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German Pages 112 [114] Year 2011
F Ü R S T L I C H E G Ä RT E N I N H E S S E N
Uwe A. Oster
FÜRSTLICHE GÄRTEN IN HESSEN
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INHALT
HERRSCHAFTLICHE GARTENTRÄUME – VOM MITTELALTER BIS IN DIE NEUZEIT
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P R I N Z - G E O R G - G A R T E N D A R M S TA D T – S E H N S U C H T N A C H G E B O R G E N H E I T
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K L O S T E R G A R T E N S E L I G E N S TA D T – A B B I L D D E S PA R A D I E S E S
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WILHELMSBAD HANAU – IM ZEICHEN ÄSKULAPS
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SCHLOSSGARTEN WEILBURG – AUSSICHTSTERRASSE ÜBER DER LAHN
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BILDNACHWEIS
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Herrschaftliche Gartenträume Vo m M i t t e l a l t e r b i s i n d i e N e u z e i t
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Die Hängenden Gärten der Semiramis in Babylon gehörte gehörten zu den en sieben Weltwundern der Antike. Zwar steht nicht fest fest, ob es diese Gärten jemals gegeben hat. Doch dass sie neben so großartigen rtigen Bauwerken wie den Pyramiden von G Gizeh oder dem Artemistempel emistempel in Ephesos zu den Weltwundern gezählt wurden, zeugt von d der Wertschätzung von Gärten bereits iin ffrühgeschichtlicher Zeit.
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Im jüdisch-christlichen Kontext wird diese Wertschätzung sogar noch gesteigert: „Jahwe Gott pflanzte einen Garten in Eden ... und setzte dahinein den Menschen, den er gebildet hatte. Und Jahwe Gott ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume hervorwachsen, lieblich anzusehen und gut zu essen, den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Ein Strom ging von Eden aus, um den Garten zu bewässern.“ Der Garten Eden, aus dem Adam und Eva vertrieben wurden, weil sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, ist das Urbild aller Gärten.
Der mittelalterliche Gar ten Den Mönchen und Nonnen des Mittelalters galt ihr klösterlicher Garten als Abbild dieses verlorenen Paradieses. In der mittelalterlichen Kunst ist die Gottesmutter Maria häufig in einem Garten dargestellt, weil sie mit der Braut aus dem Hohelied des Alten Testaments in eins gesetzt wurde: „Ein verschlossener Garten bist du, meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell. Deine Triebe sind ein Garten von Granatbäumen mit den
köstlichsten Früchten: Narde und Krokus, Kalmus und Zimt mit allen Weihrauchhölzern, Myrrhe und Aloe samt all den besten Balsamen. Der Gartenquell ist ein Born al lebe bendigen Wassers, das herabfließt vom Libanon.“ In der bildeenden Kunst sind Darstellungen von „Paradiesgärtlein“ ein“ dem Hohelied folgend von einer Mauer umschlossen, als Scchutz vor der sündigen Welt, die dahinter begann. Ein solcher „hortus conclusus“ war für die Mönche und Nonsolch nen in ihren Klöstern das vom Kreuzgang umschlossene Geviert. Bei den Zisterziensern ragen Brunnenhäuser in Ge den Kreuzgarten – das Wasser als Symbol des Lebens und damit unverzichtbarem Bestandteil jedes gestalteten Gartens. Die Vorstellung vom Garten als Abbild des Paradieses findet sich nicht nur in der christlich-jüdischen Kultur, sondern insbesondere auch im Islam; der Generalife in Granada ist hierfür eines der berühmtesten Beispiele. Auch im alten China galten Gärten als Abbilder des Universums und der Harmonie zwischen Mensch und Natur. Unabhängig von der Idealvorstellung waren mittelalterliche Gärten in erster Linie Nutzgärten. In dem um 820 entstandenen St. Galler Klosterplan, der den Idealplan einer mittelalterlichen Klosteranlage darstellt, sind drei Gärten eingezeichnet: ein Heilkräutergarten neben dem Hospital sowie anschließend an den Kreuzgang ein Obst- und ein Gemüsegarten. Und doch finden sich bereits hier Ansätze einer Gartengestaltung: Die Beete sind rechteckig und symmetrisch angeordnet; auch die Bäume sind in gleichmäßigen Abständen gepflanzt. Die Mönche erfreuten sich an ihren Gärten. So sang der Reichenauer Mönch Walahfrid Strabo ein Loblied auf die „köstlichen Sträucher der Rose“, und ein irischer Mönch kam, während er im Garten an einem Manuskript arbeitete und die Vögel zwitscherten, regelrecht ins Schwärmen: „Fürwahr, es schütze mich der Herr. Schön schreibt es sich unter dem Blätterdach.“ Die spätmittelalterliche Buchmalerei zeigt einen typischen, von hohen Mauern und Türmen umgebenen „hortus conclusus", verbunden mit zahlreichen allegorischen Anspielungen.
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Auch zu jeder mittelalterlichen Burg gehörte ein Garten – und sei er noch so klein. Kräuter fanden als Heilmittel und in der Küche Verwendung, und auf dem ritterlichen Speiseplan war Obst ein fester Bestandteil. Doch der Burggarten war, wie der Klostergarten, weit mehr als ein reiner Nutzgarten: In den Liedern der Minnesänger wurde er gleichfalls zum Abbild des Paradieses – und zum Liebesgarten, boten Bäume, Büsche und Hecken doch den geradezu idealen Hintergrund für das höfische Werben um die angebetete Dame. In einem von kalten Steinmauern geprägten, abweisenden Bau wie der Burg wurde der Garten in seiner Farbenpracht und Lebendigkeit als besonders fröhlicher, heiterer Ort empfunden. Diese Empfindung als Idyll war ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum Garten als gestaltetem Kunstwerk, wie er seit der Renaissance in Europa Verbreitung fand.
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Der Renaissancegar ten
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Entscheidend aber war – wie der Name „Renaissance“ schon sagt – die Wiederentdeckung der Antike in Architektur, Philosophie und eben auch der Gartentheorie. So griff der Florentiner Humanist Leon Battista Alberti in seinen „Zehn Büchern über die Baukunst“ (1452) explizit die Beschreibungen auf, die Plinius der Jüngere (61/62 bis um 113) in Briefen von den Gärten seiner Villen gegeben hat. Stilbildend wurden der vor diesem Hintergrund entstandene Belvedere-Garten im Vatikan oder der Garten der Villa d’Este in Tivoli. Der Renaissancegarten war geprägt von strengen geometrischen Formen. Wenn es die Topographie zuließ, wurden die Gärten – Alberti folgend – gern in Terrassen am Hang angelegt. Diese Terrassen wurden durch Treppenanlagen miteinander verbunden, die häufig von Wasserläufen begleitet waren. Wie im Mittelalter waren die Gärten der Renaissance in der Regel noch von einer Mauer umschlossen. Auch wenn die Gärten bald zu einem integralen
Bestandteil von Villen und Schlössern wurden, fehlte zunächst noch die direkte architektonische Verbindung zwischen Bauwerk und Garten. So gab es unter anderem keine auf das Schloss ausgerichteten Sichtachsen; auch die einzelnen Teile der Gärten standen in keinem gestalterischen Bezug zueinander. Der Bezug zur Antike kam im vielfältigen Figurenprogramm zum Ausdruck; auch in der Kleinarchitektur der Gärten wurden Themen aus der antiken Mythologie aufgegriffen. Und wie zu einer antiken römischen Villa in der Campagna gehörten zu den Gärten der Renaissance künstliche Grotten, von denen zugleich eine gewisse geheimnisvolle Atmosphäre ausging. Dagegen waren die verbreiteten Heckenlabyrinthe vor allem eine Spielwiese für erotische Anknüpfungen – sei es ganz konkret, weil der hohe Bewuchs Schutz vor allzu neugierigen Blicken bot oder als Allegorie auf die bisweilen verschlungenen Pfade der Liebe. Der Hortus Palatinus in Heidelberg gilt als berühmtester Garten der Renaissance im heutigen Baden-Württemberg, angelegt von Salomon de Caus für Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zwischen 1614 und 1619. Er bestand aus fünf Terrassen in unterschiedlichen Höhen, die durch Treppen miteinander verbunden waren. Die Blüte des Hortus Palatinus währte nur kurz; nach seiner Wahl zum böhmischen König („Winterkönig“) 1619 verließ Friedrich V. seine Residenzstadt Heidelberg und zog nach Prag. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde auch der Hortus Palatinus schwer in Mitleidenschaft gezogen, sodass er heute, ähnlich wie das Schloss, eine romantische Ruine darstellt, deren ursprüngliche Pracht nur noch zu erahnen ist. In Hessen war die heutige Karlsaue ursprünglich als Renaissancegarten angelegt, doch ist diese Wurzel durch die Überformungen späterer Zeiten nicht mehr erkennbar. Ein kleiner Renaissancegarten hat sich an der Burg Idstein erhalten.
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Das Gemälde von Jacques Fouquière zeigt den Heidelberger Hortus Palatinus noch vor den Zerstörungen durch den Pfälzischen Erbfolgekrieg. Deutlich erkennbar sind die fünf Terrassenebenen.
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Der Barockgar ten
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Viele Elemente aus der Renaissance finden sich auch in den Gärten des Barock: streng geometrisch angelegte Beete, ein vielfach Themen und Gestalten der antiken Mythologie aufgreifendes Figurenprogramm, Grotten, Labyrinthe ... Die zentrale Neuerung war, dass dem Barockgarten ein umfassender Gesamtplan zugrunde lag, in dessen Zentrum das Schloss lag. Das Schloss war das nach außen sichtbare Zeichen der fürstlichen Macht, der Zielpunkt eines hierarchisch gegliederten axialen Wegesystems mit einer zentralen, breiten Mittelachse. Alle Blickpunkte waren auf das Schloss ausgerichtet. Im Barock verschwand auch die den
Blick auf Schloss und Park von Versailles. Gemälde von Pierre Patel (1668). Die Gesamtanlage sollte die Allmacht des Königs zum Ausdruck bringen; alle Wege und Blickbeziehungen sind auf sein Schloss als Mittelpunkt der Herrschaft ausgerichtet.
Garten abschließende Mauer; der Garten war nicht länger ein „hortus conclusus“; im Gegenteil: Die umgebende Landschaft wurde durch Blickachsen in die Gestaltung einbezogen. Barockgärten waren eine gigantische Bühne für höfische Feste und Inszenierungen der fürstlichen Macht. Was Leon Battista Alberti für den Garten der Renaissance, das waren André Le Nôtre und Antoine-Joseph Dézallier d’Argenville für die Gärten des Barock. In Vauxle-Vicomte (Ile-de-France) legte Le Nôtre zwischen 1655
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und 1661 für Nicolas Fouqet, Finanzminister Ludwigs XIV., den ersten Park im neuen – barocken – Stil an. Nach der Fertigstellung von Schloss und Park lud Fouquet den König zu einem großen Fest nach Vaux-le-Vicomte ein. Dass der „Sonnenkönig“ seinen Minister allein aus Wut über die dabei zur Schau gestellte Pracht und aus Neid auf das Schloss und seinen Park verhaften ließ, ist eine schöne Legende. Fouqet war dem König zu mächtig geworden, die katastrophale Finanzlage musste irgendjemandem in die Schuhe geschoben werden, und mit seinem königsgleichen Auftreten mochte der allzu selbstbewusste Minister den König noch in seiner Einschätzung bestärkt haben: Fouqet musste weg. Tatsächlich wurde er bald darauf verhaftet und verbrachte den Rest seines Lebens im Kerker. Die am Bau von Vaux-le-Vicomte beteiligten Baumeister beschäftigte Ludwig XIV. selbst weiter, darunter auch den Gartenarchitekten Le Nôtre. Er hatte eine gewaltige Aufgabe für sie: Versailles sollte zum größten Schloss des europäischen Kontinents werden, und sein Park zu einer ins Monumentale gesteigerten Allegorie auf seine Macht. Wie die Strahlen der Sonne zweigen die Wege vom Schloss ab, vorbei an üppig blühenden Blumenbeeten, an Brunnen und Kanälen, ein scheinbar ins Endlose gesteigerter Gartentraum. Die sich in den Barockgärten manifestierende Allmacht des Fürsten drückte sich auch in der Beziehung zur Natur aus. So wie der Fürst die Menschen seines Landes beherrschte, so beherrschte er auch die Natur. Wenn Wasserspiele mit modernster Technik in Gang gesetzt wurden und das kostbare Nass aus Fontänen spritzte oder sich in Kaskaden ergoss, dann war dies ein Zeichen dieses Beherrschens der Natur, die sich dem fürstlichen Willen zu beugen hatte. Im Jahr 1709 veröffentlichte Dézallier d’Argenville sein epochemachendes Werk „La Théorie et la Pratique du Jardinage“, das wichtigste Lehrbuch für die Gestaltung
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barocker Gärten. Darin beschreibt der Gelehrte die zentralen Lehrsätze barocker Gartengestaltung, aber auch ganz konkret, wie die einzelnen Elemente der Parks aussehen und angeordnet werden sollten. Es war also ein ganz praktisches Lehrbuch, das Richtschnur und Anleitung für viele Gartenkünstler in ganz Europa werden sollte. Ein wesentliches Element der Gestaltung barocker Gärten war das Parterre. Das Wort leitet sich aus dem französischen „par terre“, also „auf der Erde“, ab und meint ein niedrig gehaltenes Gartenornament, das dem Schloss direkt vorgelagert ist. Dabei konnten auch mehrere dieser Parterres hintereinander angelegt sein. Die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten eines Parterres hat Dézallier d’Argenville ausführlich beschrieben. Besucht man heute barocke Gärten, begegnet einem am häufigsten der Begriff „Broderieparterre“. Als Broderien wurden früher Stickereien mit besonders aufwendigen, ornamentalen Mustern bezeichnet. Und genauso wirken diese Parterres in den barocken Gärten, wenn man von oben auf sie blickt. Die Rahmen können dabei von niedrigen Buchshecken oder auch von Blumen gebildet werden. Die dadurch geformten Innenflächen sind wahlweise mit bunten Kieseln, Blumen (beim „Parterre depièces coupées pour des fleurs“) oder Rasen (beim „Parterre à l’angloise“) besetzt. Im seitlichen Anschluss an das Parterre finden sich in vielen barocken Parks Alleen oder sogenannte Boskette; die Bezeichnung ist nicht von ungefähr abgeleitet von dem französischen Wort „bosquet“ für Wäldchen. Denn genau das ist ein Boskett im barocken Park – natürlich nicht in der Form eines unregelmäßig gewachsenen Naturwalds, sondern einem geometrischen Pflanzschema folgend, etwa durch Gruppen in Form der Fünf auf dem Würfel (Quincunx). Und die Bäume (oder auch höhere Hecken) waren selbst gleichfalls in Form geschnitten, um dem Anspruch
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der strengen Regelmäßigkeit zu genügen. Gleichwohl boten die Boskette einen Raum der Intimität, wie er vor allem im Rokoko geschätzt wurde. Zwar wurde der Anspruch der Regelmäßigkeit damals nicht aufgegeben, aber die Gärten verloren ihre Strenge und erhielten einen mehr spielerischen Charakter, der sich auch in einem veränderten Figurenprogramm äußerte, wenn etwa an die Stelle der olympischen Götter immer häufiger heitere Putten traten.
Der englische Landschaftsgar ten Aus der beherrschten Natur des Barockgartens wurde die gestaltete Natur des englischen Landschaftsgartens. An die Stelle der geraden Linien und des axialen Wegesystems im Barock traten geschwungene Konturen. Wer von A nach B will, muss dies im englischen Landschaftsgarten stets auf Umwegen tun. Doch folgt er den geschwungenen Wegen, entdeckt der Spaziergänger unwillkürlich immer wieder neue Aus- und Einblicke. Doch wie natürlich diese Blicke erscheinen mögen (und sollen): Auch im englischen Landschaftsgarten ist nichts dem Zufall überlassen; jede Blickbeziehung ist genauestens durchdacht und geplant. Nicht von ungefähr erinnern englische Landschaftsgärten an die Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts. So wenig die Gemälde eines Claude Lorrain oder Nicolas Poussin Landschaften
FÜRSTLICHE GÄRTEN In diesem Band werden insgesamt 16 fürstliche bzw. h herrschaftliche Gärten in Hessen vorgestellt: vom Barock bis zum eng englischen Landschaftsgarten. rten. Dabei stehen weniger Gartentheorie und botanische Fragen im Mittelpunkt als die Geschichte der Gärten und ihrer Schöpfer bzw. d die Geschichte chichte der Familien, für die sie einst entstanden sind. Alle die diese Gärten sind öffentlich zugänglich. Die Beiträge sollen d daher auch Lust auf uf einen Besuch machen und Begleiter bei dem Spaziergang durch Raum und Zeit sein.
fotografisch genau wiedergeben, so wenig entsprechen Landschaftsgärten der freien Natur. Lorrain und Poussin komponierten ihre Landschaften, und genauso machten es die Gartenkünstler: Jede Kleinarchitektur (besonders beliebt waren gleichermaßen an Vergänglichkeit wie an alte Größe gemahnende Ruinen) wurde mit Bedacht an ebenjener Stelle platziert, und auch wenn keine breite Mittelachse mehr auf das Schloss zuführte, so eröffnete sich der Blick darauf doch aus einer Vielzahl von Sichtachsen. Bäume wurden nicht mehr beschnitten, aber doch in Gruppen oder solitär so gepflanzt, dass sich im Zusammenspiel mit weiten Wiesenflächen ein romantisches Bild ergab. Ein Bach schlängelt sich scheinbar natürlich durch den Park, und die Ufer von Teichen und Seen sind ebenfalls unregelmäßig geformt. Als englische Landschaftsgärten werden diese Parks bezeichnet, weil die neue Mode um 1720 in England ihren Ausgang genommen hat. Als erster englischer Landschaftsgarten in Deutschland gilt der Wörlitzer Park im heutigen Sachsen-Anhalt, der zwischen 1769 und 1773 für den Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau angelegt wurde. 1770 begann der Hofgärtner Daniel August Schwarzkopf mit der landschaftlichen Umgestaltung des Karlsbergs, des heutigen Bergparks Wilhelmshöhe. Dabei behielt er einzig die schnurgerade Sichtachse vom Herkules hinunter zum Schloss bei, während ansonsten alle übrigen geometrischen Formen und rechten Winkel verschwanden. Maßstäbe in der Gestaltung von Landschaftsgärten setzten vor allem Peter Joseph Lenné in Potsdam bzw. Berlin, Hermann Ludwig Heinrich Fürst von on Pückler-Muskau mit seinen eigenen Parks in Muskau und Branitz sowie Friedrich Ludwig von Sckell, der in Hessen n unter anderem für die Umwandlung des Schlossgartens von on Biebrich in einen englischen Landschaftsgarten verantwortlich gezeichnet hat. w
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Zwar gab es schon im Mittelalter oder in der Renaissance bürgerliche Gärten, doch die großen Parks waren für Könige, Fürsten, Grafen oder Bischöfe geschaffen worden. Im 19. Jahrhundert ahmten nicht nur reiche Industrielle diese Vorbilder nach, sondern es wurden auch die ersten großen Volksparks eröffnet – der Große Tiergarten in Berlin, ein Werk Lennés, oder der Englische Garten in München, ein Werk Sckells. Zunehmend entstanden städtische Parks als Ausdruck des kommunalen Selbstbewusstseins. Dabei
Claude Lorrains Gemälde sind keine realistischen Wiedergaben einer Landschaft, sondern wohlkomponierte Idealansichten - wie diese Hirtenszene von 1638, die von der Tempelruine links und dem Baum rechts förmlich eingerahmt wird.
ist es geradezu symbolhaft, dass die ersten Gewächshäuser des 1868 gegründeten Palmengartens in Frankfurt am Main aus dem Schlosspark von Biebrich stammten. Die botanischen Gärten in Marburg, Gießen oder Darmstadt verbanden Wissenschaft und Gartenkunst; ausgedehnte Kurparks wurden zur Kulisse der täglichen Promenade eines bunt gemischten Publikums.
Staatspark Fürstenlager Bensheim-Auerbach Dörfliche Idylle im Odenwald Ein in dörfliches Idyll inmitten einer bezaubernd schönen La Landschaft, das ist der Staatspark Fürstenlager in BensheimBensheim-Auerbach. Noch heute wähnt man sich dort in einer anderen Zeit.
Wäre die Geschichte anders verlaufen, wäre das Fürstenlager heute womöglich ein Kurbad mit ausgedehnten medizinischen Einrichtungen. Denn im Jahr 1739 legte man in dem engen, lang gestreckten Rossbachtal bei Auerbach eine Quelle frei, deren „roter, fetter und mineralischer Schleim“
eine gesundheitsfördernde Wirkung versprach. Die Quelle wurde gefasst, und das Wasser wurde „so berühmt, dass Leute von Darmstadt und Frankfurt, sodann [von] WeinL heim eim, Heidelberg, Mannheim und dem ganzen umliegenden Land, L auch über den Rhein und Main her, in solcher Menge gekommen sind, die in Krügen und Fässern das Meng Wasseer allhier geholt haben, dass manchen Tag viele Omen [Wunderzeichen] verführet worden …“ [Wun Doch von Beginn an wurden Zweifel an der HeilwirD kung des Wassers laut, zudem war die Quelleinfassung ku offensichtlich nicht besonders solide ausgeführt. Mehrere Versuche, das Interesse wieder zu steigern, scheiterten. Doch dann kam 1767 ein ganz besonderer Gast: Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt. „Unser verehrter Landgraf weilt seit zehn Tagen bei dem Auerbacher Wasser, er trinkt jeden Morgen vier bis sechs Gläser des Wassers und fühlt sich sehr wohl. Ebenso nimmt er Fußbäder an derselben Quelle … Man erzählt sich wunderliche Wirkungen dieser Bäder …“ Zugleich ordnete der Landgraf an, „von Auerbach an die Quelle einen bequemen Weg zu machen, sie selbst ordentlich und zierlich zu fassen, Alleen anzulegen, die nötigen Gebäude aufzuführen und überhaupt nichts fehlen zu lassen, was die Notwendigkeit an sich und die Bequemlichkeit der Kurgäste erfordern könnte“.
Vo m K u r b a d z u m F ü r s t e n l a g e r Dies hätte der Beginn einer großen Karriere als Kurbad werden können. Die direkte Werbung durch den Landgrafen war eine Art allerhöchstes Gütesiegel für die Wirksamkeit des Auerbacher Wassers. Umgekehrt konnte es dem Landesherrn nur recht sein, wenn viele, vor allem auswärtige Kurgäste kamen, denn sie brachten Geld ins Land und kurbelten die Wirtschaft an. Ein Kurbad war eine lohnende Investition. Doch Ludwig VIII. starb schon 1768, und
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Von den hoch gelegenen Spazier wegen ergeben sich schöne Blicke auf das „Dorf“ im Talgrund, von der Zedernwiese auf das Weißzeughäuschen, den Damen- und den Prinzenbau.
Das als „Schlösschen“ bezeichnete Herrenhaus; 1792 –1794 erbaut.
sein gleichnamiger Nachfolger interessierte sich für die Kuranlagen in Auerbach nur wenig. Auch dies zeigt neuerlich, wie abhängig der dauerhafte Erfolg solcher Einrichtungen von der Förderung durch den Landesherrn war. Insofern war es ein weiterer Glücksfall, dass der erkrankte Erbprinz Ludwig (X.) 1783 auf die Heilwirkung der Auerbacher Quelle baute. Tatsächlich wurde er bald darauf wieder gesund, und als er 1790 selbst Landgraf wurde, begann der eigentliche Ausbau des Fürstenlagers. Allerdings wurde der Kurcharakter dabei immer unwichtiger. Zwar blieb der gefasste Gesundbrunnen (bis heute) erhalten, doch im Vordergrund stand nun die Nutzung als Ort des inszenierten fürstlichen Rückzugs in die ländliche Idylle.
Dem entsprach, dass es im Fürstenlager – so genannt, weil die Untertanen ihre Fürsten dort auf den Wiesen lagern sahen – nie ein großes Schloss gab, sondern nur ein auch so bezeichnetes Herrenhaus. Das Fürstenlager wirkt auf den ersten Blick wie ein gewachsenes Puppenstubendorf, das heute als idealer Drehort für Märchenfilme erscheinen mag. Solche Dörfer hat es auch andernorts gegeben. Das berühmteste davon erbaute sich Herzog Carl Eugen von Württemberg in Hohenheim bei Stuttgart. Doch dieses Dorf war nur eine von zeitweise engagierten Statisten bevölkerte Staffage, und der Herzog residierte natürlich in dem großen klassizistischen Schloss daneben. Das war im Fürstenlager anders – dieses
Vom Parkplatz kommend, erreicht man bald eine romantische Brücke, die den in Kaskaden geführten Rossbach überspannt.
Dorf wurde tatsächlich von der Hofgesellschaft bewohnt. Nach 1800 wurde das Fürstenlager zum Ausflugsziel für die Bevölkerung und zur Sommerfrische für die Beamten des Darmstädter Hofs. Für deren Unterbringung wurde 1810/11 der sogenannte Fremdenbau errichtet. Auch wurde verstärkt versucht, durch die Anpflanzung von Obstplantagen und Weinbergen ökonomischen Nutzen aus dem Park zu ziehen.
Einheit von Park und Landschaft Zu einem Kurbad gehörten auch schon im 18. Jahrhundert ausgedehnte Gartenanlagen – nicht anders als heute. So legten der landgräfliche Baudirektor Philipp Jacob Mann und der Ingenieurleutnant Johann Jacob Hill bereits 1767/68 erste Pläne für eine gärtnerische Gestaltung vor.
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Doch wurden diese Pläne nach dem Tod Ludwigs VIII. nicht umgesetzt. Erst die „Wiederentdeckung“ durch Ludwig X. führte nach 1783 bzw. 1790 nicht nur zu umfangreichen Baumaßnahmen, sondern auch zu einer Umwandlung des Tals in einen englischen Landschaftsgarten. Dies geschah jedoch auf eine so subtile Weise, dass Park und umgebende Landschaft fließend ineinander übergingen. Denn der Hofgärtner Carl Ludwig Geiger bezog die vorhandenen Wiesen, Felder und Weinberge in seine Planungen mit ein. Weitere Fixpunkte der Gartenplanung bildeten die bereits zahlreich vorhandenen Kleinbauten und Denkmale. Alle diese Elemente verband Geiger durch Alleen und ein Netz geschwungener Wege, wie sie für englische Landschaftsgärten üblich sind, untereinander und mit dem „Dorf“ im Tal. Von den erhöhten Aussichtspunkten hatte man dank der besonderen topographischen Lage weite Blicke bis in die Rheinebene, zu den Höhen des Odenwalds und des Pfälzerwalds. Bei der Wahl der Bäume und Pflanzen holte sich der Darmstädter Hofgärtner den Rat seines berühmten Kollegen Friedrich Ludwig Sckell, dem Schöpfer so bedeutender Anlagen wie dem Schlosspark in Schwetzingen, dem Park von Schloss Biebrich und dem Englischen Garten in München. Der Eindruck fließender Grenzen ist heute sogar noch stärker als im 18. und 19. Jahrhundert, da nach dem Untergang der Monarchie 1918 eine konsequente Pflege lange Zeit ausblieb und der Landschaftspark in weiten Teilen zum Wald wurde. Kurioserweise sorgte ausgerechnet ein Sturm im Februar 1990 dafür, dass dieser Wald an vielen Stellen ausgelichtet wurde. Seither wird auf der Basis eines 1992 erschienenen Parkpflegewerks an der Wiederherstellung und langfristigen Erhaltung der historischen Parkanlage als Kulturdenkmal gearbeitet. Dabei sollen auch die alten Sichtbeziehungen wieder geöffnet werden.
