Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich: Deutschlandbild und Diplomatie Frankreichs im Siebenjährigen Krieg 9783050085531, 9783050042220

Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) bildete in gewissem Sinne den "Ersten Weltkrieg" in der Geschichte. In sei

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German Pages 418 [416] Year 2006

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Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich: Deutschlandbild und Diplomatie Frankreichs im Siebenjährigen Krieg
 9783050085531, 9783050042220

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Sven Externbrink

Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich

Sven Externbrink

Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich Deutschlandbild und Diplomatie Frankreichs im Siebenjährigen Krieg

qgy Akademie Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutsch-Französischen Kulturstiftung Mainz. Einbandgestaltung unter Verwendung eines Kartenausschnitts aus: Théâtre de la guerre présente en Allemagne, contenant la description géographique du Pays où elle se fait actuellement, avec un journal historique des opérations militaires des années des puissances belligérantes, accompagnée d'un grand nombre des cartes, Bd. 4 Paris 1758 - 1761. Exemplar der Universitätsbibliothek Marburg, Sign.: VII dB 131.

ISBN-10: 3-05-004222-2 ISBN-13: 978-3-05-004222-0 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2006 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Ingo Scheñler, Berlin Satz: Sven Externbrink, Lahntal-Goßfelden Druck: Druckhaus »Thomas Müntzer« GmbH, Bad Langensalza Bindung: Norbert Klotz, Gettingen-Scheppach Printed in the Federal Republic of Germany

Inhalt

Vorwort

9

Einleitung Wahrnehmung und Außenpolitik 11 - Der außenpolitische Entscheidungsprozeß 13 Quellen und Methode 16 - Zum Kontext: Internationales System und Siebenjähriger Krieg 19 Zum Forschungsstand: Der Siebenjährige Krieg und das französische Deutschlandbild im 18. Jahrhundert 21 - Stereotype Deutschlandbilder in Frankreich in der Frühen Neuzeit 27

A. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert I.

Das Außenministerium

30

Die premiers commis 30 - Die bureaux politiques 32 - Die Funktionsweise des Außenministeriums 33 - Die Aufgaben der Diplomaten 35 - Der Spielraum der Gesandten 39 Die Rolle Ludwigs XV. im Entscheidungsprozeß 42 - Zusammenfassung 46 II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten

47

Voraussetzungen der Gesandtentätigkeit 47 - Die Forderungen des Ministeriums an seine Gesandten 49 - Das Interesse an wirtschaftlichen Fragen 52 - Reichweite und Grenzen der „allumfassenden Neugier" der Diplomaten 56 - Die Vorbereitung einer Mission 58 III. Informationsbeschaffting

61

Information und Korruption 61 - Von der Spionage zum Kommandounternehmen 65 - Die „öffentliche Meinung" als Quelle 67 - Der Alltag: das Gespräch am Hofe 69 Zusammenfassung 70

B. Die Perzeption des Alten Reichs durch die französische Diplomatie I.

Altes Reich und Reichsverfassung

72

1.

Verfassung

73

Die Reichsverfassung 73 - Landesherrschaft 76 - Der Reichstag 80 - Die Debatte um das lus eundi in partes in Stellungnahmen des französischen Außenministeriums 1759 84 2.

Kaiser und Reich Der Kaiser im Reich 89 - Friedrich der Große und das Reich 93

89

6

Inhalt

II. Die Bedeutung des Westfälischen Friedens für Frankreichs Reichspolitik im Siebenjährigen Krieg

101

1.

Der Westfälische Frieden als Instrument der Reichspolitik Frankreichs 1648-1748

101

2.

Der Westfälische Frieden und die „diplomatische Revolution" 1755-1756

107

3.

Der Westfälische Frieden in den Verhandlungen der Jahre 1757 bis 1763

114

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

120

Erste Reaktionen auf den Kriegsausbruch 120 1.

Die Reichsexekution und der Achtprozeß gegen Preußen

121

Die Reichsexekution 121 - Die Bedeutung der Reichskreise 123 Frankreichs Werben um den Fränkischen Kreis 125 - Reichsacht 130 2.

Zur Frage der Neutralität des Kurfürstentums Hannover und des Reiches (1757 und 1762/1763)

136

Die Neutralität Hannovers 136 - Die Neutralität des Reiches 1762-1763 140 3.

Säkularisationen im Reich? Die Nachfolge des „Herrn des fünf Kirchen", Erzbischof Klemens August von Köln 1760-1761

144

Das Rheinische Reich im Siebenjährigen Krieg 144 - ZurfranzösischenPräsenz am Hofe des Kurfürsten von Köln (1756-1761/63) 145- Der Kampf um die Nachfolge des Kurfürsten 148

C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie I. Das Preußenbild der französischen Diplomatie

154

1.

154

Friedrich der Große: Persönlichkeit und Politik Der König und der preußische Hof (1750-1756) 154 - Friedrich der Große: Charakter und Regierungsstil 154 - Ein kritischer Blick auf den Preußenkönig: Chevalier La Touche 157 Reaktionen: Bussy und die Mission Dargets (1755) 163 - Am Vorabend der „diplomatischen Revolution": Die Mission des Herzogs von Nivernais 168

2.

Friedrich der Große im Siebenjährigen Krieg

172

Der Einmarsch in Sachsen und die Reaktionen 172 - Z u m Friedrichbild während des Siebenjährigen Krieges 182 - Die erste Wende des Krieges: die Schlachten von Prag und Kolin (6. Mai und 18. Juni 1757) 186 - Rosbach und Leuthen (5. November und 5. Dezember 1757) 188 - Der Abnutzungskrieg: von Krefeld über Kunersdorf nach Hubertusburg 192 - Wandel des Preußenbildes während des Siebenjährigen Krieges? 202 3.

Der preußische Staat

211

Zur Perception des preußischen Staates 211 - Die preußische Armee 213 - Die Diplomaten als Mittler bei militärtheoretischen Diskussionen 215 - Friedrichs der Große und die preußische Großmachtbildung 216 - Zusammenfassung 218

Inhalt II. Das Österreichbild der französischen Diplomatie

7 221

Zur französischen Präsenz am Wiener Hof 1756-1763 221 1.

Aubeterre 1755-1757

229

Aubeterre über die Habsburgermonarchie 230 - Aubeterre über den englisch-französischen Kolonialkrieg und die Haltung des Wiener Hofes 234 - Aubeterres Beitrag zum renversement des alliances 242 2.

Ratte, Broglie und d'Estrées 1756-1757

246

Ratte und der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges 246 - D'Estrées 247 - Intermezzo: Graf Broglie in Wien (Mai bis Juli 1757) 249 - Ratte und das Warten auf den Nachfolger Aubeterres 252 - Ein Porträt der Habsburgermonarchie 1757 254 3.

Choiseul 1757-1758

261

Bernis' Instruktion fur Choiseul 262 - Erste Eindrücke und die Krise des Herbstes 1757 263 - 1758: Choiseul gegen Bernis - Krieg oder Frieden? 265 - Boyer de Fonscolombe 271 Bilanz: Choiseul - kein Botschafter wie seine Vorgänger? 271 4.

Praslin 1759-1761

273

Praslins Instruktion 274 - Verschiebung der Gewichte: Das Dreieck Österreich, Frankreich und das Reich 276 - Das Ringen um den Frieden (1759-1761) 279 - Praslin als Beobachter: Porträts der österreichischen Akteure und die Gründung des Staatsrates durch Kaunitz (1760/1761) 285 - Bilanz 289 5.

Châtelet-Lomont 1761-1763/1766

291

Châtelets Instruktion 292 - Châtelet in Wien: Porträts der Akteure 295 - Kaunitz' Reformen und die Finanzen der Habsburgermonarchie 296 - Die Ereignisse in Rußland und der Weg zum Frieden 299 - Der Friede von Hubertusburg 304 - Zusammenfassung: Die Entwicklung der französisch-österreichischen Allianz im Urteil der Diplomaten 308

D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß Einführung

310

I.

310

L.-A. Blondel: Plädoyer für ein neues „Système politique" (1751)

Einführung 310 - Blondel 310 - „Maintenir le système de l'Empire" 311 - Reaktionen auf Blondels „System" 318 II. Nicolas Louis Le Dran: Perspektiven der französisch-österreichischen Allianz (1756) III. François de Bussy und die „diplomatische Revolution" (1755-1760)

320 327

François de Bussy: 41 Jahre im Dienst französischer Außenpolitik 327 - Bussy und die Vorgeschichte des renversement des alliances 328 - Bussy als Kritiker der österreichischen Allianz (1760) 334 IV. Gabriel-Louis Du Buat: Das Alte Reich, das europäische Staatensystem und die europäische Expansion (1761)

338

8

Inhalt

Schlußbetrachtung

343

Zur Ausgangslage 343 - Perception des Reiches: Bewahrung des „Westfälischen Systems" 345 - Z u r Perception Preußens und Friedrichs des Großen 347 - Z u r Perception der Habsburgermonarchie 348 -Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß: das renverversement des alliances 349

Anhang Anhang I.: Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß - Quellen 1. Das „Système politique" von Louis-Augustin Blondel (1751)

352

2. Le Dran: Perspektiven der französisch-österreichischen Allianz (1756)

362

3. François de Bussy und die Mission Berns

367

4. Nicolas Du Buat über die mögliche Neuordnung Europas (1761)

369

Anhang II.: Verzeichnis der französischen Diplomaten in Deutschland 1755-1763

374

Anhang III.: Chronologie

386

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Gedruckte Quellen

388 389

Literatur

392

Register

409

Vorwort

Das hier vorliegende Buch wurde im Sommersemester 2003 unter dem Titel „Das Deutschlandbild der französischen Diplomatie im Siebenjährigen Krieg. Perzeption und Entscheidungsprozeß in der Außenpolitik Frankreichs (1755-1763)", vom Fachbereich Geschichtsund Kulturwissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Habilitationsschrift angenommen. Für ihre Teilnahme am Habilitationsverfahren danke ich den Herren Professoren Heinz Duchhardt (Mainz), Peter Borscheid, Christoph Kampmann, Wolfgang Krieger, HansJoachim Lope, Klaus Malettke und Wilhelm E. Winterhager (alle Marburg). Ihre Anregungen und Kritik sind in das für die Drucklegung leicht gekürzte und überarbeitete Manuskript eingeflossen. Der ursprüngliche Titel verweist auf den Entstehungskontext der Studie: Sie ist hervorgegangen aus Forschungen innerhalb des Teilprojekts „Das Deutschlandbild der französischen Diplomatie im 18. Jahrhundert" im Rahmen des von der Stiftung Volkswagen geförderten internationalen Verbundprojektes „Französische Deutschlandbilder in der Frühen Neuzeit". Der Stiftung Volkswagen sei für die großzügige Unterstützung gedankt, die die Recherchen im Archiv des französischen Außenministeriums am Quai d'Orsay, auf denen diese Arbeit gründet, erst ermöglichten. Besonderer Dank gilt meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. h. c. Klaus Malettke, der diese Studie als Leiter des og. Teilprojekts angeregt und ihren Abschluß durch konstruktive Kritik entscheidend befördert hat. Gedankt sei auch Wilhelm E. Winterhager für steten Rat und Aufmunterung. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Günther Lottes und Prof. Dr. Brunhilde Wehinger, Forschungsinstitut für Europäische Aufklärung, Potsdam. Sie haben den Weg zur Aufnahme der Studie in den Akademieverlag und damit in die Reihe geebnet, die die Publikation der „Potsdamer Ausgabe" der Werke Friedrichs des Großen begleitet. Für einen Zuschuß zu den Druckkosten danke ich der Deutsch-Französischen Kulturstiftung in Mainz und deren Leiter, Herrn Staatssekretär a. D. Dr. Jürgen Hartmann sowie Prof. Dr. Peter C. Hartmann (Mainz/ München), der diesen Kontakt hergestellt hat. Mit meinem Freund und Kollegen Dr. Jörg Ulbert habe ich immer wieder über die hier behandelten Fragen diskutiert, ihm sei für seine Bereitschaft dazu ebenso gedankt wie PD Dr. Olaf Asbach, Hamburg/Marburg, der das Manuskript einer kritischen Lektüre unterzog. Meine Frau ertrug und erträgt gelassen, daß ihr Mann weiterhin die Welt über den Umweg der Vergangenheit wahrnimmt, und ermutigt ihn, trotz aller gegenwärtigen Widrigkeiten, diesen Weg nicht aufzugeben. Der Dank, den ich meinen Eltern für moralische und materielle Unterstützung schulde, ist in Worten nicht auszudrücken. Meinem Vater sei daher dies Buch gewidmet. Lahntal-Goßfelden, im Juli 2006

Sven Externbrink

Einleitung

Wahrnehmung und Außenpolitik Mit dem Siebenjährigen Krieg begann ein neues Zeitalter: Es war der letzte große europäische Krieg des Ancien Régime und zugleich der „erste Krieg wirklich weltpolitischen Stils in der europäischen Geschichte" auch hinsichtlich der Menschenverluste.1 Ihm voraus ging eine fundamentale Umgestaltung der Bündnissysteme Mächteeuropas. Frankreich erklärte den über zweihundertjährigen Kampf gegen das Haus Habsburg für beendet und verbündete sich mit dem ehemaligen Feind, nachdem zuvor Friedrich der Große durch seine Allianz mit Großbritannien die französisch-österreichische Verständigung beschleunigt hatte. Zu den Konsequenzen dieser Neuordnung der Bündnislandschaft Europas zählte auch die Allianz zwischen Frankreich und Rußland. Als Bündnispartner Österreichs trat das Zarenreich an die Seite Frankreichs, das in dem Jahrzehnt zuvor keine Beziehungen nach Rußland unterhalten hatte, sich bislang als Protektor der polnischen Monarchie vor den Ambitionen der Zaren verstanden hatte und auf die Blockade des Vordringens Rußlands nach Westen bedacht war. In den Kriegsjahren stand die französische Diplomatie vor der nur schwer zu lösenden Aufgabe, einerseits die russische Armee zum Kampf gegen Friedrich den Großen zu mobilisieren, andererseits zu verhindern, daß Rußland aus seiner Intervention Gewinn in Form von territorialer Ausdehnung nach Westen ziehen könnte. Dies umzusetzen bemühten sich als Außenminister sowohl Abbé Bernis als auch sein Nachfolger Étienne-François de Stainville, Herzog von Choiseul. Hatte letzterer als Botschafter in Wien noch vor Rußland

Wagner, Europa im Zeitalter des Absolutismus, S. 47; den Weltkriegscharakter betonen auch: Wellenreuther, Ausbildung und Neubildung, S. 281-282, und Osterhammel, Kolonialismus, S. 37. In Relation gesetzt, entsprechen die Bevölkerungsverluste der kriegführenden Parteien denen der Weltkriege des 20. Jahrhunderts, vgl. Kroener, Materielle Grundlagen, S. 51. Eine neuere Gesamtdarstellung des Konflikts fehlt, vgl. zuletzt: Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 319-370. Zur Vorgeschichte des Krieges und dem 1748 im Frieden von Aachen ungelöst gebliebenen britisch-französischen Kolonialkonflikt siehe: Anderson, The War of the Austrian Succession, bes. S. 208-218; Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 303-322; Antoine, Louis XV, S. 353-403; Bérenger, Meyer, La France dans le monde, S. 159-202; über den erneuten Ausbruch der Feindseligkeiten in Nordamerika 1754: Waddington, Renversement, S. 1-44; Reese, Europäische Hegemonie und France d'outre-mer, S. 254-312. Zu den Richtungskämpfen in London, wo sich die Verfechter einer „ozeanischen", d. h. auf Aufbau und Sicherung eines Kolonialreiches abzielenden Politik, gegen die „Europäer" durchsetzten, die für die Beibehaltung der traditionell engen Beziehungen zu den Rivalen Frankreichs plädierten, siehe: Black, Natural and Necessary Ennemies, S. 46-56; Black, Anglo-French Relations 1740-1756; Niedhart, Handel und Krieg, S. 64-70. Über die Wiener Politik und die Mission von Kaunitz in Paris 1750-1753 Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 144; Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 159-189.

12

Einleitung

gewarnt2, setzte mit dem Jahre 1760 ein Umdenken ein. Man beschloß, dem Zarenreich territoriale Gewinne zuzugestehen und als Gegenleistung Hilfe im Kampf gegen England zu fordern.3 Über die Ursache dieser Neuorientierung informierte Choiseul am 15. Februar 1760 den französischen Botschafter in Wien, seinen Cousin César-Gabriel de ChoiseulChevigny, Herzog von Praslin.4 In seiner Depesche bekannte der Minister, daß man bislang die russische Politik zu negativ gesehen habe. Das bisherige Verhalten des Zarenreichs im Krieg gegen Friedrich den Großen zeuge von einer überlegten, vorausschauenden und aufgeklärten Politik. Von dieser Erkenntnis müsse sich von jetzt an die französische Politik leiten lassen: „Wir haben allen Grund, Monsieur, mit Rußland zufrieden zu sein, und ich bin zugleich der Auffassung, daß wir unsere Sichtweise des Systems dieser Macht ändern müssen. Wir haben bislang geglaubt, daß sie nur rohe Ideen von zügelloser Expansion verfolge, ich sehe aber anhand der Memoranden, die sie uns vorlegt, ein weises, vorausschauendes und aufgeklärtes Kabinett, einen durchdachten Plan, der auf klaren politischen Prinzipien beruht und in festen und maßvollen Schritten umgesetzt wird".5

Choiseul spricht an dieser Stelle ein fundamentales Problem der Politikgestaltung an. Die Politikwissenschaft versteht Politik als mehrdimensional strukturiert und unterscheidet eine institutionelle (polity), eine inhaltliche (policy) und eine prozessuale (politics) Dimension. Letztere beschäftigt sich mit Prozessen politischer Willensbildung und Interessensvermittlung, mit Formen der Macht und ihrer Durchsetzung.6 Um vor allem zwischenstaatliche politische Willensbildung, Entscheidungsprozesse und ihre Umsetzung untersuchen zu können, entwickelte die Forschung spezifische Methoden für ihre Analyse. Eine politische Entscheidung wird als Prozeß mehrerer aufeinanderfolgender Schritte begriffen, an dessen Beginn die Wahrnehmung einer Situation steht.7 Die Analyse von Entscheidungsprozessen und die ihnen vorangehenden Wahrnehmungen sind Gegenstand der vorliegenden Studie.

2

3

4

5

6

7

AAE CP Autriche 260, fol. 21 r -25 v , Choiseul an Bemis, 2. November 1757, fol. 22": „Plus je vois les événemens plus je suis convaincu du mépris que l'on doit avoir pour le ministère russe". Zitate aus den handschriftlichen Quellen werden im folgenden in Anlehnung an die Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte wiedergegeben, in: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland 1980, Stuttgart 1981, S. 85-96, bes. S. 93-94. Vgl. zu den verschiedenen Etappen der französisch-russischen Beziehungen 1755-1763: Oliva, Misalliance, bes. S. 68, 80, 178. Um in der Literatur häufig begegnende Verwechslungen zwischen den Cousins zu vermeiden, werden beide in dieser Studie nach ihren Herzogstiteln benannt: Étienne-François de Stainville, Herzog von Choiseul (1758) daher als Choiseul, César-Gabriel de Choiseul-Chevigny, Herzog von Praslin (1762) als Praslin. AE CP Autriche 275, Choiseul an Praslin, 15. Februar 1760, fol. 141 r_v , fol. 141r: „Nous avons tout lieu, Monsieur, d'être contents de la Russie, et je vois en même tems qu'il faut que nous changions notre façon de penser sur le sistème de cette puissance. Nous avons crû jusqu'ici qu'elle n'avoit que des idées brutes d'aggrandissement sans règle et sans suite, je vois, au contraire, par les mémoires qu'elle nous donne, un ministère sage, prévoyant et éclairé, un plan de conduite réfléchi, appuyé sur des principes solides de politique, et suivis d'un pas ferme et mesuré". Berg-Schlosser; Stammen, Politikwissenschaft, S. 30; Rohe, Politik, S. 61-81; Nehlen, Staat und Politik, S. 492-493, mit weiterführender Literatur. „Decision-making is a process which results in the selection from a socially defined, limited number of problematical, alternative projects of one project intended to bring about the particular future state of affairs envisaged by the decision-makers". Snyder; Bruck; Sapin, The Decision-Making Approach, S. 242.

Einleitung

13

Der außenpolitische

Entscheidungsprozeß

Die Bemerkung des Außenministers Choiseul kennzeichnet geradezu exemplarisch den Beginn eines Entscheidungsprozesses. Die Grundlage einer früheren Entscheidung erweist sich nicht mehr als stichhaltig, und dies fordert - auf der Basis der neuen Wahrnehmung eine Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur heraus. Der idealtypische Verlauf von außenpolitischen Entscheidungen kann in folgende sieben Stufen unterteilt werden8: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Informationssammlung; Feststellung der Notwendigkeit einer außenpolitischen Lagebeurteilung (Perzeption, Information) Die Phase der außenpolitischen Lagebeurteilung Die aus der Lagebeurteilung hervorgehende Entwicklung von außenpolitischen Optionen. Die Auswahl einer Option - Die eigentliche Entscheidung Die außenpolitische Entscheidungsausführung durch Diplomatie und/oder Militär Die außenpolitische Entscheidungskontrolle durch die Regierung Die außenpolitische Entscheidungskorrektur der Zielsetzung und/oder des Mitteleinsatzes

Deutlich wird, daß die Schritte 1 bis 3 dem Bereich der Perzeptionsanalyse zuzuordnen sind. Diese ist von außerordentlicher Bedeutung für die Analyse und das Verständnis nicht nur außenpolitischer Entscheidungen, wie auch die jüngste Gegenwart zeigt. Denn der Entschluß der USA, ohne UN-Mandat den Irak anzugreifen, gründet nicht zuletzt ein beim Präsidenten und wohl seinen Beratern tief verwurzeltes Feindbild „Saddam Hussein". Alle Informationen, die dieses Feindbild in Frage stellten, wurden ignoriert, unterdrückt und heruntergespielt. Eine Konzeption, die Krieg und Frieden zusammen dachte, scheint es nicht gegeben zu haben.9 Was aber ist Perzeption! Der Begriff hat seit den 1960er Jahren Eingang in die Politikund dann auch in die Geschichtswissenschaften gefunden, als „behavioristisch-sozialpsychologische Überlegungen auf die internationalen Beziehungen übertragen wurden".10 Perzeption ist, was bislang kaum beachtet wurde, darüber hinaus ein in der Erkenntnisphilosophie insbesondere der Frühen Neuzeit verbreiteter Begriff. Ursprünglich bezeichnet Perzeption „das Empfangen", „Einnehmen" oder auch „das geistige Aufnehmen" und wird in der Philosophie als Auffassung oder sinnliche Wahrnehmung, als erste Stufe de" kommt der Perzeption besondere Bedeutung zu. So nimmt in der Mitte des 18. Jahrhunderts der Begriff etwa beim Schotten George Berkeley eine zentrale Rolle ein. Im Rahmen seiner Darstellung der Berkeleyschen Philosophie weist Ernst Cassirer darauf hin, daß die „gegenständliche Wirklichkeit [...] uns erst auf Grund einer Deutung [entsteht], die wir den sinnlichen Reichen', die uns zunächst allein gegeben sind", zuordnen." Im übertragenen Sinne ist genau dies die Arbeit der Diplomaten. Sie nehmen eine Vielzahl von Eindrücken auf und leiten diese dann weiter. Dabei wird in dem Moment, in dem sie beginnen, ihre Depeschen zu verfassen, bereits eine wichtige Erkenntnisleistung vorgenommen. Sie wählen aus der Vielfalt 8 9

10

'1

Nach: Bellers, Woyke, Analyse internationaler Beziehungen, S. 139. Vgl. Wilfried von Bredow, Selektive Wahrnehmung. Wie sich Washington auf den Irak-Krieg vorbereitete, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 201, vom 20. August 2004, S. 7. Vgl. zur Forschungsgeschichte, mit weiterführender Literatur: König, Deutschlandperzeption und Europadebatte, S. 14-18, Zitat S. 14. Cassirer, Erkenntnisproblem, Bd. 2, S. 277.

14

Einleitung

der empfangenen Sinneseindrücke diejenigen aus, die ihnen am bedeutendsten und damit am berichtenswertesten erscheinen. Die Diplomaten, als Gesandte eines Akteurs in einem System, sind somit die Rezeptoren, die Empfindungen und Wahrnehmungen an das Außenministerium weiterleiten. Sobald die Informationen dort angekommen sind, wird der komplexe Prozeß der Verarbeitung der Informationen eingeleitet. Erst hier wird aus einer Fülle von Einzelinformationen - oder Einzelbildern - ein „Bild" erstellt, auf dessen Grundlage jene Entwicklung beginnt, die im allgemeinen „Entscheidungsprozeß" genannt wird.12 Perzeption ist für den außenpolitischen Entscheidungsprozeß wie generell für Entscheidungsprozesse von großer Bedeutung, weil die Deutung oder Konstruktion der Wirklichkeit durch die Akteure ihr Handeln wesentlich bestimmt. Nicht für die Zeitgeschichte und die unmittelbare Gegenwart, sondern auch für die vor allem durch Kriege geprägten zwischenstaatlichen Beziehungen in der Frühen Neuzeit gilt es, sowohl den „Konfliktaustrag" zu erforschen als auch zu erhellen, „was Völker und Staatsführungen voneinander wissen, welche Vorstellungen sie von der Gegenseite haben, welches Bild sie vom Gegenüber haben".13 Dabei steht Wahrnehmung am Beginn eines jeden Erkenntnisprozesses. In die einer Lagebeurteilung zugrundeliegenden Informationen fließen Vorurteile ein, persönliche und kulturelle Prägungen, die die Entschlüsse entscheidend beeinflussen können. Genau auf diese Informationen spielt Choiseul im oben zitierten Brief an. Die bisherige Politik Frankreichs gegenüber Rußland sei durch die Fehlperzeption der russischen Interessen geprägt - angesichts dieser Erkenntnis müsse sich die französische Politik nun neu orientieren. Die hier vom französischen Außenminister angesprochene Einsicht, sich in der Beurteilung der russischen Politik geirrt zu haben, bestätigt also theoretische Überlegungen zur Analyse von internationalen Beziehungen, die fordern, „besonders die Perzeption außenpolitischer Entscheidungsträger zu untersuchen". Mit anderen Worten ist Perzeption „die der Beurteilung einer außenpolitischen Umweltlage vorangehende selektiv-subjektive Bestandsaufnahme der Wirklichkeit".14 Die „selektiv-subjektive Bestandsaufnahme der Wirklichkeit" der Ereignisse im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation durch französische Diplomaten während des Siebenjährigen Krieges ist Gegenstand der vorliegenden Studie. Zu den „französischen Diplomaten" werden allerdings nicht nur die im Reich residierenden Gesandten gezählt, sondern auch die Außenminister und die leitenden Beamten {premiers commis) des Außenministeriums in Versailles, denn im Außenministerium findet das statt, was als „Phase der außenpolitischen Lagebeurteilung" oder „selektive Informationsverarbeitung" beschrieben wird.15 Hier wurden die aus allen Teilen Deutschlands eintreffenden Informationen zu einem Gesamtbild geformt, das die Grundlage der französischen Deutschlandpolitik in der Mitte des 18. Jahrhunderts bildete. Das hier vorgestellte idealtypische Modell außenpolitischer Entscheidung ist der Leitfaden dieser Untersuchung. Die vollständige Rekonstruktion eines Entscheidungsprozesses, insbesondere für den monarchisch verfaßten Staat der Frühen Neuzeit, stellt den Historiker vor eine schwierige Aufgabe, denn dies setzt die vollständige Überlieferung sowohl der Informationen voraus, auf denen eine Entscheidung beruhte, als auch das Vorhandensein von 12

13 14 15

Zum Konzept der Entscheidungsprozeßanalyse in der Lehre von den internationalen Beziehungen siehe: Meyers, Die Lehre von den Internationalen Beziehungen, S. 72-84; Bellers, Woyke, Analyse internationaler Beziehungen, S. 131-144; Zu neuesten Tendenzen in der Entscheidungsprozeßforschung: Lehmkuhl, Entscheidungsprozesse in der internationalen Geschichte. Niedhart, Perzeption und Image, S. 42; Ders., Selektive Wahrnehmung und politisches Handeln. Bellers, Woyke, Analyse internationaler Beziehungen, S. 142-143. Niedhart, Perzeption und Image, S. 45.

Einleitung

15

Quellen, die die Diskussion zwischen den entscheidenden Akteuren, d. h. dem Außenminister, den Beratern und dem Fürsten, dokumentieren. Monarchen als nominell letztinstanzliche Entscheidungsträger waren in der Welt der Höfe bekanntlich einer Vielzahl von Stimmen von Favoriten, Mätressen und „Parteien" ausgesetzt, die ihre Entscheidungen auf die eine oder andere Art beeinflussen konnten. Daneben spielten Tradition, persönliche Abneigungen und Prägungen (d. h. psychologische Momente) eine schwer zu bestimmende, aber nicht zu unterschätzende Rolle. Die Außenpolitik Friedrichs des Großen, die dieser weitgehend eigenständig und ohne Rückgriff auf das beratende Gespräch mit seinen Ministern gestaltete, stellt zweifellos eine Ausnahme frühneuzeitlicher Außenpolitik dar. Wobei man natürlich nicht vergessen darf, daß auch Friedrich auf die Informationen angewiesen war, die ihm seine Diplomaten und Agenten zur Verfügung stellten.16 Selten verfügt man über eine Quelle wie den Rechenschaftsbericht Graf Trauttmannsdorffs vom Westfälischen Friedenskongreß, in dem er die Bilanz seiner Verhandlungen zog und anhand der sich die „außenpolitische Entscheidungskontrolle und -korrektur" untersuchen läßt.17 Ansatzpunkt für den Historiker ist zumeist die Entscheidung, die ihren Niederschlag in einer Vielzahl von Quellen gefunden hat. So bewirkte ζ. B. das renversement des alliances, das die außenpolitische Entscheidung des Untersuchungszeitraums ist, in Frankreich eine intensive öffentliche Debatte, die von den Gegnern der Entscheidung dominiert wurde. Dabei tauschte man eine Vielzahl von Argumenten aus, aber über die der Entscheidung - der Allianz Frankreichs mit Österreich - vorausgehende Lagebeurteilung erfahren wir nur wenig. Die Rekonstruktion der Stufen eins bis drei außenpolitischer Entscheidungsprozesse, d. h. der Phasen der Perzeption, Information und Lagebeurteilung, stellt den Historiker hinsichtlich der Quellen vor erheblich größere Probleme als die Untersuchung der Entscheidung und ihrer Ergebnisse. Diese werden sichtbar in Dekreten, Verträgen, Denkschriften und Korrespondenzen. Aber gerade weil die ersten Stufen eines außenpolitischen Entscheidungsprozesses oftmals im dunkeln bleiben, erscheint es sinnvoll, Perzeptionsanalyse, Lagebeurteilung und Entwicklung politischer Optionen am Beispiel eines Krieges zu untersuchen, über den es heißt, „Neues zum Krieg und nachfolgenden Frieden ist nicht mehr zu sagen".1 Ansatzpunkte für die Perzeptionsanalyse bieten sich „vor allem in Umbruchsituationen, in denen sich als stabil angesehene Perzeptionsmuster schnell auflösen können [und] unterschiedliche Wahrnehmungen und Deutungen aufeinander [prallen]. Die Protagonisten von differierenden Perzeptionen liegen nicht nur im Meinungsstreit miteinander. Sie versuchen auch, ihre Sicht der Realität als die angemessenere erscheinen zu lassen".19 Dieses Aufeinandertreffen von Sichtweisen läßt sich besonders am Beispiel des renversement des alliances beobachten. Aufzuzeigen, daß die Untersuchung der Informationssammlung, der Lagebeurteilung und der aus ihr hervorgehenden Entwicklung von außenpolitischen Optionen durch die französische Diplomatie Neues über einen scheinbar vollständig erforschten Krieg hervorbringt, ist das Anliegen dieser Studie. Darüber hinaus belegt der Blick in die Tagespresse, daß eine Studie zum französischen Deutschlandbild nicht nur angesichts der seit längerem zu beobachtenden Renaissance der Geschichte der internationalen Beziehungen und der intensiven Erforschimg von „Bildern" keiner besonderen Legitimation bedarf. Ist in Deutschland ein Desinteresse am westlichen Nachbarn zu beobachten, feierten in Frankreich während der letzten Präsidentschaftswahl alte ' 6 Vgl. Scott, Prussia's Royal Foreign Minister. 17 Vgl. Acta Pads Westphalicae, I, 1, S. 451-457. 18 Wellenreuther, Der Vertrag zu Paris, S. 83. " Niedhart, Selektive Wahrnehmung und politisches Handeln, S. 149-150.

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Einleitung

Feindbilder fröhliche Urstände, gefördert nicht zuletzt durch einen Kandidaten, dessen Deutschlandbild noch immer im 19. Jahrhundert verwurzelt ist.20 Daher scheint es um so dringlicher, den ersten Versuch eines „deutsch-französischen Ausgleiches" - diese Vereinfachung sei hier gestattet - erneut zum Gegenstand einer historischen Studie zu wählen. Quellen und Methode Der Siebenjährige Krieg eignet sich besonders für die Anwendung der oben skizzierten Methodik der Perzeptions- und Entscheidungsprozeßanalyse. Am Beginn dieses Krieges, in dem Frankreich sein erstes Kolonialreich verlor, dagegen Preußen seinen regionalen Großmachtstatus gegen eine scheinbar übermächtige Koalition sichern konnte, steht mit dem renversement des alliances eine Entscheidung, die nicht zuletzt durch eine veränderte Perzeption und Beurteilung der politischen Situation im Alten Reich möglich wurde. Wie es zu diesem fundamentalen Bruch mit der bisher verfolgten Deutschlandpolitik kam und wie dieser zu bewerten ist, ist noch immer nicht umfassend geklärt.21 Das Deutschlandbild, das das renversement des alliances ermöglichte, wird daher eine der Leitfragen der Untersuchung bilden. Diese wird sich aber nicht allein auf dieses Ereignis beschränken, sondern versuchen, ein umfassendes Bild von den Kenntnissen, Interessen und Beurteilungen Deutschlands besser des Alten Reiches - innerhalb der französischen Diplomatie in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu zeichnen. Parallel dazu wird, ohne daß explizit immer wieder darauf hingewiesen wird, der „Realitätstest" der Perzeptionen durchgeführt, d. h. ihre „Überprüfung am gesicherten empirischen Material".22 Zwei Vorgehensweisen boten sich zur Umsetzung des Vorhabens an. Zum einen eine chronologische, die darauf abstellt, jeden Reichsstand, an dem französische Diplomaten im Untersuchungszeitraum akkreditiert waren, monographisch zu erfassen. Dies hätte jedoch die Gefahr des Verlustes einer klaren darstellerischen Linie in sich geborgen. Gewählt wurde daher der zweite Weg einer problemorientierten Darstellung, die sich an den Schwerpunkten der französischen Deutschlandpolitik orientiert. Der Siebenjährige Krieg ermöglicht die Konzentration auf zentrale Fragen des französischen Interesses an Deutschland, so ζ. B. auf die Frage nach der Rolle des Reiches und des entstehenden österreichisch-preußischen Dualismus. Im Laufe der Untersuchung stellte sich heraus, daß die politisch bedeutendsten diplomatischen Vertreter Frankreichs während des Krieges in Wien residierten. Mit ihnen korrespondierte Versailles auch über Angelegenheiten, die nicht in erster Linie den Wiener Hof betrafen, wie beispielsweise über das Schicksal der westfälischen Bistümer nach dem Tode von Kurfürst Clemens August 1760. In der Behandlung dieser und anderer Fragen wurde jedoch auf die gesamte Überlieferung der in Deutschland tätigen Diplomaten zurückgegriffen, so daß beispielsweise auch die Stimmen der im politisch unbedeutenden Hamburg residierenden Vertreter Ludwigs XV. berücksichtigt wurden. Daraus ergibt sich eine Gliederung, der folgende erkenntnisleitende Fragen zugrunde liegen: Erstens: Wie war die französischen Diplomatie in der Mitte des 18. Jahrhunderts strukturiert? Die Frage nach der Organisation der französischen Außenpolitik ist um so bedeutender, da nur die Kenntnis der Arbeitsweise des Ministeriums Aussagen über den Entscheidungsprozeß ermöglicht. Zweitens: Welches Bild zeichnen die französischen Diploma-

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Vgl. Roman Leick, „Das Zerbrochene Porzellan", in: Der Spiegel, Nr. 11, 15. März 1999, S. 224-225; Ders., „Wundersame Rettung", in: Der Spiegel, Nr. 52, 22. Dezember 2001, S. 133. Zum Stand der Forschung siehe S. 21-29. Niedhart, Selektive Wahrnehmung und politisches Handeln, S. 149.

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ten23 vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, von der politischen Ordnung Deutschlands? Drittens: Welches Bild übermitteln sie vom Siebenjährigen Krieg? Viertens: Kann man die Deutschlandbilder einzelner Akteure rekonstruieren bzw. ihre Sichtweisen in der Begründung von Entscheidungen aufspüren? Aus diesen Fragen resultiert der nachfolgend skizzierte Aufbau der Studie. Gegenstand des ersten Teils wird die Behandlung der Struktur des französischen Außenministeriums sein - des Aufbaus der Behörde, ihres Anteils und dessen der Mitarbeiter und Minister an der Formulierung der Außenpolitik. Von Versailles aus steuerte ein erstaunlich gut organisiertes Ministerium eine Vielzahl von Gesandten nicht nur im Reich, sondern in der ganzen Welt. Welchen Anteil haben die Gesandten am Entscheidungsprozeß? Was sind ihre Aufgaben im Hinblick auf die Information der „Zentrale"? Zudem interessiert die Ausbildung der Diplomaten. Was wurde in den Diplomatenschulen Torcys und Schöpflins gelehrt? Was steht im Mittelpunkt des Interesses eines Diplomaten, der einen Posten an einem fremden Hof übernimmt? Dabei soll anhand eines Blicks in die zeitgenössischen „Manuels" geklärt werden, ob das spezifische Erkenntnisinteresse der Diplomaten konstant bleibt. Die Rekonstruktion des Deutschlandbilds der „langen Dauer", in dem die Perzeption und Beschreibung der Verfassungsstrukturen und des Funktionierens des Reiches vor dem Hintergrund des Siebenjährigen Krieges untersucht werden, leitet den zweiten Teil ein, der sich mit folgenden Fragestellungen beschäftigt: Über welche Kenntnisse der komplizierten Mechanismen der Reichsverfassung verfügte man? Wie werden Konflikte im Inneren des Reiches während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wahrgenommen, beschrieben und bewertet? Welche Bedeutung hatte der Westfälische Frieden für das französische Bild des Alten Reiches und für die Reichspolitik im Siebenjährigen Krieg? Welche Rolle spielte das Reich im Siebenjährigen Krieg für die französische Deutschlandpolitik? Wie stand man zu Vorstößen, Reichsstände bzw. - gegen Ende des Krieges - das Reich aus dem Konflikt zu lösen? Wie beurteilte man Reformpläne, die auf eine grundsätzliche Umgestaltung des Reiches durch Säkularisationen abzielten? Gegenstand des dritten Teils der Arbeit ist die Rekonstruktion der französischen Perzeption der Führungsmächte des Reiches in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also von Brandenburg-Preußen und der Habsburgermonarchie, deren Gegensatz in Form des deutschen Dualismus die deutsche Geschichte für über hundert Jahre prägen sollte. Wie wurde preußische und österreichische Politik beurteilt, welche Entwicklung durchlief die Wahrnehmung der beiden Staaten während des Krieges? Dabei interessiert vor allem die Bewertung der umfangreichen Reformtätigkeit Maria Theresias wie auch die Darstellung Friedrichs II., der Repräsentanten des „aufgeklärten Absolutismus" in Deutschland. Dabei wird im Falle Österreichs chronologisch verfahren, d. h. es wird das jeweilige Bild der in Wien zwischen 1755 und 1763 akkreditierten Diplomaten rekonstruiert. Da die direkten diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen mit dem Kriegsausbruch 1756 abbrachen, entsteht das Bild Preußens und seines Herrschers durch die Auswertung der Korrespondenzen aller in Deutschland tätigen Diplomaten. Nachdem in den Abschnitten zwei und drei die Analyse des Gesamtbildes auf der Basis der Auswertung der diplomatischen Berichte aus ganz Deutschland überwiegt, werden abschließend vier individuelle „Deutschlandbilder" rekonstruiert: Es entstehen Momentauf-

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Im folgenden wild durchgängig der Begriff „Diplomat" verwendet, auch wenn er in der Mitte des 18. Jahrhunderts zur Bezeichnung der Gesandten noch nicht existierte, vgl.: Outrey, L'Administration française, S. 299-300; Ruiz, Origines de la diplomatie contemporaine, S. 48.

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nahmen auf der Basis von Denkschriften zweier premiers commis und zweier Diplomaten, die mit ihren Stellungnahmen versuchten, in den Entscheidungsprozeß zu intervenieren.24" Grundsätzlich ist zur Darstellungsweise anzumerken, daß den Äußerungen der Diplomaten und den Autoren von Denkschriften viel Raum gegeben wird und damit das deskriptive Element einen Vorrang vor dem analytischen erhält. Vor dem geistigen Auge des Lesers soll so das französische Deutschlandbild der Epoche entstehen. Er nimmt damit gleichsam die Position des Ministers oder des Königs ein, dem dieselben Schriftstücke vorlagen. Die Untersuchung basiert auf der Auswertung der im Untersuchungszeitraum entstandenen Korrespondenzen und Schriften, die sich in der Mehrzahl in den Archives du Ministère des Affaires étrangères in Paris befinden. Den Schwerpunkt der Quellen bilden dabei die Korrespondenzen zwischen den in Deutschland residierenden Diplomaten und dem Versailler Außenministerium. Daneben wurde aber auch der interne Schriftverkehr des Ministeriums in die Untersuchung mit einbezogen, der die in den Relationen enthaltenen Informationen zusammenfaßt und somit in den Entscheidungsprozeß integriert. Des weiteren wurden persönliche Papiere, Korrespondenzen und Selbstzeugnisse und Erinnerungen der Diplomaten berücksichtigt. Hier stehen mit den Mémoires des Abbé de Bernis und des Herzogs von Choiseul interessante Quellen zur Verfügung. Angesichts des Umfangs der diplomatischen Korrespondenz aus dem Alten Reich wurde darauf verzichtet, die ebenfalls umfassende Überlieferung der im Archiv des französischen Heeres in Vincennes befindlichen Korrespondenz der in Deutschland operierenden Armeen und ihrer Offiziere heranzuziehen. Stichproben an gedrucktem Material ergaben vor allem eine Konzentration auf militärische Fragen.25 Eine umfassende Sichtung des Materials in Vincennes würde eine eigene Monographie ergeben.26 Um die Differenz zwischen diplomatischen Relationen und anderen Quellen, die die Erfahrung des „Fremden" vermitteln - vor allem Reiseberichte, Reisetagebücher u. a. - zu verdeutlichen27, ist es notwendig, auf die verschiedenen Formen des gemeinhin als „diplomatische Korrespondenzen" bezeichneten Schriftgutes einzugehen. Man muß drei Formen von Schriftstücken unterscheiden, aus denen sich das Deutschlandbild der französischen Diplomatie herauskristallisiert.28 Erstens: die eigentlichen Koirespondenzen, d. h. die regelmäßig an den Hof verschickten Depeschen und ihre Beantwortung durch den Minister. Waren die Schreiben der Gesandten oftmals umfangreich und 24

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Mit diesem Aufbau geht die vorliegende Studie einen anderen Weg als die ebenfalls diplomatische Perzeption behandelnden Studien von Helmut Gabel und Volker Jarren zu den niederländisch-deutschen Beziehungen. Beide orientieren sich in ihren einleitenden Bemerkungen zwar am hier skizzierten Modell der Perzeptionsforschung, verbinden dies aber nicht mit dem Entscheidungsprozeß und entscheiden sich für eine „Längsschnittanalyse", die den Zeitraum vom Westfälischen bis zum Aachener Frieden (1648-1748), vgl. Gabelt Jarren, Kaufleute und Fürsten, bes. S. 43-45; 359-374. Vgl.: Bréard, Correspondance du général-major de Martange; Broglie, Correspondance inédite avec le Prince Xavier de Saxe. Die französische Besatzungsherrschaft in den westlichen preußischen Territorien auf Basis der Bestände in Vincennes dargestellt bei: Carl, Okkupation und Regionalismus. Innerhalb des Forschungsprojektes „Frankreich und Deutschland im Krieg (18.-20. Jh.): Zur Kulturgeschichte der europäischen ,Erbfeindschaft" unter der Leitung von Ute Daniel und Gerd Krumeich bereitet Ewa Herforth derzeit eine Studie über Alltag und die persönlichen Erfahrungen deutscher und französischer Kriegsteilnehmer vor. Ich danke Frau Herforth für ihren freundlichen Hinweis auf dieses Projekt (siehe auch: http://www.phil-fak.uni-duesseldorf. de/geschichte/neuegeschichte/dfg\erbfeindschaft.html). Auf diese Möglichkeit der Befragung diplomatischer Quellen weist Duchhardt, Frankreichs diplomatische Präsenz am Rhein, S. 100, hin. Weitere Details über die Quellen diplomatischer Provenienz siehe Kapitel A.

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gingen über mehrere Seiten, konnte sich die Antwort des Ministeriums oft nur auf wenige Sätze beschränken. Letztere liegen als Entwürfe vor, die Aufschluß über ihre Redaktion geben, die Depeschen hingegen als Ausfertigungen, d. h. meist chiffriert und dechiffriert. Zweitens: umfangreichere Denkschriften, Mémoires, Berichte, in denen der Gesandte seine Eindrücke zu einem Porträt des Staates und des Hofes, an dem er residiert, resümiert. Diese häufig als „Tableau de la cour de ..." überschriebenen Dokumente können durchaus mit den berühmten venezianischen Finalrelationen verglichen werden. Ihre Anfertigung war aber nicht wie in Venedig Pflicht, sondern wurde fallweise angeordnet. Drittens: die Instruktion, zweifellos eine der wichtigsten diplomatischen Quellen. In ihr werden die von den Gesandten gesammelten Informationen nach einem Prozeß der Sichtung und Beurteilung im Außenministerium zu einer neuen Mission zusammengefaßt. Die Instruktionen enthalten zudem nicht nur den Auftrag, mit dem der Gesandte auf die Reise geschickt wird, sondern auch meist eine zusammenfassende Darstellung der Auffassungen des Auftraggebers. Sie bilanzieren einen Entscheidungsprozeß, der mit der Entsendung des Diplomaten umgesetzt werden soll. Neben den genannten Schriftstücken müssen darüber hinaus die internen, im Laufe des Entscheidungsprozesses entstandenen Denkschriften berücksichtigt werden. Sie können Zusammenfassungen von Depeschen enthalten oder einzelne Aspekte eines Problems juristisch bzw. historisch ausleuchten und dienen oft der Information des Ministers in Detailfragen. Das in dieser Studie rekonstruierte Deutschlandbild setzt sich, vergleichbar dem Aufbau eines Gemäldes der Impressionisten, aus einer Vielzahl von einzelnen Punkten zusammen, die den oben beschriebenen Quellen entnommen und zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden müssen. Nur in wenigen Fällen wird sich ein Deutschlandbild exakt einem Diplomaten oder Minister zuordnen lassen. Gleichwohl rechtfertigen die hier zusammengetragenen Informationen den Begriff Deutschlandbild, denn sie repräsentieren die Motive und Themen, auf denen die französische Außenpolitik, speziell die Deutschlandpolitik, in der Mitte des 18. Jahrhunderts basierte. Zum Kontext: Internationales System und Siebenjähriger Krieg Abschließend ist noch auf den methodischen-theoretischen und den allgemeinhistorischen Kontext einzugehen, in den die vorliegende Studie einzuordnen ist und der im weiteren Verlauf nicht mehr bzw. allenfalls am Rande erwähnt werden kann. Die hier vorgelegten Forschungen stellen einen Beitrag zur Geschichte des frühneuzeitlichen internationalen (Staaten-)Systems dar. Unter Staatensystem wird ganz allgemein die Gesamtheit der Beziehungen, Verhaltensweisen, Mechanismen und Ordnungsprinzipien zwischen den dieses System konstituierenden Größen oder Akteuren verstanden. Diese Akteure sind in der frühen Neuzeit in erster Linie die souveränen bzw. nach Souveränität strebenden Staaten29. Da es aber auch in der Frühen Neuzeit durchaus bedeutende nichtstaatliche Akteure gab - ζ. B. die großen Handelskompanien der Engländer und Holländer, ein international agierender Orden wie die Jesuiten, aber auch Institutionen wie die Reichskreise - , wird im folgenden in erster Linie vom Internationalen System die Rede sein. Zentrale Kennzeichen internationaler System sind Interaktionsfähigkeit, Strukturen und

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Siehe Duchhardt, Reich in der Mitte des Staatensystems, S. 2, der Staatensystem definiert als „eine durch zahlreiche kulturelle, ökonomische und politische Verflechtungen verbundene Vielheit von politischen Organismen [...], deren mehr oder weniger ausgeprägte Interaktionen auf Dauer angelegt sind und nicht in erster Linie auf die Vernichtung des Partners und damit des Systems zielen". Vgl. auch Krüger, Einleitung.

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Prozesse oder Wandel.30 Diese können untersucht werden innerhalb verschiedener Ebenen, die von der Systemebene über Subsysteme, Einheiten (oder Akteure) bis hin zu Untereinheiten und Individuen reichen. Den Ebenen stehen verschiedene Sektoren gegenüber, auf die sich die jeweilige Untersuchung beziehen, so etwa Militär, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.31 In der vorliegenden Studie werden im wesentlichen Bereiche der Ebenen Einheit - Untereinheit - Individuum bezogen auf die Sektoren Politik und Militär behandelt. Die untersuchten Fragen - Perzeption und Entscheidungsprozeß - betreffen Interaktion und Prozeß als Systemmerkmale. Die hier rekonstruierten Bilder und Entscheidungen sind Bestandteil einer grundlegenden Veränderung innerhalb der Ordnung der Akteure des europäischen Staatensystems, deren Zustandekommen hier aus der Perspektive eines zentralen Akteurs dargestellt wird. Soweit der methodisch-theoretische Kontext der Studie. Die weltgeschichtliche Dimension, die sich mit dem renversement des alliances und dem Siebenjährigen Krieg verbindet, kann hier nur flüchtig skizziert werden. Ein Weltkrieg war der Siebenjährige Krieg nicht nur wegen der geographischen Ausdehnung der Kämpfe, sondern auch im Hinblick auf die Konsequenzen des Konfliktes. In Europa besiegelte der Ausgang des Siebenjährigen Krieges den Aufstieg BrandenburgPreußens zu einer Vor- bzw. Großmacht innerhalb des Staatensystems. Es trat damit neben die bereits anerkannten Mächte England, Frankreich, die Habsburgermonarchie und Rußland, das seit Beginn des 18. Jahrhunderts immer mehr in diese Rolle gewachsen war. Diese Pentarchie der Mächte bestimmte von nun an bis zum 20. Jahrhundert die wesentlichen Geschicke Europas. Eine Friedensordnung war damit nicht entstanden - es gelang nur, bis zum Ausbruch der Revolutionskriege 1792 die latenten Konflikte zwischen den Mächten der Pentarchie und ihren Bündnispartnern weitgehend friedlich zu regeln bzw. Kriege räumlich zu begrenzen (Bayerischer Erbfolgekrieg, Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg, Revolution in den Niederlanden).32 Die deutsche Geschichte bestimmte von nun an bis 1871 der Dualismus der Großmächte Österreich und Preußen. Die weltgeschichtliche Dimension des Siebenjährigen Krieges ergibt sich nicht nur aus den alle damals bekannten Erdteile umfassenden Kriegsschauplätzen, sondern vor allem aus den Konsequenzen des Krieges. Nachdem mit der Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Indien seit dem 16. Jahrhundert ein ökonomisches „Weltsystem" entstanden war, setzte im 18. Jahrhundert dessen zunehmende Umwandlung in ein von Europa dominiertes und kontrolliertes politisch-ökonomisches Weltsystem ein. Der Siebenjährige Krieg besaß fur diesen Prozeß eine katalysatorische Wirkung. So eröffnete die Vertreibung der Franzosen aus Indien den langsamen Weg zur völligen Unterwerfung Indiens unter britische Herrschaft.33 In Nordamerika verlor die Urbevölkerung, die bis dahin sich im Ringen zwischen Briten und Franzosen als eigenständige Akteure hatten etablieren können (vor allem die aus dem Zusammenschluß von fünf Stämmen der Seenregion gebildeten Five, später Six Indians Nations, die Irokesen34), nach 1763 zunehmend diesen Status. Die sich unmittelbar an den 30 31

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Das folgende gründet auf: Buzan, Little, International Systems, S. 68-110. Ibid. S. 77. Aufgeführt wird noch die Umwelt als weiterer Sektor, der ebenfalls durch internationale „Beziehungen" gravierende Veränderungen erfahren kann: Erinnert sei nur an die Einführung neuer Kulturpflanzen aus der Neuen Welt seit 1492. Vgl. den Überblick von Schroeder, The Transformation of European Politics, S. 3-52. Hierzu zusammenfassend: Erbe, Revolutionäre Erschütterung, S. 260-264; Bois, Paix des rois, S. 230-234; Marshall, The British in Asia. Über die Irokesen vgl. Richter, The Ordeal of the Longhouse, und die Ausführungen bei Welletireuther, Niedergang und Aufstieg, S. 52-70.

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Rückzug der Franzosen anschließenden Kämpfe zwischen Indianern und Briten waren zugleich der Anfang eines Verdrängungskampfes, der mit der Zwangsumsiedlung der Indianer in Reservate im späten 19. Jahrhundert beendet wurde.35 Daß London die Kosten des Siebenjährigen Krieges und der anschließenden Indianerkriege auf die Kolonien abwälzte, barg den Kern der ein gutes Jahrzehnt später ausbrechenden amerikanischen Revolution in sich. Die damit einhergehende Fixierung Englands und auch Frankreichs auf die Kolonien bewirkte in den Jahrzehnten nach 1763 einen weitgehenden Rückzug aus der europäischen Machtpolitik, was gravierende Konsequenzen barg, denn damit wurde Österreich, Preußen und Rußland die Einigung über die (Erste) Polnische Teilung erheblich erleichtert. Soweit die weltgeschichtliche Dimension des Siebenjährigen Krieges, die hier nicht weiter ausgeführt werden kann, gleichwohl aber den zentralen Ansatz für eine weitere Erforschung des Siebenjährigen Krieges darstellt. Die vorliegende Studie beleuchtet einen wichtigen Aspekt aus der Gesamtgeschichte des Krieges, nämlich die politische Neuorientierung Frankreichs, neben England und Spanien einer der Akteure, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts weltweit Interessen verfolgten. Nicht zuletzt die zunehmende Integration in globale Strukturen zwang Frankreich zum Überdenken der traditionellen Kontinentalpolitik. Zum Forschungsstand: Der Siebenjährige Krieg und das französische Deutschlandbild im 18. Jahrhundert Seinen 1986 erstmals publizierten Überblick zum Stand der Forschung der deutschfranzösischen Beziehungen im Bereich „Staat und Politik" in der Frühen Neuzeit beschloß Klaus Malettke mit der Feststellung, daß „insbesondere der Komplex deutsch-französischer Staatenbeziehungen für eine Reihe von Reichsständen immer noch nicht in wünschenswertem Umfang analysiert worden" sei und daß für „weitere Forschungen auf diesem Sektor" auch „in Zukunft viel Raum" bleibe.36 Auch Jean de Viguerie konstatierte 1995 in seinem jedoch nur die französische Forschung über „Frankreich im 18. Jahrhundert" berücksichtigenden Literaturüberblick, daß „die Geschichte der französischen Außenpolitik wäh-

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Mit dem Vertrag von Paris 1763 (und vorher mit der Kapitulation der Franzosen in Kanada 1760) wurden über die Köpfe der eigentlichen Bewohner Ansprüche auf den Besitz riesiger Landpartien (Ohioregion bis zum Mississippidelta) verschoben und zugleich für die nach Westen drängenden Siedler freigegeben. Der daraufhin als Reaktion auf die Kapitulation der Franzosen ausbrechende, flächendeckende Indianerkrieg, „Pontiac's Rebellion", konnte nur mit Mühe niedergeschlagen werden. Erst 1767 erkannten die Stämme die britische Oberherrschaft an - zugleich wurde ihnen noch einmal ein völkerrechtlicher Akteurstatus zugestanden. Doch der erreichte Friede sollte nicht von Dauer sein. Einerseits bedurfte die Überwachung der Grenze zwischen Indianerland und Kolonie der militärischen Präsenz und damit die Belastung der englischen Kassen. Die Umlage dieser Kosten auf die Kolonisten rief erheblichen Protest hervor und ebnete der Entfremdung und schließlich dem Unabhängigkeitskrieg den Weg - und lenkte die englische Aufmerksamkeit vom europäischen Kontinent ab. Der 1767 errungene Status wurde den Indianern von den Siedlern und nach der amerikanischen Unabhängigkeit immer mehr bestritten. Der Landnahme des Kontinents durch europäische Siedler waren sie nur im Wege. Ihren „völkerrechtlichen Status" sprach ihnen der am 3. März 1871 vom Kongreß beschlossene Indian Appropriations Act ab. Siehe hierzu: White, The Middle Ground, S. 269-314; Wellenreuther, Der Vertrag zu Paris, S. 109. Umfassend jetzt über England und Nordamerika: Anderson, The Crucible of War. Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 32-33; Malettke folgend wies auch Aretin 1988 auf die nur gering erforschte französische Deutschlandpolitik im 18. Jahrhundert hin, vgl.: Aretin, Die Großmächte und das Klientelsystem im Reich, S. 69, Anm. 17, S. 78-79.

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rend der Regierung Ludwigs XV. die Forscher in den letzten Jahren nur wenig angezogen hat".37 An dieser Situation hat sich seitdem nur wenig geändert.38 Die Monographien von Braubach über das renversement des alliances und von Skalweit über das Bild Friedrichs des Großen in Frankreichs öffentlicher Meinung aus den Jahre 1952 sind noch immer unersetzt, und mit ihnen hat jede Auseinandersetzung mit dem Thema zu beginnen.39 Darüber hinaus wurden seitdem französisch-deutsche Beziehungen im Rahmen von Darstellungen zur Außenpolitik einzelner Reichsstände abgehandelt. So können etwa die französisch-bayerischen Beziehungen dank der Forschungen von Peter C. Hartmann und Alois Schmid als ausreichend erforscht angesehen werden.40 Kleinere Studien wurden einem weiteren bedeutenden Aspekt der Kontakte zwischen Frankreich und Deutschland - den Streitigkeiten über den Verlauf der Westgrenze des Reiches - gewidmet.41 Sehen die oben genannten Autoren für das gesamte 18. Jahrhundert noch Forschungslücken, so stellt sich zwingend die Frage nach dem Forschungsstand zum Siebenjährigen Krieg. Der letzte große europäische Staatenkonflikt des Ancien Régime hat die historische Forschung bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts ungemein fasziniert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden noch immer grundlegende Werke, von denen die Edition der Memoiren und Briefe Cardinal Bernis' und Choiseuls, die Arbeiten Richard Waddingtons zum renversement des alliances und über den Siebenjährigen Krieg, das Werk des preußischen Generalstabs, die Edition der Korrespondenzen Maria Theresias und Friedrichs II., um nur einige Beispiele zu nennen, hervorzuheben sind.42 Aber schon Waddingtons monumentale Geschichte des Krieges blieb unvollendet, sie reicht nur bis 1761. Zudem leidet sie an einem überzogenen Negativbild Ludwigs XV. und der Madame de Pompadour. Seine Wertungen über die französische Politik beruhen vor allem auf der Auswertung der preußischen und österreichischen und nur in geringem Teil auf der Analyse französischer Quellen.43 Gleichwohl prägen Waddingtons Forschungen das Urteil über die französische Politik im Siebenjährigen Krieg bis heute.44

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Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1571: „L'histoire de la politique étrangère de la France sous le règne de Louis XV n'a pas beaucoup attiré les chercheurs dans les dernières années". Auf den Mangel an biographischen Forschungen zur Epoche Ludwigs XV. weist Michel Antoine in seinem Vorwort zu: Combeau, Argenson, S. I, hin. Zur Deutschlandpolitik der Regentschaft jetzt umfassend: Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik. Hinzuweisen ist in diesem Kontext auf die Forschung zum deutsch-französischen Kulturtransfer, in der Fragen der Außenpolitik kaum berücksichtigt werden (Ausnahme: Höpel, Diplomatischer Dienst und Kulturtransfer). Zum Kulturtransfer vgl.: Espagne, Werner, Transferts; Espagne, Middell, Von der Elbe an die Seine. Braubach, Versailles und Wien; Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große. Hartmann, Karl Albrecht; Hartmann, Geld als Instrument; Schmid, Max III. Joseph. Hinzuweisen ist auch auf die älteren Studien zu den kurpfälzisch-französischen Beziehungen von: Weber, Die Politik des Kurfürsten Karl Theodor (1742-1748); Olbrich, Die Politik des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz (1748-1756). Z. B.: Ammerich, Die Grenzverhandlungen zwischen Frankreich und Pfalz-Zweibrücken; Nœl, Le Problème des frontières. Grundsätzlich zur Entwicklung der Grenze jetzt: Nordmann, Frontières de France. Bernis, Mémoires, ed. Massen; der Text der Erinnerungen wurde unlängst wiederaufgelegt: Bernis, Mémoires, ed. Rouart/Bonnet; auch Choiseuls Memoiren sind in einer neueren Ausgabe zugänglich: Choiseul, Mémoires, ed. Guicciardi/Bonnet; zuvor: Choiseul, Mémoires, ed. Calmettes. Die älteren Ausgaben sind nach wie vor noch heranzuziehen, da sie umfangreicher sowohl in den präsentieren Texten als auch in der Kommentierung sind. Kritische Editionen fehlen. Waddington, Renversement; Waddington, La Guerre de Sept Ans; Großer Generalstab, Der Siebenjährige Krieg 1756-1763, 13 Bde., Berlin 1901-1914 (bis 1760); Arneth, Maria Theresia; Koser, Politische Korrespondenz. Wichtig auch: Volz/Küntzel, Akten. Vgl. z. B.: Waddington, Renversement, S. 64, 170, 187,210. Z.B. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 80-82.

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Mit dem Beginn des ersten Weltkrieges brach die Erforschung des Siebenjährigen Krieges ab, um erst durch die genannten Arbeiten Braubachs und Skalweits fortgesetzt zu werden. Braubachs Studie basiert auf der Auswertung der Korrespondenzen der französischen Gesandten in Wien aus der Zeit von 1698 bis 1756. Er will zeigen, daß das renversement keine plötzlich erfolgte Umgestaltung des Bündnissystems war, sondern daß seit den letzten Regierungsjahren Ludwigs XIV. immer wieder über eine Annäherung zwischen Versailles und Wien verhandelt wurde.45 Folglich nimmt die unmittelbare Entstehungsgeschichte der französisch-österreichischen Allianz nur relativ geringen Raum ein. Die Frage nach den Einschätzungen einzelner Entscheidungsträger in Versailles wird dabei nur am Rande angesprochen. Dies gilt insbesondere für die anti-österreichischen Stellungnahmen der premiers commis Bussy und Abbé La Ville.46 Dagegen legte Skalweit seinen Forschungen über das Friedrichbild in der öffentlichen Meinung Frankreichs die publizierten Quellen, vor allem Memorialliteratur und Briefwechsel, zu Grunde. Auf Äußerungen von Diplomaten wurde nur dann zurück gegriffen, wenn sie sich als Verfasser von Erinnerungen hervortaten, wie Bernis und Choiseul.47 Fortgesetztes Interesse in der Forschung hat die Frage nach den Ursachen des Siebenjährigen Krieges gefunden. Im Mittelpunkt der Diskussion stand lange Zeit die Frage nach dem Anteil Friedrichs des Großen am Ausbruch des Krieges. Den Auffassungen von Winfried Baumgart, der Rußland als den hauptkriegstreibenden Akteur des Staatensystems sieht48 und somit Friedrichs Agieren als rein defensiv betrachtet, wurde zuletzt mehrfach widersprochen. So konnte Michael G. Müller überzeugend darlegen, daß die russische Politik nicht auf die Vernichtung Preußens abzielte, vielmehr Preußen als Juniorpartner in ein gegen Frankreich und Polen gerichtetes Defensivsystem einbeziehen wollte. Innenpolitische Wirren, Strukturprobleme frühneuzeitlicher Kriegführung und das ungeliebte Bündnis mit Frankreich zeichnen letztlich verantwortlich für die oftmals wenig konsequente russische Kriegführung und ermöglichten somit das „Mirakel des Hauses Brandenburg".49 Und im Anschluß an Theodor Schieder hat Eberhard Weis betont, daß es Friedrich der Große selbst war, der durch sein Bündnis mit England den Weg zur französisch-österreichischen Allianz erst ermöglichte und mit dem Einfall in Sachsen Frankreich zur Intervention im Reich 50

zwang. Den Einfluß von Information und Perzeption auf den Entscheidungsprozeß während der Vorgeschichte des Krieges thematisierte erstmals Patrice Higonnet am Beispiel des englischfranzösischen Konfliktes in Nordamerika. Im hier zu behandelnden Kontext ist in Higonnets Studie wichtig sein Hinweis auf die Unsicherheit der französischen Außenminister Saint-

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Braubach, Versailles und Wien, S. 1-7; Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große. Braubach, Versailles und Wien, S. 428, 443. Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 3. Baumgart, Der Ausbruch, S. 159: „Ebenso wie sich die Furcht Mitteleuropas vor der russischen Militärmacht kontinuierlich von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg und darüber hinaus feststellen läßt, ist auch die Kontinuität der russischen Kriegsziele während dieses Zeitraumes evident. Im Petersburger Kriegsrat vom Frühjahr 1756 wurden Vorschläge zu einer territorialen Neuordnung Ostmitteleuropas ausgearbeitet, die in nahezu gespenstischer Weise den sowjetischen Plänen im Zweiten Weltkrieg und unmittelbar danach ähneln". Müller, Rußland und der Siebenjährige Krieg; Kunisch, Das Mirakel des Hauses Brandenburg. Weis, Das Konzert der europäischen Mächte, S. 320-321; vgl. auch die Zusammenfassung des Forschungsstandes bei Duchhardt, Das Zeitalter des Absolutismus, S. 189-191; vgl. auch die den Krieg in den Staatsbildungsprozeß der Neuzeit einordnende Studie von: Kroener, Herrschaftsverdichtung als Kriegsursache.

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Contest und Rouillé51, die in ihren Entscheidungen den Einflüssen der fuhrenden Mitarbeiter des Außenministeriums, den premiers commis, unterlagen.52 Deren Rolle wird daher ein immer wiederkehrendes Thema dieser Studie sein. Mit den geistesgeschichtlichen Voraussetzungen, die das renversement des alliances ermöglichten, setzte sich Johannes Burkhardt in einer 1995 publizierten Studie auseinander. Ihm ging es darum, zu zeigen, „daß zur Erklärung der Diplomatischen Revolution von 1756 die verschiedenen realpolitischen Gründe nicht ausreichen, vielmehr ein Wandel des formalen Geschichtsbewußtseins der Aufklärung selbst in Rechnung zu stellen ist, der sich an den diplomatischen Quellen nachweisen läßt".53 Der beinahe dreihundertjährige habsburgischfranzösische Antagonismus sei 1756 nicht zuletzt deshalb beendet worden, weil es den durch die aufklärerische Vorurteilskritik geprägten Akteuren - er nennt Kaunitz und Bernis gelungen sei, sich von den tradierten Auffassungen der Feindschaft zwischen den Dynastien zu lösen. Das Bündnis von 1756 sei ein markantes Beispiel dafür, daß sich aufklärerische Innovationsbereitschaft gegen die „tradierten Muster" durchsetzte.54 Vorurteilskritik habe die außenpolitische Tradition des habsburgisch-bourbonischen Gegensatzes delegitimiert und so den Weg zum Bündnis von 1756 geebnet. Burkhardt plädiert zudem dafür, statt des von Waddington geprägten Begriffes vom renversement des alliances den den Quellen entlehnten Ausdruck der diplomatischen Revolution zu verwenden. Dieser entspreche „der Sache nach exakt dem nicht nur allianztechnischen, sondern auch neuen geschichtlichen Verständnis der politischen Kultur der Zeit".55 Johannes Burkhardts Versuch, die Ereignisse von 1756 vor dem „Hintergrund eines sich wandelnden Geschichtsverständnisses" neu zu bewerten, hat Lothar Schilling aufgegriffen und weitergeführt.56 Der Zuspitzung auf den Zäsurcharakter des Bündnisses von 1756 bei Burkhardt hält Schilling jedoch entgegen, „daß das neue Bündnis keineswegs die radikale Abkehr von traditional rückwärts gewandten Zielen bedeutete und daß dessen Beibehaltung das Wiedererstarken des alten Mißtrauens und der Verstellung natürlicher Rivalität ebensowenig ausschloß wie die Instrumentalisierung der Verbindung zur Eindämmung der Verbündeten".57 Schillings Feststellung ist noch zu erweitern. Es ist zu fragen, ob dem in den Quellen anzutreffenden Revolutionsbegriff nicht doch noch die „alte", von der „revolutio" der Planeten beruhende Auffassung zu Grunde liegt. Demnach wäre nur - aus französischer Perspektive - Österreich an die Stelle Preußens getreten. Das Ziel der Deutschlandpolitik 51

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François Dominique Barberie de Saint-Contest (1701-1754), Außenminister 1751-1754; Antoine Louis Rouillé, Graf von Jouy und von Fontaine-Guerin (1689-1761), Außenminister 1754-1757; vgl. Antoine, Le Gouvernement et l'administration, S. 17-18,221. Higonnet, The Origins, S. 74-75: „Rouillé quickly fell under the control of the permanent staff of his ministry and particular of the Abbé de La Ville, who had worked with him when Rouillé was still minister of the navy; and Rouillé then as always dependent of his staff, had apparently become used to relying on his judgement". Über La Ville vgl. auch: Ozanam, Le Marquis d'Argenson, l'Abbé de La Ville, S. 430: La Ville „est consideré comme le bras droit et l'inspirateur de son ministre, le faible Rouillé, et en d'autres circonstances - si Louis XV avait fait confiance à son secrétaire d'État et non à Bemis - il aurait sans doute eu une influence de premier plan sur les décisions à prendre dans le domaine extérieur". Weitere Hinweise auf die Inkompetenz Rouillés: Antoine, Louis XV, S. 730-731, 735; Samoyault, Bureaux, S. 27; Labourdette, Vergennes, S. 40. Besonderen Einfluß auf Fragen der Beziehungen Frankreichs zu Spanien und zu den italienischen Staaten hatte bis ca. 1756 der Herzog von Noailles, siehe: Butler, The Secret Compact of 1753, S. 565. Burkhardt, Geschichte als Argument, S. 193. Ibid. S. 208. Ibid. S. 214-216, Zitat S. 216. Schilling, Wie revolutionär war das renversement des alliances?, S. 165. Ibid. S. 201-202.

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Frankreichs - dies werden die folgenden Kapitel zeigen - aber blieb gleich. Das Festhalten an einer bestimmten Tradition französischer Deutschlandpolitik zwang demnach zu einem als „revolutionär" im Sinne von umstürzlerisch empfundenen Akt. In diese Richtung weist Schilling bereits hin, wenn er darauf aufmerksam macht, daß die Interpretation des renversement lange durch ideologisch-politische Gegensätze und Traditionen geprägt wurde und regt die Untersuchung vor allem von Perzeptionsmustern und Ordnungsvorstellungen an.58 Letzteres ist Gegenstand dieser Studie. Schilling und Burkhardt stützen sich in ihrer Argumentation vor allem auf die Denkschriften Kaunitz' und auf die edierten Instruktionen der französischen Botschafter. Gerade die französischen Instruktionen spiegeln aber nur unvollkommen den Gang der Diskussionen in Versailles wider. Die Durchsicht der verschiedenen Korrespondenzen Versailles' mit seinen Agenten in Deutschland und die Analyse von Denkschriften verschiedener außenpolitischer Berater Ludwigs XV. führt, dies sei an dieser Stelle schon als These formuliert, jedoch zu von Burkhardt deutlich divergierenden Ergebnissen. Die von ihm zitierten Instruktionen belegen eindrucksvoll die Auffassung der Zeitgenossen vom Zäsurcharakter des Bündnisses von 1756. Doch sie enthalten auch immer wieder die Betonung des Festhaltens an den traditionellen Zielen französischer Reichspolitik, nämlich der Wahrung der durch den Westfälischen Frieden begründeten Ordnung. Es war gerade diese traditionelle Perzeption der politischen Struktur des Reiches und der dadurch geprägten Auffassung von der Rolle Frankreichs im Reich, die zum Versailler Vertrag von 1756 führte. Die grundlegende und entscheidende Bedeutung des Westfälischen Friedens für die französische Deutschlandpolitik des Ancien Régime wird sowohl von Schilling als auch von Burkhardt nicht in ihrem ganzen Ausmaß erkannt. Nicht ohne Zufall enthält der Versailler Vertrag vom 1. Mai 1756 noch vor der gegenseitigen Bestandsgarantie der Vertragsschließenden die Bestätigung des Westfälischen Friedens und der Folgeverträge des 17. und 18. Jahrhunderts.59 Obwohl die neueste Monographie über die deutsch-französischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Eckart Buddruss mit dem Jahr 1756 beginnt, steht im Mittelpunkt dieser Untersuchung nicht der Siebenjährige Krieg und das renversement des alliances. Den aus den Quellen erarbeiteten Schwerpunkt bilden vielmehr die Jahre von 1763 bis zur Französischen Revolution.60 Welche Akzente setzt Buddruss in der Behandlung der französischen Außenpolitik und des Siebenjährigen Krieges? Buddruss rekonstruiert das Zustandekommen und die Entwicklung des Bündnisses zwischen Wien und Versailles vornehmlich auf der Basis der älteren Literatur und der edierten Quellen. Auch Buddruss bestätigt den Zäsurcharakter der Westminsterkonvention für die französisch-österreichischen Verhandlungen. Er ist aber der Ansicht - und stützt sich dabei auf Richard Waddington - , daß nach dem Abschluß des englisch-preußischen Bündnisses „nichts einer Verlängerung des preußisch-französischen Defensiwertrages entgegenstand] 58 59

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Ibid. S. 166-167. Consolidated Treaty Series, Bd. 40, S. 339: Artikel II des Versailler Vertrages vom 1. Mai 1756, „Le Traité de Westphalie de 1648, et tous les Traités de paix et d'amitié, qui depuis cette époque ont été inclus et subsistent entre Leurs dites Majestés, et en particulier la Convention, ou Acte de neutralité signé aujourd'hui, sont renouvellés et confirmés par le présent traité, dans la meilleure forme, et comme s'ils étoient insérés mot à mot". Die bedeutendste Quellenedition zum Siebenjährigen Krieg bzw. zur Vorgeschichte ist: Volz, Küntzel, Akten. In der ansonsten veralteten und stark dem zeitgeschichtlichen Kontext ihrer Entstehung verbundenen Arbeit von Creizenach wird dies - zu Recht - hervorgehoben: Der Westfälische Frieden „sollte von nun an die feste Grundlage des politischen Systems bis zum napoleonischen Zeitalter werden". Creizenach, Deutsches Reich und deutscher Staat, S. 21. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, zum Siebenjährigen Krieg S. 70-120.

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und die Verlängerung dieses Vertrages [...] durchaus mit dem Abschluß einer Neutralitätskonvention zwischen Frankreich und Österreich kompatibel gewesen [wäre]".61 Die gekränkte Eitelkeit Ludwigs XV. habe jedoch seine politische Urteilskraft getrübt, und man habe beschlossen, Friedrich II. für seinen erneuten Treuebruch zu bestrafen, obwohl Frankreich sich keineswegs in der aussichtslosen Lage befand, wie sie Broglie, Gaxotte und zuletzt Antoine zeichnen.62 Es stellt sich jedoch die Frage, ob man den Wertungen Waddingtons trotz der Ausgewogenheit seiner Studien - noch ohne weiteres folgen kann. Denn auch Waddingtons Forschungen fallen in den Zeitraum der deutsch-französischen „Erbfeindschaft" der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Waddington bezieht sich in seinen Wertungen auf die Urteile seiner Zeitgenossen (Broglie), deren Interpretation erheblich stärker als die seinen vom deutsch-französischen Gegensatz der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt war. Doch auch Waddingtons Bewertung des renversement ist politisch gefärbt. Seiner Auffassung nach verhinderte Friedrich der Große aus eigenem Interesse eine Zusammenfiihrung Deutschlands unter österreichischer Herrschaft. Durch die Allianz mit Wien hätte Frankreich im 18. Jahrhundert fast geholfen, Deutschland zu einigen. Dies sei jedoch eine Politik gewesen, die keineswegs französischem Interesse entsprochen habe.63 Doch erwies sich für Frankreich und für Wien das renversement und das Festhalten an der Allianz bis zum Ausbruch der Revolutionskriege tatsächlich als der richtige Weg, denn Italien, den Territorien rechts und links des Rheins und den habsburgischen Niederlanden, den traditionellen Schlachtfeldern zu Zeiten der Konfrontation Habsburg-Bourbon, wurde für ein halbes Jahrhundert Frieden beschert.64 Diese Tatsache muß in die Bewertung der Politik Ludwigs XV. mit einfließen. Das Bündnis von Versailles ermöglichte in Italien die Fortsetzung einer Entwicklung, die ihren Ausgangspunkt im Frieden von Aachen hatte, denn die neue Koalition wies den König von Sardinien, den ständigen Unruhestifter auf der Halbinsel, in seine Schranken. Den Turiner Herrschern war es nun nicht mehr möglich, wie in den 150 Jahren zuvor, Versailles und Madrid bzw. Wien gegeneinander auszuspielen.65 Buddruss fragt auch nicht nach den Konsequenzen des englisch-preußischen Bündnisses für das Deutschlandbild der französischen Außenpolitik. Entstand mit der Allianz LondonBerlin nicht ein protestantischer Block in Norddeutschland, der nicht nur die Existenz der kleineren Reichsstände, besonders der westfälischen Bistümer Osnabrück, Münster und Paderborn sowie des Kurfürstentum Kölns, gefährden, sondern auch den Fortbestand des Reiches bedrohen könnte? Eine genaue Prüfung der im Kontext der Verhandlungen von 1755 bis 1756 entstandenen Korrespondenzen und Denkschriften wird zeigen, ob und inwieweit Buddruss' Standpunkt zu modifizieren ist. Daß Frankreich kein Interesse an der Rückstufung Preußens auf das Niveau einer „puissance très secondaire" hatte, wie es Kaunitz Jahrzehnte später im Kontext des bayerischen 61 62 63

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Ibid. S. 80; Waddington, Renversement, S. 367-368. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 79-80 und dort Anm. 66-69. Waddington, Renversement, S. 370, 530-532; zum Kontext vgl.: Gödde-Baumanns, Deutsche Geschichte in französischer Sicht, S. 119-123. Bérenger, Meyer, La France dans le monde, S. 216-217: „Mais surtout la nouvelle alliance a apporté un demi-siècle de paix à la Rhénanie, aux Pays-Bas et aux provinces françaises du nord-est, de même que la Paix d'Aix-la Chapelle a assuré la tranquilité de la Lombardie, bref les traditionnels champs de bataille de l'Europe moderne, qui, depuis le XVIIe, servaient de champs clos pour le règlements de compte entre Habsbourg et Bourbons, ont connu enfin une longue période de interrompue seulement par les guerres de Révolution et point de départ d'un remarquable démarrage économique et de sérieux progrès dans le domaine de la culture et de l'éducation". Am Rande erwähnt auch bei: Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 39. Frigo, Principe, Ambasciatore e „jus gentium", S. 20; Butler, The Secret Compact of 1753, S. 575.

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Erbfolgekrieges rückblickend formuliert hatte66, verdeutlicht eine von Buddruss zitierte, bisher unbekannte Denkschrift Bernis' vom Sommer 1756. Darin warnte der Abbé vor „einer zu weitreichenden Schwächung Preußens".67 Zwar gab er bald dem österreichischen Drängen nach und sagte französische Hilfe gegen Preußen zu, doch welche Überlegungen Bernis' Argumentation zugrunde lagen, analysiert Buddruss nicht. Ebenfalls außer acht bleibt die Frage, inwieweit bei der Entscheidungsfindung, die zum renversement führte, die Leitvorstellung von der Wahrung des Mächtegleichgewichts von Bedeutung war. Bewirkte der Einmarsch Friedrichs des Großen in Sachsen tatsächlich nur eine Bestätigung der Grundsatzentscheidung, Preußen dauerhaft, durch Entzug seiner materiellen Grundlagen, zu schwächen?68 Sicherlich bietet die französische Außenpolitik 1755-1756 kein einheitliches Bild, was nicht zuletzt auf die Nebenaußenpolitik Ludwigs XV. im secret du roi zurückzuführen ist. Fehlte ihr es aber deshalb tatsächlich an „Kohärenz und Rationalität"?69 Diese hier nur andiskutierten Probleme der Studie Buddruss' - zweifellos eine der wichtigsten neueren Arbeiten zu den deutsch-französischen Beziehungen - belegen, von welch entscheidender Bedeutung eine tiefgehende Analyse des Entscheidungsprozesses und der die Akteure prägenden Auffassungen ist. Doch bevor wir uns mit dem Außenministerium und den institutionellen und mentalen Rahmenbedingungen der französischen Diplomatie beschäftigen, muß man einen Blick auf einen weitere Problemkomplex werfen, das sich aus der Frage nach dem „Bild des Anderen" ergibt: gab es Stereotypen und Klischees, die das französische Deutschlandbild der frühen Neuzeit prägen? Finden sich die die französische Literatur der Frühen Neuzeit prägenden Deutschlandbilder auch in den diplomatischen Korrespondenzen wieder? Stereotype Deutschlandbilder in Frankreich in der Frühen Neuzeit Bereits für das 18. Jahrhundert muß man konstatieren, daß das Urteil über Deutschland „in Vorstellungen wurzelt, die sich über Jahrhunderte herausgebildet haben und in ihrer komplexen Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit das französische Deutschlandbild prägen".70 Zu den wichtigsten Stereotypen über Deutschland und die Deutschen gehören die Schwerfälligkeit, mangelnder „Esprit", die Streitsucht und nicht zuletzt die Trinksitten. Manche dieser Urteile gehen noch auf Tacitus' Germania zurück.71 Diese Stereotypen über Deutschland fanden Verbreitung in literarisch interessierten Kreisen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß sie der Mehrheit der französischen Diplomaten - die zumeist eine gehobenere Bildung genossen hatten - in irgendeiner Form präsent waren. Eingang in die politische

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Aretin, Das Heilige Römische Reich, Bd. 2, S. 1-2. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 85-86. Ibid. S. 88: „Der Effekt von Friedrichs Einmarsch in Sachsen beschränkte sich bei aller Empörung, die er in Versailles auslöste, hinsichtlich der Kriegsziele der französisch-österreichischen Allianz lediglich darauf, daß Versailles nun das, was man bisher nur implizit zu billigen bereit gewesen war, vertraglich als gemeinsames Kriegsziel fixierte". Ibid. S. 92, Anm. 145. Ähnlich auch Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 322-323, der in diesem Kontext von der „Inaktivität und Lethargie Frankreichs", vom Mangel „einer wirklichen außenpolitischen ,Philosophie"' spricht. Leiner, Das Deutschlandbild in der französischen Literatur, S. 1. Ibid. S. 17-56. Von nur geringem Wert ist die Studie von Marquis, Aux Origines de la germanophobie, die sich mit der Präsentation einschlägiger Stereotypen begnügt, vgl. dazu den Kommentar von: Duchhardt, Frankreichs diplomatische Präsenz am Rhein, S. 100.

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Publizistik der Epoche fanden sie kaum.72 Im Unterschied zur Tradierung dieser Stereotypen durch schlichte Übernahme73, bot sich den Diplomaten die Gelegenheit, anläßlich einer Mission ins Reich diese Vorurteile einer Überprüfung zu unterwerfen. Ob sich diese Überprüfung letztlich auch in ihrer Korrespondenz niederschlug, ist eine andere Frage. Das 18. Jahrhundert markiert einen Umschwung im Deutschlandbild des literarischen Frankreich. War die Auseinandersetzung mit dem Nachbarn bis dahin von Arroganz und Selbstsicherheit geprägt, begann man seit der Mitte des Jahrhunderts, die Leistungen der Deutschen positiver zu bewerten. Dies hing vor allem mit Entwicklungen in Frankreich zusammen. Bis weit ins 18. Jahrhundert betrachtete man in Frankreich die französische Kultur als das einzige wahre Modell „der Anmut, der Darstellung psychologischer Nuancen, der Eleganz, der Urbanität" und stellte ihr das Bild vom pedantischen, schwerfälligen und streitsüchtigen Deutschen entgegen.74 Im Zuge einer verstärkten Kritik am Modell der französischen Klassik, wie sie von Le Sage, Montesquieu und Voltaire geäußert wurde, fand man nach der Jahrhundertmitte jenseits des Rheins neue Vorbilder. Die Hinwendung des literarischen Geschmacks zur Sensibilität ebnete der bislang verachteten deutschen Literatur eine enthusiastische Aufnahme. „Nach der Phase der Weltlichkeit, der Epoche, in der rationalistischer Geist triumphiert hatte, wird nun plötzlich der Wunsch spürbar, sich den Urkräften, den naturverbundenen Sitten, dem Mystischen, der Seele, dem Religiösen zuzuwenden".75 Für diese Entwicklung kam dem Siebenjährigen Krieg entscheidende Bedeutung zu. Denn die französische Armee sah sich im Reich einer Welle des Patriotismus' gegenüber und mußte bei Rosbach eine demütigende Niederlage hinnehmen.76 „Die preußische Propaganda verstand es, Friedrichs Siege als Revanche für die französische Arroganz darzustellen".77 Auf den „roi philosophe" Friedrich II. werden Wünsche und Hoffnungen der Öffentlichkeit projiziert, die er allerdings - wie die Geschichte seiner Freundschaft mit Voltaire zeigt - keineswegs erfüllte.78 Die Neubewertung Deutschlands - jetzt das „Land der Dichter und Denker" - kulminierte schließlich im Werk der Madame de Staël, in deren De l'Allemagne (1810) alte und neue Deutschlandbilder eine Synthese bilden. Madame de Staël repräsentierte eine neue Epoche des französischen Deutschlandbildes: das der Revolution und der Emigration, mit dem wir uns hier aus naheliegenden Gründen nicht weiter beschäftigen.79

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Was die Perception des Alten Reichs durch Publizisten und Philosophen betrifft, so kann man diesen Komplex mittlerweile als gut erforscht bezeichnen. Den Pionierstudien Malettkes (jetzt in: Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 169-261) folgten jetzt weitere, die einen hohen Kenntnisstand zu Fragen der Reichsverfassung und Reichspublizistik in Frankreich belegen. Für den Abbé de St.-Pierre und Jean-Jacques Rousseau hatte das Reich sogar Modellcharakter. Vgl.: Wrede, Das Reich und seine Geschichte; Wrede, Die Reichsverfassung; Braun, Scheid, Necker et Dupal; Asbach, Politik und Frieden beim Abbé de Saint-Pierre; Asbach, Internationaler Naturzustand und Ewiger Friede. Leiner, Das Deutschlandbild in der französischen Literatur, S. 54. Fink, Vom Alamodestreit zur Frühaufklärung, S. 12. Leiner, Das Deutschlandbild in der französischen Literatur, S. 82. Über die Reaktionen auf Rosbach siehe unten Kap. C I 2. Eine Auswahl deutscher Spottverse auf den Befehlshaber der französischen Armee, Soubise, in: Volz, Friedrich der Große, Bd. 2, S. 46-47. Fink, Patriotisme et cosmopolitisme en France et en Allemagne, S. 31: „Et la propagande prussienne s'entendit à présenter les victoires de Frédéric comme autant de revanches sur l'arrogance des Français". Zum Deutschlandbild Voltaires: Leiner, Das Deutschlandbild in der französischen Literatur, S. 84-76; Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 220-235; Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 40-65; Magnan, Voltaire en Prusse. Vgl. Leiner, Das Deutschlandbild in der französischen Literatur, S. 86-93.

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Hinsichtlich der in der Literatur verbreiteten und hier nur stichwortartig skizzierten Stereotype über Deutschland und die Deutschen kann bereits an dieser Stelle festgestellt werden, daß diese so gut wie nie in den Korrespondenzen der Diplomaten anzutreffen sind.80 Allenfalls kritische Äußerungen über das Verhalten einzelner Fürsten und Höflinge finden sich. Vielleicht ist dies ein Indiz für die seit der Mitte des Jahrhunderts zu beobachtende Neubewertung Deutschlands. Nur selten wird in den Korrespondenzen von allgemeinen „deutschen" Charaktereigenschaften gesprochen. Anläßlich eines Konflikts mit dem pfälzischen Residenten am Reichstag berichtet der französische Diplomat Mackau von der antifranzösischen Stimmung im Reich und erwähnt dabei einen „deutschen Dünkel", dem man entgegentreten müsse.81 Und im Kontext der Aufkündigung der Konvention von Kloster Zeven (1757) prangert der Gesandte in Mannheim, Baron Zuckmantel, Hinterlist und Perfidie als Charakterzug der Deutschen an. Die Deutschen seien nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht und würden sich nicht an einmal eingegangene Verpflichtungen halten. Nur durch Härte und Unnachgiebigkeit könnte man erreichen, daß sie einem nicht in den Rücken fallen.82 Verallgemeinerungen dieser Art bilden eher die Ausnahme denn die Regel in den Korrespondenzen der französischen Gesandten im Reich. Das bedeutet natürlich nicht, den Diplomaten wären die gängigen Stereotypen über Deutschland unbekannt - sie ließen diese nur nicht in ihre regelmäßige Korrespondenz mit dem Ministerium einfließen. Auch im innerbehördlichen Schriftverkehr in Versailles kommen Simplifizierungen über „die Deutschen" oder Deutschland nicht vor. Somit zeigen diese wenigen Beispiele, wie wichtig es sein kann, diplomatische Quellen für die „Perzeptionsforschung" heranzuziehen. Es liegt auf der Hand, daß das hier auszuwertende Quellenmaterial andere Informationen über Deutschland vermittelt als die zeitgenössische „schöne" Literatur, die mit der Beschreibung der Jugend Candides im Schloß des Barons Thunder-ten-tronck aus Waldberg-hofftrerbk-dikdorff durch Voltaire (1757) ein letztes Beispiel für die Geringschätzung Deutschlands durch Frankreichs intellektuelle Elite gibt.83

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Eine Entwicklung, die auch schon an den Korrespondenzen der Diplomaten aus der Regentschaft zu beobachten ist, vgl. Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 352. „Je connois ce pays ci, Monseigneur, l'on nous y déteste, mais je crois de l'intérêt de nos affaires d'empêcher qu'on nous y méprise publiquement, la morgue allemande devient insoutenable dès qu'on lui lâche la bride", AAE CP Allemagne 606, Mackau an Choiseul, 24. Dezember 1759, fol. 203-207', fol. 206r. „II n'est personne qui ne condamme hautement la démarche pleine de perfidie des Hannovriens. Les nouvelles qui nous viennent de ce pays là annoncent toutes qu'ils sont résolus à consommer une trahison qui ferait rougir les nations les plus barabares. Tous les gens bien intentionnés espèrent qu'ils ne tarderont pas à avoir lieu de s'en repentir et le mépris qu'ils font de leurs engagemens leur coûtera cher. Tel est le caractère des allemands qu'ils ne se retiennent qu'à force de précaution et tant que l'intérest ou la crainte les enchaînent; Ils se font peu des scrupules de changer les mesures suivant les circonstances quand ils croyent pouvoir le faire avec impunité. Malheuresement la reconnoissance même n'est point un frein capable de les contenir dans les intérêts d'un allié auquel ils auraient d'ailleurs les plus grandes obligations, ce qui doit bien faire sentir que ce serait une indulgence déplacée que de ne pas pousser les avantages que l'on a sur ses ennemis aussi loin qu'on le peut, puisqu'ils sont dans l'usage d'attribuer à foiblesse et à impuissance tout le mal que l'on ne leur fait pas", AAE CP Palatinat-Deux Ponts 85, Zuckmantel an Bernis, 6. Dezember 1757, fol. 357r-360v, fol. 359v-360r. Leiner, Das Deutschlandbild in der französischen Literatur, S. 69-71.

Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

I. Das Außenministerium Im Sommer 1755, als der britisch-französische Konflikt sich langsam auf Europa auszuweiten begann, verfügte Ludwig XV. an 13 Höfen und Institutionen im Heiligen Römischen Reich über akkreditierte Gesandte in unterschiedlichen Rängen, die ihn beständig über die Ereignisse in Deutschland informierten. Gegen Ende des Siebenjährigen Krieges waren es 20, die aber über mehr als ein Territorium zu berichten hatten. So betreute ζ. B. der französische Resident in Hamburg zugleich die Kreistage des niedersächsischen Kreises, die Reichsstädte Bremen und Lübeck sowie das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin. Diese Vertreter des Königs von Frankreich schrieben in regelmäßigen Abständen an den Außenminister, der wiederum den König informierte. Zählt man zu den hier aufgelisteten Diplomaten noch die an den anderen europäischen Höfen akkreditierten Vertreter hinzu (19 im Jahre 1755; 20 sieben Jahre später), stellt sich die berechtigte Frage nach der Administration des französischen Außenministeriums: Wie gelang es, die Flut von Depeschen zu ordnen, sie zu beantworten und die darin enthaltenen Informationen zu exzerpieren, zu bewerten? Und wie wurden die erhaltenen Informationen in Entscheidungen umgesetzt, die dann wieder den Gesandten mitgeteilt werden mußten?1 Die premiers commis Das französische Außenministerium, das bis 1763 im linken Flügel des Versailler Schlosses untergebracht war2, hatte seit seinen Anfangen im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert eine kontinuierliche Expansion und Professionalisierung seiner Arbeit durchlaufen. Nachdem unter den letzten Valois (zwischen 1547 und 1589) die Administration des Königreiches unter mehreren, schließlich vier secrétaires d'État aufgeteilt worden war, entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten eine zunehmend rationalisierte Zuordnung der einzelnen Aufgabenbereiche. Betreuten die auswärtigen Angelegenheiten im Jahre 1624 noch zwei Staatssekretäre, so bemühte sich Kardinal Richelieu, leitender Minister Ludwigs ΧΠΙ. (1610-1643), in der Folgezeit um die Konzentrierung der Außenpolitik in einem einzigen Ressort. Zur Bewältigung ihrer Aufgabe wurde dem secrétaire d'État schon bald ein persönlicher Sekretär zugeordnet, aus dem sich das Amt des premier commis entwickelte.3 1 2 3

Die Zahlen nach: Repertorium der diplomatischen Vertreter, Bd. 2, S. 100-133. Samoyault, Les Bureaux, S. 132. Zur Entstehungsgeschichte des Staatssekretariats des Äußeren und der premiers commis siehe: Luçay, Les Origines du pouvoir ministériel; Mousnier, Les Institutions de la France, Bd. 2, S. 132-179; Barbiche, Les In-

I. Das Außenministerium

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Diese übernahmen den Großteil der anfallenden Arbeiten. Gab es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts meist nur ein oder zwei premier commis, kam es im Laufe der Regierung Ludwigs XIV. zu einer zunehmenden Spezialisierung. Die premiers commis standen in zunehmenden Maß selbst Abteilungen (bureaux politiques) vor, in denen die anfallenden Schreibarbeiten erledigt wurden. Im 18. Jahrhundert setzte sich die Aufteilung des Ministeriums in zwei bzw. zeitweise drei bureaux politiques durch. Die Zuordnung der Arbeitsbereiche war nicht immer logisch organisiert, so winden zeitweilig die Angelegenheiten des Reiches und die des Kaisers getrennt bearbeitet.4 Die premiers commis beaufsichtigten im 18. Jahrhundert eine zunehmende Schar von untergebenen Sekretären (commis). Bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges waren in den bureaux ca. 30 Personen damit beschäftigt, die täglich eintreffenden Depeschen zu bearbeiteten, abgehende zu kopieren und zu chiffrieren. Oft redigierten die premiers commis ohne weitere Rücksprache die Antworten und betreuten zeitweise eigenständig die Korrespondenz mit einem Diplomaten. So findet man seit 1758 auf den Entwürfen der Korrespondenz mit einzelnen Residenten regelmäßig den handschriftlichten Vermerk des Herzogs von Choiseul (Außenminister von 1758-1761), ,approuvé". Dieser besagt, daß der premier commis den Entwurf vor der Reinschrift dem Außenminister vorgelegt und jener mit dem Vermerk sein Placet zur Ausfertigung gegeben hatte.5 Choiseuls Charakterisierung ihrer Arbeit trifft daher durchaus zu: „Die premier commis hatten die Aufgabe, die Schriftstücke hinzukritzeln, während sich der Minister darauf beschränkte, jenes Komma zu setzen, das den Sinn bestimmte. Doch gerade durch ihr Tintengekleckse oder durch die Redaktion der Memoranden übten die premiers commis ihren Einfluß aus".6

Die premiers commis entschieden außerdem oft darüber, welche Depeschen dem König und dem Staatssekretär (Minister, falls er Sitz im conseil d'État hatte) zur Bestätigung vorgelegt wurden. Ihre Bedeutung für die Formulierung der französischen Außenpolitik darf daher nicht unterschätzt werden. Die Außenminister Ludwigs XV. blieben oftmals nur kurze Zeit im Amt - die premiers commis aber wurden bei Ministerwechseln in der Regel in ihrer Funktion bestätigt.7 Durch ihre Erfahrung (der Abbé de La Ville war - mit kurzer Unterbrechung von

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stitutions de la monarchie française, S. 124-126; 229-237; Piccioni, Les Premiers commis, S. 13-25; Picavet, La Diplomatie française, S. 13-69; Outrey, L'Administration française, S. 300-318. Für das 18. Jahrhundert jetzt grundlegend: Samoyault, Les Bureaux, S. 21-61 und passim, zum Außenministerium während der Régence: Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 47-56. Samoyault, Les Bureaux, S. 51. AAE CP Mayence 51, fol. 45'~v, Choiseul an Kempfer, 29. Juli 1759, Vermerk fol. 45r. Zahlreiche Depeschen Kempfers wurden mit dem Vermerk „Mr de Bussy" versehen und gleich an den premier commis weitergeleitet. Die gleiche Vorgehensweise findet sich auch in den Hamburger Korrespondenzen, vgl.: AAE CP Hambourg 84, fol. 296Γ-297ν, 300-302', 303r-304r (Oktober-November 1760); siehe auch: CP Hambourg 86, fol. 195-196', 205-207' (September 1762); CP Palatinat-Deux-Ponts 88, fol. 36'"v, 96-97', 291-292', Juli-Dezember 1759; CP Bavière 139, fol. 255-256', (August 1759); CP Autriche 277, fol. 350'"v, dort heißt es auf einem Brief des Bischofs von Lüttich an Choiseul: „M. de Bussy, faire une response pour l'envoyer à M. le duc de Choiseul" (fol. 350'). „Les premiers commis avaient pour rôle de ,barbouiller' les notes où le ministre se bornait ensuite à .placer la virgule qui détermine le sens'. Or c'est précisément par le barbouillage ou la rédaction de ces notes et des mémoires que s'exerçait l'influence des premiers commis". Zit. nach: Piccioni, Les Premiers commis, S. 51. Samoyault, Les Bureaux, S. 60-61: „Les premiers commis des Affaires étrangères ont donc joué un rôle politique important, variable néanmoins suivant des personnalités en presence [...] Il apparaît que lorsque le ministre est inférieur à sa tâche, le premier commis agit et prend les décisions à sa place: ainsi Bussy sous

Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

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1751 bis 1755 - von 1749 bis 1774 als premier commis tätig), gewonnen bei der tagtäglichen Arbeit an den Korrespondenzen, verkörpern sie die Kontinuität der französischen Außenpolitik unter Ludwig XV. Je nach Persönlichkeit des Ministers übten sie einen unterschiedlichen Einfluß auf die Entscheidungsfindung aus. Dies galt besonders für die Vorgänger von Bernis und Choiseul, Saint-Contest und Rouillé.8 Hingegen überließ der Herzog von Praslin Bussy nur die Korrespondenzen, für dessen Bearbeitung seine Detailkenntnisse benötigt wurden. Die Korrespondenzen, in denen politische Konzeptionen entwickelt wurden, behielt sich Praslin vor. Dieser war wiederum in seinen Entscheidungen von Choiseul abhängig.9 Die bureaux politiques Im hier untersuchten Zeitraum gab es, abgesehen von den Jahren 1759-1761, drei bureaux politiques. Der Abbé de La Ville10 betreute im ersten England, die Niederlande und den Mittelmeerraum inklusive des Osmanischen Reiches, das zweite leitete François de Bussy", dem das Reich, der Kaiser und Nordeuropa unterstanden. Im dritten Büro, dem Jean-Pierre Terrier12 vorstand, wurde die Korrespondenz mit der Schweiz, Polen und seit 1754 auch die mit Rußland bearbeitet. In seinen Zuständigkeitsbereich fielen außerdem die Kontrolle der Chiffren und die Ausgabe von Pässen. Zudem spielte Terrier in der geheimen Außenpolitik Ludwigs XV., dem secret du roi, eine bedeutende Rolle. Diesen Büros war eine weitere Abteilung von großer Bedeutung zugeordnet: der dépôt des Archives, die Keimzelle der heutigen Archives du Ministère des Affaires étrangères, die noch immer mit dem Ministerium unter einem Dach untergebracht sind. Colbert de Torcy (1665-1746) gründete das Archiv im Jahre 1711. Die Leiter des ständig wachsenden Archivs, die gardes du dépôt, stellten dem Ministerium alle gewünschten Informationen über die französische Außenpolitik seit dem Mittelalter bereit.1 Garde du dépôt (Archivleiter) von 1749 bis 1762 war Nicolas-Louis Le Dran, der ihm bereits von 1715 bis 1725 und von 1730 bis 1740 vorgestanden hatte. Da er zwischenzeitlich als premier commis in einem

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Saint-Contest, l'abbé de La Ville sous Rouillé. [...] Les ministres passent, les premiers commis restent, ou s'ils partent, ils reviennent parfois en fonction". Vgl. auch: Piccioni, Les Premiers commis, S. 59. Ein Beispiel: Bussy redigierte für Saint-Contest weitgehend in Eigenregie die Antworten an den Residenten in Berlin, La Touche. Saint-Contest gab nur Anweisungen, worauf er achten solle, vgl.: La Touche an SaintContest, 13. April 1754, fol. 180-185 v ; Vermerk fol. 180': „M de Bussi: attendre la réponse à la dernière lettre que M. le M[ai]re a écrite pour en faire une à celle ci, à Paris le 24 Avril". Weitere Beispiele: fol. 194r, Depesche La Touches vom 27. April, fol. 194'-196v. Rouillé folgte dem Beispiel seines Vorgängers, vgl. die entsprechenden Vermerke für „Mr de Bussy" auf den Depeschen La Touches vom 17. und 19. August 1754, fol. 333r-335v, fol. 333'; fol. 339 r -342\ fol. 339'. Vgl.: AAE CP Autriche 289, fol 240'"v, Châtelet an Praslin, 28. Juni 1762, es handelt sich hier um eine Angelegenheit des Hauses Nassau; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 47. Über La Ville (1702-1774) vgl.: Samoyault, Les Bureaux, S. 48-54, 294-295; Baschet, Histoire du dépôt, S. 242-269; Ozanam, Le Marquis d'Argenson, l'Abbé de La Ville. Zu Bussy (1699-1780) siehe unten Kapitel D 3; Samoyault, Les Bureaux, S. 52-54; 278 und passim; zu seiner Tätigkeit als Diplomat vgl.: Rashed, The Peace of Paris, S. 72-99; Grant, La Mission de Monsieur de Bussy; Bourguet, Études sur la politique étrangère du duc de Choiseul, S. 179-236. Über Tercier (1704-1767) vgl.: Samoyault, Les Bureaux, S. 307 und passim; Ozanam, La Disgrâce d'un premier commis, S. 141-143. Zur Geschichte des Archivs vgl.: Baschet, Histoire du dépôt, passim; Samoyault, Les Bureaux, S. 91-113, 98-99; Baillou, Les Affaires Étrangères, Bd. 1,S. 109-114; siehe auch Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 57-58.

I. Das Außenministerium

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Büro des Ministeriums tätig gewesen war, kannte er aus eigener Erfahrung die Arbeitsweise und den Informationsbedarf der Büros. Vor allem in der Serie „Mémoires et Documents" der heutigen Archives du Ministère des Affaires étrangères finden sich zahlose Denkschriften zu politischen, staats- und völkerrechtlichen Fragen aus der Feder Le Dräns. Hinzu kommen historische Abhandlungen, beispielsweise über die Friedenskongresse von Rijswijk, von Rastatt und Baden oder eine Geschichte der Gonzaga von Mantua.14 Colbert de Torcy, der letzte Außenminister Ludwigs XIV., und seine Nachfolger bemühten sich fortwährend, die Bestände des Archivs durch die Eingliederung von Nachlässen ehemaliger Minister und Diplomaten zu erweitern. So wurden im 18. Jahrhundert unter anderem die Nachlässe John Laws, Bouthillier de Chavignys und die Korrespondenzen Mazarins in das Archiv eingegliedert. Die Anfertigung von Übersetzungen und Fragen der Finanzen oblagen eigenen Abteilungen, die aber ohne Einfluß auf den Entscheidungsprozeß waren.15 Von den weiteren Mitarbeitern für spezielle Aufgaben, u.a. ein premier commis des frontières16, war besonders der jurisconsulte pour le droit allemand für die französische Deutschlandpolitik von Bedeutung. Diese Stelle teilten sich während des Siebenjährigen Krieges drei Elsässer. Bruges, avocat au conseil supérieur von Colmar, und François-Henri Hennenberg arbeiteten seit 1757 in Versailles unter der Leitung Bussys. Der dritte jurisconsulte, François-Nicolas Schwend, war mit Missionen im Elsaß beauftragt.17 Die Funktionsweise des Außenministeriums Die Verzahnung zwischen Archiv und Ministerium soll an einigen Beispielen illustriert werden. Das Archiv hatte dem Staatssekretär und den angehenden Gesandten Informationen bereit zu stellen. So bestellte Torcy 1714 Denkschriften über den Frieden von Nimwegen und über die Frage, inwieweit der Kaiser über das Recht zur Vertretung des Reiches bei Friedensverhandlungen zur Beendigung eines Reichskrieges verfüge.18 In der Mitte des 18. Jahrhunderts verkörperte Le Dran, der garde du dépôt, gleichsam das Gedächtnis des französischen Außenministeriums. Anhand des innerministeriellen Schriftverkehrs kann er bei der täglichen Arbeit beobachtet werden. Am 15. Mai 1761 antwortete Le Dran auf eine ihm von Bussy übermittelte Anfrage des Außenministers Choiseul zum Wahlverfahren im Erzbistum Mainz: Wieso hatte es im Jahre 1729, nach dem Tode Lothar Franz' von Schönborn, Erzbischof von Mainz, keine Neuwahl des Erzbischofs gegeben? Le Dran erläuterte in wenigen Sätzen die Ursache für die Inthronisierung Franz Ludwigs von Pfalz-Neuburg als Nachfolger Schönborns: ersterer sei seit 1716 Erzbischof und Kurfürst von Trier gewesen, „verließ diesen Sitz unmittelbar nach Bekanntwerden der Vakanz im Erzbistum Mainz und wurde dort völlig rechtens Nachfolger, denn er war Koadjutor des Kurfürstentums, das den ersten Rang der drei geistlichen Kurfürstentümer innehat". Eine Intervention seitens Frankreichs zum Zeitpunkt der Wahl zum Koadjutor 14

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Über Le Dran (1687-1774) und seine Tätigkeit im Archiv vgl.: Baschet, Histoire du dépôt, passim. Samoyault, Les Bureaux, S. 101, 296; Piccioni, Les Premier commis, S. 214-219. Samoyault, Les Bureaux, S. 114-140. Vgl. dazu jetzt: Nordmann, Frontières de France, S. 300-303. Samoyault, Les Bureaux, S. 142-143; 277 (Bruges); 291 (Hennenberg); zur Entstehung der charge ausführlich Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 50-56. Thuillier, L'Académie politique, S. 95, Anm. 4; zum Kontext siehe: Schindling, Die Anfange des Immerwährenden Reichstags, S. 193-194; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 265-270; Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 35^10.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

(1710) sei nicht erfolgt.19 Le Dran und Choiseul behandelten hier die komplizierte Frage der Sukzessionsordnungen innerhalb der geistlichen Territorien des Reiches. Die Praxis der Bestellung des Koadjutors zum Nachfolger zu Lebzeiten der amtierenden (Erz-)Bischöfe war seit langem in Frankreich bekannt, wie die wiederkehrenden französischen Interventionen bei Vakanzen der Erzbistümer beweisen.20 Choiseuls Beschäftigung mit den Nachfolgeregelungen in den Bistümern des Reichs erklärt sich aus der zur gleichen Zeit offenen Nachfolge des am 7. Februar 1761 verstorbenen Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Clemens-August. Bereits am 10. Februar, drei Tage nach dem Eintreffen der Nachricht vom Tode des Kurfürsten, erkundigte sich Bussy bei Le Dran nach dem üblichen Verhalten Frankreichs bei Vakanzen in den Erzbistümern.21 Le Dran verwies in seiner Antwort auf mehrere Beispiele der letzten zwanzig Jahre. Der Leiter des Archivs vergaß nicht, auf das ehedem große Konfliktpotential der Bistumsvakanzen hinzuweisen, das in Anbetracht des französischösterreichischen Bündnisses jetzt jedoch nur noch gering sei.22 Für uns an dieser Stelle sind weniger die dann getroffenen Maßnahmen von Bedeutung als der Prozeß der Information. Bussy, der zuständige premier commis, wandte sich an das Archiv, um sich auf die zu treffenden Maßnahmen vorzubereiten. Wenig später reichte er erneut eine Anfrage weiter, diesmal die seines Ministers. Die Antwort ging jeweils direkt an den Fragesteller. Traten in dem hier geschilderten Beispiel die premiers commis erst auf Anfrage des Ministers in Aktion, so gab es auch den umgekehrten Weg, daß der Minister auf Sachverhalte hingewiesen wurde, die den Diplomaten mitgeteilt werden sollten. Beispielsweise handelte es sich darum, ob den Diplomaten die Krankheit des Herzogs von Burgund, des Sohns des Dauphins, mitgeteilt werden sollte. Choiseul stimmte dem Vorschlag Bussys ohne Umschweife zu.23 In einem anderen Fall erinnerte Le Dran Bussy an die Verteilung der Kompetenzen zwischen den Ministerien. Als Bussy Le Dran im Februar 1757 bat, ihn über die Praxis der Versorgung der französischen Armee durch die deutschen Bundesgenossen während des österreichischen Erbfolgekrieges zu informieren, wies ihn Le Dran darauf hin, daß dafür das Kriegsministerium zuständig sei. Diese Fragen seien in den Korrespondenzen zwischen den Generälen und dem Ministerium nicht behandelt worden.24 Zu den Aufgaben Le Dräns gehörte darüber hinaus auch die Vorbereitung neuberufener Diplomaten. So wurde er im April 1757 von Rouillé angewiesen, dem Grafen von Stainville (dem späteren Herzog von Choiseul), der auf den Botschafterposten in Wien berufen worden war, ältere Korrespondenzen zugänglich zu machen. Choiseul interessierte sich be" AAE CP Mayence Supplément 2, fol. 1Γ-12', Le Dran an Choiseul, 15. Mai 1761, fol. 1 l r : „II quitta ce siège en 1729 immédiatement après la vacance de l'électorat de Mayence, et y succéda ainsi de plein droit, par la raison qu'il étoit Coadjuteur de cet électorat qui tient le premier rang entre les trois électorats ecclésiastiques". Vgl. Recueil des instructions: Trêves, S. CVH-CIX. 20 Zum Problem der Koadjutorie: Reinhardt, Kontinuität und Diskontinuität. 21 Vgl. AAE CP Cologne 99, fol. 222'-223r, Bausset an Choiseul, 7 Februar 1761, Bussy an seinen „eher confrère" Le Dran, ibid. fol. 229r_v. 22 AAE CP Cologne Suppl. 4, fol. 21 r -23 v , Le Dran an Bussy, 14. Februar 1761, fol. 2Γ-22': „Mais heureusement, les choses sont actuellement au point, qu'il paroist que les Ministres de France et ceux de Vienne ne peuvent et ne doivent qu'agir dans le plus parfait concert en pareilles occasions". Siehe auch Kapitel Β III 3. 23 AAE CP Autriche 275, fol. 409'-410r, Bussy an Choiseul, 10. April 1760, Vermerk Choiseuls fol. 410'. 24 AAE CP Allemagne 597, fol. ll r -13 v , Le Dran an Bussy, 6 Februar 1757, fol. ll'" v : „Ce sont choses qui appartiennent absolument à ce département, et je vous avoue, qu'alors il ne me vint point en pensée, que Mr. Amelot comme ministre des Affaires étrangères dust se mesler de ces details dans ses correspondances avec les généraux ou les commandeurs de nos troupes". Gleichwohl schickte Le Dran Bussy die Korrespondenzen aus dem letzten Krieg.

I. Das

Außenministerium

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sonders für die Schriftwechsel der Jahre 1738 bis 1740.25 Zur Übernahme eines Postens gehörte auch die Übergabe der Korrespondenzen und Papiere des Vorgängers. Diese blieben nicht mehr in Privatbesitz, sondern gehörten dem Ministerium. Dennoch kam es durchaus vor, daß dem Nachfolger nichts überlassen wurde. So beklagte sich der Sekretär des Comte de Modène, Boch (oder Bosch), der 1762 vorübergehend, bis zum Eintreffen Modènes, als Bevollmächtigter in Hamburg residieren sollte, daß ihm sein Vorgänger Champeaux keine Papiere hinterlassen habe.26 Die Aufgaben der

Diplomaten

Die französische Diplomatie wurde vom Versailler Außenministerium aus gesteuert. Die in Europa verteilten Diplomaten waren die Sinnesorgane, die Informationen aufnahmen und weitergaben. Ihre vornehmste Aufgabe bestand in der Informationsbeschaffung.27 So wies Außenminister Praslin den Gesandtschaftssekretär Pacault in Hamburg ausdrücklich darauf hin, daß seine Aufgabe nicht darin bestünde, Verhandlungen zu führen, sondern Informationen zu sammeln.2 Auf das Versiegen des Informationsflusses reagierte man in Versailles äußerst gereizt. Als man vom französischen Residenten in Trier, dem Chevalier d'Aigremont, über sechs Monate keine einzige Depesche erhielt, berief man diesen kurzerhand ab. Doch auf Bitten des Trierer Kurfürsten revidierte Choiseul diese Anordnung, und Aigremont erhielt eine neue Chance.29 Allerdings belehrte ihn der Außenminister unmißverständlich über seine Aufgabe: „Sie sollten wissen, daß die erste Regel eines Gesandten im Ausland lautet, dem Außenminister zu schreiben und vor allem ihm zu antworten".30 Er habe jetzt die Möglichkeit, sein Fehlverhalten der letzten Monate vergessen zu machen. Es müsse nicht mit jeder regelmäßigen Post eine Depesche abgehen - sofern sich nichts Berichtenswertes ereignet habe. Aber der folgende Aufgabenkatalog zeugt vom Hunger nach Information im Außenministerium, der auch einen derzeit eher unbedeutenden Fürsten mit einschließt. Man möchte Auskunft erhalten über: „die Art und Weise, mit der der Kurfürst und seine Minister auf die Bitten reagieren, die der König zur Unterstützung seiner Armeen überbringen läßt; über den Eindruck, den die Ereignisse auf die Gemüter machen; über die verschiedenen Angelegenheiten des Reiches, vor allem über diejenigen, die derzeit am Reichstag verhandelt werden. Und die Weisungen, die man Ihnen zur Ausführung der zahlreichen Angelegenheiten gibt, stellen ein recht fruchtbares Feld dar, angesichts dessen Euer Eifer und Euer Talent nicht untätig sein sollten, und die Sie in die Lage versetzen sollten, Relationen anzufertigen, die Sie beim König und seinem Rat empfehlen könnten".31

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AAE CP Autriche 257, fol. 154', Rouillé an Le Dran, 17. April 1757. AAE CP Hambourg 87, fol. 109-110 v , Boch an Praslin, 25. Mai 1762. Siehe Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 65-68. AAE CP Hambourg 86, fol. 169 r_v , Praslin an Pacault, 5. November 1761. AAE CP Trêves 20, fol. 35', Abberufung Aigremonts durch Choiseul, 30. Mai 1759; fol. 42 r_v , Kurfürst Johann Philipp von Walderdorff an Ludwig XV, 8. Juni 1759; fol. 4 3 " \ Ludwig XV an den Kurfürsten, 20. Juni 1759. fbid. fol. 46'-47 v , Choiseul an Aigremont, 21. Juni 1759, fol. 46 r v: „Vous devez savoir que la première règle pour un ministre en pays étranger est d'écrire au ministre des affaires étrangères et surtout de lui répondre". fbid. fol. 46 v -47': „Mais la façon avec laquelle l'électeur et ses ministres se prêtent aux demandes que le Roy fait pour le service de ses armées; l'impression que les événemens publics font sur les esprits; les différentes affaires de l'Empire; celles surtout qui se traittent aujourd'hui à la Diètte; et les ordres que l'on vous donne à

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

In der Folgezeit flössen die Nachrichten dann regelmäßiger aus Trier. Aigremont berichtete über den Streit zwischen dem Kurfürsten und dem Herzog von Lothringen um den Besitz der Abtei von Tholey, porträtierte das Domkapitel von Trier und berichtete über die problematische Thronfolge in Hessen-Kassel.32 Dennoch erhöhte sich die Frequenz seiner Korrespondenz nicht wesentlich, was Aigremont zum Anlaß nahm, sich bei Choiseul dafür zu entschuldigen.33 Aigremonts Verhalten scheint jedoch nicht repräsentativ für die französischen Diplomaten der Zeit zu sein. Einer ihrer „typischen" Vertreter war der Graf von Modène, der gegen Ende des Siebenjährigen Krieges in Hamburg residierte. Ihn lobte der Herzog von Praslin ausdrücklich für seine Bemühungen, Informationen über die französisch-hamburgischen Wirtschaftsbeziehungen zu übermitteln, die als Grundlage für einen neuen Handelsvertrag zwischen Hamburg und Frankreich dienen könnten.34 Es stellt sich die Frage nach der Frequenz, dem Umfang und dem Aufbau des Briefwechsels zwischen dem Ministerium und seinen Gesandten. Auffallig ist, daß bei den Diplomaten häufig nur in großen Abständen Weisungen eintrafen. So erhielt Aigremont in Trier erst am 28. Juni 1758 Antwort auf seine Depesche vom 2. März. Er selbst schickte zwischen dem 19. August und 12. September 1758 keine Depeschen aus dem Kurfürstentum, „weil ich nichts zu berichten habe".35 In Friedenszeiten war selbst der Kontakt mit einem so bedeutenden Hof wie dem in Berlin nicht sehr intensiv. Der französische Diplomat La Touche erhielt im Jahre 1755 erstmals am 5. März Post aus Paris.36 Betrachtet man den Briefwechsel zwischen Versailles und München im ersten Halbjahr 1758, so wird deutlich, daß das Außenministerium zumeist mehrere Depeschen in einem Reskript beantwortete. Es existierte allerdings kein starres System. Die Korrespondenzen intensivierten sich je nach Dringlichkeit der darin behandelten Gegenstände.37 Selbstverständlich muß auch berück-

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exécuter pour des affaires particulières présentent un champ assés fertile à votre zèle et à vos talens pour que ni l'un ni l'autre ne restent point oisifs, et pour que vous en tiriéz les moyens de faire des relations qui puissent vous recommander auprès du Roy et de son Conseil". Die relative Ereignislosigkeit kennzeichnet auch weiterhin den Posten in Trier bis zum Ausbruch der Revolution, vgl. die beinahe identische Meldung des Grafen Vergennes aus dem Jahre 1789, Recueil des instructions: Trêves, S. 308. AAE CP Trêves 20, fol. 6Γ-64 ν ; 140'~v, 163'~v. Aigremont blieb bis einschließlich 1768 in Trier, nach einer zweijährigen Abwesenheit kehrte er von 1770 bis 1774 dorthin zurück. Einen „Rapport [...] sur les négociations engagées avec la cour de Trêves" aus dem Jahre 1773 von seiner Hand in: Recueil des instructions: Trêves, S. 225-246. AAE CP Trêves 20, fol. 240'~v, Aigremont an Choiseul, 25. November 1760, fol. 242": „Je vous supplie, Monseigneur, de vouloir m'excuser si je n'ai pas l'honneur de vous écrire plus souvent, mais dans l'impossibilité où je suis de recueillir la moindre chose qui puisse intéresser vôtre attention, j'ose espérer que vous voudrés bien ne pas attribuer à négligence de ma part, ce qui n'est l'effet de ma discrétion et la crainte de vous importuner". AAE CP Hambourg 88, fol. 24v: „Je ne puis qu'approuver le parti que vous avez pris de chercher à perfectionner vos connoissances sur les objets relatifs au commerce entre la France et la ville d'Hambourg et d'en former un mémoire qui puisse servir à un nouveau plan de traité de commerce plus égal que l'ancien pour le françois et par conséquent plus avantageux au commerce de France". AAE CP Trêves 19, Aigremont an Rouillé, 12. September 1757, fol. 126-127', fol. 126': „parce que je n'ay rien à mander". AAE CP Prusse 179, fol. 63'-67 v . Vgl. AAE CP Bavière 138. Bernis antwortete am 4. Februar (fol. 73-76) auf die Briefe Folards vom 10., 11., 15., 17., 21. und 25. Januar. Am 14. Januar (fol. 19-20) hatte er die Depeschen vom 21., 27. und 28. Dezember beantwortet, am 22. Januar (fol. 39-40) ihm allgemeine, nicht mit seinen Verhandlungen in München in Beziehung stehende Anweisungen geschickt. Die nächste reguläre Depesche (Nr. 3) datiert vom 16. März (fol. 120-123). Nr. 4 folgt bereits am 27. März (fol. 133-135), Nr. 5 am 31. März (fol. 143), Nr. 6

I. Das Außenministerium

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sichtigt werden, daß Witterungsverhältnisse oder die Kriegsereignisse die regelmäßige Kommunikation jederzeit unterbrechen konnten. Die Korrespondenz nach und aus Wien weist allerdings niemals derartige Lücken auf. Noch vor Abschluß der Allianz von 1756 schrieb der französische Vertreter etwa alle zwei bis drei Tage nach Paris. Mit der neubegründeten Allianz und nach Ausbruch des Krieges erhöhte sich der Schriftwechsel zwischen Wien und Versailles noch einmal erheblich.38 Eine Sendung aus Wien enthielt nicht nur eine oder mehrere Depeschen des dortigen Vertreters, sondern auch eine Vielzahl weiterer Korrespondenzen. Je nach geographischer Lage, leiteten die Residenten Post von weiter entfernten Vertretungen weiter. So ging die Post des Grafen Vergennes, seit 1755 in Konstantinopel, und des Grafen Broglie, Botschafter in Warschau, über Wien.39 Diese Masse an eingehenden Depeschen verlangte einen hohen Grad an Professionalität und Sorgfalt der Verantwortlichen im Versailler Außenministerium. Jeder ein- bzw. herausgehende Brief erhielt eine laufende Nummer.40 Auf den eingehenden wurde das Eingangsdatum und das der Antwort vermerkt, so daß man nicht nur die Laufzeit der Post abschätzen kann, sondern auch, wie schnell auf die Depesche reagiert wurde. Es ist zu vermuten, daß das Intervall, in dem die Antwort erfolgte, ein Indikator für das Gewicht der übermittelten Informationen ist. So traf die Depesche des ministre plénipotentiaire in Wien, Aubeterre, vom 5. Februar 1755 nach 10 Tagen in Paris ein. Laut Vermerk wurde sie im conseil du roi vorgetragen und am 7. März beantwortet.41 Während des Krieges beschleunigte sich der Prozeß der Beantwortung. Blieb die Beförderungsdauer der Korrespondenz gleich - zwischen neun bis zehn Tagen - , ging bereits nach fünf bis sieben Tagen oder auch schneller die Antwort auf den Weg nach Wien.42 Hinsichtlich des Inhaltes sollten die Diplomaten getrennte Korrespondenzen führen und unterscheiden zwischen den „politischen Angelegenheiten" („affaires politiques") und den „Angelegenheiten des Krieges" („affaires de la guerre"), um eine reibungslose Bearbeitung der Depeschen in den zuständigen Büros zu gewähr-

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am 21. April (fol. 168-169), Nr. 7 am 27. April (fol. 184-185), Nr. 8 nicht numeriert, am 1. Mai (fol. 192-193), Nr. 9 am 13. Mai (fol. 212-213), Nr. 10 am 18. Mai (fol. 225-226), Nr. 11 am 24. Mai (fol. 245-249). Dazu reicht der Blick in das numerische Inventar des Archivs des Pariser Außenministeriums. Umfassen die Korrespondenzen des Jahre 1755/56 drei Aktenbände, so füllen die Korrespondenzen der Jahre 1757-1763 35 Bände mit einem Umfang zwischen 300 und 500 Folioseiten. Diese werden ergänzt durch die Berichte der französischen Militärbeobachter, die an den Feldzügen der österreichischen Armee teilnahmen, vgl. État numérique des fonds, S. 57-58. Vgl. AAE CP Autriche 260, fol. 142': „État des Lettres jointes aux dépêches de M. de Stainville à M. l'abbé Comte de Bernis, du 17 novembre 1757"; in der Sendung sind enthalten: 3 Depeschen Stainvilles, drei „paquets" des Comte de Broglie, zwei „paquets" von Vergennes, ein Brief für Paulmy, den Kriegsminister, jeweils einer für Bussy, Terrier, den Comte de Modène, die Prinzessin Trivulsi, M. de Moras, die Infantin; ein weiteres Paktet für M. de Fontenay sowie die „gazette de Vienne" für Bernis. Der Kurier für Vergennes ging zweimal monatlich ab, jeweils am ersten Dienstag oder Freitag nach dem 1. und 15., vgl.: AAE CP Autriche 256, fol. 94'-99 v , Ratte an Rouillé, fol. 94 v . Damit konnte zugleich geprüft werden, ob Depeschen verloren gegangen waren, vgl. zur Einführung dieser Praxis: Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 94. AAE CP Autriche 254, fol. 69 r -77 r , Aubeterre an Rouillé, 5. Februar 1755, alle Vermerke fol. 69'. Ibid. Autriche 274, fol. 369-377', Praslin an Choiseul, 9. Dezember 1759, eingetroffen am 18., beantwortet am 25. (fol. 369'). Mit dieser Depesche wurde auch die vom 14. des Monats beantwortet (fol. 412'-413'), sehr schnell folgte auch die Reaktion auf Praslins Depesche vom 19. Dezember (fol. 430'-435 v , Eingang nicht notiert). Laut Vermerk geschah dies am 31. Dezember. Legt man eine Laufzeit von ca. 8-10 Tagen zu Grunde, so erfolgte die Antwort in einem Zeitraum von 2-5 Tagen.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

leisten.43 Mit der Übernahme des Kriegs- und Marineministeriums durch Choiseul und des Außenministeriums durch seinen Vetter Praslin wurde diese Anweisung wieder rückgängig gemacht. Militärische Angelegenheiten sollten ab sofort direkt an das zuständige Ministerium gehen.44 Doch nicht nur Ein- und Ausgang der Korrespondenzen waren einer genauen Regelung unterworfen, auch die Diplomaten hatten Vorgaben zur Gestaltung der Depeschen zu beachten. Im Juli 1760 übermittelte Bussy Maximilien Radix de Sainte-Foy, dem Gesandtschaftssekretär Choiseuls und Praslins, präzise Anweisungen für den formalen Aufbau einer Depesche. Die Seiten sollten großzügig aufgeteilt und nicht mehr als 9-10 Chiffren pro Linie und nur 10-12 Zeilen pro Seite umfassen, so daß die Dechiffrierung, die zwischen die Zeilen eingefügt wurde, erleichtert und beschleunigt werde. Des weiteren solle nicht zwischen Chiffre und Klartext gesprungen werden: „immer ein Thema vollständig chiffrieren, ohne dort Wörter oder Sätze im Klartext zu mischen, denn dies ist der sicherste Weg, fremden Dechiffreuren zu helfen, die vollständige Chiffrierung zu entschlüsseln".45 Das Insistieren der premiers commis auf sorgfältiger Chiffrierung hatte seinen Grund im Wissen um die geheime Briefüberwachung, die der Kaiser über die Reichspost ausübte.46 Auch die Verpackung und unterschiedliche Beforderungsweisen in Abhängigkeit von der Dringlichkeit der Depeschen wurden den Gesandten vorgeschrieben.47 Darüber hinaus korrespondierten die Gesandten nicht nur mit dem Ministerium, sondern es existierte auch unter ihnen ein intensiver Briefwechsel.48

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AAE CP Palatinat-Deux Ponts 90, fol. 90'-93 v , Choiseul an D'Alesme, 12. April 1761, fol. 93'. Ibid. fol. 222', 2. November 1761, Praslin an Picard (chargé d'affaires beim Kurfürsten von der Pfalz während der Abwesenheit d'Alesmes von Mai 1761 bis September 1762). AAE CP Autriche 276, fol. 400 r-v , Bussy an Radix de Sainte-Foy, 7. Juli 1760, fol. 400'~v: „une même matière toute en chiffre, sans y mêler ni mots ni phrases en lettres, parce que c'est le plus sur moyen d'aider les déchiffreurs étrangers à parvenir à la connoissance de tout le chiffre". Sainte-Foy (1732-1810) wurde 1761 zum premier commis ernannt und blieb es bis 1766, vgl. Samoyault, Les Bureaux, S. 304; Doyon, Radix de Sainte-Foy. Über den Aufbau der Depeschen siehe auch Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 85-87. AAE CP Autriche 284, fol. 133-134", Praslin an Châtelet, 23. November 1761, fol. 133': Châtelet solle innerhalb des Reiches nur chiffrierte Briefe verschicken, wenn er sich der Post bediene, „les lettres passant par différents bureaux sont sujettes à être ouvertes". Châtelet versprach umgehend, auf sorgfältige Chiffrierung zu achten, ibid. Châtelet an Praslin, 4. Dezember 1761, fol. 200'-205 v , fol. 200 v . Zur Überwachung der Post durch den Kaiser siehe: Behringer, Thum und Taxis, S. 118-119. Weitere Anweisungen bezüglich des Einsatzes von Chiffren: Recueil des instructions: Autriche, S. 335; Samoyault, Les Bureaux, S. 128-130; Baillou, Les Affaires Étrangères, Bd. 1, S. 106-108; AAE CP Autriche 258, fol. 2 3 f - 2 3 6 v , Ratte an Rouillé, 3. Juli 1757, fol. 234'" v : der Militärbeobachter Marainville (vgl. unten S. 223, Anm. 9) hatte seine Chiffren verloren, was dazu führte, daß neue Chiffren in Versailles ausgearbeitet werden mußten, während der Geschäftsträger Ratte so wenig wie möglich die verlorengegangene Chiffre nutzen sollte, vgl. den Vermerk fol. 243', auf der Depesche Rattes vom 6. Juli 1757, fol. 243-245'. Zur Problematik der Chiffren und der Unsicherheit der Post im frühen 18. Jahrhundert: Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 87-97 mit weiterführender Literatur. AAE CP Autriche 269, fol. 3 Γ -6 ν , „Instruction pour Monsieur le comte de Montazet, brigadier des dragons allant à Vienne et de là à l'armée de l'Impératrice Reine de Bohême", 5. Juni 1757, fol. 6'. Recueil des instructions: Autriche, S. 327, 336.

I. Das Außenministerium

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Der Spielraum der Gesandten Es wurde bereits daraufhingewiesen, daß das Außenministerium der Kopf der französischen Diplomatie war. Mit Ausnahme der Botschafter am Kaiserhof (Choiseul, Praslin und Châtelet), die eine größere Autonomie gegenüber Versailles besaßen, waren die Diplomaten nur ausführende Organe bzw. Sensoren, die Informationen weiterleiteten.49 So spricht der Abbé de Bernis dem französischen Geschäftsträger in Wien, Ratte, im Sommer 1757 seine Befriedigung über die geleistete Arbeit aus: „Mit Befriedigung betrachte ich die Genauigkeit, mit der Sie mir über alles berichten, was Ihnen über die Erfolge der Armee der Kaiserin-Königin gegen den Störer des öffentlichen Friedens zur Kenntnis gelangt".50

Aufgabe der französischen Vertreter war das Sammeln von Informationen - „nichts als Informationen" verlangte Bernis von den Gesandten des Königs.51 Verhandlungen und Gestaltung der Außenpolitik behielt sich Versailles vor, eine Praxis, die auch die kaiserliche Diplomatie kennzeichnete.52 Wie eifersüchtig die „Außenpolitiker" für sich die Prärogative in Fragen der Verhandlungen einforderten, zeigt sich besonders im Verhältnis zu den in Deutschland operierenden Generälen. So klagte Bernis 1757, kurz nach Rosbach, über die fortgesetzten eigenmächtigen Verhandlungen Richelieus in Mitteldeutschland.53 Da Richelieu - selbst früher als Gesandter eingesetzt - über ein beachtliches Renommee und Protektion am Hof verfügte, hatten seine Eigenmächtigkeiten für ihn keine negativen Konsequenzen. Unmißverständlich war auch die Reaktion Choiseuls im Jahre 1760, als der französische Militärbeobachter Montazet im Anschluß an die Niederlage von Torgau bei Maria Theresia einen Vorstoß zwecks Einleitung von Friedensverhandlungen vornahm. Verärgert verbot Choiseul Montazet jegliches Gespräch politischen Inhalts in Wien: „Ihre Vorstellung, Gespräche politischen Inhaltes in Wien zu führen, entspricht nicht dem Willen Seiner Majestät. Ihre Mission, Monsieur, besteht darin, militärische Ereignisse zu beobachten, sie uns zu übermitteln, so wie Sie sie sehen und dazu die grundsätzlichen Überlegungen ergänzen, die Sie von Nutzen für die Kaiserin oder den König erachten. Aber wir können nur entsetzt darüber sein, Ihr Vorhaben zu beobachten, in Wien über den

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Vgl.: Bély, Espions et ambassadeurs, S. 116. AAE CP Autriche 259, fol. 9', Bernis an Ratte, 5. August 1757: „Je vois avec satisfaction l'exactitude avec laquelle vous me faites part de tout ce qui vient à votre connoissance relativement aux succès de l'armée de l'Imperatrice Reine contre l'inftacteur de la paix publique". AAE CP Autriche 259, fol. 163-166', Bernis an Richelieu, 12. September 1757, fol. 166': „que des simples informations". Müller, Das kaiserliche Gesandtschaftswesen, S. 86. AAE CP Autriche 260, fol. 11Γ-114', Bernis an Choiseul, 14. November 1757, fol. 111': „quand les affaires se concertent de loin et surtout quand de nouvelles circonstances exigent des changements dans les plans convenus, quand surtout les généraux, sans connoître le fond des engagements politiques, prennent des mesures qui leur paraissent favorables au militaire, sans examiner en quoy ces mêmes mesures peuvent blesser l'objet politique, il ne peut manquer d'arriver des contradictions et des embaras qu'on a d'abord peine à expliquer et dont on se retire difficilement dans la suite. Voilà, Monsieur, en abrégé l'histoire du projet de convention d'Halberstadt, et des ordres envoyés à M. de Soubise pour se retirer et établir ses quartiers derrière la Sala". Schon früher hatte sich Bernis verstimmt darüber gezeigt, daß Richelieu als militärischer Befehlshaber eigenmächtig Verhandlungen mit dem Gegner aufgenommen hatte (die dann zur Konvention von Kloster Zeven führten), vgl.: CP Autriche 259, fol. 209-21 Γ, 20. September 1757, fol. 212'.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert Frieden zu sprechen. Sie kennen die Lage der Höfe nicht und werden vielleicht mehr schädliche Reden in einer Angelegenheit riskieren, die keinesfalls in Ihr Ressort fällt".54

Seinen Cousin Praslin in Wien wies er an, Montazet über den Unmut des Königs zu informieren. Zuständig für derartige Verhandlungen seien nur speziell vom König ausgesuchte Gesandte. Auch in diesem Fall legte Choiseul Wert auf die Tatsache, daß Montazets einzige Aufgabe die Übermittlung von Informationen sei.55 Praslin versprach, dafür zu sorgen, daß sich die Gespräche Montazets mit der Monarchin auf militärische Angelegenheiten beschränken.56 Härtere Sanktionen gegen Montazet blieben jedoch in der Folgezeit aus, denn er erhielt in Maria Theresia eine mächtige Fürsprecherin. Praslin bemerkte im Verhalten der Kaiserin ihm gegenüber eine deutliche Zurückhaltung, im Gespräch mit Montazet aber sei die Kaiserin viel offener und äußere freimütiger ihre Ansichten. Damit gewann der Militär an Gewicht, denn durch ihn konnte der Botschafter Eindeutiges über die Absicht der Kaiserin erfahren, den Krieg zu beenden oder fortzusetzen. Eine ähnliche Rüge hatte zuvor Choiseul gegenüber dem ungestümen Pfeffel am Reichstag ausgesprochen und ihm befohlen, sich ganz auf die ihm zugewiesenen Aufgaben (Gutachter- und Übersetzertätigkeit) zu konzentrieren: „Man muß zuerst einmal Herrn Pfeffel vorschreiben, sich nur mit den Angelegenheiten zu beschäftigen, mit denen wir ihn beauftragen, und sich nicht mit zuviel Eifer jenen zu widmen, fur die er keine Anweisungen hat".58

Wie sehr man von Versailles aus das Vorgehen der Diplomaten kontrollierte, zeigt auch ein Vorfall am Hofe des Pfälzer Kurfürsten. Dort hatte der chargé d'affaires, Picard, eine Depesche Choiseuls nicht richtig gelesen und ohne Autorisation Forderungen an den Kurfürsten gerichtet. Choiseul beließ es bei einer Ermahnung, woraufhin Picard sich bemühte, seinen Fauxpas wieder gut zu machen.59 Und einer persönlichen Bestandsaufnahme der politischen Situation Frankreichs zu Beginn des Krieges schickte der außerordentliche Gesandte in 54

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AAE CP Autriche 280, fol. 56'-57v, Choiseul an Montazet, 21. November 1760, fol. 56v-57r: „L'idée que vous nous paroisses avoir de parler politique à Vienne est contraire aux volontés de sa Majesté. Votre mission consiste, Monsieur, à voir les faits militaires; à les rendre tels que vous les voyez et à y ajouter les reflexions du fonds de la chose que vous jugerez utiles soit à l'Impératrice soit au Roi; mais nous ne pouvons qu'être effraiés de vous voir projeter de parler paix à Vienne, vous ignorez la situation politique des cours et vous ne pouvez hasarder des propos peut être très nuisibles dans une matière nullement de votre ressort". AAE CP Autriche 278, fol. 349-352', Choiseul an Praslin, 21. November 1760, fol. 349r: „D'ailleurs dans la situation où nous nous trouvons au grand objet de la paix, le Roy ne veut employer à cette négociation que les ambassadeurs auxquels il a confiance, et sa Majesté serait très indisposée si Monsieur de Montazet faisoit quelque demarche, ou tenoit quelque propos qui pussent faire croire à la cour de Vienne qu'il est chargé par le Roy d'autre chose que de rendre compte des faits militaires dont il a été témoin". Montazet hatte am 7. November seinen Bruder nach Versailles geschickt, um dort ein von ihm entworfenes „sistème" zu präsentieren, ibid., fol. 352'-354v, Montazet an Choiseul. Ibid. fol. 380r-384v, Praslin an Choiseul, 30. November 1760. AAE CP Autriche 281, fol.7r-14v, Praslin an Choiseul, 3. Januar 1761, fol. 9'. In der Tat scheint Maria Theresia eine hohe Meinung von Montazet gehabt zu haben, wie ein Brief an die Kurprinzessin von Sachsen belegt, in: Walther, Maria Theresia, S. 161. AAE CP Allemagne 606, fol. 3Γ-34", fol. 31': „il faut prescrire premièrement à Monsieur Pfeffel de ne se mesler que des affaires dont nous le chargerons, et de ne pas entrer avec trop de zèle dans celles sur lesquelles il n'aura point d'ordres". Vermerk Choiseuls auf der Depesche Pfeffels vom 19. Juli 1759. Die Abmahnung erfolgte am 13. August. AAE CP Palatinat-Deux Ponts 89, fol. 298'-299v, Choiseul an Picard, 29 September 1760; fol. 310'-312v, Picard an Choiseul, 10. Oktober 1760.

