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German Pages 410 [412] Year 1904
GEISTIGE STRÖMUNGEN
GEISTIGE STRÖMUNGEN DER GEGENWART VON
RUDOLF E U C K E N
DER G R U N D B E G R I F F E D E R G E G E N W A R T DRITTE U M G E A R B E I T E T E
AUFLAGE
V E R L A G V O N VEIT & COMP. IN L E I P Z I G 1904
Druck von Fr. Richter in Leipzig.
Vorwort
Die dritte Auflage ist gegen die zweite noch mehr verändert als diese gegen die erste; bildete bei ihr die geschichtliche
Dar-
legung den Grundstock, den die sachliche Erörterung nur umsäumte, so ist diese in der zweiten Auflage weit selbständiger geworden und hat in der dritten die volle Herrschaft erlangt; das Buch ist nun vor allem ein Ausdruck einer eigentümlichen philosophischen samtüberzeugung und will als solcher gewürdigt sein.
Ge-
Das mußte
auch die Darstellung wesentlich verändern, das verlangte namentlich eine präzisere Anordnung und Einteilung des Stoffes bis in die einzelnen Abschnitte hinein. Den
Grundgedanken
k n ü p f u n g von legung halten
Historischem
der
früheren
und
Behandlungen:
Sachlichem
einerseits,
die
Ver-
die
Zer-
in einzelne Abschnitte andererseits glaubte ich dabei festzu können.
Daß das Geschichtliche mir mehr ist als ein
Gegenstand gelehrter Beschäftigung, daß es, freilich unter bestimmten Voraussetzungen, zur Erhöhung der eignen Arbeit kräftig beizutragen vermag, dafür kämpft das Buch ebenso als Ganzes wie in besonderen Erörterungen, die sich hier nicht vorwegnehmen lassen.
Das Aus-
gehen von einzelnen Problemen aber gewährte den Vorteil greifbarer
Angriffspunkte,
von
denen
Entscheidung vordringen ließ. stand,
sich
rasch
zu
irgendwelcher
Allerdings verblieb dabei der Miß-
daß das Ganze der Überzeugung
nicht als solches volle
Rechenschaft geben und sich in einem fortlaufenden Zusammenhange darlegen kann.
Dieser Mangel sei bereitwillig zugestanden, er ist
zu eng mit dieser Behandlungsweise verbunden, als daß sich ihm hier abhelfen ließe.
Gewisse Ergänzungen bieten in dieser Hinsicht
meine früheren Bücher, die größte Lücke liegt in dem Mangel einer genügenden erkenntnistheoretischen Fundamentierung, mein nächstes Buch
wird
einer
prinzipiellen
Erörterung
dieses
Problems
ge-
widmet sein. Mehr noch als die Art der Behandlung aber ist es eine durchgehende Grundüberzeugung,
welche
die
verschiedenen
Auflagen
zusammenhält, die Überzeugung von der Unsicherheit des Bodens, auf dem unser ganzes Kulturleben und mit ihm auch unsere wissenschaftliche Arbeit steht, die Überzeugung, daß dieses Leben nicht nur einzelne Probleme in Hülle und Fülle enthalte, sondern daß
es auch als Ganzes einer energischen Revision und einer gründlichen Erneuerung bedürfe.
Am Streben danach aber schien mir auch die
Philosophie sich beteiligen zu müssen, ja sie besonders schien hier zu eifriger Mitarbeit berufen.
Das brachte mich in Gegensatz zum
Hauptzuge der heutigen deutschen schaftliche Arbeit fortführen
zu
unbeirrt
können
durch
meint.
Philosophie, jene Fragen
Wie
der seine wissenund Zweifel
viel Wertvolles
ruhig
diese
Arbeit,
namentlich in der genaueren Durchbildung der einzelnen Erkenntnisgebiete, geleistet hat und weiter leistet, das sei freudig und dankbar anerkannt.
Aber zugleich sei auch auf dem Rechte und der Not-
wendigkeit jenes allgemeineren bestanden; durch
wir
werden
die Sorge
um
Problems mit aller
Entschiedenheit
uns in der Arbeit dafür in keiner Weise die Stellung anderer
dazu
beirren
lassen,
sondern lediglich und allein der inneren Notwendigkeit der Sache vertrauen. Aber es sprechen neuerdings auch Zeichen in Hülle und Fülle dafür, daß weitere Kreise den Problemen, für die wir eintreten, ihre Teilnahme zuwenden.
Die inneren Verwicklungen unserer
Kultur,
ja unserer gesamten geistigen Lage werden immer augenscheinlicher, mehr und mehr empfinden wir darin schwere Unwahrheiten, Phrasen, wo wir Wirklichkeiten, Steine, dabei
das Glück
wo wir Brot suchten.
Nun
steht
u n d der Sinn unseres eignen Daseins auf
dem
Spiele;
so
erhebt
sieh
immer
dringender
das
Verlangen
nach
Klärung wie nach Befestigung, so wird auch die Philosophie immer zwingender Wogen
zur Arbeit an diesen Lebensfragen aufgerufen.
des Lebens
steigen
auf,
neue Stimmungen
Neue
ergreifen
die
Gemüter und heißen sie neue Ziele suchen. Diese inneren Wandlungen haben auch meinen Büchern
mehr
und mehr Freunde zugeführt und mir das Bewußtsein eines engen geistigen Kontaktes mit der Zeit gegeben, das ich früher nicht haben konnte.
Mit besonderer Freude begrüße ich die unerwartet
rasch
wachsende Teilnahme des aufsteigenden jüngeren Geschlechts; möchte solche Teilnahme auch diesem Buche zu gute kommen und möchte sie namentlich zu einer Weiterführung der hier bloß
entworfenen
und sicherlich oft sehr unvollkommen behandelten Probleme wirken. Denn was uns gemeinsam vorschwebt, ist schließlich nichts geringeres als die Idee eines neuen Menschen und einer neuen
Kultur;
nur
ein Zusammenschluß der Kräfte, nur eine Überwindung alles bloß Individuellen,
nur
das Entstehen
einer durchgehenden
Bewegung
kann uns bei einer so gewaltigen Frage weiterbringen. J e n a , im Februar
1904.
Rudolf Eucken
Inhaltsübersicht. Einleitung.
Seite
Der geistige Notstand der Zeit und die Notwendigkeit neuer Wendungen
1
A. Zum Grundbegriff des Geisteslebens. 1. Subjektiv - Objektiv (Das Geistesproblem). a. Geschichtliches
11
b. Das 19. Jahrhundert
19
c. Die positive Behauptung. a. Einführung
28
¡3. Der Grundbegriff des Geisteslebens
31
y. Das Verhältnis des Menschen zum Geistesleben
. . . .
5. Zum Begriff der Wahrheit
34 36
2. Theoretisch - praktisch (Intellektualismus - Voluntarismus). a. Geschichtliches
38
b. Die Behauptung des Voluntarismus
44
c. Auseinandersetzung und Kritik
46
d. Die- eigene Behauptung
49
e. Intellekt und Intellektualismus
50