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W i e a u s e i n e m G r i m m ’s c h e n M ä r c h e n Betritt man das Fürstenlager von Auerbach her kommend, wird der Besucher von einer Lindenallee durch das sich langsam weitende Tal geführt. Bald fällt der Blick auf den lang gezogenen Schwanenweiher und den kleineren Ententeich, der 1854 als Brutteich für die Forellenzucht angelegt wurde. Eine romantische, asiatisch anmutende Brücke überspannt das Bächlein und unterstreicht zugleich die friedliche Stimmung, zumal wenn Sonnenstrahlen, Wasser und Bäume vielfältige Schattenbilder malen. Am Horizont zeichnen sich die Umrisse der ersten Häuser des Fürstenlagers ab. Das satte Grün von Wiesen, Hecken und Bäumen kontrastiert mit den in bunter Pracht blühenden Blumen. Eine doppelreihige Platanenallee führt schließlich in das „Dorfzentrum“. Rechterhand liegen der kleine Konditoreibau und Blick über den Schwanenteich, im Hintergrund der Fremdenbau.
Eine kleine „Allee“ aus stattlichen Oleander-Hochstämmen führt auf den Damen- und den gegenüber liegenden Prinzenbau zu.
dahinter das im Zentrum der Ökonomiegebäude liegende Haus des Brunnenverwalters, in dem auch heute noch der Verwalter des Fürstenlagers seine Wohnung hat. Stattliche Oleander-Hochstämme in Kübeln bilden das Entree zu dem architektonisch hervorgehobenen Ensemble des Prinzen- und des gegenüberliegenden Damenbaus. Wie die Kulisse eines Grimm’schen Märchens wirkt das puppenstubenhafte Weißzeughäuschen, in dem einst tatsächlich das namengebende Weißzeug untergebracht war. Dagegen kann man den benachbarten Gesundbrunnen, der doch der Ursprung des gesamten Parks ist, schon leicht übersehen. Das Wachthäuschen wurde 1804 von der Herrenwiese an seinen heutigen Standort versetzt. Mit seinem schlichten Säulenvorbau und dem schlanken Uhrturm mag es tatsächlich Assoziationen an Hans Christians Andersens Märchen
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vom standhaften Zinnsoldaten wecken. Das Herrenhaus ist heute ein stilvolles Hotel und Restaurant – von der Terrasse aus öffnet sich der Blick über die Herrenwiese, die sich als schmale, von hohen Bäumen gesäumte Lichtung bis auf die gegenüberliegende Höhe erstreckt. Unter den Bäumen sind auch zahlreiche im 19. Jahrhundert gepflanzte Exoten, allen voran ein stattlicher Urwelt-Mammutbaum. Ein kleiner Springbrunnen plätschert sanft. Im Winter wird die Herrenwiese zum beliebten Schlittenbuckel. Ursprünglich befand sich am Rand der Herrenwiese die Jawandsburg, ein um 1787 erbautes Fachwerkgebäude, das wohl als überdachter Anstand für den Leibjäger gedient hat. Doch diese Jawandsburg ist ebenso verschwunden wie die Russische Kapelle auf der Höhe.
Es fehlt nur noch der wackere Zinnsoldat: das Wachhäuschen mit seinem schlichten Säulenvorbau und dem markanten Uhrturm.
Am höchsten Punkt der Herrenwiese lädt dagegen noch immer der Freundschaftstempel, den die Prinzen Emil und Ludwig 1824 „in kindlicher Liebe“ für ihre Mutter, Großherzogin Luise, errichteten, zu einer kurzen Rast nach dem anstrengenden Aufstieg ein. Entlang des Höhenzugs verläuft ein aussichtsreicher Spazierweg, der am Ende zu zwei weiteren Kleinarchitekturen führt: Da ist zum einen der 1783 von der späteren Großherzogin Luise aufgestellte Freundschaftsaltar, ein Beispiel für den im 18. Jahrhundert blühenden „Freundschaftskult“. Ein paar Schritte weiter erreicht man das Teehaus, das allerdings nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg lediglich in vereinfachter Form wiederaufgebaut worden ist.
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Auf der gegenüberliegenden Talseite gibt es eine Reihe weiterer Kleinbauten, Denkmale und Aussichtspunkte. Dazu gehört etwa das Luisendenkmal von 1786. Dieses Monument in Form einer antikisierenden Vase hatte die damalige Erbprinzessin Luise Henriette Karoline zum Andenken an ihre verstorbenen Schwestern Friederike und Charlotte errichten lassen. Den östlichen Abschluss des Parks bildet schließlich die holzverkleidete Eremitage (um 1787). Als Teil eines inszenierten Rückzugs in die vermeintliche Einsamkeit finden sich solche Eremitagen in zahlreichen Parks der Zeit – das konnten tatsächlich bescheidene Bauten wie im Fürstenlager in Bensheim sein, aber auch ausgedehnte und mit zahlreichen Spielereien ausgestattete wie die Eremitage der Markgräfin Wilhelmine in Bayreuth. Zur Zeit der Frühjahrsblüte lohnt ein Besuch im Fürstenlager besonders.
Im Februar 1824 widmeten die Prinzen Emil und Ludwig ihrer Mutter, Groß herzogin Luise, den sogenannten Freundschaftstempel am höchstgelegenen Punkt der Herrenwiese.
FÜRSTENLAGER BENSHEIM-AUERBACH Der Staatspark Fürstenlager Bensheim-Auerbach ist ganzjährig öffentlich zugänglich. ch. Öffnungszeiten: ungsz Ausstellung tellung zur Geschichte des Fürstenlagers in der Wache: 1. März z bis 31. Oktober, Samstag/Sonntag 10 ––17 Uhr. Großherzogliche Porzellanausstellung im Damenhaus: Damenhau 1. März bis 31. Oktober, Dienstag bis Samstag 14 –17 Uhr, Sonntag 10 –17 Uhr. Im „Wohnzimmer“ des Fremdenbaus bietet die Stadt Bensheim Termine zur Eheschließung an. Staatspark Fürstenlager 64625 Bensheim Telefon 06251/93460 www.schloesser-hessen.de
Prinz-Georg-Garten Darmstadt Sehnsucht nach Geborgenheit In ihrer formalen Struktur und in ihren grundlegenden Elem Elementen n sind sich Barock- und Rokokogärten sehr ähnlich. Doch D während das Barock für das große, nach außen geri gerichtete Schauspiel steht, wurde im Rokoko zunehmen zunehmend die Intimität gesucht, ucht, die abgeschlossene Idylle, in der die laute und hektische Welt keinen k Platz haben sollte.
Der Prinz-Georg-Garten in Darmstadt ist ein solcher Garten, der Geborgenheit vermittelt, und inmitten der modernen Großstadt stellt sich dieses Gefühl hier vielleicht noch eindringlicher dar als vor 250 Jahren. Man ahnt den Ver-
kehr mehr, als dass man ihn wirklich hört, und schafft man es, den Blick nach Süden nicht zu sehr über die Mauern des Gartens schweifen zu lassen, übersieht man sogar die nicht G unb nbedingt zu dieser Idylle passende Architektur im Hintergrund nd. Hat man dann noch das Glück, einen warmen Sommertag zu erhaschen und setzt sich auf eine der zahlreichen merta Bänkee, vielleicht mit einem Buch aus der Bibliothek im Pretlack’schen ack’s Palais in Händen, ist die Illusion perfekt. Einer der besten Plätze, um den Garten in seiner ganE zen Schönheit zu überblicken und zu erkunden, ist die ze 2004 rekonstruierte Sitznische am südlichen Ende der vom Prinz-Georg-Palais ausgehenden Achse. Denn dabei wird schnell ersichtlich, dass der Garten aus zwei rechtwinklig zusammengefügten Teilen besteht: dem Palais-Garten und dem Pretlack’schen Garten. Im 17. Jahrhundert lag das Gebiet des heutigen Prinz-Georg-Gartens außerhalb der Stadtmauern; hier befanden sich die Gärten von Bürgern und Adelsfamilien aus dem Umkreis des Hofs.
Aus zwei (Gär ten) mach eins Einen solchen Garten erwarb Landgraf Ernst Ludwig 1698. Er ließ darin wahrscheinlich von dem französischen Baumeister Louis Rémy de la Fosse (oder dem kurmainzischen Hofbaumeister Maximilian von Welsch) ein Palais als sommerliches Lusthaus erbauen, umgab es mit kleinen Ökonomiegebäuden und ließ einen nach Süden ausgerichteten, regelmäßigen Garten im französischen Stil anlegen, der sich ursprünglich fächerförmig öffnete. Das Palais ist ein zweigeschossiger Bau mit Mansardwalmdach; schmiedeeiserne Balkone mit Wappen und stilisierten Blüten lockern die Fassaden auf. Das Schlösschen war wie geAn der Mauer zum Herrengarten laden Bänke wie links zur Rast zwischen Obstbäumen und Blütenpracht ein.
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Das Prinz-Georg-Palais, das auch als Porzellanschlösschen bezeichnet wird, weil dort die Großherzoglich-Hessische Porzellansammlung ausgestellt ist.
ausmacht. In den aufgemalten Terrakottatöpfen wachsen Orangenbäume, in den Vasen über den Fenstern stecken Blumen, und das filigrane, schiefergedeckte Dach wird von zwei goldenen Spitzen mit Ananasfrüchten gekrönt. Noch mehr als die Orange galt die Ananas als begehrenswert exotisch und als gesund obendrein, sodass es nicht wunder nimmt, dass sie als Schmuckelement gerade an Gebäuden in Rokokogärten besonders beliebt war.
Die östliche Achse des Prinz-Georg-Gartens ist auf das um 1710 erbaute Pretlack’sche Gartenhaus ausgerichtet, als Pendant zum Prinz-Georg-Palais im Norden.
schaffen für Feste im kleinen Kreis, wie sie für das Rokoko typisch waren. Seit 1908 ist in dem Bau die Großherzoglich-Hessische Porzellansammlung untergebracht. An diesen landgräflichen Garten schloss sich im rechten Winkel der Garten des Generalleutnants Johann Rudolf von Pretlack an. Und auch der Offizier krönte seine Anlage um 1710 mit einem Gartenhaus, für das wahrscheinlich ebenfalls Louis Rémy de la Fosse verantwortlich gezeichnet hat. 2003 wurde die Fassadenmalerei wiederhergestellt, die den besonderen Reiz dieses Hauses Mischung aus Nutz- und Ziergarten: Zwischen Obstbäumen blüht es in allen Farben; im Hintergrund sprießt junger Salat aus dem Boden.
P O R Z E L L A N S A M M L U N G I M P R I N Z - G E O R G - PA L A I S Öffnungszeiten ffnungszeiten Großherzogliche Porzellansammlung im Prinz-Georg-Palais: Montag bis Donnerstag 10 –13 Uhr und d 14 –17 Uhr, Samstag/Sonntag tag/Sonntag 10 –13 Uhr.
Eine Freitreppe aus Buntsandstein führt vom Garten zu dem wappengeschmückten Portal des Pretlack’schen Hause ses. Die Hessische Schlösserverwaltung hat darin ein öffentlich ches Lesezimmer eingerichtet, in dem man sich nach Herzenslust bedienen kann – eine schöne Idee gerade für einen zen
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so zur Beschaulichkeit und Entspannung einladenden Garten. Der Pretlack’sche Garten ist nach dem historischen Vorbild als Nutzgarten angelegt. Hier wachsen Spitzkohl und Blattsalat, Sauerampfer und Mangold, Sellerie und Fenchel eingefriedet von Rabatten mit Blumen und in Form geschnittenen kleinen Bäumen. Wer sagt, dass Nutzpflanzen nicht schön sein können? Auch kleinstämmige Obstbäume gibt es zahlreich. 1748 erwarb Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt auch den Pretlack’schen Garten; seither bilden die beiden Gartenteile eine Einheit. 1764, vier Jahre vor seinem Tod, machte der Landgraf diese Gartenidylle seinem zweitältesten Sohn Georg Wilhelm zum Geschenk – seither ist der Garten nach ihm benannt: Prinz-Georg-Garten. Georg Wilhelm war verheiratet mit Maria Luise Albertine zu Leiningen-Dagsburg-Falkenburg; sie überlebte nicht nur ihren 1782 verstorbenen Mann um fast 40 Jahre, sondern auch ihre älteste Tochter Friederike Caroline Luise, die mit dem Prinzen Carl von Mecklenburg-Strelitz verheiratet war. Viele Namen, um nur auf einen ganz anderen zu kommen: denn eine der Töchter dieses Paares war die spätere preußische Königin Luise. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter 1782 wuchs sie am Hof ihrer Großmutter, eben jener Friederike Caroline Luise, in Darmstadt auf, wo sie eine unbeschwerte Kindheit und Jugend verbracht hat. Die überschäumende Lebensfreude und Unbefangenheit Luises, aber auch ihre Menschenfreundlichkeit – sie hatten ihre Wurzeln in Darmstadt. Die Verlobung Luises mit dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem späteren König Friedrich Wilhelm III. (und Luises Schwester Friederike mit dessen jüngerem Bruder Ludwig) am 24. April 1793 wurde im Prinz-Georg-Palais gefeiert, in dem damit ein Stück weit auch preußisch-deutsche Geschichte geschrieben wurde.
Blütenpracht kombiniert mit rotbäckigen Birnen – das Feuer werk der Farben beeindruckt wohl jeden Besucher im Prinz-Georg-Garten.
Im einstigen Heckentheater Vom Schlossgartenplatz her kommend, betritt man den Prinz-Georg-Garten durch ein massiges Portal, das man in dieser verspielten Umgebung nicht unbedingt erwarten würde. Und tatsächlich handelt es sich dabei um das alte Südportal des Herrngartens, das erst 1818 hier aufgestellt wurde. Der Herrngarten ist der eigentliche Hofgarten, der sich vom Residenzschloss her nach Norden ausdehnt. Ursprünglich im 16. Jahrhundert angelegt, wurde der Herrngarten unter der Landgräfin Karoline von HessenDarmstadt in einen englischen Landschaftsgarten umgewandelt. Im Westen grenzt der Herrngarten unmittelbar an den Prinz-Georg-Garten; eine kleine Tür verbindet die beiden Anlagen – auf der einen Seite das ruhige BlütenIdyll, auf der anderen Seite der ausgedehnte und in der
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Blick auf das ehemalige Teehaus. Ursprünglich eine Holzkonstruktion, wurde es in den 1960er-Jahren wetterfest in Metall erneuert.
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Regel vielbevölkerte Herrngarten mit seinen Wiesenflächen und großen Bäumen, in deren Schatten man es sich im Sommer bequem machen kann. Normalerweise ist in Gärten des Barock und des Rokoko dem Schloss bzw. dem Gebäude, auf das der Garten ausgerichtet ist, unmittelbar ein Parterre vorgelagert, das heißt eine niedrige Bepflanzung aus meist gleichmäßigen Kompartimenten mit Blumenrabatten und sich axial kreuzenden Wegen. Seitlich an dieses Parterre schlossen dann gewöhnlich die von Hecken eingerahmten Boskettzonen an – kleine Wäldchen mit in geometrischen Mustern aufgestellten, beschnittenen Bäumen. In diesen Boskettbereichen gab es häufig sogenannte Heckentheater. Darin fanden Theater-, Oper- oder Konzertaufführungen im kleinen Kreis und unter freiem Himmel statt, in zumindest äußer-
lich ungezwungener Atmosphäre gegenüber den dem höfischen Zeremoniell verpflichteten Aufführungen in den großen Opernhäusern. Auch im Prinz-Georg-Garten gab es ein solches Heckentheater, das sich aber ungewöhnlicherweise direkt vor dem Palais bzw. den Wirtschaftsgebäuden befand – ebendort, wo man eigentlich kunstvolle Blumenrabatten erwartet. Dieses Heckentheater gibt es zwar seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Prinz-Georg-Garten nicht mehr, doch ist es zumindest in seiner räumlichen Ausdehnung als Orangeriegarten erhalten geblieben. Dort, wo sich zuvor die „Bühne“ dieses Freilichttheaters befunden hatte, steht eine von Sandsteinbänken umgebene Volière. Und wo heute Lorbeerbäume in weißen Kübeln in Reih und Glied stehen, nahmen die Zuschauer Platz. Das westliche Ende des Zuhörerraums bildet das um 1770 bis 1780 erbaute Teehaus, das also bereits zu Zeiten des Heckentheaters diese Aufgabe erfüllt hat. Und es fällt auch nicht schwer, sich vorzustellen, wie die Hofgesellschaft sich vielleicht in den Pausen dorthin zurückgezogen hat. Das Teehaus ist ein offener, luftiger Bau, der im Sommer kühlenden Schatten versprach. Das 1945 zerstörte Teehaus war ein reiner Holzbau gewesen, der heutige, in den 1960er-Jahren entstandene Bau gleicht seinem Vorgänger zwar völlig, allein handelt es sich um einen Metall- und nicht um einen Holzbau.
S o n n e n u h r u n d We t t e r f a h n e Schon öffnet sich der Blick in das farbenfrohe Hauptparterre, eine Fontäne plätschert sanft. Am Ende der zentralen Palais-Gartenachse wurde 2004 eine apsisförmige Sitznische aus Metall wiederhergestellt, wie sie auf einer Gouache von Ernst August Schnittspahn 1844 zu sehen ist. Der Theatermaler hat über 200 solcher Ansichten Darmstadts und damit ein einzigartiges Bild der Residenzstadt in dieser
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Die sandsteinerne Sonnenuhr stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Auf allen vier Seiten sind Ziffernblätter und Zeiger angebracht.
Zeit geschaffen. Darunter sind auch mehrere Ansichten des Prinz-Georg-Gartens. Geschmückt wird das Gitter der Sitznische von einer goldenen Sonne mit Gesicht und Strahlenkranz; dabei handelt es sich um ein in der Zeit der Aufklärung sehr beliebtes Motiv, doch ist die Ähnlichkeit der Darmstädter Konstruktion mit den berühmten Lauben bei Schloss Sanssouci in Potsdam verblüffend. Eine Besonderheit sind die beiden Sonnenuhren aus Buntsandstein. Dabei geht der Säulenschaft in ein Rechteck über, an dessen vier Seiten jeweils Ziffernblatt und Zeiger angebracht sind. Es handelt sich um eine sogenannte Vielflächen-Sonnenuhr, wie sie in barocken Parks verbreitet waren. Gekrönt werden die Säulen von der Erdkugel und einer Wetterfahne mit dem Spiegelmonogramm Ludwigs VIII., jenes Landgrafen, der 1748 den Pretlack’schen n Garten erworben und damit den Prinz-Georg-Garten in seiner heutigen Form begründet hat. Nach dem frühen Tod ihres Mannes wollte Maria Luise Albertine, dass im Prinz-Georg-Garten nichts verändert wu urde. Alles sollte so bleiben wie in der glücklichen Zeit ihrer er
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Ehe, als das kleine Palais mit seinem friedlichen Garten der Mittelpunkt eines beschaulich-heiteren Familienlebens gewesen war. Ihr Tod 1829 beendete die Zeit der regelmäßigen Nutzung des Prinz-Georg-Gartens durch die landgräfliche bzw. seit 1806 großherzogliche Familie. Gleichwohl blieb die Grundstruktur des Rokokogartens erhalten; allerdings wurden vom Hauptparterre auf beiden Seiten Flächen abgetrennt – westlich um 1850 zugunsten des Herrngartens, östlich 1934 zugunsten eines Neubaus der Technischen Hochschule. Erst seither haben Orangeriegarten und Hauptparterre die heute längst gewohnte rechteckige Gestalt. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Prinz-Georg-Garten der Bevölkerung als Grabeland zur Verfügung gestellt, das heißt, sie durfte darauf einjährige Pflanzen ziehen, die unmittelbar der Versorgung mit den dringend benötigten Nahrungsmitteln zugute kamen. Der Begriff „Grabeland“ kommt vom „Umgraben“ der Erde (im Gegensatz zum gepflügten Acker). Dabei wurde allerdings darauf geachtet, dass die historischen Kompartimente erhalten blieben. Das Prinz-Georg-Palais und das Pretlack’sche Gartenhaus wurden nach schweren Kriegsschäden wiederhergestellt, der Prinz-Georg-Garten wurde ebenfalls wieder nach den historischen Vorbildern bepflanzt, sodass die Besucher heute wieder eine Reise in die Zeit des 18. Jahrhunderts unternehmen können.
PRINZ-GEORG-GARTEN Der Prinz-Georg-Garten ist tagsüber frei zugänglich (Sommerhalbjahr 7 –19 Uhr, Winterhalbjahr 8 –16 Uhr). Prinz-Georg-Garten z-Georg-Garten und Palais Schlossgartenstraße ossgartenstraß 6b 64289 Darms Darmstadt Telefon 06151/4927131 927131 www.schloesser-hessen.d www.schloesser-hessen.de www.darmstadt.de
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Rosen- und Mathildenhöhe Darmstadt E i n f a c h h e i t , N a t u r, P o e s i e Die Darmstädter Mathildenhöhe und die ihr benachb benachbarte Rosenhöhe osenhöhe fallen aus dem üblichen Rahmen der fürstlic fürstlichen Gärten: Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstad Hessen-Darmstadt verwirklichte hier seinen ganz eigenen Traum: „M „Mein Hessenland blühe he und in ihm die K Kunst.“ Es ist ein monumentaler Empfang, den die Rosenhöhe dem Besucher bereitet: Auf sechs hohen, mit Klinkern verkleideten ionischen Doppelsäulen wachen Löwen über den Eingang zum Park. Der Bildhauer Bernhard Hoetger und der Architekt Albin Müller sind die Schöpfer dieses außer-
gewöhnlichen Ensembles. Ursprünglich war das Löwentor jedoch nicht für die Rosen-, sondern 1914 für die vierte Ausstellung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe A gesc schaffen worden. Erst 1926 kam das Löwentor an seinen heutigen h Standpunkt.
Vo m f r e i e n G e i s t l a n d s c h a f t l i c h e r N a t u r Durch eine schnurgerade Allee mit schlanken, hohen Bäumen gelangt der Besucher in den eigentlichen Park, den Großherzogin Wilhelmine von Hessen-Darmstadt 1810 Gr durch den großherzoglich-badischen Gartenarchitekten Johann Michael Zeyher hat anlegen lassen. „Eine Gartenkomposition, die den freien edlen Geist landschaftlicher Natur atmet“, wollte die Großherzogin auf der Anhöhe über der Stadt, die bis dahin als herrschaftlicher Weingarten gedient hatte, verwirklicht wissen. Wilhelmine war eine geborene Markgräfin von Baden, der regierende Großherzog Karl Friedrich war ihr Vater; so kam der Kontakt mit Zeyher zustande. Dem Stil der Zeit entsprechend, entstand ein englischer Landschaftsgarten. Der Wechsel von Baumgruppen, Einzelbäumen und Wiesenflächen prägt den Park in seinen Grundzügen bis heute. Zu den erhaltenen Gebäuden aus dieser Zeit gehört das romantische Teehäuschen. Der goldene Halbmond, von dem das Gebäude bekrönt wird, ist ein Zeichen der damals verbreiteten „Türkenmode“ und sollte einen Hauch von Exotik in den Park bringen. Mit dem Ergebnis scheint die Auftraggeberin mehr als zufrieden gewesen sein: „Vor allen anderen lächelt mir dieser Erdenwinkel“, begeisterte sich Großherzogin Wilhelmine über „ihre“ Rosenhöhe.
Ursprünglich als Portal zur vierten Ausstellung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe geschaffen, ist das Löwentor von Albin Müller und Bernhard Hoetger heute der Eingang zur Rosenhöhe.
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gleiche Todesdatum tragen: den 16. November 1937. Bestattet sind hier Großherzogin Eleonore, die Witwe des wenige Wochen zuvor verstorbenen Großherzogs Ernst Ludwig, ihr Sohn Georg Donatus, dessen Frau Cecilia sowie die drei Kinder des Paares. Sie alle wurden Opfer
Das von einem Halbmond bekrönte Teehäuschen ist ein Werk des Darmstädter Hofbaumeisters Georg Moller.
D i e Tr a g ö d i e d e s H a u s e s H e s s e n - D a r m s t a d t Folgt man dem gewundenen Weg, der vom Teehäuschen aus weiter in den Park hineinführt, stößt man unvermittelt auf die Plastik eines knienden Engels – ein Werk des Darmstädter Bildhauers Ludwig Habich. Und schon ist man mitten drin in der großen Tragödie des Hauses Hessen-Darmstadt im 20. Jahrhundert. Der Engel hat den Kopf in Trauer geneigt und die Arme vor der Brust verschränkt, seine weit geöffneten Flügel wirken wie ein schützender Mantel. In großen Buchstaben steht darunter der Name „Elisabeth“. Die älteste Tochter des Großherzogs Ernst Ludwig starb 1903 im Alter von erst acht Jahren auf einer Reise nach Russland. Doch das ist nur der Tragödie erster Teil. Direkt neben dem Grab der kleinen Prinzessin Elisabeth fällt der Blick auf sechs Namensschilder, die alle das
Der kniende Engel von Ludwig Habich trauert um Prinzessin Elisabeth, eine Tochter Großherzog Ernst Ludwigs.
eines Flugzeugabsturzes – alle zusammen wollten sie zur Hochzeit von Prinz Ludwig, dem jüngeren Bruder von Georg Donatus, nach England fliegen. Da die Ehe Ludwigs kinderlos blieb, starb das Haus Hessen-Darmstadt mit seinem Tod 1968 im Mannesstamm aus. Die schlichte Grabstätte und das Unglück dahinter werden kaum einen Besucher der Rosenhöhe unberührt lassen. Als Grabstätte der großherzoglichen Familie diente die Rosenhöhe bereits seit 1826. Großherzog Ludwig II. ließ
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Herbststimmung im Rosarium, das Großherzog Ernst Ludwig um 1900 anlegen ließ. Über 10 000 Rosenstöcke blühen hier von Mai bis in den November hinein.
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damals zunächst das später sogenannte Alte Mausoleum erbauen, Architekt war der Hofbaumeister Georg Moller. Bestattet wurde in dem klassizistischen Bau die früh verstorbene älteste Tochter des großherzoglichen Paares; den Sarkophag mit der anrührenden Skulptur des Mädchens schuf der berühmte preußische Bildhauer Christian Daniel Rauch. Weitere Grabstätten finden sich in den 1869/70 angefügten Seitenflügeln. Zwischen 1905 und 1910 entstand dann das Neue Mausoleum über einem kreuzförmigen Grundriss, das der Architekt Karl Hofmann nach dem Vorbild des Mausoleums der Kaiserin Galla Placidia in Ravenna entworfen hat.
Ganze Felder von Rosen Die größte Anziehungskraft auf Besucher übt wohl das Rosarium aus, das Großherzog Ernst Ludwig um 1900 am höchsten Punkt des Gartens anlegen ließ: „Um dem schönen Namen Rosenhöhe in vollem Maße gerecht zu werden, entschloss ich mich, einen Rosengarten zu schaffen, wie man ihn in Deutschland noch nicht kannte. Als Vorbild schwebte mir eine Anlage vor, die den Charakter der bezaubernden Rosengärten Italiens mit ihrer Blütenfülle und mit ihren Architektureinstreuungen mit dem Charakter der künstlerisch und blumenzüchterisch hochstehenden Rosengärten Englands verbinden sollte“, umschrieb der Großherzog selbst die Vorstellung, die er mit diesem Rosarium verbunden hat. Und es gelang: „Die Rosenhöhe verschönte ich, sodass der Garten eine Sehenswürdigkeit wurde. Tausende von Rosen deckten die Pergolas und den Dom [eine Holzkonstruktion, an der die Rosen empor rankten]. Hochstämme und Pyramiden waren überall und dazwischen ganze Felder von Rosen“. Die beiden Weltkriege führten zu einer starken Vernachlässigung der Rosenhöhe. Die hungernden Menschen Blick zum Rosendom. Die offene Konstruktion aus Stahl und Holz wurde 2009 fertiggestellt, nachdem die ganz aus Holz gebaute Vorgängerkonstruktion im Jahr zuvor hatte abgerissen werden müssen.