I. Das Außenministerium

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Köln, Monteil, eine Einleitung vorweg, in der er sich in die Hierarchie des Ministeriums einordnete, um jeden Eindruck zu vermeiden, er wolle seine Kompetenzen überschreiten.60 Anscheinend ließ der diplomatische Alltag in Köln Monteil genügend Muße, um über die aktuelle Lage nachzudenken. Zudem hatte er kurz zuvor um die Betreuung mit militärischen Aufgaben gebeten und sich dabei auf das Beispiel des französischen Gesandten in Genua, Chauvelin, berufen, der parallel zu seiner Gesandtentätigkeit die französischen Truppen auf Korsika kommandierte.6 Wie Monteil schränkte auch dessen Nachfolger Bausset den Wert seiner Überlegungen ein, d. h. er wertete seine Arbeit ab, um nicht in den Verdacht zu geraten, irgendeinen Einfluß auf den Entscheidungsprozeß nehmen zu wollen62, obwohl dies natürlich beabsichtigt und darüber hinaus mit der Hoffnung verbunden war, die Aufmerksamkeit des Ministers - und vielleicht des Königs - zu erlangen. Dies wäre dann ein erster Schritt zur Verwendung auf einem prestigeträchtigeren Posten, als es der Hof des Kölner Kurfürsten war. Die Präsenz eines französischen Vertreters an einem auswärtigen Hof bedeutete noch lange nicht, daß dieser neu anstehende Verhandlungen zu führen hatte. So entsandte Versailles den Marquis de Mesnil nach München, um die Aushebung des bayerischen Kontingents zur Reichsarmee voranzutreiben. Daß man mit dieser Aufgabe den in München residierenden Folard, sicherlich einen der besten Deutschlandkenner der französischen Diplomatie der Zeit, hätte betrauen können, wurde offensichtlich nicht weiter berücksichtigt.6 Die Zusammenarbeit zwischen den beiden scheint nicht immer reibungslos funktioniert zu haben. Mesnil beschwerte sich über den Langmut Folards gegenüber dem Kurfürsten, zudem geriet Folard über seine Kontakte zum Hof in Bayreuth in Verdacht, mit Friedrich II. zu sympathisieren. Dennoch ließen beide ihre Rivalität nicht über die Maßen eskalieren.64 Eher eine Ausnahme bilden die Freiheiten, die der Botschafter in Wien, Praslin, im Januar 1761 erhielt. Choiseul übermittelte seinem Cousin das Lob Ludwigs XV. und ermächtigte ihn, falls nötig, seine Instruktionen zu überschreiten: „Der König hat mich ausdrücklich beauftragt, Ihnen besonders seine und die Zufriedenheit des Rates über die Art und Weise mitzuteilen, mit der Sie ihm voller Intelligenz, 60

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AAE CP Cologne 93, fol. 33 l r -334 v , Monteil an Rouillé, 26. Mai 1757, fol. 33 l r : „Vous allez dire qu'à peine dans une petite place du ministère public, je m'avise de toucher des cordes bien délicates; que je m'elève à des objets au dessus de mon expérience et que j'ose pour ainsy dire entrer dans le sanctuaire du gouvernement. Dans tout autre cas que celui d'un péril imminent pour l'État, j'écouterois d'avantage les considérations qui pourroient m'imposer silence; mais mon zèle mérite l'indulgence de mes supérieurs comme celle de tous les bons serviteurs du Roy et si la vérité que je vais dire me fait des ennemis je leur répondray comme le général athénien: Frape, mais écoute ...". Ibid. fol. 196r-204v, Monteil an Rouillé, 31. März 1757. AAE CP Cologne 101, fol. 172r-175v, Bausset an Praslin, 17. Mai 1762, fol. 175v: „Peut-être, Monseigneur, mon imagination grossit les objets". AAE CP Bavière 137, fol. 2'-4 r , Folard an Bemis, 3. August 1757. Temporäre Gesandte besaßen Vorrang vor den ständigen Residenten, Anderson, The Rise of Modern Diplomacy, S. 16. AAE CP Bavière 136, fol. 320'-322v, Mesnil an Bernis, 30. Juli 1757, fol. 322': „La douceur et la patience de Monsieur de Folard est quelquesfois allarmée de mon ton avec le ministres de l'électeur". Einen Monat später äußert sich Mesnil sehr zufrieden über das Verhalten Folards, CP Bavière 137, fol. 91'-93r, Mesnil an Bernis, 30. August 1757, fol. 92r. Die Verdächtigung Folards, ibid. fol. 264'-267r, Bernis an Folard, 13. Dezember 1757, fol. 265r_v: „Je suis obligé de vous avertir, que votre commerce avec la cour de Barëith inquiète la cour de Vienne, et qu'en tout vous y êtes soupçonné d'un peu de partialité en faveur du Roy de Prusse et prévention contre le système actuel. Vous sentés, Monsieur, combien il est important pour vous et pour le service du Roy de détruire promptement ces fausses impressions". Folard brach auf diese Ermahnung hin die Kontakte nach Bayreuth vorerst ab, ibid. fol. 292Γ-293Γ, Folard an Bernis, 28. Dezember 1757.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert Würde und Aufrichtigkeit in Wien dienen, wie auch für die Offenheit und Präzision Ihrer Relationen. Ihre Majestät hat vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, sie erlaubt Ihnen, die Instruktion, die ich in Ihrem Namen an Sie richte, auszuweiten oder einzuschränken".65

Möglicherweise gab diese Auszeichnung, neben seiner Verwandtschaft mit Choiseul, den auch den Ausschlag für Praslins Beförderung sieben Monate später zum Außenminister. Für seinen Nachfolger, Florentin Louis Comte du Châtelet-Lomont, galten diese Freiheiten nicht mehr. Er erfuhr erst durch seinen spanischen Kollegen vom Abschluß des „pacte de famille" zwischen Madrid und Versailles. Auch nach dem Friedensschluß wurden die entscheidenden Fragen in Versailles, nicht in Wien verhandelt.66 Von ihrem Ministerium Informationen zu erhalten, war jedoch äußerst wichtig für den Kontakt der Diplomaten untereinander, die sich gegenseitig mit Neuigkeiten versorgten.67 Ein weiteres Beispiel für die Praxis, den Diplomaten nur wenig Handlungsspielraum zu geben, bietet die Rußlandpolitik. Da der französische chargé d'affaires Douglas bewußt keine bzw. zu spät Instruktionen erhielt, konnte er keinen Einfluß auf die Verhandlungen über den Beitritt Rußlands zum Versailler Vertrag nehmen. Dieser gezielte Ausschluß aus dem Fluß der Nachrichten sollte sich letztlich als nachteilig erweisen.68 Kritische Stimmen, die die Effektivität dieses Vorgehens bezweifelten, gab es kaum. Eine leichte Kritik klang in einer Denkschrift Louis-Augustin Blondels von 1751 an. Er sprach davon, daß er die Essenz all seines Wissens, das er über das Haus Habsburg angesammelt hatte, erst im gegebenen Moment für den König zur Verfügung stellen könne. Blondel, der hier als einer der ersten für eine Annäherung an Wien plädiert hatte, fühlte sich in seiner Tätigkeit von den erhaltenen Befehlen eingegrenzt.69 Die Rolle Ludwigs XV. im Entscheidungsprozeß Im Außenministerium von Versailles liefen demnach alle Fäden der französischen Diplomatie zusammen. Von hier aus wurde weitgehend unabhängig und ohne Rücksprache mit dem König das diplomatische Tagesgeschäft abgewickelt. Das Sammeln von Informationen und ihre Auswertung fanden hier auf einem unbestreitbar hohen Niveau statt.70 Auch die anderen europäischen Mächte hatten ihre diplomatischen Dienste nach mehr oder weniger ähnlichen Prinzipien geordnet. Allerdings steuerte in Wien mit Kaunitz ein Minister die Außenpolitik, der konsequent die von ihm propagierten Ziele umzusetzen wußte und zeitlebens das Vertrauen der Monarchin besaß. In Versailles nahm diese Position lange Zeit Kardinal Fleury 65

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AAE CP Autriche 281, fol. 100' v, Choiseul an Praslin, 18. Januar 1761, fol. 100r v: „Le Roy m'a chargé nommément de vous faire connoitre en particulier sa satisfaction et celle de son conseil, de la manière pleine d'intelligence, de noblesse et de droiture avec laquelle vous le servez à Vienne, ainsi que la netteté et de la précision de vos relations. Sa Majesté a une confiance entière dans vos lumières, elle vous permet d'étendre ou de restreindre les instructions que je vous adresse de sa part". AAE CP Autriche 283, fol. 36f-366 v , fol. 366r_v; Walther, Maria Theresia, S. 190. Anderson, The Rise of Modem Diplomacy, S. 42. Oliva, Misalliance, S. 55-56 und passim. AAE MD Autriche 30, fol. 452Γ-470Γ, „Mémoire sur un sistème politique à suivre envers l'Autriche", 1. Januar 1751, fol. 452r. Siehe dazu Kapitel D I und den Quellenanhang, S. 352-361; vgl. auch Braubach, Versailles und Wien, S. 403. Samoyault, Les Bureaux, S. 263: „Le règne de Louis XV a augmenté les effectifs du simple au quadruple pour ainsi dire, il a séparé la gestion financière des affaires proprement diplomatiques, il a recruté aussi divers spécialistes destinés à éclairer les responsables, à leur faciliter la tâche, bref à accroître information et efficacité".

I. Das Außenministerium

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ein, nach dessen Tod achtzehn Jahre vergingen, bis sich mit Choiseul erneut ein mächtiger Minister auf Dauer durchsetzte. Das Beispiel Preußens, wo Friedrich II. den gesamten außenpolitischen Entscheidungsprozeß auf seine Person konzentrierte und sein eigener Außenminister war, blieb eine Ausnahme.71 Die weitgehend selbständige Arbeit der Versailler Behörde bedeutete aber nicht, daß Ludwig XV. keinen Einfluß auf den Entscheidungsprozeß nahm.72 Die auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs wurden in einem im 18. Jahrhundert conseild'État genannten Gremium erörtert. Zugelassen waren nur die Staatsminister (ministres d'État), die vom König ernannt wurden. Die Ausübung eines Regierungsamtes war nicht Voraussetzung für den Eintritt in den Staatsrat - entscheidend war allein die Auswahl des Königs. Der Rat tagte meist zweimal wöchentlich, bei Bedarf auch öfter. Der Staatssekretär des Äußeren trug dort aus den Depeschen der Gesandten vor. In Kriegszeiten traten die Berichte der Staatssekretäre für das Kriegswesen und die Marine hinzu, um den König über den Gang der Operationen bzw. über die Feldzugsplanung zu informieren.73 Daß Ludwig XV. und nicht etwa die Marquise de Pompadour oder andere Minister von Seiten Frankreichs für das Zustandekommen der „diplomatischen Revolution" von 1756 verantwortlich war, verdeutlicht eine Bemerkung des Abbé Bemis: „Der König verbarg vor mir nicht seine Überzeugung, daß er Zeit seines Lebens sich W i e n als Alliierten gewünscht habe. Er glaubte, daß dies der einzige W e g zu einem dauerhaften Frieden und zum Erhalt der katholischen Religion sei." 74

In der Art und Weise, wie sich Ludwig XV. informieren und beraten ließ und in seiner Vorliebe für die Geheimdiplomatie, offenbart sich zweifellos ein besonderer, nicht nur „außenpolitischer Stil" des Königs75. Der ursprünglich ganz der Polnischen Thronfolge für den Prinzen Conti gewidmete secret du roi entwickelte sich nach der Übernahme seiner Leitung durch den Grafen Broglie immer mehr zu einem Instrument ständiger Information.76 In Broglie besaß Ludwig einen kritischen Beobachter der Ereignisse, der 1756 aus seiner Kritik an der diplomatischen Revolution keinen Hehl machte.77 Ludwig XV. behielt sämtliche Fäden in der Hand, und ein weiteres Merkmal seines Stils ist, daß er - vielleicht mit Ausnahme Choiseuls zwischen 1758 und 1770 - keinen Minister mehr eine Position erlangen ließ, die mit der Fleurys vergleichbar war. Wer zuviel Macht wollte, wer im Amt begann, von den Überzeugungen Ludwigs abweichende Konzeptionen zu entwickeln, der mußte gehen: so Graf d'Argenson 1757, Abbé Bernis 1758, so auch Choiseul 1770.

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Scott, Prussia's royal foreign minister. Das folgende nach: Externbrink, Ludwig XV. als Außenpolitiker. Vgl.: Barbiche, Les Institutions de la monarchie française, S. 291-292 und, umfassend: Antoine, Le Conseil du roi sous Louis XV. „Le Roi ne me dissimula point qu'il avait désiré toute sa vie avoir la cour de Vienne pour allié, qu'il croyait que c'était le seul moyen de jouir d'une longue paix et de maintenir la religion catholique". Bemis bezeichnete dies als einen „penchant décidé du Roi", Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 145. Vgl. auch schon den Hinweis bei Braubach, Versailles und Wien, S. 431. Siehe zum „Stil" des Königs die grundlegenden Ausführungen von Antoine, Le Conseil du roi sous Louis XV, S. 610-626. Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. CXIV. Siehe dazu unten Kapitel C II 2.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

Daß der König Marionette seiner Mätresse war, wie Friedrich der Große behauptete78, trifft nicht zu.79 Die Marquise de Pompadour war 1755 nicht mehr Geliebte des Königs, sondern versuchte sich als Vertraute an seiner Seite zu etablieren. Wollte sie ihre Position behalten, war sie gut beraten, sich nicht in die Politik einzumischen.80 Daher nutzte sie ihre Beziehung zum König, um eine Position am Hof zu erlangen, die es ihr ermöglichte, den einmal errungenen Status zu konservieren. Sie „versorgte" den König mit Geliebten, die ihr nicht gefährlich werden konnten. Noch wichtiger fur die „Treue" Ludwigs XV. ihr gegenüber aber dürfte gewesen, daß sie den extrem schüchternen Monarchen in so bedeutenden Fragen wie der einer Allianz mit Wien bedingungslos unterstütze. Dabei bediente sich der König gerade in den Geheimverhandlungen, die zum renversement führten, der Pompadour, und blieb selbst, jeden Schritt kontrollierend, im Hintergrund. Exemplarisch hierfür ist das erste Gespräch des Abbé Bernis mit der Mätresse über eine mögliche Allianz mit Wien. Der König erschien just in dem Moment, als Bernis begann, Einwände gegen ein Bündnis zu erheben. In dem sich daraufhin entspannenden Dialog machte der König Bernis unmißverständlich klar, daß der Abbé als sein Sprachrohr fungieren solle.81 Von den Detailfragen der Politik hielt sich Madame de Pompadour fem82 - sie nahm auch nur einmal an den Gesprächen zwischen Bernis und Starhemberg teil83 - und verlegte sich auf die (Vor-)Auswahl geeigneter und loyaler Mitarbeiter.84 Die Ernennung des Abbé Bernis, der sie einst in die Etikette am Hof eingeführt hatte, zum Verhandlungsfuhrer leitete darüber hinaus einen allmählichen Generationswechsel im diplomatischen Dienst ein. Bernis und der gleichfalls von ihr geförderte Choiseul brachten ihre Verwandten und ihre Klientel auf zahlreichen Posten in Europa unter und sorgten damit für eine reibungslose Umsetzung der neuen Politik. Diese in der Tat eminent politische Rolle der Pompadour verstärkte natürlich den Haß all derer auf sie, die nicht von ihr berücksichtigt wurden bzw. nicht der stark landsmannschaftlich geprägten Klientel Bernis' und Choiseuls angehörten. Diese Rolle der Pompadour als „Personalberaterin" des Königs wurde von außen so wahrgenommen, als entscheide sie über die Ernennung und Entlassung von Ministern.85 78 79

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Friedrich der Große, Politische Testamente, S. 336-337 (Testament von 1752). Über die Pompadour vgl.: Galtet, Madame de Pompadour; Lever, Pompadour; sowie allgemein: Meyer, La Chalotais, S. 60-88; Kaiser, Madame de Pompadour and the Theaters of Power; siehe auch: Antoine, Louis XV, S. 493-506, bes. 498-500; wichtig auch: Hours, Louis XV et sa cour, passim. Ein Beispiel fur das Klischee der allmächtigen Pompadour bei: Waddington, Renversement, S. 64 und 84. Ein Beleg für die Grenzen des Einflusses der Pompadour ist ihr vergeblicher Versuch 1747 und 1755-1757, näheres über die regelmäßigen Zusammentreffen zwischen Ludwig XV. und dem damaligen Leiter des secret du roi und wichtigsten außenpolitischen Beraters des Königs, dem Prince de Conti zu erfahren. Vgl. Woodbridge, Revolt in Prerevolutionary France, S. 29-30. Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 144: „Je ne vis dans ce commencement de négociation qu'un piège tendu au Roi [...] Comme je finissais ces réflexions, le Roi, à qui je n'avais jamais parlé d'affaires, entra et me demanda brusquement ce que je pensais de la lettre de M. de Starhemberg". Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 43. Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 145. Daß sie dabei nicht immer über ein glückliche Hand verfügte, betont Antoine, Le Conseil du roi sous Louis XV, S. 622. Vgl. Koser, Politische Korrespondenz, Bd. 11, Nr. 7110, 408-411, Knyphausen aus Paris an Friedrich den Großen: „Quant à ce qui concerne les éclaircissements que Votre Majesté désire d'avoir sur le degré d'influence que Madame de Pompadour a actuellement dans les affaires, Elle peut être persuadée que jamais son crédit n'a été plus grand et que, loin de diminuer, il va toujours en augmentant. On ne prend dans le Conseil aucune résolution d'une certaine importance, ni pour les affaires du dehors, ni pour celles de l'intérieur, dont elle ne soit instruite ou prévenue, et souvent même, excitée par les conseils de ses amis, elle

I. Das Außenministerium

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Die Angewohnheit Ludwigs XV., Entscheidungen allein und vor allem im geheimen zu treffen, war zugleich Ausdruck seiner Grundüberzeugung, daß allein ihm die letzte Entscheidungsgewalt in allen Fragen der Regierung zukam. Im berühmten „discours de la flagellation" des Pariser Parlements vom 3. März 1766 fand diese Überzeugung ihren vollkommenen Ausdruck: ,Allein bei mir liegt die souveräne Staatsgewalt, deren besondere Eigenschaften sich im Staatsrat, in der Rechtssprechung und in der Vernunft manifestieren [...]. Die gesamte öffentliche Ordnung geht von mir aus [...]. Die Rechte und die Interessen der Nation [...] verbinden sich notwendigerweise mit den meinen und liegen nirgendwo anders als in meinen Händen".86

Doch barg dieser Stil einen großen Nachteil und war für die Monarchie letztlich mit fatalen Konsequenzen verbunden. Man hat lange gebraucht, um hinter die Kulissen zu schauen. Die Bevölkerung sah in Versailles nur Kabalen von Ministern, eine Mätresse „zweifelhafter" (d. h. bürgerlicher) Herkunft und scheinbar willkürliche Entscheidungen. Diese vermeintliche Korruption des Hofes wurde seit den 1750er Jahren mit immer drastischeren Spottliedern, satirischen Pamphleten und Flugschriften bedacht, die einen dramatischen Ansehensverlust der Monarchie dokumentieren.87 Ludwig XV. versäumte es, sich dem Kampf um die „öffentliche Meinung" zu stellen, ein Kampf, dessen Notwendigkeit er aus Verachtung der Massen nicht erkannte.88 Diese Verkennung der Entwicklung stellt zweifellos den größten Fehler seiner Regentschaft dar. Der hohe persönliche Anteil Ludwigs XV. am Zustandekommen der „diplomatischen Revolution" und die Erkenntnis, daß die französische Außenpolitik auf einer weitgehend kohärenten Planung und auf nachvollziehbaren Entscheidungen basierte, fügen sich ein in die seit längerem in der französischen Forschung zu beobachtenden Revision des Bildes Ludwigs XV. Immer wieder wurde vor allem in der älteren Literatur die Entscheidungsschwäche des Monarchen betont.89 Die schwerwiegendste außenpolitische Entscheidung Frankreichs im 18. Jahrhundert (abgesehen von der Annahme des Testaments Karls II. von Spanien durch Ludwig XIV.) traf der König ohne Beeinflussung von außen auf der Basis sorgfältiger Information und Meinungsbildung. An dieser Entscheidung hielt er bis zu seinem Tode fest.90

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donne l'éveil la première sur une infinité d'objets. Elle influe d'une façon bien plus marquée encore sur la contribution des grâces et la collation des charges, et les ministres perdent tous les jours de leur pouvoir à cet égard". Zum Kontext der Depesche siehe: Externbrink, Kommunikation - Information - Außenpolitik, bes. S. 172-173. Zit. nach Antoine, Louis XV, S. 852: „C'est en ma personne seul que réside la puissance souveraine, dont le caractère propre est l'esprit de conseil, de justice et de raison [...] l'ordre public tout entier émane de moi et [...] les droits et les intérêts de la nation [...], sont nécessairement unis avec les miens et ne reposent qu'en mes mains". Beispiele hierfür bei: Darnton, Poesie und Polizei, S. 148-164. Meyer, Louis XV, S. 102; Viguerie, Le Roi et le „public"; Antoine, Préface, S. IX. So auch Meyer, Louis XV, S. 160: „Louis a été sans doute le plus doué, intellectuellement, de nos Rois de l'époque moderne [... aber:] Lui a manqué la volonté de décider". Auch die letzten Jahrzehnte seiner Regierung widersprechen dem Bild des entscheidungsschwachen Monarchen, denn Ludwig XV. trat 1770 den rebellierenden Gerichtshöfen mit einer zuvor unbekannten Festigkeit entgegen, indem er eine umfassende Reform einleitete, die die Revolution, so Jean Meyer, um zwanzig Jahre verschob und, hätte Ludwig XVI. an den Maßnahmen festgehalten, sie vielleicht verhindert hätte. Meyer, Louis XV, S. 134.

Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

46 Zusammenfassung

Die französische Diplomatie in der Mitte des 18. Jahrhunderts wies einen hohen Grad an Funktionalität auf. Ein arbeitsteilig organisiertes Ministerium steuerte die Gesandten des Bourbonenreiches und versorgte die Minister und den König mit Informationen über alle relevanten Vorgänge an den Höfen und Regierungen Europas. Von den Mitarbeitern der verschiedenen politischen Büros ausgewertet, kam ihr Inhalt im conseil d'État zum Vortrag und wurde vom König zur Kenntnis genommen, der über die ihm vorgetragenen Optionen entschied. Insofern schätzte Kaunitz im Spätsommer 1755 die Verteilung der Kompetenzen richtig ein, als er seinen Botschafter Starhemberg beauftragte, mit einem Verhandlungsangebot direkt an den König heranzutreten. Als die Verhandlungen konkrete Formen annahmen, drängte Bernis auf die Heranziehung von Mitgliedern des conseil d'État, und damit wurden auch die premiers commis des Außenministeriums eingeschaltet.91 Das durchorganisierte Außenministerium ist ein eindrucksvoller Beleg für die unter Ludwig XV. ausgebildete „bureaucratie monarchique".92 Für das Funktionieren des Außenministeriums war die Arbeit der premiers commis entscheidend. Ihr Einfluß darf aber nicht überbewertet werden, wie ein Blick auf die Personalpolitik Ludwigs XV. zeigt. Bussy, La Ville und Tercier hatten Erfahrung als Diplomaten an fremden Höfen gesammelt und wurden mit ihrer Sachkompetenz auch als Unterhändler in heiklen Missionen eingesetzt.93 Der Weg zum premier commis stellte eine der Karrieremöglichkeiten dar, die sich in der Außenpolitik bzw. in der Diplomatie boten. Bussy und La Ville, aber auch andere (du Theil, Gérard), wechselten zwischen der Beschäftigung in den Büros und diplomatischen Missionen. Viele begannen ihre Karriere als Gesandtschaftssekretär (Radix de Sainte-Foy, Gérard). Das Amt des premier commis bedeutete den Endpunkt ihrer Karriere, keiner schaffte den Absprung in ein prestigeträchtigeres Amt, weder an die Spitze eines Ministeriums noch an einen der obersten Gerichtshöfe. Dennoch genossen die premiers commis durchaus eine gewisse Reputation in der höfischen Gesellschaft von Versailles.94 Der Abbé de La Ville war zudem Mitglied der Académie française. Die premiers commis waren sich ihrer Bedeutung als Garanten der Funktion des Außenministeriums bewußt und trugen nach außen ein nicht geringes Selbstbewußtsein zur Schau, wie eine Anekdote aus den Erinnerungen JeanFrançois Marmontels zeigt. Marmontel selbst versuchte, über die Protektion Bernis' im Außenministerium Fuß zu fassen. So wurde er Zeuge, wie einer der „alten Beamten" des Archivs - vielleicht Le Dran - gegenüber Bussy die Ernennung von Bernis zum Minister folgendermaßen kommentierte: „Dies ist nun der elfte Schüler, den man uns, Abbé de La Ville und mir zuweist ..,".95 Die premiers commis beanspruchten demnach, die eigentlichen Lenker der Außenpolitik zu sein, und sie sahen die Minister, die oft nur kurze Zeit dem Ressort vorstanden, als ihre Schüler, die den Vorgaben ihrer Lehrer folgen sollten. Jedoch waren diese Lehrer nicht in allen Belangen Vorbilder. So konkurrierten sie um Einfluß und Kompetenzen, und Bussy erhielt während seiner Zeit als Gesandter in London sogar Bestechungsgelder von der englischen Regierung.96

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Vgl. zu den Einzelheiten unten bes. Kapitel C. II. 1 und D. 2. Antoine, Louis XV, S. 196-198. Bussy war Gesandter in Wien, London, Madrid und Hannover, La Ville in Den Haag, Tercier in Warschau und Aachen, vgl. Samoyault, S. 169-171,278,294-295,307. Samoyault, S. 203-261. Marmontel, Erinnerungen, S. 286. Siehe unten Kapitel D. III., S. 327-328.

II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten

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II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten In der Einleitung wurde auf die Analogien hingewiesen, die zwischen der Verwendung des Perzeptionsbegriffes in der philosophischen Erkenntnistheorie und im außenpolitischen Entscheidungsprozeß bestehen. Analog zur klassischen Erkenntnistheorie gilt auch für die diplomatische „Erkenntnis", daß die auf den Gesandten „einstürmenden" Informationen nach gewissen Kategorien geordnet werden. Daher soll nun der Rahmen dargestellt werden, der den Inhalt der Depeschen bestimmt. Es geht darum, das Bezugssystem zu skizzieren, innerhalb dessen die Gesandtenkorrespondenzen zu verorten sind. Oder anders formuliert, in die „Sprache" einzuführen, durch die die Diplomaten „politische Phänomene intelligibel" machen.1 Was für den Gesandten als berichtenswert galt, war nicht seiner Willkür überlassen. Voraussetzungen der Gesandtentätigkeit Der Schwerpunkt des diplomatischen Interesses kann durch die „Studienschwerpunkte" erschlossen werden, die die Verfasser der bedeutendsten „Handbücher" für den frühneuzeitlichen Diplomaten, Abraham de Wicquefort und François de Callières, fordern. Abgesehen von einer standesgemäßen Geburt nennen beide als Voraussetzungen, über die ein guter Diplomat verfügen müsse, Kenntnisse der Literatur, des Rechts und vor allem der Geschichte: „Das Studium der Geschichte sollte vorrangig von jenen gepflegt werden, die vorgeben, bei Gesandtschaften Verwendung finden zu wollen. Darunter verstehe ich alles, was davon abhängt und was dazu dienen kann, wie Erinnerungen, Instruktionen und Verhandlungen und vordringlich die Verträge, die zugleich ihren wesentlichen und an erster Stelle stehenden Teil bilden".2

Callières, der vierzig Jahre später seinen ungleich knapperen Traktat veröffentlichte, folgte Wicquefort in dieser Einschätzung. Zu den notwendigen Studien des Négociateur gehöre die Beschäftigung mit der Verfassung der Staaten, mit ihren Regierungen, mit den Machtkonstellationen an den Höfen, mit dem „Charakter" der Fürsten, Minister, Generäle, mit den Staatsinteressen und nicht zuletzt mit den materiellen Ressourcen, die Wirtschaft und Handel bereitstellen. Während Wicquefort eine ausführlich kommentierte Lektüreliste präsentierte, spezifizierte und begründete Callières weitere Inhalte. So betonte er die Bedeutung des intensiven Studiums der europäischen Verträge seit dem ausgehenden Mittelalter, denn in der Epoche Ludwigs XI. und des letzten Burgunderherzogs hätten die derzeitigen Konflikte (der spanische Erbfolgekrieg) zwischen Frankreich und dem Hause Habsburg ihren eigentlichen Ursprung.3 Unter den zu studierenden Verträgen hebt er besonders den Westfälischen

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Hellmuth, Ehrenstein, Intellectual History made in Britain, S. 158. Wicquefort, De l'Ambassadeur, Bd. 1, S. 117: „Mais la principale estude de ceux, qui prétendent se faire employer aux Ambassades, doit estre l'Histoire. Je comprends sous ce nom tout ce qui en dépend, et qui peut y servir; comme les Mémoires, les Instructions et les Négociations, et particulièrement les Traittés, qui en font un des plus essentielles et des plus principales parties". Siehe auch: Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 65-68. Callières, De la manière de négocier, S. 49-51.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

Frieden hervor.4 Neben dem Studium des Völkerrechts fordert er als Pflichtlektüre die Beschäftigung mit den Werken von Kardinal Ossat, Vittorio Siri und Philippe de Commynes.5 Zudem solle das Studium nicht nur auf das Theoretische beschränkt bleiben. Vervollständigt werde es erst, wenn man selbst mit erfahrenen Diplomaten spreche und fremde Länder mit eigenen Augen kennengelernt habe. Callières grenzt die Studienreise des angehenden Diplomaten deutlich von der damals üblichen Kavalierstour ab, denn die jungen Leute reisten nur nach Rom und Venedig, um sich an den Ruinen zu ergötzen und um Oper und Kurtisanen zu genießen.6 Die hier von Wicquefort und Callières beschriebenen Voraussetzungen, zu denen noch das Studium der europäischen Sprachen gezählt werden muß, prägten auch den Lehrplan der 1712 von Colbert de Torcy gegründeten Académie politique. Im Mittelpunkt der dort praktizierten Ausbildung der zukünftigen Gesandten stand die Lektüre historischer, philosophischer und juristischer Werke sowie die Schulung an den Korrespondenzen und Verträgen des Pariser Außenministeriums. Den Schwerpunkt des ersten Studienjahres bildete die Geschichte des Westfälischen Friedens.7 Zwar war der Akademie Torcys nur eine kurze Lebensdauer beschieden, doch stand seitdem das Lehrprogramm für angehende Diplomaten fest: Sprachen, Geschichte, Völkerrecht. In einem Entwurf zur Gründung einer weiteren Akademie aus dem Jahre 1722 wurde ein dreistufiger Lehrplan entworfen. Zur Propädeutik zählte der unbekannte Autor die Kenntnisse der lateinischen und griechischen Sprache und ihrer wichtigsten Autoren, Grundkenntnisse der Geschichte, der Chronologie und der Geographie. Weitere Sprachkenntnisse wurden in Italienisch und Spanisch gefordert, und darüber hinaus sollte die deutsche und die englische Sprache erlernt werden. Zur Pflichtlektüre zählten die Geschichtsschreiber der griechischen und römischen Antike, wobei besonders Thukydides und die Schriften Aristoteles' hervorgehoben wurden, die frühneuzeitlichen Klassiker der politischen Klugheitslehre Machiavelli (überraschenderweise wird der Principe nicht genannt) und Lipsius sowie der Völkerrechtler Grotius. Zum theoretischen Rüstzeug gehören auch die „Klassiker" der französischen Staatstheorie und Geschichte aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: die Werke Pithous, Dupuys, Godefroys und Aubérys. Als Grundlage des praktischen Wissens wurden dem Diplomatenschüler die Werke Wicqueforts, Bentivoglios und Rohans empfohlen. In regelmäßig stattfindenden „Seminaren" sollte ein eigens dafür eingestellter Lehrer (président) mit den Diplomatenschülern über das Gelesene diskutieren.9 4

Ibid. S. 51: „il est bon qu'il [= der Gesandte, S. E.] s'instruise de tous les traitez faits depuis ce temps-là, mais plus particulièrement de ceux qui ont été conclus entre les principales Puissances de l'Europe, à commencer par les traitez de Westphalie jusqu'au temps présent". Parallel zum Studium des Westfälischen Friedens sollten auch die Denkschriften und Korrespondenzen Mazarins gelesen werden, ibid. S. 52. 5 Ibid. S. 52-53: Die Briefe Ossats ([1536-1604], Lettres du cardinal d'Ossat erstmals 1624 publiziert) sollten ständiger Begleiter des Diplomaten sein. Über die Bedeutung der Memoiren von Commynes urteilte Wicquefort, L'Ambassadeur, I, S. 118: „II n'y a point de livre, où il y ait tant à profiter pour les Princes et pour les Ministres, que dans les Mémoires de Comities" [Hervorhebung im Text]. 6 Callières, De la manière de négocier, S. 60-61: „Mais pour acquérir ces connoissances, il ne suffit pas de les chercher dans les livres, elles s'acquièrent beaucoup plus par la communication des hommes employez en ces sortes des affaires, et par les voyages dans les pays étrangers, quelqu'étude qu'on ait fait auparavant de leurs mœures, de leurs intérêts et des passions de ceux qui les gouvernent, toutes les choses paroissent autrement, lorsqu'on les voit de près, et on ne peut s'en former de justes idées qu'en les connaissant par soimême". 1 Thuillier, L'Académie politique, S. 100. 8 Ibid. S. 175-178. ® Ibid. S. 175-177.

II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten

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Ganz ähnlich war auch der Lehrplan der Straßbürger „Diplomatenschule" Johann Daniel Schöpflins (1694-1771) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt. Nicht zuletzt angeregt durch die Entwicklung der neuen universitären Disziplin der „Statistik" im deutschen Reich (besonders in Göttingen), erhielten ihre Absolventen profunde Kenntnisse in europäischer Geschichte und Völkerrecht. Als Ausbilder standen neben Schöpflin mit Christian Friedrich Pfeffel und Christoph Wilhelm Koch nicht nur hervorragende Gelehrte, sondern auch in der Praxis geschulte Mitarbeiter des französischen Außenministeriums zur Verfügung.10 Zentralen Rang nahm auch hier das Studium des Westfälischen Friedens ein, dem Schoepflin während der Kriegsjahre 1757 und 1759 seine Vorlesungen widmete." Geschichte, Völkerrecht und Sprachen prägen auch gegen Ende des Jahrhunderts die Empfehlungen, die ein Mitglied des Außenministeriums einem Diplomaten-Schüler gab.12 Die genannten Wissensschwerpunkte entsprechen im übrigen denen, die auch in zeitgenössischen Werken genannt werden, die sich mit dem Studium der europäischen und außereuropäischen Staaten beschäftigen. Reisewillige müßten sich, so fordern die Autoren der Apodemiken, intensiv mit der Geschichte, den Eigenarten, der Rechtssprechung und anderen Besonderheiten der Länder auseinanderzusetzen, die zum Reiseziel auserkoren wurden.13 Demnach speisen sich sowohl der Studienplan des angehenden Diplomaten als auch des reisenden Kavaliers aus der im 16. Jahrhundert entwickelten Staatsbeschreibung, an deren Anfang Botero und Sansovino stehen.14 Da sich die an den reisenden „Gentlemen" wie auch den Diplomaten gestellten Ansprüche somit weitgehend decken, kann man für das 18. Jahrhundert vermuten, daß, trotz fehlender Institutionalisierung der Diplomatenausbildung, den mit Missionen an fremde Höfe beauftragten Gesandten die Grundzüge der europäischen Geschichte und des Völkerrechts vertraut waren. Die notwendigen Kenntnisse konnten auch ohne Spezialausbildung - durch den Besuch von Universität und Ritterakademie erworben werden.15 Die Forderungen des Ministeriums an seine Gesandten Diese Schwerpunktsetzung in der „Theorie" prägt auch die Instruktionen des französischen Außenministeriums. Dem Hof, den Persönlichkeiten der Fürsten, ihrer Minister, ihren Familien, den Favoriten und Favoritinnen hatte die Aufmerksamkeit der Gesandten zu

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Voss, Schöpflin, S. 156-185. Ibid. S. 172. Ruiz, Origines de la diplomatie contemporaine, bes. S. 82-95. Auch hier verweist man auf die Bedeutung des Westfälischen Friedens als Verfassungsgrundlage des Deutschen Reiches wie als auch exemplarisches Beispiel für das Wechselspiel von Krieg und Verhandlungen. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden Wicquefort und Bougeants „Geschichte des Westfälischen Friedens" zur Pflichtlektüre angehender Diplomaten erklärt, vgl. AAE MD France 2186, fol. 211-217', fol. 212ν-213Γ. Gude, Einleitung zu den europäischen Staaten, Bd. 1, S. 10-19; 64-72. Botero, Le Relazioni unversali; Sansovino, Del governo dei regni; vgl.: Rassem, Stagi, Geschichte der Staatsbeschreibung, S. 7-9; Stagi, Die Methodisierung des Reisens, S. 156-157 und passim. Vgl. Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 27: „In den meisten europäischen Staaten absolvierten die adligen zukünftigen Diplomaten die normale Ausbildung mit dem Besuch einer Ritterakademie oder von Universitäten und der - meist ausgedehnten - Kavaliersreise an herausragende europäische Höfe (Grand Tour)·, nichtadelige Diplomaten hatten in der Regel zumindest ein (Rechts)Studium vorzuweisen und einschlägige Verwaltungserfahrung". Vgl. auch: Bély, Espions et ambassadeurs, S. 322-330.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

gelten.16 Verhandlungen anstehender Probleme wurden immer auch mit Hilfe von lus und Historie vorbereitet bzw. strittige Fragen unter Rekurs auf die Geschichte analysiert.17 Der Herzog von Choiseul nannte als die zwei wichtigsten Aufgaben des Diplomaten, „erstens, die Wünsche seines Hofes auszuführen und zu verwirklichen, zweitens, seinem Hof über alles, was ihn interessieren könnte, zu berichten: über Pläne und Überlegungen des Fürsten und des Rates am Hof, wo er residiert".18 Choiseul schrieb dies im Rückblick auf seine Karriere, in der er sowohl als Gesandter tätig war als auch als Außenminister Informationen einforderte. Wie diese hier von ihm definierte allgemeine Informationspflicht in der Praxis aussah, kann noch weiter präzisiert werden. Der im vorhergehenden Kapitel beschriebene Konflikt zwischen Montazet und dem Außenministerium in Versailles verdeutlicht, wie gering der Handlungsspielraum der Gesandten war. Auch für den Cousin des Außenministers galt das Verbot, in eigener Verantwortung Verhandlungen in Gang zu bringen. Dementsprechend skizzierte Praslin folgendermaßen seine Auffassung von den Pflichten eines Diplomaten (er hatte über Kaunitz' Entschluß berichtet, trotz aller Rückschläge den Krieg fortzusetzen): „Ich glaube, man sollte nichts vernachlässigen, und ich fühle mich wohl dabei, Ihnen zu zeigen, daß ich aufmerksam bin, daß ich alles beobachte, und daß, gut oder schlecht, ich über alles nachdenke, was ich sehe und höre. Im übrigen, Monsieur, halte ich mich exakt an das, was Sie mir vorgeschrieben haben. Ich habe das Wort Frieden noch nicht ausgesprochen, vom Krieg spreche ich, als ob er niemals enden sollte, als ob er der Naturzustand der Reiche sei".19

Beobachtung und Analyse des Gesehenen - darin sah Praslin seine Aufgabe. Nach Ende des Siebenjährigen Krieges kündigte sein Nachfolger Châtelet an, die ihm jetzt zur Verfügung stehende Zeit zur Vertiefung seiner Kenntnisse über die österreichische Monarchie zu nutzen, und bat sogar, ihm aus dem Archiv relevante Papiere für vergleichende Betrachtungen zu senden.20

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Recueil des instructions: Autriche, S. 335: „Un des principaux devoirs d'un ambassadeur ou ministre résidant pour le Roi dans une cour étrangère est d'acquérir une parfaite connoissance des personnes avec lesquelles il a à converser et à traiter". Vgl. Kapitel Β I. 1. Choiseul, Mémoires, ed. Guicciardi, Bonnet, S. 121: „le premier, d'exécuter et de faire réussir les désirs de sa Cour, le second, d'informer sa Cour de tout ce qui peut l'intéresser des projets et des délibérations du prince et du conseil de la Cour où il réside". AAE CP Autriche 272, Praslin an Choiseul, 21. Juli 1759, fol. 400'-404\ fol. 403r: „Je crois qu'on ne doit'rien negliger, et je suis bien aise de vous procurer que je suis attentif, que j'observe tout, et que, bien ou mal, je raisonne sur tout ce que je vois et entends; d'ailleurs, Monsieur, je me conforme exactement à ce que vous m'avez présent: Je n'ay pas encore proféré le mot de paix; je parle ,guerre' comme si elle ne devoit jamais finir, et comme si elle étoit l'état naturel des empires". AAE CP Autriche 294, fol. 92'-102r, Châtelet an Praslin, 26. März 1763, fol. 93r-94v: „Je vais profiter, Monsieur, de ces moments de loisir pour faire en sorte de perfectionner le peu de connoissances que j'ai déjà acquises sur l'état intérieur de la monarchie autrichienne tant par rapport au commerce qu'aux finances et au militaire, d'apprécier s'il est possible l'étendue de ses dettes et la nature de ses ressources et d'éclairer les moyens qu'elles mettra en usage pour en tirer parti, afin de pouvoir être dans la suite en état de vous en rendre un compte exact et détaillé. S'il se trouvoit dans le dépôt des affaires étrangères quelques mémoires qui puissent me servir de guide sur ce matières ou de pièces de comparaison, vous me feriès plaisir, Monsieur, de me les envoyer. Je n'ai rien trouvé dans les papiers de l'ambassade qui sont restés ici qui ait raport à cet objet".

II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten

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Das auf vielfältigen Wegen gewonnene Wissen wurde jedoch nicht sogleich in Gesprächen mit dem fremden Minister und Souverän umgesetzt, sondern zuerst in der Zentrale vorgestellt. Versailles behielt sich jeden weiteren Schritt vor. Dies bedeutete angesichts der langen Kommunikationswege ein nur äußerst langsames Voranschreiten von Verhandlungen. Dennoch hielten sich die Gesandten an dieses Verfahren. Châtelet begnügte sich mit der Darstellung der Ereignisse am Wiener Hof und überließ es Versailles, die Haltung des Verbündeten zu kommentieren.21 Die Integration des Gesandten in die zu beobachtende Hofgesellschaft war für seinen Zugang zu Informationen von großer Bedeutung. Verkehrten die französischen Gesandten in Wien seit den 1750er Jahren regelmäßig mit den leitenden Ministern und dem Staatsoberhaupt, war dies in Köln nach dem Tode von Kurfürst Clemens August nicht mehr der Fall. Der ministre plénipotentiaire im Kurfürstentum Köln, Marquis de Bausset, zog sich nach der Wahl des anglophilen Maximilian Friedrich von Königsegg zum neuen Kurfürsten weitgehend vom kurkölnischen Hofe zurück und beschränkte seine Kontakte auf das Notwendigste.22 Zwei Jahre später verließ Bausset Bonn, sein Sekretär, Laugier, wurde angewiesen, sich auf die reine Beobachtung des Verhaltens des Kurfürsten zu beschränken.23 Zu den Aufgaben der Gesandten gehörte nicht nur die ständige Berichterstattung über die Ereignisse am Hof. Parallel dazu mußten sie Informationen sammeln und Denkschriften zu einzelnen Punkten verfassen. Diese oft umfangreichen Schriftstücke ähneln den venezianischen Abschlußrelationen, ihre Abfassung war nicht wie dort formalen Regeln unterworfen. Zwar verlangte das Außenministerium im Untersuchungszeitraum mehrfach die Vorlage von Abschlußrelationen, doch diese Forderung führte zu keiner institutionalisierten Produktion von Relationen wie in der Seerepublik.24 Sie entstanden auf ausdrückliche Anordnung des Ministeriums oder auch aus Eigeninitiative des Gesandten, der sich damit beim Minister für höhere Aufgaben empfehlen wollte. So schrieb kurz nach seiner Ernennung der Gesandte in Köln, Baron de Breteuil, eine Charakterstudie des Kölner Hofes.25 Darin folgte er den Forderungen der eingangs erwähnten Theoretiker und präsentierte die bedeutendsten Persönlichkeiten des Hofes mitsamt ihren Stärken und Schwächen.26 Berichte wie diese 21

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AAE CP Autriche 288, fol. 218r-228v, Châtelet an Praslin, 17. Mai 1762, fol. 228r: „Je n'ajouterai, Monsieur, aucune réflexion au contenu de cette dépesche; les conséquences qu'on en peut tirer ne vous échaperront pas. La cour de Vienne désire vivement la paix et n'ose encore nous le dire, mais elle nous le dira bientôt". AAE CP Cologne 100, fol. 108r-109v, Bausset an Choiseul, 18. Juni 1761, fol. 108v-109r: „Tout est icy, Monseigneur, dans une grande confusion, le goût de cette cour pour l'intrigue, est animé par la foiblesse du Prince. Monsieur de Belderbusch prend assés de crédit sur son esprit. Je ne me mesle de rien, et je soutiens sans affection de sens Monsieur de Raasfeldt, qu'on auroit bien voulu faire renvoyer; mais la protection du Roy le met à l'abri de la disgrâce". Choiseul befürwortete die Zurückhaltung Baussets. Er tue gut daran, „de ne pas se mêler des intrigues intérieures de la cour de Bonn", ibid., Choiseul an Bausset, 2. Juli 1761, fol. 119'. Mit Königsegg war der Gegenkandidat der Franzosen gewählt worden, vgl.: Recueil des Instructions: Cologne, S. XLI-XLVI; ausführlich: Kapitel Β III. 3. AAE CP Cologne 103, fol. 81r, Praslin an Laugier, 3. März 1763, fol. 81r: „Comme nous n'avons, M., aucun objet actuelde négociation avec l'électeur, vôtre attentionse fixera sur celle qu'il pourroit faire avec d'autres puissancesparticulièrement sur les manèges qu'emploiera son ministre,pour ses vües sur l'évêché de Liège". Vgl.: Recueil des instructions: Autriche, S. 336, 407; Recueil des instructions: Trêves, S. 200. AEE CP Cologne 96, fol. 99r-103v, Breteuil an Bernis, 20. Oktober 1758, fol. 99r: „J'ay attendu que les affaires, et les gens qui les traitent, fussent rangés par ordre dans ma tête pour avoir l'honneur de faire, à votre éminence, un tableau de cette cour. Tout ce qui la compose est si étrange, et si fort de l'autre monde, qu'en vérité elle ne devroit pas être comptée pour grand chose dans celui-cy". Ibid. fol. 99'-103 r . Das Porträt des kurfürstlichen Hofes wurde ediert von Georges Livet in: Recueil des instructions: Cologne, S. 281-284.

52

Α. Die

französische

Diplomatie

im 18.

Jahrhundert

dienten keinesfalls der Befriedigung der Neugier auf Klatschgeschichten, sondern waren Grundlage für Initiativen, mit denen man versuchte, Einfluß am fremden Hofe zu gewinnen. Außenminister Rouillé forderte im März 1757 Informationen über mehrere Angehörige des bayerischen Hofes an, und bereits zwei Wochen später lieferte der französische Gesandte Du Buat den gewünschten „Tableau de la Cour de Bavière".27 Du Buat betonte ausdrücklich, daß er sich jeglicher Wertung enthalten habe und hoffe, dem Ministerium die fur eine Beurteilung notwendigen Informationen bereitgestellt zu haben.28 Wie das von Bussy für einen unbekannten Zweck exzerpierte „Tableau politique de la Cour de Vienne", Teil einer Depesche Châtelets vom 21. April 1761, zeigt, wurde den Charakterstudien über die Entscheidungsträger an fremden Höfen erhebliche Aufmerksamkeit zuteil.29 Das Interesse

an wirtschaftlichen

Fragen

Neben diesen „klassischen" Denkschriften über die Faktionen an den deutschen Fürstenhöfen wird im 18. Jahrhundert aber auch ein zunehmendes Interesse an wirtschaftlichen Fragen sichtbar. Der englisch-französische Gegensatz im 18. Jahrhundert hatte nun nicht mehr die Abwehr französischen Hegemoniaistrebens wie zur Zeit Ludwigs XIV. zum Inhalt, sondern die beiden Mächte konkurrierten um die Dominanz im Welthandel. Die italienisch, spanisch und holländisch geprägte Weltwirtschaft gehörte der Vergangenheit an. In den Kriegen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts agierte Frankreich auf dem Kontinent weitgehend defensiv: die einzige territoriale Erwerbung bis zu den Revolutionskriegen war Lothringen. Im Vordergrund standen die Förderung der Wirtschaft und der Import von profitträchtigen Rohstoffen aus den eigenen Kolonien. Daher rückte die Wirtschaft verstärkt in das Blickfeld der Diplomatie. Eine Dokumentation über mögliche Handelsverträge mit Preußen stellte der Marquis de Valory in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts zusammen30 Im Jahre 1752 wurde dem französischen Gesandten in Berlin, Tyrconnel, ein Fragenkatalog zur wirtschaftlichen Situation des Königreiches Preußen übergeben. Außenminister Saint-Contest beabsichtigte, die Handelsbeziehungen zu Preußen zu intensivieren. Gefragt wurde im einzelnen: —

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Was wird in den verschiedenen Manufakturen hergestellt, die in den letzten Jahren von Friedrich II. eingerichtet wurden, bzw. welche Stoffe (Leinen, Seide, Baumwolle etc) werden verarbeitet; gibt es Glasmanufakturen? Existieren einheitliche Einfuhrzölle, Transitsteuern? Inwieweit findet auf der Oder und Warthe eine geregelte Schiffahrt statt? Werden Steuern auf französische Weine und Weinbrände erhoben? Wie hoch ist ihr Konsum? Aus welchen Regionen importiert Preußen noch Wein (Ungarn)?

Vgl. AAE CP Bavière 135, fol. 85r-88v, Rouillé an Du Buat, 13. März 1757, fol. 88r: „J'exige, Monsieur, que vous me marquiez avec toute la vérité dont je vous crois capable quel degré de crédit les comtesses de Wahl [Frau von Franz Xaver Graf von der Wahl, Bayerischer Ho&at] et de Fugger et le Baron de Waldkirch ont auprès de l'électeur, et s'il y a aucune sorte d'utilité pour le service du Roy et leur faire quelque présents peu considérable de loin en loin". Ibid. fol. 112-117', Du Buat an Rouillé, 26. März 1757, fol. 112': „II [= le tableau, S. E.] ne m'a été dicté ni par l'humeur, ni par l'ennui, ni par l'aversion. Ce sont des sentiments que je n'ai point encore éprouvés depuis queje suis ici. J'espère vous mettre en état de juger par vous même du degré d'utilité dont peuvent être les trois personnes dont vous me faites l'honneur de me parler dans votre lettre". AAE CP Autriche Suppl. 19, fol. 87r_v. Die Depesche Châtelets in: CP Autriche 288, fol. 26'-40', fol. 38'-39v. Vgl. AAE MD Prusse 4, fol. 275'-298v.

II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten — — — —

53

In welchem Umfang werden Zucker und Kaffee aus französischen Kolonien eingeführt? Existieren Importverbote für Produkte besonders aus französischer Herstellung? Über welche Privilegien und Freiheiten verfügt der Hafen von Emden, welche andere Häfen nutzt Friedrich II.? Befinden sich französische Handelsniederlassungen in Emden, Berlin oder anderswo und unter welchen Bedingungen können sie ihre Geschäfte betreiben?31

Unglücklicherweise starb Tyrconnel, bevor er diese Anfrage beantworten konnte, und es scheint, daß sie nicht an seinen Nachfolger La Touche weitergereicht wurde.32 Stellen wirtschaftliche Fragen verständlicherweise nur einen Aspekt der französischpreußischen Beziehungen dar, so dominieren sie die französisch-hamburgischen Kontakte. Im Laufe des Siebenjährigen Krieges kündigte Versailles einen alten Handelsvertrag von 1716, da der Hamburger Senat insgeheim England und Preußen unterstützte.33 Gegen Ende des Krieges begann der französische Gesandte, Comte de Modène, mit der Analyse der hamburgischen Wirtschaft und erhielt die Anweisung, auf eine Erneuerung des alten Handelsvertrages hinzuarbeiten.34 Wie auch sein Vorgänger Champeaux, der bis zu Beginn des Krieges die Interessen Frankreichs in Hamburg vertreten hatte, verfaßte der Comte de Modène eine Reihe von Denkschriften über die hamburgische Wirtschaft.35 Angesichts der finanziellen Probleme Frankreichs verwundert es nicht, daß nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges das französische Finanzministerium zur Vorbereitung eigener Reformen eine systematische Bestandsaufnahme der Steuersysteme der europäischen Staaten in Angriff nahm. Dabei ließ man sich von der Idee leiten, aus den gesammelten Informationen Anregungen für eine Steuerreform in Frankreich zu gewinnen. Seit Sommer 1764 forderte Außenminister Praslin, stellvertretend für den Contrôleur général des finances, L'Averdy, und den Intendant des finances, Moreau de Beaumont, Denkschriften über das Steuersystem der jeweiligen Staaten an.36 Moreau de Beaumont wertete die über einen Zeit-

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AAE CP Prusse 167, fol. 24', Saint Contest an Tyrconnel, Januar 1752. Tyconnel starb am 12. März 1752, sein Sekretär Le Baillif, Chargé de correspondance, übernahm bis zur Ankunft seines Nachfolgers La Touche (Juli 1752) die Erledigung der Geschäfte, vgl. die biographische Notiz in: Recueil des instructions: Prusse, S. 410, 424-425. Diese Anfrage stand zweifellos im Zusammenhang mit der Vorbereitung des französisch-preußischen Handelsvertrags von 1753, vgl.: Mieck, Die Staaten des westlichen Europa in der friderizianischen Außenpolitik, S. 94; eine möglicherweise spätere Antwort auf die Anfrage in: AAE MD Prusse 2, fol. 263Γ-273Γ, „Mémoire sur l'administration du Roy de Prusse", 1753. Vgl. AEE CP Hambourg Suppl. 7, fol. 301 -303'; 324-352': „Précis et résultats des luttes, observations, et mémoires respectifs sur les infractions du traité de commerce de 1716 faites par les Hambourgeois pour servir d'instruction préliminaire, relativement au nouveau traitté qui se doit faire avec eux" (ca. 1760). Zu den französisch-hamburgischen Wirtschaftsbeziehungen siehe: Butel, L'Économie française, S. 91. „Im 18. Jahrhundert war Frankreich der wichtigste Handelspartner Hamburgs", Kopitzsch, Franzosen in den Hansestädten, S. 283. AAE CP Hambourg 88, fol. 24'-25', Praslin an Modène, 3. Februar 1763, fol. 24y: „Je ne puis qu'approuver le parti que vous avez pris de chercher à perfectionner vos connoissances sur les objets relatifs au commerce entre la France et la ville d'Hambourg et d'en former un mémoire qui puisse servir à un nouveau plan de traité de commerce plus égal que l'ancien pour le François et par conséquent plus avantageux au commerce de France". Die Denkschriften finden sich in AAE CP Hambourg Suppl. 7 und 8. Vgl. auch Hartmann, Steuersystem, S. 125-144, bes. S. 131-142: Denkschrift des Comte de Modène über das Steuersystem Hamburgs. Hartmann, Steuersystem, S. 11-15.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

räum von fünf Jahren entstandenen Memoranden aus und publizierte die Ergebnisse 1768.37 Doch nicht erst mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges begann die systematische Erfassung wirtschafts-, finanz- und steuerpolitisch relevanter Daten der europäischen Staaten.38 Nachdem man bereits eine Sammlung der im Reich im Umlauf befindlichen Münzen angelegt hatte, forderte Choiseul im Mai 1761 in einer Zirkulardepesche von den Gesandten weitere Informationen über das Münzwesen im Reich.39 Folard und sein Sekretär Du Buat sowie der spätere jurisconsulte du Roi, Pfeffel, verfaßten in den folgenden Monaten eine Vielzahl von Denkschriften und legten sogar eine umfangreiche Münzsammlung an. Dabei gingen sie so gründlich und gewissenhaft vor, daß der Herzog von Praslin ihren Eifer bremsen mußte: man plane keine Sammlung sämtlicher jemals im Umlauf gewesener Münzen.40 Mit dieser Münzsammlung setzte man eine bereits vor dem Krieg begonnene Aktion fort.41 Parallel dazu begannen die Gesandten an den deutschen Höfen auch mit der Anfertigung von Denkschriften über den Handel in den von ihnen beobachteten Staaten. Anlaß zu diesen Aktivitäten war die Bitte des Contrôleur général, Bertin, an den Gesandten in Wien, Châtelet, ihn über die allgemeinen und besonderen Handelsgesetze in Österreich zu informieren.42 Hinter dieser Anfrage stand zum einen das Ziel, Material zu sammeln für die im Aufbau befindliche Bibliothèque des Finances, deren Anlage darauf abzielte, ein Archiv zu bilden, aus dem Material zur Legitimation der königlichen Reformen geschöpft werden könnte43; zum anderen ist die Anfrage im Zusammenhang mit dem Bemühen des den Physiokraten nahestehenden Bertin um eine Reform des Zollwesens in Verbindung zu sehen. Bertin weist auf dieses Vorhaben hin44, und in der beigelegten Denkschrift begegnen dem Leser zentrale 37

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Moreau de Beaumont, Mémoires concernant les impositions. Der erste Band enthält die Ergebnisse der Recherchen der französischen Diplomaten. Die zweite Auflage (Paris 1787-1789) enthält ein Register und einen Supplementband, vgl. Hartmann, Steuersystem, S. 16, Anm. 24. Hartmann, Steuersystem, S. 13, Anm. 12 datiert den Beginn der Enquête auf den November 1763. AAE CP Bavière 144, fol. 199'~v, Choiseul an Folard (lettre circulaire), 12. Mai 1761, fol. 199 r_v : „II seroit essentiel d'avoir de chaque pays les édits, ordonnances, rescrits ou placards en vertu des quels ont été faites les derniers fabrications pour en savoir exactement le poids, le titre, la taille [...] et il y a eu depuis quelque tems une grande variation et même une altération réelle des pièces, surtout en Allemagne, il seroit à désirer que l'on pût avoir les édits de fabrication publiés depuis 20 ou 30 ans". Die von Averdys Vorgänger Bertin initiierte Münzsammlung erwähnt: Hartmann, Steueisystem, S. 13. AAE CP Bavière 146, fol 63', Praslin an Folard, 16. Februar 1762, fol. 63': Folards Aufgabe sei keineswegs, „d'en faire une collection curieuse et de prendre celles qui sont anciennes et hors de cours, mais simplement de se borner à ce qui pouvoit manquer au petit nombre de pièces courantes des médaillés du Roy, tout le reste seroit superflu, inutile et dispendieux, et vous voulez bien vous restreindre à ce qui vous est prescrit par cette même lettre pour les envois à faire à l'avenir". Auch aus Trier traf eine Übersicht der dort gebräuchlichen Münzen ein: AAE CP Trêves 22, fol. 48'-49 v . Vgl.: AAE CP Autriche 254, fol. 172'"v, Rouillé an Aubeterre, 12. Juni 1755. AAE CP Autriche 283, fol. 96 r -100 v , Bertin an Châtelet, 23. August 1761. Über Henri Léonard Jean Baptiste Bertin (1719-1792), Contrôleur général von 1759-1763 vgl.: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps de Lumières, S. 759; Antoine, Louis XV, S. 791-794; Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 34. Antoine, Louis XV, S. 860-861. AAE CP Autriche 283, fol. 96'-100 v , Bertin an Châtelet, 23. August 1761, fol. 96'" v : „J'ay l'honneur, M., de vous adresser une mémoire sur la nécessité de prendre dans les cours étrangers éclaircissemens concernant les loix générales et particulières qui s'y observent dans le commerce: Je suis persuadé, M., que vous en sentez toute l'importance, et que vous voudrés bien faire rassembler avec le plus de diligence que vous pourrez tant à Vienne que dans les autres provinces de la domination des États de l'Impératrice-Reine les plus anciens règlemens de commerce tels qu'ils subsistent aujourd'huy avec autant des notices qu'il sera

II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten

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Gedanken der ökonomischen Theorie des 18. Jahrhunderts, wie ζ. B. der Gegensatz zwischen Freihandel und Protektionismus. Besonders die in Bayern residierenden Folard und Du Buat lieferten schon bald umfangreiche Denkschriften.45 Wie die von den Gesandten in Bayern 1762/1763 und in der Folgezeit von ihren Kollegen in ganz Europa verfaßten Memoranden belegen, waren die französischen Diplomaten durchaus in der Lage, den Wissensdurst ihrer Vorgesetzten zu stillen, wenn auch die Beantwortung dieser Anfragen gewisse Zeit in Anspruch nahm. Zugleich ist dies ein Beispiel für die systematische Nutzung des Informationspotentials der Diplomatie für eine Materialsammlung, die nicht fiir den außenpolitischen Entscheidungsprozeß bestimmt war, sondern dem innenpolitischen Reformprozeß dienen sollte. Ausdrücklich betonte Bertin in seiner Anfrage, daß die Reform der Handelsordonnanz von 1673 nicht ohne Berücksichtigung der Nachbarstaaten erfolgen könne - denn nur die Kenntnis der auswärtigen Wirtschafts- und Finanzgesetzgebung erlaube die Ausarbeitung von Gesetzen, die den französischen Handel nicht beeinträchtigen würden.46 Diese Beispiele zeigen, daß sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts der von Wicquefort geprägte Bezugsrahmen diplomatischer Informationssammlung erweiterte. Nicht mehr allein das System „Hof' stand im Mittelpunkt, sondern stärker als zuvor rückten Fragen der Ökonomie in den Vordergrund. Zugleich ist dies auch ein Beleg für die Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit, mit der die Minister Ludwigs XV. an den Entwurf von Reformen zur Modernisierung des Staatswesens gingen. Ob die Rezeption der von den Gesandten gelieferten Informationen in dessen Genese eingegangen ist, wäre zu überprüfen. Auch die von Bertins Nachfolger angeregte Sammlung zu den europäischen Steuersystemen sollte der Arbeit einer Reformkommission zugrundegelegt werden. Es ist zu betonen, daß der Kerngedanke des Projektes, auf der Basis einer komparativen Erfassung der europäischen Steuersy-

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possible d'en rassembler sur les variations que les différentes loix ont éprouvées jusqu'à ce jour. Occupé de la réforme générale des tarifs d'entrée et de sortie des marchandises du royaume, il est de la dernière importance pour y procéder avec justesse et conformément à ce qui exigent le soutien et le progrès de nôtre commerce que j'aye la connoissance la plus exacte des tarifs qui sont d'usage dans les États de l'Impératrice-Reine, non seulement pour les marchandises de France, mais pour celles des autres nations, suivant que par des conventions générales et particulières elles ont obtenu des traitemens plus ou moins favorables à leur consommation". „J'ai été très content du mémoire que vous et Monsieur le chevalier Du Buat avez formé pour répondre à celui de Monsieur le contrôleur général sur le commerce de Bavière; j'y ai reconnu votre zèle pour tout ce qui peut intéresser le service du Roy, et c'est avec plaisir que je vous apprends à tous deux l'approbation que je ne puis m'empêcher d'y donner", AAE CP Bavière 144, fol. 420 r-v , Praslin an Folard, 26. Dezember 1761, fol. 420'; Reaktion des Contrôleur général Bertin, 22. Mai 1762, fol. 181r-182r, AAE CP Bavière 145. Weitere Denkschriften aus Bayern zu dieser und anderen Anfragen: AAE CP Bavière 146, fol. 41r--42r, Relation der Münzgewichte, fol. 23Γ-232', „Mémoire sur quelques objets de commerce entre la France et la Bavière", Beilage zu einem Brief Folards vom 21. September 1763, fol. 223Γ-224Γ. AAE CP Autriche 284, fol. 96-100", Bertin an Châtelet, 23. August 1761, fol. 99r_v: .Ainsi les règlemens de commerce et les tarifs des droits sur les denrées et les marchandises ne sont plus une matière indifférente qui dépend des circonstances particulières et de la volonté des souverains qu'un besoin présent détermine; ces règlements doivent être relatifs à ceux des autres nations, et il est à propos que le ministre des finances d'un État soit informé aussi précisément des règlemens de commerce et des tarifs des puissances étrangères que le ministre politique l'est habituellement de leurs négociations. Sans cette précaution, il seroit impossible que le gouvernement ne fit quelque règlement préjudicable à son commerce, et que l'État ne s'affoiblit ou par son indifférence sur les tarifs et sur les règlements que les puissances étrangères font pour le commerce, ou en faisant de règlements qui ne seroient pas relatifs aux leurs. C'est dans cette vüe et pour réparer les fautes que quelque règlements du commerce de France peuvent avoir dans leurs dispositions respectives qu'on a prie Messieurs les ministres du Roi dans les cours de faire recueillir".

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

steme ein Modell für eine Steuerreform in Frankreich zu entwickeln, vom Modernisierungswillen innerhalb der französischen Regierung zeugt. Daß die Kommission nie zusammentrat und die beabsichtigten Reformen ausblieben47, ändert daran nichts. Mit dieser Erhebung verbunden war auch die Kompilation zahlreicher États, statistisch geprägter Beschreibungen der deutschen Fürstenhöfe. Zusammengestellt wurden diese Statistiken zumindest in Teilen als Aufitragsarbeit von einem Außenstehenden, vom premier commis des Contrôleur général L'Averdy und avocat aux conseils Brunet.48 Die nach einem einheitlichen Muster gestalteten Manuskripte enthalten eine Kurzbeschreibung des Territoriums, der einzelnen Landesteile, Angaben über die Zahl der Bevölkerung, ihre Verteilung zwischen Stadt und Land, Kommentare zur Verwaltung, zu den Finanzen, zum Handel und zur Wirtschaft sowie Informationen über die militärische Stärke. Es finden sich des weiteren detaillierte Angaben über die Steuereinnahmen aus einzelnen Landesteilen und über die verschiedenen erhobenen Steuern sowie Tabellen, aus denen die Struktur und Stärke der Armeen hervorgehen.49 Reichweite und Grenzen der „ allumfassenden Neugier" der Diplomaten Die „allumfassende Neugier" („universelle curiosité") (Bély) der Diplomatie zeigte sich nicht nur in der Arbeit der im Ausland tätigen Gesandten. Am 8. November 1758 starb in Paris Louis-Joseph Albert de Luynes, Prinz von Grimberghen. Grimberghen (geboren 1672), der berühmten Familie der Luynes entstammend, war, nachdem er bei Ludwig XIV. in Ungnade gefallen war, noch während des Spanischen Erbfolgekrieges in bayerische Dienste getreten. Als bayerischer Gesandter in Paris handelte er im Österreichischen Erbfolgekrieg das Bündnis zwischen Kaiser Karl VII. und Frankreich mit aus. Wegen angeblicher Unterschlagung von für Bayern bestimmten Subsidien war er Ende der vierziger Jahre in München in Ungnade gefallen. Vom Kurfürsten Max III. Joseph zur Rückzahlung von insgesamt 2, 8 Millionen Livres verurteilt, stritt Grimberghen die Zuständigkeit der bayerischen Justiz ab und rief das Pariser Parlement an. Nicht zuletzt dank der Protektion Ludwigs XV. blieb Grimberghen bis zu seinem Tod unbehelligt. Jedoch zog sich der juristische Streit vor französischen Gerichten noch bis weit nach Grimberghens Tod hin.50 Grimberghen war für das französische Außenministerium kein Unbekannter. Daher verwundert es nicht, daß nach dessen Tod seine Papiere durch den Garde du dépôt des Archivs des Außenministeriums, Le Dran, gesichtet wurden. Dieser sollte in den Papieren des Verstorbenen prüfen, ob darin Hinweise auf „commissions" enthalten seien, die jener direkt vom König erhalten habe. Sofern er fündig werde, habe er die Originale zu beschlagnahmen 47 48

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Hartmann, Steuersystem, S. 16. Samoyault, Les Bureaux, S. 108, Anm. 57. Brunet (1695-1781) sei 1772, so Samoyault, mit einem „travail de compilation" beauftragt worden. Die Autorschaft Brunets belegt z. B. der Vermerk „par Mr Brunet" auf dem „Tableau" in AAE MD Autriche 39, fol. 414'-441Γ, 414r; Akten zu Brunet und seinen „Tableaux" in: AAE Personnel 12, fol. 224r-264v. Averdy leitete die Erhebung zum Steuersystem der europäischen Staaten seit Dezember 1763; Hartmann, Steuersystem, S. 13. Hartmanns Edition beruht auf einem Quellenkorpus der Archives Nationales, die Arbeit Brunets erwähnt er nicht. Zum allgemeinen Kontext und zur Tätigkeit Brunets für Averdy siehe: Felix, Finances et politique, S. 395-396,407-408. Vgl. AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 308-312 v : „État militaire de la cour de Mayence", nach 1763 verfaßt; AAE MD Prusse 7, fol. 61-113', 171-18Γ: „Électorat de Brandenbourg et royaume de Prusse" 1770, aktualisierte Fassung von 1777; AAE CP Bavière Suppl. 8, fol. 68'-74 r ; AAE MD Autriche 39, fol. 414Γ-441Γ: „Tableau statistiques des États de la maison d'Autriche Imperiale". Vgl. Hartmann, Comte D'Albert - Fürst Grimberghen, bes. S. 543-545; Schmid, Max III. Joseph, S. 268-271.

II Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten

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und in das Archiv des Außenministeriums einzuordnen. Andere interessante Stücke möge er kopieren.51 Le Dran fand außer einer Vollmacht Ludwigs XV. von 1727 keine weiteren Dokumente von der Hand des Königs. Er erstellte ein Inventar der Papiere Grimberghens und schickte es Choiseul zu, um durch den Minister die Dokumente auswählen zu lassen, von denen Kopien für das Archiv angefertigt werden sollten.52 Von besonderem Interesse für das Archiv hielt Choiseul vor allem die Korrespondenzen Grimberghens und Dokumente mit im weiten Sinne völkerrechtlichem Inhalt. Dabei stand vor allem das Reich im Vordergrund. Eine Denkschrift über Reichsitalien mit dem Titel „Titres concernane le Duché de Mirandole et le marquisat de Concorde", die Le Dran fur bedeutend erachtete, sortierte er mit der Bemerkung aus, diese Stücke seien unwichtig, da sie bereits gedruckt vorlägen.53 Dagegen verlangte er die Einbehaltung einer Denkschrift über das Elsaß, was als Indiz dafür angesehen werden kann, daß auch über hundert Jahre nach dem Erwerb des Elsasses den Rechtsstreitigkeiten zwischen den angrenzenden Reichsständen und Frankreich weiterhin große Bedeutung zugemessen wurde.5 Die hier angeführten Beispiele zeigen, daß die Perzeption Deutschlands durch die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert wesentlich von den Kategorien Recht und Geschichte geprägt wurden. Zur Analyse staatlichen Handelns stand den Gesandten ein Instrumentarium zur Verfügung, das ihnen vor allem über die „Diplomatietheoretiker" Abraham de Wicquefort und François de Callières vermittelt wurde. Die von diesen geforderte präzise Beobachtung höfischer „Figurationen" (Norbert Elias55) nahm großen Raum in den Gesandtenkorrespondenzen ein: könnte der Sturz eines Favoriten, eine neue Mätresse, der Tod eines Ministers Konsequenzen für die französische Politik haben? Da viele Diplomaten ihre Posten der Einbindimg in jene „Figurationen" verdankten - beispielsweise Bernis und Choiseul - , bereitete ihnen diese Aufgabe keine allzu großen Schwierigkeiten. Besonders deutlich zeigt sich dies in den extrem dichten Korrespondenzen vom Wiener Hof. Aufmerksam wird hier jedes noch so kleine Zeichen registriert, das auf eine Veränderung der Beziehung zwischen Kaunitz und Maria Theresia, auf eine Verstimmung oder eine ausdrückliche Übereinstimmung hindeuten könne. Diplomatische Korrespondenzen müssen von Reisebeschreibungen, Reisetagebüchern u. ä. unterschieden werden. Zwar gelten für Reisebeschreibungen durchaus ähnliche Kategorien für die Analyse staatlicher Organisation, doch liegt die entscheidende Differenz darin, daß die in ihnen ausgedrückte „Welterfahrung auch Niederschlag autobiographischer Erkenntnis sein kann".5 Montesquieu, Präsident de Brosses, Herder, Goethe und viele andere 51

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AAE CP Bavière 141, fol. 64Γ-65Γ, Le Dran an Choiseul, 21. Januar 1759; ibid. Choiseul an Le Dran, 1. Februar 1759, fol. 9 Γ Λ Ibid. fol. 13Γ-132", Le Dran an Choiseul, 8. Februar 1759; das Inventar: fol. 133-164', 165r_v. Ibid. „Notice des Pieces de la succession du Prince de Grimberghen dont il peut être utile de garder de copies", fol. 229r-231r, fol. 229v: „Inutile - ce sont des pieces qui ont été imprimées et que nous avons". Kopiert wurden die Korrespondenzen Grimberghens, in Auszügen - mit dem Kurfürsten von der Pfalz - und vollständig - mit Versailles - sowie Denkschriften über aktuelles und älteres Zeremoniell, („Sur le cérémonial observé à Munich en 1658 pour la réception du Maréchal de Grammont ambassadeur extraordinaire", fol. 230r_v). Des weiteren wurden Kopien von Verträgen, Erklärungen und Denkschriften angefertigt, die das Reich, die Reichsstände und ihr Verhältnis zu Frankreich betrafen. Ibid., fol. 230r: „Réflexions sur le refus du Roy de regarder comme existantes les apellations dans les lieux possédés en Alsace par l'électeur palatin 3 août 1733", Vermerk Choiseuls: „Retirer cette pièce qui est importante". Elias, Die höfische Gesellschaft, S. 34-35, 37-39. Vgl.: Wuthenow, Autobiographien und Memoiren, Tagebücher und Reiseberichte, S. 165-167, Zitat S. 165; zur Reiseliteratur der Aufklärung: Wuthenow, Die erfahrene Welt; Pomeau, L'Europe des Lumières,

Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

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beschrieben in den Aufzeichnungen von ihren Reisen die persönliche Erfahrung mit der fremden Umgebung, der ihnen fremden Gesellschaft und schilderten äußerst subjektbezogene Begegnungen mit dem „Fremden". Für den Diplomaten hingegen ist das Treffen mit dem „Fremden" Alltag. Über die persönlichen Eindrücke der Gesandten geben ihre Berichte nur wenig Auskunft. In ihnen dominiert das Bemühen, möglichst „objektiv" das Beobachtete an die Zentrale zu vermitteln (die Tatsache, daß sie durchaus Wertungen einfließen ließen, widerspricht dieser Feststellung nicht). Dem Gesandten, der die Alpen überschritt, kam kein „auch ich in Arkadien" (Goethe) in den Sinn. Inwieweit sich die Erfahrung in der Fremde, der oft jahrzehntelange Aufenthalt an einem fremden Hof auf die persönlichen Auffassungen eines Gesandten auswirkte, darüber geben die diplomatischen Quellen keine Auskunft. Diese findet sich - wenn überhaupt - in privaten Korrespondenzen. Die Vorbereitung einer Mission Bevor nun der Frage nachgegangen wird, auf welche Art und Weise sich die Diplomaten Informationen verschafften, ob sie ihrem Beinamen - „ehrenwerte Spione"57 zu sein - zu Recht trugen, soll an einem Beispiel die Vorbereitung einer diplomatischen Mission dargestellt werden. Als Ende 1755 Louis-Jules Bourbon Mancini-Nivernais, Herzog von Nivernais58, mit der Vorbereitung seiner Mission nach Berlin begann, legte er dem premier commis Bussy eine Liste vor, auf der er die Themen vermerkt hatte, über die er Informationen verlangte. Er wünschte nicht nur „Mémoires contenant toutes les prétentions connues du Roy de Prusse sur différens territoires ou districts" zu erhalten, sondern er ersuchte auch um Auskunft über die französische Politik im Reich, im Ostseeraum einschließlich Polens und Rußlands sowie Kopien der wichtigsten Verträge, die Frankreich mit den nord- und osteuropäischen Staaten geschlossen hatte. Nivernais' Interesse richtete sich also vor allem auf Fragen des Völkerrechts und der aktuellen Politik. Außerdem wollte er über die Verteilung der französischen Gesandten im Reich, über die wichtigsten Minister der deutschen Höfe und über das dort übliche Zeremoniell informiert werden.59 Bussys Antworten geben Aufschluß über die Arbeitsweise des Außenministeriums bei der Vorbereitung einer Mission. Die eher allgemeine Frage nach preußischen Ansprüchen hatte der Gesandte in Eigenregie zu beantworten. Bussys nannte als wichtigste Literatur zum Thema: Rousset de Missy60, Schwedt[er]61, Glassey62 und die „historiens allemands de la maison de Brandenbourg". Da Bussy zudem überzeugt war, daß die genannten Titel für

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S. 25-33. Es gibt auch Fälle, in denen Diplomaten nach Ende ihrer Mission einen Bericht darüber publizierten, vgl. dazu: Bély, Espions et ambassadeurs, S. 335. Callières, De la manière de négocier, S. 30-31: „On appelle un Ambassadeur un honorable Espion; parce que l'une de ses principales occupations est de découvrir les secrets des cours où il se trouve, et s'il s'acquitte mal de son emploi, il ne sait pas faire les dépenses nécessaires pour gagner ceux qui sont propres à l'en instruire". Vgl. auch Friedrich der Große, Politische Testamente, S. 354-355 (Politisches Testament von 1752). Über Nivernais (1716-1798) vgl.: Perey, Un petit-neveu de Mazarin; zur Mission von 1755/56: Waddington, Renversement, S. 239-264; Küntzel, Die Entsendung des Herzogs von Nivernais an den preußischen Hof 1755. AAE MD Prusse 6, fol. 84Γ-85Γ. Rousset de Missy, Les Intérêts présents et les prétentions des puissances de l'Europe. Gemeint ist wahrscheinlich Schweder, Theatrum Historicum Praetensionum et Controversiarum. Wahrscheinlich Glafey, Vernunft- und Völkerrecht.

II. Das Erkenntnisinteresse der Diplomaten

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jedermann greifbar seien, begnügte er sich mit einer tabellarischen Zusammenstellung der preußischen Ansprüche und Interessen.63 Für alle weiteren Fragen verwies er Nivernais auf die Instruktion. Es würden Vertragskopien angefertigt, und die Büros der premiers commis La Ville und Tercier arbeiteten bereits daran, ihm die gewünschten Informationen über Polen und Rußland sowie über die französische Politik in Italien und Spanien bereitzustellen. Als weitere Quelle stünden Nivernais die Korrespondenzen des derzeitigen Gesandten, La Touche, zur Verfügung.64 Die Ratschläge Bussys deckten sich weitgehend mit denen, die Callières in seinem Handbuch gab: Zukünftige Gesandte sollen sich der Lektüre von diplomatischen Korrespondenzen widmen und den Kontakt zu den Vorgängern suchen.65 Mitsamt der Instruktion erhielt Nivernais 21 Anlagen, die der Vorbereitung seiner Mission dienten. Neben den unmittelbar notwendigen Dokumenten - Rreditiv, Paß - gab es eine Anzahl von Vertragskopien, Denkschriften über mögliche Ereignisse (z.B. über zu erwartenden Tod des Landgrafen von Hessen-Kassel) und Porträts der bedeutendsten Minister der deutschen und der nordeuropäischen Höfe.66 Bussys Ausführungen verdeutlichen zudem, auf welchen Säulen die Informationspraxis des Außenministeriums ruhte. Man bediente sich im allgemeinen der Lektüre der einschlägigen staatsrechtlichen und historischen Literatur, die durch das Studium der Korrespondenzen ergänzt wurde. Die Büros - wie im vorhergehenden Kapitel dargestellt - sammelten und verwalteten dieses Wissen. Diese die Wahrnehmung der Diplomaten präfigurierenden Themenfelder prägen daher das in den nachfolgenden Kapiteln rekonstruierte Deutschlandbild, in dessen Zentrum die Analyse der Machtstrukturen und Personengeflechte an den deutschen Höfen sowie der Kommentar und die Wertung der Ereignisse des Siebenjährigen Krieges stehen werden. Nur ein sehr geringer Anteil der hier untersuchten Perzeption betrifft die deutsche Literatur, Philosophie, Wissenschaft, Musik und Kunst. Aus dieser Nichtberücksichtigung darf jedoch keinesfalls auf fehlendes Interesse oder fehlende Sensibilität dafür geschlossen werden. Die Diplomaten hatten durchaus Möglichkeiten, über ihre Berichterstattung für das Außenministerium hinaus sich intensiv mit Land und Leuten zu beschäftigen. Der spätere Gesandte am Reichstag, Louis-Gabriel Du Buat-Nançay, leitete die historische Abteilung der neugegründeten bayerischen Akademie der Wissenschaften, was Folard, Protektor und Förderer Du Buats, mit sichtlichem Stolz erfüllte.67 Du Buat arbeitete zu diesem Zeitpunkt 63 64 65 66

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AAE MD Prusse 6, fol. 84r. Ibid. fol. 84 v -85 r . Callières, De la manière de négocier, S. 135-138. Vgl. AAE CP Prusse 181, fol. 10r: „Etat des pièces jointes aux Instructions pour Monsieur le Duc de Nivernois"; fol. 70 r -76 r : „Portrait des principaux ministres des cours du Nord et d'Allemagne". AAE CP Bavière 144, fol. 33'-34 v , Folard an Choiseul, 7. Februar 1761, fol. 33v-34r: „L'électeur ayant établi il y a environ deux ans, une académie des sciences, on a prié le chevalier Du Buat d'accepter une place d'académicien honorable et comme je n'y voyois aucun inconvénient je lui conseillai d'accepter l'honneur qu'on lui faisoit. Son travail et les divers mémoires qu'il a lus à l'académie sur l'ancienne histoire de l'Allemagne ont détérminé l'académie à le prier de changer son titre d'académicien honoraire en celui d'académicien ordinaire, il n'y a pas même long tems qu'il a été élu unanimément directeur de la classe historique, distinction bien particulière pour un françois dans une académie allemande d'avoir été jugé par toute une nation allemande pour le plus savant dans l'histoire d'Allemagne, ce qui est très flatteur pour lui et très agréable pour moi". Über Du Buats Tätigkeit am Reichstag Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 379-381 ; als Nachfolger Mackaus erhielt er 30 000 Livres jährlich, 8 000 livre für das „ammeublement" seiner Residenz und eine „gratification extraordinaire" in Höhe von 10 000 livres, AAE Personnel 13, fol. 17'; über Du Buat siehe auch: DBF 121, Sp. 1098.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

an einer Geschichte des Hauses Bayern, zuvor hatte er bereits eine vergleichende Geschichte über die Ursprünge der Regierung Frankreichs, Deutschlands und Italiens publiziert.68 Der bereits erwähnte Herzog von Nivernais war als Liebhaber der schönen Künste bekannt. Nivernais und der premier commis La Ville waren Angehörige der ehrwürdigen Académie française. Schließlich sei angemerkt, daß diplomatische Neugier und der Hunger nach Information auf Seiten Frankreichs Thomas Jefferson, den Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, nach 1780 zur Niederschrift der „Notes on the State of Virginia" veranlaßten. Gedacht als „eine nüchterne und faktenorientierte Beschreibung der Ressourcen und Institutionen eines der dreizehn amerikanischen Staaten", entstand aus der Beantwortung eines Fragebogens des französischen Gesandtschaftssekretärs Marbois eine „der gedankenreichsten Schriften der Revolutionsepoche", ein „Exempel für Kraft und Ausstrahlung europäisch-amerikanischer Aufklärungsphilosophie".69 Marbois hatte seinen Fragenkatalog führenden Kongreßmitgliedern mit der Absicht vorgelegt, genauere Kenntnis über die Verfassung, die Grenzen, die Geschichte und nicht zuletzt über die Wirtschaft des neugegründeten und mit Frankreich verbündeten Staatenbundes zu erfahren. Mit der Frage nach dem Schicksal der Ureinwohner trug Marbois überdies den besonderen Existenzbedingungen des neuen Staates Rechnung.70

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Du Buats Tätigkeit an der Spitze der Akademie und seine (eher durchschnittlichen) historischen Arbeiten behandelt: Kraus, Die historische Forschung, S. 19-26, sein Nachfolger an der Spitze der historischen Abteilung war ebenfalls ein französischer Diplomat: Chrétien-Frédéric Pfeffel, ibid. S. 26-33. Wasser, Jefferson, S. 15. Der Fragenkatalog ist abgedruckt bei: Jefferson, Betrachtungen über den Staat Virginia, S. 482-483.

III.

Informationsbeschaffung

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III. Informationsbeschaffung Nachdem untersucht wurde, worauf sich die „allumfassende Neugier" der Diplomaten richtete, stellt sich nun die Frage nach der Art und Weise, wie der Wissensdurst des Souveräns bzw. seines Ministers des Auswärtigen gestillt wurde. Alles, was nicht in einschlägigen Publikationen nachzulesen war, mußte der Diplomat selbst in Erfahrung bringen. Vom Gespräch mit Persönlichkeiten des Hofes bis hin zur Spionage bot sich ihm ein breites Spektrum von Möglichkeiten. Spionage im Sinne geheimdienstlicher Tätigkeit, betrieben mit der Absicht, wichtige strategische Ziele des Feindes zu erfahren, steht sicherlich erst am Ende der Skala von Möglichkeiten der Informationsbeschaffung.1 Informanten

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Korruption

Bei der Beschaffung des wichtigen Hintergrundwissens waren die Diplomaten oftmals auf fremde Hilfe angewiesen. So beschrieb der Gesandte Châtelet seine großen Schwierigkeiten, Daten zur Situation der österreichischen Staatsfinanzen zusammenzutragen. Seine in zwei Denkschriften von Ende 1761 gesammelten Informationen beruhten, so führte er aus, teilweise nur auf Vermutungen und ungenügenden Auskünften. Um diesen Mangel auszugleichen, sah sich Châtelet gezwungen, einen Informanten am Wiener Hof anzuwerben: „Sie wissen besser als ich, Monsieur, wie schwierig es ist, sich Auskünfte in einem Land wie diesem zu verschaffen, in dem keine geheime Korrespondenz existiert, und wo man noch nicht einmal Leute findet, die für Geld einem Botschafter dienen wollen. Dennoch ist es mir gelungen, jemanden anzuwerben, der über einen großen Teil dieser Angelegenheiten auf dem laufenden ist und dem ich die Kenntnisse verdanke, die ich in meinem Memorandum benutzt habe. Ich werde nicht versäumen, ihn vollständig zu gewinnen. Ich spüre, von welcher Bedeutung es vielleicht in der Folge sein kann, über eine genaue Kenntnis des Umfangs der Ressourcen des Wiener Hofes zu verfügen".2

Châtelets Bemühungen, einen Informanten zu gewinnen, stellen keinen Einzelfall dar. Es kam sogar vor, daß der französischen Diplomatie die Aufnahme von Spionagetätigkeit angeboten wurde. Zu Beginn des Krieges berichtete D'Aigremont aus Trier von dem Vorschlag eines aus dem Elsaß stammenden Juden namens Mayer, sich als französischer Agent in die preußische Armee einschleusen zu lassen. Außenminister Rouillé signalisierte durchaus

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Über die Spionage während des Spanischen Erbfolgekrieges vgl.: Bély, Espions et Ambassadeurs, S. 174-200,209-234, bes. 230. AAE CP Autriche 284, fol. 285-289', Châtelet an Praslin, 8. Dezember 1761, fol. 285v-286r: „Vous savez mieux que moi, Monsieur, combien il est difficile de se les [= „les indications", S. E.] procurer dans un pays tel que celuy cy, où aucune correspondance secrette n'est établie, et où on ne trouve pas même de gens qui veuillent servir un ambassadeur pour l'argent. Je suis cependant parvenu à engager un particulier qui est au fait d'une grande partie de ces matières, à me donner les notions que j'ai employées dans mon mémoire. Je ne négligerai rien pour tacher d'achever de le gagner. Je sens de quelle importance il peut être dans la suite, d'être exactement instruit de la portée des ressources de la cour de Vienne". Die Denkschriften: „Mémoire sur l'état des finances de la cour de Vienne au mois de Décembre 1761", ibid. fol. 239r-265v; und: „État des dettes de la cour de Vienne", ibid. fol. 266'-281v.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

Interesse an diesem Vorhaben. Nach erneuter Prüfung weiterer Informationen D'Aigremonts verzichtete Versailles jedoch auf die Dienste des Abenteurers.3 In einem anderen Fall wurde das Außenministerium direkt angesprochen: Barbut, ein ehemaliger Agent Friedrichs des Großen, bat im Sommer 1757 um Aufnahme in französische Dienste. Auch hier verzichtete man auf seine Mitarbeit, denn Bussy vermutete hinter dem Angebot einen Versuch Friedrichs, Frankreich auszuspionieren.4 Großes Interesse bestand daran, Informanten in unmittelbarer Nähe des Souveräns zu plazieren. Dabei war man nicht nur am Zugang zu Staatsgeheimnissen interessiert, sondern man versuchte, indirekt auch Einfluß auf Entscheidungsprozesse der jeweiligen Regierung zu nehmen. So präsentierte Folard Baron Schroff, einen ehemaligen laupfälzischen Gesandten, jetzt einer der Vertrauten des Kurfürsten Max III. Joseph, als idealen Gewährsmann und Förderer der französischen Interessen am bayerischen Hofe. Schroff habe sich durch den Widerstand gegen französische Forderungen das unbedingte Vertrauen des Kurfürsten erworben, der ihn für einen „aufgeklärten Minister" halte. Er sei jedoch durch Geld - Schroff verlange 8 000 Gulden - und weitere Versprechungen durchaus für die „bonne cause" zu gewinnen.5 „Gefordert" wurden auch die wichtigsten Gesandten am fränkischen Kreistag.6 Am kurpfälzischen Hof in Mannheim verfügte man mit dem geheimen Sekretär St. George über einen direkten Zugang zum Kabinett des Kurfürsten Karl Theodor. Seit wann jener den französischen Gesandten systematisch Einblick in die Entscheidungsprozesse der kurpfälzischen Politik gewährte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Zuckmantel bat im August 1758 um die Fortsetzung der Zahlung einer geheimen Pension an St. George, die offensichtlich bewilligt wurde, da dieser im Februar 1759 dem chargé des affaire Gérard die Chiffren übergab, derer sich der pfälzische Gesandte in Paris, Becker, für die Dauer seiner Mission bedienen sollte.7 Im September 1762 legte St. George eine Liste der Kosten vor, die während seiner konspirativen Tätigkeit der letzten zwei Jahre angefallen waren.8 Zwei Jahre zuvor, im März 1760, berichtete der Gesandte d'Alesme vom kurpfälzer Hof, daß sein Sekretär Picard versuche, Fabris9, den Sekretär der pfälzischen Innenministers Zet-

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AAE CP Trêves 19, fol. 32'-33\ Aigremont an Rouillé, 8. Februar 1757; fol. 41' v, Rouillé an Aigremont, 21. Februar 1757; fol. 45'-49 r , Aigremont an Rouillé 2. März 1757; endgültige Ablehnung: fol. 1 lO'-l 1Γ, Rouillé an Aigremont, 26. Juli 1757. AAE CP Prusse 186, fol. 71-72', Bussy an Bernis, 15. August 1757. AAE CP Bavière 138, fol. 90-97', Folard an Bernis, 15. Februar 1758, fol. 90v: Max III. Joseph „le croit un ministre éclairé, et très propre à le servir. L'opposition du ministre bavarois et des ministres étrangers a contribué plus que toutes choses à confirmer et à augmenter la faveur et la confiance de S. A. Électorale qui regarde cette opposition comme une preuve convainquante que ce Ministre n'est dans la dépendance de personne"; vgl. auch: Schmid, Max III. Joseph, S. 311-313. AAE CP Bavière 139, fol. 272'-277 v , Folard an Bernis, 5. August 1758; ausführlich hierzu: Externbrink, Frankreich und die Reichsexekution, S. 241. AAE CP Palatinat-Deux Ponts 86, fol. 235-236', Zuckmantel an Bemis, 19. August 1758; CP Palatinat-Deux Ponts 87, fol. 53'-55v, Gérard an Choiseul, 1. Februar 1759. Kopien von Schriftwechseln aus dem Kabinett des Pfälzer Kurfürsten, die St. George den Franzosen zugespielt hat, finden sich auch in CP Palatinat-Deux Ponts 83, fol. 154'-166v (Oktober-Dezember 1756). AAE CP Palatinat Deux Ponts 91, fol. 187"", vom 14. September 1762. Nur indirekt erwähnt Mörz, Aufgeklärter Absolutismus in der Kurpfalz, S. 108, die konspirative Tätigkeit St. Georges: Dieser berichtet 1763 nach Paris, daß er keinen Zugang zum preußisch-pfälzischen Neutralitätsvertrag habe, da er vom Kurfürsten persönlich aufbewahrt werde; siehe auch: Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 502. Franz Fabris (t 1771), „1757 Konferenzsekretär"; vgl.: Mörz, Aufgeklärter Absolutismus in der Kurpfalz, S. 462.

III Informationsbeschaffung

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witz, zu bestechen. Folgt man den Worten d'Alesmes', so sei Frankreich nicht die einzige Macht, die von Fabris Informationen kaufe: „Ich hoffe, auf diesem Wege umfassende Kenntnis über alles uns Interessierende erlangen zu können. Würden Sie mir gnädigst gestatten, Monsieur, dem Sieur Fabris das Geld zu geben, das ich für die von ihm zu erwartenden Informationen für angemessen betrachte. Ich weiß aus sicherer Quelle, daß er von allen Seiten nimmt. Man hat mir sogar versichert, daß er vom preußischen König regelmäßig bezahlt wird".10

Obwohl die Korruption Fabris' sogar dem Kurfürsten bekannt sei, so fuhr d'Alesme fort, behalte dieser weiterhin Zugang zu Staatsgeheimnissen. Man habe ihn sogar befördert.11 Choiseul mahnte Alesme zur Vorsicht. Der Gesandte solle sich der offensichtlichen Korruptionsanfälligkeit des Sekretärs nur bedienen, wenn es sich um erfolgversprechende und wichtige Informationen handele.12 Auch am Hofe des Kölner Kurfürsten Maximilian Friedrich von Königsegg waren die Beamten des Kurfürsten nicht über jeden Zweifel erhaben. Der französische Gesandte Bausset war überzeugt davon, Geheimnisträger korrumpieren zu können, und konnte es kaum erwarten, konspirativ tätig zu werden - allerdings bat er erst um Rückendeckung durch das Staatssekretariat.13 Schon unter Kurfürst Clemens August stand der Franzose Mineray, Geheimsekretär des Kurfürsten, auf der Gehaltsliste des Außenministeriums.14 Das Bemühen, sich durch die Bestechung von Amtsträgern am Residenzort zusätzliche Quellen zu erschließen, muß für die frühneuzeitliche Diplomatie geradezu Bestandteil des Alltags gewesen sein. Zahlreiche Beispiele können dafür nachgewiesen werden. Auch Wicquefort widmete der Frage ein Kapitel seines Werkes. Für ihn war die Korruption von Mitgliedern des Hofes durchaus erlaubt - schließlich versuchten die Fürsten ja auch, die Diplomaten durch großzügige Geschenke für sich einzunehmen.15 Diese mußten nicht zwangsläufig Gaben von großem Wert sein. In der vom Geist der Aufklärung geprägten Kultur der

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AAE CP Palatinat-Deux Ponts 89, fol. 17r-24v, d'Alesme an Choiseul, 22. März 1760, fol. 20v-21r: „J'espère par cette voye j'auray une connoissance ample de tout ce qui pourra nous intéresser. Vous voudrez bien, Monseigneur, m'autoriser à donner au Sieur Fabris l'argent que je croiray convenable pour les éclaircissemens qu'il me donnera. Je sais de science certaine qu'il prend de toute main. On m'a assuré même qu'il est pensionné du Roy de Prusse". Ibid., fol. 2Γ-2Γ: „et pour vous faire connoitre à fonds l'esprit de cette cour, on a intercepté de cet homme des lettres très fortes qui prouvent sa friponnerie. L'électeur les a lû, et les a encore. Malgré ces preuves cet homme reste dans l'intimité du secret, et on vient même de luy donner une entrée dans la conférence en le nommant référendaire. Vous voyez, Monseigneur, que c'est par la friponnerie qu'on parvient aux emplois dans ce pays-ci". Ibid., fol. 33r_v, Choiseul an d'Alesme, 3. April 1760, fol. 33r_v: „Si le Sieur Fabris est en état et en volonté de vous procurer des connoissances utiles au service du Roy, vous pouvez luy donner quelque argent, mais je ne doute pas que ce soit avec la plus grande reserve, et que vous ne le payiés qu'à mesure qu'il rendra des services et à proportion de leur importance". AAE CP Cologne 101, fol. 172'-175v, Bausset an Praslin, 17. Mai 1762, fol. 172v-173r: „Je crois bien, Monseigneur, que dans le petit nombre de gens qui ont le secret, quelques uns ne seroient pas tout à faict inaccessibles à la corruption; et si vous jugerés à propos de m'autoriser à leur présenter une certaine amorce; je me flatte que je découvrais bien des choses; mon zèle pour le service du Roy m'inspire sur cette affaire une inquiétude qui ne pourra se calmer que lorsque j'aurai reçu vos ordres". Recueil des instructions: Cologne, S. 267. Wicquefort, De l'Ambassadeur, Bd. 2, S. 134-143: „II est permis à l'Ambassadeur de corrompre les ministres de la cour, où il négotie"; vgl. auch: Klaveren, Die Korruption, Teil 2, S. 470-478 und bes. Waquet, Corruption, S. 1-18; Merkes, Gunstbeweise; Bély, Espions et ambassadeurs, S. 163-174.

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

Höfe nahm man auch geme Geschenke wie den Katalo^der kaiserlichen Bibliothek an, um ihn in die königliche Bibliothek in Paris einzugliedern.6 Natürlich fürchteten die Regierungen sich davor, ausspioniert zu werden, und schritten bereits beim leisesten Verdacht gegen vermeintliche Spione ein. So geriet die Baronin von Rieben, Mätresse des preußischen Gesandten in Paris, Dodo Heinrich Freiherr zu Inn- und Knyphausen, im Moment des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Versailles und Berlin und der Abreise ihres Verehrers unter Spionageverdacht. Anfang 1757 wurde sie verhaftet und in die Bastille gebracht, aber bereits nach wenigen Tagen entlassen, da man ihr keine Spionage nachweisen konnte. Die ursprünglich befohlene Ausweisung konnte die Baronin abwenden - doch blieb sie für die folgenden sechzehn Jahre unter der Bewachung der Spitzel des Lieutenant général de la Police, Berryer.17 Ähnliches wie der Baronin Rieben widerfuhr dem Abbé de Prades, der sich nach einem Aufsehen erregenden Streit mit der Sorbonne über seine theologischen Auffassungen 1753 zur Emigration an den Hof Friedrichs II. entschloß. Dort wurde er zeitweilig Vorleser des Königs und erhielt 1756 zwei Pfründen in Schlesien. Prades wurde 1757 der Spionage für Frankreich angeklagt und blieb bis 1763 in Festungshaft in Magdeburg. Doch auch ihm konnte keine Spionage nachgewiesen werden. Zwar stand Prades Anfang 1756 in Kontakt mit den französischen Gesandten Valory und Nivernais, doch ging es dabei nicht um den Austausch brisanter Informationen. Vielmehr zog sich der Abbé durch seine offen bekundete Loyalität zu dem in Ungnade gefallenen Bruder Friedrichs II., Prinz August Wilhelm, den Zorn des Preußenkönigs zu. Daß die Grenzen zwischen Diplomatie und Spionage oft fließend waren, läßt sich am Beispiel des Marquis de Fraigne zeigen.19 Fraigne, der 1754 den Dienst in der französischen Armee quittiert hatte, um Europa zu bereisen, war seit 1756 Mitarbeiter des französischen Gesandten in Berlin, Valory. Nach der Abberufung Valorys hielt sich Fraigne in Sachsen und in den Anhaltinischen Fürstentümern auf. Am Hof des Fürsten von Anhalt-Zerbst begann er eine Affäre mit Johanna-Elisabeth von Holstein-Gottorp, Fürstin von Anhalt-Zerbst, nicht nur Mutter des regierenden Fürsten Friedrich-August, sondern auch Mutter der zukünftigen Zarin Katharina. Nach Frankreich zurückgekehrt, bewarb sich Fraigne vergebens um ein Kommando in der Armee bzw. um eine diplomatische Mission. Ende September 1757 reiste er nach Absprache mit Außenminister Bernis erneut an den Hof in Zerbst. Bernis hoffte, über Fraigne und die Fürstin Kontakt und Einfluß auf die Großfürstin Katharina zu gewinnen. Außerdem könnte Fraigne Informationen über die Aktivitäten Friedrichs rund um Magdeburg, dem „strategischen Zentrum der preußischen Monarchie", sammeln.20 Die preußischen Behörden konnte die rege Tätigkeit, die ein französischer Offizier vor den Toren Magdeburgs entwickelte, nicht unberührt lassen. Fraigne wurde Ende Februar 1758, unter Mißachtung der Landesherrschaft des Fürsten von Anhalt-Zerbst, im Schloß des Landesherren von einem Kommando preußischer Soldaten verhaftet, nach Magdeburg gebracht und dort inhaftiert. Allen Bemühungen sowohl Bernis' als auch der Fürstin um seine Freilassung zum Trotz blieb er dort bis zum Ende des Krieges in Gefangenschaft. 16 17 18

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AAE CP Autriche 295, fol. 63'-74\ Châtelet an Praslin, 2. Juli 1763, fol. 73Γ_ν. Boutry, Une affaire d'espionnage. Combes-Malavialle, L'Incarcération de l'Abbé de Prades, S. 342-344, und: Combes-Malavialle, Vues nouvelles sur l'Abbé de Prades, passim. Über Fraigne vgl.: DBF 14, Sp. 924-925; Bernis, Mémoires, ed. Rouart/Bonnet, S. 245-248; Bernis, Mémoires, ed. Massen, Bd. 2, S. 375-406; Oliva, Misalliance, S. 111-113. Die Korrespondenz zwischen Fraigne und Bernis findet sich in: AAE CP Allemagne-Petites Principautés 4, fol. 40-160". Duffy, Friedrich der Große, S. 137; Bernis, Mémoires, ed. Rouart!Bonnet, S. 246-247.

III Informationsbeschaffung

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Das Schicksal Fraignes ist ein Beispiel für die Grauzone zwischen Diplomatie und Spionage. Ursprünglich hatte er zu Beginn seines Aufenthaltes in Zerbst nur einen halboffiziellen Auftrag in Form eines Empfehlungsschreibens Bernis' an den Fürsten erhalten. Dies gab Friedrich II. die Möglichkeit zu behaupten, er müsse gegen die Tätigkeit einer Person einschreiten, die das „métier d'espion" vor seiner Haustür ausübe.21 Nachdem ein erster Versuch fehlgeschlagen war, den Marquis aus Zerbst zu entführen, erkannte Bernis die Gefahr und beschloß, ihn nachträglich zu legitimieren, indem er ihn zum „ministre plénipotentiaire auprès des quatre princes de la maison d'Anhalt" ernannte. Dadurch sollte er unter die „protection du droit des gens" fallen.22 Es ist zu bezweifeln, ob Fraigne durch diese Maßnahme gerettet worden wäre, hatte Friedrich II. doch schon mehrfach gezeigt, daß er immer bereit war, sich über das Völkerrecht hinwegzusetzen. Bernis und seine Nachfolger vergaßen Fraigne jedoch nicht. Er erhielt während seiner Haft regelmäßig Zuwendungen und nach seiner Entlassung eine Pension von 4 000 livres.23 Choiseul, zu dieser Zeit noch Botschafter in Wien, veranlaßte das rücksichtslose Vorgehen des Preußenkönigs zu bitteren Klagen über das hinhaltende Taktieren der französischen Truppen. Dieses Verhalten, so Choiseul, schade der durch den Feldzug von 1757 bereits schwer angeschlagenen Reputation Frankreichs im Reich. Weder könne man der Mißachtung der Rechte der kleineren Reichsstände durch Preußen Einhalt gebieten, noch Fraigne helfen.24 Er selbst regte 1759 an, einen preußischen Diplomaten zu entfuhren, um so einen Austausch zu veranlassen.25 Von der Spionage zum Kommandounternehmen War Fraigne also eher ein spionierender „Privatmann", der sich auf diese Weise für einen interessanten Posten ins Gespräch bringen wollte, so zeigt das Beispiel des Gesandten in Hamburg, Champeaux, daß konspirative Tätigkeit durchaus in den Aufgabenbereich der Diplomaten fallen konnte. Ermutigt durch Choiseul, der ihn ermahnte, aufmerksam jede Bewegung der Feinde zu verfolgen, und ihm versprach, ihm alle dabei anfallenden Kosten zu erstatten, beschränkte sich Champeaux nicht allein auf Beobachtungen.26

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Bernis, Mémoires, ed. Masson, Bd. 2, S. 383. Ibid., S. 394-395. Ibid., S. 403,406. AAE CP Autriche 263, fol. 126-13 l r , Choiseul an Bernis, 12. März 1758, fol. 130-131': „La manière dont le Roy de Prusse traite les États d'Anhalt et la violence qu'il a exercé sur un françois [= Fraigne] sont inouies. Mais comment y remédier quand 150 mille hommes se retirent derrière le Rhin, chassés par 40 mille. Je ne peux pas m'empêcher de vous dire, Monsieur, comme serviteur du Roy, que je connois depuis un an, le sistème de cette retraite, mais que ceux qui le soutiennent servent mal notre maître, et que, par des considérations particulières, ils déshonorent la nation, notre militaire et notre cabinet. Ce n'est pas l'intérêt de la cour de Vienne seule qui me chagrine sur cet événement, elle est obligée de suivre nos impressions et si nous agirons de bonne foy avec elle, elle ne nous manquera pas, mais la gloire du Roy, sa puissance en Empire et dans le Nord est lezée par nos manœuvres; ce point est peut-être celui qui mérite le plus les attentions de sa majesté et de son conseil, tout est soumis dans le monde à la force et à la considération". Bernis, Mémoires, ed. Masson, Bd. 2, S. 403-404; weiteres Material über de Fraigne in: AAE CP Hambourg 81, Depeschen von Champeaux fils, März-April 1758. AAE CP Hambourg 81, fol. 369'", Choiseul an Champeaux, 27. Dezember 1758, fol. 369r_v: „Le principal objet de votre attention actuellement doit être, Monsieur, de vous informer avec la plus grande exactitude des projets et des mouvemens de nos ennemis, et de ne négliger aucun moyen pour vous procurer des avis certains et circonstanciés sur cette importante matière, et pour vous en faciliter le succès, je dois vous prévenir que je suis autorisé par le Roi à vous rembourser les dépens utiles que vous ferez pour ce motif;

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

Im Sommer 1759 wurde er von einem Projekt unterrichtet, das unter der Leitung des Marschalls Belle-Isle, des Secrétaire d'État à la guerre, geplant wurde und auf den Raub der englischen Subsidien abzielte, die über Hamburg nach Hannover und von dort nach Brandenburg transportiert wurden.27 Im Frühjahr 1760 mietete Champeaux zwei Boote, engagierte eine Mannschaft und bereitete den Überfall auf die über die Elbe verschifften Gelder vor.28 Das Unternehmen schlug jedoch fehl. Ein hamburgischer Zollbeamter schöpfte Verdacht, verhaftete die Mannschaft und beschlagnahmte Boot und Waffen. Die englischen Subsidien für Friedrich verließen planmäßig am 15. April Hamburg. Mit Zustimmung Choiseuls nahm Champeaux sofort die Planung eines neuen Überfalls in Angriff.29 Doch auch dieser Versuch scheiterte. Champeaux verlor die dafür angeheuerten Soldaten durch Bestechung und gezielte Desinformation - es verbreitete sich das Gerücht, man wolle sie nach Indien oder in die Karibik schicken. Choiseul befahl daraufhin seinem Gesandten, von allen Projekten abzurücken, solange eine erfolgreiche Durchführung nicht halbwegs sicher sei.30 Unterdessen hatte der Senat von Hamburg eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet.31 Stellte das Unternehmen Champeaux' zweifellos eine Ausnahme dar, so darf dennoch nicht übersehen werden, daß geheime Verhandlungen für die Gesandten nicht unüblich waren. Bekanntlich hatte Ludwig XV. eine Schwäche für konspirative Tätigkeiten: Über Jahrzehnte betrieb er mit dem secret du roi eine Nebenaußenpolitik, die oft im Gegensatz zu den Auffassungen des Außenministeriums stand. Zu den in die Geheimdiplomatie des Königs Eingeweihten zählten sowohl „professionelle" Außenpolitiker und Diplomaten wie der premier commis Tercier, Baron Breteuil, und Charles François de Broglie, der Kopf des secret, als auch Außenstehende wie sein Vorgänger, der Prinz von Conti.32 Auch die „diplomatische Revolution" von 1756 wurde durch Geheimverhandlungen eingeleitet. Die schillerndste Persönlichkeit unter den Diplomaten-Geheimagenten der Epoche war zweifellos Timothé de Eon de Beaumont, besser bekannt als Chevalier d'Eon, dessen Karriere 1755 mit einer Mission an den Hof der Zarin Elisabeth II. begann.33

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c'est en quoi consiste actuellement votre mission et je compte que vous y emploierez tout votre zèle et toute votre dextérité". AAE CP Hambourg 82, fol. 245-246', Choiseul an Champeaux, 26. August 1760. AAE CP Hambourg 83, fol. 78'-83 v , Champeaux an Choiseul, 25. März 1760. Ibid. fol. 137r_v, Choiseul an Champeaux, 10. April 1760, fol. 137': „nous avons souhaité très sincèrement que ce projet eût réussi mais je vois par votre dernière lettre qu'il est manqué et je ne puis m'empescher de vous en marquer mon regret. J'espère que vos projets auront une issue plus heureuse une autre fois et je vous exhorte de continuer à chercher les occasions de les mettre à exécution". Vgl. auch ibid. Champeaux an Choiseul, 9. April 1760, fol. 133'-135v. AAE CP Hambourg 84, fol. 4 4 - 5 Γ , Champeaux an Choiseul, 15. Juli 1760; fol. 110'"v, 159'"v, Choiseul an Champeaux, 10. und 31. August 1760. AAE CP Hambourg 83, fol. 142'-155': „Mémoire touchant l'arTet fait sur un bateau, chargé de quelques munitions de guerre, étant reclamé ensuite par Monsieur de Champeaux, chargé des affaires de sa Majesté Très Chrétienne, joint à la lettre des Messieurs de Hambourg du 18 avril 1760". Die Darstellung dieses Zwischenfalls bei Kopitzsch, Franzosen in den Hansestädten, S. 285, in der es heißt, Champeaux wollte sich mit dem Überfall aus Geldnöten befreien, ist demnach zu korrigieren. Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine!Ozanam, S. XVI-XLI; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 789, 791, 871; Oliva, Misalliance, S. 1-69; Antoine, Louis XV, S. 393-395; über Conti als Leiter des secret du roi siehe: Woodbridge, Revolt in Prerevolutionary France, S. 28-29. Der Aufbau eines nur dem König verantwortlichen Korrespondentennetzes stellt nichts Ungewöhnliches dar. Schon Ludwig XIV. verfugte ein solches, vgl.: Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 303. Barber, Diplomacy, S. 78-80; zu seinen Anfangen vgl.: Oliva, Misalliance, S. 12-14, 39; zuletzt: Kates, Monsieur d'Eon.

III Informationsbeschaffung

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Die „öffentliche Meinung" als Quelle Noch vor dem Einmarsch Friedrichs des Großen in Sachsen hatte Champeaux Einfallsreichtum bewiesen, um sich über die Aktivitäten englischer Werber unter den Matrosen der Hafenstadt zu informieren. In diesem Fall ermöglicht die professionelle Neugierde des Diplomaten einen Einblick in die Lebensweise der Seeleute in Hamburg: „Ich bat eine Person, die in Verbindung zu jenen Frauen steht, die hier Mütter der Matrosen genannt werden - dies sind Frauen, die eine Art Lokal betreiben, in deren Hände die Seeleute ihre Heuer legen, die von ihnen mit allem, was sie benötigen, versorgt werden, bei denen sie leben, wenn sie keine Stelle haben, und an die man sich wendet, wenn man eine sucht. Ich bat also, wie ich bereits sagte, Monsieur, jemanden, der über Kontakte zu diesen Frauen verfügt, sie zu bewirten und mich darüber zu informieren, was eigentlich vorgeht".34

Über mögliche Absichten der Engländer erfuhr Champeaux von diesem Informanten nichts viele der angeworbenen Seeleute wurden sofort beurlaubt, da sie zu unerfahren waren.35 Das Beispiel zeigt, wie intensiv sich die ständigen Vertreter mit dem Alltag und der Lebensweise der Menschen in ihrem Residenzort bzw. am Residenzhof beschäftigten. Diplomaten übten sogar Druck auf die lokalen Verwaltungen aus, um Sanktionen nach propreußischen Manifestationen in der Bevölkerung zu erzwingen. So berichtete Kempfer von Plobsheim, ministre plénipotentiaire in Mainz, von einem Zwischenfall in Frankfurt: „Preußische Kaufleute, die zur Messe hierher gekommen sind, haben letzte Woche den Pöbel vor ihrer Herberge versammelt, ihm Essen und viel Wein austeilen lassen und ihn dann eingeladen, auf die Gesundheit des Königs von Preußen und des Siegers über die Russen zu trinken. Dies wurde mit einigem Lärm und Geschrei durchgeführt. Man berichtet auch, daß sie Geld an diejenigen verteilt haben, die auf seine Gesundheit tranken, aber dies ist bislang nicht bewiesen. Der Stadtrat behauptet, daß die Angelegenheit nicht länger als eine Stunde gedauert habe, andere versichern, daß es, zur Empörung der Gutgesinnten, sechs Stunden waren. Ich habe den Stadtoberhäuptern zu verstehen gegeben, wie verwerflich derartige Ausschreitungen seien, und ich habe heftig darauf gedrängt, ein Exempel zu statuieren, woraufhin beigelegtes Edikt erlassen wurde".36

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AAE CP Hambourg 76, fol. 55 r -58 v , Champeaux an Rouillé, 19. Mai 1756, fol. 55 v -56 r : „Je priai une personne en relation avec des femmes qu'on nomme icy les mères des matelots, femmes qui tiennent des espèces de cabaret, entre les mains de qui les matelots mettent leur solde, qui les entretiennent de tout ce qu'ils ont besoin, chez lesquelles ils sont lorsqu'il n'ont point d'engagemens, et à qui l'on s'adresse lorsqu'on en désire, je priai, dis-je, Monseigneur, quelqu'un en relations avec ces femmes de les régaler chez lui, de s'informer au juste de ce qui se passoit". Ibid. fol. 56 v -57 r : „Cette personne a exécuté ponctuellement cette commission, et m'a dit qu'au milieu du repas, ayant agité la matière les femmes luy ont avoué que depuis quelque jours ces enrollements avoient lieu, mais fort secrettement et elles avoient tant de fils engagés. Comme la pluspart de ces premiers enrollés estoitent de gens sans expérience, le capitaine Engel les a presque tous congédiés lorsqu'ils lui ont été présentés à son arrivé icy". AAE CP Mayence 49, fol. 2 6 - 2 8 ' , Kempfer an Bernis, 15. September 1758, fol. 27r~v: „Des marchands prussiens que la foire a attiré icy ont rassemblé la semaine dernière la populace devant leur auberge, lui ont fait distribuer de la mangeaille et beaucoup de vin, et l'ont invité à boire à la santé du Roy de Prusse et au vainqueur des Russiens, ce qui a été exécuté avec quelque bruit et acclamation, on ajoute qu'ils ont distribué de l'argent à ceux qui ont bû cette santé, mais le fait n'est pas justifié quant à présent. Le magistrat prétend que la scène n'a duré qu'une heure, d'autres assurent qu'elle en a duré six au grand scandale des bien

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Α. Die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert

Die propreußische Haltung großer Teile der deutschen Bevölkerung ging sogar so weit, daß der französischen Armee die militärische Aufklärung erheblich erschwert wurde.37 Nicht nur der Hof und die Regierung wurden im Rahmen des diplomatischen Erkenntnisinteresses erfaßt, sondern auch die Stimmungen der einfachen Menschen. Hier zeigt sich ein Bewußtsein der Diplomaten für die „öffentliche Meinung", die in Frankreich mit Beginn des Siebenjährigen Krieges als zu berücksichtigender Faktor im Koordinatensystem der Innenpolitik entstand.38 Im Zuge seiner Auseinandersetzung mit dem Pariser Parlement verlor Ludwig XV., nachdem er in den vierziger Jahren großes Ansehen genossen hatte, zunehmend an Reputation und Rückhalt in der Bevölkerung, eine Entwicklung, die durch eine Flut von Schmähschriften verstärkt wurde, die sich gegen den Hof, den König und seine Mätressen richteten.39 Diesen Tendenzen Rechnung tragend, beauftragte das Außenministerium bereits 1755 den Publizisten und späteren Hofhistoriographen Moreau, antienglische Flugschriften und Pamphlete zu verfassen und in Umlauf zu bringen.40 Angesichts des hohen Ansehens Friedrichs des Großen in der französischen Öffentlichkeit schlug Bernis Ludwig XV. im Juni 1758 eine publizistische Offensive vor: „Im übrigen wäre es gut, die Nation über die Hintergründe des Krieges zu unterrichten. Man haßt in Frankreich die Engländer und liebt den König der Preußen. Es ist notwendig, einzusehen, daß die einen wie die anderen, die sich verbündet haben, um uns zu zerstören und zu demütigen, die Mißachtung der Öffentlichkeit verdienen".41

Ludwig XV. ging auf diesen Vorschlag nicht ein. Er blieb der „absolutistischen" Auffassung treu, daß die Außenpolitik in die alleinige Entscheidungsgewalt des Monarchen falle und er darüber niemandem - und schon gar nicht der Öffentlichkeit - Rechenschaft schuldig sei. Doch wie Bernis' Initiative zeigt, verlor im Siebenjährigen Krieg diese Devise an Gültigkeit.42 Die Berichte des Barons Zuckmantel aus Mannheim zeigen, daß er die Stimmung in der Bevölkerung sorgfaltig auf jedes Anzeichen von Unruhe, die sich gegen den Landesherrn richten könnte, beobachtete. Zentren der Agitation waren in Frankfurt wie auch in Heidelberg die Wirtshäuser. Dort ließ der protestantische „Pöbel" keinen Zweifel an seiner Freude über die Siege Friedrichs des Großen aufkommen.43

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intentionnés. J'ai fait connoitre aux chefs de cette ville combien de pareils excès etoient reprehensibles, et je les ai fort pressé de statuer un exemple, ils ont rendu en conséquence le décret cy-joint". Kennett, The French Army in the Seven Years War, S. 50. Baker, Public opinion as political invention, S. 171-172, S. 172: „Public opinion [...] emerged in eighteenthcentury political discourse as an abstract category, invoked by actors in a new kind of politics to secure the legitmacy of claims that could no longer be made binding the terms (and within the the traditional institutional circuit) of an absolutist political order. The result was an implicit new system of authority, in which the government and its opponents competed to appeal to ,the public' and to claim the judgement of .public opinion' on their behalf. Zur Entwicklung der Popularität Ludwigs XV. siehe: Antoine, Louis XV, S. 309, 322, 370-372. Samoyault, Les Bureaux, S. 131-140, 365-367; Dziemboski, Les Débuts d'un publiciste, S. 305-322. AAE CP Autriche 264, fol. 230-233", Bernis an Ludwig XV., 4. Juni 1758, fol. 233': „Au reste, il seroit bon d'instruire la nation des motifs de la guerre. On hait en France les Anglais et on admire le Roy de Prusse. Il est nécessaire qu'on sente que les uns et les autres étant unis pour nous détruire et nous humilier, méritent également l'indignation publique". Abgedruckt in: Bernis, Mémoires, ed. Massen, Bd. 2, S. 428-431. Dziemboski, Les Débuts d'un publiciste, S. 314. AAE CP Palatinat-Deux Ponts 85, fol. 4 2 5 ' ^ 2 9 \ Zuckmantel an Bernis, 27. Januar 1758, fol. 426^27': „Quant aux États de l'électeur où les Protestane forment la partie la plus nombreuse et la plus aisée, l'on n'aperçoit rien qui indique des mouvemens secrets ou quelque complot formé ou qu'on cherche à tramer. Il

III. Informationsbeschaffung

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Die Diskrepanz zwischen dem Kurs der Regierung und der Stimmung der Bevölkerung bemerkte auch der Herzog von Estrées bei seiner Reise nach Wien im November 1756. Im Kurfürstentum Bayern hörte er sowohl am Hof als auch in der Bevölkerung eindeutig austrophile Äußerungen, ganz im Gegensatz zu den preußenfreundlichen Manifestationen auf den früheren Stationen seiner Reise in Württemberg und in den gemischtkonfessionellen Städten Ulm und Augsburg. In letzterer beobachtete er aber auch antipreußische Kundgebungen.44 Eine weitere Erscheinungsform von „Öffentlichkeit" erlebte Choiseuls Cousin Praslin in Wien. Dort führte das zögerliche und abwartende Taktieren Feldmarschall Dauns zu öffentlichen Mißfallensäußerungen gegen dessen Frau. Angesichts seiner Mißerfolge wage sie sich, so wußte Praslin zu berichten, nicht mehr in der Öffentlichkeit zu zeigen. Darüber hinaus wurde ihr Mann durch die Zusendung einer Nachtmütze der Lächerlichkeit preisgegeben.45 Praslin spricht ausdrücklich von der „opinion du public", deren drastische Äußerungen denen der französischen keineswegs nachstünden.46 Sein Kommentar belegt das Wissen um die Macht der „öffentlichen Meinung".

Der Alltag: das Gespräch am Hofe Die „klassische" Form der Informationsgewinnung aber blieb - bei aller konspirativen Tätigkeit - das regelmäßige Gespräch mit den Persönlichkeiten des Hofes, an denen der Gesandte akkreditiert war. Schon die Frequenz, mit der er sich mit den Ministern, dem Souverän und den Mitgliedern der Herrscherfamilie traf, gibt dem Historiker Hinweise über das Verhältnis zwischen den Staaten. Aus den Aussagen seines Gegenübers versuchte der Gesandte, Schlüsse über dessen Absichten zu ziehen - zuerst aber bemühte er sich, das Gespräch oder den Dialog möglichst wortgetreu zu überliefern.47 Geradezu typisch zeigt sich dieses Verfahren in einer Depesche des ministre plénipotentiaire in Wien, Aubeterre, vom 13. August 1755. Darin berichtete er von einem Gespräch mit Staatskanzler Kaunitz. Ziel des Treffens war es, Näheres über die Beurteilung der

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est vrai néanmoins qu'ils ne peuvent contenir leur joye lorsqu'ils apprennent quelque heureux succès du Roi de Prusse et que la populace boit même à la santé de ce prince dans les cabarets: c'est surtout à Heidelberg, l'un des berceaux du protestantisme où ces sortes d'incidents se passent le plus souvent". Weitere Beispiele fur die Perzeption der öffentlichen Meinung: AAE CP Cologne 94, fol. 324Γ-330Γ, Monteil an Bernis, 25. Dezember 1757, fol. 329'; AAE CP Mayence 47, fol. 140-141', Kempfer an Bernis, 11. März 1758, fol. 140v. AAE CP Autriche256, Estrées an Rouillé, 5. November 1756, fol. 129-137', fol. 134 v -135 r : „Toute la cour d'ici est autrichienne. De même que les peuples et c'est un raison de plus pour compter sur l'Électeur dont l'intérêt paroit attaché à ce sistème par toutes les raisons que vous savez beaucoup mieux que moy. La façon de penser de ce peuple est bien différente dans le Wurtemberg et du côté d'Ulm et d'Augsbourg, cette dernière ville cependant étant mi-partie est moins pnisienne". AAE CP Autriche 274, fol. 111-116*, Praslin an Choiseul, 26. Oktober 1759, fol. 112" v : „on prétend même que la Mareschalle Daun a été insulté par le peuple et qu'elle n'ose plus se montrer en ville, je ne suis pas sûr de ce fait, mais il est constant qu'elle a reçu il y a quelque tems un paquet à l'adresse de son mary pour le luy tenir, et qu'ayant la curiosité de l'ouvrir elle a été fort surprise et fort piquée d'y trouver un bonnet de nuit. L'auteur de cette plaisanterie n'a pas été découvert, mais elle a beaucoup fait rire; cette anecdote n'est guères digne de la gravité d'une dépesche; mais j'ay imaginé, Monsieur, que vous ne sériés pas fasché de la sçavoir et qu'il n'y avoit pas d'inconvénient d'égaïer un peu la matière qui fait naître par elle-même de tristes réflexions". Die Episode wird auch erwähnt bei: Bourguet, Choiseul et l'Autriche, S. 9. AAE CP Autriche 274, fol. 112': „L'opinion du public n'est pas plus favorable à ce général [= Daun], on en parle ici sans ménagement et avec une liberté des françois". Die Bedeutung der diplomatischen Korrespondenzen als Quelle fur die Überlieferung der wörtlichen Rede frühneuzeitlicher Souveräne betont Neveu, Correspondance diplomatique et information.

70

Α. Die französische

Diplomatie

im 18.

Jahrhundert

englisch-französischen Feindseligkeiten in den Kolonien und zur See zu erfahren. Nachdem er in den Vortagen bereits mit Maria Theresia und Vizekanzler Colloredo gesprochen hatte, befragte Aubeterre nun Kaunitz. Dessen Antwort gibt er ausführlich wieder: „Hier nun, Monsieur, Wort für Wort all das, was mir der Graf Kaunitz sagte".48 Kaunitz sprach im Namen der Kaiserin - „Monsieur Kaunitz hat mir versichert, daß die Kaiserin von ganzem Herzen den Frieden wünsche" - und teilte Aubeterre Einzelheiten aus einem Gespräch mit dem englischen Gesandten mit. Der Staatskanzler betonte mehrfach den Friedenswillen der Kaiserin und ihre Absicht, in dem sich anbahnenden Konflikt eine neutrale Haltung einzunehmen - solange man sie nicht dem Zwang („nécessité") aussetze, in den Krieg einzutreten.49 Im Anschluß an die Wiedergabe des Gesprächs unternahm Aubeterre den Versuch, die Antwort Kaunitz', insbesondere seine letzte Bemerkung, zu deuten. Was könnte mit „nécessité" gemeint sein? Aubeterre vermutete, daß sich die Kaiserin in dem Moment gezwungen sehe, in den Krieg einzutreten, wenn Frankreich Hannover angreifen würde. Er habe nicht nachgefragt, so Aubeterre weiter, überzeugt, daß dies als ungebührlich angesehen worden wäre. 0 Aubeterres abschließendes Urteil über diese Frage ist ein geradezu paradigmatisches Beispiel für die Undenkbarkeit der Tatsache, daß es zu einer französisch-österreichischen Annäherung kommen könnte: „Ich kann nicht umhin, als Ihnen zu wiederholen, Monsieur, daß die Kaiserin niemals den König von England im Stich lassen wird".51

Diese Depesche Aubeterres zeigt en miniature den Prozeß einer außenpolitischen Lagebeurteilung: Information, Lagebeurteilung und die Formulierung einer Option - die traditionelle antiösterreichische Politik muß beibehalten werden - , was in den hier untersuchten Korrespondenzen eher selten ist. Daß Ludwig XV. in dieser Frage dem vorsichtig formulierten Rat Aubeterres nicht folgte, belegt den eher geringen direkten Einfluß der meisten Gesandten auf die eigentliche Entscheidung. Zusammenfassung

In der Mitte des 18. Jahrhunderts bietet das französische Außenministerium das Bild einer hierarchisch aufgebauten, weitgehend reibungslos arbeitenden Behörde. Es stellt ein exemplarisches Beispiel für die erreichbare Effizienz frühneuzeitlicher staatlicher Institutionen dar. Doch bei aller Vorbildlichkeit zeigen sich auch gewisse als zeittypisch zu bezeichnende Defizite. Diese betreffen vor allem die Rekrutierung und Ausbildung der Gesandten. Alle Absolventen der Académie politique Torcys hatten zu Beginn der fünfziger Jahre ihre aktive Tätigkeit beendet, soweit sie die diplomatische Laufbahn gewählt hatten. Voraussetzung für die Ernennung zum Gesandten waren in erster Linie die Verbindungen zum Hof und zu jeweils führenden Persönlichkeiten. Bernis und Choiseul, die Außenminister der Jahre 1757 bis 1761, verdankten ihre diplomatische Karriere der Marquise de Pompadour. Ein weiteres Beispiel für die nicht auf Fachkompetenz gründenden Auswahlkriterien des Gesandtschaftspersonals: Dem arbeitslosen Jean-Jacques Rousseau boten seine Gönnerinnen den Posten des 48

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AEE CP Autriche 254, fol. 254r-258v, Aubeterre an Rouillé, 13. August 1755, fol. 256': „Voilà, Monseigneur, mot à mot ce qui m'a été dit par M. le comte de Kaunitz". Ibid. fol. 254': „M. de Kaunitz m'a témoigné que l'Impératrice souhaitoit vivement la paix"; 255v-256': „si on ne la mettoit dans la nécessité d'y entrer". Ibid. fol. 256v-257'. Ibid. fol. 257t_v: „Je ne puis m'empêcher de vous répéter, Monseigneur, que l'Impératrice n'abandonnera jamais le Roi d'Angleterre". Siehe auch: Braubach, Versailles und Wien, S. 429, Anm. 218.

III Informationsbeschaffung

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Gesandtschaftssekretärs beim neuernannten Botschafter in Venedig an. Rousseau, ohne jegliche diplomatische Vorbildung, abgesehen von seinen autodidaktisch angeeigneten Kenntnissen, sagte zu, nachdem ihm die Übernahme der Reisekosten versprochen worden war.52 Zwar behauptet er in seiner Autobiographie, sich zügig mit den Aufgaben eines Gesandtschaftssekretärs vertraut gemacht zu haben, doch läßt eine Beschwerde des Außenministers Amelot über falsche Chiffrierungen den Schluß zu, daß eine gewisse Sorgfalt beim Umgang mit der täglichen Post von Nöten war und die Einarbeitung doch mehr Zeit in Anspruch nahm.53 Die Karrieren von Bernis, Choiseul, Rousseau und anderer deuten darauf hin, daß die Schwäche der französischen Diplomatie im 18. Jahrhundert weniger im organisatorischen als im personellen Bereich lag. Entscheidend für die Auswahl waren die persönlichen Kontakte, weniger die Qualifikation.4 Erst mit Bernis und Choiseul erschienen Persönlichkeiten, die die konzeptionellen Schwächen, die in der Außenpolitik seit dem Tod Fleurys offenkundig geworden waren, überwinden wollten und in der Lage waren, die grundsätzlichen Entscheidungen Ludwigs XV. umzusetzen. Es wird sich zeigen, auf welchen Prämissen ihre Deutschlandpolitik beruhte, welchen Rang das Alte Reich in der französischen Außenpolitik einnahm, die dank des französischen Kolonialbesitzes sich zunehmend auf wirtschaftliche Expansion und damit auf die Konkurrenz mit England konzentrierte.

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Rousseau, Confessions, S. 295. Ibid., S. 297, 304, vgl. auch die Erläuterungen S. 1387-1401. Auch Rousseaus Vorgesetzter in Venedig, Pierre-François, Graf von Montaigu, verdankte seinen Posten den guten Kontakten zum Hofe, insbesondere zu Fleury, vgl. ibid. S. 1387.

Β. Die Perception des Alten Reichs durch die französische Diplomatie

I. Altes Reich und Reichsverfassung Das „Alte Reich" umfaßt jenes eigentümliche frühneuzeitliche Staatsgebilde, dessen Grenzen von der Ostsee bis zu den Abruzzen reichte.1 In diesem Kapitel wird nicht der französische Blick auf einzelne Reichsstände untersucht, die Akteure im Staatensystems waren, etwa Preußen, Sachsen oder Bayern, sondern die Wahrnehmung der Folgen des Siebenjährigen Krieges auf das Reich, auf seine Organe und seine Verfassung. Da österreichische Großmachtpolitik und Reichspolitik eng miteinander verwoben waren, werden an dieser Stelle bereits Urteile zur Politik Maria Theresias oder genauer zur Politik Kaiser Franz' I. diskutiert. Gefragt wird nach der Perzeption und den Vorstellungen, die die französische Diplomatie und das Außenministerium vom System des Reiches entwickelten sowie nach dem Stellenwert, den das Heilige Römische Reich deutscher Nation für die französische Außenpolitik besaß. Angesprochen werden die „ k l a s s i s c h e n " Themen, mit denen sich die französische Perzeption des Reiches immer wieder beschäftigt hat, wie etwa die Einordnung des Reiches und seiner Verfassung in die gängigen Verfassungstypologien, die Beschreibung der Besonderheiten der Reichsverfassung, die Landesherrschaft oder die Organisation des Reichstags sowie die Frage des Verhältnisses zwischen Kaiser und Reichsständen. Darüber hinaus ist die Wahrnehmung der unmittelbaren Konsequenzen des Siebenjährigen Krieges auf das Reich zu untersuchen: die Intervention des Reiches gegen Preußen, d. h. die Reichsexekution und der Versuch der Verhängung der Reichsacht über Friedrich II., die Diskussion über die Neutralität Hannovers und die vom Preußenkönig geschickt geschürten konfessionellen Spannungen zwischen den protestantischen und katholischen Reichsständen.

1

Zu den „Reichsbegriffen" vgl.: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 9-11; zur Genese des Begriffes „Reich" und zu seinen verschiedenen Bedeutungen seit dem frühen Mittelalter: Schulze, Grundstrukturen, S. 13-112; siehe dazu auch: Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 9-17.

Β. Die Perception des Alten Reiches

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1. Verfassung In seinen zahlreichen Studien zur Perzeption des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert hat Klaus Malettkes zeigen können, daß sowohl die gelehrte Öffentlichkeit als auch Politikerkreise über sehr gute Kenntnisse der komplexen verfassungsrechtlichen Probleme des Reiches verfügten.1 Bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges blickte man in Frankreich auf eine über zweihundertjährige Tradition der Beschäftigung mit dem deutschen Reich zurück.2 Es war Richelieu, in dessen Auftrage seit den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts intensiv zur politischen und verfassungsrechtlichen Situation im Reich „geforscht" wurde. Als Vorläufer der Inhaber der im 18. Jahrhundert eingerichteten Stelle des jurisconsulte du roi pour le droit germanique muß Théodore Godefroy (1580-1649) gelten, der im Auftrage Kardinal Richelieus eine ständig überarbeitete Description sommaire de l'Empire de l'Allemagne verfaßte und als „Deutschlandexperte" die französische Gesandtschaft zum Friedenskongreß nach Münster begleitete.3 Bis weit in die Mitte des 17. Jahrhunderts bestimmte die strittige Frage der verfassungsrechtlichen Einordnung des Reiches die Diskussion der Staatsrechtler. Ausgelöst hatte sie Jean Bodin, der über das komplexe und komplementäre Beziehungsgeflecht von Kaiser und Reichsständen hinwegsah und das Reich zu einer ständischen Aristokratie erklärte. „Souverän war seiner Meinimg nach nicht der Kaiser, sondern allein das im Reichstag vereinigte Corpus der Reichsstände". Die Kaiserwürde sei nichts weiter als ein leerer Titel. Schon vor und spätestens nach Abschluß des Westfälischen Friedens verfolgten französische Publizisten intensiv die weitere Entwicklung der sich wandelnden Beziehungen zwischen Kaiser und Ständen. Dabei wurde auch die deutsche Reichspublizistik intensiv rezipiert.5 Die Auswertung der Korrespondenzen und Denkschriften der Diplomaten und des Außenministeriums muß daher berücksichtigen, daß man bereits auf einen umfangreichen Wissensfundus nicht nur im Ministerium, sondern auch in der gelehrten Öffentlichkeit zurückgreifen konnte. Die Reichsverfassung Für die Gesamtheit des Reichsverbandes läßt sich im für diese Untersuchung herangezogenen Quellenkorpus keine einheitliche Bezeichnung finden. Häufig begegnen „corps germanique" oder „système germanique", um die Gesamtheit des Reiches - „Empire" - zu beschreiben6 Diese Begriffe belegen das Wissen um die prinzipielle Differenz zwischen dem 1 2

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Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, bes. S. 169-271; zur neueren Literatur vgl. S. 28, Anm. 72. Über die französische Reichspolitik des 16. Jahrhunderts und über die Beschäftigung mit der Reichsverfassung vor 1648 liegen bislang kaum neuere Forschungen vor. Für die deutsch-französischen Beziehungen zur Zeit Heinrichs IV. vgl. jetzt: Beiderbeck, Heinrich IV. und die protestantischen Reichsstände. Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 204-206; über Godefroy S. 191-219. Eine Edition der Schrift Godefroys liegt jetzt vor: Godefroy, Description d'Allemagne. Vgl. auch: Bosbach, Die Elsaßkenntnisse der französischen Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongreß; zur Einrichtung des jurisconsulte·. Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 50-57. Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 171-172, Zitat S. 171. Ibid. S. 177-179,189-190. Vgl. z. B. AAE MD Allemagne 78, „Mémoire par lequel il est prouvé que les Empereurs s'arrogent trop d'autorité et exigent trop de dépendance des princes et feudataires de l'Empire en Italie, d'où il naît beaucoup d'abus et d'inconvénient auxquels il seroit a propos de remédier", fol. 217'-246', 241 r ; AAE MD

74

I. Altes Reich und

Reichsverfassung

Lehensverband des Alten Reiches und einem „absolutistisch" regierten Staat wie Frankreich. Mit Bezeichnungen wie „Corps" und „système", die auf die komplexe politische Organisation des Reiches hinwiesen, vermied man zudem eine Bewertung oder kritisch-abwertende Urteile, wie sie ζ. T. in der Diderotschen Encyclopédie zu finden sind.7 Der von Bodin begründeten Tradition, das Alte Reich als eine Republik zu charakterisieren, weil seine Souveränität bei der im Reichstag versammelten Gesamtheit der Stände lag, scheint der seit Dezember 1757 als ministre plénipotentiaire in Mainz residierende Kempfer von Plobsheim noch anzuhängen. Kempfer empfand das Verhalten der zahlreichen kleinen Reichsstände, die eifersüchtig die Beachtung ihrer Rechte überwachten, als eine Behinderung der Mobilisierung des Reiches gegen Friedrich II.: „Wir leben in einer Republik von kleinen rivalisierenden Souveränen, die eifersüchtig auch in Kleinigkeiten auf den Erhalt einer vollkommenen Gleichheit achten: Alles, was diese in Frage stellt, verletzt ihre Eitelkeit stärker als ihr Interesse. Sie geben niemals etwas gemeinsam und bereitwillig, sondern nur, wenn sie sicher sind, daß ihr Nachbar genauso handelt, und daß jedem entsprechend seiner Kräfte auferlegt wurde".8

Das von Kempfer gezeichnete Bild einer durch Eifersucht und Mißtrauen sich blockierenden Republik rückt das Reich eng an die polnische Monarchie, in der der König von einzelnen Adelsparteien abhängig war und sich die Parteien nur in der Erhaltung eines schwachen Königtums einig waren. Doch scheint Kempfers Äußerung - gefallen im Kontext der Mobilisierung der Reichskreise - nicht repräsentativ für die französische Diplomatie gewesen zu sein. Daß das Alte Reich nicht in die von Aristoteles geprägten Verfassungsmodelle einzuordnen war und, um das berühmte Diktum Pufendorfs zu zitieren, ein „einem Monstrum ähnliches Gebilde" war, bedurfte in der Mitte des 18. Jahrhunderts keiner ausführlichen Diskussion mehr. Die häufig anzutreffende Charakterisierung des Reiches als „System" oder „Korpus" deutet darauf hin, daß die französische Diplomatie den von Pufendorf eingeschlagenen Weg folgte und sich nicht an alten, unzutreffenden staatstheoretischen Kategorien, sondern an der „Realität des Reiches" orientierte. Ähnlich wie Pufendorf interessierte die Diplomaten nicht „ob das Reich ein Staat ist, sondern wie dieser Staat beschaffen ist".9 Der Systembegriff beschrieb am besten das seltsame Gebilde „Reich". Ein System ist eine „sinnvolle prinzipiengemäße Ordnung einer Mannigfaltigkeit von Dingen", mit ihm verknüpft ist die Vorstellung von Stabilität und Dauer wie auch von Dynamik, die die innerhalb und in der Begegnung mit der Außenwelt zu beobachtenden Prozesse umfaßt.10 Wie viele Reichspublizisten in Anschluß an Pufendorf11, hielt sich die französische Diplomatie daher nicht mit einer

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Autriche 30, ,.Mémoire sur un système de politique à suivre envers l'Autriche, du 1er Janvier 1751", von Louis-Augustin Blondel, fol. 463" („système de l'Empire") 469", 473v; AAE MD Autriche 38, fol. 294'; Recueil des instructions, Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 342. AAE CP Bavière 134, fol. 384v, 389v. AAE CP Autriche 261, fol. 121'. CP Allemagne 590, fol. 45': „système germanique". Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 258-259. AAE CP Mayence 47, fol. 70'-73v, Kempfer an Bernis, 18. Januar 1758, fol. 70v: „Nous sommes dans une république de petits souverains rivaux, et jaloux au dernier point du maintien d'une parfaite égalité: tout ce qui s'en écarte blesse toujours plus leur amour propre que leur intérêt, ils ne donnent pas communément de bonne grâce, mais ils donnent, lorsqu'ils sont sûrs que leur voisin en fait autant et que chaqu'un a été imposé dans une proposition raisonné en ses forces". Auch Baron Mackau spricht in seinem „Tableau de la diète générale de l'Empire" vom Reich als einer Republik, AAE CP Allemagne 601, fol. 79'-84v, fol. 79'. Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 24-74, bes. S. 44 und 49 (Zitat). Ibid. S. 30-31; zum Systembegriff auch: Riedel, System, Struktur. Vgl. Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 60-74.

Β. Die Perzeption

des Alten

Reiches

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letztendlich fruchtlosen Debatte um die Staatlichkeit des Reiches auf, sondern orientierte sich an der Verfassungsrealität, die, wie im Folgenden an einigen Beispielen gezeigt wird, äußerst präzise beschrieben werden konnte. Daß man im Außenministerium zu differenzierten Urteilen über den Charakter der Reichsverfassung in der Lage war, zeigt die Behandlung des Reiches im Rahmen einer Description politique de l'Europe. Dort heißt es über die Regierung des Reiches, sie sei eine Mischung aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie.2 Damit wird der von Jean Heiss im 17. Jahrhundert geprägten Auffassung, das Reich habe eine gemischte Verfassung - „le gouvernement de l'Empire tient du monarchique et de l'aristocratique"13 - , ein weiterer Aspekt hinzugefügt. Monarchisch werde das Reich regiert, weil der Kaiser vor allen anderen Mitgliedern des Korpus' Vorrang habe. Dies komme nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß die mächtigsten Stände - gemeint sind die Kurfürsten - es sich als Ehre anrechnen, Erzämter und Vikariate innezuhaben.14 Doch trotz dieser Unterordnung, die die Eizämter symbolisieren, verfüge der Kaiser über keine „absolute" Macht, denn er sei an die Zustimmung der Kurfürsten gebunden: „Denn dieselben Amtsträger, die ihn [den Kaiser] wählen, schränken seine Autorität durch Gesetze ein, deren Beachtung sie ihm vor seiner Krönung vorschreiben. Er benötigt ihre Zustimmung zur Verabschiedung neuer Reichsgesetze, er kann das Reich nicht ohne ihre Einwilligung in einen Krieg verwickeln".15

Hier werden die wichtigsten jura comitialia angesprochen, wie sie im § 2, Artikel VIII des Osnabrücker Friedens festgelegt worden waren. Kriegserklärung und Verfassungsänderungen bedurften der Zustimmung der Reichsstände.16 Die der Wahlkapitulation zugeschriebene Bedeutung für die Beziehungen zwischen Kaiser und Reich deckt sich mit den zeitgenössischen Auffassungen. Der bekannte Staatsrechtler Johann Stephan Pütter deutete die Wahlkapitulation „in so weit als das vorzüglichste Reichsgrundgesetz, als es für die jedesmalige Regierung die neueste Bestimmung in sich fasset, und meist über alle und jede Zweige der kaiserlichen Regierung sich ausbreitet".17

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„Le gouvernement de l'Empire est une mélange du monarchique, de l'aristocratique et du démocratique", AAE MD France 534, fol. Γ-77', „Description politique de l'Europe", fol. 55v. Heiss, Histoire de l'Empire, Bd. 2, S. 4 (2. Auflage), zit. nach: Braun, Les traductions françaises des traités de Westphalie, S. 146-147; Wrede, Die Reichsverfassung, S. 38. Diese Einschätzung begegnet auch bei Christian Thomasius, vgl.: Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 50. „En effet, l'Empereur comme chef a une supériorité éminente sur les membres de ce vaste corps. Il en représente la majesté, et les plus puissants princes de l'Empire se font l'honneur des grandes charges qu'ils exercent eux-mêmes, ou font exercer par leurs vicaires perpétuels et héréditaires dans les grandes fonctions publiques", AAE MD France 534, fol. 55v. Über die Erzämter vgl.: Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, S. 23-24. AAE MD France 534, fol. 55v-56r: „Mais ces mêmes officiers qui l'élisent, limitent son autorité par des lois dont ils prescrivent l'observation avant de le couronner Empereur. Il a besoin de leur consentement pour faire de nouvelles constitutions impériales, il ne peut engager l'Empire dans une guerre sans leurs approbations". Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 150; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 76; Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, S. 14-19, bes. 18-19. Johann Stephan Pütter, Literatur des Teutschen Staatsrechts, 4 Bde., Göttingen, Erlangen 1776-1791 [ND Frankfurt 1965], Bd. 1, S. 392, zit. nach: Lottes, Zwischen Herrschaftsvertrag und Verfassungsnotariat, S. 134. Über die Wahlkapitulationen (mit weiterführender Literatur) siehe auch: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 66; vgl. auch: Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, S. 12-14.

