eine Sammlung der wichtigsten Schriften von Charles A.E. Goodhart ist veröffentlicht als The Central Bank and the Financial System (Cambridge, Mass.: MIT Press, 1995). Zum Bankoptimismus und dem „passiven Inflationismus“, welcher aus der Angst der Bankiers entsteht, eine künstliche Ausweitung vorzeitig abzubrechen, vgl. Mises, Nationalökonomie, S. 693-94. Weiterhin argumentiert Mises, dass die Vorteile aus Privilegien tendenziell auslaufen (im Bereich des Bankwesens ist dies auf einen Anstieg von Filialen, Ausgaben, etc. zurückzuführen), was dann die Nachfrage nach weiteren Inflationsdosen anregt. (Vgl. Mises, Human Action, S. 749) Der Ausdruck “tragedy of the commons” (Tragik der Allmeden) kam durch Garret Hardin’s Aufsatz, “The Tragedy of the Commons,” Science (1968); Neudruck auf den S.. 16–30 von Managing the Commons, Garret Hardin und John Baden, Hrsg. (San Francisco: Freeman, 1970) in Gebrauch. Der Prozess war jedoch schon achtundzwanzig Jahre früher vollständig durch Ludwig von Mises beschrieben worden in seinen “Die Grenzen des Sondereigentums und das Problem der external costs und external economies,” Abschnitt 6 von Kapitel 10 aus Teil 4 von Nationalökonomie: Theorie des Handelns und Wirtschaftens (Genf: Editions Union, 1940; München: Philosophia Verlag, 1980), S. 599-605.
werden, was oft der Fall ist.96 Das obige Beispiel unterscheidet sich leicht von Hardin´s klassischer Illustration der „Tragik der Allmende“, in der er die Wirkungen einer unzureichenden Anerkennung von Eigentumsrechten auf die Umwelt zeigt. Im Gegensatz zu Hardin´s Beispiel tendiert im teilgedeckten Bankfreiheitssystem ein spontaner Mechanismus (Interbankclearingstellen) dazu, die Möglichkeit zu begrenzen, dass isolierte expansive Alleingänge ein gutes Ende nehmen. Tabelle VIII-2 stellt das Dilemma dar, welchem sich Banken in einem derartigen System gegenüber sehen. Tabelle VIII-2 Bank A
Expandiert nicht Bank B Expandiert
Expandiert nicht
Expandiert
Überleben beider
Zusammenbruch von A
(geringe Gewinne)
Überleben von B
Zusammenbruch von B Hohe Gewinne für Überleben von A
beide
Diese Tabelle reflektiert die Existenz zweier Banken, Bank A und Bank B, welche beide zwei Optionen haben: entweder sich der Kreditexpansion zu enthalten oder eine Politik der Kreditausweitung zu fahren. Wenn beide Banken simultan eine Kreditausweitung initiieren (unter der Annahme, dass es keine weitere Banken gibt), wird die Fähigkeit zur Emission von neuen Geldeinheiten und Umlaufsmitteln beiden große Gewinne einbringen. Wenn eine der Banken alleine die Kredite ausweitet, wird die Durchführbarkeit dieses Unterfangens und die Solvenz dieser 96
Selgin und White haben unsere Anwendung der Theorie der „Tagik der Allmende“ auf das Teildeckungsbankwesen kritisiert. Sie behaupten, dass es in diesem Sektor zu pekuniären externen Effekten (d.h. Effekt die aus dem Preissystem herrühren) kommt, und damit nichts mit den technologischen externen Effekten, auf denen die „Tragik der Allmende“ beruht, zu tun hat. Vgl. George A. Selgin und Lawrence H. White „In Defense of Fiduciary Media, or We are Not (Devo)lutionists, We are Misesians!“ Review of Austrian Economics 9, Nr. 2 (1996): 92-93, Fußnote 12. Nichtsdestoweniger scheinen Selgin und White nicht vollkommen zu begreifen, dass die Umlaufsmittelemission auf die Verletzung der traditionellen Eigentumsrechte in Verbindung mit dem monetären Bankdepositenvertrag zurückzuführen ist und daher Umlaufsmittel kein spontanes Marktphänomen eines rechtlich gefestigten marktwirtschaftlichen Prozesses sind. Hoppe, Hülsmann und Block sind uns ihrerseits mit der folgenden Bemerkung zu Hilfe geeilt: In lumping money and money substitutes together under the joint title of “money” as if they were somehow the same thing, Selgin and White fail to grasp that the issue of fiduciary media—an increase of property titles—is not the same thing as a larger supply of property and that relative price changes effected through the issue of fiduciary media are an entirely different “externality” matter than price changes effected through an increase in the supply of property. With this the fundamental distinction between property and a property title in mind, Huerta de Soto’s analogy between fractional reserve banking and the tragedy of the commons makes perfect sense. (Hans-Hermann Hoppe, Jörg Guido Hülsmann and Walter Block, “Against Fiduciary Media,” The Quarterly Journal of Austrian Economics 1, Nr. 1 (1998): 23, Fußnote 6) Weiterhin betont Mises, dass der Haupteffekt der negativen externen Kosten die Komplizierung der Wirtschaftsrechnung und die Fehlabstimmung der Gesellschaft ist; Phänomene, die eindeutig im Falle der Kreditausweitung im Teildeckungsbankensystem eintreten. Vgl. Mises, Nationalökonomie, S. 599.
Bank durch die Interbankclearingmechanismen gefährdet. Denn diese Mechanismen führen zu einem Verlust von Reserven der expandierenden Bank an die nicht expandierende Bank, wenn die Kreditausweitung nicht rechtzeitig eingestellt wird. Schließlich ist es auch möglich, dass keine der Banken Kredite ausweitet und beide eine umsichtige Politik der Darlehensgewährung beibehalten. In diesem Falle ist das Überleben beider garantiert, jedoch werden ihre Gewinne recht bescheiden bleiben. Bei den obigen Wahlmöglichkeiten, ist es klar, dass die beiden Banken einer starken Versuchung ausgesetzt sind, zu einer Absprache zu kommen und, um die abträglichen Folgen individueller Handlungen zu vermeiden, eine gemeinsame Kreditausweitungspolitik zu initiieren, welche beide vor der Insolvenz schützt und ansehnliche Gewinne garantiert.97 Die obige Analyse lässt sich auf eine große Bankengruppe, welche in einem Teildeckungsbankensystem operiert und eine Teildeckung hält, ausdehnen. Die Analyse zeigt, dass unter derartigen Umständen, sogar wenn der Interbankenclearingmechanismus isolierte Ausweitungen begrenzt, diese spontanen Mechanismen tatsächlich implizite oder explizite Vereinbarungen zwischen der Mehrheit der Banken zur gemeinsamen Initiierung eines Expansionsprozesses ermutigen. Mithin tendieren Banken in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem dazu zu fusionieren, und Bankiers miteinander implizite und explizite Vereinbarungen zu treffen und schließlich kommt es tendenziell zur Entstehung einer Zentralbank. Zentralbanken werden im Allgemeinen als ein Resultat der Forderungen der Privatbankiers selbst gegründet. Diese wollen die gemeinsame Kreditausweitung durch eine Regierungsbehörde, welche zur Koordination und Organisation dieser Ausweitung entworfen wird, institutionalisieren. Auf diese Weise wird das „unkooperative“ Verhalten einer signifikanten Zahl von relativ umsichtigeren Bankiers daran gehindert, die Solvenz des Restes, der frohgemuter Kredite vergibt, zu gefährden. Mithin erlaubt uns unsere Analyse zu den folgenden Schlüssen zu kommen: (1) dass der Interbankenclearingmechanismus nicht der Begrenzung der Kreditausweitung in einem
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Das Argument hinter der Anwendung der „Tragik der Allmende“ auf ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem geht parallel zu der ursprünglich von Longfield gebrachten Argumentation, obzwar dieser ohne Begründung versucht, das Konzept der Tragik der Allmende sogar auf isolierte Ausweitungen von ein paar Banken anzuwenden, während in unserer Analyse isolierte Ausweitungen durch den Interbankclearingmechanismus begrenzt sind, ein Faktor den Longfield nicht berücksichtigt. Die Tragik der Allmende begründet zudem die Kräfte, welche die Banken in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem dazu veranlassen, zu fusionieren und die Gründung einer Zentralbank zu fordern, mit dem Ziel, eine allgemeine, gemeinsame Kreditausweitungspolitik zu etablieren. Zum ersten Mal erklärten wir diesen typischen „Tragik der Allmende“-Prozess in diesem Zusammenhang auf dem Regionaltreffen der Mont Pèlerin Gesellschaft, welche vom 5.-8. September 1993 in Rio de Janeiro statt fand. Auf diesem Treffen wies zudem Anna J. Schwartz darauf hin, dass moderne Vertreter eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems nicht zu begreifen scheinen, dass der Interbankenclearingmechanismus, auf den sie sich beziehen, die Kreditausweitung nicht eindämmt, wenn alle Banken entscheiden, ihre Kredite simultan mehr oder weniger stark auszudehnen. Vgl. den Aufsatz von Anna J. Schwartz, „The Theory of Free Banking“, präsentiert auf dem erwähnten Treffen und vor allem S. 5. In jedem Fall ist es evident, dass der Expansionsprozess seinen Ursprung in einem Privileg gegen das Eigentumsrecht hat, und dass jede Bank die Gewinne ihrer Kreditausweitung internalisiert und die entsprechenden Kosten in verdünnter Form auf das gesamte System verteilt. Weiterhin dämmt der Interbankenclearingmechanismus den Missbrauch nicht effektiv ein, wenn die Bankiers implizit oder explizit übereinstimmen sich dem „Optimismus“ bei der Darlehensschaffung und Gewährung anzuschließen.
teilgedeckten Bankfreiheitssystem dienen kann, wenn die meisten Banken sich dazu entschließen, simultan ihre Kredite ohne einen vorherigen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse auszuweiten; (2) dass das Teildeckungsbankensystem selbst die Bankiers dazu veranlasst, ihre expansive Politik in einer kombinierten und koordinierten Weise zu initiieren; und (3) dass Bankiers in dem System einen starken Anreiz haben, die Einrichtung einer Zentralbank zu fordern und zu erhalten, um die Kreditausweitung für alle Banken zu institutionalisieren und zu koordinieren sowie die Schaffung der notwendigen Liquidität in den „schwierigen“ Zeiten zu garantieren, welche wie Bankiers aus Erfahrung wissen unvermeidbar auftreten.98 Das Privileg, welches es Banken erlaubt einen signifikanten Anteil des bei Ihnen als Sichteinlage hinterlegten Geldes zu nutzen, d.h. mit einer Teildeckung zu operieren, kann in zyklischer Weise zu einer dramatischen Fehlabstimmung der Wirtschaft führen. Ein ähnlicher Effekt entsteht, wenn Privilegien an andere soziale Gruppen in anderen Bereichen (beispielsweise an Gewerkschaften im Arbeitsmarkt) vergeben werden. Das Teildeckungsbankwesen verzerrt die Produktionsstruktur und provoziert eine verbreitete intertemporale Fehlabstimmung in der Wirtschaft; ein Zustand, der dazu bestimmt ist, sich spontan in Form einer Wirtschaftskrise und Rezession umzukehren. Obgleich in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem unabhängige Umkehrprozesse dazu tendieren, die Missbräuche schneller als einem von einer Zentralbank kontrollierten und geleiteten System einzudämmen, besteht der schädlichste Effekt des teilgedeckten Bankfreiheitssystems darin, dass es Banken einen ungemein starken Anreiz liefert, die Darlehen gemeinsam auszudehnen und vor allem die Obrigkeit dazu zu drängen, eine Zentralbank einzurichten, mit dem Ziel in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten Unterstützung anzubieten und eine umfassende, kollektive Kreditausweitung zu organisieren und koordinieren. SCHLUSSFOLGERUNG: DAS SCHEITERN DER BANKGESETZGEBUNG Der gesellschaftliche Marktprozess wird durch eine Reihe von Gewohnheitsregeln, die aus ihm selbst entstehen, möglich. Niemand hat diese mit Absicht entworfen. Stattdessen sind derartige Regeln evolutionäre Institutionen, welche aus praktischen Informationen entstehen, welche über 98
Genau aus diesen Gründen kann ich nicht mit meinem Freund Pascal Salin übereinstimmen, der zu dem Schluss kommt, dass „the problem is [central bank] monetary monopoly, not fractional reserve.“ Vgl. Pascal Salin, „In Defense of Fractional Monetary Reserves.“ Sogar die hervorragendsten Verteidiger des teilgedeckten Bankfreiheitssystems haben erkannt, dass das Interbankenclearingsystem, welches in einem Bankfreiheitsumfeld entstehen würde, nicht in der Lage wäre, eine breite Kreditausweitung einzudämmen. Vgl. beispielsweise George Selgin´s Aufsatz “Free Banking and Monetary Control,” veröffentlicht in Economic Journal 104, Nr. 427 (November 1994): 1449–59, vor allem S. 1455. Selgin übersieht die Tatsache, dass das von ihm unterstützte Teildeckungsbankensystem einen unwiderstehlichen Trend nicht nur zu Fusionen, Vereinigungen und Vereinbarungen schaffen würden, sondern auch (und das ist noch wichtiger) zur Errichtung einer Zentralbank, welche zur Koordination der gemeinsamen Kreditausweitung ohne Aufspielsetzung der Solvenz individueller Banken und zur Garantie der notwendigen Liquidität als ein Kreditgeber letzter Instanz mit der Macht, jede Bank in Zeiten finanzieller Schwierigkeiten zu unterstützen, entworfen wird.
eine immens große Zahl von Handelnden über eine sehr lange Zeitspanne verteilt sind. Materielles Recht besteht in diesem Sinne aus einer Reihe von allgemeinen, abstrakten Regeln bzw. Gesetzen. Sie sind allgemein, da sie sich auf alle Menschen gleich beziehen und sie sind abstrakt, weil sie nur einen breiten Handlungsrahmen für die Individuen etablieren und nicht irgendwelche konkreten Resultate des sozialen Prozesses etablieren. Im Gegensatz zur materiellen Rechtskonzeption steht die Gesetzgebung, verstanden als eine Reihe von auf Zwang beruhenden, gesetzlichen ad hoc Erlassen bzw. Anweisungen, welche die illegitimen Privilegien und die systematische, institutionelle Aggression verkörpern, mit der die Regierungen versuchen, die Prozesse der menschlichen Interaktion zu beherrschen.99 Dieses Konzept der Gesetzgebung impliziert die Aufgabe der traditionellen (oben erklärten) Rechtsauffassung und ihre Ablösung durch ein „Scheinrecht“, welches aus einem Konglomerat aus Verwaltungserlässen, Regulierungen und Befehlen besteht, welche genau diktieren, wie sich die überwachten Wirtschaftssubjekte zu verhalten haben. Mithin dient in dem Maße, in dem die Privilegien und der institutionelle Zwang sich ausdehnen und entwickeln, das traditionelle Recht nicht mehr den Individuen als Verhaltensstandard und die Rolle dieser Gesetze wird durch die Zwangserlässe und Befehle der Regulierungsbehörde, in unserem Falle der Zentralbank, ersetzt. Auf diese Weise verliert das Recht seinen Anwendungsbereich und da die Wirtschaftssubjekte der Kriterien des materiellen Rechts beraubt werden, beginnen sie unbewusst, ihre Persönlichkeit zu verändern und verlieren gar die Gewohnheit sich den allgemeinen, abstrakten Regeln anzupassen. Unter diesen Umständen ist es in vielen Fällen eine Frage des Überlebens sich diesen Befehlen zu „entziehen.“ In anderen Fällen reflektiert es den Erfolg eines verdorbenen oder perversen Unternehmertums. Mithin gelangen von einem allgemeinen Standpunkt aus betrachtet die Menschen dahin, Abweichungen von den Regeln mehr als einen bewundernswerten Ausdruck menschlichen Einfallsreichtums denn als Verletzung eines regulierenden System zu betrachten, durch die das Leben in Gesellschaft ernsthaft gefährdet wird. Die obigen Betrachtungen lassen sich vollständig auf die Bankgesetzgebung übertragen. In der Tat beinhaltet, wie wir in den ersten drei Kapiteln sahen, das Teildeckungsbankwesen, welches sich auf alle Länder mit einer Marktwirtschaft ausgedehnt hat, die Verletzung von grundlegenden Rechtsprinzipien in Bezug auf den monetären Bankdepositenvertrag und die Gewährung eines ius privilegium an gewisse Wirtschaftssubjekte: die privaten Banken. Dieses Privileg ermöglicht es den Banken die Rechtsprinzipien zu missachten und einen Großteil des ihnen von den Bürgern in Form von Sichteinlagen anvertrauten Geldes für ihre eigenen Interessen zu gebrauchen. Die Bankengesetzgebung stellt vor allem eine Abkehr von den traditionellen Rechtsprinzipien in 99
Hayek, Die Verfassung der Freiheit und Recht (1991, 3. Auflage, Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)), Recht, Gesetzgebung und Freiheit. (2003, Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)) Vgl. zudem Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, Kapitel 3.
Verbindung mit dem monetären Sichteinlagenvertrag, dem Herz des modernen Bankwesen, dar. Weiterhin nimmt die Bankengesetzgebung die Form eines verworrenen Netzes von Verwaltungserlässen und Befehlen an, welche auf die Zentralbank zurückgehen und darauf abzielen, die spezifischen Aktivitäten der Privatbankiers strikt zu kontrollieren. Dieses Gewirre von Vorschriften hat sich nicht nur als unfähig erwiesen, das zyklischen Aufkommen von Bankkrisen zu vermeiden, sondern und das ist viel wichtiger hat es auch die wiederkehrenden Phasen von großen künstlichen Aufschwüngen und tiefen Wirtschaftsrezessionen gefördert und verstärkt. Diese Phasen erfassen in regelmäßigen Abständen westliche Volkswirtschaften und bringen große wirtschaftliche und menschliche Kosten mit sich. Mithin: Jedes Mal wenn eine neue Krise eintritt, wird eine ganze Gruppen von neuen Gesetzen oder Änderungen von vorherigen Gesetzen eilig unter der naiven Annahme verabschiedet, dass die vorherigen Gesetze unzureichend waren und dass die neuen, detaillierteren und allumfassenden Gesetze besser künftige Krisen vermeiden würden. Auf diese Weise entschuldigen die Regierung und die Zentralbank ihre bedauerliche Unfähigkeit, Krisen abzuwenden, welche nichtsdestoweniger immer wieder aufkommen und die neuen Regulierungen haben nur bis zur nächsten Bankkrise und Wirtschaftsrezession bestand.100 Wir können mithin festhalten, dass die Bankengesetzgebung zum Scheitern verurteilt ist und dies auch in Zukunft sein wird, es sei denn, dass ihre gegenwärtige Form gänzlich abgeschafft und durch ein paar einfache Artikel ersetzt wird, welche ins Handels- und Strafgesetzbuch einfließen. Diese Artikel würde die Regulierung des monetären Bankdepositenvertrags nach den traditionellen Rechtsprinzipien regulieren (100-prozentige Reservepflicht) und würden alle Verträge verbieten, welche eine Teildeckungsbankwesen verschleiern. Kurzum und Mises´Sicht beibehaltend enthält unser Vorschlag die Substitution des gegenwärtigen Netzes der administrativen Bankengesetzgebung, welches die ihr gesetzten Ziele verfehlt hat, durch ein paar klare, einfache,
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Vgl. S. 2 des Aufsatzes unserer Schülerin Elena Sousmatzian Ventura, “¿Puede la intervención gubernamental evitar las crisis bancarias?” Frau Sousmatzian zitiert die folgende Beschreibung des Krisengesetzgebungszyklus von Tomás-Ramón Fernández: Die Bankgesetzgebung ist immer als Antwort auf Krisen entwickelt worden. Wenn die Krisen zuschlugen, ist die existierende Gesetzgebung immer als inadäquat und nicht die notwendigen Antworten und Lösungen offerierend angesehen worden. Damit ist es immer notwendig gewesen hastige Notlösungen zu finden, welche am Ende jeder Krise in einen neuen allgemeinen Rechtsrahmen eingebettet werden, der, trotz des Kontextes der „Erfindung“ der Lösungen, nur bis zum folgenden Schock bestand hat, wenn ein ähnlicher Zyklus beginnt. (Tomás-Ramón Fernández, Comentarios a la ley de disciplina de intervención de las entidades de crédito [Madrid: Serie de Estudios de la Fundación Fondo para la Investigación Económica y Social, 1989], S. 9) Elena Sousmatzian drückt das Problem auf folgende Weise aus: Wenn Bankkrisen vermeidbar sind, dann haben sich die Regierungseingriffe der Aufgabe ihrer Vermeidung als unfähig erwiesen; und wenn Krisen unvermeidbar sind, sind Regierungseingriffe in diesem Gebiet überflüssig. Beide Positionen enthalten Wahrheit, da das Teildeckungsbankwesen Krisen unausweichlich macht, unabhängig von der Bankgesetzgebung, welche die Regierung zu entwerfen besteht und welche vielmals die zyklischen Problem eher verschärft denn mindert.
Artikel, welche im Handels- und Strafgesetzbuch auftauchen.101 Interessanterweise glauben moderne Vertreter eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems, was zum Teil auf eine fehlende juristische Bildung zurückzuführen ist, fälschlicherweise, dass eine 100prozentige Reservepflicht einer unfairen Verwaltungsrestriktion der individuellen Freiheit gleichkäme. Jedoch ist nichts weiter von der Wahrheit entfernt, wie die Analyse der ersten drei Kapitel gezeigt hat. Denn diese Theoretiker verstehen nicht, dass eine derartige Regel -weit davon entfernt ein Beispiel systematischen, administrativen Zwanges der Obrigkeit zu sein- lediglich die Anerkennung der traditionellen Eigentumsrechte im Bankensektor darstellt. Mit anderen Worten sehen die Ökonomen, die ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem unterstützen, nicht, dass „free trade in banking is synonymous with free trade in swindling“. Diese berühmtes Zitat geht auf einen anonymen Amerikaner zurück und wird von Took wiederholt.102 Außerdem sollte, wenn letztlich ein Bankfreiheitssystem als das „geringere Übel“ gegenüber einem Zentralbanksystem verteidigt werden muss, es nicht das Motiv sein, die Ausbeutung von lukrativen Möglichkeiten zu erlauben, die immer durch die Kreditausweitung entstehen. Stattdessen sollte die Bankfreiheit als eine indirekte Route zum idealen Bankfreiheitssystem, welches den Rechtsprinzipien, d.h. einer 100-prozentigen Reservepflicht, unterliegt, gesehen werden. Alle in einem Rechtsstaat verfügbaren Mittel sollten jederzeit zur direkten Verfolgung dieses Ziels eingesetzt werden. 4 EINE KRITISCHE EINSCHÄTZUNG DER MODERNEN TEILGEDECKTEN BANKFREIHEITSSCHULE Die letzten zwanzig Jahre haben eine gewissen Renaissance der Lehren der alten Banking Schule gesehen. Die Verteidiger dieser Lehren behaupten, dass ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem nicht nur zu geringeren Verzerrungen und Wirtschaftskrisen führen würde als ein Zentralbanksystem, sondern überhaupt das Problem beseitigen würde. Angesichts der Tatsache, dass diese Ökonomen ihre Argumentation auf verschiedene Varianten der alten Banking Schuldoktrin stützen, wobei einige anspruchsvoller denn andere sind, werden wir die Ökonomen unter dem Begriff „Neo101 102
Mises, Nationalökonomie, S. 403. Genau schreibt Tooke: As to the free trade in banking in the sense which it is sometimes contended for, I agree with a writer in one of the American papers, who observes that free trade in banking is synonymous with free trade in swindling. Such claims do not rest in any manner on grounds analogous to the claims of freedom of competition in production. It is a matter of regulation by the State and comes within the province of police. (Thomas Tooke, AHistory of Prices, 3 Bde. [London: Longman, 1840], Bd. 3, S. 206) Wir stimmen mit Took überein, dass wenn Bankfreiheit die Freiheit impliziert mit einer Teildeckung zu operieren, die grundlegenden Prinzipien verletzt werden und der Staat, falls er überhaupt eine Funktion hat, sorgfältig versuchen sollte, derartige Verletzungen zu verhindern und sie zu bestrafen, wenn sie vorkommen. Dies scheint genau das gewesen zu sein, was Ludwig von Mises im Sinne hatte, als er diesen Ausschnitt Tooke´s zitierte (Mises, Nationalökonomie, S. 405).
Banking Schule“ bzw. „moderne Bankfreiheitsschule, die für Teildeckung eintritt“ führen. Diese Schule setzt sich aus einer kuriosen Allianz von Gelehrten zusammen103, unter denen wir gewisse Vertreter der Österreichischen Schule nennen könnten, welche unsere Meinung nach einige der Misesschen und Hayekschen Lehren zur Geld- sowie zur Kapital- und Konjunkturtheorie nicht verstanden haben. Zu den Vertretern der Neo-Banking Schule unter den Österreichern zählen Autoren wie White104, Selgin105 und aktueller Horwitz106; dazu kommen Vertreter der Englischen Subjektivismusschule wie Dowd107; und schließlich Theoretiker mit einem monetaristischen Hintergrund wie Glasner108, Yeager109 und Timberlake110. Sogar Milton
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Wie David Laidler richtig feststellt ist das erneute Interesse an der Bankfreiheit und die Entwicklung der NeoBanking Schule auf Friedrich A. Hayek’s Buch zur Entnationalisierung des Geldes zurückzuführen (F.A. Hayek, Denationalization of Money: The Argument Refined, 2. Aufl. [London: Institute of Economic Affairs, 1978], deutsch als Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufsmittel [Tübingen: Mohr, J. C. B., (Paul Siebeck), 1977) erschienen. Vor Hayek offeriert Benjamin Klein einen ähnlichen Vorschlag in seinem Aufsatz, “The Competitive Supply of Money,” veröffentlicht in Journal of Money, Credit and Banking 6 (November 1974): 423–53. Laidler’s Referenz an die beiden Autoren ist in einem kurzen jedoch stimulierenden Aufsatz zur Banktheorie zu finden, “Free Banking Theory,” in The New Palgrave: A Dictionary of Money and Finance (London and New York: Macmillan Press, 1992), Bd. 2, S. 196–97. Nach Oskari Juurikkala ist die gegenwärtige Debatte unter Bankfreiheitsgelehrten (pro 100-prozentige Reservepflicht versus pro Teildeckung) streng parallel zu der französischen Debatte des neunzehnten Jahrhunderts zwischen Victor Modeste (und Henry Cernuschi) und J. Gustave Courcelle-Seneuil. Vgl. seinen Aufsatz, “The 1866 False-Money Debate in the Journal des Economistes: Déjà Vu for Austrians?“ Lawrence H. White, Free Banking in Britain: Theory, Experience and Debate, 1800–1845 (London and New York: Cambridge University Press, 1984); Competition and Currency: Essays on Free Banking and Money (New York: New York University Press, 1989); zudem Aufsätze, die er gemeinsam mit George A. Selgin verfasst hat: “How Would the Invisible Hand Handle Money?” Journal of Economic Literature 32, no. 4 (December 1994): 1718–49, und, “In Defense of Fiduciary Media—or, We are Not Devo(lutionists), We are Misesians!” Review of Austrian Economics 9, Nr. 2 (1996): 83–107. Schließlich hat Lawrence H. White die wichtigste Sammlung von Schriften vom Standpunkt der Neo-Banking Schule zusammengestellt: Free Banking, Bd. 1: 19th Century Thought; Bd. 2: History; Bd. 3: Modern Theory and Policy (Aldershot, U.K.: Edward Elgar, 1993). George A. Selgin, “The Stability and Efficiency of Money Supply under Free Banking,” veröffentlicht in Journal of Institutional and Theoretical Economics 143 (1987): 435–56, und erneut gedruckt in Free Banking, Bd. 3: Modern Theory and Policy, Lawrence H. White, Hrsg., S. 45–66; The Theory of Free Banking: Money Supply under Competitive Note Issue (Totowa, N.J.: Rowman and Littlefield, 1988); die Aufsätze, die er zusammen mit Lawrence H. White verfasste sind in der vorangehenden Fußnote zu finden; und “Free Banking and Monetary Control,” S. 1449–59. Ich bin mir nicht sehr sicher, ob sich Selgin noch als Mitglied der Österreichischen Schule betrachtet. Stephen Horwitz, “Keynes’ Special Theory,” S. 411–34; “Misreading the ’Myth’: Rothbard on the Theory and History of Free Banking,” veröffentlicht als Kapitel 16 von The Market Process: Essays in Contemporary Austrian Economics, Peter J. Boettke and David L. Prychitko, Hrsg. (Aldershot, U.K.: Edward Elgar, 1994), S. 166–76; sowie seine Bücher Monetary Evolution, Free Banking and Economic Order und Microfoundations and Macroeconomics (London: Routledge, 2000). Kevin Dowd, The State and the Monetary System (New York: Saint Martin’s Press, 1989); The Experience of Free Banking (London: Routledge, 1992); und Laissez-Faire Banking (London and New York, Routledge, 1993). David Glasner, Free Banking and Monetary Reform (Cambridge: Cambridge University Press, 1989); “The RealBills Doctrine in the Light of the Law of Reflux,” History of Political Economy 24, Nr. 4 (Winter, 1992): S. 867-94. Leland B. Yeager und Robert Greenfield, “A Laissez-Faire Approach to Monetary Stability,” Journal of Money, Credit and Banking 15, Nr. 3 (August 1983): 302–15, erneut veröffentlicht als Kapitel 11 von Bd. 3 von Free Banking, Lawrence H. White, Hrsg., S. 180–95; Leland B. Yeager und Robert Greenfield, “Competitive Payment Systems: Comment,” American Economic Review 76, Nr. 4 (September 1986): 848–49. Und schließlichYeager´s Buch, The Fluttering Veil: Essays on Monetary Disequilibrium. 0Richard Timberlake, “The Central Banking Role of Clearinghouse Associations,” Journal of Money, Credit and Banking 16 (February 1984): 1–15; “Private Production of Scrip-Money in the Isolated Community,” Journal of Money, Credit and Banking 19, Nr. 4 (October 1987): 437–47; “The Government’s Licence to Create Money,” The Cato Journal: An Interdisciplinary Journal of Public Policy Analysis 9, Nr. 2 (Fall, 1989): 302-21.
Friedman111, obzwar er nicht als ein Mitglied dieser neuen Schule betrachtet werden kann, hat sich ihr allmählich angenähert, vor allem nach seinem Scheitern bei der Überzeugung der Zentralbanker, seine berühmte Geldmengenregel in die Praxis umzusetzen. Moderne Vertreter eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems haben eine ökonomische Theorie des „monetären Gleichgewichts“ entwickelt. Sie basieren ihre Theorie auf gewissen typischen Elementen der monetaristischen und keynesianischen Analyse112 und versuchen zu zeigen, dass ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem das Volumen der geschaffenen Umlaufsmittel (Banknoten und Depositen) einfach an die öffentliche Nachfrage nach ihnen anpassen würde. Auf die Weise wird argumentiert, würde das teilgedeckte Bankfreiheitssystem nicht nur das „monetäre Gleichgewicht“ besser als andere alternative System bewahren, sondern auch am effektivsten die Geldmenge ihrer Nachfrage anpassen. Kurz und gut konzentriert sich dieses Argument auf das hypothetische Ergebnis eines Anstiegs der Umlaufsmittelnachfrage durch die Wirtschaftssubjekte unter der Annahme, dass die Hartgeldreserven im Bankensystem konstant bleiben. In diesem Falle, so die Ökonomen, würde das Tempo, in dem Umlaufsmittel gegen Bankreserve getaucht werden, erlahmen. Die Reserven würden ansteigen und die Bankiers, welche sich dieses Anstiegs bewusst werden und auf Gewinne aus sind, würden die Kredite ausweiten und Banknoten und Depositen emittieren. Das Wachstum der Umlaufsmittel würde dann tendenziell dem vorangehenden Nachfrageanstieg entsprechen. Das Gegenteil würde eintreten, falls die Nachfrage nach Umlaufsmitteln zurückgeht: die Wirtschaftssubjekte würden größere Mengen an Reserven abziehen, um Umlaufsmittel los zu werden. Die Banken würden dann ihre Solvenz gefährdet und sich verpflichtet sehen, den Kredit einzuschränken und weniger Banknoten und Depositen zu emittieren. Auf diese Weise würde ein Rückgang des Umlaufsmittelangebots auf den vorangehenden Rückgang in der Umlaufsmittelnachfrage folgen.113 Die Theorie des „monetären Gleichgewichts“ wiederholt offensichtlich Fullarton´s Rückstromgesetz und vor allem die Argumente der alten Banking Schule hinsichtlich der „Erfordernisse des Handels“. Diesen Argumenten zu folge ist die Umlaufsmittelschaffung durch Privatbanken nicht nachteilig, wenn sie einem Anstieg der „Erfordernisse“ der Geschäftsleute entspricht. Diese Argumente werden in der „neuen“ Theorie des „monetären Gleichgewichts“
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Milton Friedman und Anna J. Schwartz, “Has Government Any Role in Money?” Journal of Monetary Economics 17 (1986): 37–72, neu veröffentlicht als Kapitel 26 des Buchs, The Essence of Friedman, Kurt R. Leube, Hrsg. (Stanford University, Calif.: Hoover Institution Press, 1986), S. 499–525. Daher schreibt Selgin selbst: Despite . . . important differences between Keynesian analysis and the views of other monetary-equilibrium theorists, many Keynesians might accept the prescription for monetary equilibrium. ( Selgin, The Theory of Free Banking, S. 56; vgl. zudem S. 59) Eine detaillierte Analyse ist unter anderen Stellen in Selgin’s Buch, The Theory of Free Banking, Kapitel. 4, 5 und 6, vor allem S. 34 und S. 64–69 zu finden.
wiederholt und kristallisiert. Diese Theorie besagt, dass die Schaffung von Umlaufsmitteln durch Privatbanken in Form von Noten und Depositen keine Wirtschaftszyklen erzeugt, wenn sie auf einen Anstieg der öffentlichen Nachfrage nach derartigen Instrumente folgt. Obgleich Lawrence H. White eine noch nicht ausgereifte Version dieser reformierten Doktrin der „Erfordernisse des Handels“ in seinem Buch zur Bankfreiheit in Schottland entwickelt114, gebührt die Ehre der theoretischen Formulierung der Idee einem von White´s herausragendsten Schülern, George A. Selgin. Wir werden nun Selgin´s Theorie des „monetären Gleichgewichts“ oder in anderen Worten seine revidierte Fassung von einigen Lehren der alten Banking Schule analysieren. DIE FEHLERHAFTE BASIS DER ANALYSIE: DIE UMLAUGSMITTELNACHFRAGE ALS EINE EXOGENE VARIABLE Selgin´s Analyse beruht auf dem Verständnis, dass die Geldnachfrage in Form von Umlaufsmittlen eine dem System exogene Variable ist, dass diese Variable mit den Wünschen der Wirtschaftssubjekte sich ändert und dass der Hauptzweck des Bankfreiheitssystems die Abstimmung der Emission von Depositen und Banknoten mit einer Verschiebung in ihrer Nachfrage.115 Nichtsdestoweniger ist eine derartige Nachfrage nicht dem System exogen, sondern wird endogen durch dieses bestimmt. Es ist kein Zufall, dass die Gelehrten der teilgedeckten Bankfreiheitsschule ihre Analyse damit beginnen, sich auf gewisse mehr oder weniger mysteriöse Variationen der Umlaufsmittelnachfrage zu konzentrieren und es vernachlässigen, den Ursprung oder die Ätiologie dieser Variationen zu erklären.116 Es erscheint, als ob diese Ökonomen realisierten, dass auf der Geldangebotsseite die 114
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Stephen Horwitz behauptet, dass Lawrence White: explicitly rejects the real-bills doctrine and endorses a different version of the “needs of trade” idea. For him the “needs of trade” means the demand to hold bank notes. On this interpretation, the doctrine states that the supply of bank notes should vary in accordance with the demand to hold notes. As I shall argue, this is just as acceptable as the view that the supply of shoes should vary to meet the demand for them. (Horwitz, “Misreading the ‘Myth’, S. 169) Um präzise zu sein, scheint White die neue Version der Lehre der „Erfordernisse der Handels“ von der alten Banking Schule auf den S. 123-24 seines Buches, Free Banking in Britain, zu verteidigen. Im Gegensatz zu Horwitz´These zeigt Amasa Walker im Hinblick auf Umlaufsmittel: The supply does not satisfy the demand: it excites it. Like an unnatural stimulus taken into the human system, it creates an increasing desire for more; and the more it is gratified, the more insatiable are its cravings. (Amasa Walker, The Science of Wealth: A Manual of Political Economy, 5th ed. [Boston: Little Brown and Company, 1869], S. 156) “Free banking thus works against short-run monetary disequilibrium and its business cycle consequences.” Selgin and White, “In Defense of Fiduciary Media—or, We are Not Devo(lutionists), We are Misesians!”, S. 101-02. Joseph T. Salerno weist darauf hin, dass für Mises ein Anstieg der Geldnachfrage überhaupt gar kein Koordinationsproblem darstellt, so lange das Bankensystem nicht versucht, sich diesen Veränderungen durch die Schaffung neuer Darlehen anzupassen. Sogar ein Anstieg der Ersparnisse (d.h. ein Konsumrückgang) ausgedrückt allein in einem Anstieg der Kassenhaltung (Hortung) und nicht in Darlehen in Zusammenhang mit Ausgaben für Investitionsgüter würde zu der effektiven Ersparnis von Konsumgütern und Leistungen im Gemeinwesen führen und zu einem Prozess, durch den die Produktionsstruktur länger und kapitalintensiver würde. In diesem Falle würde der Anstieg der Kassenhaltung lediglich die Kaufkraft des Geldes erhöhen, in dem die Nominalpreise der Konsumgüter und Leistungen der Produktionsfaktoren gedrückt werden. Nichtsdestoweniger würden sich die Preisdisparitäten zwischen verschieden Stufen der Produktionsfaktoren ergeben, die für eine Periode des Sparanstiegs und wachsender Kapitalintensität in der Produktionsstruktur charakteristisch sind. Vgl. Joseph T. Salerno, “Mises and
Österreicher gezeigt hätten, dass die Kreditausweitung die Wirtschaft ernsthaft verzerrt; eine Tatsache, die in jedem Falle ein rigides Geldsystem117 zu rechtfertigen scheint, welches in der Lage ist, monetäre Expansionen und Kontraktionen, die jedem Teildeckungsbankensystem typischen sind, zu vermeiden. Auf der Angebotsseite scheinen daher theoretische Argumente die Errichtung eines relativ unelastischen Geldsystems, wie ein reiner Goldstandard mit einer 100prozentigen Reservepflicht für Banknoten und Depositen, zu unterstützen118. Wenn daher ie Verteidiger der Neo-Banking Schule ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem zu rechtfertigen wünschen, ein System, in welchem es substantielle Anstiege und Rückgänge der Geldmenge in Form von Umlaufsmitteln geben kann, müssen sie autonom auf die Nachfrageseite blicken, in der Hoffnung in der Lage zu sein zu beweisen, dass derartige Modifikationen des Umlaufsmittelangebots (welche in einem Teildeckungssystem unvermeidbar sind) mit vorherigen Nachfragevariationen korrespondieren und damit den hypothetischen, zuvor existierenden Zustand eines „monetären Gleichgewichts“ wiederherstellen. Das Wachstum der Geldmenge in Form von Kreditausweitung verzerrt die Produktionsstruktur und führt zu einem Wirtschaftsboom und einer nachfolgenden Rezession. In diesen Phasen kommt es zu signifikanten Veränderungen in der Nachfrage nach Geld und Umlaufsmitteln. Mithin wird der Prozess nicht, wie von Theoretikern der modernen Bankfreiheitsschule angenommen, durch autonome, ursprüngliche Veränderungen in der Umlaufsmittelnachfrage ausgelöst, sondern durch die Manipulation ihres Angebots. Alle Teildeckungsbankensysteme führen mehr oder weniger stark derartige Manipulationen durch die Ausweitung des Kredits aus. Es stimmt, dass in einem aus einer Vielzahl von freien Banken bestehendes nicht von der Zentralbank unterstütztes System die Kreditausweitung viel früher enden würde als in einem System, in dem die Zentralbank eine allgemeine Expansion koordiniert und seine Liquidität zur Hilfe für die gefährdeten Banken verwendet. Dies ist das Argument für die Bankfreiheit, welches
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Hayek Dehomogenized,” veröffentlicht in Review of Austrian Economics 6, Nr. 2 (1993): 113–46, vor allem S. 144ff. Siehe zudem Mises, Nationalökonomie, S. 471–472. In diesem Artikel kritisiert Salerno heftig White, weil dieser behauptet, dass Mises ein Vorläufer der modernen Bankfreiheitsgelehrten war und nicht realisiert, dass Mises immer die grundlegenden Prämissen der Banking Schule in Zweifel gezogen hat und die Bankfreiheit nur als einen Weg verteidigt hat, sein Endziel eines Bankensystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht zu erreichen. Vgl. S. 137ff. im obigen Artikel. Siehe zudem die folgende Fußnote 119. Wir wollen uns daran erinnern, dass Hayek´s Ziel in Prices and Production gerade war, zu zeigen, daß das allgemeine Verlangen nach einem ´elastischen´Geldumlauf, der sich mit jeder Schwankung im Geldbedarf´ vermehrt oder vermindert, sich auf einen folgenschweren Denkfehler gründet. (Vgl. S. V von Hayek’s Vorwort zur ersten Auflage von Preise und Produktion) Mark Skousen stellt fest, dass ein System, welches auf einem reinen Goldstandard mit einer 100-prozentigen Reservepflicht im Bankwesen basiert, elastischer wäre als das System, welches Hayek vorschlägt, und nicht den Defekt haben würde sich den „Erfordernissen des Handels“ zu fügen: ein Preisrückgang würde die Goldproduktion stimulieren und damit eine moderate Expansion der Geldmenge ohne Erzeugung zyklischer Effekte generieren. Skousen schließt: Based on historical evidence, the money supply (the stock of gold) under a pure gold standard would expand [annually] between 1 to 5 percent. And, most importantly, there would be virtually no chance of a monetary deflation under 100 percent gold backing of the currency. (Skousen, The Structure of Production, p. 359)
Parnell ursprünglich entwickelte und welches Mises später als second-best bezeichnete119. Es ist indes eine Sache zu behaupten, dass in einem reinen Bankfreiheitssystem die Kreditausweitung früher eingedämmt wird als im gegenwärtigen System und es ist eine ganz andere Sache zu behaupten, dass die in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem erzeugte Kreditausweitung niemals die Produktionsstruktur verzerren würde, da es immer gegen ein angenommenes „monetäres Gleichgewicht“ tendieren würde. In der Tat zeigt Mises sehr klar, dass jede Kreditausweitung die Produktionsstruktur verzerrt. Mithin lehnt Mises die Grundlage der modernen Theorie des monetären Gleichgewichts ab. In der Tat versichert Mises: Für die Katallaktik ist der Begriff «normale Kreditausweitung» sinnlos. Jede Kreditausweitung wirkt auf die Gestaltung der Preise, Löhne und Zinssätze und löst den Prozess aus, den zu beschreiben die Aufgabe der Konjunkturtheorie ist.120 Der Hauptfehler von Selgin´s Theorie des „monetären Gleichgewichts“ besteht darin, dass sie die Tatsache ignoriert, dass das Angebot von Umlaufsmitteln im Wesentlichen seine eigene Nachfrage schafft. In anderen Worten enthält die moderne Bankfreiheitstheorie den fundamentalen Fehler der alten Banking Schule, die -wie Mises mit seiner Erfahrung enthüllt hat- darin liegt, nicht darüber reflektiert zu haben, dass die öffentliche Nachfrage nach Krediten gerade von der Bankneigung zur Kreditvergabe abhängt. Mithin sind jene Bankiers, welche zu Beginn nicht sonderlich über ihre künftige Solvenz beunruhigt sind, in der Position Kredit auszuweiten und neue Umlaufsmittel im Markt unterzubringen, indem sie einfach den Zinssatz reduzieren, den sie für das von ihnen geschaffene Geld fordern und ihre normalen Kreditbedingungen lockern.121 Bankiers können 119
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Selgin selbst erkennt, dass „Mises’s support for free banking is based in part on his agreement with Cernuschi, who (along with Modeste) believed that freedom of note issue would automatically lead to 100 percent reserve banking;“ und auch, dass Mises “believed that free banking will somehow lead to the suppression of fractionally-based inside monies.” Vgl. Selgin, The Theory of Free Banking,S. 62 und 164. Lawrence H. White versucht eine andere Interpretation von Mises´ Standpunkt zu bringen und präsentiert Mises als einen Vorgänger der modernen Verteidiger einer teilgedeckten Bankfreiheit.Vgl. Lawrence H. White, “Mises on Free Banking and Fractional Reserves,” in Man of Principle: Essays in Honor of Hans F. Sennholz, John W. Robbins and Mark Spangler, Hrsg. (Grove City, Penn.: Grove City College Press, 1992), S. 517–33. Salerno in Übereinstimmung mit Selgin erwidert White folgendes: To the extent that Mises advocated the freedom of banks to issue fiduciary media, he did so only because his analysis led him to the conclusion that this policy would result in a money supply strictly regulated according to the Currency principle. Mises’s desideratum was . . . to completely eliminate the distortive influences of fiduciary media on monetary calculation and the dynamic market process. (Salerno, “Mises and Hayek Dehomogenized,” S. 137ff und S. 145) Mises, Nationalökonomie, S. 402, Fn. 1, Hervorhebung hinzugefügt. Mises fügt hinzu: „Bankfreiheit . . .könnte eine langsame ...Vermehrung der Umlaufsmittelausgabe … nicht hindern. (Nationalökonomie, S. 403-404). An dieser Stelle vermittelt Mises einen exzessiv optimistischen Eindruck zur teilgedeckten Bankfreiheit vor allem vor dem Hintergrund dieser früheren Passage aus Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (1924): “Doch der Bankfreiheit an sich kann man nicht die Eigenschaft zuschreiben, die Wiederkehr arger Inflationspolitik unmöglich zu machen. Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 408. Die Banking-Theorie hat in der Behandlung dieses Problems in mehrfacher Hinsicht geirrt. Der Mechanismus, der die Begrenzung der Ausgabe von Geldsurrogaten herbeiführt, ist nicht der, den das Fullarton’sche Prinzip der vermeintlichen automatischen Notenrückströmung beschreibt. Es ist nicht richtig, dass die Summe der Darlehen,
daher im Kontrast zu den Annahmen Selgin´s und anderer Theoretiker seiner Schule, eine Kreditausweitung in einem Bankfreiheitssystem initiieren, wenn sie aus irgendeinem Grund ihre Solvenz hintansetzen, unabhängig davon, ob es zuvor eine Veränderung in der Nachfrage nach Umlaufsmitteln gegeben hat oder nicht. Ein weiterer Faktor erklärt, warum während einer anhaltenden Expansionsperiode der Anstieg der Depositen durch die Kreditausweitung tatsächlich tendenziell die Umlaufsmittelnachfrage stimuliert. In der Tat werden alle Wirtschaftssubjekte, die sich nicht bewusst sind, dass ein inflationären Expansionsprozess begonnen hat und dass dieser Prozess letztlich zu einem relativen Rückgang der Kaufkraft des Geldes und einer nachfolgenden Rezession führen wird, bemerken, dass gewisse Güter- und Dienstleistungen allmählich in ihrem Preis schneller steigen und sie werden vergeblich darauf warten, dass diese Preise auf ihr „normales“ Niveau zurückfallen. In der Zwischenzeit werden sie sich wahrscheinlich dazu entschließen, ihre Umlaufsmittelnachfrage zu erhöhen. Um erneut Mises zu zitieren: This first stage of the inflationary process may last for many years. While it lasts, the prices of many goods and services are not yet adjusted to the altered money relation. There are still people in the country who have not yet become aware of the fact that they are confronted with a price revolution which will finally result in a considerable rise of all prices, although the extent of this rise will not be the same in the various commodities and services. These people still believe that prices one day will drop. Waiting for this day, they restrict their purchases and concomitantly increase their cash holdings.122 In einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem sind Banken nicht nur in der Lage autonom eine Kreditausweitung zu initiieren, sondern für eine lang anhaltende Periode kreiert der Anstieg des Umlaufsmittelangebots (welches immer im Markt durch eine opportune Reduzierung des Zinssatzes abgesetzt werden kann) tendenziell weitere Nachfrage. Dieser Nachfrageanstieg wird solange andauern bis die Öffentlichkeit einen Teil ihres unrealistischen Optimismus verliert und beginnt den wilden Gewinne zu misstrauen und einen allgemeinen Preisanstieg zu erahnen, der von einer Krise und tiefen Rezession gefolgt wird. Wir haben argumentiert, dass der Ursprung monetärer Veränderungen auf der Angebotsseite liegt,
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die eine Bank überhaupt oder bei Beschränkung auf die Belebung bestimmter kurzfristiger aus Warengeschäften entspringender Forderungen oder bei Beschränkung auf die Eskomptierung kurzfristiger Warenwechsel gewähren kann, eindeutig durch die Lage des Marktes bestimmt ist. Die Ausgabe von zusätzlichen Umlaufsmitteln senkt zunächst den Marktsatz des Zinses. Sie vergrößert daher den Umsatz der Geschäfte, aus denen die Forderungen entstehen, deren Belehnung oder Eskomptierung von der Bank begehrt wird. Der Umfang der an die Bank gestellten Kreditgesuche ist von dem Vorgehen der Bank abhängig; er wächst mit dem Bestreben der Bank mehr Umlaufsmittel in den Verkehr zu setzen. (Mises, Nationalökonomie, S. 439-440) Wir sollten uns zudem vergegenwärtigen, dass sich dieser Prozess ausdehnt und selbst fütter, wenn die Kreditnehmer mehr neu geschaffene Kredite aufnehmen, um frühere Darlehen zurückzuzahlen. Mises, Human Action, S. 427-28; Hervorhebung hinzugefügt.
dass Banken in einem Bankfreiheitssystem in der Lage sind, die Geldmenge zu manipulieren und dass die entsprechende Emission von Umlaufsmitteln kurz- und mittelfristig ihre eigene Nachfrage schafft. Wenn die obigen Behauptungen wahr sind, dann geht Selgin völlig falsch, wenn er annimmt, dass das Angebot von Umlaufsmitteln sich lediglich an seine Nachfrage anpasst. In der Tat passt sich die Umlaufsmittelnachfrage, zumindest für eine beachtliche Zeit, dem gestiegenen Angebot an, welches die Banken in Form von Darlehen geschaffen haben.123
DIE MÖGLICHKEIT, DASS EIN TEILGEDEDECKTES BANKFREIHEITSSYSTEM AUTONOM EINE KREDITAUSWEITUNG INITIIERT Verschiedene Umstände ermöglichen es einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem eine Kreditausweitung ohne einen entsprechenden, vorangehenden Anstieg in der Umlaufsmittelnachfrage zu initiieren. Zunächst müssen wir darauf hinweisen, dass die monetäre Gleichgewichtsanalyse der modernen Bankfreiheitstheoretiker die gleichen Beschränkungen enthält wie die traditionelle neoklassische Analyse, die sowohl in mikro- als auch in makroökonomischen Zusammenhängen lediglich den Endzustand eines sozialen Prozesses (das monetäre Gleichgewicht) behandelt. Dabei wird angenommen, dass das rationale, maximierende Verhalten der Wirtschaftssubjekte (Privatbankiers) zu diesem Zustand führt. Im Kontrast dazu konzentriert sich die ökonomische Analyse der Österreichischen Schule vielmehr auf den dynamischen unternehmerischen Prozess denn auf ein Gleichgewicht. Jeder unternehmerische Akt koordiniert und etabliert eine Tendenz zum Gleichgewicht, welches nichtsdestoweniger niemals erreicht wird, weil während des Prozesses selbst die Umstände sich ändern und die Unternehmer neue Informationen schaffen. Mithin können wir aus dynamischer Sicht nicht ein statisches Modell akzeptieren, welches wie das des monetären Gleichgewichts voraussetzt, dass es zu unmittelbaren, perfekten Anpassungen der Nachfrage und des Angebots von Umlaufsmitteln kommt. Im realen Leben interpretiert jeder Banker subjektiv nach seinem Verständnis und seiner unternehmerischen Kreativität die Information, welche er von der Außenwelt empfängt, sowohl im Hinblick auf seinen Grad von Optimismus bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung 123
Kurioserweise sind moderne Bankfreiheitstheoretiker wie die Keynesianer und Monetaristen von angenommenen, plötzlichen, einseitigen Veränderungen in der Geldnachfrage besessen. Sie erkennen nicht, dass derartige Veränderungen tendenziell endogen sind und während des Konjunkturzyklus geschehen, welcher erst durch Verschiebungen beim Angebot neuen Geldes, welches das Bankensystem in Form von Darlehen schafft, ausgelöst wird. Die einzigen anderen Situationen, welche in der Lage sind einen plötzlichen Anstieg in der Geldnachfrage auszulösen, sind Ausnahmesituationen wie Kriege und Naturkatastrophen. Saisonale Veränderungen sind vergleichsweise weniger wichtig und eine Bankfreiheitssystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht könnte diesen durch einen saisonalen Goldtransfer und leichte Preismodifikationen entgegenwirken.
also auch in Hinblick auf das Volumen von Reserven, welches er als „klug“ mit Blick auf die Aufrechterhaltung seiner Solvenz betrachtet. Daher entscheidet jeder Bankier jeden Tag in einem Umfeld geprägt von Unsicherheit, welches Volumen an Umlaufsmitteln er emittiert. In dem obigen unternehmerischen Prozess werden Bankiers eindeutig viele Fehler begehen, welche sich selbst in einer autonomen Umlaufsmittelemission manifestieren und die Produktionsstruktur verzerren werden. Zugegebenermaßen wird dieser Prozess selbst dazu tendieren, die begangenen Fehler zu enthüllen und zu eliminieren, jedoch erst nach eine Periode von unterschiedlicher Länge, während der ein Schaden an der realen Produktionsstruktur nicht vermieden werden kann. Wenn wir dem noch hinzufügen, dass, wie wir im letzten Abschnitt sahen, das Umlaufsmittelangebot dazu tendiert, sich seine eigene Nachfrage zu schaffen, sehen wir, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem (genauso wie irgendein anderer Markt ) das „monetäre Gleichgewicht“ erreichen könnte, welches seine Vertreter so sehr herbeisehnen. Denn im besten Fall werden die Privatbankiers versuchen in einem Trial-and-Error-Prozess ihr Umlaufsmittelangebot an die Nachfrage anzupassen, wobei diese Nachfrage den Bankiers nicht bekannt ist und dazu tendiert als Folge der Umlaufsmittelemission selbst zu variieren. Mithin können die Ökonomen diskutieren, ob der unternehmerische Koordinationsprozess den begehrten Zustand des „monetären Gleichgewichts“ in die Reichweite der Bankiers bringen wird oder nicht. Die Ökonomen können jedoch nicht verneinen, dass den Unternehmer während dieses Prozesses zahlreiche Fehler in Form von ungerechtfertigter Emission von Umlaufsmitteln unterlaufen werden und dass diese Fehler unweigerlich dazu tendieren, die Produktionsstruktur durch die Erzeugung von Wirtschaftskrisen und Rezessionen zu beeinflussen, genau wie es die Österreichischen Konjunkturtheorie erklärt 124. Zweitens könnte eine kleine oder große Gruppe von Bankiers auch kollektiv die Emission von Umlaufsmitteln koordinieren oder entscheiden zu fusionieren, um ihre Reserven zu teilen und besser zu „verwalten“, um so ihre Möglichkeit zur Kreditausweitung und Gewinnverbesserung zu erhöhen.125 Abgesehen von der Möglichkeit, dass die Vertreter eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems wünschen, diese Art der unternehmerischen Strategie zu verbieten (was wir bezweifeln), wird dies offensichtlich zu Kreditausweitung und daher zu Wirtschaftsrezessionen führen. Man mag argumentieren, wie es Selgin tut, dass eine konzertierte Ausweitung sich tendenziell selbst korrigiert, da der Anstieg der Summe des Interbankclearing die Varianz der Haben- und Sollabrechnung vergrößert.126 Jedoch kann man - abgesehen von Selgin´s Annahme, 124
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Vgl. Jörg Guido Hülsmann, „Free Banking and Free Bankers,“ Review of Austrian Economics 9, Nr. 1 (1996), vor allem S. 40-41. Es sei an unsere Analyse auf den Seiten XX-XX erinnert. Vgl. Laidler, „Free Banking Theory,“ S. 197. Selgin, The Theory of Free Banking, S. 82.
dass das Gesamtvolumen der Metallgeldreserven im Bankensystem konstant bleibt und trotz der Zweifel vieler Autoren hinsichtlich der Effektivität von Selgin´s Mechanismus127, selbst wenn wir um des Argumentes willen annehmen, dass Selgin Recht hat - immer noch argumentieren, dass die Anpassung niemals perfekt noch unmittelbar sein wird, und daher eine koordinierte Ausweitung und Zusammenschlüsse einen signifikanten Anstieg im Angebot von Umlaufsmitteln provozieren können, was den Prozess auslöst, welcher Konjunkturzyklen in Bewegung setzt. Zu guter Letzt und drittens würde ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem mit jedem Anstieg in der Gesamtmenge des Bargelds (Golds), welche die Banken als „kluge“ Reserve halten, ein Wachstum in der Umlaufsmittelemission stimulieren, welches nicht mit einem vorangehenden Nachfrageanstieg korrespondiert. Wenn wir uns daran erinnern, dass die Weltgoldmenge mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1 bis 5 Prozent angewachsen ist, was auf die ansteigende weltweite Goldproduktion zurückzuführen ist, ist es klar, dass dieser Faktor allein es den Privatbankiers erlauben wird, Umlaufsmittel in einer Rate von 1 bis 5 Prozent pro Jahr128 zu emittieren unabhängig von ihrer Nachfrage. (Eine derartige Geldschaffung wird eine Expansion erzeugen, die dann von einer Rezession gefolgt wird.)129 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zu signifikanten inflationären Prozessen (der Umlaufsmittelemission)130 und ernsten Wirtschaftskrisen131 in jedem teilgedeckten Bankfreiheitssystem kommen kann.