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brauchten keine betörend duftenden Blumen, sondern etwas zu essen, und so wurde die Rosenhöhe zum Nutzgarten. Nach 1945 setzte sich der Niedergang fort: Randbereiche wurden bebaut, große Teile des Parks verwilderten. 1979 ging die Rosenhöhe in den Besitz der Stadt Darmstadt über. Seither wurden mit großer Mühe sowohl der englische Landschaftsgarten im vorderen Bereich als auch das Rosarium nach alten Vorbildern wiederhergestellt. Über 10 000 Rosenstöcke von über 200 verschiedenen Sorten blühen hier in den unterschiedlichsten Farben. Einen modernen Akzent setzt der neue Rosendom, eine interessante offene Konstruktion aus Stahl und hölzernen Querstreben. 1985 wurde zudem ein kleiner Kräutergarten angelegt.
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Mathildenhöhe – Gesamtkunstwerk des Jugendstils Von der Rosenhöhe sind es nur wenige hundert Meter zur Mathildenhöhe, benannt nach der Großherzogin Mathilde (1813 –1862). Die Tochter des kunstliebenden bayerischen Königs Ludwig I. war verheiratet mit Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt. Mathilde liebte es, sich „beinahe täglich in den schönen Umgebungen der Residenz Darmstadt auf Spaziergängen zu ergehen“ – und zu ihren bevorzugten Zielen bei diesen Spaziergängen gehörte die später nach ihr benannte Anhöhe über der Stadt. Um 1800 war dort von dem Prinzen Christian von Hessen-Darmstadt ein englischer Landschaftsgarten angelegt worden. Hochzeitsturm, Ausstellungsgebäude und Russische Kapelle, im Vordergrund das Lilienbecken. Oben: Deckenmosaik im Jugendstil am Aufgang zum Museum Künstlerkolonie.
Schon aus der Ferne ist der fast 50 Meter hohe Hochzeitsturm, das Wahrzeichen der Künstlerkolonie, nicht zu übersehen. Erbaut wurde er – nomen est omen – als Geschenk der Stadt Darmstadt anlässlich der Hochzeit Großherzog Ernst Ludwigs mit Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohenfels-Lich zwischen 1905 und 1908 von Joseph Maria Olbrich. Von Olbrich stammt auch das benachbarte Ausstellungsgebäude der Künstlerkolonie. Im einstigen Gemeinschaftsatelier wurde 1990 das Museum Künstlerkolonie eingerichtet. Der Bau stammt wiederum von Olbrich: „Oben am höchsten Streif soll das Haus der Arbeit sich erheben, dort gilt gleichsam in einem Tempel, die Arbeit als heiliger Gottesdienst“, beschrieb der Baumeister die exponierte Lage des Ateliers auf dem höchsten Punkt des Geländes.
R O S E N H Ö H E U N D M AT H I L D E N H Ö H E Rosenhöhe senhöhe und Mathildenhöhe sind frei zugänglich. Das D Museum Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe ist Dienst Dienstag bis Sonntag 10 –18 Uhr geöffnet; im Ausstellungsgebäude finden Sonderausstellungen Sonderausstellun statt (Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 –18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr). Im Hochzeitsturm hat die Stadt Darmstadt ein Standes Standesamt einge eingerichtet. Darmstadt Marketing GmbH Im Carree 1 64283 Darmstadt Telefon 06151/134530 www.darmstadt.de/darmstadt-erleben/sehenswuerdigkeiten/ parks-und-gaerten/park-rosenhoehe/ Institut Mathildenhöhe Olbrichweg 13 64287 Darmstadt Telefon 06151/132778 www.mathildenhoehe.info
Aus dem Bild der Mathildenhöhe nicht mehr wegzudenken, stilistisch dagegen ein auffallender Kontrast, ist die Russische Kapelle. Der letzte russische Zar Nikolaus II. war mit Alix bzw. Alexandra, einer Schwester Ernst Ludwigs, verheiratet; vor diesem Hintergrund ist der Bau des orthodoxen Gotteshauses zwischen 1897 und 1899 zu sehen (also vor der Gründung der Künstlerkolonie).
Ein kunstsinniger Großherzog Während andere Monarchen der Zeit ihr architektonisches Heil noch immer in historisierenden Nachahmungen vergangener Zeiten suchten, wandte sich Ernst Ludwig dem Jugendstil zu, dessen ganzheitlicher Ansatz in der Gründung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe 1899 einen beredten Ausdruck fand. Dabei war es keineswegs nur kunstliebhaberischer Purismus, der den Großherzog zu dieser Gründung veranlasste. Kunst und Leben sollten eine unauflösliche Verbindung eingehen, die Künstlerkolonie sollte ein Schaufenster der Fertigkeiten der hessischen Künstler und Kunsthandwerker sein. d „D Durch die Künstlerkolonie“, erinnerte sich Ernst Ludwig ig selbst viele Jahre später, „war das Kunsthandwerk so gehoben, dass Geschäfte wie Glückert, Trier, Alter etc. geh wel eltberühmt wurden und das ganze In- und Ausland beelieferten“. „Eine Kunst, gegründet auf drei unumstößlich eng verbundene Stützen, auf Einfachheit, Natur, Poesie“, gab Hans Christiansen, eines der Gründungsmitglieder, als Zielvorstellung der Künstlerkolonie an. Und ein anderer, Joseph Maria Olbrich, wollte nichts weniger als „eine ganze Stadt“ erbauen, denn: „Alles andere ist nichts.“ In diesem Sinn entstanden die Wohnhäuser der Mathildenhöhe „im abfallenden Gelände …, gleich einem friedlichen Ort, zu dem nach des Tages emsiger Arbeit von dem
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Tempel des Fleißes [dem Gemeinschaftsatelier] herabgestiegen wird, um den Künstler mit dem Menschen einzutauschen“.
Platanenhain und Lilienbecken Ein klassischer Park ist die Mathildenhöhe zwar nicht; im Vordergrund stehen Architektur und Kunsthandwerk, doch gehören zu der Traumstadt auch gartenkünstlerische Elemente. Dazu gehört allen voran der Platanenhain. Zwar wurde dieser bereits 1830 als Teil des damaligen englischen Landschaftsgartens, doch fügt sich die strenge geometrische Anordnung der Baumreihen durchaus in die gartenkünstlerischen Vorstellungen des Jugendstils. Zu einem organischen Teil der Mathildenhöhe wurde der Platanenhain aber vor allem durch die künstlerische Ausgestaltung durch Bernhard Hoetger im Rahmen der letzten großen Ausstellung der Kolonie im Jahr 1914. Thema des Skulpturenprogramms von Hoetger ist der immerwährende Kreislauf von Leben und Tod. Dazu gehören unter anderem das Denkmal „Sterbende Mutter mit Kind“, das Hoetger für seine jung verstorbene Künstlerkollegin Paula Modersohn-Becker geschaffen hat, und vier Reliefgruppen zu den Themenbereichen Schlaf, Auferstehung, Frühling und Sommer. Ein gartenkünstlerisches Element ist ebenso das Lilienbecken, das Albin Müller 1914 angelegt hat. Mit seinen bunten, Lilienblüten bildenden Fliesen, dem bläulich und
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grünlich schimmernden Wasser und den gedrungenen dorischen Säulen bildet es mit der Russischen Kapelle im Hintergrund eines der meistfotografierten Motive der Mathildenhöhe. Ebenfalls von Albin Müller wurde der Schwanentempel entworfen, der mit den umstehenden Bäumen gleichfalls die Assoziationen an eine Parklandschaft weckt. Doch die Keramikplatten, mit denen die Säulen verkleidet sind, lassen nicht vergessen, dass es sich hier um ein Gesamtkunstwerk handelt, das zwar auf Anregung eines kunstsinnigen Fürsten entstanden ist, doch viel mehr ist als ein allein fürstlichem Vergnügen dienendes Arkadien. Der Platanenhain war zwar bereits Teil eines um 1830 angelegten englischen Landschaftsgartens, wurde aber durch ein Skulpturenprogramm in das Konzept der Mathildenhöhe eingebunden. Links oben: das Relief „Sommer“ von Bernhard Hoetger (1914).
Reminiszenzen an den Barockgar ten
Schlosspark Biebrich Wiesbaden Vo n r o m a n t i s c h e r S c h ö n h e i t
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Einem Landschaftsgemälde gleich sollte der Park von Sch Schloss Biebrich iebrich bei Wiesbaden werden. So wollte es sein Schöpfer, der berühmte Gartenarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell.
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Am Anfang der Geschichte von Schloss und Park Biebrich stand ein einfaches Gartenhaus, das Fürst Georg August von Nassau-Idstein um 1700 auf einer Terrasse über dem Rhein erbauen ließ. Wenige Jahre später folgte in knapp 90 Metern Entfernung ein identischer Sommerpavillon für seine Gemahlin Henriette Dorothea. 1721 verband der kurmainzische Oberbaudirektor Maximilian von Welsch die beiden Pavillons durch einen zunächst eingeschossigen, später auf zwei Geschosse erhöhten Galeriebau mit einer Rotunde in der Mitte. Um 1740 folgte dann noch der Anbau zweier Seitenflügel durch Friedrich Joachim Stengel, womit das Schloss sein heutiges Erscheinungsbild erhielt. Maximilian von Welsch war auch verantwortlich für die Anlage des ersten Gartens von Schloss Biebrich. Dabei handelte es sich um einen ummauerten, barocken Lustgarten mit einer Fontäne im Zentrum. Nach Norden hin wurde der eigentliche Lustgarten durch eine Orangerie abgeschlossen, die aber bereits 1740 wieder abgerissen wurde, um den Garten erweitern zu können. An das Hauptparterre schloss sich die von hohen Bäumen bestimmte Plantage mit einem Irrgarten und einem Heckentheater zur Unterhaltung der höfischen Gesellschaft an.
Wer im Park von Biebrich heute nach Spuren dieses Lustgartens sucht, tut sich zunächst schwer: Hinter dem ga Sch hloss öffnet sich eine weite Rasenfläche – es gibt keine von niedrigen n Buchsbaumhecken eingefassten Blumenbeete, e, ke kein symmetrisches Wegesystem. Doch ist da nicht eine Fontä äne? Richtig: Diese Fontäne ist ein Relikt des barocken Gartens, das ohne sein ursprüngliches Umfeld etwas verloren wirkt. Wer genauer hinschaut, entdeckt jedoch verlo weitere Elemente der ersten Gartenanlage: Dazu gehören we ebenfalls noch die beiden kleineren Kastanienalleen, die von den Seitenflügeln ausgehen, vor allem aber die schnurgerade Dicke Allee, die schon den barocken Garten mit der Ruine der Mosburg verband. Dass diese Elemente bei der Umgestaltung in einen englischen Landschaftsgarten erhalten geblieben sind, mutet im ersten Moment ungewöhn-
Die Fontäne im Park von Schloss Biebrich ist noch eine Reminiszenz an den ursprünglichen Barockgarten.
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Rheinfront von Schloss Biebrich. Zum Fluss hin fällt das terrassierte Gelände des Parks steil ab.
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Die „Dicke Allee“ führt in schnurgerader Linie von der großen Wiese vor der Gartenseite des Schlosses zur Mosburg.
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lich an. Denn gemeinhin wird ein solcher, der Natur nachgeahmter Garten nicht durch lange gerade, sondern durch geschwungene Wege erschlossen, die immer neue Ein- und Ausblicke ermöglichen sollten. Lange, gerade Wege sind dagegen Elemente des formalen Gartens, wie er für das Zeitalter des Barock typisch ist. Dass die Fontäne und die Alleen gleichwohl erhalten blieben, ist zunächst der Einflussnahme des Auftraggebers zuzuschreiben. Als Herzog Wilhelm von Nassau-Weilburg sich 1817 dazu entschloss, den Biebricher Schlosspark komplett neu zu gestalten, wollte er auf diese markanten Bestandteile nicht verzichten. Für dieses Projekt gewann der Herzog den herausragenden Landschaftsarchitekten seiner Zeit: Friedrich Ludwig von Sckell. Für den Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz hatte er den Schwetzinger Schlossgarten umgestaltet, der heute zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört; für den Mainzer Kurfürst-Erzbischof
Friedrich Karl Joseph von Erthal die Parks von Schönthal und Schönbusch in Aschaffenburg. Sein berühmtestes Werk ist wohl der Englische Garten in München. 1804 wurde er zum bayerischen Hofgartenintendanten ernannt; vier Jahre später für seine Verdienste sogar in den Adelsstand erhoben. Die Umgestaltung des Schlossparks in Biebrich wurde Sckells letztes großes Werk, und er kehrte damit gewissermaßen zu seinen Ursprüngen zurück, denn er stammte aus Weilburg an der Lahn, war also ein gebürtiger Nassauer. Es war für Sckell durchaus typisch, ältere Elemente formaler Gärten in seine Planungen zu integrieren. Insofern stand er auch dem Wunsch des Herzogs nach der Beibehaltung liebgewonnener Bestandteile des französischen Parks aufgeschlossen gegenüber. Doch nahm er diesen formalen Elementen gewissermaßen die Strenge: So versetzte er die Fontäne ein wenig nach Osten und rückte sie damit von der auf die Rotunde ausgerichteten Fluchtlinie ab. Die Dicke Allee ergänzte er durch begleitende Bäume, sodass der Allee-Charakter ein wenig gemildert wurde. Auch der Park des Schlosses Nymphenburg in München, für den Sckell gleichfalls verantwortlich gezeichnet hat, ist eine solche Symbiose zwischen Landschafts- und Barockgarten. Sckell bewegte sich in Biebrich dementsprechend in vertrautem Terrain. Im Jahr 2000 wurde in Biebrich der „Sckellpfad“ eröffnet – ein Rundgang auf seinen Spuren durch den Biebricher Schlosspark.
R ü c k z u g i n d i e h e i l e We l t d e s M i t t e l a l t e r s Die Mosburg war zwar bereits im Barock gewissermaßen der Endpunkt des Biebricher Gartens gewesen. Doch kam der ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert stammenden Burg zwischenzeitlich noch eine wesentlich größere Bedeutung zu. 1804 hatte Fürst Friedrich August von NassauUsingen die Ruine erworben und im neugotischen Stil wie-
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Die Mosburg ist eine künstliche Ruine, die aber im Inneren ursprünglich prächtige Wohnräume im neugotischen Stil besaß.
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Zischl, dessen Unterstützung vor allem dafür sorgen sollte, dass sich sein Aufenthalt nicht allzu sehr ausdehnte. Denn natürlich wollte König Max I. Joseph von Bayern nicht länger als unbedingt nötig auf die Dienste seines Hofgartenintendanten verzichten. Es war daher auch nie daran gedacht, dass Sckell die Arbeiten vor Ort überwachen würde. Tatsächlich blieb der Gartenarchitekt nur bis Ende Oktober 1817 in Biebrich. Als Arbeitsgerät, das er selbst erfunden hatte, diente Sckell ein Zeichenstab, der unten mit einer eisernen Spitze versehen war. Damit ritzte er seine Vorstellungen in den Boden ein. Darauf aufbauend entstanden Skizzen und Zeichnungen, mit deren Hilfe die Arbeiten dann ausgeführt werden konnten.
Ein künstliches Wiesental
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Faszinierendes Spiel von Licht und Schatten im Biebricher Schlosspark.
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derherstellen lassen. Stand das Biebricher Schloss für die höfische Repräsentation, so wurde die Mosburg zu einem Ort, der vornehmlich der Privatsphäre diente. Und vor der realen Gegenwart von Revolution und Krieg konnte sich der Fürst in der Mosburg in die vermeintlich heile Welt des Mittelalters zurückträumen. Heute ist die Burg wieder zu einer romantischen Ruine geworden; derzeit finden umfangreiche Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen statt. Mit Fürst Friedrich Augusts Tod starb das Haus NassauUsingen aus; das Erbe fiel an die Linie Nassau-Weilburg, die fortan auch die Geschicke Biebrichs bestimmte.
Sckell und sein Zeichenstab Am 25. September 1817 kam Friedrich Ludwig von Sckell nach Biebrich, um den Park selbst in Augenschein zu nehmen. Begleitet wurde er von einem Zeichner namens
Um die Ausführung der Ideen kümmerten sich vor Ort der herzogliche Oberstallmeister Friedrich Freiherr von Dungern und der Hofgärtner Friedrich Wolz, mit denen Sckell über Jahre hinweg in einem intensiven brieflichen Austausch stand. Ein zentrales Element der Planungen Sckells ist das sogenannte Wiesental. Ausgehend vom Parterre vor dem Schloss zieht sich ein scheinbar natürliches Wiesenstück bis zu dem gut einen Kilometer entfernten Mosburgweiher, der durch eine Aufstauung des Mosbachs entstanden ist. In seinem Wasser spiegelt sich die Mosburg. Tatsächlich handelt es sich um ein künstlich angelegtes „Tal“; die seitliche Bepflanzung mit ihren geschwungenen Linien ahmt die Natur nach. Und wie in einem Landschaftsgemälde tauchen am Horizont die Höhen des Taunus und die Spitze des Mosbacher Kirchturms auf, die die Szenerie förmlich einrahmen. Wo es einer Gartenpartie an Ausdehnung mangle, so Sckell, müsse der Gartenarchitekt „das Schöne der äußeren Landschaft mit seiner beschränkten Gartenanlage“ verbinden.
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Ältere, freistehende Bäume, die das Auge daran hinderten, „die Durchsicht zu genießen“, wies Sckell den Oberstallmeister von Dungern in einem Brief an, müssten „leider umgehauen werden“. Wo es aber ausreiche, diese Bäume „von ihrem unteren Gestrüpp und niederen Ästen zu befreien“, solle man sich damit begnügen. Denn: „Solche
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Eines der zentralen Gestaltungselemente des Sckell’schen Landschaftsgartens: das Wiesental.
freistehenden Bäume benehmen … einem leeren Tal das einförmige und geben ihm einen Idyllen-Charakter von romantischer Schönheit.“ Wie im Einzelfall zu entscheiden sei, vermöge „weder ein Plan noch die beste Erläuterung
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An die Stelle der rechteckigen Bassins des Barock traten im englischen Landschaftsgarten scheinbar natürliche Wasserflächen wie der Mosburgweiher in Biebrich.
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solchen Bau „Spuren von einer ehemals vorhandenen Fahrstraße mit schmalen Fußwegen, die sich auf Umwege durchs Gebüsch winden, und mit einiger Beschwerlichkeit den Wanderer endlich zu diesen Resten der grauen Vorzeit bringen“.
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Die abwechslungsreiche Bepflanzung des Ufers spiegelt sich in der Wasseroberfläche des Mosburgweihers.
bestimmt anzugeben; nur das richtige Gefühl für Naturschönheit muss die Hand führen“. Dieser Passus wurde dahingehend interpretiert, dass es Dungern aus der Sicht Sckells an ebendiesem Gefühl ermangelte und er es deshalb bedauerte, nicht selbst die gestalterischen Maßnahmen vor Ort begleiten zu können. Zwischen dem Mosburgweiher und dem einstigen Brandteich legte Sckell einen kleinen, künstlichen Wasserfall an. Nur tropfenweise sollte das Wasser darüber hinabträufeln; das passte für den Gartenkünstler zum verwunschenen Charakter der dahinter liegenden Burg. Leider wurde der Brandteich und damit auch der Wasserfall in den 1970er-Jahren trockengelegt, doch ist seine Wiederherstellung geplant. Bis dahin muss sich der Besucher mit dem Mosburgweiher und den gewundeenen Wasserläufen begnügen, die den Park – zum Teil im Gebüsch versteckt – durchziehen. Anders als zu einem barocken Schloss, auf das gerad ade Wege hinführten und das möglichst schon aus weiter Ent ntfernung zu sehen sein sollte, war Sckell der Überzeugung, dass solche breiten, „schön gezeichneten Wege“ nicht zu Ruinen führen dürften. „Eher angemessen“ seien einem
Im „deutschen Bruderkrieg“ von 1866 setzte Herzog Adolph von Nassau auf die falsche, die österreichische Karte. Die Folgen waren verheerend: Das siegreiche Preußen verleibte sich sein Herzogtum ein. Zwar verblieben Schloss und Park Biebrich im Privatbesitz Adolphs, doch nachdem er 1890 Großherzog von Luxemburg geworden war, geriet die einstige Sommerresidenz am Rhein ins Abseits, und der Park verwilderte. Die unter der Leitung von Carl Friedrich Thelemann zwischen 1844 und 1848 erbauten, damals hochmodernen Gewächshäuser aus Glas und Eisen, in denen die von Herzog Adolph besonders geschätzten exotischen Pflanzen untergebracht waren, wurden nach Frankfurt am Main verkauft, wo sie den Grundstock für den heutigen Palmengarten bildeten.
S C H L O S S PA R K B I E B R I C H Der Schlosspark Biebrich ist tagsüber frei zugänglich. zugänglich Das Schloss Biebrich ch wird von der hessischen Landesregierung für Empfänge fänge genutzt, einzelne Räume können aber auch von Firmen Firmen, Vereinen inen und Institutionen angemietet werden werden. Schlosss Biebrich Events, Telefon 0611/1356994. 0611/1356994 Hessisches Immobilienmanagement bilienmanage Niederlassung Wiesbad Wiesbaden Kreuzberger Ring 22 65205 Wiesbaden Telefon 0611/13561706 www.hi.hessen.de www.schloesser-hessen.de
Klostergarten Seligenstadt Abbild des Paradieses
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Der Klostergarten von Seligenstadt präsentiert sich heute wi wieder fast st genauso wie im 18. Jahrhundert. Dass Gärten im christ ch lichen Verständnis Abbilder des Paradieses sind, mag ma man bei der Blütenpracht gern gl glauben.
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Um 554 gründete der römische Gelehrte Cassiodor das Kloster Vivarium in Kalabrien. In seiner „Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften“ schrieb er: „Es gehört sich für den Mönch, den Garten zu pflegen … und sich an der Fruchtbarkeit des Obstbaums zu erfreuen.“ Auch der heilige Benedikt empfahl den Mönchen in seiner Ordensregel, täglich frisches Obst und Gemüse zu essen. Dementsprechend finden sich in dem berühmten Klosterplan von St. Gallen (um 820), der das Idealbild einer benediktinischen Klosteranlage darstellt, selbstverständlich ein Obst- und ein Gemüsegarten. Auch einen Kräutergarten gibt es darin, der dem medizinischen Bereich zugeordnet ist, denn Kräuter fanden vor allem als Heilmittel Verwendung. So gehörte zu jedem Benediktinerkloster ein Garten, und es ist daher nicht verwunderlich, auch in Seligenstadt einen solchen zu finden. Was aber diesen Garten so außergewöhnlich macht, ist, dass hier in den vergangenen Jahren der Zustand des 18. Jahrhunderts wiederhergestellt werden konnte. Zu verdanken ist dies einem Kupferstich von Johannes Stridbeck aus dem Jahr 1712 und einem Situationsplan von 1835, der die Gartenanlage so darstellt,
wie sie unter Abt Peter IV. (1715 –1730) gestaltet worden ist. Darüber hinaus wurden die Aufzeichnungen des Klosters über die verschiedenen Gemüse- und Obstsorten als te Gru rundlage für die Rekonstruktion verwendet. Dazu gehörten auch a Zitrusfrüchte, für die um 1757 eigens eine Orangerie erie mit Fußbodenheizung erbaut wurde.
Wu n s c h n a c h R e p r ä s e n t a t i o n Ein rreiner Nutzgarten ist der Seligenstädter Konventgarten nicht – wer an einem schönen Frühjahrs- oder Sommertag nic durch die Blütenpracht wandelt, mag erst beim zweiten Hinsehen bemerken, dass zwischen den bunten Blumen Obst und Gemüse angepflanzt ist. Tatsächlich ist ein klösterlicher Garten nie nur ein Nutzgarten gewesen, stellte er für die Mönche doch auch ein Abbild des Paradieses dar. Das mag es den Äbten barocker Klöster erleichtert haben, ihre Gärten den Parks weltlicher Herrscher anzugleichen.
Blick zum Konventbau, im Hintergrund die Einhardsbasilika. Typisch für diesen Konventgarten ist die Mischung von Zier- und Nutzgarten (rechts: „Gellerts Butterbirne“, oben: „Williams Christbirne“).
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In Seligenstadt geht diese Entwicklung zwar nicht so weit, wie in Kamp am Niederrhein, wo der Abt um 1700 den Weinberg des Klosters in einen einzig seiner Repräsentation dienenden barocken Terrassengarten verwandelt hat. Doch auch die Seligenstädter Äbte hatten, wenngleich ihr Kloster dem Bischof von Mainz unterstand und sie demzufolge keine Reichsfürsten waren, den Wunsch, ihr Selbstverständnis in der Gestaltung des Gartens auszudrücken. Schon die Balustrade mit ihren Früchte naschenden Putten vor dem Konventbau könnte auch jeden fürstlichen Garten zieren. Vor der Prälatur, der Wohnung des Abts, entstand
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„Engelsgärtchen“ mit der Prälatur im Hintergrund.
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mit dem „Engelsgärtchen“ sogar ein reiner Ziergarten. Auch die geometrisch angelegten Wege oder die Unterteilung in acht gleich große rechteckige Kompartimente mögen an „weltliche“ Gärten erinnern; allerdings findet eine solche gleichmäßige Aufteilung schon im Klosterplan von St. Gallen statt. Dass auch in klösterlicher Zeit der Garten immer wieder erneuert werden musste, zeigt der Hinweis eines Mönchs aus dem Jahr 1780, in dem dieser sich über die „Nachlässigkeit verschiedener Gärtner“ beklagt, die den Konventgarten „nicht nur nicht anbauten oder gar angenehm und nützlich machten, sondern dergestalt mit Unkraut verwüstet liegen ließen, dass dessen Ansehen den Spaziergängern zu keiner Gemütsveränderung, sondern zum Verdruss, der Abtei bei den Fremden zur Schande und in Betreff der aufgewendeten Kosten zum Schaden gereichen musste“. Dass der Garten Eindruck auf „Fremde“, sprich: auf Reisende, machen sollte, mag mit den zahlreichen Besuchen hochgestellter Persönlichkeiten zusammenhängen, die in Seligenstadt Quartier genommen haben. Dazu gehörten allein im 17. und 18. Jahrhundert drei Kaiser: Leopold I., Karl VI. und Franz II. Sie wurden in der Prälatur untergebracht. Dass Kaiser auf ihren Reisen durch das Reich in Klöstern Station machten, ist eine bis in das frühe Mittelalter zurückreichende Tradition. Neben den Königspfalzen waren Klöster die sichtbaren Zeichen der administrativen Durchdringung eines Gebiets und waren schon logistisch einzig dazu in der Lage, dem umfangreichen Hofstaat eine angemessene Unterkunft zu bieten.
Seelenheil und Kirchenpolitik Auch Seligenstadt verdankt seine Gründung diesem politischen Hintergrund. Es war Ludwig der Fromme, der Sohn und Nachfolger Karls des Großen, der das Königs-
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und die geometrische Einheitlichkeit hatten für die neuen Nutzer keine Bedeutung mehr und wurden aufgegeben. Jeder machte mit seinem Teil des Gartens, was er für richtig hielt. Und waren die Obstbäume bis dahin – ganz in der Tradition des herrschaftlichen Barockgartens – klein gehalten worden, wurde auch darauf keine Rücksicht mehr genommen. Auf historischen Fotografien sieht man hochstämmige Obstbäume, wie man sie von bäuerlichen Streuobstwiesen kennt. 1960 wurde zunächst damit begonnen, die alten Kompartimente und Wege wiederherzustellen, vor einigen Jahren dann die vollständige Rekonstruktion in Angriff genommen.