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I. Altes Reich und Reichsverfassung

Das aristokratische Element innerhalb der Reichsverfassung sah der unbekannte Autor der Denkschrift - möglicherweise der Leiter des Archivs, Le Dran - in den durch die Reichsstände gebildeten Kollegien verkörpert, wobei neben dem Kurfürstenkollegium auch jene der Reichsfürsten und -prälaten Erwähnung finden. Die Städtekurie, die ihr votum decisivum gegen Bestrebungen der Fürsten verteidigt habe, verleihe der Reichsverfassung schließlich einen demokratischen Charakter.18 Dieser wird jedoch in der Forschung bestritten, etwa von Aretin, der es ablehnt, „die Reichsstädte als Element des Bürgertums und der Demokratie in der Reichsverfassung zu bezeichnen".19 Die Verwendung des Begriffs „Demokratie" darf jedoch nicht mißverstanden oder überbewertet werden. Er ist wohl dahingehend zu verstehen, daß mit den Regierenden der Städte Patrizier bürgerlicher Herkunft Einfluß auf die Entscheidungen des Reichstages hatte. Insgesamt wird der Beitrag der mindermächtigen Stände zur Regierung des Reiches nicht allzu hoch eingeschätzt. Sie seien gegenüber den Kurfürsten und dem Kaiser, legt man Artikel IV. und X. der Wahlkapitulation Karls VI. zu Grunde, in ihrem Rechten eingeschränkt: darin habe sich der Kaiser verpflichtet, Kriege nur mit Zustimmung der Kurfürsten zu erklären bzw. in erster Linie den Rat der Kurfürsten zu suchen. Die Betonung der Wahlkapitulation als entscheidendes, die Macht des Kaisers einschränkendes Gesetz zeugt vom Gespür des Autors für die Besonderheiten der Reichsverfassung.20 Bedenkt man die Tradition antikaiserlicher Politik in Frankreich, verwundert es nicht, daß der Wahlkapitulation ein über ihre tatsächliche Bedeutung hinausgehendes Gewicht eingeräumt wurde.21 Landesherrschaft

Neben dem Versuch, das Reich in gängige Verfassungskategorien einzuordnen, prägte seit dem frühen 17. Jahrhundert das Problem der „Souveränität" der Reichsstände die Perception des Reiches in Frankreich. Besonderes Interesse gilt daher der Frage, ob die Landeshoheit der Reichsstände, die mit der Zuerkennung des Bündnisrechts im Westfälischen Frieden eine bedeutende Erweiterung erfahren hatte, in den Augen der französischen Beobachter mit dem Besitz der uneingeschränkten Souveränität gleichgesetzt wurde. Grundsätzlich war „Landesherrschaft" der deutschen Reichsstände für das französische Außenministerium kein unerklärliches und unverständliches Phänomen. So wurde im Juni 1722 eine umfangreiche Denkschrift erstellt, die die Grenzen der Landesherrschaft und der Rechte des Kaisers untersucht.22 Gleich eingangs erklärt der Autor, daß Landesherrschaft 18

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AAE MD France 534, fol. 56 r_v : „Les Princes ont prétendu réduire le collège des villes à la seulle voix délibérative: Mais elles soutiennent quelles ont la voix decisive. Ce collège rend le gouvernement de l'Allemagne mêlée du démocratique". Das votum decisivum wurde den Reichsstädten im Westfälischen Frieden gewährt (Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, S. 35), ihr politischer Einfluß auf die Geschicke des Reiches blieb jedoch gering: „De facto erreichte die Städtekurie nach 1648 auf dem Reichstag nicht die Gleichstellung mit dem Kurfürsten- und Reichsfürstenrat" (Ibid. S. 84). Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 111; zur Städtekurie siehe auch: Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, S. 34-36, 83-85. Zur Wahlkapitulation Karls VI. vgl.: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 2, S. 228-229; zum Forschungsstand: Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, S. 87-88. Tatsächlich stellte die Wahlkapitulation einen „Akt der Selbstbindung" dar. Nichtrespektierung der eingegangenen Verpflichtungen gab den Kurfürsten keineswegs das Recht, dem Kaiser sein Amt zu bestreiten. Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 147. AAE MD Allemagne 16, fol. 157Γ-181Γ: „Mémoire concernant la supériorité territoriale des Princes et États de l'Empire", vom 30. Juni 1722, erstellt, um zu klären: „ce qui est des règles en Allemagne pour l'exercice de la supériorité territoriale tant en elle même, que relativement aux réservâtes de la souveraineté de

Β. Die Perzeption des Alten Reiches

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supériorité territoriale - dem römischen Recht unbekannt und eine „Erfindung" des deutschen Reichsrechtes sei.23 Ausdrücklich wird betont, daß Landesherrschaft und Souveränität keineswegs identisch seien, auch wenn man beide in der Realität oft kaum unterscheiden könne: „Da sie [die Landesherrschaft] der Oberherrschaft des Kaisers und des Reiches untergeordnet ist, sollte man sie eigentlich nicht der Souveränität zuordnen, auch wenn sie ihr in vielen Fällen annähernd gleichkommt, wenn man bedenkt, daß sie verschiedene Regalien und Majestätsrechte umfaßt, die, obwohl ursprünglich durch Konzessionen des Kaisers erworben, in der Folge als Bestandteile der Landesherrschaft angesehen worden sind".24

Die hier für den internen Gebrauch zusammengestellten Informationen gingen in die Vorbereitung der einzelnen Missionen ins Reich mit ein. Eine in die Instruktionen der französischen Gesandten am Reichstag, Le Maire (1754-1757) und Mackau (1757-1763), eingearbeitete Beschreibung der Reichsstände - aus der Feder Bussys - offenbart dessen präzise Kenntnis und vor allem Fähigkeit, die komplizierte völkerrechtliche Stellung der Reichsstände zu analysieren.25 Um eine „définition exacte et claire de l'État d'un prince de l'Empire" zu geben, so Bussy, müssen drei Punkte betrachtet werden: erstens, das Verhältnis eines Reichsfürsten zu einer ausländischen Macht. Hier unterscheide er sich in nichts von einem anderen Souverän, da er über das wertvollste Insignum der Souveränität verfuge, nämlich über den „droit d'alliance, d'ambassade, de guerre et paix, Jus foederum Legationum, Bellis ac Pacis". Diese Rechte würden jedoch nur unter der Voraussetzung gelten, daß sie nicht gegen das Reich gewandt würden. Eine Einschränkung aus den entsprechenden Artikeln des Westfälischen Friedens, die Bussy nicht vergißt zu erwähnen („pourvû qu'il ne fasse rien contre l'Empire"). Zweitens: Die rechtliche Stellung des Fürsten innerhalb des Reiches sei zweifach (,^nixte"). Er habe als stimmberechtigter Reichsstand teil an der „Souveränität" des Reiches und zwar sowohl auf dem Reichstag als auch in den Reichskreisen. Dort berate er mit den Kurfürsten, Fürsten und anderen Ständen alle Angelegenheiten, die das „corps germanique" beträfen. Untertan des Reiches sei der Fürst, weil er seine Herrschaft und sein Territorium als Lehen von Kaiser und Reich („plus composé qu'aucun autre du monde") empfangen habe. Der Kaiser repräsentiere das Reich in allen Akten der Lehnsverfassung, besonders bei der Investitur, aber der Eid der Reichsfürsten beziehe sich nicht weniger auf das Reich, denn: „Die Oberherrschaft liegt in beiden zusammen" („la majesté suprême résidant dans tous les deux ensembles"). Drittens, die Landesherrschaft des Fürsten: In seinen Territorien verfüge der Reichsfürst über „die hervorragenden Rechte, die ein Souverän in einem Staat wünschen und beanspruchen kann" („les droits éminents, qu'un souverain peut souhaiter et prétendre dans un

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l'Empereur et de l'Empire" (fol. 157r). Ähnlich ausführlich dargestellt auch: „Mémoire concernant la supériorité territoriale des Princes et Etats de l'Empire" (1744), in: MD France 514, fol. 157-178'. Ibid. fol. 157v: „La supériorité territoriale inconniie dans le droit romain est une expression nouvellement inventée par les politiques et les publicistes en faveur des électeurs, princes et États de l'Empire". Ibid. fol. 157": „Comme elle est subordonnée au suprême domaine de l'Empereur et de l'Empire, l'on ne sçauroit proprement parlant la qualifier de souveraineté mais elle ne laisse pas d'en approcher en plusieurs cas, vû qu'elle comprent différents droits régaliens et majestétiques, qui quoiqu'accordés originairement par concession des Empereurs, ont été censés ensuite faire partie de la supériorité territoriale". Die folgenden Zitate nach: „Portrait d'un Prince de l'Empire", in: AAE CP Allemagne Supplément 14, fol. 290r-v; auch in: MD Allemagne 78, fol. 23'-24v; vgl.: Recueil des Instructions, Diète germanique, S. 187-188; 226-227, 255; und die Bemerkungen Georges Livets, in: Recueil des Instructions, Trêves, S. X-XI.

78

I. Altes Reich und

Reichsverfassung

État"), insofern er kein Tyrann sei. Diese Souveränitätsrechte im Inneren würden jedoch durch Gewohnheitsrechte, die Reichsgesetze und spezielle Regelungen innerhalb einzelner Territorien eingeschränkt. Dadurch ergäben sich die vielen regionalen Unterschiede in den einzelnen Provinzen Deutschlands.26 Die Definition Bussys belegt die weitgehende Vertrautheit mit dem besonderen völkerrechtlichen Status des Reiches. Das pragmatische Umgehen mit der Reichsverfassung spiegelt sich auch in der zeitgenössischen französischen Publizistik über das Reich, die in Teilen ja von Mitarbeitern des Außenministeriums (Pfeffel, Gérard) geprägt wurde.27 Aus dem Selbstverständnis der französischen Reichspolitik, die traditionell auf die Protektion der Reichsstände abzielte, erklärt sich die Interpretation der Reichsverfassung zu Gunsten der ständischen „Libertät". Daß man Landesherrschaft und Souveränität zu unterscheiden wußte, verdeutlicht auch der Verweis auf die Unterordnung der Reichsstände unter die Gerichtsbarkeit des Reiches: „Ein Reichsfürst ist außerdem verpflichtet, die Rechtsprechung von Kaiser und Reich anzuerkennen, die zwei obersten Gerichten anvertraut ist, dem Reichskammergericht und dem Reichshofrat in den gewöhnlichen Fällen, und die in besonderen Fällen vom Reichstag ausgeübt wird".28

Das „droit public de l'Empire" zählte im übrigen auch zu den Studieninhalten der Söhne des Hochadels. Im Jahr 1727 verfaßte Christophe Lautz, Bibliothekar des Herzogs von Noailles, eine Darstellung des Reichsrechts, die dem Unterricht der Söhne Noailles' dienen sollte.2 Für Noailles (1678-1766), der schon zu diesem Zeitpunkt auf eine beeindruckende Karriere als Soldat und Berater Ludwigs XV. zurückblicken konnte, sollte die Kenntnis des Reichsrechts nicht nur den Spezialisten vorbehalten bleiben, sondern auch zum Grundwissen des Hochadels gehören. Im Kapitel 17 behandelt Lautz die Landesherrschaft. Auch er beginnt mit der präzisen Scheidung von Souveränität und Landesherrschaft. „Supériorité territoriale" bezeichne die Herrschaft der Stände in ihren Territorien, die mehrere Majestätsrechte umfasse: Rechtssprechung, Steuergesetzgebung, das ius reformandi, Bündnisrecht, ius belli und das Recht, Botschafter zu ernennen.30 Jedoch dürfte die durch die genannten Rechte verliehene Macht nicht zu antikaiserlichen oder das Reich gefährdenden Maßnahmen mißbraucht werden. Darin sah Lautz die entscheidende Differenz zwischen Landesherrschaft und Souveränität:

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AE CP Allemagne Suppl. 16, fol. 290v. Zur französischen Publizistik über das Reich im 18. Jahrhundert: Wrede, Die Reichsverfassung, S. 30-31, 44-46; vgl. auch: Dufraisse, Das Reich aus der Sicht der Encyclopédie méthodique. Ibid. fol. 290v: „Un prince de l'Empire est obligé outre cela de reconnoitre la jurisprudence de l'Empereur et de l'Empire, qui est confiée aux 2 tribunaux suprêmes, la Chambre Impériale et le Conseil aulique dans les causes ordinaires, et qui s'exerce par la Diète dans les cas réservés". AAE MD Allemagne 66, fol. 2r-257v: „Abrégé du droit public de l'Empire composé par l'ordre de Monseigneur le Duc de Noailles, pour l'usage de Messieurs ses enfans les comtes d'Ayen et Marquis de Mouchy, par Elie Christophe Lautz, bibliothécaire de mon dit Seigneur à Paris 1727". Über Adrien Maurice, Graf von Ayen, Herzog von Noailles vgl.: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1230-1231 ; Antoine, Louis XV, S. 355. AAE MD Allemagne 66, fol. 91r: „On entend par le mot supériorité territoriale dont les États jouissent en Allemagne la puissance d'exercer en leur propre nom la jurisdiction et ce qui en dépend dans toute l'étendue de leurs territoires, de même que les autres droits de majesté, entend que l'intérêt de l'Empereur et de l'Empire ne s'y trouve point engagé".

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„Diese Einschränkung macht deutlich, daß diese Staaten, auch wenn sie aufgrund der Übereinstimmung ihrer Rechte und Privilegien vollkommenen Souveränen ähneln, es doch nur annähernd sind, da sie von Kaiser und Reich abhängig sind".31 Eine weitere Einschränkung erfahren die Rechte der Landesherren in einigen Territorien durch das Mitspracherecht der Landstände.32 Den Ursprung der Landesherrschaft führt Lautz bis in die Zeit der Karolinger zurück, als „simples officiers" nach und nach die ihnen nur übertragenen Rechte usurpierten.33 Endgültig bestätigt worden seien die Rechte der Landesherrschaft - „cette liberté quasi souveraine" - erst nach langen Auseinandersetzungen im Westfälischen Frieden: Die Rechte der Reichsstände hätten darin durch ihre Kodifizierung den Rang eines Grundgesetzes („loi fondamentale") erhalten und seien dadurch vor jeglicher Einschränkung durch den Kaiser sicher.34 Nach dieser grundsätzlichen Erklärung des Unterschieds von Landesherrschaft und Souveränität erläutert Lautz dann im einzelnen den Umfang der die Landesherrschaft ausmachenden Rechte. Bei der Erläuterung des ius belli weist er ausführlich auf die verschiedenen Fälle hin, in denen ein Reichsstand zu den Waffen greifen darf. Die allgemeine Einschränkung des Kriegsrechts, keinen Krieg zum Schaden des Reiches zu führen, wird bis ins kleinste differenziert. Dabei vergißt Lautz nicht, darauf hinzuweisen, daß die Reichsstände verpflichtet seien, ihre Streitigkeiten vor den Organen der Reichsjustiz auszutragen.35 Das Recht zur Selbstverteidigung sei allerdings von jeder Beschränkung ausgenommen ein Stand, der angegriffen werde, dürfe sich, soweit es ihm möglich sei, gegen einen Aggressor verteidigen, bis ihm das Reich zu Hilfe komme. Gegen außerhalb des Reiches stehende Dritte sind nach Lautz sogar Offensivkriege erlaubt - „vorausgesetzt, daß daraus dem Interesse des Reiches keinerlei Nachteil entstehe".36 Auch dieses Beispiel belegt, wie gut man im Umkreis des Außenministeriums mit den Besonderheiten der Reichsverfassung vertraut war. In der Praxis bedurfte die Verwendung der einschlägigen Begriffe keiner weiteren Erläuterung. So erklärte im August 1763 Außenminister Praslin dem Gesandten am Kaiserhof, Châtelet, wie Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel Bestimmungen der ihm 1755 aufgezwungenen Assekurationsakte rückgängig machen könnte. Dabei sprach er wie selbstverständlich davon, daß die Beschränkung der Rechte der Landesherrschaft des Sohnes durch den verstorbenen Landgrafen gegen die

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Ibid.: „Cette limitation fait voir que ces États quoyque ressemblant en tout aux parfaits souverains à cause de la conformité de leurs droits et privilèges ne le sont pourtant qu'analogiquement étant sous la dépendance de l'Empereur et de l'Empire". Wie wichtig das Insistieren auf diesen Unterschied ist, zeigt der Blick in die zeitgenössische Reichspublizistik, vgl. die Zitate bei: Härter, Reichstag und Revolution, S. 44. AAE MD Allemagne 66, fol. 91': „Plusieurs des princes gouvernent leurs pays de leur pleine volonté, d'autres sont obligés dans les grandes affaires d'avoir le consentement des États de leurs provinces qui ont plus ou moins d'autorité selon la diversité de leurs privilèges". Ibid. fol. 91v. Ibid. fol. 92': „Pour s'y affermir et pour s'assurer leurs droits établis par le seul usage, ils [die Reichsstände, S.E.] les firent confirmer en termes exprès dans le traité de Westphalie de sorte que leur puissance expliquée et confirmée par une loi fondamentale se trouve aujourd'huy à l'abris de toute atteinte". Ibid. fol. 97': „Ils ont le droit de faire la guerre cependant ce droit ne leur permet pas de faire la guerre à un autre État de l'Empire car la paix publicque défend cette licence sous de peines très rigoureuses et oblige les États de terminer leurs différents par la voye de justice ou devant l'Empereur ou devant la chambre impériale". Ibid. fol. 97": „pourvû que cela ne cause aucun préjudice aux intérêt de l'Empire".

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Reichsgesetze und gegen das Erbrecht verstoße. Praslin spricht ausdrücklich von „supériorité territoriale" - das Wort Souveränität fallt hier nicht.37 Der Reichstag Regensburg beheimatete mit dem Reichstag die ständige „Vertretungsinstitution der kurfürstlichen, fürstlichen und nicht-fürstlichen deutschen Reichsstände". Kaiser und Reichsstände verhandelten hier vielfaltige gesamtreichische Belange.39 Der Reichstag war ein Gesandtenkongreß, an dem die Vertreter der Stände oft über Jahrzehnte residierten. So konnte sich hier wie auch am Reichskammergericht oder am Wiener Hof eine „deutsche Politikerelite" entwickeln.40 Die Tatsache, daß der Reichstag das „Forum der politischen Öffentlichkeit des Reiches" (Heinz Schilling) war und dort gleichsam die Außenpolitik des Reiches verhandelt wurde, d. h. die Stellungnahmen des Reiches zu Fragen der europäischen Politik, vor allem ob und inwieweit das Reich in die außerhalb der Reichsgrenzen ausgetragenen Konflikte einiger seiner Mitglieder intervenieren solle, führte zur ständigen Anwesenheit auswärtiger Gesandter. Seit 1683 gab es eine Reichskriegsverfassung, und bis zu seiner Auflösung nahm das Reich per Reichskriegserklärung immer wieder an den Kriegen im Europa des Ancien Régime teil. In diesem durch die neuere Reichstagsforschung abgesteckten Rahmen bewegt sich auch die Befragung der Korrespondenzen der französischen Diplomaten während des Siebenjährigen Krieges. Daß der Reichstag als Gesandtenkongreß durch hofähnliche personelle Verflechtungen geprägt wurde, zeigt sich nicht zuletzt darin, daß Baron Mackau, seit 1757 französischer Gesandter in Regensburg41, wie seine an den Höfen akkreditierten Kollegen ein „Tableau" verfaßte, in dem die Gesandten porträtiert wurden. Zweck solcher „Tableaux" war, über die genaue Kenntnis der „Figurationen" (Elias) Hinweise zu erhalten, wo eine Einflußnahme, sei es durch Korruption, sei es durch Kommunikation, zugunsten französischer Interessen möglich wäre. Mackaus „Tableau de la diète générale de l'Empire" beginnt mit aufschlußreichen Bemerkungen über die Aufgabe des Reiches und die Stellung des Kaisers zum Reichstag. Letzterer sei die Versammlung von Kaiser und Reichsständen, die allgemeinverbindliche Gesetze ausarbeite: „Der Reichstag ist die Versammlung des Hauptes und der Glieder des Reiches, seine Aufgabe besteht in der Förderung des Allgemeinwohls und des Wohlstands dieser großen

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AAE CP Autriche 295, fol. 177r-179v, Praslin an Châtelet, 14. August 1763, fol. 177': „II est certain, M., que le feu Landgrave de Cassel a passé les bornes de son autorité sur son fils et successeur, en limitant l'exercice des droits de supériorité territoriale que celui ci tenoit des lois de l'Empire et de sa naissance". Schindling, Die Anfänge des Immerwährenden Reichstags, S. 6. Eine Reihe von Dissertationen aus der Schule Max Braubachs beschäftigt sich mit den Verhandlungen des Reichstags im 18. Jahrhundert, z. B.: Koch, Der deutsche Reichstag während des Siebenjährigen Krieges; Rohr, Der deutsche Reichstag vom Hubertusburger Frieden bis zum bayerischen Erbfolgekrieg. Abschließend erforscht ist die Tätigkeit des Reichstags in dieser Periode noch nicht, dies gilt nur für die Formierungsphase (Schindling) und seine letzten Jahre: Härter, Reichstag und Revolution (bes. S. 32-65); zum Stand der Forschung siehe auch: Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, S. 74-77; Schindling, Kaiser, Reich und Reichsverfassung. Schilling, Höfe und Allianzen, S. 111. Ober Louis-Elénor de Mackau (1727-1767): Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 354-355; Sitzmann, Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l'Alsace, Bd. 2, S. 221.

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Republik, indem einstimmig oder per Mehrheitsbeschluß Gesetze erlassen werden, die bindend für das gesamte Korpus werden".42

Diese Charakterisierung deckt sich im wesentlichen mit der Definition der Kompetenzen des Reichstags durch den Staatsrechtler Theodor Schmalz in seinem 1805 publizierten Handbuch des teutschen Staatsrechts. Dort heißt es: „Die gesetzgebende Gewalt im Reich haben Kaiser und Reich so gemeinschaftlich, daß beider Einwilligung nöthig ist, Gesetze zu geben, authentisch zu erklären, zu erneuern oder abzuschaffen". Sieht man davon ab, daß hier das Reich erneut als „Republik" bezeichnet wird, trifft Mackaus Definition recht genau das Tätigkeitsfeld des Reichstags. Ähnlich präzise wurden seine Aufgaben in der Instruktion von Mackaus Vorgänger, Abbé Le Maire, beschrieben. Der Reichstag sei, „die Generalversammlung des Kaisers und der Reichsstände, vertreten durch ihre Gesandten. Hier liegt der Ursprung der legislativen Gewalt, die durch die Union von Kopf und Gliedern einen politischen Körper formen, und zwar, wie man gesagt hat, komplizierter als alle anderen".44

Der letzte Halbsatz dieser Definition zeigt, daß man sich auch Angesichts der Kenntnisse, die man über die Reichsverfassung verfugte, noch immer über die langwierige Entscheidungsfindung am Reichstag mit den „mystères de la dictature publique" wunderte.45 Das Amt des kaiserlichen Prinzipalkommissars und dessen Umgang mit den Vertretern der Reichsstände betrachtete Mackau als Ausdruck der hierarchischen Gliederung des Reichs: „Der Kaiser unterhält hier einen Kommissar und keinen Botschafter, weil er behauptet, nicht mit anderen Staaten von gleich zu gleich zu verhandeln. Er betrachtet sich vielmehr als Monarch in einem Ständestaat, der zur Einberufung verpflichtet ist, um mit ihnen das Wohl des Reiches zu regeln. Da die Majestät in seiner Person liegt, empfängt sein Kommissar und Prinzipal eher die Huldigung der Vertreter der Stände als die Reverenz, die man sich von Souverän zu Souverän schuldig ist".46

Mackaus Urteil über den Prinzipalkommissar Fürst Ferdinand von Thum und Taxis war nicht sehr schmeichelhaft. Jener mische sich kaum in die laufenden Geschäfte, sei unfähig, sie zu verhandeln und werde von seiner Frau mit dem kaiserlichen Konkommissar und Vertreter Böhmens, dem Grafen Seilern, und mittlerweile mit dem Grafen von Oettingen-

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AAE CP Allemagne 601, fol. 79'-84v, „Tableau de la diète générale de l'Empire", [März 1757], fol. 79': „La diète est l'assemblée du chef et des membres de l'Empire, son objet est de concourir au bien et à la prospérité de cette grande République, en statuant à la pluralité ou à l'unanimitié des lois qui deviennent obligatoire pour tout le corps". Härter, Reichstag und Revolution, S. 44; vgl. zu den Aufgaben des Reichstags: ibid. S. 45-51. Recueil des instructions: Diète germanique, S. 226: „l'assemblée générale de l'Empereur et des États de l'Empire, représentés par leurs ministres; c'est là que réside la source du pouvoir législatif, par l'union du chef et des membres qui forment un corps politique, comme on l'a dit, plus compliqué que tout autre". Ibid. AAE CP Allemagne 601, fol. 79r: „L'Empereur tient icy un commissaire et non pas un ambassadeur, parce qu'il ne prétend point traiter avec les États d'égal à égal, il se regarde comme un monarque d'un pais d'États qu'il est obligé de convoquer pour concourir avec luy au salut de l'Empire. Comme la majesté réside en sa personne, son commissaire et principal reçoit plutost les hommages des ministres des États que les simples égards qu'on se doit de souverain à souverain". Zur Bedeutung des Reichstags für den Kaiser seit 1648 siehe: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 134-135.

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I. Altes Reich und Reichsverfassung

Wallerstein betrogen.47 Ähnlich vernichtend lautete Mackaus Urteil über Vertreter der Reichsstände. Der Gesandte Hessen-Kassels, von Walcknitz, sei mehr auf der Jagd als bei den Verhandlungen; der Vertreter der Reichsstadt Augsburg, Öxel, ein „in allen Bereichen geistloses Subjekt".48 An diesen abfälligen Urteilen hielt Mackau auch in den folgenden Jahren fest. Den langjährigen kurkölnischen Gesandten, Baron Karg, beschuldigte er, sich ganz an den Kaiser verkauft zu haben.49 Wie schwierig und unsicher es sei, durch Bestechung Einfluß zu nehmen, zeigt Mackau am Beispiel des Gesandten von MecklenburgSchwerin, Teufel von Birkensee. Dieser achte genauso auf seine eigenen Interessen wie auf die seines Landesherren. Möglicherweise werde er vom Kaiser bestochen - allerdings nur mit einer geringen Summe, denn er beziehe in den Verhandlungen keineswegs eindeutig Stellung für Wien. In den Augen des Franzosen Mackau erscheint Teufel von Birkensee wie ein Prototyp des Reichstagsgesandten: „Im übrigen verfügt er über Begabung für die Angelegenheiten des Reiches und vor allem für die des Reichstags, dessen Tretmühle er kennt. Dies ist jedoch mehr das Ergebnis einer langen Gewohnheit als eines vertieften Studiums. Dem fügt er Scharfsinn, Verstellung und Intrigen hinzu".50

Das Interesse an seiner Person verweist auf die Konfliktlinien im Reich während des Siebenjährigen Krieges. Beobachtet wurde ein protestantischer Reichsstand, der nicht auf der Seite Preußens stand, dessen Zuverlässigkeit jedoch zweifelhaft war. Mackaus Einschätzung wurde von Choiseul geteilt.51 Mackaus Bericht über den Reichstag fiel, was seine Gestaltungsmöglichkeiten als Gesandter betraf, ähnlich vernichtend aus wie die Porträts der Vertreter der Reichsstände. Er gehe davon aus, nicht viel an einer Versammlung ausrichten zu können, die derart korrupt sei.52 Darüber hinaus stellte Mackau sogar den Sinn seiner Mission in Frage: ob es die Reputation des Königs erlaube, daß seine Minister mit so geringer Aufmerksamkeit bedacht werden, wie es hier der Fall sei - und dies nicht erst seit Kriegsbeginn, sondern schon seit dem Beginn des Jahrhunderts. Damals hatten die ersten Gesandten, die nach Ende des Spanischen Erbfolgekrieges an den Reichstag geschickt worden waren, jahrelang unter der Miß47

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Über Fürst Ferdinand von Thum und Taxis vgl.: Piendl, Prinzipalkommissar und Prinzipalkommissare am Immerwährenden Reichstag, S. 172-183; AAE CP Allemagne 601, fol. 79v: „il [Thum und Taxis] se mesle peu d'affaires n'ayant ni lumières, ni de capacité pour les traiter", seine Frau, die Prinzessin von Fürstenberg, „a de l'esprit et de la finesse, sans être jolie, elle est grande et bien faite, ses yeux ont un air de coquetterie et de vivacité qui a subjugé le comte de Seilern, ministre de l'impératrice. Il s'est livré pendant plusieurs années à cette passion, autant par vanité que par goût, la princesse y a répondu par énnuy, et l'a abandonné pour le premier qui s'est mis sur les rangs, son nouvel amant est le comte d'OettingenWallerstein". AAE CP Allemagne 601, fol. 83r, 84': „plat sujet en tous points". AAE CP Allemagne 615, fol. 35-36', Mackau an Choiseul, 11. Februar 1761, fol. 36r. Ibid., fol. 77r: „Du reste, il a du talent pour les affaires de l'Empire et surtout de la Diète dont il connoit le trantran. C'est cependant plus les fruits d'une longue habitude que d'une étude profonde: il joint à cela de la pénétration, de la dissimulation et du manege". Ibid. fol. 83'~v, Choiseul an Mackau, 22. März 1761, fol. 83': „La conduite de la cour de Schwerin est une mélange de fermeté, d'irrésolution dont on ne peut tirer d'autre induction si ce n'est qu'elle ne voudrait ne pas déplaire à nos ennemis et conserver en même temps la protection des alliés de la bonne cause". AAE CP Allemagne 601, fol. 77-78", Mackau an Bemis, 20. März 1758, fol. 77": „II est aisé à juger, Monseigneur, par ces différentes pièces [die beiliegenden Denkschriften und das „Tableau", S.E.], qu'un ministre du roy ne peut se flatter d'opérer beaucoup à la Diète, tant qu'elle sera composé d'hommes aussi sujets à la corruption, que la pluspart de ceux qui forment actuellement cette assemblée".

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achtung und offenen Feindseligkeit der Versammlung zu leiden.53 Diese demütigende Behandlung war für den mit dem Sendungsbewußtsein der führenden Kulturnation Europas ausgestatteten Mackau nicht akzeptabel. Zwar sah er die Notwendigkeit der Überwachung und Einflußnahme auf den Reichstag ein und wußte um seine Funktion für die kleinen und kleinsten Reichsstände, doch dürfte dieser Auftrag keine protokollarischen Einbußen mit sich bringen. Mackau schlug vor, den Reichstag nicht mehr durch einen einfachen Vertreter, sondern durch den französischen Residenten in München beobachten zu lassen. Gewichtiges Argument in seinen Augen war hierbei das Verhältnis des französischen Gesandten zum kaiserlichen Prinzipalkommissar. Mackau befand sich durch seine Instruktion in einem Zwiespalt: einerseits mußte er den Kaiser, den Bündnispartner, unterstützen, andererseits aufmerksam jeden Verstoß gegen die Reichsgesetze anzeigen.54 Als Alternative zum Projekt der Koppelung der Reichstags mit der kurbayrischen Gesandtschaft schlug er die Ernennung eines Botschafters vor - Mackau hatte nur den Rang eines ministre55 - , der Frankreich angemessen repräsentieren würde, denn schließlich interveniere der König erstmals als Garant des Westfälischen Friedens.56 Bernis wies diesen Vorschlag als nicht durchführbar ab.57 Mackau blieb bis zu seiner Ablösung Anfang 1763 Gesandter in Regensburg.58 Drei Jahre später beschrieb Mackau erneut die komplizierte Situation, in der er sich am Reichstag befand und in die ihn seine Instruktion versetzte. Er sah sich zwischen den Fronten, die auf der einen Seite vom Kaiser und seinen Parteigängern, auf der anderen Seite von den von Friedrich II. mobilisierten Protestanten gebildet wurden. Es sei unmöglich, eine , juste balance" zwischen kaiserlichen und Reichsrechten aufrechtzuerhalten.59 Beide Seiten nutzen diese Situation zu ihren Gunsten aus: der Kaiser, um Maßnahmen durchzusetzen, die nicht unbedingt konform mit der Reichsverfassung gingen; daraufhin würden die Protestanten Frankreich als wortbrüchig anklagen, weil sie dem Kaiser dabei assistieren, zugleich aber ihren Willen am Erhalt des Reiches betonen.60 Mackau sah sich gezwungen, nur mit äußerster Vorsicht vertrauliche Gespräche zu führen, da entweder der Kaiser oder Hannover und Berlin sofort informiert würden: „Das vorsichtige Vorgehen, zu dem ich bei diesen Anlässen verpflichtet bin, verwandelt mich in ein Zwischenwesen, das nicht das volle Vertrauen der zwei Parteien genießen kann. Ich weiß, daß alle katholischen Gesandten dem Kaiser und keiner Frankreich erge53 54 55 56

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Vgl. dazu: Ulbert, Der Reichstag im Spiegel französischer Gesandtenberichte. Recueil des instructions: Diète germanique, S. 249, 251. Ibid. S. 241. AAE CP Allemagne 601, fol. 78': „Voilà, ce qui m'a fait penser, Monseigneur, que si les circonstances ne permettoient pas de rendre ce poste aussi décent que la dignité du maître me semble l'exiger, il vaudrait mieux n'employer qu'un même ministre pour la cour de Bavière et la Diète de l'Empire, si le Roy n'aimoit mieux y envoyer un ambassadeur, ce qui peut être dans les circonstances présentes ne seroit point déplacé, puisque c'est la première fois que le Roy exerce l'office du garant du traité de Westphalie". AAE CP Allemagne 601, fol. 1 2 9 - 1 3 Γ , Bernis an Mackau, 23. April 1758; Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 364. Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 379. Über diese immer wiederkehrende Maxime siehe auch: Ibid. S. 371. AAE CP Allemagne 615, fol. 26-28", Mackau an Choiseul, 4. Februar 1761, fol. 26 v -27 r : „Les ordres que renferment mes instructions de tenir sans cesse une juste balance entre les droits de l'Empereur et les prérogatives des États rendent dans pareilles circonstances ma mission d'autant plus diffìcile, que les ministres de la cour de Vienne croyent qu'en faveur de l'alliance nous devons adopter tous leurs sentimens sur les prétendus droits de chef de l'Empire. D'un autre côté les Protestants qui sont convaincus par l'expérience que le roi veut maintenir le système de l'Empire, voyent avec plaisir que la cour de Vienne nous force parfois à convenir de l'illégalité de ses entreprises". Kopie in: AAE CP Autriche 281, fol. 304'-305 r .

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I. Altes Reich und Reichsverfassung ben sind, unter den Protestanten sind es nur die Vertreter Sachsens und Schwedens, denen gegenüber ich Eröffnungen wagen kann, ohne zu befürchten, daß auf der Stelle die preußisch-hannoveranische Seite davon erfährt".61

Eine „französische" Partei, die es seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert auf die eine oder andere Art und Weise immer im Reich gegeben hatte, bestand nicht mehr. Anlaß zu dieser Feststellung war der Konflikt zwischen dem Kaiser und der Reichsstadt Frankfurt um die Tätigkeit ihrer Banken zu Gunsten der Franzosen. Mackau sah sich außerstande, zum Schutze der Frankfurter zu intervenieren, da keiner der Stände sein Vorgehen unterstützen werde.62 Dem Wiener Hof warf er vor, diese Situation auszunutzen. Einen Rückzug vom Reichstag erwog Mackau jedoch nicht mehr. Es sei in Frankreichs Interesse, weiterhin den „titre glorieux de protecteur des libertés des États de l'Empire" zu tragen, und deshalb müsse man auf Wien einwirken, von einem weiteren Vorgehen gegen Frankfurt abzulassen.63 Mackaus Berichte sprechen damit ein grundsätzliches Problem an, das sich aus dem renversement des alliances ergab. Bestand nicht die Gefahr, daß sich die Machtverhältnisse im Reich allzu deutlich in Richtung Wien verschieben würden, vor allem, wenn Preußen - wie geplant - nach verlorenem Krieg erhebliche Einbußen hinnehmen müßte? Wollte Frankreich im Sinne des „tenir une juste balance" Wächter über das Gleichgewichtssystem Reich sein, bedurfte es eines Gegenpols zu Wien. Damit stellte sich die Frage, wer an die Stelle Preußens treten würde. Sah man auch nach dem Abschluß der Versailler Verträge von 1756 und 1757 die zuvor immer beschworene Gefahr einer absoluten Monarchie des Kaisers im Reich als gegeben oder war diese Vorstellung, die über ein Jahrhundert lang antiösterreichische Politik legitimiert hatte, im Verlauf der ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhundert geschwunden? Doch diese zentrale Frage diskutierte das französische Außenministerium mit seinem Vertreter am Reichstag nicht. Die Debatte um das lus eundi in partes in Stellungnahmen des französischen Außenministeriums 1759 Geschickt wußte sich Friedrich der Große (gemeinsam mit Hannover) der schon vor dem Kriegsausbruch konfessionell aufgeladenen Stimmung am Reichstag zu bedienen und versuchte, den von ihm entfesselten Krieg (er hatte das Haupt des Corpus evangelicorum überfallen!) als Kampf zur Verteidigung des Protestantismus darzustellen.64 Das vom Kaiser 61

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AAE CP Allemagne 615, fol. 27r v: „La conduite circonspecte que je suis obligé de tenir dans ces occasions me rend un être mitoyen qui ne peut se flatter de l'entière confiance d'aucun de deux partis. Je sais que les ministres catholiques sont tous dévoués à la cour impériale et pas un à la France, dans les protestants il n'y a que ceux de la Saxe et de Suède à qui je puisse faire quelques ouvertures sans craindre que le parti prussien et hanovrien n'en soit informé sur le champ". Ibid. fol. 27 v : Jugez, Monseigneur, d'après ce tableau qui est très vrai, combien il y a peu de ministres que je puisse considérer comme attaché à la France, et combien il nous seroit difficile de protéger la ville de Francfort ou tout autre État, à moins de faire agir les protestants". Zu dieser Angelegenheit vgl.: Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 372. AAE CP Allemagne 615, fol. 27 ν -28 Γ . Zum Wiederaufleben der konfessionellen Spannungen im Reich vgl.: Stievermann, Politik und Konfession; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 71-81; zur Ausbildung des Corpus evangelicorum als politischer Partei vor allem: Haug-Moritz, Corpus evangelicorum; zu den Auseinandersetzungen am Reichstag: Koch, Der deutsche Reichstag während des Siebenjährigen Krieges, S. 9-20; zur Stilisierung Friedrichs II. als Verteidiger des Protestantismus siehe auch: Schlenke, England und das friderizianische Preußen, S. 233-234. Zur Diskussion um die itio in partes im Umfeld des geplanten Augsburger Friedenskongresses siehe Schmidt, Geschichte

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angestrebte Achtverfahren gegen Friedrich den Großen, gegen das sich am Reichstag Widerstand auch im Lager der mit Wien verbündeten protestantischen Stände regte und das im November 1758 als gescheitert zu betrachten war65, heizte den seit längerem schwelenden Konflikt um das Corpus evangelicorum um so mehr an, als mit Brandenburg-Preußen eine der beiden Führungsmächte der Protestanten angeklagt war. Die von beiden Seiten intensiv betriebenen publizistischen Kampagnen spitzten sich im Zuge des Achtverfahrens gegen den Preußenkönig zu. Dabei trat der eigentliche Anlaß - der von Preußen ausgelöste Krieg gegenüber einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Stellung der Konfessionen innerhalb der Reichsverfassung in den Hintergrund. Im Sommer 1759 entbrannte am Reichstag eine hitzige Debatte um eines der Fundamente des protestantischen Selbstverständnisses als Corpus politicum, nämlich über die Frage, in welchen Fällen die Protestanten gemäß Artikel 5 § 52 IPO das Recht zur Separierung (ius eundi in partes) wahrnehmen durften. Namentlich eine Schrift des Abtes von St. Emmeram in Regensburg rief Empörung im protestantischen Lager hervor. Darin wurden die das Verhältnis der Konfessionen regelnden Bestimmungen der Reichsverfassung in Frage gestellt.66 Konzentrierte sich die Forschung zur Perzeption der Reichsverfassung in Frankreich bislang vor allem auf Fragen zur Staatlichkeit des Reiches, auf das Verhältnis von Kaiser und Reich67 sowie auf die wichtigsten Organe und Verfahren seiner Verfassung, soll nun anhand von zwei Denkschriften über die itio in partes exemplarisch gezeigt werden, wie gut man im französischen Außenministerium in der Lage war, auch Details des Reichsrechts zu erörtern. Die Denkschriften sind vor dem Hintergrund bedeutender Entwicklungen in der Reichsverfassung zu lesen. Zum einen betreffen sie die Ausbildung der konfessionellen Korpora am Reichstag, zum anderen die Interpretation eines der zentralen Artikel des Westfälischen Friedens, in dem bekanntlich der rechtliche Rahmen für die Koexistenz der drei im Verlauf des 16. Jahrhunderts herausgebildeten großen Konfessionen festgesetzt wurde. Die wesentlichen Bestimmungen dafür waren die Festlegung des Normaljahrs, die als „Verfassungsauftrag" formulierte Aufforderung zur Vereinigung der Konfessionen und das Recht, sich in Religionssachen getrennt zu beraten und das Mehrheitsprinzip auszusetzen, die itio in partes.6 Letzteres ist Gegenstand intensiver Erörterung in den genannten Denkschriften. Die eine, ein „Mémoire sur le droit appellé lus eundi in partes, ou droit des États de l'Empire de se séparer en deux partis", wurde am 21. Juni 1759 an Praslin in Wien und am 30. Juni an Mackau in Regensburg geschickt.69 Obzwar die zweite, „Essai d'interpretation du § 52 de l'article 5 du traitté d'Osnabrugh" betitelte Schrift den (wahrscheinlich von einem späteren Bearbeiter angebrachten) Vermerk „Juli 1759" trägt, kann sie gleichwohl als Vorstudie zu der an die Gesandten abgefertigten Denkschrift gedient haben. Autor des „Essais" ist der jurisconsulte des Affaires étrangères François Joubain, der seit Januar 1759 dem Büro des

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des Alten Reiches, S. 277. Das publizistische Echo der Angelegenheit wird angesprochen bei: Schorf, Die Publizistik des Siebenjährigen Krieges, S. 338-340. Siehe dazu unten Kapitel B. III. 1, S. 130-135. Vgl. unten Kapitel C. II. 3, S. 277. Vgl. die oben S. 28, Anm. 72, genannten Arbeiten. Siehe allgemein: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 44-56; sowie: Heckel, Itio in partes; Oers., Parität, S. 217-223; Schiaich, Maioritas. AAE CP Autriche 272, fol. 270r-278r, Vermerk fol. 270'. AAE MD Allemagne 71, fol. 303r-307r, neben der Datierung findet sich der Vermerk ,>1. Joubain".

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I. Altes Reich und Reichsverfassung

premier commis Bussy zugeteilt war. Choiseul hatte Joubain als Spezialisten für Fragen des Völkerrechts eingestellt.71 Steht in der für die Diplomaten ausgefertigten Schrift die historische Information und die Handlungsanweisung im Vordergrund, versucht Joubains „Essai", ausgehend von der Gegenüberstellung der jeweils konträren Interpretationen des Artikels durch Katholiken und Protestanten, eine Klärung der strittigen Frage, wann das Mehrheitsprinzip außer Kraft gesetzt wird: nur in den causae religionis, so die reduzierte katholische Interpretation, oder nach protestantischer Auslegung 1. in causae religionis, 2. in omnibusque aliis negotiis, „in den die Reichsstände nicht als unum corpus anzusehen waren", und 3. im Falle der „itio in partes im engeren Sinn", nach dem ,,förmliche[n] Auseinandertreten der katholischen und der evangelischen Reichsstände in zwei Parteien"? Joubain geht vom Wortlaut des § 52 aus und will durch Deutung des Terminus „aliis negotiis" das Problem lösen. Diese Formulierung weise eindeutig auf eine von den Religionssachen verschiedene Angelegenheit hin73, wie sich für Joubain aus dem Vergleich mit anderen Stellen des IPO, etwa Art. 5 § 9, ergibt. Er kommt schließlich zu dem Ergebnis, daß in drei Fällen vom Mehrheitsprinzip abgesehen werden müsse: erstens in den Religionsangelegenheiten, zweitens im Falle der Spaltung des Reichstags in zwei Parteien. Dies entspricht im wesentlichen auch der Deutung der Reichspublizistik der Zeit.74 Joubains dritter Fall weicht hingegen von den in der Literatur genannten ab. Die „aimable composition" solle dann greifen, wenn die Abstimmungsergebnisse eine nicht repräsentative Mehrheit ergäben, beispielsweise wenn die Mehrheit über weniger als zehn Stimmen verfüge75, eine abschließende Wertung des Falls aber unterbleibe. In der den Gesandten zugegangenen Denkschrift werden Teile der Diskussion von Joubain aufgenommen und erweitert, indem die historischen Wurzeln des umstrittenen Artikels des Osnabrücker Friedens erörtert werden. Dies erfolgt äußerst knapp, aber durchaus präzise und kenntnisreich. Der Ursprung des Konflikts liege in der Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts begründet, die dazu führte, daß die Anhänger der Reformation gegen die bis dahin üblichen Mehrheitsbeschlüsse in Religionsfragen „protestierten".76 Erst der Westfälische Friede und die Protektion der Protestanten durch Schweden und Frankreich habe schließlich 71 72

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Über François Joubain (f 1783) siehe: Samoyault, Les Bureaux, S. 152, 292. Heckel, Itio in partes, S. 669-670. Der vollständige Wortlaut des Art. V § 52 IPO lautet: „In causis religionis omnibusque aliis negotiis, ubi status tanquam unum corpus considerari nequeunt, ut etiam catholicis et Augustanae confessionis statibus in duas partes euntibus, sola amicabilis compositio lites dirimat non attenta votorum pluralitate. Quod vero ad pluralitatem votorum in materia collectarum attinet, cum res haec in praesenti congressu decidi non potuerit, ad próxima comitia remissa esto". Zit. nach: Acta Pads Westphalicae III Β, 1/1, S. 126. MD Allemagne 71, fol. 304r: „Ce terme aliis (et dans toutes les autres affaires) marque de l'opposition, de la diversité et jamais de l'identité. Par conséquent la lettre présente un autre cas, que celui des causes de religion". Hervorhebungen im Text. Vgl.: Heckel, Itio in partes, S. 665-670; Heckel, Parität, S. 219-221; Schiaich, Maioritas, S. 69-70, 104-112. AAE MD Allemagne 71, fol. 306r_v; „1° Dans les causes de religion; 2° Sans considérer si les votans sont Catholiques ou Protestane, l'aimable composition aura lieu dans toutes les autres matières lorsque les voix seront tellement partagés, que la pluralité ne sera pas assés grande pour représenter tout le corps de l'État, comme si la pluralité ne surpassoit le reste des votans en plus petit nombre, que de quelque voix. Par exemple, soit le nombre des votans 72. Dans cette hypothèse 37, 38, 39 ou même 40 d'un côté, ne représenteroient pas tout le corps de l'Empire. 3° Comme aussi lorsque les Catholiques et ceux de la confession d'Augsbourg sont divisés en 2 partis, c'est-à-dire sans avoir égard au nombre des voix, lorsque tous les Catholiques sont d'une côté, et tous les Protestane d'un autre". Schlaich, Maioritas, S. 87-99; AAE CP Autriche 272, fol. 270r~v.

Β. Die Perzeption des Alten Reiches

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eine Lösung der Streitfrage herbeigeführt. Interessanterweise wird das Jahr 1613 und nicht 1618 als Beginn der Konfliktepoche genannt. In der Tat stand der Reichstag von 1613 ganz im Zeichen der Mehrheitsfrage 7 - ein weiterer Beleg für die präzise und bis ins Detail reichende Kenntnis des Reiches und seiner Geschichte, über die das französische Außenministerium verfügte. Dieser historischen Einleitung schließt sich die Wiedergabe des eigentlichen Artikels des Osnabrücker Friedensvertrags an, gefolgt von der Darstellung seiner gegensätzlichen Interpretation durch Protestanten und Katholiken. Ausführlicher als bei Joubain werden die unterschiedlichen Interpretationen von Katholiken und Protestanten referiert, jedoch wie beim jurisconsulte weist man auf das Problem der Deutung von „toutes les autres affaires" (aliis negotiis) hin und zitiert zahlreiche Präzedenzfälle nach 1648, die die katholische Auslegung stützen. 8 Dies bedeutet aber keine Stellungnahme zu Gunsten der restriktiven katholischen Auslegung, die zugleich auch die kaiserliche ist.79 Bilanzierend heißt es, daß der Rechtsstreit zu einer Verschärfung des beiderseitigen Mißtrauens geführt habe und eine eindeutige Klärung der Frage nicht möglich sei.80 Damit richtet sich der Blick wieder auf die aktuelle Lage nach dem Conclusum des Reichtstages vom 29. November 1758, das für die gegenwärtige Diskussion mitverantwortlich war. Die Spaltung des Reichstags sei durch die Ablehnimg des Votums durch einige protestantische Reichsstände verhindert worden, aber grundsätzlich, und auch diese Einschätzung traf zu, würde kein Protestant auf das Recht zur itio in partes verzichten. Die Absichten des Kaiserhofe, durch publizistische Schritte das Recht zur Separation in Frage zur stellen, werden scharf kritisiert, denn ein Angriff auf den „Schild der Freiheit" der Protestanten würde unweigerlich nicht nur eine Beschädigung der vom Reichstag anerkannten Legitimität der antipreußischen Koalition, sondern auch ihr Zerbrechen bewirken, da sich Schweden als Garantiemacht und auch Sachsen als Vorsitzender des Corpus evangelicorum gegen den Kaiser stellen würden.81 Das Memorandum schließt mit der Anweisung, dahingehend auf die kaiserlichen Stellen einzuwirken, daß auf die Publikation der antipro77 78 79 80

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Vgl. Schiaich, Maioritas, S. 108. AAE CP Autriche 272, fol. 272ν-275Γ. Vgl. Conrad, Recht und Verfassung, S. 541-542. AAE CP Autriche 272, fol. TIS'"·. „Les Protestants depuis la paix de Westphalie se sont séparés en différents occasions pour des affaires purement politiques, et ont voulu passer ces exemples comme des preuves de leurs droits. Les Catholiques s'y sont fortement opposés, et n'ont regardés ces démarches comme des abus. Il n'a résulté de toutes ces oppositions respectives, que d'immenses écrits de part et d'autre, et une augmentation d'animosité dans les deux partis. On voit clairement dans cette contrarité, il n'est pas possible de déterminer quel est le sens légal du paragraphe de la paix de Westphalie sur le droit de séparation des États". Ibid. fol. 276v-277r: „Ce serait tromper leurs majestés impériales que de ne pas leur représenter que non seulement on en retirera aucun avantage de cette demarche, ni pour elles, ni pour l'Empire, ni pour la cause commune, mais au contraire il en peut résulter beaucoup de préjudice, par l'aigreur qu'elle causera parmi les Protestants, et que ce serait y coopérer de la part de la France, que de concourir à l'exécution de ce dessein. La preuve en est claire, et la cour impériale s'en convaincra facilement, pour peu qu'elle veuille faire réflexion aux circonstances actuelles. La cour de Suède, qui à la Paix de Westphalie a procuré le droit de séparation au corps qui se dit évangelique a envoyé une protestation à son ministre à la Diètte qu'il est tout prêt à faire paraître dans le cas où l'on attaquera ce droit relativement aux affaires politiques, et elle vient de déclarer à la France qu'elle ne peut se dispenser de protéger et défendre ce droit avec la plus grande vigueur. La cour électorale de la Saxe se prêtera jamais aux viies de la cour impériale sur cet objet dans la crainte de perdre la directoire du corps protestant. On peut assurer que toutes les autres princes protestants mêmes les mieux intentionnés se conduiront de même puis qu'ils regardent tous ce droit comme le rempart de leur liberté".

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I. Altes Reich und Reichsverfassung

testantischen Schriften verzichtet werde. Dies griff auch der Außenminister noch einmal auf. Choiseul ließ durch Praslin den Kaiser vor jeglicher Provokation durch Infragestellung verbriefter Rechte warnen, denn es sei jetzt nicht der Zeitpunkt, über eine Frage zu entscheiden, die seit 100 Jahren Gegenstand intensiver Diskussionen sei.82 Der französische Außenminister plädierte demnach für eine Vertagung des Problems, das erhebliche Sprengkraft für die Reichsverfassung und mehr noch für die multikonfessionelle antipreußische Koalition barg. Vom gleichen Tag wie die Anweisung Choiseuls datiert auch eine kleine Denkschrift des premier commis Bussy zum Thema. Darin lebt das alte Mißtrauen bzw. das alte Bild vom Kaiser als Unterdrücker der Protestanten wieder auf, wenn es heißt, der Kaiser wolle das Recht auf die itio in partes verbieten oder zumindest Frankreich bei seinen langjährigen Verbündeten diskreditieren.83 Choiseul schwächte die scharfe Formulierung seines premier commis ab, in der Sache folgte er jedoch den Anschauungen seiner Mitarbeiter. Folgt man den Berichten Praslins, so gaben Kaunitz und Colloredo dem Drängen der Franzosen nach und verzichteten auf eine Publikation der Denkschrift.84 Unklar aber bleibt, inwieweit die oben bereits erwähnte antiprotestantische Polemik des Abtes von St. Emmeram in Regensburg nicht auch mit stillschweigender Duldung durch Wien erfolgte. Dieses Beispiel belegt einmal mehr den hohen Kenntnisstand des französischen Außenministeriums in allen Fragen des Reichsrechts. Sowohl die bereits seit dem 16. Jahrhundert debattierten Fragen zur Staatlichkeit des Reiches, zur Qualität der Landesherrschaft und der Reichsstandschaft als auch die umstrittenen Fragen des Reichsrechts, deren Brisanz erst im Laufe der Zeit zu Tage traten, konnten adäquat behandelt und Anweisungen an die Diplomaten zugrunde gelegt werden. Dabei lehnte sich die Argumentationsweise der Mitarbeiter des Außenministeriums an die der Reichspublizisten an. Die kirchenrechtlichen Belange des Artikels 5 § 52 blieben ausgespart, und die Diskussion fand auf einer rein juristischen Ebene statt.85 Anschaulich läßt sich hier die ausgeprägte Arbeitsteilung des Außenministeriums verfolgen. Stellungnahmen des premier commis und des jurisconsulte des Affaires étrangères gehen der Abfassung der Depesche und einem der Information des Gesandten dienenden Memorandums voran. Dabei wurde eine intern schärfere Formulierung in der hinausgehenden Depesche abgeschwächt.

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AAE CP Autriche 272, fol. 268 r -269 v , Choiseul an Praslin, 24. Juni 1759, fol. 268': „Comme tous les Protestane, même les mieux intentionés, sont extrêmement attachés à la conservation de ce droit, et qu'il est de la plus grande conséquence de ne pas entreprendre dans les circonstances présentes, de faire décider une question qui n'a pû l'être depuis plus de 100 ans et qui probablement ferait naître la scission qu'on a eût tant de peine et qu'on a tant d'intérêt d'empêcher, je viens d'écrire à Monsieur de Starhemberg pour l'engager à faire parvenir à leurs Majestés Impériales nos représentations là-dessus". AAE MD Allemagne 71, fol. 283'-284 v , „Obsérvations particulières relativement à la France sur le projet de la cour de Vienne, de mettre des bornes aux droits des États protestants de se séparer en deux partis", fol. 283': „Ce droit aiant dans touts les tems été un empêchement pour la cour impériale d'étendre son autorité par la voye de la pluralité dans les dièttes, dont elle est toujours assurée par les princes ecclésiatiques qui lui sont entièrement dévoués, elle a toujours cherché à le détruire". Vgl. auch unten S. 137. Ibid., fol. 339-342', Praslin an Choiseul, 3. Juli 1759; fol. 352'-354v, Praslin an Choiseul, 7. Juli 1759. Heckel, Itio in partes, S. 647-649, bes. S. 647, Anm. 27.

I. Altes Reich und Reichsverfassung

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2. Kaiser und Reich Der Kaiser im Reich

Der Vorwurf, der Kaiser strebe die Umwandlung des Reiches in eine „absolute Monarchie" an, bildete in vielerlei Ausprägungen die grundlegende Legitimation antikaiserlicher Politik im Dreißigjährigen Krieg und noch darüber hinaus. Genährt wurden diese Befürchtungen von unbedachten Äußerungen des kaiserlichen Generalissimus Wallenstein und nicht zuletzt durch die auf dem Höhepunkt kaiserlicher Macht zwischen 1629 und 1635 erlassenen Edikte, die auf eine Revision der Ergebnisse des Augsburger Religionsfriedens abzielten. Diese Politik, die allerdings, wie mittlerweile in der Forschung unbestritten ist, niemals auf eine „Umgestaltung des territorial-staatlich gegliederten Reiches in eine absolute Monarchie" abzielte, wurde im Reich und bei dessen Nachbarn als Teil eines großangelegten Hegemonialstrebens angesehen und bekämpft.1 Hierarchisch-monarchische Regierung des Reiches durch den Kaiser und der Großmachtstatus der spanischen Krone verbanden sich zum Schreckgespenst der Monarchia universalis des Hauses Habsburg. „Die Argumentation mit der Universalmonarchie war für die Gegner des Hauses Habsburg ein Argument vom gerechten Krieg und ein Mittel, militärische Interventionen zu begründen, indem die habsburgische Machtstellung - obwohl außerhalb des eigenen Herrschaftsbereiches - gleichwohl als direkte Bedrohung der eigenen Herrschaft interpretiert und die eigenen Maßnahmen als Akte der Selbstverteidigung deklariert werden konnten".2 Mit der Trennung der beiden Linien des Hauses Habsburg und der Niederlage der Spanier im Ringen mit Frankreich verschwand der Vorwurf an die Adresse Madrids und Wiens, eine Universalmonarchie anzustreben - um nun gegen Frankreich gerichtet zu werden.3 Die Furcht vor einer Revision des Westfälischen Friedens zu Gunsten der kaiserlichen Macht wurde von französischer Seite jedoch weiterhin benutzt, um antikaiserliche Politik zu betreiben. Das Ende der spanischen Habsburger und die Teilung des spanischen Erbes führten zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu einer neuen Situation. Jetzt schien sogar ein Zusammengehen oder wenigstens ein freundschaftlicher Kontakt zwischen Wien und Versailles möglich, als die beiden Höfe 1715 erstmals seit Jahrzehnten wieder Botschafter austauschten. Eine der Voraussetzungen für diese Annäherung war eine Neubewertung der Rolle des Kaisers im Reich. Die Schwächung des Hauses Habsburg nach dem Aussterben der spanischen Linie lag auf der Hand - wie aber sah man in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Position des Kaisers gegenüber den Reichsständen? Glaubte man auch weiterhin, daß der Kaiser die Etablierung einer „absoluten Monarchie" im Reich anstrebe? Im Jahre 1729, während des Ministeriats von Kardinal Fleury und noch vor dem Polnischen Thronfolgekrieg, der Frankreich mit dem Erwerb Lothringens die Arrondierung seiner Ostgrenze ermöglichte, beschäftigte sich einer der premiers commis des Außenministeriums - Le Dran, Pecquet oder du Theil - mit der Frage, „ob zu befürchten sei, daß die Anschläge des Kaisers auf die Autorität der Reichsfürsten nicht die Gestalt der Regierung des Reiches in dem Maße ändern werden, daß es eine ' 2 3 4

Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 92-99; das Zitat bei Haan, Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Reichsabsolutismus, S. 261. Bosbach, Monarchia Universalis, S. 105-106. Vgl. ibid. S. 107-122. Braubach, Versailles und Wien, S. 45-104; Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 130-194.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches Monarchie werden und der Kaiser sich zum absoluten Herrscher Deutschlands erheben könnte, was in der Tat das Gleichgewicht in Europa umstürzen würde".5

Allein schon die Tatsache, daß diese Frage einem premier commis zur Bearbeitung vorgelegt wurde, läßt darauf schließen, daß das oben evozierte Bild vom Kaiser, der die monarchische Umgestaltung des Reiches anstrebt, noch immer präsent und handlungsleitend war.6 Die Beantwortung der Frage zeigt jedoch, wie genau der Autor in der Lage war, die Machtverhältnisse im Reich unter Kaiser Karl VI. einzuschätzen. Eine Umwandlung des Reiches in eine Monarchie und eine „pouvoir despotique" des Kaisers sei nicht zu befurchten.7 Gegen eine solche Entwicklung stehe die Uneinigkeit sowohl der katholischen als auch der protestantischen Reichstände. Es bestehe vielmehr die Gefahr einer ganz anderen Entwicklung. Sollten sich die Protestanten zu einer Partei vereinen, was bislang nur selten geschehen sei, wäre deren Macht beachtlich, nicht zuletzt durch die Unterstützung, die sie von England und den Niederlanden erhalten würden. Logische Konsequenz wäre der Zerfall des Reiches in einzelne souveräne Teilkönigtümer, das Verschwinden des Kaisertums bzw. seine Begrenzung auf das katholische Reich: „Die Zwietracht, die zwischen Katholiken und Protestanten herrscht und die nur wachsen kann, die Macht, das Interesse und die Gesinnung letzterer, die höchstens in nebensächlichen Angelegenheiten uneins sind und die mit ihrer Vereinigung eine um so furchtbarere Macht bilden werden, da sie von England und Holland unterstützt wird, dies sind Gründe, ein Ereignis in Betracht zu ziehen, das noch zu unseren Lebzeiten eintreten kann: Die Teilung Deutschlands in mehrere vollkommen unabhängige Königreiche, die kaiserliche Macht vernichtet oder nur noch über die katholischen Fürsten und Stände des Reiches herrschend".8

Die Schwäche des Kaisers zeige sich in den von Hannover und Berlin erhobenen Forderungen nach einem protestantischen Kaisertum und den damit verbundenen Drohungen, bei der nächsten Kaiserwahl den Vorschlag der katholischen Kurfürsten abzulehnen. Zwar könne man in Deutschland damit rechnen, daß sich diese Situation vorerst nicht ergeben werde, umgekehrt müsse man aber auch keineswegs einen Despotismus des Kaisers furchten. Denn

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AAE MD Allemagne 44, fol. 27r-28v: „s'il est à craindre que les entreprises de l'Empereur sur l'autorité des princes de l'Empire ne changent la forme du gouvernement de l'Empire, au point qu'il puisse devenir une monarchie, et que l'Empereur puisse se rendre le maître absolu de toute l'Allemagne, ce qui véritablement renverseroit l'équilibre de l'Europe". Das Dokument enthält keinen Hinweis auf den Verfasser, jedoch den Vermerk „premier commis des affaires étrangères". Zu diesem Zeitpunkt gab es drei: Jean-Gabriel de La Porte, Sieur du Theil (1683-1755), premier commis von 1715-1745, Nicolas-Louis Le Dran (1687-1774), premier commis von 1725-1730, 1740-1749, garde du dépôt (1730-1740, 1749-1762) und Antoine II Pecquet (1700-1762), premier commis 1725-1740, siehe: Samoyault, Les Bureaux, S. 293-294, 296, 301. Für die Regentschaft trifft dies auf jeden Fall noch zu, vgl.: Ulbert, Die Angst vor einer habsburgischen Hegemonie, S. 73-74. AAE MD Allemagne 44, fol. 27Γ: „II ne paroist nullement qu'il puisse y avoir lieu d'appréhender présentement que l'Empire devienne une monarchie, et que l'Empereur puisse acquérir un pouvoir despotique sur toute l'Allemagne". AAE MD Allemagne 44, fol. 26r-26v: „La division qui règne et qui ne peut qu'augmenter entre les Catholiques et les Protestane, la force, l'intérest et les dispositions de ces derniers qui ne sont désunis que dans des affaires passagères, et qui lors de leur réunion formeront une puissance d'autant plus redoutable, qu'elle sera soutenue par l'Angleterre et la Hollande, sont au contraire des raisons d'envisager comme un événement qui peut arriver de nos jours, le partage de l'Allemagne en plusieurs royaumes entièrement indépendans, et la puissance impériale s'anéantir, ou ne plus subsister que sur les princes et États catholiques de l'Empire".

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dieser sei nicht in der Lage, Verstöße gegen das Reichsrecht in den protestantischen Territorien ohne Unterstützung protestantischer Fürsten zu ahnden.9 Angespielt wird hier auf die Auseinandersetzungen zwischen Karl Leopold von Mecklenburg und seinen Landständen. Dem Kaiser gelang es nicht, diesen Konflikt, der in die letzte Phase des Nordischen Krieges fiel, zügig beizulegen. Nachdem der Reichshofrat bereits im Dezember 1714 den Herzog wegen der Unterdrückung der Mecklenburger Ritterschaft verurteilt hatte, zog sich seine Bestrafung bis in den Sommer 1719 hin. Daß die Exekution des Urteils so lange dauerte, lag in der Beteiligung der norddeutschen Fürsten an den internationalen Verwicklungen begründet: an der lange Zeit ablehnenden Haltung Friedrich Wilhelms I. von Preußen und der Unterstützung Karl Leopolds durch Zar Peter I. Erst nachdem jener begann, sich vom Herzog abzuwenden und Kaiser Karl VI. nach dem Frieden von Passarowitz (1719) den Preußenkönig durch die Verlegung von Truppen an die schlesische Grenze eingeschüchtert hatte, konnte mit englisch-hannoverischer Hilfe das Urteil gegen den Mecklenburger vollstreckt werden.10 Dies wertete der Autor wenn nicht als eine Niederlage, so doch ein Zeichen der Schwäche des Kaisers. Karl Otmar von Aretin betrachte die Lösung des Konfliktes dagegen als Erfolg des Kaisers, da es ihm gelang, die Rechtsbrüche des Herzogs letztendlich zu bestrafen und den mit ihm verbündeten Zaren aus dem Reich fernzuhalten. Aretins Beurteilung ist aus der Perspektive des Reiches zuzustimmen, da der Kaiser im Bunde mit anderen Reichsständen für die Wahrung der Rechte der mecklenburgischen Landstände gesorgt hatte." Diese Perspektive war dem französischen Betrachter der Angelegenheit jedoch fremd. Für ihn war es ein Zeichen der Schwäche, wenn der Kaiser nicht in der Lage war, Urteile des Reichshofrats selbst, zügig und ohne Inanspruchnahme Dritter zu vollstrecken. Auch die konfessionellen Streitigkeiten der 20er Jahre, die der premier commis zweifellos im Blick hatte12, bestätigen die eingangs getätigte Feststellung, daß Frankreich keine Gefahr durch ein unter kaiserlicher Autorität geeintes Deutschlands drohe. Somit formuliert der Autor der Denkschrift Überlegungen, die das traditionelle Bild der Kräfteverhältnisse im Reich erschüttern. Der Kaiser stelle keine Gefahr mehr für die Libertät der Fürsten dar - es scheint vielmehr, daß das Reich durch die aufstrebenden protestantischen Fürsten bedroht werde, die sich außerhalb des Reiches zu souveränen Herrschern selbst gekrönt haben bzw. gekrönt wurden. Die kaiserliche Machfülle schien begrenzt: „Man muß anerkennen, daß diese Autorität wenig furchterregend ist, und daß sie angsteinflößend höchstens noch für sich und für einige Fürsten von geringem Ansehen ist, die in der Nachbarschaft der Erbländer des Hauses Österreich leben".13

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Ibid., fol. 27v-28r: „les princes et États protestane dans le degré de force et de puissance où ils se trouvent, et qui ne pourra qu'augmenter encore par la suite, n'auroient pas sujet de redouter que l'authorité de l'Empereur devient despotique sur eux, et la cour de Vienne aura au contraire toujours lieu de ménager ces princes dans l'appréhention qu'ils ne se portent enfin à se soustraire de tout devoir et subordination à son égard. Elle ne peut rien sur eux que par eux-mesmes. Elle n'auroit jamais pu faire exécuter les mandements impériaux dans le Mekelbourg sans les troupes de la maison d'Hannover". 10 Ausführlich und mit weiterführender Literatur: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 2, S. 256-260; zum Kontext des Nordischen Krieges siehe: Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 237-258, bes. S. 251-252. '1 Aretin, Das Alte Reich, Bd. 2, S. 260. 12 Vgl.: Ibid. S. 272-295. " AAE MD Allemagne 44, fol. 28v: „II faut reconnoitre que cette authorité est bien peu formidable, et qu'elle n'est au plus redoutable en elle-mesme; que pour quelques princes de peu de considération qui se trouvent dans le voisinage, des États héréditaires de la maison d'Autriche".

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Damit schien der Kaiser nur noch ein - wenn auch nicht unbedeutender - Akteur im Staatensystem zu sein. Die Zeiten, in denen die Bekämpfung der Machtstellung des Kaisers im Reich die Maxime französischer Außenpolitik darstellte, waren, dies das unausgesprochene Fazit dieser Denkschrift, vorbei. Diese Schlußfolgerung wurde aber nun noch lange nicht Richtlinie französischer Reichspolitik. Auch die Auffassung, daß dem Reich Gefahr durch die protestantischen Kurfürsten drohe und die Auflösung in Teilstaaten die eigentliche Gefahr für Frankreich bedeute, setzte sich nur langsam durch. Etwa zur gleichen Zeit entstand eine Denkschrift, die sich mit der Frage auseinandersetzte, ob die Politik der Valois und der Bourbonenkönige des 16. und 17. Jahrhunderts noch immer Richtlinie der französischen Reichspolitik sein sollte. Der Autor wies „auf die vollkommene Änderung der Lage seit den Zeiten Ludwigs XIV., auf das Aufhören jeder Bedrohung Frankreichs durch Österreich, dagegen auf den gefährlichen Aufstieg der Seemächte und die Machterweiterung der Häuser Savoyen, Brandenburg und Hannover" hin und forderte eine Wiederaufnahme der in der sogenannten „letzten Instruktion" Ludwigs XIV. für den Botschafter in Wien skizzierten Politik einer Annäherung und Aussöhnung mit Wien.14 Eine Mehrheitsmeinung drückten die in diesen Denkschriften geäußerten Auffassungen jedoch nicht aus. Der Großteil der Diplomaten und besonders der Außenminister und seine premiers commis bekannten sich zur traditionellen antiösterreichischen Politik, obwohl auch in der „Öffentlichkeit", von bedeutenden Autoren wie Montesquieu und dem Abbé de St. Pierre, ein Aufgeben des „alten Systems" Richelieuscher Prägung gefordert wurde. Die Rahmenbedingungen, in denen diese Politik Sinn gehabt habe, existierten für Montesquieu nicht mehr. Nicht mehr der Kaiser bedrohe Frankreich, sondern die protestantischen Seemächte.15 Dieses Festhalten an der überkommenen Generalrichtung französischer Außenpolitik erklärt sich nicht zuletzt aus der politischen Prägung der Außenminister Ludwigs XV. bis zur Ernennung des Abbé Bernis. Morville, Chauvelin, Amelot de Chaillou, Puyzieulx, Saint-Contest und Rouillé sammelten prägende Erfahrungen vor allem in der Innenpolitik während der letzten Jahrzehnte der Regierungszeit Ludwigs XIV., als sich Frankreich einer beinahe übermächtigen Koalition gegenübersah. Über außenpolitische Erfahrungen, vergleichbar den Kenntnissen der Außenminister Ludwigs XIV. von Lionne bis Torcy, verfügten die wenigsten.16 Die einzige Ausnahme unter diesen eher blaß und nicht durch größere 14

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Braubach, Versailles und Wien, S. 168-169, Anm. 103. Der Titel der Denkschrift lautet: „Sur la question, si les ligues formées par les Rois Henri II, Henri IV, Louis XIII et Louis XIV, pour empêcher l'accroissement de la puissance des Empereurs et même pour les abaisser, sont des exemples qui doivent déterminer le Roi, à suivre la même politique à l'égard de l'Empereur présentement régnant". Ibid. S. 139-140, 168. „Pour moi, je crois que cette politique de s'unir avec les Princes protestants est une vieille politique qui n'est plus bonne dans ce temps-ci; que la France n'a et n'aura jamais de plus mortels ennemis que les Protestants; témoin des guerres passées; qu'elle est en état de faire des alliances avec les Princes catholiques comme avec les Princes protestants, toutes les fois qu'il s'agira d'abaisser la maison d'Autriche; qu'il ne faut pas en revenir aux vieilles maximes du cardinal de Richelieu, parce qu'elles ne sont plus admissibles; que les Protestants d'Allemagne seront toujours joints avec les Anglais et les Hollandais; que c'est un lieu de tous les temps que celui de la Religion; que la maison d'Autriche n'est plus, comme elle était, à la tête du monde catholique; que ce qui nous a pensé perdre en France, c'est l'invasion de l'Angleterre par un Prince protestant" ( Voyages de Montesquieu, zitiert nach: Braubach, Versailles und Wien, S. 139). Charles-Jean-Baptiste Fleuriau, Graf von Morville (1686-1732), Außenminster 1723-1727, begann erst nach dem Tode Ludwigs XIV. Erfahrungen als Diplomat zu sammeln, bis 1718 war er u. a. als conseiller au parlement de Paris und procureur général au grand conseil tätig, vgl.: Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 104; Michaud, Biographie universelle, Bd. 29, S. 385; Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 34; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 120-126. Germain Louis de

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Konzeptionen aufgefallenen Außenministern bildete der Marquis d'Argenson, der für Deutschland und Italien tiefreichende Umgestaltungen projizierte, ohne diese jedoch umsetzen zu können.17 Der österreichische Erbfolgekrieg sah zum letzten Male ein Wiederaufleben „alter" Ziele und Vorurteile. Ihre Langlebigkeit zeigt aber sich noch 1755 in der Beurteilung des Streits zwischen der Republik Genua und dem Kaiser um den Status und Besitz von San Remo, einem Reichslehen an der ligurischen Küste, durch Außenminister Rouillé: „Der kaiserliche Hof verliert keineswegs sein Ziel aus den Augen, sei es in Deutschland oder Italien, auf den Resten der Rechte und Prärogativen anderer Mächte seine absolute Herrschaft zu errichten".18

Friedrich der Große und das Reich Nach Abschluß des Versailler Vertrages und Beginn des Siebenjährigen Krieges finden sich vergleichbare Einschätzungen nicht mehr. Vielmehr zeigt sich nun, daß die bereits in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts wahrgenommene Verschiebung der Machtverhältnisse Chauvelin (1685-1761), Außenminister 1727-1737, entstammte einer Familie des Amtsadels und hatte vor seiner Berufung zum Außenminister Karriere am Pariser Parlement gemacht, vgl.: Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 66-67; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 829; DBF 8 (1959), Sp. 907-908; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, 136-142. Jean Jacques Amelot de Chaillou (1689-1749), Außenminister 1727-1737, gilt als Schüler Torcys, war Mitglied der Académie française und war vor allem als intendant des finances bekannt geworden. Vor seiner Berufung hatte er - mit Ausnahme einer Reise nach Rom 1712 - keine diplomatischen Erfahrungen gesammelt, vgl.: Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 7; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 707; DBF 2 (1936), Sp. 611-615; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 142-147. Louis Philogène Brulart, comte de Sillery, marquis de Puyzieulx (1702-1771), Außenminister 1747-1751, entstammte einer berühmten Familie von Dienern des Königtums. Nach einer Karriere im Militär sammelte er Erfahrungen als Diplomat, blieb allerdings dem alten System verhaftet, ohne nach dem Renversement in dogmatische Ablehnung zu verfallen, vgl.: Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 213-214; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1379; DBF 7 (1956), Sp. 491^92; Maurepas; Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 145-147; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 151-154. François Dominique de Barberie, marquis de Saint-Contest (1701-1754), Außenminister 1751-1754, war über zwanzig Jahre als Intendant in Südfrankreich, der Normandie und in Burgund tätig, ehe er als Diplomat nach Holland berufen wurde, vgl.: Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 17-18; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 707; DBF 5 (1951), Sp. 264-265; Maurepas·, Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 147-150; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 154-155. Antoine Louis Rouillé, Graf von Jouy und von Fontaine-Guérin (1689-1761), Außenminister 1754-1757, ein integrer und zuverlässiger, aber farbloser Administrator, hatte sich über die Karriere am Parlement von Paris zum Marine- und später Außenminister hochgearbeitet, vgl.: Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 221; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1345-1346; Michaud, Biographie universelle, Bd. 36, S. 599-600; Maurepas; Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 225-229; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 155-159. 17

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Über René-Louis de Voyer, Marquis d'Argenson siehe: Maurepas; Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 40-144; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 147-151. Vgl. auch: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 2, S. 461-465; Zevort, Le marquis d'Argenson, S. 286, 387-393. Argenson amtierte von 1744 bis 1747 und war erbitterter Gegner eines Ausgleichs mit Wien. AAE CP Autriche 254, fol. 13r-15v, Rouillé an Aubeterre, 11. Januar 1755, fol. 15r_v: „La cour impériale ne perd point de vue le projet d'établir son autorité absolue sur le débris des droits et des prérogathes des autres puissance^ soit en Allemagne, soit en Italie". Zum Streit um San Remo.Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 69-71.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

im Reich nicht nur in Frankreich inzwischen als sehr gefährlich beurteilt wurde. Unter anderen Vorzeichen - im Kontext propreußischer Publizistik im Österreichischen Erbfolgekrieg wurden in England ähnliche Betrachtungen angestellt. Preußen, hieß es in einer Flugschrift Lord Chesterfields im August 1744, sei im Begriff, Österreich als Vormacht im Reich abzulösen, und Friedrich der Große sei als der geeignetste Kandidat für den Kaiserthron anzusehen.19 Aus französischer Sicht mußte daher die Westminsterkonvention als der Versuch zur Umsetzung dieses Programms erscheinen. Wie ein roter Faden zog sich diese Erkenntnis durch die Korrespondenz des Abbé Bernis im Januar 1758. Noch vor Hannover sei es Brandenburg-Preußen, das durch seine Aggressionspolitik den Status quo im Reich in Frage stelle. Für Bernis konnte nur das Bündnis mit dem Kaiser, dem Reich und Schweden den Unternehmungen Friedrichs II. Einhalt gebieten und das „deutsche Staatensystem" vor dem Zusammenbrach bewahren: „Dem König von Preußen ist nichts heilig. Er macht die Staaten seiner Nachbarn zu den seinen und die Untertanen der anderen Fürsten sind für ihn sichere Rekruten. In dem Augenblick, in dem er Frankreich und den Wiener Hof anklagt, die Protestanten unterdrücken zu wollen, und es ihm gelingt, Holland und Deutschland davon zu überzeugen, zeigt er gleichzeitig keine Skrupel, die mächtigsten Fürsten dieser Religion auszulöschen, sich ihrer Einkünfte, ihrer Untertanen und der Produkte ihrer Länder zu bemächtigen [...]. Man kann ihn nur bezwingen, indem man sich gleicher Talente bedient [...]. Je gefährlicher der König von Preußen ist, um so mehr halte ich es für notwendig, die Verbindung Frankreichs mit dem Wiener Hof, mit Schweden, sogar mit Rußland zu bewahren und sie mit der Assoziation der Reichskreise zur Verteidigung des deutschen Systems zu festigen". 20

Gegenüber dem Kardinal Tencin betonte Bernis, daß man alles tun müsse, um zu vermeiden, daß Friedrich II. eine europäische Hegemonie errichte, und zu einem „dictateur" in Deutschland werde.21 Auch Choiseul, zu diesem Zeitpunkt noch Botschafter in Wien, stimmte dem zu. Mit Hilfe der Engländer plane Friedrich II. den Umsturz der Reichsverfassung und wolle „maître absolu de l'Empire" werden.22 Deutlicher kann der „Paradigmen" Schlenke, England und das friderizianische Preußen, S. 148-153, 205. AAE CP Autriche 261, fol. 118'-124v, Bernis an Choiseul, Versailles 19. Januar 1758, fol. 118r-v; 120v: „Rien n'est sacré pour le Roi de Prusse; il se fait des États de ceux de ses voisins, et les sujets des autres princes sont des recrues assurées pour lui. Dans le tems même qu'il accuse la France et la cour de Vienne de vouloir opprimer le parti protestant, et qu'il réussit à la persuader à la Hollande et à l'Allemagne, il ne se fait aucun scrupule d'écraser les plus puissans princes de cette religion, ni de s'emparer de leurs revenus, de leur sujets et des productions de leurs États [...] C'est n'est que par des talens égaux qu'on peut espérer d'en venir à bout [...] Plus le Roi de Prusse est dangereux, plus je conçois qu'il est nécessaire de conserver l'union de la France de la cour de Vienne, de la Suede et même de la Russie, et de la fortifier de l'association des cercles de l'Empire pour la défense du système germanique". Auszug in: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 117-120. 21 AAE CP Autriche 261, fol. 255'-257v, Bernis an den Kardinal Tencin, 29. Januar 1758, fol. 257r: „Plus il [Friedrich II., S.E.] se rend redoutable, moins il peut espérer que les grandes puissances veuillent se donner un supérieur à elles mêmes et un dictateur à l'Allemagne". Pierre Guérin de Tencin (1680-1758), Kardinal und Erzbischof von Lyon, hatte während der vierziger Jahre, nach seiner Ernennung zum ministre d'État über erheblichen Einfluß auf die Außenpolitik verfügt, vgl.: Sareil, Les Tencin; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1396. 22 AAE CP Autriche 261, fol. 187'-203r, Choiseul an Bernis, 28. Januar 1758, fol. 196v: „Je suis bien convaincu que les négociations de M. de Mailly et toutes les propositions détournées que fait faire le Roy de Prusse sont 20

I. Altes Reich und Reichsverfassung

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Wechsel" kaum belegt werden, der in der Betrachtung der Machtverhältnisse innerhalb des Reiches eingetreten war: Nicht mehr der Kaiser gefährde die deutschen Freiheiten, sondern einer der Reichsstände. Die in Bernis Äußerungen sichtbare Furcht vor einem Umsturz der politischen Strukturen des Reichs erhielten weitere Nahrung, als Choiseul wenige Monate später in seinen Depeschen das Bild einer resignierenden Maria Theresia zeichnete. Die Kaiserin sehe keine Zukunft mehr für die Verbindung des Hauses Habsburg mit dem Kaisertum des Heiligen Römischen Reiches, heißt es dort. Im Gegensatz zur verbreiteten Auffassung, daß das Reich den Interessen österreichischer Großmachtpolitik untergeordnet sei, vertrete Maria Theresia die Auffassung, die Kaiserwürde schade seit Jahrhunderten dem Hause Habsburg. Man müsse sich nur an die Kosten erinnern, die durch den Erwerb der Kaiserwürde für ihren Mann angefallen seien.23 Den Einwand Choiseuls über das Prestige und die Reputation, die der Kaisertitel einbringe, ließ sie nicht gelten - sie sei der Meinung, daß ihr Mann der letzte Träger der Kaiserkrone sein werde.24 Schon zwei Jahre später schätzte man die Gefahr einer Auflösung des Reiches zu Gunsten einer preußischen Hegemonie deutlich geringer ein und betrachtet die möglichen Konsequenzen des Krieges differenzierter. Choiseuls Nachfolger auf dem Posten des Botschafters in Wien, sein Cousin Praslin, skizzierte ein Bild des Reiches, in dem auch traditionelle Aspekte der Perzeption der kaiserlichen Stellung zu finden sind. Praslin berichtete von einem Vorschlag Kaunitz', den französischen Kampf gegen Hannover massiv militärisch zu unterstützen, sobald es im Laufe der gegenwärtigen Kampagne gelingen werde, Friedrich II. entscheidend zu schlagen. Dies Angebot weckte Praslins Interesse, denn schließlich würde Frankreich damit erstmalig vom Bündnis mit Wien profitieren. Doch er hatte Bedenken, darauf einzugehen.25 Man dürfe sich bei dieser Frage nicht von den kurzfristigen Vorteilen blenden lassen, die mit Kaunitz' Vorschlag verbunden seien, sondern müsse sich klarmachen, welche Unannehmlichkeiten in Friedenszeiten durch einen übermäßigen Machtzuwachs Österreichs für Frankreich entstehen würden. Praslin entwarf das gleiche Szenario eines entmachteten Reiches wie zuvor Bernis - nur mit dem Unterschied, daß diese Gefahr von Österreich drohe: „Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, daß der Wiener Hof weniger auf den Erwerb Schlesiens drängt als vielmehr auf die Erniedrigung eines Feindes, der ein Gegengewicht zu seinem Einfluß im Reich bildet. Ist der König von Preußen erst einmal entwaffnet, und sind die beiden Häupter der Protestanten gedemütigt, fallt Deutschland vollkommen unter seine Abhängigkeit. Und hat sich durch die Eroberung einer schönen Pro-

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autant de tromperies qui ont pour but de nous amuser, tandis que ce Prince se met en état de suivre le grand projet qu'il a formé avec l'Angleterre de se rendre maître absolu de l'Empire et qu'il se flatte, par les ressources et l'intérêt de la nation anglaise, de se rendre une des puissances les plus formidables du continent". Sareil, Les Tencin, S. 410-414; Mailly, ein von den Preußen gefangengenommener Offizier, war auf Ehrenwort zur Überbringung eines Gesprächsangebots entlassen worden, siehe: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 738. AAECP Autriche 265, fol. 87-97', Choiseul an Bernis, 15. Juli 1758, fol. 95v-96r: „L'Impératrice m'a dit qu'elle ne pourroit et ne vouloit pas absolument avoir rien à demêler avec l'Empire, que toute l'Allemagne croiroit qu'elle sacrifîoit les intérêts de l'Empire à ceux de sa maison, que bien loin de cela, elle étoit persuadée que la chimère de la couronne impériale nuisoit depuis des siècles à la maison d'Autriche, qu'elle sçavoit bien ce qu'il en avoit coûté et ce qu'il coûtoit encore pour que son mary eût le titre d'Empereur; qu'un de ses plus grands chagrins étoit de voir le peu de considération que l'Empereur avoit dans l'Empire". Ibid. fol. 96r"v. AAE CP Autriche 277, fol. 17'-22v, Praslin an Choiseul, 8. August 1760, fol. 17-20'.

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Β. Die Perzeptìon des Alten Reiches vinz und die Schwäche aller Reichsfürsten seine Macht verdoppelt, wird Wien soviel Einfluß auf die europäischen Belange haben, wie es seit Karl V. nicht mehr der Fall war".26

Frankreichs Lage sei in diesem Falle sehr schwierig. Einerseits verbiete das Bündnis mit Wien eine Eindämmung der österreichischen Macht, andererseits könne allein Frankreich die Erhaltung des „système germanique" gewährleisten. Dies würde nur zu ständigen Spannungen mit dem Kaiserhof führen und letztlich nur diesem nutzen.27 Praslin sah Österreich derzeit auf dem Höhepunkt seiner Macht - selbst der Krieg habe zu keiner Schwächung der Staatsfinanzen geführt, eher das Gegenteil könne man beobachten, und das österreichische Heer zeichne eine außergewöhnliche Schlagkraft aus.28 Für Praslin stand zweifelsfrei fest, daß Österreich zu den europäischen Großmächten zu zählen sei und das Machtgleichgewicht zwischen Frankreich und Großbritannien entscheidend verändern könne: „Das Haus Österreich wird keine Macht unter anderen mehr sein, wie sie es seit hundert Jahren ist, sie wird allein durch ihre Präsenz, durch ihre Ressourcen und durch die absolute Herrschaft im Reich respektiert werden. Kommt es zu einem weiteren Krieg zwischen Frankreich und England, wird sie sich fur die Partei entscheiden, die ihr den größten Vorteil verschafft, denn wir erfahren bereits, daß ihre Partnerschaft nicht umsonst ist. Und wahrscheinlich wird sie die Waagschale zu Gunsten dessen neigen, für den sie sich erklärt".29

Dennoch warnte Praslin vor einem Rückfall in die Bahnen der Politik Kardinal Richelieus. Man dürfe den eigentlichen Feind Frankreichs, England, nicht aus den Augen verlieren. Seine Äußerungen verdeutlichen, daß er das Reich als ein fragiles System betrachtet, in dem alle Akteure aufeinander bezogen sind und wo - dies ist besonders wichtig bezüglich der Kriegsziele Frankreichs - ein Akteur, der aus dem System herausfällt, immer durch einen anderen ersetzt werden muß. Über dem durch Kaunitz begründeten „neuen" System dürfe man nicht die Rolle Preußens für das Gleichgewicht der Kräfte vergessen und den Nutzen, den Frankreich dadurch hatte: 26

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Ibid. fol. 20r_v: „II ne faut pas se dissimuler que la cour de Vienne ambitionne moins l'acquisition de la Silésie que l'abbaissement d'un ennemi qui contrebalance son crédit dans l'Empire. Le Roy de Prusse une fois détruit et le party protestant humilié dans les deux chefs, l'autorité impériale deviendra entièrement prépondérante dans le Corps Germanique, l'Allemagne sera en quelque sorte dans sa dépendance, et sa puissance doublement accrûe par la conquête d'une belle province et par la foiblesse de tous les Princes de l'Empire, aura plus d'influence dans les affaires de l'Europe qu'elle n'a eu depuis Charles Quint". Ibid. fol. 20": „Nous serons les seuls en état de nous opposer à ses entreprises, et nous serons dans l'obligation de la contredire sans cesse pour le maintien du système germanique. Ce sera une source toujours renaissante de divisions entre les deux cours, et nous ne pouvons peut estre entretenir une alliance devenüe nécessaire qu'aux prix des complaisances que nous aurons pour la maison d'Autriche, qui cimentera d'autant plus sa puissance". Ibid. fol. 20v-21r: „II est de même à remarquer qu'elle s'accroît pendant la guerre tandis que tous les autres s'épuisent. L'Impératrice fait des dettes, mais ses sujets s'enrichissent et il est notoire ici, qu'il y a plus d'argent dans ses États qu'avant les troubles de l'Allemagne. Son militaire a infiniment gagné, et est incomparablement meilleur qu'il n'a jamais été, et si elle profite de la durée de la prochaine paix pour mettre une meilleure administration dans ses États, et surtout dans le Royaume de Hongrie qui est un pays très étendu, d'un terrain fertile d'une très grande ressource, et à qu'il ne manque qu'un bon gouvernement". Ibid. fol 21': „La maison d'Autriche ne sera plus une puissance subsidiaire comme elle l'a été depuis cent ans, elle sera respectable par elle-même, par ses forces réelles, et par son autorité absoliie dans l'Empire. Quand il s'élevera une nouvelle guerre entre la France et l'Angleterre elle pourra se déterminer pour le party qui luy fera les plus grands avantages, car nous éprouvons que son alliance n'est pas gratuite, et probablement elle feroit pancher la balance du côté en faveur duquel elle se déclareroit".

I. Altes Reich und Reichsverfassung

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„Ich gebe nicht vor, aus diesen Überlegungen den Schluß zu ziehen, man sollte heute die alten Prinzipien Kardinal Richelieus wieder aufleben lassen, noch das Haus Österreich als Rivalen und Feind Frankreichs betrachten. Unsere eigentlichen Feinde sind die Engländer. Im übrigen bin ich überzeugt, daß die Kaiserin und ihre Regierung guten Willens an unserer Allianz festhalten [...] Aber in der Politik, so scheint mir, sollte man die Mächte höher einschätzen als die Persönlichkeiten, die einen wechseln, die anderen bleiben unbeweglich. Der Charakter des Königs von Preußen ist schändlich, seine Person hassenswert, aber seine das Gleichgewicht in Deutschland stabilisierende Macht war uns von Nut_ ,c 30 zen . Es stellte sich daher die Frage, ob Preußens Platz im deutschen Gleichgewichtssystem nicht durch Rußland eingenommen werden könnte. Praslin beurteilte diese Möglichkeit eher kritisch. Man sei zwar neuerdings mit St. Petersburg verbündet, doch diese Allianz sei im großen und ganzen eher sehr fragil, nicht zuletzt, weil Rußland noch immer in engem Kontakt zu London stehe und immer mit Österreich verbunden gewesen sei. Geradezu prophetisch mutet die Befürchtung Praslins an, daß die russische Außenpolitik jederzeit durch eine ,/évolution" eine andere Richtung nehmen könne: „Man könnte sich vielleicht vorstellen, Rußland an die Stelle des Königs von Preußen zu stellen, der ja selbst an die Stelle Schwedens getreten ist, um das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten. Aber dieses Projekt scheint mir nur schwer zu realisieren und ist vielleicht illusorisch. Unser Bündnis ist zu jung, und es bedarf der Zeit oder sehr direkter Interessen, um eine Allianz zu stabilisieren und gegenseitiges Vertrauen zu schaffen. Diese Macht kann jedoch durch einen Umsturz in die Barbarei zurückfallen. Sie ist recht weit von uns entfernt, sie ist durch ihre Handelsinteressen noch an England angelehnt, sie ist seit langem der Partner Österreichs. Die Nationen wie die Menschen halten an alten Gewohnheiten fest, und man zerstört nur mit Mühe alte Verbindungen".31 Auch hinsichtlich der Entwicklung der französisch-türkischen Beziehungen zeigt sich Praslin skeptisch, ob die Einbindung Rußlands in das deutsche Gleichgewichtssystem für Frankreich tatsächlich von Nutzen sein könne.32 Schon einige Monate früher hatte Choiseul gegenüber dem französischen Botschafter in Madrid ähnliche Überlegungen geäußert. So betonte er die Bedeutung Preußens als Gegengewicht zu Österreich und den Nutzen, den die italienische Staatenwelt aus dieser Konstellation zog. Er warnte vor einer vollkommenen Ausschaltung Preußens als Faktor im Staaten30

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Ibid. fol. 21r~v: „Je ne prétends pas conclure de ces réflexions qu'on doive faire revivre aujourd'huy les anciens principes du Cardinal de Richelieu, n'y regarder la maison d'Autriche comme rivale et l'ennemie de celle de France. Nos véritables ennemis sont les Anglais. Je suis d'ailleurs persuadé que l'Impératrice et son ministère sont de bonne foy dans nôtre alliance [...] mais en politique il me semble que l'on doit considérer les puissances plus que les personnes, les unes changent, les autres sont immuables. Le caractère du Roy de Prusse est odieux, sa personne haissable, ses procédés révoltans, mais sa puissance tenant l'équilibre en Allemagne, nous étoit profitable". Ibid. fol. 21 v -22 r : „On pourroit peut estre imaginer de substituer la Russie au Roy de Prusse, qui luy même avoit succédé à la Suede pour cette balance de pouvoir en Allemagne. Mais ce projet me paroit d'une exécution difficile, et est peut estre chimérique. Notre alliance est trop nouvelle, il faut bien du temps ou des intérêts bien directs pour cimenter une union solide et établir la confiance. Cette puissance peut retomber dans la barbarie par une révolution. Elle est bien éloigné de nous, elle est encore attaché à l'Angleterre par des intérêts de commerce, et elle est depuis longtemps l'allié de la maison d'Autriche. Les nations comme les particuliers tiennent aux vielles habitudes, et c'est avec peine qu'on détruit d'anciennes liaisons". Ibid. fol. 22'.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

system.33 Davon ausgehend zu urteilen, daß Frankreich „am Fortbestand der Großmacht Preußen ein elementares Interesse" gehabt habe und „die aktive Teilnahme an einem Vernichtungskrieg gegen den Staat Friedrichs des Großen [...] nicht nur wegen der damit verbundenen Ablenkung vom Seekrieg gegen England eine politische Dummheit sondergleichen" war, geht jedoch zu weit.3 Denn in seiner Antwort auf Praslins Depesche ließ Choiseul anklingen, daß Frankreich auch das Ausscheiden Preußens aus dem Kreis der Großmächte einkalkulierte. Choiseul bestritt seinem Cousin nicht die Scharfsinnigkeit seiner Überlegungen, kritisierte aber, daß er sich möglicherweise zu sehr von überholten, der Vergangenheit verhafteten Grundsätzen leiten ließ: „Man kann all diese Wahrheiten nicht bestreiten, Monsieur, aber welche Überlegungen man auch anstellt, man muß immer an dem Punkt beginnen, an dem man ist, und sich der Vergangenheit nur erinnern, um es besser zu machen".35

Diese Äußerung verdeutlicht, wie sehr für Choiseul die Maxime „historia magistra vitae" als handlungsleitende Maxime an Bedeutung verloren hatte. Er vertrat eine besonders von den französischen Enzyklopädisten geprägte Auffassung der Geschichte: Ihr Ziel „war, die Vergangenheit so schnell wie möglich aufzuarbeiten, daß eine neue Zukunft freigesetzt werde". 6 Das Beispiel der Vergangenheit diente in seinen Augen nur als Orientierung, nicht als unantastbare Grundlage französischer Reichspolitik. Folglich entwarf Choiseul ein seines Erachtens mögliches Gleichgewicht im Reich, ohne preußische Vormacht, aber auch ohne österreichische Hegemonie. Einem möglichen „anéantissement" Preußens könne man gelassen entgegen sehen. Denn Friedrich II. habe sich durch seine Aktionen außerhalb der Rechtsordnung gestellt und sich mit Frankreichs Hauptfeind verbündet, als man ihm eine Verlängerung der Allianz mit dem König angeboten hatte37 An die Stelle Preußens würde ein anderer Reichsstand treten, der den Machtzuwachs Österreichs begrenzen und gemeinsam mit Sardinien und Neapel die österreichische Macht in Italien in Schach halten könne. In

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Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 161. Ibid. S. 162. AAE CP Autriche 277, fol. 170r-172v, Choiseul an Praslin 24. August 1760, fol. 170v: „On ne peut disconvenir de toutes ces vérités, Monsieur, mais quelques réflexions que l'on puisse faire, il faut toujours partir du point où l'on est, et ne se souvenir du passé que pour faire mieux". Vgl. Koselleck, Historia magistra vitae, S. 60. Choiseul stand in engem Kontakt zu den französischen Philosophes, korrespondierte mit Voltaire und Diderot, vgl. Chaussinand-Nogaret, Choiseul, S. 124: Choiseul „ne méstime pas le prestige que lui valent ses amités littéraires, et sa vocation de mécénat [...] justifie sufïisament l'adoration que lui vouent Voltaire et Diderot; mais surtout il existe entre eux et lui une communauté de pensée, le même mépris des superstitions et des préjugés [...], la même façon de concevoir la politique autrement, loin de la raideur de ses prédécesseurs, avec une vision optimiste et une foi entière dans l'évolution positive". AAE CP Autriche 277, fol. 170v-171r: „Pour ce qui est des dangers à venir dont l'alliance du Roi peut être menacé par l'anéantissement du Roi de Prusse et l'augmentation de puissance de la maison d'Autriche en territoire et en crédit dans l'Empire, le mal me paraît pas sans remède. Si le Roy de Prusse est écrasé, il ne paroît pas y avoir une grande perte pour la France. Ce Prince qu'aucun des liens respectés par les hommes ne retient, ne nous a fait éprouver que des infidélités, c'est l'alliance même qu'il a faite avec la cour de Londres, dans le tems que le Roy luy proposoit de renouveller la sienne avec lui, qui a été la cause de l'alliance du Roy avec la maison d'Autriche. Quel fonds est il possible de faire sur un caractère tel que celui du Roi de Prusse? Ainsi, à le bien prendre, son anéantissement ne porte aucun préjudice à la France nommément".

I. Altes Reich und Reichsverfassung

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diese „Front" könne durchaus auch Rußland integriert werden, indem man dem Zarenreich ein deutsches Territorium verschaffe: „Im übrigen, sollte er [Friedrich IL] ausgeschaltet werden, wird die Kaiserin nicht alleine von seinen Überresten profitieren, ein Teil der Macht dieses Fürsten wird an andere deutsche Fürsten übergeben. Der sächsische Hof, der davon einen Teil auf sich vereinigen sollte, wird nicht auf ewig vom Grafen Brühl regiert werden, und keine andere Macht wäre mehr in der Lage als die sächsische, mittels einer guten Regierung dem österreichischen Ehrgeiz entgegenzutreten, falls sie ihn mißbrauchen wollte. Auch Rußland, das, sobald es Besitz in Deutschland hat, ein persönliches Interesse an der Einschränkung der Macht des Wiener Hofes haben wird, steht nicht zurück, seinen ehrgeizigen Projekten zu begegnen. Rußland wird sich mit der Pforte gegen die Kaiserin-Königin verbünden. Und in Italien werden die Höfe von Neapel und Turin immer bereit sein, gegen ein Übermaß an österreichischer Größe zu opponieren".38

Diese Äußerung Choiseuls zeigt geradezu paradigmatisch, wie sehr für ihn das Reich in ein gesamteuropäisches Geflecht von Staatenbeziehungen eingebunden war. Nicht allein Preußen hielt die Balance gegen Österreich, sondern auch Sardinien und Neapel. Zu optimistisch schätzte Choiseul jedoch die französische Reputation im Reich ein. Nach seiner Auffassimg haben die Erfolge Frankreichs dem Kaiser geholfen. Andererseits habe man Wien durch das französische Verhalten in den innerreichischen Konflikten zu verstehen gegeben, daß man weiterhin an seiner Garantenfunktion festhalte - die bekanntlich dem Versailler Vertrag zu Grunde liege. Auch die Protestanten würden sich weiter an Frankreich um Unterstützung gegen den Kaiser wenden.39 Choiseul betonte erneut, daß die Allianz mit Wien die Befreiung von einer ehemals ständig an der Ostgrenze drohenden Gefahr bedeute. Für deren Fortbestand nahm er offensichtlich auch eine deutliche Schwächung Preußens in Kauf: „Wenn letztlich, da der König als einzig wahren Feind nur England hat, der Wiener Hof aufrichtig am Bündnis mit ihrer Majestät festhält, wird Frankreich in seiner Verteidigung gegen die Engländer nicht mehr von Kriegen auf dem Kontinent abgelenkt werden".40

Hier zeichnet sich der seit 1763 sichtbare werdende Rückzug Frankreichs aus dem Reich ab. Dieser beruhte aber weniger auf dem „Desinteresse" Frankreichs am Reich41 als vielmehr auf 38

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Ibid. fol. 17Γ-171": „D'ailleurs, s'il [Friedrich II.] est anéanti, l'Impératrice Reine ne profitera pas seule de ses dépoüilles; partie de la puissance de ce Prince passera chez d'autres Princes d'Allemagne. La cour de Saxe qui en doit recueillir une partie ne sera pas toujours gouvernée par le comte de Brühl, et aucune puissance ne seroit plus en état qu'elle, au moyen d'un bon gouvernement, de mettre un frein à l'ambition autrichienne dans le cas où elle voudroit en abuser. La Russie même, qui, dès qu'elle aura des possessions en Allemagne aura un intérêt personnel de diminuer la puissance de la cour de Vienne, ne manquera pas de s'opposer aux projets ambitieux qu'elle pourra former. Elle se liguera alors avec la porte contre l'Impératrice Reine. Du côté de l'Italie, les cours de Naples et de Turin seront toujours prêts à s'opposer à l'excès de la grandeur autrichienne". Ibid. fol. 172r: „D'un autre côté, la France lui a fait assés connoitre par son opposition dans les affaires du ban de l'Empire, de la tutelle de Weimar, et des postes impériales, qu'elle n'abonnoit point la garantie des constitutions de l'Empire consacrées dans la paix de Westphalie nommément rapellé dans le Traité de Versailles. Comme le Roy est très résolu de persister dans cette conduite, il y a tout lieu d'espérer qu'il conservera sa considération en Allemagne, et surtout parmi les Protestane qui auront plus besoin que jamais du pouvoir de la France dans l'Empire". AAE CP Autriche 277, fol. 172'-172 v : „Enfin comme le Roi n'a de véritable ennemi que l'Angleterre, si la cour de Vienne persiste avec bonne foi dans l'alliance qu'elle a avec sa Majesté, la France ne sera plus détourné par les guerres du continent, de sa défense vis à vis des Anglois".

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

der Überzeugung, durch die österreichische Allianz den Status quo und das Machtgleichgewicht im Reich halten und somit Ressourcen sparen zu können, die bislang in Form von Subsidien an die Reichsstände geflossen waren. Das Überleben Preußens gab der französischen Deutschlandpolitik dann noch weitere Optionen an die Hand, konnten mit Preußen doch übersteigerte Wiener Ambitionen im Reich wirksam verhindert werden.

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Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 294.

II. Der Westfälische Frieden und die französische Reichspolitik

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II. Die Bedeutung des Westfälischen Friedens für die Reichspolitik Frankreichs im Siebenjährigen Krieg 1. Der Westfälische Frieden als Instrument der Reichspolitik Frankreichs 1648-1748 Innerhalb der Geschichte der Beziehungen zwischen dem Königreich Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation in der Frühen Neuzeit markiert der Westfälische Frieden insofern eine bedeutende Zäsur, als Frankreich seitdem als Garant in die Verfassung des Reiches integriert war. Die die gesamte Frühe Neuzeit prägende Konfrontation zwischen Habsburg und französischer Monarchie hatte ihren Ursprung im Streit um das burgundische Erbe und entzündete sich in der Folgezeit immer wieder an verschiedenen Interessenskonflikten. War seit Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts Italien Schauplatz der Kämpfe, so rückte unter Franz I. zunehmend auch das Reich in den Blickpunkt französischer Politik. Seit den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts rissen weder die Kontakte Frankreichs nach Deutschland noch die Beschäftigung mit dem Reich dauerhaft ab. Mit dem Anspruch, Protektor der deutschen Libertät zu sein, legitimierten - verkürzt gesagt - die französischen Könige von Franz I. bis zu Ludwig XIII. ihre antikaiserlichen Interventionen im Reich, und auch nach 1648 blieb dies eine der Grundlagen französischer Reichspolitik, obwohl sie, seitdem im Westfälischen Frieden die Beziehungen zwischen Kaiser und Reichsständen auf der Basis eines Reichsgrundgesetzes geregelt worden waren, langsam an Überzeugungskraft verlor.1 Seit 1648 stellte der Westfälische Frieden die Referenz dar, auf die man sich bei Konflikten im Reich bezog. Die Übernahme der Regierung durch Ludwig XIV. 1661 bewirkte eine Veränderung außenpolitischer Zielsetzungen und drängte die „klassischen" Motive der französischer Außenpolitik in den Hintergrund. Das von Karl VIII. bis zu Richelieu angestrebte Ziel, „arbitre de la chrétienté" zu sein, schien mit dem Frieden von Münster und Osnabrück sowie mit der im Pyrenäenfrieden besiegelten Niederlage Spaniens erreicht zu sein. Zu den „handlungsleitende(n) Grundüberzeugungen" Ludwigs XIV. zählten neben dem Staatsinteresse vor allem Ruhm und Reputation. „Wie ein Leitmotiv ziehen sich die Begriffe ,ma dignité', ,ma gloire', ,ma grandeur', ,ma réputation' durch seine Mémoiren und durch zahlreiche andere Dokumente".2 Von diesen Grundüberzeugungen wie auch vom Willen, der französischen Monarchie zu dienen, war daher auch seine Außenpolitik geprägt. Zwischen 1660 und 1689 verschaffte der Sonnenkönig Frankreich im europäischen Staatensystem eine Hegemonialstellung, wie sie ein Jahrhundert zuvor Spanien zeitweise besessen hatte. Doch gegen sein oft aggressives Vorgehen, das in Europa als Versuch der Errichtung einer französischen Universalmonarchie gewertet wurde, formierte sich eine von Wilhelm III. von Oranien angeführte europäische Koalition. Dies empfand Ludwig XIV. wiederum als Bedro-

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Eine Gesamtdarstellung zur Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit fehlt. Ein Überblick zur Forschung bei Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 15-42, mit weiterführender Literatur. Umfassend zu den politischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Reich im 17. Jahrhundert jetzt: Malettke, Les Relations entre la France et le Saint-Empire. Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 305; zur Bedeutung der Arbiterrolle in der französischen politischen Publizistik vgl.: Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung, S. 126-241; bes. S. 161-169, 214-219. Ein konziser Abriß der ludovizianischen Außenpolitik: Bérenger, De la prépondérance à l'équilibre.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

hung, was ihn zu einer in der Forschung als „defense agressive" charakterisierten Politik veranlaßte.3 Erst nach einem erbitterten Ringen, das in den 1680er Jahren begann und bis 1713 dauerte, nahm das Staatensystem eine neue Gestalt an.4 Eine multipolare Ordnung der europäischen Staaten trat an die Stelle des „von Ludwig XIV. in Gang gesetzten Entwicklungsprozesses, an dessen Ende ein von Frankreich dominiertes und monopolisiertes europäisches Staatensystem errichtet werden sollte".5 Die Außenpolitik Ludwigs XV., der ein von den fortwährenden Kriegen erschöpftes Königreich und die Einsicht des Urgroßvaters, zu viele Kriege geführt zu haben, erbte, trug dieser Entwicklung Rechnung, denn sie war trotz dreier langer Kriege weitaus friedlicher und vom Bemühen um den Ausgleich der Interessen geprägt. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an der Interpretation des Westfälischen Friedens durch die französische Außenpolitik. Der Westfälische Frieden stellte die Legitimation französischer Interventionen im Reich auf eine neue Grundlage. Das hartnäckige Bestehen Frankreichs auf der Zulassung seiner Verbündeten zum Friedenskongreß von Münster und Osnabrück ebnete den Weg zur Anerkennung des Bündnisrechts der Reichsstände.6 Damit wurden sie als Völkerrechtssubjekte anerkannt und sahen ihren Status als Akteur im werdenden Staatensystem Europas bestätigt.7 Dauerhaft behaupteten diese Rolle Dauer jedoch nur diejenigen Reichsstände, denen es gelang, ein stabiles Gewaltmonopol in ihren Territorien aufzubauen und zu sichern sowie zugleich durch kontinuierliches Expansionsstreben nach außen als Bündnispartner interessant zu werden. Erfolgreich in diesem Sinne waren neben Brandenburg-Preußen die Kurfürsten von Sachsen, Bayern und Hannover. Konnte Kurfürst August der Starke für sich die polnische Krone erringen, gelang es den in Hannover regierenden Fürsten, sowohl die Kurwürde als auch die englische Krone zu erlangen.8 Die für Frankreich folgenreichste Bestimmung des Vertrags von Münster war die Erlangung des Garantenstatus'.9 „Mit der Garantie der Reichsverfassung besaß Frankreich ein Instrument, das dem König jederzeit ein Eingriffsrecht in die Belange des Reiches eröffiiete".10 Allerdings muß einschränkend gesagt werden, daß damit der französische König keineswegs nach Belieben in die Angelegenheiten des Reiches intervenieren konnte. Auch er war an die Bestimmungen des Garantieartikels gebunden und konnte nur dann tätig werden, wenn er als Garant angerufen oder der Vertrag durch Dritte gefährdet wurde. Mit der Berufung auf den Westfälischen Frieden versuchte Ludwig XIV. bis zu seinem Tode immer wieder, eine antikaiserliche Partei im Reich zu formieren. Dadurch sollte die vor allem gegen Spanien und die Niederlande zielende Expansion gesichert und der Kaiser von einem Eingreifen abgeschreckt werden." Bewegt sich die Rheinbundpolitik der 1660er Jahre noch weitgehend im Rahmen der Friedenssicherung und der Unterstützung der darin versammelten Reichsstände gegen den 3

Corvisier, Louvois, S. 435-437 bezieht dies vor allem auf die Zeit des größten Einflusses von Louvois, die Charakterisierung trifft aber m.E. durchaus noch auf den Spanischen Erbfolgekrieg zu, vgl. auch: Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 308-312. 4 Vgl. hierzu: Malettke, Der Friede von Rijswik; Bérenger, De la prépondérance à l'équilibre, S. 84-89. 5 Malettke, Der Friede von Rijswik, S. 39. 6 Vgl. zu den diesbezüglichen Verhandlungen zuletzt: Hartmann, Von Regensburg nach Hamburg, S. 479-495. 7 Siehe hierzu: Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 142-148; Böckenförde, Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht der Reichsstände; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 57-59. 8 Zu den Einzelheiten der Errichtung der neunten Kur vgl.: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 2, S. 54-73 und umfassend Hatten, Georg I. 9 Zur Entstehung des Artikels: Dickmann, Der westfälische Frieden, S. 332-343. 10 Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 22. ' ' Ein Beispiel: Recueil des Instructions, Prusse, S. 133.

II. Der

Westfälische

Frieden

und die französische

Reichspolitik

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K a i s e r , s o v e r s p i e l t e L u d w i g X I V . seit d e m E n d e d e s H o l l ä n d i s c h e n K r i e g e s verbliebene S y m p a t h i e n für Frankreich i m R e i c h , e i n e T a t s a c h e , d i e i m Frankreich d e s 18. Jahrhunderts k e i n e s w e g s ü b e r s e h e n w u r d e . 1 2 D i e a g g r e s s i v e R e u n i o n s p o l i t i k u n d d i e V e r w ü s t u n g der P f a l z p r ä g t e n d a u e r h a f t d a s d e u t s c h e Frankreichbild. 1 3 D i e j e n i g e n R e i c h s s t ä n d e , d i e das Bündnis mit Versailles dennoch eingingen - etwa Bayern im Spanischen Erbfolgekrieg - , s a h e n s i c h d e n S a n k t i o n e n a u s g e s e t z t , d i e d i e R e i c h s v e r f a s s u n g g e g e n Unruhestifter vorsah u n d w u r d e n b i s an d e n R a n d d e s Z u s a m m e n b r u c h s gedrängt. 1 4 W i e sehr L u d w i g X I V . v o n der französischen D i s k u s s i o n ü b e r d e n Status d e s A l t e n R e i c h e s g e p r ä g t war, v e r d e u t l i c h e n e i n i g e B e m e r k u n g e n a u s s e i n e n Mémoires pour l'instruction du Dauphin, d i e in d e n s e c h z i g e r Jahren d e s 17. Jahrhunderts entstanden. D i e s e betreffen z u m e i n e n d i e Staatlichkeit d e s R e i c h e s 1 5 , z u m anderen d i e R e i c h s p o l i t i k d e s K ö n i g s . A u s g e h e n d v o m Streit z w i s c h e n B o u r b o n u n d H a b s b u r g ü b e r d i e F r a g e , w e r der e i g e n t l i c h e E r b e K a r l s d e s G r o ß e n sei 1 6 , k a m der K ö n i g z u d e m E r g e b n i s , d a ß d i e K a i s e r s i c h v o m Ideal K a r l s d e s G r o ß e n w e i t e n t f e r n t h a b e n . In der E i n s c h ä t z u n g der k a i s e r l i c h e n M a c h t g e g e n ü b e r d e n R e i c h s s t ä n d e n f o l g t e der K ö n i g d e n A n s i c h t e n Jean d e S i l h o n s : „Denn u m ihnen [den Kaisern] Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sollte man sie nur als Häupter oder Generalkapitäne einer deutschen Republik betrachten. Ihre wichtigsten Entschlüsse sind den Beratungen der Reichsstände unterworfen; bei ihrer Wahl zwingt man ihnen die Bedingungen auf, die man will; die Mehrheit der Mitglieder der Republik, d.h. die Fürsten und freien Städte Deutschlands, geben ihren Befehlen nur nach, wenn es i h n e n gefällt". 1 7 B e m ü h t , A n s e h e n u n d M a c h t d e s K a i s e r s , d e n er g l e i c h s e t z t m i t d e m H a u s Ö s t e r r e i c h , z u s c h w ä c h e n , s e i e s i h m g e l u n g e n - s o fahrt L u d w i g X I V . i n s e i n e n „ M e m o i r e n " fort - , den K u r f ü r s t e n v o n Trier z u b e w e g e n , i n d e n R h e i n b u n d einzutreten. D e n u r s p r ü n g l i c h v o m M a i n z e r Kurfürsten b e g r ü n d e t e n R h e i n b u n d charakterisierte L u d w i g X I V . a l s A l l i a n z , d i e CT

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„Le système bruyant des réunions, l'invasion inconsidérée de l'Allemagne, [...] la destruction horrible du Palatinat [...] exciterent [...] une haine, un déchaînement universel contre cette couronne [...] on ne vit plus dans le Roi, garant de la paix de Westphalie, que l'ennemi le plus dangereux de la liberté Germanique [...] auquel on ne pouvoit pas opposer de digues assez fortes", Pfeffel, Nouvel abrégé, S. 482. Bosbach, Der französische Erbfeind. An dieser Stelle kann kein Abriß der komplizierten Geschichte der ludovizianischen Reichspolitik erfolgen. Aus der Sicht des Reiches, mit pointierten Urteilen: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1 und 2; aus französischer Sicht: Bély, Bérenger, Corvisier, Guerre et paix dans l'Europe du XVIf siècle, Bd. 2, S. 341-427; zu Einzelaspekten der deutsch-französischen Beziehungen seien hier nur folgende genannt: Decker, Frankreich und die Reichsstände; Boutant, L'Europe au grand tournant des années 1680; Sinkoli, Frankreich, das Reich und die Reichsstände; Malettke, Les Relations entre la France et le Saint-Empire, S. 185-651. Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 116-124; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 22-24; siehe auch Kapitel Β I. 1. Zu den Ansprüchen der französischen Könige, die wahren Nachfolger Karls des Großen zu sein, vgl. Haran, Le Lys et le Globe, S. 192-201. Louis XIV, Mémoires, S. 76: „Car à leur faire justice, on doit les [= les empereurs, S.E.] regarder seulement comme les chefs et les capitaines-généraux d'une République d'Allemagne [...] Leurs résolutions les plus importantes sont soumises aux délibérations des États de l'Empire; on leur impose, en les élisant, les conditions qu'on veut; la plupart des membres de la République, c'est-à-dire des princes et des villes libres d'Allemagne, ne défèrent à leurs ordres qu'autant qu'il leur plaît". Silhon bezeichnete 1661 „die Macht des Kaisers als eine puissance dépendante' und dessen kaiserliche Würde als eine von der Autorität der Kurfürsten und der Reichstage abgeleitete .Commission perpétuelle et à vie'"; Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 183.

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Β. Die Perzeption

des Alten

Reiches

unter dem Vorwand der Wahrung der Verträge von Münster und des Friedens in Deutschland gebildet habe.18 Demnach diente der Westfälische Frieden nur als Mittel zur Legitimierung französischer Interventionen im Reich, auch wenn damit dem Frieden entgegenlaufende Ziele verfolgt wurden. Als Maxime ludovizianischer Außenpolitik muß daher eher die ständige Existenz einer mächtigen antikaiserlichen Partei im Reich angesehen werden. Um die Bedeutung des Westfälischen Friedens als Grundgesetz des Reiches für die „diplomatische Revolution" von 1756 zu bestimmen, ist es notwendig, der skizzierten Auffassung Ludwigs XIV. nachzuspüren. Welche Rolle spielte der Frieden in der Reichspolitik des Sonnenkönigs? Der Blick in die Instruktionen der Gesandten der Jahre bis 1715 zeigt, daß die Berufung auf den Westfälischen Frieden in der Regel dazu diente, bei den Verhandlungspartnern Vertrauen zu erwecken. So heißt es in der Instruktion für den Gesandten Gravel, der 1668 an den bayerischen Hof reiste, er solle dem Kurfürsten versichern, der König wolle im Reich unbedingt am Frieden, der durch die Verträge von Münster geschaffen wurde, festhalten.19 Daß die Verträge von Münster die Grundlage für weitere Friedensverträge darstellten, wie es etwa in der Instruktion für Colbert de Vandières 1660 im Hinblick auf die Beendigung des Nordischen Krieges heißt, überrascht nicht.20 Wie aggressiv Ludwig XIV. nach 1661 seine Garantenrolle interpretierte, zeigte sich im Holländischen Krieg (1672-1679). Es sei als Beispiel die Drohung zitiert, die der Graf de La Vauguyon Kurfürst Friedrich Wilhelm II. ausrichten sollte: „Da der Graf de La Vauguyon davon unterrichtet ist, daß der Vertrag von Münster den Kaiser, die Kurfürsten und alle Reichsfürsten verpflichtet, weder direkt n o c h indirekt Gegner ihrer Majestät zu unterstützen, wird er bekanntgeben, daß seine Majestät es nicht nur als Verstoß gegen den Vertrag ansehen, falls ein Fürst die Generalstaaten in seinem Krieg gegen sie unterstützt, sondern auch alle Garanten des Westfälischen Friedens u m Hilfe bitten wird". 21

Auf diese offensichtliche Instrumentalisierung des Garantenstatus im Dienste des „eigenen Egoismus und des territorialen Expansionismus"22 mußte Ludwig XIV. in den letzten Jahr18

Louis XIV, Mémoires, S. 77: „L'Alliance du Rhin, c'est-à-dire f...] un parti puissant et considérable que j'avais formé au milieu de l'Empire, sous pretexte de maintenir le traité de Munster et la paix d'Allemagne". Zu diesem Vertrag vgl. Recueil des Instructions: Trêves, S. 54-59; über den Rheinbund zuletzt Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 184-201; 225-235. " Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 21. 20 Recueil des instructions: Autriche, S. 57-58; vgl. dazu auch: Duchhardt, Westfälischer Friede und internationales System, S. 531-532. 21 Recueil des instructions: Prusse, S. 184: „comme le Sieur comte de La Vauguyon est instruit que le traité de Munster oblige l'Empereur, les électeurs et tous les princes de l'Empire à ne pouvoir donner aucun secours directement ni indirectement aux ennemis de Sa Majesté, il fera connoître que Sa Majesté ne regardera pas seulement comme infracteur du même traité tout prince qui assisteroit les États Généraux dans la guerre qu'elle a contre eux, mais qu'elle se promettroit encore la garantie de toutes les parties qui ont eu part à la paix de Westphalie". Abgeschwächt und werbend dagegen in: Recueil des instructions: Cologne, S. 34; vgl.: Decker, Frankreich und die Reichsstände, S. 59-61; diese Sichtweise wird bestätigt durch eine interne Denkschrift des Außenministeriums über die Garantie: AAE MD Allemagne 78, fol. 528 r -535 v , „De la garantie de la France sur les traitéz de Westphalie", fol. 529': „Le Roy Louis 14 s'en est prévalu en plusieurs occasions pour prendre part aux affaires intérieures de l'Empire à titre de garant des traitéz de Westphalie, et il a même quelques fois prétendu que cette garantie étoit moins une obligation qu'un droit qui l'autorisoit à avoir une inspection principale sur les affaires publicques de l'Allemagne". Kurfiirst Friedrich Wilhelm wies diese Drohung jedoch energisch zurück, vgl.: Schmidt, Der Westfälische Frieden als Grundgesetz, S. 449. 22 Duchhardt, Westfälischer Friede und internationales System, S. 535.

II. Der Westfälische Frieden und die französische Reichspolitik

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zehnten seiner Regierung, als er einer europäischen Koalition gegenüberstand, verzichten. Die veränderte Position des Sonnenkönigs im Spanischen Erbfolgekrieg läßt sich in einer weiteren Instruktion für einen nach Brandenburg-Preußen abgehenden Gesandten ablesen. In der Instruktion, die Baron Besenval 1703 für seine Mission an den Hof König Friedrichs I. erhielt, plädierte Ludwig XIV. für einen Frieden auf der Grundlage der Verträge von Münster, Nimwegen und Rijswijk und der Rücknahme der Sanktionen des Reiches gegen die Kurfürsten von Köln und Bayern.23 Aus diesen wenigen Belegen wird ersichtlich, daß das Bild, das der König vom Reich hatte, vor allem durch die Konfrontation von Reichsständen und Kaiser geprägt war. Der Kampf gegen das Haus Habsburg führte Frankreich zwangsläufig an die Seite der Gegner kaiserlicher Politik. Der Westfälische Frieden wurde als epochemachender Einschnitt im Kampf der Stände gegen den Kaiser gedeutet, und man faßte seine Bestimmungen grundsätzlich antikaiserlich auf. Die verschiedenen Bündnisse, die Ludwig XIV. im Laufe seiner Regierungszeit schloß bzw. abzuschließen trachtete, zielten auf eine Schwächung des Kaisers und des Hauses Habsburg und galten weniger der tatsächlichen Sorge um das Reich und seiner Verfassung. Karl Otmar von Aretin spricht sogar davon, daß Ludwig XIV. die Garantie ad absurdum geführt habe.24 Den Konflikt mit den Habsburgern charakterisierte man schon 1680 als „erblich " und „natürliche".25 Die Fixierung auf diese „Erbfeindschaft" verhinderte in Frankreich lange Zeit eine differenzierte Wahrnehmung der Entwicklung der Beziehungen zwischen Kaiser und Reich. Ersterer stellte sich, wie in den letzten Jahrzehnten von der intensivierten Forschung zum Alten Reich herausgearbeitet wurde, auf den Boden des Friedens von 1648 und konnte sein Ansehen insbesondere bei den Reichsständen, die - wie Brandenburg, Sachsen oder Bayern - nicht dem Weg der Territorialstaatsbildung folgen konnten, erheblich steigern. Er tat dies, indem er sich des Spielraums bediente, den ihm der Westfälische Frieden ließ. Leopold I. und Joseph I. führten schließlich den Kampf gegen Ludwig XIV. an und verschafften dem Kaisertum im Reich lange Zeit verwehrtes Ansehen.26 In den Jahren der Regentschaft Philipps von Orléans (1715-1723) verschwand der Westfälische Frieden weitgehend aus den Instruktionen. Es sei daran erinnert, daß noch vor dem Tode Ludwigs XIV. 1715 erstmalig eine Annäherung an Wien versuchte wurde, gleichzeitig aber auch die Gegner des Kaisers im Reich ermutigt wurden.27 Der Tod Kaiser Karls VI. und die Entfesselung des Österreichischen Erbfolgekrieges durch Friedrich II. führte noch einmal die Koalitionen des 17. Jahrhunderts zusammen. In Versailles setzte sich die anitösterreichische „Partei" mit ihrem Wortführer, dem Marschall 23

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Recueil des instructions: Prusse, S. 262: Ludwig XIV. plädiert für das „rétablissement des traités de Westphalie, de Nimègue et de Ryswick, et pour le maintien des droits des princes de l'Empire violés à l'égard des électeurs de Bavière et de Cologne" aus. Aretin, Das Reich, S. 55. Recueil des instructions: Autriche, S. 81 (aus der Instruktion des Marquis de Sébeville, 1680): „il paroit néanmoins que l'opposition si naturelle et comme héréditaire de la Maison d'Autriche aux intérêts de la France est fort augmentée par le déplaisir qu'on a eu à Vienne de la paix [= Nimwegen 1679, S.E.], et qu'on l'ait acceptée avec joie parce qu'il n'étoit pas au pouvoir de l'Empereur de continuer la guerre [...] il est même constant que les ministres impériaux ne sont appliqués qu'à y faire donner des interpretations par la diète de Ratisbonne, contraires aux droits acquis à la France par le traité de Munster et continués par celui de Nimègue". Grundlegend: Press, Die kaiserliche Stellung im Reich, bes. S. 57-59, mit weiterer Literatur; Schindling, Die Anfänge des Immerwährenden Reichstags; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1 und 2, passim. Vgl. Braubach, Versailles und Wien, S. 45-104; Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 332-361; Ulbert, Die Angst vor einer habsburgischen Hegemonie.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Belle-Isle, gegen den zögernden König und den greisen Kardinal Fleury durch. Geprägt durch die Jahrhunderte währende Feindschaft zwischen Habsburg und Bourbon, plante jener die endgültige Schwächung Österreichs. Die Initiative hinsichtlich der Kriegführung im Reich hatte jedoch der junge Preußenkönig inne, Frankreich schloß sich ihm an und mußte immer wieder auf die Alleingänge Friedrichs reagieren. Die für Frankreich wichtigen Artikel des Friedens von Aachen betrafen den Kolonialkonflikt mit England. Im Ringen um die Kontrolle der Meere war der Frieden nur ein Waffenstillstand. Das Reich schien an Bedeutung für Frankreich zu verlieren.28

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Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 30-31.

II. Der Westfälische Frieden und die französische Reichspolitik

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2. Der Westfälische Frieden und die „diplomatische Revolution" 1755-1756 Voraussetzung der „diplomatischen Revolution" war die beiderseitige Aufgabe von gewohnten Feindbildern. In Frankreich ging dies mit einer veränderten Perzeption der politischen Situation des Reiches einher. Das durch den Verlust Schlesiens erheblich geschwächte Österreich stellte keine Bedrohung mehr dar, vielmehr war es Friedrich II., der das Reich in seiner Existenz gefährdete. Zwar hatte Ludwig XV. schon während des Österreichischen Erbfolgekrieges versucht, mittels Geheimdiplomatie eine Annäherung zwischen Versailles und Wien herbeizuführen1, doch hielt ihn nach 1748 der Wille zur Erfüllung seiner Bündnispflichten und vielleicht eigene Unentschlossenheit noch von einer Annäherung an Wien zurück. Es bedurfte dazu letztlich des Anstoßes von außen: durch Kaunitz' Verhandlungsangebot sowie die erneute Brüskierung durch den Preußenkönig - die Unterzeichnung der Westminsterkonvention2 - , um Wien und Versailles zusammenzuführen. Der Versailler Vertrag vom Mai 1756, dies muß ausdrücklich betont werden, war ein Defensiwertrag, dessen Unterzeichner sich gegenseitig versicherten, eine ehrliche Freundschaft und vollkommene Harmonie untereinander zu etablieren.3 In ihm wurde der territoriale Status quo ausdrücklich garantiert, und beide Unterzeichner versprachen sich Unterstützung im Falle eines Angriffs von Dritten. Allerdings nahm man von dieser Beistandsverpflichtung den englisch-französischen Kolonialkrieg aus. Diese Klausel verhinderte vorerst die Ausweitung des Seekrieges auf den Kontinent. Ganz abgesehen davon, daß Wien keine Flotte zur Unterstützung Frankreichs bereitstellen konnte, entfiel damit für Frankreich eine potentielle Bedrohung seitens der Österreichischen Niederlande, des „klassischen" Aufmarschgebietes der Armeen der gegen Frankreich geschmiedeten Koalitionen. Auf die Weise wurden Truppen frei, die zur Sicherung der Küsten oder in den Kolonien eingesetzt werden konnten. Ohne daß eine Kanone auch nur einen Schuß abgefeuert hatte, verlor England den Zugang zu wichtigen Kanalhäfen. Zugleich wurden in Versailles alle Projekte hinfällig, die eine präventive Besetzung der österreichischen Niederlande und Brüssels vorsahen. Dies hatte Bussy noch im August 1755 vorgeschlagen. Dabei ging er fälschlicherweise - wie auch Friedrich II. - von der Überzeugung aus, daß die alten Bündnisse weiter Bestand haben würden.4 Die

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Indem er im Dezember über die Gebrüder Päris-Duverney und Päris-Montmartel den toskanischen Gesandten in Paris, Stainville, kontaktierte, vgl. hierzu: Butler, Paradiplomacy; und Ders., Choiseul, S. 615-620. Dies betont ausdrücklich Choiseul: AAE CP Autriche 277, fol. 170'-172v, Choiseul an Praslin, 24. August 1760, fol. 171r: „c'est l'alliance même qu'il [= Friedrich II.] a faite avec la cour de Londres, dans le tems que le Roy luy proposoit de renouveler la sienne avec lui, qui a été la cause de l'alliance du Roy avec la maison d'Autriche". Präambel des Versailler Vertrags vom 1. Mai 1756, zit. nach: Consolidated Treaty Series, Bd. 40, S. 338: „de reserrer de plus en plus, et pour toujours, entre Elles, les liens de la plus sincère amitié, et de la plus parfaite harmonie". Vgl. zum folgenden auch: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 218-219. AAE MD Autriche 30, fol. 474r-477v: „Réflexions sur la circonstance présente", datiert auf den 18. August 1755. Englands Vorherrschaft zur See, heißt es dort, sei ohne spanische Hilfe nicht zu brechen. Madrid werde sich aber neutral verhalten. Die Kaiserin, so vermutete er, werde sich auf die Verteidigung der Niederlande konzentrieren und nur geringe Kräfte zur Flankensicherung entlang des Rheins aufbringen. Preußen werde Frankreich angesichts dieser Lage wohl nicht unterstützen. Daher schlug er vor, als präventive Maßnahme noch vor dem 15. Oktober Brüssel anzugreifen und zu versuchen, sich des Umlandes inklusive Gents zu bemächtigen. Da so jeder österreichische Vorstoß abgeblockt werden könne, seien die Generalstaaten gezwungen, sich auf die Seite Frankreichs zu schlagen. Gelinge dieses Unternehmen, sei auch mit der Unterstützung des Preußenkönigs zu rechnen, da dieser nicht mehr von England bzw. Hannover bedroht werde.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

von Frankreich mit dem Vertrag verfolgten Ziele - Verhinderung des Ausgreifens des Krieges auf den Kontinent und Sicherung des Status quo - durchkreuzte der Preußenkönig, als er am 29. August in Sachsen einmarschierte. Damit war der Weg frei zu der von Kaunitz seit 1749 angestrebten Offensivallianz, die eine Revision des Aachener Friedens herbeiführen sollte.5 Noch bevor Frankreich überhaupt vom neuem „System" hätte profitieren können, war genau das eingetreten, was mit dem Abschluß der Allianz verhindert werden sollte: die Verwicklung in einen Kontinentalkrieg. Im Anschluß an den Vertragsabschluß hatte Kaunitz schon in Richtung eines Offensivbündnisses gedrängt, die Verhandlungen darüber stockten jedoch.6 Die Allianz mit Wien warf die Frage nach dem Verhältnis Frankreichs zu seiner traditionellen Klientel im Reich auf. In der Sicht Bernis' und Rouillés bedeutete das neue „System" keineswegs die Aufgabe hergebrachter Positionen in Deutschland. Darauf weist der Wortlaut des zweiten Artikels des Vertrags von Versailles vom 1. Mai 1756 hin. Dort garantierten die Unterzeichner ausdrücklich den Westfälischen Frieden und alle anderen Verträge, die seitdem zwischen dem Kaiser und Frankreich geschlossen worden waren.7 Diese Evozierung der Verträge von 1648, die mittlerweile in vielen Bereichen modifiziert waren, darf nicht als allgemein üblicher und sinnentleerter Brauch in europäischen Verträgen übergangen werden. Die Verträge von Münster und Osnabrück bildeten in diesem Fall die Grundlage der französischen Reichspolitik. Man war tatsächlich an der Erhaltung des Reichs auf der Basis der (vielfach modifizierten) Friedensordnung von 1648 interessiert. Rouillé wandte sich ausdrücklich gegen den Vorwurf, man wolle das Gleichgewicht zwischen Katholiken und Protestanten zerstören.8 Mit dem Hinweis auf den Garantenstatus Frankreichs wurden in der Folgezeit alle Skeptiker beschieden, die fürchteten, das Bündnis mit Wien liefere das Reich der Unterdrückung durch den Kaiser aus. Dadurch, daß die Referenz auf den Westfälischen Frieden in den Vertrag aufgenommen wurde, sicherte Bernis Frankreich zugleich das Recht und den Anspruch, weiterhin als Korrektiv kaiserlicher Macht im Reich aufzutreten. Laut Starhemberg war es Marschall Noailles, der im conseil du roi auf die grundsätzliche Bedeutung der Garantenrolle für die französische Reichspolitik hingewiesen und verlangt habe, in jedem Vertrag mit Wien eine ausdrückliche Bestätigimg des Westfälischen Friedens aufzunehmen.9 Seine Evozierung werde

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Daran anschließend findet sich eine „Projet de s'emparer du Bassin de Bruxelles" (1755) betitelte Fortsetzung, fol. 478 r -481 r . Zur selben Zeit entschloß man sich in Wien, das Bündnis mit Frankreich zu suchen: Braubach, Versailles und Wien, S. 424. Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 218; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 74-76; vgl. unten Kapitel C II. 1. Vgl. dazu die Sicht Kaunitz' bei: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 218-230 und passim. Buddrtíss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 84-86, sowie Externbrink, Ludwig XV. als Außenpolitiker. „Le Traité de Westphalie de 1648, et tous les Traités de paix et d'amitié, qui depuis cette époque ont été conclus et subsistent entre Leurs dites Majestés, et en particulier la Convention, ou Acte de Neutralité signé aujourd'hui, sont renouvelés et confirmés par le présent traité, dans la meilleure forme, et comme s'ils étoient inférés ici mot à mot", Consolidated Treaty Series, Bd. 40, S. 339. AAE CP Allemagne 589, fol. 7 6 ' - 8 0 \ Rouillé an Monciel, 7. August 1756, fol. 76r. Starhemberg an Kaunitz, 17. April 1756, in: Volz; Kiintzel, Akten, S. 308: „Le maréchal de Noailles a fait comprendre qu'il fallait avoir grande attention à se conserver toujours l'influence que la France avait dans les affaires intérieures de l'Empire en qualité de garante du traité de Westphalie, et empêcher que la maison d'Autriche n'empiétât sous prétexte de religion ou autrement sur les droits et libertés des Princes et États de l'Empire; il a même été jusqu'à dire qu'il n'était pas impossible que ce fut là le point de vue que la cour de Vienne se proposait dans l'alliance qu'elle voulait contracter avec la France, et qu'il fallait y obvier en

II. Der Westfälische Frieden und die französische Reichspolitik

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nach Ansicht von Noailles verhindern, daß Wien mit Rückendeckung einer Allianz mit Frankreich die Rechte des Corpus evangelicorum einschränken werde.10 Starhemberg berichtete, daß es vor allem Rouillé war, der immer wieder das Gespräch auf eine entsprechende Vertragsklausel brachte." Rouillé, der bereits auf eine lange Karriere in der königlichen Administration zurückblicken konnte, hatte schon früher dem Gesandten am Reichstag, Le Maire, erklärt, daß es im Interesse des Königs liege, keine grundsätzlichen Veränderungen an der Reichsverfassung zuzulassen.12 Den Hinweis auf die Bedeutung des Westfälischen Friedens erhielt der Staatssekretär wahrscheinlich vom garde du dépôt Le Dran, der im Auftrag des Außenministers die Perspektiven einer französisch-österreichischen Allianz untersucht hatte.13 Auf den Westfälischen Frieden berief sich im übrigen auch Marquis d'Argenson, einer der schärfsten Gegner der Annäherung an Wien. Der Frieden sei die Grundlage der französischen Reichspolitik, die beständig eine Stärkung des „corps germanique" bei gleichzeitiger Schwächung des Kaisers anstreben müsse.14 Der Hinweis auf Frankreichs Garantenstatus und auf den Westfälischen Frieden findet sich immer wieder in den Akten, auch in Weisungen an Gesandte, die eher an der Peripherie des Reiches residierten.15 In einer grundlegenden und bislang kaum ausgewerteten Denkschrift Bernis' vom 3. August 1756, die der König ausdrücklich billigte, und in der er unter anderem eine weitreichende Schwächung Preußens ablehnte, kam er auch auf das Reich zu sprechen. Um Unruhen im Reich zu vermeiden und insbesondere der Gefahr einer konfessionellen Blockbildung vorzubeugen, so Bernis, müßten die Reichsstände begreifen, daß Frankreich niemals einer Infragestellung des Westfälischen Friedens zustimmen werde: „Hinsichtlich der protestantischen Liga gibt es kein besseres Mittel zur Verhinderung ihrer Bildung als die buchstabengetreue Einhaltung aller Artikel des Westfälischen Friedens. Somit wird den protestantischen Fürsten weder durch unvorsichtige Äußerungen noch durch einseitige Parteinahme ein Anlaß zum Verdacht gegeben, daß Frankreich und der Wiener Hof die gemeinsame Gründung einer katholischen Liga beabsichtigen".16

Doch nicht nur den verbündeten Reichsständen, sondern auch den eigenen Diplomaten mußte in den Monaten nach Abschluß des ersten Versailler Vertrages die überraschende Neuorientierung der französischen Außenpolitik erklärt werden.

rappelant dans tous les traités à faire les engagemens pris par celui de Westphalie". Vgl. auch Waddington, Renversement, S. 327-328. 10 Zu den konfessionellen Konflikten im Reich vgl.: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 71-81. 1 ' Volz; Küntzel, Akten, S. 309: „Son [= Noailles] raisonnement a fait beaucoup d'impression sur M. de Rouillé [...] Il ne me voit jamais depuis ce temps là, sans qu'il ne me parle de la garantie du traité de Westphalie". 12 AAE CP Allemagne 587, fol. 6'-13 v , Rouillé an Le Maire, 20. Januar 1756, fol. 6V: „Nous sommes très persuadés qu'il est de l'intérêt du Roy de maintenir les loix et constitutions de l'Empire ainsi que les traités de Westphalie qui en font la base". 13 Vgl.untenKapitelD.il. 14 Ozanam, Le Marquis d'Argenson, l'Abbé de La Ville, S. 429. 15 AAE CP Autriche Suppl. 15, fol. 123r v, „Lettre circulaire" an d'Aubigny in Lüttich, hier: fol. 123'. 16 AAE MD Autriche 72, Denkschrift Bernis vom 13. August 1756, fol. 49'-88r, fol. 80r: ,À l'égard de la ligue protestante il n'y a pas de plus sur moyen pour l'empêcher de se former que d'exécuter fidèlement dans tous les points le traité de Westphalie et de ne pas donner lieu au princes protestants de soupçonner, soit par des discours imprudents, ou par une conduite partiale, que la France et la cour de Vienne ont intention de former entre eux une ligue catholique". Bislang hat nur Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 85-88, die Denkschrift zitiert.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Wie schwer sich diese mit dem neuen Bündnis taten, zeigt das Verhalten des Abbé Le Maire, der seit seiner Ankunft in Regensburg massiv für die Gegner des Kaisers Partei ergriffen hatte. Dem Richtungswechsel vom 1. Mai konnte er nicht folgen. Nach Ende der Sitzungsperiode verließ er Regensburg, begab sich nach Solothurn, wo sein ehemaliger Förderer Chavigny die französische Krone vertrat, und bat mit dessen Fürsprache um seine Abberufung. Diese wurde ihm jedoch noch verwehrt, da mit Ausbruch des Krieges die französische Präsenz am Reichstag unerläßlich war.17 Rouillés Versicherung, der Versailler Vertrag gefährde keineswegs das Reich in seiner Existenz, stieß zuallererst beim eigenen Gesandten auf Mißtrauen.18 Le Maire hielt weiterhin engen Kontakt zu Plotho, dem Vertreter Friedrichs des Großen am Reichstag.19 Zwischen Oktober 1756 und Dezember 1757 wurden sechs Gesandtschaftsposten im Reich neu besetzt. Dabei handelte es sich sowohl um die Besetzung vakanter Stellen (Mainz und München) als auch um Ablösungen (Trier und zweimal Wien). Darüber hinaus wurde Le Maire aus Regensburg abberufen, da er durch sein Verhalten die neue Allianz gefährdete. Parallel zum Eingreifen auf dem deutschen Kriegsschauplatz baute Frankreich dort auch seine diplomatische Präsenz aus. Die erste Instruktion, die nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags ausgefertigt wurde, war für den Grafen d'Estrées bestimmt, der den Marquis d'Aubeterre in Wien ablösen sollte. Der allgemeine Teil der Instruktion bestand vor allem aus der Erläuterung der Motive für das Bündnis mit Wien. Eine der zentralen Aussagen dieser Ausführungen lautete: „Der Westfälische Frieden von 1648 ist die Grundlage des Vertrags von Versailles".20 Auf den Garantenstatus verwies Bernis, nach eigener Aussage Autor der Instruktion, dann im Hinblick auf ein potentielles Zusammentreffen von d'Estrées mit dem bayerischen Kurfürsten.21 Der Botschafter solle dem Kurfürsten zu verstehen geben, daß allein die Sorge des Königs um den Frieden in Europa zum Bündnis mit dem Kaiser geführt habe. Sowohl seinen Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrag als auch aus dem Frieden von Münster werde Ludwig XV. nachkommen. Man wolle dem Vorwurf entgegentreten, den die Gegner Ludwigs XV. und der Kaiserin erhoben, Frankreich wende sich von seiner „traditionellen" Klientel im Reich ab.22 Nach Kriegsausbruch berief sich auch Kaiserin Maria Theresia in der Anrufung der Garanten des Westfälischen Friedens darauf, daß das Vertragswerk von 1648 17

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Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 348-350; über die Mission Le Maires siehe auch: Ebbecke, Frankreichs Politik gegenüber dem deutschen Reiche 1748-1756, S. 83-133. AAE CP Allemagne 588, fol. 53Γ-54Γ, Rouillé an Le Maire, fol. 53r: „Mais comme le Roi par son union avec le cour de Vienne ne prétend pas de préjudicier aux droits précieux qu'il a de veiller au maintien des loix et constitutions de l'Empire, en qualité de garant des traités de Westphalie, vous rassurerez les États catholiques et protestans sur les faux bruits que les princes mal intentionnés ont taché d'accréditer prétendant que le traité de Versailles avoit pour objet de concourir à établir le despotisme de la cour de Vienne dans l'Empire, et d'élever la religion catholique sur le débris de la protestante". Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 348-349, Anm. 3. Recueil des instructions: Autriche, S. 340: „le traité de Westphalie de 1648 étant la base du traité de Versailles". Ähnlich schon Rouillé im Sommer 1756 an Chavigny: „Nous sommes très persuadés, qu'il est de l'intérêt du Roy de maintenir les loix et constitutions de l'Empire, ainsi que les Traités de Westphalie qui en font le rempart le plus solide, et c'est dans cet esprit que nous les avons pour base du traité de Versailles"; AAE CP Allemagne 587, fol. 219-220', Rouillé an Chavigny 6. August 1756, fol. 219". Bernis, Mémoires, ed. Rouart/Bonnet, S. 186-187. Recueil des instructions: Autriche, S. 342-343, S. 343: „II ne doit pas manquer non plus de faire sentir à la cour de Munich que l'intention du Roi avoit été d'assurer la paix de l'Europe par le traité de Versailles, et que tous les souverains et les peuples, instruits de ses sentiments, ne peuvent que s'en prendre aux puissances qui l'ont si injustement troublée".