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Vgl. beispielsweise Schwartz, „The Theory of Free Banking,“ S. 3. Skousen, The Structure of Production, Kapitel 8, S. 269 und 359. Wir können eine nicht noch größere Kreditausweitung im Falles eines Goldangebotsschubs nicht ausschließen, obgleich Seling dazu tendiert die Bedeutung dieser Möglichkeit herunterzuspielen. Selgin, The Theory of Free Banking, S. 129-133. Wir erinnern daran, dass für Mises (vgl. Fußnote 120): „Doch der Bankfreiheit an sich kann man nicht die Eigenschaft zuschreiben, die Wiederkehr arger Inflationspolitik unmöglich zu machen. (Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 408), vor allem wenn bei den Wirtschaftssubjekten eine inflationäre Ideologie vorherrscht:
Manche Schriftsteller meinen, daß den Banken der Anstoß zu ihrem Verhalten von außen her kommt, daß irgendwelche Ereignisse sie dazu veranlassen, mehr Umlaufsmittel in den Verkehr zu pumpen, und daß sie, wenn diese Ereignisse ausbleiben würden, anders vorgehen würden. Auch ich habe in der ersten Auflage meiner „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ dieser Annahme zugeneigt. Ich vermochte es mir nicht zu erklären, warum die Banken aus der Erfahrung nicht lernen sollten, und dachte, daß, wenn nicht äußere Umstände sie zur Aufgabe ihrer Politik der Vorsicht und Zurückhaltung veranlassen würden, sie gewiß bei ihr verbleiben würden. Erst später habe ich die Überzeugung gewonnen, daß es vergebens wäre, nach einem äußeren Anstoß für den Wechsel in dem Verhalten der Banken zu suchen und daß die Schwankungen der allgemeinen Konjunktur ganz aus den Verhältnissen der Umlaufsmittelzirkulation abzuleiten sind....Wir verstehen ohne weiteres, daß die Umlaufsmittelbanken zur Erhöhung der Rentabilität ihres Betriebes bereit wären, den Umfang der Kreditgewährung und die Höhe ihrer Emissionen zu erweitern. Was einer besonderen Erklärung bedarf, ist, warum die Bestrebungen, das Wirtschaftsleben durch Erweiterung des Zirkulationskredits zu heben, ungeachtet des offenkundigen Mißerfolges, den sie erlitten haben, von ihnen immer wieder aufgenommen werden? Die Antwort hat zu lauten: Weil die herrschende Ideologie des Geschäftsmannes und des Wirtschaftspolitikers in der Ermäßigung des Zinsfußes ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik erblickt und weil sie die Erweiterung des Zirkulationskredits als das geeignetste Mittel zur Erreichung dieses Zieles erachtet. (Mises, Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik, S. 57-58) 131 “Seit die Umlaufsmittelbanken angefangen haben, im Wirtschaftsleben der Völker eine größere Rolle zu spielen, haben sich alle paar Jahre die Krisen wiederholt.“ Ebenda, S. 56.
DIE THEORIE DES „MONETÄREN GLEICHGEWICHTS“ DER BANKFREIHEITSSCHULE BERUHT EUF EINER REIN MAKROÖKONOMISCHEN ANALYSE Wir müssen darauf hinweisen, dass die Analyse der modernen Bankfreiheitstheoretiker die mikroökonomischen Wirkungen ignoriert, welche aus dem durch den Bankensektor angeregten Anstieg und Rückgang von Angebot und Nachfrage für Umlaufsmittel resultieren. In anderen Worten ist es, selbst wenn wir um des Argumentes willen zugestehen, dass der Ursprung allen Übels – wie es diese Theoretiker annehmen - in unerwarteten Änderungen in der Umlaufsmittelnachfrage der Wirtschaftssubjekte liegt, klar, dass das Angebot an Umlaufsmitteln, welches das Bankensystem angeblich generiert, um dieses Angebot den Nachfrageänderungen anzupassen, nicht unmittelbar genau jene Wirtschaftssubjekte erreicht, die ihre Bewertung des Besitzes neuer Umlaufsmittel geändert haben. Stattdessen fließt dieses Angebot in den Markt an bestimmten spezifischen Punkten und auf eine besondere Weise: in der Form von Darlehen, welche mitteln einer Reduzierung des Zinssatzes vergeben werden und zunächst an individuellen Geschäftsleuten und Investoren gehen, welche dazu tendieren, diese zur Initiierung neuer, kapitalintensiverer Investitionsprojekte zu verwenden, welche die Produktionsstruktur verzerren. Es überrascht mithin nicht, dass moderne Bankfreiheitstheoretiker über die Österreichische Konjunkturtheorie hinwegsehen, da diese Theorie sich nicht mit ihrer Analyse der Umlaufsmittelemission in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem verträgt. Diese Wirtschaftswissenschaftler flüchten sich daher in eine exklusiv makroökonomische Analyse (von Fall zu Fall in eine monetaristische oder keynesianische) und nutzen bestenfalls Instrumente wie die Verkehrsgleichung oder das „allgemeine Preisniveau,“ welche eigentlich tendenziell die wirklich relevanten mikroökonomischen Phänomene (Variationen der relativen Preise und die intertemporale Fehlabstimmung im Verhalten der Wirtschaftssubjekte) verschleiern, die in einer Volkswirtschaft auf die Kreditausweitung und das Wachstum der Umlaufsmittelmenge folgen. In normalen Marktprozessen tendiert das Angebot an Konsumgütern und Leistungen dazu, einher mit ihrer Nachfrage zu variieren und die neuen Güter erreichen im Allgemeinen gerade die Konsumenten, deren subjektive Wertschätzung für Konsumgüter sich erhöht hat. Jedoch ist die Situation im Fall der neu geschaffenen Umlaufsmittel radikal verschieden: ein erhöhtes Umlaufsmittelangebot erreicht niemals unmittelbar und direkt die Taschen jener Wirtschaftssubjekte, deren Nachfrage angestiegen ist. Stattdessen durchläuft das Geld einen langen mühseligen Prozess bzw. eine Übergangsphase, während derer es zunächst durch die Hände vieler anderer Wirtschaftssubjekte läuft und die gesamte Produktionsstruktur verzerrt. Wenn die Bankiers neue Umlaufsmittel schaffen, liefern sie diese nicht direkt an jene
Wirtschaftssubjekte, welche ein größeres Begehren haben mögen. Im Gegenteil gewähren die Bankiers ihre Darlehen an Unternehmer, welche das neue Geld erhalten und die gesamte Summe investieren, ohne an die Proportion zu denken, in der die letztlichen Halter der Umlaufsmittel zu konsumieren und zu sparen oder investieren wünschen. Es ist daher gewiss möglich, dass ein Teil der neuen Umlaufsmittel (angeblich als Antwort auf eine erhöhte Nachfrage emittiert), letztlich für Konsumgüter ausgegeben wird und damit ihre relativen Preise erhöht. Wir wissen, dass nach Hayek: [S]olange ein Teil des solchermaßen geschaffenen zusätzlichen Einkommens für Konsumgüter ausgegeben wird (solange also nicht alles gespart wird), müssen die Preise von Konsumgütern im Verhältnissen zu den Preisen der verschiedenen Arten von Einsätzen ständig steigen. Und das kann, wie inzwischen deutlich geworden sein wird, auf die Dauer nicht ohne Auswirkung auf die relativen Preise der einzelnen Arten von Einsätzen und auf die Gewinn versprechenden Produktionsmethoden bleiben.132 Hayek erläutert seine Position noch weiter: Um unsere Analyse anwendbar zu machen, ist nichts weiter nötig, als daß dann, wenn die Einkommen sich infolge von Investitionen erhöhen, der während einer beliebigen Zeitspanne auf Konsumgüter verwendete Teil des zusätzlichen Einkommen größer sein müßte als der Bruchteil, um den in derselben Zeitspanne die Neuinvestition den Ausstoß an Konsumgütern erhöht. Und es gibt natürlich keinen Grund, zu erwarten, daß mehr als ein Bruchteil des [durch die Kreditausweitung geschaffenen] Einkommens (und sicherlich nicht so viel, wie neu investiert wurde) gespart werden wird; denn das würde heißen, daß praktisch das gesamte aus der Neuinvestition bezogenen Einkommen gespart werden müßte.133 Als eine graphische Illustration unseres Arguments nehmen wir an, dass die Umlaufsmittelnachfrage ansteigt, während die Proportion, in der die Wirtschaftssubjekte zu konsumieren und investieren wünschen unverändert bleibt.134 Unter diesen Bedingungen müssen die Wirtschaftssubjekte ihre monetäre Nachfrage nach Konsumgütern reduzieren, Anleihen und andere Finanzwerte verkaufen und vor allem weniger Geld in den verschiedenen Stufen der Produktionsstruktur reinvestieren bis sie das höhere Volumen an Bankdepositen akkumulieren,
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Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, S. 337. Ebenda, S. 394. Dies erscheint ein extremer Fall eines Sparanstiegs zu sein, der sich gänzlich in einem Anstieg der Umlaufsmittelhaltung manifestiert; der Fall, den Selgin und White benutzen, um ihre Theorie zu illustrieren. Vgl. Selgin und White, „In Defense of Fiduciary Media – or, We are Not Devo(lutionists), We are Misesians!“ S. 104-05. Ein derartige Situation ist durchaus möglich, wie Selgin und White selbst zugeben, wenn sie bekräftigen: “An increase in savings is neither necessary nor sufficient to warrant an increase in fiduciary media.” Selgin and White, “In Defense of Fiduciary Media—or, We are Not Devo(lutionists), We are Misesians!” S. 104.
welches sie zu halten wünschen. Mithin sehen wir, wenn wir annehmen, dass sich die soziale Zeitpräferenzrate nicht geändert hat und wir eine vereinfachte Version des Dreieckdiagramms aus Kapitel 5 verwenden, um die reale Produktionsstruktur der Gesellschaft darzustellen, dass in der Graphik VIII-1 der Anstieg der Umlaufsmittelnachfrage die Hypothenuse des Dreiecks nach links verschiebt. Diese Bewegung reflektiert einen Rückgang in der monetären Nachfrage nach Konsumund Investitionsgütern, da die Proportion der einen zu den anderen (oder die Zeitpräferenzrate) sich nicht geändert hat. In dieser Graphik repräsentiert die Fläche „A“ die neue Nachfrage (oder den „Hortungswunsch“) der Wirtschaftssubjekte nach Umlaufsmitteln (vgl. Graphik VIII-1). Die wesentliche Schlussfolgerung der Theorie des monetären Gleichgewichts in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem ist, dass Banken auf diesen Anstieg der Umlaufsmittelnachfrage mit einer Ausweitung ihrer Umlaufsmittelemission antworten würden in einem Volumen, welches dieser neuen Nachfrage entspricht (repräsentiert durch die Fläche „A“) und dass die Produktionsstruktur, wie in Graphik VIII-2 gezeigt, intakt bleiben würde (vgl. Graphik VIII-2). Nichtsdestoweniger müssen wir uns vergegenwärtigen, dass die Banken nicht direkt die von ihnen geschaffenen neuen Umlaufsmittel an ihre Endnutzer (die Wirtschaftssubjekte, deren Umlaufsmittelnachfrage um das in der Fläche „A“ in Graphik VIII-1 repräsentierte Volumen angestiegen ist) transferieren. Vielmehr werden die Depositen an Unternehmer verliehen, welche diese für Investitionsgüter ausgeben und dadurch zunächst ein kapitalintensivere Struktur schaffen, welche wir in Graphik VIII-3 darstellen. Nichtsdestoweniger kann diese kapitalintensivere Produktionsstruktur langfristig nicht aufrecht erhalten werden. Denn sobald einmal die neuen Umlaufsmittel ihre Letztempfänger (welche am Anfang das von ihnen benötigte Bankgeld akkumulierten, wie die Fläche „A“ in Graphik VIII-1 anzeigt) erreichen, werden sie es nach unserer Annahme einer unveränderten Zeitpräferenz für Konsum- und Investitionsgüter in einer Proportion ausgeben, welche der in Graphik VIII-1 und VIII-2 gezeigten entspricht. Wenn wir Graphik VIII-3 auf Graphik VIII-2 legen (vgl. Graphik VIII4), wird die Verzerrung der Produktionsstruktur offenbar. Die schattige Fläche „B“ stellt die von den Unternehmern fehlerhaft begonnenen Investitionsprojekte dar, da alle von den Banken zur Anpassung an den Nachfrageanstieg emittierten Umlaufsmittel in Investitionsdarlehen geflossen sind.135 GRAPHIK VIII-1 Die schattige Fläche „C“ (eine mit „B“ identische Fläche) reflektiert den Anteil der neuen Umlaufsmittel, welche ihre letztlichen Halter für die konsumnächsten Güter ausgeben. Die 135
Selgin und White geben diesen Punkt implizit zu, wenn sie behaupten: Benefits accrue . . . to bank borrowers who enjoy a more amplevsupply of intermediated credit, and to everyone who works with the economy’s consequently larger stock of capital equipment. (Selgin and White, “In Defense of Fiduciary Media—or, We are Not Devo(lutionists), We are Misesians!” S. 94)
Produktionsstruktur findet ihre ursprünglichen Proportionen aus Graphik VIII-1 wieder, jedoch erst nach unvermeidbaren, schmerzhaften Wiederanpassungen, welche die Österreichischen Konjunkturtheorie erklärt und welche ein Bankfreiheitssystem, wie wir gerade gesehen haben, nicht verhindern könnten. GRAPHIK VIII-2 Daher müssen wir im Gegensatz zu dem, was Selgin und White nahelegen, schließen136, dass selbst wenn die Umlaufsmittelexpansion genau einem vorangegangen Nachfrageanstieg nach Umlaufsmitteln entspricht, diese die typischen zyklischen Wirkungen provoziert, die von der Zirkulationskredittheorie prognostiziert werden. DIE VERWECHSLUNG DES KONZEPTS DES SPARENS MIT DEM KONZEPT DER GELDNACHFRAGE Der Versuch zumindest den Kern der alten Doktrin der „Erfordernisse des Handels“ zu rehabilitieren und zu zeigen, dass ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem keine Wirtschaftszyklen auslösen würde, hat George A. Selgin dazu veranlasst, eine These zu verteidigen, die der von John Maynard Keynes in Verbindung mit Bankdepositen vertretenen ähnlich ist. In der Tat sei daran erinnert, dass nach Keynes jede Person, welche zusätzliches Geld aus einem Darlehen hält am „Sparen“ ist: Moreover, the savings which result from this decision are just as genuine as any other savings. No one can be compelled to own the additional money corresponding to the new bank-credit, unless he deliberately prefers to hold more money rather than some other form of wealth.137 George Selgin´s Position ähnelt der Keynesschen. Selgin glaubt, dass die Nachfrage der Öffentlichkeit nach Kassenhaltung in Form von Banknoten und Bankkonten das Verlangen reflektiert, in gleicher Höhe kurzfristige Darlehen durch das Bankensystem anzubieten. Tatsächlich schreibt Selgin: To hold inside money is to engage in voluntary saving. . . . Whenever a bank expands its liabilities in the process of making new loans and investments, it is the holders of the liabilities who are the ultimate lenders of credit, and what they lend are the real resources they could acquire if, instead of holding money, they spent it. When the expansion or contraction of bank liabilities proceeds in such a way as to be at all times in agreement with changing demands for inside money, the quantity of 136
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We deny that an increase in fiduciary media matched by an increased demand to hold fiduciary media is disequilibrating or sets in motion the Austrian business cycle. (Ebenda, S. 102–03) Keynes, The General Theory of Employment, Interest and Money, S. 83. Diese These, welche wir in Kapitel 7 behandelt haben, geht auf die Tautologie der Gleichheit von Sparen und Investitionen zurück – ein Fehler, der sich durch Keynes´ganzes Werk zieht und der – Benjamin Anderson zufolge- gleichbedeutend mit einer Gleichsetzung von Inflation mit Sparen ist.
real capital funds supplied to borrowers by the banks is equal to the quantity voluntarily offered to the banks by the public.Under these conditions, banks are simply intermediaries of loanable funds.138 Nichtsdestoweniger ist es durchaus möglich, dass die Öffentlichkeit simultan ihre Umlaufsmittelpositionen und ihre Nachfrage nach Konsumgütern und Leistungen erhöht, falls sie sich dazu entschließt ihre Investitionen zurück zu fahren. Denn Wirtschaftssubjekte können ihre Geldposition in jeder der drei folgenden Weisen verwenden: sie können sie für Konsumgüter und Leistungen ausgeben; sie können sie für Investitionen ausgeben; oder sie können sie als Kassenvorrat oder Umlaufsmittel halten. Es gibt keine weiteren Optionen. Die Entscheidung hinsichtlich der Proportion der Ausgaben für Konsum und Investitionen ist verschieden und unabhängig von der Entscheidung zur Menge der Umlaufs- und Barmittel, die gehalten werden sollen. Mithin können wir nicht zu dem Schluss kommen, zu dem Selgin gelangt, dass jegliche Geldposition einem „Sparen“ entspricht, denn ein Anstieg in der Umlaufsmittelposition mag sehr wohl auf einen Rückgang der Investitionsausgaben (beispielsweise durch den Verkauf von Wertpapieren am Aktienmarkt) zurückgehen, welcher es ermöglicht, letztlich die monetären Ausgaben für Konsumgüter und Leistungen zu erhöhen. Es ist deshalb nicht richtig, jeden Anstieg der Umlaufsmittel als Sparen zu qualifizieren. Zu behaupten, wie es Selgin tut, dass „every holder of demand liabilities issued by a free bank grants that bank a loan for the value of his holding“139 ist das gleiche wie zu erklären, dass jede Schaffung von Geld in der Form von Depositen oder Noten durch eine Bank in einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem letztlich einer a posteriori Darlehensgewährung an die Bank in Höhe des geschaffenen Betrages entspricht. Die Bank jedoch schafft die Darlehen aus dem Nichts und bietet den Unternehmern zusätzliche Kaufkraft. Diese nehmen die Darlehen in Empfang ohne einen Gedanken an die wirklichen Wünsche aller anderen Wirtschaftssubjekte hinsichtlich des Konsum und der Investitionen zu verschwenden, die zum Tragen kommen, wenn diese anderen Individuen schließlich die Halter der von der Bank geschaffenen Umlaufsmittel werden. Mithin ist es durchaus unter der Bedingung der Konstanz der sozialen Zeitpräferenzrate von Konsum und Investitionen möglich, dass die neuen von der Bank geschaffenen Umlaufsmittel genutzt werden, um die Konsumausgaben zu steigern, und auf diese Weise die relativen Preise dieser Güterart anstoßen. Vertreter eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems betrachten im Allgemeinen jede von einer Bank emittierte Note und Depositum als eine „Finanzanlage“, welche einem Darlehen entspricht. Aus rechtlicher Sicht ist diese Auffassung sehr problematisch, wie wir in den ersten drei Kapiteln 138 139
Selgin, The Theory of Free Banking, S. 54-55. Selgin, “The Stability and Efficiency of Money Supply under Free Banking,” S. 440.
gezeigt haben. Aus ökonomischer Sicht besteht der Fehler dieser Ökonomen in dem Glauben, dass Geld eine „Finanzanlagen“ ist, welcher freiwillige Ersparnisse der Wirtschaftssubjekte repräsentiert. Diese Wirtschaftssubjekte würden Gegenwartsgüter im Tausch für Zukunftsgüter „verleihen“.140 Nichtsdestoweniger ist Geld selbst ein Gegenwartsgut141, und der Besitz eines Bargeld- oder Depositenvorrats sagt nicht über die Proportionen aus, in denen das Wirtschaftssubjekt zu konsumieren und investieren wünscht. Mithin sind Anstieg und Rückgang in seiner Geldhaltung vollkommen mit verschiedenen Kombinationen eines simultanen Anstiegs und Rückgangs in den Proportionen, in denen es konsumiert oder investiert, vereinbar. In der Tat vermag seine Umlaufsmittelposition simultan mit seinen Ausgaben für Konsumgüter und Leistungen ansteigen, wenn es nur einige seiner in der Vergangenheit ersparten und investierten Ressourcen aus Anlagen zurückzieht. Wie Hans-Hermann Hoppe herausstellt, bestimmen Angebot und Nachfrage von Geld seinen Preis bzw. seine Kaufkraft, während Angebot und Nachfrage von „Gegenwartsgütern“ im Tausch gegen „Zukunftsgüter“ den Zinssatz bzw. die soziale Zeitpräferenzrate und das Gesamtvolumen von Ersparnissen und Investitionen bestimmen.142 Ersparnisse erfordern immer, dass ein Wirtschaftssubjekt seinen Konsum reduziert (d.h. ein Opfer erbringt), und damit reale Güter frei setzt. Ersparnisse entstehen nicht durch einen simplen Anstieg der Anzahl der Geldeinheiten. GRAPHIK VIII-3 140
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Wie ist es vorstellbar, dass Banknoten und Depositen, welche selbst Geld sind, zudem „Finanzanlagen“ sind, welche bedeuten, dass ihr Halter heute Geld im Tausch für eine gewissen Geldsumme in der Zukunft an eine dritte Partei übertragt? Die Vorstellung, dass Noten und Depositen „Finanzanlagen“ sind, entlarvt die Tatsache, dass Banken in einem teilgedeckten Bankensystem ex nihilo die Zahlungsmittel vervielfachen: da ist das Geld, welches an die dritte Partei geliehen und von dieser genutzt wird, und da sind die Finanzanlagen, welche die Operation repräsentiert und auch als Geld betrachtet werden. Um es anders auszudrücken, sind Finanzanlagen Besitzrechte bzw. Zertifikate, welche anzeigen, dass irgendjemand Gegenwartsgeld aufgegeben und an eine andere Person übergeben hat im Tausch für eine größere Menge künftigen Geldes. Wenn gleichzeitig die Finanzanlagen (durch ihren Halter) als Geld angesehen werden, dann findet im Markt offensichtlich eine inflationäre Duplizierung der Zahlungsmittel statt, welche auf die Gewährung des neuen Darlehens, ohne dass jemand zunächst den gleichen Betrag gespart hätte, zurück geht. Geld ist ein vollkommen liquides Gegenwartsgut. Im Hinblick auf das Bankensystem als Ganzes sind Umlaufsmittel keine „Finanzanlagen.“ Denn sie werden niemals dem System entzogen, sondern zirkulieren unbegrenzt und sind daher Geld (oder um präzise zu sein perfekte Geldsubstitute). Im Gegensatz dazu repräsentieren Finanzanlagen die Übergabe von Gegenwartsgütern (im Allgemeinen Geld) im Tausch gegen Zukunftsgüter (auch in der Regel Geld) an einem spezifizierten Termin und ihre Entstehung korrespondiert mit einem Anstieg der realen Ersparnisse des Wirtschaftssubjektes. Vgl. Gerald P. O’Driscoll, “Money: Menger’s Evolutionary Theory,” History of Political Economy 4, Nr. 18 (1986): 601-16. First off, it is plainly false to say that the holding of money, i.e., the act of not spending it, is equivalent to saving. . . . In fact, saving is not-consuming, and the demand for money has nothing to do with saving or not-saving. The demand for money is the unwillingness to buy or rent non-money goods—and these include consumer goods (present goods) and capital goods (future goods). Not-spending money is to purchase neither consumer goods nor investment goods. Contrary to Selgin, then, matters are as follows: Individuals may employ their monetary assets in one of three ways. They can spend them on consumer goods; they can spend them on investment; or they can keep them in the form of cash. There are no other alternatives. . . . [U]nless time preference is assumed to have changed at the same time, real consumption and real investment will remain the same as before: the additional money demand is satisfied by reducing nominal consumption and investment spending in accordance with the same pre-existing consumption/investment proportion, driving the money prices of both consumer as well as producer goods down and leaving real consumption and investment at precisely their old levels. (Hans-Hermann Hoppe, “How is Fiat Money Possible?—or The Devolution of Money and Credit,” in Review of Austrian Economics 7, Nr. 2 (1994): 72-73.
Die Tatsache, dass das neue Geld nicht unmittelbar für Konsumgüter ausgegeben wird, bedeutet nicht, dass es gespart ist. Selgin verteidigt diese Position, wenn er Machlup´s Auffassung kritisiert143, dass die expansive Darlehensgewährung Kaufkraft schafft, welche niemand zunächst vom Konsum abgezogen hat (d.h. gespart hat). GRAPHIK VIII-4 Damit die Kredite die Produktionsstruktur unverzerrt lassen, müssen sie logischerweise aus vorangegangenen Ersparnissen resultieren, welche die Gegenwartsgüter darstellen, welche ein Investor wirklich gespart hat. Wenn kein Konsumverzicht stattgefunden hat, und die Investitionen durch Kreditschaffung finanziert wurden, dann ist die Produktionsstruktur unweigerlich verzerrt, selbst wenn die neu geschaffenen Umlaufsmittel mit einem vorangegangenen Anstieg der Umlaufsmittelnachfrage korrespondieren. Daher sieht sich Selgin gezwungen, die Konzepte des Sparens und der Kreditschaffung neu zu definieren. Er behauptet, dass es zum Sparen ipso facto in dem Moment kommt, in dem neue Umlaufsmittel geschaffen werden, da ihre ersten Besitzer sie für Konsumgüter ausgeben könnten und dies nicht tun. Selgin vertritt zudem die Auffassung, dass die Kreditausweitung keine Zyklen generiert, wenn sie einem vorangegangenen Anstieg der Umlaufsmittelnachfrage gleichkommt. Kurzum ähneln diese Argumente jenen von Keynes in seiner General Theory vorgebrachten, die schon lange widerlegt sind, wie wir in Kapitel 7 sahen. Die Umlaufsmittelschaffung bringt auch einen Anstieg der Geldmenge mit sich und daher einen Rückgang in der Kaufkraft des Geldes. Auf diese Weise „enteignen“ die Banken kollektiv und beinahe unmerklich den Wert der Geldeinheiten der Bürger. Es mutet sicherlich wie ein schlechter Scherz an, zu erklären, dass die Wirtschaftssubjekte, welche eine derartige Enteignung erleiden tatsächlich (freiwillig?) „sparen.“ Es überrascht nicht, dass diese Lehren von Autoren wie Keynes, Tobin, Pointdexter und im Allgemeinen all jenen verteidigt wurden, welche den Inflationismus, die Kreditausweitung und die „Euthanasie des Rentiers“ um einer aggressiver Wirtschaftspolitik willen rechtfertigen, die darauf abzielt ein „angemessenes“ Niveau der „aggregierten Nachfrage“ sicherzustellen. Was jedoch überrascht ist, dass Autoren wie Selgin und Horwitz, die zur Österreichischen Schule gehören (oder zumindest gehörten) und daher sich der involvierten Gefahren bewusster sein sollten, keine Alternative sahen, als auf diese Art von Argumentation zurückzugreifen, um ihre „teilgedecktes Bankfreiheitssystem“ zu rechtfertigen. 144
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Selgin´s ungerechtfertigte Kritik an Machlup ist in Fußnote 20 auf S. 184 seines Buches The Theory of Free Banking zu finden. Selgin würde das gesamte Kreditvolumen, welches in unserer Graphik VIII-2 durch die Fläche „A“ gekennzeichnet ist, als „Transferkredit“ bezeichnen, weil diese Fläche „credit granted by banks in recognition of people’s desire to abstain from spending by holding balances of inside money” darstellen würde (Ebenda, S. 60). Im Gegensatz dazu würde für Machlup (und für uns) zumindest Fläche „B“ von Graphik VIII-4 „geschaffenen Kredit“ bzw. Kreditausweitung darstellen, da die Wirtschaftssubjekte nicht ihren Konsum in der mit Fläche „C“ bezeichneten Menge reduzieren. Als einen weiteren Vorteil des von ihm vorgeschlagenen Systems erwähnt Selgin, dass Wirtschaftssubjekte, die ihre Kassenvorräte in Form von durch das Bankfreiheitssystem geschaffenen Umlaufsmitteln halten, eine finanzielle
DAS PROBLEM MIT HISTORISCHEN ILLSUTRATIONEN DES BANKFREIHEITSSYSTEMS Verteidiger der Neo-Banking Schule verwenden große Anstrengungen auf historische Studien, mit denen sie intendieren die These zu untermauern, dass ein Bankfreiheitssystem die Volkswirtschaften von Aufschwungs- und Depressionszyklen mittels des Mechanismus des „monetären Gleichgewichts“ schützen würden. Nichtsdestoweniger haben sich die bislang produzierten empirischen Studien nicht darauf fokussiert, ob Bankfreiheitssysteme Kreditausweitung, künstliche Aufschwünge und Wirtschaftskrisen vermieden haben. Stattdessen haben sich darauf konzentriert, ob Bankkrisen und Kassenanstürme mehr oder weniger häufig und schwerwiegend in dieser Art von System oder im Zentralbanksystem gewesen sind (was offensichtlich eine andere Frage ist) .145 In der Tat betrachtet George A. Selgin das Auftreten von Kassenanstürmen (Bankruns) in verschiedenen historischen Bankfreiheitssystemen im Vergleich zu gewissen Systemen, welche von einer Zentralbank kontrolliert werden. Er kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Bankenkrisen zahlreicher und schärfer im zweiten Fall waren.146 Außerdem besteht die Hauptthese des zentralen Buches des Neo-Banking Schule zur Bankfreiheit in Schottland gänzlich in dem Argument, dass das schottische Bankensystem, welches „freier“ als das englische war, „stabiler“ und geringeren finanziellen Störungen unterworfen war.147 Jedoch bedeutet, wie Murray N. Rothbard gezeigt hat, die Tatsache, dass relativ gesehen im schottischen Bankfreiheitssystem weniger Banken zusammengebrochen sind als im englischen Rendite auf ihr Geld erhalten und eine Reihe von Bankeinrichtungen (Zahlungsverkehr-, Buchhaltung-, Auszahlungdienstleistungen, etc.) “kostenfrei” nutzen können. Jedoch vernachlässigt es Selgin bestimmte Kosten eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems wie künstliche Aufschwünge, Fehlinvestitionen von Ressourcen, und Wirtschaftskrisen zu erwähnen. Er berührt auch nicht, was wir definitiv als die höchsten Kosten betrachten: die abträglichen Effekte der Verletzung von Rechtsprinzipien im Bankfreiheitssystem führen zu einer Tendenz zur Errichtung einer Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz, entworfen zur Unterstützung der Bankiers und zur Schaffung der Liquidität, die notwendig ist, um zu sicher zu stellen, dass die Bürger ihre Depositen jederzeit erhalten. Im Hinblick auf den angeblichen “Vorteil” der Zinszahlung auf Depositen und der “kostenfreien” Zahlungs- und Kontoführungdienstleistungen, ist es nicht klar, ob Netto gesehen die Zinsen, welche die Wirtschaftssubjekte für die Gelder erzielen würden, welche sie wahrhaftig erspart und in einem System mit einer 100-prozentigen Reservehaltung verliehen haben, abzüglich der Kosten der korrespondierenden Depositen-, Zahlungs- und Kontoführungsdienstleistungen, gleich, höher oder niedriger wären, als die realen Zinsen, welche sie gegenwärtig auf ihre Sichteinlagen erhalten (abzüglich des Rückgangs der Kaufkraft des Geldes, welcher in chronischer Weise das gegenwärtige Bankensystem erfasst). 145 Bis heute haben die Ökonomen sorgfältig rund sechzig Bankfreiheitssysteme der Vergangenheit untersucht. Die im Allgemeinen gezogene Schlussfolgerung folgt: Bank failure rates were lower in systems free of restrictions on capital, branching and diversification (e.g., Scotland and Canada) than in systems restricted in these respects (England and the United States). Jedoch ist dieser Sachverhalt für unsere These irrelevant, da die obigen Studien nicht spezifizieren, ob Expansionszyklen und Wirtschaftsrezessionen angestoßen wurden. Vgl. The Experience of Free Banking, Kevin Down, Hrsg. S. 39-46. Vgl. Zudem Kurt Schuler und Lawrence H. White, “Free Banking History,” The New Palgrave Dictionary of Money and Finance, Peter Newman, Murray Milgate und John Eatwell, Hrsg. (London: Macmillan, 1992), Bd. 2, S. 198-200. Der obige Ausschnitt findet sich auf S. 108 des letzten Artikels. 146 George A. Selgin, “Are Banking Crises a Free-Market Phenomena?” Manuskript präsentiert auf dem Regionaltreffen der Mont Pèlerin Society, Rio de Janeiro, September 5–8, 1993, S. 26–27. 147 White, Free Banking in Britain.
System, nicht, dass ersteres überlegen war.148 In der Tat sind Bankzusammenbrüche praktisch in praktischen Zentralbanksystemen verschwunden und dies macht diese Systeme nicht besser als Bankfreiheitssysteme, die den Rechtsprinzipien unterworfen sind. Tatsächlich macht es diese Systeme schlechter. Denn Bankzusammenbrüche bedeuten in keinem Fall, dass ein System schlecht funktioniert, sondern vielmehr, dass ein gesunder, spontaner Umkehrprozess angefangen hat zu wirken als Antwort auf das Teildeckungsbanksystem, welches ein Rechtsprivileg und einen Angriff auf den Markt darstellt. Deshalb müssen wir, wenn immer ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem nicht regelmäßig von Bankzusammenbrüchen und Zahlungseinstellungen begleitet wird, die Existenz von institutionellen Faktoren vermuten, welche die Banken von den normalen Konsequenzen des Teildeckungsbankwesens abschirmen und eine Rolle ähnlich jener einnehmen, welche die Zentralbank gegenwärtig als Kreditgeber letzter Instanz erfüllt. Im Fall von Schottland hatten die Banken den Gebrauch ihrer Noten in wirtschaftlichen Transaktionen derart gefördert, dass praktisch niemand ihre Auszahlung in Gold verlangte, und jene, welche sie gelegentlich an den Schaltern ihrer Banken forderten, waren allgemeiner Missbilligung und einem enormen Druck seitens ihrer Bankiers ausgesetzt, welche sie der „Treulosigkeit“ beschuldigten und drohten, ihnen den Zugang zu Darlehen in der Zukunft zu erschweren. Weiterhin durchlief, wie Professor Sidney G. Checkland gezeigt hat149, das schottische teilgedeckte Bankfreiheitssystem noch häufig sukzessive Phasen von Kreditausweitung und Kontraktion, was zu Wirtschaftszyklen von Aufschwung und Rezession in den Jahren 1770, 1772, 1778, 1793, 1797, 1802-1803, 1809-1810, 1810-1811, 1818-1819, 1825-1826, 1836-1837, 1839, und 1845-1847 führte. In anderen Worten waren die sukzessiven Phasen von Aufschwung und Depression, obzwar relativ gesehen weniger Anstürme auf Banken in Schottland als in England vor kamen, genauso heftig und trotz seines hoch gepriesenen Bankfreiheitssystems war Schottland nicht vor Kreditausweitung, künstlichen Aufschwüngen und den nachfolgenden Stufen ernsthafter wirtschaftlicher Rezession gefeit.150 Das chilenische Finanzsystem des neunzehnten Jahrhundert liefert eine weitere historische Illustration der Unzulänglichkeit teilgedeckter Bankfreiheitssysteme bei der Verhinderung künstlicher Expansionen und wirtschaftlicher Rezessionen. Tatsächlich hatte Chile in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts keine Zentralbank und implementierte eine 100-prozentige 148
Rothbard, “The Myth of Free Banking in Scotland,” Review of Austrian Economics 2 (1988): S. 229–45, vor allem S. 232. 149
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Sidney G. Checkland, Scottish Banking: A History, 1695–1973 (Glasgow: Collins, 1975). White selbst gesteht in seinem Buch ein, dass Checkland´s Werk das für die Geschichte des schottischen Bankensystem maßgebliche ist. Obgleich noch viel Arbeit zu tun ist, scheinen die historischen Studien zu teilgedeckten Bankfreiheitssystemen mit sehr wenigen (wenn überhaupt) rechtlichen Restriktionen und ohne Zentralbank zu bestätigen, dass diese System dazu fähig waren, signifikante Kreditausweitungen anzustoßen und Wirtschaftskrisen zu provozieren. Dies geschah beispielsweise in den italienischen und spanischen Finanzmärkten des vierzehnten und sechzehnten Jahrhunderts (vgl. Kapitel 2, Abschnitt 3), wie Carlo M. Cipolla und andere anhüllt haben, genauso wie in Schottland und Chile, wie wir im Text zeigen.
Reservepflicht im Bankwesen. Mehrere Jahrzehnte lang widerstanden die chilenischen Bürger den Versuchen, ein teilgedecktes Banksystem einzuführen und während dieser Jahre erfreuten sie sich großer ökonomischer und finanzieller Stabilität. Die Situation begann sich im Jahr 1853 zu ändern, als die chilenische Regierung Jean-Gustav Courcelle-Seneuil (1813-1892) als Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Santiago de Chile anstellte. Courcell-Seneuil war einer der prominentesten französischen Vertreter einer teilgedeckten Bankfreiheit. Courcelle-Seneuil´s Einfluss in Chile während der zehn Jahre, in denen er dort lehrte, war so groß, dass 1860 ein Gesetz erlassen wurde, welches die Gründung eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems (ohne eine Zentralbank) erlaubte. Ab diesem Zeitpunkt wich die traditionelle finanzielle Stabilität des chilenischen Systems Phasen von künstlicher Expansion (basierend auf der Vergabe neuer Darlehen) gefolgt von Bankzusammenbrüchen und Wirtschaftskrisen. Die Umtauschbarkeit der Papierwährung wurde bei verschiedenen Gelegenheiten (1865, 1867, und 1879) aufgehoben und es begann eine Periode geprägt von Inflation und ernsthafter ökonomischer, finanzieller und sozialer Fehlabstimmung. Diese Periode blieb im Kollektivgedächtnis der Chilenen verhaftet und erklärt, warum sie weiterhin finanzielle Turbulenzen fälschlicherweise mit der Doktrin des ökonomischen Liberalismus von Courcelle-Seneuil assoziieren.151 Weiterhin bedeutet die Tatsache, dass verschiedene historische Studien anscheinend darauf hindeuten, dass in Bankfreiheitssystemen weniger Anstürme auf Banken und Bankkrisen vor kamen als in Zentralbanksystemen, nicht, dass erstere vollkommen frei von derartigen Vorgängen waren. Selgin selbst erwähnt mindestens drei Momente, in denen akute Bankkrisen Bankfreiheitssysteme heimsuchten: Schottland 1797, Canada 1837 und Australien 1893.152 Falls Rothbard Recht hat und es in den übrigen Fällen institutionelle Restriktionen gab, welche in gewisser Weise die Rolle einer 151
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Albert O. Hirschman schreibt in seinem Aufsatz, “Courcelle-Seneuil, Jean-Gustav,” The New Palgrave: A Dictionary of Economics, John Eatwell, Murray Milgate, and Peter Newman (London: Macmillan, 1992), Bd. 1, S. 706–07), dass die Chilenen dazu gekommen sind, Courcelle-Seneuil zu verteufeln und ihn für alle wirtschaftlichen und finanziellen Übel, welche Chile im neunzehnten Jahrhundert heimsuchten, verantwortlich zu machen. Murray N. Rothbard hält dieses Verteufeln für ungerecht. Es ließe sich auf die schlechte Funktionieren des von CourcelleSeneuil in Chile eingeführten Bankfreiheitssystems zurückführen und diskreditierte auch die deregulierenden Initiativen, welche er auf anderen Gebieten anstieß (wie dem Bergbau) und die positiven Wirkungen hatten. Vgl. Murray N. Rothbard, “The Other Side of the Coin: Free Banking in Chile,” Austrian Economics Newsletter (Winter 1989): 1–4. George Selgin antwortet auf Rothbard´s Aufsatz zur Bankfreiheit in Chile mit seinem Papier, “ShortChanged in Chile: The Truth about the Free-Banking Episode,” Austrian Economics Newsletter (Spring–Winter, 1990): 5ff. Selgin selbst gibt zu, dass die Periode der Bankfreiheit in Chile von 1866 bis 1874 eine „“era of remarkable growth and progress” war, während der “Chile’s railroad and telegraph systems were developed, the port of Valparaiso was enlarged and improved, and fiscal reserves increased by one-quarter.” Nach der Österreichischen Theorie sind all diese Phänomene in Wirklichkeit Symptome der substantiellen Kreditausweitung, welche während dieser Jahre statt fand und letztlich nicht umhin kam sich in Form einer Rezession umzukehren (was in der Tat geschah). Selgin jedoch kreidet die folgenden Bankkrisen (aber nicht die Rezessionen) der chilenischen Regierung an, welche eine künstliche Parität zwischen Gold und Silber aufrecht erhielt. Wenn Gold im Wert stieg, führte diese zu einem massiven Abfluss der Goldreserven aus dem Land (vgl. Selgin, „Short-Changed in Chile,“ S. 5,6 und Fußnote 3 auf S. 7). Selgin, “Are Banking Crises a Free-Market Phenomena?” Table 1(b), S. 27
Zentralbank ausfüllten, dann ist es möglich, dass die Anzahl der Bankkrisen in Abwesenheit dieser Restriktionen viel höher gewesen wäre. In jedem Falle können wir nicht die Eliminierung der Bankkrisen als das ausschlaggebende Kriterium dafür betrachten, welches Bankensystem das beste ist.153 Wenn das der Fall wäre, wären sogar die radikalsten Vertreter einer teilgedeckten Bankfreiheit dazu gezwungen zuzugeben, dass das beste Bankensystem jenes ist, welches die Aufrechterhaltung einer 100-prozentigen Reserve erfordert, da dieses per definitionem das einzige System ist, welche in allen Umständen Bankkrisen und Bankanstürme verhindert.154 Kurzum scheint die historische Erfahrung nicht die These der modernen Theoretiker eines teilgedeckten Bankfreiheit zu unterstützen. Die Kreditausweitung der Banken führte zu Zyklen von Aufschwung und Depression sogar in den am wenigsten kontrollierten Bankfreiheitssystemen, welche nicht frei von Bankanstürmen und Bankzusammenbrüchen waren. Das Erkennen dieser Tatsache hat gewisse Autoren der Neobanking-Schule wie Stephen Horwitz dazu veranlasst zu betonen, dass obwohl die historischen Anhaltspunkte gegen ihre Ansichten von einiger Bedeutung sind, diese jedoch nicht ausreichen, um die Theorie zu widerlegen, dass ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem nur positive Effekte hervorbringt. Denn es müsse ein strikt theoretisches Vorgehen benutzt werden muss, um diese Theorie zu widerlegen.155 DIE IGNORANZ DER JURISTISCHEN ARGUMENTE Die Theoretiker des Teildeckungsbankwesens tendieren dazu, juristische Betrachtungen in ihrer Analyse nicht zu beachten. Sie verstehen nicht, dass das Studium der Bankangelegenheiten in einem hohen Maße interdisziplinär angelegt sein muss und sie übersehen die enge theoretische und praktische Verbindung zwischen den rechtlichen und ökonomischen Aspekten aller sozialen Prozesse. Mithin verlieren die Bankfreiheitstheoretiker die Tatsache aus den Augen, dass ein Teildeckungsbankwesen aus juristischer Sicht eine logische Unmöglichkeit impliziert. In der Tat 153
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Raymond Bogaert scheint Rothbard´s These zu bestätigen. Nach Bogaert haben wir den dokumentierten Beweis, dass von den 163 in Venedig am Endes des Mittelalters gegründeten Banken, zumindest 93 zusammenbrachen. Raymond Bogaert, Banques et banquiers dans les cités grecques, S. 392 Fußnote 513. Mithin begreift Selgin selbst, dass: „“A 100-percent reserve banking crisis is an impossibility.” Vgl. George A. Selgin, “Are Banking Crises a Free-Market Phenomena?” p. 2. Im Hinblick auf die Methodologie stimmen wir völlig mit Horwitz´ Position überein (vgl. sein „Misreading the ´Myth´“, S. 167). Es ist jedoch kurios, dass sich eine ganze Schule, welche aus der Analyse der angeblich positiven Resultate des schottischen Bankfreiheitssystems hervorging, gezwungen gesehen hat, sich nicht mehr auf historische Studien des Bankfreiheitssystems zu berufen. Stephen Horwitz kommentiert Rothbard´s Besprechung der Geschichte der Bankfreiheitssysteme und kommt zu dem Schluss: If Rothbard is correct about them, we should look more sceptically at Scotland as an example. But noting the existence of government interference cannot by itself defeat the theoretical argument. The Scottish banks were neither perfectly free nor a conclusive test case. The theory of free banking still stands, and its opponents need to tackle it on both the historical and the theoretical level to refute it. (S. 168) Dies ist genau das, was wir in diesem Buch versucht haben.