Barocke Klosteranlage
Im Blütenmeer: Skulpturengruppe (18. Jahrhundert) mit dem Klostergründer Einhard im Konventgarten.
gut am Main dem ehemaligen Leiter der Hofschule seines Vaters, dem Gelehrten Einhard, schenkte. Um 825 gründete Einhard darauf ein Kloster – zu seinem eigenen Seelenheil, aber auch im Rahmen der karolingischen Kirchenpolitik, die in den Klöstern treue Stützen der königlichen Herrschaft sah. Zunächst ein Eigenkloster Einhards, s, erhielt Seligenstadt 1045 die päpstliche Immunität, docch mit der Unabhängigkeit war es bereits 1063 wieder vorb bei. Seligenstadt geriet in die Abhängigkeit des Erzbischofs vo on Mainz, dem es bis zu seiner Auflösung 1803 unterstand d. Mit der Säkularisation fielen die Abteigebäude an die Landgrafen von Hessen-Darmstadt, die darin Behörden unterbrachten. Den Konventgarten teilten sich Landrichter, Rentamtmann und Revierförster. Die alten Strukturen
Der Besuch in Seligenstadt lohnt gleich in mehrfacher Hinsicht: wegen der schönen Lage der Stadt am Main, wegen der vielen Fachwerkhäuser im Ortszentrum, vor allem aber wegen seines Klosters. Die barocke Klosteranlage ist hier in einer Vollständigkeit erhalten, wie man sie andernorts kaum noch zu finden vermag. Es empfiehlt sich daher,
KLOSTERGARTEN UND KONVENTGEBÄUDE Der Klostergarten ist ganzjährig frei zugänglich. Die Besichtigung von on Prälatur, Kreuzgang, Sommerrefektorium, Mühle und Apotheke ist im Rahmen von Führungen möglich. An der Mü Mühle wird immer donnerstags nach altem Rezept Brot im Steinbackofen Steinbackof ausgebacken. backen. Einmal im Monat werden in der Prälatur standesamtlich standesamtliche Trauungen vorgenommen. nommen. Öffnungszeiten Museumsshop, Kasse und Inforäume im Winterhalbjahr 10 –16 Uhr, im Sommerhalbjahr 10 –18 Uhr. Winterpause von Mitte Dezember bis Ende Januar. Ehemalige Benediktinerabtei 63500 Seligenstadt 06182/22640 www.schloesser-hessen.de
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In der südlichen Ecke des Konventgartens wurde ein regelmäßiges Gartenparterre wiederhergestellt, umrahmt von einer niedrigen Buchshecke. Das zentrale Beet ist bepflanzt mit Gemüse und Kräutern.
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nicht nur den wiederhergestellten Garten, sondern auch die Konventsgebäude und die Klosterkirche zu besichtigen. Den Klosterkomplex betritt man von der Stadt her kommend durch die Klosterpforte von 1701. Linkerhand erblickt man die Prälatur, rechterhand verschiedene Wirtschaftsgebäude, darunter die auch im Inneren wiederhergestellte Klostermühle von 1574. Das „Engelsgärtchen“ mit seinem Ziehbrunnen gibt bereits einen kleinen Vorgeschmack auf die Fülle, die den Besucher im Konventgarten erwartet, den man nach dem Durchschreiten eines barocken Torbogens erreicht. Die Blütenpracht in Frühjahr und Sommer wirkt wie ein farbenfrohes Feuerwerk, und staunend
Durch den schönen Torbogen der alten Abtei aus dem 17. Jahrhundert betritt man die große Balustrade, von der aus sich der Blick auf den Konventgarten öffnet.
entdeckt man dazwischen Äpfel und Birnen, Rhabarber und anderes Gemüse. Vor der Orangerie wurde ein Apothekergarten nach dem Vorbild des 18. Jahrhunderts angelegt, auf der Terrasse vor dem Konventgebäude sind unzählige Töpfe mit Duftpelargonien aufgestellt. Reibt man die Blätter ein wenig mit den Fingern, erlebt man die unterschiedlichsten Düfte. Wieder ganz bei der klösterlichen Tradition ist man bei den ausgestellten Bienenstöcken, gab es doch in fast jedem Konvent einen Imker; Honig diente zum Süßen der Speisen und als Heilmittel.
Wilhelmsbad Hanau Im Zeichen Äskulaps „Von der Seite der Anmut“ behaupte das Wilhelmsbad in HanH au u „unter Deutschlands Bädern wohl den ersten Ra Rang“, schwärmte Christian Hirschfeld in seiner 1785 erschie erschienenen „Theorie Theorie der Gartenkun Gartenkunst“.
Nicht einmal zehn Jahre dauerte die Blütezeit des Wilhelmsbads – und genau das erweist sich heute als außergewöhnlicher Glücksfall. So blieb in Hanau ein einheitliches Ensemble erhalten, das einen Eindruck von der Badekultur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermitteln kann, wie man ihn in dieser Geschlossenheit andernorts nicht mehr finden kann. Die Geschichte des Wilhelmsbads – das damals noch nicht so hieß – begann 1709, als nördlich von Hanau eine mineralhaltige Quelle entdeckt wurde. Graf Philipp Reinhard von Hanau-Lichtenberg ließ die Quelle fassen, doch die anfängliche Begeisterung für das Hanauer Wasser
FÜRSTENBAU UND „KURHAUS“ Im Fürstenbau ist ein Infozentrum eingerichtet. Öffnung Öffnungszeiten
machte bald einer gewissen Ernüchterung Platz, nachdem die ersehnte Heilwirkung zu wünschen übrig ließ. 1736 fiel die Grafschaft Hanau nach dem kinderlosen Tod od Philipp Reinhards an die Landgrafen von Hessen-Kassel. F Fernab der Residenzstadt gelegen, verlor Hanau seine Mittelpunktsfunktion und gewann diese erst wieder 1764 Mitte für kurze Zeit zurück. Landgraf Wilhelm VIII. trennte damals die Grafschaft Hanau wieder von Kassel ab und dama machte sie zu einer de forma eigenständigen Herrschaft mac unter der Regierung seines gleichnamigen Enkels, dem späun teren Landgrafen Wilhelm IX. Hanau war nun wieder Residenzstadt! Als 1772 eine zweite Mineralquelle entdeckt wurde, nahm Wilhelm (IX.) dies zum Anlass, ganz groß in das Bädergeschäft einzusteigen. In kürzester Zeit entstanden die bis heute erhaltenen Bauten, die das – von 1779 an offiziell sogenannte – Wilhelmsbad zu einem Modebad seiner Zeit machten. In das Konzept flossen auch eigene Gedanken des Hanauer Regenten ein; maßgeblicher Planer aber war sein Hofbaumeister Franz Ludwig Cancrin. Unrühmlich und schon von Zeitgenossen kritisiert blieb die Finanzierung des Prestigeprojekts: Wilhelm verlieh Hanauer Soldaten für den Kampf im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg an die englische Krone und erhielt dafür Subsidiengelder. Tatsächlich war das Verleihen von Soldaten an eine andere Macht damals nicht unüblich; die Kritik zielte vor allem darauf, dass sie in einem Krieg auf einem anderen Kontinent eingesetzt wurden, der in keinerlei Zusammenhang mit eigenen politischen Ambitionen oder der Unterstützung verbündeter Mächte stand – es ging Wilhelm (IX.) nur um das Geld, te da as er dafür bekam.
April bis Oktober Samstag 13 –17 Uhr, Sonntag 10 –1 –17 Uhr. Hessisches ssisches Puppenmuseum im „Kurhaus“ „Kurhaus Parkpromenade 4 Parkpromenad 63454 454 Hanau-Wilhelmsbad Telefon 06181/86212 www.hessisches-puppenmuseum.de ww.hessisches-puppe
Im Langen Bau befand sich neben verschiedenen Badeeinrichtungen auch ein Rauchsalon – die Geselligkeit war im Wilhelmsbad genauso wichtig wie der erhoffte medizinische Nutzen.
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Von einer Statue des Heilgottes Äskulap bekrönt ist der 1779 erbaute Brunnentempel über der gefassten Quelle des Wilhelmsbads.
Die Gäste wollten unterhalten werden Kommt man zum ersten Mal nach Wilhelmsbad, ist man zunächst überrascht, dass die Gebäude in einer langen Reihe errichtet sind und nicht etwa um einen Hof oder verstreut im Park. Doch machte das durchaus Sinn, denn so konnte die Häuserfront als Kulisse für die tägliche Promenade dienen. Das erste Gebäude, das fertiggestellt wurde,
BURGRUINE Die e fürstlichen Wohnräume in der Burg können im Rah Rahmen von Führungen besichtigt werden werden. Öffnungszeiten fnungszeiten April bis Oktober Samstag 14, 15 und 1 16 Uhr, Sonntag 14, 15, 16 und 17 U Uhr.
war das Badhaus – in Wilhelmsbad gab es sowohl Trinkals auch Badekuren. Über der gefassten Quelle gegenüber dem Badhaus wurde ein Brunnentempel errichtet, der von einer Statue des Heilgottes Äskulap gekrönt wird. In kurzer Zeit entstanden die Bauten entlang der Promenade: das Komödienhaus (die Kurgäste wollten schließlich unterhalten werden), der Kavalierbau zur Unterbringung der Gäste, der Lange Bau mit weiteren Badeeinrichtungen und einem Rauchsalon, der mächtige Arkadenbau – heute würde man ihn wohl „Kurhaus“ nennen –, in dem sich die Gesellschaft zu Tanz und anderen Vergnügungen traf, schließlich der Fürstenbau als Wohnung für den Landesherrn, der Stallbau und zuletzt ein eigener Bau für die jüdischen Gäste. Stilistisch sind diese Bauten am Übergang vom Rokoko zum Klassizismus einzuordnen, der auch als „Zopfstil“ bezeichnet wird. Jenseits der Promenade wurde einer der ersten Landschaftsgärten in Deutschland angelegt, der den Kurgästen als zusätzlicher „pleasure ground“ zur Verfügung stand, mit einem bis heute erhaltenen Karussell und einem durch die Aufstauung des Braubachs entstandenen See, in dessen Mitte sich zwei Inseln befinden: Auf der größeren Insel steht eine vermeintliche Burgruine, die sich im Inneren als frühklassizistischer Schlossbau entpuppt, auf der kleineren eine Kopie der Caestius-Pyramide in Rom. Dieser melancholisch stimmende Platz erinnert an den im Alter von nur zwölf Jahren verstorbenen Sohn Wilhelms (IX.), dessen Herz man in der Pyramide beisetzte. Einen schönen Blick auf die Pyramide und weite Teile des Parks hat man vom Schneckenberg, zu dem ein spiralförmiger Weg wie auf einem Schneckenhaus führt. m Auch im rückwärtigen Teil der Kurbauten wurde ein Landschaftsgarten angelegt. Mitten im scheinbar unbeLan rüh hrten Wald stößt man auf eine grottenartige Eremitage, Von außen eine künstliche Ruine, innen ein klassizistischer Schlossbau. Die Burg diente Wilhelm (IX.) als Ort des Rückzugs aus dem Rampenlicht des Hoflebens.
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nen Landeskindern verbot, am Spielbetrieb in Hanau teilzunehmen. Doch reiche „Ausländer“ ließen sich mit einem solchen Angebot allemal locken.
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Blick vom Karussellberg auf die Wiesenflächen in der Ebene.
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in der man sich den frühchristlichen Einsiedlern nahe fühlen konnte. Dieser inszenierte Rückzug in die Einsamkeit ist ein typischer Bestandteil fürstlicher Gärten im 18. Jahrhundert. Als neuzeitlicher Kontrast mögen vor diesem Hintergrund die benachbarten Tennisplätze erscheinen, doch sind auch diese fast schon wieder historisch, denn sie wurden bereits 1927 angelegt. Ein Kurbad war eine profitable Einrichtung – wenn genügend Gäste kamen. Die vermutete Heilwirkung des Wassers allein war dafür noch kein Garant. In Hanau kam die gute Infrastruktur hinzu, doch die Besucher wollten nicht nur untergebracht, sondern auch unterhalten werden. Dem diente im Wilhelmsbad das Komödienhaus, vor allem aber die Spielbank. Die Verbindung von Kurbetrieb und Spielbank wurde schon von den Gesundheitsaposteln des 18. und 19. Jahrhunderts kritisiert, und dass die Betreiber der Sache mitunter selbst skeptisch gegenüber standen, zeigt schon die Tatsache, dass Wilhelm (IX.) seinen eige-
Nicht unwesentlich zum großen Erfolg des Wilhelmsbads trug bei, dass der Fürst selbst dort kurte und während des Sommers wohnte. Tatsächlich nahm Wilhelm (IX.) am normalen Kurbetrieb teil und speiste gelegentlich sogar zusammen mit den Gästen. Und selbst wenn er sich in seine Burgruine zurückzog, war er doch indirekt präsent, und die Besucher konnten sich als Mitglieder seines Hofs wähnen. Ein geschickter Schachzug, um noch mehr Besucher anzulocken, waren die 1780 erschienenen „Briefe eines Schweizers über das Wilhelmsbad“. Darin lobt ein vermeintlicher Besucher das Kurbad über den grünen Klee; tatsächlich stammen die „Briefe“ von dem hessen-hanauischen Rat Andreas Schäfer. Die gemauerte Brücke über den aufgestauten Braubach zu Füßen des Schneckenbergs spiegelt sich im Wasser.
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Das Publikum in Hanau war gemischt, wobei die einfacheren Gäste in der etwas abseits gelegenen Kleinen Wirtschaft untergebracht waren. Ansonsten gab es eine gemeinsame Tafel im Arkadenhaus, an der auch Wilhelm (IX.) nicht selten speiste. Das hatte mit seiner Mätresse Rosa Dorothea Ritter zu tun, die in der adligen Hofgesellschaft auf Ablehnung stieß – im Wilhelmsbad aber, wohin adlige und bürgerliche Besucher gleichermaßen kamen, als Partnerin des Fürsten auftreten konnte. Wie wichtig die Anwesenheit Wilhelms (IX.) für das von ihm gegründete Bad war, zeigte sich, als er 1785 seiel nem Vater als regierender Landgraf von Hessen-Kassel folgte. Er wandte seine ganze Aufmerksamkeit nun seine ner
Der mächtige Arkadenbau war der gesellschaftliche Mittelpunkt des Wilhelmsbads. Heute ist darin das Hessische Puppenmuseum untergebracht.
Residenzstadt Kassel zu. Zusammen mit den wieder laut werdenden Zweifeln an der Heilwirkung der Hanauer Quelle, führte dies zum Niedergang des Badebetriebs. Das Wilhelmsbad wurde in der Folge vor allem zu einem beliebten Ausflugsziel, was es bis heute geblieben ist.
S TA AT S PA R K W I L H E L M S B A D H A N A U Der Staatspark Wilhelmsbad Hanau ist ganzjährig frei zugänglich. Staatspark Wilhelmsbad msbad Hanau 63454 54 Hanau-Wilhe Hanau-Wilhelmsbad Telefon on 06181/9065090 06181/90 www.schloesser-hessen.de chloesser-hessen.de
„Die Gegend und der Or t werden mir immer lieber“
S c h l o s s p a r k K r o n b e r g i m Ta u n u s Das „country home“ der Kaiserin
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Zwar ist der Schlosspark durch die Nutzung als Golfplatz nur eingeschränkt ngeschränkt öffentlich zugänglich, doch führt ein schöner Spazierweg um die gesamte Anlage. Frei zugänglich ist der tterrassenförmig enförmig angelegte Rosengarten, und über die Straße S bietet der städtische dtische Viktoriapark weitere Möglichkeiten, den Spaziergang auf den Spuren der „Kaiserin Friedrich“ auszudehnen. h
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D Atmosphäre der Ablehnung, die der „Engländerin“ in Die Berl erlin vielfach entgegenschlug, hatte bereits vor dem Tod Fried drichs III. dazu geführt, dass Viktoria nach einem Wohnsitz fernab der Hauptstadt suchte. Häufig hielt sich Wohn die Kaiserinwitwe in Bad Homburg auf, das seit 1866 zu Preußen gehörte. Von dort aus unternahm sie Ausflüge Preuß nach Kronberg, das für seine Künstlerkolonie bekannt war –u und Viktoria war selbst eine begeisterte und talentierte
Die deutsche Kaiserin und Königin von Preußen Viktoria war zuallererst Engländerin. Die älteste Tochter der „Queen Victoria“ war stolz auf die liberale Tradition ihrer Heimat und überzeugt, dass auch ihre Söhne sich an diesem Vorbild orientieren würden: „Wenn sie nur einen Tropfen meines Blutes in ihren Adern oder einen Funken englischen spirit von mir geerbt haben, dann werden sie schon von selbst freisinnige und liberale Menschen.“ Doch darin irrte Viktoria. Ihren ältesten Sohn Wilhelm II. verband eine Art Hassliebe mit dem Heimatland seiner Mutter, und je mehr diese ihren Sohn von der Überlegenheit der liberalen und konstitutionellen Monarchie überzeugen wollte, umso mehr wandte er sich davon ab, bestärkt durch das konservative und von Militärs geprägte Milieu, in dem er sich bewegte. Viktoria oder „Vicky“, wie sie allgemein genannt wurde, baute darauf, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann Deutschland und Preußen schon würde in die richtigen Bahnen lenken können. Doch als Friedrich III. 1888 den Thron bestieg, war er schon ein todkranker Mann; als „99Tage-Kaiser“ sollte er in die Geschichte eingehen. In dem nach italienischen Vorbildern terrassenförmig angelegten Rosengarten hielt sich die „Kaiserin Friedrich“ besonders gern auf.
Malerin. In Kronberg fand der mit der Suche beauftragte Schlosshauptmann von Homburg, Ludwig Freiherr von Ompteda, im Sommer 1888 ein geeignetes, weitläufiges Grundstück mit einem kleinen Schlösschen darauf. Als auch noch der Berliner Hofgartendirektor Hermann Walter das Grundstück für geeignet fand, um darauf einen den kaiserlichen Ansprüchen genügenden Park anlegen zu können, war die Entscheidung gefallen. Allerdings beabsichtigte Viktoria von Anfang an auch den Neubau eines repräsentativen und zugleich wohnlichen Schlosses. Ein Zufall bescherte ihr die nötigen Geldmittel dafür: 1888 war in Paris die Herzogin von Galliera gestorben, eine der reichsten Frauen der Zeit. Ihr Ehemann Raffaele de Ferrari Herzog von Galliera stammte ursprünglich aus Genua, lebte aber seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris. Die großen Bauprojekte des Barons Haussmann in Paris, den Suezkanal … – der Herzog finanzierte sie. Und seine Witwe bedachte Viktoria in ihrem Testament so reichlich, dass sie sich ein „bequemes, unabhängiges country home“ bauen konnte. Architekt war Eberhard von Ihne, der sich – ganz im Sinne der Auftraggeberin – am englischen Tudorstil orientierte. Bezeichnend für das technische Interesse der Kaiserin war es, dass sie eine für die Zeit höchst moderne Zentralheizung einbauen und elektrische Leitungen verlegen ließ. Selbstverständlich hatten die Toiletten Wasserspülung, was längst nicht in allen Schlössern Standard war. 1889 wurde mit dem Bau des Schlosses begonnen, das sie ihrem verstorbenen Mann zu Ehren „Friedrichshof“ nannte. Viktoria war sich bald sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben: „Die Gegend und der Ort werden mir immer lieber! Ich finde die Landschaft reizend und überall liebliche Punkte.“ Für Kronberg war die neue Bewohnerin wie ein Lotteriegewinn. Bald bauten immer mehr wohlhabende Familien
Ein Besuch in Kronberg lohnt sich vor allem zur Rhododendronblüte, wachsen hier doch besonders viele und üppige Exemplare dieser Heidekrautgewächse.
aus Frankfurt ihre Villen in der kleinen Stadt im Taunus; die sozial engagierte Kaiserin finanzierte den Bau eines Krankenhauses und einer Schule. Zur Anlage eines öffentlichen Parks – dem heutigen Viktoriapark – stellte sie Flächen zur Verfügung. Viktoria war an Fragen der Gartenarchitektur sehr interessiert; „jede Pflanze, jede Blume kannte sie mit dem lateinischen Namen“. Auch hier war ihr Vorbild das hei-
Rosenvielfalt im Kronberger Schlosspark.
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Exotische Bäume als Gastgeschenke
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mische England. Emil Sello, Hofgärtner am Neuen Palais in Potsdam schickte sie mehrfach zu Studienzwecken auf die Insel. Sello war danach verantwortlich für das Krongut Bornstedt in Potsdam, das Viktoria sehr am Herzen lag. Für die Parkanlagen von Schloss Friedrichshof zeichnete der Hofgartendirektor Hermann Walter verantwortlich, ein gebürtiger Schlesier, der zuvor auf Vermittlung Viktorias ebenfalls fünf Jahre lang in England gearbeitet hatte. Dabei nahm „Vicky“ in Kronberg selbstbewusst Einfluss auf die Planungen: „Wie die Kaiserin Friedrich ihr eigener Architekt war, so war sie auch ihr oberster Gartendirektor.“ Legte Walter ihr seine Ideen vor, so „formte die Hohe Schlossherrin jeden Plan, jede Neuanlage noch nach ihren eigenen Gedanken und Wünschen um. Und wie viele hübsche Ideen für gärtnerische Ausschmückung, teils eigener Erfindung, teils auf Reisen oder sonstwo Gesehenes wiedergebend, kamen hier zur Ausführung.“
Typisch für englische Landschaftsgärten im Zeitalter des Historismus war es, möglichst viele unterschiedliche, auch exotische, Baumarten zu pflanzen. Für ihren Kronberger Park hatte Viktoria in diesem Zusammenhang eine originelle Idee: „Jede Hohe Fürstlichkeit, welche zum Besuch nach Friedrichshof kam, pflanzte mit eigener Hand einen Baum, meistens edle Koniferen. Und die Kaiserin Friedrich wachte sorgsam darüber, dass alle diese Bäume besonders gehegt und gepflegt wurden.“ Diese Artenvielfalt eröffnet sich auch dem heutigen Spaziergänger. Da gibt es Sumpfzypressen aus Florida, einen japanischen Kuchenbaum, Mammutbäume, Robinien, eine nordamerikanische Riesenthuja, Zedern (ein Geschenk Zar Nikolaus’ II.), einen Tulpenbaum, Wellingtonien und viele weitere exotische Laub- und Nadelbäume, die den Kronberger Schlosspark zu einem regelrechten Arboretum machen. Viktorias besonderes Augenmerk galt dem Rosengarten. Locker gepflanzte Büsche, Baumgruppen und solitär stehende Bäume sowie weite, gepflegte Rasenflächen prägen das Bild des Schlossparks in Kronberg.
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An die Schlossterrasse schließt sich der Golfplatz an – eine schönere Kulisse mag es für Liebhaber dieses Sports kaum geben. Durch die Nutzung als Golfplatz ist der Rasen sehr gepflegt, und die Sichtachsen sind dem historischen Vorbild nach frei gehalten.
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Blick auf die Südseite von Schloss Kronberg mit der großen Terrasse. Die Fassade ist geprägt von den großen Fensterfronten und den zahlreichen Sattelgiebeln.
In Kronberg suchte Viktoria die Nähe von Mitgliedern der Künstlerkolonie. Dazu gehörten Norbert und Else Schrödl, deren Tagebuchaufzeichnungen wertvolle Einblicke in die Kronberger Zeit „Vickys“ geben. Dabei spannt nt sich der Bogen von dem warmen Empfang, den die Bevö ölkerung der Kaiserinwitwe 1890 bereitete, bis zu der tieffen Trauer, die sich bei ihrem Tod 1901 in der Stadt breit macchte. Die Erinnerungen schließen am 21. September 1901 1: „Norbert und ich machten heute zum ersten Mal nach dem Tod der Kaiserin Friedrich einen Spaziergang um Friedrichshof. Der bunte Septemberpark war ganz voll Sonne, während auf der Ebene Nebel lagerte. Ich hörte in der großen Stille nur eine einzige traurige und feierliche Melodie.
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Bedeutende Menschen können nicht in unser Leben eintreten, ohne eine tiefe Spur darin zu hinterlassen. Man hat im Verkehr mit ihnen das Gefühl, innerlich aufwärts zu schreiten. So ging es mir mit der Kaiserin Friedrich.“ Erbin von Schloss und Park Kronberg wurde Viktorias jüngste Tochter Margarethe, die mit Friedrich Karl von Hessen-Kassel verheiratet war. 1945 beschlagnahmte die amerikanische Besatzungsmacht das Schloss und richtete darin ein Offizierskasino ein. Erst 1953 erhielt die Familie das Schloss zurück – und stand damit vor der Frage, was sie mit dem riesigen Anwesen anstellen sollte. So kam es zu der Nutzung als stilvolles Schlosshotel unter dem Dach der Hessischen Hausstiftung, die 1928 zur Bewahrung der Kulturgüter des Hauses gegründet worden war. Mit der Umwidmung in ein Hotel einher ging die Anlage eines Golfplatzes im Schlosspark, der 1954 eröffnet wurde. Damit wurde an eine ältere Tradition angeknüpft, denn es ist überliefert, dass englische Besucher bereits 1914 im Schlosspark Golf gespielt haben.
S C H L O S S PA R K K R O N B E R G Schlosshotel Kronberg Hainstraße 25 61476 76 Kr Kronberg Telefon on 06173/70101 06173/70 www.schlosshotel-kronberg chlosshotel-kronberg.de Golf- und Land-Club ub Kronberg e.V. Schloss Friedrichshof Telefon 06173/1426 www.gc-kronberg.de Hessische Hausstiftung Hainstraße 25b 61476 Kronberg Telefon 06173/701514 www.schloss-fasanerie.de
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Schlosspark Bad Homburg vor der Höhe – Landgrafen, Kaiser und ein Dichterfürst Betritt etritt man den Homburger Schlosspark durch das schmi schmiedeeiserne Tor mit dem landgräflichen Wappen, ist man erst eeinmal überwältigt: von den beiden mächtigen alten Liba Libanonzedern, die aus der Ferne wie ein einziger riesiger Baum wirken, und den kunstvoll angeordneten Teppichbeeten mit ihrer Blütenpracht. Blü
schloss umgebaut wurde. Weil er im Nordischen Krieg ein Bein verloren hatte und eine Prothese trug, ging er als „Landgraf mit dem silbernen Bein“ in die Geschichte ein. „L Hes essen-Homburg war eine Nebenlinie von Hessen-Darmstadt dt, der es im Alten Reich niemals ganz gelang, die Abhängigkeit von den mächtigeren Verwandten abzuschütAbhä teln. Die D Ehe Friedrichs II. mit der reichen, 30 Jahre älteren schwedischen sc Gräfin Margarethe Brahe spülte jedoch Geld in die Kassen des Landgrafen, und die Ansiedlung von hugenottischen Glaubensflüchtlingen kurbelte die Wirthu schaft an. Vor diesem Hintergrund konnte Friedrich den Bau eines repräsentativen Schlosses in Angriff nehmen.
Alleen, Rondells, Bassins Schon im 12. Jahrhundert gab es an der Stelle des heutigen Schlosses eine Burg, die von 1679 an durch den Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Homburg in ein Residenz-
Der dazu gehörende Park – der heutige Obergarten – wurde vor dem erst in preußischer Zeit so bezeichneten Königsflügel angelegt. Es handelte sich um einen regelmäßigen Garten mit axial sich kreuzenden Wegen, „Belvedere, Alleen, Rondells, Bassins, Springbrunnen und Lauben“, wie er in einer zeitgenössischen Quelle beschrieben ist. Ursprünglich führte eine Ulmen-Allee zum Schloss; diese ist später durch Zitrusfrüchte in Kübeln ersetzt worden, wie sie ebenfalls schon für das 17. Jahrhundert in Homburg überliefert sind; in einem Inventar von 1752 sind bereits über 2600 Orangeriepflanzen aufgeführt! Untergebracht waren die exotischen Pflanzen in der Orangerie. Der heutige Bau stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts. Der Orangeriegarten ist mit Stauden und Teppichbeeten bepflanzt; mit dem kleinen sternförmigen Springbrunnen in der Mitte wirkt er wie der intime Garten
Die beiden großen Libanonzedern vor dem Königsflügel kamen 1820 als kleine Setzlinge aus den Royal Botanic Gardens in Kew nach Homburg.