II. Der Westfälische Frieden und die französische Reichspolitik

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Grundlage der Allianz zwischen Österreich und Frankreich sei.23 Damit signalisierten Versailles und Wien zumindest nach außen Einigkeit in der Beurteilung der Bedeutung des Friedens von 1648. Daß Wien die Aufnahme des Friedens in den Vertrag eher skeptisch sah, wurde bereits angesprochen. Nachdem Charles Gravier, Chevalier de Vergennes Ende 1754 aus Koblenz abberufen und auf den Posten eines ministre plénipotentiaire in Konstantinopel versetzt wurde, verfügte Frankreich über keinen ständigen diplomatischen Vertreter mehr am Hofe des Kurfürsten von Trier. Zwar hatte sich der neugewählte Kurfürst Johann-Philipp von Walderdorff gegen die Anwesenheit eines ständigen Gesandten ausgesprochen, doch konnte Wien über Vertraute am Trierer Hof den Kurfürsten dazu bewegen, sich am Kampf gegen Friedrich II. zu beteiligen. Damit war der Weg frei für die Aufiiahme des französischen Gesandten Aigremont.24 Dessen Instruktion enthielt die notwendigen Argumentationshilfen, mittels derer der Kurfürst in seiner Entscheidung für die Parteinahme gegen Preußen bestärkt werden sollte. Schon mit Übergabe des Kreditivs sollte Aigremont den Kurfürsten von den friedlichen Absichten Ludwigs XV. sowie seinem „ehrlichen Interesse" am „Erhalt des Reichssystems" überzeugen.25 Die allgemeinen Ausführungen über die Ursachen des aktuellen Krieges in Europa wurden in weitgehend identischen Formulierungen allen bis Anfang des Jahres 1757 neuberufenen Gesandten im Reich mitgegeben. Neben Aigremont waren dies noch Folard, der nach München ging, und Baron Mackau, Nachfolger des Preußenfreundes Le Maire am Reichstag. Hingegen enthielten die Instruktionen des Marquis de Mesnil, als Sondergesandter mit dem Abschluß einer Militärkonvention mit Bayern beauftragt, und die des neuen Gesandten in Mainz, Kempfer de Plobsheim, keine allgemeinen Ausführungen mehr über die französischen Intentionen, die zum Abschluß des Bündnisses mit Wien geführt hatten. Aigremont, Folard und Mackau sollten ihre jeweiligen Gesprächspartner ausdrücklich vor den Plänen Englands und Preußens warnen. London wurde zum Hauptschuldigen des derzeitigen Krieges erklärt. Da die Briten mehrere Rückschläge im Seekrieg gegen Frankreich erlitten hätten, sei der König von Preußen angestiftet worden, im Reich einen Religionskrieg zu entfesseln, um somit französische Kräfte zu binden. Die Gefahr von Säkularisationen zu Gunsten Englands und Preußens und der Überfall auf Sachsen zeigten nur zu deutlich, daß in diesem Krieg alle Reichsstände betroffen seien, da nicht nur der allgemeine Frieden, sondern auch der Westfälische Frieden und die Reichsgesetze und -Verfassung gebrochen worden seien. Darüber hinaus wurden Berlin und London des Verstoßes gegen die Grundsätze der Staatenbeziehungen, d. h. gegen das Völkerrecht, angeklagt.26

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AAE CP Autriche Suppl. 15, fol. 214-216', „Traduction de la lettre de l'Impératrice Reine au Roi du 5 Octobre 1756 pour demander à sa Majesté ses secours en vertu du traité de Versailles et des traités de Westphalie dont le Roi est garant". Recueil des instructions: Trêves, S. CXXV-CXVI, S. 189-190; Labourdette, Vergennes, S. 39. Recueil des instructions: Trêves, S. 191: „il l'assurera de l'intérêt sincère que le Roi prend à sa sûreté, ainsi qu'à celle de tous les états de l'Empire et au maintien du système germanique, tant comme Prince allié et voisin que comme garant des Traités de Westphalie". Ibid., S. 194-195, S. 195: „c'est donc ici la cause de tous les souverains et particulièrement des princes d'Allemagne, puisque le Roi de Prusse, de concert avec le Roi d'Angleterre, viole ouvertement la Paix publique, les Traités de Westphalie, toutes les Lois et constitutions de l'Empire". Vgl. auch Recueil des instructions: Diète Germanique, S. 248; Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 328: „II est évident [...] que le système du Roi de Prusse, assorti à celui de l'Angleterre, ne tend pas à moins qu'au renversement général des fondements de la société entre tous les puissances de la terre et en particulier à la subversion de tous les États de l'Empire, tant catholiques que protestants".

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Erneut fehlte nicht der Hinweis auf den Westfälischen Frieden als Grundlage des französisch-österreichischen Bündnisses: „Es ist allgemein bekannt, daß der Westfälische Friede, auf dem die Freiheit der deutschen Fürsten beruht, die Grundlage der Allianz des Königs und der Kaiserin ist. Daraus folgt notwendigerweise, daß es die Absicht des Königs war - in Abstimmung mit der KaiserinKönigin - , sich mit diesem Vertrag um den Erhalt der deutschen Gesetze und Verfassungen, der Prärogativen katholischer wie protestantischer Reichsstände wie insbesondere um jenes wertvolle Recht zu kümmern, über das Frankreich als Garant des Westfälischen Friedens verfügt".27

In der Instruktion für Mackau, der sich gerade am Reichstag mit der intensiven antikatholischen Propaganda des preußischen Gesandten konfrontiert sah, wurde ausdrücklich auf den französischen Willen hingewiesen, keinen Bruch der Religionsverfassung des Reiches zu dulden.28 Allen Instruktionen gemeinsam war der Verweis auf das Sensationelle des Versailler Vertrags. In der Instruktion für d'Estrées wurde gleich zu Beginn auf die epochale Bedeutung der Allianz hingewiesen, mit der uralte Vorurteile überwunden worden seien.29 Ludwig XV. wolle, so wurde den Gesandten mitgeteilt, mit seiner Entscheidung die Ursachen einer dreihundertjährigen Kriegsepoche bis auf den Grund zerstören.30 Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die in den Instruktionen zu findenden Äußerungen nur zur Beruhigung der verbündeten Reichsstände gedacht waren. Gegen diese Vermutung spricht allein schon ihre Funktion im Rahmen des Entscheidungsprozesses. Die diplomatischen Instruktionen enthielten die Anweisungen an den Gesandten, was er seinen Gesprächspartner zu übermitteln hatte. Darüber hinaus wurde der Gesandte über die Inten27

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Recueil des instructions: Trêves, S. 196: „II est notoire que les Traités de Westphalie qui sont le fondement des libertés germaniques ont été pris pour base de l'alliance du Roi avec l'Impératrice Reine. Il résulte nécessairement de là que l'intention de Sa Majesté, de concert avec l'Impératrice Reine, a été de pourvoir dans ce Traité à la conservation des loix et constitutions germaniques, des prérogatives des états de l'Empire tant catholiques que protestants, et nommément du droit précieux qu'a la France comme garante des traités de Westphalie. Hervorhebung im Text nach der Vorlage; Recueil des instructions: Diète Germanique, S. 249; Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 340-341; auch in: Recueil des instructions: Mayence, S. 171-173, S. 171: „c'est sa fidélité à ses engagemens comme garant des traités de Westphalie et allié des États les plus considérables de l'Empire, qui l'a [= Ludwig XV.] obligé, sur les réquisitions qui lui ont été faites, de prendre part à la guerre d'Allemagne". Recueil des instructions: Diète Germanique, S. 251 : „La religion protestante ne peut avoir plus sûrs garants de ses droits que ceux de la paix de Westphalie; et puisqu'ils réunissent le pouvoir et la volonté de maintenir la liberté de leur religion, ainsi que des autres religions établies dans l'Empire, ils [= die Reichsstände] doivent y mettre une entière confiance". Ähnlich auch in: AAE CP Palatinat Deux-Ponts 82, fol. 146r_v, Rouillé an Jolais, 21. Juli 1756; AAE CP Palatinat Deux-Ponts 83, fol. 221-224', Rouillé an Jolais, 29. November 1756, fol. 222r v; zur preußischen Taktik am Reichstag: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 89; Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 56-57,355-364 und passim. Recueil des instructions: Autriche, S. 338-339: „En ne considérant que le seul traité de Versailles, qu'il faut regarder comme l'époque d'une union réputée longtemps pour impossible par l'ancienneté des préjugés qui s'y opposoient, mais que le bonheur et la tranquillité de l'Europe rendent nécessaire aujourd'hui". Burkhardt, Geschichte als Argument, S. 211. Recueil des instructions: Trêves, S. 192: „Sa Majesté [...] a conclu encore un Traité d'alliance avec cette Princesse, afin de détruire le germe des divisions des deux cours qui fomentés par les artifices des puissances qui s'accroissoient de leur débris, avaient causé toutes les guerres qui ont désolé l'Europe depuis près de 300 ans". Vgl. auch: Recueil des instructions: Bavière, Palatinat Deux-Ponts, S. 326; Recueil des instructions: Diète Germanique, S. 241.

II. Der Westfälische Frieden und die französische Reichspolitik

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tionen der Politik seines Hofes informiert, d. h. dahingehend, welche Ziele man mit seiner Mission verfolgte. Eine Instruktion gibt also immer auch Einblick in momentane Entscheidungsprozesse. In diesem Falle hieß dies, daß Frankreich nach der Entfesselung des Kontinentalkrieges durch Friedrich II. in der Pflicht stand, seinen neuen Alliierten zu unterstützen, der die Garanten der Reichsverfassung angerufen hatte, den Landfriedensbruch des Preußenkönigs zu bestrafen. Genau dies sollten die Gesandten gegenüber ihren Gesprächspartnern immer wieder betonen.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

3. Der Westfälische Frieden in den Verhandlungen der Jahre 1758 bis 1763 Der Westfälische Frieden stellte auch während der Dauer des Krieges immer wieder die Referenz dar, an der sich die französische Reichspolitik orientierte. Spekulationen über Expansionsabsichten Frankreichs auf Kosten des Reiches trat Bernis entschieden entgegen. Die Präsenz französischer Truppen im Reich erkläre sich einzig aus der Bitte des Reiches, Frankreich möge als Garant des Westfälischen Friedens helfen, einen Rechtsbrecher in die Schranken zu verweisen.1 Diese Grundorientierung übernahm auch Bernis' Nachfolger Choiseul. Auf den Garantenstatus wurde ausdrücklich Wert gelegt. Zugleich tat man alles, um vor allem am Reichstag den Eindruck zu vermeiden, Ludwig XV. instrumentalisiere den Garantenstatus zur Durchsetzung eigener Interessen und zum Schaden des Reiches.2 Auch in den französisch-österreichischen Verhandlungen kam der Westfälische Frieden immer wieder zur Sprache. Schon früh erkannte Choiseul, daß seine Wiener Partner vermeiden wollten, sich auf eine Bestätigung des IPM in einem zukünftigen Frieden festzulegen.3 Dies war angesichts der österreichischen Kriegsziele, die mehr als nur die Rückgewinnung Schlesiens vorsahen, nur zu verständlich. Das Festhalten der Franzosen am Westfälischen Frieden als einer der Grundlagen des „neuen Systems" stieß keineswegs auf Zustimmung. Seine diesbezüglichen Erfahrungen resümierte Praslin, Choiseuls Nachfolger, im Februar 1761: „Monsieur, Sie haben während Ihres Aufenthaltes hier sicher festgestellt, daß es hier nichts Schwierigeres und Unangenehmeres gibt, als über die Angelegenheiten des Reiches zu verhandeln. Der Grund dafür ist einfach zu erklären. Es liegt daran, daß in der Diskussion über diese Fragen ohne Unterlaß von verschiedenen Grundsätzen ausgegangen wird und wir weder die gleichen Voraussetzungen noch Interessen haben. Die Autorität des Kaisers ist das Prinzip des Wiener Hofes, und wir unterstützen die Privilegien und Unabhängigkeit der Reichsstände. Der Westfälische Frieden ist unser Maßstab und unser 1

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AAE CP Autriche 263, fol. 423' ν, Zirkulardepesche Bernis', 25. April 1758, fol. 423v: „Personne n'ignore que le Roy n'a fait entrer des troupes en Allemagne qu'en sa qualité de garant des Traités de Westphalie, et à la requisition de plusieurs princes de l'Empire, que pour remplir les engagements défensifs que sa Majesté avoit contractés avec l'Impératrice Reine injustement attaquée, et pour secourir l'Électeur et l'électorat de Saxe traités avec la violence la plus odieuse, et la plus contraire au droit des gens, à l'équité et aux loix du Corps Germanique". So lehnte es Choiseul im Mai 1759 ab, auf das Conclusum der Protestanten vom 29. November 1758 zu reagieren, wie es der Vertreter Mackaus, Pfeffel, vorgeschlagen hatte. Indem auf eine öffentliche Erwiderung verzichtet werde, vermeide man für Frankreich möglicherweise schädliche Diskussionen, vgl.: AAE CP Allemagne 605, fol. 224-226', Pfeffel an Choiseul, 30. April 1759; fol. 250'-253r, Choiseul an Pfeffel, 14. Mai 1759, fol. 250': „Nous ne pouvons qu'approuver le zèle qui vous l'a inspirée; mais quelque favorable que paroisse l'occasion d'exercer la garantie des traités de Westphalie, nous ne croyons pas devoir nous y livrer, puisqu'on ne nous a fait aucune requisition là dessus, et que nous donnerions lieu par là à une quantité de discussion qu'il est bon d'éviter dans la circonstances présente". Zum Kontext siehe: Auerbach, La France et le Saint-Empire, S. 371. Choiseul befürchtete, daß, falls Frankreich zu oft aus eigenem Antrieb von seinem Recht Gebrauch machen würde, dies von den Gegnern zur Diskussion gestellt werden könnte: „Je suis de plus en plus confirmé dans ce sentiment [...] que nous compromettions pour cet objet le droit avoué de la garantie, car il ne seroit pas possible que ce droit, si nous en faisions usage en toute occasion et sans en être requis formellement, fut à la fin attaqué". AAE CP Allemagne 605, fol. 272'-273r, Choiseul an Pfeffel, 28. Mai 1759, fol. 272'. AAE CP Autriche 265, fol. 293-300', Choiseul an Bernis, 14. August 1758, fol. 296'"v.

II. Der Westfälische Frieden und die französische

Reichspolitik

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Triumph - hingegen sprechen die kaiserlichen Minister nur mit Unwillen über ihn; sie würden ihn gern ungeschehen machen, und da ihnen dies nicht gelingt, versuchen sie ihn durch eigenwillige Auslegungen zu umgehen".4

In dieser Spannung zwischen der selbstauferlegten Pflicht Frankreichs, als Wächter der Reichsverfassung und Protektor der Reichsstände zu agieren und zugleich Verbündeter des Kaisers im Kampf gegen zwei Reichsstände zu sein, sah Praslin die grundsätzliche Problematik des „neuen Systems". Um diesem „Systemfehler" keine die Allianz sprengende Wirkung zu verschaffen, müsse man in den Verhandlungen äußerste Sorgfalt walten lassen.5 Den Eindruck, daß seine Gesprächspartner kein Interesse an Diskussionen über den Westfälischen Frieden hatten, gewann auch Praslins Nachfolger Châtelet, der überzeugt war, daß das Festhalten am Westfälischen Frieden Frankreich weiterhin seinen großen Einfluß im Reich sichern werde. Dies müsse dem kaiserlichen Hof immer wieder vor Augen geführt werden.6 Ob aber die Wiener Regierung dem Westfälischen Frieden tatsächlich so viel Skepsis entgegenbrachte, wäre noch zu klären. Im Frieden von Hubertusburg, der das Reich einschloß, wurde er ausdrücklich bestätigt.7 Die Sondierungen des russischen Gesandten Soltikow, ob Frankreich an der Etablierung eines sächsischen Prinzen - als Kompensation für den Verlust von Ansprüchen in Polen in einem säkularisierten Bistum interessiert sei, beschied Praslin unmittelbar nach Abschluß des Hubertusburger Friedens abschlägig. Einem solchen Projekt, das derart offensichtlich gegen den Westfälischen Frieden und die Reichsverfassung verstoße, werde man niemals zustimmen.8 Die Erhaltung der im Westfälischen Frieden kodifizierten Reichsverfassung

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AAE CP Autriche 281, fol. 348r-357v, Praslin an Choiseul, 27. Februar 1761, fol. 355v-356r: „Vous aurés sans doute éprouvé, Monsieur, pendant vôtre séjour ici qu'il n'y a rien de si difficile et de si désagreable à traiter que les affaires de l'Empire. La raison en est toute simple. C'est que dans la discussion de ces affaires nous parlons sans cesse d'une base différente et que nous n'avons ni le même code ni le même intérêt sur cette matière. L'autorité de l'Empereur est le principe de la cour de Vienne, et nous soutenons les privilèges et l'indépendance des États de l'Empire. La paix de Westphalie est nôtre regle et notre triomphe - les ministres impériaux n'en entendent parler qu'avec humeur; ils voudroient l'anéantir, et n'y pouvant parvenir, ils cherchent au moins à l'éluder par des interpretations forcées". Ibid. fol. 356' v : „II ne faut pas se dissimuler, Monsieur, que cette diversité ou plutôt cette opposition de principes et d'intérêt est le vice essentiel de nôtre système; que le maintien de ce système nouveau et peu naturel exige de part et d'autre beaucoup de sagesse; que la sagesse humaine est sujette à se démentir; et qu'un édifice élevé sur ce fondement ne peut estre considéré comme inébranlable". AAE CP Autriche 283, fol. 1 l'-18 v , Châtelet an Choiseul, 5. August 1761, fol. 16'-17r, 18r: „Les assurances que je renouvelle sincèrement en toute occasion de la ferme résolution où le Roi est de ne s'écarter par quelque considération que ce puisse estre, de ses engagemens avec l'Empire comme garant du traité de Westphalie, y sont reçus avec des transports de joye et de reconnoissance qui dévoilent assés les inquiétudes que notre conduite avec cette cour et les démarches de son ministre ont occasionné et je suis persuadé qu'en ne s'écartant pas de ce principe et en le prenant toujours pour base de notre conduite en Allemagne le Roy y conserva toute sa prépondérance que la dignité de sa couronne et son intérêt politique peuvent lui faire désirer [...]; le Roy ne peut ni ne veut s'écarter des obligations que luy impose la garantie d'un traité qu'il a pris pour base de tous ceux qu'il a signé depuis l'alliance". Vgl. Artikel 19 des Hubertusburger Friedens: „Tout l'Empire est compris dans les stipulations des Articles [...] et moyenannt cela tous Ses Princes et Etats jouiront en plein de l'effet desdites stipulations [...] La paix de Westphalie et toutes les autres constitutions de l'Empire sont aussi confirmées par le présent Traité de paix", zit. nach Consolidated Treaty Series, Bd. 42, S. 355. AAE CP Autriche 294, fol. 3'-6 r , Praslin an Châtelet, 2. März 1763 fol. 4 v -5 r : ,>1. de Soltikow m'a fait hier, M., une proposition qui m'a parû extraordinaire dans le moment present. Il m'a dit que sa souveraine s'intéressant au Roi de Pologne et à sa famille proposoit au Roi de se concerter avec lui pour faire séculariser

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Β. Die Perzeption

des Alten

Reiches

blieb auch nach 1763 eines der Fundamente der französischen Reichspolitik. Der Sicherung des Gleichgewichts zwischen Kaiser und Reich, Katholiken und Protestanten müsse alle Aufmerksamkeit Frankreichs gelten: „Ich kann Ihnen eines von vornherein sagen, Monsieur, nämlich daß, da es im Interesse des Königs liegt, ein Gleichgewicht zwischen d e m Kaiser und dem Reich zu bewahren, zwischen den katholischen und protestantischen Ständen, entsprechend dem Westfälischen Frieden, dessen Garant der König ist, und da er zugleich durch ein unparteiisches Auftreten das Vertrauen beider Seiten erwerben möchte, Sie ihre Äußerungen und Schritte an diesen Prinzipien ausrichten müssen". 9

Das von Praslin festgestellte grundsätzliche Dilemma der französisch-österreichischen Allianz, der ständige Spagat zwischen Bündnistreue zu Wien bei gleichzeitigem Werben um das Vertrauen der antikaiserlichen Opposition im Reich, hatte Auswirkungen auf die französische Stellung im Reich. Eine unmittelbare Konsequenz der Allianz sah Praslin im spürbaren Niedergang des französischen Ansehens. Es sei noch nicht gelungen, eine neue Klientel aufzubauen, die an die Stelle des Königs von Preußens und der Protestanten treten könne.10 Seine zunehmende Isolation am Reichstag stellte zur gleichen Zeit auch Mackau fest. Vertrauen könne er derzeit nur dem schwedischen und dem sächsischen Vertreter am Reichstag. Die Situation nutze der Kaiser zu seinen Gunsten aus, indem er nicht davor zurückschrecke, die Franzosen für zweifelhafte Unternehmungen zu verpflichten. Mackau re^te an, den Kaiser darum zu bitten, auf die französische Position mehr Rücksicht zu nehmen. Schon früh begann man zu überlegen, wie Frankreich seine Aufgabe, die , juste balance" zwischen Kaiser und Ständen aufrecht zu erhalten, auch nach einer Niederlage Friedrichs II. erfüllen könnte. Den ausführlichen Bericht über seine Verhandlungen am SachsenWeimarischen Hofe nahm Folard im Januar 1757 zum Anlaß, Außenminister Rouillé einige grundsätzliche Überlegungen über die Konsequenzen möglicher Kriegsziele zu übermitteln. Der Gesandte warnte vor einer zu weitgehenden Schwächung Preußens. Dies würde nicht nur den Ruin der Protestanten, sondern auch den Zusammenbruch der Reichsverfassung bedeuten. Angesichts der Konversion bedeutender protestantischer Fürsten zum Katholizismus bedürfe der Protestantismus eines mächtigen Protektors im Reich. Diese Funktion erfülle allein der König von Preußen. Frankreich werde von der Sicherung der Mittelmacht Preußen quelqu'un des évêchés qui pourront servir à l'établissement d'un prince de cette maison. J'ai répondu d'abord qu'il étoit bien tard pour songer à des sécularisations après que les élections avoient été faites, j ' a i ajouté que je rendois compte au Roi de cette ouverture, mais que d'avance je pouvois lui dire que le Roi ne pourroit se prêter à un arrangement aussi contraire au traité de Westphalie dont il est le garant et le protecteur, et que la cour de Vienne y seroit également oposée, puisque ce serait agir directement contre les constitutions de l'Empire et les capitulations de l'Empereur. Je ne doute pas que la cour impériale ne porte le même jugement que nous de cette étrange proposition". 9

AAE CP Allemagne 624, fol. 54'-55 r , Choiseul an Du Buat, 2. März 1763, fol. 54' v: „Ce que je puis dire à l'avance, M., que c'est que comme il est de l'intérêt du Roy de tenir la balance égale entre l'Empereur, et l'Empire, les États catholiques et les Protestants, conformément aux traités de Westphalie dont le Roy est le garant, et de s'attirer par une conduite impartiale la confidence des uns et des autres, vous devez en général regier vôtre langage et vos démarches sur ces principes". Auerbach, La France et le Saint-Empire, S. 384-385.

10

AAE CP Autriche 281, fol. 348 r -357\ Praslin an Choiseul, 27. Februar 1761, fol. 356r: „Nous éprouvons même déjà la diminution de nôtre crédit dans l'Empire, parce que nous avons perdu une partie de nos anciens amis qui etoient les Protestants sans en acquérir de nouveaux parmy les Catholiques qui sont presque tous devoüés à la maison d'Autriche". Vgl. Kapitel Β I. 1.

"

II. Der

Westfälische

Frieden

und die

französische

Reichspolitik

117

nur profitieren, d e n n z u m e i n e n s e i d i e M a c h t Brandenburg-Preußens d a s E r g e b n i s französis c h e r Politik u n d z u m a n d e r e n verursache d i e s o aufrecht erhaltene „ b a l a n c e d e p o u v o i r " d e m K ö n i g als G a r a n t e n der R e i c h s v e r f a s s u n g w e n i g e r K o s t e n . 1 2 D i e E x p a n s i o n s l u s t Friedrichs d e s G r o ß e n s a h Folard als e t w a s g a n z N a t ü r l i c h e s a n - u n d s c h o n gar n i c h t als Grund, die p r e u ß i s c h e M a c h t a u f D a u e r z u vernichten. 1 3 F o l a r d plädierte für d i e A b t r e n n u n g S c h l e s i e n s , aber nicht, u m e s w i e d e r unter d i e H e r r s c h a f t der H a b s b u r g e r z u stellen, s o n d e r n u m m i t der Ü b e r l a s s u n g der P r o v i n z a n S a c h s e n - P o l e n e i n e n P u f f e r z w i s c h e n Österreich u n d P r e u ß e n z u schaffen. A u c h M a c k a u s t i m m t e F o l a r d z u , d a s R e i c h b r a u c h e a l s G l e i c h g e w i c h t s s y s t e m e i n Geg e n g e w i c h t z u m K a i s e r . E s g e l t e , n i c h t nur e i n e n „Ersatz" für P r e u ß e n z u f i n d e n , sondern a n g e s i c h t s der M a c h t v e r s c h i e b u n g e n , unter d e n e n a u c h H a n n o v e r z u l e i d e n hätte, bedürfe es einer g e n e r e l l e n N e u o r d n u n g : „Es wäre notwendig, einen neuen Plan zur Verteilung der Macht in Deutschland zu entwerfen, und in diesem Fall müßte man einen neuen Westfälischen Frieden konzipieren". 14 In d i e s e n Ä u ß e r u n g e n w i r d deutlich, d a ß d i e

französischen

Diplomaten keineswegs auf jeg-

l i c h e n E i n f l u ß a u f d i e G e s t a l t u n g d e s R e i c h e s v e r z i c h t e n w o l l t e n . C h o i s e u l notierte, daß i n e i n e m zukünftigen Frieden die

französische

Garantie erneut b e s t ä t i g t w e r d e n m ü s s e . 1 5 Einer

S c h w ä c h u n g der p r o t e s t a n t i s c h e n Partei i m R e i c h k ö n n e m a n unter k e i n e n U m s t ä n d e n zustimmen: „Wir wissen, Monsieur, daß der Wiener Hof sich seiner Allianz mit dem König gerne bedienen möchte, um seine Macht im Reich zu vergrößern und vor allem u m die Protestanten auf Kosten des Westfälischen Frieden zu erniedrigen. Aber Sie werden erkannt haben, daß wir weit davon entfernt sind, zu diesem System die Hand zu reichen. In diesem Geist haben wir jenen Frieden unseren Verträgen mit dem Wiener Hof zu Grunde gelegt, und Sie haben bemerkt, daß wir seitdem sehr genau - vor allem gegenüber den Protestanten - dies e m W e g gefolgt sind. Wir haben den kaiserlichen H o f daran gehindert, unüberlegte Maßnahmen gegen sie einzuleiten, die sowohl den eigenen Interessen als auch dem Westfälischen Frieden widersprechen". 1 6

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AAE CP Allemagne 593, fol. 56'-81 r , Folard an Rouillé, 8. Januar 1757, fol. 7 f - 7 2 r : „II faudrait savoir si le Roi de France est engagé à détruire la puissance du Roi de Prusse ou seulement à laisser reprendre la Silésie à l'Impératrice, que le premier cas entraîneroit la ruine des Protestants et de la liberté germanique qui en dépend, parce qu'après les pertes que la religion protestante a fait en Allemagne depuis la paix de Westphalie de tant de princes considérables qui l'ont quitté pour la Religion catholique [...] il faut absolument une puissance protestante qui ait intérêt et le pouvoir de protéger la Religion protestante, que celle de Prusse a ces deux qualités, qu'elle est l'ouvrage de la France qui y trouve aussi son avantage en ce que la garantie de la paix de Westphalie lui est plus aisée et moins onéreuse tant qu'il y a dans l'Empire une certain balance de pouvoir". „Qu'à la vérité le roi de Prusse abuse du sien, mais cet inconvénient a été prévu, qu'il est personnel à ce prince, qu'il est commune à toutes les puissances, que ce n'est une raison pour le détruire", ibid. fol. 72 v -73 r . AAE CP Allemagne 601, fol. 253 r -256 v , Mackau an Bemis, 16. August 1758, fol. 254': „il seroit nécessaire de former un nouveau plan dans la distribution du pouvoir germanique et en ce cas il faut projeter un nouveau traité de Westphalie"; vgl. auch ibid. fol. 234-236', Depesche Mackaus vom 24. Juli 1758. AAE CP Allemagne 610, fol. 3'-12 v , „Mémoire politique pour M. le maréchal de Broglie", 6. Juni 1760; siehe auch: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 4, S. 459. AAE CP Autriche 275, fol. 434'^»37 v , Choiseul an Praslin, 18. April 1760, fol. 434'" v : „Nous savons, Monsieur, que la cour de Vienne voudroit se servir de son alliance avec le Roi pour augmenter son autorité dans l'Empire, et surtout abaisser les Protestants aux dépens même de la paix de Westphalie, mais vous avez

118

Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Aus französischer Sicht sollte die Allianz mit Wien vor allem der Sicherung des Status quo dienen. Und dieser war um 1756 durch die erhebliche Schwächung Österreichs gekennzeichnet, das mit Schlesien eine der reichsten und produktivsten Provinzen verloren hatte. Man sah sich in Versailles als Korrektiv des Kaisers, aber anders als Folard konnte sich Choiseul durchaus mit der vollständigen Rückstufung Preußens zu einer zweitrangigen Macht anfreunden, wie sie von Kaunitz propagiert wurde.17 Denn von der Zerschlagung Preußens werde unweigerlich ein anderer profitieren, sei es Sachsen oder Rußland, und dieser werde dann das notwendige Gegengewicht zur kaiserlichen Macht im Reich bilden. Den Gegnern Frankreichs blieb nicht verborgen, daß die Garantie und die Allianz mit Wien der französischen Intervention in diesen Krieg weit mehr Legitimität verlieh als früheren Akten dieser Art. Eine am Reichstag kursierende antifranzösische Schrift griff die Versicherungen Frankreichs auf und warf Ludwig XV. vor, wie seinen Vorgängern gehe es ihm nur um neue Eroberungen. Ziel sei diesmal die Annexion der preußischen Provinzen am Rhein und in Westfalen. Mackaus Erklärung über die Wahrnehmung der Garantie und der Verpflichtung Frankreichs, das Reich und insbesondere die Koexistenz der Konfessionen schützen zu wollen, wurde zurückgewiesen.18 Friedrich der Große kommentierte gewohnt zynisch die französische Legitimationsstrategie. Den Befehlshaber der in Westdeutschland operierenden Truppen, Ferdinand von Braunschweig, forderte er 1758 auf, die Franzosen zu vertreiben: „Könnten Sie sie aus Deutschland hinauswerfen und sie mit Lilien schmücken, indem Sie ihnen die Initialien des Westfälischen Friedens auf den Hintern stempeln?"19

Die Sorge um den Fortbestand des Reiches war demnach bei seinen Garanten ausgeprägter als bei einem der bedeutendsten Reichsstände. Dieser Ausspruch Friedrichs belegt zugleich seine Verachtung für den Reichsverband. Auch wenn er sich nach 1763 und insbesondere mit der Begründung des Fürstenbundes (1785) zum Protektor des Reiches ausrief, blieb die Politik des Königs „letztlich gegen die Existenzgrundlage des Reichsverbandes gerichtet, für den das Auftreten dieses Friedrichs gleichsam die Endzeit ankündigte".20 Es gab aber auch Stimmen in Deutschland, die auf die Intervention des Garanten hofften. Voltaire zitierte eine „grande princesse", die in Friedrichs Überfall auf Sachsen eine Gefahr für das Reich sehe und von Frankreich erwarte, die Rechte der Reichsstände zu schützen.21

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pû reconnoitre que nous sommes fort éloignes de nous prêter à ce système. C'est dans cet esprit que nous avons établi cette paix pour base de nos traités avec la cour de Vienne, et vous avez vû que nous nous y sommes conformés depuis très rigoureusement surtout par rapport aux Protestants, et que nous avons empêché la cour impériale de faire contre eux des entreprises hazardées qui étoient aussi contraire à ses propres intérêts qu'à la paix de Westphalie". Zwei Jahre zuvor hatte Choiseul noch anderes berichtet, vgl. unten S. 263. „Preussen muß übem Hauffen geworfen werden, wann das durchlauchigste Erzhauss aufrecht stehn soll", forderte Kaunitz 1755; Beer, Denkschriften des Fürsten Kaunitz, S. 39. AAE CP Allemagne Suppl. 13, fol 303Γ-304ν, „Parallèle du temps présent avec le passé donné dans la conduitte ennemie de la France vis à vis de l'Allemagne à l'occasion de la présente guerre". Es handelte sich um eine Reaktion auf die Erklärung, die Mackau am 26. April 1757 in Regensburg veröffentlichte, vgl.: Auerbach, La France et le Saint-Empire, S. 358-359; siehe auch: AAE CP Allemagne 592, fol. 46r-47v, Mackau an Bemis, 27. Mai 1757, fol. 47r_v. „Puissiez-vous les balayer hors de l'Allemagne et les fleurdeliser, en leur imprimant sur le c[ul] les marques initiales de la paix de Westphalie?" Zit. nach: Kroener, Militärischer Professionalismus, S. 99. Press, Friedrich der Große als Reichspolitiker, S. 55-56. Voltaire, Correspondance choisie, S. 420.

II. Der Westfälische Frieden und die französische Reichspolitik

119

Abschließend muß aber noch einmal daran erinnert werden, daß der Westfälische Frieden, auf den sich beginnend mit Rouillé alle Außenminister Ludwigs XV. beriefen, nicht mehr das tatsächliche Vertragswerk von 1648 war. Ein Jahrhundert nach seiner Unterzeichnung hatte der Frieden eine Vielzahl von Änderungen erfahren, sei es in konfessionellen, territorialen oder verfassungsrechtlichen Fragen. Der Kurfürst von der Pfalz, der einst an der Spitze der protestantischen Union stand, bekannte sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zum Katholizismus.22 Schweden hatte weite Teile Vorpommerns und das Fürstentum Bremen abgeben müssen und seine Vormachtstellung im Ostseeraum an Rußland verloren. Im kurfürstlichen Kollegium war für Hannover eine neue Kur eingerichtet worden, der Kurfürst von Brandenburg hatte sich zum König in Preußen gekrönt.23 Der Westfälische Friede, der seit 1756 immer wieder zur Sprache kam, kann als ein lieu de mémoire der französischen Außenpolitik bezeichnet werden: Ein mittlerweile beinahe mythisches Ereignis, Angelpunkt der deutsch-französischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit, das zugleich aber auch ein realer Gegenstand des außenpolitischen Alltags war, mit dem sich die Diplomaten ständig beschäftigten und auf den immer wieder zurückgegriffen wurde.24

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Vgl. Press, Zwischen Versailles und Wien, S. 230-236. Vgl. zu diesen Entwicklungen allgemein Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1 und 2. Zur Frage, inwieweit der Friede als ein gesamteuropäischer lieu de mémoire gedeutet werden kann: Duchhardt, Der Westfälische Frieden als lieu de mémoire in Deutschland und Europa, bes. S. 45-46; zum Begriff des lieu de mémoire vgl. Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis, S. 7-33; Externbrink, Staatensystem und kulturelles Gedächtnis.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

Erste Reaktionen auf den Kriegsausbruch 1756 Übereinstimmend berichteten die französischen Gesandten aus allen Teilen Deutschlands von der Aufregung, die der Kriegsausbruch hervorgerufen hatte. Man erwartete, daß sich aus der Besetzung Sachsens und wegen des österreichisch-preußischen Krieges ein das ganze Reich erfassender Flächenbrand entwickeln werde.1 Der Eindruck, das Vorgehen Friedrichs wirke destabilisierend auf das gesamte Reich, wurde durch Berichte wie die des Baron Zuckmantels über antikatholische Ausschreitungen in Erfurt verstärkt. Dort empörten sich die mehrheitlich protestantischen Zuschauer einer Hinrichtung über die antiprotestantische Predigt des Jesuiten, der den zum Katholizismus konvertierten Delinquenten zur Richtstätte begleitete. Im darauf entstandenen Aufruhr sei der Jesuit schwer verletzt und ein Ordensbruder getötet worden. Der „Pöbel" habe dann mit der Zerstörung der katholischen Kirchen und der Ermordung aller Katholiken gedroht. Erst als die Garnison der Zitadelle mit der Beschießung der Stadt drohte, habe sich der Aufruhr gelegt. Der Kurfürst von Mainz messe diesen Unruhen nicht viel Bedeutung zu, so Zuckmantel. Der französische Gesandte vermutete jedoch, daß in Mainz durchaus weitergehende Konsequenzen befürchtet würden, falls man versuche, diese „aventure" zu einer religionspolitischen Grundsatzfrage zu erklären, und der König von Preußen sich entschließe, aus dem Ereignis Kapital für seine eigenen Zwecke zu schlagen: „In der Tat bedarf es in der krisenhaften Situation, in der sich Deutschland derzeit befindet, nur eines Funkens, um einen Flächenbrand auszulösen. Dies um so mehr, als der König von Preußen, der vor den Toren Erfurts stellt, sich unzweifelhaft nicht den Protestanten entziehen wird, wenn sie ihn anrufen, und er würde die Gelegenheit nutzen und den vorgeschobenen religiösen Ansprüchen, mit denen er seine Gefolgschaft zu vergrößern sucht, etwas mehr Gehalt zu verschaffen".2

Auch in Frankreich erregte der Einmarsch preußischer Truppen in Sachsen großes Aufsehen. Der König, seine Minister und selbst die Öffentlichkeit seien schockiert und beleidigt durch das Vorgehen Friedrichs, meldete der österreichische Botschafter Graf Starhemberg nach Wien, und man sei bereit, die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Wien - allerdings auch nicht mehr - sofort zu erfüllen.3 Die von ihm beobachtete entschlossene, zugleich aber

2

3

Vgl. zu weiteren Reaktionen und Berichten unten Kap. C I. 2. AAE CP Palatinat 83, fol. 38'-42\ Zuckmantel an Rouillé, 8. Oktober 1756. fol. 42': „Et en effet il ne faudrait dans un moment de crise telle que celui où l'Allemagne se trouve qu'une étincelle pareille pour causer un incendie général; d'autant plus qu'il n'est pas douteux que le Roi de Prusse tout à portée d'Erfort, ne tende pas la main aux protestants, s'ils ont recours à lui et ne saisisse cette occasion de donner quelque couleur aux faux prétextes de religion, par lequelles il cherche à grossir son parti". Als Friedrich der Große im September 1757 in Erfurt einmarschierte, bereiteten ihm die Einwohner einen triumphalen Empfang; vgl.: Duffy, Friedrich der Grosse, S. 198. Volz; Küntzel, Akten, Starhemberg an Kaunitz, 9. September 1756, S. 578-579: „On voudrait [...] ne pas s'avancer au delà de ce qu'on est strictement obligé de faire en vertu du traité de Versailles [...] on s'en tiendrait uniquement au secours stipulé de 24 000 hommes et ne ferait rien de plus [...] Il y a lieu de se flatter,

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

121

weitere Verpflichtungen (noch) ablehnende Haltung des Königs und seiner Minister findet sich auch in einer frühen Reaktion von Außenminister Rouillé. In einer Antwort auf erste Nachrichten vom Vormarsch Friedrichs enthielt dieser sich noch einer eindeutigen Wertung der Ereignisse. Es sei noch zu früh, die gesamteuropäische Dimension seines Vorgehens zu beurteilen: „Man muß zugeben, daß die Ereignisse in Deutschland außergewöhnlich sind, aber wir können noch nicht genau abschätzen, w e l c h e Veränderung in den allgemeinen Angelegenheiten die v o m preußischen König auf Drängen des Königs von England neu geschaffene Szene auf Europas politischem Theater herbeifuhren wird". 4

Die - falsche - Vermutung, Friedrich handele in Abstimmung und auf Befehl Londons5, zeigt, daß Rouillé sich darüber im klaren war, daß es sich hier nicht um einen auf zwei Reichsstände begrenzten Konflikt handelte und daß Frankreich nicht untätig den weiteren Ereignissen zusehen werde. Das gesamte Reich sei jetzt gefragt, England-Hannover und Preußen Einhalt zu gebieten, die durch ihr rechtswidriges Vorgehen befreundete Stände zweifellos von ihren Verpflichtungen entbunden hätten: „Wir sind davon überzeugt, daß die wohlmeinenden Fürsten und Stände Deutschlands nicht nur ihnen [den Briten und Preußen, S. E.] keine Unterstützung gewähren werden, sondern auch, daß sie den notwendigen Maßnahmen keine Schwierigkeiten bereiten, die von Frankreich und anderen befreundeten Höfen zum Schutz seiner Verbündeten und z u m Erhalt des Reiches, dessen ausdrücklicher Garant seine Majestät ist, getroffen werden". 6

Damit skizzierte Rouillé die Haltung Frankreichs gegenüber dem Reich, die auch seine Nachfolger für die Dauer des Siebenjährigen Krieges übernahmen und gegenüber den Reichsständen und dem Kaiser immer wieder betonen sollten. Frankreich verfolge keine territorialen Interessen im Reich, es gehe allein um die Bewahrung des Reiches in seiner durch den Frieden von Münster und Osnabrück geschaffenen Form. Für Frankreich bedeutete dies auch eine neue Situation. Es galt nicht mehr, das Reich dem Kaiser zu entfremden, was noch den Kern französischer Bemühungen um die Schaffung einer „Dritten Partei" im letzten Drittel des 17. Jahrhundert und später bildete, sondern das Reich mußte gegen einen Friedensstörer aus den eigenen Reihen mobilisiert werden. Und im Gegensatz zu den vorangegangenen Konfrontationen zwischen Frankreich und dem Reich mußte darauf gedrungen werden, daß möglichst schnell Maßnahmen gegen Friedrich II. beschlossen und umgesetzt würden.

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au reste, que la levée de bouclier du roi de Prusse et tout le procédé de ce Prince, dont le roi T. C., le ministère et tout le public sont choqués, indignés et même offensés au possible, lèveront une grande partie des difficultés qui subsistent encore au sujets de point à convenir". AAE CP Hambourg 78, fol. 133 r -135 v , Rouillé an Champeaux, 20. September 1756, fol. 133'; „II faut convenir que les événements qui viennent d'arriver en Allemagne sont très extraordinaires, mais nous ne pouvons pas savoir exactement quel changement peut apporter dans les affaires générales la nouvelle scène que le roi de Prusse à l'instigation du roi d'Angleterre vient d'ouvrir sur le théâtre politique de l'Europe". Friedrich handelte zwar aus eigenem Antrieb, erhielt aber die Rückendeckung Londons, wo durch eine publizistische Offensive sein Vorgehen verteidigt wurde,Schlenke, England und das friderizianische Preußen, S. 227-230. AAE CP Hambourg 78, fol. 133'-135 v , Rouillé an Champeaux, 20. September 1756, fol. 134 r_v : „Nous sommes persuadés que les Princes et États d'Allemagne bien intentionés non seulement ne leur [England und Preußen, S.E.] donneront aucun secours mais que même ils ne feront aucune difficulté de se prêter aux mesures que la nécessité exigera qui soient prises par la France et d'autres cours amies tant pour la protection de ses alliés que pour la conservation du sistème de l'Empire dont sa Majesté est expressément garante".

122

Β. Die Perzeption des Alten Reiches

I. Die Reichsexekution und der Achtprozeß gegen Preußen Die Reichsexekution Der Reichstag war das entscheidende Organ für die Verurteilung Friedrichs II. als Landfriedensbrecher und für die Einleitung der gegen ihn vorgesehenen Sanktionen.1 Nach Kriegsausbruch war Frankreich nicht sofort in der Lage, in die Beratungen einzugreifen. Wie schon erwähnt, befand sich der französische Gesandte in Regensburg, Abbé Le Maire, zu diesem Zeitpunkt in Solothurn bei seinem Kollegen Chavigny, als dessen Sekretär er seine diplomatische Laufbahn begonnen hatte.2 Le Maire hatte sich vor Abschluß des Versailler Vertrags mehr oder weniger offen den Direktiven aus Versailles widersetzt und hoffte, mit Hilfe Chavignys, einem der erfahrensten französischen Diplomaten, seinen Konflikt mit dem Ministerium beizulegen. Letzterer warb beim Minister um Verständnis für den Abbé denn schließlich sei es nicht so einfach, „von einem Extrem ins andere zu wechseln".3 Die Aktivitäten des Reichstags beobachtete unterdessen der Vertreter Le Maires, La Carrière. Le Maire kehrte 1757 noch einmal nach Regensburg zurück, wurde dann aber vom Straßburger Baron Mackau abgelöst. Schon Mitte September lag dem Reichstag ein kaiserliches Dekret vor, in dem Friedrich II. nicht nur zum sofortigen Rückzug aus Sachsen aufgefordert wurde, sondern auch seine Soldaten und Offiziere kraft kaiserlicher Macht ihres Treueides gegenüber dem König entbunden wurden. Mit diesem Dekret überschritt der Kaiser jedoch seine Kompetenzen, da nach Gewohnheitsrecht eine Auflösung der Dienstpflicht erst nach einer Achterklärung erfolgen konnte.4 In den folgenden Wochen brachten sowohl Wien als auch Berlin eine Vielzahl von Dekreten und Erklärungen in den Reichstag ein und begannen damit eine intensive publizistische Auseinandersetzung.5 Zu den wichtigsten Publikationen gehört zweifellos das kaiserliche Hofdekret vom 10. Oktober. Darin informierte Maria Theresia die in Regensburg versammelten Vertreter der Reichsstände über die „preußischerseits wider des Königs in Pohlen, Churfiirsten zu Sachsen Majestät und Liebden in dessen Sächsischen Churlanden, ja wider die eigene Person des Königs in Pohlen, und wider das ganze Königl. Chur= Sächsische Hauß ausübende, noch immer fortdauernde Gewalttaten und Zudringlichkeiten".6 Gegen diese Verletzung ,,alle[r] Natur- und Völker Rechte" rief die Kaiserin das Reich zur Hilfe und forderte den Beistand der Garanten des Westfälischen Friedens ein: „Zu diesem Ende gehen wir in einer, alle Mächte, welchen an der Aufrechterhaltung der menschlichen Gesellschafts-Bande gelegen ist, gleich betreffenden Sache die mehreste Christliche Höfe sonderbar die Cronen Frankreich und Schweden, als die Garanten, und Gewehrleistere des Westphälischen Friedens, wie nicht weniger jene an, welche noch ins-

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Die folgenden Ausführungen nach: Externbrink, Frankreich und die Reichsexekution. Ebbecke, Frankreichs Politik gegenüber dem deutschen Reiche, S. 83, Anm. 195. AAE CP Allemagne 588, fol. 4Γ-5Γ, Chavigny an Rouillé, fol. 4r: „de passer si vite d'une extrémité à l'autre". Über Le Maires Auseinandersetzung mit Rouillé vgl.: Ebbecke, Frankreichs Politik gegenüber dem deutschen Reiche, S. 90-104, 121-131; Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 345-350. Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 42-47. Eine neue Darstellung des Krieges aus der Perspektive des Reiches jetzt bei Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 271-278. Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 47-59. Faber, Europäische Staatscantzley, Bd. 111, S. 732-737, Zitat S. 732.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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besondere verbunden seynd, Uns bey einem so ungerechten Anfall hiilfflich beyzuspringen".7 Damit war das Verfahren gegen Friedrich wegen Bruchs des Landfriedens eröffnet. Wien strebte den Beschluß einer Reichsexekution und die Verhängung der Reichsacht über den Preußenkönig an. Für die diplomatischen Überlegungen in Versailles war der Hinweis, man wolle die Kreise um Unterstützung anrufen, zweifellos der entscheidende.8 Durch die Anrufung der Garantiemächte erhielt die geplante französische Intervention darüber hinaus eine hervorragende Legitimation. Maria Theresia wandte sich auch persönlich an Ludwig XV. als Garanten des Westfälischen Friedens.9 In relativ kurzer Zeit folgte das Reich den Forderungen Wiens. Am 17. Januar 1757 „beschloß der Regensburger Reichstag die Reichsexekution gegen Brandenburg-Preußen und die Aufstellung einer ,Reichs-Exekutions-Armee gegen des Königs in Preußen Majestät wegen Dero Überziehung der Chur-Sächsisch- und Chur-Böhmischen Lande'".10 Mit diesem Beschluß des Reichstags und seiner anschließenden Ratifikation durch Kaiser Franz I. war der Überfall auf Sachsen zum Landfriedensbruch erklärt und waren die in der Reichsverfassung für diesen Fall vorgesehenen Maßnahmen in Gang gesetzt worden." Und im März 1757 antworteten auch die Garantiemächte positiv auf den Hilferuf der Kaiserin. Die Gesandten Frankreichs und Schwedens veröffentlichten am Reichstag weitgehend gleichlautende Erklärungen, die die Ankündigung enthielten, daß beide Monarchen ihrer Funktion als Garanten des Reiches nachkommen werden.12 Die Bedeutung der Reichskreise Die Kriegführung des Reiches gehörte in den Zuständigkeitsbereich der Reichskreise. Die zwischen Mai 1681 und April 1682 fixierte sogenannte Reichskriegsordnung, die Helmut Neuhaus zu den letzten Reichsgrundgesetzen der frühen Neuzeit zählt, regelte Aufstellung, Ausrüstung, Versorgung und Finanzierung der von den Reichsständen aufzustellenden Armee, deren Aufgabe es sein sollte, „alle [...] besorgenden Gefährlichkeiten, so dem Reich oder dessen Gliedern zustehen möchten, kräfftiglich abzuwenden". Seitdem entwickelten sich die Reichskreise zur „entscheidenden Ebene für das Reichsmilitärwesen".13 Am intensivsten war das Eigenleben der Reichskreise in den Gebieten des Reiches, die von keinem der größeren Reichsstände (Hannover, Brandenburg-Preußen, Sachsen oder Bayern) dominiert wurden und die zusätzlich einem starken Druck von außen, d. h. in den meisten Fällen der expansiven Politik Ludwigs XIV., ausgesetzt waren. Unter den aktiven Kreisen des Reiches sind vor allem der Fränkische und der Schwäbische Kreis zu nennen. 7

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Ibid. S. 735. Nicht ganz präzise die Darstellung bei: Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 272, der die Anrufung der Garanten nicht erwähnt. Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 55; AAE CP Allemagne 588, fol. 74'-75 v , La Carrière an Rouillé, 7. Oktober 1756. AAE CP Autriche Supl. 15, fol 214r-215r, „Traduction de la lettre de l'Impératrice Reine de Hongrie au Roi du 5 octobre 1756 pour demander à sa Majesté ses secours en vertu de traité de Versailles et des traités de Westphalie dont le Roi est garant". Neuhaus, Das Reich im Kampf gegen Friedrich den Großen, S. 215; Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 80-81; siehe auch: Koch, Der deutsche Reichstag während des Siebenjährigen Krieges, S. 1-57. Zum Abstimmungsverhalten: Thudicum, Der Achtprozeß gegen Friedrich den Großen, S. 170; Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 353. Abgedruckt in: Faber, Europäische Staatscantzley, Bd. 114, S. 293-296. Neuhaus, Zeitalter des Absolutismus, S. 73.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Geringere Aktivität zeichneten den Niederrheinisch-Westfälischen, den Kurrheinischen und den Bayerischen Reichskreis aus, während im Ober- und Niedersächsischen Kreis das Kreisleben im ausgehenden 17. Jahrhundert erlosch.14 Überregionale Bedeutung gewannen die Reichskreise durch ihre Verwicklung in die Kriege der ludovizianischen Ära, als sie sich zu Kreisassoziationen zusammenschlössen und begannen, eine eigene „Außenpolitik" zu betreiben. Die Assoziationen der Jahre 1691 bis 1711 erhoben die beteiligten Kreise beinahe zu eigenständigen Akteuren im Staatensystem. Angesichts dieser, weit über den eigentlichen Wirkungsbereich des Kreises hinausgehenden Tätigkeit verwundert es nicht, wenn entsprechend häufig Diplomaten ausländischer Mächte bei den Kreistagen akkreditiert wurden.15 Konsequenterweise waren mit Beginn des Siebenjährigen Krieges und vor allem nach dem Beschluß des Reichstages Diplomaten aller Parteien an den Residenzen an sich dritt- oder viertrangiger, in den Kreisen aber einflußreicher Reichstände anzutreffen.16 Nach Verabschiedung des oben zitierten Beschlusses waren nun die Kreise aufgerufen, die Kreisstände zu veranlassen, die gemäß der Reichskriegsverfassung festgelegten Truppenstärken auszuheben. Die Kreisversammlungen waren dem Reichsschluß teilweise schon zuvorgekommen. So hatte der Fränkische Reichskreis am 7. Dezember die Einberufung von „drei Simplen" beschlossen, der Niederrheinische Kreis folgte am 24. des Monats.17 Der hier nur in groben Umrissen skizzierten Bedeutung der Kreise fur das Reichsmilitärwesen trug die französische Diplomatie Rechnung. Man war sich in Versailles ihres Gewichtes als Repräsentanten des,/eichischen" Deutschlands bewußt. Die diplomatischen Bemühungen während des Siebenjährigen Krieges setzten damit eine Tendenz fort, die seit den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts zu beobachten war. Im Polnischen Thronfolgekrieg hatte Frankreich versucht, die Assoziation der Kreise zu einer Neutralitätserklärung zu bewegen, und wenige Jahre später bemühte sich Marschall Belle-Isle vergeblich, „die Assoziierten für Frankreich zu gewinnen, sie als Kristallisationspunkt französischer Reichspolitik zu benutzen".18 Schon mit Beginn des Krieges hatten daher die Diplomaten über die zu erwartende Parteinahme der Reichsstände zu berichten. Friedrichs schnelle Erfolge - am 9. September besetzte er Dresden und am 1. Oktober besiegte er die Österreicher bei Lobositz1 - riefen am Rhein blankes Entsetzen hervor.20 Zuckmantel, ministre plénipotentiaire am pfalzischen Hof, beobachtete ein abwartendes Ver14 15

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Hartmann, Der Bayerische Reichskreis, S. 28; vgl. allgemein auch: Dotzauer, Die deutschen Reichskreise. Mohnhaupt, Die verfassungsrechtliche Einordnung der Reichskreise, S. 22-23; die Nördlinger Assoziation trat 1701 der Haager Allianz gegen Ludwig XIV. bei, vgl.: Dotzauer, Die deutschen Reichskreise, S. 6, 39, 41; zu den Kreisassoziationen: Aretin, Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziationen, passim; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 1, S. 298-302, Bd. 2, S. 15-219; zur Präsenz französischer Gesandter an den bayerischen Kreistagen vgl.: Hartmann, Der Bayerische Reichskreis, S. 24. So warb der preußische Gesandte Eickstedt auf einer Rundreise in Schwaben, Franken, Hessen und in den sächsischen Fürstentümern für Friedrich den Großen, vgl.: Meyer, Die Berichte des preußischen Gesandten Eickstedt, passim. Faber, Europäische Staatscantzley, Bd. 112, S. 650-651; Wernich, Beyträge zur neueren Staats- und KriegsGeschichte, Bd. 1, S. 62-63. Hammerstein, Zur Geschichte der Kreis-Assoziationen und der Assoziationsversuche, S. 112. Hammersteins Vermutung (S. 107, Anm. 76), daß nach 1727 die „Assoziierten" eine bedeutende Rolle in der französischen Reichspolitik einnahmen, ist gerade für den Siebenjährigen Krieg zuzustimmen. Vgl. Dußy, Friedrich der Große, S. 149-159. AAE CPPalatinat-DeuxPonts 83, fol. 45-50", Zuckmantel an Rouillé, 9. Oktober 1756, fol. 4 5 ' v : „Toute la cour palatine en [gemeint ist die Schlacht von Lobositz] a été véritablement consterné et les suittes de cette action qu'on dit avoir été extrêmement sanglante, les font craindre les plus grandes revers pour la cour de Vienne".

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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halten der Reichsstände. Keiner wage, sich öffentlich zu Maria Theresia zu bekennen. Er plädierte für geheime Verhandlungen zur Begründung einer antipreußischen Allianz. Durch dieses Verfahren würde auch vermieden, daß derjenige, der sich zuerst auf die Seite Maria Theresias schlüge, zur Zielscheibe preußischer Repressionen werde.21 Frankreichs Werben um den Fränkischen Kreis Die diplomatischen Anstrengungen Frankreichs um die Kreise setzten noch vor dem Conclusum des Reichstags vom 17. Januar 1757 ein. Die Conclusa des Fränkischen und Schwäbischen Kreises zeugen von der Parteinahme des reichischen Deutschlands für den Kaiser und für Maria Theresia. Sie müssen auch auf das erfolgreiche Drängen der französischen Diplomatie zurückgeführt werden. So absolvierte Folard, eigentlich Gesandter in München, im Spätherbst und im Winter 1756-1757 eine Rundreise zu den Mitgliedern des Fränkischen Kreises, bis hin zum Landgrafen von Hessen-Kassel, der über den Besitz von Henneberg-Schmalkalden dem Kreis angehörte.22 Erste Stationen seiner Reise waren die fränkischen Bistümer Bamberg und Würzburg, Aufenthalte bei den Markgrafen von Ansbach und Bayreuth folgten. Folards Aufgabe war es, die genannten Bischöfe zur Parteinahme für den Kaiser und für Frankreich zu bewegen und ihnen die Nachteile einer zur gleichen Zeit intensiv diskutierten Neutralitätserklärung des Reiches vor Augen fuhren. Die Einbeziehung der genannten Fürsten in die diplomatische Intervention erklärt sich aus deren Bedeutung in einem „Subsystem" des Reiches. Die Markgrafen und der Bischof von Bamberg teilten sich die Leitung des Fränkischen Kreises. Zwar übe der Bischof von Würzburg - so heißt es in der Instruktion - keines der Führungsämter am Fränkischen Kreis aus, doch als Herrscher über eines der bedeutendsten Territorien Frankens stelle er einen wichtigen regionalen Machtfaktor dar.24 Den Ansbachem und Bayreuther Markgrafen sollte Folard die verbrecherischen Absichten Englands und Preußens vor Augen führen, die die Verteidigung des Protestantismus als Vorwand für ihre expansionistischen Ziele nützen würden. Man war sich in Frankreich der exponierten geopolitischen Lage der genannten Stände und nicht zuletzt auch der verwandtschaftlichen Beziehungen Ansbachs und Bayreuths zu Preußen bewußt. Daher sollte Folard vorerst nur darauf drängen, daß sie zu ihrem eigenen Schutz die Kontingente des Kreises ausheben und sich jeglicher Parteinahme für Hannover und Preußen enthalten sollten. Schon dadurch würden die Maßnahmen unterstützt, die man mit Wien für die „Protektion sowohl der katholischen als auch protestantischen Alliierten und zum Erhalt des deutschen Systems" treffe.25 Folard traf durchaus auf Widerstand und Skepsis gegenüber dem Plan einer spürbaren Schwächung Preußens. Distanzierte sich Markgraf Karl Wilhelm Friedrich von Ansbach nach anfänglichen Versuchen, eine neutrale Haltung einzunehmen, von seinem Schwager

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Ibid. fol. 71 r -75 v , Zuckmantel an Rouillé, 12. Oktober 1756, fol. 72v: „Tous les Princes de l'Empire se demandent les avis des uns des autres et cherchent à pénétrer réciproquement leurs résolutions: mais personne n'ose se déclarer le premier et par conséquent rien ne se fait. Il faudrait absolument qu'on parvient à les réunir secrètement, afin de pouvoir ensuite éclater tout à la fois, pour éviter que personne ne puisse être accusée d'avoir montré l'exemple". Dotzauer, Die deutschen Reichskreise, S. 134, 148. Siehe unten Abschnitt Β. III. 2. Recueil des instructions, Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 340. Ibid. S. 342: „protection des alliés soit catholiques soit protestantes et pour le maintien du système germanique".

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Β. Die Perzeption

des Alten

Reiches

und ergriff schließlich eindeutig Partei für Wien26, so repräsentierte Friedrich II. in den Augen der Berater des Markgrafen von Bayreuth den einzigen Schutz vor Anschlägen auf die deutsche „Libertät" und Religionsverfassung. Diese Auffassung sei, so Folard, auch am Reichstag weit verbreitet und werde dort sogar vom schwedischen Gesandten geteilt. Die Versicherung Folards, Frankreich werde die Reichsstände gemäß seiner Verpflichtung als Garant der Reichsverfassung verteidigen, stieß auf Skepsis. 7 Man befürchtete ein französisches Desinteresse am Reich, wenn Frankreich erst einmal in einem Kolonialkonflikt verwickelt sein werde. Dann könnte man der österreichischen Vormacht nichts mehr entgegenstellen.28 Wie sollte man in Versailles auf dieses Stimmungsbild reagieren? Frankreichs Interesse am Reich war konservativ: Man wollte den Fortbestand des zuletzt 1748 modifizierten Status quo auf der Basis der Reichsgrundgesetze sichern und weiterhin Einfluß auf die traditionelle, eher kaiserkritische Klientel behalten. Eine zu offensichtliche Unterstützung der die Konfrontation mit Friedrich den Großen verzögernden Tendenzen konnte jedoch die eben begründete Allianz mit Wien gefährden. Die Mobilisierung der Kreise bot einen Ausweg, denn sie stellten eine der kaiserlichen Kontrolle weitgehend entzogene Institution des Reiches dar. Daß sich Frankreich derart um das Verhalten eines Reichskreises bemühte, war nicht einmalig. Auch im fernen Rom interessierte man sich für das Verhalten des Fränkischen Kreises. Das Papsttum drängte auf den Beitritt der geistlichen Territorien in Franken zur antifriderizianischen Koalition und trug dazu bei, indem es nach dem Tode des Bischofs Johann Philipp von Frankenstein am 6. März 1757 durch die schnelle Bereitstellung eines Dispenses die Wahl des Würzburger Bischofs Adam von Seinsheim zum Nachfolger ermöglichte und damit den Verbleib Bambergs in der antipreußischen Allianz gewährleistete.29 Die militärische Unterstützung der von den Kreisen gebildeten Reichsarmee (die durch eine vom Kaiser eingesetzte Generalität kommandiert wurde), würde sich letztlich auch für Frankreich positiv auswirken können, da dies zu einer dauerhaften Stabilisierung einer zentralen Einrichtung des Reiches führe. Diese Auffassung entsprach im übrigen auch der des Staatsrechtlers Friedrich Carl von Moser über die Bedeutung der Kreise: „Die Erhaltung des Reichs-systematis hängt größtentheils ab von der Verfassung, Einigkeit und Zusammensetzung derer vorderen Reichs-Crayse, die wegen dieses gemeinschaftlichen Bandes vorzüglich das Reich genannt werden".30

Den Fränkischen Kreis betrachtete man - nicht zu Unrecht - als einen der bedeutendsten im Reich. Von seiner Haltung versprach man sich eine Signalwirkung auf die anderen Kreise. Folard sollte die Voraussetzung für eine Assoziation der Kreise gegen Preußen schaffen.31 26

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Weber, Die äußere Politik des Markgrafen Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach, S. 54-65; vgl. auch: Meyer, Die Berichte des preußischen Gesandten Eickstedt, S. 12. AAE CP Allemagne 593, fol. 4Γ-9Γ, Folard an Rouillé, 15. Dezember 1756, fol. 8V: „la France sauroit bien les garantir de tout danger comme elle l'a toujours fait suivant son obligation de garente de la paix de Westphalie et suivant son intérêt et son inclination". Ibid. fol. 9'. Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 176-184; Ders., Der Beitrag der römischen Kurie, S. 182-186. Moser, Sammlung sämtlicher Krais-Abschiede, Bd. 1, Vorrede, zit. nach: Endres, Der Fränkische Reichskreis, S. 613. Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 344: „Comme en cas de succès de cette négocitaion, le Roi auroit la principale influence dans le cercle de Franconie, qui est un des plus puissants de l'Empire et qu'elle pourroit servir à faciliter une association des cercles et beaucoup d'autres mesures très avantageuses à la cause commune, le sieur Folard ne négligera aucun moyen de la faire réussir".

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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Auf allen seinen Stationen, ob in Kassel oder in Gotha oder Weimar, sollte er die Fürsten auffordern, „Maßnahmen zu ergreifen, die unter den gegebenen Umständen die Reichsgesetze von ihnen für die Verteidigung der angegriffenen Staaten, für die Sicherheit der Bedrohten und für den Erhalt des Reichssystems verlangten".32

Daß - mit Ausnahme von Gotha und Weimar - keiner der aufzusuchenden Mitglieder des sächsischen Fürstenhauses in der Lage sei, Truppen für die Reichsarmee zu stellen, stand für das Außenministerium außer Frage. Die Absicht, die man mit der Mission Folards zu diesen Kleinstfürsten verfolgte, bestand darin, sie zu bewegen, auf dem Reichstag und den Kreisversammlungen für den Kaiser und damit auch für Frankreich zu stimmen. Eine breite Akzeptanz auch der kleineren und kleinsten Reichsstände zu den vom Kaiser in Gang gesetzten Verfahren gegen den Landfriedensbruch Friedrichs II. würde letztlich auch die Legitimität und Glaubwürdigkeit der französischen Intervention stärken.33 Den Höfen von Gotha und Weimar solle er Subsidien versprechen, dem Landgrafen von Hessen-Kassel die Auszahlung der Rückstände von Geldern, die während des Dreißigjährigen Krieges zugesagt worden waren.34 Die Bedingung für die Zahlung von Subsidien bestand in der öffentlichen Erklärung der Fürsten, daß sie bereit seien, sich der Reichsexekution gegen Preußen anzuschließen. Damit würden sie in den Augen Frankreichs ihren Beitrag zur Erhaltung des Reiches leisten.35 Hinsichtlich der kleinen sächsischen Herzogtümer äußerte sich Folard skeptisch, ob sich die Mühe, mit ihnen zu verhandeln, überhaupt lohne. Seines Erachtens müsse man sich auf Weimar und Gotha konzentrieren, da diese die Stimmen der Ernestiner auf dem Reichstag repräsentierten.36 Folard zog während seiner Mission weitere Erkundigungen ein und berichtete schließlich, daß eine Kontaktaufnahme mit dem Herzog von Meiningen der Reputation Frankreichs schaden würde, da der Herzog mittlerweile als „einfacher Bürger" in Frankfurt lebe.37 Nachdem er im Dezember und Januar die sächsischen Höfe und den Landgrafen

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AAE CP Bavière 134, fol. 384'-395r, Rouillé an Folard, 14. November 1756, fol. 384v: „prendre les mesures qu'exigent d'eux dans ces circonstances les loix de l'Empire, la défense des États attaqués, la surété de ceux qui sont ménacés et le maintien du système germanique". Ibid. fol. 387v-388r: „Ces Princes hors les ducs de Saxe-Gotha et Weimar ne paroissent guère en état et à la vérité de donner des troupes auxiliaires et notre projet n'est pas de leur en demander, mais ils peuvent et même doivent donner leurs suffrages dans les assemblages des diètes et des cercles et augmenter par leurs voix la considération de la bonne cause et c'est à quoi vous devez les déterminer". Ibid. fol. 390r_v: „vous pouvez faire valoir auprès du landgrave [...] l'espérance de payer au Landgrave les arrérages de la guerre de trente ans qu'il prétend lui être dûs par le Roi". Ibid. fol. 389r_v: „le roi se portera volontiers à leur donner un subside mais peu considérable à condition qu'ils concurrent aux mesures que réclament d'eux les loix de l'Empire contre les infracteurs de la paix et le parti généreux que le roi a pris d'envoyer une armée nombreuse en Allemagne pour se porter par tout où l'exigeront la défense de ses alliés, la seureté de leurs États et le maintien du système germanique dont sa Majesté est garante par les traités de Westphalie". AAE CP Bavière 134, fol. 411r-417r, Folard an Rouillé, 25. November 1756, fol. 41Γ-412': „Les ducs de Coburg, Hildburghausen et Meinungen [sic!] n'ayant ni troupes, ni suffrages, et n'influant en aucune façon dans les affaires de l'empire, je pouvois sans inconvénient me dispenser d'aller chez eux pour arriver plustôt à Cassel, et pour y avoir plus de temps à donner aux cours de Weimar et de Gotha qu'ont les troupes et les cinq suffrages dont la branche Ernestine de la Saxe jouit à la Diète de l'Empire". AAE CP Allemagne 593, fol. 161-167', Folard an Rouillé, 24. Februar 1757, fol. 165'"v: „Le duc de Saxe Meiingen [sic!] vivant à Francfort comme un simple bourgeois sans la moindre représentation et ne voyant même personne depuis quatre mois tant à cause de sa mauvaise santé que de son grand âge je n'ai pas crû

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

von Hessen-Kassel aufgesucht hatte, kehrte Folard nach Franken zurück, wo er von Würzburg aus den Beratungen des Fränkischen Kreises folgte.38 Hier wurde er auch Zeuge des Einfalls eines preußischen Korps unter dem Befehl des Oberstleutnants Mayern, mit dem Friedrich der Große versuchte, den Fränkischen Kreis einzuschüchtern und zu einer Neutralitätserklärung zu zwingen. Während der Rat der Stadt Nürnberg sich auf Verhandlungen mit Mayern einließ, setzten der Markgraf von Ansbach und der Bischof von Bamberg und Wüizburg, Adam Friedrich Graf von Seinsheim, die Kreistruppen gegen die Preußen in Marsch.39 Die große Sympathie, die der Preußenkönig in der Bevölkerung genoß, blieb dem Gesandten nicht verborgen. Der Markgraf von Ansbach sei fest zum Kampf gegen Friedrich II. entschlossen, er sehe sich jedoch einem starken Widerstand an seinem Hof, sogar in seiner Familie, innerhalb seiner Truppen und in der Bevölkerung ausgesetzt, meldete Folard. Obwohl der Gesandte die mangelnde Durchsetzungsfahigkeit des Fürsten als Ursache fur den Ungehorsam der Untertanen ansah, wies er darüber hinaus auf die komplexe - und bedauernswerte - Lage des Markgrafen hin. Die gezielte konfessionelle Propaganda der Preußen und der Einfall des Mayernschen Korps habe einen regelrechten Aufstand hervorgerufen.40 Damit hob er einmal mehr den destabilisierenden Einfluß preußischer Politik auf seine Nachbarn hervor. Versailles werde dadurch in seiner Auffassung bestärkt, dem Reich als Garant seiner Verfassung beizustehen. Aus der Schwäche des Reiches ziehe Friedrich seine Stärke, befand Rouillé. Im Vertrauen auf die Inaktivität des Reiches habe der König überhaupt erst die Feindseligkeiten begonnen.41 Dieser Einfall verdeutliche zwar drastisch die Hilflosigkeit der nicht armierten Reichsstände, bewirke unter ihnen jedoch eine weitgehende Einigkeit, der Aggression Friedrichs von nun an entgegenzutreten. Dies war aber, darüber ließ Folard seine Vorgesetzten nicht im Zweifel, nur im Verbund mit der kaiserli-

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être de la dignité du Roy de lui présenter la lettre de sa Majesté d'autant plus que cette démarche est très inutile à la bonne cause près d'un Prince qui a depuis longtemps abandonné ses États avec la résolution de n'y plus retourner et qui se trouve d'ailleurs sans argent, sans troupes, sans suffrages et sans crédit". Nach der Besetzung Frankfurts durch die französische Armee gab es allerdings Kontakte des Herzogs mit der dort einquartierten Generalität (Broglie, Soubise), siehe: Raschke, Charlotte Amalie Herzogin von SachsenMeiningen, S. 81-82. Vgl. die ausführlichen Berichte Folards an Rouillé vom 8. Januar und 22. Januar 1757, in: in AEE CP Allemagne 593, fol. 56Γ-81Γ, 105'-117". Der Kreistag hatte sich in Nürnberg versammelt. Zu den Verhandlungen des Kreises vgl.: Brunner, Die politische Stellung des fränkischen Reichskreises, S. 3-16. Vgl. zu den Ereignissen in Franken im Frühjahr 1757: Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 106-127; Brunner, Die politische Stellung des fränkischen Reichskreises, S. 24-35. AAE CP Allemagne 593, fol. 422r-424v, Folard an Rouillé, fol. 422M23': „Quoique ce soit toujours la faute des Princes, quand ils ne sont pas obéis par ceux que la loi leur a soumis, le Margrave n'en est cependant pas moins à plaindre. Tous ses sujets séduits par les préjugés de religion ou en faveur du parti prussien ou par la crainte des prussiens crient à la neutralité et blâment publicquement le Margrave du parti qu'il a pris de se réfugier chez un prince ecclésiastique et de les avoir abandonné au ressentiment du Roi de Prusse. L'arrivé du partisan Mayern qui s'est emparé des villes et baillages de Schwabach et Carlsburg et qui menace tout le pays d'Anspach y a excité une espèce d'emeute contre le Margrave dont il est affligé. Nous ésperons que les troupes du cercle forceront bientôt ces Prussiens à la retraite". Markgraf Karl Wilhelm Friedrich war vor den preußischen Truppen nach Würzburg geflohen, Weber, Die äußere Politik des Markgrafen Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach, S. 70-71. AAE CP Palatinat-Deux Ponts 85, fol. 85r-86v, Rouillé an Zuckmantel, 4. Juni 1757 Juni 4, fol. 85': „II faut avoüer que c'est la foiblesse des Etats de l'Empire qui fait la principale force du Roi de Prusse. La confiance qu'il a eue dans leur inaction l'a enhardi à l'entreprise qu'il a fait et la nonchalance avec laquelle ils se sont portés à executer la résolution de la Diette l'a encouragé à poursuivre son objet. Mais si les Princes de l'Empire veulent bien revenir de l'illusion de la crainte ils connoitreront qu'ils s'en faut beaucoup que l'avantage remporté par le Roy de Prusse soit décisif'.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen

Krieg

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chen oder der französischen Armee möglich.42 Man erwarte in Franken sehnlichst das Eintreffen französischer Truppen. Deren Ankunft, so konnte er bald darauf melden, rufe ungeteilte Freude in Franken hervor.43 In der Zwischenzeit hatten auch die anderen Kreise mit der Einberufung der Kreiskontingente begonnen. Einzig der Oberrheinische und der Westfälische Kreis versagten der Reichsarmee ihre Unterstützung, da in ersteren die Protestanten über die Mehrheit verfügten und im zweiten Preußen und Hannover zu großen Einfluß hätten.44 Insgesamt versammelten sich im Sommer 1757 nur etwa 25 000 Mann anstelle der nach der „Circular-Repartition" von 1681 vorgeschriebenen 120 000. Erhebliche Schwierigkeiten bereitete der Zusammenhalt der Reichstruppen, aus der ganze Bataillone desertierten.45 Nur ein kleines Kontingent der Reichsarmee von etwa 8 400 Mann nahm an der Schlacht bei Rosbach teil, die bekanntlich mit einer demütigenden Niederlage endete. Nach Rosbach war die Reichsarmee an keiner bedeutenden Schlacht des Krieges mehr beteiligt. Allerdings blieb das Reich bis zum Ende des Krieges auf der Seite des Kaisers. Die so verlachte und verspottete Reichsarmee bewies in der Folgezeit jedoch durchaus ihren Wert, etwa als sie 1758 einen Vorstoß des Prinzen Heinrich von Preußen nach Franken zurückschlug. Zweifellos war die Reichsarmee der preußischen Militärmaschinerie weit unterlegen, gleichwohl ist Karl Otmar von Aretin zuzustimmen, daß die Reichsarmee „die preußischen Kräfte an der Westgrenze Brandenburgs und Sachsens gebunden und dadurch den österreichischen Armeen eine gewisse Schützenhilfe geleistet" hat.46 Mit den negativen Erfahrungen, die man bei Rosbach mit der Reichsarmee gemacht hatte, erlosch jedoch keineswegs das Interesse Frankreichs an den Kriegsanstrengungen des Reiches. Weiterhin galt insbesondere dem Fränkischen und dem Schwäbischen Kreis, auf den hier nicht weiter eingegangen werden kann, die Aufmerksamkeit von Versailles. Die Ernennung von Baron Goertz zum französischen Gesandten beim Fränkischen Kreis diente zwar in erster Linie der Gewährung diplomatischen Schutzes für den von Friedrich II. gesuchten Goertz. Doch mit ihm verfügte man über eine weitere Nachrichtenquelle im Reich. Folard blieb jedoch dem Österreicher gegenüber weisungsbefugt und betreute weiterhin die Mitglieder des Kreises.47 Am 22. November 1757, knapp drei Wochen nach der Niederlage von Rosbach, schrieb Bemis an Choiseul, daß man alle Anstrengungen darauf verwenden müsse, die Reichsarmee einsatzfähig zu halten. Das Reich dürfe nicht aus dem Kampfe gegen den Gesetzesbrecher ausscheiden: „Monsieur, würden Sie bitte erneut ihren kaiserlichen Majestäten und ihren Ministern mitteilen, wie wichtig es in erster Linie ist, daß Sie die deutschen Staaten ermahnen, schnellstmöglich die Reichsarmee zu reorganisieren, auf daß sie heute entschlossener 42 43

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AAE CP Allemagne 593, fol. 402r-406r, Folard an Rouillé, 31. Mai 1757, fol. 403v-404'. AAE CP Allemagne 593, fol. 428Μ3Γ, Folard an Rouillé, 10. Juli 1757, fol. 431r_v: „La nouvelle de l'envoi d'une nouvelle armée françoise en Allemagne a causé une joie universelle dans ce pays ci, elle y a déjà produit et produira de très bons effets tant en notre faveur qu'en faveur de la cause commune". AAE CP Trêves 19, Aigremont an Rouillé, 1757 Mai 17, fol. 79'-80v. AAE CP Palatinat-Deux Ponts 85, fol. 155'-156r, Zuckmantel an Rouillé, 4. Juli 1757, fol. 156,_v: „La désertion parmi les troupes du Cercle du haut Rhin continue d'être affreuse, principalement chez les États protestane, il en déserte des compagnies entieres. Il est bien difficile de croire qu'il n'y ait point de collusion, la plupart de ces déserteurs retoumans impunément dans les pays des Princes il sont les sujets". Nur geringe Kampfkraft bescheinigte auch Choiseul der Reichsarmee: AAE CP Autriche 259, fol. 176'-181v, Choiseul an Bernis, 14. September 1757, fol. 179v. Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 98. AAE CP Bavière 138, Bernis an Folard, 18. Mai 1758, fol. 225r-226r, fol. 225r. Die Korrespondenzen des Grafen Goertz der Jahre 1758-1764 finden sich in AAE CP Allemagne 603, 604, 612, 613 und 616-620.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

denn je ihre Gesetze und ihre Freiheiten gegen die neuen Angriffe verteidigt, die derjenige führen will, der sich schon zuvor offensichtlicher und unerhörter Verletzungen schuldig gemacht hat".48

Im Juni des folgenden Jahres wiederholte Bernis die Warnung vor der Zerstörung des Reiches durch England-Hannover und Preußen, nachdem er schon im März den Mainzer Kurfürsten ermahnt hatte, am Reichstag die Gefährdung der kleineren Reichsstände durch Preußen zu unterstreichen.49 Das Reich müsse sofort jede Zurückhaltung gegen Friedrich den Großen aufgeben, denn es gehe um deren Existenz: „Noch nie gelangten Kühnheit und Tyrannei auf eine solche Höhe, und das Reich sieht, was es vom Fortschritt der Preußen und Hannoveraner zu erwarten hat. Dies ist der kritische Augenblick für das Heil des Reiches, und seine Stände dürfen keinen Moment zögern, energische Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Ehre, ihrer Rechte und ihres Besitzes zu ergreifen".50

Reichsacht Mit der Einleitung des Verfahrens gegen den Preußenkönig wegen Landfriedensbruchs bereitete Wien im Herbst 1756 schon einen weiteren Schritt vor, der Preußen innerhalb des Reiches noch mehr isolieren sollte. Der kaiserliche Hof plante, nach den Vorbildern des 17. Jahrhunderts, die Verhängung der Reichsacht. Die im Widerspruch zur kaiserlichen Wahlkapitulation vorgenommene Entbindung der preußischen Untertanen von ihrem dem König geleisteten Eid durch das kaiserliche Hofdekret vom 20. September 1756 war ein erster Schritt in diese Richtung.51 Le Maire, der auch nach mehrmaliger Zurechtweisung durch Rouillé nicht von seiner Sympathie für den Preußenkönig und das „alte System" lassen konnte, warnte vor diesem Vorhaben.52 Der Versuch Wiens, mit der Verhängung der Reichsacht über Friedrich die Sanktionsmöglichkeiten des Reiches bis ins letzte auszunutzen, scheiterte letztlich am Widerstand des Reichstages. Verfahrensfehler und Verstöße gegen die Wahlkapitulation Franz' I. gaben den Gegnern Wiens genügend Handhabe, den Prozeß zu verschleppen. Anhänger des Kaisers und 48

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AAECP Autriche 260, fol. 164'-170v, Bemis an Choiseul, 22. November 1757, fol. 168r v: „Vous voudrés bien encore, Monsieur, faire sentir à leurs Majestés impériales et à leurs ministres combien il nous importe à tous qu'elles excitent les États d'Allemagne à remettre sur pied, au plus tôt, l'armée de l'Empire qui doit défendre aujourd'hui avec plus de fermeté que jamais ses loix et ses libertés contre les nouvelles atteintes qu'est en etat de leur porter celui qui a fait jusqu'à présent une violation si authentique et si inouie". AAE CP Mayence 47, fol. 170-17Γ, Bernis an Kempfer, 28. März 1758, fol. 171': „S. A. El. doit faire surtout connoitre aux États de l'Empire les excès auquels ils sont exposés pour avoir rempli leurs obligations de l'Empire; que le but de l'ennemi commun ne tend à rien moins qu'à boulverser tout le sistême germanique et à priver les États des droits, privilèges et libertés qui leur sont assurés par les traités de Westphalie; que ces considérations doivent les porter à redoubler d'efforts soit pour secoiier, soit pour prévenir le joug qu'on veut leur imposer". AAE CP Autriche 264, fol. 253-255", Bemis an Choiseul, 10. Juni 1758, fol. 254'"v: Jamais l'audace et la tyrannie n'ont été portés à un plus haut point, et l'Empire voit ce qu'il doit attendre des prospérités des Prussiens et des Hanoveriens, si l'on n'en arreste promtement le cours. C'est ici le moment le plus critique pour le salut de l'Empire, les États ne doivent pas différer d'un moment à prendre les mesures les plus vigoureuses pour déffendre leur honneur, leurs droits et leurs possessions". Thudicum, Der Achtprozeß gegen Friedrich den Großen, S. 168. Wien wolle „pousser les choses aux dernières extrémités, c'est à dire à faire prononcer le ban par l'Empire". AAE CP Allemagne 588, fol. 208-212', Le Maire an Rouillé, 22. Oktober 1756, fol. 211'.

III Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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Verteidiger Friedrichs des Großen beschuldigten sich, gegen das Reichsherkommen zu verstoßen. Der Verlauf des Krieges bewirkte letztlich auch an der Hofburg ein zurückgehendes Interesse am Achtprozeß. Spätestens nach der Schlacht bei Rosbach (5. November 1757) schlief der Prozeß ein, um nur kurzfristig, nach den Siegen der Österreicher im Sommer 1758 erneut aufgenommen zu werden. Indem man nun das Verfahren auch auf die Verbündeten Friedrichs und auf Hannover ausdehnte, verringerte man die Aussichten auf seinen erfolgreichen Abschluß.54 Gegen die Verhängung der Reichsacht sprachen sich auch die Garantiemächte des Reiches aus. Beide sahen in der Zustimmung zum Verfahren des Hofrates eine Gefahrdung ihres Status'.55 Über die französische Haltung zur Reichsacht gibt ein Außenminister Rouillé am 21. April 1757 vorgelegtes Gutachten des premier commis Bussy Auskunft. Die Absicht Wiens, zum jetzigen Zeitpunkt die Erklärung der Reichsacht anzustreben, wird darin grundsätzlich abgelehnt.56 Begründet wird dies zweifach: zum einen mit politischen und taktischen Erwägungen, zum anderen mit der Unmöglichkeit, das Verfahren nach den geltenden Reichsgesetzen durchzuführen. Zwar habe man mit der Einberufung der Kreiskontingente den ersten Schritt in Richtung Reichsacht getan, doch sei dies nur unter großen Mühen möglich gewesen. Es sei gelungen, mehreren protestantischen Ständen die Zustimmung zur Exekution abzuringen, doch seien diese weiterhin sehr mißtrauisch gegenüber dem Vorgehen des Reichshofrates. Deren zur Zeit vorgetragene Forderung nach einer Neutralität des Reiches könne sich schnell in eine eindeutige Parteinahme für Friedrich II. verwandeln.57 Nach Einschätzung des Autors der Denkschrift sei die propreußische Haltung vieler protestantischer Reichsstände einzig auf deren Furcht vor einem übermächtigen Kaisertum zurückzuführen. Die religiöse Indifferenz des Preußenkönigs sei bekannt - dennoch schien er als politische Stütze zum Schutze des Protestantismus im Reich unersetzlich. Die Reichsacht werde von ihnen nur als Vorstufe einer geplanten totalen Schwächung Preußens angesehen: „Obwohl sie den König von Preußen nicht mögen und sein Desinteresse an der Religion kennen, bleiben sie dennoch an seiner Seite, da sie glauben, daß er sie aus Interesse unterstützen werde und sie ihn als einzige Stütze des Protestantismus betrachten. Sobald sie anhand des Vorhabens, ihn der Reichsacht zu unterwerfen, sehen werden, daß man nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte, und daß man die Mittel ergreift, ihn vollständig seiner Macht zu berauben, steht zu befürchten, daß sie das Reich mit Aufruhr erfüllen und sich lautstark für den König von Preußen erklären".58

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Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 152. Vgl. Thudicum, Der Achtprozeß gegen Friedrich den Großen, S. 173-176, 178-179 und passim; Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 2, S. 30-41; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 99-103. Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 2, S. 33-34. AAE CP Allemagne 591, fol. 27Γ-274', „Sur la nouvelle que la cour impériale a pris la résolution de faire procéder actuellement à la déclaration du ban de l'Empire", fol. 271': „On apprend par divers avis que la cour impériale veut faire procéder à la déclaration du ban de l'Empire contre le roi de Prusse et l'on croit que ce serait une entreprise très difficile par elle-même et très dangereuse pour le bien de la cause commune surtout dans le moment présent". Ibid. fol. 271'"v. Ibid. fol. 27Γ-272': „Quoi qu'ils n'aiment pas le roi de Prusse et qu'ils connoissent son désinteréssément sur les religions, ils sont attachés à son parti parce qu'ils le croyent engagé par intérêt à les soutenir et qu'ils regardent sa puissance comme le seul appui du protestantisme, ainsi dès qui'ils verront par le dessein de le mettre au ban de l'Empire qu'on ne veut plus rien ménager avec lui et que l'on va préparer les moyens

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Nicht zuletzt stelle sich die Frage der Exekution der Acht: dazu sei man derzeit keineswegs in der Lage. Erst entscheidende militärische Siege würden den Widerstand der Protestanten brechen und die Acht ermöglichen.59 Die Behandlung der komplizierten reichsrechtlichen Verfahrensfragen zeigt einmal mehr, wie gut man in Frankreich das Reichsrecht bis in kleinste Details kannte. So sei der Kaiser durch Artikel 20 seiner Wahlkapitulation dazu verpflichtet, die Acht nur nach Befragung einer konfessionell paritätisch besetzten Kommission der drei Reichstagskollegien zu verhängen.60 Allein die Bildung dieser Kommission sei unmöglich: von den protestantischen Kurfürsten wäre der eine der Angeklagte, der andere sein wichtigster Verbündeter. Eine Ersetzung der protestantischen kurfürstlichen Kommissare durch protestantische Vertreter aus dem Fürstenkollegium sei ein Präzedenzfall ohne Vorläufer. Da in diesem Falle eine Neuinterpretation von Reichsgesetzen vorliege, sei der Kaiser auf die Zustimmung des Reiches angewiesen. Die Diskussion dieser Frage würde endlose Konflikte zwischen Kurfürsten- und Fürstenkurie hervorrufen, da erstere den Fürsten ein Mitspracherecht über die Wahlkapitulation abstreiten werde.61 Kurz gesagt: die überstürzte Verfolgung der Ächtung Friedrichs würde nur eine „source de chicanes et embaras" am Reichstag sein. Bussy riet zur Geduld man müsse abwarten, bis sich eine günstige Konstellation ergebe, die die Verhängung der Reichsacht erlaube. Im übrigen habe man mit der Einberufung der Kreiskontingente einen sehr wichtigen Erfolg verbuchen können.62 Seinen Rat begründete der premier commis mit dem Hinweis auf den letzten Fall einer Reichsacht: Im Spanischen Erbfolgekrieg habe Wien letztlich bis 1709 gewartet, bis über den Kurfürsten von Bayern die Reichsacht verhängt wurde.63 In einem weiteren Memorandum vom November 1757 griff Bussy die oben genannten Argumente erneut auf und legte, sich stützend auf eine Darstellung der Geschichte der Reichsacht, dar, daß die Verhängung der Acht nur dann Sinn habe, wenn die Reichsgesetze eingehalten werden und dem König von Preußen „der Säbel aus der Hand genommen werde". Nur so könne die Würde des Reiches gewahrt werden.64 In der Darlegung der Entwick-

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d'anéantir totalement sa puissance, il est à craindre qu'ils ne remplissent l'Empire des clauses qu'ils ne se déclareront hautement pour le Roi de Prusse". Ibid. fol. 272': „On dira en général qu'il ne paroit pas conséquent de poursuivre le jugement définitif du roi de Prusse, si l'on n'est pas en état d'en soutenir l'exécution par la force ouverte, ainsi, dans le cas où l'on croiroit nécessaire de procéder à ce jugement, il faudrait attendre que quelque succès décidé eut donné les moyens de l'exécuter et de contenir les protestants qui sont attachés au parti de sa Majesté prussienne". Bezug genommen wird auf § 2 und § 4 des Artikels 20 der Wahlkapitulation vom 25. September 1745. Darin heißt es u. a.: „Niemand hohen oder niedem Stands, Churfurst, Fürst oder Stand oder anderer [dürfe] ohne rechtmäßig und gnugsame Ursach, auch ungehört und ohne Vorwissen, Rath und Bewilligung des H. Reichs Churfiirsten, Fürsten und Ständen in die Acht oder Ober=Acht gethan" werden; und weiter (§ 4): „Wann es dann zum Schluß der Sachen kommt, so sollte die ergangene Acta auf öffentlichen Reichs=Tag gebracht, durch gewisse hierzu absonderlich vereydigte Stände (den Prälaten= und Graffen=Stand mit eingeschlossen) aus allen dreyen Reichs=Colegiis in gleicher Anzahl deren Religionen examinirt und überlegt, deren Gutachten an gesammte Churfiirsten und Stände referiret, von denen der endliche Schluß gefast". Neue Sammlung der Reichs-Abschiede, Bd. 2, Teil IV, Anhang, S. 25-26. AAE CP Allemagne 591, fol. 272 v -273"; vgl. auch die Darstellung bei: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 102-104. AAE CP Allemagne 591, fol. 273 v : „Dans le fond la cour impériale ne perd rien à attendre, elle jouit actuellement des effets du ban au moyen de l'armement que la Diette a résolu et qui s'exécute". Ibid. fol. 273 v -274 r . AAE MD Prusse 6, fol. 270": „Enfin il est de la prudence et de la dignité du corps germanique, ainsi que l'observe très bien un auteur moderne, de ne point mettre au ban de l'Empire un État puissant jusqu'à ce

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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lung der Reichsacht entwickelt Bussy seine Vorstellung der Reichsgeschichte und des Charakters der Reichsverfassung. So sei es im Mittelalter kaum zu Achtprozessen gekommen, weil der Kaiser immer auf die Zustimmung der Kurfürsten angewiesen gewesen sei. Eine grundlegende Änderung habe dann die Regierung Karls V. und seiner Nachfolger bis Ferdinand II. bewirkt, die sukzessive das Mitspracherecht der Fürsten einschränkten. Erst im Westfälischen Frieden und dann in den Wahlkapitulationen seit Leopold I. sei es dann gelungen, den Handlungsspielraum des Kaisers einzuschränken. Die Geschichte des Reiches der letzten 250 Jahre wurde gedeutet als ein Ringen um seine Verfassung, die das Haus Österreich, beginnend mit Karl V., zu seinen Gunsten umzugestalten suchte. Unausgesprochen, aber für den Autor selbstverständlich, blieb die französische Parteinahme für die Stände mit dem Ziel, das „goldene Zeitalter" der Jahrhunderte vor Karl V. Wiederaufleben zu lassen. Dies war 1648 gelungen, doch bedurfte es der ständigen Kontrolle als Garant, um einen Rückfall in die Despotie Karls V. zu verhindern. Daher war man nicht prinzipiell gegen die Verhängung der Reichsacht, nur durfte dabei nicht eklatant gegen die Reichsverfassung verstoßen werden. Diese Stimmen aus dem Ministerium können durch die der Diplomaten ergänzt werden. So warnte der chargé d'affaires in Wien, Ratte, vor der Gefahr der Ausschaltung des Reichstages und der Eskalation des bestehenden Konflikts zu einem Religionskrieg.65 Choiseul sah in dieser Angelegenheit einige Hitzköpfe im Reichshofrat am Werke, die sich gegen den Reichsvizekanzler Colloredo durchgesetzt hätten. Dieser werde jedoch das Verfahren so verschleppen, daß man mögliche Konflikte kontrollieren könnte.66 In der Frage der Reichsacht zeigt sich demnach, daß die Franzosen durchaus bemüht waren, im Reich eine eigene, von Wiener Richtlinien unabhängige Politik zu verfolgen. Die Begründung dieser Position unter Zuhilfenahme des Reichsrechtes zeigt das Außenministerium auf der Höhe der zeitgenössischen Diskussion.67 Dies mußte 1758 auch der sächsische Minister Brühl feststellen, der verständlicherweise zu den absoluten Befürwortern der Acht gehörte.68 Indem sich Versailles der Reichsacht widersetzte, lehnte es auch das im Rückblick von Kaunitz formulierte Kriegsziel einer,/eduction de la Maison de Brandebourg à son état primitif de petite puissance très sécondaire" ab.69 Dies bedeutete jedoch nicht die grundsätzliche Ablehnung einer Bestrafung Preußens. Für diese sei, so heißt es in einer anderen Denkschrift eines premier commis, in der Wahlkapitulation genügend Spielraum enthalten, ohne daß man auf die Reichsacht rekurrieren müßte.70

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qu'on se voye amené de lui arracher l'épée de des mains pour ne point faire tourner en ridicule un acte aussi solemnel que celui de la proscription". AAE CP Autriche 258, fol. 312 r -318 v , Ratte an Bemis, 26. Juli 1757, fol. 315 v -316 r : „Je pense, Monseigneur, qu'il est nécessaire pour conserver la Diette de Ratisbonne dans son intégrité d'engager encore plus fortement la cour de Vienne à suspendre l'exécution des décrets du conseil aulique contre le roi de Prusse. Si on laisse faire l'Empereur et ce tribunal, leur autorité s'étendra trop [et] les discussions actuelles pourront devenir fort sérieuses et une guerre de religion". AAE CP Autriche 260, fol. 147 r -153 v , Choiseul an Bernis, 19. November 1757, fol. 148'"v: „Je vois clairement que le Conseil aulique, où il se trouve quelques têtes chaudes, l'a emporté dans l'affaire du ban sur le sentiment du Vicechancelier mais ce ministre fera en sorte que les procédures sur ce objet, sans être abandonnées soient ralenties de façon que nous préviendrons l'inconvénient à craindre". Zu den Bestimmungen über das Reichsrecht und die Auslegung der Reichsgesetze siehe: Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 29,159,361. Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd., 2, S. 33. Aretin, Heiliges Römisches Reich 1776-1806, Bd. 2, S. 2. AAE CP Allemagne 591, fol. 117-119 v , „Sur la proposition de la méditation de l'Empire", fol. 119r_v.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Frankreichs Ablehnung der Reichsacht entsprach auch der beinahe beschwörend wiederholten Versicherung, das Bündnis mit Wien werde keineswegs die Reichsverfassung gefährden. Entsprechend warnte in einer weiteren Denkschrift der premier commis Bussy vor der Aufweichung des ständischen Rechtes der itio in partes, das der Reichshofrat den protestantischen Reichsständen bestreiten wollte.71 Wien wolle das Bündnis mit Frankreich nutzen, um seine Autorität am Reichstag zu erweitern, indem mit Hilfe der grundsätzlich für Wien stimmenden geistlichen Stände die dauerhafte Stimmenmehrheit gesichert werde. Damit verfolge man erstens die dauerhafte Schwächung der Protestanten, und zweitens ziele Wien auf eine Herausdrängung der Garantiemächte aus dem Reichssystem und auf die Einschränkung ihrer Rechte allein auf Angelegenheiten der Religion ab.72 Dies berührte unmittelbar das französische Selbstverständnis seiner politischen Rolle im Reich und war folglich keinesfalls akzeptabel. Im März 1758 beschäftigte sich Bussy erneut mit der Reichsacht und untersuchte die Motive, die hinter Wiens Drängen auf Verhängung der Acht stehen mochten. Darin sah er den Versuch des Kaiserhofes, durch die Acht die Verfügungsgewalt über die Territorien des Hauses Hohenzollern im Reich zu erlangen. Diese würden dann als Belohnungen unter die verdienten Generale und Minister verteilt werden.73 Als einen Präzedenzfall für dieses Vorgehen nannte Bussy den Spanischen Erbfolgekrieg. Damals sei dem Herzog von Marlborough die bayerische Herrschaft Mindelheim übertragen und er anschließend ins Reichsfürstenkollegium aufgenommen worden.74 Für Bussy standen hinter den Bemühungen um die Verhängung der Reichsacht vor allem die Versuche Wiens, seine Position im Reich nicht zuletzt auf Kosten Frankreichs zu vergrößern. Die Neuvergabe eingezogener Lehen würde die Schaffung neuer Reichsfürsten nach sich ziehen und damit die Mehrheitsverhältnisse am Reichstag zugunsten des Kaisers verändern. Auch seien die Zugeständnisse Wiens hinsichtlich der Verwaltung der von der französischen Armee besetzten preußischen Territorien im Westfalen dadurch zu erklären, daß sie nach der Achterklärung neue Herrscher erhalten würden und damit der soeben erklärte Verzicht Wiens auf die Einkünfte dieser Territorien nicht mehr Frankreich zu Gute kommen 71

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Vgl. Koch, Der deutsche Reichstag während des Siebenjährigen Krieges, S. 84; Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 2, S. 357-359. Siehe oben Kap. Β I 1, S. 85-90. AAE MD Allemagne 71, fol. 283'-284", „Obsérvations particulières relativement à la France sur le projet de la cour de Vienne, de mettre des bornes aux droits des États protestants de se séparer en deux partis", vom 24. Juni 1759, fol. 283r: „1° reduire le parti protestant et établir l'autorité impériale d'une façon inalterable, en mettant toutes les matières, hors celles de religion à la pluralité des voix, dont elle est assurée dans tous les temps". Auch in: AAE CP Autriche 260, fol. 404'-405r. Ibid. fol. 283v-284': „2° Restreindre le droit des couronnes garantes des traités de Westphalie, car si la pluralité des suffrages doit décider toutes les causes étrangères à la religion, on ne pourra plus réclamer légalement la garantie des dites couronnes dans d'autres circonstances que celle des différends de religion et ladite garantie sera nécessairement réduite aux affaires qui ont la religion pour objet". AAE MD Prusse 8, fol. 16r-18v, „Observations particulières sur les motifs qui peuvent engager la cour de Vienne à insister sur la poursuitte du ban et sur le renvoi du ministre de Brandenbourg de la Diette de Ratisbonne", fol. 16r: „Les généraux et les ministres de la cour de Vienne doivent naturellement s'attendre à des récompenses; le moien de les satisfaire sera tout trouvé dans la déclaration du ban, sans qu'il coûte rien à cette cour. En mettant le Roy de Prusse au ban de l'Empire, l'Empereur est maître de donner à qui il juge à propos les petits fiefs que S.M. prussienne possède en Allemagne". Ibid. fol. 16". Mindelheim in Schwaben, seit 1616 bayrisch, wurde 1704/5 von Kaiser Leopold I. an John Churchill, Herzog von Marlborough gegeben, der es im Frieden von Rastatt 1714 an den Kurfürsten von Bayern restituierte, vgl.: Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder, S. 387-388; Einzelheiten bei: Churchill, Marlborough, Bd. 1, S. 953, Bd. 2, S. 42-44.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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werde.75 Darüber hinaus warf der premier commis dem Reichshofrat Parteilichkeit vor.76 Man habe unmittelbar nach der Invasion Sachsens rechtliche Schritte gegen Friedrich II. eingeleitet - nicht jedoch gegen den Kurfürsten von Hannover, der öffentlich seine Unterstützung für Preußen verkündet habe. Bussy äußerte den Verdacht, daß es Wien nur um die Rückgewinnung Schlesiens und seine Vorherrschaft im Reich und nicht um die prinzipielle Frage der völkerrechtswidrigen Aktion Friedrichs gehe.77 Hier wird bei Bussy ein ausgeprägtes Mißtrauen gegenüber Wien deutlich. Die Kriegsziele der beiden Partner klafften für den Franzosen deutlich auseinander. Bussy betrachtete den Konflikt aus der globalen Perspektive des parallelen Kolonialkrieges, einer Sichtweise, die Kaunitz eher fremd war.78 Bemerkenswert ist Bussys Drängen auf den Einschluß Hannovers in die Acht. Für Frankreich war dies eine logische Forderung - doch zugleich lag, wie eingangs ausgeführt wurde, in der Ausweitung der geplanten Reichsacht auch ihr Scheitern am Reichstag begründet. Es stellt sich die Frage, ob sich Bussy der Konsequenzen dieser Forderung bewußt war. Denn die Unterstützung Wiens bei diesem Prozeß würde der preußischen Propaganda, die vor der Unterdrückung der Protestanten warnte, nur in die Hände spielen. Unzweifelhaft aber ist, daß Bussy dem ehemaligen Erzfeind noch immer mißtraute.

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AAE MD Prusse 8, fol. 16ν-17Γ. Ibid. fol. 17': „De plus en comparant la conduite que le conseil aulique a tenue vis-à-vis de l'Électeur de Brandenbourg avec celle qu'il tient à l'égard de l'Électeur d'Hanover, il lui sera difficile de se sauver du reproche de la partialité". Ibid. fol. 17v: ,J3ira-t-on que c'est au possesseur de la Silésie seul, à qui la cour de Vienne fait la guerre, et non aux in&acteurs de la paix publique?" Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 61-62.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

2. Zur Frage der Neutralität des Kurfürstentums Hannover und des Reiches (1757 und 1762/1763) Die Neutralität

Hannovers

Mit Kriegsausbruch stellte sich auch die Frage nach dem Schicksal des Kurfürstentums Hannover. Die Westminsterkonvention sollte der Absicherung der Stammlande Georgs II. gegen einen Angriff dienen. Der Einmarsch Friedrichs des Großen in Sachsen versetzte die hannoverischen Räte in eine schwierige Lage. Sie wollten eine Einbeziehung der Territorien in den Krieg vermeiden und versuchten, am Kaiserhof Garantien für das Kurfürstentum zu erhalten. Zugleich stellten sie sich gegen die öffentliche Meinung in London, die für die Unterstützung Preußens plädierte.1 Für die Hannoveraner war die Neuordnung der Allianzen nur schwer nachvollziehbar. Friedrich der Große drängte im Dezember 1756 auf die Mobilisierung von Truppen, um das Kurfürstentum gegen einen erwarteten Angriff zu schützen. Dabei bediente er sich antifranzösischer Feindbilder, indem er Hannover warnte, dem Lande stehe das gleiche Schicksal wie der Kurpfalz im Pfalzischen Erbfolgekrieg bevor.2 Frankreich drängte Ende 1756 in Wien auf eine Diversion gegen Hannover, was dort auf Widerstand stieß.3 Marschall d'Estrées, der die Details der französischen Hilfsexpedition aushandeln sollte, und Kaunitz einigten sich darauf, unter bestimmten Bedingungen Hannover die Neutralität zuzugestehen. Damit wollte Kaunitz die befürchtete protestantische Blockbildung in Norddeutschland verhindern und zudem die gebündelten Kräfte der Allianz gegen Preußen richten.4 Dieses Angebot enthielt jedoch eine Bedingung, die sich für den Landesherrn König Georg II. von England - als nicht akzeptabel erwies: Der französischen Armee sollte der freie Durchzug in Richtung Brandenburg gewährt werden. Die Verhandlungen über die Neutralität zogen sich bis Mai 1757 hin. Von Hannover aus versuchte man, Zeit zu gewinnen, indem man vorschlug, die Neutralität zu erweitem und auf die wettinischen Fürstentümer in Sachsen und insbesondere auf die preußischen Territorien in Westfalen und am Rhein auszudehnen. All dies blieb ergebnislos - ein erneuter Vertragsentwurf, von Österreichern und Franzosen ausgearbeitet, wurde am 29. April 1757 von Georg II. definitiv zurückgewiesen.5 Für ihn und insbesondere für William Pitt nahm Hannover den Rang des westlichsten Bollwerks Preußens ein. In der Prioritätenliste britischer Außenpolitik stand Hannover weit hinter den maritimen Interessen, ein Zeichen für den schleichenden Prozeß der Entfremdung zwischen der Dynastie und ihrem Ursprungsland, der sich unter Georg III. (1760-1820) fortsetzen sollte.6 Schon kurze Zeit später erschien der Sohn König Georgs II., der Herzog von Cumberland, ein erklärter Feind Frankreichs, an der Spitze einer zur Verteidigung Hannovers aufgestellten „Observationsarmee" in Norddeutschland. Das Kurfürstentum wurde im Sommer 1757 Kriegsschauplatz und konnte der französischen Armee unter Marschall Richelieu nur kurzen Widerstand leisten. 1

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Vgl. hierzu: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 176-196; Meyer, Die Neutralitätsverhandlungen des Kurfürstentums Hannover, passim; Dann, Hannover and Great Britain, S. 104-126. Meyer, Die Neutralitätsverhandlungen des Kurfürstentums Hannover, S. 15. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 71-72. AAE CP Autriche 256, fol. 149-177', Estrées an Rouillé, 13. November 1756, fol. 158v. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 192. Meyer, Die Neutralitätsverhandlungen des Kurfürstentums Hannover, S. 60-62. Auch dieser Vertragsentwurf sah den freien Durchzug der französischen Armee südlich der Aller vor. Dann, Hannover and Great Britain, S. 107-109.

III. Das Alte Reich

im Siebenjährigen

Krieg

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Die französische Haltung zur Frage der Gewährung der Neutralität Hannovers und weiterer Preußen nahestehender Reichsstände verdeutlichen zwei Schriftstücke aus der Feder des premier commis François de Bussy. Im Februar 1757 beschäftigte sich Bussy mit der Frage einer möglichen Neutralität der Herzöge von Braunschweig, Gotha, Weimar, Mecklenburg, des Landgrafen von Hessen-Kassel und des Markgrafen von Bayreuth. Bussy untersuchte zuerst die Motivation der genannten Fürsten, die - mit Ausnahme des Herzogs von Mecklenburg - für eine Mediation des Reiches und nicht für eine Verurteilung Friedrichs als Landfriedensstörer gestimmt hätten. Ihr Verhalten, so Bussy, erkläre sich einerseits aus den Drohungen, die Friedrichs Reichstagsgesandter Plotho gegen diejenigen ausgestoßen hatte, die den kaiserlichen Anträgen folgen würden. Andererseits seien alle genannten Reichsstände mit dem Hause Hannover oder Hohenzollern verwandt und zudem noch durch Subsidienverträge gebunden.7 Angesichts dieser Situation hielt es Bussy für geboten, ihnen die Neutralität zuzugestehen. Er führte darüber hinaus noch einen zweiten, wichtigeren Grund auf. Der Zusammenschluß der norddeutschen, protestantischen Stände und die Entstehung eines Religionskrieges oder zumindest die Spaltung des Reiches dürfe nicht riskiert werden: „Es erscheint wesentlich, sie [die Reichsstände] v o n ihrem Entschluß abzubringen, der entweder auf einen Religionskrieg oder eine Spaltung des Reiches hinausläuft. Man i s t der Überzeugung, daß man sie dazu nur bewegen kann, wenn man ihnen die Freiheit gibt, sich im derzeitigen Krieg für neutral zu erklären". 8

Im Rahmen des Zugeständnisses der Neutralität müsse jedoch klargestellt werden, was mit den Verpflichtungen der Stände hinsichtlich der Aufstellung der Reichsarmee geschehen solle. Bussy glaubte nicht, daß man sie ihrer Pflicht entheben könne - dies sei ein Punkt, der in der entsprechenden Neutralitätskonvention enthalten sein müsse. Die Aufnahme einer Klausel, die der Allianz das Durchzugsrecht durch die neutralen Territorien sichern würde, hielt Bussys für notwendig, um nicht vom guten Willen der neutralen Macht abhängig zu sein.9 Ein weiteres Problem stellten die Allianzverträge Hannovers mit Braunschweig, Hessen-Kassel und Gotha dar, die zur Verteidigung des Kurfürstentums bei einem Angriff verpflichtet seien und die sich somit kaum neutral verhalten könnten, wenn die Allianz gegen Hannover vorgehe. Da alles darauf hindeute, daß Georg II. eine Neutralitätserklärung ablehne, müsse geprüft werden, ob der Angriff auf das Kurfürstentum Hannover von Nutzen sein könne.10 Bussy verwies bei all diesen Fragen darauf, daß man die endgültige Entscheidung in Abstimmung mit Wien treffen bzw. die Meinung des Kaiserhofes einholen müsse." Hier zeigt sich eine wichtige Konsequenz des renversement des alliances. Frankreich mußte nun seine Reichspolitik mit dem gleichberechtigten Partner Wien abstimmen, es genügte nicht mehr, einzelne Reichsstände unter Berufung auf ihre Libertät zum Widerstand gegen das Reichsoberhaupt zu ermuntern. Dabei bestand natürlich die Gefahr, zum Juniorpartner des Kaisers degradiert zu werden und einen Verlust an Reputation zu erleiden. 7

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Siehe: AAE CP Allemagne Suppl. 13, fol. 110 r -l 12', „État de princes de l'Empire qui demandent la neutralité", fol. 110'"v. AAE CP Allemagne Suppl. 13, fol. l l O M l l ' : „II paroit essentiel en même tems de les détourner de toute résolution qui tiendroit à faire ou une guerre de religion ou une scission dans l'Empire; c'est à quoi l'on ne croit pas pouvoir parvenir autrement qu'en leur laisser la liberté d'être neutres relativement à la guerre d'Allemagne". Ibid. fol. 11 l'~v. Ibid. fol. 11Γ-112'. Ibid. fol. 111', 11Γ-112'.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Am 19. März 1757 legte Bussy Außenminister Rouillé eine Denkschrift vor, die auf der Auswertung der Depeschen Folards über seinen Aufenthalt in Gotha beruhte. Der premier commis warnte entschieden vor Sanktionen gegen die Reichsstände, die sich nicht an der Exekution gegen Preußen beteiligten, wie sie Wien dem Herzog von Gotha angedroht hatte. Er wies darauf hin, daß es in der Frage der Neutralität noch Differenzen mit dem Kaiser gebe.12 Grundsätzlich befürwortete Bussy die Neutralität der obengenannten Reichsstände dies könne das Reichsoberhaupt nicht verweigern, da er selbst die englische Neutralität ins Spiel gebracht habe. Er gab jedoch zu bedenken, daß man den Versicherungen Hannovers kein zu großes Vertrauen schenken dürfe, besonders nachdem das englische Parlament gerade die Unterstützung Preußens beschlossen habe. Juristische Spitzfindigkeiten, dergestalt, daß Preußen nur in der Gestalt des englischen Königs unterstützt würde und nicht als Kurffirst von Hannover, lehnte er ab13, denn gerade damit habe man 1741 die Nichteinhaltung der britischen Neutralität begründet. Auch müsse die Weigerung Hannovers bzw. Georgs II., ein Durchzugsrecht zu akzeptieren, zurückgewiesen werden. Denn wenn die Allianz darauf verzichte, könne man ein Durchzugsrecht nicht mehr von den anderen Reichsständen verlangen, denen nach dem Modell Hannovers die Neutralität gewährt werden solle.14 Für einen totalen Konfrontationskurs gegenüber England/Hannover votierte der premier commis jedoch nicht. Die Angebote der Hannoveraner müßten auf jeden Fall genau auf ihre Ernsthaftigkeit geprüft werden. Eine Neutralitätserklärung Hannovers müsse sicherstellen, daß Truppen weder unter der Fahne Englands noch unter der Hannovers gegen den König oder gegen Wien vorgehen würden. Wäre dies der Fall, habe man das Recht, die britischen Besitzungen im Reich anzugreifen.15 Zu diesem Zeitpunkt scheint noch unklar gewesen sein, welche militärischen Ziele Frankreich im Reich verfolgen sollte. Bussy deutete zwar die Notwendigkeit an, den englischen König in seinen Hannoveranischen Territorien anzugreifen, gleichwohl war zu diesem Zeitpunkt die Annahme einer Neutralität von Teilen des Reiches noch denkbar - solange gewährleistet würde, daß die Operationen der französischen Armee gegen Preußen nicht behindert würden. Anfängliches Mißtrauen, daß Wien und London mit den Neutralitätsplänen geheime Absprachen getroffen hätten, wie Sonderbotschafter d'Estrées im November 1756 vermutet hatte16, war dem Willen zur engen Zusammenarbeit und Abstimmung gewichen. Nachdem im Frühjahr 1757 die Kampfhandlungen im Reich und insbesondere in Böhmen begonnen hatten, stellte eine mögliche Neutralität Hannovers oder anderer Reichsstände keine Option mehr für die Franzosen dar. Dies zeigt sich in der Reaktion von Bernis, der mittlerweile von Rouillé das Außenministerium übernommen hatte, auf die Verhandlungen Marschall Richelieus mit dem Herzog von Cumberland über eine Neutralität Hannovers. Noch am 10. September, dem Tag der abschließenden Unterzeichnung der Konvention von 12

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AAE CP Allemagne Suppl. 13, fol. 128-132', Bussy an Rouillé, 19. März 1757, fol. 128"-129': ,À ce sujet, ü me semble, Monseigneur, qu'il n'y a pas assés d'accord de la part de la cour de Vienne avec la nôtre sur les démarches qui concernent l'Allemagne". Ibid. fol. 129v-130v. Ibid. fol. 130v-131r. AAE CP Allemagne Suppl. 13, fol. 197': „On ne peut faire une distinction physique du Roy et le l'électeur mais leurs États se conduisent par des considérations différentes. Pour rendre la neutralité d'Hanover parfaitte, il falloit que comme électeur il s'engagera à ne point donner ses trouppes d'Hanover, pas mêmes comme auxiliaire, à ne pas donner le passage aux troupes qui viendroient contre le Roi, ni contre ses alliés, et à n'employer ni les siennes, ni celles de ses alliéz comme roi ni comme électeur contre la France et ses alliés, et que si le Roi d'Angleterre attaquoit la France ou ses alliés comme roi, en ce cas la France pourroit attaquer ses possessions en Allemagne". AAE CP Autriche 256, fol. 149-177', Estrées an Rouillé, 13. November 1756, fol. 158'-159\ 173'.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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Kloster Zeven17, äußerte Bemis gegenüber Choiseul seine Skepsis über ein mögliches Ausscheiden Hannovers aus der Reihe der Gegner Frankreichs. Er zweifle, so Bernis, am Willen eines Feindes, der augenblicklich bezwungen, aber im Grunde keineswegs seine Feindschaft abgelegt habe, sich neutral zu verhalten. Man müsse befürchten, daß, sobald sich das Kriegsglück wende, er der französischen Armee in den Rücken fallen werde.18 Bernis sah darüber hinaus einen handfesten praktischen Aspekt, der gegen umfangreiche Neutralitätsdeklarationen im Reich sprach: der Unterhalt der Armee. Keine noch so harten Bedingungen bei der Zusicherung von Neutralität kämen den Kosten gleich, die der Unterhalt der Armee mit sich bringe.19 Diese kritische Sicht der Neutralisierung vertrat Bernis auch gegenüber Richelieu, dem Verantwortlichen für die Konvention von Kloster Zeven. Wer garantiere, daß die Engländer nicht den Waffenstillstand zur Verstärkung ihrer Truppen und zur Vorbereitung weiterer Angriffe nutzen würden? Eine Neutralisierung Hannovers nach französischen Bedingungen sei für Georg II. unannehmbar. Bernis übernahm somit die Argumentation, die sein premier commis Bussy vorgegeben hatte. Die separate Behandlung Hannovers und Englands sei nicht möglich: „Der Friede mit Hannover darf nicht vom Frieden mit England getrennt werden. Denn nur indem wir dem Kurfürsten das ganze Ausmaß unseres Grolls spüren lassen, werden wir den König zu einem ehrenhaften und für uns nützlichen Frieden zwingen. Das Kurfürstentum sollte in unseren Händen ein Mittel der Vergeltung und ein Pfand des Ausgleichs sein. Es wäre schlicht einzigartig, daß, während die englische Flotte, die am 8. des Monats die Segel gesetzt hat, dabei ist, unsere Küste zu verwüsten, unsere Magazine niederzubrennen und unsere Marine zu zerstören, wir äußerst unangebrachte Rücksicht auf die Staaten des Königs von England nähmen, die in gewisser Weise als eine Art Geisel in unseren Händen betrachtet werden sollten".20

Zwar beglückwünschte Bernis nach Eintreffen der Nachricht vom Abschluß der Konvention von Kloster Zeven Richelieu zu seinem Erfolg, doch ermahnte er ihn zugleich, aufmerksam über die buchstabengetreue Exekution des Vertrages zu wachen. Denn das Verbleiben der Truppen Cumberlands in Herzogtum Lauenburg wie auch die (angeblich) notorische Neigung der Briten zu Vertragsbruch stelle weiterhin eine potentielle Bedrohung für die Allianz dar. 1 Bernis' Skepsis war berechtigt, denn dem erfolgreichen Sommer mit den Siegen der 17 18

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Dann, Hannover and Great Britain, S. 114. AAE CP Autriche 259, fol. 151-154', Bernis an Choiseul, 10. September 1757, fol. 152": „Peut-on avec prudence laisser derrière soi d'anciens ennemis dont le cœur n'est point changé, et ne leur pas ôter la possibilité de nous nuire, si les événements de la guerre nous faisoient éprouver quelque échec?" In Auszügen gedruckt bei: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 98-99. AAE CP Autriche 259, fol. 152v-153r: „le plus grand tort qu'on puisse nous faire, c'est de multiplier les neutralités. Quelques conditions que nous imposions aux princes mal intentionnés de l'Allemagne, elles seront moins onéreuses que la nécessité d'avoir chez eux une armée qui peut y vivre avec discrétion". AAE CP Autriche 259, fol. 163-166', Bernis an Richelieu, 12. September 1757, fol. 164'"": „La paix avec Hanovre ne doit pas être séparée de la paix avec l'Angleterre, et ce n'est qu'en faisant éprouver à l'électeur tout le poids de notre juste ressentiment que nous forcerons le Roi à une paix honorable et utile pour nous. L'électorat doit être entre nos mains un moyen de représailles et un gage de conciliation. Il seroit trop singulier que tandis que la flotte angloise, qui a mis la voile le 8 du mois, va entreprendre de ravager nos côtes, de brûler nos magasins et ruiner notre marine, nous eussions les ménagemens les plus déplacés pour les États du Roi d'Angleterre qui doivent en quelque façon être regardé comme un otage entre nos mains". Auszug in: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 99-101. AAE CP Autriche 259, fol. 209-211', Bernis an Richelieu, 20. September 1757, fol. 209"Vl fol. 210r_v: „Vous sçavez combien peu la cour de Londres accepte les traités les plus solennels, et qu'elle ne les observe que

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Allianz bei Kolin und Hastenbeck folgten die vernichtenden Niederlagen von Rosbach und Leuthen im Spätherbst. Im Zuge dieser Erfolge Friedrichs des Großen kündigte London die Konvention von Kloster Zeven wieder auf und nahm im Frühjahr 1758 mit großem Erfolg die Vertreibung der Franzosen aus dem Kurfürstentum in Angriff. Die Neutralität des Reiches

1762-1763

Die Neutralität einzelner Reichsstände oder gar des Reiches selbst sollte erst wieder gegen Ende des Krieges zur Debatte stehen. Am 26. Oktober 1762 erlitt die Reichsarmee bei Freiberg eine weitere Niederlage gegen die preußischen Truppen unter Prinz Heinrich. Wenige Tage später schlössen Österreicher und Preußen einen Waffenstillstand. Damit war der Weg beschritten, der zum Hubertusburger Frieden führen sollte und der ohne Beteiligung des Reiches ausgehandelt wurde. Gleichzeitig unternahm ein preußisches Korps unter General Kleist einen letzten Vorstoß gegen das Reich, indem es in Franken einmarschierte, hohe Kontributionen eintrieb und die Bewohner der fränkischen Städte in Angst versetzte. Für das Reich war dies der Anlaß, sich ohne langwierige Abstimmung mit dem Kaiser durch eine Neutralitätserklärung aus dem Krieg zurückzuziehen. Nachdem der preußische Gesandte am Reichstag, Plotho, Vorschläge bezüglich der Neutralisierung des Reiches vorgelegt hatte, nahmen einzelne Reichsstände separate Verhandlungen auf. Bayern, Würzburg und Bayreuth, letztere durch den preußischen Vorstoß unmittelbar betroffen, drängten auf eine „allgemeine Neutralitätserklärung des Reiches".22 Diese Entwicklung beobachtete man in Paris, wo im November 1762 die Friedenspräliminarien mit England unterzeichnet wurden, durchaus mit Wohlgefallen. Mit London hatte man sich auf den Rückzug der französischen Armee aus den preußischen Westprovinzen geeinigt. Um den Frieden nicht zu gefährden, verzichtete Kaunitz darauf, die preußischen Territorien am Niederrhein und in Westfalen nun durch die österreichische Armee besetzen zu lassen. Damit würde Österreich das letzte Pfand, mit dem die Forderung nach Herausgabe des Herzogtums Glatz begründet werden konnte, verlieren.23 Noch ungeklärt aber war die Rolle des Reiches bei den anstehenden Friedensverhandlungen. Graf Chätelet, Botschafter in Wien, warnte am 11. Dezember davor, die Befriedung des Reiches ganz dem Kaiser zu überlassen, denn sonst drohe ein Ansehensverlust Frankreichs bei den Reichsständen. Colloredo habe ihm mitgeteilt, man beabsichtige, dem Reich nach Abschluß der Präliminarien mit Preußen nachträglich anzubieten, es in den Frieden einzuschließen.24 Chätelet fürchtete den Verlust französischer Glaubwürdigkeit:

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lorsqu'elle ne croit pas pouvoir les violer avec avantage et impunité. Aussi on ne sçaurait porter trop loin la prévoyance vis-à-vis de cette cour injuste et artificieuse". Vgl. auch: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 103-104; eine ähnliche Einschätzung durch Choiseul, in: AAE CP Autriche 261, fol. 187-203', Choiseul an Bemis, 28. Januar 1758, fol. 192r_v. Koch, Der deutsche Reichstag während des Siebenjährigen Krieges, S. 156-161, Zitat S. 161; AAE CP PalatinatDeux-Ponts 91, fol. 316-317', Alesme an Praslin, 29. November 1762. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 118; Carl, Okkupation und Regionalismus, S. 60-65. AAE CP Autriche 292, fol. 269'-275 v , Chätelet an Praslin, 11. Dezember 1762, fol. 270v-271'.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

141

„Von dem Augenblick an, an dem sie [ihre Majestät, Ludwig XV.] eine separate Übereinkunft mit England getroffen hat, höre ich bereits die Vorwürfe, sie habe die Garantie des Westfälischen Friedens und die Verteidigung der Reichsstände vergessen".25

In Châtelets Augen bestand eine fundamentale Bedrohung des französischen Einflusses im Reich. Man laufe Gefahr, im Reich von den Vorgaben der Wiener Hofburg abhängig zu werden und seine eigene, unabhängige Stellung als Ansprechpartner der Stände zu verlieren: „Mir scheint, Monsieur, daß vergleichbare Unterstellungen dazu führen, die Partei des Wiener Hofes im Reich zu Lasten des Königs zu vergrößern und ihr dort ein Ansehen und ein Übergewicht zu verschaffen, das den Einsatz der Mittel behindern könnte, deren Verwendung Interesse und Ruhm des Königs verlangen, um in den Angelegenheiten des Reiches einen bedeutenden und vor allem vom Kaiserhof unabhängigen Einfluß zu bewahren".26

In Versailles und in London dachte man jedoch in diesem Moment vor allem an die praktischen Konsequenzen eines Friedens im Reich, der nicht nur Frankreich, sondern auch England von der Zahlung weiterer Subsidien an seine Verbündeten erlösen würde.27 Der Herzog von Praslin sah in der Neutralität des Reiches keine Gefahr für Österreich. Gut unterrichtet, wußte er von den Bemühungen auch erklärter Gegner Preußens, Neutralitätskonventionen abzuschließen.28 Unterstützung in dieser Frage erhielt Praslin zudem von eher unerwarteter Seite. Er konnte Châtelet schon bald darauf miteilen, daß auch der britische Gesandte in Paris die Idee einer Neutralität des Reiches sehr begrüße. Diese könne durchaus von den Ständen selbst betrieben werden, solange der König und die Königin-Kaiserin dadurch nicht bloßgestellt würden. Auch dürfte Wien von einer Garantie und Vermittlung durch Frankreich und London mehr erwarten als von einer Reichsarmee, deren Kontributoren lieber heute als morgen ihre Zahlungen einstellen würden.29 Praslin hoffte, mit der Einbeziehung Englands in die Etablierung einer reichischen Neutralität den Schaden für die französische Reputation im Reich zu begrenzen, der durch den französischen Rückzug und dem daraufhin

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Ibid. fol. 272": entend déjà les reproches qu'elle [sa Majesté, Ludwig XV, S.E.] a oublié la garantie de la paix de Westphalie, et la défense des États dès qu'elle a fait son accomodement particulier avec l'Angleterre". Ibid. fol. 273 r _ ï : „II me semble, Monsieur, que des insinuations semblables conduiront à grossir le parti de la cour de Vienne dans l'Empire aux dépens du Roi, et à y acquérir une considération et une prépondérance qui pourroit former obstacle aux moyens que l'intérêt et la gloire du Roi exigent que sa Majesté employe pour conserver dans les affaires de l'Empire une influence principale et surtout indépendante de la cour impériale". Vgl. Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, S. 396 (Instruktion Nivernais, 2. September 1762): „L'intérêt commun des Cours de Versailles et de Londres est de se réunir pour rendre la paix générale. Deux motifs principaux doivent les déterminer à y employer tous les soins. Le premier, c'est de se dispenser de fournir des secours en argent à leurs alliés respectifs, ou de leur donner un sujet de plainte et de mécontentement en leur refusant ces secours". AAE CP Autriche 292, fol. 332-334', Praslin an Châtelet, 21. Dezember 1762, fol. 334': „Cette neutralité au reste, va se faire toute seule sans que les grandes cours s'en mêlent. J'apprends par toutes les lettres que je reçois de leur part, que tous les princes mêmes les plus attâchés à la bonne cause, veulent embrasser la neutralité, et retirer leur contingent de l'armée des cercles, et qu'en conséquence ils ont envoiés des instructions à leurs ministres à Ratisbonne. Dans le fond je ne sais pas si c'est un grand malheur même pour la cour de Vienne". AAE CP Autriche 292, fol. 367'-368 v , Praslin an Châtelet, 24. Dezember 1762, fol. 367 r_v .