haben wir zu Beginn dieses Buches erklärt, dass jedes Bankdarlehen, das mit Geldern aus Sichteinlagen gewährt wird, in eine zweifache Verfügbarkeit derselben Geldsumme resultiert: dasselbe Geld ist dem ursprünglichen Deponenten zugänglich wie auch dem Darlehensnehmer, der den Kredit erhält. Offensichtlich kann ein und das selbe Ding nicht gleichzeitig zwei Personen verfügbar sein. Ferner ist es ein betrügerischer Akt einer zweiten Person die Verfügbarkeit über etwas zu gewähren, was gleichzeitig der ersten Person verfügbar bleibt.156 Ein derartiger Akt stellt eindeutig eine Veruntreuung und einen Betrug dar. Diese Vergehen wurden zumindest in den frühen Phasen der Entwicklung des modernen Bankensystems verübt, wie wir in Kapitel 2 gesehen haben. Sobald die Bankiers von den Regierungen das Privileg erworben hatten mit einer Teildeckung zu operieren, hörte diese Bankenmethode aus Sicht des positiven Rechts auf, eine Straftat zu sein. Wenn Bürger in einem System handeln, welches auf diese Weise durch das Gesetz abgesichert ist, müssen wir die Möglichkeit eines kriminellen Betrugs ausschließen. Nichtsdestoweniger bietet, wie wir in Kapitel 1 bis 3 sahen, dieses Privileg in keiner Weise dem monetären Bankdepositenvertrag eine angemessene rechtliche Natur. Gerade das Gegenteil trifft zu. In den meisten Fällen ist der Vertrag Null und nichtig wegen einer Diskrepanz hinsichtlich seiner Zwecke: Die Deponenten betrachten die Transaktion als ein Depositum, während die Bankiers sie als ein Darlehen ansehen. Nach den allgemeinen Rechtsprinzipien ist ein Vertrag Null und nichtig, immer wenn die bei einem Tausch involvierten Parteien widerstreitende Auffassungen bezüglich der Natur des von ihnen abgeschlossenen Vertrages haben. Weiterhin wäre, selbst wenn die Deponenten und Bankiers übereinstimmten, dass ihre Transaktion einem Darlehen entspricht, die rechtliche Natur des monetären Bankdepositenvertrages nicht weniger unangemessen. Aus ökonomischer Sicht haben wir gesehen, dass es theoretisch den Banken unmöglich ist, unter allen Umständen die ihnen anvertrauten Depositen über den Betrag der von ihnen gehaltenen Reserve hinaus zurückzugeben. Außerdem wird die Unmöglichkeit dadurch in dem Umfang verschärft, in dem das Teildeckungsbankwesen selbst dazu tendiert, Wirtschaftskrisen und Rezessionen zu provozieren, welche wiederholt die Solvenz der Banken gefährden. Nach den allgemeinen Rechtsprinzipien sind auch Verträge Null und nichtig, die unmöglich realisiert werden können. Nur eine 100-prozentige Reservepflicht, welche jederzeit die Rückgabe aller Depositen garantieren würde, bzw. die Unterstützung durch eine Zentralbank, welche in schwierigen Zeiten alle notwendige Liquidität bereitstellen würde, könnte einen derartigen „Darlehensvertrag“ (mit der Übereinkunft der jederzeitigen Rückgabe des Nominalwerts) 156
Hoppe, “How is Fiat Money Possible?—or, The Devolution of Money and Credit,” S. 67.
möglich und damit rechtsgültig machen. Das Argument, dass monetäre Bankdepositenverträge nur periodisch und unter extremen Umständen unmöglich einzuhalten sind, kann auch nicht die rechtliche Natur rehabilitieren, da das Teildeckungsbankwesen einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellt und dritte Parteien schädigt. In der Tat verzerrt das Teildeckungsbankwesen, weil es Kredite ohne die Unterstützung realer Ersparnisse ausweitet, die Produktionsstruktur und veranlasst die Darlehensempfänger Unternehmer getäuscht durch die erhöhte Flexibilität der Kreditbedingungen – dazu, letztlich unrentable Investitionen zu tätigen. Beim Ausbruch der unvermeidbaren Wirtschaftskrise sehen sich die Geschäftsleute dazu gezwungen, diese Investitionsprojekte anzuhalten und zu liquidieren. Als eine Folge müssen hohe wirtschaftliche, soziale und persönliche Kosten nicht nur von den Unternehmern getragen werden, welche für die Fehler die „Schuld“ tragen, sondern auch von allen anderen Wirtschaftssubjekten, welche im Produktionsprozess involviert sind (Arbeiter, Zulieferer, etc.). Mithin kann man nicht argumentieren, so wie es White, Selgin und andere tun, dass es in einer freien Gesellschaft Bankiers und ihren Kunden frei stehen sollte, jede vertragliche Vereinbarung zu treffen, die ihnen am geeignetsten erscheint.157 Denn selbst wenn eine Vereinbarung von beiden Parteien als befriedigend empfunden wird, ist sie ungültig, wenn sie einen Rechtsmissbrauch darstellt oder eine dritte Partei schädigt und mithin die öffentliche Ordnung stört. Dies trifft auch auf die monetären Bankdepositen zu, welche mit einer Teildeckung gehalten werden und bei welchen entgegen dem, was normalerweise der Fall ist, beide Parteien sich vollkommen über die wirkliche rechtliche Natur und die Implikationen der Vereinbarung im Klaren sind. Hans-Hermann Hoppe158 erklärt, dass diese Art von Vertrag dritten Parteien zumindest auf drei verschiedene Arten abträglich ist: Erstens, erhöht die Kreditausweitung die Geldmenge und reduziert dadurch die Kaufkraft der Geldeinheiten aller anderen mit Kassenvorräten ausgestatteten Wirtschaftssubjekte. Die Kaufkraft der Geldeinheiten dieser Individuen fällt daher im Vergleich zu dem Wert, welche sie ohne die Kreditausweitung angenommen hätten. Zweitens werden Deponenten im Allgemeinen geschädigt, da der Kreditausweitungsprozess die Wahrscheinlichkeit verringert, dass sie in Abwesenheit einer Zentralbank in der Lage sein werden, alle ihre ursprünglich deponierten Geldeinheiten wieder zu bekommen; wenn eine Zentralbank existiert wird den Deponenten Unrecht getan, da -selbst wenn ihnen die jederzeitige Rückzahlung ihrer Depositen 157
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Vgl. beispielsweise White, Competition and Currency (New York: New York University Press, 1989), S. 55–56, und Selgin, “Short-Changed in Chile,” S. 5. Hoppe, “How is Fiat Money Possible?—or, The Devolution of Money and Credit,” S. 70–71.
garantiert wird- niemand garantieren kann, dass sie in Geldeinheiten unverminderter Kaufkraft ausgezahlt werden. Drittens werden alle Darlehensnehmer und Wirtschaftssubjekte geschädigt, denn die Schaffung von Zirkulationskrediten und ihre Injektion in das Wirtschaftssystem gefährdet das gesamte Kreditsystem und verzerrt die Produktionsstruktur. Damit erhöht sich das Risiko, dass Unternehmer Projekte beginnen, welche während des Prozesses ihrer Vollendung scheitern und unsägliches menschliches Leid verursachen, wenn die Kreditausweitung in die Phase der wirtschaftlichen Rezession übergeht.159 Wenn in einem Bankfreiheitssystem die Kaufkraft des Geldes im Vergleich mit dem Geldwert sinkt, zu dem es kommen wäre, wenn die Kredite nicht in einem teilgedeckten System ausgeweitet worden wären, handeln die Teilnehmer (Deponenten und vor allem die Bankiers) zum Nachteil von dritten Parteien. Die Definition von Geld selbst enthüllt, dass jede Manipulierung des universellen Tauschmittels in der Gesellschaft schädigende Effekt auf beinahe alle anderen nicht direkt beteiligten Parteien im Wirtschaftssystem ausübt. Mithin spielt es keine Rolle ob die Deponenten, Bankiers und Kreditnehmer freiwillig spezifische Vereinbarungen treffen, wenn durch das Teildeckungsbankwesen derartige Vereinbarungen das Geld beeinflussen und die Öffentlichkeit im Allgemeinen (dritte Parteien) schädigen. Derartige Schädigungen machen den Vertrag wegen der Störung der öffentlichen Ordnung Null und nicht.160 Ökonomisch betrachtet sind die qualitativen Effekte der Kreditausweitung identisch mit denen des kriminellen Aktes der Fälschung von Banknoten und Münzen. Dieses Vergehen wird beispielsweise in den Artikeln 386-389 im spanischen Strafgesetzbuch behandelt.161 Beide Akte beinhalten die Geldschaffung, die Einkommensumverteilung zugunsten einiger weniger Bürger zum Nachteil aller übrigen und die Verzerrung der Produktionsstruktur. Nichtsdestoweniger kann aus quantitativer Sicht nur die 159
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Die multidisziplinäre Natur, die der kritischen Analyse des Teildeckungsbankwesens inhärent ist und die resultierende Wichtigkeit sowohl der rechtlichen als auch der ökonomischen Betrachtungen in dieser Analyse stehen nicht nur im Fokus dieses Buches; auch Walter Block betont sie in seinem Artikel, “Fractional Reserve Banking: An Interdisciplinary Perspective,” veröffentlicht als Kapitel 3 von Man, Economy, and Liberty: Essays in Honor of Murray N. Rothbard, Walter Block and Llewellyn H. Rockwell, Jr., Hrsg. (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1988), S. 24–32. Block weist auf die kuriose Tatsache hin, dass kein moderner Vertreter der Schule der teilgedeckten Bankfreiheit eine kritische systematische Argumentation gegen den Vorschlage eines Bankensystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht vorgebracht hat. In der Tat haben die Vertreter der Neo-Banking Schule abgesehen von ein paar Kommentaren von Horwitz noch nicht einmal den Versuch gemacht zu zeigen, dass ein Bankensystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht nicht ein „monetäres Gleichgewicht“ und die Abwesenheit von Konjunkturzyklen garantieren könnte. Vgl. Horwitz, “Keynes’ Special Theory,” S. 431–32, Fußnote 18. Unsere Position zu diesem Punkt ist sogar noch radikaler als die von Alberto Benegas Lynch in seinem Buch Poder y razón razonable (Buenos Aires and Barcelona: Librería “El Ateneo” Editorial, 1992), pp. 313–14 vertretene. Folgendes soll mit einer Gefängnisstrafe von acht bis zwölf Jahren und einer Geldbuße vom bis zum zehnfachen des Nominalwertes der Währung strafbar sein: 1. Die Erzeugung von Falschgeld. (Artikel 386 des neuen spanischen Strafgesetzbuches). Es ist wichtig festzuhalten, dass die Kreditausweitung wie die Geldfälschung der Gesellschaft einen besonders breit gestreuten Schaden zufügt und es daher äußerst schwierig sein würde, wenn nicht gar unmöglich, dieses Verbrechen basierend auf dem Beweis des erlittenen Schadens jeder geschädigten Partei zu bekämpfen. Das Verbrechen der Falschgeldproduktion wird in Hinblick auf die Handlung der Straftäter definiert und nicht in Hinblick auf die spezifischen persönlichen Schäden, die durch diese Handlung verursacht werden.
Kreditausweitung die Geldmenge schnell genug und in einem Ausmaße erhöhen, dass ein künstlicher Aufschwung genährt und eine Rezession erzeugt wird. Im Vergleich mit der Kreditausweitung des Teildeckungsbankwesens und der Geldmanipulation durch die Regierungen und Zentralbanken ist der kriminelle Akt der Geldfälschung ein Kinderstreich mit praktisch unmerklichen sozialen Konsequenzen. Die obigen juristischen Betrachtungen haben ihre Wirkung auf White und Selgin und andere moderne Vertreter der Bankfreiheit nicht verfehlt. Diese haben als letzte Verteidigunslinie zur Garantie der Stabilität ihres Systems vorgeschlagen, dass die „freien“ Banken eine „Sicherheitsklausel“ für ihre Noten und Depositen etablieren. Diese Klausel informiert die Kunden darüber, dass die Bank jeder Zeit entscheiden kann, die Rückzahlung der Depositen und die Auszahlung der Noten in Metallgeld zu suspendieren oder zu aufzuschieben.162 Die Einführung dieser Klausel würde eindeutig bedeuten, dass die korrespondierenden Instrumente eine wichtige Geldeigenschaft verlieren: die perfekte, d.h. unmittelbare, komplette und immer bedingungslose Liquidität. Mithin würden die Deponenten nicht nur Zwangskreditgeber nach dem Willen des Bankiers werden, sondern ein Depositum würde auch eine Art Glücksvertrag oder Lotterie werden, bei der die Möglichkeit der Abhebung des deponierten Bargelds von den besonderen Umständen des jeweiligen Moments abhängen würde. Gegen die freiwillige Entscheidung bestimmter Parteien einen derartigen Glücksvertrag wie den oben erwähnten abzuschließen, kann man nichts einwenden. Jedoch gilt, selbst wenn eine „Sicherheitsklausel eingeführt wird und die betroffenen Parteien (Bankiers und ihre Kunden) sich dessen vollkommen bewusst sind, dass in dem Ausmaß, in dem diese Individuen und alle anderen Wirtschaftssubjekte Sichteinlagen und Noten subjektiv als 162
Derartige „Optionsklauseln“ waren bei den schottischen Banken von 1730 bis 1765 in Kraft und reservierten ihnen das Recht, temporär die Auszahlung der von den Banken emittierten Noten in Metallgeld zu suspendieren. Daher schreibt Selgin in Hinblick auf Bankanstürme: Banks in a free banking system might however avoid such a fate by issuing liabilities contractually subject to a ‘restriction’ of base money payments. By restricting payments banks can insulate the money stock and other nominal magnitudes from panic-related effects. (Selgin, “Free Banking and Monetary Control,” S. 1455) Die Tatsache, dass es Selgin für notwendig befindet auf derartige Klauseln zurückzugreifen, um Anstürme auf Banken zu vermeiden ist genauso bedeutsam für die „Solvenz“ seiner eigenen Theorie wie es aus juristischer Sicht überraschend ist, dass der Versuch gemacht wird, ein System auf der Enteignung, obschon nur teilweise und temporär, der Eigentumsrechte der Deponenten und Notenbesitzer zu basieren. Diese würden in einer Krise zu Zwangsdarlehensgebern werden und nicht mehr länger als echte Deponenten und Besitzer von Geldeinheiten, oder spezifischer von perfekten Geldsubstituten, betrachtet werden. Wir wollen an einen Kommentar von Adam Smith selbst erinnern: The directors of some of those [Scottish] banks sometimes took advantage of this optional clause, and sometimes threatened those who demanded gold and silver in exchange for a considerable number of their notes, that they would take advantage of it, unless such demanders would content themselves with a part of what they demanded. (Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Buch II, Kapitel 2, S. 394–95). Zu Optionsklauseln vgl. Parth J. Shah, “The Option Clause in Free Banking Theory and History: A Reappraisal,” Manuskript präsentiert auf der zweiten Austrian Scholars Conference (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, April 4–5, 1997), später veröffentlicht im Review of Austrian Economics 10, Nr. 2 (1997): 1–25.
perfekte Geldsubstitute betrachten, die besagte Klausel nur in der Lage sein würde, die unmittelbare Zahlungseinstellung und den Bankenzusammenbruch für den Fall eines Bankansturms zu verhindern. Sie würde jedoch nicht alle wiederkehrenden Ausweitungen, Krisen und Rezessionen verhindern können, die für das Teildeckungsbankwesen typisch sind und dritten Parteien ernsthaften Schaden zufügen und die öffentliche Ordnung stören. (Es spielt kein Rolle, welche „Optionsklauseln“ in die Verträge aufgenommen werden, wenn die allgemeine Öffentlichkeit die obigen Instrumente als perfekte Geldsubstitute betrachtet.) Mithin können Optionsklauseln bestenfalls die Banken, jedoch nicht die Gesellschaft oder das Wirtschaftssystem vor sukzessiven Phasen der Kreditausweitung, des Aufschwungs und der Rezession schützen. Daher hebt White´s und Selgin´s letzte Verteidigungslinie in keiner Weise die Tatsache auf, dass ein Teildeckungsbankwesen dritten Partien ernsthaften und systematischen Schaden zufügt und die öffentliche Ordnung verletzt.163 5 SCHLUSSFOLGERUNG: DIE FALSCHE DEBATTE ZWISCHEN VERTRETERN DES ZENTRALBANKWESENS UND VERTEIDIGERN EINER TEILGEDECKTEN BANKFREIHEIT Der traditionelle Ansatz der Debatte zwischen Advokaten des Zentralbankwesen und Verteidigern einer teilgedeckten Bankfreiheit ist im Wesentlichen mit großen Fehlern behaftet. Erstens ignoriert dieser Ansatz die Tatsache, dass ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem beinahe unvermeidbar Kräfte freisetzt, welche zur Entstehung, Entwicklung und Konsolidierung einer Zentralbank führt. Das Teildeckungsbankwesen führt zu einer Kreditausweitung, welche Umkehrprozesse in Form von Finanzkrisen und wirtschaftlichen Rezessionen anstößt, welche die Bürger wiederum dazu veranlassen, Staatseingriffe sowie eine staatliche Bankenregulierung zu fordern. Zweitens 163
Es ist interessant festzustellen, dass viele Bankfreiheitstheoretiker nicht sehen, dass das Teildeckungsbankwesen aus der Sicht der allgemeinen Rechtsprinzipien illegitim ist und sie, anstatt die Abschaffung des Teildeckungsbankwesens zu fordern, vorschlagen, dass das Bankensystem komplett privatisiert und die Zentralbank eliminiert wird. Diese Maßnahme würde gewiss dahin tendieren, den praktisch unbegrenzten Missbrauch, welchen die Obrigkeit im Finanzsystem begangen hat, einzudämmen. Sie würde jedoch nicht die Möglichkeit zu einem Missbrauch (in einem kleineren Maßstab) im Privatsektor verhindern. Diese Situation ähnelt jener, die entstehen würde, wenn es den Regierungen erlaubt würde, systematisch Mord, Raub oder irgendeine Straftat zu begehen. Die Privatisierung dieser Straftaten (ein Ende ihrer systematischen Verübung durch die Regierungen) würde unzweifelhaft dazu tendieren, die Situation beträchtlich zu „verbessern“, da die große kriminelle Macht des Staates verschwinden würde und es den privaten Wirtschaftssubjekten erlaubt wäre, spontan Präventions- und Verteidigungsmethoden gegen diese Verbrechen zu entwickeln. Nichtsdestoweniger ist die Privatisierung der kriminellen Aktivität keine definitive Lösung der Probleme, welche das Verbrechen aufwirft. Mithin kommen wir mit Murray Rothbard zu dem Schluss, dass in einer idealen freien Marktwirtschaft: [F]ractional-reserve bankers must be treated not as mere entrepreneurs who made unfortunate business decisions but as counterfeiters and embezzlers who should be cracked down on by the full majesty of the law. Forced repayment to all the victims plus substantial jail terms should serve as a deterrent as well as to meet punishment for this criminal activity. (Murray N. Rothbard, “The Present State of Austrian Economics,” Journal des Economistes et des Etudes Humaines 6, Nr. 1 [März 1995]: 80–81; wieder abgedruckt in Rothbard, The Logic of Action I [Cheltenham, U.K.: Edward Elgar, 1997], S. 165)
entdecken die Bankiers, die im System involviert sind, bald selbst, dass sie ihr Insolvenzrisiko verringern können, wenn sie untereinander Vereinbarungen treffen, fusionieren oder sogar die Einrichtung eines Kreditgebers letzter Instanz fordern, der sie in schwierigen Zeiten mit der notwendigen Liquidität versorgt bzw. das Wachstum der Kreditausweitung institutionalisiert und offiziell dirigiert. Wir können schließen, dass das Teildeckungsbankwesen die historische Hauptursache des Entstehens und der Entwicklung von Zentralbanken gewesen ist. Wir dürfen uns daher der theoretischen und praktischen Debatte nicht mit den traditionellen Begriffen nähern, sondern mit den Ansätzen zweier radikal verschiedener Systeme: ein Bankfreiheitssystem, welches den traditionellen Rechtsprinzipien unterworfen ist (eine 100-prozentige Reservepflicht) und in dem gegen alle teilgedeckten Operationen, ob freiwillig vereinbart oder nicht, hart vorgegangen wird, da diese illegal und als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung betrachtet werden; und ein System, welches ein teilgedecktes Bankwesen erlaubt und aus dem unvermeidbar eine Zentralbank (Kreditgeber letzter Instanz) entsteht, die das gesamte Finanzsystem kontrolliert. Dies sind die beiden einzigen theoretisch und praktisch realisierbaren Alternativen. Bis zu dieser Stelle haben wir die ökonomischen Effekte eines teilgedeckten Bankwesens, sowohl eines von einer Zentralbank koordinierten als auch eines in einem Bankfreiheitssystem, untersucht. Im nächsten und letzten Kapitel werden wir sorgfältig ein Bankfreiheitssystem analysieren, welches den traditionellen Rechtsprinzipien, d.h. einer 100-prozentigen Reservepflicht, unterworfen ist. 164
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Leland Yeager scheint (zumindest implizit) meine These der Nichtpraktizierbarkeit eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems akzeptiert zu haben, wenn er ein Geldsystem vorschlägt, welche nur auf Bankgeld beruht und in die Reservepflichten gänzlich abgeschafft werden und überhaupt kein Außengeld (outside money) bzw. Geldbasis verwendet wird. Yeager´s System wäre natürlich für alle zyklischen Probleme anfällig, die wir in diesem Buch detailliert untersucht haben. Vgl. Yeager, „The Perils of Base Money.“
9 EIN VORSCHLAG ZUR BANKREFORM: DIE THEORIE EINER 100-PROZENTIGEN RESERVEPFLICHT In diesem letzten Kapitel werden wir nach einem kurzen Überblick der Vorschläge, die im zwanzigsten Jahrhundert für die Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht im Bankwesen gemacht wurden, unsere Empfehlung für eine Reform des Bankensystems präsentieren. Dieser Vorschlag basiert auf der Praxis der Bankfreiheit, die den traditionellen Rechtsprinzipien unterworfen ist, welche den monetären Bankdepositenvertrag regeln (eine 100-prozentige Reservepflicht). Wir werden dann die Vorteile des vorgeschlagenen System mit denen anderer möglicher System vergleichen, vor allem mit dem gegenwärtigen Bank- und Finanzsystem und mit einem teilgedeckten Bankfreiheitssystem. An dieser Stelle werden wir die verschiedenen Einwände, die gegen den Vorschlag einer Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht gemacht wurden, besprechen und beantworten. Daraufhin werden wir nach der Präsentation eines Programms von Übergangsstufen, welches es praktikabel machen, von unserem gegenwärtigen Bank- und Finanzsystem zum vorgeschlagenen Modell zu wechseln, das Kapitel mit einer Reihe von Bemerkungen zu den spezifischen Fällen der Europäischen Währungsunion und des in den Ländern des ehemaligen Ostblocks im Gange befindlichen Wiederaufbaus des Geld- und Finanzmarktes beenden. Das Buch schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Schlussfolgerungen, die gezogen wurden. 1 EIN GESCHICHTLICHER ÜBERLICK DER MODERNEN THEORIEN, DIE EINE 100PROZENTIGE RESERVEPFLICHT UNTERSTÜTZEN Wir wissen, dass das Misstrauen gegenüber dem Teildeckungsbankwesen zumindest bis zu den salamantinischen Theoretikern des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, David Hume im achtzehnten Jahrhundert, den Theoretikern der Schule Jefferson´s und Jackson´s in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der Vereinigten Staaten und der wichtigen Gruppe von kontinentaleuropäischen Ökonomen des neunzehnten Jahrhunderts (Modeste und Cernuschi in Frankreich; Michaelis, Hübner, Geyer, und Tellkampf in Deutschland) zurück datiert. Weiterhin haben hoch angesehene Wirtschaftswissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts so wie Ludwig von Mises und mindestens vier Wirtschaftsnobelpreisträger (Friedrich A. von Hayek, Milton Friedman, James Tobin, und Maurice Allais) an einer bestimmten Stelle ihres Lebens die Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht für bei Banken platzierte Sichteinlagen gefordert.
DER VORSCHLAG VON LUDWIG VON MISES Ludwig von Mises war der erste Ökonom des zwanzigsten Jahrhunderts, der die Einführung eines Bankensystems mit einer 100-prozentigen Reservepflicht für Sichteinlagen forderte. Mises gab diese Empfehlung in der ersten Ausgabe seines Buches, Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, aus dem Jahre 1912. Am Ende der ersten Ausgabe in einem Abschnitt, der wörtlich in der zweiten Auflage von 1924 wiederholt wird, kommt Mises zum folgenden Schluss: Die Umlaufsmittel sind in ihrem Wesen vom Gelde kaum verschieden, sie wirken auf dem Markte in der gleichen Weise als Geldangebot wie das echte Geld; die Veränderungen, die sich im Umlaufsmittelvorrat ergeben, beeinflussen den inneren Tauschwert des Geldes ganz so wie jene, die sich im Geldvorrat ergeben. Mithin wäre es nur konsequent, wenn man auf dem Gebiet des Umlaufsmittelwesens ähnlichen Grundsätzen zum Durchbruch verhelfen wollte wie auf dem des Geldwesens, wenn man sich bestreben würde, auch hier nach Möglichkeit menschliche Beeinflussung des zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses auszuschalten. Die Möglichkeit, bei der Ausgabe von Umlaufsmitteln auch die zwischen den Gütern höherer und jenen niederer Güterordnungen bestehenden Austauschbeziehungen vorübergehend zu verschieben, und die unheilvollen Folgen, sie sich an eine Divergenz des natürlichen Zinsfußes und des Geldzinsfußes knüpfen, müßten ebenfalls in derselben Richtung wirken. Es leuchtet ein, dass menschlicher Einfluss aus dem Umlaufsmittelwesen nicht anders ausgeschaltet werden kann als durch die Unterdrückung der weiteren Ausgabe von Umlaufsmitteln. Der Grundgedanke der Peelschen Akte müsste wieder aufgenommen und durch Miteinbeziehung der in Form von Kassenführungsguthaben ausgegebenen Umlaufsmittel in das gesetzliche Verbot der Neuausgabe in vollkommenerer Weise durchgeführt werden als dies seinerzeit in England geschah. Er fügt hinzu: Es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, dass der Bestand der modernen Organisation des Tauschverkehres für die Zukunft gesichert sei. Sie trägt in ihrem Innern bereits den Keim der Zerstörung. Die Entwicklung des Umlaufsmittels muss notwendigerweise zu ihrem Zusammenbruch führen1.
1 Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 418-19.
Mises betrachtet dieses Modell eines idealen Bankensystem erneut in seinem Buch, Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik aus dem Jahre 1928. Dort lesen wir: Das wichtigste Erfordernis aller Konjunkturpolitik, mag sie in der Zielsetzung noch so bescheiden sein, lautet: Verzicht auf jeden wir immer gearteten Versuch, den Zinssatz, der sich auf dem Markte bildet, durch bankpolitische Maßnahmen herabzudrücken. Das heißt also: Rückkehr zu dem (jedoch durch Einbeziehung der in Gestalt von Kassenführungsguthaben ausgegebenen Umlaufsmittel, dem Stande unserer Erkenntnis entsprechend, erweiterten) Programm der Currency-Schule, das alle künftige Ausdehnung des Zirkulationskredits und mithin alle weitere Schaffung von Umlaufsmitteln verbieten will. Die Banken werden verpflichtet, den Gegenwert der ausgegebenen Noten und eröffneten Kassenführungsguthaben von dem absoluten Betrag, der schon heute metallisch gedeckt ist, abgesehen, stets metallisch voll zu decken. Das würde eine vollkommene Neuordnung der Gesetzgebung über die Zentralnotenbanken bedeuten . . . Das allein hieße.... ernstlich Konjunkturpolitik zur Ausschaltung der Krisen betreiben.2 Zwei Jahre später am 10. Oktober 1930 stellte Mises für das Finanzkommitee des Völkerbunds in Genf ein Memorandum zur „The Suitability of Methods of Ascertaining Changes in the Purchasing Power for the Guidance of International Currency and Banking Policy“ vor. Vor den Geld- und Bankexperten seiner Zeit brachte Mises seine Ideen wie folgt zum Ausdruck: It is characteristic of the gold standard that the banks are not allowed to increase the amount of notes and bank balances without a gold backing, beyond the total which was in circulation at the time the system was introduced. Peel’s Bank Act of 1844, and the various banking laws which are more or less based on it, represent attempts to create a pure gold standard of this kind. The attempt was incomplete because its restrictions on circulation included only banknotes, leaving out of account bank balances on which cheques could be drawn. The founders of the Currency School failed to recognize the essential similarity between payments by cheque and payments by banknote.
2 Mises, Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik, S. 81, Hervorhebung hinzugefügt; eine englische Übersetzung ist zu finden in On the Manipulation of Money and Credit, S. 57-173. Die Ausnahme, welche Mises im Text macht, zeigt, dass er ganz im Geiste der Peelschen Bankakte lediglich für eine 100-prozentige Reservepflicht für alle neuemittierten Umlaufsmittel (Kassenführungsguthaben und Noten) eintritt, was bedeuten würde, dass die Menge, welche zum Zeitpunkt des Reformbeginns bereits emittiert ist, würden von Metallgeld ungedeckt bleiben. Die Implementierung des Misesschen Vorschlags würde einen großen Fortschritt bedeuten und könnte in der Praxis relativ einfach erreicht werden, ohne zunächst substantielle Veränderungen der Goldpreises zu verursachen. Der Vorschlag ist jedoch unvollkommen. Er würde die Banken ohne Deckung für die in der Vergangenheit emittierten Noten und Depositen zurücklassen und die Banken würden daher besonders anfällig für Vertrauenskrisen sein. Deshalb schlagen wir in diesem Kapitel ein radikaleres Programm vor, welches eine 100-prozentige Reservepflicht für alle Umlaufsmittel (ob bereits emittiert oder nicht) beinhaltet. Bettina Bien Greaves hat den Misesschen Vorschlag im Detail ausgearbeitet in “How to Return to the Gold Standard,” The Freeman: Ideas on Liberty (November 1995): 703–07.
As a result of this oversight, those responsible for this legislation never accomplished their aim. 3 Mises würde später erklären, dass ein Bankensystem, welches auf dem Goldstandard und einer 100prozentigen Reservepflicht basiert, dazu tendieren würde, die Preise sanft zu drücken, was für die meisten Bürger vorteilhaft wäre, da diese ihre Realeinkommen nicht durch einen nominellen Anstieg ihrer Einkommen erhöhen würden, sondern durch eine kontinuierliche Verringerung der Preise von Konsumgütern und Leistungen bei relativer Konstanz der Nominaleinkommen. Mises hält ein derartiges Geld- und Bankensystem dem gegenwärtigen System, welches von chronischer Inflation und wiederkehrenden Expansions- und Rezessionszyklen befallen ist, für weit überlegen. Mises schließt im Hinblick auf die damals die Welt plagende Rezession: The root cause of the evil is not in the restrictions, but in the expansion which preceded them. The policy of the banks does not deserve criticism for having at last called a halt to the expansion of credit, but, rather, for ever having allowed it to begin.4 Zehn Jahre nach der Vorstellung seines Berichts vor dem Völkerbund verteidigte Mises einmal mehr eine 100-prozentige Reservepflicht, diese Mal in der ersten deutschen Ausgabe seiner allumfassenden Abhandlung zur Nationalökonomie, veröffentlicht als Nationalökonomie: Theorie des Handelns und des Wirtschaftens. Darin präsentiert Mises erneut seine These, dass die grundlegenden Ideen der Currency Schule die Anwendung einer 100-prozentigen Reservepflicht für alle Umlaufsmittel, d.h. nicht nur für Banknoten, sondern auch für Bankdepositen, erfordert. Weiterhin tritt Mises in diesem Buch für die Abschaffung der Zentralbank ein und weist darauf hin, dass solange diese Institution existiert es immer - selbst wenn die Emission neuer Umlaufsmittel (Noten und Depositen) strikt verboten ist - die Gefahr besteht, dass „Notsituationen“ des Haushalts als politische Rechtfertigung für die Emission neuer Umlaufsmittel herangezogen werden, um bei der Finanzierung des Staatshaushalts zu helfen. Damit antwortet Mises implizit den Theoretikern der Chicago Schule, welche in den 30er Jahren vorschlugen, eine 100-prozentige Reservepflicht für das Bankwesen festzusetzen, jedoch die monetäre Basis dem Staat anzuvertrauen. So sollte die Verantwortung für die Emission und der Kontrolle der Geldmenge der Zentralbank zufallen. Mises betrachtete dies nicht als die beste Lösung. In diesem Fall würde das Geld, obzwar es eine 100prozentige Reservepflicht geben würde, immer noch letztlich von der Zentralbank abhängen und wäre daher aller Arten von Druck und Einflussnahmen unterworfen. Vor allem bestünde die Gefahr, 3 Dieses Memorandum war der Vergessenheit anheim gefallen und wurde in den Archiven des Völkerbundes wiederentdeckt, als Richard M. Ebeling Materialien für das Buch Money, Method, and the Market Process, S. 78-95, vorbereitete. Der obige Ausschnitt ist auf S. 90 zu finden; Hervorhebung hinzugefügt. 4 Ebenda, S. 91; Hervorhebung hinzugefügt.
dass der Staat in einer finanziellen Notsituation seine Macht ausübt, um Geld zu seiner eigenen Finanzierung zu emittieren. Nach Mises würde daher die Ideallösung darin bestehen, ein System der Bankfreiheit (d.h. ohne Zentralbank) einzurichten, welches den traditionellen Rechtsprinzipien (und damit einer 100-prozentigen Reservepflicht) unterworfen ist.5 In diesem Buch begleitet Mises seine Verteidigung einer 100-prozentigen Reservepflicht mit der Ablehnung nicht nur der Zentralbank, sondern auch eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems: Obgleich ein derartiges System die Umlaufsmittelemission stark begrenzen würde, wäre es unzureichend, um die Kreditausweitungen und die mit ihnen unweigerlich einhergehenden wiederkehrenden Aufschwünge und Rezessionen vollkommen zu eliminieren.6 Im Jahr 1949 veröffentlichte Yale University Press die erste englische Ausgabe von Ludwig von Mises Abhandlung zur Nationalökonomie mit dem Titel Human Action: A Treatise on Economics. In dieser englischen Ausgabe wiederholt Mises die Argumente der deutschen Ausgabe. Er bezieht sich jedoch explizit auf den Plan von Irving Fisher zur Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht für das Bankwesen. Mises lehnt Fisher´s Plan ab, nicht weil er den Vorschlag einer 100-prozentigen Reservepflicht beinhaltet, den Mises ja unterstützt, sondern weil Fisher versucht, diese Maßnahme mit der Beibehaltung der Zentralbank und die Einführung einer indexierten Geldeinheit verbindet. In der Tat ist Mises zufolge der Vorschlag, eine 100-prozentige Reservepflicht einzuführen, jedoch gleichzeitig die Zentralbank beizubehalten, unzureichend: [I]t would not entirely remove the drawbacks inherent in every kind of government interference with banking. What is needed to prevent any further credit expansion is to place the banking business under the general rules of commercial and civil laws compelling every individual and firm to fulfill all obligations in full compliance with the terms of the contract.7
5 Mises genauen Worten sind die folgenden: Wenn heute, dem Grundgedanken der Currency-Lehre entsprechend, auch für das Kassenführungsguthaben volle— hundertprozentige—Deckung verlangt wird, damit die Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe auch in dieser Gestalt unterbunden werde, dann ist das folgerichtiger Ausbau der Ideen, die jenem alten englischen Gesetz zugrundelagen. . . . Auch das schärfste Verbot der Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe versagt gegenüber einer Notstandsgesetzgebung. (Mises, Nationalökonomie, 2. Aufl. [München: Philosophia Verlag, 1980, S. 403) 6 In diesem Sinne ist Mises´Fußnote auf S. 402 von Nationalökonomie besonders illustrativ. Sie liest sich wie folgt: Für die Katallaktik ist der Begriff “normale Kreditausweitung” sinnlos. Jede Kreditausweitung wirkt auf die Gestaltung der Preise, Löhne und Zinssätze und löst den Prozess aus, den zu beschreiben die Aufgabe der Konjunkturtheorie ist. Diese Aussage von Mises hat unter den Mitgliedern der Österreichischen Schule, die ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem verteidigen (White, Selgin, Horwitz, etc.), für starke Verwirrung gesorgt. Diese Erklärung enthüllt die Überzeugung von Mises, dass ein derartiges System nicht den Expansions- und Rezessionsphasen, die jedem Konjunkturzyklus charakteristisch sind, entrinnen würde, obzwar diese Zyklen weniger ausgeprägt wären als diejenigen, die das gegenwärtige Bankensystem, das von einer Zentralbank gestützt wird, befallen. Wir sollten auch an unsere Bemerkung in Fußnote 120 von Kapitel 8 erinnern. 7 Mises, Human Action, 3. Aufl. S. 443. Hier deutet Mises zum ersten Mal an, dass die Probleme des Bankensystems
Weiterhin bringt Mises seine Idee einer 100-prozentigen Reservepflicht in einem Anhang der englischen Ausgabe von der Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (The Theory of Money and Credit) betitelt mit „Monetärer Wiederaufbau“ zum Ausdruck. Er schreibt explizit: The main thing is that the government should no longer be in a position to increase the quantity of money in circulation and the amount of checkbook money not fully—that is, 100 percent—covered by deposits paid in by the public. Außerdem schlägt Mises in diesem Anhang einen Übergangsprozess zum idealen System mit dem folgenden Ziel vor: No bank must be permitted to expand the total amount of its deposits subject to check or the balance of such deposits of any individual customer, be he a private citizen or the U.S. Treasury, otherwise than by receiving cash deposits in legal-tender banknotes from the public or by receiving a check payable by another domestic bank subject to the same limitations. This means a rigid 100 percent reserve for all future deposits; that is, all deposits not already in existence on the first day of the reform.8 Obzwar wir später noch den Übergangsprozess zum idealen Banksystem behandeln werden, beobachten wir hier, dass Mises ganz im Sinne seiner Schrift von 1928 das gleiche Übergangssystem vorschlägt wie für die Banknoten in der Peelschen Bankakte zur Anwendung kam (und welche erforderte, dass nur die neu geschaffenen Noten zu 100-Prozent mit Metallgeld gedeckt waren).9 FRIEDRICH .A. VON HAYEK UND DER VORSCHLAG EINER 100-PROZENTIGEN
darauf zurückzuführen sind, dass die Teilnehmer an diesem System nicht den traditionellen Rechtsprinzipien unterworfen sind. Dies ist die grundlegende Idee, welche Murray N. Rothbard später ausarbeiten würde und die das Herz unserer These ist. 8 Mises, The Theory of Money and Credit, S. 481 und 491; Hervorhebung hinzugefügt. 9 Trotz der kristallklaren Aussagen von Mises zugunsten einer 100-prozentigen Reservepflicht, hat seine Verteidigung der Bankfreiheit als ein indirekter Schritt zum Ideal einer 100-prozentigen Deckung (und damit zu einem Bankensystem, welches den traditionellen Rechtsprinzipien unterworfen ist) einige Österreichische Ökonomen der modernen Neo-Banking Schule veranlasst, eine eigennützige Interpretation der Misesschen Position vorzunehmen. Somit betrachten diese Ökonomen Mises an erster Stelle als einen Verteidiger einer teilgedeckten Bankfreiheit und erst an zweiter Stelle eines Bankwesens mit einer 100-prozentigen Reservepflicht. Vgl. beispielsweise White, „Mises on Free Banking and Fractional Reserves“, S. 517-33. In einem interessanten Aufsatz hat Joseph T. Salerno kürzlich gezeigt, dass White´s Position unhaltbar ist: because he overlooks important passages in the very works of Mises that he cites, and because he ignores significant developments in Mises’s theory of money that occurred between the publication of the first German edition of The Theory of Money and Credit in 1912 and the publication of Nationalökonomie in 1940. (Salerno, “Mises and Hayek Dehomogenized,” S. 137–46)
RESERVEPFLICHT Friedrich A. von Hayek, unzweifelhaft Mises´ brillantester Schüler, veröffentlichte im Alter von fünfundzwanzig Jahren den Aufsatz „Die Währungspolitik der Vereinigten Staaten seit der Überwindung der Krise von 1920“ in der Folge eines Studienaufenthalts in den Vereinigten Staaten. In diesem Aufsatz kritisiert Hayek scharf die zu dieser Zeit von der Federal Reserve verfolgte Geldpolitik. Die Politik der Federal Reserve war darauf ausgelegt, die Kaufkraft des Dollars in einem Umfeld hoher Produktivitätssteigerung zu stabilisieren und hatte bereits damit begonnen, die substantielle Kreditausweitung zu generieren, die letztlich die Große Depression auslösen sollte. Zum ersten Mal in seinem Leben bezieht sich Hayek in einer Fußnote dieses wegweisenden Artikels auf die 100-prozentige Reservepflicht. Er schreibt: Die älteren englischen Theoretiker der Currency school, die, wie wir schon hervorgehoben haben, das Wesen der Konjunkturbewegungen besser erfaßt haben, als die Mehrzahl der Nationalökonomen nach ihnen, hofften durch die von ihnen vorgeschlagene Regelung der Notenausgabe auch die Konjunkturschwankungen zu verhindern. Da sie aber allein die Wirkungen der Notenausgabe in Betracht zogen und die des Depositengeldes außer acht ließen und die durch die Beschränkung der ersteren der bankmäßigen Kreditgewährung gezogenen Grenzen im Wege einer Erweiterung des Giroverkehrs durchbrochen werden konnten, mußten die Peelsche Bankakte und die ihr nachgebildeten Notenbankstatute diesen Zweck verfehlen. Eine konsequente Fortbildung des Grundgedankens der Peelsakte, die auch für die Bankdepositen eine 100prozentige Golddeckung vorschreiben müßte, würde denn auch das Problem der Krisenverhütung in radikaler Weise lösen.10 In seinem bemerkenswerten Werk, Monetary Nationalism and International Stability, welches Hayek zwölft Jahre später im Jahr 1937 veröffentlichte, erwähnt er erneut die Errichtung eines Bankensystems, welches auf einem 100-prozentigen Reservepflicht basiert. Zu dieser Zeit hatten die Ökonomen der Chicago Schule bereits einen ähnlichen Vorschlag gemacht, in welchem sie die Reservepflicht für die Papiergeldwährung der Zentralbank vorsahen. Im Gegensatz dazu stellt Hayek fest, dass die Ideallösung die Kombination einer 100-prozentigen Reservepflicht für die Banken mit einer Rückkehr zum Goldstandard wäre. Auf diese Weise würden alle Banknoten und Depositen zu 100 Prozent mit Gold gedeckt und es entstünde ein weltweites stabiles Geldsystem, welches effektiv Regierungsmanipulationen und einen „monetären Nationalismus“ verhindern
10 Hayek, “Die Währungspolitik der Vereinigten Staaten seit der Überwindung der Krise von 1920,” Zeitschrift für Volkswirtschaft und Sozialpolitik, Bd. 1–3, Nr. 5 (1925): 25–63 und Bd. 4–6, S. 254–317, Fußnote 267, Fußnote 1.
würde. Hayek kommt zum folgenden Schluss: The undeniable attractiveness of this proposal lies exactly in the feature which makes it appear somewhat impracticable, in the fact that in effect it amounts . . . to an abolition of deposit banking as we know it.11 Beinahe vierzig Jahre später nahm F.A. von Hayek erneut das Thema des Geldes und des Bankwesens in seinem berühmten Werk, Denationalization of Money, zu deutsch: Entnationalisierung des Geldes, auf. Obgleich moderne Vertreter einer teilgedeckten Bankfreiheit dieses Buch zur Rechtfertigung ihres Modells benutzt haben, besteht kein Zweifel, dass Hayek ein Bankfreiheitssystem und die private Emission von Geldeinheiten vorschlägt und letztlich zu sehen wünscht, dass das Bankmodell mit einer 100-prozentigen Reservepflicht die Oberhand behält. In der Tat kommt Hayek in dem Abschnitt, dem er den Änderungen der Methoden im Depositengeschäft widmet, zu dem Schluss, dass die überwältigende Mehrheit der Banken sich wahrscheinlich damit zufriedengeben [müßten], ihr Geschäft in anderen Währungen zu führen. Sie müßten somit … eine Art „100 prozentige Deckung“ („100 per cent banking“) proaktizieren und in voller Höhe ihrer Verbindlichkeiten eine auf Verlangen auszahlbare Reserve halten. Hayek setzt noch eine harsche Kritik am gegenwärtigen Bankensystem hinzu: Eine Einrichtung, die sich als so schädlich erwiesen hat, wie die Politik partieller Reservehaltung der einzelnen Banken ohne Verantwortung für das Geld (d.h. das Buchgeld), das sie geschaffen haben, kann sich nicht beklagen, wenn ihr die Unterstützung des Regierungsmonopols, die ihr die Existenz ermöglicht hatte, entzogen wird.12 MURRAY N. ROTHBARD UND DER VORSCHLAG EINES REINEN GOLDSTANDARDS 11 Hayek, Monetary Nationalism and International Stability, S. 81-84, vor allem S. 82; Hervorhebung hinzugefügt. Hayek lobt besonders den Vorschlag einer 100-prozentigen Reservepflicht „because it goes to the heart of the Problem“ (S. 81). Hayek sieht abgesehen davon, dass der Plan „somewhat impracticable“ ist, nur einen Nachteil: es erscheint unwahrscheinlich, dass ungedeckte Bankdepositen nicht in einer anderen Rechtsform entstehen würden. Denn das „banking is a pervasive phenomenon“ (S. 82). Später werden wir detailliert auf diesen Einwand eingehen. 12 Hayek, Entnationalisierung des Geldes: Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufsmittel [Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977] S. 118 und S. 53. Hayek fordert zudem eine scharfe Trennung zwischen einfachem Depositengeschäft (auf welches eine 100-prozentige Reservepflicht anzuwenden wäre) und das Investmentbanking, welches darauf beschränkt wäre, jene Gelder zu verleihen, welche die Kunden zunächst ihren Banken geliehen hätten. Hayek schließt: Ich vermute, man wird bald entdecken, daß das Geschäft der Geldschaffung nicht gut mit der Beherrschung großer Investment-Portfolios oder sogar der Beherrschung großer Teile der Industrie einhergehen kann. (S. 119) Eine scharfe, jedoch gerechtfertigte Kritik an Hayek´s anderen Vorschlägen zur Entnationalisierung des Geldes und die Einführung einer auf einem Warenindex basierenden Währung (welche nur indirekt mit unserem Untersuchungsziel in Verbindung stehen), erscheint in Murray N. Rothbard, “The Case for a Genuine Gold Dollar,” in The Gold Standard, Llewellyn H. Rockwell, Jr., ed. (Lexington, Mass.: Lexington Books), 1985, S. 2–7.