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eines bescheidenen Landhauses. Während die Orangerie im Winter der Unterbringung der exotischen Pflanzen diente, boten die lichten Räume im Erdgeschoss während der warmen Sommermonate den Rahmen für kleinere Hoffeste, Theateraufführungen und Konzerte; im Obergeschoss richtete sich Ferdinand, der letzte Landgraf von Hessen-Homburg (1783 –1866), eine bescheidene Wohnung ein. Die
Im Erdgeschoss der Orangerie wurden im Winter die exotischen Pflanzen untergebracht; im Obergeschoss richtete sich der letzte Landgraf von Hessen-Homburg eine bescheidene Wohnung ein.
Zeit der nach außen gerichteten herrscherlichen Selbstdarstellung und -inszenierung in barocker Manier war vorbei. Direkt vor dem Königsflügel ist eine Rosenterrasse angelegt. Bänke und Tische laden im Schatten der Libanonzedern zum Verweilen ein. Diese mächtigen Bäume kamen
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Blick zum Schlossturm, den Goethe in „Pilgrims Morgenlied“ zur Metapher seiner Angebeten machte.
1820 aus den Royal Botanic Gardens in Kew nach Homburg; sie waren ein Geschenk Adolf Friedrichs, des ersten Herzogs von Cambridge, zur Hochzeit seiner Schwester Elisabeth mit Landgraf Friedrich VI. von Hessen-Homburg.
Goethe und die Hofdame „Lila“ Die nachhaltigsten Akzente in der weiteren Gestaltung der Homburger Parklandschaft wurden in der Regierungszeit des Landgrafen Friedrich V. und seiner Gemahlin Caroline, einer geborenen Prinzessin von Hessen-Darmstadt, zwischen 1766 (als Friedrich für mündig erklärt wurde) und 1820 gelegt. Die beiden standen den Ideen der Aufklärung
nahe, interessierten sich für Kunst und Wissenschaft. Anders als Friedrich der Große in Preußen ließ sein Homburger Namensvetter auch die deutschsprachige Literatur und Philosophie gelten und förderte sie. So stand er nicht nur mit Voltaire in Verbindung, sondern auch mit Johann Caspar Lavater, Friedrich Hölderlin und Friedrich Gottlieb Klopstock. Johann Wolfgang von Goethe war 1772 Gast am landgräflichen Hof, wo er sich in die Hofdame Luise von Ziegler („Lila“) verliebte. Diese Liebe hat Goethe in „Pilgrims Morgenlied“ dichterisch verarbeitet. Dabei wurde der Weiße Turm des Schlosses zu einer Metapher der Angebeten bzw. steinerner Zeuge seiner Begegnungen mit ihr. Dieser Überrest der Burg des 12. Jahrhunderts bildet vom gesamten unteren Bereich des Schlossparks aus einen markanten
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Blickfang, der sich zudem höchst reizvoll im Großen Teich spiegelt. Einen besseren Platz, um Goethes Lied auf sich wirken zu lassen, wird man schwerlich finden: Morgennebel, Lila, / Hüllen Deinen Turm ein. Soll ich ihn zum / Letzten Mal nicht seh’n! Doch mir schweben / Tausend Bilder Seliger Erinnerung / Heilig warm ums Herz. Wie er so stand, / Zeuge meiner Wonne, Als zum erstenmal / Du dem Fremdling Ängstlich liebevoll / Begegnetest, Und mit einemmal / Ewge Flammen In die Seel’ ihm warfst Zische Nord / Tausendschlangenzüngig Mir ums Haupt / Beugen sollst du’s nicht Beugen magst du /Kind’scher Zweige Haupt, Von der Sonne / Muttergegenwart geschieden. Allgegenwärt’ge Liebe / Durchglühst mich, Beut’st dem Wetter die Stirn / Gefahren die Brust, Hast mir gegossen / ins früh welkende Herz Doppeltes Leben: / Freude zu leben, / und Mut Zur Stimmung dieses Gedichts passen die geschwungenen Wege und romantischen Bilder, die sich bei einem Spaziergang durch den englischen Landschaftsgarten ergeben, in den dieser untere Teil des Schlossparks unter Friedrich V. und seiner Frau Caroline verwandelt worden ist. Dazu gehören auch die „Phantasie“ mit ihrem in vereinfachter Form wieder aufgebauten Teehäuschen sowie das Boskett – ursprünglich ein Weinberg – mit seinen labyrinthartig verschlungenen Wegen und dicht stehenden Bäumen; hierr soll sich Goethe besonders gern aufgehalten haben. Es wurden bei der Umwandlung in einen englische hen Landschaftsgarten aber durchaus nicht alle älteren Elemente beseitigt. So gab es den Großen Teich bereits im
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barocken Garten, doch erhielt der ursprünglich rechteckige Teich jetzt eine der neuen Zeit angepasste geschwungene Uferlinie. Dagegen ist die aufgeschüttete Insel in der Mitte des Teichs eine Zutat des 20. Jahrhunderts. Auch der Herrschaftliche Obstgarten ist bereits auf einem Stich Matthäus Merians von 1646 zu sehen. 2003 wurde er nach alten Plänen wiederhergestellt und mit 100 hochstämmigen Bäumen neu bepflanzt.
Eine Parklandschaft entsteht Unter Friedrich V. und Caroline erfuhr die Homburger Parklandschaft eine erhebliche Erweiterung bzw. wurde der eigentliche Schlosspark überhaupt erst in eine weit darüber hinausreichende Parklandschaft mit einer flächenmäßigen Ausdehnung von 122 Hektar eingebettet. So ließ Friedrich V. die Tannenwaldallee anlegen, die vom Schlosspark ausgehend in den Großen Tannenwald mit dem im Jahr 2000 restaurierten Gotischen Haus führt. Entlang der Allee überließ Landgraf Friedrich V. seinen fünf Söhnen und seiner Frau jeweils eine Fläche, um darauf einen Garten anlegen zu können. Vier dieser Gärten wurden nach den Namen der Kinder benannt: Louisgarten, Ferdinandsgarten, Gustavsgarten und Philippsgarten; der Garten seines ältesten Sohnes Friedrich, des späteren Landgrafen Friedrich VI., wurde von dessen Frau Elisabeth nach eigenen Entwürfen als englischer
S C H L O S S PA R K B A D H O M B U R G V O R D E R H Ö H E Der Schlosspark ist ganzjährig frei zugänglich. Das Schloss kann im m Rahmen von Führungen besichtigt werden. werde Öffnungszeiten ungszeiten Museumsshop März bis Oktober Dienstag bis Sonntag 10 –17 17 Uhr, November bis Februar 10 –16 Uh Uhr. Schloss 61348 Bad Homburg burg Telefon 06172/9262 –148. www.schloesser-hessen.de
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Garten angelegt. Nach dem Tod ihrer Schwiegermutter übernahm Elisabeth zudem die Verantwortung für den Kleinen Tannenwald. In ihren Gärten fühlte sich die gebürtige Engländerin am wohlsten. So notierte sie 1834 alles andere denn „amused“: „Heute Vormittag besuchte mich der sächsische Minister mit seiner Frau, aus Frankfurt kommend, und beanspruchte mich eine und eine halbe Stunde lang, wo doch alle meine Gedanken in den Garten und den Wald gingen, wo ich sein wollte. Ich benahm mich trotzdem sehr gut, schluckte meine schlechte Laune hinunter und war so höflich wie möglich. In dem Augenblick, wo ich draußen war, war ich wie im Himmel. Der Kleine Tannenwald stand da in seiner Schönheit und wird im Frühjahr perfekt sein. Nachdem ich alle Arbeiten des Schneidens und Ausdünnens gesehen hatte, flog ich zum Großen Tannenwald, um die dortigen Pflanzarbeiten zu sehen, die sehr verbessert sind. Von hier aus fuhr ich am Waldesrand entlang, dann von Dornholzhausen aus vorbei an Philipps Garten zum Englischen Garten.“ Leider ist von dieser Gartenlandschaft außerhalb des eigentlichen Schlossparks viel verloren gegangen bzw. überbaut worden, doch bemüht man sich in Bad Homburg, das Verbliebene zu erhalten bzw. in seinem ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.
Unter dem preußischen Adler Im Jahr 1806 ging das Alte Reich recht sang- und klanglos unter; gleichzeitig sorgte Napoleon für eine Flurbereinigung der deutschen Landkarte. Nachdem zuvor schon durch die Säkularisation die geistlichen Herrschaften verschwunden waren, wurden jetzt auch fast alle kleineren weltlichen Herrschaften ausgelöscht. Zurück blieben die mittelgroßen und größeren Länder, die jetzt de jure die
Wappen der Landgrafen von HessenHomburg am Portal zum Obergarten.
staatliche Souveränität besaßen, de facto aber abhängig von Napoleon waren. Nachdem Friedrich V. zu lange gezögert hatte, dem von Frankreich dominierten Rheinbund beizutreten, war auch das Schicksal der Landgrafschaft Hessen-Homburg besiegelt. Napoleon schlug die Herrschaft Hessen-Darmstadt zu, das schon länger ein Auge darauf geworfen hatte. Nach dem Sieg über Napoleon wurden die von ihm eingeleiteten territorialen Veränderungen 1814/15 nicht wieder rückgängig gemacht – mit einer Ausnahme: Die Landgrafschaft Hessen-Homburg wurde wiederhergestellt, und Friedrich V. war nun Herrscher eines souveränen Staates. Doch diese neue Herrlichkeit währte nur etwas mehr als 50 Jahre. Ferdinand, der letzte Landgraf von Hessen-Homburg, der im Revolutionsjahr 1848 seine Regierung antrat, war nicht verheiratet und hatte dementsprechend auch keine legitimen Nachkommen. Ferdinand starb am 24. März 1866, und Hessen-Homburg fiel neuerlich an HessenDarmstadt, das seit 1806 Großherzogtum war. Doch nur wenige Monate später brach der deutsch-deutsche Krieg zwischen Preußen und seinen norddeutschen Verbündeten auf der einen sowie Österreich und den meisten süddeutschen Staaten auf der anderen Seite aus. Nach dem preußischen Sieg wurde Hessen-Darmstadt zwar nicht aufgelöst wie Hessen-Kassel, aber musste doch erhebliche Gebiete abtreten. Dazu gehörte auch die ehemalige Landgrafschaft Hessen-Homburg, die nun zu Preußen gehörte. Für Homburg war diese Annexion kein Schaden; vor allem Kaiser Wilhelm II. nutzte das Schloss der Landgrafen als Sommerresidenz und brachte damit einigen Glanz in die
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Stadt. So rückschrittlich Wilhelm II. in der Politik vielfach war, so aufgeschlossen stand er technischen Neuerungen gegenüber. So erhielt das Homburger Schloss bereits 1905 einen Telefonanschluss! In preußischer Zeit wurde 1901 auch eine romanische Säulenhalle aus dem Kloster Brauweiler nach Homburg gebracht und dort auf dem Oberen Schlosshof aufgestellt, Von der Terrasse bietet sich ein weiter Blick über den Schlosspark bis zu den Höhen des Taunus. Der Schlosspark profitierte gleichermaßen von der Nutzung als kaiserliche Sommerresidenz. War er in den letzten
Die romanische Säulenhalle aus der 1802 aufgehobenen Abtei Brauweiler bei Köln ließ Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1901 nach Homburg bringen und im Oberen Schlosshof aufstellen.
Jahrzehnten der Landgrafenzeit teilweise arg vernachlässigt worden, wurde er nun den kaiserlichen Ansprüchen entsprechend wieder instand gesetzt. In ebenjenem Jahr 1866, in dem Homburg an Preußen fiel, wurde Ferdinand Jühlke als Nachfolger des großen Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné Königlicher Hofgartendirektor. Als solcher war er auch für den Schlosspark in Homburg verantwortlich.
S c h l o s s g a r t e n We i l b u r g Aussichtsterrasse über der Lahn
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Die aussichtsreiche Lage auf einem Steilufer oberhalb der L Lahn und nd das geschlossene Erscheinungsbild machen den Reiz von Schloss und Garten in We Weilburg aus.
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Den Kern der Anlage bildet bis heute das vierflüglige Renaissanceschloss, das unter Graf Philipp III. von NassauWeilburg und Graf Albrecht von Nassau-Ottweiler im 16. Jahrhundert erbaut worden ist. Auch einen Garten gab es damals bereits, der sich zwischen dem Südflügel des Schlosses und der Kirche – einem Vorgängerbau des heutigen Gotteshauses – erstreckte. Ein „welscher“ Gärtner war zu dessen Pflege eingestellt worden. Als Vorbild mögen südliche Renaissancegärten gedient haben. Doch gibt es weder von diesem Garten noch von der ersten barocken Umgestaltung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Ansichten, die uns ein genaueres Bild ermöglichen würden. Der Garten, wie er sich dem Besucher heute darstellt, geht auf eine Neugestaltung unter Graf Johann Ernst von Nassau-Weilburg zurück, der als Feldherr im Pfälzischen und danach im Spanischen Erbfolgekrieg zunächst ganz in seiner militärischen Karriere aufging. Der Schlachtentod seines ältesten Sohnes 1703 führte dann offensichtlich zu einem Umdenken. Er trat als Großhofmeister in die Dienste der Kurfürsten von der Pfalz, widmete sich aber zugleich verstärkt dem Ausbau seiner eigenen Residenz in Weilburg. Als Baumeister gewann der Graf den aus dem Elsass
stammenden Ingenieur Julius Ludwig Rothweil, der zuvor in Hanau tätig gewesen war. Mit der Umgestaltung des Gartens hatte bereits um 1700 der Saarbrücker HofgärtG ner er François Lemaire begonnen.
Dreiklang aus Schloss, Orangerie und Kirche Als erster er Bau der barocken Erweiterung entstand zwischen 1703 und 1705 die heute sogenannte Obere Orangerie mit ihren geschwungenen Flügeln und dem von einem dreiih eckigen Giebel gekrönten Mittelrisaliten. Diese Orangerie diente nicht nur der Unterbringung der exotischen Pflanzen im Winter, sondern auch als repräsentative Verbindung zwischen dem Schloss und der zwischen 1707 und 1713 erbauten protestantischen Schlosskirche. Damit entstand gleichsam ein natürlicher Gartenraum, der von Schloss, Orangerie und Kirche umrahmt wurde. Dieser kleine Raum konnte die Anforderungen an einen herrschaftlichen Schlossgarten des Barock aber nicht
Die Obere Orangerie wurde zwischen 1703 und 1705 erbaut; der Mittelsaal wurde für sommerliche Feste genutzt.
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erfüllen. Und so wurde der Garten gleichzeitig zunächst nach Süden hin erweitert. Von 1711 bis 1713 kam ergänzend noch die untere Gartenterrasse mit einem zweiten Orangeriebau hinzu. Der erhebliche Höhenunterschied wurde durch große Freitreppen überwunden, die beidseits der Orangerie nach oben führen. Im Inneren ist diese Untere Orangerie, die nach dem Vorbild der Orangerie in Versailles rückwärtig ganz in den Hang gebaut ist, wesentlich schlichter als ihr oberes Pendant. Das Dach ist als begehbare Terrasse gestaltet, von der aus sich ein herrlicher Blick auf den tiefer gelegenen Teil des Gartens eröffnet.
Die Hoffassade des Nordflügels von Schloss Weilburg mit ihren offenen, rundbogigen Arkaden beeindruckt vor allem durch ihre reiche Ornamentik.
Zaghafte Umwandlung in einen Landschaftsgar ten Dabei fällt auf, dass sich die beiden Terrassen stilistisch erheblich voneinander unterscheiden: Die untere Terrasse ist ein Parterre im französischen Stil, also ein ebener, niedrig bepflanzter Gartenbereich, während die obere Terrasse mit ihren mächtigen Bäumen zumindest Ansätze der Umwandlung in einen englischen Landschaftsgarten aufweist. Im Jahr 1741 hatte Karl August von Nassau-Weilburg seine
gesehen haben mag – Verlust für Weilburg heute den Erhalt des Schlosses in seiner Verbindung aus Renaissance und Barock ohne wesentliche Zutaten späterer Jahrhunderte. Das gilt allerdings nicht für den Garten. Von 1801 bis 1816 hatte Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg seine Hauptresidenz auf Schloss Weilburg. In dieser Zeit ließ er die beiden Terrassen in einen englischen Landschaftsgarten umwandeln. Im Schloss blieb es bei einigen klassizistischen Veränderungen der Innenarchitektur. Fürst Friedrich Wilhelm starb am 9. Januar 1816 durch einen Sturz von der Treppe im Weilburger Schloss! Sein Sohn Wilhelm wurde noch im selben Jahr Herzog von Nassau. Wie sein kinderlos verstorbener Vorgänger in diesem Amt, Friedrich August von Nassau-Usingen, residierte er in Wiesbaden. Damit trat Weilburg neuerlich ins zweite Glied. Die Untere Orangerie wurde zwischen 1711 und 1713 nach dem Vorbild der Orangerie von Versailles in den Hang hineingebaut.
Residenz nach Kirchheim, dem heutigen Kirchheimbolanden, verlegt. Nach wenigen Jahrzehnten war die ResidenzHerrlichkeit in Weilburg damit bereits wieder vorbei gewesen, auch wenn die Regierung ihren Sitz in der Stadt behielt. Da hierfür aber keine Veränderungen am Schlossbau notwendig waren, verdanken wir diesem – wie es zunächst aus-
SCHLOSSGARTEN WEILBURG Der er Schlossgarten ist ganzjährig frei z zugänglich. Das Schloss kann im Rahmen von Führungen besichtig besichtigt werden. Öffnungszeiten fnungszeiten März bis Oktober Dienstag bis Sonntag 10 –17 Uhr, November bis Februar Dienstag bis Sonntag 10 –16 Uhr. Schloss oss und Schlossgarten Schlossplatz 3 Schlo 35781 5781 Weilburg an de der Lahn Telefon 06471/91270 www.schloesser-hessen.de
Re-Barockisierung in den 1930er-Jahren Der Weilburger Schlossgarten, wie wir ihn heute kennen, ist das Ergebnis einer Annäherung an den historischen Ursprung zwischen 1936 und 1944. Dabei wurde die untere Terrasse wieder ganz im französischen Stil hergerichtet, und zwar in einer Form, wie sie in der Mitte des 18. Jahrhunderts beliebt war und so auch für Weilburg überliefert ist: einem Parterre à l’Angloise. Im Unterschied zum traditionellen, barocken Parterre sind die von Buchshecken begrenzten, geometrisch geordneten Flächen hier nicht mit Blumen, sondern mit Rasen bepflanzt. Die Blumenpracht beschränkt sich dementsprechend auf die Randbereiche. Die in den Schnittpunkten der Achsen aufgestellten, golden D glä länzenden Götterstatuen sind typisch für barocke Gärten; diee beiden Weilburger Skulpturen waren ursprünglich auf der oberen Terrasse aufgestellt; sie sind der einzig verblieben ne Rest eines umfassenderen Figurenprogramms. Die die un ntere Terrasse begrenzenden Seitenmauern sind mit Spa-
lierobst bepflanzt – ebenfalls ein beliebtes Stilelement im Barock. Ein besonderer Blickfang sind die grün und golden bemalten, gusseisernen Vasen und das in denselben Farben gehaltene Geländer. Besonders romantisch muss es in fürstlicher Zeit gewesen sein, wenn diese Vasen abends mit Öl gefüllt und Dochte darauf entzündet wurden, um Spaziergängern den Weg zu weisen. Im Gegensatz zur unteren wurde auf der oberen Terrasse der barocke Park in den 1930-er Jahren nicht vollständig wiederhergestellt. Zum Glück, möchte man sagen, sind die beiden auf diese Weise erhaltenen Rotbuchen doch wahre Prachtbäume. Die zaghafte Re-Barockisierung mag auch darin begründet gewesen sein, dass es unmöglich schien, in diesem Bereich den ursprünglichen Zustand mit mehreren kunstvollen Wasserspielen wiederherzustellen. Der Untere Schlossgarten ist als Parterre à l’Angloise mit eingefassten Rasenkompartimenten gestaltet.
Blick vom Unteren Schlossgarten auf die tiefer gelegene Parterre-Terrasse. Bemerkenswert ist das kunstvoll geschmiedete Geländer.
Im Schnittpunkt der Wegachsen vor der Oberen Orangerie wurde stattdessen 1967 ein aus Rüdesheim stammender Brunnen des 16. Jahrhunderts aufgestellt. Die Brunnenskulptur zeigt den Kampf zwischen Herakles und dem Riesen Antaios, symbolisch gedeutet als Kampf zwischen Gut und Böse. Auf das 18. Jahrhundert geht das Lindenboskett zurück, das den südlichen Bereich der oberen Terrasse abschließt. Allerdings sind die heutigen Bäume erst bei der Umgestaltung in den 1930er-Jahren angepflanzt worden. Unter Boskett versteht man sprichwörtlich in Reih und Glied geordnete Bäume, wie es der Vorliebe des barocken Zeitalters für geometrische Geradlinigkeit entsprach. Würde man aus der Vogelperspektive auf das Lindenboskett blicken, würde man erkennen, dass die Bäume in Form der Fünf auf einem Würfel gepflanzt sind.
Fasanerie Eichenzell Ve r t r ä u m t e I d e a l l a n d s c h a f t Ein Fürstabt und ein Kurfürst verwirklichten bei der Fasan Fasanerie in Eichenzell vor den Toren Fuldas ihren ganz eigenen Gar Gartentraum. Heute ist die Fasanerie einer der ausgedehnteste ausgedehntesten und romantischsten omantischsten englischen Landschaftsgärten in Hessen.
Vögel zwar hinter Mauern, ansonsten aber frei leben durften. Von einer sogenannten Jagdschneise in Form eines sechsstrahligen Sterns aus konnte dann ohne größere se Mühe das auch Kirchenfürsten liebe Waidwerk verrichtet Mü werd den. Amand von Buseck ließ nun zwischen 1737 und 1756 756 das kleine Schloss zu einem ausgedehnten Gebäudekomp plex mit einem repräsentativen Ehrenhof und einem wahrhaft kaiserlichen Treppenhaus ausbauen, der ihm als wahr Sommerresidenz om diente.
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Der Fürstabt als sein eigener Gär tner
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Der Fuldaer Fürstabt Amand von Buseck war ein gebildeter, weitgereister Mann. Ausgedehnte Studienreisen hatten ihn unter anderem nach Frankreich und Flandern geführt. 1737 wurde Buseck Fürstabt von Fulda, mit der Erhebung zum Bistum 1752 erster Fürstbischof. Eine glanzvolle kirchliche Karriere, wie sie sich für nachgeborene Mitglieder aus Häusern des niedrigen Adels als Aufstiegschance anbot. Als Reichsfürst war ihm an einer standesgemäßen Repräsentation gelegen. Seine ganze Liebe galt der Gartenkunst. Bei seinen Reisen hatte er zahlreiche Gärten kennengelernt, zudem konnte er sich auf den weit verbreiteten Stichen ein Bild von weiteren Gärten seiner Zeit machen. In das benachbarte Fürstbistum Würzburg schickte Amand von Buseck sogar seinen Bruder – der sollte schauen, was der bauwütige Schönborn dort anstellte. Offensichtlich höchst Beeindruckendes, darunter einen „allhier neu angelegten Fasaneriegarten“. Dies mag ein letzter Anstoß dafür gewesen sein, selbst eine vergleichbare, große Gartenanlage zu schaffen. Schon um 1710 hatte Busecks Vorgänger Adolph von Dalberg bei Eichenzell ein kleines Schloss neben einer „wilden Fasanerie“ erbauen lassen, in der die begehrten
Amand von Buseck war ein begabter Zeichner, der selbst Skizzen für Schloss und Garten anfertigte, die dann von Baumeister und Gartenarchitekt umgesetzt werden mussten, wobei ihnen die Pläne ihres fürstlichen Auftraggebers eher als Anregung denn als konkrete Handlungsanweisung gedient haben mögen. Wenn Buseck dereinst ins Paradies komme und ihm dort nicht die Stelle des Gärtners angeboten würde, kehrte er sogleich in seine Fasanerie nach Eichenzell zurück, meinten schon die Zeitgenossen im milden Spott über die Gartenleidenschaft des Kirchenfürsten. Architekt des Schlossbaus war der Tessiner Andrea Gallasini, die Verantwortung für den Garten trug von 1738 bis 1780 der Hof- und Orangeriegärtner Benedikt Zick. Originalpläne für die Anlage des barocken Fasaneriegartens haben sich nicht erhalten – dafür aber ein sehr aufschlussreiches, wenn auch nicht besonders schmeichelhaftes Porträt des Hofgärtners Zick inmitten seines Werks. Er ist wohlgenährt, trägt auffallende Kleidung und ist sich seiner Bedeutung ganz offensichtlich bewusst. Wenn der Künstler ihn aber mit einem Weinglas und einem Papagei als Symbol der Eitelkeit, der Prunksucht und der Unmäßigkeit auf der Hand darstellt, dann war die Botschaft damals jedermann verständlich.
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Wie der barocke Park ausgesehen hat, veranschaulicht ein 1770 entstandener „Prospect der Hochfürstlich fuldaischen Sommer Residenz Fasanerie“. Der Betrachter blickt aus der Kavalierperspektive auf das Schloss und den Park. Dieser besteht aus einem terrassierten Lustgarten im französischen Stil, an den sich schön sichtbar der sechsstrahlige Jagdstern anschließt. Nördlich des Schlosses erstrecken sich Obst- und Gemüsegärten. Im Westen schließt sich eine Kastanienplantage an, in der die Bäume nach dem Vorbild der Fünf auf dem Würfel gepflanzt sind – in der Fachsprache wird diese Anordnung Quincunx genannt.
Das ursprüngliche barocke Parterre wurde zwischen 1824 und 1827 in einen englischen Landschaftsgarten mit weiten Rasenflächen umgewandelt.
Ein Gar ten, „dem nichts an Zierde fehlet“ Ob dieses Gartens geriet 1757 der fuldaische Hofkammerrat Carl Benedict Welle regelrecht ins Schwärmen: „Das bunte Gartenwerk, dem nichts an Zierde fehlet, wo sich die Natur hat mit der Kunst vermählet. Wo Flora sich ergötzt, wo selbst Pomona wohnt und des Arbeiters Fleiß mit reicher Frucht belohnt ... Der Himmel zeigt hier ein stetes Frühlingswetter. Die Erden wird bestreut und durch die Purpurblätter, die der gelinde Wind von Blum’ und
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Rosen weht, wie gleichsam rot gefärbt, wo man nur geht und steht ... Von beiden Seiten sind die Wege und die Gänge von Obstgebäum umstellt ... Viele lustige Gebäu[de] erscheinen dem Gesicht, die nach Chineser Art erbaut und eingericht. Die Wässer, so die Kunst weiß also zu bezwingen, dass sie in hohe Luft von selbsten müssen springen, sind angenehm zu seh’n und stürzen von der Höh’ mit lieblichem Gerausch sich hin in einen See.“ Eine sehr anschauliche Schilderung, bei der es nicht schwer fällt, sich in die Zeit des Barock zurückzuversetzen und sich vorzustellen, wie der Fürstbischof von Buseck stolz durch seinen Garten flanierte. Doch diese Herrlichkeit hatte bald ein Ende. Wie alle geistlichen Herrschaften fiel auch das Fürstbistum Fulda 1803 der Säkularisation zum Opfer. In den folgenden Jahren wechselte die Herrschaft mehrfach, ehe Fulda 1815 an Kurhessen fiel (wie die Landgrafschaft Hessen-Kassel genannt wurde, seit Landgraf Wilhelm IX. 1803 zum Kurfürsten erhoben worden war). Kurfürsten gab es seit der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs 1806 zwar nicht mehr, doch behielten auch Wilhelms Nachfolger diese eigentlich anachronistische Titulatur bei.