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

erfolgten Überfall der Preußen in Franken verursacht wurde.30 Der Nutzen der Neutralität für Frankreich liege auf der Hand: „Die Neutralität wäre äußerst nützlich für das Reich, sogar für uns selbst, denn wir wären damit von den Forderungen aller bedrückten Reichsstände befreit, wie auch für den Wiener Hof, der nicht in der Lage ist, sie zu beschützen, und dessen Ansehen, wie auch das unsrige, darunter stark leiden würde".31

Die Herstellung einer Neutralität des Reiches wurde in den letzten Tagen des Jahres 1762 offizielle Politik des Versailler Hofes. Per Rundschreiben an die Gesandten im Reich ließ man mitteilen, daß Ludwig XV., nachdem er inständig von den Reichsständen darum gebeten worden sei, in seiner Funktion als Garant der Reichsverfassung gemeinsam mit dem Hof in London auf eine schnelle Beilegung des Krieges zwischen Friedrich dem Großen und dem Reich drängen wolle. Der beste Weg zum Frieden sei eine Neutralitätserklärung des Reiches.32 Der hier von Praslin skizzierte Weg wurde in den folgenden Wochen tatsächlich eingeschlagen, ohne daß französische Diplomaten in größerem Umfang beteiligt waren. Nacheinander schlössen Württemberg, Bamberg, Würzburg und Bayern Neutralitätskonventionen ab.33 Vom 17. Januar 1763 an wurde in Regensburg, gegen „den zeternden Widerstand der kaiserlichen Gesandten", über die Neutralität des Reiches beraten. Das Conclusum des Reichstages ging der Unterzeichnung des Hubertusburger Friedens um vier Tage voraus.34 Der französische Gesandte Mackau beobachtete die Konferenzen aufmerksam und wunderte sich über den „esprit aigreur et de parti", der am Reichstag herrschte. Er bezweifelte, daß es zur Annahme der von London und Versailles vorgeschlagenen Neutralität kommen werde. Im Abstimmungsverhalten der Reichsstände spiegelten sich für Mackau die Fronten des eben zu Ende gehenden Krieges. Die geistlichen Fürsten entsprachen den Forderungen Wiens, die meisten weltlichen Fürsten den Vorstellungen des Hannoveranischen und des brandenburgischen Gesandten, die nichts unversucht gelassen hätten, den Kaiser ein letztes Mal zu demütigen, indem man den von Wien zurückgewiesenen Terminus der „Neutralität" ins Conclusum aufgenommen habe. Die Direktoren der Kollegien hätten dann versucht, Wien weitgehend vor allzu harter Kritik in Schutz zu nehmen.35 30

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Ibid. fol. 367v: „Je cherche à nous faire un mérite vis-à-vis d'eux [den Reichsständen] de cette neutralité que nous avons proposé à l'Angleterre, afin de contrebalancer les reproches que l'on nous fait dans toute l'Allemagne". Ibid. fol. 368r: „la neutralité seroit extrêmement utile à l'Empire, à nous même puisque nous serions débarassés par là de la réclamation de tous les États opprimés et à la cour de Vienne qui n'est pas en état de les protéger et dont la considération soufftiroit beaucoup ainsy que la notre". Ibid. fol. 370r-370v, „Lettre circulaire" an die Gesandten im Reich, 24. Dezember 1762, fol. 370ν-371Γ: „Dans cette vüe elle [= sa Majesté, Ludwig XV.] a représenté au Roy d'Angleterre qu'elle etoit vivement pressée par les États de l'Empire d'embrasser leur défense et d'exercer sa garantie des traités de Westphalie, et qu'étant également disposé à remplir ses anciennes et ses nouveaux engagements, elle désiroit que les deux cours prissent de concert des mésures efficaces pour prévenir les malheurs dont l'Empire se trouvoit menacé; que le meilleur moyen d'y parvenir seroit d'établir une neutralité entre le Roi de Prusse et le Corps Germanique, et que cet expédient avoit encore l'avantage d'être un acheminement à la paix générale". Koch, Der deutsche Reichstag während des Siebenjährigen Krieges, S. 162. Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 107. AAE CP Allemagne 623, fol. 212-213', Mackau an Praslin, 13. Februar 1763, fol. 212'": „Vous y verrez, Monseigneur, la manière dont les adhérans des deux partis ont voté, les Écclesiastiques conformément aux désirs de la cour de Vienne, dont le suffrage d'Autriche me paroit remarquable et tous les princes séculiers d'anciennes maisons conformément aux insinuations des ministres d'Hanovre et de Brandenbourg qui ont cru

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

143

So kann man in der Frage der Neutralität des Reiches eine Entwicklung in der Beurteilung durch die französische Diplomatie feststellen. Eine Akzeptanz der Neutralität Hannovers kam solange in Frage, wie man glaubte, daß sich die Intervention im Reich auf die Hilfestellung zur Zurechtweisung Preußens beschränken und der Konflikt sowie das französische Engagement auf dem Kontinent begrenzt bleiben würde. Als absehbar wurde, daß London den Preußenkönig massiv unterstützen würde, scheint auch in Versailles die Bereitschaft zur Anerkennung der Neutralität Hannovers geschwunden zu sein. Nun wurde das Kurfürstentum als Pfand benötigt, so wie im Österreichischen Erbfolgekrieg die habsburgischen Niederlande der Einsatz zur Zurückerlangung der Kolonien war. Bei Kriegsende diente die Neutralität hingegen als geeignetes Mittel, den Friedensschluß zu beschleunigen und langwierige Verhandlungen zu vermeiden. Darüber hinaus gab sie Frankreich einen Grund an die Hand, sich aus dem Krieg zurückzuziehen, in den man als Garant der Verfassungsordnung des Reiches gezogen war. Praslin und Châtelet erkannten, daß der Ruf Frankreichs in Deutschland seit Beginn des Krieges gelitten hatte. Das grundsätzliche Problem war die Gefahr, in der Reichspolitik von Österreich abhängig zu werden und die einstige Rolle des Anziehungspunktes für alle antikaiserlichen Strömungen im Reich zu verlieren.

pouvoir prendre trop de précaution pour mettre le ius pacis et foederum des États à l'abri de tout préjudice, et qui ont voulu humilier la cour de Vienne en adoptant expressément le terme de neutralité qu'elle ne paroit ne point agréer [...] Les Directeurs ont cépendant donné au conclusa de leurs collèges la tournure le plus favorable que possible pour la cour impériale". Hervorhebung im Original.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

3. Säkularisationen im Reich? Die Nachfolge des „Herrn der fünf Kirchen", Erzbischof Clemens August von Köln 1760-1761 Das Rheinische Reich im Siebenjährigen Krieg Die alles überragende Gestalt Friedrichs des Großen und die vielen blutigen, in Schlesien geschlagenen Schlachten verstellen leicht den Blick für die Tatsache, daß der Siebenjährige Krieg zugleich fast das ganze westliche Deutschland erfaßte. Phasenweise drangen preußische Einheiten zu Raubzügen in Franken ein, standen sich französische und britische Truppen 1757 an der Weser gegenüber. Über die gesamte Kriegszeit waren die nördlichen Rheinlande, Westfalen und Hessen (in den Grenzen des heutigen Bundeslandes) Kriegsschauplatz.1 Damit waren auch die geistlichen Kurstaaten am Rhein in den Krieg verwickelt. Dienten die Territorien der Kurfürsten von Trier und Mainz vornehmlich den Franzosen als Aufmarsch- und Rückzugsgebiet sowie zur Versorgung ihrer Armeen, so fanden in den Besitzungen des Kölner Kurfürsten über Jahre hinweg erbitterte Kämpfe statt, denn zum Herrschaftsbereich des Kurfürsten Clemens August von Wittelsbach gehörten nicht nur das Kurfürstentum Köln, dessen Territorien sich entlang des Niederrheins erstreckten, und das Herzogtum Westfalen, sondern er war zugleich Bischof von Münster, Paderborn, Hildesheim und Osnabrück. Damit war „Monsieur de cinq-églises" der bedeutendste Fürst im nördlichen Reich. Entsprechend bemüht war Frankreich um diesen wankelmütigen, bis 1756 beständig zwischen Versailles und Wien changierenden Kurfürsten2, verfügte dieser doch über herausragende Einflußmöglichkeiten am Reichstag und in den Direktorien von vier Reichskreisen. Der bis 1756 vom Kurfürsten immer wieder ausgenutzte Handlungsspielraum, den ihm die Gegnerschaft zwischen Versailles und Wien bot, entfiel mit dem renversement des alliances. Clemens August schloß sich der antifriderizianischen Koalition an, trug auch die Reichsexekution gegen den Preußenkönig mit und stellte ein Kontingent zur Reichsarmee ab.4 Während des Krieges verfolgte er weitreichende und unrealistische Ziele. Aus seiner Funktion als Hochmeister des Deutschen Ritterordens leitete er Ansprüche auf preußische Gebiete im Baltikum ab, 1760 forderte er u. a. preußische Territorien im nördlichen Westfalen, etwa Lingen und Tecklenburg.5 Ohne jegliche Chance, diese Ziele zu verwirklichen, mußte Clemens August vielmehr die Auszehrung seiner Länder durch den Krieg erleben - etwa im Bistum Paderborn, das nach der Grafschaft Mark das am schwersten belastete Territorium Westdeutschlands im Siebenjährigen Krieg war.6 Mit seinem Tode gerieten die ehemals von ihm regierten Bistümer zur Dispositionsmasse der Großmächte. Teils 1 2 3

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Braubach, Politik und Kriegführung am Niederrhein, S. 482. Gabel, Der Kölner Kurstaat, S. 57-58; vgl. auch: Schindling, Rheinisches Reich und Frankreich, S. 388-390. Siehe die einleitenden Bemerkungen in der Instruktion für den Marquis de Bausset 1760: „L'étendue et la position des Etats de l'Electeur de Cologne et l'influence qu'ils lui donnent tant à la Diètte générale de l'Empire peuvent rendre l'alliance de ce Prince très utile à la France et à ses alliés en Allemagne non seulement pendant la guerre, mais encore pendant la paix". Recueil des instructions: Cologne, S. 286; ganz ähnlich auch in der Instruktion seines Vorgängers Monteil 1756, ibid., S. 254-256. Er hatte 1751 einen Bündnisvertrag mit Frankreich geschlossen, der 1763 auslief, vgl.: Recueil des instructions: Cologne, S. 256-259; Becker, Kurkölns Beziehungen zu Frankreich, S. 43-46. Burgdorf, Clemens August, der Siebenjährige Krieg und die Folgen, S. 25; zur kurkölnischen Politik im Siebenjährigen Krieg: Braubach, Politik und Kriegführung am Niederrhein, mit dem Verweis auf die ältere Literatur. Burgdorf, Clemens August, der Siebenjährige Krieg und die Folgen, S. 27.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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in der Hand der Franzosen, teils in der Hand der Preußen, waren sie mögliche Faustpfander für die Friedensverhandlungen.7 Von weitaus geringerer strategischer und politischer Bedeutung für den Kriegsverlauf waren hingegen die Kurfürsten von Mainz, Johann Friedrich von Ostein (1743-1763) 8 , und Trier, Johann Philipp von Walderdorff.9 Deren Territorien dienten, wie bereits erwähnt, der vor allem in Hessen-Kassel und am Main operierenden französischen Armee als Durch- und Rückzugsgebiet. Daher verwundert es nicht, wenn die Hauptaufgabe des französischen Gesandten in Mainz, Kempfer von Plobsheim, in der Sicherung des Hinterlandes der französischen Truppen und in der Organisation ihrer Versorgung bestand.10 Die Zusammenarbeit mit beiden Kurfürsten lief weitgehend reibungslos ab, wie aus den Berichten Aigremonts in Trier und Kempfers in Mainz hervorgeht." Dabei war man sich der grundsätzlichen Bedeutung des Mainzer Kurfürsten und seiner Funktion im Reich durchaus bewußt.12 Zur französischen Präsenz am Hofe des Kurfürsten von Köln

1756-1761/1763

Führte erst der Kriegsausbruch von 1756 wieder zur Aufiiahme direkter diplomatischer Beziehungen zwischen Mainz, Trier und Frankreich, so waren im Gegensatz dazu in Kurköln, am „glanzvollsten Fürstenhof im Nordwesten Deutschland" (Anton Schindling)13, französische Diplomaten seit 1747 ununterbrochen präsent. Erst im März 1756 hatte François 7 8 9 10

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Ibid. S. 30. Vgl. über ihn: Gatz, Bischöfe des Reiches, S. 331-334; Recueil des instructions: Mayence, S. LX-LXI. Gatz, Bischöfe des Reiches, S. 547-550; Recueil des instructions: Trêves, S. CXXIV-CXXVIII. Recueil des instructions: Mayence, S. LX. Den 1760 in das Kurfürstentum Köln gehenden Bausset instruierte das Ministerium, sich in allen Fragen des Nachschubs mit Kempfer und dem Kriegsministerium abzustimmen, siehe: Recueil des instructions: Cologne, S. 289-290. AAE CP Mayence 50, fol. Γ-5', Kempfer an Choiseul, 2. Januar 1759, fol. Γ-2 Γ : „Depuis le commencement de la guerre, Monseigneur, ce prince s'est prêté au service des troupes du Roy mieux qu'aucun autre État des cercles prèz desquels j'ai l'honneur d'être accrédité; et par les preuves que la cour en a sous les yeux, elle reconnoîtra peut-être que, proposition gardée, il en a fait davantage. Il m'a toujours parû qu'on gagnoit à souscrire à ses premières offerts, sauf à retourner à la charge en cas de besoin, je me suis conformé souvent à cette methode avec succès, et depuis le commencement de la guerre je ne scache point qu'il ait refusé quelque chose à fin de cause, si j'excepte le consentement de recevoir des trouppes à demeurer à Mayence [...] S. A. Électorale sent parfaitement combien le soutien des trouppes dans les quartiers d'hiver qu'elles occupent importe à la cause commune, elle m'a réitéré souvent dans l'assurance qu'elle est décidé à faire les plus grands efforts: elle emprunte et elle achète des fourages, j'en ai vû les marchés". Siehe auch: Recueil des instructions: Mayence, S. 175. Ein weiteres Beispiel fur die Zusammenarbeit Frankreichs mit den geistlichen Kurfürsten bietet die französische Besetzung der Festung Ehrenbreitstein, die der Trierer Kurfürst Johann Philipp von Walderdorff ursprünglich hatte verhindern wollen, ihr nach einem Vorstoß der Preußen in das kurtrierische Amt Montabaur aber zustimmte, vgl.: AAE CP Trêves 19, fol. 233'-234 v , Aigremont an Bernis, 4. Juni 1758; ibid. fol. 235r~v, Bernis an Aigremont, 11. Juni 1758; Braubach, Vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß, S. 278. Schon früher hatte Aigremont den Eifer des Trierers bei der Formierung der Reichsarmee hervorgehoben, AAE CP Trêves 19, fol. 106Γ-107Γ, Aigremont an Rouillé, 17. Juni 1757, fol. 106v: „L'arrivé des six cent hommes de l'Électeur de Trêves à Mayence a hâté le départ d'une partie du contingent de l'Électeur de Mayence. Il étoit juste que l'Électeur de Trêves fut le premier à remplir son devoir envers l'Empire, puisqu'il est le premier qui opine dans le colège électoral". Kempfer warnte 1762 angesichts des fragilen Gesundheitszustandes von Kurfürst Johann Friedrich Karl von Ostein, daß sein Tod erhebliche Risiken berge, da weder Versailles noch Wien über genügend Einfluß auf das Domkapitel verfügen, um einen ihrer Favoriten in dieses für die Reichsverfassimg so wichtige Amt zu bringen, AAE CP Mayence 55, fol. 232r-233v, Kempfer an Choiseul, 21. Mai 1762, fol. 232'". Zit. nach: Burgdorf, Clemens August, der Siebenjährige Krieg und die Folgen, S. 23.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Just-Charles, Marquis de Monteil, den seit fast zehn Jahren in Bonn residierenden Gesandten Guébriand abgelöst. Zu den Aufgaben sowohl Monteils als auch seiner Nachfolger Breteuil und Bausset zählten neben den kriegsbedingten Angelegenheiten die Aufrechterhaltung des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Kurköln und Frankreich sowie die Einbindung des Kurfürsten in das antifriderizianische Bündnis.14 Die Korrespondenzen und Instruktionen der französischen Diplomaten im Kurköln zur Zeit von Clemens August veranschaulichen geradezu exemplarisch „den politischen Stellenwert des [frühneuzeitlichen] Hofes, sein Gewicht in der Innen- und Außenpolitik".15 Um die Gunst des Kurfürsten, einer beeinflußbaren und entscheidungsschwachen, zugleich aber eifersüchtig auf der Wahrung seines Ranges bedachten Persönlichkeit, buhlten über Jahrzehnte verschiedene Höflinge mit wechselndem Erfolg.16 Die in seiner langen Regierung mehrfach wechselnden Favoriten, die Intrigen verschiedener Faktionen des Hofes nahmen einen beachtlichen Teil der Korrespondenz der Gesandten ein - mehr als etwa in der Korrespondenz vom Wiener Hof - und fanden Eingang in die Instruktionen.17 Da der Hof zur Zeit von Clemens Augusts nicht zuletzt dank der zahlreichen Studien Max Braubachs sehr gut erforscht ist18, soll aus den umfangreichen Porträts der Höflinge des Kurfürsten, die die Gesandten nach Versailles schickten, hier nur das von Kaspar Anton von Belderbusch herausgegriffen werden. Belderbusch (1722-1784), etwa seit 1751/1752 zu den Vertrauten des Kurfürsten zählend, stieg nach Clemens Augusts Tod zum allmächtigen Minister Kurkölns auf.19 Wurde Belderbusch in der Instruktion des Gesandten Monteil noch nicht erwähnt, so fiel er doch bald auf. Belderbusch betreibe im Auftrage der Hofparteien seine Abberufung, schrieb Monteil am 12. September 1757 an Bernis20 und schickte wenige Tage später ein wenig schmeichelhaftes Charakterbild des ehrgeizigen Deutschordensritters, den er als mäßij* gebildet, verschlagen, intrigant und als Gefahr für die französischen Interessen beschrieb. Ganz anders urteilte dagegen Monteils Nachfolger Bausset über Belderbusch, der ein knappes Jahr später bereits die Finanzen des Kurfürstentums verwaltete. Er verfüge über Geist, 14

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Recueil des instiuctions: Oologie, S. 275, aus der Instruktion für den Baron de Breteuil: „Le principal objet de son attention sera d'affermir ce Prince dans les sentimens d'amité qu'il professe à Sa Majesté, dans les engagemens qu'il a contractés avec elle par le traité d'union et de subsides [...], et dans l'attachement à la cause commune, dont il a donné jusqu'ici les preuves les plus incontestables, comme aussi de faire échouer les manœuvres que les ennemis de la France et de l'Empire ne cessent d'employer pour l'attirer dans leur parti, au mépris de ses engagemens et de ses devoirs". Vgl. ähnlich auch: ibid. S. 259 (Instruktion Monteil); S. 286-287 (Instruktion Bausset). Müller, Fürstenhof, S. 89. Über Clemens August: Gatz, Bischöfe des Reiches, S. 63-66; Braubach, Die vier letzten Kurfürsten, S. 41-78. Vgl. Recueil des instructions: Cologne, S. 263-268 (Instruktion Monteil), 280-281 (Instruktion Breteuil), 291-292 (Instruktion Bausset). Braubachs Studien über Kurköln können hier nicht im einzelnen aufgeführt werden, siehe die Liste seiner einschlägigen Arbeiten bei: Winterling, Der Hof der Kurfürsten von Köln, dort S. 261-262. Über den „kölnischen Pombai" (Braubach): Braubach, Kurkölnische Miniaturen, S. 235-275 (Der Minister Belderbusch); darauf basierend: Penning, Belderbusch. AAE CP Cologne 94, fol. 82'-84 v , Monteil an Bernis, 12. September 1757, fol. 83r: „M. de Belderbusch est un de ceux que j'ay trouvé le plus souvent sur mon chemin: je sais à n'en pouvoir douter qu'il est chargé vis-avis de deux partis différents qu'il y a dans cette cour, qui désirent autant mon éloignement que leur ruine réciproque, de faire toutes les insinuations et tentatives possibles pour procurer mon rappel". Ibid. fol. 91'-94 r , Monteil an Bernis, 21. September 1757, fol. 92 v -93 r : „Le Baron de Belderbusch est un homme sans éducation, médiocrement instruit [... unlesbar] tendu à l'employ de toute sorte de moyens les plus vils et qu'il dirige avec une très grande fausseté pour s'emparer de la confiance de son maître et s'il parvenoit jamais à ce but je regarderais cette circonstance comme dangereuse pour les affaires du Roy". Siehe auch: Braubach, Kurkölnische Miniaturen, S. 240.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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sei feinsinnig, aber auch ein wenig falsch, urteilte Bausset. Von allen Höflingen kenne er am besten den Charakter seines Herrn und strebe nach der Leitung der Politik des Kurfürstentums, das seiner Ansicht nach eine bedeutendere Rolle im Reich einnehmen solle. Für Bausset war Belderbusch, den er als umgänglich und zugleich als verschlagen, ehrgeizig und ruhmsüchtig charakterisierte, ein Mann, den man im Auge behalten müsse.22 Gleichwohl sei er aufgrund seiner Intelligenz anderen Höflingen und Mitgliedern der Regierung vorzuziehen. Besonders der leitende Minister und sich durch „unerschütterliche Dummheit" auszeichnende Großkanzler Raesfeldt bekämpfe ihn.23 Weitgehend negativ blieb das Urteil über Belderbusch auch beim chargé de correspondance Laugier, der in ihm einen Gegner der Franzosen sah.24 Daß Belderbusch die aufstrebende Persönlichkeit des kurfürstlichen Hofes war, daran bestand kein Zweifel, und schon bald nach der Wahl des neuen Kurfürsten Max Friedrich von Königsegg konnte er sich gegen seine Konkurrenten durchsetzen. Schon im Juni 1761 konstatierte Bausset den wachsenden Einfluß Belderbuschs auf den Kurfürsten, und im Januar des folgenden Jahres beschrieb ihn der Gesandte als die mächtigste, alles kontrollierende Persönlichkeit, dem Königsegg völlig vertraue.25 Am Beispiel Belderbuschs zeigt sich die Bedeutung der minutiösen Schilderung der Hofparteien für die Diplomatie. Aus den Korrespondenzen läßt sich nicht nur der langsame Aufstieg des Favoriten zum alles beherrschenden Minister rekonstruieren, sondern die Gesandten haben schon frühzeitig in ihm eine Persönlichkeit erkannt, die einmal von Bedeutung für die Kölner Politik sein würde. Auch in Belderbuschs antifranzösischer Grundhaltung täuschten sich die Diplomaten nicht, war es doch der Minister, der mit einer Annäherung an die Seemächte die Wahl Königseggs auch zum Bischof von Münster sicherte. Der kurkölnische Hof, den Breteuil als von einer anderen Welt beschrieb26, war auch für die eigentlich verbündeten französischen Diplomaten ein gefährliches Parkett. Der Vorgänger des Marquis de Monteil, Abbé Guébriand, fiel wegen einer Etikettenfrage in Ungnade und

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AAECP Cologne 96, fol. 99'-103v, Breteuil an Bemis, 20. Oktober 1758, fol. 102'~v: „M. de Belderbusch, président des finances, a quelque esprit. Il est fin, peut-être même un peu faux. C'est de tous les courtisans celui qui connoit le mieux son maître. Il a un grand désir de se trouver chargé de la partie politique. Ses sentiments sont bons, mais il voudroit faire jouer un rôle à l'Électeur dans l'Empire, que ni lui, ni ce prince ne seroit en état de soutenir, et qui, je crois, ne conviendrait nullement au sistême des grandes puissances. En total, c'est un homme qu'il ne faut pas pousser, mais qui doit être fort ménagé". Breteuils „tableau de la cour de Bonn" ist ediert worden: Recueil des instructions: Cologne, S. 281-284. AAE CP Cologne 98, fol. 207'-210r, Bausset an Choiseul, 24. August 1760, fol. 208v-209r: „M. de Bedelbusch [sic] est d'un caractère tout opposé; Il est ouvert: Il cause; il discute les affaires, et en parle avec plaisir. Il est faux, ambitieux, avide de gloire [...]; Il désire beaucoup d'entrer un peu plus avant dans les affaires de son maître. M. de Rasfeldt le connoit, le craint, et l'éloigné du cabinet. Malgré le caractère dangereux de M. de Bedelbusch, je crois qu'on en tireroit plus aisement parti dans une négociation que de l'inébranlable stupidité de M. de Rasfedt". Ibid., fol. 38'-41 v , Laugier an Choiseul, 23. Februar 1760, fol. 40' v: „Le Baron de Belderbusch a plus d'esprit [...], c'est un homme qui ne va pas droit, et qui n'est pas porté pour les fiançois". AAECP Cologne 100, fol. 108'-109v, Bausset an Choiseul, 18. Juni 1761, fol. 109'. AAE CP Cologne 101, Bausset an Praslin, 25. Janunar 1762, fol. 24 r -30 v , fol. 27'; 28': „C'est M. de Bedelbursch [sic] qui a toute la confiance de l'électeur. Il fait tout, il règle tout, le palais, le domestique, la finance, l'État, et les affaires étrangères. Économe par caractère, il a donné à l'électeur des projets d'économie dont ce Prince avoit grand besoin dans la situation présente, et qui lui ont fait goûter ce ministre. [...] C'est d'après l'avis du seul M. de Bedelbursch que le Prince se détermine". Vgl. auch: Recueil des instructions: Cologne, S. XLVI. AAE CP Cologne 96, fol. 99-10Γ, Breteuil an Bernis, 20. Oktober 1758, fol. 99': „Tout ce qui la [la cour, S.E.] compose est si étrange, et si fort de l'autre monde, qu'en vérité elle ne devrait pas être comptée pour grand chose dans celui-cy". Recueil des instructions: Cologne, S. 281.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

wurde nicht mehr empfangen.27 Entsprechend wurden die Gesandten Monteil, Breteuil und Bausset zu höchster Vorsicht im Umgang mit dem Kurfürsten angewiesen. Man solle sich um sein Vertrauen bemühen, aber darauf achten, keine allzu enge Beziehung zu ihm zu knüpfen. Die Höflinge seien auf Distanz zu halten, da der Kurfürst - zu Recht, wie die französischen Bestechungsversuche belegen - es nicht gerne sehe, wenn diese auf zu vertrautem Fuße mit den ausländischen Gesandten stünden.28 Der Kampf um die Nachfolge des Kurfürsten Daß neben dem eigentlichen Hof in den geistlichen Fürstentümern des Alten Reiches ein zweites machtpolitisch bedeutendes Zentrum existierte, das den Erzbischof bzw. den Bischof wählende Domkapitel, und daß der Koadjutor die Rolle des präsumptiven „Thronfolgers" in den geistlichen Staaten einnahm, gehörte zum Grundwissen der französischen Diplomatie. Bot die Wahl eines Nachfolgers für den Erzbischof von Trier, Franz Georg von Schönbora, im Jahre 1756 keinen Konfliktstoff, da die eigentliche Nachfolge bereits zwei Jahre zuvor durch Wahl Johann Philipps von Walderdorff zum Koadjutor geregelt worden war29, sah die Situation beim unerwarteten Tode von Kurfürst Clemens August weitaus komplizierter aus. Dieser hatte niemals Koadjutoren in den von ihm gehaltenen Bistümern bestellt30, was nun dazu führte, daß mehrere Kandidaten sich Hoffnungen auf die vakanten Bischofssitze machten. Zudem sorgten Gerüchte und Befürchtungen über eine umfassende territoriale Neugestaltung Nordwestdeutschlands für Unruhe, denn die Sedisvakanz in den fünf Bistümern Nordwestdeutschlands koinzidierte mit seit Kriegsbeginn zwischen Berlin und Hannover-London ventilierten Planspielen über die Säkularisierung wenigstens der beiden norddeutschen Bistümer, Hildesheim und Osnabrück.31 In letzterem war die Sukzession Clemens Augusts bereits durch den Artikel XIIIIPO entschieden, der die Alternation des Bistums zwischen Protestanten und Katholiken vorsah. Das Schicksal des Bistums Osnabrück hing vorerst von der Präsentation eines Kandidaten durch den britischen Hof ab. Oberstes Gebot für die Gegner einer Säkularisation war das Festhalten am Status quo in Osnabrück, d. h. einmal mehr rückte der Westfälische Frieden in den Mittelpunkt der Debatte. Sogar die Kurie, die 1648 offiziell gegen ihn protestiert und ihn niemals anerkannt hatte, drängte jetzt auf seine Beachtung.32 Daß die Furcht vor einer neuen Welle von Säkularisationen keineswegs unbegründet war, belegt der Blick in die zeitgenössische Publizistik. Eine von preußischer Seite veranlaßte Neuauflage und Übersetzung des antikaiserlichen Traktats Dissertatione de ratione Status in Imperio nostro Romano von Bogislaw Philipp von Chemnitz samt ausführlichen Kommentar durch den Kameralisten Johann Heinrich von Justi enthielt einen „Reichsreformplan zur Auflösung des Reiches".33 So schien 1761 eine fundamentale Revision des Westfälischen Friedens keineswegs außerhalb des Möglichen. Wie sah die französische Reaktion auf diese Situation aus? Es bestand natürlich kein Zweifel daran, daß mit einer Intervention der französischen Diplomatie in den „Wahlkampf' 27 28 29 30 31

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Braubach, Österreichische Diplomatie, S. 131; Recueil des instructions: Cologne, S. XL. Vgl. etwa Recueil des instructions: Cologne, S. 291 (Instruktion Bausset). Recueil des instructions: Trêves, S. CXXIII-CXXV. Raab, Clemens Wenzeslaus, S. 131. Baumgart, Säkularisierungspläne Friedrichs II., bes. S. 64-66; Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 261-265; Raab, Clemens Wenzeslaus, S. 121-127. Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 315-316. Burgdorf, Clemens August, der Siebenjährige Krieg und die Folgen, S. 32-36, Zitat S. 36.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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um die Besetzung der Bistümer zu rechnen war. Die Einflußnahme auf die Bischofswahlen der Germania sacra hatte in Frankreich Tradition34, und daher überrascht es nicht, daß Choiseul bereits kurz nach dem Tod des Kurfürsten mit der Diskussion möglicher Nachfolgekandidaten begann. Da Osnabrück an einen Hannoveraner Prinzen fallen werde, sei das Territorium als feindliches Land zu betrachten. Daß die feindliche Besetzung von Teilen der ehemals von Clemens August regierten Territorien die Neubesetzungen erschweren würde, stand für Choiseul ebenfalls fest. Für den Außenminister stellte sich vor allem die Frage, welche der großen deutschen Fürstenhäuser sich um die vakanten Bistümer bewerben würden. Drei mögliche Bewerber sah er, von denen er einen sogleich ausschloß. Da sich Maria Theresia nie um einen Bischofssitz für ein Mitglied ihrer Familie bemüht habe, sei nicht damit zu rechnen, daß sie diesem Grundsatz untreu werde. Die anderen Kandidaten waren zum einen Johann Theodor, Kardinal von Bayern, zum anderen ein Angehöriger des sächsischen Königshauses. Einer sächsischen Bewerbung stand Choiseul durchaus positiv gegenüber, denn die Erwerbung der Kölner Kur und bzw. oder eines der anderen Bistümer käme einer Entschädigung für das vom Krieg heimgesuchte Sachsen gleich. Dem Kardinal von Bayern räumte er nur geringe Chancen auf die Nachfolge seines Bruders ein. Angesichts der Tatsache, daß dieser bereits über drei Bistümer verfüge und sein Lebenswandel keineswegs dem tridentinischem Bischofsideal entspreche36, werde die Kurie nicht bereit sein, ihm das bzw. die notwendigen Wählbarkeitsbreven auszustellen. Nur fiir das ebenfalls vom Bruder besetzte Amt des Hochmeisters des Deutschen Ordens könne er kandidieren, ohne auf die Genehmigung Roms angewiesen zu sein.37 Von einer Säkularisierung sprach Choiseul nicht. 34

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Ein systematischer Überblick über die französische „Reichskirchenpolitik" fehlt; vgl. als Fallstudie: Sinkoli, Ludwig XIV. und die Bischofswahl von Osnabrück, bes. S. 40-43. AAE CP Autriche 281, fol. 247 r -248 v , Choiseul an Praslin, 10. Februar 1761, fol. 247 r ". Über Johann Theodor von Bayern (1703-1763) siehe: Gatz, Bischöfe des Reiches, S. 205-208 mit weiterführender Literatur. Johann Theodor war bekannt für seine zahlreichen Mätressen, vgl. ζ. B. die Berichte Folards in: AAE CP Bavière 141, fol. 361 r -364 v , Folard an Choiseul, 20. Juni 1759, fol. 36Γ-362'; 362 v -363 r : „II [Johann Theodor] vient de prendre depuis peu une nouvelle maitresse, des charmes de laquelle il est si épris, qu'il fait tout ce qu'il peut pour la produire dans le monde, ce qui s'offre encore de grandes difficultés, parce qu'elle n'est pas de naissance pour avoir entrée à la cour. [...] Il est encore trop amoureux pour entendre raison. Il faut espérer qu'il ne tardera pas de se dégoûter de cette femme, qui n'est rien moins qu'aimable, et que la satiété sera plus efficace que toutes les meilleures raisons que l'on pourroit lui alléguer aujourd'huy". Choiseul sah den Lebenswandel des Kardinals recht gelassen: „II est heureux d'avoir le cœur tendre encore à son âge, et c'est à son confesseur à lui faire des représentations sur le scandale. Pour nous nous lui permettrons des maîtresses tant qu'il persistera dans son attachement pour le Roi", ibid. fol. 373', Choiseul an Folard, 30. Juni 1759. AAE CP Autriche 281, fol. 247 v -248 r : „II y a grande apparence que le cardinal de Bavière voudra se mettre sur les rangs pour l'électorat, et pour la grande maîtrise de l'ordre teutonique; il pourroit être susceptible de celle-cy, par ce que l'élection n'a aucune dépendance de la cour de Rome. Mais pour les autres bénéfices, comme l'irrégularité de sa vie lui a déjà attiré de la part de la cour de Rome un refus formel du bref d'éligiblité pour la coadjutorerie qu'il sollicitoit, il faut s'attendre que le Pape actuel sera saisi du même esprit et qu'il refusera le bref pour joindre quelques unes de ces bénéfices à ceux que ce prince possède déjà. L'Impératrice-Reine a plusieurs fois assure qu'elle ne déstinoit aucun des ses princes au parti de l'église, et la mort du Prince Charles devrait la confirmer dans cette idée, si elle y persiste. Nous ne voyons que les princes de Saxe qui puissent aspirer à l'électorat de Cologne, et aux autres bénéfices que le feu électeur laissera vacans. En ce cas il nous paroît qu'il seroit de la justice et de l'intérêt de leurs Majestés impériales d'en procurer quelques-uns aux princes de cette maison, pour supléer en quelque façon aux dédommagemens que l'on en pourra obtenir". Zur Ausstellung der Wählbarkeitsbreven für Johann Theodor von Bayern und Clemens Wenzeslaus von Sachsen: Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 303-309.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

Die Geschichte der Nachfolge des „Herren der fünf Kirchen" soll an dieser Stelle nicht erneut nachgezeichnet werden.38 Am sich bis 1763 hinziehenden Ringen um die Neubesetzung der Bistümer in Westfalen beteiligte sich Frankreich insofern, als es in den Kapiteln für seine Kandidaten warb. Neben der Unterstützung der Kandidaten extra gremium warb man aber auch für eine Vertagung der Wahlen auf die Zeit nach einem Friedensschluß.39 Nachdem Maximilian Friedrich von Königegg am 6. April 1761 in Köln zum Erzbischof und Kurfürsten gewählt worden war, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Diplomaten nun auf die Wahl in den westfälischen Bistümern. Da der Papst dem Kardinal von Bayern das Wählbarkeitsbreve für Köln verweigert, für die drei anderen Bistümer jedoch erteilt hatte, ließ Choiseul Königsegg wissen, daß Frankreich seine Kandidatur in Münster zwar nicht hintertreiben, aber auch nicht offen unterstützen werde und daß der König den westfälischen Kapiteln die Wahl Johann Theodors empfohlen habe.40 Übermäßigen politischen Druck oder massive Intervention in die Wahlen seitens Frankreichs gab es nicht. Der premier commis Bussy urteilte, daß es für Frankreich unerheblich sei, ob in Münster ein Bischof aus einem Fürstenhaus oder nur aus einem lokalen Adelsgeschlecht regiere - entscheidend sei, daß dieser Unabhängigkeit gegenüber den mächtigere Nachbarn wahre, seien es die Niederländer, Preußen oder Hannover oder auch Wien.4 Sowohl für den Wittelsbacher als auch für den Wettiner Clemens Wenzeslaus versuchte man die Sympathien der Angehörigen der Kapitel zu gewinnen. Aus taktischen Gründen brachte Versailles den Prinzen aus sächsischem Hause auch als Kandidaten für die Koadjutorie in Mainz oder in Worms ins Spiel. Die erwartete Ablehnung dieser Vorschläge in Wien sollte dann der Stärkung der Ansprüche von Clemens Wenzeslaus auf die westfälischen Bistümer dienen.42 Der Wahl Königseggs in Münster schließlich zuzustimmen, bereitete in Versailles keine Probleme, denn so vermeide man einen Streit mit Wien und beende alle Spekulationen über eine Säkularisation.43 Daß Clemens Wenzeslaus auch bei den Wahlen in Paderborn und Hildesheim scheiterte, wog nicht allzu schwer. Denn durch den Tod Johann Theodors erga-

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Vgl.: Stoecker, Die Wahl Maximilian Friedrichs von Königsegg; Raab, Clemens Wenzeslaus, S. 129-177; Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 302-322; Schmid, Max III. Joseph, S. 444-449; Recueil des instructions: Cologne, S. XLI-XLV; zu den Wahlen in Münster und Paderborn: Hanschmidt, Franz von Fürstenberg, S. 43-80. AAE CP Autriche 286, fol. 315r-316v, Denkschrift Bussys: „Sur le mémoire concernant l'élection d'un évêque de Munster", 17. Februar 1762, fol. 316": „II paroit qu'il convient de touttes façons de différer les élections de Westphalie jusqu'à la paix, affin d'être libre de prendre le parti qui conviendra le mieux aux circonstances". CP Autriche 289, fol. 337'-346v, Châtelet an Praslin, 12. Juli 1762, fol. 340v-342v. AAE CP Cologne 100, fol. 93-94', Choiseul an Bausset, 6. Juni 1762, fol. 93'. AAE CP Autriche 286, fol. 315": „On peut dire en général qu'il importe peu à la France que ce soit un prince ou un gentilhomme qui soit évêque de Munster pourvû qu'il ne soit livré ni à la cour de Vienne ni au Hollandois, ni aux Électeurs d'Hannover et de Brandenbourg". Wien fürchte eine Schwächung seines Einflusses im Reich, sollte der Reichskanzler - der Mainzer Kurfürst vom Hause Sachsen gestellt werden (das ja auch den Vorsitz im Corpus evangelicorum innehatte), siehe: AAE CP Autriche 289, fol. 100-101", Praslin an Châtelet, 12. Juni 1762, fol. 10Γ. Durch das Insistieren auf diesen Plan sollte Wien zur Unterstützung von Clemens Wenzeslaus in Westfalen bewegt werden, ibid. fol. 158-163', Châtelet an Praslin, 27. Juni 1762, fol. 16Γ-162'. Indem man den Prinzen für die Koadjutorie des Bistums Worms ins Gespräch brachte, hoffte man wiederum den Trierer Kurfürsten zu gewinnen. Der Verzicht auf Worms sollte mit Unterstützung der Kandidatur Clemens Wenzeslaus in Westfalen durch Trier erkauft werden; ibid., fol. 244'-245 v , Praslin an Châtelet, 28. Juni 1762. AAE CP Autriche 290, fol. 128'-129v, Praslin an Châtelet, 27. Juli 1762, fol. 128-129'.

III. Das Alte Reich im Siebenjährigen Krieg

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ben sich drei neue Vakanzen im Reich. Hier sollten die Anstrengungen für Clemens Wenzeslaus schließlich von Erfolg gekrönt sein.44 Wie beurteilten die französischen Diplomaten die mit der Vakanz verbundene grundsätzliche Gefahr einer Säkularisierung und damit einer fundamentalen Umgestaltung des Reiches? Folard, der Gesandte am Münchener Hof, erfaßte die Bedeutung dieses Todesfalls für das Haus Wittelsbach, das seine Sekundogenitur einbüßte, und sah darin eine große Gefahr für das Reichssystem und für den französischen Einfluß im Reich, sollte es Säkularisationen geben und mehr als nur Osnabrück unter hannoverische Herrschaft fallen.45 Auch die Diplomaten diskutierten untereinander die möglichen Konsequenzen des Todes von Clemens August. Praslin deutete in einem Brief an seinen Kollegen in St. Petersburg, Breteuil, an, daß einer der ersten Gedanken des Außenministers (seines Cousins Choiseul) auf eine Säkularisation gerichtet gewesen sei, um so eine Entschädigung für den durch den Krieg am stärksten betroffenen König von Polen zu erhalten. Diese Idee sei jedoch in Wien sofort zurückgewiesen worden. Die Gefahr einer Umstrukturierung des Reiches existierte 1761 durchaus. Wenngleich dieses Projekt auf dem ersten Blick verlockend erschien, so waren doch Breteuil und Praslin einer Meinung, nämlich daß es dem Garanten des Westfälischen Friedens nicht zukomme, Vorschläge über weitere als in ihm festgelegte Säkularisationen zu machen.46 Gleichwohl verböte der Garantenstatus keineswegs die Modifizierung des Friedens von 1648, wie Praslin wahrscheinlich in Erinnerung an vorangegangene Veränderungen (etwa Rijswijk) anmerkte:

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Clemens Wenzeslaus wurde am 18. April 1763 zum Bischof von Freising, am 20. April zum Bischof von Lüttich (hier gab es allerdings eine Doppelwahl, die zu Ungunsten des Prinzen entschieden wurde) und wenige Tage später zum Bischof von Regensburg gewählt, eine Wahl, die er jedoch erst am 2. Januar 1764 annahm, vgl.: Raab, Clemens Wenzeslaus, S. 183-240. AAE CP Bavière 144, fol. 35r-39r, Folard an Choiseul, 11. Februar 1763, fol. 35-36': „C'est d'ailleurs un événement fâcheux pour la maison de Bavière-Palatine dont la considération dans l'Empire ne peut que souffrir de la perte d'un électeur aussi puissant dans le collège électoral et dans celui des princes. Dieu sait ce que vont devenir toutes ces principautés ecclésiastiques, non seulement l'évêché d'Osnabrug passera à la maison d'Hanovre, mais on peut bien s'imaginer, qu'elle disposera aussi des élections des évêchés de Munster, d'Hildesheim et de Paderborn qui sont en sa puissance. Reste même à savoir, si l'admission des commissaires impériaux à ces élections ne souffrira aucun obstacle de la part de l'armée des alliés, et si les cours de Londres et de Berlin ne regarderont pas cet événement comme une occasion favorable de réaliser leur ancien projet de sécularisation, projet qui faciliteroit peut-être la paix en ce moment, mais qui par la suite pouroit devenir fatal à l'Empire, dont le système serait par là si non renversé, du moins considérablement altéré au grand préjudice non seulement de l'autorité impériale et du crédit de la cour de Vienne en Allemagne, mais au très grand préjudice aussi de notre propre influence dans l'Empire". AAE CP Autriche 282, fol. 5 0 - 5 Γ , Praslin an Breteuil, 4. April 1761, fol. 50": „Je ne dois pas vous laisser ignorer que notre cour n'aurait pas été éloignée de donner les mains à des sécularisations, si ce moyen avoit pu faciliter la paix, en procurant des dédommagements au Roy de Pologne, ç'a été la première idée de M. le duc de Choiseul en apprenant cette nouvelle, et il m'a chargé de sonder les dispositions de la cour de Vienne; mais elle a été dans tous les tems fort opposée aux sécularisations, et c'est malgré elle, qu'elle a consenti à celles qui ont été faites par le traité de Westphalie. Sa politique n'a pas changée à cet égard et sera toujours la même. Ainsi jusqu'à présent cette idée n'a eu aucune suite, et comme vous l'avez fort bien remarqué, M., ce n'est pas aux garans du traité de Westphalie d'en faire les premières ouvertures. La proposition aurait dû venir de nos ennemis et alors nous aurions pu y consentir, s'ils avoient offerts en même tems des arrangements qui eussent pu convenir à nous et à nos alliés". Über französische Gedankenspiele bezüglich einer Säkularisation zugunsten einer sächsischen Entschädigung berichtete auch der Pariser Nuntius, siehe: Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 318.

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Β. Die Perzeption des Alten Reiches

„Zu diesem Problem, Monsieur, möchte ich anmerken, daß unsere Eigenschaft als Garant des Westfälischen Friedens uns anhält, diesen Vertrag, der die Grundlage des deutschen Systems bildet, in seiner Gesamtheit zu erhalten. Aber dies verbietet uns nicht, Veränderungen zuzustimmen, die gemäß unseren Interessen und der unser Verbündeten vorgenommen werden und die den Regeln der Reichsgesetze entsprechen".47

Ernsfliaft wurde eine Säkularisation als mögliche Option für die Zukunft der rheinisch-westfälischen Bistümer jedoch nicht in Erwägung gezogen. Schon Choiseul sprach in oben zitierter Depesche diese Möglichkeit nicht an. Daß die Grundsatzentscheidung bezüglich des Schicksals der fünf Bistümer des Wittelsbacher Kurfürsten Clemens August weniger die Unterstützung potentieller Nachfolger als vielmehr ihren Erhalt oder ihre Säkularisation betraf, belegt die Reaktion auf die Verzögerungstaktik des britischen Hofes bei der Neubesetzung des Bistums Osnabrück nach Ende des Krieges. Praslin erteilte Spekulationen über eine Zustimmung zur Säkularisation Osnabrücks eine eindeutige Absage.48 Von der 1761 nur kurzfristig ins Auge gefaßten Säkularisation hatte sich die französische Diplomatie verabschiedet und hielt weiterhin an der Orientierung am Westfälischen Frieden als Leitkategorie ihrer Deutschlandpolitik fest. Der Verlauf der Bischofswahlen wurde jüngst als ein ,,völlige[r] Fehlschlag" der französischen Politik bezeichnet. 49 Dies trifft zu, wenn man nur die Ergebnisse der Wahlen betrachtet, die tatsächlich keinen der von Frankreich unterstützten Kandidaten auf einen der Bischofssitze gebracht hatten. Berücksichtig man aber die dramatische Situation, die sich 1761 bot, nämlich die Gefahr einer Säkularisierung der nordwestdeutschen Germania sacra, so ist dieses Urteil zu relativieren. 50 Die territoriale Gestalt des Reiches blieb unversehrt, und damit hatte niemand von der Vakanz der Bistümer profitieren können. Auch die Tatsache, daß der traditionell der französischen Klientel zugehörige Kölner Kurfürst sich an die Vereinigten Niederlande annäherte (ihnen verdankte er seine Wahl in Münster), bereitete in Versailles offenbar wenig Sorgen, hatten die Niederlande doch erheblich an Macht und Einfluß im Staatensystem verloren. Darüber hinaus entfiel mit dem Kölner Kurfürsten ein langjähriger Empfänger von Subsidien.51 So betrachtet muß der Ausgang der Bistumswahlen wenn nicht als Erfolg, so doch als akzeptables Ergebnis gewertet werden.

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AAE CP Autriche 282, fol. 50"-5 Γ: „Je vous observeray à ce sujet, M., que notre qualité de garant de la paix de Westphalie nous engage à maintenir dans toute leur intégrité les dispositions de ce traité qui est la baze du système germanique, mais elle ne nous interdit pas la faculté de consentir à des changements qui seroient conforme à nos intérêt et à ceux de nos alliés, et qui seroient revêtus des formes présentes par les loix de l'Empire". Diesen Vorschlag wiederholte Praslin gegenüber Choiseul, ibid. fol. 130Γ-132ν, Praslin an Chosieul, 23. April 1762, fol. 13Γ-132'. AAE CP Autriche 295, fol. 306r-314v, Praslin an Châtelet, 16. September 1763, fol. 310v-311v: „Comme le Roy [Ludwig XV.] a droit et intérêt de s'oposer à tout projet qui tendoit à la sécularisation d'aucun évêché catholique d'Allemagne, ou qui priveroit les Catholiques de quelque avantage qui leur seroit reservé par les traités de Westphalie, Sa Majesté se portera très volontiers, lorsqu'elle en sera duement requise, à faire connoitre au Roy de la Grande Bretagne et à son ministère, que les motifs de leur oposition à l'élection d'un évêque d'Osnabruck sont destitués de tous fondement; que l'Empereur et l'Empire ne pourront jamais acquiescer à un principe qui détruit une des dispositions fondamentales des traités; que par rapport à l'alternative introduite dans l'évêché d'Osnabruck, les Catholiques sont autorisés à demander qu'on leur fasse connoître le Prince de la maison électorale, qui sera destiné à être évêque, puisqu'après sa mort, l'évêché doit passer à un prince catholique". Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 181. Die Säkularisationsgefahr erwähnt Buddruss in diesem Kontext nicht, ibid. S. 181-184. Vergennes Kritik der traditionelle Subvention der Reichsstände (1776): ibid. S. 180-181.

C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Aus den Konflikten der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand im Alten Reich der deutsche Dualismus. Österreich und Preußen bildeten seit 1748 bzw. spätestens seit 1763 die Pole, um die sich die übrigen deutschen Staaten gruppierten. Berlin und Wien rivalisierten nicht nur um die Vorherrschaft im Reich - ein Ringen, das sich letztlich bis 1866/1871 hinzog - , sondern beide Staaten repräsentieren zwei Wege der „staatlichen und gesellschaftlichen Modernisierung": Sie verkörpern paradigmatisch die Erscheinungsformen des aufgeklärten Absolutismus in Deutschland, sie „wurden Vorbild für die vielen mittleren und kleineren Territorien, die - wenn sie schon mit den großen nicht mitzuhalten vermochten - untereinander wetteifernd ihren Blick auf den Staat der Hohenzollern oder der Habsburger richteten".1 Die Korrespondenzen der diplomatischen Vertreter Frankreichs in Wien und Berlin sollen im folgenden daraufhin untersucht werden, ob und wie diese Entwicklung wahrgenommen wurde. Fehlt, wie Stephan Skalweit auf der Basis zeitgenössischer französischer Memorialliteratur formulierte, in Frankreich das Gespür für den entstehenden österreichisch-preußischen Dualismus?2 Zur Beantwortung dieser Frage müssen die vielfältigen Informationen der Diplomaten zu einem Bild von der preußischen und der österreichischen Monarchie zusammengefügt werden. Ist darin auch der deutsche Dualismus enthalten? Oder weist es seinen Betrachter in eine andere Richtung? Nicht zuletzt die Berichte über Maria Theresia und vor allem über Friedrich den Großen sind für diesen Themenkomplex von großer Bedeutung, denn beide verkörperten in ihren gegensätzlichen Persönlichkeiten die Rivalität der Staaten. Jedoch wurde Friedrich der Große seit September 1756 nicht mehr direkt von französischen Diplomaten beobachtet. Das daraus resultierende Quellenproblem konnte indessen ausgeglichen werden, da sich zahlreiche Berichte und Memoranden des Außenministeriums, die zwischen 1748 und 1756 und auch nach 1763 entstanden, mit der Person des Königs und seiner Herrschaft auseinandersetzen.

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Schilling, Höfe und Allianzen, S. 302; Baumgart, Absolutismus ein Mythos?, S. 573-575. Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 82-84.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

I. Das Preußenbild der französischen Diplomatie 1. Friedrich der Große: Persönlichkeit und Politik Der König und der preußische Hof 1750-1756 Daß die Fürsten, seine Minister, seine Vertrauten und sein Hof im Zentrum der Beobachtung und Berichte der Diplomaten stehen, zeigt sich besonders bei außergewöhnlichen Herrscherpersönlichkeiten. Friedrich der Große hatte schon vor seiner Thronbesteigung Aufmerksamkeit in ganz Europa hervorgerufen. Seine ersten Maßnahmen als preußischer König - die Abschaffung der Folter - , seine Freundschaft mit Voltaire und seine literarischen Aktivitäten hoben ihn deutlich von den anderen „Kollegen" an den europäischen Höfen ab. Sein rücksichtsloses Vorgehen im Österreichischen Erbfolgkrieg verscherzte manche Sympathien, doch mischte sich in die Verurteilung auch durchaus Bewunderung. Ein besonderes Verhältnis verband Friedrich mit Frankreich, dessen Kultur er verehrte. Von der Einladung französischer Schriftsteller und Gelehrter an seinen Hof versprach er sich Impulse für Brandenburg-Preußen. Dieser durch und durch französisch denkende und fühlende Monarch schien daher auch ein natürlicher Bundesgenosse Frankreichs im Reich zu sein. Trotz seiner Alleingänge während des Österreichischen Erbfolgekriegs blieb die Allianz mit Frankreich auch über das Jahr 1748 hinaus bestehen, und so bildeten die Jahre nach Abschluß des Aachener Friedens bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges den Höhepunkt eines französisch-preußischen Austausches sowohl auf politischer als auch auf kultureller Ebene.1 Blicken wir nun in einige Berichte über Friedrich und seinen Hof aus der Feder der in Berlin akkreditierten Diplomaten: Werben sie für den „roi-philosophe", oder wecken und nähren deren Berichte das Mißtrauen, das seit dem Separatfrieden Friedrichs aus dem Jahre 1742 auch weiterhin virulent war? Anders gesagt: enthalten die Schilderungen über den preußischen Hof zwischen 1750 und 1756 Indizien, die daraufhinweisen könnten, daß die Westminsterkoalition der Abschluß eines Prozesses wachsender Entfremdung war? Friedrich der Große: Charakter und Regierungsstil Beginnen wir mit einem umfangreichen Bericht Lord Tyrconnels, ministre plénipotentiaire in Berlin und Nachfolger des Marquis de Valory. Richard François Talbot, Graf Tyrconnel, Sohn eines Iren und Beteiligter am Aufstand des Stuartprätendenten 1745, beendete 1749 eine erfolgreiche Karriere in der Armee, die ihn bis zum Rang eines maréchal de camp gefuhrt hatte, als er zum Gesandten in Berlin ernannt wurde. Voltaire schildert ihn als Liebhaber der Völlerei und des Lästerns.2 Zweifellos war er für Friedrich II. schwieriger im Um1 2

Recueil des instructions: Prusse, S. 409,423; Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 66. Voltaire, Correspondence, Bd. 96, S. 226, D. 4516, Voltaire an Le Baillif, Potsdam 6. Juli 1751, und an den Herzog von Richelieu, 14. März 1751, ebda., 446-447, D 4833, S. 446: Tyrconnel „était le second gourmand de ce monde, car la Métrie était le premier. Le médecin et le malade se sont tuez pour avoir cru que dieu a fait l'homme pour manger et pour boire. Ils pensaient encore que dieu l'a fait pour médire. Ces deux hommes fort différents d'ailleurs l'un de l'autre n'épargnaient pas leur prochain. Ils avaient les plus belles dents du monde et s'en servoient quelques fois pour dauber les gens, et trop souvent pour se donner des indigestions".

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gang als sein Vorgänger Valory, ein Bewunderer des Preußenkönigs.3 Tyrconnel traf am 22. März 1750 in Berlin ein, wo ihn Valory, der die Stadt erst am 17. Mai verließ, am Hofe einführte.4 Daß Friedrich während der Anwesenheit Tyrconnels ebenfalls einen Jakobiten zum preußischen Gesandten in Paris ernannte, belegt wohl nicht nur die antibritische Entente zwischen den beiden Staaten, sondern auch sein Gefühl für symbolische Handlungen.5 Im Dezember 1751 verfaßte Tyrconnel ein „Tableau de la Cour de Berlin", in dem er den König, dessen Familie und die bedeutendsten Minister porträtierte.6 Tyrconnel skizzierte beispielhaft die Widersprüchlichkeit und Janusköpfigkeit des Preußenkönigs. Der irischfranzösische Diplomat betonte dessen Ruhmsucht, die von übergroßer Schüchternheit begleitet werde. Er glaubte, in Friedrich einen Hang zum Müßiggang und zur Faulheit wie auch eine Abneigung gegenüber dem Militärischen zu entdecken, dem der König jedoch durch Pflichtgefühl und eiserne Selbstdisziplin begegne. Nur eine schwere Krankheit könne den König von der persönlichen Leitung der alltäglichen Truppenparaden abhalten. An allen Detailfragen der Armee nehme der König persönlich Anteil. Diese Aktivität beruhe letztlich auf der Einsicht, so Tyrconnel, daß Preußen einzig durch seine Armee eine gewisse Reputation in Europa besitze. Gehorsam und Disziplin fordere Friedrich nicht nur von seinen Soldaten und Offizieren, sondern auch von seinen Brüdern.7 Präzise beschrieb Tyrconnel den Regierungsstil Friedrichs des Großen: Von Mißtrauen und Unbehagen gegenüber seinen Mitmenschen geprägt, halte er alle Regierungsgeschäfte in seiner Hand und täusche sogar seine eigenen Minister. Der Diplomat warnte davor, Friedrich zu vertrauen, der unmittelbar nach Abschluß eines Vertrages sich seinen soeben geschlossenen Verpflichtungen zu entziehen suche. Der Umgang mit dem Fürsten werde durch dessen Verhalten erschwert. Für den Diplomaten, dem das Gespräch als wichtigstes Instrument zur Informationsbeschaffung diente, war es beinahe unmöglich, dem König Geheimnisse oder glaubwürdige Aussagen über seine Absichten zu entlocken. Trotz seiner Schwatzhaftigkeit gelinge es nie, auf den wahren Grund seiner Äußerungen vorzustoßen und Plauderei und Kompliment von seinen tatsächlichen Auffassungen zu scheiden. Doch bei all den Schwächen - Eitelkeit, Arroganz - , die Tyrconnel am König beobachtete, bestritt er ihm nicht seine herausragende Intelligenz. Hinter Friedrichs dominierender Persönlichkeit geriet seine Familie in den Hintergrund. Prinz August Wilhelm, den Thronfolger, charakterisiert Tyrconnel als schüchtern und tapfer zugleich, ohne daß er jedoch die Qualitäten seines Bruders erreiche. Prinz Heinrich, der sich im Siebenjährigen Krieg als ein fähiger General bewähren sollte, beschrieb er als absolut unmilitärisch, jedoch luxusliebend und arrogant. Gänzlich ohne eine herausragende Charaktereigenschaft sei hingegen Prinz Ferdinand. Verfügten die Frauen am Hofe Friedrichs II. zwar über keinen Einfluß, blieben sie dennoch nicht unerwähnt. Prinzessin Amalie, Schwester des Königs, versuche bislang vergebens, Einfluß auf die Regierungsgeschäfte zu gewinnen. Die Königinnen - Königinmutter

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Recueil des instructions: Prusse, S. 410. Koser, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1746-1756, S. 73. Voltaire bemerkte dazu: „C'est d'ailleurs une assez bonne épigramme contre le roi George, que deux braves rebelles de chez lui, ambassadeurs en France et en Prusse", Voltaire, Correspondance choisie, S. 271. AAE MD Prusse 2, fol. 207r-212r, „Tableau de la cour de Berlin", Dezember (?) 1751, von Tyrconnel, Kopie. Tyrconnels „Tableau" ist gedruckt bei: Koser, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1746-1756, S. 88-95; in Auszügen ediert von: Bardong, Friedrich der Große, S. 554-555. Da Tyrconnels Beschreibung mehrfach publiziert vorliegt, wird hier auf ausführliche Zitate verzichtet. AAE MD Prasse 2, fol. 207'.

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Sophie Dorothea von Hannover, und Friedrichs Frau Elisabeth Christine von BraunschweigBevern - seien beide von außergewöhnlicher Güte und Frankreich sehr freundlich gesonnen. Die Tätigkeit der Minister und Berater Friedrichs war in hohem Maße abhängig vom eigenwillligen Charakter des Königs. Podewils und Finckenstein, Kabinettsminister, besaßen das Vertrauen des Königs, ohne über seine Absichten und Projekte informiert zu werden.8 Sie seien zwar fähig und verfügten über die für ihre Stellung notwendigen Kenntnisse, doch gegenüber ihrem König zeigten sie eine außergewöhnliche Schwäche.9 Weitaus bedeutender für die alltägliche Regierungsarbeit Friedrichs des Großen waren seine Staatssekretäre Vokkerodt und Eichel10, die, wie Tyrconnel feststellen mußte, als Gesprächspartner den Diplomaten nicht zur Verfügung stünden. Besonders Eichel sei in Geheimnisse eingeweiht, die den Ministern vorenthalten blieben." Die Frage nach dem Verhältnis der Porträtierten zu Frankreich war die Leitfrage, die Tyrconnels „Tableau" zugrunde lag. Die Empfänger seines Berichtes - Außenminister Puyzieulx und die premier commis - mußte vor allem interessieren, daß Friedrich alle Mitglieder des Staatensystems einzig unter dem Gesichtspunkt betrachtete, welchen Nutzen Preußen aus einer Verbindung mit ihnen ziehen könnte. Mit einer gewichtigen Ausnahme: Frankreich, dem gegenüber er Zuneigung erkennen lasse.12 Eine Bewertung dieser Tatsache im Hinblick auf die Stabilität der französisch-preußischen Allianz vermied er. Gleichwohl war sein Bild von Friedrich von einer grundsätzlichen Skepsis geprägt, die sich aus der Erfahrung der preußischen Alleingänge im Österreichischen Erbfolgekrieg erklären läßt. Als frei von Hintergedanken beurteilte Tyrconnel hingegen die Zustimmung des Prinzen August Wilhelm und von Minister Podewils zum bestehenden außenpolitischen „System". Der Gesandte skizzierte in seinem Bericht das Bild des preußischen Hofes, der in allen Belangen durch die Persönlichkeit des Fürsten dominiert wurde. Dabei erfaßten Tyrconnel wie auch seine Nachfolger sehr genau die preußische Besonderheit der „Regierung aus dem Kabinett".13 Durch seinen Regierungsstil und durch die von ihm ausgeübte Kontrolle der Außenpolitik unterschied sich Friedrich II. von der von seinen „fellow-monarchs" (Ragnhild Hatton) praktizierten Regierung durch Räte oder mächtige Minister.14 Indem alle Macht und Information in den Händen des Monarchen konzentriert wurden, entfiel auch ein weiteres Merkmal frühneuzeitlicher Hofkultur: Es existierten weitgehend keine „Cabales", keine Parteien am Hofe, die versuchten, die Gunst des Souveräns zu gewinnen, um eigene Inte8

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Vgl. allgemein zu diesem Verhalten Friedrichs: Schieder, Friedrich der Große, S. 297; Scott, Prussia's Royal Foreign Minister, passim. AAE MD Prusse 2, fol. 210-211 Γ . Von Tyrconnel „M. Hecle" („a characteristic piece of Gallic orthographic confusion", Scott, Prussia's Royal Foreign Minister, S. 514) genannt, AAE MD Prusse 2, fol. 21 Γ. AAE MD Prusse 2, fol. 211': „c'est le seule personnage qui connoisse toutes les affaires qui traite sa Maiesté prussienne". Über August Friedrich Eichel (t 1768) und seine Bedeutung als engster Vertrauter Friedrichs vgl.: Hintze, Die Behördenorganisation, S. 63-64; Hubatsch, Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, S. 224-225, Scott, Prussia's Royal Foreign Minister, S. 513-514, Schnitze, August Friedrich Eichel, und ders., Die Herkunft A. F. Eichels. AAE MD Prusse 2, fol. 208': „on doit cependant la justice à ce prince que s'il est capable d'inclination ou d'attachement, c'est pour la France qu'il en a". Vgl. ζ. Β. AAE MD Prusse 2, fol. 174v-175': „II y aparence qu'on ne consultera jamais personne que pour aprendre, en questionnant des détails qu'on ignore, et pour se déterminer ensuite par soi-même, on ne regardera donc jamais les Ministres que commis des secrétaires, le généraux comme des aides de camp, et les gens de finances comme des recévreurs". Zur Kabinettsregierung umfassend: Neugebauer, Das preußische Kabinett; siehe auch Ders., Potsdam - Berlin, 280-286. Scott, Prussia's Royal Foreign Minister, S. 500.

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ressen und politische Präferenzen durchzusetzen. Damit gab es auch für die ausländischen Diplomaten kaum Möglichkeiten, Interna in Erfahrung zu bringen. Antipreußische Züge enthielt dieses Porträt nicht. Tyrconnel schien von der Persönlichkeit des Königs nicht so fasziniert, als daß er die Widersprüchlichkeit seines Charakters übersehen hätte. Die literarischphilosophische Tafelrunde, die erheblich zum bleibenden Ruhm Friedrichs des Großen beigetragen hat und noch immer beiträgt sowie die literarischen Ambitionen des Königs, spielten in der politischen Analyse des Diplomaten keine Rolle. Tyrconnel erwähnte sie nicht was jedoch nicht bedeutet, daß ihm etwa die Aktivitäten Voltaires, der zu dieser Zeit Gast Friedrichs war, verborgen blieben.15 Tyrconnel selbst verkehrte mit den Angehörigen der Runde.16 Ein bitischer Blick auf den Preußenkönig: Chevalier de La Touche Tyrconnels überraschender Tod am 12. März 1752 führte zu keiner längeren Unterbrechung der Kommunikation zwischen Berlin und Versailles.17 Le Baillif, ein Mitglied seines Gefolges, der mit der Aufrechterhaltung der Korrespondenz beauftragt wurde, forderte die schnelle Entsendung eines Diplomaten, dessen Rang ihm direkte Verhandlungen mit dem König erlauben würden: „Ich glaube zudem, Monseigneur, daß es meine Pflicht ist, Ihnen vor Augen zu führen, daß der Posten des königlichen Gesandten in Berlin mir als einer derjenigen erscheint, die durch eine Vakanz sehr leiden können. Da sich die meisten Angelegenheiten fast immer der Kenntnis der Minister des Königs von Preußen entziehen und der Fürst persönlich jene verhandelt, die am bedeutendsten sind, folgt daraus auf lange Sicht ein bemerkenswerter Nachteil für die Angelegenheiten, sollte sich hier keine Persönlichkeit aufhalten, deren Stand Verhandlungen im Angesicht ihrer Majestät ermöglicht".18

Der Regierungsstil Friedrichs des Großen verlange geradezu nach einem gewandten Diplomaten, der der Persönlichkeit dieses Königs gewachsen sei. Le Baillif bestätigte mit dieser Forderung in einer seiner ersten Depeschen die Einschätzung Tyrconnels, dessen Porträt in der Folgezeit Grundlage des Friedrichbildes der französischen Diplomatie wurde. Die im „Tableau" entworfene Charakterkunde Friedrichs des Großen und seines Hofes bildete beinahe wortwörtlich die Grundlage entsprechender Passagen in den Instruktionen für seine

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Orieux, Voltaire, S. 435,443; Tyrconnel korrespondierte mit Voltaire und berichtete über dessen Aktivitäten nach Paris, vgl.: Voltaire, Correspondence, Briefe Nr. D 4188, 4194, 4198-4199, 4204, 4216, 4219, 4271-4272,4303. So verstarb sein Freund La Mettrie an den Folgen eines zu üppigen Mahls, das er bei ihm genossen hatte, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 308. Recueil des instructions: Prusse, S. 424. AAE CP Prusse 167, fol. 107'-108v, Le Baillif an Saint-Contest, 14. März 1752, fol. 107v-108r: „Je crois aussi, Monseigneur, que mon devoir m'oblige à vous représenter que la place de ministre du Roy à Berlin ne paroist estre une de celles qui peut le plus souffrir par la vacance; la plupart des affaires estant presque toujours desrobée à la connoissance des ministres du Roy de Prusse et ce prince traittant par luy mesme celles qui sont les plus importantes; il resulteroit à la longue un préjudice notable pour les affaires s'il n'y avoit icy personne d'un caractère à pouvoir se trouver vis-à-vis de sa Majesté prussienne". Über Le Baillif, der sich der Protektion der Madame de Pompadour erfreute, siehe: Koser, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1746-1756, S. 83-84.

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Nachfolger.19 Somit flössen die vor Ort gesammelten Informationen in den Entscheidungsprozeß des Ministeriums ein. Der Vorgänger und später erneute Nachfolger Tyrconnels in Berlin, Marquis de Valory, zeichnete in seinen Erinnerungen ein weitgehend deckungsgleiches Porträt Friedrichs II. Auch er schilderte den Monarchen als mißtrauisch und voller Gegensätze, den Krieg ablehnend, aber dennoch Krieg führend, gewinnend im Gespräch und hart gegenüber seinen Untertanen.20 Für Tyrconnels unmittelbaren Nachfolger, den Chevalier de La Touche, auch er ein erfahrener Soldat im Range eines maréchal de camp, wurde am 25. Juni 1752 eine Instruktion angefertigt, die ihn über die französisch-preußischen Beziehungen und die aktuellen Entwicklungen und Probleme in Europa und innerhalb des Reiches informierte.21 La Touche erhielt ausführliche Argumentationshilfen und allgemeine Sprachregelungen für seine Verhandlungen am Berliner Hof. Der letzte Abschnitt der Instruktion betraf Regeln für den persönlichen Umgang mit dem König, die auf Tyrconnels Porträt beruhten, das La Touche später ausführlich kommentierte.22 So müsse er unbedingt versuchen, das Vertrauen des Königs für sich zu gewinnen und beständigen persönlichen Umgang mit ihm zu pflegen. Diese Anweisung reflektiert ein wesentliches Ergebnis des Tyrconnelschen Berichts: Der König bildete den Mittelpunkt des Hofes, und nur direkt von ihm konnten nennenswerte Informationen erhalten werden. Beinahe wörtlich wurde die Passage übernommen, in der es heißt, daß Friedrich der festen Überzeugung sei, nur in Frankreich einen vertrauenswürdigen Alliierten zu besitzen. Ebenso warnte der Autor der Instruktion vor der „gande vivacité" Friedrichs und vor seinen abrupten Stimmungs- und Meinungswechseln. Man versuchte aber auch, die Schwachstellen des Königs auszunutzen, indem man La Touche anwies, an seine Ruhmsucht zu appellieren. Der königlichen Familie wurde keine große Aufmerksamkeit geschenkt - damit zog man die Konsequenz aus Tyrconnels Einschätzung vom geringen Einfluß der Geschwister Friedrichs, seiner Mutter und seiner Frau. Von den Ministem fanden nur Podewils und Finckenstein in einer Paraphrase von Tyrconnels Charaktersierung Erwähnung.24 Die Anweisungen über das Verhalten gegenüber Familie und Minister wurden in den Instruktionen des Herzogs von Nivernais und des Marquis Valory aus den Jahren 1755 und 1756 wörtlich übernommen.25 Die Beschreibungen von La Touche und Tyrconnel illustrieren eindrucksvoll die von Wolfgang Neugebauer gerade für die Epoche Friedrichs II. konstatierte „Entpolitisierung des preußischen Hofes". Diese bestand in der Herauslösung des Monarchen und seines unmittelbaren Arbeitsstabes aus dem „höfischen Kontext" und dem Versinken von Hof und königlicher Familie in politischer Bedeutungslosigkeit26 - und genau dies analysierten die fianzösischen Diplomaten, deren Berichte somit den für die Perzeptionsforschung so wichtigen Realitätstest „bestehen".

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Eine nicht nur in diesem Fall zu findende Praxis, vgl.: Küntzel, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1752-1756, S. 259, Anm. 3. Valory, Mémoires des négociations du Marquis de Valory, Bd. 1, S. 262-267. Recueil des instructions: Prusse, S. 425-441. Von Koser ohne Nachweis des Fundortes in Ergänzung des Tableau Tyrconnels ediert: Koser, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1746-1756, S. 90-95. Ibid. S. 437-438. Ibid. S. 439-440. Ibid. S. 445-470, S. 461-462. (Nivernais); S. 471^174, S. 474 (Valoiy). Neugebauer, Hof und politisches System, S. 149-159.

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Die Wiederaufnahme der auf den Beobachtungen Tyrconnels beruhenden Urteile läßt darauf schließen, daß das Bild des preußischen Hofes bis zum Siebenjährigen Krieg unverändert blieb. Dies galt jedoch nicht für die Einschätzung der Politik des Königs. Schien man 1752 bei der Niederschrift der Instruktion La Touches noch überzeugt von der Einsicht Friedrichs in die Notwendigkeit einer Allianz mit Frankreich, so traf dies 1756, als die Mission des Herzogs von Nivernais vorbereitet wurde, nicht mehr zu.27 Anzeichen einer schleichenden Entfremdung zwischen Preußen und Frankreich wie auch eines zunehmend negativen Friedrichbildes finden sich in den Korrespondenzen La Touches, dem es im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht gelang, auf Dauer direkten Zugang und Aufnahme beim König zu erlangen. So erfuhr La Touche über den schwedischen Gesandten Scheffer von Friedrichs kritischen Äußerungen über die inneren Probleme Frankreichs, die der König als Schwäche wertete. Darüber hinaus habe Friedrich vom Verlust des Nutzens der französischen Allianz für Preußen gesprochen29, was, so folgerte La Touche, seine abwartende und uneindeutige Haltung erkläre, mit der er sich alle Optionen offenhalten wollte. Schlug er im Oktober noch vor, Frankreich solle das Osmanische Reich zu einem Diversionskrieg gegen Rußland und Österreich anstifte30, hielt sich Friedrich in der Frage der römischen Königswahl, die viel Raum in La Touches Instruktion einnahm, sehr zurück. Er versuche lediglich, die Wahl zu verzögern, nicht jedoch, sie zu verhindern. Wien werde die Wahl nicht erzwingen, daher lehne der König weitere Maßnahmen ab. Ambitionen Preußens auf die Kaiserkrone wies er zurück. Einzig das Haus Habsburg verfüge über die Macht, die Kaiserwürde zu tragen.31 Zur gleichen Zeit beobachtete La Touche die Sparmaßnahmen des Königs und den Ausbau der preußischen Kavallerie und Artillerie.32 Er berichtete selbstverständlich über das Hofleben und die wachsende Entfremdung zwischen Voltaire und Friedrich II., die in der Publikation und dem anschließenden Verbot einer Satire Voltaires gegen Maupertuis gipfelte, entging ihm nicht.33 Den Freundeskreis Friedrichs des Großen, in dem sich bedeutende Autoren und Freigeister versammelten, verurteilte La Touche als eines Königs nicht würdig: 27

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Vgl. zum Kontext der Mission: Küntzel, Die Entsendung des Herzogs von Nivernais an den preußischen Hof 1755; Waddingion, Renversement, S. 239-273,278-283. Recueil des instructions: Prusse, S. 443. AAE CP Prusse 168, fol. 87r-94r, La Touche an Saint-Contest, 30. September 1752, fol. 87v-88r: „Le Roy de Prusse [...] lui [= Scheffer] avoit dit, qu'il connoissoit la puissance du Roy [de France (S.E.)], ainsi que ses résolutions. Mais qu'il sait que ses finances étaient dans un état si déplorable, que l'alliance de cette couronne ne pouvoit être d'aucun utilité, tant qu'elle ne travailleroit sérieusement à les remettre en regle. Que le desordre qui y regnoit était connu de toute l'Europe, ainsi que la difficulté de le redresser". Auszug in: Küntzel, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1752-1756, S. 261. AAE CP Prusse 168, fol. 110-11 l v , Friedrich II. an Ludwig XV., 9. Oktober 1752. Ibid. fol. 216'-219v, La Touche an Saint-Contest, 30. November 1752, fol. 217': „Je n'ay pas remarqué, Monseigneur, que l'éspoir flatteur de s'ouvrir le chemin du throne impériale ait affecté sa Majesté prussienne, et son ministre m'a dit, qu'à l'exception de la nouvelle maison d'Autriche, il n'y en avoit point en Allemagne, et que vraisemblablement il n'y en aura jamais d'assés riche et assés puissante pour en soutenir la dignité". Zur Haltung Friedrichs gegenüber einem protestantischen Kaisertum: Duchhardt, Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, S. 289-294. AE CP Prusse 171, fol. 147'-150v, La Touche an Saint-Contest, Berlin 27. Februar 1753. Voltaire war im übrigen bemüht, sich der Hilfe Ludwigs XV. zu versichern: „M. de Voltaire aussy humilié qu'embarassé m'a prié de vous faire parvenir le mémoire cy-joint qui contient en mots son avanture [...]. Ce célèbre académicien m'a remis une cassette et des papiers cachettés et paroit déterminé à quitter pour toujours Berlin, pour retourner à jamais en France. [...] Si cet événement a des suittes et que M. de Voltaire reclame la protection du Roy en qualité de gentilhomme ordinaire de sa Majesté, je vous prie de me donner

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Diplomatie

„Angesichts derer, die den König umgeben, scheint mir, Monseigneur, daß dieser Fürst mehr Wert darauf legt, die Anzahl der Fremden zu erhöhen als sie gut auszuwählen. Beleg dafür sind die Voltaire, Algarotti, Poellnitz, die Abbés Bastiani und De Prades, wie auch d'Argens, der hypochondrische Philosoph, die den Hof in Potsdam und Sanssouci bilden, wo die Leere, die M. de Voltaire trotz seiner Charakterschwächen in den Vergnügungen des Königs hinterläßt, bedauert wird".34

La Touches kritischem Blick blieb auch nicht verborgen, daß der König - selbst wenn das Gegenteil behauptet wurde - die Tafelrunde von Schloß Sanssouci in Potsdam dominierte und ihr enge Grenzen setzte. Sogar einige der treuesten Anhänger Friedrichs seien bereit, zurück nach Frankreich zu gehen - wenn es ihnen möglich wäre, in Preußen angelegte Gelder auszulösen.35 Friedrich versuche, über Maupertuis französische Handwerker zur Immigration nach Preußen aufzufordern, jedoch mit geringem Erfolg, da die Umworbenen die sie erwartenden Schwierigkeiten in Preußen sehr wohl kannten.36 Dennoch bildeten Franzosen eine erhebliche Minderheit in Berlin, wie die Ergebnisse einer Volkszählung im Januar 1755 zeigen, nach der 6700 Franzosen dort lebten.37 Eröffnete sich La Touche ein weitgehend ungehinderter Blick in die Peuplierungs- und Wirtschaftspolitik Friedrichs des Großen, der in der Tradition seiner Vorgänger um Ansiedlung ausländischer Fachkräfte bemüht war, blieben die außenpolitischen Absichten des Königs weitgehend im Dunkeln. Versailles wurde über die preußischen Rüstungsanstrengungen und über die Herbstmanöver unterrichtet, die unter Ausschluß der „diplomatischen" Öffent-

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vos ordres pour la conduite queje dois tenir à son égard", AAE CP Prusse 168, La Touche an Saint-Contest, 30. Dezember 1752, fol. 334-337', fol. 334v-335r. Ausführlich über den Konflikt Voltaires mit Maupertius und Friedrich II.: Orieux, Voltaire, 480-527; zur Tafelrunde: Kunisch, Friedrich der Grosse, S. 300-328. AAE CP Prusse 171, 336r-337v, La Touche an Saint-Contest, 8. Juli 1753, fol. 336v-337r: „II me paroist, Monseigneur, par tout ce qui entoure le roy de Prusse, que ce prince est plus attentif à augmenter le nombre d'étrangers qu'à les bien choisir. Témoin les Voltaire, Algarotti, Poelnitz; les abbés Bastiani et de Prades, et d'Argens le philosophe hypocondriaque, qui forment la cour de Potsdam et de Sans Souci, où Mr. de Voltaire malgré les deffauts de son cœur, est regretté par le vide qu'il laisse dans les amusements de sa Majesté prussienne". AAE CP Prusse 174, fol. 27'-33v, La Touche an Saint-Contest, 2. Februar 1755, fol. 3 f - 3 2 v : „Je sais, Monseigneur, que tout particulier se trouve flatté de l'espèce de familiarité à laquelle le Roy de Prusse admet facilement les personnes qu'il veut s'attacher; mais l'expérience nous a fait voir jusqu'à présent qu'aucun étranger n'a pu soutenir l'esclavage de Potsdam, à la réserve du Marquis d'Argens, que son mariage avec une soubrette de comédie, dont la sœur danse encore aujourd'huy sur le théâtre de Berlin, retient à Potsdam malgré les dégoûts qu'il est obligé à essuyer. M. de Maupertuis même n'y tiendroit pas s'il voyoit un moyen de faire passer en France la somme de 80 mille livres qu'il a été obligé de placer sur les États du Roy de Prusse pour assurer le doüaire à son épouse". AAE CP Prusse 171, fol. 299-301', La Touche an Saint-Contest, 23. Juni 1753, fol. 300v: Maupertius werbe in Paris um Handwerker und insbesondere „ouvriers en étoffes" an: „Ses soins prés de ces gens, s'il s'en donne, pourroient fort bien estre sans succès, les ouvriers de Paris et de Lion, étant très bien informés par ceux d'icy, que les belles promesses dévouissent lorsqu'ils sont une fois dans les États du Roy de Prusse". AAE CP Prusse 179, fol. 15'-17v, La Touche an Rouillé, fol. 16v-17r: „Suivant le dénombrement qui a été fait à Berlin, et donné au Roy de Prusse, le I e ' Janvier 1755, il s'est trouvé 6700 François dont 83 ont passé l'âge de 80 ans; les habitans et bourgeois allemans montoient au nombre de 93 mille quatre cens, et parmi eux il y a eu 134 passés octogénaires non compris 18 du même âge qui sont à la charité. La garnison s'est trouvé comprise de 25 mille âmes y compris femmes et domestiques des officiers, et des soldats avec leurs enfants". Die von La Touche übermittelten Angaben decken sich weitgehend mit den Schätzungen der neueren Forschung, vgl.: Heinrich, Toleranz als Staatsraison, S. 44—45.

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lichkeit stattfanden.38 Über die politische Lage und ihre Einschätzung durch Friedrich konnte La Touche nur spekulieren. Einer seiner Gesprächspartner war Podewils, von dem man ja in Versailles wußte, daß er nicht das uneingeschränkte Vertrauen des Königs besaß. Podewils' Befürchtungen, daß Kaunitz Frankreichs finanzielle Misere zum Anlaß nehmen werde, eine antipreußische Front unter Einschluß Londons und St. Petersburgs aufzubauen, wurde im französischen Außenministerium kaum Beachtung geschenkt.39 Auf Befremden stießen dagegen abfällige Bemerkungen des Königs zur innenpolitischen Lage in Frankreich, etwa wenn er La Touche fragte, wann denn der Streit zwischen „Priestern" und „Pedanten" ein Ende finden würde.40 Am Festhalten Friedrichs an der Allianz mit Frankreich bestand für La Touche im April 1755 kein Zweifel - wie könnte er sonst Ludwig XV. ein Modell seiner neuesten Kanone samt Plänen zur Bedienung schicken?41 Dagegen legte man im Außenministerium gegenüber der Haltung Friedrichs des Großen zunehmende Skepsis an den Tag. Er wurde der geheimen Verhandlungen mit Rußland, mit England und sogar mit Österreich verdächtigt. Außenminister Rouillé war jedoch der Gedanke einer grundsätzlichen Revision der europäischen Bündniskonstellation fremd. Er strebte die Erneuerung der preußischen Allianz an, und nur die Anstrengungen der Preußen, dem Gespräch darüber auszuweichen, nährten den Verdacht eines erneuten Alleingangs Friedrichs.42 Im letzten halben Jahr vor dem Bruch zwischen Frankreich und Preußen nahmen in den Depeschen La Touches negative Töne über Friedrich den Großen zu. Der Gesandte mißtraute der betonten Freundlichkeit, die der König ihm gegenüber an den Tag legte, als Gerüchte aufkamen, jener verhandele mit London und bediene sich des Herzogs von Braunschweig als Vermittler.43 Wenn La Touche über einen Reitunfall Friedrichs vor dem Potsdamer Schloß berichtet, so schilderte er nicht einfach ein vielleicht nur anekdotisches Ereignis, sondern σ stellte auch unbewußt oder bewußt die Führungskraft des Königs in Frage: Denn in der Reitkunst des Herrschers zeigte sich die „herrschaftliche Souveränität" - wer sein Pferd zu beherrschen wußte, galt als befähigter Herrscher. Und umgekehrt entsprach dem schlechten Reiter der unfähige Herrscher.44 38

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AAE CP Prusse 171, fol. 433M36 V , La Touche an Saint-Contest, 19. September 1753. Auch den Nachfolger Saint-Contests wies La Touche auf Friedrichs Begeisterung für alles Militärische hin: AAE CP Prusse 179, fol. 166Γ-171Γ, La Touche an Rouillé, 15. April 1755, bes. fol. 168v. AAE CP Prusse 171, fol. 484^190', La Touche an Saint-Contest, 17. November 1753, fol. 486^188'. Ibid. fol. 292'-293', La Touche an Saint-Contest, fol. 293r: „Le Roy de Prusse m'a demandé tout haut et en ricanant, avant hier jeudi [...], si la querelle de nos prêtres et de nos pédans n'etoit pas prète à finir. Ce sont les termes dont il s'est servi, et auxquels je n'ai pas jugé à propos de répondre de crainte que ce prince n'allongeai cette conversation, qui m'auroit embarassé". AAE CP Prusse 179, fol. 166-171', La Touche an Rouillé, 15. April 1755, fol. 168r-168v. AAE CP Prusse 179, fol. 233r-238v, Rouillé an La Touche, 21. Mai 1755, fol. 233v-234v, in Auszügen auch in: Küntzel, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1752-1756, S. 263-264; von britisch-preußischen Geheimverhandlungen wußte man in Frankreich etwa seit dem Juli 1755, vgl.: Rödel, Eine geheime französische Initiative als Auslöser des Renversement des Alliances?, S. 99. AAE CP Prusse 180, La Touche an Rouillé, 2. August 1755, fol. 73-85, fol. 77'~v: „Je suis même quelque fois tenté, Monseigneur, de croire que la rire que m'en a fait passer le Roy de Prusse, ne soit une ruse pour écarter les soupçons qu'on pourroit prendre de sa convivence avec le duc de Brunswick dans sa défection, et c'est la grande tranquillité de sa Majesté prussienne et de ses ministres dans la circonstance actuelle qui fortifie en moi ce sentiment". Zur Vermittlung des Herzogs von Braunschweig bei der Anbahnung der Westminsterkonvention: Waddington, Renversement, S. 206-211 ;Dann, Hannover and Great Britain, S. 94. AAE CP Prusse 180, fol. 78 r -79 v , fol. 78': Sein Pferd „le jette par dessus sa teste la face contre terre, heuresement que la cour de Potsdam n'est point pavée". Über Friedrich als schlechten Reiter auch bei: Duffy,

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C. Das Preußen-

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der französischen

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Über seine Ziele und Absichten schwieg sich der Preußenkönig sowohl gegenüber seinem Minister als auch gegenüber dem Vertreter der im Sommer 1755 noch verbündeten Macht aus. 45 Dieses Schweigen verwandelte sich dann, w i e La Touche im Januar 1756 zu berichten weiß, sogar in Verachtung für die Politik Frankreichs i m Streit mit England u m die nordamerikanischen Kolonien und schloß mit abfälligen Äußerungen über das französische Militärpotential: „Dieser Fürst hört nicht auf damit, über die Nachsicht des Königs gegenüber den Engländern zu spotten. Er sieht in ihr eine Schwäche der Regierung und behauptet, daß die sogenannte Aufstockung unser Infanterie nur aus Spitzbuben und vierzehnjährigen Kindern bestehe, die kaum in der Lage seien, Waffen zu tragen, geschweige denn die Strapazen eines Feldzuges zu erdulden. Unsere Marine sei auf dem Papier schön und beeindruckend, aber im Grunde mangele es ihr an allem".46 Angesichts der britisch-preußischen Verhandlungen fühle sich der König, so La Touche weiter, gar als „l'arbitre de l'Empire et le protecteur de l'Allemagne". 4 7 La Touche erwies sich als ein genauer Beobachter der preußischen Armee. So präsentierte sich in seinen Augen der Troß der preußischen Armee beim Manöver in völliger Unordnung und als leichte Beute für eine kleine, entschlossene Kavallerieeinheit. 48 Aber zugleich warnte er vor einer Unterschätzung der Armee Friedrichs. Sie verdiene die ihr entgegengebrachte Bewunderung insbesondere für ihre Disziplin und Ordnung, leide allerdings unter der Überalterung der Kommandeure. 4 9 La Touches Urteil über das Potential der preußischen Armee sollte sich in den nächsten Jahren bestätigen. Hinsichtlich der hohen Offiziere und Generäle irrte er jedoch: Ohne die Risikobereitschaft und Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln seiner Kommandeure hätte sich Friedrich in den zahlreichen Schlachten der Jahre 1756

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Friedrich der Große, S. 461, 466. Zur Gleichsetzung von Reitkunst und Befähigung zur Herrschaft: Warnke, Das Reiterbildnis des Baltasar Carlos, S. 149. AEE CP Prusse 180, fol. 224'-230r, La Touche an Rouillé, 25. Oktober 1755, fol. 225v. Ibid. fol. 353-354, La Touche an Rouillé, 14. Januar 1756, fol. 353r_v: „Ce Prince ne cessoit de faire des plaisanteries sur la modération de sa Majesté [= Ludwig XV.] avec les Anglois, qu'il la qualifoit de foiblesse de gouvernement, et qu'il disoit que la soit disante augmentation de notre infanterie n'etoit composée que de canaille et d'enfants de 14 ans peu capables de porter les armes et de supporter les fatigues d'une campagne, que nostre marine paroissoit sur le papier belle et formidable, mais que dans le fond elle manquoit de tout nécessaire". Küntzel, Aus der Korrespondenz der französischen Gesandtschaft zu Berlin 1752-1756, S. 265. AAE CP Prusse 180, fol. 353v. Ibid. fol. 128r-136v, La Touche an Rouillé, 30. August 1755, fol. 128v-129r: „Je n'ay jamais vu un fourage d'armée aussi mal ordonné et aussi mal conduit, il n'y avoit ni arrangement, ni disposition, ni précaution, et la chaîne des troupes de protection etoit si mal assise que 50 hussards déterminés y auroient jette la contusion et auraient enlevé facilement les fourageurs tant ils etoient mal couverts". Auf die schlechte Bewachung der preußischen Armeelager wies bereits Valory in einer Denkschrift aus dem Jahre 1748 hin, vgl. Koser, Eine französische Schilderung des preußischen Heeres, 306 - auch die schwere Niederlage von Hochkirch am 14. Oktober 1758 resultierte nicht zuletzt aus dem schlecht gesicherten Feldlager der preußischen Armee, das der König persönlich zu verantworten hatte, siehe: Duffy, Friedrich der Große, S. 248-255; zur Manöverpraxis der preußischen Armee ibid. S. 364-365. AAE CP Prusse 180, fol. 130r_v: „Ses marches, ses retraits, sa façon de déployer son armée, la vivacité de l'attaque de son infanterie et surtout de sa cavallerie sont admirables, mais ses officiers généraux la pluspart avilis par quarante années de service passés dans le grade de bas-officier et de subalterne, ne me paraissent pas capables par eux-mêmes d'exécuter et encore moins de faire des projets et des dispositions". Aufmerksamer Beobachter der Manöver der preußischen Armee war auch La Touches Nachfolger (und Vor-Vorgänger) Valory, der noch im Mai 1756 von einer neu eingeübten Marsch- und Angriffsformation berichtete; vgl.: Valory, Mémoires des négociations du Marquis de Valory, Bd. 2, S. 56.

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bis 1763 nicht gegen die erdrückende numerische Überlegenheit seiner Feinde behaupten können.50 Daß sich Friedrich den Oberbefehl seiner Truppen im Kriegsfall vorbehielt, daran bestand für La Touche kein Zweifel, und auch mit dieser Beurteilung lag er richtig. Die Äußerungen des französischen Gesandten mußten in Paris den Eindruck erwecken, daß man in Berlin mit einem baldigen Kriegsausbruch rechne.51 Reaktionen: Bussy und die Mission Dargets 1755 La Touches Depeschen sorgten in Versailles zunehmend für Unruhe hinsichtlich der Pläne Friedrich des Großen. Für Aufsehen sorgten Nachrichten aus Hamburg, wo der Gesandte Champeaux von Verhandlungen zwischen London und Berlin erfahren hatte und sich das Gerücht verbreitete, die Briten wollten um jeden Preis ein Bündnis mit Friedrich abschließen - sei es auch nur eine Neutralitätskonvention.52 Anhand der Tätigkeit des für Brandenburg-Preußen und Nordeuropa verantwortlichen premier commis Bussy läßt sich zeigen, wie man angesichts der zunehmend unklaren Haltung des Preußenkönigs zu reagieren dachte. Anlaß für ein auf den 31. Mai 1754 datiertes Memorandum Bussys war die offene Unterstützung, die Preußen den Bemühungen des Königs Adolf Friedrich von Schweden und seiner Frau, Luise Ulrike von Preußen - Schwester Friedrichs des Großen - , zuteil werden ließ, die schwedische Verfassung zugunsten der Macht des Königs zu ändern. Bussy sah im Verhalten Friedrichs Anzeichen für einen erneuten Seitenwechsel. Der Preußenkönig erhoffe als Gegenleistung für seine Unterstützung der schwedischen Monarchen die Abtretung Schwedisch-Pommerns. Doch diese erneute territoriale Expansion sei nicht denkbar ohne die zuvor erfolgte Verfassungsänderung in Schweden, die Adolf Friedrich die Souveränität verschaffen würde. Friedrichs Intervention in diesem Konflikt war für Bussy nicht vorstellbar ohne das Mitwissen der Führungsmächte des Staatensystems, insbesondere Rußlands, das die schwedische Vormacht im Baltikum abgelöst hatte.53 Ausgehend davon sollte der Gesandte Friedrich II. klar machen, daß er sich allein aus preußischem Staatsinteresse nicht auf ein Geschäft mit diesen Mächten einlassen dürfe: „[Das] Vorhaben ist illusorisch, der König von Preußen m ö g e sich bitte vorstellen, daß die drei befreundeten Höfe es niemals umsetzen werden, weil es nicht in ihrem Interesse liegt, dem König von Schweden eine uneingeschränkte Herrschaftsgewalt zu verschaffen, und dies vor allem nicht, wenn er von der Schwester des Königs von Preußen a b h ä n g i g

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Beispiele aus den Schlachen von Leuthen und Zorndorf: Duffy, Friedrich der Große, S. 205 (General Seydlitz), 219,221,223,240, allgemein auch S. 472. AAE CP Prusse 180, fol. 147 r -154 v , La Touche an Rouillé, 6. September 1755, fol. 153 v -154 r : „II [= Friedrich] finit par dire ,ma teste est encore bonne, et quoique mes jambes semblent vouloir me refuser leur service, je suis obligé de les tenir en haleine parce qu'elles pourront m'être nécessaire pour l'anné prochaine'. Tout ceci, Monseigneur, n'est que verbiage cependant on en peut conjecturer que le Roy de Prusse compte de commander son armée en cas de guerre, qu'il compte y prendre part et ne point observer la neutralité que les nouvelles publiques lui attribuent". AAE CP Hambourg 76, fol. 320'-322 v , Champeaux an Rouillé, 5. September 1755, fol. 320 v -321': „On continue, Monseigneur, à parler de nouvelles propositions faites au Roy de Prusse, on prétend que ne voyant pas jouer à engager ce prince dans une ligue offensive, et que n'ayant même pu jusqu'ici le faire entrer dans une alliance déffensive on n'obmet rien en attendant pour s'asseurer de son inaction et de l'engager dans un traité de parfaite neutralité". AAE MD Prusse 6, fol. 16r: „il n'est pas moins certain que ces 2 grands événemens ne peuvent se opérer que par l'appui de la Russie joint à celui des cours des Vienne et d'Angleterre".

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ist; und damit in Deutschland einem Fürsten weitere Macht verschafft würde, den sie jetzt schon durch den Erwerb Schlesiens für zu mächtig halten".54 Den sprunghaften Charakter Friedrichs einkalkulierend, rechnete Bussy fest damit, daß der König einlenken und sich für den Status quo, der ja die Garantie Schlesiens beinhaltete, entscheiden werde. Für den Fall, daß der Preuße sich nicht überzeugen lasse, gab der premier commis noch keine Anweisungen - er sah gleichwohl aber die möglichen Konsequenzen, die dieses Verhalten für die französisch-preußischen Beziehungen haben würde: „Aber wenn gegen alle Hoffnung das vorgeschlagene Abkommen keinen Eindruck beim König von Preußen hinterlasse, hätte man in Frankreich wenigstens den Trost, alles unternommen zu haben, um diesen Fürsten zurück zu halten. Man hätte das Recht, sich nicht mehr in seine Angelegenheiten einzumischen, man könnte offen seine Vorhaben verhindern und ihn deutlich die negativen Auswirkungen seiner Inkonsequenz und seiner Unaufrichtigkeit spüren lassen".55 Kündigte sich hier bereits eine Haltung an, für die ein Bündnis mit den Gegnern Friedrichs - Österreich und Rußland - in den Bereich des Möglichen rückte? Trotz dieser ansatzweisen Infragestellung der traditionellen Allianz mit Preußen zählte der premier commis Bussy zu jenen, die sie als Grundkonstante der französischen Außenpolitik betrachteten. In einer Aktennotiz Bussys vom 13. Mai 1755 - die er vor dem Hintergrund der Zusammenstöße in Amerika verfaßte56 - stellte er sieben Punkte zusammen, die mit dem Preußenkönig geklärt werden müßten. In den Augen Bussys konnte ohne verläßliche Information über die Pläne Friedrichs II. keine Entscheidung über die gegen England zu ergreifenden Maßnahmen getroffen werden.57 Die sieben zu klärenden Fragen waren: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

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Eine gegenseitige Absprache über durchzuführende militärische Operationen. Um dem sich von Rußland und Österreich bedroht fühlenden Preußenkönig in Sicherheit zu wiegen, solle er über die Initiativen Frankreichs informiert werden, das Osmanische Reich zu einer Diversion gegen das Zarenreich anzustiften. Gemeinsame Schritte zur Verhinderung der römischen Königswahl ergreifen. Den Stand der Bemühungen Versailles' um den Aufbau einer pro französischen Klientel im Reich mitteilen. Friedrich darauf hinweisen, daß die durch französische Subsidien finanzierten Truppen im Reich der Sicherheit Preußens und des Reiches dienen sollten. Über den Verbleib hessen-kasselischer Truppen diskutieren. Ein gemeinsames Vorgehen in der Jülich-Bergschen Erbfolgefrage absprechen.58

Ibid. fol. 17": „le projet est chimérique en lui même; que le roy de Prusse doit bien s'imaginer que les 3 cours alliés ne l'exécuterons jamais puisqu'il seroit contre leur intérêt de procurer le pouvoir despotique à un Roy de Suède, surtout quand il est conduit par la sœur du Roy de Prusse, et d'agrandir en Allemagne un prince qu'elles trouvent déjà trop puissant par l'acquis[ition] de la Silésie". Ibid. fol. 20v: „Mais si contre toute espérance le parti qu'on propose fasoit aucune impression sur le Roy de Prusse, la France auroit au moins la consolation d'avoir fait tout ce qu'elle a dû pour ramener ce prince, elle se trouveroit en droit de ne plus se mêler de ses affaires, de traverser ouvertement ses projets, et de lui faire craindre hautement les mauvaises effets de ses inconséquences et de sa mauvaise foi". Anfang Mai war die Flotte Boscawens in Richtung Kanada ausgelaufen, vgl.: Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, S. 365. AAE MD Prusse 6, fol. 35 r -36 r , „Note sur la conduitte à tenir avec le roi de Prusse", fol. 35r: „Les dispositions du roi de Prusse doivent nécessairement influer sur les opérations à faire, et par conséquent il paroit indispensable de s'en assurer au plutôt". Ibid. fol. 36v.

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Die hier von Bussy zusammengetragenen Punkte lassen darauf schließen, daß der premier commmis Preußen als die Macht betrachtete, die Frankreich den Rücken im Reich freihalten werde. Friedrich der Große müsse an der Spitze der profranzösischen Klientel stehen, in die auch der Kurfürst von Bayern eingeschlossen werden sollte, der zu diesem Zeitpunkt noch in Verhandlungen mit London stand. Diese Klientel, so das Kalkül Bussys, könnte Unternehmungen Wiens die Stirn bieten und den Frieden im Reich sichern. Über die Reaktion Friedrichs auf diese Fragen enthalten die Depeschen La Touches nur einige Anhaltspunkte. Der preußische König verbarg vor dem Gesandten keineswegs seine Verachtung für die Angelegenheiten des Reichs und die Arbeit des Reichstags.59 Sehr aufmerksam verfolge man in Potsdam die Bemühungen um den Aufbau einer profranzösischen Partei im Reich, jegliche Auskunft über die eigenen Pläne aber lehne man ab.60 Nur die von ihm beobachteten Rüstungsanstrengungen in Brandenburg ließen ahnen, daß Friedrich für alle Eventualitäten gewappnet sein wolle. Beim Zusammentreffen mit La Touche schwiegen der König und sein Minister Podewils über die aktuellen Themen oder beließen es bei Gemeinplätzen.61 In seinem Bemühen, Informationen über die Pläne Friedrichs II. zu erhalten, beschloß Bussy nun, einen anderen Weg einzuschlagen. Der ehemalige Gesandtschaftssekretär des Marquis de Valory, Etienne Darget, der nach Ende des Österreichischen Erbfolgekriegs auf Einladung Friedrichs am Berliner Hof geblieben war und ihm dort als Kammerdiener, Vorleser und Sekretär gedient hatte, war mittlerweile wieder nach Frankreich zurückgekehrt. Darget sollte nun eine Inspektionsreise des Königs in die westfälischen Provinzen zum Anlaß nehmen, um ihn in Wesel zu treffen. Bussy entwarf eine Instruktion, auf die gestützt Darget versuchen sollte, den König zur Preisgabe seiner Pläne zu bewegen. Erneut beklagte Bussy darin das Schweigen des Preußenkönigs und verdächtigte ihn, geheime Verhandlungen mit London zu führen.62 Und erneut ließ Bussy keinen Zweifel daran, daß Preußen einen Grundpfeiler im französischen außenpolitischen System bildet, weshalb die Kenntnis seiner Absichten von großer Bedeutung sei.63 Zwei Aussagen der Instruktion verdienen her59

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AAE CP Prusse 180, fol. 22-31', La Touche an Rouillé, 12. Juli 1755, fol. 24v: „En tout je remarque que le ministère de Berlin ainsi que le roy de Prusse traitent de bagatelle et de pédanterie tout ce qui se passe à la Diètte". Erst die Erfahrungen des Siebenjährigen Krieges bewirkten einen Wechsel der Auffassungen Friedrichs über das Alte Reich - doch in diesem Moment spielte das Reich in seinen Planungen keine Rolle; vgl.: Schieder, Friedrich der Große, S. 261-262; die These von Press, daß Friedrich der Große einer der „erfolgreichsten Reichspolitiker" gewesen sei, gilt vor allem anhand für seine Politik nach 1763, siehe: Press, Friedrich der Große als Reichspolitiker, S. 26, 37-56. AAE CP Prusse 180, fol. 86r-100v, La Touche an Rouillé, 9. August 1755, fol. 92". Ibid. fol. 123r-130", La Touche an Rouillé, 23. August 1755, fol. 124'~v: „Le Roi de Prusse paroit comme vous voyez se préparer à tout événement, mais il garde avec moi un profond silence sur les circonstances présentes, et tout occupé actuellement des manœuvres de son camp et des revües qu'il ira faire en Silésie, il m'a rien fait dire par son ministre, mercredy dernière que ce prince a été icy, il s'est contenté de me tenir un propos général". AAE CP Prusse 179, fol. 274r-279r, „Mémoire sur les circonstances actuelles relativement au roi de Prusse", 6. Juni 1755, fol. 274'~v. Kopie in: AAE MD Prusse 6, fol. 50-56'. Auszüge in: Küntzel, Die Entsendung des Herzogs von Nivernais an den preußischen Hof 1755, S. 90-91. Über Darget und Friedrich II. zuletzt: Kultisch, Friedrich der Große, S. 307. AAE CP Prusse 179, fol. 274v-275r: „Comme la conduitte de sa Majesté prussienne doit avoir une grande influence dans les parties à prendre par le Roy sur les affaires de l'Europe, on ne croit pas devoir négliger les moiens par lesquels on peut parvenir à soutenir son courage en l'éclairant sur touttes les mesures que le Roy a pris et qu'il prend actuellement pour la sûreté même du Roy de Prusse dans la prévoyance des troubles que peuvent attirer les affaires de l'Amérique".

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vorgehoben zu werden: Zum einen begründete Bussy, wieso der Kolonialkonflikt im fernen Amerika auch von den unbeteiligten Mächten nicht ignoriert werden dürfe, denn es gehe in dieser Konfrontation zwischen Großbritannien und Frankreich auch um die Abwehr einer britischen Hegemonie in Europa - eine Vorherrschaft, die auch Preußen bedrohen werde, da Frankreich - im Kampf gegen England stehend - nicht in der Lage sei, seinem Verbündeten zu helfen.64 Bussy wies Preußen aber auch einen Ausweg aus dieser Gefahr. Vorausgesetzt, daß Frankreich von seinen Alliierten unterstützt werde, gelte es, „sich der Ressourcen Englands auf dem Kontinent zu bemächtigen, um die Vorherrschaft zu Lande zu erringen. Alle Vorhaben der Engländer gegen Frankreich und gegen den König von Preußen werden ohne Zögern durchgeführt, und konsequenterweise gilt es, mit Frankreich zusammenzuarbeiten, um die Erfolge der Engländer in Amerika und zur See durch diejenigen zu kompensieren, die man leicht zu Lande erringen kann, indem man im Gegenzug die verwundbarsten Gebiete angreift, und zwar die Niederlande, Holland und das Kurfürstentum Hannover, sie damit zwingt, alleine die immense Last der Kosten eines Krieges auf sich zu nehmen, der in Verbindung mit dem Seekrieg ihre Kräfte übersteigt und den sie bald beenden wollen".65

Für Bussy stand folglich außer Frage, daß der anstehende Krieg nicht auf die Kolonien beschränkt bleiben würde - er gab aber Darget in dieser Instruktion keinen Hinweis, wie auf den Einwurf Friedrichs zu reagieren sei, der lauten könnte: Wie wird Wien, der wichtigste Verbündete Londons auf dem Kontinent, bei einem Angriff auf die Niederlande oder einem Einmarsch in das Kurfürstentum Hannover reagieren? Zum anderen werden - angesichts der Ereignisse der folgenden Jahre - in der Instruktion Bussys substantielle Unterschiede im Konfliktverhalten zwischen Ludwig XV. und Friedrich dem Großen sichtbar. Sollte er gefragt werden, wieso der französische König im Hinblick auf die englischen Drohungen nicht der Eröffnung der Feindseligkeiten der Briten durch eigene Maßnahmen und Rüstungen zuvorgekommen sei, so habe Darget zu antworten: „Daß, hätte der König wirklich diese Maßnahmen ergriffen, die Fürsten, die seine natürlichen Feinde sind, die Gelegenheit ergriffen hätten, ihn anzuklagen, er wolle in Europa Unfrieden stiften und trete als Aggressor auf. Wenn hingegen die Engländer angreifen, wird ihre Majestät vor den Augen Europas berechtigt sein, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Diese wären rein defensiv, weil sie erst nach Beginn der Feindseligkeiten eingeleitet wurden oder zumindest nach dem Befehl ihrer Einleitung. Es ist allen Behauptungen entgegenzutreten, die Frankreich jene ehrgeizigen Pläne zuschreiben, die ihm

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Ibid. fol. 277": „Qu'en effet on pense généralement en France que si les Anglois attaquent le Roy dans ses établissements de l'Amerique, l'affaire est autant celle des alliés du Roy que la sienne propre, que la raison en est que dès que la cour de Londres entreprendra de diminuer les ressources que le Roy tire des ses colonies pour l'entretien de sa puissance de terre, il sera évident que ce ne peut être qu'affin que, trop occupé à sa propre défense, il ne puisse contribuer à celle de ses alliés". Ibid. fol. 277v-278r: „à s'emparer, en représailles, des ressources que l'Angleterre a dans le continent pour se donner l'influence principale de terre. Tous les projets de Angleterre contre la France et contre le Roy de Prusse nommement seront facilement exécutés; que par conséquence c'est le cas de concourir avec la France pour compenser les succès des Anglois en Amérique et sur mer par ceux que l'on poura se procurer facilement sur terre, en attaquant réciproquement dans la partie la plus sensible, c'est dans le Pays-Bas, la Hollande et l'Électorat d'Hanover, et en les mettant dans la nécessité de se charger seuls de tout le fardeau immense de la dépense d'une guerre de terre qui joint à celle de mer est trop au dessus de leurs forces pour ne pas les engager à quitter prise".

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schon immer nachgesagt wurden und schon immer den Feinden Frankreichs genutzt haben".66

Bussy lehnte also einen Präventivschlag als zu gefährlich für die französische Reputation ab. Hier zeigt sich, daß der Griff zu den Waffen auch nach den Ereignissen von 1740 einer fundierten Legitimation bedurfte. Unabhängig von der Ergebnislosigkeit der Mission Dargets67, über deren Verlauf und Ergebnis keine gesicherten Informationen vorliegen, zeigt diese semi-offizielle Instruktion sehr deutlich einige Grundelemente des Friedrichbildes wie auch des Selbstverständnisses der französischen Außenpolitik. Die Persönlichkeit Friedrichs II. faszinierte die Diplomaten ähnlich wie die literarische Öffentlichkeit - doch führte der Blick der Diplomaten zu zunehmend negativen und kritischen Urteilen. Friedrichs Charakter, sein Regierungsstil war einzigartig für das Europa der Zeit - doch für Frankreich wurde die Einzigartigkeit immer mehr zu einem Unsicherheitsfaktor. Angesichts des drohenden Krieges mit England benötigte man in Versailles „Planungssicherheit" - d. h. sichere Informationen, um sich auf die zu erwartenden Mächte- bzw. Bündniskonstellationen bei Ausbruch der Feindseligkeiten einstellen zu können. Der premier commis Bussy zweifelte nicht daran, daß der Kolonialkrieg auch in Europa ausgetragen werden würde und daß sich Frankreich möglichst bald auf einen Vormarsch in Richtung Österreichische Niederlande und Kurfürstentum Hannover vorbereiten müsse. Man wußte um die Macht der Erinnerung an das Vorgehen der Armeen des Sonnenkönigs in Deutschland - und wollte verhindern, wie Ludwig XIV. von einer europäischen Koalition erneut an den Rand des Abgrundes gedrängt zu werden. Der Versuch, auf nichtoffiziellem Wege Einblick in die Pläne Friedrichs II. zu erhalten, zeigt aber auch, wie sehr man in Versailles am Fortbestand der preußischen Allianz interessiert war. Konkrete Angebote über die Verlängerung des auslaufenden Bündnisvertrags waren für Frankreich jedoch erst möglich, nachdem sich Friedrich der Große geäußert hatte. Man ging davon aus, daß Preußen auf das französische Bündnis angewiesen sei und erwartete vom kleineren Partner entsprechende Avancen. Es sollte noch sechs Monate dauern, bis Friedrich das Gegenteil bewies. Mögliche Alternativen wurden kaum bedacht. Wenn Bussy von den „ennemis naturels" sprach, bezog sich dies auf London und auf Wien, und ein natürlicher Feind konnte nicht auf einmal als potentieller Verbündeter ins Spiel gebracht werden. Es bedurfte sowohl des preußischen „Verrats" als auch der österreichischen Initiativen und des königlichen Willens, eine so einschneidende Korrektur vorzunehmen.

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Ibid. fol. 276r: „le Sr Darget pourra repondre que si le Roi s'etoit mis tout d'un coup dans cet État, les Princes qui sont ses ennemis naturels en avoient pris occasion de l'accuser du dessein de vouloir troubler l'Europe et de faire passer pour l'aggresseur, au lieu que si les Anglois l'attaquent à présent, sa Majesté sera justifiée aux yeux de l'Europe, de touttes les mesures qu'elle prendra; celles cy paraîtront purement déffensives, parce qu'elles ne viendront qu'après les hostilités commencées, ou tout au moins après l'ordre envoié pour les commettre, et qu'il est important de prévenir toutes les idées de desseins ambitieux que les ennemis de la France lui ont toujours attribuées et qui les ont si bien servis auprès des puissances étrangères". Die Mission Dargets wird erwähnt bei: Waddington, Renversement, S. 166-167; Valory spricht die Anwesenheit Dargets in Wesel 1756 an und geht davon aus, daß er über eine „commission de la cour" verfügt habe. Über seine Verhandlungen äußert er sich nicht, siehe: Valory, Mémoires des négociations du Marquis de Valory, Bd. 1, S. 295.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Am Vorabend der „Diplomatischen Revolution ": die Mission des Herzogs von Nivernais Wie sehr diese Fixierung auf die „natürlichen" Feinde und damit auch auf die „natürlichen" Frankreichs Verbündeten den Gestaltungsspielraum einengte, belegt ein Memorandum Bussys, das er 1755 zur Vorbereitung der Mission des Herzogs von Nivernais an den Berliner Hof verfaßte. Noch immer rätselte man über die Pläne Friedrichs II., und so sollte es die Aufgabe des Sondergesandten sein, eine Übereinkunft zwischen den Höfen von Berlin und Versailles zu erreichen. Bussy entwarf in dieser Denkschrift drei Optionen, zwischen denen Frankreich angesichts des Kolonialkonflikts in Amerika wählen könne: Erstens einen Angriff auf England mit Unterstützung der französischen Alliierten in Europa, zweitens die Beschränkung auf die Defensive, um zu vermeiden, daß der Konflikt eskaliert, und drittens, abzuwarten. Die Defensivoption könnte zum Ausgangspunkt einer Initiative der Signatarmächte des Aachener Friedens werden, um die Engländer an den Verhandlungstisch zu zwingen. Ein allgemeiner Kongreß und eine Mediation sollten das Ergebnis dieses Vorstoßes sein.68 Das Memorandum ist von der schon bekannten Grundannahme Bussys geprägt, daß Brandenburg-Preußen und Frankreich durch ihre Staatsinteressen „natürliche" Partner seien.69 Zur Debatte standen hier nicht die Angelegenheiten Preußens, die Angst Friedrichs vor einer österreichisch-russischen Koalition, sondern der britisch-französische Kolonialkonflikt. Auch Österreich, wichtigster Alliierter Großbritanniens, kam nur am Rande vor. Wien hatte Bussy in seiner Kalkulation gleichwohl eine bedeutende Rolle zugewiesen. Eine energische Bündnispolitik in Versailles, die auf die Erneuerung der preußischen Allianz und die Einbindung möglichst vieler Reichsstände abzielte, würde zur Folge haben, daß Wien in London intervenieren und dort auf eine Annahme der Mediation drängen werde. Ihre Ablehnung käme der Bloßstellung des englischen Hegemoniestrebens gleich, das sich im Drang „nach der alleinigen Herrschaft über die Meere und im Hang zu einer maritimen Universalmonarchie" äußere. 0 Diese offen zu Tage tretende englische Politik würde umfangreiche Gegenmaßnahmen legitimieren, an erster Stelle die Bildung einer antibritischen europäischen Koalition unter Führung Frankreichs. Wie diese aussehen solle, führte Bussy nicht weiter aus. Im Kern handelte es sich jedoch noch immer darum, Friedrich II. zur Offenlegung seiner Absichten zu bewegen - und möglichst zum Abschluß bzw. zur Erneuerung der auslaufenden Allianz. Mittlerweile glaubte man den Charakter des Königs so gut zu kennen, um aus seiner Reaktion auf die Vorschläge, die ihm Nivernais unterbreiten sollte, auf seine Absichten schließen zu können.71 Wollte der König sich nicht gegenüber Darget öffnen, so sollte Nivernais ihn durch die Offenlegung der französischen Optionen zur Stellungnahme bewegen. Für Bussy stand jedoch außer Frage, daß - egal für welches Vorgehen man sich in Frankreich

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AAE MD Prusse 6, fol. 54'-57 v , „Sur l'objet de la mission de M. le duc de Nivernais à la cour de Berlin", fol. 54'-55 v . Kopie von der Hand Bussys. Ibid. fol. 54': „cet envoié ne peut avoir pour but que celui de resserrer de la manière la plus sûre et la plus autentique les liaisons que l'intérêt fondamental des 2 cours forme naturellement, et d'unir les sistèmes de façon à les faire concourir avec succès". Ibid. fol. 56 r : „leur passion de domination exclusive sur toutes les mers, et leur tendance à une monarchie maritime universelle". Siehe dazu auch die Denkschriften Bussys in: AAE MD Angleterre 51, fol. 43Γ-50Γ; fol. 52'- 59v: „Sur le projet de la Monarchie universelle par les Anglois". Ibid. fol. 57'~v: „Le meilleur moien et peut être le seul de sonder véritablement les intentions du Roy de Prusse paroit être la proposition à lui faire du renouvellement de notre alliance qui expire au printemps prochain. La manière dont il recevra cette proposition doit être notre pièce de touche, les délais qu'il affectera devront nous donner les plus grands soupçons; l'acceptation franche et prompte devra les éteindre tous".

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entscheiden werde - das Bündnis mit oder wenigstens der enge Kontakt zu Preußen gesucht werden müsse.72 Die Instruktion, mit der sich Nivernais auf den Weg nach Berlin begab, enthält die in den internen Denkschriften geäußerten Themen. Ausführlich wurde das englische „System" denunziert: Man plane in London eine Diversion auf dem Kontinent, und Friedrich müsse gewarnt werden, auf keinen Fall den englischen Versicherungen Glauben zu schenken. Movens englischer Außenpolitik sei einzig der Wunsch, Frankreich zu schwächen. Den Briten wurde vorgeworfen, nicht nur die Vorherrschaft zur See anzustreben, sondern auch jene zu Lande. Das seit dem Spanischen Erbfolgekrieg zur Legitimation ihrer Politik angeführte Gleichgewichtsprinzip diene dabei nur als Vorwand.73 Friedrich II. wurde eine entscheidende Position im französischen „System" zugedacht. Er bilde mit Frankreich das Gegengewicht zur Allianz der Höfe von London, St. Petersburg und Wien.74 Nivernais erhielt zur Instruktion noch mehrere Beilagen und war somit nicht nur über die Deutschlandpolitik, sondern auch über den Stand der Verhandlungen in Turin, Madrid, über die aktuelle Situation des Stuartprätendenten und über die Bewertung der Beziehungen zwischen Rußland, dem Kaiser und den Reichsständen informiert.75 Der Herzog von Nivernais konnte nicht wie vorgesehen noch im Herbst 1755 nach Preußen reisen, da er durch eine Krankheit an der Abreise gehindert wurde. Er traf erst 12. Januar in Berlin ein.76 Seine Verhandlungen mit Friedrich, sein Versuch, trotz Abschlusses der Westminsterkonvention den Bruch mit Preußen zu verhindern, scheiterten.77 Am 27., sechs Tage nach Abschluß der Westminsterkonvention, unterrichtete Friedrich den Herzog von Nivernais darüber. Der Herzog vermutete als Motiv dafür die „crainte prodigieuse" des Königs vor Rußland.78 Nivernais glaubte, einen tiefen Haß Friedrichs auf die Höfe von Wien und St. Petersburg entdeckt zu haben, der dadurch verstärkt werde, daß er in Rußlands militärischem Potential eine ernste Bedrohung Preußens sehe. Ausschlaggebend sei sowohl die erwähnte Furcht vor Rußland als auch die Angst vor der Infragestellung des territorialen Status quo gewesen, den Friedrich um jeden Preis sichern wolle. Keine geringe Rolle bei dieser Entscheidung habe die Eitelkeit und die Ruhmsucht des Königs gespielt - Eigenschaften, die Nivernais in einem Porträt ausführlich beschrieb79 und die den König davon träumen ließen, „der Friedensstifter, Schiedsrichter Deutschlands und der Schlichter zwi-

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Ibid. fol. 57v: „il est toujours indispensable de nous concerter avec le roy de Prusse, de lui communiquer sincèrement toutes nos mesures pour qu'il puisse y combiner les siennes. Ce ne sauroit être ni trop promt ni trop public, son utilité et son efficacité ne devant que moins résulter de l'opinion qui s'en répandra en Europe que sa réalité même". Recueil des instructions: Prusse, S. 446: „l'Angleterre, en détruisant la puissance maritime de la France, s'emparera de la supériorité de l'influence sur terre, qui est le grand motif de la jalousie et de la haine des Anglois contre la France, et le prétendu équilibre qu'ils cherchent depuis si longtemps". Ibid. S. 448: „La puissance de ce Prince est le plus fort contre-poids que le Roi puisse opposer aux desseins ambitieux des cours de Vienne, de Londres et de Russie; elle contribue au maintien du système de l'Allemagne et celui de l'équilibre du Nord". Ibid. S. 463-474. Vgl. dazu: Kiintzel, Die Entsendung des Herzogs von Nivernais an den preußischen Hof 1755; Waddington, Renversement, S. 240-249; Perey, Un petit-neveu de Mazarin, S. 353-363. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 156. AAE CP Prusse 181, fol. 122Γ-138Γ, Nivernais an Rouillé, 22. Januar 1756, fol. 126r; Waddington, Renversement, S. 255. Perey, Un petit-neveu de Mazarin, S. 394-397; in Auszügen bei: Bardong, Friedrich der Große, S. 555-562.

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sehen Frankreich und England zu sein".80 Damit beanspruchte Friedrich der Große die Rolle, die in den Augen der Franzosen Ludwig XV. zukommen müsse. Doch dieser Anspruch, so schränkte Nivernais ein, könne nur schlecht den seiner Meinung tatsächlichen Beweggrund Friedrichs, die Angst, verbergen.81 In einer ersten Stellungnahme nach Bekanntwerden der Westminsterkonvention warnte Bussy vor einer überstürzten Reaktion, die einen Bruch mit Preußen zur Folge haben könnte. Er stimmte der Einschätzung Nivernais' zu, daß die Furcht vor Rußland Friedrich II. zur Allianz mit England geführt habe. Dessen Angebot, das Bündnis mit Frankreich zu erneuern, betrachtete der premier commis als Ausdruck seiner Sorge, Ludwig XV. könne sich mit Wien verständigen.82 Die Politik Friedrichs ziele jetzt darauf ab, sich durch einen Vertrag mit Versailles abzusichern, ohne den mit London geschlossenen zu brechen. Bussy plädierte für die Fortsetzung der Allianz mit Preußen, denn er war der Überzeugung, daß Frankreich daraus Nutzen ziehen könnte. Durch einen geschickten Vertrag werde es möglich sein, den Einfluß des Königs von England zu schwächen und gleichzeitig, eben durch Beibehaltung der preußischen Allianz, die französische Klientel im Reich stärker zu binden.83 So könnte die Achse Berlin-London in dem Moment gebrochen werden, in dem Georg II. von Hannover aus Truppen gegen Frankreich in Marsch setze und somit die Neutralität Hannovers aufhebe. Die römische Königswahl werde weiter ausgesetzt bleiben, und durch die Vertrautheit Friedrichs mit dem Erbprinzen von HessenKassel würden sich Möglichkeiten ergeben, die Landgrafschaft - und vor allem ihre Truppen - auf die französische Seite zu ziehen. Des weiteren werde sich die Beibehaltung der preußischen Allianz positiv auf die Beziehungen zu Schweden auswirken und verhindern, daß es zu einer britisch-schwedischen Annäherung komme.84 Eine Bedingung stellte Bussy jedoch: Es dürfe keine Entscheidung getroffen werden, und es dürfe keine Verhandlungen eingeleitet werden, bevor man nicht über den Wortlaut des britisch-preußischen Vertrags mitsamt möglicher Geheimartikel verfüge.85 So müsse man wissen, ob der Vertrag Regelungen über strittige Ansprüche Preußens auf hannoverische Territorien enthalte und ob die 18 bis 20 000 Pfund Sterling, von denen die Rede sei, als Subsidien oder als Entschädigung für englische Übergriffe auf preußische Schiffe im letzten Krieg gedacht seien.86 Bussy griff auch Nivernais' Vermutung auf, Friedrich strebe die Rolle des Friedensvermittlers an. Man solle ihn darin bestärken - denn wenn London seine Vermittlung scheitern lasse, werde dies die Eitelkeit des Preußenkönigs verletzen und sein Zorn ließe sich dann für französische Interessen nutzen.87

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AAE CP Prusse 181, fol. 130": „d'être le pacificateur, l'arbitre de l'Allemagne et le conciliateur de la France et de l'Angleterre". Ibid. fol. 131': „Je crois bien que sa vanité serait flatté de ce rôle brillant, mais je soupçonne aussi que son esprit luy suggère cette ressource pour colorer le vrai motif de sa conduite actuelle qui est la peu". AAE CP Prusse Suppl. 6, fol. 165r-171r, „Réflexions de M. de Bussy sur les lettres de M. le Duc de Nivernais des 22 et 25 janvier [1756], n° 5 et 6", fol. 165'. Ibid. fol. 166-167'. Ibid. fol. 167'-168'. Ibid. fol. 168': „Mais on ne doit rien commencer qu'au préalable le Roi de Prusse n'ait donné communication de son traité en entier, c'est à dire non seulement du traité, mais encore des articles secrets et déclarations séparées qui pourraient y être relatifs". Ibid. fol. 168-169'. Ibid. fol. 169'-169v: „Les lettres de M. le duc de Nivernais contiennent encore une matière qui mérite une grande attention. C'est le désir qu'a le Roi de Prusse d'être médiateur. On croit qu'il peut être utile de le flatter de cette espérance, si les Anglois refusent la proposition. Ce refus ne peut compromettre que ce prince et il en doit résulter de sa part une aigreur qui peut nous servir dans l'occasion". Die hier von Bussy entwik-

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Aber gerade in dieser fundamentalen Frage der Reaktion auf das britisch-preußische Bündnis zeigt sich, daß dem Einfluß der premier commis - so groß er im Alltag auch war auf die Grundsatz- und Richtungsentscheidungen Grenzen gesetzt waren. Ludwig XV. sah sich durch das Verhalten Friedrichs des Großen von seinen Verpflichtungen gegenüber dem ehemaligen Verbündeten befreit und ebnete seinem geheimen Unterhändler Bernis den Weg zum Versailler Vertrag. Wenn auch auf eine andere Art und Weise als sein „fellow monarch" Friedrich, behielt sich Ludwig die oberste Entscheidungskompetenz vor. Zu einer vorsichtigen Annäherung an Wien hatte beispielsweise, ohne von den bereits laufenden Verhandlungen zu wissen, der Marquis d'Aubeterre nach Bekanntwerden der Westminsterkonvention in Wien geraten. Kaunitz hatte ihm schon vorher Verhandlungen über einen Ländertausch zwischen Versailles und Wien vorgeschlagen und die Habsburgischen Niederlanden gegen die Beihilfe zur Wiedergewinnung Schlesiens angeboten. Aubeterre erwähnte mit keinem Wort die Möglichkeit eines Bruchs Frankreichs mit Friedrich, aber er war der Auffassung: „Der Augenblick erscheint mir günstig, falls es der König für notwendig hält, etwas mit diesem Hof zu verhandeln, es ist ein einzigartiger Moment, den ich nicht so nahe gewähnt habe".88 Einem Ausgleich der ehedem grundsätzlich konträren Staatsinteressen Wiens und Versailles' herbei zu führen, war für die französische Diplomatie nicht mehr undenkbar. Friedrich dem Großen unterlief daher eine große Fehleinschätzung, als er vermutete, daß eine Verständigung zwischen Versailles und Wien unmöglich sei. Die Westminsterkonvention beschleunigte diese Verständigung. Nun sah sich der Preußenkönig von einer gewaltigen Koalition umstellt, und dies nahm er zum Anlaß, den Präventivschlag gegen Sachsen zu führen89, mit dem er er einen der blutigsten Kriege der Frühen Neuzeit auslöste und den bis ins 20. Jahrhundert wirkenden Mythos vom, Alten Fritz" begründete.

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kelte Option einer Fortsetzung der preußischen Allianz unter bestimmten Voraussetzungen bekräftigte der premier commis kurze Zeit später erneut, vgl.: Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 155. AAE CP Autriche 255, fol. 47-53', Aubeterre an Rouillé, 4. Februar 1756, fol. 52r: „Le moment me paroit favorable, si le Roy juge à propos de faire quelque chose avec cette cour-ci; époque bien singulière et que je ne croyois pas si prochaine". Vgl. unten, Kapitel C II. 1, S. 239. Vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 179.

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2. Friedrich der Große im Siebenjährigen Krieg Der Einmarsch in Sachsen und die Reaktionen Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts streiten die Historiker über den Ausbruch des Siebenjährigen Krieges. Die Frage nach dem Motiv Friedrichs II. löste in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts einen „Historikerstreit" aus, in dem sich Kritiker und Verteidiger Friedrichs des Großen unversöhnt gegenüberstanden.1 Mit seinem Entschluß zum Präventivschlag entfachte Friedrich, nach den Worten Voltaires, ein bereits glimmendes Feuer in Europa, er schlug den Funken, der eine äußerste gespannte Lage in Europa zur Explosion brachte.2 Die explosive Situation der Sommermonate 1756 spiegelt sich in den Berichten der französischen Diplomaten, die die sich gegenseitig belauernden Akteure beschreiben. Aufmerksam wurde an den deutschen Höfen der britisch-französische Krieg verfolgt. In Berlin registrierte man den französischen Erfolg der Eroberung Menorcas und die damit verbundene Niederlage des neuen Allianzpartners mit Unruhe. Umgekehrt beobachteten die Diplomaten sehr genau die Konflikte des Preußenkönigs mit seinen Nachbarn. Dies waren der mecklenburgisch-preußische Werbungsstreit und ein Handelskonflikt zwischen Brandenburg-Preußen und dem Kurfürstentum Sachsen. Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg-Schwerin hatte 1755 Friedrich dem Großen verboten, die seit Jahren gepflegte Praxis der Truppenanwerbung in seinen Territorien weiter fortzusetzen. Der Preußenkönig, der dies als ein ihm zustehendes Recht betrachtete, reagierte mit der Verhaftung mecklenburgischer Beamter und ihrer „Entfuhrung" auf preußisches Gebiet. Dies nahm der Herzog zum Anlaß, den Reichstag um Unterstützung zu bitten. Der Wiener Hof sah in der Angelegenheit eine Möglichkeit, Friedrich als Gefahr für den Reichsfrieden bloßzustellen, um so mehr, als sich der König kategorisch jede Einmischung seitens des Kaisers und des Reiches in seine Verhandlungen mit dem Herzog verbat.4 Preußen wurde nicht allein die Mißachtung der Landesherrschaft Mecklenburgs vorgeworfen, sondern generell ein Angriff auf die Reichsgesetze. Die Angelegenheit, urteilte der Gesandte in Hamburg, Champeaux, „betrifft zugleich alle Fürsten des Reiches, denn die Ehre, die Würde eines Fürsten ist verletzt. Es ist ein unerhörtes Vorgehen, das auf nichts Geringeres abzielt als auf den Umsturz der Reichsverfassung, nämlich Fürsten zu unterdrücken und zu Vasallen erniedri-

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Vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 170-171. Voltaire, Précis du siècle de Louis XV, S. 1477: „Les révolutions que ce même roi de Prusse et ses ennemis préparaient dès lors étaient un feu qui couvait sous la cendre; ce feu embrassa bientôt l'Europe, mais les premières étincelles vinrent de l'Amerique". AAE CP Prusse 181, fol. 58r-61r, Valory an Rouillé, 15. Mai 1756, fol. 60v-61r: „L'intérêt que le public d'icy prend à la réussite de notre entreprise sur Port Mahon paroit marqué au coin de la sincérité, on attend la nouvelle de la conquête entière de l'isle de Menorque avec la plus grande impatience". Menorca fiel am 28. Juni 1756, Waddington, Renversement, S. 437-461. Vgl. Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 16-20; Koch, Der deutsche Reichstag während des Siebenjährigen Krieges, S. 7-10; zur Praxis der preußischen Werbungen in Mecklenburg siehe: Jany, Die Kantonsverfassung, S. 796, mit weiterführender Literatur; Büsch, Militärsystem und Sozialleben, S. 126.

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gen, die die gleiche Reichsunmittelbarkeit besitzen, zu ihrem Unglück aber nicht die gleiche Macht".5

Le Maire, Frankreichs Vertreter am Reichstag, sah den Konflikt mit den Augen Preußens: Der Streit liefere den Gegnern Friedrichs die Mittel, die propreußische Partei im Reich zu spalten.6 Die propreußische Einstellung Le Maires, deretwegen er letztlich von seinem Posten in Regensburg abberufen werden sollte7, zeigte sich auch in seiner Beurteilung der Argumente der streitenden Parteien. So habe Preußen gute Gründe sowohl für das umstrittene Recht der Werbung als auch für die Sanktionen gegen Mecklenburg vorgebracht, während der Herzog eindeutig zu weit gegangen sei, als er den Reichstag anrief. Le Maire vermutete proösterreichische Berater hinter den Demarchen Christian Ludwigs und prophezeite ihm, daß er mit dem Reich nicht gegen Friedrich bestehen werde: „Es ist einfach vorherzusehen, daß ihm das Aufsehen seines Streites mit dem König von Preußen mehr Schaden als Nutzen bringen wird. Er hat nichts dabei zu gewinnen, einen so mächtigen Nachbarn derart zu bedrängen, daß dieser seine Ehre beschädigt sehen könnte, gäbe er dieser Form von Drohungen und den daraus folgenden Schritten nach".8

Auch Aubeterre in Wien berichtete vom Echo, das dieser Streit dort hervorrief. Er war der Überzeugung, daß das scheinbare Eingehen Friedrichs auf die Verhandlungsvorschläge am Reichstag nur der Ablenkung von seinen Bemühungen um eine bilaterale Beilegung des Konfliktes diene.9 Ohne Einschaltung des Reiches, vermutete Le Maire hingegen, wäre wahrscheinlich schon eine Schlichtung herbeigeführt worden. Da mittlerweile ein Thronwechsel in Schwerin stattgefunden hatte, rechnete der Gesandte mit einer baldigen Einigung.10 Le Maire schätzte die Lage richtig ein, denn die Verhandlungen zwischen Mecklenburg und Preußen hatten sich bereits in diese Richtung entwickelt, als der Kriegsausbruch und der 1757 erfolgte Beitritt Mecklenburgs in die antifriderizianische Koalition den Streit überdeckten." Belastet waren auch die Beziehungen Preußens zu einem weiteren Reichsstand. Von einer harmonischen Nachbarschaft zwischen dem Kurfürstentum Sachsen und Preußen konnte am Vorabend des Siebenjährigen Krieges nicht die Rede sein. Anlaß zu Reibereien bot nicht nur 5

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AAE CP Hambourg 77, fol. 152-154', Champeaux an Rouillé, 5. April 1756, fol. 152"": „interesse également tous les princes de l'Empire, que l'honneur, la dignité de ce collège est blessé, que c'est un système inoui et qui ne tend pas moins qu'au renversement des constitutions du corps germanique, à mettre dans l'opression et rendre vassaux des princes qui ont la même immédiaté et qui ont le malheur de n'avoir pas la même égalité en forces". AAE CP Allemagne 587, fol. 79-83', Le Maire an Rouillé, 20. April 1756, fol. 79'"v: „Elle [= l'affaire, S.E.] fournit ce me semble, des moyens du moins spéciaux à ceux qui ne veulent pas du bien au Roy de Prusse pour luy aliéner les esprits des Princes des Etats de l'Empire". Ebbecke, Frankreichs Politik gegenüber dem deutschen Reiche 1748-1756, S. 121-134. AAE CP Allemagne 587, 160'-162v, Le Maire an Rouillé, 13. Juni 1756, fol. 160v: „il etoit aisé de prévoir que l'éclat de son demelé avec le Roy de Prusse luy causeroit plus de préjudice, qu'il n'y pourroit rien tirer d'avantage, et qu'il n'y avoit rien à gagner de pousser à bout un voisin si puissant qui pourroit croire son honneur blessé de céder à d'éspèces de menaces et à des demarches conséquentes". AAE CP Autriche 255, fol. 187-188', Aubeterre an Rouillé, 21. April 1756, fol. 187'"v: „Le différend du Roy de Prusse avec le Duc de Mecklenbourg fait beaucoup de bruit. On n'a point été satisfait ici de la réponse que sa Majesté prussienne a fait à la lettre déhortatoire de l'Empereur. On m'a dit que sa Majesté impériale avoit écrit à tous les électeurs pour les consulter sur cette affaire". Siehe auch: Fol. 213'-216', Aubeterre an Rouillé, 5. Mai 1756. AAE CP Allemagne 587, 160'-162v, Le Maire an Rouillé, 13. Juni 1756, fol. 161'. Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 1, S. 19-20.

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die politische Gegnerschaft der Höfe von Berlin und Dresden, sondern auch der Streit um Handel und den Warentransport auf der Elbe vom sächsischen Handelszentrum Leipzig nach Hamburg. Sowohl Friedrich als auch August III. von Sachsen-Polen belegten die Waren, die aus den Territorien des anderen kamen, mit hohen Zöllen und Steuern. Friedrich erneuerte auf Drängen der Magdeburger Kaufleute das dort in Vergessenheit geratene Stapelrecht, um es als „Kampfmittel gegen die auswärtige Konkurrenz aus Sachsen und Hamburg" einzusetzen. Dadurch wurde der Warenverkehr auf der Elbe nach und aus Sachsen erheblich behindert. Im Verbund mit weiteren zusätzlich erhobenen Durchfuhrzöllen im preußischen Elbgebiet entwickelte sich so ein ,,förmliche[r] Zollkrieg mit Sachsen".12 Aber auch Sachsen reagierte auf diese Maßnahmen. August III. verbot die Ausfuhr von Lebensmitteln nach Brandenburg und bewirkte dort eine erhebliche Preissteigerung. Vermittelnd wandte sich der Hamburger Magistrat an den Preußenkönig, der darüber hinaus bestrebt war, sächsische Versuche der Erschließung eines Landweges durch den Harz nach Hamburg zu unterbinden.13 Eine besondere Brisanz erhielten diese Streitigkeiten dann durch das Bekanntwerden der Westminsterkonvention. Die Sachsen, so berichtete Champeaux aus Hamburg, sähen sich durch diesen Vertrag unmittelbar bedroht, da sie darin gegen die sächsische Wirtschaft gerichtete Artikel vermuteten.14 Auch Prinz Friedrich Christian von Sachsen äußerte die gleiche Befürchtung.15 Tatsächlich enthielt die Westminsterkonvention jedoch keine diesbezügliche Klausel. Die aufgrund der skizzierten Reibereien im Reich angespannte Lage verschärfte sich durch die Nachricht von der Unterzeichnung des Versailler Vertrags. Damit war die „Revolution" der Allianzsysteme abgeschlossen. Den Sommer dominierten nun die Meldungen über die Rüstungsanstrengungen der sich im Reich gegenüberstehenden Akteure. Friedrich erfuhr von russischen Rüstungen und begann daraufhin mit der Mobilisierung seiner Armee, was Wien nicht verborgen blieb und gleichfalls mit dem Entschluß zur Mobilmachung beantwortet wurde. Mit Recht hat Theodor Schieder auf den dadurch ausgelösten „militärischen Automatismus" hingewiesen.16 Vor einem drohenden Krieg warnte auch Graf Broglie, der französische Botschafter am polnischen Hofe. Er bezweifelte, daß die preußischen Truppenbewegungen nur die üblichen Manöver seien. Er rechnete mit einem baldigen Vormarsch Friedrichs. Broglie hielt einen Schlag Friedrichs gegen seine Gegner für um so wahrscheinlicher, als dessen Charakter dem Risiko zugeneigter sei als dem Abwarten.17 12

Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk, S. 355; Rachel, Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 972; Schieder, Friedrich der Große, S. 328-330. 13 AAE CP Saxe-électorale et royale 47, fol. 128Γ-129Γ, Aufzeichnung eines commis des Außenminsteriums über den preußisch-sächsischen Handelskonflikt; AAE CP Hambourg 76, fol. 185'-188v, Champeaux an Rouillé, 30. Juni 1755; AAE CP Hambourg 77, fol. 73-75', Depesche Champeaux' vom 13. Februar 1756. 14 AAE CP Hambourg 77, fol. 67 r -72 r , Champeaux an Rouillé, 9. Februar 1756, fol. 68r_v: „Les Saxons semblent craindre d'être joués et sacrifiés; [...] ils paraissent appréhender que sa Majesté prussienne ait fait stipuler quelques clauses secrètes tendant à favoriser le rétablissement du commerce par l'ancienne route". " Schlechte, Das geheime Tagebuch des Kurprinzen Friedrich Christian, S. 254. 16 Schieder, Friedrich der Große, S. 177-180, Zitat S. 180; vgl. auch: Duffy, Friedrich der Große, S. 127, der gegen Baumgart (Baumgart, Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, S. 158) davor warnt, Absichten und Durchführbarkeit der russischen Pläne in eins zu setzen, und auf die gewaltigen Rückstände der russischen Armee hinweist, die erst im Sommer 1757 in der Lage war, aktiv in den Krieg einzugreifen. 17 AAE CP Pologne 251, Broglie an Durand, 21. Juli 1756, fol. 103'-107v, fol. 106": „Les mouvements des troupes prussiennes continuent avec la même vivacité. [...] Le Roy de Prusse fait de très grandes dépenses. Il est bien difficile que ce soit une simple déffensive à laquelle il se dispose. L'autre parti est à la vérité bien dangereux pour ce Prince, mais il est plus analogue à son caractère".

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Eher etwas unschlüssig über die österreichischen Rüstungen äußerte sich Aubeterre in Wien. Er konnte den Versicherungen Kaunitz', man bereite keinesfalls eine Offensive gegen Preußen vor, nicht recht trauen. Sowohl Wien als auch Berlin hätten sich bis an die Zähne bewaffnet, und doch seien beide auf mächtige Alliierte angewiesen.18 Auch die „öffentliche Meinung" Wiens schien auf die Kriegserklärung gegen den ungeliebten Nachbarn Preußen zu warten: „Die gesamte Nation hier und vor allem das Militär bekennen sich zur offenen Feindschaft gegenüber dem König von Preußen und scheinen nichts anderes als den Krieg zu wünschen". 19

Ungeachtet dessen betonte Kaunitz weiterhin, man nehme nur Verteidigungsstellungen ein. Die Beteuerungen des Staatskanzlers schienen den in Wien anwesenden Diplomaten vertrauenswürdig, denn der Geschäftsträger Ratte wußte zu berichten, daß man in Wien Rücksicht auf Versailles nehme und der Überzeugung sei, daß Friedrich nicht den Fehler einer Aggression begehen und gegen die gesammelten Kräfte der österreichischen Armee marschieren werde: „Trotz der erheblichen Vorbereitungen, die durch die Kaiserin getroffen werden, sind die hier anwesenden auswärtigen Gesandten der Meinung, daß der Wiener Hof diesen Fürsten nicht ohne Zustimmung Frankreichs angreifen werde. Einige von ihnen betrachten die Vorstöße dieses Hofes als eng mit dem in Versailles abgestimmt. Sie sind der Auffassung, daß der König von Preußen seinerseits niemals die Kaiserin zu einem Zeitpunkt angreifen werde, an dem sie alle ihre Kräfte gegen ihn mobilisieren könne, ohne daß er auf militärische Hilfe durch den König von England zählen könnte".20

Im Sommer 1756 wußten demnach alle aktiv und passiv in das diplomatische Informationsnetz eingebundenen Beteiligten um die akute Kriegsgefahr. Dies galt auch für die nicht an der Politik Beteiligten, die gleichwohl über gute Kontakte zu diplomatischen Kreisen verfügten. So befand Voltaire, der aus sicherer Entfernung von seinem Landsitz am Genfer See die Entwicklungen verfolgte, die Gelegenheit für Österreich und Rußland günstig, Friedrich Schlesien wieder zu entreißen. Wie die Rüstungen der kaiserlichen Armee im Hinblick auf

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AAE CP Autriche 255, fol. 29f-295 v , Aubeterre an Rouillé, 14. Juli 1756, fol. 294v-295r: „Je ne sais que penser de tous ces préparatifs, quoique Monsieur de Kaunitz continue à me dire que l'Impératrice ne songe absoluement qu'à sa conservation et qu'il n'est question d'aucun projet offensif. D'ailleurs les cours de Vienne et de Berlin me paroissent si puissament années que je ne crois pas qu'elles puissent rien entreprendre l'une contre l'autre à moins qu'il n'y ait entre la cour de Vienne et quelque autre cour un concert que j'ignore". " Ibid. fol. 329-33Γ, Ratte an Rouillé, 14. August 1756, fol. 329v: „Toute cette nation cy et surtout le militaire témoigne la plus grande animosité contre le Roy de Prusse et paroit ne désirer que la guerre". In dieser Situation rief man Aubeterre aus Wien ab und ersetzte ihn bis zur Ankunft seines Nachfolgers durch seinen Sekretär Claude Alexis Ratte, der bis zur Ankunft des Herzogs von Choiseul als Geschäftsträger in Wien blieb; siehe unten S. 318. 20 AAE CP Autriche 255, fol. 339r-343v, Ratte an Rouillé, 18. August 1756, fol. 341r_v: „Malgré les préparatifs immense qui se font de la part de l'Impératrice, les ministres étrangères qui sont icy paroissent dans l'opinion que la cour de Vienne n'attaquera pas ce prince sans l'aveu de la France, et quelques regardent les démarches de cette cour si concertées avec elle de Versailles. Ils pensent que le Roi de Prusse de son côté ne s'opérera point à attaquer l'Impératrice dans un moment où elle peut réunir toutes ses forces contre lui, sans qu'il puisse espérer aucun secours des troupes de la part du Roy d'Angleterre".

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die Intentionen Maria Theresias einzuschätzen waren, wußte er jedoch auch nicht.21 Doch zeigt gerade der Bericht Rattes, daß man noch mit einer längeren Phase des Belauems rechnete. Die besondere Situation frühneuzeitlichen Informationsflusses erschwerte darüber hinaus die Einschätzung der Situation. So traf die zuletzt zitierte Depesche Rattes vom 18. August zehn Tage später in Paris ein - einen Tag vor dem Einmarsch Friedrichs in Sachsen und zu spät, um noch auf die darin enthaltenen Nachrichten reagieren zu können.22 Ihr Inhalt war zu diesem Zeitpunkt bereits überholt. Weit beunruhigendere und die Absichten Friedrichs präziser einschätzende Informationen leitete Graf Broglie aus Dresden an den französischen Geschäftsträger in Warschau, Durand23, weiter. Valory hatte Friedrich durch die Übergabe einer Erklärung Ludwigs XV. davor gewarnt, Österreich anzugreifen, denn dann würde Frankreich gemäß dem Versailler Vertrag der Kaiserin mit allen Kräften beistehen. Der König habe diese Warnung schroff zurückgewiesen, so Valory, es gehe ihm darum, die Selbstverteidigung zu organisieren. Die Unruhe in Dresden über die preußischen Armeebewegungen konnten solche Nachrichten nicht dämpfen. Broglie war überzeugt, daß, falls die Preußen Sachsen angreifen würden, es nicht lange Widerstand leisten könne.24 Nachdem Ende August Friedrich an Wien weitgehend unannehmbare Ultimaten gestellt und die preußische Armee ihre Ausgangsstellung eingenommen hatte, rechnete Broglie stündlich mit deren Einmarsch. Unterdessen befanden sich Kurfürst August III. und sein Minister Brühl am Vorabend des Krieges auf der Jagd. Beide rechneten nicht mit einer Aggression des Preußenkönigs. Hingegen sollte sich Broglies Vermutung bestätigen, daß Friedrich der Große freien Durchzug für seine Armeen fordern und ihn im selben Moment erzwingen werde.25 21

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Voltaire, Correspondance choisie, S. 416-417, Voltaire an Maria-Ursula von Klinglin, Gräfin von Lützelburg, 23. August 1756: „Dites moi, Madame, vous qui êtes sur le bords du Rhin, si notre chère Marie Thérèse, impératrice-reine, dont la tête me tourne, prépare des efforts réels pour réprendre sa Silésie. Voilà un beau moment: et si elle manque, elle n'y reviendra plus. Ne seriez-vous pas aise de voir deux femmes, deuximpératrices, peloter un peu notre grand roi de Prusse, notre Salomon du Nord?". AAE CP Autriche 255 fol. 339', Vermerk. Über François-Michel Durand, Seigneur de DistrofF (1714-1778) vgl.: Samoyault, Les Bureaux, S. 283-284; Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. 2, Anm. 2; Durand war einer der bedeutendsten Agenten des secret du roi. AAE CP Pologne 251, fol. 131r-136, Broglie an Durand, 7. August 1756, fol. 134': „Vous aurez peut-être déjà apris que M. de Valory a eu ordre de déclarer formellement à S. M. Prussienne que s'il attaquoit non seulement nous luy fournirions les 24 mille hommes convenus par le traité de Versailles, mais que nous la secourions de toutes nos forces. On m'a dit hier qu'à cette déclaration par écrit, le Roy de Prusse avoit fait remettre par M. de Podewils une réponse conceüe en ces termes: ,11 est permis à tout le monde de prendre les précautions nécessaires pour veiller à sa seureté et je les dois aux préparatifs extérieures qui se font contre moy, au reste malheur aux premiers qui troubleront la tranquilité de l'Empire d'Allemagne'. Ne trouverez-vous pas qu'un apophtegme qu'on pourroit appeller une menace serve de réponse au Roy de Prusse à une déclaration du Roy. On est icy dans de grandes inquiétudes sur les mouvemens des troupes prussiennes. [...] On est persuadé que jamais qu'avant huit jours l'entreprise méditée éclattera". Zur Erklärung Valorys vgl.: Volz, Kiintzel, Akten, S. 480, Anm. 3, siehe auch S. 502-504; die Verärgerung der Österreicher über diesen Schritt; Waddingion, Renversement, S. 491^193; Bernis, Mémoires, ed. Rouart/Bonnet, S. 181.

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Ibid. fol. 153'-156', Broglie an Durand, 28. August 1756, fol. 154': „En attendant ses troupes bordent les frontières de la Saxe et se sont avancées d'un autre côté par la Silésie sur celles de la Bohême; on attend à chaque instant la nouvelle de sa marche. Il n'y a jusqu'à présent eu aucune réquistion de fait icy; mais je viens d'aprendre qu'il est arrivé ce matin à 8 heures un courier du Roy de Prusse qui selon toute apparence en est porteur. S.M. Polonaise est à la chasse avec son Ministre et n'en reviendra que ce soir ce qui fait que cette poste partira sans que je puisse vous éclairer ce point. Je pense que vous pouvez compter comme si

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Die zunehmende Spannung im Osten des Reiches Übertrag sich im Laufe des Sommers auch auf den Westen. Baron Zuckmantel, ministre plénipotentiaire am Hofe des Pfalzer Kurfürsten, besichtigte im Mai die preußische Festung Wesel und zeigte sich beeindruckt sowohl vom Zustand der Befestigungsanlagen und des Ausbildungsstandes der Garnison als auch vom zuvorkommenden Empfang, den ihm die befehlshabenden Offiziere bereiteten.26 Im pfalzischen Jülich und Berg ließ der Preußenkönig große Mengen Getreide aufkaufen.27 Seit August wuchs schließlich auch die Besorgnis an den rheinischen Höfen über die Truppenbewegungen und anhaltenden Rüstungen in Schlesien und Böhmen.28 Besorgt zeigte sich auch Marquis von Monteil, der im April seine Tätigkeit am kurkölnischen Hof aufgenommen hatte. Er vermißte vorausschauende Sicherungsmaßnahmen des Kurfürsten für den Fall eines Krieges. Für den Gesandten war Kurköln aufgrund seiner Herrschaft in den westfälischen Bistümern Münster und Paderborn wie auch über das niedersächsische Hildesheim extrem gefährdet. Der Gesandte sah auch schon die Gefahr, die von einer „Konfessionalisierung" der neubegründeten Allianzsysteme für das Reich ausging.29 Den Zeitraum zwischen Abschluß des Versailler Vertrags bis zum Einmarsch in Sachsen hat vor allem Friedrich der Große für seine Kriegsvorbereitung nutzen können. Zwar mobilisierten auch die Österreicher und die Russen ihre Armeen, doch waren sie bei weitem nicht so einsatzfahig wie die ihres Gegners. Nimmt man die zitierten Berichte über die Situation im Reich am Vorabend des Siebenjährigen Krieges zusammen, so entsteht das Bild einer allgemeinen Kriegsgefahr, die überall zu spüren war. Mit dem Ausbrach des Krieges wurde aber nicht in absehbarer Zeit gerechnet - sieht man vom Zeugnis Broglies ab, der sich in unmittelbarer Nähe des preußischen Aufmarschgebietes befand. Gerade im Westen des Reiches schienen die Vorgänge erst spät für Unruhe zu sorgen. Hier war die Aufregung und Überraschung über das renversement des alliances noch nicht verflogen, und man diskutierte noch dessen Konsequenzen. Der Kriegsausbruch kam für Frankreich zweifellos noch zu früh: Zum einen, weil man mit Wien noch über eine Ausweitung der Allianz verhandelte, zum anderen, weil man die Aufregung der traditionellen Klientel Frankreichs im Reich über das neue System noch beruhigen mußte. Aber obwohl viele Zeichen auf Krieg deuteten, und obwohl gerade Broglie Charakter und Denkweise des Preußenkönigs präzise einschätzte, gelang Friedrich II. mit seinem Marsch auf Dresden, das am 9. September besetzt wurde, die Überraschung seiner Gegner.

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vous l'aviez vu que le passage sera demandé et pris en meme tems. Ce qui n'empêchera pas qu'il ne soit accordé. Au reste on a pris icy le parti de rassembler toutes les troupes, on les campera entre Königstein et Pirna dans un très bon poste et fort: à ce moment, on est résolu à s'y défendre". Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 7-11. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 82, fol. 30r \ Zuckmantel an Rouillé, 21. Mai 1756, fol. 30r_v: „On ne peut rien voir de plus beau, de plus exact et de plus propre que les manœuvres et les évolutions des trouppes qui composent la garnison de cette place [Wesel]. Les fortifications en sont étendus, assez bonnes et parfaitement entretenues. Tous les officiers de la garnison se sont empressés à me rendre toute sorte d'honneur et à me faire des politesses imaginables". AAE CP Cologne 92, fol. 183-188', Monteil an Rouillé 9. Juli 1756, fol. 185'. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 82, fol. 207-209', Zuckmantel an Rouillé, 6. August 1756. AAE CP Cologne 92, fol. 159'-162r, Monteil an Rouillé, 10. Juni 1756, fol. 160': „II me semble que ce prince ne fait aucune réflexion sur les conséquences que l'on peut tirer de cette nouvelle situation de l'Allemagne. Il est cependant facile de prévoir que si la guerre venoit à s'allumer dans l'Empire malgré les dernières précautions prises pour l'en preserver. Les États de l'électeur seraient plus exposés que tout autre surtout si les intérêts de religion qui commencent à agiter, deviendraient la cause ou seulement le pretexte de cette guerre". Vgl. auch Braubach, Politik und Kriegführung am Niederrhein, S. 485-486.

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Wohl als einer der ersten berichtete der französische Gesandte in Hamburg, Champeaux, bereits am 30. August - d. h. einen Tag nach Beginn der Feindseligkeiten - unter Berufimg auf einen Informanten aus Magdeburg über den Einmarsch der preußischen Armee in Sachsen. Parallel dazu erfuhr er von Rüstungen und Truppenmobilisierungen in Braunschweig.30 Wenige Tage später konnte er erste Reaktionen der Hamburger auf diese Nachricht übermitteln. In der Hansestadt wurde dieses Ereignis als derart sensationell erachtet, daß der Hamburger Senat verboten habe, darüber öffentlich zu diskutieren.31 Das Vorgehen Friedrichs schien demnach die öffentliche Ordnung auch in einer nicht unmittelbar betroffenen Reichsstadt zu gefährden. Von ähnlichen Reaktionen berichtete der Gesandte am Hofe des Herzogs von Württemberg, Claude François Tessier, Marquis de Monciel, der eine große Unruhe und Ungewißheit über die Konsequenzen dieses Ereignisses in Deutschland beobachtete.32 In Köln versuchte Monteil aufkommende Panik am kurfürstlichen Hofe zu dämpfen. Die Nachricht vom Vormarsch Friedrichs hatte sich mit allen erdenklichen Gerüchten verbunden, und man rechnete jeden Moment mit dem Vormarsch preußischer Truppen nach Westfalen. Um präzise Informationen bemüht, sandte Monteil einen Kurier in Richtung Hildesheim.33 Auch in der Kurpfalz und im gesamten Rheinland herrschten Empörung und Entsetzen, aber auch Ratlosigkeit angesichts der Ereignisse in Sachsen. Wie in Köln befürchtete man einen Schlag der preußischen Armee, der auf die zwischen der Pfalz und Brandenburg umstrittenen Herzogtümer Jülich und Berg abzielen würde. Dies schien um so wahrscheinlicher, sollte der Kurfürst die Partei des Kaisers und Frankreichs ergreifen.34 Die Furcht vor der Rache Friedrichs schien in der Pfalz so groß, daß auch drei Wochen nach der Invasion noch immer nicht klar war, ob der Kurfürst der antipreußischen Koalition beitreten würde. Friedrichs Vorgehen in Sachsen ließ die Rheinlande vor Schreck erstarren.35 Einziges Gegenmittel so Baron Zuckmantel, sei eine massive französische Intervention:

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AAE CP Hamburg 78, fol. 82'-85 v , Champeaux an Roullié, 30. August 1756. Ibid., fol. 95'-98', Champeaux an Rouillé, 3. September 1756, fol. 97'~v: „Vous jugerez aisement, Monseigneur, de la sensation que fait la conduitte de sa Majesté prussienne. Elle ne sauroit être plus vive". In Champeaux' Depesche vom 13. September heißt es: „L'impression que fait cette entreprise est si forte et excite des raisonnements et des discours si vifs que Messieurs d'Hambourg ont jugé dans cette circonstance devoir publier un rescript par lequel il est, sous peine de punition corporelle, défendu à tous et chacuns de raisonner et de s'entretenir sur les conjonctures présentes et d'observer le respect dû au souveraines", ibid. fol. 121-124', fol. 12Γ-122'. AAE CP Allemagne 589, fol. 98-99', Monciel an Rouillé, 5. September 1756, fol. 99': „La marche du Roi de Prusse fait une fermentation dans l'Allemagne très grande, et l'on attend avec impatience la suite de cet événement". AAE CP Cologne 92, fol. 330'-335 v , Monteil an Rouillé, 13. September 1756, fol. 334v: „La nouvelle de l'invasion de la Saxe s'est répandu à Cologne avec tant d'exagération sur l'étendue des projets du Roi de Prusse qui, à ce qu'on prétendait, fasoit aussi entrer une armée dans la Westphalie". AAE CPPalatinatDeux-Ponts 82, fol. 266-270', Zuckmantel an Rouillé, 10. September 1756, fol. 267v-268r: „II n'est pas croyable, Monseigneur, à quel point la démarche hardie et violente du Roy de Prusse vient de faire imprimer les cerveaux de terreur et d'abattement. Toutes les cours voisinnières en ont été autant effrayées que surprises. J'ai déjà eu l'honneur de vous instruire des terreurs de celle où je suis, vous jugez bien que l'occupation de la Saxe rendra leur apprehension plus vive que jamais. Ils sont persuadés que les duchés de Berg et Juliers éprouveront le même sort dès que le roi de Prusse pourra s'apercevoir qu'ils penchent pour l'alliance du Roy et de la Cour de Vienne". Ibid. fol. 320r-323r, Zuckmantel an Rouillé, 20. September 1756, fol. 321'~v: „Je dois néantmoins avouer qu'ils m'ont paru partir d'aucune principe de mauvaise volonté, mais qu'ils étoient uniquement l'effet de la crainte horrible qu'on a icy et dans tout l'Empire du Roi de Prusse qui semble se réproduire à leurs yeux pour augmenter la terreur qu'ils inspirent ses procédés envers la Saxe".