MIT EINER 100-PROZENTIGEN RESERVEPFLICHT Im Jahre 1962 erschien Murray N. Rothbard´s mittlerweile klassische Artikel „The Case for a 100Percent Gold Dollar,“ in dem Buch, In Search of a Monetary Constitution13 (welches von Leland B. Yeager herausgegeben wurde und zudem Artikel von James M. Buchanan, Milton Friedmand, Arthur Kemp und anderen enthält). In diesem Aufsatz entwickelt Rothbard zum ersten Mal seinen Vorschlag für einen reinen Goldstandard, der auf einem Bankfreiheitssystem mit einer 100prozentigen Reservepflicht beruht. Ferner kritisiert Rothbard all diejenigen, die eine Rückkehr zu einem unechten Goldstandard befürworten, der in einem teilgedeckten von einer Zentralbank kontrollierten Bankensystem wurzelt. Stattdessen schlägt er das vor, was er als einzige kohärente, stabile, langfristige Lösung ansieht: ein Bankfreiheitssystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht, die Abschaffung der Zentralbank und die Einführung eines reinen Goldstandards. Rothbard zufolge wäre die Folge die Verhinderung nicht nur der wiederkehrenden Aufschwungsund Rezessionszyklen, sondern auch der Möglichkeit, dass die Beibehaltung der Zentralbank das gesamte System weiterhin anfällig für die politischen und finanziellen Bedürfnisse des jeweiligen Augenblicks lassen würde. Diese Möglichkeit besteht selbst bei der 100-prozentigen Reservepflicht, die von der Chicago Schule in den 1930er Jahren verteidigt wurde. Nichtsdestoweniger erachten wir als Rothbard´s Hauptbeitrag in diesem Artikel das solide juristische Fundament, auf welches er seinen Vorschlag baut. In der Tat begleitet er seine ökonomische Analyse mit einer im Wesentlichen juristischen, jedoch multidisziplinären Studie, deren Ziel es ist zu zeigen, dass ein Bankwesen mit einer 100-prozentigen Reservepflicht einfach die logische Folge der Anwendung der traditionellen Rechtsprinzipien auf die Banken ist. Mithin versuchen wir in diesem speziellen Punkt in diesem Buch lediglich Rothbard´s originelle These zu entwickeln und auszubauen. Ausdrücklich vergleicht Rothbard den Bankier, der mit einer Teildeckung operiert mit einem Kriminellen, der eine Veruntreuung begeht: [H]e takes money out of the company till to invest in some ventures of his own. Like the banker, he sees an opportunity to earn a profit on someone else’s assets. The embezzler knows, let us say, that the auditor will come on June 1 to inspect the accounts; and he fully intends to repay the “loan” before then. Let us assume that he does; is it really true that no one has been the loser and everyone has gained? I dispute this; a theft has occurred, and that theft should be prosecuted and not condoned. Let us note that the banking advocate assumes that something has gone wrong only if everyone should decide to redeem his property, only to find that it isn’t there. But I maintain that the 13 In Search of a Monetary Constitution, Leland B. Yeager, Hrsg. (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1962).
wrong—the theft— occurs at the time the embezzler takes the money, not at the later time when his “borrowing” happens to be discovered.14 Obzwar Rothbard die rechtlichen Aspekte der Angelegenheit richtig präsentiert hat, ist er der angelsächsischen Rechtstradition gefolgt, ohne zu realisieren, dass – wie wir in den Anfangskapiteln erklärt haben - eine noch stärkere Unterstützung seiner These in der kontinentaleuropäischen Rechtstradition zu finden ist, die auf römischen Recht basiert. 15 MAURICE ALLAIS UND DIE EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG EINER 100-PROZENTIGEN RESERVEPFLICHT In Europa hat sich der Franzose Maurice Allais, der 1988 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, für den Vorschlag eines Bankensystems mit einer 100-prozentigen Reservepflicht eingesetzt. Wie Allais schreibt: Der Kreditmechanismus, so wie er gegenwärtig funktioniert, basiert auf einer Teildeckung der Depositen, der ex nihilo Schaffung von Geld und der langfristigen Vergabe von kurzfristig geliehenen Geldern und verschärft die erwähnten Verzerrungen substantiell. In der Tat resultieren alle großen Krisen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts aus einer exzessiven Kreditausweitung, aus Schuldscheinen und ihrer Monetisierung sowie aus der Spekulation, welche
14 Murray N. Rothbard, The Case for a 100 Percent Gold Dollar (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1991), S. 44–45. 15 Im September 1993 teilte ich zum ersten Mal mit Murray N. Rothbard persönlich die Ergebnisse meiner Forschungen zur Fundierung der Bankdepositen im römischen Recht und zur Position der salamantinischen Gelehrten zu diesem Thema. Rothbard war enthusiastisch. Er ermutigte mich später eine kurze Zusammenfassung meiner Schlussfolgerungen in einem Artikel für das Review of Austrian Economics zu veröffentlichen. Unglücklicherweise erlebte er nicht die Veröffentlichung des Artikels, da er unerwartet am 7. Januar 1995 verstarb. Weitere wichtige Werke, in denen Rothbard dieses Thema behandelt, umfassen: What Has Government Done to Our Money?, 4. Aufl. (Auburn, Ala.: Ludwig von Mises Institute, 1990); The Mystery of Banking; Man, Economy, and State, S. 703–09; und die Artikel, “The Myth of Free Banking in Scotland,” S. 229–45, und “Aurophobia: or Free Banking on What Standard?”S. 99–108. Neben Murray Rothbard sind als zeitgenössische Vertreter einer 100-prozentigen Reservepflicht für das Bankwesen folgende Autoren zu nennen: Hans-Hermann Hoppe, The Economics and Ethics of Private Property (Dortrecht, Holland: Kluwer Academic Publishers, 1993), S. 61–93, und “How is Fiat Money Possible?—or The Devolution of Money and Credit,” S. 49–74; Joseph T. Salerno, “Gold Standards: True and False,” Cato Journal: An Interdisciplinary Journal of Public Policy Analysis 3, Nr. 1 (Frühling, 1983): 239–67, und auch “Mises and Hayek Dehomogenized,” S. 137– 46; Walter Block, “Fractional Reserve Banking: An Interdisciplinary Perspective,” S. 24–32; und Skousen, The Economics of a Pure Gold Standard. Das letzte Werk ist eine Dissertation zur 100-prozentigen Reservepflicht im Bankwesen und enthält eine besonders wertvolle, erschöpfende Besprechung aller bis zu diesem Datum relevanten Quellen zu diesem Thema. Genau wie Rothbard folgen obige Ökonomen der lange Tradition amerikanischer Denker (beginnend mit Jefferson und Jackson), die dafür eintreten, dass das Bankwesen streng den traditionellen Rechtsprinzipien und einer 100-prozentigen Reservepflicht unterworfen sein muss. Der wichtigste Theoretiker dieser Bewegung aus dem neunzehnten Jahrhundert ist Amasa Walker, The Science of Wealth, S. 138-68 und 184232.
diese Expansion anfeuerte und möglich machte.16 Obgleich Maurice Allais oftmals Ludwig von Mises und Murray N. Rothbard zitiert und obwohl Allai´s ökonomische Analyse der Effekte der Teildeckungsbankwesens und seiner Rolle bei der Erzeugung von Wirtschaftskrisen fehlerlos und stark von der Österreichischen Konjunkturtheorie beeinflusst ist, schlägt Allais schließlich die Beibehaltung der Zentralbank als eine Organisation vor, die letztlich für die Kontrolle der monetären Basis und die Überwachung ihres Wachstums (in einer festgelegten Rate von 2 Prozent pro Jahr) verantwortlich ist.17 Denn Allais glaubt, dass einzig der Staat und nicht die Bankiers einen Nutzen aus der Enteignung ziehen sollte, welche mit der Möglichkeit der Geldschaffung einhergeht. Mithin ist sein Vorschlag einer 100-prozentigen Reservepflicht nicht die logische Folge der Anwendung der traditionellen 16 Maurice Allais, “Les conditions monétaires d’une économie de marchés: des enseignements du passé aux réformes de demain,” Revue d’économie politique 3 (Mai–Juli 1993): 319–67. Der obige Ausschnitt erscheint auf S. 326 und die Originalstelle liest sich wie folgt: Le mécanisme du crédit tel qu’il fonctionne actuellement et qui est fondé sur la couverture fractionnaire des dépôts, sur la création de monnaie ex nihilo, et sur le prêt à long terme de fonds empruntés à court terme, a pour effet une amplification considérable des désordres constatés. En fait, toutes les grandes crises des dix-neuvième et vingtième siècles ont résulté du développement excessif du crédit, des promesses de payer et de leur monétisation, et de la spéculation que ce développement a suscitée et rendue possible. (Hervorhebung hinzugefügt) Maurice Allais brachte seine Thesen der allgemeinen Öffentlichkeit in seinem bekannten Artikel, „Les faux monnayeurs,“ veröffentlicht in Le Monde, 29. Oktober 1974 näher. Allais präsentiert sie zudem in den Kapiteln 6-9 seines Buches, L’impôt sur le capital et la réforme monétaire (Paris: Hermann Éditeurs, 1989), S. 155–257. Im Jahr 1994 wurde unsere kritische Evaluierung des Teildeckungsbankwesens zudem in Frankreich veröffentlicht: in Huerta de Soto, „Bankque central ou banque libre“, S. 379-91. 17 Vgl. beispielsweise die Zitat von Murray Rothbard´s Werk auf den S. 316, 317 und 320 in Allais´Buch, L’impôt sur le capital et la réforme monétaire. Vgl. zudem die Referenzen zu Amasa Walker auf S. 317, und vor allem zu Ludwig von Mises, mit dessen Buch, The Theory of Money and Credit, Allais äußerst vertrat war und welches er bei verschiedenen Gelegenheit unter anderem auf den S. 355, 307 und 317 zitiert. Außerdem zollte Mauriv Allais Ludwig von Mises warmherzige Annerkennung: Si une société libérale a pu être maintenue jusqu’ à présent dans le monde occidental, c’est pour une grande part grâce à la courageuse action d’hommes comme Ludwig von Mises (1881–1973) qui toute leur vie ont constamment défendu des idées impopulaires à l’encontre des courants de pensée dominants de leur temps. Mises était un homme d’une intelligence exceptionelle dont les contributions á la science économique ont été de tout premier ordre. Constamment en butte à de puissantes oppositions, il a passé ses dernières années dans la gêne, et sans l’aide de quelques amis, il n’aurait guère pu disposer d’une vie décente. Une société qui n’est pas capable d’assurer à ses élites, et en fait à ses meilleurs défenseurs, des conditions de vie acceptables, est une société condamnée. (S. 307) Obzwar Maurice Alllais in der Praxis vollkommen mit der Analyse und den Empfehlungen der Österreichischen Schule in Hinblick auf Geldangelegenheiten und den Zyklus übereinstimmt, begrüßte er die mathematische Entwicklung allgemeiner Gleichgewichtsmodelle und grenzt sich damit radikal von den Österreichern ab, wie gewisse fundamentale Fehler in seiner Analyse attestieren (Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, S. 248–49). Pascal Salin ist mithin zu dem Schluss gekommen, dass Maurice Allais kein liberaler Ökonom des Hayekschen Typus ist, sondern „Sozialingenieur“ mit starken persönlichen Tendenzen für ein laissezfaire. Nach Salin ist Allais ein Ökonom, dessen mathematische Analyse ihn oftmals zu einem prakmatischen Utilitarismus führt, den Hayek und die Österreichischen Gelehrten eindeutig als „konstruktivistisch“ oder „szientistisch“ betiteln würden. Vgl. Pascal Salin, „Maurice Allais: Un économiste liberal?,“ unveröffentlichtes Manuskript, S. 12. Salin hat zudem ein Papier veröffentlicht, in dem er die Österreichische Konjunkturtheorie und die von ihr abgeleiteten Empfehlungen für Banktätigkeit analysiert. Vgl. Pascal Salin, “Macro-Stabilization Policies and the Market Process,” Economic Policy and the Market Process: Austrian and Mainstream Economics, K. Groenveld, J.A.H. Maks, and J. Muysken, eds. (Amsterdam: North-Holland, 1990), S. 201–21. In Fußnote 98 von Kapitel 8 erklären wir, warum wir nicht mit Salin´s Standpunkt übereinstimmen können, der ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem favorisiert.
Rechtsprinzipien auf das Bankwesen wie es bei Murray N. Rothbard der Fall ist. Stattdessen stellt sein Vorschlag den Versuch dar, den Regierungen bei der Regulierung einer stabilen Geldpolitik zu helfen, in dem eine elastische, verzerrende Kreditausweitung, welche alle Teildeckungsbanksystem aus dem Nichts generieren, verhindert wird. In diesem Sinne folgt Maurice Allais lediglich der alten Tradition einiger Mitglieder der Chicago Schule, welche eine 100-prozentige Reservepflicht vorschlugen, um die staatliche Geldpolitik effektiver und berechenbarer zu machen. DIE ALTE TRADITION DER CHICAGO SCHULE DER UNTERSTÜTZUNG EINER 100PROZENTIGEN RESERVEPFLICHT Das Rezept einer 100-prozentigen Reservepflicht seitens der Chicagoschule datiert auf den 16. März 1933 zurück, als Henry C. Simons, Lloyd W. Mints, Aaron Director, Frank H. Knight, Henry Schultz, Paul H. Douglas, Albert G. Hart und andere ein anonymes sechsseitiges Dokument mit dem Titel „Banking and Currency Reform“ in den Umlauf brachten18. Albert G. Hart baute dieses Programm später in seinem 1935 veröffentlichten Artikel “The ‘Chicago Plan’ of Banking Reform” aus. Darin erkennt Hart ausdrücklich Professor Ludwig von Mises als den letztendlichen Vater der Vorschlags an.19 Später im November 1935 veröffentlichte er einen umfassenden Artikel, in dem er seine Position verteidigte und ihre verschiedenen Aspekte analysierte. Sein Artikel trägt den Titel „The 100-Percent Reserve Plan.“20 Kurz darauf im Jahr 1936 folgte ein Papier von Henry C. Simons, „Rules versus Authorities in Monetary Policy.“21 Von den Ökonomen der Chicago Schule kommt Henry C. Simons der These am Nächsten, dass eine 100-prozentige Reservepflicht nicht lediglich ein wirtschaftspolitischer Vorschlag sondern auch ein Gebot des institutionellen Rahmens ist, der für das reibungslose Funktionieren einer Marktwirtschaft vital ist. In der Tat erklärt Simons: A democratic, free-enterprise system implies, and requires for its effective functioning and survival, a stable framework of definite rules, laid down in legislation and subject to change only gradually and with careful regard for the vested interests of participants in the economic game.22 18 Vgl. Ronnie J. Phillips, The Chicago Plan and New Deal Banking Reform (Armonk, N.Y.: M.E. Sharpe, 1995), S. 191–98. 19 Albert G. Hart, “The ‘Chicago Plan’ of Banking Reform,” Review of Economic Studies 2 (1935): 104–16. Der Hinweis auf die Professoren Mises und Hayek ist am Ende der S. 104 zu finden. Ein weiterer interessanter Vorgänger des Chicagoplans ist in einem Buch von Frederick Soddy, einem Nobelpreisträger für Chemie, zu finden: Wealth, Virtual Wealth and Debt (New York: E.P. Dutton, 1927) Knight schrieb eine positive Rezension von Soddy´s Buch im selben Jahr: “Review of Frederick Soddy’s Wealth, Virtual Wealth and Debt,” Saturday Review of Literature (April 16, 1927): 732 20 James W. Angell, “The 100 Percent Reserve Plan,” The Quarterly Journal of Economics 50, Nr. 1 (November 1935): 1–35. 21 Henry C. Simons, “Rules versus Authorities in Monetary Policy,” Journal of Political Economy 44, Nr. 1 (Februar 1936): 1–30. 22 Simons, “Rules versus Authorities in Monetary Policy,” S. 181; erneut veröffentlicht in Kapitel 7 von Economic
Nichtsdestoweniger verteidigt Henry C. Simons eine 100-prozentige Reservepflicht mit der grundlegenden Absicht, die vollkommene Kontrolle der Regierung über die Geldmenge und ihren Wert wiederherzustellen. Er hatte seinen Vorschlag 1934, ein Jahr zuvor in einem Pamphlet mit dem Titel „A Positive Program for Laissez-Faire: Some Proposals for a Liberal Economic Policy,“ gemacht. Wie dieses Pamphlet zeigt, glaubte Simons bereits zu diesem Zeitpunkt, dass Depositenbanken, welche 100-prozentige Reserve aufrecht erhielten, simply could not fail, so far as depositors were concerned, and could not create or destroy effective money. These institutions would accept deposits just as warehouses accept goods. Their income would be derived exclusively from service charges—perhaps merely from moderate charges for the transfer of funds by check or draft. . . . These banking proposals define means for eliminating the perverse elasticity of credit which obtains under a system of private, commercial banking and for restoring to the central government complete control over the quantity of effective money and its value.23 Auf Simon´s Beiträge24 folgten die von Fritz Lehmann in seinem Aufsatz „100 Percent Money“25 geleisteten und jene von Frank D. Graham, welche im September 1936 mit dem Titel „Partial Reserve Money and the 100 Percent Proposal“ veröffentlicht wurden.26 Irving Fisher sammelte diese Vorschläge in Buchform in seinem 100 Percent Money27. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden diese wieder von Henry C. Simons 1948 in seinem Buch, Economic Policy for a Free Society und von Lloyd W. Mints in Monetary Policy for a Competitive Society aufgenommen.28 Dieser Trend fand seinen Höhepunkt in der Publikation von Milton Friedman´s A
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Policy for a Free Society (Chicago: University of Chicago Press, 1948), S. 160–83. Es ist von großer Bedeutung, dass Simons diese juristisch-institutionelle Analyse gerade in dem Artikel vornimmt, in dem er seinen Vorschlag zur Bankenreform basierend auf einer 100-prozentigen Reservepflicht anbietet. Henry C. Simons, “A Positive Program for Laissez-Faire: Some Proposals for a Liberal Economic Policy,” ursprünglich veröffentlicht als “Public Policy Pamphlet,” Nr. 15, Harry D. Gideonse (Chicago: University of Chicago Press, 1934). Es wurde erneut veröffentlicht als Kapitel 2 von Economic Policy for a Free Society, S. 64– 65. Zu Henry Simons vgl. Walter Block, “Henry Simons is Not a Supporter of Free Enterprise,” Journal of Libertarian Studies 16, Nr. 4 (Herbst, 2002): 3–36. Henry C. Simons fügt in Fußnote 7 auf S. 320 seiner Economic Policy for a Free Society hinzu: There is likely to be extreme economic instability under any financial system where the same funds are made to serve at once as investment funds for industry and trade and as the liquid cash reserves of individuals. Our financial structure has been built largely on the illusion that funds can at the same time be both available and invested—and this observation applies to our savings banks (and in lesser degree to many other financial institutions) as well as commercial, demand-deposit banking. Fritz Lehmann, “100 Percent Money,” Social Research 3, Nr. 1: 37–56. Frank D. Graham, “Partial Reserve Money and the 100 Percent Proposal,” American Economic Review 26 (1936): 428–40. Irving Fisher, 100 Percent Money (New York: Adelphi Company, 1935). Lloyd W. Mints, Monetary Policy for a Competitive Society (New York, 1950), S. 186–87.
Program for Monetary Stability im Jahr 1959.29 Milton Friedman empfiehlt wie seine Vorgänger, dass gegenwärtige System durch eines zu ersetzen, welches eine 100-prozentige Reservepflicht mit sich bringt.30 Der einzige Unterschied ist, dass Friedman eine Verzinsung dieser Reserve vorschlägt und in einer interessanten Fußnote erwähnt er ein System der kompletten Bankfreiheit - wie es von Gary Becker verteidigt wird - als einen Weg, um dieses Ziel zu erreichen.31 Henry C. Simons kommt der Anerkennung der juristisch-institutionellen Erfordernis einer 100prozentigen Reservepflicht am nächsten32. Im Allgemeinen haben die Ökonomen der Chicago Schule jedoch ein 100-prozentiges Reservebankensystem aus ausschließlich praktischen Gründen befürwortet in dem Glauben, dass diese Anforderung die staatliche Geldpolitik einfacher und vorhersagbarer machen würde. Mithin haben sich die Ökonomen der Chicago Schule des naiven Glaubens schuldig gemacht, dass die Staaten den Willen und die Möglichkeit haben unter allen Umständen eine stabile Geldpolitik zu verfolgen.33 Diese Naivität entspricht derjenigen, welche
29 Milton Friedman, A Program for Monetary Stability (New York: Fordham University Press, 1959). Friedman veröffentlichte seine Ideen zu einer 100-prozentigen Reservepflicht 1948 in seinem Artikel, “A Monetary and Fiscal Framework for Economic Stability,” American Economic Review 38, Nr. 3 (1948): 245–64. Rothbard’s Kritik von Friedman ist in seinem Artikel, “Milton Friedman Unraveled,” Journal of Libertarian Studies 16, Nr. 4 (Herbst, 2002): 37–54, zu finden. 30 Friedman, A Program for Monetary Stability. 31 Friedman erwähnt nicht Mises, der beinahe fünfzig Jahre früher auf Deutsch und fünfundzwanzig Jahre früher auf Englisch bereits eine detaillierte Version der gleichen Theorie aufgestellt hatte. Milton Friedman, A Program for Monetary Stability, Fußnote 10. Viele Jahre später wurde Gary Becker´s Vorschlag veröffentlicht: Gary S. Becker, “A Proposal for Free Banking,” Free Banking, Bd. 3: Modern Theory and Policy, White, Hrsg., Kapitel 2, S. 20–25. Obgleich Gary Becker ganz einfach als ein moderner Advokat der Neo-Banking Schule, welche ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem fordert, klassifiziert werden könnte, erkennt er an, dass in jedem Falle ein System, welches eine 100-prozentige Reservepflicht beinhaltet, einen beträchtlichen Fortschritt im Vergleich zum heutigen Finanz- und Bankensystem darstellen würde (S. 24). 32 Auch Irving Fisher behandelte die rechtlichen Aspekte einer 100-prozentigen Reservepflicht. Er zeigte, dass in diesem System demand deposits would literally be deposits, consisting of cash held in trust for the depositor . . . the check deposit department of the bank would become a mere storage warehouse for bearer money belonging to its depositors. (Irving Fisher, 100 Percent Money, S. 10) Unglücklicherweise war die Theorie, welche Fisher zu Grunde legte, die Monetaristische. Daher verstand er niemals wie die Kreditausweitung, welche aus dem Teildeckungsbankwesen resultiert, die Struktur der gesellschaftlichen Produktionsstufen beeinflusst. Weiterhin empfahl Fisher die Einführung eines indexierten Standards und die Kontrolle des Geldmenge durch die Regierung, worauf Ludwig von Mises mit einer scharfen Kritik antwortete (Human Action, S. 442-43). Besonders der Gebrauch der monetaristischen Verkehrsgleichung veranlasste Fisher zu bedeutenden Fehlern in seiner theoretischen Analyse und seinen Wirtschaftsprognosen. Fisher erkannte nicht abgesehen von den makroökonomischen Effekten, welche diese Gleichung berücksichtigt -, dass ein Geldmengenwachstum die Produktionsstruktur verzerrt und unweigerlich Krisen und Rezessionen speist. Mithin dachte Fisher in den späten 1920er Jahren, dass die wirtschaftliche Expansion „unbegrenzt“ andauern würde. Er erkannte nicht, dass sie auf einer künstlichen Grundlage beruhte, die zum Zusammenbruch verurteilt war. In der Tat wurde er von der Großen Depression 1929 vollkommen überrascht. Sie ruinierte ihn beinahe. Zur faszinierenden Persönlichkeit dieses amerikanischen Ökonomen siehe Irving N. Fisher´s Buch, My Father Irving Fisher (New York: A Reflection Book, 1956), und die Biographie von Robert Loring Allen, Irving Fisher: A Biography. 33 So wie es Pasal Salin in seinem Aufsatz über Maurice Allais ausdrückt, “Toute l’histoire monétaire montre que l’État a refusé de respecter les règles monétaires et que la source ultime de l’inflation provient de ce défaut institutionnel.” Pascal Salin, “Maurice Allais: Un Économiste Liberal?” S. 11. Mithin können wir nicht darauf vertrauen, dass eine Zentralbank, welche immer in einem gewissen Maß von der aktuellen politischen Szenerie beeinflusst wird, in der Lage sein wird, eine Geldpolitik aufrecht zu erhalten, welche die Gesellschaft gegen die Übel der Konjunkturwechsel immunisiert, selbst wenn der Willen dazu gegeben ist und eine 100-prozentige
moderne Vertreter der Neo-Banking Schule und eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems zeigen, wenn sie sich darauf verlassen, dass die spontane Interbankenliquidierung und die Clearingmechanismen unter allen Umständen eine geplante, simultane Expansion des Großteils der Banken aufhalten. Diesen Ökonomen gelingt es nicht zu erkennen, dass, obzwar ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem engere Grenzen als das aktuelle System haben würde, es nicht die Schaffung von Umlaufsmitteln verhindern würde und es daher logischerweise den Markt nicht gegen Wirtschftskrisen immunisieren würde. Wir müssen daher folgern, dass der einzige effektive Weg zur Befreiung der Gesellschaft von Spezialprivilegien und Wirtschaftszyklen die Einführung eines Bankfreiheitssystems ist, welche durch die Rechtsprinzipien gelenkt wird; das heißt durch eine 100prozentige Reservepflicht.34 2 UNSER BANKREFORMVORSCHLAG Die auf der Analyse dieses Buches basierende logische Deduktion legt ein bestimmtes Programm zur Bankenreform nahe: Einerseits sollten die finanzwirtschaftlichen Institutionen von den traditionellen Rechtsprinzipien abhängig gemacht werden; andererseits sollten die Regierungseinrichtungen, welche bis heute das Finanzsystem kontrolliert und gelenkt haben, eliminiert werden. Wir glauben, dass mit dem Ziel ein wahrhaft stabiles Geld- und Finanzsystem für das einundzwanzigste Jahrhundert einzurichten, ein System, welches unsere Volkswirtschaften so weit als möglich vor Krisen und Rezessionen schützt, folgendes notwendig sein wird: (1) eine vollständige Wahlfreiheit der Währung; (2) ein Bankfreiheitssystem und die Abschaffung der Zentralbank; und am wichtigsten (3) die obligatorische Befolgung der traditionellen Rechtsregeln und Prinzipien von allen im Bankfreiheitssystem involvierten Wirtschaftssubjekten, vor allem die Befolgung des wichtigen Prinzips, nach dem niemand sich des Privilegs erfreuen darf, ihm etwas Reservepflicht für Privatbanken etabliert worden ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass nichts die Zentralbank davon abhält, direkt Staatsausgaben zu finanzieren oder mittels Offenmarktoperationen in großer Anzahl Staatsanleihen oder andere Wertpapiere zu erwerben und so dem System durch den Kapitalmarkt Liquidität zu zuführen und temporär den Zinssatz und die gesellschaftliche Produktionsstruktur zu verzerren. Dies würde unvermeidbar den Mechanismus des Konjunkturwechsels in Bewegung setzten, der eine scharfe Depression auslöst. Dies ist das prima facie, das Argument gegen die Beibehaltung der Zentralbank spricht. Es zeigt die Notwendigkeit der Verbindung der Wiedereinführung der Rechtsprinzipien ins Privatbankwesen mit der vollständigen Deregulierung dieses Sektors und der Abschaffung der Zentralbank. Zu der traditionell starken Tendenz zum Interventionismus seitens der Chicago Schule vgl. “Symposium: Chicago versus the Free Market,” Journal of Libertarian Studies 16, Nr. 4 (Herbst, 2002). 34 Auf keynesianischer Seite hat James Tobin, der 1981 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, ein „Depositenwährungsystem“ vorgeschlagen, welches viele Aspekte des Chicagoplans für eine 100-prozentige Reservepflicht beinhaltet. Vgl. sein “Financial Innovation and Deregulation in Perspective,” Bank of Japan Monetary and Economic Studies 3 (1985): 19–29.Vgl. auch die Kommentare, die Charles Goodhart zum Tobinschen Vorschlag einer 100-prozentigen Reservepflicht in seinem The Evolution of Central Banks, S. 87 ff, abgibt. Unlängst hat Alex Hocker Pollock erneut ein ähnliches Bankensystem in seinem Artikel, “Collateralized Money: An Idea Whose Time Has Come Again?” Durrell Journal of Money and Banking 5, Nr. 1 (März 1993): 34–38, verteidigt. Der Hauptnachteil von Pollock´s Vorschlag ist es, dass er fordert, dass die Reserven nicht in Geld gehalten werden sollten, sondern in Vermögenswerten mit einem leicht zu liquidierenden Marktwert.
als Sichteinlage anvertrautes zu verleihen. Kurzum ist es notwendig zu jeder Zeit ein Bankensystem aufrecht zu erhalten, welches eine 100-prozentige Reservepflicht einhält. Wir werden nun jeden der Bestandteile unseres Vorschlag genauer diskutieren. TOTALE WAHLFREIHEIT DER WÄHRUNG Wir empfehlen die Privatisierung der Währungen und die Beendigung der Staats- und Zentralbankeingriffe in Bezug auf ihre Emission und die Kontrolle ihres Wertes. Diese Ziel erfordert die Beseitigung der Regulierungen hinsichtlich eines gesetzlichen Zahlungsmittels, welches alle Bürger dazu verpflichtet, sogar gegen ihren Willen, eine staatlich emittierte Geldeinheit in allen Fällen als Bezahlung zu akzeptieren. Die Aufhebung eines gesetzlichen Zahlungsmittels ist mithin ein grundlegender Bestandteil jedes Deregulierungsprozesses für den Finanzmarkt. Diese „Entnationalisierung des Geldes“, um Hayek´s Worte zu benutzen, würde es Wirtschaftssubjekten, welche ein weit präziseres Wissen erster Hand ihrer spezifischen zeitlichen und örtlichen Koordinaten haben, ermöglichen für jeden Fall zu entscheiden, welche Art von Geldeinheit sie in ihren Verträgen am Stärksten begünstigen würde. Es ist nicht möglich, über die zu künftige Entwicklung des Geldes, a priori Theorien aufzustellen. Unsere theoretischen Untersuchung muss sich auf die Beobachtung begrenzen, dass Geld eine Institution ist, welche wie das Recht, die Sprache und andere rechtlichen und ökonomischen Institutionen in einem spontanen Prozess entsteht, der ein enormes Informationsvolumen enthält und auf evolutionäre Weise während sehr langer Zeit unter Mitwirkung vieler Generationen auftaucht. Weiterhin tendieren genau wie es bei der Sprache der Fall ist, bestimmte Institutionen, die in einem sozialen Prozess des Ausprobierens ihre Funktion am besten erfüllen, dazu die Oberhand behalten. Das Ausprobieren allein kann durch den spontanen, evolutionären Marktprozess zur Vorherrschaft jener Institutionen führen, welche der sozialen Kooperation am zuträglichsten sind, ohne dass irgendeine Person oder Gruppe über die Intelligenz und das Wissen verfügt, welches notwendig ist, um diese Art von Institutionen ex novo zu schaffen. Diese Überlegungen sind vollständig auf die Entstehung und die Evolution des Geldes anwendbar.35 35 Zur Theorie der Entstehung der Institutionen und vor allem des Geldes siehe Menger, Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften und der Politischen Ökonomie insbesondere und “On the Origin of Money,” S. 239–55. Wir sollten auch an das Mises´sche Regressionstheorem des Geldes erinnern, nach dem der Preis bzw. die Kaufkraft des Geldes durch sein Angebot und seine Nachfrage bestimmt wird. Diese Nachfrage wird wiederum nicht durch die heutige Kaufkraft bestimmt, sondern durch das Wissen, welches der Handelnde auf Basis der Kaufkraft von gestern geformt hat. Gleichzeitig wurde die Kaufkraft des Geldes gestern durch die Geldnachfrage bestimmt, welches sich auf Basis des Wissens der Kaufkraft des Geldes von Vorgestern entwickelt hat. Wir könnten dieses Muster bis zu dem Moment zurückverfolgen, in dem zum ersten Mal in der Geschichte die Menschen
Daher müssen wir in diesem Feld besonders misstrauisch gegenüber Vorschlagen sein, die eine künstliche Währung schaffen, ganz gleich wie viele Vorteile ein derartiger Plan auf den ersten Blick mit sich bringen mag.36 Daher ist unser Vorschlag der freien Wahl der Währung eindeutig. Im Übergangsprozess, welchen wir im weiteren untersuchen werden, muss das Geld in seiner heutigen Form privatisiert werden durch die Ersetzung durch eine Form von Geld, welche sich auf evolutionäre Art, Generation für Generation, in der Geschichte durchgesetzt hat: Gold.37 In der Tat ist es zwecklos zu versuchen, eine neue allgemein genutzte Geldeinheit im Markt einzuführen und dabei tausende von Jahren der Evolution zu ignorieren, in denen Gold spontan als Geld die Oberhand behielt. Nach dem Regressionstheorem des Geldes ist ein solches Kunststück unmöglich, da keine Geldform in einer Gesellschaft als allgemein akzeptiertes Tauschmittel benutzt werden kann, falls sie sich nicht auf einen sehr langen historischen Prozess stützen kann, der mit dem ursprünglichen industriellen oder kommerziellen Gebrauch der fraglichen Ware (wie mit Gold und Silber) beginnt. Mithin basiert
begannen, ein gewisses Gut als Tauschmittel nachzufragen. Mithin reflektiert dieses Theorem die Mengersche Theorie des spontanen Entstehens und der Evolution des Geldes. Jedoch handelt es sich in diesem Falle um einen rückwirkenden Effekt. Das Regressionstheorem des Geldes von Mises ist von äußerster Wichtigkeit für jedes Reformprojekt eines Geldsystems und es erklärt, warum es auf diesem Gebiet keine „Sprünge ins Ungewisse“ geben kann. Versuche, ex novo Geldsysteme einzuführen, welche nicht das Resultat des evolutionären Prozesses sind, wäre genau wie im Fall von Esperanto in Hinblick auf Sprachen unweigerlich zum Scheitern verurteilt. Zum Regressionstheorem des Geldes vgl. Mises, Nationalökonomie, S. 369-370, S. 384 und Human Action, S. 610. Die Markteinführung von neuen Zahlungstechnologien (zunächst Papier, dann Plastikkarten und jetzt elektronisches „Geld“) tangiert rein gar nicht die Schlussfolgerungen unserer Analyse. Es ist weder möglich noch zweckdienlich zu versuchen, ein System von privaten, elektronischen Zwangswährungen einzuführen, welche miteinander in einer chaotischen Welt flexibler Wechselkurse in Wettbewerb stehen; vor allem wenn wir das Endergebnis einer weltweiten, freien Geldevolution der Menschheit bereits kennen: eine einzige weltweite Ware (Geld), die weder von Privatpersonen noch von Beamten manipuliert werden kann. Daher können wir nicht den Vorschlag von Jean Pierre Centi, “Hayekian Perspectives on the Monetary System: Toward Fiat Private and Competitive Moneys,” in Austrian Economics Today I, The International Library of Austrian Economics, K.R. Leube, Hrsg. (Frankfurt: FAZ Buch, 2003), S. 89–104, annehmen.Vgl. Auch Fußnote 103. 36 Der bekannteste Plan zur Entnationalisierung des Geldes ist in Hayek´s 1976 Buch, Denationalisiation of Money, zu deutsch: Entnationalisierung des Geldes, zu finden. Nichtsdestoweniger begannen Hayek´s Narrheiten in Form einer Unterstützung von künstlichen Geldstandards bereits dreißig Jahre früher: “A Commodity Reserve Currency,” Economic Journal 53, Nr. 210 (Juni–September 1943): 176–84 (auch zu finden als Kapitel 10 von Individualism and Economic Order, S. 209–19). Während wir Hayek´s Mengersche Analyse der Evolution von Institution für korrekt halten und wir übereinstimmen, dass es höchst vorteilhaft wäre, auch auf dem Felde des Geldes das private Experimentieren, welches für Märkte charakteristisch ist, zu zulassen, finden wir es bedauernswert, dass Hayek letztlich einen vollkommen künstlichen Standard (bestehend aus einem Warenkorb) als neue Geldeinheit vorschlug. Obwohl man Hayek´s Vorschlag als eine Methode zur Rückkehr zum traditionellen Geld (einem reinen Goldstandard und einer 100-prozentigen Reservepflicht) interpretieren kann, verdient Hayek eindeutig die Kritik, die verschiedene Österreichische Ökonomen gegen seine Vorschläge vorgebracht haben. Diese Ökonomen beurteilten diese recht scharf und bezeichneten sie als „szientistisch“ und „konstruktivistisch“. Unter den Kritikern waren Murray N. Rothbard, Hans-Hermann Hoppe und Joseph T. Salerno, „Mises and Hayek Dehomogenized,“ Die gleichen Einwände können gegen einen sehr ähnlichen Vorschlag von Leland B. Yeager, „The Perils of Base Money,“ S. 262 gebracht werden. 37 Silber könnte zudem als zweiter, paralleler Metallgeldstandard betrachtet werden, welcher, falls es die Wirtschaftssubjekte wünschen sollten, mit Gold bei einem flexiblen Wechselkurs koexistieren könnte. Weiterhin müssen wir anerkennen, dass der Rückgang im Gebrauch von Silber als Geld beschleunigt wurde, als die Regierungen des neunzehnten Jahrhunderts einen festen Wechselkurs zwischen Gold und Silber festlegten, der letzteres künstlich unterbewertet. Vgl. Rothbard, Man, Economy, and State, S. 724-26.
unser Vorschlag auf der Privatisierung des Geldes in seiner heutigen Form und seinen Tausch in seinen metallischen Gegenwert in Gold sowie in der Maßnahme, es zu zulassen, dass der Markt seine freie Entwicklung vom Zeitpunkt des Übergangs an wieder aufnimmt; entweder in dem Gold als allgemein akzeptierte Geldform bestätigt wird oder in dem der spontane und graduelle Eintritt anderer Geldstandards erlaubt wird.38 EIN SYSTEM VOLLSTÄNDIGER BANKFREIHEIT Dieses zweite Element unseres Vorschlags bezieht sich auf die Notwendigkeit die Bankenregulierung aufzuheben, die Zentralbank und im Allgemeinen jede Regierungsbehörde zu eliminieren, die sich der Kontrolle und dem Eingriff in das Finanzsystem oder den Bankenmarkt widmet. Es sollte möglich sein, jede beliebige Anzahl von Privatbanken mit kompletter Freiheit sowohl hinsichtlich ihres Unternehmenszwecks als auch ihrer Rechtsform zu gründen. Wie der distinguierte Laureano Figuerola y Ballester im Jahr 1869 schrieb, ist es notwendig, „die Wahl der Bankform jedem Individuum (zu überlassen), welches wissen wird, wie es die Beste für die jeweiligen zeitlichen und geographischen Umstände auswählt.“39 Nichtsdestoweniger bedeutet die Verteidigung der Bankfreiheit nicht, es den Banken zu erlauben mit einer Teildeckung zu operieren. An dieser Stelle sollte es vollkommen klar sein, dass das Bankwesen den traditionellen Rechtsprinzipien unterworfen sein sollte und dass diese die jederzeitige Aufrechterhaltung einer 100-prozentigen Reserve für die Sichteinlagen bei den Banken erfordern. Mithin darf die Bankfreiheit nicht als eine Lizenz zum Verstoß gegen diese Regel betrachtet werden, da dieser Verstoß nicht nur eine Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien darstellt, sondern auch eine Kette von Konsequenzen auslöst, welche für die Wirtschaft äußerst schädlich sind. Die rechtlichen und ökonomischen Aspekte dieser Angelegenheiten sind eng miteinander verknüpft und es ist unmöglich, die rechtlichen und moralischen Prinzipien zu verletzten ohne schwerwiegende, schädigende Konsequenzen für den spontanen Prozess der sozialer Kooperation zu verursachen. Mithin sollte die Bankfreiheit keine anderen Grenzen haben, als jene die durch den Rahmen der allgemeinen Rechtsprinzipien gesetzt sind. Dies bringt uns zum dritten grundlegenden Element 38 Der von uns vorgeschlagene Goldstandard ähnelt nicht im Entferntesten dem unechten Goldstandard, der bis in die 1930er Jahre genutzt wurde. Dieser Standard basierte auf der Existenz von Zentralbanken und einem teilgedeckten Bankensystem. Wie Milton Friedman zeigt: A real honest-to-God gold standard . . . would be one in which gold was literally money and money literally gold, under which transactions would literally be made in terms either of the yellow metal itself, or of pieces of paper that were 100-percent warehouse certificates for gold. (Milton Friedman, “Has Gold Lost its Monetary Role?” in Milton Friedman in South Africa, Meyer Feldberg, Kate Jowel, and Stephen Mulholland, eds. [Johannesburg: Graduate School of Business of the University of Cape Town, 1976]) Zur ökonomischen Theorie des Goldes vgl. Kapitel 8 (“The Theory of Commodity Money: Economics of a Pure Gold Standard”) von Mark Skousen’s Werk, The Structure of Production, S. 265–81. 39 Laureano Figuerola, Escritos económicos, vorläufige Studie von Francisco Cabrillo Rodríguez, Hrsg. (Madrid: Instituto de Estudios Fiscales, 1991), S. 268. Diese Behauptung, welche selbst Mises und Hayek nicht präziser hätten formulieren können, ist in dem Bericht zu finden, den Laureano Figuerola vor der verfassungsgebenden Versammlung Spaniens am 22. Februar 1869 vorstellte.
unseres Vorschlags, welches wir nun betrachten werden.40 DIE VERPFLICHTUNG ALLER WIRTSCHAFTSSUBJEKTE IN EINEM BANKFREIHEITSSYSTEM DIE TRADITIONELLEN RECHTSREGELN UND PRINZIPIEN ZU BEACHTEN, BESONDERS DIE 100-PROZENTIGE RESERVEPFLICHT FÜR SICHTEINLAGEN An dieser Stelle bleibt uns wenig der Empfehlungen einer 100-prozentigen Reservepflicht für das Bankwesen hinzu zu fügen. Wir haben die gesamte Analyse dieses Buches der Rechtfertigung dieses dritten Elements unseres Vorschlags gewidmet und dieser Punkt ist logisch und eng mit den anderen beiden verknüpft. In der Tat ist der einzige Weg die staatliche, planwirtschaftliche Behörde, die sich mit dem Geld und dem Finanzsystem beschäftigt (d.h. die Zentralbank), mit der Wurzel auszureißen, es der Gesellschaft zu erlauben, den Gebrauch der privaten Geldform wieder aufzunehmen, welche auf evolutionäre Weise in der Geschichte entstanden ist (Gold, und in geringerem Maße Silber). Weiterhin kann eine Marktwirtschaft nur auf einem Rahmen basieren, der 40 Kurzum empfehlen wir das gegenwärtige Netzwerk administrativer Gesetzgebung, welches die Banken reguliert, durch ein paar einfache Artikel zu ersetzen, welche in die Strafgesetzbücher und das Handelsgesetzbuch eingefügt werden müssen. In Spanien könnte beispielsweise die gesamte Bankgesetzgebung eliminiert und einfach durch eine Erneuerung der Artikel 180 und 182 des Handelsgesetzbuches ersetzt werden. Der Text dieser neuen Artikel könnte dem folgenden ähneln (die Abschnitte, welche sich von der gegenwärtigen Formulierung unterscheiden, sind kursiv geschrieben): Artikel 180: Die Banken werden in ihren Kassen eine Bargeldmenge vorhalten, welche dem Gesamtwert an Depositen, Kontokorrentkonten und zirkulierenden Noten entspricht. Artikel 182: Die Summe der zirkulierenden Noten zusammen mit der Menge, die Depositen und Kontokorrentkonten entspricht, wird in keinem Fall die Summe der Barreserve übersteigen, welche jede Bank zu jedem gegebenen Zeitpunkt hält. In unseren Artikeln für das Handelsgesetzbuch brauchen wir uns nicht auf die Operationen zu beziehen, die eine Gesetzesumgehung beinhalten, um einen wahrhaftigen Depositenvertrag (Transaktionen wie Pensionsgeschäfte, oder amerikanische Verkaufsoptionen, etc.) zu verschleiern. Denn nach der Rechtslehre der Gesetzesumgehung würden solche Operationen Null und nichtig sein. Um jedoch die Möglichkeit auszuschließen, dass eine „Finanzinnovation“ vor ihrer rechtlichen Annullierung in Geld umgewandelt wird, wäre es umsichtig, folgendes zu Artikel 180 hinzu zu fügen: „Die gleiche Verpflichtung muss von allen Individuen und Firmen erfüllt werden, die in einer Umgehung des Gesetzes rechtliche Transaktionen ausführen, welchen eine echten Gelddepositenvertrag verschleiern.“ Im Bezug auf das Strafgesetzbuch wären in Spanien nur wenige Reformen notwendig. Nichtsdestoweniger sollte Artikel 252 des neuen Strafgesetzbuches, um seinen Inhalt noch weiter klar zu stellen und ihn mit der Formulierung vergleichbar machen, welche wir für Artikel 180 und 182 des Handelsgesetzbuches vorgeschlagen haben, wie folgt formuliert sein: Artikel 252: Die festgesetzten Strafen werden auf jeden angewendet, der zum Nachteil eines anderen sich Geld, Güter oder anderes bewegliches Eigentum oder ererbte Vermögenswerte aneignet oder veruntreut, welche er als Hinterlegung, irreguläres Depositum oder monetäres Bankdepositum in Konsignation oder treuhänderisch, oder durch irgendeinen anderen ähnlichen Anspruch empfangen hat, der die Verpflichtung mit sich bringt, das Eigentum zurückzugeben oder auszuliefern; oder der abstreitet, es empfangen zu haben. . . . Diese Strafen werden um 50 Prozent für den Fall eines notwendigen Depositums, eines irregulären oder monetären Bankdepositums, oder irgendeiner anderen Operation, welche in Umgehung des Gesetzes ein irreguläres Gelddepositum verbirgt, erhöht. Diese einfachen Modifikationen des Handels- und des Strafgesetzbuches würden es möglich machen, alle gegenwärtig in Spanien bestehenden Bankgesetze abzuschaffen. Es würde dann den normalen Gerichten zufallen, das Verhalten der Individuen zu evaluieren, welche sich der Verletzung irgendeiner der erwähnten Verbote verdächtig gemacht haben. (Dieser Prozess würde logischerweise alle Garantien einschließen, welche für einen Verfassungsstaat charakteristisch sind. Diese Garantien fehlen heute bei vielen administrativen Handlungen der Zentralbank in auffälliger Weise.)
durch Regeln des materiellen Rechts begründet ist. Wenn man diese Regeln auf das Bankwesen anwendet, fordern sie die Errichtung eines Systems vollkommener Bankfreiheit. Dies ist indes ein System, in dem Bankiers fortwährend das Prinzip der Aufrechterhaltung einer 100-prozentigen Reservepflicht für Sichteinlageverträge beachtet. In Kombination machen die obigen drei Elemente das Herz eines Vorschlags zur endgültigen Reform und Privatisierung des modernen Bank- und Geldsystems aus. Dieser Vorschlag befreit das Bank- und Geldsystem von den Hindernissen, welche es heute stören, vor allem von Zentralbankeingriffen und staatlich garantierten Privilegien, deren sich die wichtigsten Subjekte im Finanzsektor erfreuen. Diese Reform würde die Entwicklung von Bankinstitutionen erlauben, die tatsächlich für eine Marktwirtschaft angemessen wären; Institutionen, welche die wirtschaftliche Entwicklung und die Akkumulation von umsichtig investierten Kapitals erleichtern und gleichzeitig die Fehlabstimmungen und Krisen verhindern würden, welche das gegenwärtige, streng kontrollierte und zentralisierte System verursacht.
WIE WÜRDE DAS FINANZ- UND BANKENSYSTEM IN EINER VOLLKOMMEN FREIEN GESELLSCHAFT AUSSEHEN? Wir stimmen mit Israel M. Kirzner überein, dass es unmöglich ist, heute schon zu wissen, welche Information und Institutionen die Unternehmer, die am künftigen Finanz- und Bankensystem teilnehmen, morgen frei und spontan schaffen werden, unter der Annahme, dass sie unter keinem institutionellen staatlichen Zwang leiden und lediglich dem rechtlichen Rahmen materieller Regeln unterworfen sind, welchen das Funktionieren jeden Marktes erfordert. Wie wir wissen ist die Wichtigste aller derartiger Regeln im Bankwesen das Prinzip einer 100-prozentigen Reserve.41 Trotz dieser Einschränkung können wir mit F.A. von Hayek mutmaßen42, dass unter diesen Umständen eine Vielzahl von Investmentfonds entstehen würden43, in die Leute einen Teil ihrer 41 We are not able to chart the future of capitalism in any specificity. Our reason for this incapability is precisely that which assures us . . . the economic future of capitalism will be one of progress and advance. The circumstance that precludes our viewing the future of capitalism as a determinate one is the very circumstance in which, with entrepreneurship at work, we are no longer confined by any scarcity framework. It is therefore the very absence of this element of determinacy and predictability that, paradoxically, permits us to feel confidence in the long-run vitality and progress of the economy under capitalism. (Israel M. Kirzner, Discovery and the Capitalist Process [Chicago and London: University of Chicago Press, 1985], S. 168) 42 Hayek, Entnationalisierung des Geldes, S. 119. 43 Zur Entwicklung dieses Netzes von Investmentfonds, vgl. den Artikel von Joseph T. Salerno, „Gold Standards: True and False,“ S. 257-58. Die Wahrnehmung, dass die Anteile an diesen Investmentfonds sich letztlich zu Geld entwickeln würden, ist inkorrekt, denn dieses Anteile sind lediglich Rechtsansprüche auf reale Investitionen und würden nicht die Wiedererlangung des Nominalwerts derartiger Investitionen garantieren. Diese Investitionen würden immer den Markttrends der Preise für die korrespondierenden Kapitalgüter, Aktien und Anleihen ausgesetzt sein. In anderen Worten wäre, trotz des hohen Liquiditätsgrads, den diese Investitionen erreichen könnten, die Liquidität weder unmittelbar noch würde sie dem Nominalwert entsprechen, der Geldeinheiten per Definition angeheftet ist. In der Tat würde jede Person mit einem Liquiditätsbedürfnis gezwungen sein, auf dem Markt irgendjemanden zu finden, der bereit ist, diese Liquidität bereitzustellen, indem er den Marktwert der
gegenwärtigen „Depositen“ investieren würden. Diese Investmentfonds würden auf Grund der Existenz umfassender Sekundärmärkte äußerst liquide sein. Sie würden jedoch, logischerweise nicht ihren Teilhabern garantieren, dass sie zu jeder Zeit den Nominalwert ihrer Investitionen wiedererlangen könnten. Wie beim Kurs jedes anderen Wertpapiers auf einem Sekundärmarkt, wären die entsprechenden Anteile Änderungen im Marktwert unterworfen. Somit würde eine plötzliche, wenngleich unwahrscheinliche Änderung der sozialen Zeitpräferenzrate allgemeine Fluktuationen im Marktpreis der Anteile auslösen. Derartige Kursschwankungen würden sich nur auf die Besitzer der entsprechenden Aktien auswirken und nicht, wie es jetzt geschieht, auf alle Bürger, die Jahr für Jahr einen signifikanten Abfall der Kaufkraft der vom Staat emittierten Geldeinheiten erfahren, die sie zu nutzen verpflichtet sind. Es ist gut möglich, dass das verbreitete System von Investmentfonds durch ein ganzes Netzwerk von Institutionen begleitet wird, welche es sich zur Aufgaben machen, ihren Kunden mit Dienstleistungen zum Zahlungsverkehr, Überweisungen, Buchhaltung und Kassenführung im Allgemeinen zu versorgen. Diese Unternehmen würden in einem Umfeld des freien Wettbewerbs operieren und den entsprechenden Marktpreis für ihre Leistungen in Rechnung stellen. Zudem ist es vorstellbar, dass eine Anzahl von Privatfirmen auftaucht, die überhaupt keine Verbindung zum Kreditgeschäft hat, und sich dem Fördern, dem Design und dem Angebot von verschiedenen Arten privaten Geldes widmet. Derartige Firmen würden auch einen Gewinn (sehr wahrscheinlich einen bescheidenen) durch ihre Leistungen erzielen. Wir schreiben „Fördern“, weil wir keinen Zweifel hegen, dass in einem Umfeld vollständiger Freiheit, die vorherrschende Geldform immer ein Metall sein wird, welches zumindest die grundlegenden Charakteristiken besitzt, welche bis heute nur Gold hat anbieten können: Unveränderlichkeit, große Homogenität und vor allem Knappheit. Denn je knapper Geld ist und desto unwahrscheinlicher signifikante Anstiege und Rückgänge in seinem Volumen innerhalb relative kurzer Zeitperioden sind, desto besser erfüllt Geld seine Funktion.44 3 EINE ANALYSE DER VORTEILE DES VORGESCHLAGENEN SYSTEMS In diesem Abschnitt werden wir die Hauptvorteile betrachten, welches ein Bankfreiheitssystem, das entsprechenden Fondsanteile in Gold zahlt. Mithin können Investmentfonds weder den Wert des investierten Kapitals zum Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile garantieren, noch die Verzinsung der Investition. Jede „Liquiditätsgarantie“ bezieht sich bloß auf die relative Leichtigkeit, mit der die Fondanteile auf dem Markt verkauft werden können. Es gibt jedoch keine rechtliche Garantie, dass der Verkauf unter allen Umständen möglich sein wird und erst recht nicht zu einem festgesetzten Preis. 44 Es ist daher keine historische Laune gewesen, dass in einem freiheitlichen Umfeld Gold als allgemein akzeptiertes Geld die Oberhand behalten hat. Denn es besitzt die grundlegenden Charakteristika, welche aus Sicht der allgemeinen Rechtsprinzipien und der ökonomischen Theorie, eine weit akzeptiertes Tauschmittel haben muss. Auf diesem Gebiet hat die Ökonomie, wie auf vielen anderen (der Familie, der Eigentumsrechte, etc.), die spontanen Ergebnisse des sozialen Evolutionsprozesses unterstützt.
an den Rechtsprinzipien, einer 100-prozentigen Reservepflicht und einer vollkommen privaten Geldform (Gold) festhält, gegenüber dem System der finanzwirtschaftlichen Planwirtschaft (Zentralbankwesen) offeriert, welches gegenwärtig die Finanzmärkte und Bankensysteme aller Länder kontrolliert. 1.
Das vorgeschlagene System verhindert Bankkrisen. Selbst die herausragendsten Verteidiger
eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems haben erkannt, dass die Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht den Bankkrisen ein Ende setzten würde.45 In der Tat sind Bankkrisen auf den inhärenten Liquiditätsmangel dieser Institutionen zurückzuführen, welche den Großteil des bei ihnen auf Sicht hinterlegten Geldes in der Form von Darlehen verleihen. Wenn unter Beibehaltung der traditionellen Rechtsprinzipien des irregulären Depositums irgendjemand, der Geld als Depositum erhält, dazu verpflichtet ist, zu jeder Zeit ein tantundem in Höhe von 100 Prozent des empfangenen Geldes bereitzuhalten, ist es offensichtlich, dass Deponenten in der Lage sein werden, den deponierten Betrag jeder Zeit abzuheben, ohne irgendeine finanzielle Belastung den entsprechenden Banken zu zu fügen. Natürlich können Banken bei der Ausübung von anderen Aktivitäten als dem Depositengeschäft, z.B. in ihrer Rolle als Darlehensintermediäre, auf gewisse wirtschaftliche Probleme als Folge von unternehmerischen Fehler oder schlechtem Management stoßen. Jedoch wäre in diesen Fällen die einfache Anwendung der Prinzipien des Insolvenzrechts46 ausreichend, um diese Art von Bankoperationen in geordneter Weise zu liquidieren, ohne sich in irgendeiner Weise auf die garantierte Rückgabe der Sichteinlage aus zu wirken. Aus rechtlicher und ökonomischer Sicht ist diese zweite Art von „Bankkrisen“ ohne jede Relation, sowohl qualitativ als auch quantitativ, zu den traditionellen Krisen, welche die Banken seitdem sie begannen, mit Teildeckung zu operieren, plagten. Der einzige Weg, um diese traditionellen Krisen zu vermeiden, ist gerade die Abschaffung des Teildeckungsbankwesen. 2.