Eine kunstsinnige Kurfürstin Für die Fasanerie war der Übergang an Kurhessen ein Segen, denn in der Zeit der wechselnden Herrschaften zwischen 1803 und 1815 war der prächtigen Anlage nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt worden. Und in einem Barockgarten wie der Fasanerie machte sich selbst die kleinste Vernachlässigung schnell bemerkbar. Allerdings interessierte sich erst Kurfürst Wilhelm II., der 1821 die Regierung antrat, nachhaltig für die Fasanerie; in einem noch größeren Maß galt dies für seine Ehefrau Auguste, eine geborene Prinzessin von Preußen – König Friedrich Wilhelm III. war ihr Bruder. Die kunstsinnige Kurfürstin liebte es, in Kontrastprogramm: barocke Meeresnymphe in dem großen naturnahen Teich, den Wilhelm Hentze bei der Umgestaltung in einen Landschaftsgarten anlegen ließ. Im Hintergrund der Mittelrisalit des Schlosses.
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den Sommermonaten ausgedehnte Spaziergänge durch den Park zu machen und dabei auch Anregungen für eine weitere große Leidenschaft zu gewinnen: das Malen! Verantwortlich für die Umwandlung des barocken Lustgartens in einen englischen Landschaftsgarten zwischen 1824 und 1827 war der Kasseler Hofgartendirektor Wilhelm Hentze. Sein Plan sah weite Wiesenflächen, Einzelbäume und Baumgruppen vor, der Park sollte durch ein Netz geschwungener Wege erschlossen werden. Im Westen fällt eine große Kastanienpflanzung auf. Nicht alle Elemente des barocken Parks verschwanden mit der Neugestaltung. So ist vor allem die beherrschende Südterrasse mit ihrer geschwungenen Balustrade, den antikisierenden Vasen und dem repräsentativen Treppenaufgang erhalten geblieben. Auch die akkuraten Blumenbeete lassen das Zeitalter des Barock noch durchscheinen. Im Sommer nutzt das Schlosscafé die Terrasse – den herrlichen Blick in den Park gibt es zu Kaffee und Kuchen gratis dazu. Die stattlichen Palmen in weißen Pflanzkübeln wecken mediterrane Assoziationen. Von der Terrasse fällt der Blick zunächst auf ein sich westlich anschließendes, solitär stehendes Gebäude mit einem markanten Walmdach: Es handelt sich um das einstige Badehaus der Fürstäbte. Nur langsam verlor sich im 18. Jahrhundert die Angst vor dem Wasser, und manche Badehäuser in Parks heißen zwar so, haben aber nicht einmal einen Wasseranschluss. Anders in der Fasanerie: Hier gab es sogar eine raffinierte Feuerungsanlage, die tatsächlich warmes Wasser in die Badewannen fließen ließ.
Wu n s c h n a c h E x o t i k Der eigentliche Park öffnet sich, wie schon der Lustgarten der Fürstäbte, von der Schlossterrasse aus nach Süden. Den großen Teich gab es auch schon im barocken Plan Hentzes;
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durch die vielen Wasserpflanzen bietet er heute aber ein scheinbar natürliches, gewachsenes Bild. Eine barocke Brunnenfigur bildet den Blickpunkt im Zentrum. Auch ein weiterer kleiner Teich, auf dem Weg zur Remise, der sogenannte Mönchsweiher, bestand schon zu Zeiten der Fürstäbte; damals diente er als Löschwasserreservoir. Anders als im barocken Park, wo von der Terrasse aus die symmetrisch angelegten Wege, Blumenbeete und Wasserkünste des Lustgartens die Blicke auf sich zogen, öffnet sich im englischen Landschaftsgarten eine weite Wiese; als Point de vue – als Blickfang – dient seither der sogenannte Chinesische Pavillon, der gleichfalls noch aus der Zeit der Fürstäbte stammt. Besonders chinesisch wirkt der Bau nicht; die Malereien im Inneren zeigen keine Chinoiserien, sondern Musikinstrumente. Die nachträgliche Benennung sollte wohl den der höfischen Gesellschaft eigenen Hang zur Exotik unterstreichen. Seit dem 19. Jahrhundert diente der von hübsch bepflanzten Blumenbeeten umgebene Pavillon als Teehaus. Wie unter der Decke des Landschaftsgartens die barocken Strukturen zum Teil erhalten geblieben sind, zeigen die drei terrassenartig angelegten Bassins im unteren Bereich des Gartens, die früher wohl durch Kaskaden mit-
FA S A N E R I E E I C H E N Z E L L Der er Park Fasanerie ist ganzjährig frei zugänglich. Die Prachträume der Residenz und die darin ausgestel ausgestellten Kunstsammlungen gen des Hauses Hessen können im Rahmen von Führungen besich besichtigt werden. Im Badehaus finden Sonderausstellungen statt. Öffnungszeiten nungszeiten Schloss/Museum 1. April bis 31 O Oktober Dienstag bis Sonntag 10 ––17 Uhr. Schloss chloss Fasanerie 36124 Eichenzell 0661/94860 www.schloss-fasanerie.de
einander verbunden waren. Die Teiche dienten der Fischzucht; das war im klösterlichen Bereich – und dazu gehörte selbst ein barocker Fürstabt – besonders wichtig vor dem Hintergrund von 140 vorgeschriebenen Fastentagen im Jahr, an denen kein Fleisch gegessen werden durfte. Wie gut für den Fürstabt, dass diese strengen Vorschriften nicht galten, wenn Gäste an seinem Tisch Platz nahmen ... Eine Kastanienallee führt von den Teichen zurück in den oberen Teil des Gartens. Unversehens taucht am Horizont ein weiteres der von dem Hofkammerrat Carl Benedict Welle 1757 beschriebenen „chinesischen Gebäu[de]“ auf – das Japanische Haus, das aber so wenig japanisch wirkt wie der Chinesische Pavillon chinesisch. Im barocken Park stand das Japanische Haus im Zentrum aufwändiger Wasserkünste; dem entspricht das den Meeresgott Neptun darstellende Deckengemälde. Das Jahr 1866 bedeutete das Aus für Kurhessen als selbstständigen Staat. Im deutsch-deutschen „Bruderkrieg“ zwischen Preußen und den norddeutschen Staaten auf der einen sowie Österreich und den süddeutschen Staaten auf der anderen Seite hatte die Militärmaschinerie Preußens den Sieg davongetragen. Kurhessen wurde Teil des Königreichs Preußen. Doch während andere hessische Schlösser in der Folge von den Hohenzollern benutzt wurden, gelang es Friedrich Wilhelm 1878, die Fasanerie zurückzugewinnen. Bis heute sind Schloss und Park Fasanerie im Besitz des Hauses Hessen bzw. seit 1928 der Hessischen Hausstifttung, durch deren Gründung die damals drohende Auflösu ung von fürstlichem Privatbesitz verhindert werden konnte.. Mit großem Engagement bemüht sich das Haus seither um die Bewahrung dieses einzigartigen Kulturguts.
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Das Japanische Haus sollte exotisches Flair in den Park der Fasanerie bringen. Die Wandmalerei im Inneren zeigt allerdings ein klassisches europäisches Thema: den Meeresgott Neptun, wie er mit seinem Gespann aus den Wellen emporsteigt.
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Blühende Abtei mit über 600 Mönchen
Schlossgarten Fulda Die grüne Lunge der Stadt
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Der Schlossgarten in Fulda zeugt vom Anspruch der Fürst Fürstäbte bzw. zw. -bischöfe, nicht nur geistliche Würdenträger, sondern aauch Reichsfürsten zu sein. Heute bietet der Schlossgarten den Besuchern hern mitten in der Stadt eine Verbindung aus b barockem Lustund d englischem Lands Landschaftsgarten.
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In Fulda gibt es eine Vielzahl von Gärten zu entdecken. 2002 wurde in der Bischofsstadt der „1. Deutsche Gartenkulturpfad“ eröffnet, ein gemeinsames Projekt der Stadt Fulda und der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft. Der Gartenkulturpfad verbindet die wie Perlen an einer Kette aufgereihten Gärten der Stadt miteinander, „um vielen Menschen die Bedeutung von Gärten und Parks vor Augen zu führen“, wie Sonja Gräfin Bernadotte zur Eröffnung schrieb. Zu diesem Gartenkulturpfad gehören der Domdechaneigarten, der Dahliengarten am Wallenstein’schen Palais, der Garten der Benediktinerinnenabtei St. Maria, der Garten des Franziskanerklosters auf dem Frauenberg, der Auepark, der „Euro-Hügel“ auf dem Gelände der ehemaligen US-Kaserne, der Schlossgarten Fasanerie in Eichenzell (siehe Seite 70) sowie eine Reihe weiterer kleiner Gärten, deren Besichtigung gleichwohl lohnt. Der bedeutendste der innerstädtischen Gärten, die durch den Gartenkulturpfad erschlossen werden, ist der Schlossgarten – was durchaus der traditionellen Bedeutung der einst mächtigen Benediktinerabtei entspricht, deren Äbte die Geschichte Fuldas über Jahrhunderte hinweg maßgeblich geschrieben haben.
Der erste Abt Fuldas war Sturmius. Er war von seinem Lehrer, dem heiligen Bonifatius, zu der Gründung am Ufer L dess Flusses Fulda angeregt worden. Im Jahr 757, nur sieben Jahre re nach der Gründung, erhielt das Kloster die päpstliche che E Exemtion – das heißt die Abtei war fortan direkt dem Papstt und nicht mehr, wie dies üblich war, dem jeweiligen Ortsbischof (in diesem Fall dem Mainzer) unterstellt. 774 Ortsb gewährte Karl der Große dem Kloster das Recht der freigewä en Abtswahl. Von 822 bis 842 war Hrabanus Maurus, einer der größten Gelehrten des Mittelalters, Abt in Fulda. Zeitweise lebten in dem Kloster über 600 Mönche. Zu diesem Erfolg trug wesentlich bei, dass der heilige Bonifatius in Fulda bestattet wurde und sich eine blühende Wallfahrt zum „Apostel der Deutschen“ entwickelte. Blick in den östlichen Abschnitt des Fuldaer Schlossgartens, der nach 1816 als englischer Landschaftsgarten eingerichtet wurde.
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Geistliche und weltliche Herren
Blick über den 1994 neu angelegten Domdechaneigarten zum Dom, der zwischen 1700 und 1712 von Johann Dientzenhofer erbaut wurde.
Daraus bezog die Abtei ihr Selbstbewusstsein, auch in Zeiten des Niedergangs. Reformation und Dreißigjähriger Krieg bedrohten das Kloster in seiner Substanz, doch auch hausgemachte Probleme wie ein zunehmend verweltlichter Lebensstil und Streitigkeiten zwischen dem Abt und den Mönchen ausgerechnet um die Verteilung der Einkünfte. Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich die Abtei aber wieder stabilisiert. 1752 erhob Papst Benedikt XIV. Fulda zum Fürstbistum.
Schon die Fuldaer Äbte waren Reichsfürsten und Landesherren gewesen, und fürstengleich wollten sie residieren und repräsentieren. Normalerweise bauten sich auch Fürstäbte ihre Residenz innerhalb der Klostermauern, in einem eigenen Gebäude zwar, wie dies schon der St. Galler Klosterplan vorsah, aber nicht räumlich getrennt von der übrigen Klosteranlage. Anders in Fulda: Hier ließ sich bereits der Abt Heinrich von Wilnau 1312 eine Burg an der Stelle des heutigen Stadtschlosses erbauen. Der Abt verstand sich zuerst als Landesherr und erst dann als Vorsteher des Klosters. Nordwestlich der Burg bzw. des Schlosses erstreckte sich schon seit dem Mittelalter der Tiergarten der Fürstäbte. Auf einer Terrasse direkt an der Burg ist ein Kräutergarten überliefert. Ende des 17. Jahrhunderts wurde damit begonnen, diese beiden Gartenbereiche in das Konzept eines Lustgartens einzubinden. Dazu erhielt die verbreiterte Terrasse eine neue Mauer, und der ehemalige Tiergarten wurde mit Sommerhaus und Wasserkünsten im französischen Stil ausgestattet. Begonnen hatte diese Umgestaltung der Fürstabt Bernhard Gustav von Baden-Durlach. Der Protestant hatte als schwedischer Generalmajor am Dreißigjährigen Krieg teilgenommen und war 1660 zum Katholizismus konvertiert. Für die katholische Seite war eine solche Konversion wie ein Lotteriegewinn, und natürlich wurde dafür gesorgt, dass der Neu-Katholik in kurzer Zeit eine erstaunliche Karriere machte: Nach seinem Eintritt in das Benediktinerkloster Rheinau im heutigen Kanton Zürich 1665 wurde er bereits sechs Jahre später Fürstabt von Fulda und 1673 gleichzeitig Fürstabt von Kempten. Schon zwei Jahre zuvor war er von Papst Klemens X. zum Kardinal erhoben worden. Bernhard Gustav starb 1677 im Alter von nur 46 Jahren. Sein Nachfolger Placidus von Droste war eher haushälterisch veranlagt, doch setzte er die
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Umgestaltung des ehemaligen Tiergartens in einen Lustgarten fort. Unter dem 1700 gewählten Fürstabt Adalbert von Schleifras wurden dann durch Johann Dientzenhofer der barocke Dom und die Residenz erbaut.
Gär ten als „große Stücke der Baukunst“ Mit dem Abschluss der Baumaßnahmen am Schloss geriet der Garten neuerlich in den Fokus der Fürstäbte. Dass Fulda hier noch hinterher hinkte, musste Fürstabt Constantin von Buttlar feststellen, als er 1717 das fränkische Pommersfelden besuchte. Dort hatte Lothar Franz von Schönborn, der in Personalunion Fürstbischof von Bamberg und Kurfürst-Erzbischof von Mainz war, sich das Schloss Weißenstein als private Residenz erbauen lassen. Architekt
war (wie in Fulda) Johann Dientzenhofer. Für den Garten war der kurmainzische Oberbaudirektor Maximilian von Welsch verantwortlich. Er verwirklichte, was der spätere Würzburger Hofgärtner Johann Prokop Mayer im Zeichen des aufkommenden Landschaftsgartens nicht unkritisch so beschrieben hat: „Die damaligen Gärten waren nichts anderes als große Stücke der Baukunst. Man sah nichts darinnen als Mauern, Gewölbe, Fenster und Pfeiler von grünen Stauden; und lange, gerade Alleen, nichts als Statuen. Man erblickte keine anderen Bäume als zu Hecken, Kegeln, Kugeln oder anderen Gestalten geschnittene. Die Wasserkünste mussten allerlei Figuren in ihrem Springen vorstellen.“ Einen ebensolchen Garten wollte auch der Fuldaer Fürstabt haben. Und die Pläne dafür sollte ihm der Mann liefern, dessen Qualitäten er in Pommersfelden hatte bestaunen können: Maximilian von Welsch. Zwischen 1721 und 1739 wurden die Pläne umgesetzt, und es entstand der barocke Schlossgarten, wie er sich seit der Rekonstruktion im Rahmen der Landesgartenschau von 1994 zumindest in seinen Grundstrukturen wieder darstellt. Die direkt an das Schloss anschließende Kaisersaalterrasse ist gestaltet als Parterre à l’angloise, das heißt Rasenflächen sind umschlossen von Blumenrabatten, unter denen auch stattliche Kohlköpfe hervorlugen, wie dies in barocken Gärten nicht unüblich war. An den beiden Seiten bieten durch Hecken abgegrenzte Boskette – kleine, regelmäßig bepflanzte Wäldchen – die Möglichkeit sich vom Präsentierteller des Parterres ein wenig zurückzuziehen.
Im Zeichen der Frühlingsgöttin
Die Antike spielte im Figurenprogramm barocker Gärten eine zentrale Rolle; hier die Doppelbüste eines antiken Herrschers im Fuldaer Schlossgarten.
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Von der zentralen Mittelachse der Kaisersaalterrasse geht der Blick hinüber zur zweiten großen Terrasse – der Orangerieterrasse. Dazwischen liegt das eigentliche Gartenparterre mit der charakteristischen großen Fontäne. Durch
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Blick auf die Gartenfront des ebenfalls von Johann Dientzenhofer erbauten Fuldaer Stadtschlosses und die sogenannte Kaisersaalterrasse.
ihren hohen Wasserstrahl hindurch sieht man am Horizont die Orangerie aufscheinen, wie der Garten als solcher nach Plänen Maximilians von Welsch erbaut. Mit ihrem mächtigen Mittelbau wirkt diese Orangerie eher wie ein Resi-
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denzschloss denn wie ein besseres Gewächshaus – was sie im Ursprung doch eigentlich nur war. Tatsächlich aber dienten Orangerien wie jene in Fulda zugleich als Lustschlösser. Dabei konnte der große Saal im Mittelbau als Festsaal genutzt werden; das Deckenfresko von Emanuel Wohlhaupter zeigt Apoll, der mit seinem Sonnenwagen
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über den Himmel zieht und der Welt das Licht bringt – eine Allegorie auf den Landesherrn, in diesem Fall den Fuldaer Fürstabt, und dessen weise, seinen Untertanen im übertragenen Sinne Licht bringende Herrschaft. Die Fuldaer Orangerie gehört heute zu einem Viersternehotel, doch stehen das Restaurant und vor allem das Terrassencafé mit Traumblick auf das Gartenparterre natürlich auch NichtHotelgästen offen. Blickfang auf der Orangerieterrasse ist die gewaltige Floravase. Flora, die Göttin des Frühlings und der Blumen scheint förmlich aus einer antikisierenden Vase herauszuwachsen, pummelige Putten winden der Göttin Girlanden. In ihrer Hand hält Flora eine goldene Lilie – so wusste gleich jeder, wer diese Plastik nicht nur in Auftrag gegeben, sondern wohl auch einen ersten Entwurf dazu geliefert hatte: Fürstabt Adolph von Dalberg, denn silberne Lilien schmücken das Wappen der rheinischen Adelsfamilie. Adolph von Dalbert war Fürstabt von 1726 bis 1737; seine bedeutendste Leistung war die Gründung einer Universität in Fulda 1734. Doch während diese 1805 wieder aufgelöst wurde, hat die Floravase die Zeiten überdauert. Zum Gartenparterre führt von der Orangerie eine Doppelkegeltreppe – so genannt weil es so aussieht, als
SCHLOSSGARTEN FULDA Der er Schlossgarten ist ganzjährig frei z zugänglich. Öffnungszeiten Stadtschloss täglich 10 –18 Uhr, Freita Freitag 14 –18 Uhr. Fulda-Informatio da-Information Tourismus- und Kongressmana Kongressmanagement Palai ais Buttlar Bonifatiusplatz 1 Bonifa 36037 6037 Fulda Telefon 0661/1021814 www.fulda.de www.stadtfulda.de/gartenkultur/sites/
hätte man zwei Kegel mit ihren Köpfen aneinander gefügt. Auch im berühmten Hortus Palatinus in Heidelberg hat es eine solche Treppe gegeben. Das Pendant auf der Gegenseite, also von der Kaisersaalterrasse hinunter zum Parterre, ist eine den Neptunbrunnen einrahmende, zweiläufige Freitreppe. Das in vier Kompartimente unterteilte Parterre selbst wird beherrscht von dem großen Bassin mit einem Durchmesser von 16 Metern. Auf der Basis der erhaltenen Fundamente konnte dieses Becken 1994 im Rahmen der Landesgartenschau wiederhergestellt werden. Während die Hauptachse von Blumenrabatten gesäumt ist, dominieren in den Kompartimenten fein abgezirkelte Rasenflächen mit stattlichen Buchen und Eichen.
Englische Er weiterung Mit der Säkularisation 1802 ging die große Geschichte der Fürstabtei Fulda zu Ende – Fürst von Fulda war nun Prinz Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau, der den Schlossgarten sogleich in einen englischen Landschaftsgarten umwandeln und beträchtlich erweitern wollte: „Seine Hoheit haben mir bei ihrer Abreise gnädigst befohlen einen Plan zur neuen Anlage des Hofgartens und der Fasanerie zu entwerfen und wegen Beschleunigung der Ausführung schon im Winter mit Wegräumung der unnötigen Hecken und anderen Gegenständen den Anfang machen zu lassen“, hielt Landforstmeister Ernst Friedrich Hartig Anfang 1804 in einem Aktenvermerk fest. Doch 1806 wurde der Oranier bereits wieder von Napoleon I. vertrieben; Kontinuin tä ät kehrte erst wieder ein, nachdem Fulda 1816 in Folge dess Wiener Kongresses an Kurhessen fiel. Auch die neuen Landesherren kamen über Ansätze jedoch nicht hinaus – Lan im Stadtschloss wurden einige Räume klassizistisch umgesta taltet, und der Schlossgarten wurde in einem schmalen SStreifen nach Osten im englischen Stil erweitert.
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Das große Bassin im Gartenparterre wurde 1994 wiederhergestellt; im Hintergrund der mächtige Bau der zwischen 1721 und 1724 errichteten Orangerie. Auf der Prunktreppe die Floravase des Bildhauers Johann Friedrich von Humbach (1728).
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Schlosspark Rauischholzhausen Der Garten von „König Stumm“
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Zwischen Marburg und Gießen liegt Rauischholzhausen, h heute ein n Ortsteil von Ebsdorfergrund, in einer von der Landw Landwirtschaft geprägten Umgebung. Doch das Dorf hat auch eine einen kulturellen urellen Schatz zu bieten: Sein Schloss im Stil der Neorenaissance, heute eine Tagungs- und Fortbildungsstätte der Universität Gießen, ist umgeben von einem Landschaftsgarten aus d der Zeit des Historismus.
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Zwar gab es schon seit dem späten Mittelalter in der Nähe von Städten großzügig gestaltete Gärten wohlhabender Kaufleute, doch die Verbindung von Schloss und umgebendem Park ist bis in das 19. Jahrhundert weitgehend auf das herrschaftliche bzw. adlige Umfeld beschränkt geblieben. Die Industrialisierung führte dann jedoch dazu, dass sich zunehmend auch reiche Industrielle ein solches, repräsentatives Umfeld schufen. Das konnte vor dem Hintergrund der Burgenromantik der Kauf einer mittelalterlichen Ruine oder der Bau eines neuen Schlosses im historisierenden Stil der Zeit sein.
an eine vermeintliche lange Tradition vermittelt werden. Wer zum ersten Mal nach Rauischholzhausen kommt und von dem etwas oberhalb gelegenen Parkplatz zum Schloss vo hinu nunter geht, der stutzt denn auch zunächst: Versteckt sich hier etwa ein echtes Kleinod der Renaissance? Doch kommt omm man näher, wird der historisierende Stil des 19. Jahrhunderts unverkennbar. Jahrh Ferdinand Eduard von Stumm (1843 –1925) stammte Fe aus us eeiner saarländischen Industriellenfamilie. Einen Landschaftsgarten hatte schon sein Vater hinter dem Herrenhaus sch der Familie anlegen lassen, doch dieses Haus stand nicht in ländlicher Einsamkeit wie Rauischholzhausen, sondern mitten auf dem Gelände des Hüttenwerks von Neunkirchen, und so wuchs Ferdinand Eduard „inmitten rauchender Essen und dröhnender Maschinenhallen“ auf. Nach dem
Burgromantik für Industrielle Viele dieser Familien wurden im Gefolge ihres Reichtums bald tatsächlich in den Adelsstand erhoben – und die „Schlotbarone“ verfügten oft über eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung als der alteingesessene Landadel. Nicht alle Schlossneubauten der reichen Industriellen fielen so pompös aus wie die Villa Hügel der Krupps in Essen. Dabei kam dem Geldadel der stilistische Rückgriff auf vergangene Epochen entgegen, konnte damit die Anknüpfung
Ferdinand Eduard von Stumm war ein großer Bismarck-Verehrer; in Rauischholzhausen ließ er 1901 ein Denkmal für den „eisernen Kanzler“ aufstellen.
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Abitur 1861 schlug Ferdinand Eduard zunächst die Offiziers- und schließlich die Diplomatenlaufbahn ein, die mit der Ernennung zum Botschafter in Madrid 1887 ihren Höhepunkt erreichte; 1888 wurde Stumm zusammen mit seinen Brüdern von Kaiser Friedrich III. in den erblichen Freiherrenstand erhoben. Doch bereits 1892 folgte die Verabschiedung in den Ruhestand – offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Tatsächlich wurde Stumm damals von einem Augenleiden geplagt, doch Reichskanzler Leo von Caprivi dachte nicht daran, ihn aus dem deshalb bewilligten Urlaub wieder zurückzuberufen. Stumm war ein glühender Anhänger Bismarcks – und hielt damit auch nach der Entlassung des „eisernen Kanzlers“ nicht hinter dem Berg. 1901 ließ er im Park von Schloss Rauischholzhausen ein Denkmal für Bismarck errichten. Die Winter verbrachte von Stumm nach seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst in Florenz – und das Sommerhalbjahr in Rauischholzhausen. Ohne berufliche Verpflichtungen betätigte sich Stumm – ein „feingeschulter Diplomat sowie geistig talentierter, mit schöpferischen Ideen begabter Kavalier“ – am liebsten als „Altertumsforscher und Sammler“ (Beispiele dessen sind bis heute über den Park verstreut). Bereits 1873 hatte er den Besitz der Adelsfamilie Rau von Holzhausen rund 15 Kilometer westlich von Marburg erworben. Anstelle einer alten Wasserburg ließ Stumm zwischen 1871 und 1878 das heutige Schloss Rauischholzhausen erbauen.
Landschaftsgar ten à la Siesmayer Gleichzeitig mit dem Bau des Schlosses wurde auch ein 100 Hektar großer Landschaftsgarten nach Plänen Heinrich Siesmayers angelegt. Der aus Mainz stammende Gartenar-
Über den ganzen Park verstreut stellte Ferdinand Eduard von Stumm Skulpturen auf, die er in Italien er worben hatte.
chitekt hat auch den Park von Schloss Halberg bei Saarbrücken angelegt, dem Sitz von Ferdinand Eduards älterem Bruder Carl. Doch sein bekanntestes Werk ist der Palmengarten in Frankfurt am Main. Siesmayer war also ein gefragter Mann mit einigem Renommee. Über die Aufgabe in Rauischholzhausen schrieb er: „Ich hatte einen Plan zu entwerfen, der namentlich im Großen und Ganzen seinen [Stumms] Ideen entsprechen sollte ... Der eigentliche, neu anzulegende Park ... schließt sich unmittelbar dem Walde an und gewinnt dadurch sehr an Mannigfaltigkeit. Er ist auch ganz den Waldanlagen angepasst und hainartig gehalten.“ Die Arbeiten am Park wurden mit einem enormen Aufwand und in großer Geschwindigkeit vorangetrieben. Nach Auskunft Siesmayers arbeiteten in Rauischholzhausen „40 bis 50 Leute volle drei Jahre, da bedeutende Auf- und Anschüttungen zu bewältigen waren und der Baumtransport aus nicht geringer Entfernung viel Zeit in Anspruch nahm“. Denn Stumm ließ „Hunderte von großen Bäumen … aus seinen Forsten mit der Maschine nach der neuen Anlage schaffen“. Der Bauherr wollte die Vollendung seines Parks noch erleben – deshalb ließ er möglichst große Bäume pflanzen, egal wie sehr dies die Kosten in die Höhe treiben mochte. Unter Siesmayer waren dies vor allem einheimische Bäume wie Eichen, Tannen, Buchen oder Linden; später kamen auch zahlreiche exotische Arten hinzu. Der Park von Schloss Rauischholzhausen ist ein Beispiel für den „gemischten Stil“, wie er sich im Historismus besonderer Beliebtheit erfreute. Dabei wurden die unmittelbar dem Schloss vorgelagerten Bereiche in strengeren geo-
metrischen Formen mit Teppichbeeten, Springbrunnen und Skulpturen gestaltet – als eine Art in das Freie fortgesetzter „Salon“. Dagegen blieb in den Außenbereichen der Landschaftsstil vorherrschend. Dorf, Kirche und Wirtschaftsgebäude wurden in die Gesamtanlage ebenso miteinbezogen wie der im Talgrund fließende Rülfbach. Auch dieser Bach, so natürlich er sein mochte, wurde „verbessert“ – wie es dem Ideal des Landschaftsgartens entsprach: Durch Aufstauungen entstanden Teiche, Felsblöcke schufen Kaskaden, romantische Brücken führten über das Gewässer, und natürlich wurde der Bachlauf von einem Weg begleitet.