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„Monseigneur, ich muß Ihnen sagen, daß ich überzeugt bin, daß alle Schwierigkeiten verschwinden und wir alles von diesem und den anderen Höfen am Rhein erhalten werden, sobald sie sehen, daß eine große französische Armee sich zum Einmarsch in Deutschland bereithält - dies wünschen sich alle".36

Nach der Kapitulation der sächsischen Armee bei Pirna sah Zuckmantel Frankreich zur Intervention verpflichtet.37 Graf Broglie, am Dresdner Hof Augenzeuge des preußischen Vormarsches, berichtete über die Lage nach dem Rückzug der Sachsen in die befestigte Stellung bei Pirna. Die Preußen plünderten die Vorräte und Kassen des sächsischen Staates, ohne daß es eine Kriegserklärung, geschweige denn einen Kampf zwischen ihnen und den Sachsen gegeben habe. Die Konsequenzen dieses Vorgehens erfaßte Broglie denkbar knapp und präzise: „Es besteht kein Zweifel, Monsieur, daß all dies in einem allgemeinen Krieg enden wird".38 Am 9. September besetzte die preußische Armee Dresden und nahm damit auch die königlich-kurfürstliche Familie gefangen, darunter die Mutter der Dauphine. Die anschließende Plünderung des sächsischen Archivs39 und die unwürdige Behandlung der kurfürstlichen Familie rief eine noch größere Empörung in Europa hervor als Friedrichs Angriff auf das Kurfürstentum.40 Broglie wünschte sich innigst, Friedrich werde sein Verhalten einst bereuen.41 Ein unbekannter polnischer Adliger übergab dem Geschäftsträger in Warschau, Durand, eine Denkschrift, in der Friedrichs der Große scharf angegriffen und die polnische Nation zu den Waffen gerufen wurde, um dem „Markgrafen von Brandenburg" die preußische Krone zu entreißen. Sogar der notorisch zerstrittene polnische Adel schien angesichts der Ereignisse in Sachsen zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen den unbesiegbaren Preußenkönig bereit zu sein, folgt man den Ausführungen des polnischen Autors: „Dieses in Europa unerhörte Vorgehen gegen seinen Nachbarn verdeutlicht uns die gefährlichen Vorstellungen, die er [= Friedrich II.] uns gegenüber hegt, zumal sein Ehrgeiz nur zu groß ist und seine Ratschlüsse zu beunruhigend sind. Sein Geiz, der es ihm nicht erlaubt, sich mit dem ungestraft der Kaiserin entrissenen Schlesien zufrieden zu geben, verführt ihn dazu, sich weitere Länder anzueignen, um seinen Besitz zu vergrößern, wodurch er all seinen Untertanen das Leben verhaßt macht, die vom Unglück betroffen sind, unter seiner Herrschaft geboren zu sein. Es ist an der Zeit, ihm die Krone streitig zu machen, die er sich zum Nachteil des Königs und der Republik Polen, deren Vasall er ist, aufgesetzt hat".42

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Ibid. fol. 321": „Je dois vous dire, Monseigneur, queje suis persuadé que toutes les difficultés disparoitroient et que nous tirerions tout le parti possible de cette cour-cy et des autres cours de l'Empire, si elles voyoient comme une armée françoise un peu considérable prête à entrer en Allemagne, après quoi ils soupirent tous". AAECPPalatinat 83, fol. 99-105', fol. 102'~v. AAE CP Pologne 251, fol. 168-175", Broglie an Durand, 7. September 1756, fol. 169v, Zitat: 170': „II ne paroit pas douteux, Monsieur, que la suite de tout cecy sera une guerre générale". Ein ausführlicher Augenzeugenbericht bei: Schlechte, Das geheime Tagebuch des Kurprinzen Friedrich Christian, S. 274-277. Duffy, Friedrich der Große, S. 161; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 45-48. AAE CP Pologne 251, fol. 182-187', Broglie an Durand, 11. September 1756, fol. 182'"v: „La conduite du Roy de Prusse est sans exemple. Il est à désirer qu'il aura lieu de s'en repentir". AAE CP Pologne 251, fol. 275'"v, „Reflexions sur les conjonctures présentes", fol. 275' _ï : „Ce procédé inoui en Europe vis-à-vis des autres voisins nous fait clairement comprendre les vues dangereuses qu'il a sur nous, son ambition n'étant que trop grande et ses conseils trop remuants. Son avarice qui ne lui permet pas de se contenter de la Silésie impunément arraché à l'Impératrice-Reine de Hongrie et de Bohême dans la dernière

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Eine ähnliche scharfe Verurteilung Friedrichs findet sich bereits in Depeschen Rouillés aus der zweiten Septemberwoche. Der Außenminister betonte die Sorge Ludwigs XV. um die „tranquilité de l'Europe", die Friedrich entgegen den Warnungen aus Versailles, man sei bereit, den Verpflichtungen des Bündnisses vom 1. Mai nachzukommen, gebrochen habe. Friedrich und Georg II. von England wurden des Bruchs sämtlicher völkerrechtlicher und göttlicher Gesetze beschuldigt: „Das System des Königs von Preußen und das des Königs von England zielt auf nichts Geringeres ab, als auf den vollkommenen Umsturz der Fundamente, auf denen die Gesellschaft der Mächte in der Welt ruht. Angesichts der Durchsetzung dieses Systems ist von der britischen und preußischen Majestät weder zu Lande noch zu Wasser irgendein Respekt vor den göttlichen Gesetzen zu erwarten".43

Indem Friedrich der Große gleichsam aus der Staatengemeinschaft ausgestoßen wurde, war es für die anderen Mitglieder, und insbesondere für die Reichsstände, nicht möglich, eine neutrale Position einzunehmen: „Dies betrifft also alle Souveräne und besonders die deutschen Fürsten, denn der König von Preußen verstößt offen gegen den öffentlichen Frieden, gegen die Verträge von Münster und Osnabrück, gegen alle Gesetze und Verfassungen des Reiches [...], indem er einen so angesehenen Kurfürsten wie den von Sachsen grundlos angreift [...], zerreißt er das Band, das ihn mit dem deutschen Reich verbindet".44

Zwar äußerte sich Rouillé wenige Tage später gegenüber Champeaux in Hamburg weitaus gemäßigter im Ton, doch an der Grundauffassung, daß durch Friedrichs Vorgehen das Reich und das Staatensystem in seinen Fundamenten gefährdet seien, hielt er fest. Die Ereignisse der folgenden Monate rechtfertigten diese Sicht durchaus, denn die Tatsache, daß Friedrich am 3. Oktober bei Lobositz die zum Entsatz der eingeschlossenen sächsischen Truppen herangeführte österreichische Entsatzarmee zurückschlagen konnte, gab der allgemeinen Furcht im Reich neue Nahrung, obwohl die Preußen schwere Verluste erlitten und die Schlacht fast verloren hatten.46 Spätestens seit Lobositz dürfte den beteiligten Politikern die Tragweite der Invasion Sachsens endgültig klar geworden sein. Aus München konnte Graf Estrées

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guerre, le porte à arracher encore quelque pays pour augmenter ses possessions et pour aggrandir sa puissance par laquelle il rend la vie odieuse à touts ses sujets qui ont le malheur d'être soumis à sa domination. Il seroit tems à présent de luy disputer cette couronne qu'il s'est mise sur la tête au préjudice des Roys et de la République de Pologne dont il est feudataire". AAE CPPalatinat Deux-Ponts 82, fol. 274-286", Rouillé an Zuckmantel, 11. September 1756, fol. 278': „le système du roy de Prusse associé à celuy de l'Angleterre ne tend pas moins qu'au renversement total des fondemens de la société entre toutes les puissances de la terre, que moyennant l'établissement de ce système il n'y a plus à attendre de la part de leurs Majestés britanniques et prussienne aucune observation des loix divines ni sur terre ni sur mer". Leicht abgewandelt als lettre circulaire, in: AAE CP Saxe électorale et royale 48, fol. 12r-16v, vom 10. September 1756. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 82, fol. 278r~v: „C'est donc icy la cause de tous les souverains et particulièrement des princes d'Allemagne, puisque le roi de Prusse viole ouvertement la paix publicque, les traités de Westphalie, toutes les loix et constitutions de l'Empire, [...] il rompt entièrement le lien entre lui lui et le corps germanique [...] en attaquant un électeur de l'Empire aussy respectable que l'électeur de Saxe et contre lequel sa Majesté prussienne n'a pas le moindre pretexte de guerre". AAE CP Hambourg, fol. 133'-135v, Rouillé an Champeaux, 20. September 1756, fol. 134r-v, vgl. Kapitel Β. II. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 83, fol. 45r-50v, Zuckmantel an Rouillé, fol. 45'"": „toute la cour palatine en a été véritablement consternée et les suittes de cette action qu'on dit avoir été extrêmement sanglante, elles font craindre les plus grands revers pour la cour de Vienne". Duffy, Friedrich der Große, S. 150-159.

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melden, daß sich der noch vor einiger Zeit zwischen London und Wien schwankende Kurfürst von Bayern mittlerweile für den Kaiser entschieden habe. Diese Entscheidung trage im übrigen auch der Stimmung der Bevölkerung Rechnung, die im Gegensatz zu Württemberg und den protestantischen bzw. gemischtkonfessionellen Reichsstädten wie Ulm und Augsburg ausnahmslos für Österreich Partei ergreife.47 Nun trafen Depeschen der Gesandten ein, die unmißverständlich eine Intervention Frankreichs forderten. Angesichts der Wehrlosigkeit Sachsens und der Niederlage einer starken Entsatzarmee sehnten sich weit schwächere Fürsten, als es der sächsische Kurfürst sei, nach Schutz vor dem Preußenkönig und seiner Armee. Frankreich biete sich jetzt die Möglichkeit, dem Reich zu Hilfe zu eilen und dauerhaft jedes Mißtrauen, das die Allianz mit Österreich hervorgerufen hatte, zu zerstreuen: „Mehr als jemals zuvor wenden sich zu dieser Stunde alle Augen gen Frankreich, von d e m alle wahren deutschen Patrioten Rettung erhoffen. D i e s ist der günstigste Augenblick, u m auf e w i g das Ansehen und den Einfluß ihrer Majestät im Reich zu festigen und jenes M i ß trauen [...] und jene quasi angeborene Distanz auszurotten, der man bislang an diesen Höfen begegnete". 4 8

Die Gefährdung der europäischen Staatenordnung durch Preußen und Großbritannien - diese Interpretation der Invasion Sachsens gab der französischen Außenpolitik eine weitere zusätzliche Legitimation zur Intervention im Reich. Indem man der Aktion Friedrichs diese Bedeutung zumaß, setzte man sich nicht der Gefahr aus, nur als Helfer Wiens bei der Revision des Aachener Friedens betrachtet zu werden. Frankreichs Stellung und Selbstverständnis als „arbitre de l'Europe" stand auf dem Spiel, bzw. der „arbitre" hatte die Pflicht, stabilisierend gegen die Unruhestifter - England und Preußen - einzugreifen.49 Mit dem Versailler Vertrag rückte man nur scheinbar von den Prinzipien Richelieus ab. Das Ziel Richelieus, der König von Frankreich müsse „le plus puissant monarque du monde" werden, war geblieben. Es hatte eine „Revolution", eine Drehung, im eigentlichen Wortsinne stattgefunden: Die Rolle des Friedenstörers im Reich ging von Österreich auf Preußen über. Nicht gegen den Kaiser, sondern gegen Preußen (und England) mußten die deutschen Freiheiten geschützt werden. Diese Lesart des Kriegsausbruchs von 1756 zeigt sich in der Instruktion des Sieur d'Aigremont, der im Oktober 1756 auf den seit mehreren Jahren vakanten Gesandtschaftsposten am Hofe des Trierer Kurfürsten berufen wurde. Es sei ein ungerechter Krieg, den Friedrich II. begonnen habe, und dessen Konsequenzen gefährdeten Frankreich, das Reich und Europa. Und insbesondere das Reich sei von einer „subversion totale" bedroht.50 Vor 47 48

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Vgl. S. 69, Anm. 44. Zur Haltung Bayerns bei Kriegsbeginn: Schmid, Max III. Joseph, S. 349-390. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 83, fol. 99 r -105 v , Zuckmantel an Rouillé, fol. 103'~v: „C'est à cette heure plus que jamais que tous les yeux se tournent vers la France d'où toutes bon patriotes allemands attendent leur salut. C'est le moment le plus favorable du monde pour affermir à jamais le crédit et l'influence de sa Majesté dans l'Empire et pour déraciner cette défiance [...] et cet éloignement presque inné qu'on a trouvé jusqu'à présent dans les cours". Die Wirkmächtigkeit der Idee des .Arbiter" im 18. Jahrhundert ist bislang nicht untersucht, für das 16. und 17. Jahrhundert jetzt: Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung. Recueil des instructions: Trêves, S. 190-191: „La guerre injuste que le Roi de Prusse, d'accord avec le Roi d'Angleterre, vient d'allumer en Allemagne et tous les artifices que ces deux puissances, employent pour associer la plupart des Princes à l'exécution de leur pernicieux desseins peuvent avoir des conséquences si funestes aux alliés du Roi, à l'Empire, à la France et à l'Europe entière que sa Majesté ne peut différer plus longtemps d'envoyer des Ministres dans les principales cours d'Allemagne pour dissiper les fausses impressions qu'on veut leur donner et leur inspirer les partis qui peuvent les garantir de leur propre ruine, préserver l'Empire d'une subversion totale et détourner les maux dont l'Europe en général et la France en particulier sont menacées".

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diesem Hintergrund erklärt sich die ausweichende und hinhaltende Reaktion des französischen Ministeriums bzw. des conseil du roi auf das Drängen der Österreicher, so schnell wie möglich das verabredete Hilfskontingent von 24 000 Mann nach Böhmen zu schicken.51 Der „Arbiter" Europas konnte nicht als Bereitsteller von Hilfstruppen fungieren, sondern mußte als eigenständiger Akteur auf dem Kriegsschauplatz auftreten. Zum Friedrichbild während des Siebenjährigen Krieges Stephan Skalweit hat in seiner Studie über das Bild Friedrichs des Großen in Frankreich zwei,,Haupttendenzen'' der Urteile über den Monarchen während des Siebenjährigen Krieges herausgearbeitet. Zum einen sei, bedingt durch den zunehmend negativen Kriegsverlauf, für Frankreich ein „zwangsläufige [s] Erstarken der vorübergehend zurückgedrängten antihabsburgischen Richtung" zu beobachten, der durch „die drückend empfundene Abhängigkeit von einem anspruchsvollen Bundesgenossen immer neue Anhänger erwuchsen". Zum anderen habe „die Friedrichs Feldherrngaben von den französischen Zeitgenossen entgegengebrachte Verehrung" die Urteile der Öffentlichkeit geprägt.53 Es wird jetzt zu untersuchen sein, ob diese Tendenzen durch die diplomatischen Korrespondenzen während der Kriegsjahre bestätigt werden können oder der Korrektur bedürfen. Darüber hinaus interessiert, wie - bei Fortdauer des Krieges - das Ausbleiben der Erfolge der scheinbar übermächtigen Koalition gegen Friedrich bewertet wurde. Lassen sich anhand der Korrespondenzen jene „strukturellen Grenzen der spätabsolutistischen Kriegskunst" beschreiben, die, so Johannes Kunisch, das Scheitern der antipreußischen Allianz erklären?54 Wie sah und erklärte die französische Diplomatie die entscheidenden Schlachten des Siebenjährigen Krieges? Daß man das Vorgehen Friedrichs als eine Gefahr nicht nur für das Reich, sondern letztlich für das gesamte Staatensystem verstand, daran besteht kein Zweifel. Die anläßlich seines Einmarsches in Sachsen vielfach geäußerte Empörung war auch noch nach vier Kriegsjahren präsent: „Der Charakter des Königs von Preußen ist schändlich, seine Person hassenswert, sein Vorgehen empörend" urteilte Praslin im August 1760 und war sich dabei dennoch bewußt, daß Preußen als Akteur im Staatensystem einen unersetzbaren Platz einnahm.55 In der ersten Phase des Krieges interessierte den Außenminister Rouillé vor allem die Beziehung Friedrichs II. zum Reich. Für das Zögern vieler protestantischer Reichsstände, sich der antipreußischen Koalition anzuschließen, zeigte er kein Verständnis. Der König habe sich durch sein Verhalten zum Rebellen erklärt, und es sei im ureigensten Interesse der Stände, im Verbund mit der Kaiserin und Frankreich der Macht Friedrichs Grenzen zu setzen.56 Die grundsätzliche Verurteilung Friedrichs, die aus den Korrespondenzen Rouillés spricht, fand jedoch bei weitem nicht ihre Entsprechung bei den deutschen Alliierten. Übereinstimmend wußten die Diplomaten vor allem aus den rheinischen Territorien von einer offenen Parteinahme der Öffentlichkeit für Friedrich den Großen zu berichten. Im Januar 51 52 53 54 55

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Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 60-67. Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 94. Ibid. S. 94, siehe auch S. 96. Kunisch, Das Mirakel des Hauses Brandenburg, S. 93. AAE CP Autriche 277, fol. 17r-22v, Praslin an Choiseul, 8. August 1760, fol. 2l v : „Le caractère du Roy de Prusse est odieux, sa personne haissable, ses procédés révoltans"; vgl. Kapitel Β. I. 2, S. 97. AAE CP Allemagne 587, fol. 225'-229\ Rouillé an Monciel, fol. 228r; AAE CP Autriche 258, fol. 25-26', Rouillé an Ratte, 3. Juni 1757, fol. 26': „les efforts que sa Majesté propose de faire, et les mesures que vraisemblablement l'Impératrice Reine prendra, rétabliront les affaires. Il n'est pas moins de l'intérêt des Princes de l'Empire de mettre des bornes à la puissance du Roy de Prusse".

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1757 befürchtete diese propreußische Öffentlichkeit noch ein schnelles Ende des Krieges, denn man gab Preußen gegen die verbündeten französischen, österreichischen und russischen Armeen nur wenig Überlebenschancen.57 Friedrich dem Großen gelang es jedoch, durch den Appell an die konfessionelle Solidarität seine Anhängerschaft in den rheinischen Kurfürstentümern zu mobilisieren. Monteil sah im „Propagandafeldzug" des Königs eine Politik, die nur darauf abziele, „die Menschen irrezuführen, indem er sie zu überzeugen sucht, die protestantische Religion sei in Gefahr, weil das Haus Österreich Wege gefunden habe, die bedeutendsten Mächte Europas zu einer Verschwörung gegen sie zusammen zu bringen".58

Erneut berichtete Monteil im Mai 1757 von zunehmenden Spannungen zwischen Protestanten und Katholiken, die sich an den Nachrichten vom Kriegsschauplatz entzündeten59 Zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung und konfessionellen Konfrontation kam es jedoch nicht. Schon das Abstimmungsverhalten am Reichstag hatte gezeigt, daß es Friedrich dem Großen nicht gelungen war, als Protektor des Protestantismus anerkannt zu werden. Eine Konfessionalisierung des Krieges fand nicht statt, eher eine Konfessionalisierung der öffentlichen Meinung. Zuckmantel fiel auf, daß propreußische Kundgebungen des „Pöbels" („populace") der Konjunktur des Kriegsverlaufes folgten. Die Siege Friedrichs bei Rosbach und Leuthen sorgten für große Unruhe in der Pfalz. Doch Zuckmantel maß diesen Meinungsäußerungen keine große Bedeutung bei. Wie auch der Kurfürst war er der Ansicht, daß man erst dann einschreiten müsse, wenn ein gewisser Punkt überschritten werde, und selbst dann gelte es, exemplarisch sowohl einige Protestanten als auch Katholiken zu bestrafen, um auf beiden Seiten die Fanatiker in die Schranken zu verweisen.61 Man wußte also um die Brisanz der konfessionellen Frage. Aber alles, was die konfessionelle Polemik verschärfen könnte, sollte vermieden werden. Besonders Bernis wandte sich gegen Maßnahmen, die die Protestanten in die Arme Preußens treiben könnten. Indem man die Anwesenheit Preußens und seiner Verbündeter am Reichstag dulde, erhöhe man letztlich die Legitimität der Entscheidungen des Reichstags.62 Da man um Friedrichs religiöse Indifferenz wußte, konnte 57

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AAE CP Allemagne 589, fol. 189'-190v, Monciel an Rouillé, 18. Januar 1757, fol. 190": „L'opinion générale des esprits les plus prussiens en ce pays ci qui sont assés nombreux, est de dire qui si le Roy joint ses forces à celles de l'Empereur, le Roy de Prusse est perdu". AAE CP Cologne 92, fol. 435Μ4Γ, Monteil an Rouillé, 2. November 1756, fol. 435v-436r: „à séduire les peuples auxquels il veut persuader que la religion protestante est en danger à cause que la maison d'Autriche a trouvé le moyen de faire entrer les principales puissances de l'Europe dans une espèce de conjuration contre luy". AAE CP Cologne 93, fol. 297r-298v, Monteil an Rouillé, 7. Mai 1757, fol. 297r"v. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 85, Zuckmantel an Bernis, 27. Januar 1758, fol. 425r-429v, fol. 425": „II n'est que trop vrai, Monseigner, que la fermentation a considérablement augmenté chez les Protestane depuis les succès par lesquels le Roi de Prusse a terminé la campagne. Leur hardiesse à faire éclater leurs sentimens a toujours été mesuré sur la bonne ou la mauvaise fortune de ce Prince". Ibid. fol. 426v-427r: „Je me suis souvent entretenu sur cet objet avec l'Électeur et avec ses ministres; J'ai trouvé comme eux qu'il vaut mieux ignorer ces sortes de petits excès que d'irriter les esprits et j'ai conseillé à l'électeur, si les choses allaient à un certain point, de ne punir quelques Protestane qu'en envelopant dans une punition commune quelques Catholiques à qui il arrive aussi fréquemment de tenir des propos très contraires à la tranquilité générale. On contiendroit par là les fanatiques des deux partis". AAE CP Autriche 258, fol. 272r-273v, Bernis an Ratte, 17. Juli 1757, fol. 272v: „La présence du ministre de Prusse et de ses adhérens à la Diètte ne peut actuellement faire grand mal, elle paroit être au contraire une reconnaissance formelle de l'existence de la Diètte dans son intégrité et de la légitimité de ses délibérations". Vgl. auch: AAE CP Bavière 138, fol. 184'-186v, Bemis an Folard, 27. April 1758, fol. 184v-185r.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

dessen Appell an die konfessionelle Solidarität als pures Manöver zur Spaltung seiner Gegner entlarvt werden. Konfession werde von Friedrich nur als Mittel zum Zweck instrumentalisiert. Der Vertreter Mackaus am Reichstag, Humbourg, denunzierte 1762 deshalb die Scheinheiligkeit der Reichspolitik Friedrichs des Großen: „Es überrascht schon, daß sich der König von Preußen fortdauernd und mit viel Zuneigung auf den Erhalt der Reichsgesetze und des Reichssystems beruft, und daß er für sich beansprucht, der Protektor der Freiheit der Reichsstände und insbesondere der protestantischen Religion zu sein, während zugleich feststeht, daß sein Verhalten ein andauernder Verstoß gegen die allgemein anerkannten Prinzipien der Menschlichkeit, des Völkerrechts und der Reichsverfassung ist, und daß er nicht aufhört, Schrecken und unerhörte Ausschreitungen selbst in protestantischen Staaten zuzulassen". 63

Namentlich die Ausplünderung Sachsens wurde Friedrich immer wieder vorgehalten. Der Besitz des Kurfürstentums, so Praslin im August 1759, sei kriegsentscheidend nicht nur wegen seines Reichtums, sondern auch weil die Kontrolle Sachsens das preußische Magazin Magdeburg schütze. Friedrich habe gespürt, daß er ohne die Ressourcen, die er aus Sachsen ziehe, sich niemals gegen eine übermächtige Koalition hätte halten können. Dies war für Praslin eine offensichtliche Tatsache, die keiner weiteren Erläuterung bedurfte64 und die auch von der Forschung bestätigt wird.65 Nicht in Schlesien - zugleich die bestverteidigte Provinz Preußens - , sondern in Sachsen und in Berlin sei Friedrich zu besiegen: „Was nun Schlesien betrifft, dessen Rückkehr unter die Herrschaft der Kaiserin alle verbündeten Mächte wollen, so wäre es ein Irrtum, zu glauben, daß es notwendig ist, es direkt anzugreifen und tatsächlich zu erobern, um es dem Preußenkönig zu nehmen. Diese Provinz stellt den stärksten Teil seiner Territorien dar und der Weg, sie schnell und sicher zu erlangen, besteht darin, diesen Fürsten an seinen Schwachstellen zu anzugreifen: indem man in seine Länder eindringt, ihm seine Ressourcen und Mittel zum Unterhalt der Armee

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AAE CP Allemagne 622, fol. 20Γ-22Γ, Humbourg an Praslin, 30. Januar 1760, fol. 20v: „II est surprenant que le Roy de Prusse fasse toujours parade avec tant d'affection du maintien des loix et du sisteme de l'Empire, et qu'il prétende s'ériger en protecteur des libertés des États, et principalement de la religion protestante, tandis qu'il est certain que sa conduite est une infraction continuelle des principes les plus connus de l'humanité, des droits des gens et des constitutions de l'Empire, et qu'il ne cesse de commettre des horreurs et des excès inouis dans les états protestants même". AAE CP Autriche 273, fol. 67r-75v, Denkschrift Praslins vom 9. August 1759, fol. 67Γ-68Γ: „L'invasion inoiiie du Roy de Prusse en Saxe au commencement de cette guerre prouve à quel point il a senti les conséquences. Ce prince ne se seroit pas porté à un procédé si violent, si contraire au droit des gens, et si capable de soulever contre luy tout l'Empire, s'il n'avoit senti qu'il ne peut soutenir la guerre à moins d'être maître de cette partie de l'Allemagne. Il connoit sa situation et il sçait mieux que personne les secours qu'il en peut tirer militairement et (Economiquement. En effet, sans les contributions de la Saxe, les subsistances en tout genre, les chariots, les hommes même qu'il en a tirés, il n'auroit pu entretenir ses armées et sans les places et cours de l'Elbe dont il s'est rendu maître, son pays et sa capitale seroient à découvert, et il ne seroit jamais sûr de conserver sa communication entre Magdebourg et la Silésie. Enfin tout le monde sçait qu'il n'est soutenu jusqu'à présent qu'à la faveur de l'Oder et de l'Elbe, et qu'il a tiré toutes ses forces offensives et défensives de ces deux rivières. Ces vérités sont trivialles et reconnues de tout le monde, la raison les indique et l'expérience ne les a malheuresement que trop confirmées, ainsi il est superflu de s'arreter plus longtems à cette première proposition". Kroener, Materielle Grundlagen, S. 76.

I. Das Preußenbild

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wegnimmt - mit einem Wort: in Dresden und Berlin muß Schlesien zurückerobert werden".66 Praslin sollte recht behalten. Am 12. August 1759 erlitt Friedrich der Große bei Kunersdorf eine schwere Niederlage gegen die russische Armee. Zwar brach die russische und österreichische Armee ihren Vorstoß auf Berlin im Anschluß ab, doch verlor Friedrich II. am 4. September Dresden an die Reichsarmee. Damit war eine der Forderungen Praslins erfüllt. Die von ihm erhoffte Wirkung hatte die Eroberung Dresdens und die anschließende Niederlage der Preußen bei Maxen jedoch nicht.67 Friedrichs Truppen konnten nicht vollständig aus dem Kurfürstentum vertrieben werden, und dessen Ausbeutung wurde fortgesetzt. Der Vergleich des preußischen und des französischen Vorgehens bei der Erhebung von Kontributionen in okkupierten Territorien ließ Mackau in Regensburg zu dem Schluß kommen, daß die Nachwelt werde Friedrich den Beinamen „der Grausame" verleihen.68 Vor dem Hintergrund des Scheiterns der Befreiung Sachsens 1760 und der damit verbundenen fortgesetzten Ausbeutung weiter Teile des Landes durch Friedrich vermutete Mackau, daß der König im Begriff sei, eine neue Qualität der Kriegführung einzuführen, die die bislang beachteten Grenzen, die das Völkerrecht setze, aufhebe. Angesichts seiner Fähigkeit, sich immer wieder von schweren Niederlagen zu erholen, gleiche er der Hydra der griechischen Mythologie.69 Diese Äußerungen, die im folgenden noch um die Rezeption und Bewertung der großen Schlachten des Siebenjährigen Krieges und damit der Feldherrenkunst Friedrichs ergänzt werden müssen, deuten auf ein auch für die gesamte Dauer des Krieges negatives Friedrichbild der Diplomatie hin. Sein rücksichtsloses Vorgehen gegen Sachsen, seine offensichtliche Mißachtung geschriebener und ungeschriebener Gesetze des Krieges wurden einhellig verurteilt. Man erkannte die Zwänge, die hinter dieser Form von Kriegführung steckten, vermied es aber, Friedrichs Vorgehensweise zu imitieren. Das Feldherrengenie Friedrich des Großen hat bislang noch immer die Schattenseiten des Siebenjährigen Krieges überdeckt. Zehntausende von gefallenen Soldaten, die Verheerung Sachsens und von Teilen Schlesiens durch den Krieg verblassen vor der Persönlichkeit des Königs, der mit eisernem Willen eine Armee nach der anderen zusammenstellte, ihre Existenz in blutigen Schlachten auf Spiel setzte und dabei mehr als einmal verlor. Die „an Enthusiasmus grenzende Bewunderung des Feldherren Friedrich" spiegelt sich, so Stephan Skalweit, nicht zuletzt in den zahlreichen Spottversen, die in Frankreich auf die unfähigen

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AAE CP Autriche 273, fol. 75 r_v : „Quant à la Silésie que toutes les puissances alliées veulent faire rentrer sous la domination de l'Impératrice, ce serait une erreur de croire qu'il fut nécessaire de l'attaquer directement et de la conquérir réelement pour l'enlever au Roy de Prusse. Cette province est la partie la plus forte de ses États et le moyen de l'obtenir sûrement et en peu de tems, est d'attaquer ce Prince dans sa partie foible; c'est en pénétrant dans son pays, en luy ôtant toutes ses ressources et les moyens d'entretenir ses armées, en un mot c'est dans Dresde et dans Berlin qu'il faut reprendre la Silésie". Duffy, Friedrich der Große, S. 275-283. AAE CP Allemagne 611, fol. 80-82', Mackau an Choiseul, 29. Februar 1760, fol. 80v: „Quand on considère la façon d'agir des Prussiens en Saxe, l'on trouve que le traitement que sa Majesté fait subir en représailles à la régence de Hanau est bien doux, mais le titre de Louis le bien-aimé vaut mieux que celuy de Frédéric le cruel, je crois que la postérité jugera ainsi". Ibid., fol. 338'-339 r , Mackau an Choiseul, 5. November 1760, fol. 338 v : „II paroit, Monseigneur, que le Roy de Prusse veut obliger ses ennemis à la cruelle alternative, ou de partager l'horreur que ses procédés ont inspiré à tous ceux qui connoissent les bornes du droit de la guerre ou de laisser jouir impunément de ses nouveaux moyens de dévastation et d'opression qui le rendent l'hidre de la fable".

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C. Das Preußen- und Österreichbild

der französischen

Diplomatie

Generäle Ludwigs XV. verfaßt wurden.70 Doch von Bewunderung kann in den bislang ausgewerteten Berichten der Diplomaten selten die Rede. Besonders die von Friedrich II. praktizierte Kriegführung, d. h. die konsequente Ausbeutung der Ressourcen der besetzten Territorien, stieß auf strikte Ablehnung.71 Nachrichten über die Schlachten des Siebenjährigen Krieges trafen aus allen Residenzen des Reiches in Versailles ein. Darüber hinaus begleiteten noch mehrere Beobachter" die österreichische Armee und konnten aus erster Hand über die Treffen berichten. Die erste Wende des Krieges: die Schlachten von Prag und Kolin (6. Mai und 18. Juni 1757)

Im Frühsommer des Jahres 1757 waren alle Blicke in Europa auf die Ereignisse in Böhmen gerichtet.72 Friedrich hatte die Initiative ergriffen, war mit drei Armeen in Böhmen einmarschiert und hatte am 6. Mai die Österreicher vor den Toren Prags in einer blutigen Schlacht (insgesamt über 28 000 Tote und Verwundete) besiegt. Der König entschied das Treffen durch einen Angriff auf den rechten Flügel der Österreicher, der den Kontakt zur Hauptarmee verloren hatte, und konnte sich so aus einer ungünstigen Situation retten. Ratte wußte aus der Befragung von preußischen Deserteuren zu berichten, daß sich die preußische Infanterie ohne zu feuern den feindlichen Linien bis auf wenige Meter genähert und dadurch erhebliche Verluste hingenommen habe. Dieses Verhalten entsprang einer Anweisung Frieddrichs, der damit die gegnerische Linie einschüchtern wollte. Doch schwere Geschütze waren mit geschulterten Gewehren nicht zu beeindrucken.73 In Wien suchte man den Verantwortlichen der Niederlage zu bestimmen, wobei sich die Schuldzuweisungen weniger am tatsächlichen Verhalten in der Schlacht orientierten, als vielmehr am Rückhalt der Generäle am Hof.74 Die der Schlacht folgende Belagerung Prags durch die Preußen und die Ungewißheit über den Marsch der zweiten österreichischen Armee unter Marschall Daun löste geradezu eine Panik in der Hauptstadt aus. Man fürchtete eine erneute Niederlage und sah Friedrich bereits vor den Toren Wiens.75 Aus größerer Entfernung betrachtet, schien die Schlacht bei Prag noch katastrophalere Konsequenzen zu zeitigen. Zuckmantel beobachtete in Mannheim nicht nur eine vollkommene Lähmung der Gegner Friedrichs, sondern befürchtete auch den Zusammenbruch der antipreußischen Allianz: „Niemals, so wage ich zu behaupten, gab es eine schon in sich selbst so fürchterliche und so entscheidende Schlacht. Angesichts eines Fürsten vom Unternehmensgeist und der 70 71

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Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 96, Anm. 78. AAE CP Allemagne 611, fol. 332-333', Mackau an Choiseul, 30. Oktober 1760, fol. 332": „Les nouvelles de la Saxe sont affligéantes pour ce pauvre pays. Le Roy de Prusse y rentrant a exigé les contributions les plus excessives sous la menace de mettre tout à feu et au sang". Zur Kampagne in Böhmen vgl.: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 286-311, 331-369; Duffy, Friedrich der Große, S. 162-194. AAE CP Autriche 257, fol. 248-250", Ratte an Rouillé, fol. 248"; Duffy, Friedrich der Große, S. 171, 175. AAE CP Autriche 257, fol. 2 5 4 - 2 6 Γ , Ratte an Rouillé, fol. 256 v -257 r ; Duffy, Friedrich der Große, S. 175. AAE CP Autriche 257, fol. 260': „Malgré célà la consternation est icy générale. On débite, que le Roy de Prusse a laissé un corps de troupes devant Prague, et qu'il s'avance à la tête du reste pour poursuivre M. le Maréchal de Daun, dont il est n'est plus éloigné que de deux marches. Si sa Majesté prussienne bat ce général rien n'empechera les Prussiens de venir icy". Ibid. fol. 324'-327', Ratte an Rouillé, 1. Juni 1757, fol. 326': „La terreur avoit été si forte icy après la bataille de Prague du 6 May qu'on avait déjà pris des mesures pour faire aller la cour à Gratz".

I. Das

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Schnelligkeit des Königs von Preußen furchte ich, daß es niemals eine gab, die so fürchterliche Konsequenzen nach sich zog und ziehen wird. Der Einfall des Königs von Preußen in Böhmen hat den Feldzugsplan der Österreicher zunichte gemacht. Das unumkehrbare Ereignis des 6. Mai scheint mit einem Schlag das System umzustürzen, mit dem b i s l a n g die Verbündeten gearbeitet haben. Es gehört nicht viel dazu, Monseigneur, sich die äußerste Verwirrung und das Durcheinander vorzustellen, die diese beängstigende Nachricht im Reich auslösen wird". 76 A u ß e n m i n i s t e r R o u i l l é w i e s h i n g e g e n z u R e c h t a u f d i e s c h w e r e n V e r l u s t e der P r e u ß e n h i n , lobte a u s d r ü c k l i c h d i e K a m p f k r a f t der österreichischen A r m e e u n d s a h d i e L a g e b e i w e i t e m n i c h t s o p e s s i m i s t i s c h w i e Z u c k m a n t e l . 7 7 R o u i l l é betrachtete a l s d r i n g l i c h s t e A u f g a b e i n d i e s e m M o m e n t d a s V o r a n t r e i b e n der B e w a f f n u n g d e s R e i c h e s . R o u i l l é s o l l t e R e c h t b e h a l t e n . G u t e i n e n M o n a t n a c h der S c h l a c h t v o n Prag lieferten s i c h d i e G e g n e r b e i K o l i n erneut e i n e n b l u t i g e n K a m p f , der für Friedrich m i t einer katastrophalen N i e d e r l a g e endete. 7 8 D a m i t w a r s e i n N i m b u s der U n b e s i e g b a r k e i t g e b r o c h e n , e i n Jubelsturm e r h o b sich. D i e s e r S i e g w a r g e n a u d a s S i g n a l , a u f d a s das R e i c h g e w a r t e t hatte: „Diese Nachricht wird die Geister im Reich aufmuntern, w o es niemanden gibt, der n i c h t seine A u g e n auf Prag gerichtet hätte. Die Befreiimg dieser Stadt wird mehr als alles andere die Handlungen und Schnelligkeit der B e w e g u n g e n der Reichskreise beeinflussen, und es besteht Anlaß, zu glauben, daß die Angelegenheiten von jetzt an zielgerichteter und v o n einheitlicherer und sichererer B e w e g u n g vorangehen werden". 79 In W i e n , w o m i t t l e r w e i l e Graf B r o g l i e e i n g e t r o f f e n war 8 0 , herrschte unbeschreibbare Freude über d i e s e n E r f o l g . Ratte u n d B r o g l i e w u ß t e n z u berichten, d a ß s i c h d i e p r e u ß i s c h e A r m e e a u f d e m u n g e o r d n e t e n R ü c k z u g aus B ö h m e n b e f i n d e . 8 1 Z u m Jahr d e s T r i u m p h e s der A l l i i e r -

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AAECP Palatinat Deux-Ponts 85, fol. 27 r -28 v , Zuckmantel an Rouillé, 17. Mai 1757, fol. 27 v -28 r : „Jamais j'ose dire, il n'y a eu d'action aussi terrible par elle-même et aussi décisive; et vis-à-vis d'un Prince de l'activité et de la vélocité du Roi de Prusse, je tremble qu'il n'y en ait jamais eu, qui ait entraînée des suites aussi funestes que celle-ci peut en avoir. L'irruption du Roi de Prusse en Bohême, n'avoit fait que déconcerter le plan de la campagne des autrichiens; l'événement incouvrable du 6 May semble renverser d'un seul coup, tout le système sur lequel les puissances alliées ont travaillé jusqu'à present. Il n'est que trop facile, Monseigneur, de se représenter la confusion extreme et la consternation, que cette affligeante nouvelle va répandre dans l'Empire". Ibid. fol. 73 r -76 r , Rouillé an Zuckmantel, 3. Mai 1757, fol. 75 r : „Je vous suis tres obligé, Monsieur, de l'attention que vous avez bien voulu avoir de me faire pour les nouvelles que vous avez reçeus de la bataille du 6 de ce mois, nous espérons que le courage de l'Électeur ne sera point abbatta par le mauvais succès de cette journée. La valeur avec laquelle les troupes autrichiennes ont combattu et la perte que le Roy de Prusse a soufferte malgré la grande supériorité du nombre de ses troupes font voir évidemment que dès que l'on aura réuni les mesures qui se prennent de toutes parts contre luy, sa position ne sera rien moins que favorable". Detaillierte Beschreibung der Schlacht von Kolin bei: Duffy, Friedrich der Große, S. 182-189. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 85, fol. 133-137', Zuckmantel an Rouillé, 25. Juni 1757, fol. 133 v -134 r : „Cette nouvelle raffermira les esprits de l'Empire, où n'est personne, qui n'eût les yeux sur Prague. La délivrance de cette ville influera plus que toute autre chose sur l'activité et la célérité des mouvemens de Cercles, et il y a lieu de croire que les choses iront dorénavant plus de suite et d'un mouvement plus uniforme et plus assuré". Vgl. unten C. II. 2, S. 249-252. AAE CP Autriche 258, fol. 158-161', Ratte an Rouillé, 22. Juni 1757, fol. 158v: „II n'est pas possible, Monseigneur, de pouvoir asséz vous exprimer la joye qui règne à la cour et parmi le peuple au sujet de la bataille, que M. le Maréchal de Daun a remporté le 18 de ce mois sur le prussiens". Ibid. fol. 155'-156 r , Bro-

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

ten entwickelte sich 1757 jedoch nicht. Zwar gelang es den Franzosen, im Sommer Hannover zu erobern und die Armee des Herzogs von Cumberland bei Hastenbeck zu schlagen (25. und 26. Juli), doch auch die anschließende Kapitulation Cumberlands bei Kloster Zeven ebnete nicht den Weg zur Kapitulation Friedrichs. Dem König gelang es, seine versprengten Truppen zu sammeln und sich erneut gegen seine Gegner zu stellen. Die Schlachten von Rosbach und Leuthen bedeuteten eine weitere Wende des Krieges. Aus einer Position der Schwäche, dessen war man überzeugt, würde der Preußenkönig keine Verhandlungen einleiten. Der Frieden war gegen Ende 1757 in weite Ferne gerückt. Rosbach und Leuthen (5. November und 5. Dezember 1757) Im Juni 1757 erhielten die französischen Diplomaten die Nachricht, daß Außenminister Rouillé durch Abbé Bernis abgelöst worden sei. Damit hatte Bernis nun auch offiziell die Autorität, die er seit Abschluß des Versailler Vertrages beansprucht hatte.82 Zum Zeitpunkt von Bernis' Amtsantritt befand sich der Preußenkönig in einer äußerst kritischen Lage und wurde sowohl vom Westen, durch den Vormarsch der Armee Soubises und der Reichsarmee, als auch im Osten, durch den weitgehenden Verlust Schlesiens, bedroht. Nun sah die französische Diplomatie die preußischen Kernlande von einer ähnlichen Furcht ergriffen, wie sie nach den Siegen Friedrichs im Mai in allen Teilen des Reiches zu beobachten war. Wie zuvor in Wien, herrschte jetzt in Berlin Panik vor der anrückenden österreichischen Armee.83 Am 16. Oktober besetzte dann tatsächlich eine österreichische Kavallerieeinheit für wenige Tage Berlin.84 In Thüringen standen sich bereits die preußische Armee und die zahlenmäßig weit überlegene Armee der Alliierten gegenüber und versuchten, sich gegenseitig auszumanövrieren. Am 5. November kam es dann zur für die Franzosen so blamablen Schlacht bei Rosbach. Friedrich dem Großen gelang es, seine Gegner zu überrumpeln und binnen kurzem in die Flucht zu schlagen.85 Über die Konsequenzen der Schlacht war sich der unterlegene Feldherr Soubise im klaren. Die Niederlage bedeutete das Ende aller Hoffnungen auf eine Fortsetzung der Offensive. Man war vor allem damit beschäftigt, die aufgelöste Armee wieder zu sammeln und zu disziplinieren.86 Friedrich hingegen wußte seinen Erfolg propagandistisch zu nutzen und fachte, wie Choiseul aus Wien schrieb, die konfessionellen Spannungen weiter an. Daß der Preußenkönig zudem die französischen Soldaten verhöhnte, die

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glie an Rouillé, 22. Juni 1757; ibid. fol. 172-174', Ratte an Rouillé, 24. Juni 1757; ibid. fol. 306-309', Ratte an Bernis, 23. Juli 1757, bes. fol. 307v-308'. Vgl. den lettre circulaire mit der Nominierung Bernis' vom 27. Juni 1757, AAE CP Autriche 258, fol. 186'"v. AAE CP PalatinatDeux-Ponts 85, fol. 310-311', Zuckmantel an Bernis, 14. Oktober 1757, fol. 311': „la consternation est extrême à Berlin, et [...] les habitans réfugient ailleurs ce qu'ils ont de plus précieux; un grand nombre abandonne la ville, où on s'attend à tout moment de voir arriver les autrichiens ou les françois. La Reine de Prusse qui devoit se retirer à Custrin, n'y a point été parce qu'il regne dans cette forteresse une maladie épidémique, qui emporte beaucoup de monde". Vgl. die Ankündigung in: AAE CP Autriche 259, fol. 383'-384v, Choiseul an Bemis, 15. Oktober 1757, fol. 383v; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 606-608; Duffy, Friedrich der Große, S. 200, für die Ereignisse des Herbstes 1757 siehe: ibid. S. 194-223. Einzelheiten bei: Duffy, Friedrich der Große, S. 200-209; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 609-642. Die Schlacht, heißt es in einem .Journal de la campagne de 1757", in: AAE MD France 1347, fol. 162'-186v, fol. 178v, sei „la honte des François" und zugleich la gloire des Prussiens". Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 111.

I. Das Preußenbild

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sich bei der ersten Salve zur Flucht gewendet hätten, bedürfe, so Choiseul, keines weiteren Kommentars.87 Weiter berichtete Choiseul vom allgemeinen Unbehagen, den das Eintreffen der Nachricht verursacht habe. Der Botschafter nahm sofort Verhandlungen mit Kaunitz auf, um die österreichischen Feldzugspläne auf die neue Situation abzustimmen. Man plante, sich in Sachsen festzusetzen und Winterquartiere dort zu beziehen.88 Doch vorerst setzte die österreichische Armee ihren Siegeszug durch Schlesien fort und eroberte nach der „Schlüsselfestung" Schweidnitz (C. Duffy) auch die Hauptstadt Breslau, während Friedrich sich in Eilmärschen auf die österreichische Hauptarmee näherte. Damit tat er genau das Gegenteil dessen, was Bernis vermutete, nämlich die versprengte französische Armee zu verfolgen.89 Am 5. Dezember, einen Monat nach Rosbach, erlebte der König den ,,glorreichste[n] Tag [seiner] militärischen Laufbahn". Erneut zahlenmäßig weit unterlegen, fügte er den Österreichern eine katastrophale Niederlage zu und schuf damit die Voraussetzungen fur die Rückeroberung Schlesiens. 0 Da Choiseul am 12. Dezember noch keine eindeutigen Nachrichten über den Verlauf und das Ausmaß der Niederlage hatte und dementsprechend nur von einem leichten Rückschlag sprach91, stellte sich erst nach und nach das ganze Ausmaß der Katastrophe heraus. Als eine der Ursachen sah Choiseul die grundsätzliche Inferiorität der österreichischen Generalität gegenüber der preußischen wie auch gegenüber der Feldherrenkunst des Königs. Aus diesem Grunde sei die Überlegung Kaunitz', den Krieg in Schlesien auch im Winter fortzuführen, unrealistisch.92 Angesichts der Fixierung Wiens auf die Eroberung Schlesiens sei im folgenden Jahr nur mit „ideeller" Unterstützung für die eigenen Feldzugspläne zu rechnen. Gegen die allgemeine Niedergeschlagenheit, die sich in Wien und 87

AAE CP Autriche 260, fol. 147'-153v, Choiseul an Bernis, 19. November 1757, fol. 149v-151r: „Le Roi de Prusse [...] a fait proclamer sa victoire par des ministres protestane dans les villes de Saxe qui ont joint au récit de cette nouvelle au peuple et aux trouppes un discours tendant à prouver que Dieu montrait évidemment par les effets que la cause de leur religion étoit la bonne cause. Il a écrit un billet après la bataille à M. de Plotho où il n'y avoit que ces mots: ,l'année soi-disant combinée de l'Empire et de France a eu d'air de vouloir m'attaquer le 5 de ce mois. Elle ne m'a pas fait cet honneur s'étant enfuie sans que je la pus joindre dès la première déchargé de mes troupes'. Il est inutile que je fasse des réflexions sur ces faites, elles doivent être les mêmes dans tous les cœurs françois". 88 AAE CP Autriche 260, fol. 96 r -98 v , Choiseul an Bernis, 13. November 1757. 89 Ibid. fol. 11Γ-114', Bernis an Choiseul, 14. November 1757, fol. 113v: „Cette bataille [Rosbach] perdue sera du moins utile aux réparations de la Silésie parce qu'il y a apparence que le Roi de Prusse aimera mieux nous poursuivre que d'aller joindre M. de Bevern". 90 Zur Schlacht von Leuthen siehe: Duffy, Friedrich der Große, S. 213-223, Zitat S. 213; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 696-727; über die Eroberung Breslaus berichtete Choiseul in zwei Depeschen vom 26. und 28. November 1757, AAE CP Autriche 260, fol. 187Γ-188Γ, 194'-198ν; Choiseul hatte im übrigen die Zahl der preußischen Truppen weit höher eingeschätzt, als sie es tatsächlich waren, ibid. fol. 243'-245r, Choiseul an Paulmy, 8. Dezember 1757, fol. 243'. Eine zeitgenössische Beschreibung der Schlacht im „Journal de la campagne de 1757", AAE MD France 1347, fol. 162'-186v, fol. " AAE CP Autriche 260, fol. 252'-257v, Choiseul an Bernis, 12. Dezember 1757, fol. 254': „La bataille du 5 de ce mois est un malheur leger en comparaison de ce qu'il y avoit à craindre". 92 Ibid. fol. 255v: „Ce plan, Monsieur, est une illusion que se fait ce ministre [Kaunitz] par la présomption singulière qu'il a d'avoir les talents nécessaires pour diriger les projets de guerre, mais dans la réalité les moyens n'existent point icy. L'armée qui est en Silésie est la seule qu'ait l'Impératrice; les généraux qui la conduisent ne me paraissent pas avoir les talents de ceux du Roy de Prusse et encore moins ceux de sa Majesté prussienne. Les troupes autrichiennes, qui sont bonnes, ne sont cependant assurées que lorsque le nombre de leur côté est infiniment supérieur à celui des Prussiens". 93 Ibid. fol. 255 v -256': „Ainsi, si l'Impératrice fait la guerre en Silésie, qu'elle la fasse heureusement ou malheureusement, il faut, de notre part, compter que nous n'avons que de secours idéal de la part de son

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen

Diplomatie

am Hof ausbreitete, versuchte Choiseul anzukämpfen, indem er seine Gesprächspartner ermunterte, sich nicht durch die Vergangenheit den Blick auf die Gegenwart verstellen zu lassen.94 Der Schock, den diese unmittelbar aufeinanderfolgenden Niederlagen auslösten, wurde verstärkt durch die auf Rosbach folgende Annullierung der Konvention von Kloster Zeven durch die Engländer. Die durch die Erfolge des Sommers und Herbsts zum Schweigen gebrachten Anhänger Preußens im Reich - insbesondere in der Bevölkerung - begannen sich wieder zu regen. 5 England-Hannover setzte den Krieg auf dem Kontinent an der Seite Preußens fort. Der von Friedrich abkommandierte Prinz Ferdinand von Braunschweig sollte von nun an mit einer relativ kleinen, aber schlagkräftigen Armee die Franzosen in Nord- und Westdeutschland binden und entlastete damit für die Dauer des Krieges den Preußenkönig von der Bedrohung seiner Kernlande aus Westen. Frustriert beklagte Bernis das Ungleichgewicht zwischen dem Feldherrengenie Friedrichs II. und der Mediokrität der französischen Generalität.96 Beim Abbé bewirkten die beiden Niederlagen die Aufgabe aller Hoffnungen, den Preußenkönig militärisch zu bezwingen.97 Doch die eigentlichen Konsequenzen von Rosbach betrafen eher die Ebene des Imaginären. Die Niederlage löste die Produktion einer Flut von antifranzösischen Spottversen, Liedern und Flugschriften aus, in denen Soubise lächerlich gemacht und Friedrich der Große verherrlicht wurde.98 Belle-Isle erfaßte genau dies, als er an Choiseul schrieb, daß die tatsächlichen Verluste in keinem Verhältnis zu dem Schaden stünden, den das französische Ansehen genommen habe:

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armée, et mon devoir est de vous prévenir, Monsieur, qu'il est nécessaire que le plan de campagne des armées du Roy pour l'année prochaine soit fait sur ce tableau". AAE CP Autriche 260, fol. 301r-304v, Choiseul an Bernis, 20. Dezember 1757, fol. 301': „Les suites de la bataille du 5 ont été plus funestes pour la déstruction de l'armée impériale que l'on n'avoit imaginé d'abord. Plus cette cour est instruite des détails, plus elle connoit ses pertes et les fautes que l'on a faites", fol. 303r: „J'ai dû aussi vous informer de l'abattement où est cette cour du dernier échec qu'elle a essuyé. Ceux qui ont conseillé, malgré tout ce que l'on a pu représenter, l'entreprise de Silésie, sentent les reproches qu'ils ont à se défaire, mais je me garde bien d'aller en récriminant, et tout mon but est que sans songer au passé l'on travaille au présent". Versailles hatte die Feldzugspläne gegen Schlesien von Anfang an abgelehnt, Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 728. AAE CP Palatinat Deux-Ponts 85, fol. 346r-349v, Zuckmantel an Bernis, 24. November 1757, fol. 346v: „Tout est rempli du bruit que les Hanovriens, les Hessois et les autres alliés cherchoient à rompre la convention de Closterseven. On cite même des faits qui prouveroient qu'ils sont actuellement en mouvement pour passer les limites qui leur ont été tracés. Cette nouvelle quoiqu'encore peu assuré, jette tous les esprits en Allemagne dans une grande agitation. Les Protestants recommencent à lever la tête et la malheureuse affaire, qui s'est passé le 5 près de Weißenfels leur rend une hardiesse, que les mauvais succès du Roy de Prusse avoit beaucoup abaissée. On ne peut exprimer les mauvais effets que produit dans l'Empire une déroute aussi incroyable, et le tort qui enresulte pour la réputation des armes du Roy". AAE CP Autriche 261, fol. 5 r -10 r , Bernis an Choiseul, 6. Januar 1758, fol. T : „une guerre entreprise contre le Roi de Prusse qui sans contredit, est le plus grand capitaine de notre siècle, le génie le plus actif et plus entreprenant, et qui aux talens de la guerre, joints les principes d'une excellente administration, d'une discipline exacte et d'une vigilance qui ne s'endort jamais, qui a les meilleurs troupes de l'Europe et la méthode la plus sûre et la plus prompte de les recruter et de les former, une guerre pareille mérite certainement d'être dirigée par de bons généraux et par un conseil composé des militaires éclairés et expérimentés". AAE CP Autriche 261, fol. 118-124', Bernis an Choiseul, 19. Januar 1758; auch in: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 117-120; AAE CP Autriche 263, fol. 179'-180v, Choiseul an Bemis, 17. März 1758. Vgl. etwa die Kommentare in Archenholtz' Geschichte des Siebenjährigen Krieges, vgl.: Kunisch, Aufklärung und Kriegserfahrung, S. 115-117.

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„Das Unglück ist groß: durch den Verlust an Reputation, durch den Einfluß, den dieses Ereignis auf unsere Verbündeten wie auf unsere Feinde ausüben wird, durch die unzählbaren Vorteile, die der König von Preußen daraus ziehen wird, und durch die Hilfe, die er dem englischen Kabinett zum Sitzungsbeginn seines Parlamentes verschafft".99

Die Schädigung des französischen Ansehens beobachtete auch Zuckmantel in der Pfalz. Nicht nur daß erhebliche Zweifel an der Kampfkraft der französischen Truppen herrschten, so berichtete er, jetzt leide das Ansehen der Franzosen dadurch, daß eine Vielzahl von Offizieren ihre Einheiten verließen, um den Winter in der Heimat zu verbringen. Dieses Verhalten fordere spöttische Bemerkungen der Deutschen geradezu heraus, die fragten, ob die Franzosen daran gewöhnt seien, ohne Offiziere ins Feld zu ziehen.100 Den negativen Eindruck, den die französische Generalität hinterließ, beklagte auch Choiseul - es sei eine Schande, daß die eigene Armee zum Rückzug gezwungen werde, weil sie aufgrund der zu großen Equipagen ihrer Generäle nicht über genügend Lebensmittel verfüge. Die Quittung für das Mißlingen der Aufrechterhaltung der Disziplin in der Interventionsarmee sollte Frankreich dann im folgenden Jahr erhalten. Nahezu kampflos verlor man Hannover und mußte sich bis über den Rhein zurückziehen. Die Disziplinlosigkeit, die letztlich bis in die obersten Ränge reichte, erleichterte den Gegnern die Mobilisierung ihrer Kräfte. Zwar bemühten sich die französischen Kommandeure, gegen die Exzesse der eigenen Truppen im Reich vorzugehen, doch wurden diese Anstrengungen nicht wahrgenommen. Schon in der Schlacht von Rosbach soll bei den preußischen Soldaten ein solch unerbittlicher Haß auf die Franzosen beobachtet worden sein, daß „die Officiers alle Mühe hatten, den gemeinen Mann dazu zu bringen, daß er Pardon gab".102 Während die französischen Generäle bemüht waren, ihre Truppen überhaupt zusammenzuhalten, riefen ihre Gegner zur Verteidigung des Vaterlandes auf: „Die sich derzeit in Stade aufhaltende Regierung von Hannover hat eine Verordnung veröffentlicht, in der es heißt, daß es sich nicht um einen der üblichen Kriege handele, sondern darum, daß das Heil des Vaterlandes auf dem Spiel stehe und daher der Feind, der den Großteil des Landes besetzt habe, vertrieben werden müsse".103

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Belle-Isle an Choiseul, 29. November 1757, in: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 113-116, S. 115: „Le mal est grand par la perte de la réputation, par l'influence que cet événement doit avoir sur nos alliés et sur nos ennemis, par les avantages infinis qu'en sçaura tirer le Roi de Prusse, et par les ressources qu'il procurera au ministère anglais, à la rentrée de leur Parlement". AAECP Palatinat Deux-Ponts 85, fol. 357-360", Zuckmantel an Bernis, 6. Dezember 1757, fol. 359': „Une des choses qui fait encore le plus mauvais effet, c'est la quantité des officiers de toute grade, qui retournent en France, tandis que M' le Maréchal de Richelieu assemble son armée, et l'on demande ici froidement si nous sommes dans l'usage de marcher à l'ennemi et de combattre sans officiers". Zum Verhalten der französischen Offiziere vgl.: Bérenger, Meyer, La France dans le monde, S. 101. AAE CP Autriche 261, fol. 204-215', Choiseul an Bernis, 29. Januar 1758, fol. 21 l'~v: „Quant aux officiers généraux, il y a à leur répondre pour leurs immenses équipages que le Roy de Prusse n'a que 6 mulets et 8 chevaux pour tout équipage, et qu'il sera aussi déshonorant pour la nation de voir une armée françoise rétrograder derrière le Rhin par défaut de subsistances, à cause des grandes équipages de messieurs les officiers généraux qu'il est glorieux au Roy de Prusse de faire la guerre avec 6 mulets". Zitiert nach: Duffy, Friedrich der Große, S. 208. AAE CP Hambourg 81, fol. 39'^t2 v , Champeara an Bemis, 6. Februar 1758, fol. 39': „La régence d'Hannovre actuellement à Stade vient de publier une ordonnance. Elle porte que ne s'agissant point d'un cas de guerre ordinaire, mais du salut de la patrie, de repousser l'ennemie qui a envahi la plus grande partie du pays".

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Bis zu einem gewissen Grad spiegeln die französischen Berichte somit jenes erste Aufleben eines frankophoben Nationalismus, der in einer Flut von Publikationen der Jahre 1757 und 1758 sichtbar wird.104 In der Unfähigkeit der französischen Regierung und Armeeführung, den Kampfeswillen der eigenen Bevölkerung und der Soldaten zu mobilisieren, lag wohl auch einer der Hauptgründe für die letztlich katastrophale Bilanz sowohl des Feldzuges von 1757 als auch der militärischen Aktivitäten der folgenden Jahre. Darüber konnten auch Siege der Franzosen über die Armee Prinz Ferdinands nicht hinwegtäuschen. Die Kampagne von 1757 endete im Grunde damit, daß alle Gegner wieder in ihre Ausgangsstellungen zurückkehrten. Jeder hatte eindrucksvolle Siege vorzuweisen - aber auch genauso eindrucksvolle Niederlagen. Verhandlungsbereitschaft bestand am ehesten auf der Seite Friedrichs, der sich seiner noch immer höchst gefährlichen Situation sehr bewußt war. Der Krieg sollte von nun an nach einem gleichen „Operationsschema" verlaufen. Prinz Ferdinand von Braunschweig verteidigte die westliche Flanke, während im Osten Friedrich mit seiner Armee von Schlacht zu Schlacht eilte, um die Angriffe der Österreicher und der Russen abzuwehren und dabei mehrfach an den Rand des Zusammenbruchs gebracht wurde.105 In diesem Ringen war Versailles nur parteiischer Beobachter. Der Abnutzungskrieg: von Krefeld über Kunersdorf nach Hubertusburg Der Siebenjährige Krieg entwickelte sich seit 1758 in Europa immer mehr zu einem Abnutzungskrieg. Die Kriegsgegner lieferten sich von 1758 bis 1762 eine Reihe von blutigen Schlachten, aus denen sowohl die Koalition als auch der Preußenkönig mehrfach siegreich hervorgingen. Aber weder Friedrich noch seine Gegner konnten aus ihren Siegen politische Vorteile ziehen. Die Diskussionen über einen Friedensschluß verstummten selten, und eine Zeitlang wurde die Einrichtung eines allgemeinen Friedenskongresses in Augsburg diskutiert. Doch der Kriegseintritt Spaniens 1762 (3. pacte de famille 1761) ließ in Frankreich noch einmal die Hoffnung auf die Rückgewinnung der zuvor an die Briten verlorenen Gebiete aufkeimen. Letztlich ebneten aber die britisch-französischen Verhandlungen, die im November und Dezember 1762 abgeschlossen wurden, durch die gegenseitigen Zusagen der Evakuierung und Demilitarisierung West- und Norddeutschlands auch den Weg zum Frieden von Hubertusburg. Doch davon war man im Frühjahr 1758 noch weit entfernt. Im Westen des Reiches riß die Serie der Rückschläge der Franzosen nicht ab.106 Der neuernannte Kommandeur der Armee, Graf von Clermont, schaffte es nicht, die Truppen zu reorganisieren, und wurde von Prinz Ferdinand aus Hannover bis über den Rhein vertrieben. Die erneute französische Niederlage bei Krefeld am 23. Juni 1758 bedeutete den Tiefpunkt der Entwicklung, die in Rosbach begonnen hatte. Einen weiteren Vorstoß der Armee Ferdinands, der bis nach Brüssel hätte vordringen können, konnten die Franzosen durch geschicktes Manövrieren und durch die Bedrohung der Flanke Ferdinands durch die Armee Soubises in Hessen abwehren. Am Ende der Kampagne hatten die Franzosen die Rheinübergänge wieder unter Kontrolle - das rechte Ufer des Rheins und insbesondere Braunschweig, Hannover und Hessen-Kassel blie-

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Zahlreiche Beispiele bei: Blitz, Frühe Konstruktionen. Duffy, Friedrich der Große, S. 224. Vgl.: Braubach, Politik und Kriegführung am Niederrhein, S. 490-508; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 2, S. 1-193; Petter, Zur Kriegskunst im Zeitalter Friedrichs des Großen, S. 245-247.

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ben jedoch verloren. „Friedrichs Westflanke, die er im Vorjahr bei Rosbach selbst hatte verteidigen müssen", blieb damit auf Dauer gesichert.107 Parallel zu dieser Serie von Mißerfolgen des Sommers 1758 verlor auch der Abbé Bernis immer das Vertrauen Ludwigs XV. Zu seiner Ablösung trug im erheblichen Maße sein lähmend wirkender Pessimismus bei, denn er erwies sich als unfähig, auf die militärischen Rückschläge wie auf die innenpolitischen Krisen zu reagieren.108 Am Vorabend der Schlacht von Krefeld antizipierte Bernis bereits die Niederlage Clermonts und beschwor die verheerendsten Konsequenzen herauf, falls sich seine Befürchtungen bewahrheiten würden. Ein erneuter Rückschlag für die französische Armee werde Friedrich zum „maître despotique de l'Allemagne" befördern.109 Bernis rechnete mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Niederlande an der Seite der Gegner und sah Frankreich, da es weit hinter den Rhein zurückgeworfen worden war, nicht in der Lage, wie versprochen der Kaiserin durch die Entsendung der Armee Soubise zur Hilfe zu eilen. Angesichts der drohenden Niederlage räumte er den Anstrengungen, eine Vormachtstellung Preußens im Reich zu verhindern, oberste Priorität ein. Frankreich könne in dieser Situation nicht seine Grenzen entblößen und eine Armee auf den ungewissen Marsch in Richtung Böhmen und Sachsen schicken.110 Hier ist deutlich zu sehen, daß Bernis das Reich vor allem von Westen her betrachtete. Es bestand für ihn aus den von starker territorialer Zersplitterung geprägten Teilen Nord-, West- und Mitteldeutschlands, während Böhmen, Schlesien und Brandenburg-(Preußen), obwohl ebenfalls zum Reich gehörend, eine andere Qualität aufwiesen. In der Reaktion auf die Kriegsereignisse offenbarte sich ein Gespür für die Diversität des Reiches und besonders für die Bedeutung des „reichischen Reiches" sowie für die Machtbalance in Europa. An der Allianz mit Wien hielt Bernis unbeirrt fest, wenngleich er feststellte, daß, falls es nicht bald zu einem Friedensschluß käme, Friedrich II. versuchen werde, das gegen ihn gerichtete Bündnis zu sprengen. Bernis plädierte daher für einen baldigen Frieden, um sich dann, unter Beibehaltung der österreichischen Allianz, zu neuer Stärke zu erheben.111

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Petter, Zur Kriegskunst im Zeitalter Friedrichs des Großen, S. 247. Vgl. im einzelnen Kapitel C II 3. AAE CP Autriche 264, fol. 309 Γ -313 ν , Bemis an Choiseul, 22. Juni 1758, fol. 309 v ; Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 128; Bernis, Mémoires, ed. Masson, Bd. 2, S. 242-246. AAE CP Autriche 264, fol. 310 r-v : „Dans cette position, je suis trop bon serviteur du Roy pour lui conseiller de découvrir l'Alsace, d'abandonner totalement l'Allemagne et nos frontières, pour envoyer en Bohême une armée, qui n'arrivera qu'au mois de septembre, lorsque tout sera décidé en bien ou en mal pour nos alliéz. Le public, avec raison, murmure sur une marche si inconsidérée, il seroit bien plus naturel et plus raisonnable que l'armée, ainsi qu'il a été proposé au Roi par un mémoire [...], se portât sur Dusseldorf ou dans la Hesse pour opérer une puissante diversion. Si l'empire tombe aux mains du Roy de Prusse, les deux Monarchies courent le plus grand risque". Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 129. AAE CP Autriche 264, fol. 312 r : „Plus vous êtes attaché à l'union formée par le goût du Roy avec l'Impératrice, plus vous devez la déprévenir du faux sistême de tout abîmer par vaine gloire. Dans quelques années d'ici, nous serons plus à craindre en restant unis, que nous le sommes aujourd'hui, en nous conduisant comme nous le faisons depuis un an. Lorsque le Roi de Prusse aura de certains avantages, il exigera la rupture de l'alliance. Et qui l'empêchera d'y réussir? Levez le bandeau de l'orgueil; faites comprendre qu'il vaut mieux exister, quand on est une grande puissance, que d'être détruit. On se relève de sa foiblesse, on profite de ses fautes, on se gouverne mieux; le Roy de Prusse a donné à tous les gouvernements une belle leçon, seul contre tous. Louis XIV a fait autant. Tout Prince qui aura des armées et qui saura les conduire résistera à toutes les ligues". Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 130.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen

Diplomatie

Unter dem Eindruck der Nachrichten von der Schlacht bei Zorndorf (25. August 1758), in der sich Preußen und Russen auf das erbittertste bekämpft hatten112, erneuerte Bernis die Forderung nach einem baldigen Frieden. Er sah Frankreich in seinen Grundfesten erschüttert und warnte vor der Fortsetzung des Krieges im Reich, durch den das Königreich sogar auf den Status einer zweit- oder drittklassigen Macht zurückgeworfen werden könnte.1 Man sei, so Bernis weiter, letztlich gezwungen, Frieden zu schließen: „Seit einem Jahr, Monsieur, habe ich meine Überzeugungen nicht verändert. Aus vielen Gründen habe ich die Notwendigkeit des Friedensschlusses vorausgesehen: aufgrund des Zustandes unserer Marine und unserer Kolonien, aufgrund den überlegenen mitlitärischen Talenten des Königs von Preußen sowie der Schwäche und der mangelnden Abstimmung unter den Verbündeten, schließlich aufgrund des Mangels an Geld, der alle noch so gut vorbereiteten Vorhaben scheitern läßt".114

Der Friede sei um so mehr unbedingt notwendig, als sich die Reichsstände extrem opportunistisch verhielten und nach jeder Niederlage näher an Preußen heranrückten.115 Es bestand

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Vgl. AAE Autriche 266, fol. 31'-37v, Choiseul an Bernis, fol. 3Γ-32': „Le carnage et l'animosité entre les deux nations ont été des plus violents; il y avoit le 26, en moins de 30. mille hommes d'étendu sur le champs de bataille. Les Russes ont eu cinq généraux pris et 13 ou 16 tués ou blessés, ils n'ont pas autant de prisonniers, parce que les Cosaques et Calmuckes les ont tués à mesure que les troupes réglées les faisoient. Il en est arrivé de même pour les déserteurs; on n'a pu en conserver qu'un millier, les Cosaques ayant tués les autres. Les Prussiens, de leur côté, ont fait des cruatés dont se plaignent les Russes et nommément sur le général en chef Braun, à qui un officier prussien a fendu la tête craignant de ne pouvoir le conserver prisonnier". Duffy, Friedrich der Große, S. 232-243, 243: „An den darauffolgenden Tagen [...] erinnerte das Schlachtfeld, das mit seinen Überbleibseln an Gefallenen und Material den vermutlich erschütterndsten Anblick des Siebenjährigen Krieges bot, an das blutige Gemetzel an diesem 25. August". 113 AAE CP Autriche 266, fol. 56'-65r, Bernis an Choiseul, 16. September 1758, fol. 56v-57v: „les Russes sont hors de combat, les Suédois privés de toute diversion de leur part, ne feront pas plus l'année prochaine que celle-cy. Nous n'opérons pas d'avantage nous-mêmes, et nous risquerons de plus, de perdre toutes nos colonies, et de mettre dans l'intérieur du royaume un désordre dont il n'est pas aisé de prévoir toutes les conséquences, et qu'il est bien plus sage de prevenir par la paix. Le Roi qui a des enfans et des peuples se doit entier à la conservation de son royaume dont les fondements sont ébranlés de toutes les parts, à quoi bon risquer la perte de l'alliance en détruisant toutes les forces de la France et l'exposant à recevoir la loi des événemens qui se sont déclarés contre nous. [...] Une paix separée entre le Roi de Prusse et la cour de Vienne et les alliés nous laissera peut être en guerre avec l'Angleterre; mais quand nous n'aurons que celle là, nous aurons plus de moyens de la soutenir et de la porter même dans le sein de l'Angleterre. Si au contraire le Roi continue à mettre ses plus grands efforts dans la guerre d'Allemagne la France se trouvera reduite à l'État de seconde ou troisième puissance, les ennemis de l'Impératrice n'en deviendront que plus redoutables". Ein erheblich anderer Wortlaut findet sich bei: Bernis, Mémoires, ed. Massen, Bd. 2, S. 461-462. 114 AAE CP Autriche 266, fol. 58r_v: „Je n'ay point varié, Monsieur, dans mes principes depuis un an, j'ay prevû la nécessité de faire la paix tant par l'état de notre marine et de notre colonies, que par la supériorité des talens militaires du Roi de Prusse, par la foiblesse et le défaut de concert des alliés, enfin par la disette d'argent qui fait échouer toutes les opérations même les mieux concertées". 115 Ibid. fol. 59'~v: „Les Princes de l'Empire en général las de voir que notre séjour en Allemagne ne fait que prolonger la chaîne de leurs malheurs dont nous ne pouvons arrêter le cours, se trouveront du coté de nos ennemis pour s'en procurer la fin; les Protestane que la crainte de nos armés a contenus, s'uniront au Roi de Prusse, dès que ce motif cessera par nos disgrâces. Les Princes nos alliéz multiplieront pour nous les difficultés dans la viie de quitter notre alliance. Nous avons éprouvé que dès que la fortune militaire du Roi de Prusse s'aproche des États des électeurs de Bavière et Palatin, ils nous donnent les marques de la mauvaise volonté la plus décidé".

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in Bernis' Augen die Gefahr, daß bei Fortführung des Krieges das ganze Glacis der traditionellen Klientel befreundeter mindermächtiger Reichsfürsten wegbrechen und an Preußen fallen könnte. Doch so dramatisch war die Situation nach Krefeld nicht. Der Verlust Düsseldorfs an Prinz Ferdinand blieb letztlich nur eine - bittere - Episode des Krieges am Niederrhein, dauerhaft konnten sich die preußischen Truppen nicht auf dem linken Rheinufer festsetzen. Da Friedrich der Große immer wieder in der Lage war, sich schnell von den Verlusten, die er in Zomdorf und vor allem in Hochkirch, bei Kunersdorf und Maxen erlitten hatte, zu erholen, gelang es ihm, den Operationen seiner Gegner die entscheidende Spitze zu nehmen. Besonders die verheerende Niederlage bei Kunersdorf am 12. August 1759 ließ im Lager der Alliierten kurzfristig die Hoffnung aufkommen, daß es gelingen könnte, im Zuge dieses Erfolges Friedrich in die Knie zu zwingen.116 In einer aus diesem Anlaß verfaßten Denkschrift resümierte Praslin die sich durch den Sieg ergebenden Perspektiven und Ziele der Allianz, die im wesentlichen auf eine Rückkehr zum Status quo des Jahres 1740 hinausliefen.117 Das Preußen Friedrichs II. war in seinen Augen der Unruhestifter im Staatensystem, der „Paria" des europäischen „Konzerts", der durch sein Verhalten das Recht verwirkt hatte, eine größere Rolle in ihm zu spielen. Der Staatengemeinschaft obliege es, ihn zu strafen und zu schwächen, indem man ihm seine Eroberung Schlesien entziehe. Wenn Praslin hier von „abaisser la puissance du Roy de Prusse" sprach, dann meinte er damit die Reduzierung der Ressourcen, auf denen sich die preußische Großmachtbildung gründete. Die Voraussetzung dafür sei in erster Linie die Rückführung Schlesiens unter die Herrschaft der Habsburger. Doch in der Persönlichkeit des Königs sah Praslin das fortwährende Scheitern aller Angriffsbemühungen seiner Gegner begründet: „Die Macht des Königs von Preußen beruht auf seiner Armee, in seiner Person und in seiner Genialität, weit mehr als in seinen Festungen und Besitzungen. Vor allem aus seiner Betriebsamkeit und seinem Fleiß schöpft er seine Mittel. Man muß sich also mit seiner Armee, mit seiner Person befassen, ihn selbst muß man auswählen und so weit wie möglich verfolgen, um ihm die Mittel zur Reorganisation seiner Truppen zu entziehen. Indem man den Baum bei seinen Wurzeln fällt, kann man sich sicher sein, die Früchte zu ernten . 118

Praslin schlug hier nun kein Attentat auf Friedrich II. vor - dies verbot allein das adelige Ehrgefühl119 - , sondern er verstand darunter die fortgesetzte Verfolgung der Reste der ge116

Zur Kampagne von 1759 und Schlacht bei Kunersdorf vgl.: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, S. 110-181; Duffy, Friedrich der Große, S. 264-275. Praslin berichtete vom Urteil General Loudons, dies sei „la plus furieuse bataille qu'il ait vu de sa vie" gewesen, AAE CP Autriche 273, fol. 119'-120r, Praslin an Choseuil, 16. August 1759, fol. 119', weiter heißt es bei Praslin, „il paroit par tous les rapports que depuis long tems il η y a pas eu de bataille si meurtrière et si disputée", fol. 124r-128r, an Choiseul, 19. August 1759, fol. 124v; die erste Nachricht über die Schlacht: siehe Praslins Depesche an Choiseul vom 15. August, fol. 112-115r. 1,7 AAE CP Autriche 273, fol. 129-143', Denkschrift Praslins, vom 19. August 1759, fol. 129'. 118 Ibid. fol. 129'~v: „La puissance du Roy de Prusse réside dans son armée, dans sa personne, et dans son génie, bien plus que dans ses forteresses et dans ses possessions, et c'est dans son activité et son industrie, qu'il trouve ses principales ressources; c'est donc à son armée, et à sa personne qu'il faut s'attacher, c'est luy même qu'il faut reserver et poursuivre aussi loin qu'il sera possible, afin de luy oter les moyens de rétablir ses troupes, enfin c'est en coupant l'arbre par ses raisins qu'on est sur d'en cueillir les fruits". 119 Vgl. die bei Duffy, Friedrich der Große, S. 201-202, beschriebene Episode vom Vorabend der Schlacht bei Rosbach, als Friedrich bei einem Erkundungsritt in die Reichweite französischer Musketen kam, es aber ausdrücklich verboten wurde, das Feuer zu eröffnen.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen

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schlagenen Armee Friedrichs. Der Sieg von Kunersdorf würde erst dann vollständig sein, wenn die Restrukturierung und Reorganisation des preußischen Heeres verhindert werden könnte. Auf die Armee stütze sich die preußische Macht, ohne sie wären die Kriegsziele schon zu einem erheblichen Teil erreicht. Doch schon bald mußte Praslin feststellen, daß die Chance, die Kunersdorf bot, vertan war. Friedrich hatte die Initiative wieder an sich gerissen und diktierte seinen Gegner das Geschehen.120 Der Sieg von Kunersdorf trug dann doch noch Früchte, als im September 1759 die Rückeroberung Dresdens gelang, und am 21. November ein preußisches Armeekorps von 15 000 Mann bei Maxen gegenüber einer vielfachen Übermacht die Waffen streckte. Praslin wertete den Einzug in Dresden als das bedeutendste Ereignis des Krieges.121 Außenminister Choiseul sah sowohl den militärischen Nutzen - eine ungünstige Situation für Friedrich, um die Winterquartiere beraubt, zugleich Sicherheit für die französischen Winterquartiere in Hessen-Kassel - als auch die politischen Vorteile, die dieser Erfolg mit sich brachte, falls Friedensverhandlungen beginnen sollten, denn mit dem teilweisen Verlust Sachsens hatte Friedrich Faustpfänder verloren, die er zum Erhalt der Integrität seiner Territorien einsetzen könne. Choiseul wie auch die französische Generalität schätzten also die Kontrolle über Sachsen als bedeutender ein als ungewisse Unternehmungen zur Wiedergewinnung Schlesiens.122 Im Sommer 1760 rückte erneut das Kurfürstentum Sachsen in das Zentrum des Kriegsgeschehens. Friedrich der Große versuchte vergeblich die Rückeroberung seiner Basis. Dabei ging er mit unerhörter Härte vor und verfestigte dabei sein negatives „Image", das sich in französischer Diplomatie und Staatsführung gebildet hatte. Ohne den Versuch zu unternehmen, Dresden, wo sich eine starke österreichische Garnison verschanzt hatte, nach den Regeln der Kriegskunst zu belagern, beschoß Friedrich die Stadt vom 19. Juli an mit schwersten Geschützen, die er aus Torgau herbeischaffen ließ. Dieser Beschuß, mit dem der König die kampflose Übergabe der Stadt erzwingen wollte, richtete dort große Schäden an und löste einen verheerenden Brand aus. Von Wien aus verfolgte Praslin die Ereignisse gewohnt aufmerksam und befürchtete, daß die Garnison vor der schweren Artillerie kapitulieren werde. Zugleich beklagte er das Leid, das der Preußenkönig über die Stadt brachte, kritisierte aber auch das Zögern Dauns, der Stadt zu Hilfe zu eilen.23 Die letztlich nur von 120

AAE CP Autriche 273, fol. 221-228', Praslin an Choiseul, 5. September 1759, fol. 221v: „ce qu'il y a de plus sûr et de plus clair, c'est qu'elles [les affaires] ne vont pas bien et qu'après deux batailles gagnées nous n'en sommes pas plus avancés, et que nous recevons aujourd'huy l'ordre de l'ennemi". 121 Ibid. fol. 276'-281 v , fol. 276'; zur Kampagne des Herbstes und Maxen siehe: AAE CP Autriche 274, fol. 302'-303", Praslin an Choiseul, 24. November 1759; Duffy, Friedrich der Große, S. 275-283; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, S. 208-247. 122 AAE CP Autriche 273, fol. 313-316', Choiseul an Praslin, 15. September 1759, fol. 314v-315': „Enfin, Monsieur, vous devez point cacher à l'Impératrice et à son ministère que l'occupation de l'Elbe est absoluement nécessaire pour la tranquilité et la solidité des quartiers d'hiver françois sur le Mein [sic!], et que si nos troupes recevoient cet hiver un échec par une combinaison de Prussiens venans de Saxe et d'Hanovriens, il est vraisemblable que l'armée du Roi rentrerais en France, et alors je doute qu'elle repassât du reste de cette guerre en Allemagne. Vous adoucirés, comme vous pourrez, cette considération, mais vous êtes trop éclairé pour ne passentir qu'elle mérite la plus grande attention de la part de la cour de Vienne, et qu'elle vaut la peine que cette cour préféré l'occupation certaine de la Saxe à des conquêtes hazardeuses en Silésie". 123 AAE CP Autriche 276, fol. 497-501', Praslin an Choiseul, 24. Juli 1760, fol. 497 v -500': „Pendant toute la journée les Prussiens ont tiré à boulets rouges sur la ville et y ont jette toutes sortes de matières combustibles en sorte que le 19. au soir le feu etoit déjà en 36 endroits. Le bombardement a continué pendant toute la journée du 20 et par les nouvelles d'hier nous avons appris que l'incendie etoit presque générale dans toute la

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preußischen Verlusten gekrönte Aktion - Friedrich sah sich gezwungen, unter Aufgabe eines Teiles seiner Artillerie den Rückzug anzutreten - rief Empörung, aber auch Unverständnis auf seiten des ehemaligen Offiziers Choiseul hervor. Die ganze Aktion deutete man als eine weitere Kapriole des sprunghaften Charakters Friedrichs: „Es war kaum vorhersehbar, daß der König von Preußen sich auf ein derart verrücktes Unternehmen wie das der Blockade Dresden einläßt. Dieser Fürst hat das barbarische Vergnügen, einige Häuser zu zerstören, mit dem Verlust von 6 bis 7 000 seiner besten Soldaten bezahlt. Aber es ist anzunehmen, daß der König von Polen unverzüglich gerächt wird, ist Ihre preußische Majestät doch, seit sie die Blockade Dresdens aufgehoben hat, an allen Fronten zu schwach, um ernsthaften Widerstand leisten zu können".124

Dem Erfolg vor Dresden folgte im Oktober ein weiterer für die Koalition. Österreichische und russische Truppen besetzten Berlin und Potsdam, plünderten das Charlottenburger Schloß, vergaßen jedoch die sorgfältige Zerstörung kriegswichtiger Einrichtungen. Praslin betrachtete die Plünderung Berlins als Gewinn an Reputation, denn dies führe ganz Europa die verzweifelte Situation des Preußenkönigs vor Augen, der nicht in der Lage war, seine Residenz zu schützen (Sanssouci wurde nur auf Geheiß des Generals Lacy vor der Verwüstung bewahrt).125 Den tatsächlichen Gewinn, den die kurzfristige Besetzung Berlins bringen konnte, schätzte Praslin jedoch eher gering ein.126 Die Kampagne des Jahres 1760 endete mit der Schlacht von Torgau (3. November), deren Blutzoll erneut die bislang gekannten Ausmaße überstieg. Torgau, „das Borodino des 18. Jahrhunderts" (Duffy), sollte das letzte große Aufeinandertreffen der Armeen der Gegner sein. Zwar konnte Friedrich der Große den Sieg für sich beanspruchen, doch war er einmal ville, et qu'on craignoit même que la garnison ne fut obligée de l'évacuer. [...] l'on s'attendoit à apprendre d'un moment à l'autre que Dresde réduit en cendre auroit été abandonné. Cependant comme les Prussiens n'ont jamais ouvert de tranchée, ny battu en brèche les remparts, je n'ay jamais cru que la ville put estre prise. [...] L'incendie des maisons est un malheur affreux et irréparable pour le Roy de Pologne, et j'en suis véritablement affligé, mais ce n'est pas une raison pour abandonner une place. [...] Il est bien triste que la ville de Dresde soit la victime de la cruauté et de la témérité du Roi de Prusse, ainsi que de la foiblesse et de l'irrésolution du Maréchal de Daun". Zum Beschuß Dresdens: Duffy, Friedrich der Große, S. 286-287. 124 AAE CP Pologne 266, Choiseul an Paulmy, 11. August 1760, fol. 152 r -155 r , fol. 152r: „II n'étoit guères possible de prévoir que le Roy de Prusse fit une entreprise aussi folle que celle du blocus de Dresde, où ce Prince a payé le plaisir barbare de ruiner quelques maisons, par la perte de 6 à 7000 hommes de ses meilleurs soldats: Mais il est probable que le Roy de Pologne sera incessament bien vengé, sa Majesté prussienne depuis qu'elle a quitté le blocus de Dresde, se trouvant trop foible partout, pour pouvoir faire une une résistance valable nulle part". Ähnlich auch in: AAE CP Bavière 143, Choiseul an Folard, 11. August 1760, fol. 245'-246 r : „Nous sommes très mortifiés du sort que cette ville éprouve de la part du Roi de Prusse sans autre motif que de faire le mal pour le mal. Nous espérons que la maison de Saxe en sera bientôt vangée, cette entreprise aussi barbare qu'imprudente devant nécessairement par ses suites exposer sa Majesté prussienne aux plus grands malheurs". 125 Zur Besetzung Berlins: Duffy, Friedrich der Große, S. 300-302; AAE CP Autriche 278, fol. 3 ' ^ v , Praslin an Choiseul, 2. Oktober 1760, fol. 4': „Vous voyez, Monsieur, par les diférens mouvemens que la campagne se réanime et peut devenir intéressante. Il n'y a pas d'apparence qu'on puisse faire aucune entreprise solide en Silésie, mais les Estats du Roy de Prusse doivent estre pillés et saccagés; Berlin doit estre pris et quoiqu'on ne puisse pas le garder, cette expédition doit faire du bruit dans l'Europe et donner une mauvaise idée de la situation des affaires du Roy de Prusse". 126 AAE CP Autriche 278, fol. 92 r -94 v , Praslin an Choiseul, 16. Oktober 1760, fol. 92 r : „L'expédition de Berlin n'a eu d'autre suite qu'une contribution de 800. mille écus d'Allemagne qu'on a imposé sur cette ville. Le Roy de Prusse l'avoit évacuée l'hiver dernière, les arsenaux etoient vides, et l'on n'y a trouvé que quelque habillement dont les Russes se sont emparés".

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

mehr sehr teuer erkauft worden. Praslin berichtete am 6. November, noch von einem kaiserlichen Sieg ausgehend, von hohen Verlusten auf beiden Seiten. Das Eingeständnis der Niederlage wurde nach anfänglicher „consternation" des Wiener Hofes schließlich mit Würde getragen.127 Graf von Montazet, der an der Seite Dauns Zeuge der Schlacht wurde, sprach von der Kühnheit Friedrichs, der er seine Siege verdanke - und illustrierte dies, indem er dessen Niederlagen aufzählte, in deren Anschluß er es immer wieder geschafft hatte, gravierende Konsequenzen zu vermeiden. Montazet zog aus seiner Analyse den Schluß, daß jetzt die Gelegenheit gekommen sei, den Friedensschluß herbeizuführen, denn es sei unmöglich, Friedrich militärisch in die Knie zu zwingen.128 Die Gesamtheit der Berichte und Kommentare der Diplomaten über die Ereignisse und Schlachten des Siebenjährigen Krieges zeugen von der Anerkennung, die sie der überlegenen Feldherrenkunst Friedrichs des Großen zollten. Bewundert wurde er deswegen keinesfalls, man brachte seiner Leistung eher den Respekt entgegen, mit dem Militärs nun einmal die Leistung einer Armee bewerten. Bewunderung ließ insbesondere sein Verhalten in Sachsen, die Behandlung der kursächsischen Familie und die Plünderung des Kurfürstentums nicht zu. Das Leid der sächsischen Bevölkerung stellte einen ständig wiederkehrenden Gegenstand der Betrachtungen dar.129 Die Verbissenheit und Unnachgiebigkeit, die bei zunehmender Kriegsdauer die Schlachten charakterisierte, stießen in Versailles auf Befremden oder zumindest auf Erstaunen. Diese Ablehnung und Mißbilligung der preußischen Kriegführung deckt sich mit halboffiziellen Schriften des Wiener Hofes, in denen Preußen auf Grund seiner überproportionalen Militärmaschinerie verurteilt wurde.130 Der Ursachen der eigenen Niederlagen war man sich durchaus bewußt. Die Inferiorität der französischen und russischen Generalität bildete kein Tabu und wurde sogar mit direkter Kritik an der unnachgiebigen Haltung Maria Theresias hinsichtlich der Kriegsziele verbunden.131 Für den Herzog von Choiseul ergab der Vergleich der preußischen und öster127

AAE CP Autriche 278, fol. 276-277', Praslin an Choiseul, 6. November 1760, fol. 276 v : „Le combat a duré jusqu'à la nuit close, l'ennemy qui a attaqué en différens points et même par derrière, a été repoussé partout. Monsieur le maréchal de Daun mande que cette affaire est une des plus vives et des plus meutrières qu'il ait amais vües, que la perte des Autrichiens est très grande et celle des Prussiens beaucoup plus considérable parce que son artillerie et sa cavallerie ont fait des merveilles". Ibid. fol. 278'-280 v , Praslin an Choiseul, 7. November 1760, fol. 278', 279"; zu Torgau vgl.: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 4, S. 127-156; Duffy, Friedrich der Große, S. 302-315; Lindner, Die Peripetie des Siebenjährigen Krieges, S. 47-94; die Preußen verloren ca. 16 670, die Österreicher 15 697 Mann, Duffy, Friedrich der Große und seine Armee, S. 364-365. 128 AAE CP Autriche 280, fol. 21'-23 v , Montazet an Choiseul, 7. November 1760, fol. 2 Γ - 2 2 ' : „II se trouve donc dans ce dernier événement de quoy faire trembler notre ennemi dont l'audace est la principale force. J'y trouve également de quoy éffrayer la cour de Vienne, et la rendre plus traitable pour la paix; puisqu'il est aisé de luy démontrer, non seullement par ce dernier événement, mais même par les principaux de cette guerre, qu'il est, pour ainsy dire, impossible de venir à bout de l'ennemi qu'elle a. Il est surpris et battu à Hochkirchen, huit jours après, il fait lever le siège de Neiss. Il perd près de 20 mille hommes à Maxen, qui mettent bas les armes: cet événement extraordinaire ne luy fait pas perdre un pouce de terre en Saxe". Vgl. auch seinen Brief vom 4. November 1760, ibid. fol. 18'-20 v , mit einer Beschreibung des Schlachtverlaufs. 125 Vgl. z.B. AAE CP Allemagne 611, fol. 332-333', Mackau an Choiseul, 30. Oktober 1760, fol. 332 v : „Les nouvelles de Saxe sont affligeantes pour ce pauvre pays. Le Roy de Prusse y rentrant a exigé les contributions les plus excessives sous la menace de mettre tout à feu et au sang". 130 Schieder, Friedrich der Große, S. 185; die genannten Texte sind gedruckt bei: Kunisch, Das Mirakel des Hauses Brandenburg, S. 101-141. 131 AAE CP Autriche 274, fol. 132-140', Choiseul an Praslin, 29. Oktober 1759, fol. 133 v -134': „Je lui [Starhemberg] dis, en plaisantant, que nous aurions les plus mauvais généraux de l'Europe si ceux de l'Impératrice n'existent pas. Je l'ay dit en plaisantant, et, en vérité, je le pense très sérieusement, car j e

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reichisch-russischen Strategie und Taktik die Ursache für das bisherige Scheitern aller Versuche, Friedrich in die Knie zu zwingen. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war der Verlauf der Kampagne des Jahres 1759, die durch den überragenden Sieg von Kunersdorf gekrönt wurde, der jedoch, wie beschrieben, nicht ausgenutzt wurde. Die Zusammenarbeit der Österreicher und Russen zeige, so Choiseul, daß erstere sich den Russen unterordnen, jene aber keinen eindeutigen Feldzugsplan, kein System verfolgen. Am Ende, so sah der Außenminister voraus, werde man wieder in die Ausgangsstellungen des Frühjahres zurückkehren.132 Auch die Kontrolle Sachsens werde nach Rückzug der Russen in die Winterquartiere fraglich sein. Frankreich solle in dieser Situation keine Initiative ergreifen und seine Kräfte schonen, um der Kaiserin bei einem schweren Rückschlag zu Hilfe eilen zu können. Den derzeitigen Vorhaben der Österreicher und Russen wie auch denen der Schweden sprach Choiseul jegliche Durchschlagkraft ab, er rechnete mit einem mehr oder weniger katastrophalen Scheitern.133 Die Feststellung der gravierenden Defizite im strategischen Denken der Bündnispartner nahm Choiseul zum Anlaß, einige grundsätzliche Reflexionen über das Wesen der Kriegführung der Allianz anzustellen. Kriegfuhren sei eine Kunst, so der Außenminister, die durchaus vom Zufall abhängen könne. Dem Krieg liege aber immer ein festes Ziel zu Grunde, das es zu erreichen gelte.1 Angewandt auf den derzeitigen Krieg zeige sich, daß der König von Preußen in allen seinen Aktionen das Kriegsziel verfolge, das er sich gesetzt habe. Eben dieser Fixpunkt, auf den alle seine Handlungen ausgerichtet seien, fehle den Alliierten. Nur der konsequenten Verfolgung seiner „Prinzipien" habe es Friedrich zu verdanken, daß es ihm bislang immer wieder gelungen sei, der feindlichen Übermacht zu widerstehen und seine Verluste auszugleichen. Choiseul sparte nicht mit Selbstkritik. Die Führungsschwäche der Alliierten habe sich gerade in der diesjährigen Kampagne erschreckend gezeigt; sie sei sichtbar daran, daß 70 000 Hannoveraner 129 000 Franzosen in Schach gehalten haben. Der

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compte pas les officiers russes pour des généraux, ce sont de conducteurs de troupeaux". AAE CP Autriche 280, fol. 21 r -23 v , Montazet an Choiseul, 7. November 1763, fol. 22r_v: ,je suis persuadé quand l'Impératrice sera bien instruite de l'esprit de haine et de jalousie qui règne dans son armée, des factions qui y sont établi depuis un an surtout, et qu'on luy démontrera que l'événement extraordinaire de cette campagne en sont la suitte nécéssaire, et qu'il ne luy est pas possible de remédier dans les circonstances ou elle se trouve, à d'aussy grands inconvénients: Je suis persuadé, dis-je, qu'elle ne renoncera en grande partie aux prétentions qu'elle s'est faite, et que Monsieur et Madame la Maréchale Daun ne l'en détourneront pas". Hier zeigen sich die von Kunisch, Das Mirakel des Hauses Brandenburg, S. 83-89 analysierten „strukturellen Grenzen" absolutistischer Kriegführung. AAE CP Autriche 274, fol. 6 r -9 r , Choiseul an Praslin, 2. Oktober 1759, fol. Τ: „il résulte de là que l'armée autrichienne n'a d'autre sistème que d'être subordonné à l'armée russe qui n'en a point, ou qui n'a que celui de se retirer derrière la Vistule, d'où il faut conclure qu'à la fin de cette campagne, la maison d'Autriche ne sera pas plus avancée qu'au commencement excepté qu'il y aura plus lieu de croire que l'année prochaine on puisse espérer les occasions avantageuses que les victoires des Russes avoient produittes cette année". Ibid. fol. T : „ce qu'il y a de plus affligeant, Monsieur, c'est que l'on vit clairement que ni les Russes, ni les autrichiens, ni les Suédois n'ont de système; or ce manque de d'âme et de projet produira nécessairement une catastrophe ou du moins une dissolution". Ibid. fol. T : „La guerre est un art, ses effets viennent quelquefois du hazard; mais les projets partent de principes certains, sans lesquels l'on ne peut pas dire que l'on fasse la guerre". Ibid. fol. 8': „Le Roi de Prusse connoit et suit ses principes, et il a dans sa tactique un ensemble, qui finira toujours à le faire parvenir au but des ses projets, et à la réparation de ses pertes, quand ses ennemis n'auront pas entre eux ce même ensemble".

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Herzog tröstete sich jedoch damit, daß man in Frankreich diese Fehler erkannt habe und beginne, sie abzustellen, während Wien sich dieser Einsicht noch immer entziehe.136 Choiseul erkannte jenen Komplex von Faktoren, der in der Forschung als „Einheit von Kriegführung und Politik" bezeichnet und der neben dem Tod der Zarin Elisabeth zu den wichtigsten Ursachen des „Mirakels des Hauses Brandenburg" gezählt wird.137 Aus der Analyse des Scheiterns entwickelte er neue Optionen, die aber nicht die Beendigung des Kampfes vorsahen, sondern die Entwicklung eines neuen Feldzugsplans für das kommende Jahr.138 Wenige Monate später, im Dezember 1759, versuchte sich Praslin ebenfalls an einer Analyse der Strategie Friedrichs des Großen und deren Konsequenzen vor allem für die französische Feldzugsplanung. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die fortgesetzte Aktivität der preußischen Armee, die keine Anstalten machte, sich in die Winterquartiere zu begeben. Dahinter vermutete man in Wien ein weiteres Unternehmen Friedrichs gegen Sachsen. Diesen Spekulationen widersprach der Botschafter. Friedrich sei zwar ein hochmütiger, kühner und unternehmungslustiger Feldherr, aber nicht verrückt, denn es grenze an Narrheit, jetzt zu versuchen, Daun aus Dresden zu vertreiben.139 Praslin versetzte sich in die Lage Friedrichs, um das Verhalten des Preußenkönigs einzuschätzen. Er rechnete mit einer umfangreichen Offensive im Westen, die Friedrich entlasten und die in erster Linie die französische Armee treffen sollte. Prinz Ferdinand von Braunschweig werde entweder die am Main stehenden Franzosen angreifen, um sie von dort zu vertreiben, oder - was Praslin für weit gefährlicher hielt - durch die Besetzung Frankens die Verbindung zur Armee Friedrichs herstellen. Im letzteren Falle seien die französischen Truppen gezwungen, dem Marsch des Feindes zu folgen und sich so in eine äußerst gefahrliche Lage begeben - vergleichbar mit der Situation der französischen Armee in den Jahren 1743 und 1757.140 Praslin schloß seine Betrachtungen mit dem Ausdruck seines Unverständnisses über die Passivität Dauns, dem es nicht gelungen sei, die Erfolge des Sommers (Kunersdorf, Maxen) in territoriale Gewinne umzuwandeln.141 In seinen Ausfuhrungen, die er selbstkritisch als vielleicht zu pessimistisch einschätzt142, finden sich aufschlußreiche Wertungen, die einen Blick auf die Wahrnehmung des Krieges durch den späteren Außenminister erlauben. So hielt er den Krieg im Reich und insbesondere die immensen Kriegsanstrengungen für eine Fehlinvestition, da sie nicht dem ei-

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Ibid. fol. 8': „c'est la façon de conduire ce que l'on a de troupes qui les détermine; nous en sommes un exemple affligeant, cette campagne, où 70 mille hanovriens ont donné la loi au fonds de 129 mille François; mais nous avons un avantage sur les Autrichiens, c'est que nous connoissons et avouons nos fautes". Vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 218-219; Simsch, Preußens Kampf auf der „inneren Linie", S. 35-36. AAE CP Autriche 274, fol. 8 ν -9 Γ . Ibid. fol. 430'-435 r , Praslin an Choiseul, 19. Dezember 1759, fol. 430 r_v : „Le Roy de Prusse est vain, entreprenant, téméraire même et opiniâtre; mais il n'est pas fou et ce serait une folie de sa part, à ce qu'il me semble, de détruire son armée par pur entêtement et la faire périr sans un objet important et sur le chimérique espoir d'obliger M. le maréchal de Daun à abandonner Dresde". Ibid. fol. 430 v -434 v . Im Jahre 1743 mußte die französische Armee bei Dettingen in der Nähe von Frankfurt eine schwere Niederlage hinnehmen und wurde gezwungen, sich hinter den Rhein zurückzuziehen, vgl.: Corvisier, Histoire militaire de la France, Bd. 2, S. 87. AAE CP Autriche 274, fol. 435 r : „il est bien extraordinaire que le Roy de Prusse n'ait pas perdu un pouce de terrain après les échecs qu'il a reçus". Ibid. fol. 433': ,je souhaite que mes craintes soient chimériques. L'habitude du malheur inspire la défiance, et surtout l'excès de la prévoyance jette dans l'erreur".

I. Das Preußenbild

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gentlichen französischen Staatsinteresse entsprächen. 143 Doch Praslin forderte als Konsequenz nicht den Rückzug vom Kriegsschauplatz, sondern insistierte auf der Bedeutung des französischen Brückenkopfes am Main, denn angesichts der Hoffnung, im nächsten Jahr dem König von Preußen den endgültigen Todesstoß zu versetzen, müsse die Stellung im Reich gehalten werden. Nur so könne der traditionelle Einfluß und das Ansehen Frankreichs im Reich bewahrt werden. 144 In diesem Kontext muß auch auf Praslins Kommentar zur Inaktivität der österreichischen Armee hingewiesen werden. Diese sei desto unverständlicher, als Wiens Kriegsziel doch bekanntermaßen auf Eroberung, nämlich Schlesiens Rückgewinnung abziele.145 Wie Choiseul sah auch Praslin in der Persönlichkeit Friedrichs des Großen, der ein festes Ziel mit seinen Unternehmungen verfolge, die Schlüsselfigur des Krieges und zugleich die Ursache des Scheiterns seiner Gegner. Erneut wird bei Praslin sichtbar, daß Frankreich in diesem Krieg nicht nur als Verbündeter Österreichs, sondern auch als Sachwalter des Reiches zu agieren suchte. Daß man Friedrichs Feldherrenbegabung und sein Schlachtenglück durch Untätigkeit und Uneinigkeit noch unfreiwillig forderte, wurde geradezu resignierend festgestellt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma schien es nicht zu geben. Angesichts des bevorstehenden Beginns der Feldzüge des Jahres 1760 äußerte sich Praslin über die Erfolgsaussichten der Alliierten und charakterisierte erneut die grundlegenden Differenzen zwischen den militärischen „Systemen", die letztlich kriegsentscheidend waren. Die österreichische Ausgangsposition sah er weit günstiger als in den Jahren zuvor. Die Kontrolle Sachsens und Dresden erlaube, Friedrich erheblich unter Druck zu setzen. Dagegen stellte er die Informationen, die er von österreichischen Militärs erhalten habe, wonach es dem Preußenkönig gelungen sei, 50 000 Mann zu rekrutieren und den Verlust seiner Truppen in den Winterquartieren durch Krankheit und Desertion sehr gering zu halten. Über die Qualität der Rekruten bestünden Zweifel, aber den preußischen Ausbildern wurden hervorragende Fähigkeiten nachgesagt: „Die Preußen beherrschen die Kunst, ihre Rekruten sehr viel schneller als andere Nationen auszubilden und zu disziplinieren".146 Friedrichs Ausgangsposition, so wie sie in dieser Depesche beschrieben wird, sei eben jene der „inneren Linie", die ihm immer wieder entscheidende Vorteile gegenüber seinen Gegnern verschaffte. Nahm man die Unterlegenheit der alliierten Generalität hinzu, verringerten sich die Erfolgschancen der Kaiserin erheblich: „Schlesien ist aufgrund der natürlichen Gegebenheiten und der zahlreichen Festungen einfach zu verteidigen, so daß dieser Fürst noch weiter Widerstand leisten kann, wenn er die Klugheit besitzt, sich defensiv zu verhalten und von jedem kühnen Vorstoß absieht. Im übrigen ermöglicht ihm seine zentrale Stellung, sich schnell und ebenbürtig gegen eine der ihm gegenübergestellten Armeen zu wenden. Hierbei spielt der Charakter der Generäle eine Rolle. Herr von Soltikow ist ein Ignorant und von geringem Eifer; Herr Daun schüchtern und will nicht seine zu Unrecht erworbene Reputation aufs Spiel setzen. We-

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Ibid. fol. 434': „Vous savez, Monsieur, combien je regrette les dépenses immenses que cause l'entretien de nôtre armée en Allemagne, et combien je gémis de voir user la puissance du Roy pour une guerre que je regarde comme étrangère, où tout au plus accessoire à l'intérêt général de l'État". Ibid. fol. 434": „il est très important de garder la position du Mein [sic!], et de nous maintenir dans l'Empire pour y conserver notre influence et considération". Ibid. fol. 435 v : ,je vois à regret que tous les projets sont constamment rejettés dans une guerre dont l'objet est de faire de conquêtes". AAE CP Autriche 275, Praslin an Choiseul, 29. März 1760, fol. 364-367', fol. 364": „les Prussiens ont un art pour former et discipliner leurs recrues beaucoup plus promptement que les autres nations".

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

der der eine noch der andere eignet sich für eine offensive Kriegführung, und sie werden sich niemals entschließen, den König von Preußen anzugreifen".147

Praslin zog die Lehre aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Er warnte vor einer Unterschätzung der Preußen. Es werde mehr als nur ein Schlachtensieg notwendig sein, um den Krieg zu beenden, um so mehr, als man nicht annehmen könne, daß Friedrich gravierende Fehler begehen werde.148 Der Botschafter schloß mit dem Hinweis, daß die Entscheidung auf dem Schlachtfeld fallen werde und daher Friedrich der Große durchaus die Möglichkeit habe, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.149 Der Wandel des Preußenbildes während des Siebenjährigen Krieges Einige grundsätzliche Überlegungen zur Rolle Preußens vor allem im Reich wurden bereits angestellt150 und sollen hier nun fortgesetzt werden. Hier interessiert vor allem, ob sich die bislang abzeichnende Einschätzung, die preußische Politik stelle eine Gefahr für die Ordnung des Staatensystems dar, unter dem Eindruck der Kriegsereignisse veränderte. Die Diplomaten beschränkten sich in Analyse der Fehlschläge der militärischen Unternehmungen gegen Friedrich nicht allein auf die Gegenüberstellung von Friedrichs Feldherrengenie und dem seiner unterlegenen Widersacher Daun, Lacy, Loudon auf der einen, Soubise, Richelieu, Contades und Broglie auf der anderen Seite, die ja alle auch nennenswerte Erfolge errangen. Reflektiert wurde immer auch über die Rolle Preußens im Staatensystem. Zugleich reduzierte man das „Mirakel des Hauses Brandenburg" nicht einfach auf das Friedrich günstig gesonnene Schlachtenglück, sondern wußte schwere konzeptionelle Mängel für die zahlreichen eigenen Niederlagen verantwortlich zu machen. Im Mittelpunkt dieser Uberlegungen stand nicht die Dreiecksbeziehung Frankreich - Österreich - Preußen, sondern das Viereck Frankreich - Österreich - Preußen und das Alte Reich, denn die Gestalt des letzteren stand in diesem Krieg ebenfalls zur Debatte. Prägnant faßte Praslins Nachfolger Châtelet die für das Reich bestehenden Gefahren zusammen, als er im November 1762, kurz vor Unterzeichnung der französisch-britischen Friedenspräliminarien, den Stand der Kämpfe beschrieb. Wieder einmal rückte Franken in den Mittelpunkt, denn der Provinz drohte ein erneuter Überfall preußischer Truppen. Châtelet fürchtete die politischen Konsequenzen, nämlich daß das Reich sich Friedrich dem Gro147

Ibid. fol. 365v: „La Silésie est facile à défendre par la nature du terrain, et les forteresses dont elle est hérissée, en sorte que ce Prince peut encore résister s'il a la sagesse de se tenir sur la défensive, et s'il ne fait point d'acte de témérité. D'ailleurs sa position centrale lui donne la facilité de se porter rapidement avec égalité l'une des armées qui luy seront opposées. Le caractère des généraux entre encore dans cette combinaison. M. de Soltikow est ignorant et peu zélé, M. de Daun timide et ne veut pas risquer une réputation usurpée, ny l'un ny l'autre ne sont propres à une guerre offensive et jamais ils ne se détermineront à attaquer le Roy de Prusse". 148 Ibid. fol. 366r: „ils pensent tous que l'Impératrice n'a pas encore été dans une position si avantageuse, et qu'elle doit espérer de faire une campagne heureuse. Mais qu'il faut encore plus d'une pour abattre le Roy de Prusse, et qu'on ne doit pas se flatter de terminer la guerre cette année de la manière qu'on se promet, à moins que ce Prince ne courre lui même à sa perte, et qu'on n'ait sur lui des succès éclatans, dont on scache mieux profiter que par le passé. [...] Je crois, Monsieur, que pour juger sainement en cette matière, il faut prendre un party mitoyen, je serois tenté de croire que le ministère a trop de confiance, et le militaire pas assés, nous avons peut-être cru le Roy de Prusse plus affoibli qu'il ne l'est, et l'ancienne réputation au nom prussien qui subsiste encore en importe trop à l'armée". 149 Ibid. fol. 366v. 150 Vgl. Kapitel Β. III. 1.

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ßen unterwerfen werde.151 Wenige Monate vor Ende des Krieges griff der französische Botschafter in Wien dies erneut auf und beschrieb Preußen als Triumphator über seine Gegner, das die österreichischen Angriffe abgewehrt habe und darüber hinaus das Reich unter seine Herrschaft zwinge. Châtelets Einschätzung deckt sich nicht nur mit Stimmen aus den ersten Kriegsjahren, sondern auch mit denen aus den dreißiger und vierziger Jahren, als vor genau dieser Entwicklung gewarnt wurde.152 Ein protestantisch dominiertes Reich, in dem zudem geistliche Territorien säkularisiert würden - diesbezügliche Forderungen waren in den vierziger Jahren lautgeworden153 - , wurde als französischen Interessen zuwiderlaufend angesehen. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht die 1757 vereinbarten Kriegsziele zwischen Versailles und Wien der Abwendung dieser Gefahr dienen sollten. Im zweiten Versailler Vertrag, vom 1. Mai 1757 hatten die Bündnispartner die weitgehende Zerschlagung Brandenburg-Preußens verabredet. Schlesien, die Grafschaft Glatz und die Herrschaft von Crossen sollten unter österreichische Herrschaft zurückkehren, darüber hinaus sollte Preußen Magdeburg und Halberstadt, Halle, Vorpommern sowie seine Anteile aus der klevischen Erbschaft und das preußische Geldern verlieren. Die genannten Territorien würden an Schweden, Sachsen und Kurpfalz fallen, die Schwächung Preußens würde somit ansatzweise durch eine Stärkung zweier Kurfürsten und der Garantiemacht Schweden kompensiert.154 Frankreich und Österreich legitimierten die territoriale Rückstufung Brandenburg-Preußens auf den Status von vor 1648 mit der kriegstreibenden Expansionspolitik Preußens. Ein Friede könne nur dann von Dauer sein, wenn der König von Preußen in seine Grenzen verwiesen werde und es ihm unmöglich sei, erneut als Friedensstörer aufzutreten.155 Für das Reich sollten weiterhin die Bestimmungen des Westfälischen Friedens gelten, der, wie auch die Religionsverfassung, ausdrücklich zu bestätigten sei.156 Von der Verwirklichung dieser Ziele aber war man im Mai 1757 weit entfernt. Friedrich II. riß die Initiative an sich und bedrohte Prag. Erst die preußische Niederlage von Kolin schien eine Verwirklichung der Eroberungspläne der Alliierten in den Bereich des Möglichen zu rücken. Besonders Graf Broglie spekulierte über die Entschädigung Sachsens und damit auch über die Aufwertung des Kurfürstentums innerhalb des Reiches. Im Gespräch war die Abtretung eines Landkorridors an den Kurfürsten, der die Verbindung zum Königreich Polen herstellen würde. Broglie plädierte für diese Stärkung Sachsens, um Österreich 151

AAE CP Autriche 291, fol. 281 -287', Chatelet an Piaslin, 3. November 1763, fol. 285": „La terreur que les armes prussiennes causeront dans l'Empire achèvera d'y porter l'influence du Roi de Prusse au plus haut degré, et de refroidir le peu de partisans que la maison d'Autriche y conserve". 152 Siehe Kapitel Β I. 153 Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 22. 154 Consolidated Treaty Series, Bd. 41, S. 7-11. 155 Ibid. S. 4: „faisant connoître évidemment que le Roi de Prusse persiste toujours dans la maxime qu'il a adoptée, d'étendre de plus en plus sa puissance sur celle de ses voisins. [...] Sa Majesté Γ Impératrice-Reine [...] et sa Majesté très chrétienne [...] ont résolu d'unir leurs armes [...] pour assurer le répos général de l'Europe et le repos particulier de l'Empire, en réduisant la puissance du roi de Prusse dans de telles bornes, qu'il ne soit plus en son pouvoir de troubler à l'avenir la tranquilité publique". 156 Ibid. S. 16-17: „L'intention des hautes parties contractantes étant de maintenir la religion catholique dans l'empire, sans prétendre néanmoins donner aucune atteinte aux droits, libertés, prérogatives et usages des deux religions protestantes, tel que lesdits droits, libertés, prérogatives et usages, sont établis et maintenus par les traités de Munster et d'Osnabruck [...] lesdites hautes parties contractantes, pour ôter tout prétexte à leurs ennemis d'alarmer mal à propos les princes et états de l'Empire qui sont séparés de la communion de l'église romaine, renouvellent à ce sujet et confirment de nouveau lesdits traités de Westphalie dans leur entier et dans la manière la plus expresse et la plus solemnelle que faire se peut, comme si lesdits traités étoient insérés de mot à mot dans le présent traité".

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen

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im Reich nicht zu dominierend werden zu lassen. Dies müsse auch gegen den Widerstand Wiens durchgesetzt werden.157 Schon mehrere Monate zuvor hatte Broglie Ludwig XV. vorgeschlagen, daß Sachsen die Rolle Preußens im Reich übernehmen sollte.158 Bernis widersprach diesen Überlegungen vehement. Trotz des Erfolges von Kolin warnte er davor, „das Fell des Bären zu verteilen, bevor er erlegt sei". Man stehe erst am Anfang des Unternehmens, und es sei gerade eben gelungen, Friedrich aus Böhmen zu vertreiben, ohne auch nur in Sachsen einmarschiert zu sein.15 Die zukünftige territoriale Gestalt Sachsens interessiere in diesem Moment noch nicht, Priorität müsse die Bekämpfung Preußens haben. Aber auch für den Fall, daß man Preußen neue Grenzen gesetzt habe, lehnte Bernis eine Stärkung sächsischer Macht ab, weil die Schwächung Preußens die Sicherheit Sachsens garantiere.1 Gegenüber Choiseul verdeutlichte Bernis noch vor den Niederlagen von Rosbach und Leuthen erneut seine Ablehnung: „Die Idee, aus Sachsen eine beachtenswerte Macht zu formen, die die des Königs von Preußen ersetzen könnte und dazu beiträgt, in Deutschland ein sogenanntes Gleichgewicht der Kräfte zu etablieren und somit etwaigen Projekten des Wiener Hofes zu begegnen, ist eine Illusion, sowohl fern der Realität als auch fern der Gefühle und Absichten des Königs".161

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AAE CP Pologne 255, fol. 41'-50v, Broglie an Rouillé, fol. 43v-44r: „On sera fort aise de voir le Roy de Prusse accablé; mais on ne sera pas fort content de contribuer à l'augmentation de la puissance de sa Majesté polonaise; on sent facilement que la cour de Dresde adoptant un plan sage de conduite, deviendroit un État considérable, et la dignité impériale ne sauroit s'accoutumer à voir autour d'elle des princes asses forts pour en etre indépendant". 158 Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. 14: „Le but de mon projet est de profiter de la révolution arrivée dans le sistème général et des circonstances présentes pour affermir de plus en plus nostre union avec la cour de Vienne, conserver en même temps nos anciens amys en mettant seulement le roy de Pologne à la place du roy de Prusse, procurer à la famille royale de Saxe une augmentation considérable d'estats et [...] d'y mettre une couronne héréditaire à la place d'une couronne élective". Vgl. auch: Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 159. 159 AAE CP Pologne 255, fol. 159r-162v, Bernis an Broglie, 31. Juli 1757, fol. 159v-160r: „M. le général Fontenoy en me faisant connoitre le mécontentement de sa cour sur le partage arresté entre les deux Impératrices pour le Roy son maître m'avoit fait des insinuations sur les cercles de Schwiebus et sur Crossen, afin de procurer à la maison de Saxe un passage assuré en Pologne sans toucher les terres d'aucun autre prince; je lui répondis qu'il devroit sentir qu'il s'en falloit beaucoup que ce partage fut arresté irrévocablement, puisque ce seroit, comme on dit partager le peau de l'ours vivant; que jusqu'à présent loin d'avoir fait aucune conqueste sur le Roy de Prusse, on n'avait été occupé qu'à s'opposer à la rapidité de ses progrès; qu'à la vérité l'action du 18 juin et la levée du siège de Prague donnoient de grandes espérances; mais qu'on n'etoit point encore entré dans ses États ni même dans la Saxe; qu'avant de régler définitivement le dédommagement dû au Roy de Pologne, il falloit commencer par le remettre en possession de ses États, et ensuite s'emparer de ce qu'on lui déstinera". 160 Ibid. fol. 160": „Que lorsque le Roy de Prusse seroit mis dans les bornes où il devoit être, et que le dédommagement du Roy de Pologne seroit tel qu'il devoit l'espérer, les considérations qui fasoient insister sur ces cessions n'auroient plus lieu, puisque sa puissance d'un coté et la foiblesse du Roy de Prusse de l'autre mettraient la maison de Saxe à l'abri de tout ce qu'elle pouroit en craindre". 161 AAE CP Autriche 259, fol. 252-255', Bernis an Choiseul, 25. September 1757, fol. 253': „L'idée de faire de la Saxe une puissance assez considérable pour la substituer à celle du Roi de Prusse, et la faire servir à former en Allemagne un prétendu équilibre de pouvoir contre le projet dont on paroit soupçonner que la cour de Vienne pourrait s'occuper dans la suite, est une chimère aussi peu susceptible de réalité qu'elle est éloignée des sentiments et desintentions du Roi".

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Für Bernis bestand keine Veranlassung, Preußens Rolle als Gegengewicht zum Kaiser mit jemand anderem zu besetzen. Er vertraute - vielleicht etwas naiv - auf eine Allianz von gleichberechtigten Partnern, auf eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Partnerschaft mit Wien.162 Seine Äußerung zeigt aber auch, daß er dem Prinzip des Gleichgewichts, mit dem die Forderung nach einem Ersatz Preußens begründet wird, kritisch gegenüberstand. Dem beweglichen System der „balance of power", einer englischen Erfindung, stellte der Abbé das Ideal der Interessenidentität der beiden europäischen Großmächte entgegen, unter deren Schirm der Friede im Reich (und in Europa) gegen Friedensstörer und Hegemoniebestrebungen verteidigt sowie friedliche Entwicklung und Prosperität ermöglicht werden könne.163 Als Großmächten stehe es ihnen frei, nach vorheriger Absprache erhebliche Territorialverschiebungen durchzuführen, wie sie der zweite Vertrag von Versailles vorsah.164 Doch Friedrich der Große behauptete sich gegen die Übermacht seiner Gegner - nicht der Preuße mußte seine Niederlage eingestehen, sondern Bernis, der von Choiseul abgelöst und Anfang Dezember 1758 durch Ludwig XV. vom Hof verbannte wurde. Eine der ersten Aktionen von Bernis' Nachfolger war die Neudefinition der Kriegsziele.165 In dem auf den 30. und 31. Dezember 1758 rückdatierten dritten Versailler Vertrag (tatsächlich im März 1759 unterzeichnet) war von der Rückstufung Preußens auf den Territorialbestand von vor 1648 nicht mehr die Rede, nur die Eroberung Schlesiens und des Herzogtums Glatz wurde für Wien angestrebt, d. h. die Wiederherstellung des Status quo von 1740. Preußen „Grenzen setzen" blieb das zentrale Anliegen der französischen Politik. Friedrich der Große habe, heißt es im Vertrag, getrieben von Ehrgeiz und ermuntert von Großbritannien, mit seiner Expansionspolitik eine imaginäre Grenze überschritten und beanspruche eine neue Rolle im Staatensystem, die von den zwei Großmächte verweigert wurde. Die zunehmende Einsicht in die Unmöglichkeit der Verwirklichung dieses Ideals mußte zu neuen Überlegungen über die Rolle Preußens im Staatensystem führen. Diese kamen von außerhalb des Außenministeriums. So erhielt Bernis im Oktober 1758, kurz vor seiner Entlassung, eine Denkschrift eines gewissen Ferrand-Dupuy, der damit zweifellos die Aufmerksamkeit des Außenministers gewinnen und sich für diplomatische Missionen empfehlen wollte.167 Ferrand-Dupuy plädierte für einen Frieden, der auf den Verträgen von Münster und Osnabrück sowie dem Versailler Vertrag beruhen sollte. Für ihn ging es in dieser Denkschrift weniger um Preußen als um England. Das Inselreich sei der eigentliche Unruheherd in Europa, weil es nach der Etablierung einer Hegemonie strebe.168 162

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Sehr kritisch über Bernis' Vertrauen zu Wien: Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 41-45, 82-83, 97-100, der nicht zu Unrecht das Ungleichgewicht der Verträge von 1756 und 1757 zu Österreichs Gunsten betont. AAE CP Autriche 259, fol. 253 r_v : „L'alliance avec l'Impératrice-Reine est un ouvrage de probité et de bonne foi, et cette union intime des deux principales puissances de l'Europe bien loin d'exciter la jalousie des autres souverains qui aiment le repos et le bonheur public, doit leur inspirer la plus grande confiance". Vgl. Consolidated Treaty Series, Bd. 41, S. 7-31. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 109-112. Consolidated Treaty Series, Bd. 41, S. 238-239: „maintenir le système germanique dans toute sa force [...] en réduisant le Roi de Prusse dans des bornes qui ne lui permettent plus de troubler, au gré de son ambition et de celle de l'Angleterre, la tranquilité générale et celle de ces voisins". AAE CP Autriche 266, fol. 177-186', „Réflexions sur la guerre présente de l'Europe". Die Identität FerrandDupuys konnte nicht geklärt werden. Möglicherweise handelt es sich um einen Verwandten des fermier général Jean Laurent Ferrand, der wiederum mit der Marquise de Pompadour verwandt war, vgl.: Gallet, Madame de Pompadour, S. 73, 176. AAE CP Autriche 266, fol. 177': „Enfin l'on trouvera un plan de réunir d'intérêt tous les différents Princes et Etats du Corps germanique à l'auguste alliance des trois grandes puissances d'Autriche, de Bourbon et de

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Wie Bernis kritisierte Ferrand-Dupuy die englische Auslegung des Gleichgewichtprinzips, das zur Verfolgung antifranzösischer Ziele instrumentalisiert werde: „Der vielbemühte Vorwand der Balance oder des Gleichgewichts, der einst glücklich dem Londoner Hof diente, um Europa gegen Frankreich aufzustacheln [...], dieser Vorwand wurde von dieser Macht wieder in die Planung seiner neuen Ränke eingebracht und unter anderen Gesichtspunkten präsentiert, um im gegenwärtigen Krieg jene Vorhaben durchzuführen, die zugleich den Besitz und die Freiheit der Nationen bedrohen".169

Um England bei der Verwirklichung des „finstersten Komplotts gegen die deutsche Freiheit" („plus noir complot contre la liberté germanique") zu hindern, schlug Ferrand-Dupuy die Annexion Hannovers vor, um so den Briten ihren Stützpunkt auf dem Festland zu rauben. Hannover (ohne Kurwürde) solle dann Preußen erhalten, das wiederum Schlesien an Wien abtreten werde. Preußens Aufstieg in den Kreis der Großmächte werde somit akzeptiert, England isoliert und der Friede im Reich durch eine Quadrupelallianz von Frankreich, Österreich, Preußen und Rußland garantiert.170 Preußens Aufnahme in den Kreis der Großmächte stand zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht zur Debatte. Bernis dankte für die Denkschrift, enthielt sich aber jedes weiteren Kommentars.171 Ganz anders analysierte dagegen der unbekannte Verfasser eines Memorandums die Situation Preußens um die Jahreswende 1758-1759. Der Krieg biete das Bild eines Chaos, Deutschland sei Schauplatz eines blutigen Krieges, in den alle deutsche Fürsten verwickelt seien und der darüber hinaus auch drohe, jederzeit ganz Europa in Brand zu setzen.172 Gut informiert, schilderte der Verfasser die Probleme Friedrichs nach Abschluß der Kampagne des Jahres 1758. Bislang sei es ihm zur Überraschung seiner Gegner noch immer gelungen, alle ihre Angriffe abzuwehren, doch die großen Verluste, die er erlitten habe, würden es ihm unmöglich machen, einem weiteren Angriff zu widerstehen. In seinem Bemühen um den Wiederaufbau einer neuen Armee entvölkere er seine Länder und sei gezwungen, viele Ausländer zum Dienst zu pressen. Diese neuen Soldaten blieben in ihrer Kampfkraft weit hinter den Veteranen zurück und würden zudem bei erster Gelegenheit desertieren. Auch sein geerbter Staatsschatz werde bald aufgebraucht sein.173 War diese Prognose nahe an der Realität,

Russie, en prenant cette alliance et le traité de Westphalie pour base d'une paix perpetuelle dans l'Empire; ce qui inflüeroit pour l'abaissement de l'excessive puissance des Anglois soit sur la mer, ou sur le continent de l'Europe, et rendroit à toutes les nations leurs droits naturels, d'indépendance et de commerce maritime, que les fiers insulaires s'efforcent d'envahir avec un pouvoir absolu et exclusif. 169 Ibid. fol. 178': „Le prétexte usé de la balance et d'équilibre, qui avoit autre fois été si heureuse à la cour de Londres, pour ameuter l'Europe contre la France [...] ce prétexte a été retourné par cette puissance dans le plan de ses nouvelles intrigues, et présenté sous d'autres faces, pour exécuter dans la guerre présente les mêmes projets qui menacent à la fois, et les possessions et les libertés des nations". 170 Ibid. fol. 178v-181v. 171 AAE CP Autriche 267, fol. 76', Bemis an Ferrand-Dupuy, 1. Dezember 1758. 172 AAE MD Autriche 38, fol. 10'-34r, „Réflexions sur la guerre d'Allemagne de 1756", fol. 10r. 173 Ibid. fol. 13': „Le Roy de Prusse, a tant perdu de monde dépuis le commencement de cette guerre, et surtout la dernière campagne, que ses plus braves troupes sont péries, les efforts prodigieux qu'il fait pour les rétablir et augmenter, vont depeupler ses États, et quand même ce prince viendroit à bout d'avoir en entrant en campagne, cent quatre vingt mille hommes comme ses partisans l'avancent, ce ne seront plus les mêmes Prussiens, tous ces vieux soldats si bien aguerris et disciplinés, ainsi que ses étrangers de différents nations, qui s'etoient voués anciennement à son service, et qui faisoient la plus grande force de ses armées n'existent plus pour la plupart, de nouvelles levées, sont toujours des recriies qui ne les remplacent pas, le Roy de Prusse, quoiqu'on en dise, ne peut avoir le secret de former un soldat, dans un mois ou six semaines encore

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was die Auswirkungen des Krieges betraf174, so irrte der Autor in seiner Erwartung hinsichtlich des weiteren Verlaufs des Krieges, der - nach dessen Urteil - bald den tiefen, selbstverschuldeten Sturz Friedrichs bringen werde: „Dieser Monarch wird am Ende untergehen. Wenn er weiter Widerstand leistet, wird ihm nur die Genugtuung bleiben, den beeindruckendsten Verteidigungskampf geleistet zu haben, den man jemals gesehen hat. Aber dies wird ihm nur ein schwacher Trost bei seinem Sturz seion, der um so größer sein wird, denn da er seinen Nachbarn gezeigt hat, wie wenig wählerisch er in der Wahl seiner Mittel ist, so werden sie alle das größte Interesse daran haben, ihn in eine Lage zu versetzen, aus der weder er noch sein Haus sich jemals wieder werden erheben können".175

Friedrich schaffte es drei weitere Jahre, immer neue Armeen aufzustellen und mit ihnen Schläge der Gegner abzuwehren. Als mit dem Beginn des Jahres 1762 erstmals ernsthafte Probleme nicht nur bei der Neuaufstellung von Truppen, sondern kriegsbedingt auch in der gesamten Administration auftauchten, rettete Friedrich bekanntlich der historische Zufall. Der Tod der Zarin Elisabeth brachte 1762 Peter III. auf den Thron, der in seiner Preußenbegeisterung die russischen Truppen abberief und erst einen Friedens- und dann einen Bündnisvertrag mit Preußen abschloß. Die Palastrevolte vom 28. Juni, die Katharina II. an die Macht brachte, stellte sich indessen nicht als Rückschlag für Preußen heraus. Rußland zog sich vollständig aus dem Krieg heraus.176 Schon bald nachdem erste Nachrichten vom Tod der Zarin und der Übernahme der Regierung durch Peter III. eingetroffen waren, stellte man Überlegungen an, welche Konsequenzen dieses Ereignis für die bestehende Allianz mit St. Petersburg haben würde. Châtelet zeichnete ein abstoßendes Porträt des Zaren und kam zu dem Schluß, daß man sich darauf vorbereiten müsse, seinen Anschlägen auf das Bündnis zu begegnen.177 Mit einer dauerhaften Regierung des Zaren rechnete er jedoch nicht.178 Praslin wußte um die Folgen eines preußisch-russischen Friedensschlusses, durch den Österreich seinen wichtigsten Verbündeten verlieren werde und damit alle Hoffnung auf die Rückgewinnung Schlesiens aufgeben müsse. Der Außenminister war in diesem Moment vor allem daran interessiert, daß man in Paris über etwaige Friedensverhandlungen informiert werde.179 Ganz ähnlich urteilte Châtelet: moins un officier; d'ailleurs les hommes qu'il prendra de force hors de ses États, lui déserteront tous, comme ont fait les Saxons". 174 „Schätzungsweise eine halbe Million Menschen haben im Verlauf des Krieges den Tod gefunden oder aus irgendeinem Grunde Preußen verlassen" (bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 4, 5 Millionen Menschen), der Krieg hatte die vom Vater geerbte Armee völlig aufgerieben, Duffy, Friedrich der Große, S. 350-351. 175 AAE MD Autriche 38, fol. 13v-14r: „Ce monarque périra à la fin; s'il s'obstine toujours, il ne lui restera que la satisfaction d'avoir fait la plus belle défense qu'on ait jamais vue; mais ce sera une bien foible consolation dans sa chute, qui sera d'autant plus grande, que s'estant fait trop craindre de ses voisins, auxquels il a fait voir, combien il etoit peu délicat sur le choix des moyens, pour parvenir à ses fins, ils auront tous, le plus grand intérêt, à le mettre hors d'etat de se relever jamais n'y lui n'y sa maison". 176 Vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 237-239. 177 AAE CP Autriche 286, fol. 134r-144v, Châtelet an Praslin, 31. Januar 1762, fol. 135r_v: „Quelque mauvaise opinion que j'eusse par avance du caractère féroce et des inclinations vicieuses de ce prince, je n'ai pû lire sans indignation l'espèce de brutalité indécente avec laquelle il demarque chaque jour ses vues, ses affections, et ses projets; il me semble qu'on ne doit s'attendre désormais de la part d'un prince sans principes, tel que celui là, que des procédés violentes et des démarches aussi contraires à l'alliance en général et plus particulièrement encore aux intérêts de la cour de Vienne que déshonorantes pour lui même". 178 Ibid. fol. 135v-136v. 179 Ibid. fol. 154-157', Praslin an Châtelet, 2. Februar 1762.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

„Seine [Peters III.] an Enthusiasmus grenzende Bewunderung der Macht und des Genies des Königs von Preußen, seine entschiedene Vorliebe für die Engländer, die kriecherische Furcht seiner Minister und ihre blinde und untätige Unterwerfung - all dies sollte uns den Abfall Rußlands als ein baldiges, unvermeidliches und in der gegenwärtigen Situation äußerst schlimmes Ereignis betrachten lassen".180

Es drohe das Auftreten eines „zweiten Königs von Preußen", der sich an keine Gesetze halte und brutal und menschenverachtend seine Interessen verfolge. Der chargé d'affaires in Hamburg, Lagau, ging von einem preußisch-russischen Bündnis aus, dessen Ziel „der Umsturz der gesamten Reichsverfassung und die Schwächung der souveränen Macht seines Hauptes" sei.181 Er war allerdings auch überzeugt, daß dieser Plan durch die vereinten Anstrengungen der Kaiserin und Frankreichs vereitelt werden könne. Optimistisch stimmte ihn auch die Beobachtung, daß man in England auf Distanz zu Friedrich gehe, da seine Unterstützung zu kostspielig werde. Mit seinem Sieg bei Burkersdorf (21. Juli 1762) ebenete sich Friedrich nicht nur den Weg zur Rückeroberung der strategisch wichtigen Festung Schweidnitz, das am 9. Oktober 1762 besetzt wurde, sondern bewirkte auch in Wien ein Umdenken. Dort sah man ein, daß es unmöglich sein werde, den Krieg ohne Verbündete fortzusetzen, denn Frankreich stand kurz vor dem Friedensschluß mit England und würde sich verpflichten, seine Truppen aus dem Reich abzuziehen.182 Noch einmal gab Friedrich Grund zur Klage über die Behandlung Sachsens, das er ein letztes Mal ausplünderte.183 Kurz vor der Unterzeichnung des Hubertusburger Friedens zog Kaunitz im Gespräch mit Châtelet eine desillusionierende Bilanz des Krieges. Die Ursachen für das Scheitern sprach er nicht weiter an, wohl aber die Konsequenzen der aktuellen Situation für künftige Konflikte im Staatensystem: „M. von Kaunitz fügte mit einem tiefen Seufzer hinzu, daß man sich nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, daß, da der König von Preußen keinen Verlust hinnehmen müsse, die Kaiserin ihren Alliierten nur wenig nützen könne. Er glaubt, den Gesandten des Königs seit langem bewiesen zu haben, daß die Niederwerfung der preußischen Macht den französischen Interessen von nicht geringerem Nutzen gewesen wäre als denen des Wiener Hofes, denn jedesmal, wenn die Engländer es richtig hielten, uns mit Krieg zu überziehen, würden sie es nicht versäumen, den König von Preußen zum Griff zu den Waffen zu ermuntern. Und die Auswirkungen seiner Unternehmungen oder schon die Furcht davor

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Ibid. fol. 182-195', Châtelet an Praslin, 3. Februar 1762, fol. 183' v: „Son admiration enthousiaste pour la puissance et le génie du Roi de Prusse, son goût décidé pour les Anglois, la crainte servile de tous ses Ministres et leur soumission passive et aveugle - tout doit nous faire envisager la défection de la Russie comme un événement aussi prompt et aussi irrémédiable qu'il est fâcheux dans les circonstances présentes". AAE CP Hambourg 86, fol. 40'-42 r , Lagau an Praslin, 9. April 1762, fol. 4 0 Μ Γ , Zitat fol. 40 v -41': „de renverser toutes les constitutions de l'Empire et d'affoiblir la puissance souveraine du c h e f . Duffy, Friedrich der Große, S. 335-347. AAE CP Autriche 292, fol. 346'-352 v , Châtelet an Praslin, 21. Dezember 1762, fol. 349 v -350 r : „La conduite du Roy de Prusse à l'égard de la Saxe qu'il acheve de ruiner de fond ensemble dans tous les genres et sa facilité, son empressement mesme à accorder la neutralité à tous les États de l'Empire qui veulent faire leur accomodement particulier, prouve à ce que me semble, que ce prince compte que sa paix se fera cet hiver et qu'il veut achever de tirer tout ce qui est possible d'un pays qu'il va être obligé de restituer et se délivrer de toutes les entraves que les divers prétentions des États de l'Empire auroient pu mettre à sa réconciliation avec la cour de Vienne".

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würden das Haus Österreich daran hindern, einen Großteil seiner Kräfte nach Flandern zu verlegen, um dort effektiv Frankreich gegen seine natürlichen Feinde zu unterstützen".184

Kaunitz wagte sogar noch eine Prophezeiung. Die Bedrohung des Staatensystems und Deutschlands durch Preußen werde nicht mit dem Tode Friedrichs enden, und folglich werde es auch für die Kaiserin nicht möglich sein, sich mit aller Energie dem „rétablissement" ihres durch den langen Krieg geschwächten Staates zu widmen: „Man dürfe sich nicht einreden, daß die von der preußischen Macht ausgehende Gefahr mit dem Lebensende des Monarchen verschwinden werde. Denn die gleiche Schule und die gleichen Prinzipien werden nach seinem Tode weiterexistieren, und selbst wenn sie nicht von einem über ein dem Preußenkönig vergleichbares umfassendes Genie verfügenden Fürsten angewandt würden, versetzten die Mittel, die er bereitgestellt hat, seine Nachfolger in die Lage, nicht nur alle Kräfte Österreichs zu beanspruchen, sondern sie selbst im Frieden derart angespannt zu lassen, daß es daran gehindert werde, die Lücken zu schließen, die die letzten Kriege in den Finanzen und in der Bevölkerung gerissen haben".185

Dies war das Eingeständnis des definitiven Scheiterns der französisch-österreichischen Kriegsziele, wie sie 1757 und 1758 formuliert worden waren. Friedrich dem Großen waren keine Grenzen gesetzt worden, wenngleich sein Staat durch den Krieg so erschöpft war, daß eine Fortsetzung einer aggressiven Expansionspolitik nicht mehr möglich war - ganz abgesehen davon, daß der König dies auch nicht mehr im Sinn hatte.186 Doch das Mißtrauen blieb bestehen weiterhin. Gegen Ende des Jahres 1765 legte Choiseul Ludwig XV. in einer umfangreichen Denkschrift Rechenschaft über seine Tätigkeit ab. Darin kam er verständlicherweise auch auf die außenpolitische Lage nach dem Friedensschluß und auf Friedrich den Großen zu sprechen. Seine Bemerkungen zeigen die Konstanz eines negativen Friedrichbildes. Noch immer betrachtete der Herzog die Frage des Besitzes von Schlesien als nicht eindeutig geklärt. Daher könne sich darüber jederzeit ein bewaffneter Konflikt entzünden. Friedrich, dem zu Lebzeiten keine Gefahr mehr von Wien drohe, der

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AAE CP Autriche 293, fol. 25 r -32 r , Châtelet an Praslin, 6. Januar 1763, fol. 27 v -28 v : „M. de Kaunitz m'a ajouté avec un profond soupir qu'il ne falloit pas dissimuler que le Roi de Prusse restant dans son entier, l'Impératrice ne pourroit pas être aussi utile à ses alliés; qu'il croyoit avoir prouvé depuis longtems aux ministres du Roi, que l'abaissement de la puissance prussienne n'auroit pas été moins utile aux intérêts de la France qu'à ceux de la cour de Vienne, puisque toutes les fois que les Anglois jugeroient à propos de nous faire la guerre, ils ne manqueroient pas d'exciter le Roi de Prusse à prendre les armes, et que l'effet, ou seulement la crainte de ses entreprises empêcheroient toujours la Maison d'Autriche de pouvoir porter la plus grande partie de ses forces en Flandre, et d'y être effectivement utile à la France contre ses ennemis naturels". Ibid. fol. 28 v -29 y : „il ne falloit pas même se flatter que le danger de la puissance prussienne finit avec la vie du monarque qui la gouvernoit maintenant, parce que la même école et les mêmes principes existeroient après sa mort, et que s'ils n'etoient pas mis en usage par un Prince d'un génie aussi vaste que celui du Roi de Prusse, les moyens que celui avoit préparé suffiroient pour mettre son successeur en état, non seulement d'occuper toutes les forces de la maison d'Autriche, mais de la tenir encore pendant la paix dans un état force qui l'empêcheroit de réparer les brèches que les dernières guerres avoient fait à la population et aux finances". Siehe dazu jetzt bilanzierend: Kunisch, Friedrich der Große, S. 430-463.

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aber noch immer von Expansion träume, sei durchaus in der Lage, wieder einen Krieg zu entfachen.187 Das Bild Friedrichs als eines skrupellosen, konsequent die eigenen Interessen verfolgenden Politiker blieb auch nach 1765 noch so virulent, daß es von Choiseul hier eingesetzt werden konnte, um Frankreich eine Vermittlerposition zwischen Wien und Berlin zuzuweisen.188 Eine grundsätzliche Veränderung des Urteil über den Monarchen blieb aus. Friedrich der Große als Außenpolitiker besaß weiterhin ein denkbar schlechtes Image in Frankreich. Dies bedeutete jedoch nicht, daß man darauf verzichtete, Preußen in außenpolitische Überlegungen einzubeziehen. Das ehedem von Bernis kritisierte Konzept des Gleichgewichts hatte sich durchgesetzt, und Preußen nahm eine wichtige Rolle im Gleichgewicht des Reiches ein. Ohne daß die diplomatischen Beziehungen dauerhaft wieder aufgenommen wurden, entstand in den Jahrzehnten bis zur Revolution, so Eckhart Buddruss, eine „informelle preußisch-französische Entente", die in der wohlwollenden Tolerierung des Fürstenbundes durch Frankreich gipfelte.189

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Choiseul, Mémoires, ed. Calmettes, S. 391: „Dans quelques annés les projets singuliers de ce prince, l'habitude de la guerre qu'il a contractée, les vues d'inquiétude et d'agrandissement qu'il ne cesse d'avoir, ne l'engageassent, s'il se porte bien, dans une nouvelle guerre". Zum Ursprungs des Memorandums siehe: Chaussinand-Nogaret, Choiseul, S. 167-173. 188 Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 164. 189 Ibid. S. 163-179, Zitat S. 176.

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3. Der preußische Staat In den vorangehenden Kapiteln konnte dargelegt werden, wie sehr die Perzeption Preußens im Siebenjährigen Krieg durch die Persönlichkeit Friedrichs des Großen geprägt wurde. Seine Handlungen, seine Politik und sein Feldherrengenie stießen in den diplomatischen Kreisen und im Außenministerium auf eine Mischung aus Ablehnung und Bewunderung. Seine Erfolge wurden anerkannt, seine Ziele eindeutig kritisiert. Die französische Diplomatie identifizierte aber keineswegs Friedrich mit dem preußischen Staat. Die Analyse von Denkschriften aus der Hand der Diplomaten, aber auch der commis und anderer, wird zeigen, wie genau man in Frankreich über Stärken und Schwächen der preußischen Monarchie informiert war. Die französische Diplomatie erklärte den Aufstieg Preußens unter die Großmächte nicht allein mit der außergewöhnlichen Herrscherpersönlichkeit Friedrichs. Die Denkschriften des Pariser Außenministeriums ermöglichen die Einblicknahme in zeitgenössische Urteile über die preußische absolute Monarchie: Wie beurteilte man die preußische Verwaltung, der für das 18. Jahrhundert eine im Vergleich zu anderen Monarchien „überdurchschnittliche Herrschaftsintensität"1 bescheinigt wird? Wie bewerteten die französischen Diplomaten die Tätigkeit des Monarchen? Wie urteilten die Diplomaten über den von Friedrich verkörperten Idealtypus eines „aufgeklärten Herrschers"? Geben die Berichte der Diplomaten Aufschluß über zentrale Frage der Geschichte Preußens: „Wie ist es zu erklären, daß gerade dieses Land zu einem so wesentlichen Faktor deutscher und europäischer Geschichte emporstieg, daß aus den bescheidenen Anfangen des Kurfürstentums Brandenburg und des Herzogtums Preußen schließlich eine die Geschichte des alten Europas nicht unwesentlich beeinflussende Macht erwuchs?"3 Wesentlich für den Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht war die Tatsache, daß es den preußischen Monarchen gelang, eine im Verhältnis zu den Ressourcen des Staates überdimensionierte Armee über Jahrzehnte hinweg zu finanzieren, einsatzbereit zu halten und zur Verfolgung politischer Ziele zu nutzen.4 Schuf Friedrich Wilhelm I. die Grundlagen des preußischen Militärstaates, ohne außenpolitische Ziele allzu nachdrücklich zu verfolgen, so setzte sein Sohn Friedrich II. das Erbe konsequent zur Vergrößerung der preußischen Macht ein. Der Erwerb Schlesiens stärkte die „kriegswirtschaftliche Infrastruktur" Preußens erheblich, wenngleich man auch weiterhin auf den Import von Rohstoffen und Rüstungsprodukten angewiesen blieb.5 Voraussetzung für den Aufbau und Erhalt dieses Militärstaates war das Vorhandensein einer effektiven Administration und die Einbindung bzw. Unterwerfung aller gesellschaftlichen Kräfte, vor allem des Adels, unter die Ziele der Monarchen. Zur Perzeption des preußischen Staates Die Antwort der französischen Diplomatie auf die obige Frage bestätigt weitgehend die Ergebnisse der historischen Forschung. Daß Preußens Aufstieg nicht allein Friedrich dem Großen zuzuschreiben war, sondern Ergebnis einer mit dem Großen Kurfürsten einsetzenden 1 2

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Neugebauer, Zur neueren Deutung der preußischen Verwaltung, S. 578. Schieder, Friedrich der Große, S. 284; vgl. auch die Diskussion der Forschung bei: Demel, Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, S. 67-69. Neugebauer, Zur neueren Deutung der preußischen Verwaltung, S. 542. Vgl. konzise zusammenfassend: Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 154-161. Ibid. S. 160.