Das vorgeschlagene System verhindert das zyklische Auftreten von Wirtschaftskrisen. Wie
wir in Theorie und Geschichte gesehen haben, haben sukzessive Zyklen künstlichen Aufschwungs und wirtschaftlicher Rezession die Marktwirtschaften seit dem Zeitpunkt heimgesucht, an dem die Banken begannen mit einer Teildeckung zu operieren. Weiterhin wurde die schädigende Wirkung dieser Zyklen noch verstärkt, als die Staaten den Banken ein Privileg gaben, in dem sie die Teildeckung legalisierten. Die Schäden waren am größten als mit der Zentralbank ein Kreditgeber letzter Instanz geschaffen wurde, der darauf ausgelegt war, dass System in schwierigen Zeiten mit der notwendigen Liquidität zu versorgen. Denn während die Zentralbank die Häufigkeit von Bankkrisen verringert hat, ist sie nicht in der Lage gewesen, die wirtschaftlichen Rezessionen zu 45 Unter anderen bekräftigt George A. Seling, dass “a 100-percent reserve banking crisis is an impossibility.” Selgin, “Are Banking Crises a Free-Market Phenomena?” S. 2 46 Vgl. Cabrillo, Quiebra y liquidación de empresas: un análisis económico del derecho español.
beenden, welche ganz im Gegenteil in den meisten Fällen länger und schärfer geworden sind. Ein Bankensystem in Harmonie mit den traditionellen Prinzipien des Eigentumsrechts (d.h. einer 100-prozentigen Reservepflicht) würde unsere Gesellschaften gegen wiederkehrende Wirtschaftskrisen immunisieren. In der Tat könnte unter diesen Umständen das Darlehensvolumen nicht ansteigen, ohne dass es zuvor zu einem parallelen Anstieg der realen freiwilligen Ersparnisse gekommen wäre. Unter solchen Bedingungen wäre es nicht vorstellbar, dass die Produktionsstruktur als Resultat einer Fehlkoordination im Verhalten der Sparer und Investoren verzerrt wird. Die beste Garantie gegen intertemporale Fehlabstimmungen in der Produktionsstruktur ist die Befolgung der traditionellen Rechtsprinzipien, die in der innersten Logik der Rechtsinstitutionen, die mit dem irregulären Depositenvertrag und dem Eigentumsrecht in Bezug stehen, präsent sind.47 Entgegen der Ansicht der Ökonomen der Chicago Schule (jene, welche eine 100-prozentige Reservepflicht für das Bankwesen forderten) hängt die Ausmerzung der Wirtschaftskrisen und Rezessionen zudem eindeutig von der totalen Privatisierung des Geldes (einem reinen Goldstandard) ab. Denn wenn die Zentralbank weiterhin für die Emission einer reinen Zwangswährung verantwortlich ist, gibt es niemals irgendeine Garantie, dass diese Institution mittels Offenmarktoperationen an der Börse nicht künstlich die Zinssätze reduziert und die Kapitalmärkte mit künstlicher Liquidität überschwemmt, was letztlich die gleichen verzerrenden Effekte auf die Produktionsstruktur ausübt wie die Kreditausweitung durch die Privatbanken ohne Deckung durch die entsprechenden realen Ersparnisse.48 Die Schlüsselvertreter einer 100prozentigen Reservepflicht der Chicago Schule (Simons, Mints, Fisher, Hart und Friedman) wollten in erster Linie die Geldpolitik vereinfachen und Bankenkrisen vermeiden (der obige Punkt eins). Ihre makroökonomischen, monetaristischen Analysewerkzeuge hielten sie jedoch davon ab, zu sehen, dass zyklische Wirtschaftskrisen, welche auf die reale Produktionsstruktur durch ein Teildeckungsbankensystem losgelassen werden, noch schädlicher sind als Bankenkrisen. Nur die vollständige Abschaffung der Regulierungen hinsichtlich eines gesetzlichen Zahlungsmittels und die totale Privatisierung des vom Staat emittierten Geldes, welches heute existiert, wird die 47 Eine akkurate Definition der Eigentumsrechte im Hinblick auf den monetären Bankdepositenvertrag (100prozentige Reserve) und eine energische, wirksame Verteidigung dieser Rechte ist mithin die einzige Grundvoraussetzung für ein „stabiles Geldsystem“, ein Ziel welches Papst Johannes Paul II. als eine der (wenigen) Schlüsselaufgaben des Staates in der Wirtschaft ansieht. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus Annus, Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. An die verehrten Mitbrüder im Bischofsamt, den Klerus, die Ordensleute, die Gläubigen der katholischen Kirche und alle Menschen guten Willen zum hundertsten Jahrestag von Rerum Novarum., 1. Mai 1991, (Bonn: Deutsche Bischofskonferenz, 1991), S. 55. Hier schreibt Johannes Paul II.: „Die Wirtschaft, insbesondere die Marktwirtschaft, kann sich nicht in einem institutionellen, rechtlichen und politischen Leerraum abspielen.“ Diese Feststellung ist perfekt im Einklang mit unserer Unterstützung der Anwendung der Rechtsprinzipien auf den konkreten Fall des monetären Bankdepositenvertrags. 48 Wie wir wissen, vermag die Regierung auch eine horizontale (intratemporale) Fehlabstimmung in der Produktionsstruktur durch die Emission neuen Geldes zur Ausgabenfinanzierung verursachen.
Regierungsinstitutionen davon abhalten, Wirtschaftszyklen auszulösen, sobald einmal eine 100prozentige Reservepflicht für private Banken eingeführt worden sind. Schließlich müssen wir zugeben, dass das empfohlene System nicht alle Wirtschaftskrisen und Rezessionen vermeiden würde. Es würde nur die wiederkehrenden Konjunkturwechsel von Aufschwung und Rezession abwenden, an welchen wir heute leiden (und welche die große Mehrheit und die schwerwiegendsten Krisen ausmachen). Es würde nicht die isolierten Krisen verhindern, die durch Kriege, Naturkatastrophen oder ähnliche Phänomene ausgelöst werden, welche wegen ihrer plötzlichen Attacke auf die Zuversicht und die Zeitpräferenz der Wirtschaftssubjekte Schocks für die Produktionsstruktur verursachen könnten und mithin beträchtliche, schmerzhafte Anpassungen erfordern würde. Nichtsdestoweniger dürfen wir uns nicht von der Vorstellung täuschen, wie es eine Anzahl von Ökonomen tut (hauptsächlich die Anhänger der „neuklassischen Theorie“), dass alle Wirtschaftskrisen auf externe Schocks zurückzuführen sind. Diese Ökonomen erkennen nicht, dass die meisten Krisen eine endogenen Ursprung haben und durch gerade die Kreditausweitung angefeuert wird, welche der Bankensektor hervorbringt und die Zentralbanken koordinieren. In Abwesenheit dieses verzerrenden Einflusses auf die Kredite, würde die Anzahl der Schocks auf ein Minimum fallen; nicht nur, weil der Hauptgrund der Instabilität in unseren Volkswirtschaften verschwinden würden, sondern auch, wie wir später erklären werden, weil die Staaten eine viel diszipliniertere Haushalts- und Steuerpolitik anwenden würden. Mit dieser größeren Beschränkung würde das vorgeschlagene System rechtzeitig reagieren, um vielen Maßnahmen Einhalt zu gebieten, die finanzielle Verantwortungslosigkeit und sogar Gewalt, Konflikte und Kriege fördern, welche zweifellos auch letztlich für das isolierte Auftauchen externer Schocks verantwortlich sind, welche sich als höchst schädigend für die Volkswirtschaft erweisen. 3.
Das vorgeschlagene System steht in vollster Harmonie mit dem Konzept des
Privateigentums Die Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht für Bankdepositenverträge würde der juristischen Verworfenheit ein Ende setzten, welche die Institution des Bankwesen von Anfang an heimgesucht hat. Wie wir in unserer historischen Studie der Evolution des Bankwesen gesehen haben, übersahen die Regierungen zunächst die betrügerische Natur des Teildeckungsbankwesens. Dann, wenn die Effekte des System offensichtlicher wurde, wurden die Regierungen zu Komplizen, anstatt die traditionellen Prinzipien des Eigentumsrecht zu beschützen. Später wurden sie die treibende Kraft hinter den entsprechenden expansiven Prozessen immer mit dem Ziel eine günstige Finanzierungsquelle für ihre politischen Projekte zu gewinnen. Die Evolution des Bankwesens ohne die Beachtung der Rechtsprinzipien hat nur negative Ergebnisse gebracht: sie hat aller Arten von
betrügerischen, unverantwortlichen Verhalten ermutigt; sie hat die künstliche Kreditausweitung und die höchst schädlichen wiederkehrenden Wirtschaftsrezessionen und sozialen Krisen angestoßen; und sie hat letztlich das unvermeidbare Entstehen von Zentralbanken und ein ganzes Netz von Verwaltungsregulierungen zu Finanz- und Bankaktivitäten zu verantworten. Diese Regulierungen haben nicht die von ihnen erhofften Ziele erreicht und destabilisieren überraschenderweise noch heute an der Schwelle des zwanzigsten Jahrhunderts die Volkswirtschaften der Welt. 4.
Das vorgeschlagene Modell fördert ein stabiles, nachhaltiges Wachstum und reduziert damit
drastisch die Transaktionskosten auf dem Markt und vor allem die Spannungen bei Lohnverhandlungen. Über neunzig Jahre chronischer weltweiter Inflation und eine kontinuierliche und während vieler Perioden vollkommen unkontrollierte Kreditausweitung haben das Verhalten und die Gewohnheiten der Wirtschaftssubjekte korrumpiert. Mithin glauben die Meisten heute, dass Inflation und Kreditausweitung zur Stimulation der wirtschaftlichen Entwicklung notwendig sind. Weiterhin hat sich daher die falsche Vorstellung verbreitet, dass eine Volkswirtschaft, die sich nicht in einer Boomphase befindet, „stagniert“. Die Leute erkennen nicht, dass eine schnelle, übertriebene Expansion immer wahrscheinlich eine künstliche Ursache hat und sich in Form einer Rezession umkehren muss. Wir haben uns kurzum daran gewöhnt, in manisch depressiven Volkswirtschaften zu leben und haben unser Verhalten an ein unstabiles, beunruhigendes Muster wirtschaftlicher Entwicklung angepasst. Durch die vorgeschlagene Reform würde jedoch dieses „manisch depressive“ Modell wirtschaftlicher Entwicklung durch ein sehr viel stabileres und nachhaltigeres ersetzt. In der Tat würde nicht nur die künstliche Expansion zusammen mit all dem sie auf allen Niveaus beinhaltenden Stress (ökonomischer, ökologischer sozialer und persönlicher Art) verhindert, sondern auch die Rezessionen, welche unweigerlich auf jede Expansionsphase folgen. In dem vorgeschlagenen Modell wäre das Geldsystem in Hinblick auf die Geldmenge starr und unelastisch, sowohl in Bezug auf das Wachstums der zirkulierenden Geldmenge als auch vor allem in Bezug auf mögliche Verringerungen und Kontraktionen der Geldmenge. In der Tat würde eine 100-prozentige Reservepflicht einen expansiven Anstieg der Geldmenge in Form von Darlehen ausschließen und die zirkulierende Geldmenge würde ganz einfach natürlich wachsen und an den jährlichen Anstieg der weltweiten Goldmenge gebunden sein. Die weltweite Goldmenge ist in den letzten 100 Jahren durchschnittlich um 1 bis 3 Prozent pro Jahr gewachsen.49 Mithin würde in einem Geldsystem 49 Vgl. Skousen, “The Theory of Commodity Money: Economics of a Pure Gold Standard,” in The Structure of Production, S. 269–71. Skousen erklärt zudem, dass durch die unveränderliche Beschaffenheit des Goldes die weltweite im Laufe der Geschichte angesammelte Menge nur steigt und nicht fällt. Mithin wird ceteris paribus, wenn die weltweit geförderte Goldmenge konstant bleibt, die Geldmenge immer weniger stark ansteigen, zumindest prozentual. Jedoch wird dieser Umstand durch technologische Verbesserungen und Innovationen im Minensektor kompensiert. Diese Innovationen haben dazu geführt, dass im Durchschnitt die weltweite Goldmenge seit 1910
basierend auf einem reinen Goldstandard und einer 100-prozentigen Reservepflicht für die Banken und unter der Annahme, dass der Produktivitätsfortschritt durchschnittlich 3 Prozent pro Jahr beträgt, dieses wirtschaftliche Wachstumsmodell zu einem allmählichen, kontinuierlichen Fall der Preise von Konsumgütern und Leistungen führen. Dieser Preisrückgang ist mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung aus theoretischer und praktischer Sicht nicht nur vollkommen kompatibel. Das System würde auch garantieren, dass die Gewinne eines solchen Wachstums allen Bürgern durch einen kontinuierlichen Anstieg der Kaufkraft ihres Geldeinheiten zu Gute kommen würde.50 Dieses Modell steigender Produktivität, wirtschaftlicher Entwicklung und einer Geldmenge, welche langsam wächst (in einer Rate von einem Prozent), würde durch den Preisrückgang einen Anstieg der Realeinkommen der Produktionsfaktoren erzeugen. Vor allem die Realeinkommen der Arbeiter würde steigen, was wiederum in einem enormen Rückgang der Verhandlungskosten resultieren würde, welche gegenwärtig mit den Tarifvereinbarungen einhergehen. (Unter der Annahme einer stabilen Geldnachfrage, einem Produktivitätsanstieg von 3 Prozent, und einem Geldmengenwachstum von 1 Prozent würden die Preise dazu tendieren, ungefähr 2 Prozent pro Jahr zu fallen). In diesem Modell würden die Realeinkommen aller Faktoren vor allem der Arbeit automatisch angepasst und die kollektiven Tarifvereinbarungen, welche gegenwärtig so große Spannungen und Konflikte in den westlichen Volkswirtschaften verursachen, könnten eliminiert werden. In der Tat würde dieser Prozess auf die isolierten Fälle reduziert, in denen beispielsweise ein größerer Anstieg der Produktivität oder der Marktpreise der spezifischen Arbeitsarten es notwendig gemacht hat, noch größere Lohnanstiege zu verhandeln als jene, welche automatisch jedes Jahr in den Realeinkommen mit dem Rückgang des allgemeinen Preisniveaus reflektiert sind. Weiterhin wären in diesen Fällen sogar die Intervention der Gewerkschaft unnötig (obzwar diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist), denn die Marktkräfte selbst, geleitet durch das unternehmerische Gewinnmotiv, würden spontan dazu führen, dass die Einkommen so stark steigen würden, wie relativ gesehen gerechtfertigt ist. Mithin würde die kollektiven Tarifverhandlungen sich in der Praxis auf jene isolierten Fälle beschränken, in denen die Produktivität weniger als der zwischen 1 und 3 Prozent pro Jahr gestiegen ist. Mises seinerseits weist darauf hin, dass der jährliche Anstieg der weltweiten Goldmenge tendenziell dem allmählichen und anhaltendem Anstieg entspricht, welches das Bevölkerungswachstum in der Geldnachfrage verursacht. Wenn daher die Nachfrage zwischen 1 und 3 Prozent ansteigt (eine Rate, die der des Goldanstiegs ähnlich ist), würden die Preise um ungefähr 3 Prozent pro Jahr fallen unter der Annahme, dass die allgemeine wirtschaftliche Produktivität um 3 Prozent durchschnittlich steigt. Die Nominalzinsen würden zwischen 0,25 und 1 Prozent oszillieren. Vgl. Mises, Nationalökonomie, S. 374. Mises erwähnt nicht, dass eine gesunde, lang-anhaltende Deflation verursacht durch einen Produktivitätsanstieg ceteris paribus eine Tendenz zur Verringerung der Geldnachfrage auslöst, was höhere Nominalzinsen erlaubt. 50 George A. Selgin hat jüngst argumentiert, dass die beste geldpolitische Regel darin besteht, zu erlauben, dass das allgemeine Preisniveau im Einklang mit dem Produktivitätswachstum fällt. Vgl. sein Buch, Less Than Zero: The Case for a Falling Price Level in a Growing Economy. Wir erachten diesen Vorschlag als fundamental richtig. Nichtsdestoweniger unterstützen wir nicht in Gänze Selgin´s These, aus den in Kapitel 8 genannten Gründen. Vor allem stimmen wir nicht mit der Auffassung über ein, dass die für seinen Vorschlag günstigste institutionelle Maßnahme, die Einführung eines teilgedeckten Bankfreiheitssystems wäre.
Durchschnitt steigt und damit eine gewisse Reduzierung der Nominallöhne notwendig machen. In jedem Fall wäre die Reduzierung geringer als der Rückgang im allgemeinen Preisniveau.51 Schließlich müssen wir darauf hinweisen, dass die wichtigste Tugend der Starrheit des vorgeschlagenen Geldsystem darin besteht, dass es plötzliche Kontraktionen oder einen Rückgang der Geldmenge, wie sie heute unweigerlich in der Rezessionsphase vorkommen, die im Konjunkturwechsel auf jede Expansion folgt, vollkommen ausschließen würde. Mithin ist der größte Vorteil der von uns vorgeschlagenen Reform, dass sie vollkommen die Kreditklemme eliminiert, welche auf jeden Aufschwung folgt und eines der klarsten Anzeichen der Wirtschaftskrisen ist, welche unsere Volkswirtschaften wiederholt erfassen. Die weltweite Goldmenge ist unveränderlich und ist über Jahrhunderte der Zivilisation angehäuft worden. Damit ist es unvorstellbar, dass die Goldmenge in der Zukunft sich plötzlich verringert. Eine der hervorragendsten Eigenschaften von Gold und vielleicht die einflussreichste bei der evolutionären Vorherrschaft von Gold als Geld par excellence ist seine Homogenität und Unveränderlichkeit während der Jahrhunderte. Somit ist der Hauptvorteil des vorgeschlagenen System, dass es die plötzlichen Verringerungen im Kreditvolumen und damit der zirkulierenden Geldmenge ausschließen würde, welche bis heute wiederholt in den „elastischen“ Geld- und Kreditsystemen, welche in der Welt vorherrschen, vorkommen. Kurzum würde ein reiner Goldstandard mit einer 100-prozentigen Reservepflicht eine Deflation verstanden als ein Rückgang der zirkulierenden Geld- oder Kreditmenge verhindern würde.52
51 Mises bringt in dem für den Völkerbund vorbereiteten Memorandum, welches wir an früherer Stelle in diesem Kapitel erwähnt haben, die obigen Ideen brillant auf den Punkt: [I]f all expansion of credit by the banks had been effectively precluded, the world would have had a monetary system in which—even apart from the discoveries of gold in California, Australia, and South Africa—prices would have shown a general tendency to fall. The majority of our contemporaries will find a sufficient ground for regarding such a monetary system as bad in itself, since they are wedded to the belief that good business and high prices are one and the same thing. But that is prejudice. If we had had slowly falling prices for eighty years or more, we would have become accustomed to look for improvements in the standard of living and increases in real income through falling prices with stable or falling money income, rather than through increases in money income. At any rate, a solution to the difficult problem of reforming our monetary and credit system must not be rejected offhand merely for the reason that it involves a continuous fall in the price level. Above all, we must not allow ourselves to be influenced by the evil consequences of the recent rapid fall in prices. A slow and steady decline of prices cannot in any sense be compared with what is happening under the present system: namely, sudden and big rises in the price level, followed by equally sudden and sharp falls. (Mises, Money, Method, and the Market Process, S. 90–91; Hervorhebung hinzugefügt) 52 Wir müssen daran erinnern, dass die Geldmenge während der Großen Depression von 1929 um 30 Prozent zurück ging. Eine Kontraktion dieser Art wäre mit einem reinen Goldstandard und einer 100-prozentigen Reservepflicht unmöglich, da das von uns vorgeschlagene Geldsystem in Hinblick auf Kontraktionen unelastisch ist. Mithin wäre es in unserem Modell nicht zu der monetären Kontraktion, welche viele fälschlicherweise für den Hauptgrund für die Große Depression halten, gekommen. Gleichzeitig ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Kombination eines reinen Goldstandard und eine 100-prozentigen Reservepflicht jemals zu einem inflationären Preisanstieg führt. Vgl. Mark Skousen, Economics on Trial: Lies, Myths and Realities (Homewood, Ill.: Business One Irwin, 1991), S. 133– 38. In der Tat ist die Gesamtgoldmenge in keinem Jahr von 1492 bis heute mehr als 5 Prozent gestiegen und der durchschnittliche Anstieg lag, wie wir bereits erwähnt haben, zwischen einem und drei Prozent pro Jahr.
5.
Das vorgeschlagene System würde der fieberartigen Finanzspekulation und ihren
abträglichen Folgen ein Ende setzen. Wir können die Geldschaffung der Banken mittels Kreditausweitung mit der Öffnung der Büchse von Pandorra vergleichen. Um sie wieder zu verschließen, müssen wir alle Anreize eliminieren, die Individuen in Versuchung bringen sich in allerlei Arten skrupellosen, betrügerischen Verhalten zu ergehen. Derartige Anreize können äußerst schädlich sein, da sie die etablierten Spar- und Arbeitsgewohnheiten -das heißt, die Gewohnheit beständige, ehrliche, verantwortliche und langfristige wirtschaftliche Anstrengungen zu unternehmen – nachhaltig korrumpieren.53 Weiterhin würden auch wilde Aktienmarktspekulationen vereitelt und Übernahmeangebote, welche von sich aus harmlos sind, würden nur abgegeben werden, wenn es dafür echte, objektive ökonomische Gründe geben würde. Sie wären nicht lediglich die Folge der großen Leichtigkeit mit der auf Grund der ex nihilo Kreditausweitung des Bankensektors externe Finanzierung erlangt werden kann. In Maurice Allais Worten: Übernahmeangebote sind im Wesenlichen zweckdienlich, jedoch sollte die Gesetzgebung, die diese Angebote regeln, überarbeitet werden. Es sollte nicht möglich sein, wie es in den Vereinigten Staaten passiert, sie mittels ex nihilo von dem Bankensystem geschaffenen Zahlungsmitteln oder neu emittierten Risikoanleihen zu finanzieren.54 Im Markt schafft das ausgeweitete von Ersparnissen nicht gedeckte Darlehensangebot seine eigene Nachfrage, welche sich oft in skrupellosen Wirtschaftssubjekten verkörpert, deren einzige Intention die Erzielung kurzfristiger Gewinne durch die enormen Vorteile ist, welche sie zum Nachteil aller anderen Bürger daraus ziehen, dass sie die neu geschaffenen Zahlungsmittel vor allen anderen benutzen. 6.
Das vorgeschlagene System reduziert die wirtschaftlichen Funktionen des Staates auf ein
Minimum und erlaubt im Besonderen die Abschaffung der Zentralbank. Das von uns empfohlene System würde die Notwendigkeit der Federal Reserve, der Europäischen Zentralbank, der Bank von England, der Bank von Japan und im Allgemeinen jeder Behörde, Zentralbank, und offiziellen, öffentlichen oder staatlichen Institution mit dem Notenemissionsmonopol, sowie einer staatlichen Geldplanungsbehörde zur Kontrolle und Leitung des Geld- und Finanzsystem jeden Landes eliminieren. Sogar gewisse ausgezeichnete Politiker wie Andrew Jackson, amerikanischer 53 In den genauen Worten von Maurive Allais, “spéculation, frénétique et fébrile, est permise, alimentée et amplifiée par le crédit tel qui fonctionne actuellement.” Maurice Allais, “Les conditions monétaires d’une économie de marchés,” S. 326. Vielleicht gibt es keine präzisere und elegantere Art sich auf das zu beziehen, was man in Spanien seit ein paar Jahren „la cultura del pelotazo“ [die Kultur des schnellen Reichtums] genannt hat. Dieser Trend ist unzweifelhaft durch die unkontrollierte Kreditausweitung durch das Finanzsystem ermöglicht und genährt worden. 54 Allais, “Les conditions monétaires d’une économie de marchés,” S. 347. Der Originaltext liest sich wie folgt: Les offres publiques d’achat sont fondamentalement utiles, mais la législation les concernant doit être réformée. Il n’est pas souhaitable qu’elles puissent être financées par des moyens de paiement créés ex nihilo par le système bancaire, ou par l’émission des junk bonds, comme c’est le cas aux États-Unis.
Präsident im neunzehnten Jahrhundert, verstanden diese Idee vollkommen und widersetzten sich, motiviert von dieser Idee auf Schärfste der Einrichtung einer Zentralbank. Unglücklicherweise war ihr Einfluss nicht stark genug, um die Kreation des gegenwärtigen zentralen Planungssystems im Bank- und Finanzsektor zu verhindern. Sie vermochten auch nicht die abträglichen Effekte dieses Systems in der Gegenwart und der Vergangenheit von unsere Volkswirtschaften abzuwenden.55 Außerdem werden, wie es die Public Choice Schule zeigt, privilegierte Interessengruppen und Politik dazu tendieren, jedes Umlaufsmittelsystem basierend auf dem staatlichen Monopol der Geldausgabe auszubeuten. In der Tat sehen sich die Politiker der unwiderstehlichen Versuchung ausgesetzt zu versuchen Stimmen mit aus dem Nichts geschaffenen Geldern zu kaufen. Diese Verlockung wird unter anderen von den Theoretikern des „politischen Konjunkturzyklus“ analysiert.56 Weiterhin erlaubt die Möglichkeit der Geld- und Kreditausweitung den Politikern ihre Ausgaben zu finanzieren ohne auf Steuern zurückgreifen zu müssen, die immer unpopulär und schmerzhaft sind. Gleichzeitig arbeitet bei dieser Option der Rückgang der Kaufkraft des Geldes zu Gunsten der Politiker, da die Einkommensteuer normalerweise progressiv ist. Aus diesen Gründen ist es besonders wichtig, dass wir ein Geldsystem finden, welche wie das hier vorgeschlagene die Einstellung der Staatseingriffe auf dem Gebiet des Geldes und der Finanzen erlaubt. Mises fasst dieses Argument recht gut zusammen: The reason for using a commodity money is precisely to prevent political influence from affecting directly the value of the monetary unit. Gold is the standard money . . . primarily because an increase or decrease in the available quantity is independent of the orders issued by political authorities. The distinctive feature of the gold standard is that it makes changes in the quantity of money dependent on the profitability of gold production.57 Wir sehen daher, dass die Institution eines reinen Goldstandards mit einer 100-prozentigen Reservepflicht durch die von Abermillionen Wirtschaftssubjekten im Markt getroffenen Entscheidungen in einem langen evolutionären Prozess entstanden ist und diese Institution die lebenswichtige Gelegenheit gewährt, der Tendenz aller Regierungen Einhalt zu gebieten, sich in das 55 Wir sollten daher besonders kritisch mit jenen Autoren sein, welche wie Alan Reynolds, Arthur B. Laffer, Marc A. Miles und andere versuchen, einen Pseudogoldstandard einzuführen, in dem die Zentralbank weiterhin eine führende Rolle bei der Geld- und Kreditpolitik einnimmt, aber mit einer Referenz zum Gold. Friedman hat diesen Pseudogoldstandard angemessen als “a system in which, instead of gold being money, gold was a commodity whose price was fixed by governments” bezeichnet. (Vgl. Friedman, “Has Gold Lost its Monetary Role?” S. 36). Die Vorschläge von Laffer und Miles sind in ihrem Buch, International Economics in an Integrated World (Oakland, N.J.: Scott and Foresman, 1982). Eine kurze, brillante Kritik dieser Vorschläge findet sich in Salerno, “Gold Standards: True and False,” S. 258–61. 56 Vgl. beispielsweise Kapitel 5 (“Ciclo Político-Económico”) von Juan Francisco Corona Ramón’s Buch, Una introducción a la teoría de la decisión pública (Public Choice) Alcalá de Henares (Madrid: Instituto Nacional de Administración Pública, 1987), S. 116–42, und die darin zu findende Bibliographie. Es sei zudem an die Referenzen in Fußnote 57 von Kapitel 6 erinnert. 57 Mises, On the Manipulation of Money and Credit, S. 22; Hervorhebung hinzugefügt.
Geld- und Kreditsystem einzumischen und es zu manipulieren.58 7.
Das vorgeschlagene System ist das mit der Demokratie verträglichste. Eines der
Schlüsselprinzipien der Demokratie ist es, dass die Finanzierung der staatlichen Aktivitäten Bestandteil der Diskussion und des expliziten Entscheidungsfindungsprozesses der politischen Repräsentanten sein muss. Das gegenwärtige Monopol der Geldemission, welches eine staatliche Behörde und ein Bankensystem, welches mit einer Teildeckung operiert, erlaubt die ex nihilo Geldschaffung, welche den Staat und gewisse Individuen und Unternehmen zum Nachteil des Restes der Gesellschaft begünstigt. Diese Möglichkeit wird in erster Linie von der Regierung ausgenutzt, welche diese Option als Mechanismus zur Finanzierung ihrer Ausgaben nutzt, ohne dass sie die offensichtlichste und politisch am kostenträchtigste Route, eine Steuererhöhung, beschreiten müsste. Obgleich die Regierungen versuchen, diesen Finanzierungsmechanismus zu verheimlichen, in dem sie rhetorisch geschickt fordern, dass der Haushalt auf „konservative“ Weise finanziert werden sollte und dass das Defizit nicht direkt durch die Emission der Währung und Krediten aufgebracht werden sollte, ist in der Praxis das Ergebnis sehr ähnlich, wenn ein signifikanter Teil der Staatsanleihen, welche die Regierungen zur Finanzierung ihrer Defizite emittieren später von den Zentral- und Privatbanken mit dem neuen Geld erworben werden, welches diese selbst geschaffen haben (ein indirekter Prozess der Monetisierung der Staatsschulden). Weiterhin sollten wir betonen, dass die versteckte Enteignung des Vermögens der Bürger, -eine Vorgang, welchen der Prozess der Umlaufsmittelinflation ermöglicht- nicht nur die Regierungen begünstigt, sondern auch die Bankiers selbst. Weil die Bankiers mit einer Teildeckung operieren und die Regierungen sie nicht dazu zwingen, die gesamte Kreditausweitung zur Finanzierung des öffentlichen Sektors (durch den Kauf von Staatsanleihen) zu verwenden, führen in der Tat auch die Bankiers eine graduelle, diffuse Enteignung eines Großteils der Kaufkraft der Geldeinheiten der Bürger aus. Dabei reflektieren die Bankbilanzen die Anhäufung von beträchtlichen Vermögenswerten, welche das kumulative Ergebnis dieses historischen Enteignungsprozesses ist. In diesem Sinne müssen die Proteste der Bankiers dagegen, dass sie einen so großen Anteil ihrer Aktiva zur Finanzierung der Staatsdefizit verwenden müssen, als ein Standpunkt in einem Disput zwischen zwei „Komplizen“ in dem sozial schädlichen 58 Mises, The Theory of Money and Credit, S. 455. Dort lesen wir: Thus the sound-money principle has two aspects. It is affirmative in approving the market’s choice of a commonly used medium of exchange. It is negative in obstructing the government’s propensity to meddle with the currency system. Mithin erachten wir unseren Vorschlag dem der Schule des „Monetären Konstitutionalismus“ als weit überlegen. Die Anhänger dieser Schule versuchen die gegenwärtigen Fragen durch die Einführung von konstitutionellen Regeln für das Geldmengenwachstum und die Bank- und Finanzmärkte zu lösen. Ein monetärer Konstitutionalismus wäre im Kontext eines reinen Goldstandards und einer 100-prozentigen Reservepflicht nicht notwendig. Außerdem würde er nicht die Versuchung der Politiker zügeln, den Kredit und das Geld zu manipulieren.
Kreditausweitungsprozess verstanden werden. Diese Komplizen „verhandeln“ mit einander, welcher Anteil der „Gewinne“ an jeden abfällt. Im Gegensatz zum obigen System würde ein reiner Goldstandard mit einer 100-prozentigen Reservepflicht die Staaten dazu zwingen, in Gänze ihre Ausgaben und Einkommensquellen offen zu legen. Dies würde sie davon abhalten, auf die heimliche Finanzierung verfügbar durch Inflation und Kreditausweitung zurückzugreifen. Weiterhin würde ein solches System die privaten Bankiers daran hindern, von einem Großteil dieser „Inflationssteuer“ zu profitieren. Maurice Allais hat eine mehr als klare Einschätzung dieses Punktes gemacht. Er schreibt: Gegeben, dass jede Geldschaffung die gleichen Effekte wie eine echte Steuer ausübt, die allen jenen auferlegt wird, deren Einkommen durch den Preisanstieg gemindert wird, der unweigerlich der Emission neuen Geldes folgt, sollte der Gewinn, der damit gemacht wird und in der Tat beträchtlich ist, dem Staat zurückgegeben werden und damit es ihm erlauben, die Gesamtmenge seiner Steuern zu reduzieren.59 Nichtsdestoweniger schlagen wir eine viel günstigere Option vor: der Staat sollte seine Geldausgabemacht aufgeben und damit die Auflage akzeptieren, sich auf Steuern bei der Finanzierung all seiner Ausgaben zu stützen, was er mit vollkommener Transparenz tun müsste. Als eine Folge des Obigen würden die Bürger direkt die gesamten involvierten Kosten wahrnehmen und würden daher ausreichend motiviert sein, alle staatlichen Stellen der notwendigen Überwachung zu unterziehen. 8.
Das vorgeschlagene System fördert die friedliche, harmonische Kooperation der Nationen.
Eine Analyse der Geschichte der militärischen Konflikte der letzten zwei Jahrhunderte enthüllt deutlich, dass viele Kriege, welche die Menschheit verheerten, gänzlich hätten verhindert werden können oder viel weniger bösartig gewesen wären, wenn die Staaten nicht ihren Einfluss auf das Geld ausgedehnt hätten und letztlich die Kreditausweitung und die Geldschaffung kontrolliert hätten. In der Tat haben die Staaten die wahren Kosten der militärischen Konflikte vor ihren Bürgern verheimlicht, indem sie diese Kosten zu einem Großteil mit inflationären Maßnahmen finanzierten, welche die Staaten unter dem Vorwand eines militärischen Notfalls vollkommen 59 Comme toute création monétaire équivaut par ses effets à un véritable impôt prélevé sur tous ceux dont les revenus se voient diminués par la hausse des prix qu’elle engendre inévitablement, le profit qui en résulte, considérable à vrai dire, devrait revenir à l’État en lui permettant ainsi de réduire d’autant le montant global de ses impôts. (Allais, “Les conditions monétaires d’une économie de marchés,” S. 331) An der gleichen Stelle identifiziert Allais folgenden Sachverhalt als eines der bemerkenswertesten Paradoxe unserer Zeit: obzwar die Öffentlichkeit sich der ernsten Gefahren bewusst geworden ist, welche der staatliche Gebrauch der Notenpresse impliziert, sind die Bürger weiterhin vollkommen unwissend über die identischen Gefahren, welche das System der Kreditausweitung ungedeckt durch reale Ersparnisse in Form des Teildeckungsbankwesens darstellt. Der Spanier Juan Antonio Gimeno Ullastres hat die steuerlichen Effekte der Inflation studiert. Er erwähnt jedoch leider nicht die Konsequenzen, welche die Kreditausweitung des Teildeckungsbankwesens beinhaltet. Vgl. seinen Aufsatz “Un impuesto llamado inflación,” veröffentlicht in Homenaje a Lucas Beltrán (Madrid: Editorial Moneda y Crédito, 1982), S. 803–23.
ungestraft einsetzten. Mithin können wir getrost behaupten, dass die Inflation Kriege anheizt: Wenn in jedem Falle die Bürger der in dem Kampf engagierten Nationen sich der wahren, implizierten Kosten bewusst gewesen wären, wären die Feindseligkeiten entweder zeitig durch die entsprechenden demokratischen Mechanismen verhindert worden oder die Bürger hätten ihre Regierungen dazu angehalten, eine Lösung auszuhandeln lange bevor die Zerstörung und der Schaden für die Menschheit das immense Ausmaß erreichten, welche sie traurigerweise in der Geschichte erreicht haben. Wir können damit mit Ludwig von Mises schließen: One can say without exaggeration that inflation is an indispensable intellectual means of militarism. Without it, the repercussions of war on welfare would become obvious much more quickly and penetratingly; war-weariness would set in much earlier.60 Gleichzeitig würde die Einrichtung eines reinen Goldstandard mit einer 100-prozentigen Reservepflicht de facto der Einführung eines einzelnen, weltweiten Währungsstandards entsprechen. Es gäbe keinen Notwendigkeit für eine internationale Zentralbank. Es bestünde damit auch kein Risiko, dass eine derartige Bank die weltweite Geld- und Kreditmenge manipuliert. Auf diese Weise würde wir uns aller Vorteile eines einzigen, internationalen Währungsstandards erfreuen, jedoch unter keinem der Nachteile leiden, den zwischenstaatliche Geldbehörden mit sich bringen. Weiterhin würde dieses System nicht den Verdacht eines Souveränitätsverlusts erregen. Alle Nationen und sozialen Gruppen würden sich der Vorteile aus der Existenz einer einzigen Geldeinheit erfreuen, welche niemand beherrschen oder manipulieren würde. Mithin würden ein reiner Goldstandard und eine 100-prozentige Reservepflicht die internationale Wirtschaftsintegration in einem harmonischen juristischen Rahmen zu gegenseitiger Befriedigung fördern. Dieser Rahmen würde den Frieden und den freiwilligen Handel zwischen allen Nationen ermutigen. 4 ANTWORTEN AUF MÖGLICHE EINWÄNDE GEGEN UNSEREN VORSCHLAG ZUR GELDREFORM Obgleich noch keine integrierte, kohärente und systematische Kritik unseres Reformplans für das
60 Ludwig von Mises, Nation, State and Economy: Contributions to the Politics and History of Our Time (New York and London: New York University Press, 1983), S. 163; und auch Nationalökonomie, S. 402. Ersteres ist Leland B. Yeager’s Übersetzung von Mises’s Nation, Staat, und Wirtschaft, welches ursprünglich 1919 auf deutsch veröffentlicht wurde (Wien und Leipzig: Mainzsche Verlagsbuchhandlung, 1919). Zu diesem wichtigen Thema vgl. Joseph T. Salerno, “War and the Money Machine: Concealing the Costs of War Beneath the Veil of Inflation,” chapter 17 of The Costs of War: America’s Pyrrhic Victories, John V. Denson, ed. (New Brunswick und London: Transaction Publishers, 1997), S. 367–87. Nichtsdestoweniger war der erste, der auf die enge Verbindung von Militarismus und Inflation hinwies, wiederum der Pater Juan de Mariana in seinem Buch De Monetae Mutatione, veröffentlicht im Jahr 1609. Vgl. De Monetae Mutatione = Über die Münzverschlechterung, S. 33.
Bankensystem vorgebracht worden ist,61 hat es gewisse isolierte, unsystematische Einwände gegen den Vorschlag ein Bankensystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht einzurichten gegeben. Wir werden diese Herausforderungen nun eine nach der anderen präsentieren und analysieren. 1. „Die Banken würden verschwinden, da sie ihre raison d’être und Haupteinkommensquelle verlieren würden.“ Eine derartige Kritik ist unbegründet. Alles, was die Banken bei der Anwendung einer 100-prozentigen Reservepflicht verlieren würden, ist die Möglichkeit, Darlehen ex nihilo zu schaffen, d.h. Darlehen, welche nicht durch einen Anstieg der freiwilligen Ersparnisse gedeckt sind. Die vorgeschlagene Reform würde es dem Bankensystem unmöglich machen den Kredit und damit die Geldmenge künstlich auszudehnen, und somit wiederkehrende Zyklen von Aufschwung und Rezession auszulösen. Eine signifikante Anzahl von vollkommen legitimen Aktivitäten würden verbleiben, um das Bankgeschäft am Leben zu erhalten. Die Bankiers könnten weiterhin diesen Aktivitäten nachgehen und damit die Bedürfnisse der Konsumenten befriedigen. Eine dieser Aktivitäten ist die wahre Kreditvermittlung, welche darin besteht Gelder, welche zuvor den Banken von ihren Kunden geliehen worden waren (nicht Sichteinlagen) mit einer Zinsdifferenz wieder zu verleihen. Außerdem können Institutionen als Depositenbanken (mit einer 100-prozentigen Reservepflicht) eine sichere Aufbewahrung und Schutz anbieten und den entsprechenden Marktpreis für diese Leistung einfordern. Sie könnten sogar diese Leistung mit anderen peripheren Diensten kombinieren (Zahlungsverkehr, Überweisungen, Buchhaltung der Operationen der Kunden, etc.). Wenn wir dem noch die Aufbewahrung und Verwaltung von Wertpapieren, die Vermietung von Safes, etc., hinzufügen, bekommen wir eine ausreichend gute Idee der umfassenden Bandbreite von legitimen Funktionen, welche die Banken weiterhin erfüllen könnten. Mithin ist der Glaube, dass eine Wiedereinführung einer 100-prozentigen Reservepflicht den Tod für der privaten Banken bedeuten würde, unbegründet. Es gäbe einfach eine Modifikation in ihrer Struktur und ihren Operationen, die zum großen Teil evolutionär und nicht traumatisch von statten ginge. Wir haben bereits die hohe Wahrscheinlichkeit der spontanen Entwicklung eines Bankensystems bestehend aus einem Netzwerk von Investmentsfonds und Unternehmen, welche sich auf die Bereitstellung von Buchhaltungs- und Kassendiensten spezialisieren, erwähnt. Mithin schließen wir mit Ludwig von Mises: It is clear that prohibition of fiduciary media would by no means imply a death sentence for the banking system, as is sometimes asserted. The banks would still retain the business of negotiating 61 “Exhaustive research, however, fails to uncover any published critiques in this regard.” Walter Block, “Fractional Reserve Banking,” S. 31. Leland Yeager’s kurze kritischen Kommentare zu unserem Vorschlag sind bereits in diesem Abschnitt beantwortet worden. Vgl. “The Perils of Base Money,” S. 256–57.
credit, of borrowing for the purpose of lending.62 Kurzum könnten sich die Banken auch weiterhin in einer Vielzahl von Aktivitäten engagieren und damit die Bedürfnisse der Konsumenten befriedigen und im Gegenzug einen legitimen Gewinn erzielen. 2. „Das vorgeschlagene System würde die verfügbare Kreditmenge erheblich mindern, damit die Zinssätze nach oben treiben und die wirtschaftliche Entwicklung behindern.“ Dies ist die am häufigsten vorgebrachte populäre Kritik und sie kommt hauptsächlich von jenen Wirtschaftssubjekten (Geschäftsleuten, Politikern, Journalisten, etc.), welche es sich erlauben, sich hauptsächlich von den äußeren und sichtbarsten Eigenschaften des Wirtschaftssystems beeinflussen zu lassen. Nach diesem Einwand würden, wenn wir die Banken von der ex nihilo Darlehensschaffung abhalten, viele Unternehmen bedeutend größere Schwierigkeiten bei der Beschaffung ihrer Finanzierung haben und damit würde, ceteris paribus, der Zinssatz ansteigen und die wirtschaftliche Entwicklung behindern. Dieser Einwand ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass gegenwärtig die Geschäftsleute aufgrund der Kreditausweitung wenig Schwierigkeiten bei der Sicherung der Finanzierung für beinahe jedes Investitionsprojekt, ganz gleich wie ausgefallen es ist, haben, sofern die Wirtschaft sich in einer Phase befindet, in denen sich die Bankiers nicht davor fürchten, die Kredite auszudehnen. Die Kreditausweitung hat die traditionell mit der „unternehmerischen Kultur“ verbundenen Gewohnheiten verändert. Diese Gewohnheiten ruhten auf einer viel umsichtigeren, verantwortungsvolleren und vorsichtigeren Abwägung vor der Entscheidung, ob ein bestimmtes Investitionsprojekt gestartet wurde oder nicht. In jedem Falle ist es ein schwerer Fehler anzunehmen, dass der Kredit in einem Bankensystem, welches einer 100-prozentigen Reservepflicht unterliegt, verschwindet. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Banken würden weiterhin Gelder verleihen, jedoch nur solche Gelder, die zuvor von den Wirtschaftssubjekten freiwillig gespart wurden. Kurzum würde das vorgeschlagene System garantieren, dass nur das, was gespart worden ist, verliehen wird. Dieses neue Arrangement würde mithin die Koordination zwischen Angebot und Nachfrage von Gegenwarts- und Zukunftsgüter im Markt gewährleisten und folglich die profunden Fehlanpassungen verhindern, welche das gegenwärtige Bankensystem produziert und welche letztlich Wirtschaftskrisen und Rezessionen hervorbringen. Weiterhin ist die Auffassung ein Trugschluss, dass die im gegenwärtigen System geliehenen für Investitionen genutzten Gelder letztlich die freiwilligen Ersparnisse übersteigen können. Wie wir wissen sind die Ersparnisse ex post immer gleich den Investitionen und falls die Banken ex ante Darlehen mittels des Kreditausweitungsprozeses in einem schnelleren Rhythmus gewähren als die freiwilligen Ersparnisse expandieren, werden Unternehmer ganz einfach en masse dazu tendieren, 62 Mises, The Theory of Money and Credit, S. 361.
Fehler zu begehen und die knappen realen Ressourcen, welche die Gesellschaft gespart hat, für überproportionale Investmentprojekte verwenden, welche sie niemals in der Lage sein werden, erfolgreich abzuschließen. Deswegen ist dieser zweite Einwand unbegründet: mit einer 100-prozentigen Reservepflicht würden die Banken weiterhin das verleihen, was gespart worden ist. Jedoch würden die Unternehmer dahin tendieren, die gesparten Gelder auf eine viel umsichtigere, realistischere Weise zu investieren. Falls Unternehmer von Beginn an größere Hindernisse bei der Finanzierung bestimmter unternehmerischer Projekte antreffen würden, würden diese Schwierigkeiten logisch zeigen, dass der Marktmechanismus richtig funktioniert, der einzig in der Lage ist, den Beginn von unrentablen Investitionsprojekten rechtzeitig zu stoppen und damit ihre unkluge und unkoordinierte Entwicklung vermeidet, die gegenwärtig in der Phase des Kreditbooms angestoßen wird. Im Hinblick auf den Zinssatz ist zu sagen, dass es kein Anzeichen dafür gibt, dass er auf lange Sicht im vorgeschlagenen System höher wäre als im gegenwärtigen. In der Tat hängt der Zinssatz letztlich von den subjektiven Wertschätzungen der Wirtschaftssubjekte hinsichtlich der Zeitpräferenz ab. In unserem System würden die Wirtschaftssubjekte nicht von der massiven Verschwendung von Kapitalgütern beeinflusst, welche die wiederkehrenden Wirtschaftsrezessionen begleiten. Weiterhin ist es klar, dass ceteris paribus in einem System wie dem von uns vorgeschlagenen der Zinssatz tendenziell nominal gesehen sehr niedrig sein würde, da die entsprechende Prämie für die erwartete Entwicklung der Kaufkraft des Geldes in den meisten Fällen negativ wäre. Zudem würde die Risikokomponente von der Bedenklichkeit jedes spezifischen Investitionsprojekts abhängen und würde nach einer Periode ohne Wirtschaftsrezessionen tendenziell auch fallen. Wir kommen mithin zu dem Schluss, dass es überhaupt keine theoretische Grundlage für die Annahme gibt, dass der Zinssatz in dem vorgeschlagenen System höher wäre als er jetzt ist. Gerade das Gegenteil wäre der Fall. Es gibt sehr gute Gründe zu glauben, dass sowohl real als auch nominal gesehen die Marktzinssätze niedriger sein würden als jene, an die wir zur Zeit gewöhnt sind.63 Daher würde ein System bestehend aus einem reinen Goldstandard mit einer 100-prozentigen Reservepflicht die wirtschaftliche Entwicklung nicht schwächen. In der Tat würde ein solches System eine stabile, kontinuierliche Entwicklung frei von den manisch depressiven Reaktionen zur Folge haben, an die wir uns unter Schwierigkeiten gewöhnt haben und die unglücklicherweise die regelmäßige Fehlinvestition einer gewaltigen Menge der knappen gesellschaftlichen Ressourcen
63 Wir wollen als Beispiel annehmen, dass die Wirtschaft mit einer durchschnittlichen Rate von ungefähr 3 Prozent pro Jahr wächst und dass die Geldmenge (die weltweite Menge an Gold) 1,5 Prozent wächst. Unter diesen Umständen werden wir eine sehr leichte Deflation von 1,5 Prozent pro Jahr sehen. Falls der reale Marktzinssatz 4 Prozent ist (ein natürlicher Zinssatz von 3 Prozent und eine Risikokomponente von 1 Prozent) wäre der Nominalzinssatz ungefähr 2.5 Prozent pro Jahr. In Fußnote 48 haben wir angenommen, dass die Nominalzinssätze wegen eines Bevölkerungswachstums und des daraus folgenden beständigen niedrigen Anstiegs der Geldnachfrage sogar noch niedriger wären.
zum ernsthaften Nachteile eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und der gesellschaftlichen Harmonie involvieren. 3. „Das vorgeschlagene Modell würde jene bestrafen, welche von dem gegenwärtigen Bank- und Finanzsystem profitieren.“ Es ist bisweilen argumentiert worden, dass das empfohlene System auf ungerechte Weise all jene benachteiligen würde, welche von dem gegenwärtigen Finanz- und Bankensystem profitieren. Unter den Hauptbegünstigten müssen wir in erster Linie die Regierungen nennen, die, wie wir wissen, es bewerkstelligen ihre Ausgaben (direkt und indirekt) mittels Kreditausweitung zu finanzieren ohne die politisch schmerzvolle Maßnahme der Steuererhöhung ergreifen zu müssen. Als nächstes sind die Bankiers selbst zu nennen (die sich die Taschen auf ähnliche Weise wie die Regierungen füllen, jedoch direkt und privat) und auch die Deponenten, wenn sie einen Zins für ihre Depositen erhalten und für eine Reihe von peripheren Dienstleistungen, welche die Banken erbringen, „nichts zahlen“.64 Nichtsdestoweniger berücksichtigen jene, die diesen Einwand äußern, nicht, dass viele der angeblichen „Gewinne“, welche Individuen aus dem Bankensystem ziehen, keine echten Gewinne sind. In der Tat ist es ungenau zu argumentieren, dass Deponenten sich gegenwärtig beträchtlicher Vorteile (in Form von Kassen-, Zahlungs- und Buchhaltungsleistungen) erfreuen, ohne für diese zu zahlen. Denn die Deponenten selbst tragen tatsächlich die vollen Kosten (explizit oder implizit) dieser Vorteile. Im Hinblick auf die explizite Verzinsung, die oftmals für Depositen verfügbar ist, ist zu sagen, dass derartige Zahlungen für gewöhnlich durch den kontinuierlichen Rückgang der Kaufkraft der Geldeinheiten der Deponenten kompensiert werden. In dem vorgeschlagenen System, welches eine 100-prozentige Reservepflicht beinhaltet, würde die Kaufkraft der deponierten Geldeinheiten nicht nur nicht zurückgehen, sondern, wie wir gesehen haben, fortschreitend und beständig wachsen. Dieser enorme Vorteil für alle Bürger wäre bedeutend größer als der angebliche „Vorteil“ des Erhalts einer expliziten Verzinsung, welche kaum für die Abwertung des Geldes kompensiert. Mithin ist heute in den meisten Fällen die Realverzinsung von Depositen (nach Abzug des Kaufkraftrückgangs des Geldes) beinahe Null oder sogar negativ. In einer Gesellschaft mit einer reinen Goldstandard und einer 100-prozentigen Reservepflicht würden alle Bürger durch den fortschreitenden beständigen Kaufkraftanstieg ihrer Geldeinheiten gewinnen. Sie würden Zinsen auf ihre effektiven Ersparnisse erhalten und wären offen und explizit dazu gezwungen, den Marktpreis für die legitimen Bankdienstleistungen zu zahlen, die sie nutzen 64 Unter Wettbewerbsbedingungen erfreuen sich die Eigentümer der teilgedeckten Bankverbindlichkeiten selbst eines Teils der Gewinne in Form von expliziten Zinszahlungen oder gesenkten Bankgebühren oder einer Kombination dieser. (Selgin, “Are Banking Crises a Free-Market Phenomena?” S. 3)
wollen. Das vorgeschlagene System würde daher viel kohärenter als das gegenwärtige Finanz- und Banksystem sein und geradezu sicher den Leuten im Allgemeinen mehr Vorteile bringen.65 Im Hinblick auf das Argument, dass Regierungen und Bankiers nicht in der Lage sein würden, weiterhin von dem gegenwärtigen System zu profitieren, ist dies statt eines Defekts oder eines Motivs zur Kritik an unserem System vielmehr eine positive Folge, welche eine prima facie Rechtfertigung für dieses System bieten würde. In der Tat haben wir oben die große Bedeutung dessen betont, dass Regierung daran gehindert werden, die Inflation und Kreditausweitung zur heimlichen Finanzierung ihrer Ausgaben zu nutzen. Weiterhin brauchen wir nicht die Details der obskuren rechtlichen Basis und der schädlichen Wirkungen zu wiederholen, welche die Macht der privaten Banken zur Darlehens- und Depositenemission mit sich bringt. 4.