Aus dem Dornröschenschlaf er wacht Auch wenn der Park heute auf 30 Hektar zusammengeschrumpft und manche Parkarchitektur verschwunden ist, sind alle diese Elemente im Grunde noch immer vorhanden. Und auf moderne Besucher mag es sogar ein besonderer Reiz haben, wenn Skulpturen nicht inmitten eines Teppichrasens stehen, sondern auf einer Wiese, als wären sie ebenso ein natürlicher Teil der umgebenden Landschaft. Am schönsten ist immer noch ein Spaziergang entlang des Bachs im Tal, an dessen Ende sich der große Burgteich ausdehnt. Wasservögel schnattern, das Schilf schaukelt lang-
S C H L O S S PA R K R A U I S C H H O L Z H A U S E N Der er Schlosspark ist ganzjährig frei zug zugänglich. Das Schloss wird von der Justus-Liebig-Universität Gieß Gießen als Tagungsund d Fortbildungsstätte genutz genutzt. Schloss Rauischholzhausen Ferdinand-von-Stumm-Straße dinand-von-Stumm-Straße 35085 Ebsdorfergrund-Ra Ebsdorfergrund-Rauischholzhausen Telefon elefon 06424/301-100/06424/301-333 www.uni-giessen.de/uni/einrichtungen/Rauischholzhausen www.faber-management.de/schloss-info.htm
Glasklar ist das Wasser des Fischteichs, in dem sich die Blüten zahlreicher Blumen spiegeln.
sam im Wind, vor der alten Mühle erinnert ein Mühlrad an ihre ursprüngliche Bestimmung. Und hoch auf dem Hügel, am Ende einer großen Wiese, in der einzelne Bäume wie eine stattliche Blutbuche markante Akzente setzen, erhebt sich das Schloss Rauischholzhausen und erinnert an den tiefen Wunsch seines Besitzers, es den alten Adelsfamilien gleichzutun. Ferdinand Eduard von Stumm starb 1925 im hohen Alter von 82 Jahren. Nachdem Sturm- und Frostschäden A dem Park erheblich zugesetzt hatten, verkaufte sein Sohn de Ferrdinand 1942 das Anwesen. Traurig schrieb er rückblickend: „Den Park wiederherzustellen ist unmöglich, sechcke zigg- bis achtzigjährige Bäume kann man nicht ersetzen, der Paark ist nur noch eine ganz schöne Ruine.“ Zum Glück hat Ferdinand von Stumm in diesem Fall nicht recht behalten. F
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Blick über die große Wiese vom Fischteich hinauf zur Südfassade des Schlosses. Auffallend ist die für die Neo-Renaissance typische überreiche Gliederung der Fassaden.
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Bergpark Wilhelmshöhe Kassel Wo d a s Wa s s e r z u r K u n s t w i r d
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Der Bergpark Wilhelmshöhe ist geprägt von seinen einzig einzigartigen Wasserkünsten. Doch auch seine schiere Größe und die reizvolle Lage tragen dazu bei, die Wilhelmshöhe zu eine einer der attraktivsten ttraktivsten Gartenanlagen in ganz Deutschla Deutschland zu machen.
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Im Winter 1699/1700 unternahm Landgraf Karl von Hessen-Kassel eine ausgedehnte Reise nach Italien. In der Hofloggia des Palazzo Farnese in Rom sah der Landgraf den berühmten Herkules Farnese, eine der bedeutendsten und daher am meisten kopierten Skulpturen der Antike. Der Herkules Farnese ist eine solche Kopie des 3. Jahrhunderts nach dem verloren gegangenen griechischen Original. Der hessische Landgraf war von dem Kunstwerk gebührend beeindruckt. Nicht anders erging es ihm bei einer Vorführung der Wasserspiele in den Gärten der Villa Aldobrandini und der Villa Ludovisi in Frascati oder der Villa d’Este in Tivoli. Die gewaltige Kraft des Wassers führte ihm der Wasserfall des Flusses Velino bei der Stadt Terni vor Augen. Schon vor seiner Reise nach Italien hatte der Landgraf am Weißenstein mit dem Bau einer Kaskade begonnen. Doch diese konnten im Vergleich mit den Wundern Italiens nicht mehr bestehen. In Rom hatte Karl einen Architekten kennen gelernt: Giovanni Francesco Guerniero – er sollte einen neuen, großartigen Plan für den Park am Weißenstein fertigen. In einer Kupfersticherei hat Guerniero festgehalten, was er vorhatte: Am höchsten Punkt des Parks plat-
zierte er ein achteckiges Felsenschloss als Ausgangspunkt für eine mächtige Kaskadenanlage, die sich über drei Terrassen hinunter zum Schloss erstrecken sollte – auf einer ra Län änge von rund einem Kilometer musste dazu ein Höhenunter erschied von 300 Metern überwunden werden. Vor dem Schloss chlo sollte das Wasser sich in einem Bassin zum großen Finalee sammeln und „allein durch den natürlichen Fall“ eine ffast 40 Meter hohe Fontäne empor steigen lassen. Doch der Architekt aus Rom hatte sich übernommen. Die Arbeiten kamen nur schleppend voran, „weil alles lauter Ar Fels ist und gesprengt werden muss“; dazu kamen statische Probleme, und die Kosten galoppierten davon. Bei Nacht und Nebel machte sich Guerniero 1715 aus dem Staub – der Boden in Kassel war ihm zu heiß geworden.
Kraftstrotzender Herkules Fertiggestellt war zu diesem Zeitpunkt das Oktogon mit der oberen, 210 Meter langen und 5,50 Meter breiten Kaskade, der Wassergrotte und dem Bassin darunter. Seit 1713 wurde an der Skulptur gearbeitet, die dem Oktogon im wahrsten Sinne des Wortes die Krone aufsetzen sollte: dem Herkules. Wie die Kasseler Pläne insgesamt eine ins Monumentale gesteigerte Nachahmung der italienischen Vorbilder waren, so war auch der von dem Goldschmied Johann Jakob Anthoni aus Augsburg gefertigte Kasseler Herkules mit seinen 8,25 Metern mehr als doppelt so groß wie sein Vorbild, das gerade einmal 3,20 Meter maß. Doch schließlich sollte der Herkules auf dem nun sogenannten Karlsberg eine weithin sichtbare Landmarke sein. Die Fürsten des Barockzeitalters identifizierten sich gern mit Herkules, der nicht nur sagenhafte Heldentaten vollbracht hatte, sondern auch noch ein Sohn des Göttervaters Jupiter war. Der Herkules Farnese präsentiert den Helden mit seiner Keule an einen Felsen gelehnt. In der Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, wenn sich das Wasser über die Kaskaden in das Neptunbecken ergießt. Und über allem thront der Herkules.
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Blick über die Blumenteppiche des Parterres zum Apollotempel und zur Halle des Sokrates. Im Hintergrund ist die zentrale Parkachse zu sehen, die sich über einen Kilometer hinweg bis zum Herkules zieht.
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einen Hand hält er das Fell des nemeischen Löwen, den er erlegt, in der anderen die goldenen Äpfel, die er den Hesperiden abgenommen hat. Dieser Held, dem niemand etwas anhaben konnte, wurde zum Symbol der Herrschaft des mächtigen Landgrafen – ein Symbol, das in dieser exponierten Lage niemand übersehen konnte. Nach dem Tod Karls 1730 wurde das ehrgeizige Projekt zunächst nicht weiterverfolgt. Erst unter Landgraf Friedrich II., der 1760 die Regierung antrat, setzten wieder umfangreichere Baumaßnahmen ein. Zwar wurden die beiden noch fehlenden Kaskaden nicht ergänzt, immerhin aber eine schnurgerade Schneise in den Wald geschlagen, wo die Kaskaden hätten gebaut werden sollen. Dadurch entstand die atemberaubende Sichtachse vom Herkules zum Schloss, wie sie bis heute erhalten geblieben ist. Dass dies so geblieben ist, war keineswegs selbstverständlich, denn noch unter Friedrich II. setzte von 1770 an die Umgestaltung in einen Landschaftsgarten ein mit den typischen gewundenen Wegen, scheinbar natürlichen, sich dahin schlängelnden Bächlein, weiten Rasenflächen vor allem im Umfeld des Schlosses und zahlreichen Kleinbauten.
Philosophental und chinesisches Dorf Zum klassischen fürstlichen Bildungskanon gehörte damals nicht nur die olympische Götterwelt, sondern auch die antike Philosophie. Auf dem Karlsberg schlug sich dies im Philosophental nieder. Hier erhielten antike Geistesgrößen wie Sokrates, Diogenes oder Heraklit eine kleine Holzhütte als symbolhafte Behausung – vor der Tür saßen Puppen, die diese Philosophen darstellten. Trat der Spaziergänger in die Hütte ein, fand er auf einem Tisch Bücher mit deren Werken, in die er sich bei Interesse vertiefen konnte. Von diesen bescheidenen Hütten ist nichts erhalten, doch bleibt die Idee gleichwohl erstaunlich und erwähnenswert.
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Im chinesischen Dorf Mulang verband der Architekt Simon Louis du Ry die verbreitete Chinamode mit dem Wunsch nach ländlicher Idylle. Und so kümmerten sich auf den Weiden von Mulang Bauern in chinesischer Tracht um Schweizer Milchkühe. Auch wenn „Mulang“ bei Europäern phonetisch Anklänge an die chinesische Sprache wecken mag, kommt der Name wohl von der auf dem höchsten Punkt gelegenen Windmühle („moulin“). Kühe weiden in Mulang schon lange nicht mehr, doch sind einige der Bauten erhalten; zum Teil werden sie als private Wohnhäuser genutzt. Erhalten ist auch die Chinesische Pagode, die ursprünglich Teil eines architektonischen Toleranzprogramms gewesen war – die Pagode stand für die Lehren des Konfuzius, eine nicht mehr erhaltene Moschee für den Islam und die Einsiedelei des Eremiten Paul, die die Zeiten gleichfalls nicht überdauert hat, für das Christentum. Mit Landgraf Wilhelm IX. erhielt der Park nicht nur seinen seither gebräuchlichen Namen – Wilhelmshöhe, sondern auch seine prägende Gestaltung. Ein Kerngedanke des Hofgärtners Daniel August Schwarzkopf war es, eine Art Bergbach als Hauptgewässer durch den gesamten Hang zu führen, Wasserfälle und abenteuerliche Schluchten inklusive. Ausgangspunkt war das Oktogon, Endpunkt der „Lac“ – ein See, der seinen Ursprung tatsächlich in den herrschaftlichen Fischteichen hat.
D i e L ö w e n b u r g – h e i l e We l t d e s M i t t e l a l t e r s Der „Lac ist ein guter Ausgangspunkt für einen ausgedehnten Spaziergang durch den Bergpark Wilhelmshöhe. Vorbei an der Roseninsel, der Blumengöttin Flora, über schmale Brücken und dabei immer das Gurgeln des scheinbaren Bergbachs im Ohr, öffnet sich halb links ein Tal, das den Besucher in stetiger Steigung zu einer der größten Attraktionen des Parks führt: der Löwenburg, benannt nach dem hessi-
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schen Wappentier. Was von außen wie eine mittelalterliche Burg aussieht, erbaute Heinrich Christoph Jussow zwischen 1793 und 1800. In dieser romantischen Umgebung konnte der Landgraf ungestört und ohne die höfische Etikette zu verletzen mit seiner Geliebten Karoline von Schlotheim zusammen sein. Lange vor Neuschwanstein, Hohenzollern oder Stolzenfels hatte Wilhelm IX. in Kassel mit der Löwenburg nicht nur eine weitere Parkstaffage, sondern ein wohnliches Schloss im Gewand einer mittelalterlichen Burg erbauen lassen – ganz ähnlich wie er dies bereits bei der Ruine im Wilhelmsbad in Hanau Jahre zuvor getan hatte. Doch aus der Ruine war in Kassel eine komplette Burganlage geworden. Gerade in einer Zeit, in der die absolutistische Fürstenherrschaft zunehmend infrage gestellt wurde und in Frankreich sogar die Revolution tobte, war dieser Rückgriff auf das Mittelalter eine symbolbehaftete Zeitreise. Die Zeitreise Der Laubengang im Garten der Löwenburg ist ein Beispiel für den angestrebten „ver wunschenen“ Charakter der Anlage.
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auf der Wilhelmshöhe wurde sogar so weit vorangetrieben, dass die Wachen vor den Toren sich in „mittelalterliche“ Kostüme hüllten. Auf der Südseite wurde ein Turnierplatz und im Nordwesten ein Burggarten angelegt, in dem das urplötzliche Auftauchen eines Minnesängers kaum noch Überraschung auslösen würde. Lediglich eine Skulptur der Liebesgöttin Venus hätte man in einem echten mittelalterlichen Garten vergeblich gesucht. Laubengang und hohe Hecken schotten den Garten von der „Welt draußen“ ab.
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Ein Traum vom Mittelalter: die Löwenburg.
Nach diesem Ausflug in das Mittelalter geht es weiter hinauf zum Steinhöfer Wasserfall, einem zentralen Element der Wasserkünste auf der Wilhelmshöhe, benannt nach seinem Schöpfer, dem Brunneninspektor Karl-Friedrich Steinhöfer.
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Da die Wasserkünste ausschließlich mit dem Druck des Wassers selbst ohne Pumpen oder sonstige Hydraulik betrieben werden, ist es nicht möglich, sie permanent in Gang zu halten. Das ist heute nicht anders als im 19. Jahrhundert. Das führt dazu, dass der Steinhöfer Wasserfall nur dann ein Wasserfall ist, wenn die Becken und Schleusen geöffnet werden, beginnend mit der Kaskade am Oktogon. Dieses Schauspiel können Besucher im Sommerhalbjahr dreimal wöchentlich miterleben. Dann rauscht auch das Wasser über die Basaltblöcke des Steinhöfer Wasserfalls hinunter. Was nicht heißen soll, dass dieser „Wasserfall“ im trockenen Zustand ohne Reiz ist. Die Felswand, gesäumt von einem Buchenwald, und der kleine Bachlauf am Wegesrand bilden auch so eine romantische Szenerie von ganz eigenem Charakter. Hat man den schweißtreibenden Aufstieg zum Neptunbecken hinter sich gebracht, empfiehlt sich eine Pause in dem idyllischen Café, ehe man über die die Kaskaden begleitenden Stufen den Weg hinauf zum Oktogon nimmt. Belohnt wird die Mühe mit einem atemberaubenden Ausblick. Dabei wirkt das Schloss Wilhelmshöhe selbst aus dieser Entfernung noch monumental. Der klassizistische Bau entstand ebenfalls unter Wilhelm IX. zwischen 1786 und 1792 durch Simon Louis du Ry. Den Anfang machten die beiden Seitenflügel, der Weißenstein- und der Kirchflügel. Ursprünglich war sogar daran gedacht worden, auf den Mittelbau ganz zu verzichten, um die bis in die Stadt hinein führende Sichtachse nicht zu unterbrechen. Schließlich einigte man sich auf einen „Kompromiss“ – der Mittelbau mit seinem Säulenportikus und der (nach den Bombenschäden des Zweiten Weltkriegs nicht wieder aufgesetzten) Kuppel wurde zunächst gar nicht und später nur mit einer offenen Galerie mit den Seitenflügeln baulich verbunden. So wurde die Riegelwirkung abgemildert. Erst unter Kurfürst Wilhelm II. wurden die Verbindungsbauten dann auf die heutige Höhe aufgestockt.
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D e s Te u f e l s B r ü c k e Die gusseiserne Teufelsbrücke ersetzte 1826 eine Holzkonstruktion, deren Gelände ausgerechnet brach, als Kurfürst Wilhelm II. darüberspazierte. Darunter stürzt sich ein Wasserfall über Basaltblöcke zehn Meter in die Tiefe. Nicht von ungefähr erinnert die Szenerie an die Alpen. 1728 hatte der Schweizer Universalgelehrte Albrecht von Haller ein Gedicht veröffentlicht, in dem er die Schönheit der Berge beschrieb und das Leben der Menschen dort idealisierte – einfach, tugendhaft, bescheiden, fleißig. Und für den Dichter Wilhelm Heinse war der Anblick der Alpen Als faszinierend und bedrohlich zugleich wurde die Natur der Alpen empfunden. Im Bergpark Wilhelmshöhe spielt die „Teufelsbrücke“ auf diese Assoziation an.
„das Anschauen Gottes, der Natur ohne Hülle, in ihrer jungfräulichen Gestalt, alles groß und rein ...“ Den Kontrast dazu bildeten die lauten und sittenverdorbenen Städte. Insofern war eine Alpenszenerie geradezu geschaffen für einen Landschaftsgarten. Als Vorbild diente die Teufelsbrücke über die Schöllenenschlucht am Gotthard, die auf viele Reisende ungeheuren Eindruck machte und daher auch auf zahlreichen Kupferstichen abgebildet Verbreitung fand. Doch die Teufelsbrücke war nicht nur ein idealisiertes Abbild der Natur, sondern erinnerte zugleich an ihre Allgewalt und unbändige Kraft und damit an ihre dunkle Seite. Dieser Aspekt wird durch die Nadelbäume verstärkt,
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Blick auf den zwischen 1786 und 1792 durch Heinrich Christoph Jussow erbauten Kirchflügel des Schlosses Wilhelmshöhe.
die auf der Wilhelmshöhe im Umfeld der Brücke angepflanzt wurden, und das Höllenbassin vor der Plutogrotte. So wie die Alpen Schönheit und Schrecken vereinten, sollten auch in dem Kasseler Landschaftsgarten Licht und Schatten sich ergänzen.
Ausflug in die Römerzeit Auch wenn im Landschaftsgarten des Landgrafen Wilhelm die gestaltete Natur die Hauptrolle spielte, finden sich darin noch genügend „antike“ Anknüpfungspunkte. Dazu gehö-
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ren ganz in der Nähe der Teufelsbrücke die Eremitage des Sokrates oberhalb des Philosophentals, die als einzige der ursprünglichen Eremitagen in Stein erneuert und so erhalten geblieben ist, ein verkleinerter Nachbau der CaestiusPyramide in Rom, der Merkurtempel und Vergils Grab, vor allem aber das Aquädukt. Zwar gehörten und gehören Aquädukte zu den am meisten bestaunten Bauwerken der römischen Antike, doch findet man sie als Staffage in Landschaftsgärten selten. Vielleicht weil sie nur dann Sinn machen, wenn sie ihrem ureigensten Zweck dienen – dem Transport von Wasser. Und eben das ist auf der Wilhelmshöhe der Fall, wo das 1788 bis 1792 entstandene Aquädukt in die Wasserkünste miteinbezogen ist. Über 15 Bögen hinweg wird das Wasser in einer offenen Rinne geführt; am Ende stürzt es in eine fast 40 Meter tiefe Schlucht, in der scheinbar wahllos behauene Steinblöcke liegen. Solche Szenerien kennt man aus den Gemälden, die italienbegeisterte Künstler in dieser Zeit geschaffen haben – antike Ruinen in unberührter Landschaft, darin weidendes Vieh, und schon ist die Vorstellung von Arkadien perfekt. Vom Aquädukt ist es nicht mehr weit zum Bowlinggreen n, der weiten Rasenfläche, die begrenzt wird vom Schloss au auf der einen und dem Fontänenteich auf der anderen Seite. Vor dem Schloss fallen die Teppichbeete ins Auge, die im erste ten Moment an die regelmäßig gestalteten französischen Barock kgärten erinnern, tatsächlich aber ein beliebtes Gestaltungsmoment der Gründerzeit waren. Zu den meistfotografierten Motiven gehört der Apollotempel mit seinem Säulenumgang, der sich malerisch im Wasser des Fontänenteichs spiegelt. Am Horizont setzt die Halle des Sokrates mit ihren ionischen Säulen einen weißen Farbtupfer inmitten des üppigen Grün. Schließlich sei noch auf zwei Gebäude im Umfeld des Schlosses hingewiesen: Zwischen 1808 und 1810 entstand das klassizistische Ballhaus – damals residierte in Kassel
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Napoleons Bruder Jerôme als König von Westfalen. Baumeister war kein Geringerer als der berühmte Münchner Architekt Leo von Klenze. Das Ballhaus ist der einzige Bau, den Jerôme auf der Wilhelmshöhe in Auftrag gegeben hat, doch hat er insofern im Gedächtnis der Bevölkerung Spuren hinterlassen, als er den Park am Sonntag für die Allgemeinheit öffnete. Mit dem Sturz Napoleons endete die Zeit von „König Lustik“, wie er genannt wurde, und Kurfürst Wilhelm II. konnte zurückkehren. Unter ihm entstand 1822 das Große Pflanzenhaus, eine lichte Konstruktion aus Glas und Eisen mit einem überkuppelten Mittelbau. Mit der Annexion Hessen-Kassels durch Preußen 1866 wurde die Wilhelmshöhe zur königlichen bzw. kaiserlichen Sommerresidenz – eine Nutzung, die immerhin dafür sorgte, dass der Park in seiner ganzen Schönheit erhalten wurde.
B E R G PA R K W I L H E L M S H Ö H E Der Bergpark ist ganzjährig frei zugängl zugänglich. Die Wasserspiele werden vom 1. Mai bis 3. Oktober Mittwoch, Sonnund Feiertag jeweils um 14.30 Uhr am Herkules-Monument gesta gestartet. Öffnungszeiten ungszeiten Museum Schloss Wilhelmshöhe Dienstag bis Sonntag 10 –17 7 Uhr. Uhr Die historischen Schlossräume chlossräume im Weißensteinflügel und die Löwenburg Löwenbu können im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Über die weiteren Besichtigungsmöglichkeiten informiert f die Webseite der Museumslandschaft Hessen Kassel. Empfohlen sei auch der Besuch von Schloss und Garten Wilhelmsthal in Kassel-Calden. Museumslandschaft Hessen Kassel Schloss Wilhelmshöhe Schlosspark 1 34131 Kassel Telefon 0561/316800 www.museum-kassel.de www.wilhelmshoehe.de
Gänsefuß und Schwaneninsel
Staatspark Karlsaue Kassel Landschaftspark im barocken Gewand
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Mit it über 600 Bombentrichtern übersät war die Karlsau Karlsaue in Kassel 1945; Orangerie und Marmorbad waren ausgebr ausgebrannte Ruinen. Doch wie ein Phönix aus der Asche er erstand der Park dank nk zweier Bundesgartenschauen 1955 und 1981 neu. Heute bietet sich h wieder das Bild eines Landschaftsgartens, d dessen barocke Grundstruktur nicht zu übersehen ist.
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Die Anfänge der Karlsaue reichen bis in die Renaissance zurück. Von 1568 an ließ Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel auf einer von der Kleinen und der Großen Fulda umflossenen Aue, zu Füßen seines Residenzschlosses, einen Lustgarten anlegen. Nach einem Brand wurde dieser Garten um 1600 unter Landgraf Moritz bereits wieder völlig erneuert. Diese prachtvolle Anlage ging im Dreißigjährigen Krieg unter. Landgraf Wilhelm V. verpasste 1635 die Gelegenheit zum Ausgleich mit dem Kaiser und starb zwei Jahre darauf fern seiner hessischen Heimat in Friesland. Einen Hof gab es in all den Jahren in Kassel nicht. Dies allein brachte bereits zwangsläufig eine Vernachlässigung der Anlagen mit sich. Doch die Bürger hatten ohnehin andere Sorgen in dieser kriegerischen Zeit: Zwar wurde Kassel selbst – im Gegensatz zu vielen anderen Städten des Landes – nicht erobert und geplündert, aber 1636 brach die Pest aus; fast 1500 Menschen fielen der Epidemie zum Opfer. Im Jahr 1637 trat Wilhelm VI. die Regierung an. Nur langsam gelang es, die verheerenden Kriegsfolgen zu überwinden.
Vom Lustgarten des Landgrafen Moritz war damals nur „eine wilde Waldung von Tannen und Lindenbäumen“ „e übr brig geblieben. Doch 1680 begann dann jene Umgestaltung g in einen barocken Park, wie er bis heute unter der Decke des später darüber gestülpten englischen Landschafttsgartens sichtbar geblieben ist. Im Zentrum steht die von 1701 1 an erbaute Orangerie. Auf der Nordseite, der sogenannten oge Voraue, entstanden vier wiederum in vier gleich große Kompartimente unterteilte Parterres. Der gle eigentliche Park aber breitete sich anschließend an das Orangerieparterre auf der Südseite mit einem Wegesystem in Form eines Fächers aus – gleich den Strahlen der Sonne als Personifikation der guten Herrschaft des Landgrafen Die Mittelallee der Karlsaue führt vom Boulingrin vor dem Orangerieschloss bis zum Großen Bassin.
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Wie ein gewaltiger Riegel schließt das zwischen 1701 und 1711 erbaute Orangerieschloss die Karlsaue ab. Ursprünglich war auch der Bereich nördlich davon gärtnerisch gestaltet, doch die Stelle des Lustgartens nimmt seit 1926 die Hessenkampfbahn ein.
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Karl, nach dem die Karlsaue benannt ist. Ursprünglich waren es drei zweireihige Alleen in Form eines Gänsefußes (Patte d’oie), die das Gerüst dieses Fächers bildeten; davon ist heute nur noch die zentrale Mittelachse erhalten. Eingerahmt wird der nach Süden immer breiter werdende Park von zwei Kanälen, dem Hirschgraben und dem Küchengraben, letzterer so genannt, weil jenseits dieses Kanals einst der Küchengarten war. Auf der anderen Seite gab es einen Obstgarten. Die Alleen waren anschließend an das Orangerieparterre zuerst von rautenförmigen Rasenflächen begleitet, die schließlich von Boskettzonen abgelöst wurden. Diese Boskette waren, wie man auf einem Gemälde von Johann Heinrich Tischbein (um 1766) sehen kann, durch das Wegesystem und hohe Hainbuchenhecken streng gegliedert, ja von der Außenwelt förmlich abgeschottet. Den südlichen Abschluss des Gartens bildet seit der Barockzeit das Große Bassin mit der Schwaneninsel und der vorgelagerten Insel Siebenbergen. Interessant ist die Form dieser riesigen Wasserfläche: Das Bassin weitet sich ebenfalls wie ein Fächer auf, die Uferlinie ist geprägt von halbkreisförmigen Ausbuchtungen. Die Schwaneninsel wiederum hat die Form eines sogenannten Achtpasses. Unter einem Pass versteht man einen Kreis, dem seinerseits Halbkreise wie Nasen eingefügt sind. Ein Vierpass hat vier solcher Nasen, ein Achtpass eben acht.
Prunkvolles Marmorbad Landgraf Karl hat die Umgestaltung der Karlsaue mit einem riesigen Aufwand vorangetrieben, nicht nur finanziell, sondern vor allem auch, was den Einsatz menschlicher Arbeitskraft anbetrifft. Wie so oft könnte man aus heutiger Sicht einwenden, dass es in dem von Krieg und Epidemien geplagten Land Wichtigeres gegeben hätte.