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Entwicklung, stand außer Frage. Noch vor dem Siebenjährigen Krieg zeichnete man in internen Denkschriften des Außenministeriums die Geschichte Brandenburg-Preußens seit der Belehnung des Nürnberger Burggrafen Friedrich VI. mit der Mark Brandenburg durch Kaiser Sigismund im Jahre 1417 nach. Ausdrücklich wurde darin der in der historischen Forschung nur wenig gewürdigte erste König Friedrich I. gerühmt, der Ordnung in die Finanzen gebracht, als Mäzen gewirkt und durch die Aufnahme der französischen Glaubensflüchtlinge die Stärke seiner Armee erhöht und die Anzahl seiner Händler und Untertanen vermehrt habe.6 Friedrich Wilhelm I. sei diesem Beispiel gefolgt und habe nicht zuletzt durch seine außergewöhnliche Sparsamkeit die Grundlage für die durch Friedrich II. vollzogene Expansion des Staates geschaffen.7 Es fehle dem preußischen Staate jedoch eine mit Frankreich vergleichbare territoriale Homogenität, was der Autor der Denkschrift als eine strukturelle Schwäche betrachtete, da die zerstreuten, von Baltikum zum Rhein reichenden Territorien so gut wie nicht zu verteidigen seien.8 Bereits dieser erste Auszug aus den Akten belegt, daß die französische Diplomatie Stärken und Schwächen des „Aufsteigers" im Staatensystem präzise einzuschätzen wußte. Memoranden der Diplomaten und Mitarbeiter des Außenministeriums über Administration und Regierungspraxis zeichnen sich durch bis ins kleinste Detail reichende Beschreibungen aus. Eine möglicherweise von La Touche verfaßte Schrift aus dem Jahre 1753 stellt ζ. B. das preußische Steuersystem dar. Mit 45-50 Millionen Livres schätzte der Diplomat recht genau die Staatseinnahmen ein.9 An der positiven Beurteilung durch den Autor besteht kein Zweifel: Da der Großteil der Einnahmen in den Unterhalt des Heeres fließe und an Ort und Stelle verwandt werde, biete sich den Steuereinnehmern keine Gelegenheit zum Mißbrauch der ihnen anvertrauten Gelder.10 Die in den 1770er Jahren von Brunei, premier commis des contrôleur général L'Averdy, angefertigte Beschreibung Preußens enthält weiterhin eine detaillierte Aufschlüsselung der Einnahmen, aus der Akzise, aus den Verbrauchssteuern, dem

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AAE MD Prusse 2, fol. 20Γ-206', „Gouvernement de Prusse" 1751, fol. 202r: „Frédéric III, électeur de Brandebourg et duc de Prusse, mit beaucoup d'ordre dans ses finances, et fit fleurir les arts et les manufactures. Les religionnaires de France qui venoient de se retirer en Brandenbourg avoient augmenté le nombre de ses troupes, de ses négociants et des ses sujets". Ibid. fol. 202v-203r: „Le fils du nouveau Roy de Prusse peupla la Prusse d'Allemands, qu'il y attira et surtout des protestants de Saltzbourg, comme son père avoit peuplé le Brandenbourg de calvinstes de France, il augmenta ses autres États, et par une économie dont peu de Princes fournissent l'exemple, laissa une armée et un trésor qui ont mis Frédéric II Roy de Prusse en état d'augmenter encore d'avantage le patrimoine de la maison de Brandenbourg". Ibid fol. 205v: „Les États du Roy de Prusse sont dispersés de la Mer Baltique jusqu'au Rhin et du Rhin jusqu'à la Meuse. Ni son royaume, ni son électorat, ni aucun de ses autres domaines ne sont bien fortifiées. [...] Mais il a 300 lieus de frontières à garder". AAE MD Prusse 2, „Mémoire sur l'administration du Roy de Prusse", 1753, fol. 263-273', fol. 263'. Welcher Kurs dieser Umrechnung zu Grunde gelegt wurde, ist nicht bekannt. 1760 gibt das Dictionnaire de Commerce als Kurs 3, 75 lt. für 1 Reichstaler an; vgl.: Hartmann, Steuersystem, S. 222, Anm. 755. Für das Jahr 1752-1753 werden an Gesamteinnahmen 10 700 289 Reichstaler, 3 Groschen und 6 Pfennig genannt. Die hier genannte Zahl liegt demnach etwas zu hoch, vgl.: Riedel, Der Brandenburgisch-preussische Staatshaushalt, Beilage Nr. XIV. AAE MD Prusse 2, fol. 264 v -265': „Comme la paye des troupes fait presque la seule dépense du Roi, et que ses troupes sont distribués par tout le pays, cela fait que les contributions de chaque district restent dans le lieu qui a été contribué et qu'on ne transporte presque d'argent des provinces à la capitale. Voici d'autres suites de cet arrangement: il n'y a presque jamais de somme considérable en caisse. Le caissier ne peut ni prêter l'argent à intérêts, ni faire un petit commerce et par conséquent point de faillité".

I. Das Preußenbild

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Salzregal, den Zöllen bis hin zu den von den Juden erhobenen Schutzgeldern.11 Das positive Urteil über den preußischen Staatshaushalt wurde nicht zuletzt durch die persönliche Sparsamkeit des Königs bestimmt, der sich mit einer bescheidenen Hofhaltung begnügte. Ob dies als verdeckte Kritik am höfischen Luxus von Versailles zu verstehen ist, sei dahingestellt. Sparsamkeit und Bescheidenheit in der Hofhaltung waren in den Augen des Autors ein typisches Kennzeichen des „aufgeklärten" Herrschers.12 Die preußische Armee Angesichts der Reputation des preußischen Militärs es nicht, daß neben Details zur preußischen Administration13 der Heeresorganisation in den Denkschriften große Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Das in der Forschung als „Militarisierung der Gesellschaft" (Otto Büsch) charakterisierte Phänomen, die Durchdringung fast aller Lebensbereiche der Bevölkerung durch das Militärsystem, blieb den Diplomaten nicht verborgen. In aller Ausführlichkeit beschrieben sie das Leben der einfachen Soldaten wie das der Offiziere, ihre Einkünfte, ihre Ausrüstung durch staatliche Betriebe wie z.B. durch das Lagerhaus in Berlin14 und immer wieder das Fundament der preußischen Militärmacht, das Kantonsystem: 11

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AAE MD Prusse 7, fol. 17Γ-181', „Électorat de Brandenbourg et royaume de Prusse", von Brunet 1777, fol. 176r: „Revenus du Roi". Vgl. Kapitel Α. II., S. 56. AAE MD Prusse 2, fol. 266 r_v : „Plusieurs objets qui absorbent bien de millions dans les autres pays, ou n'existent point, ou sont de peu de conséquence chez lui. Il n'a point de marine, peu de places à défendre. La dépense de la maison du Roi et de la Reine est très modérée. Je n'ai jamais vu le Roi ni aucun de trois Princes ses frères habillés autrement qu'en bottes et en uniforme, et je suis persuadé que la garderobe de tous quatre ne coûte pas 2000 écu à la fin de l'année". Zum Typus des „aufgekärten" Herrschers vgl.: Demel, Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, S. 3. Erwähnung finden u.a. das „bureau des incendies", die Ausbildungsstätten für Staatsdiener (die kurzlebige „Diplomatenschule" und die Kadettenakademie) wie auch luthersche Elementarschulen in Berlin. Vgl.: AAE MD Prusse 2, fol. 270'-272 r , bes. fol. 271 y : „Le Roi actuellement régnant a fait deux ou trois bons établissemens [...] l'un est de conseillers de légations; ce sont douze jeunes gens que l'on choisit selon les talens et leurs dispositions à entrer dans la carrière des négociations et qui ont fait les études convenables. On les fait travailler dans les bureaux des affaires étrangères sous les ordres des secrétaires d'État, ils sont supposés avoir quelque bien à eux; et le Roi ne leur donne que 3000 écus à chacun. C'est de ce corps qu'on tire les secrétaires de légation, et quelques fois les envoyés. [...] Il y a une académie des cadets d'environ 230 gens de condition, ils sont élevés aux études et exercices convenables aux dépens du Roi: ils ont pour leur entretien les simples nécessaires et rien davantage. On les a accoutumés à faire continuellement toutes les fonctions des soldats. En sortant de là on en fait des bas officiers et ils montent par degrés aux emplois militaires". Über das Lagerhaus siehe: Mittenzwei, Herzfeld, Brandenburg-Preußen, S. 217; Hinrichs, Lagerhaus; mit dem „bureau des incendies" ist wahrscheinlich die von Friedrich Wilhelm I. 1718 gegründete „Feuersocietät", eine der ersten Brandversicherungen, gemeint, vgl. dazu: Dorwart, The Prussian Welfare State, S. 300-304. Zur „Diplomatenschule" Friedrichs des Großen: Anderson, The Rise of Modern Diplomacy, S. 93; Friedrichs Seminar wurde 1747 gegründet und verfiel bald. Erst 1775 griff er das Projekt erneut auf. Über das Kadettenkorps: Duffy, Friedrich der Große und seine Armee, S. 33-37. AAE MD Prusse 2, fol. 266 v -267 r : „Le soldat prussien a l'équivalent de 5 s[ous] de France par jour, mais il faut être toujours poudré, et mettre une chemise blanche chaque fois qu'il monte la garde. Comme il n'y a point de casernes dans les pays et que le soldat est logé chez le bourgeois, il a par là quelques douceurs que d'autres n'ont pas d'ailleurs. Dans les troupes sur le pied allemand, il y a une grande économie sur le nombre des officiers, n'y en ayant que quatre à une compagnie de 122 hommes, encore la paye de ces officiers n'est que modique. On prétend qu'une compagnie peut valoir 2000 écus à un capitaine prussien, mais le Roi ne lui donne que 30 écus par mois, 11 à un Lieutenant, 7 à un enseigne de même qu'à un sous-lieutenant: mais ces officiers ont de profits sur les logements, le feu, le lin qu'on leur paye en argent". Die hier genannten Sum-

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„Jedem Regiment, sogar jeder Kompagnie ist ein Distrikt zugeordnet, der zur Stellung von Rekruten verpflichtet ist. Alle preußischen Soldaten haben vom Hauptmann die Erlaubnis, während zehn Monaten des Jahres in ihre Dörfer zurückzukehren und ihre Felder zu bestellen. In den Monaten Mai und Juni, wenn es auf den Feldern nicht viel zu tun gibt und die Zeit der Revuen kommt, schließen sie sich ihren Einheiten wieder an".15 Dank der hervorragenden Disziplin der Truppen seien zwei Monate Dienst im Jahr für den Erhalt der Einsatzfahigkeit völlig ausreichend.16 Die Tatsache, daß die Soldaten die restlichen Monate beurlaubt seien und keinen Sold erhielten, ermögliche letztlich nicht nur das Auskommen des Offiziers, sondern stelle diesem die notwendigen Mittel zur Verfügung, um die auch weiterhin benötigten ausländischen Söldner anzuwerben.17 Die Kantonisten blieben eng mit dem Zivilleben verbunden, denn es werde ihnen u.a. erlaubt zu heiraten, wozu auch die landfremden Soldaten ermuntert würden. Die weiterhin große Bedeutung der landfremden Soldaten wird von der Forschung bestätigt. Gerade während des Siebenjährigen Krieges bestand zeitweise nur noch ein Drittel der Armee aus Landeskindern, den Rest bildeten Ausländer, eingefangene Deserteure und Dienstverpflichtete.18 Bezüglich der Erteilung der Heiratserlaubnis an die Kantonisten ist jedoch anzumerken, daß die „Kapitäne das Heiraten weitgehend erschwerten" und sich „die Heiratskonsense bezahlen" ließen, obwohl dies eigentlich durch Friedrich Wilhelm I. verboten worden war.19 Die Beschreibung dieser Regelungen und ihrer Konsequenzen für das Sozialleben im preußischen Staat mündete in der Feststellung: „Jeder Preuße wird als Soldat geboren".20 Auch der Adel könne sich dem Zwang zum Militärdienst nicht entziehen, obwohl dieser schlecht bezahlt und von großer Härte geprägt sei, wie anhand von Beispielen gezeigt wird.21 Aufrechterhalten werde das System durch die Persönlichkeit des Königs, der es verstanden habe, den Eindruck zu er-

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men stimmen weitgehend mit denen bei: Büsch, Militärsystem und Sozialleben, S. 117-119, und: Duffy, Friedrich der Große und seine Armee, S. 39, aufgeführten überein, wenngleich nicht klar ist, nach welchen Kurs La Touche Reichstaler und écu verrechnet. Zur Pflege der Ausrüstung und Haartracht, ibid., S. 129-130. AAE MD Prasse 2, fol. 267 v : „Chaque regiment, même chaque compagnie a un certain district qui est obligé de lui fournir des recrues. Tous les soldats prussiens ont la permission du capitaine d'aller pendant 10 mois de l'année à leur village cultiver les terres. Aux mois de May et de Juin qu'il y a pas grand chose à faire à la campagne et que c'est le tems des revues, ils joignent leurs corps". Ibid.: „La discipline est si exacte et si bonne, qu'avec ces deux mois; on est sûr qu'ils n'oublieront pas les choses le reste de l'année". Ibid. fol. 267 v -268 r . Zur Rekrutierungspraxis und Kompagniewirtschaft: Büsch, Militärsystem und Sozialleben, S. 114, 125-126; Duffy, Friedrich der Große und seine Armee, S. 75-88; zusammenfassend: Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 158. Büsch, Militärsystem und Sozialleben, S. 39; auch: Jany, Die Kantonsverfassung, S. 785-787. AAE MD Prasse 2, fol. 267 v : „Tout Prussien est né soldat". Die Bemerkung spielt wahrscheinlich darauf an, daß schon Neugeborenen männlichen Geschlechts zum Zeichen ihrer Dienstpflichtigkeit eine rote Binde in die Wiege gelegt wurde, siehe: Kloosterhuis, Zwischen Aufruhr und Akzeptanz, S. 189. Ibid. fol. 267': „La noblesse est assez dans le goût de servir, et un gentilhomme qui depense un bien de 6 ou 8 mille écus par an donne plus à S. M. qu'elle ne lui donnera d'appointement jusqu'à ce qu'il soit général »; fol. 268r: „Le service est rude pour les officiers, il n'a pas grande fortune à faire. L'officier est engagé pour la vie comme le soldat. [...] Un officier subalterne qui avoit servi 30 ans sur un mauvais traitement qu'il avoit reçu, se jetta dans la rivière et se noya. [...] j'ai vu un général à la face de tout un regiment traiter un major qui commandoit l'exercise, comme on ne traiteroit pas son domestique. Cela rend le service bien désagréable à nombre d'honnêtes gens qui s'y trouvent engagés".

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wecken, über alles informiert zu sein und somit seine Untertanen in einem Zustand der ständigen Furcht halte.22 Neben solchen Zustandsbeschreibungen des durch die Allgegenwart des Militärs geprägten Alltags in Preußen finden sich in den Akten des Außenministeriums historische Abhandlungen über die Genese der preußischen Armee. Beginnend mit den ersten Kurfürsten des Hauses Hohenzollern, wird der Weg von der Einberufung des „anière-ban", d. h. der Heerfolge der Lehnsmänner des Kurfürsten, bis hin zum Kantonreglement Friedrich Willhelms I. geschildert. Es entsteht das Bild einer Armee, die sich von einem undisziplinierten „Haufen" zu einem schlagkräftigen Instrument in den Händen des Herrschers entwickelt hat.23 Als Spezifika der preußischen Armee werden zwei Merkmale herausgearbeitet: das Kantonsystem und die Disziplin der Truppen. Die Diplomaten als Mittler bei militärtheoretischen Diskussionen Darüber hinaus war das preußische Heer auch immer Gegenstand der regelmäßigen Berichterstattung der Diplomaten. La Touches Berichte über die Manöver der friderizianischen Armee und seine kritischen Urteile wurden bereits zitiert. Die Gesandten standen im direkten Kontakt mit dem Kriegsministerium, das über bemerkenswerte Entwicklungen und Neuerungen im Bereich des Militärwesens informiert werden mußte. Ein Beispiel dafür ist ein Brief des Marquis de Valory vom 13. April 1756 an den Kriegsminister d'Argenson. Darin berichtete er über den Versuch Friedrichs II., die Pike „von neuem als Kriegswaffe zu etablieren".24 Valory enthielt sich eines expliziten Kommentars, doch seine Bemerkung, die Waffe, mit der Friedrich Teile seiner Infanterie ausrüsten wolle, entspreche derjenigen, die vor neunzig Jahren in Frankreich eingesetzt worden sei, weist in aller Deutlichkeit auf Frieddrichs größten „Irrtum als Militärtechniker" hin.25 Die Beobachtung Valorys wie auch die Darstellungen La Touches und anderer Autoren der Denkschriften des Außenministeriums ordnen sich ein in eine umfassende Strategiedebatte des 18. Jahrhunderts. Zu den bedeutendsten Stimmen in dieser militärtheoretischen Diskussion gehören Autoren wie der Militärtheoretiker Chevalier de Folard oder Moritz von Sachsen. Friedrichs Idee, die Pike bzw. eine Hieb- und Stoßwaffe zumindest für Teile eines Regimentes wieder einzuführen, ging zurück auf die Schriften Folards, der, ausgehend von eigenen Erfahrungen im Spanischen Erbfolgekrieg und der Rezeption antiker Schriftsteller (Polybios), den Vorrang des konzentrierten Sturmangriffs vor dem massierten Feuer einer in die 22

23

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Ibid. fol. 268r~v: „Tous le monde croit que les yeux du Roi sont sur lui. On se figure qu'il a un espion dans chaque batallion, parce qu'il relève quelque fois de petits incidens qui se sont passés, et qu'on ne comprend pas comme il les a sçus. Le grand art de ce prince est de gouverner par des impressions qu'il a le secret de donner plutôt que par sa sévérité. L'idée qu'on a aussi qu'il écoute tous le monde, qu'il voit les lettres de tous ceux qui lui écrivent et y fait réponse empêche bien des desordres. En général, je crois que ce prince a sçu donner une impression qui passe la réalité de quelque côté". AAE MD Prusse 4, fol. 15r-30v, „Du militaire depuis son institution jusqu'à la règne de Frédéric Guillaume second [Roy de Prusse]", nach 1786 entstanden. Duffy, Friedrich der Große und seine Armee, S. 133. Valory, Mémoires des négociations du Marquis de Valory, Bd. 2, S. 13: „Vous savez, Monsieur, que sa [= Friedrich II.] méthode est de faire combattre ses troupes sur trois [sic] de hauteur. On m'a dit que le projet était d'armer de piques le troisième rang, et de piques, qui m'ont paru être de la même longueur que celles qu'on portait en France, il y a quatre-vingt-dix ans, c'est-à-dire de treize pieds; de sorte que les rangs serrés pour combattre, il ne peut sortir des dites piques en avant du premier rang qu'environ cinq pieds; qu'ainsi, les lances des piques se trouveraient sur la même ligne que les baïonnettes des soldats du premier rang". Weitere Details dazu bei: Dujfy, Friedrich der Große und seine Armee, S. 131, das Zitat ibid.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Breite gezogenen Schützenkette propagiert hatte.26 Folards Ideen konnten sich angesichts der ständig verbesserten Feuerkraft der Infanterie nicht durchsetzen. Gleichwohl ließ Frieddrich II. in der Schlacht bei Prag (6. Mai 1757) seine Infanterie, ohne sie feuern zu lassen, gegen die feindlichen Linien stürmen - ein Fehler, der vielen Soldaten das Leben kostete: „Ganze Reihen der Preußen wurden buchstäblich niedergemäht".27 Die Beschreibung der strikten Disziplin der preußischen Truppen lenkte den Blick der Empfänger in den französischen Ministerien auf die offensichtlichen Mißstände in der französischen Armee. Schon in der Schlacht bei Dettingen 1743 offenbarte sich ein gravierender Mangel an Disziplin der französischen Truppen, sei es, daß die Infanterie nicht in der Lage war, den massierten Musketensalven der Briten anders als durch unkontrolliertes Einzelfeuer zu begegnen, sei es, daß die Kavallerie zu keinen geordneten Bewegungen fähig war und sich nur durch ungestümen Angriff auszeichnen konnte.28 Die Probleme der französischen Armee und insbesondere ihrer Führung, die sich 1757 mehr durch Plünderung der besetzten Gebiete als durch erfolgreich bestandene Schlachten hervortat, verliehen diesen Schilderungen daher besonderes Gewicht. Die preußische Armee wurde so zum Vorbild für ein schlagkräftiges Heer, und die Erfolge Friedrichs II. im Siebenjährigen Krieg verstärkten ihre Reputation. So verwundert es nicht, daß Friedrichs Armee zum Leitbild avancierte, an dem sich Reformen seit 1763 immer wieder orientierten. Gegen die Bemühungen des Herzogs von Choiseul, das französische Militär - insbesondere das Offizierskorps - nach preußischem Vorbild zu organisieren, erhoben sich seit den 1770er Jahren zahlreiche Stimmen, die unter Berufung auf die Unvereinbarkeit des preußischen Modells mit dem französischen „Nationalcharakter" vor einer Imitation warnten. Ein gewisser Ungehorsam liege in der Natur des französischen Soldaten, und seine Disziplinierung mit dem preußischen Unteroffiziersstock würde nur negative Konsequenzen haben.29 Hingegen kam der Autor der oben erwähnten Schrift über die Genese der preußischen Armee unter ausdrücklichem Rückgriff auf die Antike und auch auf die zeitgenössische Diskussion der Militärtheoretiker zu dem Ergebnis, daß der Schlüssel zum Erfolg der preußischen Armee in ihrer Disziplin und Ordnung liege.30 So zeigen sowohl die Diskussion um die Wiedereinführung der Pike als Infanteriewaffe wie auch das Beispiel der Militärreformen und die Enquête zum Steuersystem der europäischen Staaten nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, daß das von den Diplomaten zusammengetragene und im Ministerium ausgewertete Material nicht allein in den außenpolitischen Entscheidungsprozeß einfloß, sondern auch andere Bereiche der Regierung berührte. Friedrich der Große und die preußische Großmachtbildung Daß die Schöpfung des preußischen Militärstaates Ergebnis einer jahrzehntelangen Reformtätigkeit war und nicht allein das Werk Friedrichs II., daran bestand für die Diplomaten kein Zweifel. Unbestritten waren sein Charisma und seine Anziehungskraft, doch drohe darüber das Werk seines Vaters in Vergessenheit zu geraten:

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Corvisier, Histoire militaire de la France, S. 54-59, bes. S. 58 über Folards Theorie des „choc". Duffy, Friedrich der Große, S. 171. Corvisier, Histoire militaire de la France, S. 60, 65. Vgl. dazu ausführlich: Opitz-Belakhal, Militärreformen, S. 350-358. AAE MD Prusse 4, fol. 30": „On peut appliquer à cette milice ce que ... [Auslassung im Text] dit de celle des Romains: la discipline les fit triompher des ruses des Grecs, de la force des germains, de la grande taille des gaulois et de toutes nations de la terre".

I. Das

Preußenbild

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„Die Brillanz des regierenden Königs zieht Tausende von Neugierigen an. Man glaubt, daß alles, w a s man bei ihm findet, neu ist, man erweist dem König Friedrich alle Ehren und verbreitet überall, daß er die besten Einrichtungen der Welt gegründet habe. Man muß jedoch daran erinnern, daß der Vater mehr von diesen eingeführt hat als der Sohn, aber da er nur wenig Glanz verbreitete und seinen großen und soliden Talenten d i e s e n nicht angemessene Fehler entgegenstanden, hat man ihm niemals Gerechtigkeit widerfahren lassen. Alle verschwören sich stattdessen, um die Verdienste des Sohnes zu rühmen, ihm selbst die des anderen zuzuschreiben. U n d insbesondere v o m harten und

unpo-

pulären Regiment des Vaters hebt sich der Glanz des Sohnes ab, da er all jene in Ansätzen beim Vater vorhandenen Qualitäten zur Blüte zu führen scheint und dessen Fehler korrigiert, indem er die gegenteiligen Tugenden pflegt". 31 Friedrichs R e p u t a t i o n gründete in d e m P a u k e n s c h l a g , m i t d e m er s e i n e R e g i e r u n g eröffnete. W i s s e n d u m d a s w o h l b e s t a l l t e Erbe, d a s i h m s e i n V a t e r h i n t e r l a s s e n hatte, e r g r i f f er 1 7 4 0 d i e g ü n s t i g e G e l e g e n h e i t , d i e s i c h durch d e n T o d K a i s e r Karls V I . e r g e b e n hatte. S e i n e n w i d e r s p r ü c h l i c h e n Charakter, s e i n e V o r l i e b e für „das S c h ö n e u n d Große" u n d sein e n H a n g z u „ F r i v o l i t ä t e n " führte m a n a u f d i e ü b e r m ä ß i g s t r e n g e u n d p l a n l o s e Erziehung durch d e n V a t e r zurück ( w a s s o n i c h t zutrifft 3 2 ), der s i c h der S o h n durch d i e F l u c h t z u den „ g e n s d'esprit" e n t z o g e n habe. 3 3 Trotz seiner E r f o l g e u n d seiner F ä h i g k e i t e n beurteilte m a n d i e R e g i e r u n g s w e i s e Friedrichs d e s h a l b nicht als v o r b i l d l i c h : „Ich behaupte jedoch nicht, daß dieser Fürst unfehlbar ist. Ich glaube sogar, daß sein System einen großen Fehler hat: den, daß alles v o n seiner Person abhängt. Wenn er abwesend ist, verfällt alles in ein großes Durcheinander. Der Thronerbe weiß absolut n i c h t s von dem, was er wissen sollte. [...] Übrigens bildet er auch keine Minister aus. Diejenigen,

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AAE MD Prusse 2, fol. 268 v -269': „Le brillant du Roi régnant y attire mille curieux, on a cru que tous ce qu'on trouvoit chez lui étoit nouveau, et on a fait honneur au Roi Frédéric et on a publié partout qu'il avoit fait les plus beaux établissemens du monde. Il faut convenir cependant que le père a beaucoup plus fait en cela que le fils; mais comme c'étoit un prince qui n'avoit point de brillant et dont les grandes et solides talens étaient contrebalancés par des défauts peu digne de lui, on ne lui a jamais rendu justice. Tout conspire au contraire à illustrer le mérite du fils, et même à lui attribuer celui d'autrui et surtout le règne dur et peu populaire du père relève extrêmement l'éclat d'un fils qui sembloit avoir brillanté tous les belles qualités qui étaient connus en brut dans le père et corrigé tous ses défauts en exerçant les vertus contraires". Vgl.: Schieder, Friedrich der Große, S. 20-23. AAE MD Prusse 2, fol. 269 r -270 r : „Venons à ses qualités personnelles, auxquelles on ne fait pas assez d'attention et à son heureux caractère, ou à son habilité, à joindre ensemble des talens qui ne se trouvent guères unis dans le même homme. Il est le plus despotique de tous les princes, le plus humain de tous les hommes. [...] En considérant dans le caractère de ce prince une espèce de contraste, un goût décidé pour le beau et le grand et en même tems pour le frivole, on voudroit attribuer une partie de son mérite à ceux qui travaillent sous lui, mais le mérite d'un prince est celui de la bonne direction, c'est choisir entre ses sujets les plus propres à la déstination qu'il leur donne et entre les avis et les projets qu'on lui présente de choisir le meilleur. À l'égard de ce goût pour le frivole, il est du je crois à son éducation, qui a été mauvaise autant que son père a pu la rendre telle, n'ayant point eu de principes solides, et ayant un esprit rempli de feu, il eut le malheur de rencontrer des gens qui n'avaient autre mérite que d'être gens d'esprit; il les admira, crut qu rien n'était plus beau que d'écrire poliment, de faire de jolis vers etc. Ce goût lui a duré un peu trop, il lui occupe trop de tems; mais il ne néglige pas ses affaires serieuses, et après tout il faut du relâchement d'esprit, les uns suivent des sangliers, les autres font des parterres et des jets d'eau etc., celui-ci joue la flutte, cherche un rime, une jolie pensée ou une sentence philosophique; tous cela n'est qu'un jeu et ne décide pas du mérite d'un homme". Siehe auch: Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 40.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

die diesen Titel führen, sind es nur dem Namen nach. Er verläßt sich zu sehr auf seine eigenen Einsichten".34 Die Perception Friedrichs des Großen und des preußischen Staates durch die französische Monarchie war somit frei von jeglicher Mythenbildung. Schwächen und Stärken Friedrichs wurden in aller Offenheit beschrieben; Sympathien wurden in erster Linie bei der Beschreibung der persönlichen Lebensführung und des Arbeitsethos des Königs deutlich. Bemerkenswert ist auch, wie positiv die Regierung Friedrich Wilhelms I. dargestellt wurde. Die Würdigung der bescheidenen Hofhaltung der beiden Preußenkönige und des ausgeglichenen Staatshaushaltes verweisen auf die Zustände in Frankreich, wo man die Staatsfinanzen nur mühsam in den Griff bekam und ein als verschwenderisch wahrgenommener Hof beständiges Ziel der Kritik war (dabei floß auch in Frankreich der Großteil der Staatseinnahmen in das Militär35). In der offenkundigen Wertschätzung des öffentlichen Auftretens der Mitglieder des Hofes und des Fürsten manifestiert sich der Wandel des Herrscherideals vom „barocken" zum „aufgeklärten" Herrscher: Nicht mehr höfische Repräsentation sicherte die Reputation des Fürsten, sondern eher der bewußte Verzicht auf höfischen Pomp. Zusammenfassung Die hier analysierten Berichte über den Preußenkönig am Vorabend und während des Siebenjährigen Krieges belegen die Existenz eines weitgehend kritischen Friedrichbildes in der französischen Diplomatie. Des Königs Ruf als Schriftsteller und „Philosoph von Sanssouci" war für die Beurteilung durch die Diplomaten von untergeordneter Bedeutung. Kam die Rede auf seine Tafelrunde, dann befand man deren Mitglieder als der Gesellschaft eines Königs unwürdig. Für die Beurteilung Friedrichs des Großen durch die französische Diplomatie gilt die Feststellung Friedrich Meineckes, daß der „Herrscher und Staatsmann den Primat vor dem Philosophen"[hatte].36 Die Überlegenheit Friedrichs auf dem Schlachtfeld, sein Selbstbehauptungswille und seine Fähigkeit, auch die kritischsten Situationen zu bewältigen, riefen tineingeschränkte Anerkennung hervor - und verstärkten das Bewußtsein von der Inferiorität der eigenen Armee und vor allem der eigenen Generalität. Jedoch zieht sich wie ein roter Faden die Empörung über die Behandlung Sachsens durch die Korrespondenzen der Kriegszeit. Die aus preußischer Perspektive konsequente und überlebensnotwendige Ausplünderung des Kurfürstentums Sachsen stieß auf heftigen Widerspruch. Diesem auch schon vor Abschluß der Allianz mit Wien kritischen Bild Friedrichs des Großen stand jedoch eine weitgehend positiv konnotierte Friedrich-Perzeption in der französischen Öffentlichkeit gegenüber. Hier wurde Friedrich instrumentalisiert, um der Opposition gegen Ludwig XV. zusätzlich Nahrung zu geben. Einen Einblick in die Stimmung in Paris während der Anfangsjahre des Krieges gibt die Privatkorrespondenz des Oberstleutnants Antoine-Rigobert Mopinot de la Chapotte mit seiner in Paris lebenden Geliebten. In ihren Briefen finden sich analoge Verurteilungen Friedrichs, aber auch die Bewunderung

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Ibid. fol. 270': „Je ne prétends pas cependant que ce prince est infaillible. Je crois même que son système a un grand défaut; c'est que tous dépend de sa personne; s'il manque tout est dans la plus grande confusion; l'héritier de la couronne ignore absolument tout ce qu'il devoit savoir. [...] D'ailleurs il ne forme point les ministres. Ceux qui en ont le titre n'en sont que de nom. Il se fie trop à ses propres lumières". Vgl. die Aufstellung bei: Butel, L'Économie française, S. 246. Meinecke, Idee der Staatsräson, S. 326.

I. Das Preußenbild

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seines Feldherrengenies, wie wir sie aus der diplomatischen Korrespondenz kennen.37 Mit der Fortdauer des Krieges schien sich Friedrich der Große immer mehr der Gunst des „public" zu erfreuen.38 Auf Friedrich wurden all die Eigenschaften projiziert, über die der eigene Souverän nicht verfügte: Eloquenz, Charisma und vor allem militärischer und politischer Erfolg. Das Frieddrichbild der Diplomatie hingegen war geprägt durch die grundsätzliche Ablehnung der Politik des Königs und der von ihm angewandten Mittel. Das Großmachtstreben Preußens stand diametral der französischen Vorstellung von der Struktur eines Staatensystems entgegen, in dem Frankreich, seit 1756 in Kooperation mit Wien, die Stellung desjenigen beanspruchte, der die Balance zwischen den Gliedern dieses Systems hält. Mit Bernis begann sogar eine kurze Phase, in der das Gleichgewichtsprinzip grundsätzlich in Frage gestellt wurde, weil es eine Schöpfung des „natürlichen Feindes", Großbritanniens, war. Wenngleich der Persönlichkeit Friedrichs in der Berichterstattung der französischen Diplomaten große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so liefern deren Depeschen aber auch umfassende Informationen über die Grundlagen, auf denen die Machtpolitik Preußens basierte. In den Schriften, die den Themenkomplexen Administration, Finanzen und Militär gewidmet waren, wurde die überragende Leistungen Friedrichs des Großen relativiert, indem man auf die kontinuierliche Aufbauarbeit seiner Vorgänger hinwies. Von diesen wurde insbesondere die Leistung des Vaters, Friedrich Wilhelms I., hervorgehoben. Auf ihn sei die Entwicklung eines funktionierenden Steuersystems, die Anlegung eines großen Staatsschatzes und der Aufbau eines schlagkräftigen Heeres zurückzuführen. Ihm verdanke Friedrich die Mittel, die die preußische Expansionspolitik erst ermöglichten. Schon weit vor Mirabeau, der 1786 auf die Leistung des Soldatenkönigs hinwies, ist somit eine grundsätzliche Neubewertung Friedrich Wilhelms I. in Frankreich nachweisbar.39 Vieles deutet darauf hin, daß die Aufbauleistung von Preußens „größten inneren König" von der französischen Diplomatie zu keinem Zeitpunkt unterschätzt wurde.40 Dagegen wurde Friedrichs des Großen persönliches Herrschaftsverständnis lobend hervorgehoben, und die Betonung seiner bescheidenen Lebensführung und Hofhaltung kann als 37

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Lemoine, Sous Louis le bien-aimé, S. 17: „Allez à la guerre, cher ami, faites au Roi de Prusse le plus de mal que vous pourrez. L'obligation de secourir les opprimés vous en fait un devoir. D'ailleurs, je le hais parce qu'il est malhonnête homme et parce qu'il est l'agresseur dans une guerre qui vous sépare de moi". S. 146-147: „La position du Roi de Prusse est plus avantageuse que celle de toutes puissances contre lesquelles il se défend; les succès qu'il a eus, l'idée que l'on a de sa capacité et de la valeur des ses troupes, sont des espèces d'assurances pour les avantages à venir; il est donc plutôt dans les cas de donner la paix que de la demander; s'il la faisait dans telles circonstances, on ne pourrait assurément voir en lui que le grand homme et un roi qui, quoique guerrier préfère le bonheur et la tranquilité dont ses peuples jouiront pendant la paix à la gloire qu'il pourrait acquérir au prix de leur sang. Pour moi, qui le déteste de toute la plénitude de mon âme, s'il faisait la paix dans ce moment, non seulement je l'admirerais, mais je l'estimerais". Ibid. S. 157: „À Paris, le nombre des Prussiens est plus grand que celui des François, c'est un mal qui gagne tous les États, aussi laisse-t-on toute liberté de s'expliquer sur cet article. Frédéric est un phénix, heureux les peuples qui vivent sous sa domination! Il mérite d'être maître de l'univers, enfin ses louanges, les souhaits pour le voir réussir et les paris pour ses heureux succès sont l'entretien des inutiles nouvellistes dans les cafés et les promenades; il faut une extrême patience pour entendre tranquillement tous les propos indécents qui se tiennent publiquement à ce sujet". Wie Friedrich von den unteren Volksschichten wahrgenommen wurde, könnte durch die Auswertung von populären Chansons, in denen insbesondere die erfolglosen Generäle verspottet wurden, von Zeitungen und von Protokollen der Pariser Polizei erforscht werden. Anders dagegen Skalweit, Friedrich Wilhelm I. und die preußische Historie, S. 108; vgl. auch: Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große, S. 10-12. Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa, S. 334; Ulbert, Frankreichs Deutschlandpolitik, S. 253.

220

C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

indirekte Kritik am französischen Hof gelesen werden. Der Preußenkönig verkörperte somit gleichsam den Idealtypus eines aufgeklärten Herrschers. Das ganz auf den Unterhalt der überdimensionierten preußischen Armee ausgerichtete Verwaltungs- und Steuersystem, über das man hervorragend informiert war und das bis ins kleinste Detail geschildert wurde, fand die Anerkennung der französischen Beobachter, die gleichwohl vor einer blinden Übernahme preußischer Modelle warnten. Dem preußischen Militärsystem galt die besondere Aufmerksamkeit der Diplomaten. Sie interessierte in erster Linie die Rekrutierungspraxis und die sprichwörtliche Disziplin der Truppen. Die Konsequenzen der Einführung des Kantonsystems für das Sozialleben blieben den Beobachtern nicht verborgen. Die Feststellung, daß jeder preußische Untertan als Soldat geboren werde, mag als früher Beleg für die Wahrnehmung des von Otto Büsch beschriebenen „Prozesses der sozialen Militarisierung der altpreußischen Gesellschaft" gelten.41 Wenngleich auch das von Büsch gezeichnete System, insbesondere die Symbiose von Gutsherrschaft und Kantonsystem, mittlerweile bestritten wird bzw. neuere Forschungen unser Wissen über die Funktionsweise des preußischen Rekrutierungssystems erheblich differenziert und seine Perfektion relativiert haben42, so bleibt doch festzustellen, daß die hier vorliegenden Stimmen zu Recht die Verbindung von effektiver Staatsverwaltung, Aufbau eines Militärstaates und Machtentfaltung Preußens in Europa betonen. Die französischen Diplomaten waren demnach in der Lage, das „Geheimnis" der preußischen Großmachtstellung aufzudecken, das im wesentlichen auf dem Zusammenspiel zwischen den ererbten Strukturen - dem Staat Friedrich Wilhelms I. - und der außergewöhnlichen Herrscherpersönlichkeit Friedrichs des Großen beruhte. Ohne die Institutionalisierung der Rekrutierung im Kantonsystem hätte Friedrich niemals seinen Großmachtanspruch erheben, geschweige denn sich behaupten können.43 Und sie sahen auch, daß dieses System tief in den Alltag der Menschen eingriff und ihn bestimmte. Ob dies insgesamt kritische und differenzierte Bild Preußens bzw. Friedrichs II. über den Kreis der Ministerien Eingang in die breitere Öffentlichkeit fand - etwa über die Salons, in denen die premier commis, die Außenminister und auch viele Gesandte verkehrten - , ist fraglich. Nicht zuletzt die unpopuläre Allianz mit Wien hatte zur Folge, daß man sich nie völlig von Preußen abwandte.

41 42

43

Büsch, Militärsystem und Sozialleben, S. VI. Vgl. z.B.: Harnisch, Preußisches Kantonsystem, S. 164—165; Kloosterhuis, Zwischen Aufruhr und Akzeptanz, S. 187, 190; Wilson, Social Militarization, bes. S. 37-39. Harnisch, Preußisches Kantonsystem, S. 139: „Das Kantonwesen kann in seiner Bedeutung für den Aufstieg Preußens zur Großmacht kaum überschätzt werden. Man kann sogar soweit gehen zu behaupten, daß ohne das Kantonsystem Preußen nicht zur Großmacht geworden wäre und seinen Großmachtanspruch nicht hätte durchhalten können. Es stellt in der Frühneuzeit die in ihrer Art einzigartige Organisationsform zur Mobilisierung des begrenzten Menschenpotentials eines Staates mittlerer Größe für die Zwecke einer ehrgeizigen Machtpolitik dar. Die eigentliche Leistung bestand darin, aus einer prinzipiell widerstrebenden Bevölkerung die erforderliche Anzahl von Rekruten regelmäßig ausheben zu können, ohne die Wirtschafts- und Steuerkraft des Landes nachhaltig zu schädigen, und dabei gleichzeitig das Ganze so auf die sozialen Gegebenheiten einschließlich der Existenzbedingungen der Familie einzurichten, daß die kantonspflichtige Bevölkerung sich auf Dauer damit arrangieren konnte".

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II. Das Österreichbild

II. Das Österreichbild der französischen Diplomatie Zur französischen Präsenz am Wiener Hof 1756-1763 Die französisch-österreichischen Beziehungen waren seit 1756 von einer bislang unbekannten Intensität geprägt. Zwischen 1756 und 1763 hielten nacheinander zehn diplomatische Vertreter die Kommunikation zwischen Wien und Paris aufrecht, parallel dazu begleiteten Sondergesandte die österreichische Armee bei ihren Feldzügen gegen Friedrich II. Im Gegensatz zur österreichischen Vertretung in Paris, die während der gesamten Dauer des Krieges durch Georg Adam Graf von Starhemberg wahrgenommen wurde1, wechselte Ludwig XV. beinahe jährlich seine Vertreter in Wien aus. Zwischen Abreise des Bevollmächtigten und Ankunft des Nachfolgers übernahmen jeweils Gesandtschaftssekretäre die Aufrechterhaltung der Korrespondenz. Die Bedeutung, die dem Posten in Wien zugemessen wurde, läßt sich an den Persönlichkeiten der Gesandten und an ihrem gesellschaftlichen Rang erkennen. Bereits die Nominierung des Maréchal d'Estrées zum ministre plénipotentiaire im Oktober 1756 zeugt davon. D'Estrées, Enkel von Louvois, dem Kriegsminister Ludwigs XIV genoß das Vertrauen des Königs und gehörte zu den erfahrensten Offizieren seiner Zeit. Seine beiden Nachfolger, Choiseul und Praslin, kamen im Range eines Botschafters, beide verließen Wien, um in Paris ein Ministeramt zu übernehmen. Folgende Gesandte vertraten im Untersuchungszeitraum Frankreich in Wien3: Name

Rang

Dauer der Mission

Aubeterre Claude Alexis Ratte D'Estrées Claude Alexis Ratte Choiseul Boyer de Fonscolombe Praslin Radix de Sainte-Foy Gérard Châtelet-Lomont

ministre plénipotentiaire chargé de correspondance ministre plénipotentiaire chargé de correspondance ambassadeur chargé d'affaires ambassadeur chargé d'affaires chargé d'affaires ministre plénipotent./ambass.

1753 X 21-1756 VIII4 1756 VIII 7-1756 XI 6 1756 XI 10-1757 III 1 1757 III 2-1757 IX 15 1757 Vili 24-1758 XI15 1758 XI 15-1759 VI 28 1759 VII 2-1761 V 19 1761 V 20-1761 VII 8 1761 VII 7-1761 VII 22 1761 VII 7-1766 VI 22

1

2

3

Starhemberg (1724-1807) residierte 1753-1766 in Paris, vgl. über ihn: ADB 35, S. 471-473. Die Dissertation von Reinhard Eichwalder, Georg Adam Graf von Starhemberg (1724—1807), Diplomat, Staatsmann und Grundherr, Phil. Diss. Wien 1969 stand mir nicht zur Verfügung. Louis-César Le Tellier, Comte de Courtanvaux, Herzog von d'Estrées (1695-1771), hatte an allen Kriegen und Feldzügen seit 1715 teilgenommen, 1738 maréchal de camp, 1739 inspector général de la cavalerie, 1757 zum maréchal de France ernannt, eroberte er das Kurfürstentum Hannover und schlug die Engländer bei Hastenbeck. Seine Abberufung aufgrund von Differenzen mit den Gebrüdern Pâris schadete seinem Ansehen nicht. Im Juli 1758 berief ihn Ludwig XV. in den conseil du roi. Vgl.: DBF 13 (1971/1975), Sp. 158-159; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps de Lumières, S. 882-883; Kennett, The French Army in the Seven Years War, S. 14-15; Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 98. Er war verheiratet mit der Tochter des ehemaligen Staatssekretärs für die Auswärtigen Angelegenheiten, Puyzieulx, Hours, Louis XV et sa cour, S. 251. Die folgenden Daten nach: Repertorium der diplomatischen Vertreter, Bd. 2, S. 105.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Neben diesen Vertretern des französischen Außenministeriums, die über längere Zeit in Österreich residierten, kamen noch weitere Gesandte des neuen Verbündeten während des Siebenjährigen Krieges an den Wiener Hof. So traf der französische chargé d'affaires in Rußland, Alexandre-Pierre Mackenzie Douglas, im Januar 1757 im Rahmen der französischösterreichisch-russischen Bündnisverhandlungen zur Vertragsunterzeichnung ein, und noch im selben Jahr reiste sein Nachfolger in St. Petersburg, Paul-François de Galucci, Marquis de l'Hôpital, zur Fortsetzung der trilateralen Verhandlungen an. Durch das neue Bündnis und den von Friedrich vom Zaun gebrochenen Krieg entstand eine intensive Zusammenarbeit in militärischen Fragen, die nicht alleine über die Gesandten des Außenministeriums geregelt wurde. Im Zentrum der Aufgaben d'Estrées' stand die Koordination der militärischen Schritte gegen Preußen. Seine Mission war vornehmlich militärischen Inhalts - ausdrücklich betonte dies Bemis, der die Instruktion konzipiert hatte und sich die Führung der politischen Verhandlungen vorbehielt.4 Diese Arbeitsteilung wurde durch die Entsendung militärischer Berater im Frühjahr 1757 vertieft. Zu den ersten Abgesandten des französischen Kriegsministeriums gehörten die Herren d'Hautmont, de Boisgelin und der Graf von Bellegarde, die sich unverzüglich nach Böhmen in das Lager der österreichischen Armee begaben und dort Zeugen der beiden Schlachten von Prag und Kolin wurden.5 Als im Juni der Kontakt zu ihnen abbrach, nachdem sie mitsamt der Armee des zuvor in der Schlacht von Prag gefallenen Feldmarschalls Brown von den Preußen in der Stadt eingeschlossen worden waren, schickte Versailles mit Antoine-Marie de Malvin, Graf von Montazet, einen weiteren Berater nach Wien.6 Montazet sollte der Kaiserin den Entschluß Ludwigs XV. mitteilen, eine weitere Armee nach Deutschland zu entsenden und anschließend zum Kriegsschauplatz Weiterreisen, sich jedoch keinesfalls überreden lassen, sich in das belagerte Prag zu begeben.7 Zur Unterstützung der Österreicher bei der Verteidigung von Prag begleitete Montazet ein Veteran des letzten Krieges,

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5

6

7

Recueil des instructions: Autriche, S. 342: „Les affaires politiques étant traitées à la Cour par le comte de Starhemberg avec la satisfaction de Sa Majesté, il a paru important au Roi de choisir un militaire qui eût assez d'expérience et de capacité pour inspirer de la confiance aux ministres et aux généraux de la cour de Vienne et pour régler avec eux les plans et les dispositions qui paraîtront les plus convenables et les plus utiles à Leurs Majestés Impériales". Der Hinweis auf die Beteiligung an der Abfassung dieser Instruktion bei: Bernis, Mémoires, ed. Rouart/Bonnet, S. 187; eine nur militärische Fragen betreffende Ergänzung der Instruktion in: AAE CP Autriche 256, fol. 114Γ-115', datiert: Fontainebleau 2. November 1756. Rouillé, zu diesem Zeitpunkt noch Außenminister, teilte Ratte diese Arbeitsteilung im Vertrauen mit, vgl.: AAE CP Autriche 259, Rouillé an Ratte, 20. Oktober 1756, fol. 82r-83v, fol. 82r_v; vgl. auch: Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 156-157; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 83-93. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 284,308, 353; vgl. auch das „Journal envoyé par M. le comte de Bellegarde de ce qui s'est passée dans Prague depuis le 9 jusqu'au 25 May", in: AAE MD Autriche 40, fol. 176r-184v. Montazet (1711-1768) wurde am 1. Dezember 1757 zum maréchal de camp befördert, nahm an den Feldzügen der Jahre 1757-1761 teil, war „chargé des affaires militaires à la cour de Vienne" (2. Dezember 1758) und beendete seinen Dienst als Generalleutnant (2. Dezember 1758) und Generalinspekteur der Kavallerie und Dragoner (1. Februar 1761), vgl.: Broglie, Correspondance secrète, Bd. 1, S. 31, Anm. 1; siehe auch die „Instruction pour Mr le C" de Montazet Brigadier de Dragons allant à Vienne et à l'armée de l'ImpératriceReine en Bohême", vom 5. Juni 1757, AAE CP Autriche 269, fol. 3'-6 v , fol. 3': „Le principal objet de la mission du Comte de Montazet est de donner des nouvelles au Roy des opérations militaires en Bohême, sa Maj" n'en recevant plus ni de M. d'Haumont ni de M. de Boisgelin qu'elle avoit envoyés à la même fin de sorte qu'il y a aparence ou qu'il leur est arrivé quelque malheur ou qu'ils sont enfermés dans Prague où ils manquent de moyens pour faire passer leurs lettres". AAE CP Autriche 269, fol. 3 - 5 ' .

II. Das Österreichbild

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der an der französischen Besetzung Prags 1742 teilgenommen hatte und sein derzeit erworbenes Wissen nun in den Dienst der Allianz stellen sollte.8 Daß diese Art von Zusammenarbeit fiir beide Seiten etwas Neues war, läßt sich an den Reaktionen der Beteiligten zeigen. Im Tagebucheintrag des Obristhofmeisters Khevenhüller spürt man dessen Distanziertheit gegenüber dem Empfang Montazets und seines Gefolges. Er vergaß nicht zu erwähnen, daß Ludwig XV. darauf gedrängt habe, möglichst schnell zu reisen, um noch effektive Hilfe leisten zu können. Mit spürbarem Stolz stellte Khevenhüller fest, daß man sich bereits ohne fremde Hilfe aus der bedrohlichen Situation befreit habe und dem überraschten Montazet die bei Kolin erbeuteten preußischen Feldzeichen präsentieren konnte. Ein anderer französischer Offizier namens Marainville, der zum Gefolge des ebenfalls in Wien weilenden Grafen Broglie gehörte, diente Feldmarschall Daun sogar als Adjutant in der Schlacht bei Kolin und reiste bald nach Versailles ab, um dem König vom österreichischen Sieg zu berichten.9 Montazet beeindruckte den Kaiser so sehr, daß dieser seinem Bruder Karl ausdrücklich empfahl, sich von diesem französischen Brigadier beraten zu lassen.10 Auch von Staatskanzler Kaunitz wurde der Franzose mit offenen Armen empfangen, der ihn zur gemeinsamen Arbeit an der Feldzugsstrategie einlud.11 Daß Kaunitz dem Selbstbewußtsein des Offiziers schmeichelte, steht außer Frage, doch hatte er allen Grund dazu, denn noch stand man am Wiener Hof der Allianz mit Frankreich skeptisch gegenüber. Montazet erwiderte diese Offenheit. Sein Auftreten während der gesamten Dauer seines Aufenthalts in Wien und bei der Armee verschaffte ihm zahlreiche Sympathien.12 Ganz anders dagegen war der Eindruck des ebenfalls mit einer Kommission in militärischen Angelegenheiten nach Wien reisenden Grafen von Courten, der Anfang Juli in Wien

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AAE CP Autriche 269, fol. 5'; zum Feldzug von 1741-1742 siehe: Corvisier, Histoire militaire de la France, Bd. 2, S. 84-86. Khevenhüller-Metsch, Tagebuch, 1756-1757, S. 100-101: „Nach der Zuriickkunfft des Hofs hatte der französische Brigadier Marquis de Montasé, welchen der König zu unserer Armee abgeschicket, bei beiden Mayestätten und denen jungen Herrschaften Audienz und verraiste bald darauf nach seiner Destination. Er [...] hatte in seiner Suite einen sehr jungen Neveu; er solte auch einen Ingenieur mit sich fuhren, welchen mann eigends von Strasburg beruffen, um ihn in Prag zu werffen, allwo er bereit a° 1742 bei damahliger Belagerung gedienet hatte. [...] Beide mussten auf ausdrucklichen wiederhollten Befehl des Königs ihre Anherorais nach Möglichkeit beschleunigen, weillen mann zu Paris die Umstände von Prag, wie sie auch in der That waren, für sehr müßlich gehalten. Unterweegs zu Ulm wurde sogar schon erzehlet, daß Prag würklich übergangen und die Garnison zu Kriegs-Gefangenen gemacht worden wäre; um so mehr ware er also verwunderet, daß er bei seiner gestrigen Ankunffi das Blatt so schleunig umgewendet fände. Als er von Purkkerstorff kommend nach der Statt führe, begegnete er auf der Chaussé den General Daun, welcher herauß führe, um die eroberte Standarten nach Schönbrunn zu überbringen. Nach dem Briagadier Hessen I.I.M.M. einen anderen französischen Offizier, Capitaine de carabiniers nahmens Marainville, zur Audienz, welcher mit dem Comte de Broglio angekommen anfänglich zur Braunschen Armée destinieret ware, nachhero aber und erst unlängst sich zum Feldmarschallen Daun verfuget und bei disen in der letztern Bataille bei Chotzamitz [= Kolin, S.E.] Adjuntanten-Dienst geleistet hatte". Zur Anwesenheit Marainvilles und anderer Franzosen bei der Schlacht bei Kolin siehe: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 345. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 354-355. Karl Alexander von Lothringen (1712-1780) kommandierte bis zur Niederlage von Leuthen die österreichische Armee in Schlesien, vgl.: Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 160. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 355-356. Vgl. Kapitel A. I, S. 41, Anm. 57, siehe auch das Urteil Karls von Lothringen über ihn bei: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 357.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

eingetroffen war.13 Sein Brief vom 13. August an den Kriegsminister, Marquis de Paulmy, spiegelt Mißtrauen und unverhohlene Kritik an der französischen Außenpolitik: „Durch die letzten Erfolge geben sich die Leute hier wundersam aufgeblasen. Gebe Gott, daß einige Rückschläge sie nicht wieder so kleinlaut werden lassen wie sie es noch vor zwei Monaten waren, und bewahre uns der Himmel davor, jemals ihre Hilfe zu benötigen, denn sie werden uns ihre Unterstützung teuer bezahlen lassen. Was gerade geschieht, ist der Beweis dafür, denn während der König alles für sie macht, wollen sie die Richtung vorgeben. Es sind eingebildete Leute, denen man nicht demütig begegnen darf, denn sonst tanzen sie einem auf dem Kopf herum. Ich zweifle, ob mein Verhalten auf Zustimmung stößt, aber ich glaube so und nicht anders auftreten zu müssen, um die Würde des Königs zu schützen".14

Courten muß zu den zahlreichen Skeptikern und Gegnern des Bündniswechsels in Frankreich gezählt werden. Sein Wissen über Deutschland beruhte auf den im Österreichischen Erbfolgekrieg gesammelten Erfahrungen, an dem er als Regimentskommandeur teilnahm. Er gehörte zum Gefolge Belle-Isles bei der Krönung Karls VII. in Frankfurt; 1742 kämpfte er in Böhmen und später in Italien, wo einer seiner Offiziere der junge Choiseul-Stainville war. Der Wittelsbacher Kaiser hatte ihn sogar zum Reichsgrafen und Kammerherrn ernannt.15 So ist es durchaus möglich, daß seine Skepsis und Mißtrauen gegenüber den Österreichern aus alter Anhänglichkeit an den Wittelsbacher Kaiser herrührte. Montazet wie auch sein Bruder hingegen sind dem Umfeld Bernis' zuzuordnen. Nach dem Tode von Kardinal Tencin (1758) wurde Montazets Bruder, bis dahin Bischof von Autun, dessen Nachfolger als Erzbischof von Lyon. Erzbischof Montazet, der Kontakte zu jansenistischen Kreisen unterhielt, zählte zu den engen Freunden von Bernis.16 Gerade an der Auswahl der Gesandten in Österreich läßt sich zeigen, wie sich seit 1749 die „Partei" am französischen Hofe durchsetzte, die für ein Abrücken vom antiösterreichischen Kurs der letzten Jahrzehnte und für eine Annäherung an Wien plädierte. Kristallisationspunkt dieser Partei war die maitresse en titre, Madame de Pompadour, hinter der, angeführt von den Brüdern Pâris, die einflußreiche Finanzaristokratie stand. Das Ringen um Einfluß auf den König zwischen den Finanziers und der vom Marschall Belle-Isle geführten ,Adelspartei" blieb auch Kaunitz nicht verborgen, als dieser von 1750 bis 1753 die Interessen Maria Theresias in Frankreich vertrat. Kaunitz suchte gezielt den Kontakt zur Maitresse und ihrer Umgebung, und als er nach Wien zurückkehrte, konnte er zwar keine Vertragsab-

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Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 107. AAE CP Autriche 259, fol. 20r-22v, Courten an Paulmy, 13. August 1757, fol. 2Γ-22': „Les dernières succès ont prodigieusement enflé ces gens icy, Dieu veuille que quelques revers ne les rende pas aussi humbles qu'ils étoient il y a deux mois et le ciel nous préserve d'avoir jamais besoin d'eux, car ils nous feroient payer bien cher leur secours, ce qui vient se passer en est une preuve puisque dans le temps que le Roi fait tout pour eux, ils veulent donner la loi. Ce sont des gens bien haut et avec lesquels il ne faut pas être humble, sans quoy ils nous marcheroient sur le ventre. Je suis en peine de savoir si ma conduite sera aprouvée, mais j'ay cru devoir répondre comme j'ay fait pour soutenir la dignité du Roy". Über Maurice Graf von Courten (1692-1766) siehe: DBF 9 (1960/61), Sp. 1015-1016; Butler, Choiseul, S. 538-543; nicht zugänglich war mir Vaudroz, La Mission du comte Maurice de Courten. Vgl.: Khevenhüller-Metsch, Tagebuch, 1758-1759, S. 88; Dahoui, Bernis, S. 274; biographische Notiz zu Bischof Antoine de Malvin de Montazet (1713-1788) bei: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1207.

II. Das Österreichbild

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schlüsse vorweisen, hatte aber durch die persönlichen Kontakte den Grundstein für die Eröffnung der Geheimverhandlungen im Jahre 1755 gelegt.17 Auch Joseph-Henri Bouchard d'Esparbes de Lussan, Marquis d'Aubeterre, ministre plénipotentiaire in Wien von November 1753 bis Juli 1756, war einbezogen in das System der Faktionen am französischen Hofe. Er muß zum Umkreis der Königin Maria Leszczynska und ihrer Klientel gezählt werden18, was um so plausibler scheint, wenn man seine weitere Karriere als Diplomat betrachtet. Seine Abberufung aus Wien erfolgte in der Absicht, ihn durch den Abbé Bernis zu ersetzen, seit 1755 designierter Botschafter für den Posten in Madrid, der jedoch noch in Paris weilte und die französisch-österreichischen Verhandlungen fortfuhren sollte.19 Für Aubeterre bedeutete die Abberufung aus Wien keineswegs das Ende einer Karriere, die mit dem Militärdienst begonnen hatte. Er ging im Februar 1757 als Botschafter nach Spanien, blieb dort bis 1760 und wurde schließlich 1765 zum Botschafter an der Kurie ernannt - was als Beleg für seine Zuverlässigkeit und andauernde Gunst der ihn unterstützenden Kreise gelten dürfte.20 Bis zur Nominierung eines Nachfolgers sicherte Aubeterres Sekretär Claude-Alexis Ratte den Informationsfluß zwischen Wien und Versailles. Unmittelbarer Nachfolger Aubeterres war der bereits erwähnte Louis-Charles César Le Tellier, Graf d'Estrées, der jedoch nur wenige Monate in Wien blieb und im Frühjahr 1757 das Kommando über eine der im Reich operierenden Armeen übernahm. Nach der Abreise d'Éstrées' im März 1757 aus Wien betreute erneut Ratte die Korrespondenz. Ratte, der Sekretär Aubeterres, stammte aus der Franche-Comté und bat, nachdem Choiseul mit seinem Gefolge in Wien eingetroffen war, um weitere Verwendung in den bureaux des Außenministeriums. Obwohl sich d'Estrées lobend über die Arbeit Rattes äußerte, scheint er entgegen seinen Wünschen keine weitere Verwendung in diplomatischen Diensten gefunden zu haben. Mit Choiseul übernahmen auch dessen Schützlinge die nachgeordneten Posten in den Gesandtschaften. Nachdem Ratte Choiseul in seine neue Arbeit eingewiesen hatte, verließ er Wien.21

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Vgl. Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 137-144; siehe zu Kaunitz' Mission auch: Braubach, Versailles und Wien, S. 409-414, der im Gegensatz zu Tapié (S. 144, 356) von einem Scheitern der Mission spricht. Details zu Kaunitz' Kontakten in Paris, allerdings ohne über Tapié hinausgehend, bei: Lenderova, Kaunitz, ambassadeur, bes. S. 50-51; abschließend hinsichtlich seiner Konzeptionen jetzt: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 159-189. So erwähnt Choiseul in einem Brief des Jahres 1752 die Bemühungen des Président Hénault, fur Aubeterre die Gesandtschaft in Schweden zu erreichen, vgl.: Butler, Choiseul, S. 989. Charles Jean François Hénault (1685-1770) wiederum galt zu dieser Zeit als Protégé der Königin, die ihn zum surintendant de la maison de la reine ernannte, siehe: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1033. Über den Kreis der Königin siehe: Register, Queen Marie Leszczynska, bes. S. 207-208 zur Bedeutung Henaults. Waddington, Renversement, S. 466; Khevenhiiller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 38. Über Aubeterre (24. Januar 1714, St. Martin de la Coudre (Saintonge)-1788) siehe: DBF 4 (1968), Sp. 127-130; Michaud, Biographie universelle, Bd. 2, S. 383; AAE Personnel 3, fol. 102-138", fol. 125': „Brevet de pension" fur Aubeterre und seine Familie über 10 000 livres, 8. Juli 1779. Ratte war secrétaire d'ambassade des Marquis d'Hautefort und seines Nachfolgers Aubeterre, bevor er nach dessen Abreise zum chargé d'affaires befördert wurde. Er stammte aus Mièges in der Franche-Comté. Ludwig XV. belohnte die Dienste Rattes mit seiner Nobilitierung im Juni 1759, AAE Personnel 59, fol. 66'; vgl. auch: AAE CP Autriche 256, fol. 142'-142v, Ratte an Rouillé, 6. November 1756, fol. 142". Vor seiner Abreise aus Wien sollte Ratte den neuen Botschafter Choiseul einarbeiten, siehe: AAE CP Autriche 259, fol. 38', Bernis an Ratte, 21. August 1757. Ratte verließ Wien im September 1757, ibid. fol. 159-162", Choiseul an Bernis, 12. September 1757, fol. 162v. Zuvor hatte er um Weiterverwendung gebeten (ibid. fol. fol. 23'-24', Ratte an Rouillé, 13. August 1757). Estrées schrieb über Ratte: „J'ay trouvé Monsieur Ratte très au fait de cette cour-cy où monsieur de Kaunitz m'a dit qu'il étoit estimé, et qu'il me le commandoit. Je ne doute pas

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Choiseul und seine Nachfolger Choiseul-Praslin und Châtelet-Lomont wie auch die in der Zwischenzeit eingesetzten Geschäftsträger sind alle dem Umfeld der Madame de Pompadour zuzuordnen. Choiseul hatte die Gunst der Marquise erobert, als er ihr 1751 bei der Abwehr einer gegen sie gerichteten Intrige beistand.22 Dies hatte ihm bereits die Ernennung zum Botschafter in Rom verschafft (November 1753) und verhalf ihm nun auf den Wiener Posten und dürfte anschließend auch erheblichen Anteil an seiner Nominierung zum Außenminister gehabt haben. Zum de facto Premierminister aufgestiegen, war es ihm leicht, seine Verwandten und Freunde zu fordern: César-Gabriel de Choiseul-Chevigny, seit 1762 Herzog von Praslin23, und Louis-Marie Florent Graf von Châtelet-Lomont24, Sohn der Marquise de Châtelet, der Freundin Voltaires. Zwischen Abreise und Ankunft der letztgenannten Botschafter übernahmen deren Sekretäre die Korrespondenz zwischen den Höfen. Sowohl Boyer25 Sainte-Foy26 als auch Conrad-

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qu'il ne continue à m'aider ainsy qu'il a commancé de faire", AAE CP Autriche 256, 11. November 1756, fol. 146-148", fol. 146". Über Étienne-François Comte de Stainville, Herzog von Choiseul (1719-1785) siehe die Notizen bei: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 836-837; DBF 8 (1959), Sp. 1219-1222; Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 69-70; Maurepas, Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 155-163. Unvollendet blieb die monumentale, auf umfangreichen Quellenstudien gründende Biographie Choiseuls von Rohan Butler (Butler, Choiseul), die nur bis 1754 reicht. Von weiteren biographischen Darstellungen sei hier nur auf Chaussinand-Nogaret, Choiseul, verwiesen, der die Jugends Choiseuls weitgehend ausklammert und in der Behandlung der Jahre seit 1754 bei weitem nicht die von Butler gesetzten Maßstäbe erreicht. Choiseuls römische Gesandtschaft behandelt: Boutry, Choiseul à Rome. Zur Affäre um Mme de Choiseul-Romanet siehe: Chaussinand-Nogaret, Choiseul, S. 20-25; Lever, Pompadour, S. 199-203. Praslin (1712-1785) konnte 1757 auf eine brillante militärische Karriere zurückblicken, die er aus Gesundheitsgründen aufgeben mußte. Seinem Vetter Choiseul verdankte er die Berufung auf den Posten in Wien und 1761 ins Amt des Außenministers, den er bis 1766 innehatte. In diesem Jahr übernahm er das Marineressort und ging mit seinem Vetter auch 1770 ins Exil. Eine biographische Studie über ihn liegt nicht vor. Vgl.: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1304-1305; DBF 8 (1959), Sp. 1211-1212 (fehlerhaft); Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 211-212; Maurepas, Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 238-242. Châtelet (1727-1793), Colonel im Regiment Quercy und später im Regiment Navarra, nahm an den Feldzügen des Jahres 1757 teil, wurde in der Schlacht bei Hastenbeck verwundet und 1761 zum maréchal de camp befördert. Seine diplomatische Laufbahn verdankte er Choiseul, der ihn als Nachfolger Praslins aussuchte und ihn 1768 zum Botschafter am englischen Hof ernannte. Als Choiseul in Ungnade fiel, unterstützte ihn Châtelet offen. Châtelet war auch der Testamentsvollstrecker Choiseuls. Abgesandter des dritten Standes in der Nationalversammlung, zählt er zu den Opfern der Terreur: Er starb im Dezember 1793 unter der Guillotine, vgl.: DBF 11 (1965/1966), Sp. 1197-1199; Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, 435; Hartmann, Steuersystem, S. 156; Seebacher, Autour de „Figaro", S. 205-206, Anm. 4. Joseph Roch Boyer de Fonscolombe (1720-1799) begann seine diplomatische Karriere als Gesandtschaftssekretär des Marquis des Issarts in Sachsen (1752-1753) und folgte ihm dann nach Turin (1754). Nach Paris zurückgekehrt, ernannte ihn Choiseul auf Empfehlung des Herzogs von Noailles zu seinem Sekretär. Boyer begleitete Choiseul nach Rom und Wien, wurde dank Choiseuls Unterstützung ministre plénipotentiaire in Lüttich und später envoyé extraordinaire in Genua (1762-1768); vgl. DBF 7 (1958), Sp. 113; Recueil des Instructions: Liège, S. 280-281; Butler, Choiseul, S. 1047-1049. Boyer erhielt als chargé d'affaires in Wien 1200 lt monatlich („argent de France") und zwar rückwirkend vom 1. November 1758, „Les deux derniers mois de l'année seront payés par M. de Montmartel, et à compter du 1er janvier 1759 ils les seront par M. de La Borde, secrétaire du Roi, rue neuve du petit champs, qui a remplacé M. de Montmartel dans la fonction du banquier de la cour", AAE Personnel, 11, fol. 184r. Kopie, Choiseul an Boyer, Versailles 4. Februar 1759. Claude Pierre Maximilien Radix de Sainte-Foy (1736-1810) war wie Boyer Gesandtschaftssekretär Choiseuls und dann auch Praslins in Wien bis 1761. Im selben Jahr wurde er zum premier commis des Affaires étrangères berufen, ein Amt, das er bis 1766 ausübte. Weitere Stationen seiner Karriere waren: trésorier général de

II. Das Österreichbild

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Alexandre Gérard27 waren Choiseuls Protégés und profitierten nach ihrer Rückkehr von ihrer Treue zum Minister. Somit war der wohl wichtigste diplomatische Posten der französischen Außenpolitik spätestens seit 1757 fest unter der Kontrolle der Klientel der Marquise de Pompadour bzw. ihres Schützlings Choiseul, der sie schließlich an Einfluß übertreffen sollte. Nicht zu gering einzuschätzen ist auch die Tatsache, daß mit Choiseul ein Lothringer, ein ehemaliger Untertan des Kaisers, erst als Botschafter nominiert und später zum Minister ernannt wurde. Sein Vater hatte noch die Belange Maria Theresias am Versailler Hof vertreten.28 Im Gefolge Choiseuls gelang eine ganze Gruppe Lothringer in das Außenministerium und in den diplomatischen Dienst, den bis 1756 weitgehend antiösterreichische Stimmen dominiert hatten. Damit war zweifellos gewährleistet, daß in Wien niemand Frankreich repräsentierte, der sich offen gegen den Kurswechsel von 1756 stellen würde. Dies schloß aber nicht aus, daß man Kritik an einzelnen Punkten der französischösterreichischen Allianz übte. Von der Regierung Frankreichs durch Lothringen zu sprechen, wie es Michelet formulierte, ginge aber zu weit.29 So verhalf auch Bernis seinen Schützlingen, die wie er aus Südfrankreich stammten, zu Posten in der Diplomatie und der Armee. Auch die anderen Minister und einflußreiche Persönlichkeiten aus dem Umkreis des Hofes kämpften mit unterschiedlichem Erfolg für die Belange ihrer Klientel. Seit den Forschungen Max Braubachs gilt es als erwiesen, daß die französisch-habsburgische Annäherung von 1756 nicht einen abrupten Kurswechsel der französischen Außenpolitik darstellt, sondern einen Prozeß der langsamen Annäherung beschloß, der noch zu Lebzeiten Ludwigs XIV. angestoßen worden war. Als erwiesen darf auch gelten, daß es der ausdrückliche Wille Ludwigs XV. war, diese Allianz zu begründen. Der Gang der Verhandlungen, die zum Vertrag vom 1. Mai 1756 führten, ist weitgehend bekannt und soll hier nicht ein weiteres Mal rekapituliert werden. Einzelne Phasen des Entscheidungsprozesses im Außenministerium sowie unbekannte grundsätzliche Überlegungen über das Potential des neuen Bündnisses werden dagegen analysiert.

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la Marine 1766-1771, ministre plénipotentiaire beim Herzog von Zweibrücken 1774-1777, surintendant des finances du comte d'Artois (1776-1781) und directeur général des domaines et bois du comte d'Artois (seit 1785); Samoyault, Les Bureaux, S. 304; Doyon, Radix de Sainte-Foy. Gérard (1729-1790), ein Elsässer, der perfekt deutsch sprach, war Absolvent der Schöpflinschen Diplomatenschule und verdankte der Hilfe der Broglies seinen Eintritt in diplomatische Dienste. Sein erster Posten war der des Gesandtschaftssekretärs beim Pfalzer Kurfürsten in Mannheim von 1753 bis 1759. Nach einem Intermezzo an der École militaire ging er als premier secrétaire des Grafen Châtelet nach Wien. Es folgte 1766 die Ernennung zum premier commis des Affaires étrangères, ein Amt, das er auch über den Sturz seines Förderers Choiseuls hinaus ausübte. Als einer der engsten Mitarbeiter Vergennes' war er mit der Vorbereitung der französisch-nordamerikanischen Allianz von 1778 beteiligt. Gérard wurde daraufhin zum ersten französischen Vertreter beim amerikanischen Kongreß ernannt. Nach seiner Rückkehr aus den USA (1780) zog er sich aus gesundheitlichen Gründen nach Straßburg zurück, wo er der letzte Inhaber des Amtes des préteur royal war. Vgl. über ihn: DBF 15 (1982), Sp. 1211-1212; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1011; Samoyault, Les Bureaux, S. 288; Krebs, Gérard, bes. S. 42-46. Über Gérards politische Einstellungen liegen widersprüchliche Aussagen vor: Beschrieb ihn der österreichische Botschafter Mercy-Argenteau 1767 und 1772 als wenig offen für österreichische Anliegen, galt er 1784 dem badischen Residenten Edelsheim als Kreatur Choiseuls: „Gérard [ist] der Sage nach ein Anhänger des Erzhauses Österreich [...], der sein Glück dem Herzog von Choiseul, der Königin und seinem Aufenthalt in Wien zu verdanken hat", Rapport vom 16. April 1784, zit. bei: Buddruss, Les Élèves de Schoepflin, S. 218-219. Vgl. zur Karriere des Vaters ausführlich: Butler, Choiseul, passim. „La France sous les Choiseuls [...] fut gouvernée par la Lorraine", so Michelet. Jules Michelet, Histoire de France, 17 Bde., Paris 1871-1874, Bd. 17, S. 25, zit. nach: Seebacher, Autour de „Figaro", S. 206.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Das renversement des alliances schuf eine völlig neue Situation für den französischen Vertreter am Wiener Hof. Auch wenn in den Instruktionen der Zwischenkriegszeit bereits vom Interessenausgleich der beiden Mächte die Rede war, so befand sich der französische Gesandte bis Mitte 1756 in einem Land, mit dem Frankreich über zwei Jahrhunderte beinahe in permanenten Kriegszustand gestanden hatte. Vom Außenministerium über die Verhandlungen in Paris im unklaren gelassen, von seinen österreichischen Gesprächspartnern ebenso, verwundert es nicht, daß der französische Gesandte Aubeterre noch im April 1756 davon sprach, daß man in Wien zwar über die Westminsterkonvention äußerst verärgert sei, sich am Ende jedoch wieder mit den Engländern versöhnen werde.30 Die Korrespondenzen der französischen Gesandten der Kriegsjahre müssen nun daraufhin untersucht werden, ob die darin gelieferten Informationen Argumente lieferten, die zur Festigung des Bündnisses dienen konnten oder ob ein vorwiegend negatives, dem Preußenbild vergleichbares Bild gezeichnet wurde. Analog zum vorangehenden Abschnitt werden die Kategorien der frühneuzeitlichen Politikanalyse der Auswertung zugrunde gelegt: Wie schätzte man die Machtverhältnisse am Hof ein? Wie beurteilte man die einflußreichsten Persönlichkeiten des Hofes, an der Spitze Staatskanzler Kaunitz, im Hinblick auf die Entwicklung des französisch-österreichischen Verhältnisses? Welche Informationen liefern die Depeschen über die österreichische Kriegführung im Siebenjährigen Krieg? Wie können die „strukturellen Schwächen der Koalitionskriegführung" (J. Klinisch) mit ihrer Hilfe näher beschrieben werden? Die vier Jahrzehnte der Regierung Maria Theresias stellen ein entscheidendes Kapitel in der Geschichte der österreichischen Staatsbildung dar. Seit dem Regierungsantritt zum Kampf um die ererbte Großmachtposition gezwungen, gelang es der Herrscherin, nicht nur das Erbe - mit der gewichtigen Ausnahme Schlesiens - weitgehend zu bewahren, sondern auch, den Vielvölkerstaat durch ein umfassendes Reformwerk zu konsolidieren. Die Theresianische Staats- und Verwaltungsreform bewirkte die Umformung der .„monarchischen Union von Ständestaaten' zu einem föderativen Gesamtstaat".31 Die Wahrnehmung dieses Transformationsprozesses durch die französische Diplomatie zählt daher zu den Untersuchungsgegenständen dieses Kapitels. Erkannten die Gesandten die tiefere Bedeutung der Theresianischen Reformen für die Stabilisierung und Modernisierung der Habsburgermonarchie? Welches Gewicht maß man den zentrifugalen Tendenzen innerhalb des Vielvölkerstaates zu? Wie bewertete man die antihabsburgische Opposition, die man während des Spanischen Erbfolgekrieges noch unterstützt hatte?32 Wie beurteilte man die Herscherpersönlichkeiten und den Kreis der bedeutenden Minister am Wiener Hofe?

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AAE CP Autriche 255, fol. 168-169", Aubeterre an Rouillé, 10. April 1756, fol. 168v-169r: „Monsieur, ü me semble qu'il y a lieu de croire que cette cour ne fera aucune demarche qui puisse l'entraîner dans la présente, elle paroit toujours très vivement picquée contre l'Angleterre. Je pense que les avances de cette dernière ne contribuent pas peu à fortifier dans la cour de Vienne cet air d'indifférence. Cette cour profite de la circonstance pour faire sentir à celle de Londres combien ses procédés ont dû lui deplaire et pour se tirer de sa dépendance, mais avec tout celà je pense qu'elles finiront par se reconcilier". Schilling, Höfe und Allianzen, S. 330. Bérenger, L'Empire des Habsbourg, S. 407-411.

II. Das Österreichbild

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1. Aubeterre 1755-1756 Das Verhältnis Frankreichs zu Österreich blieb seit 1748 weitgehend frei von Spannungen, auch wenn man in Versailles die Konzeptionen des Geschäftsträgers Blondel über eine Allianz mit Wien nicht gerne sah und die Instruktion des Botschafters Hautefort die Warnung vor einem allzu großen Entgegenkommen enthielt, etwa in der Wahl des römischen Königs.1 Hauteforts Nachfolger, Aubeterre, erhielt keinen direkten Verhandlungsauftrag, seine Aufgabe bestand in der Überwachung des Wiener Hofes.2 Grundsätzlich, so heißt es in seiner Instruktion, sei Frankreich an der Aufrechterhaltung des Friedens interessiert, wie schon die Zurückhaltung des Königs bei den Verhandlungen des Aachener Friedens gezeigt habe. Ludwig XV. wolle das Mißtrauen, das Frankreich in Österreich erwecke, abbauen. Die von den Gegnern Frankreichs propagierte Politik des Gleichgewichts sei zur Zeit des offen ausgetragenen bourbonisch-habsburgischen Gegensatz legitim gewesen, sie habe aber jetzt jegliche Legitimität verloren und diene nur noch der Verschleierung des Willens zur Expansion. Eine Trennung vom Feindbild „Habsburg" läßt diese Instruktion nicht erkennen. Weiterhin unterstellte man Wien, im Verbund mit den Briten die „absolute" Herrschaft im Reich erringen zu wollen3 Seit Mitte 1755 befanden sich Frankreich und Großbritannien im unerklärten Kriegszustand, und noch versuchte man - eher halbherzig - , einen Ausgleich am Verhandlungstisch zu erreichen. Parallel dazu galt es, sich Verbündete zu sichern. London intensivierte die Verhandlungen mit Wien, Versailles tat gleiches in Berlin. Darüber hinaus unternahm Kaunitz einen neuen Versuch zur Annäherung an Frankreich, als er im August 1755 Starhemberg mit einem Vertragsangebot über Madame de Pompadour bei Ludwig XV. sondieren ließ. Am Ende dieser Initiative stand der Vertrag von Versailles vom 1. Mai 1756 - die „diplomatische Revolution". Da alle wichtigen Verhandlungen, die zum Abschluß dieses Bündnisses führten, in Frankreich stattfanden, müssen die Depeschen Aubeterres der Jahre 1755-1756 als eine Art parallele Berichterstattung gelesen werden. Sie sind einerseits auszuwerten im Hinblick auf die Erfüllung seines Auftrages - Informationsbeschaffung - und andererseits dahingehend zu 1 2

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Braubach, Versailles und Wien, S. 402^103. Über Blondel siehe Kapitel D I. Recueil des instructions: Autriche, S. 329-336, Instruktion für Aubeterre, vom 26. September 1753, S. 332-333: „II est aisé d'apercevoir qu'il y a dans le moment aucun point de négociation intéressant à suivre à la cour de Vienne [...]; il tâchera de pénétrer si la cour de Vienne ne songe point à enfanter de nouveaux projets, à faire de nouvelles alliances, à reveiller d'annciennes prétentions ou bien à former de nouvelles. Le sieur marquis d'Aubeterre saura mettre toute l'activité nécessaire dans ces recherches, et il aura soin de rendre compte exact de tous ce qu'il aura pu découvrir". Ibid. S. 330-331: „On travaillerait de concert à l'établissement invariable de la tranquilité publique, et l'on ne se verroit pas traversé continuellement par les manœvres de puissances qui ne songent qu'à s'agrandir et qui ne savent mettre de bornes à leurs désirs. Elles cherchent à voiler leur ambition sous le prétexte spécieux du maintien de l'équilibre de l'Europe. Ce système pouvoit avoir quelque apparence de réalité dans ces temps où la rivalité des maisons de France et d'Autriche faisoit l'objet des attentions et des inquiétudes de toutes les autres puissances; mais il n'est plus question aujourd'hui de ces fameux démêlés de François Ier et de Charles-Quint; les circonstances ont bien changé: le Roi ne songe qu'à vivre dans la meilleure intelligence avec Γ Impératrice-Reine [...]. La cour de Vienne, intimement unie avec celle de l'Angleterre, voit avec chagrin la grandeur du Roi de Prusse. Ces deux cours ne peuvent souffrir que ce prince soit le seul obstacle au projet qu'elles ont formé de se rendre maîtresses absolues dans l'Allemagne et d'imposer à leur gré des lois à tout l'Empire".

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

bewerten, ob die von ihm gelieferten Informationen, die über den Vortrag im conseil d'État auch Ludwig XV. vorlagen, Argumente für den Abschluß einer Allianz mit Wien lieferten. Aubeterre über die Habsburgermonarchie Die Jahreswende 1754/1755 verlief ruhig in Wien, und auch in den ersten Wochen des Januars vermerkte Hofmeister Khevenhüller nur die üblichen Kirchgänge und Soupers des Kaiserpaars.4 Das politische Gespräch bestimmte zu diesem Zeitpunkt noch nicht der anglobritische Konflikt in Nordamerika, sondern der Tod von Sultan Mahmud I. in Konstantinopel.5 Dieses Ereignis rief erhebliche Unruhe in Österreich hervor, denn zur Sicherung der östlichen Grenzen der Monarchie werde man einige Truppen dorthin verlegen, aber, so betonte Aubeterre, Wien sei bemüht, die Pforte nicht zu provozieren, da dies gegen sein „System" sei.6 Aubeterre nahm dies zum Anlaß, insbesondere über die prekäre Situation Ungarns zu berichten, denn nicht nur an seinen Grenzen, sondern auch im Inneren sei das Land nicht sehr entwickelt und könne leicht Opfer eines Angriffes werden. Der Zusammenhalt zwischen Ungarn und Wien werde in der Hauptsache durch die Integration des hohen ungarischen Adels in Hof- und Staatsämter geschaffen. Auch dem Klerus schrieb Aubeterre eine wichtige Funktion für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu, denn obwohl die Bischöfe alle treue Diener Wiens seien, gebe es im Lande selbst - hier spielte er zweifellos auf die Aufstände der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an - eine große Zahl von „Unzufriedenen", die vor allem in den Grenzregionen zu Polen und in Transsylvanien zu finden seien. Um der Emigration in Richtung Osmanisches Reich zu begegnen, habe man dort sogar Truppen stationiert.7 Aubeterre konstatierte eine seit langer Zeit bestehende Antipathie zwischen den beiden Völkern.8 Die Ursache für diese Stimmungslage in Ungarn liege in der Politik der Habsburger, deren „maxime fondamentale" es sei, Ungarn in einem retardierten Entwicklungsstand zu belassen, da man wenig Steuern aus dem Lande beziehe und der Reichtum des Adels der regierenden Dynastie eher schaden als nützen würde. Die Wirtschaft Ungarns habe unter den Folgen des Österreichischen Erbfolgekrieges zu leiden, weil der schlesische Markt für die ungarischen Weine weggefallen sei, nachdem Maria Theresia hohe Zölle auf Waren aus Brandenburg-Preußen erhoben und Friedrich II. mit der gleichen Maßnahme geantwortet hatte. An die Stelle der ungarischen traten, Aubeterre vergaß nicht dies zu erwähnen, französische Weine.9 Dieses Bild eines strukturschwachen, vom Adel dominierten und von Wien streng überwachten Ungarns bedarf allerdings der Korrekturen. Zwar wird die 4 5 6

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Vgl. Khevenhüller-Metsch, Tagebuch, 1752-1755, S. 221-223. Jansky, Osmanenherrschaft, S. 770. AAE CP Autriche 254, fol. 35 r -41 v , Aubeterre an Rouillé, 22. Januar 1755, fol. 35r_v: „On est toujours extrêmement inquiet sur le changement arrivé à Constantinople: M. le Prince de Lichtenstein a été mandé de Hongrie où il commande, pour aviser aux mesures nécessaires dans la circonstance présente. Il paroit qu'on est dans le dessein de faire avancer quelques troupes sur les frontières, mais cependant avec beaucoup de circonspection, pour ne causer aucun ombrage aux Turcs par cette marche. Cette cour-ci a effectivement bien des raisons de les menager. Une guerre avec la Porte romprait toutes ses viies, et renverserait le sistème qu'elle paroit avoir adopté". AAE CP Autriche 254, fol. 35v-36v: „L'intérieur de la Hongrie n'est pas mieux disposé, quoique le Ministère Autrichien ait toujours eu attention d'attirer à la cour les plus grands seigneurs du pays, en les y attachant par des emplois; et quoique la plus part des évêques, dont le crédit est grand parmi les peuples, luy soient totalement dévoués, il est pourtant certain qu'il y a une grande quantité des mécontens, surtout dans la partie voisine de la Pologne, et dans la Transilvanie". AAE CP Autriche 254, fol. 36": „II y a eu de tout tems une espèce d'antipathie entre les deux nations". AAE CP Autriche 254, fol. 37-38', vgl. auch: Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 206.

II. Das Österreichbild

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wirtschaftliche Schwäche wird von der Forschung bestätigt - von einer latenten Unzufriedenheit der Ungarn kann man jedoch nicht sprechen10, denn Maria Theresia war stets bemüht, die Zuneigung der Bevölkerung zu gewinnen und glaubte an ihre Loyalität.11 Gleichsam als eine Bestätigung seiner Einschätzung, daß die Herrschaft Österreichs in seinen südöstlichen Territorien nicht besonders stabil sei, wird für Aubeterre die Nachricht über Unruhen in Kroatien gewesen sein, von denen er wenige Tage später berichtete. Hatte er in der Depesche vom 22. Januar 1755 noch geschrieben, die kroatischen Milizen seien treue Diener der Monarchie12, meldete er am 5. Februar nach Versailles, daß diese Milizen ihren General als Geisel genommen und mehrere ihrer Offiziere getötet hätten. Ursache der Revolte sei die Tätigkeit österreichischer Priester und die Brutalität der deutschen Offiziere, deren Einsetzung gegen die Privilegien der kroatischen Truppen verstoße.13 Daß von diesen Meutereien jedoch keine ernsthafte Gefahr für die Stabilität der Monarchie ausging, daran gab es für Aubeterre keinen Zweifel. Man werde sich um eine einvernehmliche Lösung bemühen, denn der Hof werde nicht den Fehler begehen, die ansonsten wohlgesinnten Völker des südlichen Balkans gegen sich aufzubringen. Zudem wisse man nicht, was in einem solchem Falle von der Pforte zu erwarten sei.14 Und so konnte er bereits wenige Tage später von der Entspannung der Situation berichten. Aubeterre verwies noch einmal auf die Brisanz der Unruhen, die durch den Versuch Wiens ausgelöst worden waren, Privilegien der kroatischen Milizen abzuschaffen.15 Der Kommandeur der Truppen, Guicciardi, so berichtete er, sei weiterhin in der Hand der Kroaten, die ihn als Pfand für die Sicherheit ihrer Deputierten zurückhielten, die jeden Tag in Wien erwartet würden.16 Die Unruhen zogen sich über das ganze Frühjahr hin. Letztlich setzte sich Wien durch. Feldmarschall Neipperg, der die Untersuchung der Beschwerden der Milizionäre leitete, konnte durch Zugeständnisse die Beendigung der Meuterei und die Auslieferung der Anführer erreichen. Während letztere auf das 10

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Über die nur gering ausgebildete Infrastruktur Ungarns: Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 202; siehe über Ungarn unter Maria Theresia auch: Szabo, Kaunitz, S. 303-345. Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 218. AAE CP Autriche 254, fol. 38v: „II n'y a que l'Esclavonie et la Croatie qui fournissent toutes ces milices [...] où les peuples paraissent assés affectionnés. Tous ces pays d'ailleurs sont fort mal sains pour les troupes". Über die Bedeutung der kroatischen Milizen fur das österreichische Heer siehe: Duffy, The Army of Maria Theresia, S. 82-90. AAE CP Autriche 254, fol. 69r-71v, fol. 69 v -70 r : „II y eut ces jours ci une espéce d'emeute en Croatie; les milices de ce pays-là se sont soulèvées, et ont massacré sept ou huit de leurs officiers. Mr le général Guicciardi qui les commande, a été forcé de leur permettre d'envoyer trois de leurs députéz à Vienne, pour y représenter leurs griefs à l'Impératrice. Leurs principales plaintes sont, à ce qu'on m'a dit; l'envoy que l'on a fait des religionnaires de la Haute-Autriche dans leur pays, et la dureté des officiers allemands, qu'on a placés dans ces milices, lesquelles en vertu de leurs privilèges, ne devraient avoir que des officiers de leur nation". AAE CP Autriche 254, fol. 69v-70r: „On est assez généralement persuadé ici, que la cour préférera les voyes de douceur aux parties violents, attendu que si on vouloit employer la force contre ces peuples, il faudrait faire marcher dans ce pays là au moins quinze ou seize mille hommes des troupes reglées, outre qu'il serait fort dangereux de mecontenter cette province, qui jusqu'ici a été regardée comme la plus affectionnée de la Hongrie, dans un tems où l'on n'est encore bien assuré de la Porte". AAE CP Autriche 254, fol. 73'-77 r , Aubeterre an Rouillé, 12. Februar 1755, fol. 73r-74v: „La cour n'étoit pas sans inquiétude à cet égard et elle avoit grande raison car si cette rebellion s'étoit soutenue, elle pouvoit avoir des suites très fâcheuses. Tous les habitans de la Croatie sont soldats; ces peuples se sont enregimentés volontairement, et forment le corps de milices [...], à condition de ne payer aucun impost à l'Impératrice. Malgré cet arrangement, on a voulu leur en imposer, et c'est l'establissement des ces nouveaux droits joints à la dureté des officers allemans qu'on a placés parmi eux, qui ont occasionné tout ce desordre". AAE CP Autriche 254, fol. 76r~v.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

grausamste hingerichtet wurden17, entsprachen neue Verordnungen weitgehend den Wünschen der Kroaten.18 Daß Aubeterre nicht nur Ereignisse an der südöstlichen Peripherie des Habsburgerreiches, sondern auch im Süden, in Italien, aufmerksam verfolgte, zeigt seine Berichterstattung über Reichsitalien. Sowohl der Konflikt des Kaisers mit der Republik Genua - Auslöser war eine Klage San Remos gegen die Republik - als auch die Reaktionen der Inhaber der kleinen Lehen auf ein vom Kaiser publiziertes Edikt zur Gerichts- und Prozeßordnung fanden Eingang in seine Berichterstattung.19 Der seit längerem schwelende Streit in dieser Angelegenheit galt Rouillé als Beweis für das fortwährende Hegemoniestreben Österreichs.2 Frankreich sah sich in dieser Angelegenheit einmal mehr als Protektor und Unterstützer Genuas wie auch der kleinen Vasallen gegen den Kaiser. Sowohl die Kompetenz des Kaisers in der Frage des Besitzes von San Remo als auch sein Anspruch, in die Rechtsprechung der Besitzer der kleinen Lehen einzugreifen, wurden energisch bestritten.21 In der Folge empfahl der genuesische Gesandte in Wien, Abbate Ferrari, den Besitzern der Reichslehen, sowohl Ludwig XV. als Garanten der Reichsverfassung als auch den spanischen König Ferdinand VI., den bedeutendsten Gegenspieler der österreichischen Macht auf der italienischen Halbinsel, um Hilfe anzurufen.22 Rouillé bekräftigte das Interesse Frankreichs an den italienischen Angelegenheiten und wies Aubeterre an, in dieser Angelegenheit eng mit dem genuesischen Gesandten zusammenarbeiten bzw. weitere Informationen zu sammeln. Und er korrigierte den Gesandten bezüglich der Rechtsstellung der italienischen Vasallen, die dieser den Reichsständen gleichgesetzt hatte: 17

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AAE CP Autriche 254, fol. 236 r_v : „Relation des exécutions faites en Croatie", 26. Juli 1755, fol. 236 r : „L'affaire des Croates s'est enfin terminé cette semaine par des exécutions les plus cruelles. La première a commencé, le 23 de ce mois. Il y a eu 27 criminelles qui ont été mis à mort. Deux ont été roués des pieds à la tête, et huit de la tête aux pieds, et lorsqu'on les conduisoit au supplice, on les a tenaillés avec des fers chauds. Dix ont eu la tête tranchée, et ensuite on les a exposés sur la roue, après avoir été partagés en quatre". Duffy, The Army of Maria Theresia, S. 84-88. AAE CP Autriche 254, fol. 74'-75 r ; Aubeterre intervenierte bereits im April 1754 zugunsten Genuas am Wiener Hof, vgl.: Khevenhüller-Metsch, Tagebuch, 1752-1755, S. 419-422; über Reichsitalien im 18. Jahrhundert siehe: Aretin, Das Reich, S. 151-159; und: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 65-66, 69-71. Vgl. unten S. 93. Khevenhüller-Metsch, Tagebuch, 1752-1755, Memorandum Aubeterres für den Wiener Hof vom 26. April 1754, S. 419: „La souveraineté libre et indépendante de la République de Gênes sur San Remo est une chose constatée depuis plus de cent ans; ainsi le conseil aulique ne peut y exercer aucune juridiction"; ähnlich auch die Formulierung in der Instruktion für den Comte de Neuilly, ministre plénipotentiaire in Genua, der eine Abschrift des Memorandums Aubeterres erhielt, vgl. Recueil des Instructions: Florence, Modène, Gênes, S. 323-324. AAE CP Autriche 255, fol. Γ-2 Γ , Aubeterre an Rouillé, 3. Januar 1756, fol. l r v: „M. l'abbé de Ferrari [...] pense que les seigneurs feudataires sont dans le cas de reclamer la garantie de la France, et effectivement il me paroît que leurs privilèges sont attaqués. On ne trouve dans aucun document authentique de l'Empire que l'Empereur soit fondé à ordonner aux seigneurs feudataires de remettre les déserteurs des troupes impériales et autrichiennes. Le droit d'azile accordé par toutes les loix féodales aux seigneurs de fiefs, est incontestable semblable". AAE CP Autriche 254, Aubeterre an Rouillé, 8. März 1755, fol. 9 9 - 1 0 Γ , fol. 99 v -100 r : „Ensuite il [= Abbate Ferrari] luy conseilleroit de réclamer la protection de la France comme garante des privilèges des États de l'Empire, et celle de l'Espagne comme intéressé à empêcher l'agrandissement de la maison de l'Autriche en Italie. Ces mesures m'ont paru justes, et je n'ai point cherché à les detourner. Je ne lui ai rien dit de positif au sujet de la France, j'ai cru pourtant devoir lui laisser entrevoir que sa Majesté ne laisseroit pas opprimer les fiefs de l'Italie".

II. Das

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„Es ist ärgerlich, daß es ein Erlaß des Reichshofrats vorliegen soll, der die Ordonnanz d e s Marquis von Botta gegen das Asylrecht der Feudalherren in Reichsitalien bestätigt. Die Auslegung dieses Rechts ist eine äußerst schwierige und heikle Angelegenheit, vor allem im Hinblick auf die Feudalherren in Italien, die keine Reichsstände sind und die das Reich nur als einfache dem Herrn direkt unterworfene Vasallen betrachtet, und die nicht nach den Reichsgesetzen, sondern nach dem lombardischen Recht - dies ist ihr ü b l i c h e s Recht - und auf der Grundlage Feudalgesetzen regieren". 23 D i e s e Äußerung belegt ein weiteres Mal die guten Kenntnisse des französischen Außenm i n i s t e r i u m s n i c h t nur i n F r a g e n d e s R e i c h s r e c h t s , s o n d e r n a u c h h i n s i c h t l i c h der S t e l l u n g R e i c h s i t a l i e n s . E i n e E n t s c h e i d u n g ü b e r d a s w e i t e r e V e r h a l t e n Frankreichs m a c h t e R o u i l l é v o n w e i t e r e n I n f o r m a t i o n e n a b h ä n g i g . I m ü b r i g e n e m p f a h l der A u ß e n m i n i s t e r d e n B e troffenen, bis dahin A n g e h ö r i g e des Reichshofrates mit Geldgeschenken einzunehmen.24 R e i c h s i t a l i e n trat erst a n g e s i c h t s der z u n e h m e n d e n E s k a l a t i o n z w i s c h e n Großbritannien u n d F r a n k r e i c h i n d e n H i n t e r g r u n d . N o c h i m A p r i l 1 7 5 6 sandte R o u i l l é e i n a u s f ü h r l i c h e s M e m o r a n d u m an Aubeterre, in d e s s e n M i t t e l p u n k t R e i c h s i t a l i e n u n d d i e durch d i e K o n v e r s i o n d e s h e s s e n - k a s s e l i s c h e n Erbprinzen a u s g e l ö s t e n S p a n n u n g e n i m R e i c h standen. 2 5 I m ü b r i g e n v e r n a c h l ä s s i g t e der G e s a n d t e in s e i n e n D e p e s c h e n k e i n e s w e g s d a s g e s e l l s c h a f t l i c h e L e b e n in W i e n - e t w a w e n n er ü b e r d i e B ä l l e d e s H o f e s berichtete. 2 6 A l s e i n Z e i c h e n der A n n ä h e r u n g k a n n e i n K o n t a k t g e d e u t e t w e r d e n , der e x e m p l a r i s c h d i e U m g a n g s f o r m e n der h ö f i s c h - a r i s t o k r a t i s c h e n K u l t u r d e s A n c i e n R é g i m e z e i g t . A u b e t e r r e vermittelte d i e A u s s t e l l u n g der n ö t i g e n P a p i e r e für drei A n g e h ö r i g e d e s K a i s e r h o f e s , u m i n s französische Martinique z u reisen, w o sie - v o n den dortigen Behörden n o c h mißtrauisch beob a c h t e t - P f l a n z e n u n d V ö g e l für d i e M e n a g e r i e d e s K a i s e r s s a m m e l t e n . 2 7

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AAE CP Autriche 255, fol. 28'-29 v , Rouillé an Aubeterre, 25. Januar 1756, fol. 28' v: „II est fâcheux, qu'il soit intervenu un arrêt du conseil aulique portant conformément à l'ordonnance du Marquis de Botta contre le droit d'azile des feudataires de l'empire en Italie. La discussion de ce droit est une matière très difficile et très délicate surtout par raport aux feudataires d'Italie, qui ne sont point États de l'Empire, et que l'Empire ne considère que comme de simples vassaux soumis au seigneur directement, et qui ne se régissent point par les loix de l'Empire, mais par le droit lombard, qui est le droit ordinaire pour eux, et par les loix féodales"; weiter heißt es, fol. 28 v : „ainsi monsieur, il est essentiel de commencer par nous informer des raisons sur lesquelles le conseil aulique et les feudataires fondent leurs droits. Vous voudrez bien à cet effet vous procurer les assurances les plus précises non seulement par l'abbé Ferrari, mais encore par quelques personnes habiles et impartiales, que vous seréz à portée de consulter à Vienne et en former un mémoire circonstancié".

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AAE CP Autriche 255, fol. 28 v -29 r : „Vous sentirez que ce n'est que d'après ces connaissances que le Roy poura décider s'il lui convient de prendre parti à cette affaire, soit par sa garantie, soit par ses offices, ou autrement; mais en attendant, nous croyons, que le meilleur parti, que les feudataires d'Italie pourroient prendre, seroit d'employer les moyens pécuniaires auprès de quelques membres du conseil aulique pour se faire donner la confirmation du droit d'asile avec les restrictions nécessaires pour les déserteurs impériaux". AAE CP Autriche 255, fol. 173-179', Rouillé an Aubeterre, 18. April 1756. Zur Konversion des Erbprinzen Friedrich von Hessen-Kassel und den damit verbundenen Auseinandersetzungen: Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 75-92, mit weiterführender Literatur. AEE CP Autriche 254, fol. 30'-33 r , Aubeterre an Rouillé, 15. Januar 1755, fol. 30': „II y eut hièr bal à la cour pour la famille impériale. Ce bal s'est tenu dans une belle et grande pièce, qui a été faite pendant l'été dernier. Elle est boisée en blanc et or, et ornée avec toute la magnifience possible sans être chargée, il y en aura un bal tous les mardis, jusqu'au carême". Unter dem 14. Januar 1754 notiert Khevenhüller-Metsch, Tagebuch, 1752-1755, S. 223: „Den 14. ware der erste maschirte Bai bei Hoff, wormit alle Dienstag hergebrachter Massen continuiret wurde". AAE CP Autriche 254, fol. 10', Machault an Rouillé, 9. Januar 1755, ibid., fol. 218': „Sur ce que vous m'avez marqué, Monsieur, [...] du dessein où est l'Empereur de faire passer dans nos isles de l'Amerique un homme

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Aubeterre über den englisch-französischen Kolonialkrieg und die Haltung des Wiener Hofes Im Laufe des Sommers 1755 rückten der britisch-französische Kolonialkonflikt und seine Auswirkungen auf die nicht darin verwickelten Mächte - insbesondere Preußen - immer mehr in den Mittelpunkt der Berichterstattung Aubeterres. Schon die Spekulationen und die Unruhe in Wien, die der Thronwechsel in Konstantinopel hervorgerufen hatte, so der Gesandte, ließen sich vor allem aus der Furcht vor Preußen erklären lasse. Angesichts der eigenen Schwäche und Unterlegenheit seien zahlreiche Angehörige des Hofes überzeugt, Friedrich der Große warte nur auf eine erneute Gelegenheit zum Angriff.28 Das Bekanntwerden der Rüstungsanstrengungen in Frankreich und in Großbritannien steigerte in Wien die Ungewißheit über den Bestand des Friedens in Europa, obgleich man vorläufig hoffte, daß der Konflikt nicht eskalieren werde. Aubeterre betrachtete es daher als seine Aufgabe, alles zu versuchen, um Einblick in die Überlegungen der österreichischen Minister zu erhalten.29 Das Interesse Wiens, in die Auseinandersetzung verwickelt zu werden, schätzte Aubeterre gering ein. Man werde sich neutral verhalten und selbst bei einem Angriff auf Hannover die Briten nur mit einem Kontingent Truppen unterstützen.30 Er begründete dies zum einem mit der Tatsache, daß man nur gegenüber Friedrich II. offensive Pläne hege und die eigenen Kräfte niemals so disponieren werde, daß man gegenüber Preußen in eine schwächere Position geraten würde, und zum anderen, daß man keinesfalls alle Kräfte zur Verteidigung der Niederlande einsetzen werde.31 Andererseits bezweifelte Aubeterre nicht,

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accompagné d'un jardinier botaniste et de deux autres hommes pour y chercher des plantes et des oiseaux pour sa ménagerie, j'envoye aux gouverneurs et intendants de la Martinique et de St. Dominque les ordres du Roy nécessaires à ce sujet, et vous pouvez faire assurer sa majésté impériale que ceux qui sont chargés de sa commission trouveroient tous les secours et toutes le facilités dont il pourroient avoir besoin pour la bien exécuter"; ibid. fol. 218 r-v , Bonrepas und Givrey aus Martinique an Machault d'Amouville, secrétaire d'État à la marine, 11. Juli 1755, fol. 218r_v: „Mais en le traitant toujours avec toutes sortes de ménagement, nous aurons un soin particulier à veiller sur la conduite et sur celle de ses compagnons, et nous nous conformeront, Monseigneur, de point en point aux ordres que vous nous avez donnez". AAE CP Autriche 254, fol. 38v-39r: „Outre ces considérations il s'y joint encore une autre qui n'est pas la moins essentielle; c'est l'état de foiblesse où se trouveroient les pays autrichiens vis-à-vis du Roy de Prusse. Cette idée effraye plus que toutes les autres cette cour-ci, qui est persuadée que ce Prince n'attend qu'une circonstance pour frapper encore un coup". AAE CP Autriche 254, fol. 85r-88v, Aubeterre an Rouillé, 26. Februar 1755, fol. 85r_v: „Les armemens qui se préparent en France et en Angleterre, occupent fort icy les esprits. On paroit persuadé néanmoins, que ces préparatifs n'auront aucune suite fâcheuse, et que le différend qui s'est élevé entre les deux couronnes se terminera à l'aimable. J'ay cherché avec attention à recueillir toutes les notions qui pourroient me parvenir pour pénétrer, qu'elle est la façon de penser du ministère autrichien au sujet de ces brouilleries". Zu den Ereignisse in Amerika (und in Indien) 1750-1754 und die britisch-französischen Verhandlungen vgl.: Waddington, Renversement, S. 17-44; Reese, Europäische Hegemonie und France d'outre-mer, S. 274-276, 280-289; Black, From Louis XIV to Napoleon, S. 104-106. AAE CP Autriche 254, fol. 85ν-86Γ: „II paroit que la cour de Vienne souhaite vivement que l'on puisse se pacifier, et supposé que la France et l'Angleterre en vinssent à une rupture, il est aparent que cette cour prendroit le parti de la neutralité. Je suis même persuadé, que dans le cas où le Roy jugeroit à propos faire attaquer l'Électorat d'Hannover; elle ne changeroit pas de façon de penser. Peut-être leurs Majestés impériales accorderoient-elles un corps de troupes au Roy d'Angleterre de dix ou douze mille hommes". AAE CP Autriche 254, fol. 86r_v: „L'objet principal de la cour de Vienne tant pour l'offensive que la défensive est la Prusse. Ce ne sera jamais qu'à la dernière extremité, que leurs Majestés impériales prendront le parti de se dégarnir de leurs troupes et de se mettre dans un état de foiblesse vis-à-vis de cette puissance"; ibid. fol. 87r-88r: „De plus quoique depuis longtems on soit accoutumé ici à regarder les puissances maritimes

II. Das Österreichbild

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daß Wien seine niederländischen Besitzungen niemals zu Gunsten Hannovers vernachlässigen würde.32 Auch angesichts der britisch-österreichischen Gespräche im Verlauf des Frühjahres blieb Aubeterre bei seiner Einschätzung, daß die österreichische Monarchie um die Bewahrung des Friedens in Europa bemüht sei. Wien dränge in London auf eine Entspannung der Lage und könne damit auch erfolgreich sein, da sich Georg II. niemals ohne Verbündete auf einen Waffengang einlassen werde. Zudem fühle sich der englische König seinem Stammlande zu sehr verpflichtet, als daß er es ungeschützt dem Risiko einer französisch-preußischen Attacke aussetzen würde.33 Wie präzise diese Einschätzung der britischen Haltung war, sollte sich im Januar 1756 auf ganz unerwartete Weise zeigen. Großes Aufsehen erregte auch in Wien die Kaperung der französischen Schiffe Lys und Alcide am 10. Juni 1755 vor Neufundland. Dieser Angriff des britischen Admirals Bouscawen auf ein französisches Geschwader ohne zuvor ausgesprochene Kriegserklärung führte zum Abbruch der britisch-französischen Gespräche und zur französischen Kriegserklärung an England vom 9. Juni 1756.34 Die durch den Überfall auf die Schiffe ausgelöste Eskalation rief in Wien - so die Depeschen Aubeterres von Anfang August - ambivalente Stellungnahmen nicht nur des Hofes hervor. Einerseits befürchte man in der Öffentlichkeit, in einen Krieg hineingezogen zu werden, in dem es nichts zu gewinnen gebe, andererseits blieb der Gesandte auch weiterhin von der Stabilität der britisch-österreichischen Allianz überzeugt. Er verwies aber emeut darauf, daß man niemals zugunsten Hannovers die Grenzen gegenüber Preußen entblößen werde.35 Daran hielt er auch fest, als er wenige Tage später von Drohungen des englischen Gesandten Keith erfuhr, London werde sich nach anderen Partnern umsehen:

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comme chargées de la conservation des Pays-Bas, on sent pourtant à merveille, que dans l'état où se trouvent aujourd'hui ces provinces, elles seraient conquises par la France, avant qu'on eust le tems d'y assembler une armée. On est même persuadé que la France saisirait le premier prétexte pour s'en emparer. Quoique la Flandre ne soit quasi d'aucune raport à la maison d'Autriche, elle est pourtant fort attachée à la possession de ce pays, qu'elle regarde comme le nœud qui la lie aux Anglois et aux Hollandois". Schon nach der Schlacht von Fontenoy 1745 hatte Wien die Rückeroberung Flanderns zugunsten des Kampfes gegen Preußen zurückgestellt, vgl. Bois, Fontenoy, S. 114. AAE CP Autriche 254, fol. 88': „Je suis persuadé que le ministère autrichien ne voudrait jamais se mettre dans le cas pour secourir l'Électorat d'Hanovre, de perdre les Pays-Bas, et d'attirer le Roy de Prusse au milieu de ses pays-héréditaires". AAE CP Autriche 254, fol. 134-136', Aubeterre an Rouillé, 9. April 1755, fol. 134v-135r: „II me vient de toutes partes qu'on ne veut point icy de guerre et on assure que leurs Majestés impériales sollicitent vivement le Roi d'Angleterre de se prêter à un accomodement. On dit hautement qu'il n'y avoit que le Roi de Prusse qui pourrait gagner dans cette guerre. Je suis très persuadé que si l'Impératrice veut parler ferme au Roi d'Angleterre ce Prince n'osera jamais s'engager seul dans une guerre contre nous. Il n'est pas naturel de penser que sa Majesté britannique veuille exposer ses États d'Hanovre pour lesquels son attachement est connu". Zur Kaperung der Lys und Alcide siehe: Waddington, Renversement, S. 106-113; Reese, Europäische Hegemonie und France d'outre-mer, S. 310-312; Bérenger, Meyer, La France dans le monde, S. 208-209. AAE CP Autriche 254, fol. 242-245', Aubeterre an Rouillé, 2. August 1755, fol. 242-243': „Toute la nation le pense ainsi, et se voit avec regret entraînée dans une guerre où il n'y a rien à gagner, et où selon les événemens elle pourrait perdre beaucoup. Malgré célà il n'y a aucune apparence que cette cour se sépare des Anglois. Leur alliance lui est trop nécessaire; mais je suis persuadé qu'elle sera fort circonspectée dans le secours qu'elle fournira et que sa principale attention sera toujours de se tenir en force dans ses pays héréditaires de l'Allemagne".

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C. Das Preußen-

und Österreichbild

der französischen

Diplomatie

„Diese Drohung läßt mich vermuten, daß er [Keith] mit dem österreichischen Kabinett nicht zufrieden ist. Ich bin sehr überzeugt, daß hiesige Hof hier England äußerst harte Bedingungen stellt und hohe Subsidien verlangt. Aber ich glaube auch weiterhin, daß er niemals einen Angriff auf das Kurfürstentum Hannover zulassen wird, ohne ihm im Rahmen seiner Möglichkeiten beizustehen und ohne sich gegenüber Preußen zu entblößen".36

Der Staatssekretär teilte die Einschätzung seines Gesandten. In einer summarischen Antwort auf seine Depeschen vom Juli und August warnte Rouillé davor, den Versicherungen Wiens Glauben zu schenken: „All diese Überlegungen, die die österreichischen Minister Ihnen vermitteln, daß ihre kaiserlichen Majestäten sich nicht in den Krieg einmischen werden, solange man sie nicht zum Eintritt zwinge, verdienen kein großes Vertrauen. Wie Sie sehr gut beobachten, wird der Wiener Hof immer vom König von England abhängig sein, der der einzige Verbündete ist, der ihm Festigkeit geben könnte, und wohin es ihn auch führen mag, Wien wird sich niemals von London trennen".37

Rouillé begründete seine Sichtweise mit der Analyse der britischen Politik. Die derzeitigen Verstimmungen erklärten sich seiner Meinung nach daraus, daß London an der angestrebten „monarchie des mers" festhalten und den Krieg vorläufig von Europa fernhalten wolle. In Wien aber erhebe man Forderungen, um sich eine gute Position zu verschaffen, falls der Krieg von Nordamerika auf Europa überspringe.38 Seinem Gesandten befahl der Außenminister erhöhte Wachsamkeit hinsichtlich aller Verhandlungen zwischen den beiden Höfen. Was die französische Haltung betraf, so wies er ihn an, eindeutige Antworten über die Pläne des Königs zu vermeiden und statt dessen seinen Willen betonen, am zuletzt in Aachen beurkundeten Status quo festzuhalten.39 Die hier sowohl von Rouillé als auch von Aubeterre vertretene Auffassung bestimmte auch weiterhin die Sicht auf das britisch-österreichische Verhältnis. Die Verstimmungen seien zwar auf grundsätzlich verschiedene Prioritäten in Wien und London zurückzuführen, wie Aubeterre im Oktober an den Grafen Broglie schrieb. Stehe für die Briten die Sicherung der Österreichischen Niederlande und Hannovers an erster Stelle der von Österreich zu leistenden Dienste, richte Wien hingegen, wie Aubeterre bereits mehrfach betont hatte, seine

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AAE CP Autriche 254, fol. 246'-248v, Aubeterre an Rouillé, 6. August 1755, fol. 246v-247r: „Cette menace me feroit penser qu'il [Keith] n'est pas content du ministère autrichien. Je suis très persuadé que cette courci imposeroit des conditions dures à l'Angleterre et qu'elle en exigera de gros subsides. Mais je persiste toujours à croire qu'elle ne laissera pas attaquer l'Électorat d'Hanovre sans faire ce qu'elle pourra pour le secourir autant qu'il est en elle, sans s'exposer vis-à-vis de la Prusse". Auch ein wenige Tage später mit Kaunitz geführtes Gespräch ließ Aubeterre nicht von dieser Auffassung abrücken, vgl. oben S. 81. AAE CP Autriche 254, fol. 279-282', Rouillé an Aubeterre, 14. September 1755, fol. 279'"v: „Toutes les considérations, que les ministres autrichiens vous donnent, que leurs Majestés impériales ne se mesleront pas de la guerre, à moins qu'on ne le force d'y entrer, ne méritent pas une grande confiance. La cour de Vienne, comme vous l'observé très bien, dépendra toujours du Roy d'Angleterre, qui est seul allié, qui puisse lui donner de la consistance, et quelque loin qu'il lui plaise de la mener, elle ne se séparera jamais". Ibid. fol. 279v-281'. Ibid. fol. 281r_v: „vous ferez très bien d'y répondre comme vous avez fait jusqu'ici, par des propos vagues, et en assurant toujours, que personne ne désire plus vivement que le Roy de conserver la paix, sur le pied des traités, et surtout de celui d'Aix-la-Chapelle, qui a établi les fondemens du maintien de la tranquilité générale".

II Das Österreichbild

237

ganze Aufmerksamkeit auf die Absicherung seiner Erbländer gegen Preußen.40 Daß es über diese Meinungsverschiedenheit zu einem Bruch kommen könnte, damit rechnete Aubeterre nicht. Der Gesandte sah sich auch nach dem Jahreswechsel durch Äußerungen von Mitgliedern des Reichshofrates in seiner Auffassung von der Stabilität der britisch-österreichischen Allianz bestätigt.41 Auch die Schmeicheleien von Kaunitz, der den Friedenswillen Ludwigs XV. ausdrücklich lobte, erschütterten diese Überzeugung nicht.42 Seine bis dahin am Wiener Hof gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse bündelte Aubeterre in einem Memorandum, das er, kurz vor Bekanntwerden der Westminsterkonvention, seiner Depesche vom 31. Januar 1756 beilegte. Darin griff Aubeterre nicht nur erneut seine bislang übermittelten Eindrücke auf, sondern skizzierte in Ansätzen auch die mögliche Richtung der französischen Politik gegenüber Wien und Berlin. Österreich werde versuchen, so lange wie möglich eine bewaffnete Neutralität zu bewahren. Für die Kaiserin bestünde keine Veranlassung, im Krieg zwischen Frankreich und Großbritannien zu intervenieren, doch könnte sie es sich nicht leisten, auf die britische Allianz zu verzichten.43 In der Vergangenheit hätten beide Monarchien von diesem Bündnis profitiert, und nur mit britischer Hilfe könne Wien auf eine Wiedergewinnung der verlorenen Territorien hoffen - wenn auch um den Preis eines großen Risikos.44 Daß die eigentlichen politischen Prioritäten Wiens in der Konfrontation mit Preußen liegen, betonte Aubeterre auch an dieser Stelle. Beide Staaten belauerten sich gegenseitig und warteten auf eine günstige Gelegenheit zum Angriff. Daher seien ihre Handlungen derzeit vom Bemühen geprägt, dem Gegner keine Angriffsfläche zu bieten.45 Aus dem Vergleich der beiden Gegner ging in den Augen Aubeterres die Habsburgermonarchie als die schwächere hervor. Angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch Preußen gelte für die Österreichischen Niederlande - folglich auch für Hannover - eine weitaus niedrigere Sicherheitsstufe als für die Erbländer, von denen er zu Recht Böhmen und Mähren als die von Preußen begehrten Provinzen betrachtete.46 Zwei Schlußfolgerungen ergaben sich für 40

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AAE CP Autriche Suppl. 15, fol. 86r-88v Aubeterre an Broglie, 20. Oktober 1755, fol. 86 v -87 r : „C'est la différence des vües de l'une et de l'autre. Nous faisons l'objet de l'Angleterre et le Roy de Prusse est celuy de la cour de Vienne. Celle de Londres voudrait une armée considérable en Flandres tant pour couvrir cette province que pour nous donner de la jalousie de ce côté là et nous empêcher de songer à Hannovre. La cour de Vienne au contraire ne veut point se dégarnir. Elle tâchera d'attirer en Allemagne toutes les forces de ses alliés dans l'espérance de pouvoir les diriger ensuite contre le Roy de Prusse au risque de tout ce qui pourroit arriver dans les Pays bas". Broglie war zu diesem Zeitpunkt Botschafter am Hofe des polnischen Königs in Dresden. AAE CP Autriche 255, fol. 5 - 7 ' , Aubeterre an Rouillé, 10. Januar 1756, fol. 5V: „II m'est encore revenu depuis, que quelque membres du conseil aulique les plus distingués par leur érudition et souvent consultés par M. de Colloredo, avoient dit assez hautement que l'Empire ne souffîroit jamais que la France attaquât les États d'Hannover". AAE CP Autriche 255, fol. 9-11', Aubeterre an Rouillé, 17. Januar 1756. AAE CP Autriche 255, fol. 34r-46r, „Mémoire sur la cour de Vienne", 31. Januar 1756, fol. 34v: „Une neutralité armée est ce que lui conviendroit le mieux mais aussi elle s'expose par là à perdre l'alliance de l'Angleterre, dont il semble qu'elle ne peut se passer". Ibid. fol. 35 v -36 r . Ibid. fol. 36'~v: „Le sistème des cours de Vienne et de Berlin est à découvert; on sait que ces deux cours sont réciproquement l'une et l'autre l'objet de toute attention. Il n'est pas douteux que celle des deux qui fournira la première une occasion à sa voisine de l'attaquer avec avantage se trouvera dans un très grand danger". Ibid. fol. 36-38', fol. 36 v -37': „La maison d'Autriche n'a point d'ennemi plus redoutable que le Roy de Prusse, et ce prince ne peut pareillement espérer de se rendre puissant que par l'abaissement de la maison

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Aubeterre aus dieser Konstellation: Zum einen sei die Kaiserin auf einen Protektor angewiesen, der nur Großbritannien sein könne, denn wer anders sei in der Lage, ihr bei einem Angriff Frankreichs und Preußens zu helfen. Zum anderen habe Frankreich sein Bedrohungspotential verloren und sei daher für die Habsburgermonarchie kein ernstzunehmender Gegner mehr. Den Bourbonen stelle sich damit eine neue Aufgabe - die der Kontrolle des Gleichgewichts zwischen Wien und Berlin.47 Vorstöße, die über die Bewahrung des Status quo hinausgingen, erwartete Aubeterre daher nicht und sah sich in dieser Auffassung auch durch die noch immer nicht eindeutige Entwicklung an der Hohen Pforte bestätigt. Die britisch-österreichischen Beziehungen seien im Moment äußerst^espannt, da Wien sich auf die Erhaltung seiner eigenen Verteidigungsfähigkeit beschränke. An diese Überlegungen über die strukturellen Zwänge, denen sich Wien ausgesetzt sah, schloß sich die Charakterisierung der führenden Personen des Hofes an. Maria Theresia könne die Demütigungen durch die Briten während des letzten Krieges nicht vergessen und sei nicht als anglophil einzuschätzen.49 Dem in diesem Memorandum skizzierten Friedrichbild, das dessen grundsätzlich expansive Politik hervorhebt, stellt Aubeterre ein die Festigkeit und Friedfertigkeit der Kaiserin betonendes Porträt entgegen: „Im übrigen ist diese Fürstin gar nicht so ehrgeizig und unruhig, wie man bislang in Europa angenommen hat. Sie glaubt, mit dem Erhalt der Länder, die sie besitzt, viel geschafft zu haben; sie ist stark mit ihrer Verwaltung beschäftigt. Diese Fürstin ist weise, und es hat nicht den Anschein, daß sie eine allzu starke Leidenschaft für die Expansion hat, um sich in unkalkulierbare Situationen zu begeben, aus denen sie sich dann nur mit erheblichen Mühen befreien kann".50

Gegenüber der dominierenden Persönlichkeit der Kaiserin verblasse die des Kaisers. Man spreche von ihm nur als Gatten der Königin und wisse nur wenig über seine Auffassungen, aber man vermute, daß er die seiner Frau teile. Von den Ministern nennt Aubeterre nur zwei,

d'Autriche. Cette dernière n'a que les forces nécessaires à sa sûreté. Si elle se dégarnit d'un corps de troupes, elle se met sur le champ dans le cas d'éprouver une invasion des Prussiens et il n'est de prévoir jusques où elle pourra être poussée"; fol. 38r v: „On croit communément assez que le Roy de Prusse se meslant de la guerre, il n'est pas possible que l'Impératrice puisse se dispenser d'y entrer pour s'oposer à l'agrandissement de ce prince; mais cette reflexion en entraîne d'autres, savoir de quel côté et au dépens de qui le Roi de Prusse peut l'agrandir. On verra bien vite qu'il n'y a point de pays plus à la bienséance que la Bohême et la Moravie et que c'est à leur conservation que l'Impératrice doit songer avant toute chose". Zur Bedrohung der Erbländer siehe auch: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 29. 47

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AAE CP Autriche 255, fol. 39 r_v : „La maison d'Autriche cessant d'être redoutable à la France n'a plus à craindre d'avoir cette couronne pour ennemi comme par le passé. L'intérêt de la France est d'empêcher l'agrandissement de la cour de Vienne, mais non pas de la diminuer. La cour de France doit chercher à entretenir l'égalité entre Vienne et Berlin sans permettre qu'aucune des deux puissances prenne la supériorité". Ibid., fol. 40'-42 r . Ibid. fol. 42': „Quant à l'inclination de l'Impératrice si l'on juge par les différens reports elle n'aime point intérieurement les Anglois. Cette princesse ne peut oublier les hauteurs qu'elle a essuyées de cette nation pendant la guerre dernière". Ibid. fol. 42 v -43 r : „D'ailleurs le caractère de cette princesse n'est pas aussi ambitieux ni aussi remuant qu'on l'a cru en Europe. Elle croit avoir beaucoup fait d'avoir conservé les États qu'elle possède; elle est fort occupée à en administrer à l'interieur. Cette princesse est sage et il ne semble pas qu'elle ait une passion assez vive de s'aggrandir pour se jetter dans des hazards dont elle auroit peut-être en suite bien de la peine à se tirer".

II. Das Österreichbild

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um deren Positionen am Hof zu charakterisieren: Kaunitz und Colloredo. Ersterem wird der größte Einfluß auf die Kaiserin sowie gleich ihr eine englandkritische Haltung attestiert: „Er macht manchmal aus seiner Geringschätzung für die Engländer keinen Hehl. Wenn man im übrigen seinen eigenen Äußerungen Glauben schenken darf, befürwortet er keinesfalls ihr Verhalten bezüglich ihrer eigenen Interessen. Er hält die Maßnahmen Frankreichs für folgerichtig und klug. Vielleicht denkt er sogar, daß England fähig wäre, für den kleinsten Vorteil zugunsten seines Handels seine Verbündeten zu opfern".51

Reichskanzler Colloredo hingegen unterstütze bedingungslos die Engländer - ohne jedoch einen Kaunitz' vergleichbaren Einfluß zu besitzen.52 Aus diesen Signalen, die auf Risse in der britisch-österreichischen Allianz hindeuteten, leitete Aubeterre jedoch nicht die Möglichkeit eines Agreement zwischen Versailles und Wien ab. Er beschränkte sich auf die Wiederholung seiner Hauptthesen: Daß das Verhältnis zwischen den Bündnispartnern getrübt sei, Wiens Prioritäten in der Sicherung der Erbländer gegen Preußen und in der Vermeidung eines Krieges lägen.53 Doch noch bevor Aubeterre eine Reaktion auf sein Memorandum erhielt, schuf die Bekanntgabe der Westminsterkonvention eine völlig neue Situation. Der französische Gesandte berichtete über die allgemeine Verblüffung des Hofes, von der er sich nicht ausnahm. In einer ersten Reaktion ging er von einem Bruch zwischen London und Wien aus, denn Friedrich hätte sich nie zu einem Vertrag bereitgefiinden, wenn man ihm kein „aggrandissement" versprochen hätte.54 Einige Tage später deutete der Gesandte erstmals den Gedanken einer französisch-österreichischen Vereinbarung an. Das konstante Bemühen Wiens um eine Annäherung an Versailles seit dem Aachener Frieden anerkennend, erwartete Aubeterre nach Abschluß der Westminsterkonvention erneute Initiativen von Kaunitz. Der Staatskanzler gehe demonstrativ auf Distanz zum britischen Gesandten Keith und zeige sich äußerst zuvorkommend gegenüber dessen französischen Kollegen.55 Drei Gründe gebe es für die Kaiserin, eine Allianz mit Frankreich anzustreben: Grundsätzlich könne Wien von den Franzosen keine Unterstützung für eine territoriale Expansion erwarten, jegliche Allianz würde nur defensiven Charakter besitzen. Ein erster Grund wäre demnach, London verstehen zu geben, daß man nicht bedingungslos auf britische Unterstützung angewiesen sei, und somit zu zeigen, daß man nicht den Vorgaben aus 51

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Ibid. fol. 43v-44v: „II a laissé entrevoir quelquefois le peu de goût qu'il a pour les Anglois. D'ailleurs si l'on peut croire ses propres discours, il n'aprouve point du tout leur conduite relativement à leur propres intérêts. Il trouve bien de suite et de prudence dans les mesures de la France. Peut-être même pense-t-il que l'Angleterre seroit capable de sacrifier ses alliés au moindre avantage qu'elle obtiendroit pour son commerce". Ibid. fol. 44v: „M. de Collroredo paroit fort porté pour les Anglois; mais outre que son crédit est foible prés de l'Impératrice, il a trop de timidité dans le caractère, et ses lumières sont trop médiocres pour que son sentiment puisse prévaloir". Ibid. fol. 44M5'. AAE CP Autriche255, fol. 47-53', Aubeterre an Rouillé, 4. Februar 1756; vgl. oben S. 171. AAE CP Autriche 255, fol. 57r-67r, Aubeterre an Rouillé, 11. Februar 1756, fol. 57r"v: „La disposition où paroit être la cour de Vienne de se rapprocher de celle de Versailles mérite d'être examiné avec attention. Depuis le traité d'Aix-la-Chapelle cette cour-cy a témoigné les mêmes sentimens. Elle les a fait paraître à M. de Blondel et M. de Hautefort. M. le comte de Kaunitz a tenue la même conduite pendant son séjour à Paris. Toutes ces tentatives ayant été inutiles et la France ne se prêtant à rien, M. le Comte de Kaunitz depuis son retour s'est tenu dans la reserve. La circonstance du traité que le Roy de Prusse vient de conclure avec l'Angleterre a fait réprendre au ministère autrichien ses anciennes idées. M. de Kaunitz me témoigne aujourd'huy beaucoup de confiance et semble affecter de la froideur vis-à-vis de M. de Keith".

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London folgen werde. Da die britisch-preußische Allianz einzig aus dem Bemühen um die Absicherung Hannovers geschlossen wurde, rechnete Aubeterre nicht mit einer langen Lebensdauer. Eine erneute Annäherung zwischen Wien und London sei daher bald wieder zu erwarten.56 Zweitens böte ein französisch-österreichisches Bündnis Wien die Chance, Frankreich und Preußen dauerhaft voneinander zu trennen. Und drittens bestehe die Möglichkeit, daß man Frankreich ein Tauschgeschäft vorschlagen könne: „nämlich Frankreich durch die Abtretung der Niederlande dazu bewegen, sich mit dem Wiener Hof zu verbünden, um ihm bei der Rückeroberung Schlesiens zu helfen".57 Zu diesem Schluß kam Aubeterre durch die Interpretation von Äußerungen Kaunitz' über die Rolle Flanderns in der Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Dynastien. Wenn erst einmal Flandern im Besitz Frankreichs sei, so Kaunitz, stünde einem dauerhaften Frieden zwischen den beiden Mächten nichts mehr im Wege.58 Ohne es zu wissen, nannte Aubeterre damit einen zentralen Punkt der zur selben Zeit in Paris stattfindenden Geheimverhandlungen.59 In den sich an diese Überlegungen anschließenden Empfehlungen über die von Frankreich einzuschlagende Haltung blieb für Aubeterre die wie auch immer geartete Annahme des Wiener Angebotes undenkbar. Ausgehend von der zutreffenden Beobachtung, daß Friedrich II. der Überzeugung sei, Frankreich werde niemals seiner Schwächung zustimmen, schlug er vor, ihm zu verstehen zu geben, daß Frankreich durchaus eine Allianz mit Österreich eingehen könnte.60 Auf diese Weise, so das Kalkül des Gesandten, werde man den Preußenkönig an die Seite Frankreichs zwingen. In Versailles nahm man solche Überlegungen kommentarlos auf, um die geheimen Verhandlungen zwischen Bernis und Starhemberg nicht zu gefährden. In seiner Depesche vom 21. Februar 1756 deutete Rouillé zwar die Verstimmung über das Vorgehen Friedrichs an, betonte aber, daß, bei Anerkennung des Friedenswillens der Habsburger, auch der Preußenkönig keine aggressiven Ziele verfolge.61 56

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Ibid. fol. 58'-59 r : „Cette alliance ne peut donc lui être utile que pour sa conservation et on ne voit pas qu'elle soit dans le cas d'aucune crainte à cet égard. Quels sont donc les objets qui peuvent déterminer la cour de Vienne? [...] Le 1er faire sentir aux Anglois qu'elle peut se passer d'eux. Pendant la dernière guerre les Anglois l'ont tenu dans la dépendance la plus dure. Elle a été obligée d'obéir à toutes leurs volontés sans qu'ils ayent jamais daigné se prêter à la moindre de ses vues. La cour de Vienne voit très bien que ce que le Roi d'Angleterre vient de faire avec celui de Prusse est la suite de la nécessité du moment où il a cherché à mettre son électorat à couvert. Une alliance entre deux princes de ce caractère et dont les intérêts sont si opposés, ne peut jamais être solide et sa majesté britannique sera toujours obligée d'en revenir à la maison d'Autriche". Ibid. fol. 59v: „savoir d'engager la France par la cession des Pays-Bas à s'unir avec la cour de Vienne pour l'aider à reprendre la Silesie". Ibid. fol. 59v—60r: „On m'a jetté plusieurs fois dans les discours que la Flandre avoit causé quasi toutes les guerres qui s'étoient élevées entre les deux maisons et que s'il étoit possible d'ôter ce sujet de jalousie les deux puissances n'avoient quasi plus rien à desmesler ensemble; qu'elles cesseraient d'être redoutables l'une pour l'autre, et qu'il pouvoit alors y avoir une paix ferme et solide entre elles". Waddington, Renversement, S. 296-332; Braubach, Versailles und Wien, S. 422-449; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 72-83; Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 189-202. AAE CP Autriche 255, fol. 60': „Je pense donc qu'il serait absoluement nécessaire d'intimider ce monarque [Friedrich II.] par la crainte d'une réunion avec la maison d'Autriche et de lui faire sentir que la France peut très bien l'abandonner". Ibid., fol. 75r-86v, Rouillé an Aubeterre, fol. 77 v -78 v : „Nous devons [...] rendre à leurs Majestés impériales la justice de croire, leur amour pour le repos et la tranquilité de l'Europe et l'esprit de justice et d'équité, qui les conduit, les ont empêché de se prêter aux propositions, qui peuvent leur avoir été faits par le Roy d'Angleterre pour les engager à soutenir une querelle aussi injuste et aussi déraisonnable, que celle qui est suscitée par sa Majesté britannique, et qui peut faire naître une guerre générale, nonobstant toute la

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Kaunitz nahm in den weiteren Berichten aus Wien eine zentrale Rolle ein. Ihm werde am Hof vorgeworfen, er sei mitverantwortlich für die Westminsterkonvention, da er den Briten nicht entgegengekommen sei und sie so in die Allianz mit Preußen gezwungen habe. Doch räumte Aubeterre den Kritikern des Staatskanzlers nur geringe Aussichten auf Erfolg ein.62 Der Gesandte vermutete hinter dem Verhalten von Kaunitz den Versuch, durch eine scheinbare Annäherung an Frankreich die Briten zu einer Reaktion herauszufordern.63 Noch wenige Wochen vor Unterzeichnung des Versailler Vertrags war Aubeterre überzeugt, daß es trotz Kaunitz' Beteuerungen früher oder später eine Erneuerung der britisch-österreichischen Koalition geben werde: „Monsieur, mir scheint, daß es keinen Anlaß gibt zu glauben, dieser Hof könnte Schritte unternehmen, die ihn in den gegenwärtigen Krieg verwickeln. Er wirkt noch immer sehr verstimmt über England. Ich denke, daß die Angebote dieses Hofes erheblich dazu beitragen, den Wiener Hof in seiner Gleichgültigkeit zu bestätigen. Dieser Hof nutzt die Gelegenheit, um London fühlen zu lassen, wie sehr ihm dessen Vorgehensweise mißfallen hat, und um sich aus seiner Abhängigkeit zu befreien. Aber trotz allem denke ich, daß es immer mit ihrer Versöhnung enden wird".64

Entsprechend groß war die Überraschung für Aubeterre, als ihn Rouillé über den Abschluß des französisch-österreichischen Defensiwertrags informierte.65 Dem Gesandten blieben jedoch nur noch wenige Wochen in Wien, um über die freudige Resonanz, die diese Nachricht am kaiserlichen Hof hervorrief, zu berichten.66 Aubeterre wurde im Juli abberufen, um

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modération du Roy et tout ce que sa Majesté a bien voulu faire pour l'empescher. Vous pouvez donc, Monsieur, asseurer M. le comte de Kaunitz, que le Roy rend cette justice à S. M. I.; mais en même temps nous ne devons pas refuser à sa Majesté prussienne celle, que ce Prince ne nous a proposé aucun projet d'aggrandissement pour lui". Ibid., fol. 91'-97', Aubeterre an Rouillé, 25. Februar 1756, fol. 94-95'. Ibid., fol. 154'-155r, Aubeterre an Rouillé 27. März, fol. 154v-155': „Je suis persuadé que Monsieur le comte de Kaunitz cherche à faire paraître beaucoup de confiance entre les cours de Versailles et de Vienne pour causer de la jalousie à l'Angleterre". Ibid., fol. 168-169', Aubeterre an Rouillé, 10. April 1756, fol. 168v-169': „Monsieur, il me semble qu'il y a lieu de croire que cette cour ne fera aucune demande qui puisse l'entraîner dans la guerre présente. Elle paroit toujours très vivement picquée contre l'Angleterre. Je pense que les avances de cette dernière ne contribuent pas peu à fortifier dans la cour de Vienne cet air d'indifférence. Cette cour profite de la circonstance pour faire sentir à celle de Londres combien ses procédés ont dû lui déplaire et pour se tirer de sa dépendance, mais avec tout célà je pense qu'elles finiront toujours par se reconcilier". In einem Brief vom selben Tag an den Grafen Broglie verwies Aubeterre Gerüchte über ein französisch-österreichisches Bündnis in den Bereich der Spekulation: „II n'est question d'aucune traité entre la cour de France et celle de Vienne. Les deux puissances sont en fort bonne intélligence, mais il n'y a rien de plus. Il me semble que les bruits qui ont couru à cet égard ne peuvent que nous être avantageux, ainsy il me paroit inutile de les détruire", AAE CP Autriche Suppl. 15, fol. 114'-115r, Aubeterre an Broglie, 10. April 1756, fol. 114'". Interessanterweise hatte Broglie, ebenfalls in Unkenntnis über die Verhandlungen in Paris, Rouillé im Februar den Vorschlag einer weitgefaßten antipreußischen Allianz unter Einschluß Wiens unterbreitet, vgl.: Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. XXXVIII, 4, Anm. 2. Vgl. hierzu einen weiteren Brief Aubeterres an Broglie: „Lorsque je vous ay marqué dans ma lettre du 10 avril qu'il n'étoit question d'aucune alliance entre les deux cours, j'étois alors dans la bonne foy et j'ignorais que la négociation fut liée à Paris. D'après que j'en ay été instruit, j'ay eu des ordres si précis pour le secret que j'espère que vous ne trouverez pas mauvais si je n'ay pu vous rien confier à cet égard". AAE CP Autriche Suppl. 15, fol. 124r-125v, Aubeterre an Graf Broglie, 12. Juni 1756, fol. 124"v. AAE CP Autriche 255, fol. 271'-272v, Aubeterre an Rouillé, 16. Juni, 1756, fol. 271'"v: „Le Traité conclu entre les deux cours est publié icy depuis plusieurs jours. Il me paroit qu'il fait plaisir à presque tout le monde.

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an Bernis' Stelle die Botschaft in Madrid zu übernehmen, während Bernis, Verhandlungsführer und Vertrauter Ludwigs XV., auf Anordnung des Königs nach Wien gehen sollte.67 Aubeterres Beitrag zum renversement des alliances Bedenkt man, daß die „diplomatische Revolution" im geheimen in Paris zwischen den fianzösischen und österreichischen Unterhändlern ausgearbeitet wurde, so stellt sich die Frage, ob der ministre plénipotentiaire Aubeterre überhaupt einen Beitrag zum Abschluß dieser Allianz geleistet hat. In den Darstellungen zur Geschichte des renversement des alliances spielen die Berichte des Gesandten keine Rolle oder werden nur am Rande herangezogen. Man greift zur Rekonstruktion der Verhandlungen noch immer auf die Erinnerungen der Akteure zurück, d. h. auf die Memoiren von Bernis sowie auf die Korrespondenzen Starhembergs und Kaunitz'.68 Mehr oder weniger übernehmen die Autoren damit die vor allem in den Erinnerungen enthaltenen Urteile über den Gang der Verhandlungen und deren Ergebnis. So beklagte Bernis, daß er sich mit den einem Bündnis mit Wien eher skeptisch bis ablehnend gegenüberstehenden Ministern konfrontiert sah, und kritisierte seinen Ausschluß von der Kenntnisnahme der im Außenministerium aus Wien und dem Reich eingehenden Depeschen. Bernis galt 1755/1756 nur als der designierte Botschafter in Madrid, und daher war es ein Leichtes für Rouillé, ihm auch nur Einblick in die Korrespondenz aus Spanien zu erlauben. Der König, so Bernis, sei zu schwach gewesen, Rouillé anzuweisen, ihm den Zugang zu den Korrespondenzen der Gesandten zu ermöglichen.69 Erst Bernis' Berufung in den conseil du roi am 2. Januar 1757 führte diesbezüglich eine Änderung herbei. Daß sich hierin Rivalitäten und Widersprüche manifestieren - einmal mehr liefert der Bernis hierfür das Stichwort70 - , scheint die logische Schlußfolgerung.71

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M. de Kaunitz est celui de tout dont la joye paroit plus vive. Il m'a répété plusieurs fois, et encore en dernier lieu, qu'il espère que l'union des deux cours seroit sincère et durable, qu'il pourroit m'assurer, que leurs Majestés impériales avoient la plus grande satisfaction, qu'elles seroient ravies de pouvoir donner au Roy des marques de leur affection". Diesen Tausch teilte Starhemberg am 18. Juli mit, vgl.: Volz, Küntzel, Akten, S. 477; siehe auch: KhevenhüllerMetsch, Tagebuch 1756-1757, S. 38. Einseitig die Memoiren Bernis' paraphrasierend: Desprat, Bernis, S. 311-344; Waddington, Renversement, S. 284-332 zieht Aubeterre erst heran, um die Reaktionen in Wien nach Unterzeichnung des Vertrages zu schildern (S. 340); Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 70-92 stützt sich vor allem auf Waddington und Braubach sowie auf die edierten Quellen. Neu bei ihm ist nur die Berücksichtigung der bislang unbekannten Denkschrift Bernis' vom 3. August 1756, S. 85-88. Nur Braubach, Versailles und Wien, S. 429, 438-439, 442 und 449 greift auf die Berichte Aubeterres zurück. Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 157: „Croirait-on que, pendant nos deux ans de négociations avec la cour de Vienne, M. Rouillé, ministre des affaires étrangères, n'ait jamais voulu me communiquer ce qui se passait dans le cours d'Allemagne et du Nord, qu'il avait borné toute mon instruction aux seules lettres qui arrivaient de Madrid, sous prétexte que je n'étais ambassadeur qu'en Espagne? Non seulement il me refusait les lumières qui m'étaient nécessaires pour négocier avantageusement avec M. de Starhemberg, mais il donnait souvent aux ministres du Roi en Allemagne des instructions fort contraires au langage que je tenais au ministre de l'Impératrice, ce qui excitait des plaintes et des défiances continuelles de la part de la cour de Vienne. Le Roi était instruit d'une conduite si extraordinaire et si préjudiciable à son intérêt, il en gémissait; mais M. de Rouillé était vieux et infirme, le Roi connaissait sa jalousie et ses faiblesses, et, par un excès de bonté, il ne voulait pas le mortifier en lui ordonnant de m'ouvrir le portefeuille des affaires étrangères". Vgl. auch ibid.: S. 149-150,152,176; Desprat, Bernis, S. 331. Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 157: „On m'avait choisi pour être l'architecte d'un grand ouvrage; mais je n'ai jamais été le maître de sa direction, et le choix des moyens et des ouvriers a souvent dépendu des personnes les plus opposées au système que le Roi avait embrassé".