„Eine 100-prozentige Reservepflicht stellt einen staatlichen Eingriff dar und gefährdet die
Vertragsfreiheit der Parteien.“ Moderne Vertreter der Neobanking-Schule, welche ein teilgedecktes Bankfreiheitssystem verteidigen argumentieren oft, dass es aus „libertärer“ Sicht unakzeptabel ist, die Vertragsfreiheit der Parteien zu begrenzen. Im Besonderen sei es unakzeptable die Fähigkeit der Deponenten zu limitieren, aus freien Stücken mit ihren Bankiers Verträge abzuschließen, bei denen erstere einwilligen, Sichteinlagenkonten zu eröffnen, bei denen nur eine Teildeckung aufrecht erhalten wird. In den ersten drei Kapiteln sahen wir, dass eine 100-prozentige Reservepflicht für Sichteinlagen ganz und gar nicht einen nicht ertragbaren Regierungseingriff („Gesetzgebung durch Befehle“ in der Hayekschen Terminologie) darstellt. Stattdessen repräsentiert diese Pflicht lediglich die natürliche Anwendung der Prinzipien des traditionellen Eigentumsrechts auf den irregulären Gelddepositenvertrag („materielles Recht“ in der Hayekschen Terminologie).66 Weiterhin sind eine freiwillige Entscheidung beider Parteien den Vertrag abzuschließen und das vollständige Wissen des Vertragszwecks (was im Übrigen im gegenwärtigen Finanz- und Banksystem nicht der Fall ist) 65 Il n’y a pas lieu de rendre gratuitement des services qui en tout état de cause ont un coût qu’il faut bien supporter. Si un déposant est affranchi des frais relatifs à la tenue de son compte, la banque doit les supporter. Dans la situation actuelle elle peut le faire, car elle bénéficie des profits correspondants à la création de monnaie par le mécanisme du crédit. Qui en supporte réellement le coût?: l’ensemble des consommateurs pénalisés par la hausse des prix entraînée par l’accroissement de la masse monétaire. (Allais, “Les conditions monétaires d’une économie de marchés,” S. 351) 66 [T]he free market does not mean freedom to commit fraud or any other form of theft. Quite the contrary. The criticism may be obviated by imposing a 100-percent reserve requirement, not as an arbitrary administrative fiat of the government, but as a part of the general legal defense of property against fraud. (Rothbard, Man, Economy, and State, S. 709) Wie Jevons schrieb: Es sollte als eine allgemeine gesetzliche Regel festetehen, dass jede Gewährung oder Verschreibung von nicht wirklich vorhandenen Werthen ohne Wirkung sei. Obwohl diese Regel im allgemeinen nicht beachtet wird, so gibt es doch viele Fälle, in welchen ihre Ausführung von grossem Vortheil sein würde. Jevons, Geld und Geldverkehr, S. 215 [Saarbrücken: Verlag Dr Müller, 2006] Im englischen Original liest sich die Stelle ähnlich: “It used to be held as a general rule of law, that any present grant or assignment of goods not in existence is without operation.” ( Jevons, Money and the Mechanism of Exchange, S. 211–12) Diese allgemeine Regel müsste lediglich wiederbelebt werden und durchgesetzt werden, sodass alle Umlaufsmittel verboten werden. Dann könnte das Bankwesen vollkommen frei gelassen werden und es würde sich nicht von einer 100-prozentigen Reservedeckung entfernen.
notwendige Bedingungen für die Rechtmäßigkeit einer Operation. Sie sind jedoch alleine in keiner Weise hinreichend um nach den traditionellen Rechtsprinzipien die Rechtmäßigkeit zu gewährleisten. In der Tat ist der Vertrag, wenn dritte Parteien als Folge Schaden erleiden, illegitim, Null und nicht, da er die öffentliche Ordnung stört.67 Der in diesem Buch vorgestellten Analyse zu Folge ist es gerade dieses Fehlen von Rechtmäßigkeit, welche auf das Teildeckungsbankwesen zu trifft. Diese Praxis führt nicht nur zur Schaffung neuer Zahlungsmittel zum Schaden aller Bürger, die zusehen wie die Kaufkraft ihrer Geldeinheiten sinkt;68 sie täuscht auch im großen Stil die Unternehmer, indem sie diese dazu veranlasst, an einem Ort und einem Zeitpunkt zu investieren, an dem sie dies nicht tun sollten und verursacht wiederkehrende Aufschwungs- und Rezessionszyklen mit sehr hohen menschlichen, wirtschaftlichen und sozialen Kosten. Schließlich müssen wir dem oft gehörten Argument begegnen69, welches sich um die Behauptung dreht, dass Wirtschaftssubjekte nicht freiwillig ein Bankensystem, welches auf einer 100prozentigen Reservepflicht beruht, etablieren wollen, und dass ihre Abneigung durch die Tatsache belegt ist, dass sie heut zu Tage frei ein ähnliches Arrangement, wie die Benutzung der von Banken auf dem Markt vermieteten Tresorfächer, treffen könnten, jedoch dies nicht tun. Diesem Argument ist zu entgegnen, dass die Dienstleistung der Vermietung eines Tresorfaches in keiner Weise dem Vertrag des Depositum irregulare nahe stehe, der für vertretbare Güter wie Geld gilt. Vielmehr steht diese Dienstleistung mit einem typischen regulären Depositenvertrag für spezifische Güter in Verbindung. Weiterhin könnte das Geschäft mit den Tresorfächern, welches für die Kunden Kosten bedeutet und in ihrer subjektiven Sicht nicht die gleichen Leistungen wie ein monetärer 67 Ebenso wäre ein freier und freiwilliger „Vertrag“, bei dem beide Parteien übereinstimmen, dass eine die andere für die Ermordung einer dritten Partei bezahlt, nichtig, da er die öffentliche Ordnung stören würde und dritten Parteien zum Nachteil gereichen würde. Der Vertrag wäre sogar in Abwesenheit von Täuschung oder Betrug Null und nichtig; sogar wenn beide Parteien vorsätzlich und mit vollständigen Wissen über seine Natur den Vertrag eingegangen sind. 68 Wir beziehen uns hier nicht auf einem absoluten Rückgang der Kaufkraft, sondern einen relativen. Der Rückgang ist relativ zu dem Anstieg, welchen die Kaufkraft des Geld in einem Bankensystem mit einer 100-prozentigen Reservedeckung erfahren hätte. Außerdem sind die wirtschaftlichen Konsequenzen der gegenwärtigen Bankpraktiken in dieser Hinsicht identisch mit denen der Geldfälschung, eine Aktivität, bei der alle übereinstimmen, dass sie als Bruch der öffentlichen Ordnung bestraft werden sollte, selbst wenn es unmöglich ist, ihre Opfer zu identifizieren. 69 Juan José Toribio Dávila benutzt dieses kritische Argument unter anderem in seinem Aufsatz, “Problemas Éticos en los Mercados Financieros,” welchen er auf dem Encuentros sobre la dimensión ética de las instituciones y mercados financieros, der in Madrid unter dem Patronat der Fundación BBV im Juni 1994 statt fand, präsentiert. Weiterhin argumentiert Toribio Dávila, dass eine stabile Geldpolitik mit jeder beliebigen Reservedeckung erreicht werden könnte. Er berücksichtigt dabei nicht die Gründe für die theoretische Unmöglichkeit der Planwirtschaft im Allgemeinen und ihre Anwendung auf den Finanzsektor im Besonderen. Diese Gründe sind für die Unfähigkeit und das fehlende Verlangen der Zentralbanker verantwortlich, adäquat die Geldnachfrage zu berechnen und das Angebot zu kontrollieren, welches angeblich der Nachfrage entsprechen sollte. Weiterhin übersieht Toribio Dávila die stark verzerrenden Effekte, welche ein jedes Geldmengenwachstum in Form von Kreditausweitung (d.h. von realen Ersparnisse ungedeckt) auf die Produktionsstruktur ausübt. Schließlich besteht eine klare Verbindung zwischen einer 100-prozentigen Reservepflicht und der Ethik der Tätigkeiten der Finanzinstitutionen. In der Tat ist diese Verbindung nicht nur in der Menge von ethisch unverantwortlichem Verhalten evident, welches für die fieberartige von der Kreditausweitung hervorgerufene Spekulation charakteristisch ist, sondern auch in der Verletzung des ethischen Prinzips, welches die Aufrechterhaltung einer 100-prozentigen Reservepflicht für monetäre Sichteinlagenverträge fordert.
Bankdepositenvertrag erbringt, niemals wirklich zu gleichen Bedingungen mit dem gegenwärtigen teilgedeckten Depositensystem konkurrieren. In der Tat zahlen Banken gemeinhin für Depositen heut zu Tage Zinsen (was auf die unangemessene Nutzung hindeutet). Zudem offerieren Banken wertvolle Leistungen, ohne explizit Kosten in Rechnung zu stellen. Dies macht es freiwilligen Depositenverträgen mit einer 100-prozentigen Reserve unmöglich zu konkurrieren und zu prosperieren, vor allem in einem inflationsgeplagten Umfeld, in dem die Kaufkraft des Geldes kontinuierlich fällt. Ein sehr ähnliches Gegenargument wird angewandt, wenn es um öffentliche Güter geht, die offenbar keine direkten Kosten für den Konsumenten hätten. Es ist offenkundig in einer freien Marktwirtschaft sehr schwierig, dass irgendein privates Unternehmen, welches die gleichen Leistungen zu Marktpreisen anzubieten plant, prosperiert, weil es einen unfairen, privilegierten Wettbewerb von den Staatsinstitutionen gibt. Diese Institutionen offerieren den Bürgern „kostenlose“ Vorteile und generieren hohe Verluste, welche wir alle letztlich mit unseren Steuern über den Staatshaushalt decken.70 5. „Finanzinnovationen“ werden unweigerlich die Wiederauferstehung des Teildeckungsbankwesens anstoßen. Nach diesem Argument wird keine rechtliche Vorkehrung zum Verbot des Teildeckungsbankwesens und damit zur Etablierung einer 100-prozentigen Reservepflicht für Sichteinlagen ausreichend sein; derartige Maßnahmen werden letztlich immer durch neue Geschäftsformen und „Finanzinnovationen“ umgangen. Dies mag mit oder ohne Gesetzesumgehung geschehen und wird tendenziell das gleiche Ergebnis erreichen wie das Teildeckungsbankwesen. Mithin hat sogar Hayek bereits 1937 versichert: It has been well remarked by the most critical among the originators of the scheme that banking is a pervasive phenomenon and the question is whether, when we prevent it from appearing in its traditional form, we will not just drive it into other and less easily controllable forms.71 Hayek zitiert die Peelsche Bankakte von 1844 als den bemerkenswertesten Präzedenzfall. Weil jene, die das Gesetz einführten, es versäumten eine 100-prozentige Reservepflicht für Depositen vorzuschreiben, geschah die monetäre Expansion von diesem Zeitpunkt an hauptsächlich in der
70 Weiterhin hat Hülsmann erklärt, dass [T]he confusion between monetary titles and fractional-reserve IOUs brings into operation what is commonly known as Gresham’s Law. Imagine a potential bank customer who is offered two types of deposits with a bank. He believes that both deposits deliver exactly the same services. The only difference is that he has to pay for the first type of deposit, whereas he does not have to pay—or even receives payment—for the second type of deposit. Clearly he will choose not to be charitable to his banker and will subscribe to a deposit of the second type. When genuine money titles and fractional-reserve IOUs are confused, therefore, the latter will drive the former out of the market. (Hülsmann, “Has Fractional-Reserve Banking Really Passed the Market Test?” S. 399–422; das Zitat ist auf S. 408– 09) 71 Hayek, Monetary Nationalism and International Stability, S. 82. Zum gleichen Theme siehe Simons, “Rules versus Authority in Monetary Policy,” S. 17.
Form von Depositen anstatt in der Form von Banknoten.72 Zunächst muss gesagt werden, dass, selbst wenn dieser Einwand gerechtfertigt wäre, er noch nicht einmal ansatzweise ein Argument gegen den Versuch das ideale Ziel zu erreichen, darstellen würde. Dieses Ziel besteht in der angemessenen Definition und Verteidigung der traditionellen Prinzipien des Eigentumsrechts in Bezug auf die Sichteinlagen. In der Tat sehen wir in vielen Kontexten, z.b. bei kriminellen Aktivitäten, dass, obgleich aus technischer Sicht es oft sehr schwierig ist, die korrespondierenden traditionellen Rechtsprinzipien anzuwenden und zu verteidigen, dennoch eine kompromisslose Anstrengung gemacht werden sollte, den rechtlichen Rahmen angemessen zu definieren und zu verteidigen.73 Weiterhin ist das Teildeckungsbankwesen im Gegensatz zur Ansicht einiger Beobachtern nicht so „allgegenwärtig“, dass es unmöglich wäre, es in der Praxis zu bekämpfen. Es stimmt, dass wir in diesem Buch verschiedenen rechtliche Formen von Geschäften betrachtet haben, welche als eine Gesetzesumgehung ersonnen wurden, um einen monetären Bankdepositenvertrag als einen anderen Vertrag zu maskieren. Wir haben die Pensionsgeschäfte mit einem Rückkauf zu ihrem Nominalwert; die verschiedenen Transaktionen mit „amerikanischen Putoptionen“; sogenannte „Termineinlagen“, welche in der Praxis als echte Sichteinlagen fungieren; und Sichteinlagen, welche durch die vollkommen unverwandte Institution der Lebensversicherung verkörpert werden, angesprochen. Die spezifischen Kombinationen der rechtlichen Formen dieser Geschäft sowie jede ähnlich Form oder Kombination, welche sich in der Zukunft entwickeln mag, sind einfach unter dem Zivilrecht und Strafrecht zu identifizieren und klassifizieren; genauso wie wir es im zweiten Abschnitt dieses Kapitel (Fußnote 40) vorgeschlagen haben. Denn es ist jedem unparteiischen Richter oder Beobachter relativ einfach zu festzustellen, ob das Wesen einer Operation, die jederzeitige Abhebung der ursprünglich deponierten Gelder ermöglicht und ob aus subjektiver Sicht 72 Wir können uns jedoch vorstellen, wie verschieden die Wirtschaftsgeschichte der letzten 150 Jahr gewesen wäre, wenn die Peelsche Bankakte es nicht versäumt hätte, eine 100-prozentige Reservepflicht auch für Depositen vorzuschreiben! Im Übrigen hat Hayek argumentiert, dass es unmöglich ist, die verschiedenen Instrumente, welche Gold als allgemein akzeptiertes Tauschmittel repräsentieren könnten, genau zu trennen. Es würde mithin nur ein „Kontinuum“ von verschiedenen Liquiditätsgraden geben, was die Herausforderung noch komplizieren würde, zu bestimmen, wann die von uns hier verteidigten traditionellen Rechtsprinzipien aufrecht erhalten werden und wann nicht. Wir erachten Hayek´s Argument jedoch nicht als stichhaltig. Wie Menger schreibt, ist es immer in der Praxis unmöglich, adäquat zwischen Geld und allen anderen hoch liquiden Instrumenten zu unterscheiden, welche, nichtsdestoweniger, nicht unmittelbare und allgemein akzeptierte Tauschmittel darstellten. Der Unterschied zwischen diesen beiden Güterarten liegt in der Tatsache, dass Geld nicht nur ein sehr liquides Instrument ist; es ist das einzige vollkommen liquide Gut. Mithin sind die Leute bereit es nachzufragen, selbst wenn sie keine Zinsen für sein Halten bekommen, während die Besitzer anderer, grenzwertiger Instrumente, denen es an perfekter Liquidität fehlt, Zinsen für das Halten dieser Instrumente verlangen. Der grundlegende Unterschied zwischen Geld und anderen peripheren „Mitteln“ besteht in der Existenz der perfekten Liquidität. Das Kriterium lautet also, ob eine perfekte, unmittelbare Verfügbarkeit besteht, oder nicht. Gerald P. O`Driscoll bespricht diesen Punkt ausführlich in seinem Aufsatz, „Money: Menger´s Evolutionary Theory,“ S. 601-16. 73 Beispielsweise ist es gewiss möglich, mittels eines hoch entwickelten Gifts einen Mord zu begehen, der keine Spuren hinterlässt und die Beweissammlung hinsichtlich der wahren Ursache und der Natur der Ermordung schwer behindert. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass Mord eine Verletzung der fundamentalen Rechtsprinzipien ist und dass alle möglichen Anstrengungen, die notwendig sind, um diese Art von Verhalten zu verhindern und zu bestrafen, unternommen werden sollten.
das menschliche Verhalten zeigt, dass die Leute gewisse Forderungen als Geld betrachten, d.h. als ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel, welches zu jeder Zeit vollkommen verfügbar, d.h. liquide, ist. Außerdem hat die Kreation neuer Geschäfts- und „Vertragsarten“ mit dem Ziel die grundlegenden Rechtsprinzipien zu umgehen, welche das Bankwesen regeln sollten, in einem Umfeld statt gefunden, in dem die Wirtschaftssubjekte nicht in der Lage waren zu erkennen, in welchem Grade diese „Neuheiten“ illegitim sind und der Wirtschaft und Gesellschaft großen Schaden zu fügen. Wenn von jetzt an die juristischen und öffentlichen Instanzen die von uns in diesem Buch analysierten Angelegenheiten klar identifizieren, wird es weitaus einfacher sein, abweichendes Verhalten, welches im Finanzsektor auftauchen mag, zu bekämpfen. Es überrascht nicht, dass die Peelsche Bankakt von 1844 von einer überproportionalen Expansion der Bankdepositen gefolgt wurde, denn zu dieser Zeit hatten die Ökonomen noch nicht die absolute Äquivalenz von Bankdepositen und Banknoten in Hinblick auf ihre Wesen und ihre Effekte etabliert. Die Peelsche Bankakte verfehlte ihr Ziel nicht wegen der „allgegenwärtigen“ Natur des Teildeckungsbankwesens, sondern gerade wegen des menschlichen Fehlers, nicht zu realisieren, dass Banknoten und Depositen dieselbe Natur haben und dieselben ökonomischen Folgen haben. Im Gegensatz dazu hat die heutige Wirtschaftstheorie die Richter mit analytischen Werkzeugen von unschätzbaren Wert ausgestattet. Diese Werkzeuge lenken sie in Richtung der richtigen Identifikation von kriminellen Verhalten und der Verkündung von fairen und abgewogenen Gerichtsurteilen bei allen „fragwürdigen“ Fällen, die in der Praxis aufkommen mögen. Schließlich müssen wir ein paar wichtige Klarstellung im Hinblick auf den Begriff „Innovation“ auf dem Finanzmarkt und die technologischen und unternehmerischen Innovationen, welche im Industrie- und Handelssektor eingeführt werden, abgeben. Während jede erfolgreich im Handel und der Industrie eingeführte Innovation von Beginn an begrüßt werden sollte, da diese Veränderungen tendenziell die Produktivität erhöhen und die Bedürfnisse der Konsumenten besser befriedigen, sollten „Innovationen“ im Finanzsektor, dessen Aktivitäten immer in einem unveränderlichen Rahmen von stabilen, vorhersehbaren Rechtsprinzipien stattfinden sollten, zunächst mit Argwohn betrachtet werden. In der Tat mögen technologische und unternehmerische Innovationen im Bereich des Bank- und Finanzwesens als positiv betrachtet werden, wenn sie beispielsweise im Einsatz von neuer Computer- und Softwareausrüstung, neuen Vertriebskanälen, etc., bestehen. Wenn jedoch die „Innovationen“ direkt die grundlegenden Rechtsprinzipien in ihrer Rolle eines unverletzlichen Rahmens für das Funktionieren des gesamten Marktes beeinflussen, werden diese Veränderungen tendenziell der Gesellschaft ernsthaften Schaden zufügen. Die Gesellschaft sollte diese „Innovationen“ ablehnen und hart gegen diese durchgreifen. Mithin erscheint es als ein schlechter
Scherz etwas als „Finanzinnovation“ zu bezeichnen, was letztlich darauf ausgelegt ist, Betrug zu verbergen und die allgemeinen Rechtsprinzipien, die für das reibungslose Funktionieren und den Erhalt einer Marktwirtschaft vital sind, zu umgehen.74 Finanzprodukte genügen den verschiedenen Vertragstypen, welche sich traditionell innerhalb des Rechts entwickelt haben. Die grundlegende Struktur dieser Typen kann nicht modifiziert werden, ohne die grundlegenden Rechtsprinzipien zu verzerren und zu verletzen. Der einzig vorstellbare Weg zur Einführung „neuer“ Finanzprodukte“ besteht deshalb darin, verschiedenen Kombinationen von legitimen, existierenden Rechtsverträgen zusammenzustellen, obgleich die Innovationsmöglichkeiten auf diesem Gebiet recht begrenzt sind. Wir müssen auch daran erinnern, dass in vielen Fällen „Innovationen“ durch die fiskalische Gier der Regierungen und das Durcheinander der Steuergesetzgebung, welche sie in allen geschichtlichen Perioden einführen, erzwungen werden. In vielen Fällen zielen derartige „Innovationen“ darauf ab, soweit als möglich die Steuerlast zu verringern und führen zu den seltsamsten und gezwungendsten, kompliziertesten und juristisch unnatürlichsten Geschäftsformen. An dieser Stelle ist die direkte Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien nur einen Schritt entfernt75, und die Erfahrung zeigt, dass die Versuchung aus den großen Gewinnen, welche das Teildeckungsbankwesen generiert, Kapital zu schlagen, viele dazu veranlasst, diesen Schritt ohne zu Zögern zu tun. Daher ist es in diesem Feld essentiell, eine konstante, rigorose Wachsamkeit aufrecht zu erhalten und eine präventive Haltung gegen die Verletzung der traditionellen Rechtsprinzipien einzunehmen. 6. „Das vorgeschlagene System würde es der Geldmenge nicht gestatten mit der gleichen Rate wie die Wirtschaft zu wachsen“. Die Wirtschaftssubjekte haben sich an das gegenwärtige inflationäre Umfeld gewöhnt und glauben, dass ein Wirtschaftswachstum ohne eine gewisse Menge an Kreditausweitung und Inflation unmöglich ist. Weiterhin haben verschiedene Schulen des wirtschaftlichen Denkens das Ansteigen der effektiven Nachfrage gepriesen und dahin tendiert, die immer populären Appelle zur Inflation zu verstärken. Nichtsdestoweniger würden sich die Wirtschaftssubjekte genauso, wie sie sich an das inflationäre Umfeld gewöhnt haben, sich an ein Umfeld anpassen, in dem die Kaufkraft der Geldeinheit kontinuierlich und fortschreitend steigt. 74 Es gibt auch Finanzinnovationen, die wie Übernahmeangebote eine legitime Funktion im Markt erfüllen und selbst kein traditionelles Rechtsprinzip verletzen, jedoch in Präsenz des Teildeckungsbankwesens und einer nicht durch reale Ersparnisse gedeckten Kreditausweitung beschädigt werden. Eine präzise, jedoch erschöpfende Analyse der „Finanzinnovationen“, welche als Ergebnis des unglücklicherweise als „Finanzderegulierung“ bezeichneten Prozesses entstanden sind (der hauptsächlich in Verminderung der Einhaltung der traditionellen Rechtsprinzipien durch den Finanzsektor bestanden hat), ist in Luis Barrallat´s Buch, La banca española en el año 2000: un sector en transición (Madrid: Ediciones de las Ciencias Sociales, 1992), S. 172–205, zu finden. Wir sollten darauf hinweisen, dass viele dieser „Finanzinnovationen“ im fruchtbaren Umfeld fieberartiger Spekulationen („irrationale Ausgelassenheit“ [„irrational exuberance“]) entstehen. Diese Spekulationen sind die Folge der Kreditausweitung, welche das Teildeckungsbankwesen antreibt. 75 Damit ist dies ein weiteres Beispiel, welches perfekt die akuten, verderbenden Effekte illustriert, welche die fiskalischen und ökonomischen Eingriffe, welche der Staat auf das Konzept des materiellen Rechts, die zugehörigen sozialen Gepflogenheiten und den Gerechtigkeitssinn ausübt. Wir haben dieses Thema ausführlich in Huerta de Soto, Socialismo, cálculo económico y función empresarial, S. 126–33 behandelt.
Hier ist es erneut wichtig, zwischen den beiden verschiedenen Bedeutungen des Begriffs „Deflation“ (und „Inflation“) zu unterscheiden, welche vielmals in der theoretischen Diskussion und Analyse verwechselt werden. Deflation bezieht sich entweder auf einen absoluten Rückgang bzw. Kontraktion der Geldmenge oder auf das Ergebnis, welche eine derartige Kontraktion im Allgemeinen (jedoch nicht immer) erzeugt, d.h. ein Anstieg in der Kaufkraft der Geldeinheit, bzw. in anderen Worten ein Rückgang im allgemeinen „Preisniveau“. Das vorgeschlagene System eines reinen Goldstandards und einer 100-prozentigen Reservepflicht würde offensichtlich im Hinblick auf Kontraktionen vollkommen unelastisch sein und daher würde es jede Deflation verstanden als einen Rückgang der Geldmenge verhindern. Dies kann das gegenwärtige „flexible Geldsystem“ nicht garantieren. Daran uns die Wirtschaftskrisen immer wieder erinnern.76 Wenn wir unter „Deflation“ einen Rückgang des allgemeinen Preisniveaus oder einen Anstieg in der Kaufkraft des Geldes verstehen, ist es klar, dass in dem Ausmaß, in dem die allgemeine wirtschaftliche Produktivität schneller als die Geldmenge steigt, eine derartige „Deflation“ in dem von uns empfohlenen Geldsystem präsent sein würde. Wir haben oben das Modell der wirtschaftlichen Entwicklung beschrieben. Es bringt den großen Vorteil mit sich, dass es nicht nur Wirtschaftskrisen und Rezessionen verhindert, sondern auch die Wohltaten der wirtschaftlichen Entwicklung auf alle Bürgen durch die Stimulation eines fortschreitenden, kontinuierlichen Wachstums der Kaufkraft der Geldeinheiten aller Person und einen parallel Rückgang der Geldnachfrage aller Personen verteilt. Wir müssen zugestehen, dass das vorgeschlagene System nicht eine Geldeinheit mit einer sich nicht verändernden Kaufkraft garantieren würde. Dies ist ein unerreichbares Ziel. Selbst wenn es erreicht würde, würde es keinen anderen Vorteil mit sich bringen als die Prämie zu eliminieren, welche im Zinssatz in Abhängigkeit der erwarteten künftigen Entwicklung der Kaufkraft des Geldes berücksichtigt wird. Jedoch ist es in dieser Hinsicht nur wichtig, dass in der Praxis die Wirtschaftssubjekte in der Lage sind, ohne Schwierigkeiten die Evolution der Kaufkraft des Geldes zu prognostizieren und bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Dies wäre ausreichend, um die plötzliche, ungerechte Einkommensumverteilung zwischen Gläubigern und Kreditnehmern abzuwenden, die in der Vergangenheit immer die expansiven Kredit- oder Geldmengenschocks begleitet haben, welche die Wirtschaftssubjekte nicht rechtzeitig vorhersahen. Es ist argumentiert worden, dass wenn die Metallgeldmenge langsamer als die Produktivität der 76 Nach dem Börsenkrach vom Oktober 1987 wurde eine Kreditklemme nur vorübergehend durch die massiven Liquiditätsspritzen, welche in das System injiziert wurden, abgewendet.Trotz dieser Maßnahmen waren in der folgenden Wirtschaftsrezession (1990-1991) die Zentralbanker nicht in der Lage, die Wirtschaftssubjekte dazu bewegen, neues Geld zu leihen, obgleich die Zinssätze auf historischen Tiefstständen (2-3 Prozent in den Vereinigten Staaten) waren. Unlängst (2001) haben die japanischen Geldbehörden die Zinssätze in diesem Land auf 0,15 Prozent gesenkt, ohne den vorhergesagten expansiven Effekte zu provozieren. Später hat sich die Geschichte wieder nach dem Marktkrach von 2001-2002 und der Festlegung des Zinssatzes auf 1 Prozent durch die Federal Reserve wiederholt.
Wirtschaft wächst, der folgende Anstieg in der Kaufkraft des Geldes (bzw. der Rückgang des allgemeinen Preisniveaus) unter gewissen Umständen sogar die soziale Zeitpräferenzrate, welche im Marktzins enthalten ist, übersteigen könnte.77 Obgleich die soziale Zeitpräferenz von den subjektiven Wertschätzungen der Menschen abhängt und daher ihre künftige Entwicklung nicht theoretisch ermittelt werden kann, müssen wir zugestehen, dass wenn sie auf sehr niedrige Niveaus verursacht durch einen beträchtlichen Anstieg in der gesellschaftlichen Sparneigung fällt, der obige Effekt tatsächlich gelegentlich eintreten könnte. Jedoch würden die Marktzinssätze unter keinen Umständen Null und noch viel weniger negativen Zahlen erreichen. Zunächst kommt der wohl bekannte Pigoueffekt zum Tragen: der Anstieg in der Kaufkraft der Geldeinheiten würde den Wert der realen Kassenhaltung der Wirtschaftssubjekte erhöhen. Ihr Reichtum würde real gesehen ansteigen und sie würden ihren Konsum steigern, was die soziale Zeitpräferenzrate wieder anheben würde.78 Außerdem würden die Unternehmer immer eine Finanzierung mittels eines positiven Zinssatzes für alle Investitionsprojekte zu finden, deren erwartete buchhalterischen Gewinne den am Markt vorherrschenden Zinssatz jederzeit übersteigt, egal wie niedrig dieser ist. Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass fortschreitende Reduzierungen des Marktzinssatzes tendenziell den Gegenwartswert der Kapitalgüter und Investitionsgüter steigen lässt: ein Rückgang von 1 auf 0,5 Prozent wird den Gegenwartswert von langlebigen Kapitalgütern verdoppeln. Dieser Wert verdoppelt sich erneut, wenn die Zinssätze von 0,5 auf 0,25 Prozent fallen. Es ist daher nicht vorstellbar, dass die Nominalzinssätze Null erreichen: sobald sie sich dieser Grenze nähern, wird der Anstieg des Gegenwartswerts der Kapitalgüter zu fantastischen Möglichkeiten zur Erzielung bedeutender unternehmerischer Gewinne führen. Dies garantiert immer einen unerschöpflichen Fluss von unternehmerischen Gewinnen und Investitionsmöglichkeiten. Mithin ist ein vorhersehbarer Aspekt des vorgeschlagenen Modells, dass die Nominalzinsen historische Tiefststände erreichen würden. In der Tat würde es, wenn wir im Durchschnitt einen jährlichen Produktivitätsanstieg von ungefähr drei Prozent bei einem Wachstum von einem Prozent der weltweiten Goldreserven annehmen, zu einer leichten jährlichen „Deflation“ von ungefähr zwei Prozent kommen. Wenn wir einen annehmbaren realen Zinssatz einschließlich der Risikoprämie zwischen drei und vier Prozent annehmen, dann können wir einen Marktzins zwischen ein und zwei Prozent jedes Jahr erwarten, der in einem sehr engen Rahmen von ungefähr einem achtel Prozentpunkt schwankt. Wirtschaftssubjekte, die nur in Zeiten von Inflation basierend auf einer Geld- und Kreditausweitung gelebt haben, mag das gerade beschriebene Panorama als wie von einem anderen Stern vorkommen. Es wäre jedoch eine höchst günstige Situation und die 77 Dies ist das von C. Maling in seinem Aufsatz “The Austrian Business Cycle Theory and its Implications for Economic Stability under Laissez-Faire,” Kapitel 48 von J.C. Wood und R.N. Woods, Friedrich A. Hayek: Critical Assessments (London: Routledge, 1991), Bd. 2, S. 267, präsentierte Argument. 78 Zum Pigoueffekt siehe Don Patinkin´s Aufsatz, “Real Balances,” The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Bd. 4, S. 98–101.
Wirtschaftssubjekte würden sich an sie ohne größere Problem gewöhnen.79 Sogar verschiedene Mitglieder der Neo-Banking Schule des Teildeckungsbankwesens haben die angeblichen Gefahren der „Deflation“ übertrieben. So hat beispielsweise Stephen Horwitz den fortschreitenden, kontinuierlichen Preisrückgang in unserem Modell in Frage gestellt und behauptet, dass genauso wie heute plötzliche Veränderungen das Preiswachstums beeinflussen, in dem von uns vorgeschlagenen System (!) abrupte Preisrückgänge unvermeidbar wären. Horwitz erkennt nicht, dass ein Geldstandard, der keine Kontraktionen zulässt, derartige abrupte Rückgänge praktisch unmöglich macht, außer in außergewöhnlichen Umständen wie Naturkatastrophen, Kriege und andere ähnliche Phänomene. Unter normalen Umständen würde kein Grund bestehen, dass die Geldnachfrage immer weiter auf traumatische Weise ansteigt. In der Tat würde sie fortschreitend fallen, da der Anstieg der Kaufkraft der Geldeinheiten es unnötig machen würde, dass die Wirtschaftssubjekte derart hohe reale Kassenvorräte halten.80 Die leichte, fortschreitende und kontinuierliche „Deflation“, welche in einem auf einem reinen Goldstandard und einer 100-prozentigen Reservepflicht ruhenden System aufkommen würde, würde nicht nur nicht eine nachhaltige, harmonische wirtschaftliche Entwicklung behindern, sondern sie auch aktiv fördern. Weiterhin ist es dazu in der Vergangenheit verschiedentlich gekommen. Wir haben bereits den Fall der Vereinigten Staaten während der Zeit von 1867 nach dem amerikanischen Bürgerkrieg bis 1879 erwähnt. Sogar Milton Friedman und Anna J. Schwartz mussten zugeben, dass diese Periode was a vigorous stage in the continued economic expansion that was destined to raise the United States to a first rank among the nations of the world. And their coincidence casts serious doubts on the validity of the now widely held view that secular price deflation and rapid economic growth are incompatible.81
79 In einer Welt sinkender Preise hätte sich das Denken aller Wirte den Verhältnissen ebenso anpassen müssen wie es sich den steigenden Preisen angepasst hat. Heute ist jedermann geneigt, in steigendem Geldeinkommen den Ausdruck einer Verbesserung seiner Lage zu erblicken; die Aufmerksamkeit ist vor allem auf das Steigen des Geldausdrucks der Löhne und der Vermögen gerichtet und weniger auf das Verhältnis, in dem sich die Versorgung mit Sachgütern verbessert hat. In einer Welt sinkender Kaufkraft würde man sich wohl mehr mit dem Sinken der Lebenshaltungskosten befassen. Das Ergebnis des wirtschaftlichen Fortschritts, der die Versorgung erleichtert und verbessert, würde dabei klarer hervortreten. (Mises, Nationalökonomie, 426-27). 80 Horwitz, “Keynes’ Special Theory,” Fußnote 18 auf S. 431–32. Außerdem hat Horwitz behauptet, dass die Österreicher, welche eine 100-prozentige Reservepflicht verteidigen, nicht in der Lage gewesen sind, zu zeigen, warum ein Rückgang der Geldnachfrage notwendigerweise im Hinblick auf die Förderung des Entstehens von Wirtschaftskrisen von einem Geldmengenanstieg verschieden ist. Horwitz übersieht die Tatsache, dass es die Gewährung von Umlaufsmitteln ungedeckt durch reale Ersparnisse, d.h. Kreditausweitung, und nicht ein allgemeiner Rückgang in der Geldnachfrage, ist, welche die Produktionsstruktur verzerrt und Krisen verursacht. Ceteris paribus könnte ein Rückgang der Geldnachfrage nur einen Rückgang der Kaufkraft der Geldeinheit verursachen und würde nicht notwendigerweise die Schaffung von Darlehen, welche nicht durch reale Ersparnisse gedeckt sind, und damit die gesellschaftliche Produktionsstruktur beeinflussen. Mithin müssen wir Horwitz Schlussfolgerung, dass „100-percent reserve banking is insufficiently flexible to maintain monetary equilibrium“ ablehnen, da die Ansicht auf einer fehlgeleiteten theoretischen Analyse beruht, welche nicht adäquat die Fehlabstimmungsmechanismen behandelt, welche im Konjunkturzyklus ausgelöst werden. 81 Friedman and Schwartz, A Monetary History of the United States,1867–1960, S. 15; Hervorhebung hinzugefügt.
7. „Die Aufrechterhaltung eines reinen Goldstandards und einer 100-prozentigen Reservepflicht wäre wegen der benötigten wirtschaftlichen Ressourcen sehr kostspielig und würde daher die wirtschaftliche Entwickelung behindern.“ Das Argument, dass ein reiner Goldstandard aus Sicht der wirtschaftlichen Ressourcen sehr teuer wäre, wurde von John Maynard Keynes aufgebracht, der einen derartigen Standard als nicht mehr als eine „barbarisches Relikt“ der Vergangenheit betrachtete. Dieses Argument hat dann seinen Eingang in verbreitetsten Lehrbücher gefunden. So schreibt zum Beispiel Paul A. Samuelson: „(It) is absurd to waste resources digging gold out of the bowels of the earth, only to inter it back again in the vaults of Fort Knox.“82 Es ist offensichtlich, dass ein reiner Goldstandard mit einer leichten „Deflation“, d.h. einem konstanten, fortschreitenden Anstieg der Kaufkraft der Geldeinheit, einen kontinuierlichen Anreiz generieren würde, neue Goldlagerstätten zu finden und das Gold zu fördern. Damit würden wertvolle, knappe ökonomische Ressourcen für die Suche, Förderung und Distribution des gelben Metalls verwendet. Obgleich es keine einhellige Schätzung der wirtschaftlichen Kosten dieses Geldstandards gibt, wollen wir um des Arguments willen sogar annehmen, wie es Leland B. Yeager tut, dass diese Kosten ungefähr einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts jeder Nation entsprechen würde.83 Es ist offensichtlich viel billiger, Papiergeld auszugeben als aus der Erde Gold zu fördern, was ungefähr ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Länder der ganzen Welt kosten würde. Nichtsdestoweniger würde man sich täuschen, wenn man diesen Geldstandard basierend auf den angeblichen Kosten des Goldstandard ablehnen würde, so wie es Keynes und Samuelson tun. Es ist nicht korrekt, lediglich die Kosten der Goldproduktion mit jenen der Papiergeldemission zu vergleichen. Man muss stattdessen die direkten und indirekten Gesamtkosten der beiden Geldsysteme vergleichen. Dabei müssen wir nicht nur den ernsten Schäden, welche die zyklischen Wirtschaftsrezessionen der Volkswirtschaft und der Gesellschaft zufügen, berücksichtigen, sondern auch eine Reihe von Kosten, welche damit zusammen hängen, dass der Geldstandard elastisch ist, vollkommen auf Vertrauen beruht und vom Staat kontrolliert wird. Pflichtlektüre zu diesem Thema ist unter anderem Roger W. Garrison´s Aufsatz „The Costs of a Gold Standard.“84 In diesem Aufsatz schätzt Professor Garrison die Opportunitätskosten eines reinen Zwangsgeldstandards und vergleicht sie mit jenen eines reinen Goldstandards und einer 100-prozentigen Reservepflicht. Mises kommt zu einer identischen Schlussfolgerung in Money, Method, and the Market Process, S. 90–91 und er vermittelt die gleiche Idee in dem schon zitierten Memorandum für die Spezialisten des Finanzkommittees des Völkerbunds aus dem Jahr 1930. Vgl. zudem die detailliert ökonomische Studie der Periode von 1973 bis 1896, welche Selgin in seinem Buch, Less than Zero, S. 49-53, vorlegt. 82 Samuelson, Economics, 8. Aufl. (New York: Macmillan, 1970). 83 Leland B. Yeager, “Introduction,” The Gold Standard: An Austrian Perspective, S. x. 84 Roger W. Garrison, “The Costs of a Gold Standard,” Kapitel 4 von, The Gold Standard: An Austrian Perspective, S. 61–79
Garrison schreibt: The true costs of the paper standard would have to take into account (1) the costs imposed on society by different political factions in their attempts to gain control of the printing press, (2) the costs imposed by special-interest groups in their attempts to persuade the controller of the printing press to misuse its authority (print more money) for the benefit of special interests, (3) the costs in the form of inflation-induced misallocation of resources that occur throughout the economy as a result of the monetary authority succumbing to the political pressures of the special interests, and (4) the costs incurred by businesses in their attempts to predict what the monetary authority will do in the future and to hedge against likely, but uncertain, consequences of monetary irresponsibility. With these considerations in mind, it is not difficult to believe that a gold standard costs less than a paper standard.85 Außerdem sollten wir noch die hohen Kosten für die Aufrechterhaltung eines weltweiten Netzwerkes von Zentralbanken und ihrer gut bezahlten Angestellten, sowie die beträchtlichen ökonomischen Ressourcen, welche bei der Zusammenstellung von Statistiken und der Finanzierung von Forschungsprojekten, internationaler Konferenzen und Treffen (dem Internationalen Währungsfonds, die Weltbank, etc.) anfallen, dazu zählen. Wir sollten auch die bedeutenden Kosten berücksichtigen, welche die exzessive Bereitstellung von Bankdienstleistungen mit sich bringt; vor allem die übertriebene Vermehrung von neuen Filialen und die reine Verschwendung von humanen und ökonomischen Ressourcen, welche dies mit sich bringt.86 Daher kommt es nicht überraschend, dass sogar Milton Friedman, der jahrelang mit der Mehrheit übereinstimmte, dass die Kosten eines reinen Goldstandards zu hoch seien, seine Meinung geändert hat und nun aus ökonomischer Sicht empfindet, dass ein reiner Goldstandard keine Opportunitätskostenproblem darstellt.87 Kurzum kommen wir zum Schluss, dass ein Geld- und Bankensystem, welches auf einem reinen Goldstandard und einer 100-prozentigen Reservepflicht für die Banken basiert eine „soziale Institution“ darstellt, die für das korrekte Funktionieren einer jeden Marktwirtschaft essentiell ist. Eine soziale Institution kann als eine Gruppe von Verhaltensformen, welche spontan über eine sehr 85 Ebenda, S. 68. 86 Weiterhin erinnert uns Roger W. Garrison daran, dass die Kosten in Hinblick auf die realen Ressourcen, welche bei der Produktion und Distribution von Gold anfallen, zum großen Teil unvermeidlich sind, da die Leute weiterhin ein bedeutendes Volumen von ökonomischen Ressourcen der Förderung, Veredelung, Distribution und Lagerung des gelben Metalls widmen; unabhängig davon, ob dieses die Basis des Geldstandards ausmacht. Ebenda, S. 70. 87 Vgl. Friedman and Schwartz, “Has Government any Role in Money?” S. 37–62. Es ist daher klar, dass ein reiner Goldstandard und eine 100-prozentige Reservepflicht bei Monetaristen guten Anklang finden sollte, da dieses Arrangement einer relative stabilen Geldmengenregel äquivalent wäre und es durch die unzerstörbare Natur der Goldmenge plötzliche Kontraktionen der Geldmenge ausschließen und gleichzeitig den willkürlichen Machtgebrauch der Regierungen auf dem monetären Gebiet eliminieren würde. Aus dieser Warte ist es aus Gründen strikter Kohärenz nicht überraschend, dass Monetaristen wie Friedman sich zunehmen einem reinen Goldstandard, einem System, welches sie in der Vergangenheit kategorisch missachtet hatten, zugeneigt haben.
lange Zeitperiode als Resultat der Beiträge entstanden sind, die mannigfaltige Generationen von Menschen durch ihre Mitwirkung an den sozialen Prozessen gemacht haben, definiert werden. Mithin enthalten derartige Institutionen wie ein reiner Goldstandard, das private Eigentumsrecht, und die Familie ein enormes Informationsvolumen und haben sich in den verschiedensten historischen, zeitlichen und örtlichen Begebenheiten als erfolgreich erwiesen. Darum können wir nicht ohne Schaden auf diese Institutionen verzichten. Wir können auch nicht Prinzipien der Moral opfern, ohne dafür hohe soziale Kosten auf uns zu nehmen. Denn Verhaltensregeln, Traditionen und moralische Prinzipien sind weit davon entfernt „repressive oder hemmende soziale Traditionen zu sein“ (wie sie von Rousseau und im Allgemeinen „szientistischen“ Gelehrten auf verantwortungslose Weise bezeichnet wurden). Vielmehr haben sie die Entwicklung der Zivilisation möglich gemacht. Wenn die Menschen die Vernunft vergöttern und zu dem Glauben kommen, sie könnten die sozialen Institutionen modifizieren und „verbessern“ oder sogar sie ex novo wieder aufbauen (Keynesianer und Monetaristen haben diese Einstellung am stärksten unter Ökonomen gefördert), dann verlieren sie vitale Grundsätze und Referenzpunkte aus dem Blick und rationalisieren ihre atavistischsten und primitivsten Leidenschaften. Sie gefährden damit die gesellschaftlichen, spontanen Kooperations- und Koordinationsprozesse. Der Goldstandard und das Prinzip einer 100-prozentigen Reservedeckung machen einen integralen Bestandteil dieser vitalen sozialen Institutionen aus, welche als eine Art Autopilot fungieren, bzw. eine Leitlinie für das praktische menschliche Verhalten in den sozialen Kooperationsprozessen sein sollten. Die unverantwortliche Eliminierung dieser Institutionen generiert exzessive, unvorhersehbare Kosten in der Form von sozialen Spannungen und Fehlabstimmungen, welche den friedvollen, harmonischen Fortschritt der Zivilisation und Menschheit gefährden. 8.
„Die Errichtung eines Systems, wie das von uns vorgeschlagene, würde die Welt zu
abhängig von Ländern machen, die wie Südafrika und die ehemalige Sowjetunion immer die größten Goldproduzenten gewesen sind.“ Die Gefahr, dass ein reiner Goldstandard zu stark von der Goldproduktion Südafrikas und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion abhängig wäre, ist stark übertrieben worden. Weiterhin basieren derartige Warnungen auf der verfehlten Missachtung der Tatsache, dass obgleich diese Ländern jedes Jahr einen substantiellen Anteil des neuen Goldes fördern (Südafrika mit 34 Prozent und die ehemalige Sowjetunion mit 18 Prozent der jährlichen (neuen) Goldproduktion),88 die relative Bedeutung des von ihnen produzierten Volumens im Vergleich zur in der Welt existierenden Goldmenge (welche in der Geschichte der Zivilisation angehäuft wurde, da Gold unveränderlich und unzerstörbar ist) praktisch bedeutungslos (nicht mehr als 0,5 Prozent pro Jahr) ist. In der Tat ist der Großteil der weltweiten Goldmenge auf Länder wie die Europäische Union, Amerika und Südasien verteilt. Weiterhin ist es nach Beendigung des 88 Skousen, Economics on Trial, S. 142.
Kalten Krieges unklar wie Nationen wie Südafrika und die ehemalige Sowjetunion, deren jährliche Goldproduktion nur einen winzigen Bruchteil der gesamten weltweiten Goldmenge ausmacht, eine Unruhe stiftende Rolle spielen könnten; vor allem da sie die ersten Nationen wären, die an den Folgen einer Politik leiden würden, welche auf eine künstliche Verringerung der Goldproduktion abzielt. In jedem Fall müssen wir zugeben, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, dass der Übergang zu einem Geldsystem wie zu dem von uns empfohlenen, den heutigen Marktwert des Goldes ausgedrückt in gegenwärtigen Geldeinheiten vervielfachen würde (vielleicht mehr als verzwanzigfachen). Dieser Wertanstieg würde zunächst und unweigerlich zu einem bedeutendem, einmaligen Kapitalgewinn der gegenwärtigen Goldbesitzer und vor allem der Unternehmen, welche dieses fördern und verteilen, führen. Jedoch stellt der Wunsch, gewisse dritte Parteien davon abzuhalten, von der Wiedererrichtung eines Geldsystems mit so vielen Vorteilen für die Gesellschaft, wie das vorgeschlagene, (vielleicht) unverdient zu profitieren, überhaupt kein Primafacie-Argument gegen ein derartiges System dar.89 9.
„Der angebliche Fehlschlag einer 100-prozentigen Reservepflicht in Argentinien unter dem
Regime General Peróns.“ Das zwanzigste Jahrhundert bietet einen historischen Versuch, zumindest rhetorischer Art, eine 100-prozentige Reservepflicht für Banken einzuführen. Jedoch wurde in diesem Fall die Reform nicht durch eine allgemeine Privatisierung des Geldsystems und eine Eliminierung der Zentralbank begleitet. Stattdessen wurde der Kredit vollständig verstaatlicht; ein Schritt, der die Inflation auf ein hohes Niveau trieb und profunde Kreditverzerrungen verursachte, welche die argentinische Wirtschaft verwüsteten. Mithin illustriert dieses Beispiel überhaupt nicht einen Nachteil der von uns vorgeschlagenen Reform. Im Gegenteil bietet es die perfekte historische Bestätigung der abträglichen Effekte, welche Staatseingriffe für den Finanz-, den Geld- und den Kreditsektor haben. Wir werden nun die Geschichte des argentinischen „Experiments“ genauer untersuchen.