Aber das wäre nicht nur eine dem Barock fremde Kritik gewesen. Das Haus Hessen-Kassel hat sich nach dem Dreißigjährigen Krieg nur mit großer Mühe behaupten können. Über Landgraf Wilhelm V. war die Reichsacht verhängt worden, die Linie Hessen-Darmstadt schickte sich schon an, die Kasseler Verwandten zu beerben. Am Ende gelang es, diese Übernahme abzuwenden, und vor dem Hintergrund war ein Park wie die Karlsaue ein weithin sichtbares Ausrufezeichen: Wir sind wieder da, und wir sind wieder wer. Dabei wurden gar nicht alle Pläne für die Karlsaue umgesetzt. So war 1764 daran gedacht worden, das gesamte Orangerieparterre praktisch von Gebäuden rahmen zu lassen. Damit wäre gleichsam eine Art Dreiflügelanlage entstanden. Gebaut wurde aber nur der würfelförmige Küchenpavillon als Pendant zu dem bereits zwischen 1722 und 1728 errichteten Marmorbad. Ein solches Marmorbad mag im ersten Moment nicht so recht zum Barock passen, denn Wasser war bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein kein Bestandteil der täglichen Hygiene. Allenfalls die sichtbaren Körperteile, Gesicht und Hände, wurden damit gewaschen. Das war, aus damaliger Sicht, keine mangelnde Reinlichkeit. Die Sauberkeit des Körpers spiegelte sich in der Sauberkeit der Wäsche, die man auf dem Leib trug. Das Wasser verdächtigte man, Überträger von Krankheiten zu sein, glaubte man doch, dass die Haut nur eine durchlässige Schicht sei. Die Prunkbäder der Zeit dienten daher mehr fürstlichen Lustbarkeiten als der Körperpflege, und das Marmorbad in Kassel war überdies eine Annäherung an die Antike – sieht es doch so aus, wie man sich damals römische Bäder vorgestellt hat. Dass darin wirklich jemals gebadet worden ist, darf bezweifelt werden, zumal die Frage der Wasserversorgung ungeklärt ist.
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We i t e s B o w l i n g g r e e n Mit dem Umbau der Karlsaue in einen Landschaftsgarten wurde 1787 unter Landgraf Wilhelm IX. begonnen. Um den abgeschlossenen Charakter zu mildern, wurden zunächst die Hainbuchenhecken, die die Boskette begrenzten, entfernt. Freistehende Bäume und Sichtachsen sollten den Eindruck einer scheinbar natürlichen Landschaft wecken. Die Stelle des Orangerieparterres wurde nun ganz
Einer riesigen Liegewiese gleich breitet sich das Boulingrin vor dem Orangerieschloss aus – sichtbares Zeichen der Umgestaltung der Karlsaue in einen Landschaftsgarten.
von einer riesigen Rasenfläche eingenommen, dem Boulingrin bzw. Bowlinggreen – ein Gestaltungselement, das schon in französischen Gärten des 17. Jahrhunderts verbreitet war. Der Name war dabei durchaus Programm, wurde auf solchen Flächen doch tatsächlich häufig Boule gespielt. Umrahmt ist das Bowlinggreen von Skulpturen aus der antiken Mythologie.
Die napoleonischen Kriege brachten eine neuerliche Unterbrechung in der Umgestaltung der Karlsaue. Noch 1803 war aus dem Landgrafen ein Kurfürst geworden, doch musste Wilhelm nur drei Jahre später Napoleons Bruder Jerôme Platz machen – Kassel wurde zum Mittelpunkt seines Königreichs Westfalen. Erst nach dem Sieg über Napoleon konnte der Kurfürst zurückkehren. Von 1822 bis 1864 war der Gartenarchitekt Wilhelm Hentze für die Karlsaue zuständig; ihr heutiges Gesicht ist maßgeblich von ihm geprägt. Er vollendete die Umwandlung in einen Landschaftsgarten unter Beibehaltung des barocken Grundgerüsts. An seinen Plänen wird deutlich, wie er aus dem Wechsel von Wiesenflächen, Einzelbäumen und Baumgruppen (beispielsweise entlang der beiden Kanäle) ein regelrechtes Landschaftsgemälde formte. Damals entstand auch der „griechische Tempel“ auf der Schwaneninsel, ein Werk des hessischen Oberhofbaumeisters Julius Eugen Ruhl. Mit dem Übergang an Preußen 1866 erhielt die Karlsaue den Charakter eines Volksparks. 1926 wurde auf dem Gebiet der Voraue die bis heute bestehende „Hessenkampfbahn“ eingeweiht. Heute steht das nach wie vor als solches genutzte Sportstadion selbst unter Denkmalschutz.
Skulpturen aus der antiken Mythologie sind am Rand des Boulingrin aufgestellt, hier Hades, der Herrscher der Unter welt, mit seinem „Füllhorn des Erfolgs“.
S TA AT S PA R K K A R L S A U E Der er Staatspark Karlsaue ist ganzjährig frei zugänglich zugänglich. Öffnungszeiten Öffnun eiten Marmorbad Diens Dienstag bis Sonn Sonntag 10 ––17 Uhr. Öffnungszeiten fnungszeiten Astronomisch-Physikalisches Kabinett im Orangerieschloss Dienstag bis Sonntag 10 –17 Uhr. Museumslandschaft eumslandschaft Hessen Kassel Schloss Wilhelmshöhe Schlosspark chlosspark 1 34131 Kassel Staatspark Karlsaue Telefon 0561/31680-600 www.museum-kassel.de
D größten Schäden brachten dann die Bomben des ZweiDie ten n Weltkriegs, die erst in einer großen Kraftanstrengung im Rahmen der Bundesgartenschauen von 1955 und 1981 wieeder beseitigt werden konnten. Dabei wurden jedoch au uch neue Akzente gesetzt. So wurde etwa im Norden der Karlsaue auf dem Trümmerschutt des Zweiten Weltkriegs K 1955 der Rosenhang angelegt.
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Den Kuppeltempel auf der Schwaneninsel erbaute der kurhessische Oberhofbaumeister Julius Eugen Ruhl 1835 für Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel. Die fürstliche Hofgesellschaft fuhr einst in Gondeln zu der Insel im Großen Bassin hinüber.
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Sababurg Hofgeismar Tierpark und Dornröschenschloss
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„Thiergärten“ bzw. „Ménagerien“ waren feste Bestandteile ffürstlicher cher Gärten. Der älteste heute noch bestehende „Thiergar „Thiergarten“ Europas befindet sich zu Füßen der Sababurg in Hofge Hofgeismar. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass bei der Wiedereinrichtung g 1971 die historischen Strukturen erhalten geblieben sind.
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Die Jagd war eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen des Adels. Im nordhessischen Reinhardswald, noch heute eine der größten zusammenhängenden Waldflächen Deutschlands, boten sich dafür ideale Voraussetzungen. So erstaunt nicht, dass Landgraf Wilhelm II. zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Burg hier ein Jagdschloss erbauen ließ: die Zapfenburg, aus der im Lauf der Jahrhunderte die Sababurg geworden ist – einer Legende zufolge, nach der einst eine Riesin namens Saba in dem Schloss gelebt hat. In einem einzigen Jahr wurden von der höfischen Jagdgesellschaft über 1000 Wildschweine und 150 Hirsche erlegt ... Solche Abschusszahlen waren nicht ungewöhnlich; die hohe Zahl unterstrich den Rang des Jagdherrn, dessen exklusives Recht es war, das Wild zu erlegen.
Doch Wilhelm IV. war nicht in erster Linie daran interessiert, in seiner Ménagerie exotische Tiere nur zur Schau zu stellen, um damit seinen Rang zu unterstreichen. Der st Lan andgraf wurde als der „Gelehrte auf dem Fürstenthron“ bezei eichnet. Vor allem mit Mathematik und Astronomie setzte etzte sich Wilhelm IV. intensiv auseinander; in Kassel ließ er ein ne Sternwarte einrichten, und mit dem berühmten Astronomen Tycho Brahe stand er in einem regen AusAstro tausch. ausc Auch mit der Tier- und Pflanzenwelt beschäftigte sich dieser außergewöhnliche Mann, für den es auf der sic Welt „kein abscheulicher Ding“ als Kriege gab. Für Wilhelm IV. war der „Thiergarten“ unterhalb der Zapfen- bzw. Sababurg in erster Linie ein geeignetes Feld für seine wissenschaftlichen Studien. Aus Nordschweden ließ der Landgraf zwölf Rentiere samt „wildem Lappen-Weib“ zu Wisente, Damwild, Przewalski-Pferde ... können sich im Tierpark Sababurg auf großen Weiden frei bewegen.
„Mancherlei wilde Tiere“ Zu Füßen dieses Jagdschlosses ließ Landgraf Wilhelm IV., der Begründer des Hauses Hessen-Kassel, 1571 einen „Thiergarten“ einrichten. So weit würde sich dies alles im normalen Rahmen höfischer Repräsentation bewegen. Rechts: einer der beiden Türme der Sababurg mit sogenannter welscher Haube. Seit 1956 ist in der Burg ein Hotel mit Restaurant-Café untergebracht.
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lei wilde Tiere“ gelebt hätten: „wilde Pferde, schwedische oder lappländische Rehe, Hasen, Rehböcklein und -kälber, auch Gämsen, Damhirsche, dazu allerhand Schweine ...“ Eine einschneidende Veränderung erfuhr der Tiergarten unter Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel. Er ließ 1770 einen Jagdstern anlegen – einen zentralen Pavillon, von dem aus sechs Schneisen sternförmig das gesamte Gelände durchzogen. Jagdhelfer trieben die Tiere durch das Gelände, und wenn sie dann zwangsläufig die Schneisen überquerten, wurden sie zur leichten Beute der im Pavillon wartenden Jagdgesellschaft. Dieser barocke Jagdstern bildet das Gerüst des Wegesystems im Tierpark Sababurg. Nur haben die seitlich gepflanzten Bäume aus den Jagdschneisen inzwischen Alleen werden lassen.
Im Bann der Gebrüder Grimm
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Die einstigen Jagdschneisen sind heute Schatten spendende Alleen, auf denen die Besucher den Tierpark bequem erkunden können.
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deren Betreuung nach Hofgeismar kommen, doch bestätigten sich bald die Befürchtungen Tycho Brahes, dass die Tiere den Klimawechsel nicht lange überstehen würden. Doch solche Rückschläge fochten Wilhelm IV. nicht an. Mit großem Aufwand betrieb er den Aufbau seines Tiergartens – wenn man so will des ersten wissenschaftlichen Zoos, den es in Europa gegeben hat. Den über 130 Hektar großen Tiergarten umgab der Landgraf 1590 mit einer hohen, rund fünf Kilometer langen Mauer, die eine Dornenhecke ersetzte, von der der Park bis dahin umschlossen gewesen war. Diese Mauer ist erhalten und umschließt den Tiergarten wie zu Zeiten Wilhelms IV. In einer zeitgenössischen Chronik heißt es, dass darin „mancher-
In den folgenden Jahrhunderten diente der einstige Tierpark dann vor allem als Weide für die Pferde des nahen Gestüts Beberbeck. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde daran gedacht, an die Tradition des Tierparks anzuknüpfen. Das wiederum hatte indirekt mit einem Brüder-
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paar und der alten Dornenhecke zu tun, die die Ménagerie Wilhelms IV. einst umgeben hatte. Es waren einmal – die Gebrüder Grimm, die im Torturm der Sababurg einige ihrer Märchen niedergeschrieben haben sollen. 1959 begann man die Ruine der Sababurg wieder aufzubauen und in ihren Mauern ein romantisches Hotel einzurichten. Vom heimeligen Café aus blickt man auf den nahen Reinhardswald und auf den Tierpark. Dazu passt der verwunschene Burggarten mit seinen Rosenstöcken, den die Wege begleitenden Rabatten aus Stauden, Kräutern und in
Blick über den nach historischen Vorbildern rekonstruierten Burggarten der Sababurg; im Zentrum das kleine Denkmal für die Gebrüder Grimm.
allen Farben strahlenden Blumen. Unter einer in Form geschnittenen Hainbuche versteckt sich ein idyllischer Sitzplatz. Auch der Brunnen passt zum historischen Vorbild – und in die Märchenwelt der Gebrüder Grimm. Denn wer würde sich beim Anblick der Kletterrose am Turm noch wundern, wenn dahinter Dornröschen schlummerte. Ein kleines Denkmal, das die Form eines zeitgenössischen Scherenschnitts aufnimmt, erinnert an das berühmte Brüder-
paar. So ist der Burggarten der Sababurg heute wieder ein „hortus conclusus“, ein von einer Mauer abgeschlossener Paradiesgarten, wie er einst in den Burgen und Klöstern des Mittelalters die Sehnsucht nach dem verlorenen Garten Eden zum Ausdruck brachte. 1971 wurde dann durch den Landkreis Kassel als Eigentümer auch der Tierpark zu Füßen der Burg wieder eingerichtet. Neben bedrohten Haustierrassen wartet der „Urwildpark“ mit Wisenten, Wildpferden, Wölfen, Luchsen und zahlreichen anderen Tieren auf. Für Kinder gibt es einen Streichelzoo und einen großen Abenteuerspielplatz. In einem 400 Jahre alten Fachwerkhaus, das 1981 an seinem ursprünglichen Standort ab- und dann im Tierpark originalgetreu wieder aufgebaut wurde, ist ein Forst- und Jagdmuseum eingerichtet. Darin wird einerseits die Geschichte des
SABABURG UND BURGGARTEN Öffnungszeiten ffnungszeiten Tierpark Sababurg November bis Februar 10 –16 Uhr, März 9 –17 Uhr, April bis September 8 –19 Uhr, Okto Oktober 9 –18 Uhr. Tierpark rpark Sababu Sababurg Sababurg 1 34369 369 Hofgeismar-Sababur Hofgeismar-Sababurg Telefon 05671/766499-0 www.tierpark-sababurg.de ww.tierpark-sababurg Die Außenanlagen der Sababurg inklusive des Burggartens können von April bis Oktober besichtigt werden. Die Burg selbst wird als Romantik Hotel geführt. Die Stadt Hofgeismar hat in der Burg ein Standesamt eingerichtet. Dornröschenschloss Sababurg Im Reinhardswald 34369 Hofgeismar Telefon 05671/8080 www.sababurg.de www.dornroeschenschloss.de www.der-burggarten.de
Tierparks anschaulich erzählt, aber auch ganz allgemein der Wald als Lebensraum zahlreicher Pflanzen und Tiere vorgestellt. Der Verbindung von Mensch und Wald ist das Obergeschoss gewidmet. Im gesamten Parkbereich informieren zudem Tafeln über die historischen Anknüpfungspunkte – von den beiden Fischteichen am Eingang zum Park über den Jagdstern bis hin zu den weiten Weideflächen, auf denen heute Wisente und andere Tiere ein artgerechtes Zuhause gefunden haben.
Der Ur wald Sababurg Die Beschreibung von Tierpark und Sababurg wäre unvollständig ohne einen Hinweis auf den Urwald Sababurg. Dabei handelt es sich allerdings um keinen „Urwald“ im klassischen Sinne des Wortes, sondern was die Anfänge betrifft, eher um das Gegenteil, nämlich um einen sogenannten Hutewald. Darunter versteht man einen Weidewald, in den die Bewohner der umliegenden Dörfer ihr Vieh zur Mast getrieben haben. Aus diesem Grund dominierten iin solchen Wäldern Eichen und Buchen, die in relativ weiteem Abstand gepflanzt waren und sich dadurch zu regelrecchten Baumriesen mit weit ausladenden Kronen entwickeln konnten. Außergewöhnlich waren die Dimensionen cke derr Weidewirtschaft zu Füßen der Sababurg: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts tummelten sich dort bis zu Hä 3000 Pferde, 6000 Stück Rindvieh, 6000 Schweine und 3 20000 Schafe. Um 1860 wurde die Weidewirtschaft aufgegeben und der Wald auch forstwirtschaftlich nicht weiter genutzt. So konnte tatsächlich ein „Urwald“ entstehen, dessen größte Attraktion die „Baum-Methusaleme“ ist. Mit ihren zum Teil fast schon bizarren Formen erwecken sie den Eindruck, als wären sie direkt den Märchen der Gebrüder Grimm entsprungen – womit sich der Kreis um das Dornröschenschloss und seinen Tierpark schließt.
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Eine in Form geschnittene Hainbuchenhecke birgt im Burggarten der Sababurg einen romantischen Sitzplatz, im Vordergrund die leuchtend gelben Blüten des Sonnenhuts.
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Barocker Spazierweg Bad Arolsen Muster einer fürstlichen Residenz An kaum einem anderen Ort ist die planmäßige barocke An Anlage von on Stadt und umgebender Landschaft so gut erhalten w wie in Bad Arolsen. Auf einem „barocken Spaziergang“ können Besucher her in die fürstliche Welt des 18. Jahrhunderts eintauchen.
keineswegs außerhalb des im Barock üblichen. Das betraf allenfalls die Ausmaße des Baus. Großen Vorbildern eiferte der Waldecker Fürst ebenso nac ach, wenn er zum Schloss gleich eine ganze neue Stadt erbau auen wollte – eine Planstadt, deren Straßen so schachbrettartig-symmetrisch retta angelegt sein sollten wie die Gärten deer Zeit. Und auch wenn die ursprüngliche Planung nur te teilweise umgesetzt werden konnte, lässt sich in Arolsen, en, das sich seit 1997 Bad nennen darf, diese Struktur bei einem Spaziergang anschaulich nachvollziehen. ein
Aus dem Kloster wird ein Schloss Endlich – mochte Graf Friedrich Anton Ulrich von Waldeck 1711 aufgeatmet haben – waren die Bemühungen um eine Standeserhöhung von Erfolg gekrönt gewesen. Das Haus Waldeck war in den Fürstenstand erhoben worden! Ein Fürst musste im Barock auch fürstlich repräsentieren, sonst war er kein Fürst. Und umso kleiner das Fürstentum, desto größer war bisweilen das Repräsentationsbedürfnis. In Arolsen waren die Zusammenhänge allerdings noch ein wenig komplizierter, denn der nunmehrige Fürst Friedrich Anton Ulrich hatte mit dem Bau eines neuen Residenzschlosses bereits 1710 begonnen. Damit nahm er die angestrebte Standeserhöhung baulich, wenn man so will, bereits vorweg bzw. verlieh ihr steinernen Nachdruck. Insgesamt aber bewegte sich der Fürst mit seinem Neubau
SCHLOSS AROLSEN Teile e von Schloss Arolsen werden von der fürstlichen Familie bewohnt. Die Prunkräume können aber im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Öffnungszeiten fnungszeiten Mai bis September täglich 10 –16 Uhr, April und Okt Oktober Dienstag bis Sonntag 10 –15 Uhr, November bis März Mittwoch und Samstag mstag 15 Uhr, Sonntag 11 Uhr. In der Schlosskapelle können kirc kirchliche, in zwei der Gartensalons standesamtliche Trauungen sta stattfinden.
An der Stelle, an der sich heute das Schloss erhebt, wurde in der Mitte des 12. Jahrhunderts ein Kloster gegründet, das zunächst von Augustiner-Chorfrauen und später von Antonitern bewohnt wurde. Nach der Auflösung in der Reformation übernahmen die Waldecker Grafen den Besitz und machten aus dem Kloster ein Schloss. Erstaunlicherweise hatte sich um das Kloster keine dörfliche Siedlung geschweige denn eine Stadt entwickelt, und auch unter der weltlichen Herrschaft der Grafen von Waldeck kam es erst mit der Erhebung in den Fürstenstand und dem Neubau des Schlosses dazu. Dessen Baumeister war Julius Ludwig Rothweil, der zuvor in Weilburg tätig gewesen war. Der mächtige dreiflüglige Bau mit seinem weiten Ehrenhof ist ganz auf Außenwirkung bedacht und beeindruckt auch heutige Besucher noch nachhaltig. Und das sollte es auch – verkünden, dass darin kein Graf, sondern ein Reichsfürst seine Residenz hat. Der ebenfalls auf Rothweil zurückgehende Idealplan für die Anlage der Stadt Arolsen wirkt mit seinen rechtwinkligen Achsen wie ein überdimenw sio ionales Mühle-Spielfeld. Die neue Stadt sollte sich östlich und nd westlich des dem Ehrenhof vorgelagerten Paradeplatzes erstrecken. Da jedoch nur der östliche Teil verwirklicht
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Das Residenzschloss in Bad Arolsen ist eine mächtige Dreiflügelanlage mit einem weiten Ehrenhof. Erbaut wurde das Barockschloss zwischen 1710 und 1728 für Fürst Friedrich Anton Ulrich von Waldeck und Pyrmont.
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sigen Mittelbau ist dabei ein Parterre im französischen Stil entstanden mit niedrigen Buchshecken, die Rosenbeete einrahmen. Alles ist streng geometrisch gegliedert. Auf der Rückseite des Schlosses erstreckte sich ursprünglich ebenfalls ein Barockgarten, doch wurde dieser im 19. Jahrhundert der Mode der Zeit entsprechend in einen englischen Landschaftsgarten umgewandelt.
Acht barocke Stationen Unmittelbar am Schloss beginnt ein „barocker Spaziergang“ mit insgesamt acht Stationen. Dabei wird deutlich, wie nicht nur die neue Stadt, sondern auch die umgebende Den Schlossteich befuhr die Hofgesellschaft einst mit Booten – heute ist daraus eine naturnahe Idylle geworden.
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Blick entlang des Schlossgrabens; hier beginnt der Barocke Spazier weg.
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wurde, steht das Schloss heute nicht in der Form im Schnittpunkt, wie der Idealplan dies vorgesehen hatte. Potenzielle Einwohner wurden mit zahlreichen Privilegien nach Arolsen gelockt: mit dem Versprechen eines Bauplatzes, Baumaterialien, der weitestgehenden Befreiung von allen Steuern und Abgaben (auf 25 Jahre), der Möglichkeit günstiges Ackerland zu pachten – und völliger religiöser Toleranz. Lutheraner, Reformierte und Katholiken sollten gleichermaßen ihren Glauben frei leben dürfen. Im Rahmen der 2007 abgeschlossenen umfangreichen Gesamtsanierung des Schlosses wurde auch der Ehrenhof nach alten Vorbildern neu bepflanzt. Vor dem dreigeschos-
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Tiefer Taleinschnitt am Wildkamp; linker Hand führt eine Allee zum Fischhaus, rechts schweift der Blick bis zu den Kasseler Bergen.
Landschaft in die Gesamtplanung miteinbezogen wurde. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht tragisch, dass nur kleine Teile des eigentlichen Schlossparks öffentlich zugänglich sind. Von der ersten Station des „barocken Spaziergangs“ geht es am trockengelegten Schlossgraben vorbei zum sogenannten Platz der Steinmetze, die beim Bau des jetzigen Schlosses hier ihren Werkplatz hatten. Über einen schmalen Pfad, der am englischen Landschaftsgarten hinter dem Schloss entlang führt, gelangt man zum Schlossteich, der schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts angelegt worden ist, einem besonders idyllischen Fleckchen Erde.
Dazu trägt nicht zuletzt das romantische Bootshaus bei. Mancher Besucher mag sich fragen, weshalb es an einem so kleinen Teich überhaupt eines Bootshauses bedurft hatte. Doch das ist eine moderne Frage – auch noch so kleine Seen dienten im Barock zu galanten Bootsfahrten der Hofgesellschaft, und im Bootshaus konnte man bequem die bereitgestellten Gondeln besteigen. Wendet man sich vom Schlossteich nach Westen, stößt man auf eine Allee mit schlanken Pyramideneichen. Diese führt zum Fischhaus. Im 18. Jahrhundert lebte hier der Hoffischer und Teichmeister der Fürsten von Waldeck – daher der Name. Allein im Jahr 1726 lieferte der Hoffischer Hildebrand Koch über 2000 Forellen ins nahe Residenzschloss. Heute ist das Fischhaus ein beliebtes Restaurant und Ausflugsziel.
Idealbild einer Residenzstadt Vom Ausgangspunkt der Allee zum Fischhaus kann man sehr schön sehen, wie die umgebende Landschaft in die Parkgestaltung miteinbezogen wurde. Der Blick schweift über ein tief eingeschnittenes Tal bis zu den Kasseler Bergen. Eine friedliche Stimmung geht von diesem Landschaftsbild aus. Hat man sich davon losgerissen und folgt weiter dem barocken Spazierweg, erreicht man den Vorhof, in dem verschiedene Wirtschaftsgebäude und die Reitbahn zu dem geschlossenen Bild einer kleinen fürstlichen Residenzstadt beitragen, wie sie Arolsen geradezu idealtypisch ist. Am weiten Paradeplatz setzt der mächtige Marstall mit seiner geschwungenen Fassade einen markanten Akzent; heute ist darin ein Museum für den Bildhauser Christian Daniel Rauch eingerichtet, der aus Arolsen stammt. Vorbei an einer Wellingtonie, die die niederländische Königinmutter Eingefasste Blumenbeete vor der Trinkhalle im Kurpark, der aus dem Landschaftsgarten des Neuen Schlosses her vorgegangen ist.
B A R O C K E R S PA Z I E R G A N G Der er Barocke Spaziergang Bad Arolsen ist frei zugäng zugänglich. Gäste- und Gesundheitszentr Gesundheitszentrum Rauchstraße uchstra 2 34454 Bad Ar Arolsen Telefo fon 05691/801240 www www.bad-arolsen.de Christian hristian Daniel Rauch Museum Schlossstraße 30 34454 Bad Arolsen Telefon 05691/625734 www.museum-bad-arolsen.de Öffnungszeiten Mittwoch bis Samstag 14 –17 Uhr, Sonntag 11 –17 Uhr. Stiftung des Fürstlichen Hauses Waldeck und Pyrmont Schlossstraße 27 34454 Bad Arolsen Telefon 05691/89550 www.schloss-arolsen.de
Emma, eine geborene Prinzessin von Waldeck-Pyrmont, 1932 ihrer Heimatstadt geschenkt hat, und einem Denkmal für Kaiser Wilhelm I. führt der Weg dann wieder in m par arkartig gestaltete Stadtlandschaft. Die sechsreihig mit fast 900 Eichen bepflanzte, 1,6 Kilometer lange Große Alllee führte einst zum Lustschloss Charlottental – das Sch chloss gibt es nicht mehr, aber die 1670 angelegte Allee aals einen der wichtigsten Grünzüge durch die Stadt. Das Neue Schloss wurde 1770 als Witwensitz für die Fürstin Christiane von Waldeck-Pyrmont erbaut, in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der schlichte Bau klassizistisch umgestaltet. Heute ist darin eine Klinik untergebracht. Der ehemalige Schlosspark mit seinen vielen exotischen Bäumen fungiert heute als Kurpark mit Trink- und Wandelhalle.
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2011 by Primus Verlag, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. Einbandabbbildung: Schlossgarten Fulda, Blick auf die Orangerie, Foto: Uwe A. Oster
Hans Georg Picker/Eckart Bänfer, Tierpark Sababurg, Kassel 1975. Günther Schumann, Der Urwald Sababurg, Hofgeismar 1993. Birgit Kümmel/Bernhard Buchstab (Hrsg.), Die Sanierung des Residenzschlosses Arolsen 1986-2009, Birgit Kümmel/Richard Hüttel (Hrsg.), Indessen will es glänzen. Arolsen. Eine barocke Residenz, Korbach 1992. Kathrin Seichter, Denk’ mal über Pflege nach. Entwicklungskonzept des Schlossparks Bad Arolsen... Diplomarbeit, Nürtingen 2001/02.
Abbildungen im Buch: Karte auf S. 4: Peter Palm, Berlin; S. 7, 11, 13: nach: Vercelloni, Geschichte der Gartenkultur, Darmstadt 2010; S. 9: (LMZ) Landesmedienzentrum BadenWürttemberg; S. 19 (unten): Petra Bachmann, Weinheim; S. 26, 30 (oben), 33 (unten): Stephan Schreiber, Darmstadt; S. 27, 28: Franziska Heckert, Darmstadt; alle anderen Fotos: Uwe A. Oster Gestaltung und Satz: Petra Bachmann, Weinheim Printed in Germany www.primusverlag.de ISBN: 978-3-89678-847-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-86312-713-8 eBook (epub): ISBN 978-3-86312-717-6