89 Wie Murray N. Rothbard schreibt: Depending on how we define the money supply—and I would define it very broadly as all claims to dollars at fixed par value—a rise in gold price sufficient to bring the gold stock to 100 per cent of total dollars would require a tento twenty-fold increase. This of course would bring an enormous windfall gain to the gold miners, but this does not concern us. I do not believe that we should refuse an offer of a mass entry into Heaven simply because the manufacturers of harps and angels’ wings would enjoy a windfall gain. (Rothbard, “The Case for a 100-Percent Gold Dollar,” S. 68; Hervorhebung hinzugefügt) In jedem Falle müssen wir, genauso wie es Rothbard tut, zugeben, dass eine derartiger Wertanstieg des Goldes hauptsächlich während der ersten Jahr nach der Transition der Goldminen- und Golddistributionsindustrie einen gewaltigen Schub verleihen und folglich die gegenwärtige Struktur des internationalen Handels, sowie der Migrations- und Kapitalströme modifizieren würde. Murray Rothbard änderte später seine Meinung. Um zu verhindern, dass die Banken ungerechtfertigterweise von der Reform profitierten, schlug er vor, dass die Banknoten die ausschließliche Basis für den Goldumtausch bilden sollten. Trotz dieses Sinneswandels von Rothbard halten wir unseren Vorschlage (der im weiteren noch präsentiert werden wird) für um einiges überlegen, da er die unnötige Deflation vermeiden würde, welche bei Rothbard´s Vorschlag resultieren würde. Vgl. Murray N. Rothbard, “The Solution,” The Freeman: Ideas on Liberty (November 1995): 697–702.
Die Reform wurde in Argentinien kurz nach der Amtseinführung General Peróns im Jahr 1946 eingeführt; sie wurde durch die Rechtsverordnung mit der Nummer 11554 implementiert. Diese wurde durch das Gesetz 12962 ratifiziert. Diese rechtlichen Bestimmungen nationalisierten die Bankdepositen, da sie die offizielle Erklärung enthielten, dass alle Depositen fortan von der argentinischen Nation garantiert würden. Die Begründung dieser Texte enthielt neben anderen Betrachtungen folgendes: In der Tat haben jetzt, da alle Depositen in den Banken auf Kosten der Zentralbank verbleiben und diese die Finanz- und Verwaltungskosten trägt und die empfangenden Banken nicht mehr länger die Depositen ohne die Zustimmung der Zentralbank benutzen dürfen, diese aufgehört, auf den Banken sozusagen zu „lasten“ und die Banken dahin zu bewegen, die Darlehen über die nützlichen Grenzen hinaus auszudehnen. Dies ist der Weg zu einem gesunden Kredit, der sich mehr auf die langfristigen wirtschaftlichen Ziele denn auf die Erreichung der rein finanziellen Zwecke der Banken ausrichtet.90 Nichtsdestoweniger war Perón´s Bankreform trotz dieser anscheinend einwandfreien Rhetorik von Beginn an zum Scheitern verurteilt. In der Tat basierte die Reform auf der vollständigen Verstaatlichung des Geld- und Bankensektors, sodass die Verantwortung für die Gewährung neuer Darlehen auf die Zentralbank fiel und die Zentralbankangestellten direkt von der Regierung abhingen. In anderen Worten ging der Staat nicht nur darin fehl, die Finanz- und Geldinstitutionen nicht vollständig zu privatisieren und es dem Kredit zu ermöglichen, spontan mit der nationalen Sparrate übereinzustimmen, sondern die Zentralbank begann tatsächlich eine rücksichtslose Kampagne expansiver Darlehensgewährung an privilegierte Empfänger. Diese Darlehen gelangten in das Wirtschaftssystem durch Offenmarktoperationen an der Börse und vor allem durch die Diskontkredite, die den der Regierung am Nächsten stehenden Banken angeboten wurden. Die Reform gab der Zentralbank die Macht jedes Jahr Offenmarktoperationen in einer Höhe von bis zu 15 Prozent der gesamten Geldmenge auszuführen. Sie hat zudem die argentinische Währung vollkommen ihrer Golddeckung beraubt und die zuvor bestehende Beziehung zwischen dieser Währung und Gold eliminiert. Im Jahr 1949 modifizierte das Gesetz 13571 die Konstitution den Verwaltungsrats der Zentralbank und ernannte den Finanzminister zum Präsidenten dieses Rats. Damit wurde die Institution in ein reines Anhängsel der Regierung konvertiert. Schließlich setzte die Reform fest, dass von diesem Zeitpunkt an der Kredit von der Zentralbank in der Form von Diskontkrediten an die verschiedenen Banken gewährt wurde. Dabei wurde keine Grenze für das Volumen oder die expansive Kapazität gesetzt. Daher wurde diese enorme Macht zugunsten jener 90 Eine kurze, klare Beschreibung des von General Perón etablierten Bankensystems erscheint in José Heriberto Martínez’ Aufsatz, “El sistema montario y bancario Argentino,” in Homenaje a Lucas Beltrán (Madrid: Editorial Moneda y Crédito, 1982), S. 435–60. Der obige Ausschnitt findet sich auf S. 447-48.
Institutionen benutzt, welche dem derzeitigen politischen Regime am sympatischsten waren. Folglich und trotz der anfänglichen Phrasen förderte Perón´s Reform ein beispielloses Wachstum der Kreditmenge, eine enorme Ausweitung der Zahlungsmittel und eine scharfe Inflation, welche die Produktionsstruktur des Landes in grober Weise verzerrte und zu einer profunden Wirtschaftsrezession führte, von der sich Argentinien erst nach vielen Jahren erholte. So stieg die Geldmenge während der ersten Amtszeit Perón´s (von 1946-1955) um mehr als 970 Prozent und das Gold und die Devisen, welche die emittierten Noten deckten, fielen von 137 Prozent im Jahr 1946 auf knapp über 3,5 Prozent im Jahr 1955. Die Reform wurde von den Revolutionären abgeschafft, welche General Perón 1955 entmachteten und die Depositen wieder privatisierten. Nichtsdestoweniger war diese Maßnahme unzureichend, um das finanzielle Chaos zu beenden und die privaten Banken nahmen mit neuem Enthusiasmus ihre expansive Politik wieder auf. Sie folgten damit dem von der Zentralbank unter Perón gegebenen Beispiel. Als Folge davon wurde die argentinische Hyperinflation chronisch und in der ganzen Welt berühmt-berüchtigt.91 Wir kommen zu dem Schluss, dass die Väter des argentinischen Experiments lediglich die Vorteile der Kreditausweitung für die Regierung reservieren und so die privaten Banken davon abhalten wollten, von dieser Expansion zu einem Großteil zu profitieren, so wie es bis dahin der Fall gewesen war. In jedem Fall gab es niemals die Intention, das Geldsystem zu privatisieren und die Zentralbank abzuschaffen. Die peronistischen Reformen bestätigen die von uns hier zugegebene Tatsache: eine 100-prozentige Reservedeckung zusammen mit einem Zentralbankmonopol der Währungs- und Darlehensausgabe kann die Wirtschaft ebenso ernsthaft verzerren, wenn sich die geldpolitischen Behörden aus politischen Gründen dazu entschließen, eine Kreditausweitung zu beginnen (entweder durch die direkte Schaffung und Gewährung von Darlehen oder durch Offenmarktkäufe an der Börse). Mithin stellt das Scheitern das argentinischen Experiments unter General Perón keine historische Illustration der Nachteile einer 100-prozentigen Reservedeckung dar. Vielmehr bestätigt sie die Notwendigkeit, eine derartige Reform konsequent mit einer vollständigen Privatisierung des Geldes und einer Eliminierung der Zentralbank zu kombinieren. Kurzum zielte Perón´s System darauf ab, die expansive Darlehensschaffung durch private Banken 91 Kurioserweise wurden die Bankdepositen erneut, während der neuen, kurzen Peronistischen Periode, welche 1973 begann, unter die Kontrolle der Regierung gebracht. Diese Entscheidung die Depositen zu nationalisieren wurde rückgängig gemacht, als eine Militärjunta das Regime am 24. März stürzte und die Macht übernahm. Was als nächstes geschah ist in die Wirtschaftsgeschichte eingegangen und hat gezeigt, dass das folgende System der „Bankfreiheit“ und Unverantwortlichkeit genauso zerstörerisch war, wie das zuvor von Perón eingeführte System. Im Dezember 2001 hatte Argentinien erneut die fragwürdige Ehre die Wirtschaftstheorie zu veranschaulichen. In diesem Fall brach sein teilgedecktes 10 Jahre zuvor eingeführtes Currency Board zusammen, nachdem sich das Vertrauen der Öffentlichkeit in Luft aufgelöst hatte und es in der Folge einen Ansturm auf die Dollars der Bankdepositen gegeben hatte. Dies veranlasste Minister Cavallo dazu, den Betrag, welchen die Leute wöchentlich aus den Banken abziehen konnten auf 250 Dollar zu begrenzen (die Begrenzung ist im Volksmund als der „corralito“ bekannt). Dies zeigt eindeutig eine der grundlegenden theoretischen Prinzipien, welche in diesem Buch hervorgehoben werden: ein teilgedecktes Bankensystem ohne einen Kreditgeber letzter Instanz ist nicht möglich.
unmöglich zu machen. Jedoch wurde diese Aktivität durch einer noch größere Schaffung ungedeckter Darlehen durch die Hände der Zentralbanker und der Regierung selbst ersetzt. Damit wurde das Geld-, Finanz- und Wirtschaftssystem des Landes letztlich noch stärker geschädigt. Es ist mithin nichts gewonnen, wenn nach der Eliminierung eines Kreditausweitungsprozesses (jenes des privaten Teildeckungsbankwesens) der Staat selbst direkt und in einem noch größeren Ausmaß die Kredite ausweitet.92 10.
„Die vorgeschlagene Reform könnte nicht von einem Land allein erfolgreich vollendet
werden, sondern würde ein schwieriges und teures internationales Abkommen erfordern.“ Obgleich der vorteilhafteste Handlungsweg in einer weltweiten Einrichtung eines reinen Goldstandards und einer 100-prozentigen Reservepflicht besteht und obwohl eine Vereinbarung zur internationalen Einführung dieses Standards den Übergang zu einem solchen System extrem erleichtern würde, besteht kein Grund dafür, dass die verschiedenen Staaten nicht getrennt auf die Einrichtung des idealen Geldsystems hinarbeiten sollten bis ein derartiges internationales Abkommen möglich ist. Dies ist genau das, was Maurice Allais für Frankreich empfahl, bevor das Land sich entschloss, in die europäische Währungsunion einzutreten.93 Allais weist darauf hin, dass die Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht und die Aufrechterhaltung einer äußerst rigorosen Geldpolitik seitens der Zentralbank (eine Politik, welche das Wachstum der monetären Basis auf nicht mehr als zwei Prozent pro Jahr begrenzen würde) ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre und dass die Vereinigten Staaten, die Europäische Union, Japan, Russland oder irgendein anderes Land diesen Schritt alleine unternehmen könnte. Weiterhin müssen wir diese Idee berücksichtigen, wenn wir die verschiedenen Programme des monetären Zusammenschluß evaluieren, welche in gewissen prominenten Wirtschaftszonen, vor allem in der Europäischen Union, etabliert worden sind. Weiterhin könnte die Einführung von festen, jedoch anpassungsfähigen Wechselkursen zwischen den verschiedenen Ländern die Nationen einer Wirtschaftszone dazu zwingen, dem Vorbild jener Staaten zu folgen, welche am klarsten und stetig in die ideale Richtung voranschreiten. Mithin mag es zu einem unaufhaltsamen Trend zur Erreichung des vorgeschlagenen Ziels kommen.94 5 92 Perón´s Experiment bewies nicht das Scheitern einer 100-prozentigen Reservedeckung, sondern das Scheitern der Verstaatlichung des Kredits und es brachte alle jene abträglichen Effekte hervor, welche Ludwig von Mises in seinem Aufsatz von 1929 zu diesem Thema vorausgesagt hatte: Die Verstaatlichung des Kredits: Mutalisierung des Kredits (Bern, München, und Leipzig: Travers-Borgstroem Foundation, 1929). Dieser Aufsatz wurde späte ins Englische übersetzt mit dem Titel, “The Nationalization of Credit?” Er erschien in A Critique of Interventionism: Inquiries into the Eco nomic Policy and the Economic Ideology of the Present (New York: Arlington House, 1977), S. 153–64. 93 Vgl. Allais, “Une objection générale: la construction européenne,” S. 359–60 seines Aufsatzes, “Les conditions monétaires d’une économie de marchés.” 94 In jedem Falle würden starke Volkswirtschaften, wie die Vereinigten Staaten und die Europäische Unione, wenn sie einen Goldstandard und eine 100-prozentige Reservepflicht einführten, ein äußerst mächtiges Beispiel im monetären Bereich setzen; ein Beispiel, dem sich andere Länder zu folgen genötigt sähen.
EINE ÖKONOMISCHE ANALYSE DES REFORM- UND ÜBERGANGSPROZESSES ZUM VORGESCHLAGENEN GELD- UND BANKENSYSTEM Zu Beginn dieses Abschnitts werden wir kurz die Hauptpunkte jeder politischen Strategie für eine Wirtschaftsreform auf einem beliebigen Gebiet - auch dem der Finanz, des Kredits und des Geldes betrachten. EINIGE GRUNDLEGENDE STRATEGISCHE PRINZIPIEN Die größte Gefahr für alle strategischen Reformen liegt im politischen Pragmatismus des politischen Tagesgeschäfts, welcher vielmals die Regierenden dazu veranlasst, ihre Endziele aufzugeben, weil es auf kurze Sicht “unmöglich” ist, sie zu erreichen. Dies ist eine große Gefahr, die in der Vergangenheit verschiedene Reformprogramme sabottiert hat. In der Tat hat der Pragmatismus Politiker systematisch dazu veranlasst, gemeinsame ad hoc Entscheidungen zu treffen, um politische Macht zu erringern oder zu behalten. Diese Entscheidungen sind oftmals fundamental inkohärent und kontra-produktiv im Hinblick auf die sehr erstrebenswerten langfristigen Ziele. Weiterhin sind die Endziele verschoben oder komplett vergessen worden, weil sich die Diskussion exklusiv auf das politisch Machbare in der unmittelbar kurzfristigen Sicht konzentriert hat. Auf diese Weise haben die Behörden weder das notwendige, detaillierte Studium dieser Ziele vorgenommen noch diese den Leuten mitgeteilt. In der Folge wird die Möglichkeit der Schaffung einer Interessenkoalition für die Reform kontinuierlich unterminiert, da andere Programme und Ziele,welche als auf kurze Sicht als drängender angenommen werden, derartige Anstrengungen schwächen und überschatten. Die angemessendste Strategie für die von uns vorgeschlagene Reform muss daher auf einem dualen Prinzip beruhen. Der erste Teil besteht im kontinuierlichen Studium und der Erziehung der Öffentlichkeit über die substantiellen Vorteile, welche sie aus der Erreichung der mittel- und langfristigen Endziele ziehen würde. Der zweite Teil involviert die Anwendung einer kurzfristigen Politik der graduellen Annäherung an diese Ziele. Diese Politik muss immer mit diesen Zielen kohärent sein. Diese Strategie allein wird es mittel- und langfristig politisch möglich machen, was heute als besonders schwierig zu erreichen scheint.95 95 Vgl. Willam H. Hutt´s inzwischen klassisches Werk Politically Impossible...? (London: Institute of Economic Affairs, 1971). Eine der im Text präsentierten sehr ähnliche Analyse - jedoch bezogen auf die Reform des spanischen Sozialsversicherungssystems - erscheint in Huerta de Soto, “The Crisis and Reform of Social Security: An Economic Analysis from the Austrian Perspective,” Journal des Economistes et des Etudes Humaines 5, Nr. 1 (März 1994): 127–55. Schließlich haben wir unsere Ideen zu den besten politischen Schritten zur Deregulierung der Wirtschaft erneuert, weiterentwickelt, und präsentiert in Jesús Huerta de Soto, “El economista liberal y la política,” Manuel Fraga: homenaje académico (Madrid: Fundación Cánovas del Castillo, 1997), Bd. 1, S. 763–88. Die englische Version trägt den Titel, “A Hayekian Strategy to Implement Free Market Reforms,” in Economic Policy in an Orderly Framework: Liber Amicorum for Gerrit Meijer, J.G. Backhaus, W. Heijmann, A. Nentjes, and J. van Ophem, eds. (Münster: LIT Verlag, 2003), S. 231– 54.
Wir sollten nun zu unserem Thema zurückehren: die Bankenreform in Marktwirtschaften. In den folgenden Abschnitten werden wir einen Prozess zur Reform des gegenwärtigen Systems vorschlagen. Bei der Formulierung unserer Empfehlung haben wir die obige Strategie und die grundlegenden in diesem Buch analysierten Prinzipien berücksichtigt. STUFEN DER REFORM DES FINANZ- UND BANKENSYSTEM Graphik IX-1 reflektiert die fünf grundlegenden Stufen für einen Reformprozess des Finanz- und Bankensystems. In unserer Übersicht gehen die Stufen naturgemäß von rechts nach links; das heißt von den am stärksten kontrollierten Systemen (jenen mit zentraler Planung im Bank- und Finanzsektor) zu den am wenigsten kontrollierten (jenen, in denen die Zentralbank abgeschafft worden ist und vollkommene Freiheit vorherrscht, die Bankenindustrie jedoch den Rechtsprinzipien, einschließlich der 100-prozentigen Reversepflicht, unterworfen ist). Die erste Stufe korrespondiert mit der “zentralen Planung” der Finanz- und Bankangelegenheiten; in anderen Worten einem strikt von der Zentralbank kontrollierten und regulierten System. Diese Art von Arrangement herrscht bis heute in den meisten westlichen Ländern vor. Die Zentralbank hält das Monopol der Geldausgabe und bestimmt zu jedem Zeitpunkt die Größe der monetären Basis und die Diskontsätze, welche für die Privatbanken gelten. Die Privatbanken operieren mit einer Teildeckung und weitet die Kredite ohne Deckung durch reale Ersparnisse aus. Sie tun dies basierend auf einem Geldschöpfungsmultiplikator, welcher das Wachstum der Umlaufsmittel reguliert, und von der Zentralbank etabliert wird. Mithin koordiniert die Zentralbank die Kreditausweitung und erhöht das Geldangebot mittels Offenmarktoperationen (welche auf die teilweise oder vollständige Monetisierung der Staatsschulden abzielen). Zusätzlich instruiert sie die Banken bezüglich der Strenge der Kreditbedingungen, welche sie anbieten sollen. Diese Stufe zeichnet sich durch die Unabhängigkeit der verschiedenen Ländern mit Hinblick auf die Geldpolitik (monetärer Nationalismus) aus. Dies geschieht in einem mehr oder weniger chaotischen internationalen Umfeld von flexiblen Wechselkursen, welche oft als schlagkräftige Waffe im internationalen Handel benutzt werden. Dieses System führt zu einer großen, inflationären Kreditausweitung, welche die Produktionsstruktur verzerrt und wiederholt Booms an den Aktienmärkten und ein nicht aufrecht erhaltbares Wirtschaftswachstum gefolgt von schweren Wirtschaftskrisen und Rezessionen, welche dazu tendieren sich auf den Rest der Welt auszudehnen, erzeugt. In der zweiten Stufe schreitet der Reformprozess ein bißchen in die richtige Richtung voran. Die Zentralbank wird rechtlich “unabhängig” von der Regierung und eine Geldregel wird erdacht (im Allgemeinen eine Regel, die als Zwischenstufe angesehen werden kann), die das geldpolitische Ziel der Zentralbank zu reflektieren. Dieses Ziel wird für gewöhnlich als eine den Produktivitätsanstieg
übersteigende Geldmengenwachstumsrate ausgedrückt (zwischen 4 und 6 Prozent). Diese Modell wurde von der deutschen Bundesbank entwickelt und hat die Regel, welcher die Europäische Zentralbank und anderen Zentralbanken aus der ganzen Welt folgen, beeinflusst. Dieses System fördert den Ansteig der internationalen Kooperation verschiedener Zentralbanken und begünstigt sogar in großen geographischen Gebieten, in denen sich Wirtschaft und Handel ähnlicher sind, die Einführung eines System von festen (jedoch in einigen Fällen anpassbaren) Wechselkursen mit dem Ziel, die wettbewerbliche Anarchie zu beenden, welche für das chaotische Umfeld flexibler Wechselkurse typisch ist. Als eine Folge wird die Kreditausweitung moderater, obgleich sie nicht vollkommen verschwindet. Daher kommt es auch weiterhin zu Aktienmarktkrisen und Wirtschaftsrezessionen, obzwar diese weniger hart sind als in der ersten Stufe.96 In der dritten Stufe verbleiben die Zentralbanken unabhängig und ein radikaler Schritt wird in die Reform aufgenommen: es wird eine 100-prozentige Reservepflicht für Privatbanken eingeführt. Wie wir zu Beginn dieses Kapitel herausstellten, würde dieser Schritt gewisse legislative Modifikationen des Handels- und Strafgesetzbuches notwendig machen. Diese Änderungen würden es uns erlauben, die gegenwärtige administrative Gesetzgebung der Zentralbanken zur Kontrolle der Depositen- und Kreditinstitutionen auszumerzen. Die einzige verbleibende Funktion der Zentralbank wäre es zu garantieren, dass die Geldmenge in einer Rate wächst, die der des Produktivitätsanstiegs in der Volkswirtschaft entspricht oder leicht höher ist. Wie wir wissen, schlägt Maurice Allais eine Wachstumsrate von etwa zwei Prozent pro Jahr vor. DIE BEDEUTUNG DER DRITTEN UND DER NACHFOLGENDEN STUFEN DER REFORM: DIE MÖGLICHKEIT, DIE SIE ZUR BEGLEICHUNG DER STAATSSCHULDEN ODER DER RENTENVERBINDLICHKEITEN DER SOZIALEN SICHERUNGSSYSTEME BIETEN In der Bankenindustrie würde sich die Reform darum drehen, aus den heutigen privaten Bankiers reine Investmentfondsmanager zu machen. Im Besonderen sollten die Behörden, sobald sie die Reform den Bürgern angekündigt und erklärt haben, den Besitzern der gegenwärtigen Sichteinlagen (bzw. ihrer Äquivalente) die Möglichkeit geben, in einem angemessenen Zeitrahmen ihren Wunsch zu manifestieren, diese Depositen durch Anteile an Investmentfonds zu ersetzen. Die Leute würde gewarnt, dass sie, falls sie diese Option wählen, ihnen nicht länger der Nominalwert ihrer Depositen garantiert wird und sie bei Liquiditätsbedarf gezwungen wären, ihre Anteile an der Börse zu veräußern und den aktuellen Kurs zum Verkaufszeitpunkt zu akzeptieren.97 Jeder Deponent, der 96 José Antonio de Aguirre erklärt in seinem Anhang zur spanischen Ausgabe von Vera C. Smith’s Buch, The Rationale of Central Banking and the Free Banking Alternative (Indianapolis, Ind.: Liberty Press, 1990), warum es zu einem breiten Konsensus für die Unabhängigkeit der monetären Behörden gekommen ist. 97 Ein Deponent bei einer Bank ist Besitzer des “Geldes” sofern er bereit ist, seine Depositen bei der Bank zu behalten,
diese Option wählt, würde eine Anzahl von Anteilen erhalten, welche strikt proportional zur Höhe seiner Depositen im Verhältnis zu den Gesamtdepositen in der Bank ist. Jede Bank würde ihre Vermögenswerte in einen Investmentfonds einfließen lassen, der den gesamten Reichtum und die Vermögenswerte der Bank enthält (mit Ausnahme des Teils, der dem Eigenkapital entspricht.) Nach der Periode, während der die Deponenten ihren Wunsch ausdrücken können, entweder Deponenten zu bleiben oder stattdessen Anteile an den in der Folge der Reform konstituierten Investmentfonds zu erwerben, sollte die Zentralbank wie von Frank H. Knight empfohlen 98 Geldscheine in einer Höhe drucken, welche der Gesamtmenge der Sichteinlagen und ihrer Äquivalente in den Bilanzen aller von der Zentralbank kontrollierten Banken entspricht (mit Ausnahme der Summe, welche durch die obige Tauschoption repräsentiert wird.) Die Notenemission durch die Zentralbank wäre eindeutig nicht inflationär, denn der einzige Zweck dieser Handlung wäre es, die Gesamtsumme der Sichteinlagen (und ihrer Äquivalente) zu decken und jede einzelne Bank würde Banknoten in einer Höhe erhalten, die ihren Depositen genau entspricht.
selbst wenn sie keine Zinsen einbringen. Die Tatsache, dass in Teildeckungsbanksystemn die Depositen mit Darlehen verwechselt worden sind, macht es aus unserer Sicht ratsam, den Depoenten in einem angemessenen Zeitrahmen die Möglichkeit zu geben, die Depositen in Anteile an Investmentfonds umzutauschen, die sich aus den Vermögenswerten der Bank zusammensetzen. Auf diese Weise würde es klar werden, welche Depositen subjektive als Geld betrachtet werden und welche als echte Darlehen, die einen vorübergehenden Verfügbarkeitsverlust mit sich bringen, angesehen werden. Zudem würden massive, störende und unnötige Transfers von Depositen in Investmentfondsanteil nach Abschluß der Reform verhindert. Wie Ludwig von Mises herausstellt: The deposits subject to cheques have a different purpose [than the credits loaned to banks]. They are the business man’s cash like coins and bank notes. The depositor intends to dispose of them day by day. He does not demand interest, or at least he would entrust the money to the bank even without interest. (Mises, Money, Method and the Market Process, S. 108; Hervorhebung hinzugefügt) 98 The necessary reserve funds will be created by printing paper money and putting it in the hands of the banks which need reserves by simple gift. Even so, of course, the printing of this paper would be non-inflationary, since it would be immobilized by the increased reserve requirements. (Hart, “‘The Chicago Plan’ of Banking Reform,” S. 105– 06, und Fußnote 1 auf S. 106, auf der Hart seinen Vorschlag Frank H. Knight zuschreibt.)
EINE ÜBERSICHT DER FÜNF STUFEN IM BANKREFORMPROZESS GRAPHIK IX-1 Systeme mit einem vollkommen privaten Finanz- und Bankensektor
Mischsysteme
Systeme mit zentraler Planung im Finanz- und (den Rechtsprinzipien unterworfen) Bankensektor 5. Stufe
4. Stufe
1. Vollkommene Bankfreiheit 1. Abschaffung der Zentralbank (den Rechtsprinzipien
3. Stufe 1. Unabhängige Zentralbank;
(Bankfreiheit). Tausch des gesamten Geldmengenregel:
1.Unabhä Zentralba
unterworfen; 100-prozentige Gelds (Noten und Depositen) gegen Geldmengenwachstum
Geldmen
Reservepflicht). Wahlfreiheit Gold. Wahlfreiheit der Währung.
ungefähr 2%. 100-prozentige
Geldmen
der Währung. (Wird Gold die
Reservepflicht im Bankwesen das den
Oberhand behalten?)
(Bankiers werden
Produktiv
Fondsmanager)
übersteig 6%.
2. Internationale Verbreitung 2. Internationale Vereinbarung zur
2. Internationale Kooperation 2. Interna
und Konsolidierung der
Einführung eines reinen
Kooperat
Reform.
Goldstandards und einer 100-
Bankang
prozentigen Reservepflicht. 3. Ein einziger weltweiter
3. Ein einziger weltweiter
3. Feste (jedoch anpassbare)
3. Feste (
Geldstandard.
Geldstandard (Äquivalent zu festen
Wechselkurse
anpassba
Wechselkursen)
Wechselk
4. Keine Kreditausweitung.
4. Keine Kreditausweitung. Leichte, 4. Keine Kreditausweitung.
4. Moder
Leichte, kontinuierliche
beständige „Deflation“. (Ein Anstieg (Geldmengenwachstum
Kreditau
„Deflation.“
der Goldproduktion kann anfänglich finanziert Teil der
moderate
einen inflationären Schock erzeugen) Staatsausgaben) „Stabiler“ Geldwert. 5. Konstant nachhaltiges
5. Nachhaltiges Wachstum. Keine
5. Praktische Eliminierung der 5. Moder
Wirtschaftswachstum.
Aktienmarktkrisen und keine
Aktienmarktkrisen und
Aktienm
Wirtschaftsrezessionen.
Wirtschaftsrezessionen
Wirtscha
Am wenigsten kontrollierte Systeme ←-------------------------------------------------------------------------------------- Am Stärksten kontrollierte Systeme Europäische Währungsunion
USA
Auf diese Weise könnte unverzüglich eine 100-prozentige Reservepflicht eingeführt werden. Es
sollte den Banken verboten, werden weitere Darlehen gegen Sichteinlagen zu vergeben. In jedem Fall müssten Sicheinlagen immer perfekt durch eine Reserve (in Form von der Bank gehaltenen Noten) gedeckt sein, die genau der Gesamtsumme der Sichteinlagen und ihrer Äquivalenten entspricht. Wir sollten darauf hinweisen, dass Hart vorschlägt, dass das neue von der Zentralbank zur Depositendeckung gedruckte Papiergeld den Banken als ein Geschenk übergeben wird. Falls dies geschieht, ist es offensichtlich, dass die Bankbilanzen einen enormen Überschuss refklektieren werden, der genau der Summe der Sichteinlagen entspricht, die zu 100 Prozent durch Reserven gedeckt sind. Wir wollen uns nun fragen, wem die Gesamtsumme der Bankvermögenswerte, welche ihr Eigenkapital übersteigt, gehören sollte. Denn die von uns gerade beschriebene Operation offenbart, dass die Privatbanken, die mit einer Teildeckung operierten, in der Vergangenheit Zahlungsmittel in der Form von Darlehen ex nihilo produziert haben, und diese Darlehen es den Banken ermöglicht haben, sich fortschreitend Reichtümer vom Rest der Gesellschaft anzueignen. Wenn wir einmal die Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben der Banken jeden Jahres berücksichtigen, ist der aggregierte Reichtum, den sich das Bankensystem auf diese Weise (durch einen Prozess, der die Wirkungen einer Steuer hat, genauso wie es die Inflation für die Regierung tut) angeeignet hat, ist genau gleich den Vermögenswerten, welche die Banken in Form von Grundbesitz, Bürogebäuden, Ausstattung und vor allem in Form ihrer Investitionen in Darlehen für Industrie und Handel, in Wertpapiere, die sie an der Börse und anderswo gekauft haben und in die von der Regierung ausgegebenen Staatsanleihen, halten.99 Hart´s Vorschlag, dass der Kern der Reform darin bestehen sollte, den Banken einfach die 99 Mises stellte als erster fest, dass Banknoten und Depositen, welche aus dem Nichts durch das Teildeckungsbankensystem geschaffen werden, einen Reichtum generieren, der als Gewinn für die Banken selbst betrachtet werden könnte. Wir haben diese Idee in Kapitel 4 erklärt, als wir zeigten, dass derartige Depositen eine unbegrenzte Finanzierungsquelle bieten. Die Tatsache, dass in den Rechnungsbüchern die ex nihilo geschaffenen Darlehen den ebenfalls ex nihilo geschaffenen Depositen entsprechen, verbirgt eine fundamentale wirtschaftliche Realität vor der allgemeinen Öffentlichkeit: Depositen sind letztlich Gelder, welche niemals aus der Bank abgezogen werden und die Bankvermögenswerte stellen eine große Masse an Reichtümern dar, welche vom Rest der Gesellschaft enteignet wurden und von denen die Bankinstitutionen und ihre Aktionäre ausschließlich profitieren. Kurioserweise haben die Bankiers selbst diese Tatsache schließlich implizit oder explizit anerkannt, wie Marx schreibt: Soweit die Bank Noten ausgibt, die nicht durch den Metallschatz in ihren Gewölben gedeckt sind, kreiert sie Wertzeichen, die nicht nur Umlaufsmittel, sondern auch zusätzliches - wenn auch fiktives - Kapital für sie bilden zum Nominalbetrag dieser ungedeckten Noten. Und dies Zusatzkapital wirft ihr einen zusätzlichen Profit ab. - B. A. 1857 fragt Wilson den Newmarch: 1563. "Die Zirkulation der eignen Banknoten einer Bank, d.h. der durchschnittlich in den Händen des Publikums verbleibende Betrag, bildet einen Zusatz zum effektiven Kapital jener Bank, nicht wahr? - Ganz gewiß." - 1564. "Aller Profit also, den die Bank aus dieser Zirkulation zieht, ist ein Profit, der vom Kredit und nicht von einem von ihr wirklich besessenen Kapital herstammt? - Ganz gewiß." (S. 557; Hervorhebung hinzugefügt) Mithin kommt Marx zu dem Schluss: Wir sehn hier also, wie die Banken Kredit und Kapital kreieren: 1. Durch Ausgabe eigner Banknoten; 2. durch Ausstellung von Anweisungen auf London mit bis zu 21 Tagen Laufzeit, die ihnen aber bei Ausstellung gleich bar bezahlt werden; 3. durch Wegzahlung diskontierter Wechsel, deren Kreditfähigkeit zunächst und wesentlich, wenigstens für den betreffenden Lokalbezirk, durch das Endossement der Bank hergestellt wurde. (Karl Marx, in Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 25, "Das Kapital", Bd. III, Fünfter Abschnitt, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983 )
Notensumme zu geben, welche sie brauchen, um eine 100-prozentige Reservedeckung zu erreichen, ist eine schwer zu schluckende Pille. Diese Methode würde die Vermögenswerte, welche gegenwärtig in den Büchern der privaten Banken die Depositen decken, überflüssig machen. Sie würden daher aus buchhalterischer Sicht automatisch als Eigentum der Aktionäre der Banken angesehen werden. Murray N. Rothbard hat auch diese Lösung befürwortet100, die nicht fair erscheint. Denn wenn eine Gruppe von Wirtschaftssubjekten im Laufe der Geschichte Vorteile aus dem Privileg der expansiven Darlehensvergabe ohne Deckung durch reale Ersparnisse gezogen hat, sind es genau die Aktionäre der Banken gewesen (in dem Ausmaß, in dem die Regierungen nicht zur gleichen Zeit die Gewinne dieser extrem lukrativen Aktivität enteignet haben, und damit die Banken dazu zwangen, einen Teil der von ihnen geschaffenen Geldmenge der Finanzierung des Staates selbst zu widmen). Die Vermögenswerte der privaten Banken können und sollten an eine Reihe von Wertpapierfonds übergeben werden. Das Management dieser Fonds sollte die Hauptaktivität der privaten Bankinstitutionen nach der Reform werden. Wer sollte der Eigentümer der Anteile an diesen Investmentfonds werden, welche zum Zeitpunkt ihres Eintausches einen Wert haben, welcher der Gesamtsumme der Vermögenswerte des Bankensystem entspricht (mit Ausnahme derer, welche mit dem Eigenkapital der Aktionäre korrespondieren)? Wir schlagen vor, dass die Anteile an den neuen Investmentfonds, die mit den Vermögenswerten des Bankensystems kreiert werden, in allen Ländern mit einer hohen Staatsschuld gegen die ausstehenden Staatsanleihen getauscht werden. Die Idee ist ganz einfach: die Eigentümer der Staatsanleihen würden im Tausch für diese die entsprechenden Anteile an den Investmentfonds erhalten, welche mit den Vermögenswerten des Bankensystems gegründet werden.101
100 Zum Übergang zu einer 100-prozentigen Reservepflicht siehe Rothbard, The Mystery of Banking, S. 249-69. Im Allgemeinen stimmen wir dem von Rothbard formulierten Übergangsprogramm zu. Wir lehnen jedoch das Geschenk, welches er für die Banken vorsieht, ab. Dieses Geschenk würde es ihnen nämlich erlauben, die Vermögenswerte zu behalten, welche sie im Laufe der Geschichte von der Gesellschaft enteignet haben. Unserer Meinung nach wäre es vollkommen gerechtfertigt, diese Vermögenswerte für andere, von uns im Text angesprochenen Ziele zu verwenden. Rothbard selbst erkennt diesen Schwachpunkt in seiner Argumentation an, wenn er schreibt: The most cogent criticism of this plan is simply this: Why should the banks receive a gift, even a gift in the process of privatizing the nationalized hoard of gold? The banks, as fractional reserve institutions are and have been responsible for inflation and unsound banking. (S. 268) Rothbard scheint der Lösung seines Buches zugeneigt zu sein, weil er sicherstellen will, dass sowohl Noten als auch Depositen eine 100-prozentige Deckung erfahren; und nicht nur Noten, was offensichtlich deflationär wäre. Nichtsdestoweniger scheint er nicht die von uns im Text vorgeschlagene Idee bedacht zu haben. Wir sollten weiterhin daran erinnern, dass, wie wir am Ende von Fußnote 89 angedeutet haben, Rothbard kurz vor seinem Tod seine Meinung änderte und vorschlug, dass nur im Umlauf befindliche Noten gegen Gold getauscht würden (und nicht auch die Bankdepositen). 101 Idealerweise würde der Tausch zu den jeweiligen Marktpreisen von Staatsanleihen und den Anteilen an den entsprechenden Investmentfonds erfolgen. Diese Ziel würde es erfordern, dass diese Fonds einige Zeit bevor der Tausch stattfindet, geschaffen und auf dem Markt platziert werden (vor allem das Fondsvolumen jener Deponenten, die sich zuvor dafür entschieden haben, Anteilseigner zu werden und damit aufhört haben Deponenten zu sein.)
Dieser Schritt würden einen Großteil (wenn nicht alle) von der Regierung emittierten Anleihen eliminieren und damit alle Bürger begünstigen, denn von diesem Zeitpunkt an, würden sie nicht mehr länger Steuern zahlen müssen, um die Zinszahlungen auf diese Schulden zu finanzieren. Weiterhin würde sich dieser Schritt nicht negativ auf die gegenwärtigen Eigentümer der Staatsanleihen auswirken, denn ihrer festverzinslichen Wertpapiere würden durch Investmentfondsanteile ersetzt, die zum Zeitpunkt der Reform einen anerkannten Marktwert und Rendite haben.102 Weiterhin gibt es andere Verbindlichkeiten des Staates (beispielsweise auf dem Gebiet der staatlichen Rentenversicherung), welche in Anleihen konvertiert werden und auch gegen Anteile an den neuen Investmentfonds getauscht werden könnten; entweder Anstelle oder zusätzlich der Staatsanleihen mit höchst vorteilhaften wirtschaftlichen Auswirkungen. Graphik IX-2 zeigt eine Aufgliederung der verschiedenen buchhalterischen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, welche in der konsolidierten Bilanz des Bankensystems erscheinen würden, sobald alle Bankdepositen durch eine 100-prozentige Reserve gedeckt sind und die Investmentfonds mit Hilfe der Vermögenswerte des Systems geschaffen worden sind. Von diesem Zeitpunkt an würden die Bankaktivitäten lediglich darin bestehen, die mit ihren Vermögenswerten geschaffenen Investmentfonds zu managen, und die Bankiers könnten neue Darlehen erhalten (in Form von neuen Anteilen an diesen Fonds) und diese investieren, wobei sie einen niedrigen Prozentsatz als Gebühr für das Management dieser Art von Operationen erheben würden. Die Bankiers könnten auch weiterhin sich in anderen (legitimen) Aktivitäten engagieren, welche sie in der Vergangenheit immer unternommen haben (die Erbringung von Zahlungsverkehrs-, Auszahlungs- und Kontoführungsleistungen, Überweisungen, etc.) und sie könnten den entsprechenden Marktpreis für diese Leistungen erheben. In jedem Fall würde die internationale Kooperation (und die festen, jedoch anpassbaren Wechselkurse) weiterhin in dieser dritten Stufe bestand haben und sobald die Depositen mit einer 100-prozentigen Reserve gedeckt sind, würde die Kreditausweitung vollkommen zu existieren aufhören. Wie wir gezeigt haben, würde die Zentralbank darauf beschränkt, die Geldmenge in einem geringen Prozentsatz zu erhöhen und diese Erhöhung zur Finanzierung eines Teils der 102 Beispielsweise beliefen sich 1997 in Spanien die Gesamtsumme von Depositen und Äquivalenten auf sechzig Billionen Peseten (ungefähr 60 Prozent des BNP) und die ausstehenden Staatsanleihen in Händen von Individuen summierten sich auf rund vierzig Billionen. Daher könnte der von uns vorgeschlagene Tausch ohne ein größeres Trauma durchgeführt werden. Er würde die Rückzahlung aller Staatsanleihen auf einen Schlag ermöglichen ohne die Eigentümer der Staatsanleihen zu benachteiligen oder unnötige inflationäre Spannungen zu erzeugen. Gleichzeitig müssen wir uns vergegenwärtigen, dass Banken einen großen Anteil aller bestehenden Staatsanleihen halten und daher für diese Anleihen statt eines Tauschs eine einfache Streichung in den Büchern vorgenommen werden würde. Die Differenz zwischen den sechzig Billionen Peseten in Sichteinlagen und Äquivalenten, welche durch eine 100prozentige Reserve gedeckt wären, und den vierzig Billionen Peseten an Anleihen könnte für einen ähnlichen, teilweisen Tausch gegen andere finanzielle Verbindlichkeiten des Staates (beispielsweise auf dem Gebiet der staatlichen Rentenverpflichtungen) verwendet werden. In jedem Fall wäre die für diese Art von Tausch verfügbare Summe jene, welche übrig bleibt, nachdem die Beträge abgezogen worden sind, welche den Eigentümer von Depositen zustehen, welche sich freiwillig dazu entschlossen haben, ihre Depositen gegen Anteile gleichen Werts an den obigen Investmentfonds einzutauschen.
Staatsausgaben zu benutzen, wie es Maurice Allais vorschlägt.103 In keinem Fall würde dieses neue Geld dazu verwendet, Offenmarktkäufe vorzunehmen oder direkt die Kredite zu expandieren. Dies war auf zügellose Manier bei dem fehlgeschlagenen Versuch zur Bankreform in Argentinien unter General Perón geschehen. Die oben beschriebenen Reformen würden zu einer beinahe vollkommenen Eliminierung von Aktienmarktkrisen und Wirtschaftsrezessionen führen. Von diesem Zeitpunkt an würde das Verhalten von Sparern und Investoren im Markt sehr eng miteinander koordiniert sein. Die Einführung einer 100-prozentigen Reservepflicht ist eine notwendige Bedingung für die endgültige Abschaffung der Zentralbank, was in der vierten Stufe geschehen würde. Sobald das Privatbankwesen den Rechtsprinzipien unterworfen wird, sollte in der Tat eine vollkommene Bankfreiheit gefordert und die verbliebene Zentralbankgesetzgebung könnte genauso wie die Zentralbank selbst eliminiert werden. Die würde das Ersetzen des heutigen Zwangsgelds, welches nur die Zentralbank emittieren kann, durch eine Form privaten Geldes erfordern. Es ist unmöglich, einen Sprung ins Ungewisse zu unternehmen und einen künstlichen Geldstandard zu etablieren, der nicht durch einen evolutionären Prozess entstanden ist. Daher sollte die neue Geldform in der Substanz bestehen, welche die Menschheit historisch als das Gold par excellence betrachtet hat: Gold.104 103 Maurice Allais fordert nicht nur, dass das monetäre Wachstum zur Finanzierung der laufenden Staatsausgaben verwendet wird (was die direkten Steuern und vor allem die Einkommensteuer verringern würde), sondern auch dass das Depositenbankgeschäft (mit einer 100-prozentigen Reservedeckung) radikal vom Investmentbankgeschäft, welches die Vergabe von Geldern, welche die Bank zuerst von ihren Kunden geliehen bekommen hat, an dritte Parteien involviert, getrennt wird. Vgl. Allais, “Les conditions monétaires d’une économie de marchés.” Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Übergangsmaßnahmen, die Mauric Allais vorschlägt, ist auf den S. 319-20 des Buchs, L’Impôt sur le capital et la réforme monétaire, zu finden. Die Trennung von Depositenbankgeschäft und Investmentbankgeschäft wird auch von Hayek in seinem Werk, Die Entnationalisierung des Geldes, verteidigt. 104 Die Unmöglichkeit des Ersetzens des heutigen Zwangsgelds durch künstliche, private Geldstandards folgt aus dem Regressionstheorem des Geldes, welches wir in Fußnote 35 erklärten. Aus diesem Grund ist Murray N. Rothbard besonders kritisch mit Autoren, die wie Hayek, Greenfield, und Yeager, zuweilen empfohlen haben, ein künstliches Geldsystem basierend auf einem Warenkorb zu schaffen. Rothbard schreibt: It is precisely because economic history is path-dependent that we don’t want to foist upon the future a system that will not work, and that will not work largely because such indices and media cannot emerge “organically” from individual actions on the market. Surely, the idea in dismantling the government and returning (or advancing) to a free market is to be as consonant with the market as possible, and to eliminate government intervention with the greatest possible dispatch. Foisting upon the public a bizarre scheme at variance with the nature and functions of money and of the market, is precisely the kind of technocratic social engineering from which the world has suffered far too much in the twentieth century. (Rothbard, “Aurophobia: or Free Banking on What Standard?” S. 107 Fußnote 14) Rothbard wählte diesen kuriosen Titel für seinen Aufsatz, um die Aufmerksamkeit auf die starrsinnigen Anstrengungen vieler Theoretiker zu lenken, in ihren mühseligen Studien auf der Suche nach einer idealen privaten Geldform auf Gold (historisch die typischste Geldform) zu verzichten. Zu Richard H. Timberlake’s Kritik des Regressionstheorem des Geldes (“A Critique of Monetarist and Austrian Doctrines on the Utility and Value of Money,” Review of Austrian Economics 1 [1987]: 81–96), vgl. Murray N. Rothbard’s Aufsatz, “Timberlake on the Austrian Theory of Money: A Comment,” veröffentlicht in Review of Austrian Economics 2 (1988): 179–87. Wie Rothbard scharfsichtig klarstellt, behauptet Timberlake resolut, dass Geld einen direkten, subjektiven Nutzen besitzt, wie jedes andere Gut. Timberlake erkennt jedoch nicht, dass Geld anders als Konsumgüter oder Zwischenprodukte nur als Tauschmittel Nutzen generiert und daher sein absolutes Volumen im Hinblick auf das Erfüllen dieser Funktion irrelevant ist. Daher müssen wir zum „Regressionstheorem des Geldes“ zurückkehren (welches einfach eine rückblickende Version von Menger´s Theorie des evolutionären Entstehens des Geldes ist), um zu erklären, wie Wirtschaftssubjekte heute die Kaufkraft des Geldes aus Basis der Kaufkraft, die es in der Vergangenheit besessen hat, schätzen. Dies ist der Schlüssel zur Vermeidung eines Zirkelschlusses auf diesem Gebiet.
Murray N. Rothbard hat beträchtliche Überlegungen auf den Prozess des Tausches von Gold gegen die Gesamtheit der von der Federal Reserve emittierten Noten verwendet. Basierend auf den Daten von 1981 kommt Rothbard zu dem Schluss, dass dieser Tausch bei einem Goldpreis von 1.696$ je Unze gelingt. Während der vergangenen fünfzehn Jahre ist der Preis, zu dem dieser Tausch gelingt, beträchtlich gestiegen. Wenn wir mithin berücksichtigen, dass der gegenwärtige [1997] Goldpreis ungefähr 350$ pro Unze beträgt, ist es klar, dass in einem Land mit einer Wirtschaft, die so groß wie die der Vereinigten Staaten ist, eine vollständige Privatisierung des Zwangsgeldes und seine Ersetzung durch Gold beinahe einen zwanzigfachen Anstieg im gegenwärtigen Marktpreises des Goldes erforderlich machen würde.105 Dieser scharfe Anstieg des Goldpreises würde zunächst sein Angebot steigern und vielleicht einen inflationären Schock verursachen, den wir kaum quantifizieren können. Er würde jedoch nur einmal gespürt werden und keine akuten, verzerrenden Effekte auf die reale Produktionsstruktur auslösen.106
105 Rothbard, “The Case for a Genuine Gold Dollar,” Kapitel 1 von The Gold Standard: An Austrian Perspective, S. 14; vgl. zudem “The Solution,” S. 700. 106 Mithin ist es unnötig und schädlich den 1937 von F.A. Hayek gemachten Vorschlag zu implementieren. Hayek kam dort im Hinblick auf eine 100-prozentige Reservepflicht für das Bankwesen im Kontext eines reinen Goldstandards zu dem Schluss: [I]t would clearly require as an essential complement an international control of the production of gold, since the increase in the value of gold would otherwise bring about an enormous increase in the supply of gold. But this would only provide a safety valve probably necessary in any case to prevent the system from becoming all too rigid. (Hayek, Monetary Nationalism and International Stability, S. 82) In jedem Fall könnte der anfängliche Schock reduziert werden, wenn während der Jahre, die dem Übergang zur fünften Stufe vorangehen, die Zentralbanken ihren 2-prozentigen Anstieg in der Geldmenge in Form von Offenmarktkäufen von Gold injizieren würden.
Graphik IX-2 Die konsolidierte Bilanz des Bankensystems (in dem Banken lediglich zu Fondsmanagern werden) Vermögenswerte
Vermögenswerte, die dem Eigenkapital der Eigentümer entsprechen (Eigentum der Bankaktionäre).
Banknoten, die produziert werden, um die Gesamtsumme der Depositen zu decken und den Banken übergeben werden, sodass sie ab dem Beginn der Reform eine 100-prozentige Reservedeckung haben.
Die Gesamtsumme aller anderen Bankvermögenswerten, welche an die Investmentfonds transferiert und von den Banken gemanagt werden. (Die Staatsanleihen, welche die Banken halten, werden in den Büchern gestrichen).
Verbindlichkeiten
Das Eigenkapital der Eigentümer vor der Reform (Eigentum der Bankaktionäre) =
=
=
Die Summe der Sichteinlagen und ihrer Äquivalente, die auf Wunsch ihrer Eigentümer nicht gegen Anteile an dem Fonds getauscht werden. (Die größte Position der Buchverbindlichkeiten der Banken vor der Reform)
Die Summe der neuen Fondsanteile, welche die ausstehenden Staatsanleihen ersetzen und falls möglich benutzt werden, um ganz oder teilweise andere Staatsverbindlichkeiten zu liquidieren (Staatliche Renten, etc.)
SUMME AKTIVA
=
SUMME PASSIVA
Die gesamte M (Geldmenge) ist vor und nachdem die Sichteinlagen 100-prozentig in der Form von Banknoten gedeckt sind dieselbe.
Die fünfte und letzte Stufe bei der Privatisierung des Finanz- und Banksystems würde beginnen, wenn die Bedingungen der Goldproduktion und Distribution sich stabilisiert hätten. Diese letzte Stufe würde durch eine absolute Bankfreiheit charakterisiert, obgleich das System den Rechtsprinzipien und daher einer 100-prozentigen Reservepflicht für Sichteinlagen unterworfen wäre. Außerdem würde das System sich durch einen einzigen, weltweiten Goldstandard mit einer 100-prozentigen Reservedeckung in einem Umfeld leichter, gradueller „Deflation“ und nachhaltigem Wirtschaftswachstums auszeichnen. In jedem Fall würde der evolutionäre Prozess des Experimentierens auf dem Feld des Geldes und der Finanzen weitergehen und es ist unmöglich vor herzusagen, ob Gold weiterhin die Währung sein wird, welche durch den Markt als Tauschmittel gewählt wird oder ob künftige Änderungen in den sozialen Umständen spontan durch einen Evolutionsprozess zur Entstehung eines alternativen Standards führen würden. In dieser fünften und letzten Stufe, in der sich ein einziger Goldstandard in der Welt ausbreitet, ist es ratsam für die verschiedenen Ländern eine internationale Vereinbarung zu treffen, die darauf ausgelegt ist, zu verhindern, dass der Übergangsprozess unnötige, reale Effekte zeitigt (abgesehen von dem anfänglichen inflationären Schock, der unvermeidbar ist, da der Sprung des Goldpreis einen ansteigenden Zustrom des Metalls auf den Markt auslösen würde). Eine derartige Vereinbarung würde die vorangehende Schaffung einer Struktur fester Wechselkurse zwischen allen Währungen festlegen. Dies würde es möglich machen, das gesamte Weltangebot von Umlaufsmitteln einheitlich zu bewerten und unter den Wirtschaftssubjekten und privaten Banken das Gold, welches von den Zentralbanken der Welt gehalten wird, umzuverteilen. Diese Umverteilung würde genau in Proportion zu der Summe der Depositen und Noten in jedem Land erfolgen. Damit wäre die letzte Stufe der Privatisierung des Bank- und Finanzsektors abgeschlossen und die Wirtschaftssubjekte würden den spontanen Marktprozess des Experimentierens auf dem Gebiet des Geldes und der Finanzen wiederaufnehmen; ein Prozess, der in der Geschichte durch die Nationalisierung des Geldes und die Schaffung und Stärkung der Zentralbanken unterbrochen worden war. DIE ANWENDUNG DER THEORIE DER BANK- UND FINANZREFORM AUF DIE EUROPÄISCHE WÄHRUNGSUNION UND DIE SCHAFFUNG DES FINANZSEKTORS IN DEN VOLKSWIRTSCHAFTEN DES EHEMALIGEN OSTBLOCKS Die obigen Bemerkungen zur Reform des westlichen Bank- und Finanzsystems können beim Design und Management der Europäischen Währungsunion, einem Thema, welches gegenwärtig großes Interesse unter den Spezialisten dieses Feldes hervorruft, hilfreich sein.107 Diese
107 Siehe beispielsweise das Buch, España y la unificación monetaria europea: una reflexión crítica, Ramón Febrero, Hrsg. (Madrid: Editorial Abacus, 1994). Andere relevante Arbeiten zu dieser Debatte beinhalten: Pascal
Betrachtungen geben zumindest einen Hinweis auf die Richtung, welche eine europäische Währungsreform egal zu welchem Zeitpunkt nehmen sollte, und die Gefahren, die es dabei zu meiden gilt. Es ist evident, dass wir einem System aus dem Weg gehen sollten, in dem monopolistische nationale Währungen miteinander in einem chaotischen Umfeld flexibler Wechselkurse konkurrieren.Weiterhin sollten wir die Aufrechterhaltung einer europäischen Zentralbank vermeiden, welche den Wettbewerb von Währungen in einer großen Wirtschaftszone verhindert, nicht die Anforderungen einer Bankreform (100-prozentige Reservepflicht) erfüllt, nicht einen Level von monetärer Stabilität garantiert, der zu jedem Zeitpunkt der Geschichte mindest so hoch ist wie jener der stabilsten nationalen Währung, und kurzum ein unüberwindbares Hindernis für nachfolgende Reformen darstellt, d.h. die Eliminierung der zentralen Planungsbehörde der Finanzwesens (die Zentralbank). Daher ist auf kurze und mittlere Sicht das praktikabelste und angemessenste Modell die Einführung einer vollkommenen Wahlfreiheit der Währungen in Europa. Dabei bezieht sich die Wahlfreiheit sowohl auf staatliche und private Währungen als auch auf Währungen, die innerhalb und außerhalb der Union ihren Ursprung haben. Die nationalen Währungen, die aus Traditionsgründen noch in Gebrauch sind, würden durch ein System fester Wechselkurse108 ersetzt werden, in dem die Geldpolitik der Staaten der solventesten und stabilsten Geldpolitik angepasst wird, die von einem Land der Union zu jedem Zeitpunkt verfolgt wird. Mithin bliebe zumindest die Tür für die Möglichkeit offen, dass Nationalstaaten der Europäischen Union in der Zukunft auf den drei fundamentalen Feldern der Geld- und Bankreform (Wahlfreiheit der Währung, Bankfreiheit, und einer 100-prozentige Reservepflicht für Sichteinlagen) voran schreiten. In dem sie dies tun, würden diese Staaten, so wie es Maurice Allais behauptet, andere Mitglieder der Union dazu zwingen, ihrer starken Führung auf dem Gebiet des Geldes zu folgen. Sobald die Europäische Zentralbank am 1. Juni 1998 geschaffen wurde, wurde es wichtig, dass die Kritik an dieser Institution und an der einzigen Europäischen Währung sich auf die Distanz dieses Systems von dem Ideal eines reinen Goldstandards und einer 100-prozentigen Reserverpflicht konzentriert. Viele libertäre Gelehrte (vor allem jene der Chicago Schule) haben irrtümlicherweise
Salin, L’unité monétaire européenne: au profit de qui? (Paris: Economica, 1980); und Robin Leigh Pemberton, The Future of Monetary Arrangements in Europe (London: Institute of Economic Affairs, 1989). Zu den verschiedenen Ideen zu Europa und der Rolle seiner Nationen siehe Jesús Huerta de Soto, “A Theory of Liberal Nationalism,” Il Politico LX, no. 4 (1995): 583–98. 108 Die Empfehlung fester Wechselkurse ist traditionell unter Österreichischen Ökonomen, welche diese als zweitbeste Lösung auf der Suche eines idealen Geldsystems ansehen. Das ideale Geldsystem würde in einem reinen Goldstandard bestehen, in dem die wirtschaftlichen Ströme frei von unnötigen monetären Störungen wären. Eine erschöpfende österreichische Analyse von festen Wechselkursen erscheint in Hayek´s Buch, Monetary Nationalism and International Stability. Auch Mises verteidigt feste Wechselkurse (vgl. sein Buch , Omnipotent Government: The Rise of the Total State and Total War [New York: Arlington House, 1969], S. 252, und auch Nationalökonomie, S. 665–891). Eine wertvolle Analyse aus österreichischer Sicht der ökonomischen Theorie zugunsten fester Wechselkurse kann in José Antonio de Aguirre´s Buch La moneda única europea (Madrid: Unión Editorial, 1990), S. 35ff.
ihre Kritik auf die Tatsache fokussiert, dass das neue Arrangement das vorherige System des monetären Nationalismus und flexibler Wechselkurse abschafft. Jedoch würde ein einziger europäischer Geldstandard, der so starr wie nur möglich ist, einen gesunden Schritt hin zu einem reinen Goldstandard repräsentieren. Weiterhin würde dieser Schritt den institutionellen Rahmen des europäischen Freihandelssystem komplementieren, da er eine monetäre Beeinflussung und Manipulation seitens der Mitgliedsstaaten ausschließen und jene Staaten mit starreren Wirtschaftsstrukturen (zum Beispiel Deutschland und Frankreich) dazu zwingen würde, die Flexibilität einzuführen, welche sie brauchen, um in einem Umfeld zu konkurrieren, in dem der Rückgriff auf eine inflationäre, nationale Geldpolitik zur Kompensation von strukturellen Starrheiten keine Option mehr ist. Ähnliche Gedanken könnten zur notwendigen Errichtung eines Finanz- und Banksystems in den Volkswirtschaften des ehemaligen Ostblocks Anwendung finden. Obzwar wir anerkennen müssen, dass diese Volkswirtschaften nach Jahrzehnten zentraler Planwirtschaft von einer sehr ungünstigen Position aus starten, bietet der gegenwärtige Übergang zu einer Marktwirtschaft eine einmalige und äußerst wichtige Möglichkeit, um die großen Fehler zu vermeiden, welche im Westen bis heute begangen worden sind und direkt zumindest auf die dritte oder vierte Stufe unseres Reformplans vorzustoßen. Gleichzeitig würde ein direkter Sprung auf die vierte Stufe für die ehemalige Sowjetunion ganz praktikabel sein. Ihre reichlichen Goldreserven würden die Errichtung eines reinen Goldstandard erlauben. Diese Maßnahme würde diesen Nationen stark zugute kommen. In jedem Fall wird, wenn diese Ländern nicht aus der Erfahrung anderer lernen und versuchen, in misslicher Nachahmung des Westens ein Teildeckungsbankensystem geführt von einer Zentralbank zu errichten, der finanzielle Druck des jeweiligen Augenblicks zu einer Politik ungezügelter Kreditausweitung und enormen Schaden für die Produktionsstruktur führen. Eine derartige Politik wird eine fieberartige Spekulation fördern und ein Klima sozialer Unruhen schaffen. Dieses Klima könnte sogar den gesamten Übergang dieser Gesellschaften zu vollwertigen Marktwirtschaften gefährden.109
109 In Kapitel 6 (Fußnote 110) beziehen wir uns auf die schweren Bankkrisen, die bereits in Russland, der Czechischen Republik, Rumänien, Albanien, Lettland und Litauen wegen der Nichtbeachtung von Empfehlungen wie jene, welche wir im Text machen, ausgebrochen sind. Vgl. Richard Layard and Andrea Richter, “Who Gains and Who Loses from Russian Credit Expansion?” Communist Economies and Economic Transformation 6, Nr. 4 (1994): 459–72. Zu den verschiedenen Themen, welche die Pläne für Währungsreformen in den ex-kommunistischen Ländern behindern vgl. unter anderen Quellen, The Cato Journal 12, no. 3 (Winter, 1993). Siehe auch das Werk von Stephen H. Hanke, Lars Jonung, und Kurt Schuler, Russian Currency and Finance (London: Routledge, 1993). Die Autoren dieses Buches schlagen die Einführung eines Currency-Board-Systems als das Idealmodell für eine monetäre Transition der ehemaligen Sowjetunion vor. Aus den in Fußnote 91 gegebenen Gründen erachten wir diesen Reformplan für weniger angemessen als unseren Vorschlag zur Einführung eines reinen Goldstandards und einer 100-prozentigen Reservepflicht unter Benutzung der substantiellen russischen Goldreserven.
9. 6
SCHLUSSFOLGERUNG: DAS BANKENSYSTEM EINER FREIEN GESELLSCHAFT Die Theorie des Geldes, des Bankkredits und der Finanzmärkte stellt die größte theoretische Herausforderung für die Ökonomen zu Beginn des 21. Jahrhunderts dar. In der Tat ist es keine Übertreibung zu behaupten, dass sobald einmal die theoretische Lücke der Analyse des Sozialismus gefüllt worden war, vielleicht das wichtigste, jedoch am wenigsten verstandene Gebiet, das des Geldes war. Denn dieses Gebiet ist, wie wir durch das ganze Buch hindurch zu zeigen versucht haben, mit methodologischen Fehlern, theoretischer Konfusion und als eine Folge mit systematischen staatlichem Zwang beladen. Die sozialen Beziehungen, in denen Geld involviert ist, sind bei weitem die abstraktesten und unklarsten und das durch sie generierte Wissen ist das umfangreichste, komplexeste und am schwierigsten zu verstehende. Folglich ist der systematische durch den Staat und die Zentralbanken auf diesem Gebiet ausgeübte Zwang der bei weitem am Schaden bringendste. In jedem Fall hat der intellektuelle Rückstand auf dem Gebiet der Geld- und Banktheorie die Entwicklung der Weltwirtschaft stark beeinträchtigt, wie wir an den akuten, wiederkehrenden Zyklen von Aufschwung und Rezession ablesen können, welche weiterhin zum Anbruch des neuen Jahrtausends unsere Marktwirtschaften im Griff haben. Nichtsdestoweniger reichen, wie wir gesehen haben, ökonomische Betrachtungen zu Bankangelegenheiten recht weit zurück. Sie können sogar bis zu den Gelehrten der Schule von Salamanca zurückverfolgt werden. Weniger weit in der Vergangenheit treffen wir auf die Debatte zwischen Banking und Currency Schule. Diese Debatte legte das Grundgerüst für die Entwicklung der nachfolgenden Lehren. Wir haben eine Anstrengung unternommen, um zu zeigen, dass es keine vollständige Übereinstimmung zwischen der Bankfreiheitsschule und der Banking Schule auf der einen Seite und zwischen Zentralbanksschule und Currency Schule auf der anderen Seite gibt. Viele Vertreter der Bankfreiheit stützten ihre Position auf die fehlerhaften, unseriösen Argumente der Banking Schule und die meisten Theoretiker der Currency Schule wollten ihre Ziele der finanziellen Solvenz und wirtschaftlichen Stabilität mittels der Gründung einer Zentralbank zur Zügelung von Missbräuchen erreichen. Jedoch sahen es bestimmte fähige Theoretiker der Currency Schule es von Anfang an als unmöglich und utopisch an, zu glauben, dass die Zentralbank die entstandenen Probleme nicht weiter verschärfen würde. Diese Gelehrten waren sich dessen bewusst, dass der beste Weg zur Begrenzung der Umlaufsmittelschaffung und zur Erreichung einer monetären Stabilität ein Bankfreiheitssystem war, welches wie alle anderen Wirtschaftssubjekte den traditionellen Prinzipien des Privat- und Handelsrechts (d.h. einer 100-prozentigen Reservepflicht für Sichteinlagen) gehorchte. Paradoxerweise gelangten schließlich beinahe alle Verteidiger der
Banking Schule dahin, die Einführung einer Zentralbank freudig zu akzeptieren. Diese Zentralbank sollte als ein Kreditgeber letzter Instanz die expansiven Privilegien des privaten Bankensystems garantieren und weiterführen. In der Zwischenzeit versuchten die privaten Bankiers mit gesteigerter Entschlossenheit an dem lukrativen „Geschäft“ der Umlaufsmittelschaffung durch Kreditausweitung teilzuhaben, ohne zu viele Gedanken an Liquiditätsprobleme zu verwenden, da jederzeit Unterstützung durch die Zentralbank, den Kreditgeber letzter Instanz, angeboten wurde. Außerdem waren die Theoretiker der Currency Schule, obzwar sie beinahe mit all ihren theoretischen Beiträgen richtig lagen, nicht in der Lage zu sehen, dass jedes einzelne der Probleme, welche sie richtigerweise in der Freiheit der Privatbanken zur Umlaufsmittelemission in Form von Banknoten ausmachten, auch dem „Geschäft“ der expansiven Darlehensgewährung gegen Sichteinlagen bei den Banken inhärent ist. Jedoch sind diese Probleme in diesem Falle verborgenerer und verstohlenerer Art, was sie viel gefährlicher macht. Diese Theoretiker begingen einen weiteren Fehler, als sie behaupteten, dass die angemessenste Politik die Einführung einer Gesetzgebung wäre, welche lediglich die Freiheit zur nicht durch Gold gedeckten Notenausgabe abschafft und eine Zentralbank zur Verteidigung der fundamentalsten Geldprinzipien einsetzt. Nur Ludwig von Mises, welcher der Tradition von Modeste, Cernuschi, Hübner, und Michaelis folgte, war in der Lage zu erkennen, dass die Empfehlung einer Zentralbank seitens der Currency Schule ein Fehler und dass der beste und einzige Weg zur Aufrechterhaltung der soliden Geldprinzipien dieser Schule ein Bankfreiheitssystem war, das dem Privatrecht ohne Privilegien unterstand (d.h. mit einer 100-prozentigen Reservepflicht). Das Scheitern der Mehrheit der Theoretiker der Currency Schule erwies sich als fatal. Diese Theoretiker waren für das Tatsache verantwortlich, dass die Peelsche Bankakte von 1844, trotz ihrer ehrenwerten Intentionen, nicht die Schaffung von ungedeckten Depositen eliminierte, obgleich sie die Emission von ungedeckten Banknoten verbat. Weiterhin haben die Vertreter der Currency Schule auch die Institution eines Zentralbanksystems verteidigt, welches schließlich -hauptsächlich unter dem negativen Einfluss der Theoretiker der Banking School- dazu benutzt werden sollte, eine Politik der monetären Sorglosigkeit und der finanziellen Exzesse zu rechtfertigen; eine Politik, die viel törichter ist als jene, welcher diese Theoretiker ursprünglich Abhilfe schaffen wollten. Mithin kann die Zentralbank, verstanden als eine zentrale Planungsstelle im Bereich des Geldes und der Banken, nicht als ein natürliches Produkt der Evolution des freien Marktes betrachtet werden. Ganz im Gegenteil ist sie als Ergebnis des Versuchs der Regierungen von den höchst lukrativen Möglichkeiten im Teildeckungsbankwesen zu profitieren von Beginn an diktatorisch aufgezwungen worden. In der Tat sind die Regierungen von ihrer grundlegenden Funktion abgewichen, da sie
aufgehört haben, die Eigentumsrechte der Bankdeponenten adäquat zu definieren und zu verteidigen. Sie haben die praktisch unbegrenzten Möglichkeiten zur Geld- und Kreditschaffung ausgenutzt, welche ihnen die Einführung einer Teildeckung (für Noten und Depositen) eröffnet hat. Sie haben mithin in der Verletzung der Prinzipien des privaten Eigentumsrechts im Wesentlichen ihren ersehnten Stein der Weisen gefunden, der ihnen eine unbegrenzte Finanzierung geboten hat, ohne auf Steuern zurückgreifen zu müssen. Die Errichtung eines echten Bankfreiheitssystems muss sich mit der Wiedereinführung einer 100prozentigen Reservepflicht für als Sichteinlagen erhaltene Beträge überschneiden. Die originäre Vernachlässigung dieser Verpflichtung hat zu all den Bank- und Geldproblemen geführt, die das heutige Finanzsystem mit seinem hohen Level an Staatseingriffen zu Folge hatten. Letztlich ist eine wegweisende Idee von Hayek auf das Gebiet des Geldes und der Banken anzuwenden. Nach dieser Idee kommt es, wenn immer eine traditionelle Verhaltensregel entweder durch institutionellen staatlichen Zwang oder die Gewährung von speziellen Privilegien durch den Staat an bestimmte Personen oder Organisationen gebrochen wird, früher oder später zu schwerwiegenden und unerwünschten Konsequenzen, die dem spontanen Prozess der sozialen Kooperation ernsten Schaden zufügen. Wie wir in den ersten drei Kapiteln gesehen haben, ist die traditionelle Verhaltensregel, welche in das Bankgeschäft übergegangen ist, das Rechtsprinzip, dass sich die Verpflichtung zur sicheren Aufbewahrung - ein grundlegendes Element bei einem Depositum eines nicht vertretbaren Gutes (zum Beispiel Geld) - in der Pflicht manifestiert, jederzeit eine Reserve von 100 Prozent des vertretbaren als Depositum empfangenen Gutes (Geld) zu halten. Mithin impliziert jeder Gebrauch dieses Geldes, vor allem die Gewährung von Darlehen mit ihm, eine Verletzung dieses Prinzips und damit den illegitimen Akt der Veruntreuung. In jeder geschichtlichen Epoche sind Bankiers umgehend in Versuchung geführt worden und haben diese traditionelle Verhaltensregel gebrochen, in dem sie das Geld ihrer Deponenten für ihre eigenen Interessen genutzt haben. Zunächst taten sie dies heimlich und mit einem Schamgefühl, da sie sich noch der unehrenhaften Natur ihres Verhaltens bewusst waren. Erst später erreichten es die Bankiers die Verletzung des traditionellen Rechtsprinzips zu einer offenen und legalisierten Praxis zu machen, als sie von der Regierung das Privileg erhielten, das Geld ihrer Deponenten zu benutzen. Dies geschah beinahe immer in Form von Darlehen, welche zu Beginn oft direkt an die Regierung vergeben wurden. Mithin entstand eine Komplizenschaft und Interessenkoalition, welche zwischen Regierungen und Banken üblich geworden sind und das gegenwärtige „Verständnis“ und die „Kooperation“ zwischen diesen beiden Typen von Institutionen erklären. Ein derartiges Klima
der Kollaboration ist mit nur subtilen Unterschieden in allen westlichen Ländern in beinahe allen Umständen evident. Denn die Bankiers erkannten bald, dass die Verletzung des obigen traditionellen Rechtsprinzips zu einer Finanzaktivität führte, die ihnen zwar fette Gewinne einbrachte, die jedoch in jedem Fall die Existenz eines Kreditgebers letzter Instanz erforderte; einer Zentralbank, die in Krisenzeiten, zu denen es, wie es die Erfahrung lehrte, immer wieder früher oder später kam, die notwendige Liquidität bereitstellten. Die Zentralbank war also für die Koordination von gemeinsamen, abgestimmten Kreditausweitungen und für die Durchsetzung ihrer eigenen monopolistischen Währung als gesetzliches Zahlungsmittel für alle Bürger verantwortlich. Nichtsdestoweniger wurden die unglücklichen sozialen Konsequenzen dieses den Bankiers (jedoch keiner anderen Institution oder Individuum) gewährten Privilegs erst gänzlich verstanden, als Mises und Hayek die Österreichische Konjunkturtheorie entwickelten, welche sie auf der Geld- und Kapitaltheorie bauten, die wir in Kapitel 5 bis 7 analysiert haben. Kurzum haben die Österreichischen Ökonomen gezeigt, dass die Verfolgung des theoretisch unmöglichen Ziels (aus vertragstheoretischer und technisch-ökonomischer Sicht) des Angebots eines Vertrags mit fundamental inkompatiblen Elementen - ein Vertrag, welcher die Bestandteile eines typischen Investmentfonds (vor allem die Möglichkeit des Zinsertrags auf „Depositen) mit denen, welche für einen traditionellen Depositenvertrag typisch sind (welcher per Definition die jederzeitige Abhebung des Nominalwertes erlauben muss), kombiniert – immer früher oder später gewisse spontane Anpassungen auslösen wird. Zunächst nehmen diese Anpassungen die Form einer unkontrollierten Expansion der Geldmenge, Inflation und eine allgemein schlechte Allokation der Produktivkräfte auf mikroökonomische Ebene an. Letztendlich manifestieren sie sich in einer Rezession, der Beseitigung der Fehler, welche die Kreditausweitung der Produktionsstruktur zufügte, und Massenarbeitslosigkeit. Es ist wichtig zu verstehen, dass das Privileg, welches es den Banken erlaubt, mit einer Teildeckung zu arbeiten, einen klaren Angriff seitens der Regierungsstellen auf die korrekte Definition und Verteidigung der Privateigentumsrechte der Deponenten darstellt. Der Respekt dieser Rechte ist essentiell für das reibungslose Funktionieren jeder Marktwirtschaft. Als eine Folge kommt es unweigerlich zu einem typischen „Tragik der Allmende“-Effekt, so wie es immer geschieht, wenn Eigentumsrechte nicht adäquat definiert und verteidigt werden. Dieser Effekt besteht in der gesteigerten Neigung der Bankiers zu versuchen, sich von ihren Wettbewerbern abzusetzen, in dem sie ihre eigene Kreditbasis schneller und stärker ausweiten als ihre Rivalen. Folglich tendiert das Teildeckungsbankensystem immer zu einer mehr oder weniger zügellosen Expansion, selbst wenn es von Zentralbankern „überwacht“ wird, welche sich -entgegen dem, was normalerweise in der Vergangenheit geschehen ist- ernsthaft mit der Begrenzung dieser Expansion beschäftigen (und nicht nur auf rhetorische Weise).
Kurzum sollte es das grundlegende Ziel der Geldpolitik sein, die Banken den traditionellen Prinzipien des Zivil- und Handelsrechts zu unterwerfen, nach denen jedes Individuum und jedes Unternehmen gewisse Obligationen (eine 100-prozentige Reservepflicht) unter strikter Befolgung der in jedem Vertrag vereinbarten Bedingungen erfüllen muss. Gleichzeitig müssen wir dem Großteil der Literatur, die auf die Veröffentlichung von Hayek´s Buch, Die Entnationalisierung des Geldes, in den späten siebzigern folgte und ein Modell einer teilgedeckten Bankfreiheit verfolgte, kritisch gegenüber stehen. Die wichtigste Schlussfolgerung, die aus all dieser Literatur zu ziehen ist, ist, dass diese Autoren zu oft nicht erkennen, dass sie häufig die alten Fehler der Banking Schule begehen. Wie wir in Kapitel 8 erklärt haben, trifft dies auf die Werke von White, Selgin und Dowd zu. Es nichts schlechtes daran, dass sie auf die Vorteile eines Interbankenclearingsystem in Hinsicht auf die Selbstkontrolle der Kreditausweitung und darauf hinweisen, dass in diesem Sinne ihr System bessere Resultat produzieren würde als das gegenwärtige Zentralbankensystem, wie es ursprünglich Ludwig von Mises heraus gestellt hat. Jedoch ist eine teilgedeckte Bankfreiheit immer noch nur eine zweitbeste Lösung, welche ein gemeinsamen Vorgehen verschiedener Banken ausgelöst durch eine Welle exzessiven Optimismus nicht davon nicht verhindern könnte. In jedem Falle erkennen diese Autoren nicht, dass solange das Teildeckungsprivileg besteht, es in der Praxis unmöglich sein wird, auf eine Zentralbank zu verzichten. Kurzum ist, wie wir in diesem Buch gezeigt haben, der einzige Weg zur Eliminierung der zentralen Planungsbehörde auf dem Gebiet der Banken und des Kredits (der Zentralbank) die Beseitigung des Teildeckungsbankprivilegs, dessen sich private Bankiers gegenwärtig erfreuen. Dies ist eine notwendige Maßnahme. Jedoch ist sie nicht hinreichend. Zusätzlich muss die Zentralbank gänzlich abgeschafft und das von ihr bis heute geschaffene Zwangsgeld privatisiert werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass -wenn wir ein wahrhaft stabiles Geld- und Finanzsystem für das 21. Jahrhundert errichten wollen, ein System, das unsere Volkswirtschaften soweit als menschenmöglich vor Krisen und Rezessionen schützen wird- wir folgendes tun müssen: (1) eine vollkommene Wahlfreiheit der Währung basierend auf einem Metallstandard (Gold), der das gesamte in der Vergangenheit emittierte Zwangsgeldgeld ersetzen würde, sicher stellen; (2) ein Bankfreiheitssystem einrichten; und am wichtigsten (3) darauf bestehen, dass alle Wirtschaftssubjekte, die im Bankfreiheitssystem involviert sind, den traditionellen Rechtsregeln und Prinzipien unterworfen sind und diese einhalten; vor allem das Prinzip, dass niemand, noch nicht einmal ein Bankier sich des Privilegs erfreuen kann, etwas zu verleihen, was ihm als Sichteinlage anvertraut worden ist (d.h. wir müssen auf einem Bankfreiheitssystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht bestehen). Bis die Spezialisten und die Gesellschaft im Allgemeinen die grundlegenden theoretischen und
rechtlichen Prinzipien, die mit dem Geld, dem Bankkredit und den Konjunkturzyklen verbunden sind, gänzlich begreifen, können wir realistischerweise weiteres Leid in der Welt als Folge der schädigenden Wirtschaftsrezessionen erwarten, welche unvermeidbar und fortwährend auftauchen werden, solange die Zentralbanken nicht die Macht verlieren, Papiergeld als gesetzliches Zahlungsmittel zu emittieren, und die Bankiers nicht ihr von den Regierungen gewährtes Privileg einbüßen mit einer Teildeckung zu operieren. Wir können das Buch nun, so wie wir es begonnen haben, mit dieser Feststellung abschließen: Jetzt da wir den historischen Fall des Sozialismus in Theorie und Praxis gesehen haben, wird es die größte Herausforderung in diesem neuen Jahrhundert für professionelle Ökonomen und Freiheitsfreunde sein, ihre gesamte intellektuelle Kraft darauf zu verwenden, sich der Institution der Zentralbank und dem von den Privatbankiers genutzten Privileg entgegen zu stellen.
STICHWORTVERZEICHNIS Abschreibung auf Kapitalgüter Siehe Kapitalgut Actio depositi Actio furti Aktienmarkt in einer Krise Konzept und Vorteile Aktienmarktzusammenbrüche. Siehe Sanyo Securities; Yamaichi Securities Akzeleratorprinzip, Kritik des Allgemeines Gleichgewicht, Walras´ Modell des Allgemeine Preisniveaustabilisierung und die künstliche Verlängerung der Produktionsstruktur Angelsächsisches Rechtssystem Siehe kontinentales Rechtssystem Anlagekapitalgüter. Siehe Kapitalgüter Anreize, Redefinition ihrer Struktur für die Zentralbankbürokratie Arbeitsgesetzgebung Arbeitslosigkeit Auswirkungen auf den Konjunkturzyklus direkte Ursache indirekte Ursache „unfreiwillige“ Argentinien. Siehe Bankenreform Assyrien. Siehe Bankwesen Aufschwung, Charakteristika des Babylon. Siehe Bankwesen Bank als Finanzintermediär Callistus´ Fusionen Geldschöpfungsmultiplikator (Fall der Isolation) isolierte, und die Fähigkeit zur Kreditausweitung und Depositenschaffung monopolistische, Fähigkeit zur Ausweitung simultane Ausweitung vieler System von kleinen, Fähigkeit zur Kreditausweitung ist gleich dem einer einzelnen, monopolistische Bank Bank von Amsterdam und David Hume und die 100-prozentige Reservepflicht und James Steuart und Adam Smith Bank von Barcelona Siehe auch Taula de Canvi Bank von England die Aufhebung der Peelschen Akten wähden der Krisen Bank von Spanien Bank von Stockholm, Stiftung des Wirtschaftsnobelpreises Bankdepositen und Noten, ihre ökonomische Äquivalenz Bankensystem
modernes, Beginn von System kleiner Bankenkrisen und die Kapazität zur Kreditausweitung verglichen mit der Börse Bankfreiheit Problem mit historischen Illustrationen der Siehe auch teilgedeckte Bankfreiheit; Zentralbankwesen; Chile; Currency Schule Versagen der Bankfusionen. Siehe Bank. Bankiers im späten Mittelalter jüdische Geheimhaltung der Macht der Templer, mittelalterlich Verbindlichkeiten von Banking Schule Debatte mit Currency Schule Definition in der Schule von Salamanca Bankkrisen und die Überlegenheit des vorgeschlagenen System in ihrer Bekämpfung Banknoten, ihre Emission und ihre Äquivalenz mit der Depositenschaffung Bankreform in Argentinien Perón, General Juan, kritische Analyse seiner Bankreform Reformvorschlag, Vorteile Stufen im Strategie zur Reform, grundlegende Prinzipien Siehe auch Staatsverschuldung zur Verhinderung von Konjunkturzyklen Bankwesen Deregulierung Dienstleistungen Hellenistisches im Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts im Schottland des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts in Assyrien in Babylon in Chile in Griechenland Investmentfonds Jesus und Gesetzgebung, Versagen von Medicis und der Konjunkturzyklus Ptolemaier Siehe auch Teildeckungsbankwesen; teilgedeckte Bankfreiheit; Bankfreiheit; Rom, Schule von Salamanca; Sevilla; Tragödie der Allmende Sünde im Bankwesen Umsicht im Unsicherheit und Risiko im Vermögenswerte, wie sie in der Krise sinken Bankzusammenbrüche
Bangkok Bank of Commerce (Thailand) Crédit Mobiliaire (Frankreich) Erste koreanische Bank Hokkaido Takushoku (Japan) Jay Cook and Co. (United States) Peregrine Bank (Hong Kong) Siehe auch Sanyo Securities; Yamaichi Securities Barcelona´s Depositenbank Bayessche Theorem, Unmöglichkeit seiner Anwendung in der Volkswirtschaftslehre Beschäftigung Siehe Vollbeschäftigung Beteiligungsgesellschaften, als echte Finanzintermediäre Betrug beim irregulären Depositum de la Calle über den versteckt in Finanzinnovationen Bilanzierung angelsächsische Bilanzierung Buchgewinne in den konsumnächsten Stufen Buchgewinne aus der Produktion Buchverlust in den konsumfernsten Stufen kontinentale Bilanzierung Methoden für irreguläre Depositen Siehe auch Buchhaltung; Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Brutto Einkommen Ersparnisse Investitionen Marktzins, Prämie für die erwartete Inflation oder Deflation Bruttoinlandsprodukt (BIP) Bruttonationalausstoß (BNA) Bruttonationalprodukt (BNP) Buchhaltung, doppelte Bürgerliche Gesetzbuch und monetären Depositen Bundesbank
Carr v. Carr Chicago Schule, ihr Plan der 100-prozentigen Reservedeckung Chile Finanzsystem im neunzehnten Jahrhundert Scheitern der Bankfreiheit Chirographis pecuniarum, oder Bankenschecks in den Schriften von Luis de Molina Commixtion (Art. 381 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches) Commodatum, Definition Common law, Doktrin der irregulären Depositen Corpus Juris Civilis Corralito Crédit Lyonnais Currency Schule Debatte mit der Banking Schule
Definition in der Schule von Salamanca Vertreter der Bankfreiheit
Danse macabre Darlehen Definition und Typen Markt, als Untermarkt des Zeitmarktes reale Faktoren, die Nachfrage beeinflussend Defätismus Deflation absichtlich durch Regierungen eingeleitet Einwände gegen das vorgeschlagene System gesunde Konzept und Typen in Großbritannien nach den Napoleonischen Kriegen und 1925 verursacht durch eine Kreditklemme Demokratie und das Kreditsystem Demoralisierung der Wirtschaftssubjekte Depositi a discrezione Depositum Bankwesen im mediterranen Europa Derivate Garantiesysteme Primärdepositen rechtlicher Unterschied zum Darlehen Sekundärdepositen „Termineinlage“ Ulpianus´Definition Ulpianus,Unterschied zu Darlehen und Darlehen, Unterschiede Vertrag, Konzept und Natur wirtschaftlicher Unterschied zum Darlehen Depositum confessatum konzeptuelle Verwirrung nachgemachtes oder simuliertes Depositum Devayenes v. Noble Diebstahl Digest Discrezione, von der Medici Bank gezahlte Zinsen Durchschnittliche Produktionsperiode Einkommenskreislauf Kritik des Modells des Einkommensumverteilung und Veränderungen in den relativen verursacht durch Inflation Entnationalisierung des Geldes. Siehe Geld „Erfordernisse des Handels,“ altes Argument der Banking Schule Erholung Kontraproduktive Maßnahmen zur nach eine Krise
Error in negotio beim monetären Depositenvertrag, Grund der absoluten Ungültigkeit Europäische Währungunion
Faktormärkte, ihre Flexibilisierung Fallwahrscheinlichkeit Falschgeld Federal Reserve Fehlinvestition Nutzen nach dem Aufschwung Ressourcen im Aufschwung vor der Wirtschaftskrise Filterung der Geldmenge aus dem Wirtschaftssystem „Finanzinnovationen“, Kritik der, denn sie setzen sich über die Reservepflicht hinweg Finanzintermediäre Banken als wahre wahre, NichtbankFinanzwerte Florenz das Bankwesen im vierzehnten Jahrhundert in Krise des sechzehntenjahrhunderts Wirtschaftskrisen und ihre Auslöser Foley v. Hill Frieden Fuero Real Geld als soziale Institution als vollkommen liquider Vermögenswert Angebot in der Vereinigten Staaten, Entwicklung in den 1920ern „elektronisches“ Entnationalisierung des Huerta de Soto´s Vorschlag zur Privatisierung des Geldes Kaufkraft, Vorhersagbarkeit von Veränderungen „Plastikgeld“ Siehe auch Neutrales Geld; Quantitätstheorie des Geldes; Regressionstheorem, Ersparnisse Geldfälschung, Effekte äquivalent zu denen der Kreditausweitung Geldreform, Einwände gegen Huerta de Soto´s Vorschlag und Antworten Geldschöpfungsmultiplikator. Siehe Bank. Geldsystem in den ehemaligen Ostblockstaaten Vergleich von Kosten zweier Systeme „Gesetz der großen Zahl“ Unmöglichkeit der Anwendung auf das Bankwesen Unmöglichkeit der Anwendung auf monetäre Depositen Glücksvertrag. Siehe Verträge Goldproduktion Goldstandard, Wirkungen des Horten unter einem Güter Gegenwarts- und Zukunftsgüter, Abwesenheit eines Tausches beim irregulären Depositum langlebige Konsumgüter Siehe auch Ökonomische Güter
Sparer, oder Anbieter von Gegenwartsgütern vertretbare Güter Große Depression Große Pest Handels- und Strafrecht, vorgeschlagene Reform ihrer artikel Handelsrecht und monetäre Depositen Haushaltsdefizitfinanzierung Horten, bzw. Deflation provoziert durch einen Anstieg der Ersparnisse in Form von Kassenhaltung hundert-prozentige Reservepflicht Hayek´s Vorschlag James Tobin´s Vorschlag kritische Analyse des Maurice Allais´ Vorschlag Mises´ Vorschlag Rothbard´s Vorschlag und das irreguläre Depositum Vorschlag der Chicago Schule Hyperinflation Ideogramm, die monetaristische Verkehrsgleichung als ein Industrielle Revolution, Konjunkturzyklen Input-Output Tabellen Institution, Definition Internationale Geldstandard Interne Finanzierung Internet Intertemporale Fehlkoordination geschaffen durch Kreditausweitung Intratemporale Fehlkoordination Investmentfirmen. Siehe Beteiligungsgesellschaften Investmentfondbankwesen. Siehe Bankwesen Irreguläre Depositum Cantillon´s Betrug (Wertpapiere) Definition und Unterschied zum regulären Depositum Fälschung beim Gerichtsurteile monetäres, wesentliches Element Siehe auch Common law soziale Funktion von Verantwortung beim von Wertpapieren oder Geld, die Äquivalenz von Isabetta Querini vs. The Bank of Marino Vendelino Islamisches Recht, hinsichtlich der irregulären Depositen Jerusalem, Tempel Juden, Siehe Bankiers
Kaufkraft des Geldes. Siehe Geld. Kaufoption Kapital Grenzleistungsfähigkeit des Kapitalist, Konzept des Konzeot des Künstliches Kapital in Geyer monetaristische „mystische“ Konzept des mystische Konzept des, Österreichische Kritik Produktivitätstheorie des Zinses Verschwendung Kapitalgut AnlageAbschreibung des Definition Effekt des Marktpreises auf die Produktionsstruktur Umlaufsund Konvertierbarkeit unumwandelbares, im Konjunkturzyklus temporär zukunftsorientiert Kapitaltheorie Keynes, John Maynard Argumente der Harmlosigkeit der Kreditausweitung begrenztes Wissen zur Volkswirtschaftslehre Einfluss auf die Lebensversicherungsindustrie Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals Kritik seiner Theorie Liquiditätspräferenz, Kritik der Rolle bei der Korruption der traditionellen Prinzipien der Lebensversicherung Unkenntnis der deutschen Sprache zu Mises und Hayek Zugeständnis, dass er nicht über eine Kapitaltheorie verfügte Keynesianer und Monetaristen makroökonomische Methodologie Künstliches Kapital, in Geyer Keynesianische Ökonomie eine „spezielle“ Theorie Konsumentenkredite und die Theorie des Zyklus Konsumentenpreisindex Konsumfunktion, Debatte Kontinentale Bilanzierungsmethoden Siehe Bilanzierung Kontinentale Rechtssystem Koordination, intertemporal, intratemporal Kredit Markt, sekundär, untergeordnete Wichtigkeit im Vergleich zum allgemeinen Zeitmarkt Restriktion, Prozess der unversicherbare Natur von systematischen Risiken Versicherung Kreditausweitung, ihre Wirkung auf die Produktionsstruktur
Kreditkarten Kreditkultur des billigen Geldes, gespeist durch Kreditausweitung Krieg und das Kreditsystem Land, das ökonomische Konzept des Langlebige Konsumgüter. Siehe Güter Laufzeit, als ein grundlegendes Element eines Darlehens Lebensversicherung als Gewandt für ein Teildeckungsbankwesen Beiträge Gesellschaften, als wahre Finanzintermediäre korrumpierte Prinzipien perfektioniertes Sparen Rückkauf der Lebensversicherungpolice Rückkaufklausel Tausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter Lose Verbindung, zwischen realer und monetärer Seite der Ökonomie, nach Hayek Makroökonomie Aggregate Hayek´s Kritik der Politik, nach der Österreichischen Schule Mancamento della credenza „Manisch-depressive“ Wirtschaft Siehe Wirtschaft Marktstarrheit, Hauptfeind der Erholung Marxismus, Verbindungen mit der Österreichischen Konjunkturtheorie Mathematische Reserven Medicis. Siehe Bankwesen Menschliche Handlung Mississippi Handelsgesellschaft Mittel, Konzept des Monetärer Konstitutionalismus „Monetäres Gleichgewicht“ Kritik des Theorie von White und Selgin Monetärer irregulärer Depositenvertrag Azpilcueta zum de la Calle zum Gründe zur Verletzung des Monetärer Stabilisierung in Perioden steigender Produktivität Monetarismus Kritik des Politik empfohlen von, gegen Rezessionen Theorie des Monetaristen und Keynesianer analytische und methodologische Ähnlichkeiten Unterschiede Monetaristische Verkehrsgleichung Monetisierung der Staatsschuld Monopolistische Bank. Siehe Banken Monstrua prodigia, römisches Rechtskonzept
Moral hazard Multiplikator, Kritik des Mutuum, Definition
National Mutual Life Assurance Society Neo-Banking Schule Neo-Ricardianer Nettoeinkommen Nettoersparnisse Neuklassische Ökonomie Neu Keynesianer Neutrales Geld seine theoretische Unmöglichkeit Novation, von Verträgen Nutzen, Konzept des
Österreichische Schule Siehe auch Kapital; Makroökonomie Unterschiede zu Monetaristen Unterschiede zu Keynesianern Österreichische Konjunkturtheorie Empirische Belege der Empirischer Test der Tabelle der Phasen der Verbindungen mit dem Marxismus Optionen, Kauf-, Verkaufs„Optionsklauseln“
Partidas von Alfonso X, „der Weise“ Peelsche Bankakt vom 19. Juli 1844 Pessimismus und d9e psychologischen Effekte des Umschwungs Pigoueffekt Plan, Definition Politische Pragmatismus des Tagesgeschäfts Politische Programm, mit dem geringsten Schaden Positivismus Prognose des Aktienkrachs von 1929 Prävention von Krisen Preise Anstieg der, als Folge der Kreditschaffung Revolution der, einhergehend mit Inflation Privateigentum, und der Einklang mit dem vorgeschlagenen System Produktionsfaktoren Produktionsstruktur
dauerhaft verändert Graphik der zeitweiser Effekt auf, produziert durch Disparität der Gewinne Produktivitätstheorie des Zinses Siehe Kapital, Zins Profitrate Ptolemaier. Siehe Bankwesen Public Choice Schule Put, Verkaufsoption Quantitätstheorie des Geldes formuliert durch Azpilcueta im Jahr 1556 Kritik der mechanistischen monetaristischen Version Rational Erwartungen Kritik der Reale Faktoren. Siehe Darlehen Recht Siehe auch Römisches Recht vs. Gesetzgebung zur 100-prozentigen Reservepflicht Rechtsprinzipien allgemeine, traditionelle, und universelle Entstehung der, und Institutionen kein Widerspruch zur Vertragsfreiheit Siehe auch Teildeckungsbankwesen unvermeidbare Rechtssprechung Reform des Bankensystems Siehe Bankreform Regressionstheorem (Mises) Relative Preise, die Revolution, welche die Inflation begleitet Reservekoeffizient Aufrechterhaltung des, über der Mindestreserve verschieden abhängig von der Art der Einlage (Sicht- oder Termineinlage) Reswitching-Kontroverse Rezession, Anbruch der Ricardoeffekt seine Rolle in der Krise Riksbank Römische Recht Beleg oder Emphangsbescheinung für irregulären Depositen im fundamentale Prinzipien des Kodifizierung Robinson Crusoe Rom Bankwesen in Fall von Rückfluss Fullarton´s Rückflussgesetz Mises´Kritik des Rückkaufvereinbarung
Siehe Depositum
Sanyo Securities, zusammengebrochenes japanischen Börsenunternehmen Saysche Gesetz Schule von Salamanca die Sichtweise der Currency und der Banking Schule und das Bankgeschäft Schottland. Siehe Bankwesen Scholastiker, „Currency“ und „Banking“ Schulen Sekundärdepositen Sekundäre Depression Sevilla Bankwesen in und der Konjunkturzyklus Sichere Aufbewahrung, Ursache des Depositenvertrags Sichteinlagen, Rückkaufvereinbarung, Operationen die diese verschleiern Societates argentariae Sozialismus dauerhaft in der Krise und die Zentralbank seine Unmöglichkeit Sparen Arten von Aufgabe unmittelbaren Konsums Bilanzierungseinträge, in Darlehen geleitet Horten perfektes Siehe auch Zwangssparen verschieden von der Geldnachfrage Wirkungen auf die Produktionsstruktur Sparparadoxon theoretische Lösung des Sprache, als soziale Institution Staatliche Arbeiten Staatsschuld, Umwandlung in der Reform des Bankensystems Stagflation als universelles Phänomen in der Krise Konzept und Ursachen Subjektivismus Subjektivistische Konzeption der Volkswirtschaftlehre Symbiose mit der juristischen Sicht Südseeblase Tantundem Bewachung und sichere Aufbewahrung Taula de Canvi und die katalanische Bankenregulierung Teildeckungsbankwesen bei Lebensversicherungen
die rechtliche Theorie des Siehe auch Lebensversicherung teilgedeckte Bankfreiheit Cantillon zur kritische Analyse des moderne Schule der Widersprüche in Templer. Siehe Bankiers Tragik der Allmende, Theorie der und ihre Anwendung auf das Bankwesen Trapezitei Tresordienstleistungen Überkonsum Überinvestition Übernahmeangebote Überraschung Konzept der Ulpian. Siehe Depositum Umlaufsmittel Nachfrage nach, betrachtet als exogene Variable Warengeld Zwangsgeld, Definition tragfähiges und nicht nachhaltiges Wirtschaftswachstum Unausgesprochene oder implizite Zustimmung, Theorie der, bei monetären Depositen Unbenutzte Kapazität Ressourcen United States, Bank of Unmöglichkeit des Sozialismus, Theorem der, und die Zentralbank Unternehmerische Kreativität Unternehmertum Abwrackung von Kapitalgütern seine Anwendung auf die intertemporale Fehlkoordination Unsicherheit und Risiko im Bankwesen. Siehe Bankwesen. Unterkonsumtion Verfügbarkeit doppelte Neudefinierung des Konzepts „Verkürzung“ der Produktionstruktur nach der Krise Verträge Darlehen Depositen Glücksverträge monetäre Depositen Siehe auch irreguläre Gelddepositen Veruntreuung beim irregulären Depositum im spanischen Strafrecht Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Kritik ihrer Größen unangemessen, um die verschiedenen Phasen des Wirtschaftszyklus abzubilden Vollbeschäftigung Annahme von in verzweifelten Umständen Vorräte Wahrscheinlichkeit bei der Lebensversicherung Fall- und KlassenSiehe auch Teildeckungsbankwesen Wechselkurse feste und flexible feste Wert eines Ziels, Konzept Wertpapiere, Preise, relative zum Zinssatz Wertpapierinvestmentfonds Charakteristika und zukünftige Rolle von echte Finanzintermediäre Wirtschaft „manisch-depressive“ zurückgehende Wirtschaftskrise der 1970er und 1990er Jahre verursacht durch Fehler bei der Wirtschaftsrechnung Wirtschaftskrisen in einer Marktwirtschaft (ihre angeblich inhärente Natur) Wirtschaftliche Güter erster Ordnung und höherer Ordnung Güter von Zwischenstufen oder höherer Ordnung Rezession als die Erholungsphase Wachstum und das vorgeschlagene Geldsystem Wirtschaftsrechnung Anwendung auf die Konjunkturtheorie Fehler in, als ein fundamentaler Grund der Krise Unmöglichkeit im Sozialismus Wirtschaftszyklen Bankreform, die in der Lage ist diese zu verhindern Empirische Belege und Internationale Natur von Psychologische Konsequenzen von Theorie der Wucher institutioneller kanonischer Bank des Yamaichi Securities, zusammengebrochenes japanisches Aktienmarkunternehmen Zeitpräferenz und Lessines Zinstheorie Zeit, ökonomisches Konzept der
Zentralbank Abschaffung von Argument für Ergebnis des Teildeckungsbankwesens Kooperation mit Privatbanken künstliche Verhaltensanreize Zentralbank vs. Bankfreiheit Zertifikat bzw. Beleg einer irregulären Einlage im römischen Recht Ziel, Konzept des Zins aus rechtlicher Sicht Vereinbarung vom, im irregulären Depositenvertrag verschiedene Zinstheorien Zinssatz Anstieg im, der Darlehen Bruttozinssatz Definition des im vorgeschlagenen System technische Zins in Benutzung bei der Lebensversicherung Tendenz zum Ausgleich Zwangskreditgeber Zwangssparen im weiten Sinne im engeren Sinne und erzwungene Enteignung Zwischenbankliche Clearingstellen, Parnell´s Argument zur Grenze der Emission in der Bankfreiheit
Kreditversicherung in modernen Volkswirtschaften, die den verzerrenden Effekten der Kreditausweitung unterliegen, von zyklischer Natur, was sie davon abhält, in den Rezessionsphasen in Abwesenheit einer Reihe von Sicherheitsklauseln zu überleben. Diese Klauseln sollen sie vor dem gleichen Schicksal bewahren, welches im großen Ausmaß die überoptimistischen Unternehmer erleiden, welche ihre Investitionsprojekte während der expansiven Aufschwungsphase auf unzulässige Weise verlängert haben. Von diesen Klauseln heben sich die folgenden hervor: Jene, die Selbstbeteiligungen und Warteperioden, für die Zahlung der Versicherung abhängig von der Höhe der Vergütung festlegen und jene, die einen gerichtlichen Insolvenzbescheid erfordern, der durch die bloße Länge der Insolvenzverfahren tendenziell eine lange Verzögerung involviert, welche es der Versicherungsgesellschaft in der Zwischenzeit erlaubt, die notwendigen Inkassi vorzunehmen und die notwendige finanzielle Stabilität aufrecht zuerhalten111. Aufeinander
folgende
Aufschwungs-
und
Depressionszyklen
sind
für
die
Kreditversicherungsunternehmen unweigerlich eine gewaltige Herausforderung. Diese Versicherungsunternehmen verrichten neben ihren traditionellen Leistungen (Inkasso, Kundenrisikoklassifizierung, etc.) eine weitere: Während wirtschaftlicher Aufschwünge akkumulieren sie bedeutende Finanzreserven, welche sie später in Krisen und Rezessionen systematisch nutzen, um die viel größeren Schäden, die gemeldet werden, zu befriedigen. In jedem Fall müssen wir anerkennen, dass die bis heute entwickelten und ergriffenen rechtlichen Vorsichtsmaßnahmen nicht ausreichend gewesen sind, um den Zusammenbruch und die Liquidation einiger der prominentesten Kreditversicherer der westlichen Welt während der jüngsten Krisen, die im Westen ausgebrochen sind, zu verhindern. Wir müssen auch zugeben, dass die Institution der Kreditversicherung immer besonders anfällig gegenüber den Rezessionsphasen sein wird, besonders solange die Banken weiterhin mit einer Teildeckung operieren112. 111
Francisco Cabrillo, Quiebra y liquidación de empresas (Madrid: Unión Editorial,
1989). 112
Es ist offensichtlich unmöglich für Kreditversicherungsgesellschaften, die Darlehen technisch zu versichern, welche das Bankensystem selbst während der Expansionsphase vergeben hat, denn – wie wir bereits gezeigt haben – fehlt es an der notwendigen Unabhängigkeit zwischen der Existenz der Versicherung und den Eintreffen des Ereignisses, das man versichern will. In der Tat würde die Versicherung der Bankdarlehen die Banken dazu veranlassen, diese grenzenlos auszuweiten, und in der unvermeidbaren Rezession, welche die Kreditausweitung immer hervorruft, würde der systematische Anstieg der säumigen Schuldner diese Versicherung technisch undurchführbar machen. Mithin ist es aus den gleichen Gründen, aus denen das Gesetz der großen Zahl und eine Teildeckung unzureichend sind, um Sichteinlagen zu versichern, technisch unmöglich, die Kreditoperationen der Banken durch die Kreditversicherungsindustrie zu versichern.