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Doch es ist auch eine andere Lesart der gegeneinander wirkenden Kompetenzen möglich. Es gab eine Person, die Zugang zu allen Informationen besaß und somit die Möglichkeit hatte, die Resultate der Konferenzen zwischen Bernis und Starhemberg mit den Depeschen Aubeterres und anderer zu vergleichen und entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen: Ludwig XV. Dieser ist - im Gegensatz zu einem weitverbreiteten, auch bei Bernis anklingenden Bild - ein sein „métier du roi" sehr ernst nehmender Monarch gewesen.72 Ludwig XV. war weit weniger von den Einflüsterungen der Pompadour und anderer abhängig, als man gemeinhin annimmt.73 Zuletzt hat Yves Combeau in seiner Biographie des Kriegsministers Argenson gezeigt, wie Ludwig XV. ständig bemüht war, die am Hofe konkurrierenden Parteien im Gleichgewicht zu halten und zugleich gezielt gegeneinander auszuspielen, um somit alle Fäden in seiner Hand zu halten.7 „Der König wollte immer der unumschränkte Herrscher sein", mit diesen Worten beschrieb der Herzog von Croy treffend diesen Charakterzug des Königs.75 Das Vorgehen des Königs, nachdem ihm über die Marquise de Pompadour das Verhandlungsangebot Kaunitz' überbracht worden war, entsprach genau dieser Praxis. Die preußenfreundliche Einstellung seiner Minister war ihm bekannt, und so ernannte er Bernis zu seinem geheimen Unterhändler. Dies bedeutete jedoch nicht, daß er auf die Arbeit des Außenministeriums verzichtet hätte. In den Depeschen des Gesandten Aubeterre war Ludwig XV. ein Korrektiv an die Hand gegeben, das er mit den Ergebnissen der Konferenzen in Bellevue, dem Landsitz der Pompadour, kontrastieren konnte. Diese Situation bestand auch noch weiter, als der Kreis der „Mitwisser" im November 1755 um Rouillé, den Marineminster Machault, den contrôleur général des finances Moreau de Séchelles und den secrétaire d'État de la maison du Roi Saint-Florentin sowie um den premier commis Abbé de La Ville erweitert wurde.76 Was waren nun die essentiellen Informationen, die Ludwig XV. aus den Depeschen Aubeterres ziehen konnte? Sie zeichnen zum einen das Bild einer zwar stabilen, aber auch mit inneren Konflikten kämpfenden österreichischen Monarchie. Die Rolle Ungarns, die Unruhen in Kroatien, die potentielle Bedrohung durch die Pforte und die Auseinandersetzungen mit den italienischen Vasallen des Kaisers waren Symptome dafür, daß an der Peripherie Unruherde glimmten, die ein erhebliches destabilisierendes Potential entwickeln konnten. In der Einschätzung der von Kaunitz verfolgten Außenpolitik kam Aubeterre den tatsächlichen Konzeptionen des Staatskanzlers sehr nahe. Seit seinem Amtsantritt ließ Kaunitz sich von einer auf die Wiedergewinnung Schlesiens und die fundamentale Schwächung Preußen

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So Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 92; Waddington, Renversement, S. 321. Antoine, Louis XV, S. 443-451; vgl. auch: Combeau, Argenson, S. 312-314. Vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 176. Der Beitrag der Madame de Pompadour zum Abschluß der französisch-österreichischen Allianz bestand vor allem darin, daß sie Starhemberg den direkten Zugang zu Ludwig XV. eröffnete und den Abbé Bernis, der sie einst in die Gebräuche des Hofes eingeführt hatte und seitdem einer ihrer engsten Vertrauten war, als Unterhändler ins Spiel brachte; vgl.: Lever, Pompadour, S. 54; treffend: Braubach, Versailles und Wien, S. 429-430; zum indirekten Briefwechsel zwischen der Pompadour und Maria Theresia: Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 359-360. Die Grenzen des politischen Einflusses der Pompadour beobachte Kaunitz während seiner Gesandtschaft in Frankreich: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 167. Combeau, Argenson, S. 151; jetzt grundlegend: Hours, Louis XV et sa cour, S. 207-274. „Le roi voulait toujours être maître absolue"; zit. nach: Lever, Pompadour, S. 85. Ozanam, Le Marquis d'Argenson, l'Abbé de La Ville, S. 433; Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 152 nennt La Ville im Gegensatz zu Waddington, Renversement, S. 302 nicht, dieser erwähnt Saint-Florentin nicht. Das bei Volz, Küntzel, Akten, S. 196 abgedruckte Schreiben Maria Theresias erwähnt nur die Minister, die Depesche Starhembergs, in dem er die Erweiterung der Mitwisser mitteilt, fehlt.

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fixierten Politik leiten.77 Alle außenpolitischen Entwürfe, die Kaunitz zwischen 1749 und 1756 der Kaiserin und der Konferenz unterbreitete, beschäftigten sich mit diesen Fragen. Kaunitz war von einem weiteren Waffengang zwischen Berlin und Wien überzeugt.78 Auch das Verhältnis zu den Briten war seit dem Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges gestört. Das Drängen Londons auf eine Wahl des römischen Königs 1750 und die daraufhin entstandene Unruhe im Reich waren nicht vergessen.79 Mit der Zuspitzung des Kolonialkonfliktes und den damit verbundenen britischen Forderungen nach Sicherung der Niederlande kam in Wien wieder die Verbitterung und Verärgerung über die Arroganz der Engländer zum Vorschein. Verschärft wurde der Dissens zwischen den beiden Mächten nicht zuletzt durch die Absage des englischen Staatssekretärs Holdernesse bezüglich der Pläne Kaunitz' zur Bekämpfung Preußens.80 Aubeterres Einschätzung der trotz der Differenzen stabilen Allianz mit der Seemacht traf indessen bis August 1755 durchaus zu.81 Verborgen blieben dem Gesandten der im August vollzogene Kurswechsel Kaunitz', der auf die Aufnahme von Bündnisverhandlungen mit Frankreich drängte, und der Beginn der geheimen Unterredungen Anfang September 1755.82 Seitdem wechselten in regelmäßiger Folge und unter strenger Geheimhaltung Vorschlag und Gegenvorschlag zwischen Wien und Versailles. Die Verhandlungen kann man in zwei Phasen teilen. Anfangs lehnte man in Versailles jeden Bruch mit Preußen kategorisch ab und schlug statt dessen eine Neutralitätskonvention vor, zu der sich Kaunitz und Maria Theresia nach anfänglichem Zögern im Dezember 1755 bereit erklärten.83 Das Bekanntwerden der Westminsterkonvention erleichterte dann den Weg zum Vertrag vom 1. Mai 1756, denn nun mußte man in Paris keine Rücksicht mehr auf den ehemaligen Verbündeten Preußen nehmen. Dies bedeutete aber nicht, daß man offensiv gegen Friedrich den Großen vorgehen wollte. Aubeterres Berichte des Frühjahrs 1756 werden den König darin bestärkt haben, eine Neutralitätskonvention anzustreben. Schließlich betonte der Gesandte noch am 10. April das Bedürfiiis nach Frieden in Wien, wenngleich er noch immer von einer Versöhnung zwischen Wien und London ausging. Abgesehen von Aubeterres Schlußfolgerung, mußte Ludwig XV. dies als eine Bestätigung seines Kurses lesen. Sein Gesandter kam sogar den Konzeptionen des Staatskanzlers recht nahe, denn dieser hatte

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Die Forschung hat „mit Recht die Fixiertheit seiner Außenpolitik auf Preußen hervorgehoben und darin den ,Ausgangs- und Angelpunkt' seines mächtepolitischen Denkens gesehen, hat er doch selbst die Reduktion dieses Staates auf die Größenordnung einer Mittelmacht viele Male als das Hauptziel seiner Politik in diesen Jahren bezeichnet"; Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 19; Dickson, Finance and Government, Bd. 2, S. 22,220. Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 29: „Kaunitz hegte nun nicht mehr den geringsten Zweifel, daß der preußische König Österreich in absehbarer Zeit erneut überfallen werde. Friedrich wisse, daß der Verlust Schlesiens für Österreich nicht zu verschmerzen sei und es keine Gelegenheit zur Rückeroberung ungenutzt lassen werde. Zur Bewahrung seiner Eroberung werde er also einerseits bestrebt sein, Österreich immer weiter zu schwächen, so daß die unversöhnliche Eifersucht und Feindschaft zwischen beiden Mächten auch in Zukunft fortbestehen werde. Der Interessengegensatz sei so ,violent', daß ,ein oder das andere Hauß über Kurtz oder Lang wo nicht gäntzlich fallen, doch sehr geschwächet werden müste'". Vgl. Kapitel D III. Braubach, Versailles und Wien, S. 420; Waddington, Renversement, S. 148-149. Braubach, Versailles und Wien, S. 421. Waddington, Renversement, S. 295-301; Braubach, Versailles und Wien, S. 430-431; Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 192-194. Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 200.

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im Frühjahr dem Gedanken einer Friedenssicherung den Vorzug vor dem ursprünglichen Plan eines Angriffs auf Preußen gegeben.84 Daß Ludwig XV. in seiner Entscheidungsfindung nicht nur die Verhandlungen Bernis', sondern auch die Berichte Aubeterres berücksichtigte, entsprach seiner Angewohnheit, sich immer umfassend und aus mehreren Quellen zu informieren.85 Daraus zu schließen, Aubeterre habe ein Bernis vergleichbares Gewicht bei der Aushandlung des Versailler Vertrags besessen, ist jedoch unzutreffend. Auf die Weiterführung der Verhandlungen, in denen es um die Wiener Pläne eines Angriffs auf Preußen ging, hatten Aubeterres Depeschen wohl nur noch geringen Einfluß. Selbst die Rüstungen des Sommers erhöhten seiner Ansicht nach nicht die Kriegsgefahr. Ludwig XV. standen während der Verhandlungen über die Allianz mit Wien sehr präzise Informationen über die bedeutendsten Persönlichkeiten des Wiener Hofes und deren politische Konzeptionen zur Verfügung. Aubeterres Berichte werden ihn in seinem aufrichtigen Entschluß, einen Ausgleich mit Maria Theresia herbeizuführen, vielleicht nicht bestätigt haben, aber sie lieferten auf keinen Fall Argumente, die ein solches Vorhaben von vornherein als aussichtslos erscheinen ließen. Dies wird auch durch eine Bemerkung Starhembergs bestätigt, der schrieb, daß Ludwig XV. der Kaiserin nicht mißtraue und mit Nachdruck den Abschluß des Vertrags fordere.8

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Ibid. S. 201: „Dennoch wird Kaunitz' nachträgliche, Folgerichtigkeit und Reichweite der eigenen Politik über Gebühr hervorhebende Darstellung seiner tatsächlichen Konzeption nicht ganz gerecht, denn er hat nicht nur die Option offengehalten, England fur seine Pläne gegen Preußen zu gewinnen, sondern auch eine auf Bewahrung des Friedens in Europa abzielende Absprache mit Frankreich ernsthaft erwogen. Letzterer Lösung scheint er zeitweise weit größere Realisierungschancen eingeräumt zu haben als dem ursprünglichen offensiven Konzept. Seine frühere, noch im Juni des Jahres [1755, S.E.] wiederholte Auffassung, eine Zusammenarbeit mit dem alten Gegner sei nur sinnvoll, wenn sie die Wiedergewinnung Schlesiens ermögliche, hatte Kaunitz zwischenzeitlich revidiert". Vgl. dazu die Beobachtung des Grafen Broglie: Ludwig XV.„regardoit comme nécessaire d'être instruit par plus d'un canal des affaires publiques, comme Elle [Ludwig XV.] disoit que Louis XIV l'avoit toujours pratiquée". Broglie an Ludwig XVI., zit in: Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, S. XIV. Volz; Küntzel, Akten, S. 310: „Le Roi [...] a dit qu'il ne pouvait se méfier de S.M. Impériale, et qu'il fallait conclure le traitté".

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen

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2. Ratte, Broglie und d'Estrées 1756-1757 Ratte und der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges Nach Aubeterres Abreise am 4. August 1756 aus Wien übernahm sein Sekretär Ratte die Amtsgeschäfte.' Sowhl auf Rattes Berichte vom August 1756 als auch seine sich als falsch erweisende Einschätzung, Berlin und Wien würden sich, ohne zu den Waffen zu greifen, weiter belauern, wurde bereits hingewiesen.2 Ungläubiges Staunen riefen in Wien die ersten Meldungen vom Einmarsch Friedrichs in Sachsen hervor. Schon bald sollte sich zeigen, daß die Gerüchte, die hinsichtlich der Absichten des Preußenkönigs kursierten, durchaus zutrafen, nämlich daß er den Krieg auf Kosten Sachsens und Böhmens führen wolle. 3 Früher als erwartet führte die Invasion Sachsens die erste Prüfung für die noch junge Allianz der ehemaligen Erzfeinde herbei. Die schnelle und beinahe kampflose Besetzung des Kurfürstentums und die ersten preußischen Vorstöße auf böhmisches Gebiet verursachten große Unruhe in Wien und rückten Kaunitz weiter in den Vordergrund.4 Angesichts dieser kritischen Lage beobachtete Ratte eine große Einigkeit und Entschlossenheit aller Minister, warnte aber zugleich, daß das neue „System" des Staatskanzlers noch lange nicht stabilisiert sei und die Briten noch über zahlreiche Anhänger verfügten, die nur auf einen Fehler des Staatskanzlers warteten. Die Allianz stehe und falle mit seiner Person. Kaunitz verfuge derzeit zwar noch über den größten Einfluß, aber ein Rückschlag könnte selbst die Kaiserin bewegen, einen Separatfrieden mit Preußen anzustreben und erneut die Verständigung mit England zu suchen. Ratte sah in Kaunitz die Verkörperung der Allianz und empfahl seine Unterstützung auch durch Versailles, etwa durch ein persönliches Wort des Königs.5 Allerdings betrachtete Ratte Österreich als den Juniorpartner innerhalb der Allianz, der von mas1

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AAE CP Autriche 255, fol. 316', Ratte an Rouillé, 7. August 1756; Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 38. Vgl. S. 175-176. AAE CP Autriche 255, fol. 397 r -399 v , Ratte an Rouillé, 4. September 1756, fol. 397 v -398 r : „On prétend que le Roi de Prusse a épuisé ses États et que son dessein est de faire subsister ses troupes aux dépens de la Saxe et de la Bohême et d'employer toutes ses forces contre l'Impératrice au risque de tout ce qui pourra arriver dans la Prusse, la Pomeranie et ses États de Westphalie". Am 1. September hielt Kaiser Franz erste Nachrichten vom Vorrücken der Preußen noch fur „Terreurs paniques", erst in den folgenden Tagen erhielt man Gewißheit, vgl.: Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 41-42. Die ersten Scharmützel zwischen Preußen und Österreichern hatte es am 14. September gegeben, Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 43. AAE CP Autriche 255, fol. 408Γ-414Γ, Ratte an Rouillé, 15. September 1757, fol. 412'^tl2 v : „Tous les ministres autrichiens paroissent fort réunis dans les circonstances présentes, M. le comte de Kaunitz est celui qui a le plus grand influence dans les affaires; c'est lui qui dirige presque tout, mais il a un grand nombre d'ennemis et surtout ceux qui sont partisans de l'Angleterre. Ce ministre témoigne toujours les meilleurs intentions pour la France, je crois qu'il est de mon devoir de vous représenter, Monseigneur, qu'il a besoin d'être soutenu. Je suis persuadé qu'il séroit extrêmement flatté s'il vous luy ferez dire quelque chose de la part du Roy. S'il arrive le moindre revers à l'Impératrice dans les circonstances présentes ou si la France ne seconde pas fortement cette princesse, les ennemis de M. le comte de Kaunitz ne manqueront pas de profiter du moment pour chercher à lui nuire en se réuniant contre le traité de Versailles qu'on regarde ici comme l'ouvrage de ce ministre. Si le Roy de Prusse avoit beaucoup d'avantage sur l'Impératrice il seroit à craindre que sa majesté impériale fit sa paix au préjudice de la France et se réunit à l'Angleterre. C'est pourquoi je crois qu'il est absolument nécessaire de soutenir M. le comte de Kaunitz, étant persuadé de la fermeté de ce ministre dans son sistème de l'union de sa cour avec la France".

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siver Hilfe Frankreich abhängig sei. In dieser Auffassung wurde er durch Bitten des sächsischen Gesandten Flemming bestärkt, der ohne die Unterstützung durch französische Truppen keine Chance sah, Preußen niederzuringen.6 Diesem Wunsch entsprach Versailles, als man im Oktober den Herzog von d'Estrées zu Beratungen nach Wien entsandte. D 'Estrees D'Estrées' Mission war nur von kurzer Dauer, seine Aufgabe bestand vor allem in der Vorbereitung der Kampagne des folgenden Jahres, an der er selbst als Befehlshaber der in Norddeutschland operierenden Armee teilnahm. Die Frage der Behandlung Hannovers führte in Wien zu ersten Dissonanzen zwischen den beiden Höfen, da Kaunitz versuchte, mittels einer Neutralitätserklärung eine Besetzung des Kurfürstentums durch Frankreich zu verhindern. Einzelheiten dieser Gespräche, in deren Verlauf deutlich wurde, daß Frankreich sich keineswegs mit dem Rang einer Auxiliarmacht begnügen werde, brauchen an dieser Stelle nicht weiter kommentiert werden.7 Von Interesse ist aber der Blick des Höflings Estrées auf die Wiener Hofgesellschaft, die kaiserliche Familie und die Monarchin. Seine Berichte geben Einblick in die Perzeption der höfischen Gesellschaft des Ancien Régime. Die Berichte lassen erkennen, daß er dem formvollendeten, galanten Austausch von Höflichkeiten eine eminent politische Bedeutung beimaß. So beglückwünschte Estrées bei einem abendlichen Empfang Maria Theresia zur Wahl eines diamantenen Diadems, das mit einer Nadel in Form einer Lilie auf ihrem Kopf befestigt war. Daß die Kaiserin Hintergedanken bei der Wahl ihres Schmuckes natürlich bestritt, sollte nicht über ihre eigentliche Absicht hinwegtäuschen.8 Eine Monarchin, die über sehr große Erfahrung im Umgang mit den höfischen Konventionen und mit den ausländischen Gesandten verfügte9, war sich der Wirkung dieses Zeichens bewußt, denn sie signalisierte damit dem Hof ihr Interesse an der französischen Allianz. Darüber hinaus ergriff sie auch Partei für ihren Staatskanzler, den Architekten dieses Bündnisses. D'Estrées wußte diese Zeichen zu dechiffrieren.

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AAECP Autriche 256, fol. 138-141', fol. 140": „II [= Karl Georg Friedrich Graf Flemming (1705-1767), kursächsischer Gesandter in Wien 1752-1763] m'a ajouté qu'il n'y avoit que la France qui peut contribuer efficacement à l'abaissement du Roi de Prusse et que toutes les mesures de la cour de Vienne n'aboutiroient à rien si le Roy ne les secondroit". Vgl. Kapitel Β III 2; Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 234-236, 236: Seine „Absicht, Frankreich auf dem Kontinent an der Verfolgung eigener Ziele zu hindern, um den Krieg dort allein um die Zerschlagung der Großmachtstellung Preußens zu fuhren, konnte Kaunitz indes nicht verwirklichen. Nun wurde doch in Deutschland um die Kolonien gekämpft - dies war trotz aller gegenseitigen Bemühungen des Staatskanzlers der Preis für die französische Beteiligung am Kampf gegen Preußen". Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 83-106. AAE CP Autriche 256 bis, fol. 170'-172 v , Estrées an Rouillé, 18. Januar 1757, fol. 170 v -17f : „L'Impératrice [...] tint appartement hier, c'est une assemblée belle, nombreuse et brillante, et pendant qu'elle dure l'Impératrice quitte son jeu pour entretenir les ministres et les dames de sa cour, elle est venue me parler deux fois et assez longtems. La première pour s'entretenir uniquement du Roi. Elle avoit sur sa tête une parue de diamants attachée par une fleur de lys. Je luy dis que je voyois avec plaisir que non seulement elle portoit leur fleur de lys dans le cœur mais qu'elle en ornoit sa tête. À quoi elle me dit, ,J'avoue l'un, mais celle qui est sur ma tête y a été placée par un effet du hasard et j'en scavois rien'". Das „Appartement" vom 17. Januar erwähnt auch: Khevenhiiller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 53. Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 154.

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Großes Aufsehen erregte in Wien die Nachricht vom Attentat auf Ludwig XV. am 5. Januar 1757, bei dem der König nur leicht verletzt wurde.10 Die Nachricht vom Anschlag war am 13. Januar eingetroffen, und am Morgen des folgenden Tages war der französische Gesandte entgegen der Etikette des Hofes von der Kaiserin und dem Kaiser empfangen worden. Sowohl d'Estrées als auch die österreichischen Monarchen betonten bei dieser Gelegenheit ihren Willen zur Aufrechterhaltung des „dermahligen Systema und beiderseitigen Freundschaffts-Bands". In den Kirchen Wiens und Österreichs wurde auf kaiserlichen Befehl für die Genesung Ludwigs XV. gebetet." Mehrfach erkundigte sich Maria Theresia nach dem Gesundheitszustand des Königs, was Rouillé zum Anlaß nahm, Estrées anzuweisen, der Kaiserin ausdrücklich im Namen Ludwigs zu danken.12 Die Erkrankung Erzherzog Josephs und der Erzherzogin Maria Anna an den Blattern gab dann dem Gesandten die Möglichkeit, sich für die empfangene Aufmerksamkeit zu revanchieren: „Ich gehe jeden Tag zur Kaiserin, um Neuigkeiten über sie und den Erzherzog zu erfahren, dies ist so Brauch. Außerdem schicke ich jeden Tag einen Edelmann zum Erzherzog. Man hat in Wien lebhafte Anteilnahme an der Gesundheit des Königs gezeigt, daß es nur gerecht ist, bei dieser Gelegenheit die gleiche Aufmerksamkeit für ein Wesen zeigen, das Kaiserin und Kaiser sehr am Herzen liegt".13

Während seines kurzen Aufenthaltes am Hof hatte d'Estrées auch Gelegenheit, sich über die österreichische Generalität zu informieren. Trotz der Niederlage von Lobositz, so berichtete er, erfreue sich Prinz Karl von Lothringen, der Bruders des Kaisers, der Wertschätzung der Kaiserin. Ob hingegen Marschall Daun, der noch im selben Frühjahr durch seinen Sieg bei Kolin zum härtesten Gegner Friedrichs aufsteigen sollte, überhaupt ein Kommando erhalten würde, bezweifelte d'Estrées zu diesem Zeitpunkt.14

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Zum Attentat, zu dem ihm unmittelbar vorausgehenden Konflikt zwischen Krone und Parlementen und den Erschütterungen am Hofe vgl.: Antoine, Louis XV, S. 703-727; Swann, Politics and the Parlement of Paris, S. 133-155; Lever, Pompadour, S. 268-280 und Van Kley, The Damiens Affair. Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 62. AAE CP Autriche 256 bis, fol. 223r-224v, Rouillé an Estrées, 28. Januar 1757, fol. 223'~v: „Je ne peux vous dire à quel point le roi a été touché des témoignages particuliers et publics que leurs majestés impériales ont donnés de l'intérêt qu'ils ont pris du danger que sa majesté a couru. [...] Quoique le dernier courier [...] vous ait déjà porté des nouvelles du parfait rétablissement de la santé du Roi, sa Majesté a voulu par égard pour leur inquiétude, que je vous envoye ce nouveau courier pour tranquiliser leurs majestés impériales, les assurer que sa Majesté conservera à jamais la réconoissance la plus vive du sentiment d'amitié qu'elles lui ont marqués dans cette occasion". AAE CP Autriche 256 bis, fol. 208r-210v, Estrées an Rouillé, 18. Januar 1757, fol. 209' v: „Je vais tous les jours chez l'Impératrice pour savoir de ses nouvelles et de celles de l'archiduc, c'est l'usage, et outre j'envoye un gentilhomme dès le matin chez l'archiduc. On a été à Vienne si touché de la plus vive douleur sur la santé du Roy, qu'il est juste de donner de pareils témoignages dans cette occasion, où l'Empereur et l'Impératrice sont en allarme sur une santé qui leur est aussi chère". Wenige Wochen später erkrankte eine weitere Erzherzogin an den Blattern, was Estrées jedoch nicht dazu veranlaßte, erneut so ausdrücklich seine Anteilnahme zu bezeugen; ibid. fol. 420r-423r, Estrées an Rouillé, 19. Februar 1757, fol. 422'-423': „Nous voilà d'autre nouvelle allarme, la seconde archiduchesse et la plus jolie du monde a la petite vérole. Quoique cette santé soit moins intéressante que celle de l'archiduc, la tendre amitié de l'Impératrice pour ses enfants luy cause de vives inquiétudes". Zur Erkrankung der Kinder Maria Theresias siehe auch: KhevenhüllerMetsch, Tagebuch 1756-1757, S. 63, 68. AAE CP Autriche 256 bis, fol. 367-37Γ, Estrées an Rouillé, 9. Februar 1757, fol. 368-369'.

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Intermezzo: GrafBroglie in Wien (Mai bis Juli 1757) Mit der Abreise d'Estrées' stellte sich erneut das Problem der Ernennung eines neuen französischen Botschafters nach Wien. An Kandidaten mangelte es nicht: Blondel, 1749 bereits als Geschäftsträger am Wiener Hof, seitdem ohne Verwendung, wurde ins Gespräch gebracht. Bernis galt eine Zeitlang als der bereits nominierte Botschafter, da er die Allianz ausgehandelt hatte. Schließlich bewarb sich noch der Leiter des secret du roi, Graf Broglie, zu diesem Zeitpunkt französischer Botschafter in Polen, nachdrücklich beim König um diesen Posten.1 Gegen Broglies Ernennung kämpften die Pompadour und Bernis. Die Wahl fiel schließlich auf den Grafen Stainville(-Choiseul), für den nicht nur die Protektion durch Bernis und die maîtresse en titre sprachen, sondern auch die Tatsache, daß er Lothringer war und sein Vater einst Maria Theresias Belange am französischen Hof vertreten hatte. Daher rührte zweifellos auch die Zustimmung, die diese Nominierung in Wien hervorrief.16 Choiseul traf erst im Februar 1757 aus Rom kommend in Versailles ein, wo er bis Ende Juli blieb.17 Der im Wettbewerb um die prestigeträchtige Wiener Gesandtschaft unterlegene Broglie sollte dennoch eine Rolle in den Verhandlungen des Frühjahrs 1757 spielen. Von Ludwig XV. wieder an den Hof des polnischen Königs geschickt - er war nach der Besetzung Dresdens von Friedrich II. des Landes verwiesen worden - , traf er auf der Reise nach Warschau Anfang Mai in Wien ein, wo er am 19. Mai eine erste Audienz bei der Kaiserin hatte.18 Mit Broglie erreichte Wien auch die Nachricht von der Niederlage Karls von Lothringen vor Prag und von der Einschließung seiner Armee in der Stadt. Broglie, Leiter Geheimdiplomatie Ludwigs XV., kam gerne der Aufforderung Kaunitz' nach, die Österreicher in dieser prekären Situation zu beraten.19 Er verfaßte mehrere Memoranden und ließ sich von den französischen Beobachtern vor Ort in Prag Berichte über die Lage der eingeschlossen Armee Prinz Karls schicken. In seiner der Konferenz übergebenen Denkschrift über die optimale Verteidigung der böhmischen Hauptstadt berief er sich auf die während der Belagerung Prags im Jahre 1742 gesammelten Erfahrungen. Damals war Broglie unter den eingeschlossenen Truppen, die sich mittels eines kühnen Ausfalls der Umklammerung entziehen konnten.20 In seinen an Rouillé gerichteten Depeschen hielt Broglie sich nicht mit eindeutigen Äußerungen über den neuen Bündnispartner zurück. Seine Wertungen zeugen von an Arroganz grenzendem Selbstbewußtsein. Kompetente Generäle sah Broglie nicht in der österreichi15

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Blondel hatte auf die Nominierung gehofft, ihm war statt dessen nur eine Gesandtschaft an mehrere deutsche Höfe angeboten worden, was er ablehnte, Waddingion, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 63. Bernis' Ernennung wurde im August 1756 publik, aber bereits d'Estrées ging an seiner statt nach Wien, siehe: Waddington, Renversement, S. 466; Desprat, Bernis, S. 342, 349. Zum Drängen Broglies siehe dessen Briefe an den König, in: Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. XLIV, 5-8. AAE CP Autriche 257, fol. 92'-96 v , Ratte an Rouillé, fol. 96v: „On regarde icy cette nomination comme une preuve de la confiance que le Roy a de leurs majestés impériales et de la bonne intélligence qui subsiste entre les deux cours". Bernis' Darstellung der Wahl Choiseuls in: Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 231-232; vgl. auch den Brief Bernis' an den sich noch auf der Rückreise von Rom befindlichen Choiseul vom 20. Januar 1757, in: Bernis, Mémoires, ed. Massen, Bd. 2, S. 111-112. Khevenhiiller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 91. Über Broglies Aufenthalt in Wien siehe auch: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 345-347; Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. 27-33. AE CP Autriche 257, fol. 262-273', Broglie an Rouillé, fol. 265'. Das Memorandum zur Verteidigung von Prag in: Khevenhiiller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 347-351.

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sehen Armee, Prinz Karl hielt er für unfähig und viel zu passiv - dennoch werde er, so glaubte der Graf, wohl weiterhin an der Spitze der Armee gehalten, insbesondere nachdem die Schlacht von Kolin das Blatt zugunsten Wiens gewendet hatte.21 Daun, der Befehlshaber der Armee, die Prag entsetzen solle, sei nicht imstande, ein Kommando auszuüben. Seine Stellung verdanke er einzig der Tatsache, daß seine Frau die Gunst der Kaiserin genieße. Wie sehr sich Broglie in seinem Urteil verschätzte, zeigt sich darin, daß er den Prinzen von Sachsen-Hildburghausen als Befehlshaber favorisierte, den Kommandeur der Reichsarmee, die so vernichtend bei Rosbach geschlagen werden sollte.22 Auch nach Dauns grandiosem Sieg - der „Geburtstag der Monarchie" sollte Maria Theresia später in Erinnerung an die Schlacht schreiben23 - revidierte Broglie nicht grundsätzlich sein Urteil, sondern bekräftigte seine Auffassung von den „Kriegskünsten" beider. Daun sei lediglich dem Prinzen vorzuziehen, weil er sich in der letzten Schlacht standhaft und kaltblütig gezeigt habe. Von ihm könne man zumindest die Verhinderung weiterer Katastrophen erwarten.24 Ganz anders lesen sich dagegen die Angaben über die militärischen Fähigkeiten Dauns in den Berichten des Geschäftsträgers Ratte. Dieser beschrieb Daun als den „besten General der Kaiserin", der viel öffentliches Lob erfahre und über eine große Reputation verfüge.25 Von den Ministern Maria Theresias hatte Broglie, der seiner Beurteilung das „Genie" Friedrichs des Großen zugrunde legte, keine hohe Meinung. Einzig Kaunitz billigte er Kompetenz zu, alle anderen Minister trügen nur wenig zur Bewältigung der schwierigen Lage bei, in der man sich befinde. Besonders kritisch äußerte er sich über den Feldmarschall Neipperg, den Vizepräsidenten des Hofkriegsrates, der Entscheidungen verschleppe und sich im Streit mit seinen Generälen aufreibe. Im Urteil über Neipperg, einen Schützling des Kaisers (was Broglie verborgen blieb), stimmte er mit Hofmarschall Khevenhüller überein, der diesen als „alt, gebrächlich, von Natur ein Pater difficultatum und langweilig" charakterisierte.26 Broglies Depeschen vermitteln den Eindruck, als ob er die Hoffnung noch nicht 21

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AAE CP Autriche 258, fol. 187-195', Broglie an Rouillé, 27. Juni 1757, fol. 187': „L'embaras du choix des généraux existe toujours, et je vois avec chagrin que ce préliminaire, après n'avoir que trop long tems rétardé les opérations, finira par être décidé en faveur de S. A. Royale le duc Charles. Je vous avouerai, Monsieur, que c'est avec beaucoup de chagrin queje vois l'aveuglement où on est icy à cet égard; c'est-àdire les personnes qui gouvernent, ou plustôt les maîtres, car il n'y a d'ailleurs qu'une voix sur l'incapité totale de ce prince". AAE CP Autriche 258, fol. 28'-34 v , Broglie an Rouillé, 3. Juni 1757, fol. 32'"v: „Presque tout le monde convient que le maréchal Daun est incapable du commandement. Malgré célà on le lui laisse et on lui laissera parce que sa femme est favorite de l'Impératrice, et qu'il est personnellement protégé de l'Empereur. J'ay proposé hier à M. le comte de Kaunitz d'envoyer à l'armée M. le Prince de Saxe-Hildburghausen que bien des gens regardent comme très bon homme de guerre". Kretschmayr, Maria Theresia, S. 271. AAE CP Autriche258, fol. 187-195', Broglie an Rouillé, 27. Juni 1757, fol. 188v-189': „Je suis absolument dans le même cas vis-à-vis de M. le maréchal Daun, que malgré sa bataille gagnée, je suis bien éloigné de le regarder comme un grand général, je suis donc totalement impartial à cet égard, mais comme ce dernier a prouvé beaucoup de valeur et de sang froid, comme il passe pour sage et qu'il écoute les conseils qu'on luy donne, il me semble qu'il n'y a pas à balancer à le préférer, il est à présumer qu'au moins avec luy, il n'arrivera pas de grands accidents". AAE CP Autriche 258, fol. 112'-113r, Ratte an Rouillé, 15. Juni 1757, fol. 112v-113': „On parle icy avec éloge de M. le maréchal de Daun. Il est regardé comme un des meilleurs généraux de l'Impératrice et ce qui paroit, qu'on doit ajouter foy à cette réputation, c'est l'éstime particulière que feu M. le maréchal de Khevenhüller, qui l'a formé en a toujours fait, et les marques de confiance qu'il lui a données dans toutes les occasions". Khevenhiiller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 142, vgl. auch über Neipperg: Duffy, The Army of Maria Theresia, S. 22-23.

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aufgegeben habe, vielleicht doch nach Wien berufen zu werden. Ausdrücklich betonte er die Notwendigkeit, nicht nur der Kaiserin militärische Berater an die Seite zu stellen, sondern auch den vakanten Posten in Wien zu besetzen, und bot an, bis zum Eintreffen des neuen Botschafters dessen Funktion zu übernehmen.27 Der Graf war überzeugt, einen wichtigen Beitrag zur Kriegführung der österreichischen Armee zu leisten, was durch Bemerkungen Kaunitz', er habe einen Kurier mit Broglies Vorschlägen zu Daun geschickt, nur verstärkt wurde. Daß hinter dem Verhalten des Staatskanzlers vielleicht das Kalkül steckte, den einflußreichen Hochadeligen für die Idee der französisch-österreichischen Allianz zu gewinnen, lag dem Gesandten fern. Eher vermutete er darin Listen des ehemaligen „Erbfeindes". In einem kurz vor seiner Abreise verfaßten Brief an Ludwig XV. resümierte er seine Eindrücke. Er warnte vor den rasch wechselnden Gemütszuständen der Österreicher, die schnell von einem ins andere Extrem wechselten - von der Verzweiflung nach der Niederlage vor Prag zur Euphorie nach Kolin. Darin würden die schwersten Hürden für den französischen Botschafter liegen. Erneut brachte sich Broglie für diesen Posten ins Gespräch, wenn er behauptete, zu wissen, wie diese Fallen umgangen werden könnten.28 Diese zu Ungunsten der Habsburger ausfallende und von den „klassischen" Klischees des französischen Deutschlandsbildes - Schwerfälligkeit, Arroganz - geprägte Charakteristik ergänzte Broglie um eine deutliche Warnung vor einer allzu uneigennützigen Rolle Frankreichs in der aktuellen Situation: „Ich halte es fur meine Pflicht, Ihnen diese Überlegungen vorzulegen, damit Sie nicht glauben, daß die Freundlichkeit, mit der man mich hier bedacht hat, mich meine alten Ansichten über den Wiener Hof hat vergessen lassen. Die Anerkennung, die ich hier erfahre, hindert mich nicht daran, zu fühlen, daß, wenn wir der Kaiserin beistehen, mit der Großzügigkeit und Würde, die einem so großen Monarchen wie Ihrer Majestät zukommt, es unbedingt notwendig ist, das Haus Österreich nicht durch endgültige Absprachen in die Lage zu versetzen, sowohl die Anerkennung zu vergessen, die es seiner Majestät schuldet, als auch ihm eine für Sie und Ihre Verbündeten bedrohliche Expansion zu ermöglichen".29

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AAE CP Autriche 258, fol. 202'-205 v , Broglie an Rouillé, 29. Juni 1759, fol. 204r v: „Je vous avouerai, Monsieur, que dans la position où je laisse les affaires de ce pays cy, à mon regret, qu'à mon départ, il ne restera personne icy qui puisse veiller aux dispositions militaires, puisque je suppose que M. de Montazet dont la présènce est au moins aussi néccessaire à l'armée impériale, ne tardera pas à s'y rendre, je ne peux me dispenser de vous répéter que l'arrivé de l'ambassadeur du Roy est absoluement essentielle icy, et qu'il peut résulter de son absence de plus grands inconvénients; j'en suis si persuadé qu'il s'en est peu fallu que je me sois déterminé à attendre que s'il fût rendu, sentant bien que nulle part je ne pouvois être plus utile au service du Roy". Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. 30-33, S. 32: „Quoyque j'ay esté comblé des bontés de LL. MM. Impériales et très festé par leurs ministère [sic], je dois cependant dire qu'on trouve icy dans les affaires des difficultés infinies que la hauteur et, si j'ose dire, le peu de zèle du plus grand nombre des ministres multiplent à chaque instant; leurs abattement dans l'adversité et leurs arrogance dans la prospérité marchent d'un pas égal et, comme j'ay esté en peu de temps témoin de ces deux différentes situations, je suis à portée de juger des écueils que les ministres d'un allié aussy considérable que V. M. auront toujours à éviter icy". Ibid. S. 32: „J'ay cru devoir mettre cette observation sous ses [= Ludwig XV.] yeux pour qu'Elle ne crust pas que les caresses qu'on m'a fait icy m'ayent fait perdre de vue mes anciennes idées sur la cour de Vienne; la reconnoissance que j ' e n ay comme particulier ne m'empeschent [sic] pas de sentir qu'en aidant l'Impératrice avec la générosité et la magnificence qui convient à un aussy grand monarque que V. M., il est essentiel de ne pas mettre, par les arrangements définitifs, la maison d'Autriche dans le cas d'oublier la

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Diese Kritik Broglies an den Bestimmungen des kurz zuvor geschlossenen zweiten Versailler Vertrages (1. Mai 1757) zeigt zudem, daß er die außenpolitischen Konzeptionen Ludwigs XV. - Erhaltung des Status quo und Verzicht auf die expansionistische Politik seines Vorgängers - kannte und vor einem zu großen Entgegenkommen gegenüber Wien warnte. Angesichts dieser Mißtrauen und Überheblichkeit spiegelnden Äußerungen erscheint auch die Berufung Choiseuls als Nachfolger Aubeterres konsequent. Der König, der schon voiher um die Voreingenommenheit Broglies gegen die Habsburger wußte, wählte einen allein schon auf Grund seiner Herkunft Österreich gegenüber aufgeschlosseneren Diplomaten. Ratte und das Warten auf den Nachfolger Aubeterres Broglies Überheblichkeit manifestierte sich nicht nur in seinen Urteilen über das österreichische Militär und dessen Führung - zutreffend in bezug auf die Fähigkeiten des Prinzen Karl, aber keineswegs auf die Dauns - , sondern auch in seinen Äußerungen gegenüber dem Geschäftsträger Ratte, der im Rahmen seiner Möglichkeiten den ihm übertragenen Auftrag erfüllte und dabei weit ausgewogenere und präzisere Berichte ablieferte als Graf Broglie. So betrachtete Ratte den Befehl der Kaiserin, nach Damiens' Anschlag in den Kirchen des Landes zugunsten Ludwig XV. Messen lesen zu lassen, als Zeichen für das Verschwinden alter Vorurteile gegen Frankreich: „Es scheint, daß der Vormarsch der königlichen Armee zur Unterstützung der Kaiserin, nach diesem unglücklichen Vorfall, der alle Höfe erschüttert hat, die österreichischen Völker von ihren alten Vorurteilen gegen Frankreich abrücken läßt".30

Wem dieser Umschwung zu verdanken sei und von wessen Schicksal der Fortbestand des französisch-österreichischen Bündnisses abhing, daran ließ Ratte keinen Zweifel: „Die günstigen Einstellungen dieser Nation verdankt man in erster Linie der Entschlossenheit und dem Talent des Herrn Grafen von Kaunitz und dem Vertrauen, das er zu Recht bei ihren kaiserlichen Majestäten erworben hat. Viel deutet darauf hin, daß er seine Entscheidungsgewalt für die Dauer des guten Einvernehmens der Höfe von Versailles und Wien behalten wird, und letzterer wird wissen, daß die Unterstützung dieses Ministers Frankreich genehm ist".31

Wie sehr Ratte in Kaunitz die zentrale Figur der österreichischen Regierung sah, wird noch zur Sprache kommen. Daß Ratte ein Gespür nicht nur für die Deutschland betreffenden Konsequenzen des renversement des alliances besaß, verdeutlichen seine Berichte über die Stimmung auf der Apenninenhalbinsel. Dort befürchtete man eine Aktion des Königs von Sardinien gegen die österreichischen Besitzungen, sobald Friedrich dem Großen weitere

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reconnoissance qu'elle Luy devra, ny de faire de son augmentation de puissance dangereux pour Elle et ses alliés". AAE CP Autriche 257, fol. 106-111", Ratte an Rouillé, 12. April 1757, fol. 110r: „II semble, que depuis ce malheureux accident, qui a pénétré toutes les cours, la marche des troupes du Roy au secours de l'Impératrice-Reine ait fait revenir les peuples autrichiens de leurs anciens préjugés contre la France". Ibid. fol. 110': „On doit principalement les heureuses dispositions de cette nation-cy à la fermeté et aux talents de M. le comte de Kaunitz et à la confiance qu'il s'est acquise à si juste titre de leurs majestés impériales. Il y a apparence qu'il conservera son influence dans la décision des affaires pendant que les cours de Versailles et de Vienne seront en bonne union et intelligence et que celle-cy sçaura que la conservation de ce ministre est agréable à la France".

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Erfolge gelingen würden.32 Einmal mehr erscheint der König von Sardinien, dem ebenfalls die Verfolgung einer rücksichtslosen Machtpolitik unterstellt wurde, als das italienische Pendant zum Preußenkönig. Aber im Gegensatz zu Deutschland gelang es Versailles und Wien in Italien, den potentiellen Unruhestifter in Schach zu halten. Auch ohne Kenntnis der Verhandlungen über einen zweiten Allianzvertrag zeigte Ratte, daß er die Reichweite der österreichischen Kriegsziele präzise einschätzen konnte. Die Erbitterung des Kaisers, der Kaiserin, ihrer Minister und auch der Bevölkerung gegenüber Friedrich sei ein Indiz dafür, daß man die Waffen nicht eher ruhen lasse werde, bis Preußen entscheidend geschwächt worden sei, urteilte er Anfang April 1757, unmittelbar vor Beginn der Kampagne. Bei aller Entschlossenheit - so Rattes Kommentar - , doch könne Wien dieses Ziel ohne französische Hilfe nicht erreichen.33 Hatte er im April noch das Verschwinden von Vorurteilen auf Seiten der Österreicher beobachtet, vermitteln seine Berichte zur allgemeinen Stimmungslage in Wien wenige Monate später, also zwischen den Schlachten von Prag und Kolin, kein besonders positives Bild. So wunderte er sich über die scheinbare Ruhe und Verdrängung der Gefahr nach der Niederlage vor Prag34 und mokierte sich wie auch Broglie über die raschen Stimmungsumschwünge im Gefolge der vom Kriegsschauplatz eintreffenden Nachrichten. Gerade noch auf das furchtbarste gedemütigt, spreche man jetzt von nichts anderem als von der Rückeroberung Schlesiens und der Degradierung Preußens auf den Rang einer Markgrafschaft Brandenburg.35 Frankreich komme in dieser Situation eine entscheidende Rolle zu und könne von einer territorialen Neuordnung nur profitieren: „Wie stolz auch der Charakter dieser Nation sein mag, ich bin davon überzeugt, Monsieur, daß die Wiederherstellung des Friedens und die Vorteile, die die Kaiserin daraus ziehen könnte, vom Willen des Königs abhängen. Schon seit langem scheinen mir einige Politiker, die sich wohl unterrichtet glaubten, überzeugt zu sein, daß die Kaiserin die Niederlande für die Rückgewinnung Schlesiens an Frankreich abtreten würde. Derzeit, so glaube ich, verbergen die kaiserlichen Minister dieses Geheimnis nicht mehr".36

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AAE CP Autriche 257, fol. 19-24', Ratte an Rouillé, 9. März 1757, fol. 19v-20v; und ibid. fol. 208'-211r, Ratte an Rouillé, 7. Mai 1757, fol. 210r. AAE CP Autriche 257, fol. 82-87', Ratte an Rouillé, 2. April 1757, fol. 84-85': ,A juger des dispositions où je vois ici tous les esprits et surtout l'animosité de leurs majestés impériales et de leur ministère contre le roi de Prusse, il y a lieu de croire que la cour de Vienne ne mettra bas les armes et ne fera la paix qu'après avoir mis sa majesté prussienne hors d'état de pouvoir lui nuire et troubler à l'avenir le repos de l'Europe. Tous ceux qui connoissent la politique de la cour de Vienne paraissent convaincus de cette vérité. Pour moi, je suis très persuadé qu'elle ne parviendra jamais à son but sans le secours du Roy et que sa majesté peut aussi de son côté se procurer les avantages qu'elle jugera convenable". AAE CP Autriche 258, fol. 80'-82v, Ratte an Rouillé, 8. Juni 1757, fol. 81': „II est inconvenable, Monseigneur, de voir l'apparence de tranquilité qui règne icy. C'est une nation bien insensible et qui ne connoit pas le danger où elle est". Ibid., fol. 265'-272v, Ratte an Rouillé, 16. Juli 1757, fol. 269'-270r: „Le peuple autrichien est d'un caractère bas dans l'adversité et haut dans la prospérité. Il y a longtemps que j'ay fait cette observation, mais j'en ai été convaincu par ce qui s'est passé depuis l'entrée des Prussiens en Bohême. On a été alors humilié icy au dernier point, mais à présent on ne parle plus que du recouvrement de la Silésie et on regarde déjà le Roi de Prusse comme un Prince dépouillé et réduit au simple marquisat de Brandebourg". Ibid. fol. 270r-v: „Mais quelque soit le caractère fier de cette nation ci, je suis persuadé, Monseigneur, que le rétablissement de la paix et les avantages que l'Impératrice en pourra retirer dépendront de la volonté du Roi. Il y a longtemps que quelques politiques qui croyent être bien instruits m'ont paru persuadé que l'Impératrice cédera les Pays-Bas à la France pour obtenir le recouvrement de la Silésie. Il semble même à présent que les ministres impériaux ne cachent plus guère ce mystère".

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Wohl ohne sich dessen bewußt zu sein, skizzierte Ratte hier die geheimen Ziele der französischen Außenpolitik: Erwerb der Niederlande als Gegenleistung für die fundamentale Schwächung Preußens.37 Darüber hinaus offenbart sich hier erneut das französische Selbstverständnis und der Anspruch, Arbiter der Konflikte Kontinentaleuropas zu sein. Ludwig XV. werde die Niederlande nicht durch Eroberung gewinnen, sondern indem er bei der Rekonstruktion eines modifizierten Status quo von 1740 die entscheidende Rolle übernehme. Die mit der Schwächung Preußens einher gehende Stärkung Österreichs werde durch den Verlust der südlichen Niederlande relativiert. Einziger Profiteur in diesem Tausch wäre demnach Frankreich, dessen Dynastie durch die Inthronisierung einer bourbonischen Nebenlinie in den neu gewonnenen Territorien an Reputation gewinnen würde. Doch vorerst galt es, ein „kleines" Hindernis zu beseitigen - den Widerstand des Königs von Preußen. Ein Porträt der Habsburgermonarchie 1757 Die von den Gesandten zwischen 1755 und 1757 gesammelten tagespolitischen Informationen können durch eine Momentaufnahme in Form eines „tableau" der Habsburgermonarchie ergänzt werden. Es handelt sich hierbei um einen Bericht, der im Frühjahr 1757 von einem der zahlreichen Franzosen am österreichischen Hofe verfaßt wurde und mit den zeitgleich entstandenen Analysen über den preußischen Staat oder über die Reichsverfassung vergleichbar ist. Vielleicht stammt er aus der Feder eines Mitglieds der Gesandtschaft des Marquis de l'Hôpital, des ministre plénipotentiaire am russischen Hof, vielleicht aber auch vom chargé d'affaires Ratte.38 L'Hôpital reiste über Wien nach St. Petersburg, weil der Weg durch Brandenburg-Preußen und durch Sachsen versperrt war. In Wien wurde er am 2. März 1757 von der Kaiserin empfangen, nach einem vierzehntägigen Aufenthalt nahm er seinen Abschied vom Hof.39 Die Schrift behandelt die wichtigsten Organe der österreichischen Regierung, ihrer Mitglieder, die Staatsfinanzen, die Justiz, die Wirtschaft sowie die von Maria Theresia begründeten Ausbildungsstätten. Näheres über die Regierung und über den Hof als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens und vor allem über die dort um Einfluß ringenden Fraktionen waren indessen, so der Verfasser, nicht in Erfahrung zu bringen, da man in diesen Fragen äußerste Zurückhaltung übe und das höfische Leben im Gegensatz zu Frankreich in weitaus

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Ratte hatte bereits anläßlich der Auflösung des niederländischen Rates im April über einen Verzicht Österreichs auf die Niederlande spekuliert: AAE CP Autriche 257, fol. 106-11 Γ , Ratte an Rouillé, 12. April 1757, fol. 107v-108r: „La réunion du département des Pays-Bas qu'avoit le comte de Tarouca à celui de M. le comte de Kaunitz, le bruit du rappel de M. le comte de Cobenzl et l'aparence qu'il y a que le Prince Charles, à qui l'Impératrice vient de donner une maison près Schoenbrunn, fixera ici son séjour, donnent matière à quelques politiques de conjecturer que les Pays-Bas ne resteront pas sous la même direction et que l'Impératrice en sera dédommagée par le recouvrement de la Silésie". AAE MD Autriche 38, fol. 6 r -9 r . Der Bericht trägt die falsche Datierung eines späteren Bearbeiters „Vers 1750"; seine Entstehungszeit läßt sich aufgrund der in ihm enthaltenen Informationen auf die ersten Monate des Jahres 1757 eingrenzen: Der Autor spricht davon, daß er im Gefolge l'Hôpitals die 1751 gegründete und 1752 eröffneten Kadettenakademie in Wiener-Neustadt (fol. 8V) besuchte, die Erwähnung von Graf SylvaTarouca als Präsident des niederländischen Rates, der am 1. April 1757 aufgelöst wurde (fol. 6V, vgl.: Bernard', Kaunitz et le personnel gouvermental bruxellois, S. 235), ermöglicht die Eingrenzung der Entstehungszeit des Memorandums auf März-April 1757. Paul-François de Galucci, Marquis de l'Hôpital, (1697-1776), Offizier, Gesandter in Neapel 1740-1750, in Rußland 1757-1761, Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. 11, Anm. 2; Oliva, Misalliance, S. 71. Khevenhüller-Metsch, Tagebuch, 1755-1757, S. 69-70, 72.

II. Das Österreichbild

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geringerem Maße Gegenstand öffentlicher Diskussion sei.40 Aus diesem Bereich angesprochen werden nur die Freundschaften Maria Theresias mit der Gräfin Langis und mit Johanna Amalia Sylva y Menezes, Herzogin von Sylva-Tarouca, sowie das große Vertrauen des Kaisers in den Reichsvizekanzler Colloredo.41 Gleichwohl, so führte der Verfasser aus, sei der Hof das Regierungszentrum der Monarchie, der Ort, an dem die entscheidenden Gremien tagten. Und trotz zahlreicher Privilegien der Völker und des Adels, so fuhr der Verfasser fort, würden die Erbländer „absolut" regiert.42 Nach dieser Feststellung werden die verschiedenen Ratsgremien und die ihnen angehörenden Persönlichkeiten porträtiert. Aber über das Aktuelle hinausgehende Informationen enthält die Darstellung kaum. So bleibt etwa die Haugwitzsche Reform aus dem Jahre 1749 unerwähnt. Wichtigstes Organ der Regierung sei eine „conférence", gemeint ist der Geheime Rat, der sich in erster Linie mit den Auswärtigen Angelegenheiten beschäftige, während die Finanzen und weitere Regierungstätigkeiten an untergeordnete Gremien delegiert würden.43 Daß die alleinige Entscheidungskompetenz allerdings bei der Kaiserin liege, verdeutlicht seine Analyse der Organisation der österreichischen Armee. Verglichen mit Frankreich, wo die Armee einem Minister unterstehe, zerfalle die Administration des österreichischen Militärs in mehrere Zweige. So existierten ein Beauftragter für die Artillerie und drei weitere Gremien: Erstens, der Hofkriegsrat, zuständig für die allgemeine Organisation der Armee; zweitens, ein Kommissariat für alle Fragen der Logistik, der Rekrutierung von Soldaten und der Betreuung der Verwundeten und Invaliden, wobei die Verwaltung der Hospitäler und der Nachschub auch in den Provinzen in staatlichen Händen liege. Drittens wache ein Oberster Justizrat, gemeint ist das Hofkriegsräthliche Justiz-Collegium, über die Aufrechterhaltung der Disziplin und übe die oberste Militärgerichtsbarkeit aus.44 Aber, so resümiert der Ver40

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AAE MD Autriche 38, fol. 6V: „Voilà, tout ce que j'ai pu découvrir sur le ministère et la cour. Il est ici beaucoup plus difficile qu'en France d'être instruit de ce qui peut avoir quelque rapport avec le gouvernement, on y est sur cette matière d'une circonspection étonnante". Ibid. fol. 6V: „L'Impératrice a beaucoup d'amitié pour Madame la comtesse de Langis et Madame de Tarauca, et l'Empereur pour le comte de Colloredo. Voilà tout ce que j'ai pu découvrir sur le ministère, et la cour". Die Herzogin von Sylva-Tarouca war die Gattin des Präsidenten des niederländischen Rates, Manuel de Menezes e Castro, Herzog von Sylva-Tarouca; beide genossen die besondere Gunst der Kaiserin, vgl.: Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1742-1744, S. 179-180. Biographische Daten zur Gräfin Langis konnten nicht ermittelt werden. AAE MD Autriche 38, fol. 6': „La cour malgré les privilèges des peuples et les droits de la noblesse gouverne absolument les États héréditaires". Ibid. fol. 6': „Ce conseil est spécialement destiné aux affaires étrangères, il examinera aussi quelquefois les affaires de finances et le gouvernement de l'État; mais ce n'est que dans les cas extraordinaires. Les affaires relatives à ces deux objets sont ordinairement discutées par des conseils particuliers qui ont à leur tête des chanceliers ou présidents qui ont à peu près les mêmes fonctions que nos secrétaires d'État". Vgl. über den Geheimen Rat: Szabo, Kaunitz, S. 40-45,49; Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 339-341. Ibid. fol. 6V: „La guerre n'est point comme en France livrée à un ministre. L'artillerie dépend du prince de Lichtenstein Grand maître de l'artillerie. Les autres affaires qui peuvent avoir quelque rapport à la guerre ressortissent à trois tribunaux indépendants les uns des autres. Le premier nommé conseil aulique de guerre, a pour président le maréchal Joseph de Harrach, on lui a donné par rapport à sa vieillesse le maréchal de Neyperg pour vice président; c'est le dernier qui gouverne tout. Ce conseil nomme les officiers généraux et subalternes, donne les lettres de service, règle les Garnisons et le temps ou les troupes doivent se mettre en marche, soit pour changer de garnison, soit pour se rendre à l'armée. Le second de ces tribunaux nommé commissariat veille sur les recrues, les remontes, les étapes, et les hôpitaux; le Maréchal de Salaburg en est le président. Le troisième appellé conseil suprême de justice juge les délits militaires et tous les différens qui peuvent survenir entre les officiers; le maréchal comte de Daun commandant de Vienne en est le chef [...]. Les vivres et les hôpitaux sont en régie tant que la guerre se fait en Hongrie, en Bohême, ou en Allemagne,

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fasser, Maria-Theresia entscheide über Krieg und Frieden: „Allein die Kaiserin entscheidet über den Zeitpunkt und den Ort der Kriegführung".45 Die Personen, weniger der Aufbau und die Beziehung der Regierungsorgane untereinander dominieren in dieser Beschreibung. Die Zentralisierung und partielle Entmachtung der Stände zugunsten der Zentralverwaltung, Kern der theresianischen Reformen, wird durch den französischen Beobachter bestätigt. Angesichts des seit Herbst 1756 tobenden Krieges lag das Hauptinteresse des Autors der Denkschrift jedoch auf den Finanzen, dem Militär und der Beschreibung zentraler administrativer Strukturen. Skizziert werden das Justizwesen, die Militäradministration und die Provinzialverwaltung, die seit der Reform von 1749 in „Länderreferate" - genannt werden die für Ungarn, Transsylvanien, Italien und Brabant zuständigen Gremien - gegliedert war.46 Die beständige Beratung der Kaiserin durch die jeweiligen Ratsvorsitzenden wird besonders hervorgehoben, wobei auch hier wieder betont wird, daß dies den Beratern keinen überragenden Einfluß auf die Entscheidungsfindung verschaffe, die der Kaiserin vorbehalten bleibe.47 Wird das Justizwesen mit wenigen Worten abgehandelt, erfahren Armee und Finanzen größere Beachtung. Hier interessierten den Autor vor allen die Höhe der Einnahmen aus Steuern und ihre Herkunft.48 Informationen über die Art und Weise der Steuereintreibung und -festsetzung mußten gerade in Kriegszeiten auf erhöhtes Interesse stoßen. Dies um so mehr, als Ludwig XV. erhebliche Probleme mit seinen Versuchen zur Steuerreform hatte. Die hier nur kursorisch vorgetragenen Daten zum Steuersystem und zur Höhe der Einnahmen erfuhren dann eine systematische Darstellung im Rahmen der seit 1764 laufenden „enquête" zum Steuersystem der

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en Flandre, en Italie, et par tout ailleurs, des entrepreneurs en sont chargés". Zur Schaffung des Hojkriegsräthlichen Justiz-Collegiums siehe: Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 228 mit Literatur; zur Struktur der militärischen Verwaltung in den 40er und 50er Jahren des 18. Jahrhunderts ausführlich: Walter, Österreichische Zentralverwaltung, S. 18-35, zur Invalidenhofkommission, S. 228-229, sie wurde am 1. Dezember 1757 ins das General-Directorium eingegliedert; siehe auch: Duffy, The Army of Maria Theresia, S. 21-23. AAE MD Autriche 38, fol. 6": „L'Impératrice seule décide du temps et des lieux ou il faut faire la guerre". Walter, Österreichische Zentralverwaltung, S. 179. AAE MD Autriche 38, fol. 6"-7r: „Chaque espèce d'affaires d'État doit comme vous le voyez être examinée et reglée par un conseil; il faut croire qu'elle l'est effectivement car le conseil existe tout entier, mais comme le président est le seul de chaque conseil qui travaille avecl'Impératrice, les affaires se décident ordinairement à sa volonté". AE MD Autriche 38, fol. 7 r " : „Les revenus de l'Impératrice vont à ce qu'on m'a dit à quarante millions de florins de Vienne, le florin vaut deux livres quatorze sols de France. Elle les tire des subventions accordées par les États des droits d'entrées sur les marchandises étrangères qui sont excessifs, droits de sorties qui sont très mediocres, droits d'entrées d'une province à l'autre, des mines, de la vente exclusive du sel et du tabac; enfin de se domaines. Je n'ay pas pu sçavoir ce que rapportait en particulier chaque branche de ses revenus; voici tout ce que j'ai pu en aprendre. Les États d'Italie rapportent trois millions de florin, les Pays-Bas deux, les mines deux, les douanes cinq cent mille florins, le prix du sel et du tabac n'est n'y fixe ni uniforme dans les États héréditaires. Les revenus des domaines varient aussi tous les ans, parce que tous les jours l'Impératrice en acquiert, et tous les jours elle en aliène; elle en acquiert, parce qu'en Hongrie et dans quelques autres cantons de ses États elle hérite de tous les fiefs des nobles qui meurent sans héritiers de leur nom, elle en aliène par ce qu'elle en donne souvent à ses ministres et à ses officiers; les subventions sont également sujettes à varier". Die hier genannten Ziffern stimmen mit denen der jüngeren Forschung zur Finanzpolitik der Habsburgermonarchie überein. Für 1757 wurden Gesamteinnahmen von 40 812 403 fl. ermittelt. Aus Italien kamen nach der Berechnung Dicksons 2 718 293 fl., also annähernd die hier genannte Summe. Lediglich bei den Einkünften aus den österreichischen Niederlanden differieren die Angaben: hier betrugen die Einnahmen 1757 5 980 000 fl., vgl.: Dickson, Finance and Government, Bd. 2, S. 388.

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europäischen Staaten.49 Auch die Ausführungen über die Rechte der Stände beschränkten sich auf das nötigste, charakterisierten aber das System recht präzise. Der Monarch war, so führte der Autor aus, auf die Mitarbeit der Stände angewiesen, doch konnte er mit gesicherten Einnahmen kalkulieren.50 Die intendierte Botschaft dieser Zeilen für den Leser im Versailler Außenministerium lautete: Die Habsburgermonarchie verfüge über ein funktionierendes Steuersystem, geprägt durch regionale Unterschiede, an dessen Reform man beständig arbeite. Somit zeichnet der Autor des Memorandums, wenngleich er sich allzu dezidierter Wertungen enthält, das Bild eines in seinen Fundamenten stabilen Staatswesens mit einem starken Souverän an der Spitze. Zwar wird von einer „absoluten" Regierung gesprochen, doch zeigen sich gerade in der existentiellen Frage der Steuern die Grenzen, die dieser „absoluten" Regierung gesetzt waren. Der Reformeifer der Kaiserin bezüglich einer Systematisierung ihrer Einkünfte, so stellt der Autor fest, werde derzeit nur durch den Krieg gebremst, der die Spannungen zwischen Souverän, Klerus und den ungarischen Ständen in Fragen der Religionsfreiheit weit zurücktreten lasse hinter dem ebenfalls in den Depeschen als Ausdruck des allgemeinen Konsenses genannten gemeinsamen Ziel - der Vernichtung des Preußenkönigs.51 Die in diesem Kontext angesprochene „liberté de conscience" bezog sich auf die 1681 dem Königreich Ungarn zugestandene Duldung des Protestantismus - damals scheiterte Leopold I. mit dem Versuch der konfessionellen Vereinheitlichung der Monarchie.52 In seinen Ausführungen wies der Autor aber auch auf den sog. „Kryptoprotestantismus" in den österreichischen Erblanden hin, dessen Bekämpfung in den Jahren vor dem Krieg für Aufsehen gesorgt hatte. Maria Theresia hatte die in Kärnten, Oberösterreich und in der Steiermark lebenden Protestanten nicht ausgewiesen, sondern ins Fürstentum Siebenbürgen umsiedeln lassen, um deren Arbeitskraft zur Kolonisierung des nur wenig besiedelten Landes zu nutzen. Zur Finanzierung dieser Transmigrationen und zur Verbesserung der Seelsorge in den 49 50

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Vgl.: Hartmann, Steuersystem, S. 152-198; siehe auch: Kapitel Α. II., S. 53-56. AAE MD Autriche 38, fol. Τ : „L'Impératrice ne peut enlever ni les augmenter sans les consentement des États, mais elle peut augmenter sans leurs concours les droits d'entrées et de sortie le prix du sel et du tabac. La Hongrie, la Bohême, enfin chaque province des États héréditaires a ses loix, ses coutumes suivant lesquelles elles doivent être gouvernées et ses privileges qui doivent être respectées, elles ont tout des États pour les maintenir. Le premier de ces privilèges est celui de ne payer d'impôts qu'après le consentement des États et dans la forme reglée par lesdits États. La plus visitée est à ce qu'on m'a assuré, de charger chaque seigneur de lever dans ses terres la somme qu'ils sont par la répartition générale obligées de payer. Ces sommes se portent dans un temps fixe à la caisse des États et de là toute de suitte dans les coffres de l'Impératrice; cette manière de lever des impôts ne paroist point onereuse au peuple et ne le seroit réellement point si les seigneurs gouvernoient leurs terres comme ils doivent les gouverner; ils le pourroient bien plus facilement qu'en France par la grande autorité qu'ils y ont, les paysans sont encore serfs dans un grand nombre de terres. Cette manière de lever les imposts rend extrêmement difficile l'exécution du projet de l'Impératrice d'affermir des revenus; on pretend qu'elle le veut absolument et que sans la guerre présente elle l'auroit déjà fait". Vgl. dazu: Bérenger, État, ordres et fiscalité dans l'Autriche, S. 154-156; zu den Rechten der Stände in der Habsburgmonarchie vgl.: ibid. S. 155; Hassinger, Ständische Vertretungen, S. 468-475. AAE MD Autriche 38, fol. 7ν-8Γ: „Le second de ces privilèges moins général (car il ne s'étend que sur une partie des États héréditaires) et moins respecté que le premier est la liberté de conscience. Le clergé y donne tous les jours des atteines et l'Impératrice le soutient, ils en ont beaucoup d'autres dont j'ai n'ai pas pu m'instruire; je sçais seulement en gros que la cour cherche tous les moyens possibles de les restreindre et que les États profitent de toutes les occasions pour les étendre, et rétablir ceux qu'ils croyent lezés, ils n'ont pourtant rien demandé au commancement de cette guerre, ils ne pensent qu'à se défendre et voudraient écraser le roi de Prusse qu'ils haissent autant qu'ils le craignent". Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 210; Bérenger, L'Empire des Habsbourg, S. 341-348, zu den Konsequenzen der fehlgeschlagenen Rekatholisierung bes. S. 346-348.

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betroffenen Gebieten plante man die Heranziehung des Klerus. Die Verhandlungen darüber mit dem Papst zogen sich jedoch hin und kamen nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges ins Stocken.53 Insbesondere die Umsiedlungen hatten „Proteste und Interventionen protestantischer Mächte heraufbeschworen und so das konfessionspolitische Klima belastet".4 Sowohl im Reich als auch in der Habsburgermonarchie, so eine mögliche Lesart dieser Passage für den Empfänger in Paris, barg die konfessionelle Frage Gefahr für die Stabilität des Staatswesens. Aber die Gefahr, daß die Ansätze zu einer „Konfessionalisierung" des Konflikts, wie sie zur selben Zeit im Reich von Friedrich II. betrieben wurden, auf Österreich übergreifen und Unruhen auslösen könnten (was auch von Ratte unter bestimmten Voraussetzungen befürchtet wurde55), bestand nicht. Im Gegensatz zum Jahre 1740, als sich die Böhmen auf die Seite Karls VII. schlugen, hielten die Untertanen jetzt der Dynastie die Treue. Von einer vergleichbaren Übereinstimmung zwischen Monarch und Ständen konnte zu diesem Zeitpunkt in Frankreich kaum die Rede sein. Die Auflistung der Mitglieder der Konferenz (Uhlfeld56, Colloredo57, Kaunitz58, Khevenhüller59, Batthiany60), der Vorsitzenden der anderen Regierungsorgane wie der Finanzadministration (Chotek61 und Haugwitz62) und der Provinzverwaltung (Nádasty63, Bethlen64, Sylva-Tarouca65) gab dem Autor der Denkschrift zugleich die Möglichkeit, die interne Hierarchie der Berater darzustellen. Er betont, daß es Kaunitz sei, der den größten Einfluß auf die Kaiserin besitze und, obwohl für die Außenpolitik verantwortlich, sich in alle anderen Ressorts einmische.66 53 54 55

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Reinhardt, Zur Kirchenreform unter Maria Theresia. Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 67. Ratte warnte vor einem Alleingang Wiens am Reichstag in der Umsetzung der Sanktionen gegen Preußen, denn dies könne einen „Religionskrieg" heraufbeschwören: „Si on laisse faire l'Empereur et ce tribunal leur autorité s'étendra trop et les discussions actuelles pourront devenir fort serieuses et ime guerre de religion éclatera". AAE CP Autriche 258, fol. 312-318", Ratte anBernis, 26. Juli 1757, fol. 315v-316r. Uhlfeld, Corfiz Anton (1699-1769), Staatskanzler 1742-1753, danach Erster Hofmeister; Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 339-340. Rudolf Graf von Colloredo-Metz (1706-1788), Reichsvizekanzler seit 1743, vgl.: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 29-30. Wenzel Anton, Fürst von Kaunitz-Rietberg (1711-1794), Hof- und Staatskanzler, über ihn: Klingenstein, Der Aufstieg des Hauses Kaunitz; und: Szabo, Kaunitz. Johannes Josef Fürst von Khevenhüller-Metsch (1706-1776), Oberkämmerer und Obristhofmeister, vgl.: DBE 5, S. 527; Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 11, S. 211-212. Karl Joseph von Batthány (1697-1772), Erzieher der Erzherzöge, siehe die Bemerkungen bei: Szabo, Kaunitz, S. 44-45; Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 1, S. 178. Rudolf Graf Chotek (1707-1771), Vorsitzender der Ministerial-Banco-Hof-Deputation, vgl.: Dickson, Finance and Government, Bd. 2, S. 346-347. Friedrich Wilhelm von Haugwitz, böhmischer Obrist-Canzler (1702-1765), vgl.: Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 8, S. 68-69; ADB, Bd. 11, S. 68-69; NDB, Bd. 8, S. 95-96; Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 341-342. Lipót Florián Graf Nádasty (1697-1758), ungarischer Hofkanzler 1746-1758, vgl.: Szabo, Kaunitz, S. 307-308. Gábor Bethlen (f 1768), siebenbürgischer Hofkanzler, vgl.: Arneth, Maria Theresia, Bd. 10, 134-136; Dickson, Finance and Government, Bd. 2, S. 260-261; Szabo, Kaunitz, S. 333-334. Manuel Tellez de Menezes e Castro, Graf von Sylva-Tarouca (1696-1771), Präsident des niederländischen Rates, siehe: Wurzbach, Biographisches Lexikon , Bd. 41, S. 89-100. AAE MD Autriche 38, fol. 6r: „L'Impératrice, car c'est en son nom que tout se fait dans les pays héréditaires, a un conseil d'État, qu'on appelle conférence, composé de cinq ministres, ces cinq ministres, sont, le comte de d'Ahlfelt, Grand maître, le comte de Colloredo vice-chancelier de l'Empire, le comte de

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Ratte bestätigte diese Einschätzung eindrucksvoll anläßlich der Auflösung des niederländischen und italienischen Rates im Frühjahr 1757 bestätigt. Dessen Vorsitzender Graf Sylva Tarouca war nach Kritik an seiner Amtsführung (u. a. durch Kaunitz) am 29. März zurückgetreten, und der Staatskanzler hatte Maria Theresia überzeugen können, die Kompetenzen des Rates der Staatskanzlei zu übertragen.67 Dies war nicht nur ein weiterer Schritt in Richtung Zentralisierung der Verwaltung, sondern auch ein weiterer Machtgewinn für Kaunitz. Darin sah auch Ratte das eigentliche Ergebnis dieses Vorgangs. Des Staatskanzlers Freunde sprächen bereits über seine Ernennung zum „premier ministre", während andere den soeben ernannten Erzbischof von Wien, Graf von Migazzi als neuen Konkurrenten des Staatskanzlers ins Feld führten. Jener sei eine Kreatur von Bartenstein, dem Gegenspieler Kaunitz', und verfüge über nicht geringen Einfluß auf den Kaiser.68 Wenige Tage später war von diesem Konkurrenten jedoch nicht mehr die Rede. Kaunitz' Einfluß auf die Entscheidungen sei unvermindert groß, berichtete Ratte am 6. April.69 Der beobachtete Machtzuwachs im Inneren, zugleich auch Zeichen dafür, wie sehr Kaunitz schon zu Beginn des Krieges auf Vorantreiben der Reformen und Konzentrierung der Macht im Inneren bedacht war 7 , wies für den Geschäftsträger alle Merkmale auf, die auf die Einrichtung eines Ministeriats hinausliefen.71

Kaunitz, chancelier d'État et de cour, le comte de Kevenuller grand chambellan, et le maréchal comte de Bathiany, gouverneur des archiducs. [...] Le comte de Kaunitz chancelier d'État et de sa cour est par son crédit sur l'esprit de l'Impératrice à proprement parler le premier ministre, il a dans son département les affaires étrangères, mais il se mesle de tous les autres. Le comte d'Haugvitz Chancelier de Bohême, Moravie et Autriche est président du conseil des finances. Le comte Rodolphe de Chodeck est président de la banque de la chambre du commerce, et de la chambre des monnoyes. [...] Le comte Nádasti chancelier d'Hongrie regle toutes les affaires qui regardent ce Royaume. Le comte de Bethlen est en Transilvanie ce qu'est le comte de Nádasti en Hongrie. Enfin le comte Tarauca chancelier de Brabant et président du conseil d'Italie règle les affaires qui intéressent ces deux provinces". 67

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Vgl.: Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1757-1758, S. 73-74; 319-321; Szabo, Kaunitz, S. 50-51; Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 272-273; über die Administration der Österreichischen Niederlande bis 1757: Zedinger, Kaunitz und Cobenzl, bes. S. 213-215. AAE CP Autriche 257 fol. 82-87", Ratte an Rouillé, 2. April 1757, fol. 82-83': „II vient d'arriver ici un changement subtil dans le ministère qui donne lieu à beaucoup des raisonnements. M. le comte de Tarouca, président du conseil de Flandres et de l'Italie a donné il y a deux jours sa démission, et son département a été accordé à monsieur le comte de Kaunitz. Les partisans de ce dernier prétendent qu'il vise à être premier ministre. D'autres portent un jugement contraire et pensent que son crédit pourra diminuer si Monsieur de Migazzi s'ingère dans les affaires. On dit que ce nouvel archevêque aspire à être ministre de conférence, qu'il se fait plier à tout, qu'il a des amis puissants et qu'il est fort intriguant. C'est une créature de Monsieur de Bartenstein et on le dit très bien dans l'esprit de l'Empereur". Christof Bartholomäus Anton Graf von Migazzi wurde am 18. März 1757 zum Erzbischof ernannt, vgl. Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1757-1758, S. 72; über Migazzi (1714-1803) vgl.: Gatz, Bischöfe, S. 505-508. AAE CP Autriche 257, fol. 92'-96 v , Ratte an Rouillé, 6. April 1757, fol. 95": „Les conférences sont fort fréquentes à la cour, il y en a eu, hier, une fort longue chez le prince Charles, où M. le comte de Kaunitz a assisté. Ce Ministre continue d'avoir la plus grande influence dans la résolution des affaires et c'est lui qui dirige presque tout". Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 275. AAE CP Autriche 257, fol. 97 r -103 r , Ratte an Rouillé, 8. April 1757, fol. 1 0 Γ - 1 0 Γ : „Comme l'Impératrice a accordé son département [gemeint sind die Zuständigkeitsbereiche des niederländischen und italienischen Rates] à M. le comte de Kaunitz on en infère que le crédit de ce chancelier va toujours en augmentant et que peut-être il deviendra premier ministre. Il est certain qu'il a toute la confiance de l'Impératrice. Cependant ceux qui croyent connaître la façon de penser de l'Empereur à l'égard de M. de Kaunitz sont persuadés qu'il l'estime et regarde ses services utiles, mais qu'il ne l'aime pas beaucoup. L'Impératrice se laisse ordinairement conduire par les conseils de l'Empereur qui a sur son esprit la plus grande influence".

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Aus dieser für die frühneuzeitlichen Monarchien typischen Bündelung der Macht in den Händen eines allmächtigen Ministers, der das Vertrauen des Monarchen genoß, ergab sich für Ratte eine eindeutige Schlußfolgerung für seinen Nachfolger wie auch für die Zukunft der Allianz: „Ich ziehe aus all diesem eine Schlußfolgerung für das Verhalten des Marquis von Stainville gegenüber dem Grafen Kaunitz. Wenn letzterer bemerkt, daß der Botschafter Herrn Colloredo und anderen Ministern des Kaisers mehr Vertrauen, Aufmerksamkeit und Rücksicht schenkt als ihm, wird dies bei ihm Mißfallen und Eifersucht hervorrufen. Der Graf von Kaunitz liebt es, bevorzugt behandelt, beachtet und geschmeichelt zu werden. Er wird hier als der einzige Minister angesehen, der die Kaiserin zum Abschluß des Versailler Vertrags hat bewegen können [...] Einzig darin liegt der Anstieg seines Vertrauens begründet, und niemand weiß besser als Sie, Monseigneur, ob es dem König nützt, daß Herr von Kaunitz weiterhin seine Vorherrschaft behält".72

Ob dieser Rat an Stainville-Choiseul weitergegeben wurde bzw. ob dieser die Eindrücke seines Vorgängers bestätigte und seinen Rat befolgte, gilt es nun zu untersuchen. Ratte verließ Wien im September 1757. Obwohl der neuernannte Außenminister Bernis seine Arbeit ausdrücklich lobte73, fand Ratte keine weitere Verwendung in diplomatischen Diensten.

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Ibid. fol. 10Γ-102": „Je tire de ce principe une réflexion par rapport à la conduite particulière de M. le marquis de Stainville vis-à-vis de M. le comte de Kaunitz. Si ce dernier s'apperçoit que cet ambassadeur marque plus de confiance, d'attention et d'égards à M. de Colloredo et aux autres ministres de l'Empereur qu'à lui, célà lui donnera du dégoût et de l'ombrage. M. le Comte de Kaunitz aime être prévenu, considéré et flatté, il est regardé ici comme le seul ministre impérial qui ait déterminé l'Impératrice à faire le traité de Versailles [...]. C'est l'unique raison de l'augmentation de son crédit, et personne ne sait mieux que vous, Monseigneur, s'il est utile au Roy que M. de Kaunitz conserve toujours sa prépondérance". AAE CP Autriche 259, fol. 9', Bernis an Ratte, 5. August 1757.

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3. Choiseul 1757-1758 Choiseuls Mission fiel in eine entscheidende Phase des Siebenjährigen Krieges. Als er im August 1757 in Wien eintraf, rechnete man mit einem baldigen Sieg über Friedrich den Großen, der sich nach der Niederlage von Kolin überstürzt aus Böhmen zurückziehen mußte und den die österreichische Armee bis zum Winter aus Schlesien vertreiben wollte. Auf dem westlichen Kriegsschauplatz hatten die Franzosen zur selben Zeit die britischen Hilfstruppen in Norddeutschland geschlagen und das Kurfürstentum Hannover besetzt, so daß der Preußenkönig nun direkt durch die Franzosen unter Soubise bedroht wurde, die auf die Mark Brandenburg marschierten. Binnen eines Monats kam dann die Wende. Die Schlachten von Rosbach (5. November) und Leuthen (5. Dezember) brachten die Offensive der Alliierten zum Erliegen und retteten Preußen. Die Feldzüge des Jahres 1758 trugen dann bereits den Charakter eines Abnutzungskrieges. Beiden Parteien gelangen wichtige Siege, doch politische Konsequenzen hatten sie nicht. Frankreich mußte zudem nicht nur in Deutschland, sondern auch in Übersee weitere Demütigungen hinnehmen. Parallel zu den beiden Niederlagen begann der Abstieg von Bernis bei gleichzeitigem Aufstieg Choiseuls in der Gunst Ludwigs XV. Dies spiegelt sich auch in ihren Briefen, die von großer Offenheit des Abbés bei zunehmend spürbarer Zurückhaltung Choiseuls gekennzeichnet sind. Entscheidend für den Sturz Bernis' im Dezember 1758, der noch kurz zuvor, im Oktober, den Kardinalshut erhalten hatte, war die Überschätzung seines Einflusses auf den König und sein über Monate fortgesetztes Drängen auf Einleitung von Friedensverhandlungen bzw. die Konzeption eines Friedensvertrages. Dieses Verhalten widersprach zunehmend der wahrscheinlich zwischen Januar und Februar getroffenen Entscheidung Ludwigs XV., am Bündnis mit Maria Theresia festzuhalten und den Krieg fortzusetzen.1 Da Choiseuls Aufenthalt in Wien von der Forschung immer wieder behandelt wurde, zum einen als Etappe auf dem Weg zum Ministerial zum anderen im Kontext des Kriegsverlaufs, soll im folgenden vor allem der mögliche Beitrag Choiseuls zur Entscheidung über die Fortsetzung des Krieges untersucht werden.2 Zu fragen wird auch sein, ob die von seinem Vorgänger gezeichneten Porträts der bedeutendsten Protagonisten am Wiener Hof wie auch das Bild der österreichischen Monarchie bestätigt wurden oder ob er dem bereits bekannten neue Nuancen hinzufügte.

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Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 742-743, vgl. auch ibid.: Bd. 2, S. 472-474. Noch immer dient die einzig auf den Kriegs verlauf und Choiseuls Karriere konzentrierte, in ihren Wertungen stark zeitabhängige Studie von Auguste Filon (Filon, L'Ambassade de Choiseul) den Biographen als Orientierung. Filon referiert den Inhalt der seiner Studie beigefugten Briefen der Generalität (Soubise, Richelieu) und Bernis an den Botschafter, geht aber, mit einer Ausnahme, nicht auf die Berichte Choiseuls ein. Entsprechend geprägt sind die einschlägigen Kapitel bei: Chaussinand-Nogaret, Choiseul, S. 55-75, und bei: Levron, Choiseul, S. 93-116; einzig Richard Waddington griff intensiver auf die Korrespondenz Choiseuls mit Bemis zurück: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 585-604 und vor allem 723-745 über die Verhandlungen von Dezember 1757 bis Februar 1758 sowie: Bd. 2, S. 414-485; siehe auch: Bernis, Mémoires, ed. Massen, Bd. 2, S. 4 1 3 ^ 7 1 ; Antoine, Louis XV, S. 731-750; Vaillot, Le Cardinal de Bernis, S. 169-210; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 108-110.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Bernis ' Instruktion för Choiseul Choiseuls Mission hatte eine erheblich größere politische Bedeutung als die seiner Vorgänger. Er mußte nach Abschluß des zweiten Versailler Vertrags und angesichts der Katastrophen des Spätherbstes zur Festigung der Allianz beitragen und nach dem Verlauf des Feldzuges des Jahres 1758 helfen, neue Strategien und Optionen für die französische Deutschlandpolitik zu entwickeln. Damit sind auch schon die zentralen Themen seiner Instruktion angesprochen. Die von Bernis entworfene Instruktion enthält eine historische Darstellung des bourbonisch-habsburgischen Gegensatzes und bietet zugleich eine Interpretation und Legitimierung des Bündnisses der ehemaligen Erbfeinde sowie eine Skizze der französischen Kriegsziele nach Abschluß des zweiten Versailler Vertrags. Dies alles diente der Information Choiseuls über die Intentionen Ludwigs XV. Zu den wichtigsten Aufgaben des Botschafters zählten die Festigung der Allianz und ihre Verteidigung gegen Kritiker wie etwa den Kaiser und Reichsvizekanzler Colloredo. Deutlich wird das Bemühen von Bernis, dem Gesandten die Bedeutung seiner Mission vor Augen zu führen. In Choiseuls Hände werde die Zukunft der Allianz gelegt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Aubeterre sei der Lothringer aber nicht nur Sprachrohr des Außenministers, sondern er erhalte auch eine Verhandlungsvollmacht. Er wurde ermächtigt, mit der Kaiserin, dem Kaiser und vor allem mit Kaunitz über alle Fragen der Allianz zu konferieren. Zur Durchfuhrung dieser Aufgabe sollte er zudem mit den französischen Gesandten an den wichtigsten europäischen Höfen korrespondieren, um immer über die neuesten Entwicklungen informiert zu sein.3 Darüber hinaus enthielt die Instruktion aber auch wieder „typische" Anweisungen für den Umgang mit dem Wiener Hof, d. h. Portraits der wichtigsten Persönlichkeiten, die dort agierten. Choiseuls besondere Aufmerksamkeit habe dem Kaiser und dessen Vertrauten zu gelten. Die Kaiserin wird charakterisiert als bedingungslose Anhängerin der neuen Allianz, bei der es keiner Überzeugungsarbeit mehr bedürfe. Von den Ministern aber wird - hier finden die Berichte über Kaunitz' Position am Hofe ihren Niederschlag, insbesondere Rattes Einschätzung über dessen Verhältnis zum Kaiser - der Staatskanzler in den Mittelpunkt der österreichischen Politik gerückt. Sein hochmütiges und selbstverliebtes Wesen verlange, daß man weniger mit ihm diskutiere, als vielmehr ihn um Rat frage. Seine intellektuellen Fähigkeiten werden hervorgehoben, gleichwohl wird vor seinem schwierigen Wesen gewarnt.4 Die Schaffung eines Klimas des beiderseitigen Vertrauens zwischen Wien und Versailles, eine der zentralen Aufgaben Choiseuls, zielte ab auf ein wesentliches Anliegen der französischen Außenpolitik: die dauerhafte Trennung Österreichs von England. Darin bestehe, so Bernis, der wichtigste Vorteil, den Frankreich aus der Allianz ziehe.5

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Recueil des instructions: Autriche, S. 371. Ibid., S. 377: „En consultant quelquefois le comte de Kaunitz, l'ambassadeur du Roi fera plus de progrès qu'en disputant avec lui; c'est pourquoi il doit avoir soin de parler plus souvent à l'amour-propre de ce ministre qu'à son esprit. Il [Choiseul] trouvera dans le comte de Kaunitz des lumières, de la probité et de la noblesse; peut-être trop d'exactitude dans les petites choses et de lenteur dans les opérations; on l'accuse d'être sujet à tirer avantage des aveux qu'on lui fait, des promesses ou même des espérances qu'on lui donne". Ibid. S. 378: „Détruire le reste du penchant de la maison d'Autriche en faveur de l'Angleterre [...] le véritable avantage que la France retirera du dernier traité de Versailles dépendra principalement de la rupture entière des cours de Vienne et de Londres".

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Erste Eindrücke und die Krise des Herbstes 1757 Bereits im Anschluß an seine erste Audienz bei der Kaiserin (am 24. August in Schönbrunn6) konnte Choiseul Erfolge hinsichtlich der Schaffung einer Atmosphäre des Vertrauens melden. Wie in der Instruktion angeraten, suchte er den Kontakt zu Kaunitz, der wiederum bemüht schien, die Sympathien des Botschafters für sich zu gewinnen. Kaunitz betonte gegenüber dem Gesandten seine herausragende Rolle beim Zustandekommen der französisch-österreichischen Allianz, die er gegen den langandauernden Widerstand des Herrscherpaares durchgesetzt habe.7 Der Staatskanzler trete ihm völlig offen entgegen, schrieb Choiseul, nicht nur in den Verhandlungen, sondern auch in seinen Urteilen über Kaiser und Kaiserin.8 Ähnliches verhalte sich Maria Theresia, die ihm gegenüber ihren Staatskanzler ausdrücklich lobte und ihre frühe Zustimmung und tiefe Verbundenheit zum derzeitigen „System" betonte.9 Auch vom Kaiser konnte der Botschafter Positives berichten. War jener in den Depeschen Rattes und in der Instruktion noch als Kritiker der Allianz und von antifranzösischen Ratgebern umgeben beschrieben worden, trat er nun Choiseul gegenüber als ihr Verteidiger auf. Ausdrücklich, so der Gesandte, habe Franz I. den preußischerseits geschürten Verdacht zurückgewiesen, die französisch-österreichische Allianz ziele auf eine Veränderung des konfessionellen Status' im Reich ab. Der Kaiser würde zwar lieber die ganze Welt im Katholizismus vereint sehen, betrachte es aber nicht als seine Aufgabe, mit Geschützen zu missionieren.10 Wenngleich hier das Bemühen der Österreicher sichtbar wird, dem noch jungen und fragilen Bündnis mehr Stabilität zu verleihen, so verschwieg Choiseul keineswegs die Reibungsflächen zwischen den Partnern. Einigkeit über eine gemeinsame Aktion der Armeen im Herbst konnte nicht erzielt werden. Plädierte Choiseul für die Rückeroberung Sachsens, um dort zugleich Winterquartiere zu sichern, hielt Kaunitz - unterstützt auch durch den französischen Militärberater Montazet - stur an der Fortfuhrung der Unternehmen in Schlesien fest." Obwohl diese Meinungsverschiedenheit Friedrich II. ermöglicht hatte, Franzosen und Reichsarmee sowie die österreichische Armee getrennt zu stellen und zu schlagen, betonte

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Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1756-1757, S. 112-113; AAE CP Autriche 259, fol. 50'-53 v , Choiseul an Bernis, 24. August 1757; Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 31-33. AAE CP Autriche 259, fol. 54 r -59 v , Choiseul an Bernis, 25. August 1757, fol. 56'. Ganz ähnlich sah auch Bernis seine Rolle, vgl.: ibid. fol. 118-121', Bernis an Choiseul, 10. September 1757, fol. 118v. Ibid. fol. 57': „Effectivement, Monsieur, dans cinq ou six conversations que j'ay eu avec ce ministre, M. de Kaunitz s'est ouvert à moi, non seulement sur les affaires, mais sur ce qui regarde particulièrement tant visà-vis l'Empereur que l'Impératrice, d'une façon qui m'a étonné et nous avons ensemble un air de liberté comme si j'étois icy depuis fort longtemps". Ibid. fol. 57 v -58': „L'Impératrice dans l'audience me parla de son ministre, elle me dit que j'en serois content, que s'il avoit de défauts nous en avions tous, mais qu'il avoit des talens et de la probité, et de plus le mérite auprès d'elle et de la France d'avoir travaillé avec suite et succès au sistème qui unissoit les deux cours, car, me répéta-t-elle, plusieurs fois, je suis la première avec Kaunitz qui l'ait désiré". Ibid. fol. 58': „J'ay oublié de marquer au Roy que l'Empereur en me détaillant les avantages de notre alliance pour l'Europe et pour l'Empire en particulier, me parla des soupçons que l'on vouloit accréditer sur le désir que la maison d'Autriche avoit d'opprimer les protestane d'Allemagne. Le prince me dit que jamais pareil projet n'aurait été pensé depuis qu'il étoit empereur, et il m'ajouta qu'il désirerait fort que tout le monde fut catholique et même après cette vie tout le monde allât dans le ciel, mais qu'il ne croirait pas qu'il fut de son devoir de faire le missionaire à coups de canons". Ibid. fol. 106-11 l v , Choiseul an Bernis, 7. September 1757, fol. 105v-106'; fol. 331'-340\ Choiseul an Bemis, 7. Oktober 1757, fol. 331v; siehe auch: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 562-564.

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Choiseul auch weiterhin das gute Einvernehmen, das zwischen ihm und Kaunitz herrsche.12 Dieser habe ihm gegenüber ausdrücklich betont, daß beide Höfe in diesem Moment nicht danach trachten dürften, für sich Vorteile zu erzielen, sondern sie müßten sich gemeinsam bemühen, die aktuellen Probleme - etwa in der Versorgung ihrer Armeen - zu lösen.13 Daß Choiseul von diesen ostentativen Bemühungen der Österreicher um die Schaffung eines engen Vertrauensverhältnisses beeindruckt war, steht außer Frage - dennoch blieb ein Mißtrauen grundsätzlicher Art, das sich vor allem gegen Bernis richten sollte. So kritisierte er in offenen Worten die seines Erachtens zu große Vertrautheit seines Außenministers im Gespräch mit dem Wiener Gesandten Starhemberg. Es könne nicht angehen, so Choiseul, daß Kaunitz bereits über die Fragen und Wünsche informiert sei, über die er mit ihm verhandeln wolle. Auch unter den engsten Freunden gelte es, die Eigenständigkeit zu bewahren und nicht die eigenen Interessen denen des Verhandlungspartners unterzuordnen.14 Diese Zurechtweisung Bernis', der versprach, größere Zurückhaltung zu üben15, war ein Vorgang, der die gewohnte Hierarchie zwischen Ministerium und Gesandten auf den Kopf stellte. Nicht der Minister wies den Gesandten auf seine Aufgabe hin, sondern der Gesandte den Minister. Bis zur Schlacht von Rosbach bestimmte die Auseinandersetzung über die noch in diesem Jahr zu verwirklichenden Feldzugsziele, die Neutralität Hannovers und die Frage der Bewertung der vom Herzog von Richelieu abgeschlossenen Konvention von Kloster Zeven die Verhandlungen.16 Angesichts von Kaunitz' Festhalten am Ziel, die österreichische Armee in Schlesien überwintern zu lassen und nicht, wie von Choiseul gefordert, Sachsen zu besetzen und so die Rückkehr des Kurfürsten zu ermöglichen, plädierte der Gesandte für einen Rückzug der Armee Soubises, um ihre Existenz nicht aufs Spiel zu setzen.17 Darüber hinaus, so führte er aus, bringe dieser Rückzug in die Winterquartiere den Vorteil, sich dauerhaft von der Reichsarmee trennen zu können.18 Schneller als erwartet sollten die dunklen Vorahnungen Choiseuls Wirklichkeit werden. Kurzfristig führte die Niederlage der Franzosen und der Reichsarmee bei Rosbach Einigkeit bezüglich der unmittelbaren Kriegsziele herbei19, die jedoch nach dem österreichischen Erfolg vor Breslau - Versprengung einer preußischen Armeegruppe und Gefangennahme ihres Kommandeurs, des Herzogs von Bevern, sowie die Besetzung der Stadt - wieder zerbrach.20 12

AAE CP Autriche 259, fol. 184-188', Choiseul an Bernis, 20. September 1757, fol. 188': „Je continue à n'avoir que me louer de sa [Kaunitz] confiance et de sa manière honnête et droite de traiter". 13 Ibid. fol. 276'-279 v , Choiseul an Bemis, 1. Oktober 1757, fol. 276-277'. 14 Ibid. fol. 279': „J'aurai d'ailleurs l'honneur de vous faire observer qu'il est important de ne pas donner d'avant les mémoires à M. de Starhemberg comme l'on a fait de celui pour les quartiers d'hiver, parce qu'alors je trouve les réponses de M. de Kaunitz toutes préparés sur ce que j'ay lui a dire, et que lorsqu'elles ne sont comme je les désirerais, il me devient très difficile de faire changer le ministre. Il est bon que M. de Starhemberg soit prévenu en conversation sur les demandes, mais pour les pièces originales, je croirais qu'il vaudrait mieux qu'elles passent par moi seul". 15 AAE CP Autriche 259, fol. 388-392', Bernis an Choiseul, 16. Oktober 1757, fol. 391v. 16 Zur Neutralität Hannovers vgl. Kapitel Β III 2. Über Kloster Zeven vgl.: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 35-38, 102-104; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 465-526; zusammenfassend: Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 103-105; Dann, Hannover and Great Britain 1740-1760, S. 114-115. 17 AAE CP Autriche 259, fol. 407'-409 v , Choiseul an Bernis, 21. Oktober, fol. 408'-409 r . 18 Beschwerden Soubises über den Befehlshaber der Reichsarmee, Prinz von Sachsen-Hildburghausen, bei: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 38-39; AAE CP Autriche 259, fol. 410'-413', Choiseul an Paulmy, 21. Oktober 1757, fol. 411'. " Vgl. S. 189. 20 Zur Überrumpelung Beverns und Einnahme Breslaus vgl.: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 688-695; Duffy, Friedrich der Grosse, S. 209-210.

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Nach der Einnahme der Hauptstadt Schlesiens wurde kein Gedanke mehr an die Rückeroberung Sachsens verschwendet, vielmehr wollte man sich gegen Friedrich, dessen Marsch nach Schlesien bereits bekannt war, wenden. Choiseul war sich nicht sicher, ob die Kampagne noch eine weitere Fortsetzung finden würde und trauerte der vergebenen Chance in Sachsen nach.21 Die Schlacht von Leuthen ließ dann alle Pläne hinfällig werden. Sämtliche Erfolge der Allianz erwiesen sich als wertlos. Die Gegner kehrten auf ihre Ausgangspositionen zurück und bezogen die Winterquartiere. Nun war Beharrungsvermögen gefragt, wollte man daran festhalten, Friedrich den Großen militärisch niederzuringen. Bernis besaß dies nicht, er verlangte seit Dezember 1757 und bis zu seiner Ablösung sowie Verbannung die Einleitung von Friedensverhandlungen.22 1758: Choiseul gegen Bernis - Krieg oder Frieden? Auf das Drängen von Bernis, Friedensverhandlungen einzuleiten, reagierte Choiseul ablehnend. Bereits in seiner Depesche vom 29. Januar 1758, die zugleich eine Momentaufnahme der aktuellen Situation vor Wiederaufnahme der Kämpfe darstellte, erteilte er Bernis' Wünschen eine unmißverständliche Absage. Nach Analyse der im Frühjahr zu erwartenden Kräfteverhältnisse, die auf eine Einkreisung Preußens durch die Koalition hindeuteten, kam er zu dem Ergebnis, daß Friedensverhandlungen frühestens nach einigen Monaten aufgenommen werden könnten, wenn man entweder eine Niederlage erlitten, Friedrich in die Defensive gedrängt oder sich eine Pattsituation ergeben habe. Choiseul konzipierte einen Friedensschluß, in dem Frankreich die Rolle des „médiateur" übernehmen sollte.23 Zu den wahrscheinlichen Konsequenzen eines überstürzten Friedensschlusses zählte der Botschafter eine dramatische Schwächung des französischen Ansehens und Einflusses in Nordeuropa und insbesondere in Schweden, denn hier setze die Schwester Friedrichs alles daran, um die „französische Partei" zu entmachten.24 Dieser Argumentation folgte Ludwig XV. bereits im

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AAE CP Autriche 260, fol. 220-227', Choiseul an Bernis, 4. Dezember 1757, fol. 220'~v: „La cour impériale n'est mécontente de l'impossibilité où nous nous trouvons de remarcher en Saxe. Depuis sa victoire sous Breslau et la prise de cette ville, elle ne songe plus à faire quitter la Silesie à son arrivé, et effectivement le Roy de Prusse étant marché de Saxe à Glogau où il sera rejoint par le débris de l'armée de Bevern et par le corps de troupes que mène M. de Loewald de Prusse, ce prince se trouvera, d'ici à 7 à 8 jours, à la tête d'une armée de soixante mille hommes, et il reste à sçavoir si son intention alors sera de continuer la campagne, ou d'entrer en quartiers d'hyver. Dans tous les cas l'armée impériale ne peut pas se déplacer, j'aurois simplement désiré qu'elle fit un mouvement brusque sur Glogau avant la jonction des différents corps prussiens. Sa majesté prussienne n'a laissé en Saxe que des garnisons très faibles dans les places de l'Elbe". Dahoui, Bernis, S. 239-249. Beispiele: Bernis an Choiseul, 6. Januar 1758, fol. 5 r -10 r , bes. fol. 7V; siehe auch einen weiteren Brief Bernis' vom selben Tag, in: Bernis, Mémoires, ed. Massen, Bd. 2, S. 160-163, S. 161: „Mon avis serait donc de faire la paix et de commencer par une trêve sur terre et et sur mer". AAE CP Autriche 261, fol. 4 7 - 5 Γ , Bernis an Choiseul, 14. Januar 1758 (vgl. Kapitel Β II 3); CP Autriche 263, fol. 157-164', Bernis an Choiseul, 17. März 1758, bes. fol. 157v; CP Autriche 265, fol. 106-11 l v , Bernis an Choiseul, 15. Juli 1758; fol. 160-163', Bernis an Choiseul, 21. Juli 1758. AAE CP Autriche 261, fol. 204-215', Choiseul an Bernis, 29. Januar 1758, fol. 208'. Ibid., fol. 209 v -210 v : „Du côté des Suédois, je juge que le parti de la guerre est celui qui est attaché à la France, et par conséquent celui que nous devons ménager. Combien ce parti n'auroit-il pas à craindre si le Roy de Prusse parvenoit à la gloire de dicter les conditions de la paix? Est-il vraisemblable que les deux ou trois ans de tranquilité qui suivroient cette paix peu glorieuse, ne seroient pas employés par S. M. prussienne et par la reine sa sœur à anéantir le crédit et la fortune de ceux qui ont eu le pouvoir pendant cette guerre [...]? Quelle influence un prince, comblé de gloire, et que l'on pourroit dire craint de toute l'Europe, n'auroit-il pas dans le Nord au détriment des vrais patriotes de Suède les plus attachés à la France? Le parti

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Februar. Er ließ durch Bernis dem Gesandten ausrichten, Frankreich stehe zu seinen weitreichenden Zusagen. Gleichwohl blieb der Außenminister weiterhin skeptisch und hielt an seinen Vorstellungen fest.25 Diese Überlegungen waren aber nicht der alleinige Grund, der Choiseul dringend von jeglichen Sondierungen abraten ließ. Die seinerzeitige Haltung des Wiener Hofes bestärkte ihn in seinem Urteil. Der Kaiser und Kaunitz und nicht zuletzt die Kaiserin, so führte er aus, zeigten eine solchen Grad an Entschlossenheit und Mut, daß ein Drängen auf Friedensverhandlungen den Bestand der Allianz gefährden könne.26 Auch Kaunitz wandte sich Ende Februar direkt an Bernis und wies ihn darauf hin, wie wichtig es sei, die preußische Macht zu bekämpfen, und betonte zugleich, daß dies nur mit französischer Hilfe geschehen kön27

ne. Diese Themen sind charakteristisch für die gesamte Korrespondenz Choiseuls vom Frühjahr und Sommer 1758. Entschlossenheit und Optimismus der Kaiserin und ihres ersten Ministers ließen sich nicht durch Rückschläge wie den fluchtartigen Rückzug der Franzosen zum Rhein erschüttern. Gleichwohl warnte Choiseul vor den noch immer zahlreichen Gegnern Kaunitz' und der Allianz, die öffentlich verkündeten, Frankreich betreibe den Ruin der Habsburgermonarchie. Anzeichen von Mutlosigkeit gab es aber auch. Zeigte sich Kaunitz noch relativ zuversichtlich, so fand der Botschafter eine von den Rückschlägen der französischen Armee verzweifelte Maria Theresia vor, die die Preußen bereits vor den Toren Wiens

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du Roy, notre maître, en Suède, est évidemment le parti de la guerre, et celui qui doit désirer la déstruction de la puissance prussienne, ou du moins sa moindre gloire. Or, si l'on faisoit la paix actuellement que le Roy de Prusse a battu le 5 octobre le François, le 5 décembre les autrichiens, et chassé depuis les Suédois jusqu'à Stralsund, n'y auroit il pas à craindre pour la Suède et pour le parti de la France en Suède toutes les inconvénients que j'ai l'honneur de vous représenter, au lieu que si l'on met les forces des alliés sur un pied respectable qui intimide asséz le Roy de Prusse pour lui donnner l'air de demander la paix, il conservera la gloire d'avoir résisté, mais en même temps il sera prouvé qu'il a fléchi sous la crainte d'être écrasé". Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 740-744; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 109-110. AAE CP Autriche 261, fol. 213v-214r: „J'ajouteray de plus que je crois, en bon serviteur du Roy et en honnête homme, devoir avertir que la moindre précipitation sur la paix deviendroit dangereuse, et que cette cour pourrait prendre les partis les plus violents, si elle voyoit que nous cherchons à la forcer à la paix. J'ai vu très clairement ces dispositions dans les esprits, et je dois avertir le Roy et son ministre que l'Empereur et l'Impératrice ainsi que M. de Kaunitz qui a la première direction des affaires sont des âmes d'un courage et d'une force peu commune, surtout l'Impératrice". In Auszügen auch zitiert bei: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 741. AAE CP Autriche 262, fol. 248-251", Kaunitz an Bernis, 28. Februar 1758, fol. 250'"v: „Ce qu'il y a de certain c'est, qu'il n'y a rien de plus important pour les deux cours que de borner la puissance de ce prince, et que à moins qu'une force majeure ne nous en empêche, il semble, qu'il seroit impardonnable d'en abandonner le projet dans cette occasion qui peut-être ne reviendra jamais et d'avoir sacrifié en abandonnant facilement ce projet tout ce qui a déjà été employé d'hommes et d'argent pour son exécution, et il semble qu'il s'ensuit que quand même on auroit des raisons absolues pour croire qu'il n'est pas possible, ou qu'il seroit au moins trop dangereux, de vouloir encore affecter par la force toutes les stipulations du traité secret, il faudrait au moins tâcher de faire avoir son effet à cet objet du traité qui au fond est le plus essentiel [...] je ne vous cacherai pas même, Monsieur le comte, que la continuation de la guerre nous paraîtrait téméraire et déraisonnable, si nous n'étions pas assurés que vous nous soutiendrez puissamment d'hommes et d'argent, sans l'un et l'autre il seroit superflu de continuer la guerre, de s'exposer à des dangers ultérieurs et de vouloir sacrifier encore beaucoup d'hommes et d'argent à pure perte".

II. Das

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sah. C h o i s e u l v e r s i c h e r t e ihr g e g e n ü b e r d i e a b s o l u t e B ü n d n i s t r e u e F r a n k r e i c h s u n d erteilte d a m i t d e n F r i e d e n s w ü n s c h e n B e r n i s ' e i n e erneute A b s a g e . 2 8 G a n z anders fiel d a g e g e n d i e R e a k t i o n B e r n i s ' a u f d i e B e r i c h t e s e i n e s B o t s c h a f t e r s aus. A l l e Warnungen Choiseuls mißachtend, w e l c h e Gefahren ein Frieden z u m jetzigen Zeitp u n k t für d e n Fortbestand der A l l i a n z h a b e n k ö n n t e , drängte der „Architekt" der A c h s e Vers a i l l e s - W i e n , d i e P r o b l e m e Frankreichs v o r d e n A u g e n , a u f e i n e n F r i e d e n s s c h l u ß , w o b e i er d a s B i l d e i n e s ü b e r m ä c h t i g e n P r e u ß e n skizzierte: „Der Mut oder die Gleichgültigkeit des Wiener Hofes erstaunt uns. Seit vier Monaten haben wir die deutlichste Sprache gesprochen. Wie wir sieht auch er unsere Lage. Kann er sich in dieser Situation über die eigene Schwäche hinwegtäuschen? Man darf nicht das Waffenglück versuchen, man sollte vielmehr o f f e n und deutlich mit dem K ö n i g v o n Preußen sprechen, die Rückgabe Sachsens und Mecklenburgs fordern und ihm S c h l e s i e n lassen. Der Friede wäre schnell geschlossen, aber wenn man darauf wartet, daß er noch drei oder vier Schlachten gewinnt, wird man ihn zum Herrn des Reiches und Despoten Europas erheben". 29 C h o i s e u l h i e l t d e m P e s s i m i s m u s d e s A b b é d i e E n t s c h l o s s e n h e i t d e s W i e n e r H o f e s entg e g e n , Friedrich II. m i t a l l e m M i t t e l n z u b e g e g n e n u n d a u f d a s E i n t r e f f e n e i n e s französ i s c h e n H i l f s k o r p s ( d a s n i e m a l s in M a r s c h g e s e t z t w u r d e ) z u w a r t e n . 3 0 D i e s e Auseinanders e t z u n g z w i s c h e n B o t s c h a f t e r u n d A u ß e n m i n i s t e r s e t z t e s i c h a u c h in d e n f o l g e n d e n M o n a t e n fort. W i e n h a b e s i c h , b e r i c h t e t e C h o i s e u l , derart i n e i n e n H a ß g e g e n d e n P r e u ß e n k ö n i g

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AAECP Autriche 263, fol. 2 3 f - 2 5 0 v , Choiseul an Bernis, 26. März 1758, fol. 233 v -234 r ; 242'-242 v ; 250': „M. de Kaunitz ne me cacha pas, dans cette occasion, que ses ennemis, depuis trois semaines que l'on avoit sçeu, dans l'Empire les nouvelles de notre retraite, triomphoient et fasoient entendre dans le public que sa confiance pour la France perdoit la monarchie de l'Impératrice; qu'effectivement de pareils propos, semés par des gens peu instruits, ne pouvoient pas faire d'effet, mais que si le malheur arrivoit que le Roy et l'Impératrice fussent forcés à une paix honteuse, il ne resteroit dans toute l'Allemagne que l'Empereur, l'Impératrice et lui qui crussent véritablement que le Roy avoit voulu secourir l'Impératrice [...]. L'Impératrice a été la plus difficile à convaincre. Dès le premier abord, j'ay trouvé cette princesse dans un abattement et dans une inquiétude que je lui avois jamais vu. Comme elle parle vivement et beaucoup, elle ne m'a pas laissé le temps de lui dire ce que j'étois préparé à exposer; elle m'a fait rémunération de tous ses malheurs, dont le plus sensible, selon elle, est la retraite de notre armée derrière le Rhin. Elle voit les Prussiens aux portes de Vienne, l'autorité de l'Empereur méprisée et anéantie dans toute l'Allemagne, et elle même obligée de plier sous le joug du Roy de Prusse [...]. Ce qu'il y a de très certain, c'est que, sans être accablé de ma situation désagréable dans un pays où toute le monde (hors les souverains et M. de Kaunitz), depuis la retraite de M. le comte de Clermont, croit que la France trompe la maison d'Autriche, j'ay soutenu la confiance de leurs majestés impériales et ay employé toutes les ressources qui sont en moi pour contribuer au bien du service du Roy".

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AAE CP Autriche 263, fol. 342 r -347 v , Bernis an Choiseul, 16. April 1758, fol. 345': „Nous sommes étonnés du courage ou de l'indolence de la cour de Vienne. Nous luy avons parlé, depuis quatre mois, le langage le plus clair. Elle voit comme nous nôtre état. Peut-elle se dissimuler sa propre foiblesse dans cette position? Ce n'est pas le sort des armes qu'il faudrait tenter, il serait bien plus expédient de parler net au Roy de Prusse pour la restitution de la Saxe et du Meckelbourg, et lui laisser la Silésie. La paix serait bien tôt faite; mais si on attend qu'il gagne encore 3. ou 4 batailles, on le rendra le maître de l'Empire et le despote de l'Europe". Ibid., fol. 377'-382 r , Choiseul an Bemis, 20. April 1758, fol. 380 r : „L'on est déterminé, dans la position que je viens d'avoir l'honneur, Monsieur, de vous détailler, de faire tout ce qui est humainement possible pour parer aux malheurs d'une entreprise de la part du Roy de Prusse et pour se maintenir jusqu'à l'arrivée des 30. mille françois".

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gesteigert, daß es kaum noch möglich sei, alternative Feldzugsstrategien zu diskutieren.31 Die Briten, so Kaunitz, hielten an der Allianz mit Preußen fest, denn es liege in ihrem Interesse, einen Konflikt im Reich zu schüren, der französische Kräfte binde. Dadurch werde Frankreich am Wiederaufbau seiner Marine gehindert. Es könne dann seinen Handel nicht wiederbeleben, woran London besonders liege.32 Als Garant des Westfälischen Friedens, so die unausgesprochene Konsequenz dieser Überlegung, wäre Frankreich auch im Falle einer anderen Bündniskonstellation in einen Krieg um das Schicksal Preußens verwickelt. Ein Rückzug aus dem Kriege zum jetzigen Zeitpunkt würde demnach für die französische Krone einen erheblichen Verlust an Reputation bewirken.33 Auch der Rückzug der Preußen aus Mähren spreche gegen die Einleitung von Friedensverhandlungen. Die Berichte über die österreichische Standhaftigkeit zeigten schließlich auch in Versailles ihre Wirkung. Am 4. Juni legte Bernis Ludwig XV. ein Memorandum vor, in dem er die Risiken auflistete, die auf Frankreich bei Fortsetzung des Krieges zukommen würden, zugleich forderte er die Mobilisierung aller Kräfte, auch im Inneren, um diesen Krieg erfolgreich zu beenden.34 Als Ludwig XV. am 10. Juni Maria Theresia sein Wort gab, nicht ohne sie Frieden zu schließen35, hatte er sich letztlich gegen die Argumente seines Außenministers entschieden und war den Berichten seines Botschafters über die Haltung des Wiener Hofes und insbesondere der Kaiserin gefolgt. Verbittert warf Bernis Choiseul dessen Festhalten am Bündnis und am Krieg vor, der seiner Meinung nach nicht zu gewinnen war: „Je mehr Sie der durch den Willen des Königs gebildeten Allianz mit der Kaiserin anhängen, um so mehr müssen Sie sie bewahren, um sie nicht aus falscher Ruhmsucht in den Abgrund zu führen. In einigen Jahren werden wir mehr als heute zu fürchten sein, wenn wir verbündet bleiben und wenn wir uns wie seit einem Jahr verhalten. Sollte der König von Preußen jetzt Vorteile erringen, wird er den Bruch der Allianz verlangen. Und wer vermag ihn daran zu hindern? Werfen Sie den Schleier des Ehrgeizes ab, begreifen Sie, daß es besser ist, als Großmacht zu existieren als zerstört zu werden. Man wird sich von der Schwäche erholen, man wird von seinen Fehlern lernen und besser regieren. Der König 31

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Vgl. AAE CP Autriche 264, fol. 3 - 1 Γ, Choiseul an Bernis, 1. Mai 1758, fol. 4 v -5 r : „Quand je lui [= Kaunitz] marquois mon étonnement sur la confiance et le courage qu'il avoit, que son courage venoit de ce que, si l'armée de l'Impératrice étoit battue, du moins il étoit persuadé qu'elle se batteroit, et que les souverains n'avoient pas à craindre de grands malheurs du sort des batailles, quand ils étoient surs que leurs troupes pouvoient être vaincues par les manœuvres, moins qu'elles ne le seroient pas sans combattre. J'entends de ce propos là, de la meilleure amitié du monde, quatre fois par jour; je vous prie, Monsieur, de ne pas reveler plus que je ne fais, et je ne vous les rends que pour vous faire connoître la peine qu'il y a de ramener des esprits d'aussi bonne foi présomptueux, qui écoutent avec peine le plus petit conseil militaire, et qui, en suivant leur présomtion, font leur cour à leur souveraine en flattant sa haine contre le Roy de Prusse. Croyez, Monsieur, qu'il faut du temps et des ménagemens infinis pour changer les dispositions de cœur et d'esprit qui se trouvent icy". Ibid., fol. 185-203', Choiseul an Bernis, 26. Mai 1758, fol. 196 v -197 v : „Monsieur le comte de Kaunitz reprit cet article en me disant que tant que l'alliance d'Angleterre et de Prusse subsisteroit, la puissance prussienne restant avec gloire dans la même force, nous ne pouvions pas espérer d'être tranquille 18 mois. Car comme l'intérêt de la France est de remettre sa marine et ses colonies sur un pied respectable, l'intérêt de la GrandeBretagne est de détruire l'une et l'autre. Ainsi lorsque l'Angleterre verra que la France travaille avec fruit au rétablissement de ses forces navales, par cette seule considération, elle fera la guerre et la fera faire aux Prussiens, et nous nous retrouverons chaque année dans les inquiétudes des mêmes embarras". Ibid. fol. 222-225', Choiseul an Bernis, 30. Mai 1758, fol. 223'. Ibid., fol. 230'-233 v , Bernis an Ludwig XV., 4. Juni 1758; abgedruckt in: Bernis, Mémoires, ed. Masson, S. 428-431. Bernis, Mémoires, ed .Masson, S. 431; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 2, S. 434—435.

II. Das

Österreichbild

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von Preußen hat dafür allen Regierungen ein Beispiel gegeben, allein gegen alle - wie zuvor Ludwig XIV. Jeder Fürst, der über Waffen verfügt und sie zu führen versteht, wird allen Ligen widerstehen". 36 M i t der Entscheidung L u d w i g s X V . zur Fortsetzung des Krieges war der W e g frei zur „Überarbeitung" des Bündnisses, w i e sie Choiseul forderte. Bereits am 12. Juni berichtete er v o n seinen Gesprächen mit Maria Theresia und Kaunitz, in denen er quasi als Gegenleistung für die Bündnistreue Frankreichs die Reduzierung der französischen Subsidien einforderte. D i e s begründete Choiseul mit d e m Druck der Öffentlichkeit in Frankreich, die für die massive Unterstützung Österreichs nur Unverständnis zeige, da sie in ihren A u g e n zur Schwächung v o n Frankreichs Verteidigungspotential führe. 37 A u c h die katastrophalen Konsequenzen der Niederlage v o n Krefeld (23. Juni 1758) brachten diesen Entschluß nicht ins Wanken. Jetzt u m Frieden zu bitten, werde der Reputation Frankreichs mehr schaden als die Fortsetzung des Kampfes. Maria Theresia habe sogar beschlossen, ihn notfalls alleine fortzusetzen. 3 8 D e s s e n ungeachtet drang Bernis unter Hinweis auf die desolaten Finanzen und den drohenden Verlust der K o l o n i e n weiter auf Friedensverhandlungen. 39 N a c h Bekanntwerden des Verlustes v o n Louisbourg auf Cap-Breton hielt 36

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AAE CP Autriche 264, fol. 309'-314v, Bernis an Choiseul, fol. 312': „Plus vous êtes attaché à l'union formée par le goût du Roy avec l'Impératrice, plus vous devez la déprévenir du faux sistème de tout abîmer par vaine gloire. Dans quelques années d'ici, nous serons plus à craindre en restant unis, que nous le sommes aujourd'hui, en nous conduisant comme nous le faisons depuis un an. Lorsque le Roi de Prusse aura de certains avantages, il exigera la rupture de l'alliance. Et qui l'empêchera d'y réussir? Levez le bandeau de l'orgueil; faites comprendre qu'il vaut mieux exister, quand on est une grande puissance, que d'être détruit. On se relève de sa foiblesse, on profite de ses fautes, on se gouverne mieux; le Roy de Prusse a donné à tous les gouvernememts une belle leçon, seul contre tous. Louis 14 a fait autant. Tout Prince qui aura des armées et qui saura les conduire resisterà à toutes les ligues". Auch in: Filon, L'Ambassade de Choiseul, S. 128-131. AAE CP Autriche 264, fol. 275r-286v, Choiseul an Bernis, 12. Juni 1758, fol. 277r-278r: „J'ajoutai une réflexion qui portoit atteinte à notre crédit dans le même tems qu'elle marquoit visiblement à l'Impératrice l'attachement du Roy pour l'alliance et pour les intérêts de sa Majesté Impériale. Cette réflexion est que le crédit tient beaucoup à l'opinion publique, au sentiment de la nation tant pour sa défense que pour des acquisitions utiles au Royaume. Or, ai-je dit à Monsieur de Kaunitz, au moins de déclarer au public tous nos secrets, il est certain qu'il doit paroitre extraordinaire à la nation que le Roy fasse sortir toutes ses forces du Royaume et les entretienne à grands frais, tandis que les côtes et les ports de France sont menacées. Il est certain, continuai-je, que si les dépenses paroissent se faire pour repousser l'ennemy de nos frontières, le crédit du royaume prendroit une nouvelle vigueur et l'argent que nos troupes dépenseraient, rentrerait par le crédit dans les coffres du Roy, au lieu que celui que nos armées dépensent en Allemagne ne rentre point en France, et qu'il est difficile, quand l'on craint pour le royaume, de donner de l'âme à la circulation lorsque le public est imbu que toutes les efforts du Roy ne sont que pour la conquête de la Silésie en faveur de l'Impératrice-Reine". Vgl. auch: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 2, S. 435-436. AAE CP Autriche 265, fol. 50 r -56 v , Choiseul an Bernis, 9. Juli 1758, fol. 51 v -52 v : „La paix n'est point un remède à tous ces maux, car je crois qu'il est impossible de la faire, et qu'il seroit bien plus facile de soutenir l'honneur de nos armes et la considération du Roy en Europe, que de demander grâce, sans même être sûr d'être écouté, à nos ennemis. Au reste [...], je sçais de bonne part qu'autant l'Impératrice est attachée au sistème et surtout au lien qui l'unit à la personne du Roy, autant cette princesse est-elle éloignée de demander grâce au Roy de Prusse, et de faire la paix actuellement avec ce prince [...] Enfin il a été décidé que, si le Roy vouloit, à quelque prix que ce fût, se soumettre à ses ennemis, l'Imperatrice continueroit la guerre toute seule, sa majesté impériale aimant mieux courir les risques des événements les plus fâcheux que de cesser une guerre qu'elle prétend juste, dans un tems où les forces de son ennemi s'affoiblissent lorsque les siennes accroissent". Ibid. fol. 214r-217r, Bernis an Choiseul, fol. 214v-215r: „Tous les principes de la cour de Vienne par raport à la continuation de la guerre sont justes en suposant que l'argent ne manquera pas. Mais comme cette

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er sogar eine britische Vormachtstellung in Europa für unabwendbar, sollte Wien nicht einem Frieden zustimmen.40 Choiseul ignorierte Bernis' Verzweiflung.41 Er lieferte statt dessen Psychogramme von Maria Theresia und Kaunitz. Sie ließen sich in ihrem Handeln stark von ihren Gefühlen leiten, schrieb er, und diese Gefühle bestünden aus einem unbändigen Haß auf Friedrich den Großen und aus einer tiefgehenden und grundsätzlichen Ablehnung des britischen Charakters. Trotz des letzten Krieges würden die Kaiserin und Kaunitz Frankreich vorziehen. Selbst zeitweise aufkommendes Mißtrauen - bedingt durch die Furcht vor einem französischen Alleingang in Richtung Frieden - habe sich mittlerweile gelegt.42 Bernis begnügte sich ganz im Sinne des aufklärerischen, von der Vernunft geleiteten Denkens, mit dem Hinweis, daß die Leidenschaft ein schlechter Ratgeber sei und forderte erneut den Friedensschluß im Winter.43

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suposition n'est pas fondée, il est indispensable de songer à la paix, et nous sommes d'accord de la traiter sans précipation par le canal de l'Espagne"; ibid. fol. 249 r -257 v , Bernis an Choiseul 11. August 1758, fol. 25l v : „Quelque heureux que puissent être nos succès en Allemagne, ils ne rétablissent ni la marine du Roy ni son commerce; ils ne mettront pas ses colonies et ses autres possessions à couvert des entreprises multipliées de l'Angleterre, ils ne feront pas renaître la confiance des François, et tandis que le Roy seroit occupé à la poursuite des nouveaux avantages sur le continent dans la campagne prochaine, les Anglois pouvoient avoir contre nous des succès décisifs qui plongeroient le royaume dans un état de désordre auquel il ne seroit pas possible de remédier". Ibid. fol. 355 r -357 v , Bernis an Choiseul, 25. August 1758, fol. 355 v -356 r : „II y aurait de leur [= Maria Theresia und Kaunitz] part autant d'insensibilité que de défaut de prévoyance s'ils refiisoient à entrer dans notre situation et à prendre de concert des mesures pour terminer le plus promptement qu'il sera possible une guerre qui rendra, si elle dure encore quelques temps, les Anglois maîtres absolus du comerce de toutes les nations et par conséquent les arbitre de l'Europe". Auszüge der Depesche auch in: Bernis, Mémoires, ed. Massen, Bd. 2, S. 458-459. Vgl. seine Antwort in: AAE CP Autriche 266, fol. 15 r -19 v , Choiseul an Bernis 5. September 1758; in Auszügen bei: Bernis, Mémoires, ed. Masson, Bd. 2, S. 460-461. AAE CP Autriche 265, fol. 372'-377 v , Choiseul an Bernis, 25. August 1758, fol. 373-374': „Monsieur de Kaunitz hait personellement les Anglais et les Hanoveriens [...]; Les indispositions naturelles de l'Impératrice et de son ministre sont le mobile de leur action et de leur liaison, lesquelles sont ensuite conduites selon l'intérêt de l'Imperatrice. Vous voyez dans cette phrase ce qui fait agir cette cour. Le Roy de Prusse est le plus haï, parce qu'il est le plus près et qu'il a insulté l'Impératrice et son ministre; les Anglois ensuite par une répugnance de caractère, et la France, malgré la dernière guerre, et même pendant la dernière guerre, étoit aimée de l'Impératrice, et monsieur de Kaunitz en est passionné. Cela n'émpêche pas que la passion contre le Roi de Prusse, peut-être le ton dominant auquel monsieur de Kaunitz est acoutumé, et les besoins urgents où cette cour se trouve, ne lui donnent quelque fois de l'humeur contre nous [...]. Je n'ai craint qu'une chose, qui étoit que Monsieur de Kaunitz se trouvant humilié et presque perdu, si nous ferions la paix malgré lui [...]. L'on ne craint plus que nous fassions la paix avant la fin de la campagne, et l'on espère l'hyver, être dans une position qui obligera nos ennemis à nous la demander"; zur preuCenfeindlichen Haltung Kaunitz' und Maria Theresias siehe auch: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 25; über Kaunitz' Wertschätzung der französischen Literatur und Kunst berichtete schon Aubeterre 1754, vgl.: Braubach, Versailles und Wien, S. 417. AAE CP Autriche 266, fol. 108-113 v , Bernis an Choiseul, 2. Oktober 1758, fol. 110': „L'animosité de l'Impératrice contre le Roy de Prusse est juste; mais elle lui fascine les yeux. La passion est un orateur suspect dont on ne peut trop se défier, et il ne faut pas courir à une perte certaine pour faire un peu plus de mal à son ennemi. Si l'on fait la paix cet hyver, le Roy de Prusse dénué des ressources que lui fournit la guerre, sera plus épuisé que nous, parce qu'il manque des moyens qui rétablissent les forces d'un État. Nous serons plustot que lui à portée de nous faire craindre, et le maintien inviolable de notre alliance sera le plus assuré contre les projets ambitieux de son imagination déréglée".

II. Das Österreichbild

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Seit Anfang Oktober 1758 standen aber ganz andere Angelegenheiten im Mittelpunkt des Interesses von Bernis. Am Ende des Monats traf in Paris die Nachricht seiner Erhebung zum Kardinal ein. Dadurch gestärkt, hoffte Bernis nun, seine Stellung im conseil du roi bis hin zu der eines Premierministers - ohne diesen Titel zu führen - nach dem Vorbild Richelieus und Fleurys auszubauen. Wenige Tage zuvor hatte er - aus gesundheitlichen Gründen - um seine Entlassung als Außenminister gebeten und Choiseul als Nachfolger vorgeschlagen. Bernis selbst sah seine zukünftige Rolle in der Reform im Inneren des Königreichs, gemeinsam mit Choiseul würde er die französische Politik bestimmen. Doch dies stellte sich als Illusion heraus. Nachdem der König am 1. November seinem Rücktritt zugestimmt und ihm am 29. die Angelegenheiten des Klerus und des Parlamentes übertragen hatte, erreichte ihn am 13. Dezember, im Beisein des österreichischen Botschafters Starhemberg, ein Brief Ludwigs XV., der ihn seiner Funktionen enthob und in eine Abtei seiner Wahl verbannte.44 Boyer de Fonscolombe Mit der Abreise Choiseuls aus Wien am 15. November übernahm sein Sekretär Boyer die Amtsgeschäfte. Zur selben Zeit kamen auch die Kampfhandlungen zwischen den Gegnern zum Erliegen, man zog sich in die Winterquartiere zurück. Nachfolger Choiseuls wurde sein Cousin Praslin, der im Juni 1759 in Wien eintraf.45 Bis dahin beschränkte sich die Korrespondenz Boyers auf das Notwendigste. Der Sekretär hatte weit weniger Kontakt zu den führenden Persönlichkeiten des Hofes als Choiseul und vor ihm der Geschäftsträger Ratte. Nur selten ließ er Wertungen in seine Berichte einfließen. Wie auch seine Vorgänger, schilderte er Kaunitz als einen von sich sehr überzeugten Politiker, der ungern auf die Vorschläge und Ideen anderer einging.46 Einen eigenen Charakter entwickelten seine Korrespondenzen nicht, alle Verhandlungen der ersten Monate des Jahres 1759 fanden zwischen Choiseul und Starhemberg in Paris und Versailles statt.47 Bilanz: Choiseul - kein Botschafter wie seine Vorgänger? Die Mission Choiseuls ist mit denen seiner Vorgänger, sei es Aubeterre, sei es d'Estrées, nur schwer zu vergleichen. Dank seiner guten Verbindungen zur Pompadour stand er seit seinem Amtsantritt in quasi freundschaftlicher Beziehung zum Außenminister, wenngleich er die ihm von Bernis entgegengebrachte Offenheit zu seinem Nutzen mißbrauchte. Choiseul entwickelte sich, gestützt auch auf den Wiener Hof, zum Widerpart Bernis'. Entsprechend den Anweisungen seiner Instruktion standen die führenden Persönlichkeiten im Mittelpunkt seiner Berichte, und entsprechend seiner Instruktion arbeitete er erfolgreich an der Stabilisierung der Allianz.48 Seine beständige Zurückweisung bzw. Mißachtung der Anordnungen Bernis', über die Einleitung von Friedensverhandlungen zu verhandeln, blieb im conseil d'État nicht unbemerkt. Der frühere Außenminister Puzsieulx, der auf Bernis' Veranlassung 44

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Vgl. dazu: Vaillot, Le Cardinal de Bernis, S. 201-208; Antoine, Louis XV, S. 745-750; Dahoui, Bernis, S. 261-262; Desprat, Bemis, S. 455^459. AAE CP Autriche 271, fol. 24-31', Boyer an Choiseul, 5. Januar 1759. AAE CP Autriche 271, fol. 117'-125v, Boyer an Choiseul, 17. Januar 1759; ibid. fol. 137r-149v, Boyer an Choiseul, 26. Januar 1759, fol. 139': „J'ai compris par la manière dont monsieur de Kaunitz m'a exageré ces difficultés, qu'il persiste à ne pas goûter un système qui ne vient pas de lui". Vgl.: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, S. 458; über die Verhandlungen: Bourguet, Études sur la politique étrangère du duc de Choiseul, der Choiseul gegen den Vorwurf der Austrophilie verteidigt. Antoine, Louis XV, S. 751.

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in den conseil berufen wurde, brachte diese Situation auf den Punkt, als er anmerkte, daß der eigentliche Außenminister Frankreichs sich in Wien befinde.49 Choiseuls Berichte lieferten nach der Krise des Herbstes 1757, als sich die Frage stellte, den Krieg abzubrechen und sich ganz auf den Kampf um die Kolonien zu konzentrieren oder ihn fortzusetzen, um erneut, wie 1745 bis 1748 in den Niederlanden, Pfänder in die Hand zu bekommen, die gegen Verluste in Übersee eingetauscht werden konnten, einen wichtigen Beitrag für die Entscheidung zu seiner Fortsetzung. Damit war er weit mehr als seine Vorgänger in den Entscheidungsprozeß eingebunden. Es war daher nur konsequent von Ludwig XV., daß er denjenigen, der ihn in seinem Entschluß zur Bewahrung der Allianz von 1756 bestärkte - eben durch die Berichte über das Standhalten der österreichischen Monarchin angesichts zahlreicher Rückschläge - , zum Außenminister berief und Bernis, der das Bündnis einst ausgehandelt hatte, entließ. In Choiseul verfügte Ludwig XV. keinesfalls über einen Erfüllungsgehilfen Österreichs als Leiter der Außenpolitik. Die Kritik am Verhalten Wiens, insbesondere in Fragen der Feldzugsplanung, mit der der Botschafter als ehemaliger Offizier ja durchaus vertraut war, wie auch die trotz allen vertrauten Umgangs mit Kaunitz sichtbare Distanz zu den Zielen des Staatskanzlers, belegen die Unabhängigkeit des Lothringers und die von ihm praktizierte vollständige Adaption an die französische Staatsräson.

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Vaillot, Le Cardinal de Bemis, S. 205.

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4. Praslin 1759-1761 Nachdem der Herzog von Choiseul das Außenministerium übernommen hatte, setzte er alles daran, das, was mit der Richtungsentscheidung des Jahres 1756 begonnen hatte und mit dem Entschluß zur Fortsetzung des Krieges 1758 fortgeführt wurde, zu einem erfolgreichen Ende zu führen.1 Erstes Ergebnis dieses Willens waren die Aushandlung und der Abschluß des sogenannten dritten Versailler Vertrags, unterzeichnet im März 1759, jedoch auf den Dezember 1758 zurückdatiert. Darin reduzierte Frankreich seine Subsidienzahlungen, verpflichtete sich aber weiterhin zur Kriegführung im Reich und zur Unterstützung der zweiten Garantiemacht Schweden. Die Auxiliarkräfte Bayerns, der Pfalz und Württembergs wurden vorerst aus dem französischen Dienst entlassen. Von bedeutenden politischen Konsequenzen aber war der Verzicht Frankreichs auf einen Erwerb der Niederlande. Generell wurden die Kriegsziele im Gegensatz zum zweiten Bündnisvertrag nur vage formuliert. Der Vertrag schrieb zudem die Trennung der beiden Kriege fest. Frankreich verpflichtete sich ohne Zustimmung Österreichs, keine Friedensverhandlungen einzuleiten, d. h. Initiativen wie die von Bernis sollten unmöglich werden. Zugleich ermöglichte aber die Nichtbeteiligung Wiens am Kolonialkrieg die im Jahre 1762 eingeleiteten englisch-französische Verhandlungen über seine Beendigimg.2 Während sich der Krieg mit wechselndem Schlachtenglück hinzog, gab es erste Versuche, Friedensverhandlungen einzuleiten. Zwischen London und Versailles kam es am Jahresende 1759 zu längeren, am Ende ergebnislosen Gesprächen im Haag. Im folgenden Jahr intensivierte sich noch einmal der Konflikt. Nachdem Choiseul mehrfach eine Vermittlung Spaniens vorgeschlagen hatte, die jedoch von den Briten abgelehnt wurde, gelang es ihm 1761 mit dem „Familienpakt", Spanien an der Seite Frankreichs in den Krieg einzubeziehen. Parallel dazu wurde im Reich lange über die Einberufung eines allgemeinen Friedenskongresses diskutiert, den Choiseul angeregt hatte. Da jedoch weder er noch Kaunitz ernsthaft an seinem Zustandekommen interessiert waren, verlief auch dieser Versuch, dem blutigen Ringen ein Ende zu setzen, im Sande.3 Einen Wendepunkt in den französisch-österreichischen Beziehungen sollte die Schlacht von Torgau (am 3. November 1760) herbeiführen. Seit dem Bekanntwerden der Niederlage der österreichischen Armee waren Maria Theresia und Kaunitz erstmals bereit, ernsthaft über Wege zur Herbeiführung eines Friedens zu diskutieren, jedoch ohne konkrete Ergebnisse.4 Im Frühjahr 1761 begann ein erneuter Waffengang, dessen Ergebnisse Praslin jedoch nicht mehr aus Wien kommentierte. Er verließ seinen Posten, um sich in Paris auf den geplanten Friedenskongreß in Augsburg vorzubereiten, blieb jedoch dort und übernahm, nachdem er im August 1761 zum ministre d'État ernannt worden war, im Oktober das Staatssekretariat für die auswärtigen Angelegenheiten.

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Vgl. zum folgenden Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, S. 422-471 ; Bd. 4, S. 445-632; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 110-115; Antoine, Louis XV, S. 800-808; Bourguet, Études sur la politique étrangère du duc de Choiseul, passim; Chaussinand-Nogaret, Choiseul, S. 95-101, 123-142. Antoine, Louis XV, S. 801. Verhandlungen im Haag: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, S. 503-545; zum „pacte de famille": ibid. Bd. 4, S. 602-632; Rashed, The Peace of Paris, S. 23-56; über den Augsburger Friedenskongreß abschließend: Schmid, Der geplante Friedenskongreß in Augsburg. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 4, S. 457; Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 169-170; zuletzt: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 262-265.

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Diese Entwicklungen stellen den Rahmen dar, in den die Mission des Grafen von Choiseul, seit 1762 Herzog von Praslin, einzuordnen ist. Wie zwischen Bernis und StainvilleChoiseul, so bestand auch zwischen Praslin und Choiseul ein besonderes Verhältnis: nicht nur eines der „Freundschaft", sondern auch das der Verwandtschaft. Dies schlug sich jedoch nicht im Ton der Korrespondenzen nieder, in denen eine nüchterne Sachlichkeit vorherrschte.5 Blicken wir zuerst auf die Instruktion Praslins. Was waren seine Aufgaben, wie schätzte man darin die Situation im dritten Kriegsjahr ein? Praslins Instruktion Enthielt die von Bernis verfaßte Instruktion für Choiseul noch eine ausführliche Darstellung der Vorgeschichte der Allianz, eingeleitet von historischen Reflexionen über die Hartnäckigkeit von Feindbildern, so setzten die Praslin mitgegebenen Anweisungen in der Bewertung der französisch-österreichischen Beziehungen deutlich andere Akzente. Die Entstehung des Bündnisses wurde in wenigen Sätzen dargelegt, die in der Feststellung mündeten, daß lange Zeit alle Versuche gescheitert seien, das System aufzubrechen, welches sich aus der Jahrhunderte dauernden Feindschaft der Häuser Bourbon und Habsburg gebildet habe und das von den kleinen Mächten für ihre Interessen instrumentalisiert worden sei. Nicht zuletzt habe die ,,Kraft des Vorurteils" verhindert, Wien für diese Idee zu gewinnen.6 Auslöser für die Allianz sei letztlich das Ergebnis des Österreichischen Erbfolgekrieges gewesen, in dem es Frankreich nicht gelungen war, seine Kriegsziele zu verwirklichen: Aufteilung des habsburgischen Erbes unter die rechtmäßigen Prätendenten und Herstellung eines Gleichgewichts unter diesen, das die Entstehung einer neuen Großmacht verhindert. Nur Preußen habe vom Krieg profitiert und sich durch seine Militärmacht und die Nichtbeachtung der allgemeinen zwischenstaatlichen Konventionen zu einer Bedrohung für seine Nachbarn entwickelt.7 Gemeinsam mit Preußen habe Großbritannien die 1748 von Ludwig XV. an den Tag gelegte Großzügigkeit zur Vorbereitung eines weiteren Krieges mißbraucht. Ausdrücklich werden die Skrupel Ludwigs betont, das österreichische Angebot anzunehmen. Erst die Westminsterkonvention habe es Frankreich ermöglicht, sich mit Österreich zu verbinden. Folgt die weitaus knappere Darstellung der Genese des Versailler Vertrags noch der Instruktion Bernis' für Choiseul8, so stellt der Hinweis, der Westfälische Friede sei die Grundlage der Allianz, mit dem das Bündnis seit 1756 legitimiert wurde, eine Abweichung von der Instruktion von Praslins Vorgängers hin.9 Nachdem noch einmal auf den eigentlichen Sinn dieses Krieges hingewiesen wurde - die „puissance par mer" (hierin Bernis folgend) - , wurde erneut die Frage des Verhältnisses Frankreichs zu Kaiser und Reich aufgegriffen und ausdrücklich wiederholt, daß der Erhalt des Reiches und seiner Verfassung mit 5

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Im Gegensatz zur Mission seines Vorgängers wurde Praslins Mission bislang nicht eingehender behandelt, abgesehen von: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, passim, Bd. 4, bes. S. 445-472,491-493. Recueil des instructions: Autriche, S. 382: „Les deux maisons de France et d'Autriche, rivales et ennemis depuis près de trois cent ans, s'étaient fait de leur inimitié un système politique que les puissances subalternes n'avoient pas manqué d'entretenir soigneusement pour leur propre avantage. En vain avoit-on tenté, en différents temps, de les réunir. La force du préjugé avoit surtout rendu la maison d'Autriche inaccessible à toute idée de réconciliation, et chacune continuoit à travailler à l'affoiblissement de la puissance de l'autre". Ibid. S. 383. Ibid. S. 362-365. Vgl. Kapitel Β. II. 2. Recueil des instructions: Autriche, S. 384: „Jusque-là l'union des deux cours ne constitoit que dans des liaisons d'amitié réciproque, dans les stipulations d'une défense mutuelle, et le maintien des traités de Westphalie que l'on avoit pris pour base de la nouvelle alliance".

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zur Zielsetzung des Bündnisses gehöre.10 Vordringliche Aufgabe Praslins sei es daher, am Erhalt sowohl der Allianz als auch des Westfälischen Systems zu arbeiten." Frankreich zog sich damit weit mehr als noch zur Zeit des Ministeriums Bernis' 1757 vom Parteigänger Wiens auf die Rolle des Schiedsrichters im Reich zurück. Praslins Aufgabe bestand darin, einerseits den Reichsständen zu verstehen zu geben, daß Versailles und Wien keineswegs danach strebten, wie es Berlin und London insinuierten, die katholische über die protestantische Religion zu erheben, und andererseits darin jedem Versuch Wiens entgegenzutreten, sich über die Reichsgesetze hinwegzusetzen.12 Erörterungen über den ins vierte Jahr gehenden Kriegs traten in der Instruktion weitgehend in den Hintergrund. Schonungslos wurde die nicht gelungene Umsetzung der weitreichenden territorialen Neuordnung eingestanden, wie sie der Vertrag von 1757 vorgesehen hatte. Die Kriegsziele wurden mit dem dritten Versailler Vertrag, den Choiseul im Frühjahr 1759 ausgehandelt hatte, deutlich reduziert. Priorität genoß nun die Bekämpfung der englischen Hegemoniebestrebungen, während der Krieg im Reich nur noch dem Wohle der Alliierten und der Bewahrung des Reiches dienen sollte.13 Wie schon sein Vorgänger, hatte Praslin sich vor allem um die Erhaltung des vertraulichen Klimas zwischen Wien und Versailles zu bemühen. Eine Verhandlungsvollmacht, wie sie sein Vorgänger besessen hatte, erhielt er vorerst nicht.14

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Ibid. S. 389-390: „Quelque forme que soit l'union du Roi avec l'Impératrice quoiqu'il soit animé du désir le plus sincère de la rendre à jamais durable, son idée n'a jamais été, en la formant, d'abandonner l'Empire ni les princes protestants en particulier, ni de se prêter à aucune mesure qui pût donner atteinte aux lois et constitutions de l'Empire dont il est garant. Au contraire, Sa Majesté, persuadée que leurs Majestés Impériales n'ont aucun dessein contraire au maintien du système germanique, a déclaré nettement ses intentions là-dessus en s'alliant avec la cour de Vienne, et c'est par ce motif que les traités de Westphalie ont toujours été mis pour base des traités que la France a faits avec elle". 1 ' Ibid. S. 390: „L'intention du Roi est donc que son ambassadeur travaille à affermir la nouvelle union de la France avec la cour de Vienne sans affoiblir celle qui est anciennement établie entre la France et l'Empire, et dont le nœud réside dans la garantie de la paix de Westphalie qui, en fixant les bornes de l'autorité impériale, assure aux princes de l'Empire les droits de leur liberté et de leur religion". 12 Ibid. S. 390: „II est d'autant plus important que le sieur comte de Choiseul conforme à ces principes sa conduite à la cour de Vienne, et son langage aux ministres des princes de l'Empire qui lui feront paroître quelque inquiétude sur les desseins de la nouvelle alliance à cet égard, que les rois de Prusse et d'Angleterre ne cessent de la représenter comme tendante à établir le despotisme de la cour de Vienne en Allemagne et à élever la religion catholique sur le débris de la protestante. S'il arrivoit, contre tout attente, que le sieur comte de Choiseul s'apperçût que la cour impériale voulût faire quelque démarche opposée aux lois et constitutions germaniques, non seulement il s'abstiendra d'y prêter son ministère, mais il emploiera ses conseils les plus aimables pour tâcher de les en détourner, et il en informera sur-le-champ le sieur duc de Choiseul [...] afin que l'on puisse prévenir à temps les inconvénients qui en pourroient résulter et qui seroient aussi contraires au bien de l'Empire qu'à ceux de la cause commune". 13 Ibid. S. 386. 14 Zur Vorbereitung seiner Mission erhielt Praslin weitere Informationen über den Hof und das dort zu beachtende Zeremoniell. Der Verbleib dieser Anlagen zur Instruktion ist unklar, sie sind in der Sammlung der Instruktionen nicht abgedruckt, und der Herausgeber des Bandes macht keine Angaben über ihren Verbleib, vgl.: ibid. S. 391.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Verschiebung der Gewichte: Das Dreieck Österreich, Frankreich und das Reich Wie vor ihm sein Cousin, so erfuhr auch Praslin einen überaus freundschaftlichen, den Rahmen des Üblichen weit überschreitenden Empfang, der ihm bereits bei seinen ersten Gesprächen in Wien zuteil wurde.15 Wie bei Choiseul ließ die Monarchin auch ihm gegenüber keinen Zweifel an ihrer freundschaftlichen Zuneigung zu Ludwig XV., seiner Familie und den Ministern aufkommen. Ausdrücklich sollten ihre Grüße auch der Marquise de Pompadour überbracht werden. Dies sei nicht nur als Zeichen des Dankes für ihre Rolle bei der Anbahnung der Allianz, sondern auch als Bekundung des Respekts angesichts ihrer Verdienste zu werten, schrieb Praslin in einer an Ludwig XV. gerichteten Depesche.16 In der Folgezeit aber bildeten sich zwei Komplexe heraus, die die Verhandlungen während der Mission Praslins dominierten. Da war zum einen natürlich der Krieg und die sich während und nach jeder Schlacht sowie nach jeder Kampagne stellende Frage, ob eine Fortsetzung überhaupt sinnvoll sei oder ob und wie ein für die Allianz akzeptabler Friede herbeigeführt werden könnte. Zum anderen aber ergab sich - resultierend auch aus den in der Instruktion enthaltenen Ausführungen - ein beständiger Dialog zwischen Choiseul und Praslin über das Dreiecksverhältnis zwischen Frankreich, Österreich und dem Reich. In diesem Austausch zwischen Minister und Gesandten wird deutlich, wie sehr sich der Lothringer Choiseul grundsätzliche Maximen französischer Außenpolitik zu eigen gemacht hatte und versuchte, sie an die neue Bündniskonstellation zu adaptieren. Bereits wenige Tage nach der Abfassung des Berichts über seinen Empfang nahm Praslin die Konversion des Herzogs Christian IV. von Pfalz-Zweibrücken17 zum Anlaß, sich grundsätzlich über die österreichische Politik im Reich zu äußern. Durch dessen Glaubenswechsel stellte sich für ihn u. a. die Frage nach dessen Stimmrecht im Corpus evangelicorum des Reichstags. Würde die protestantische Minderheit im Reich, von Friedrich II. intensiv umworben, weiter an Einfluß verlieren und sich dem Preußenkönig in die Arme werfen? Oder könnte man dieser Entwicklung gegensteuern? Praslin forderte, daß sowohl Wien als auch Versailles sich um die Protestanten bemühen müßten. Eine entsprechende Initiative des Kaisers hielt er aber für unwahrscheinlich. Er vermutete, daß jener vielmehr das alte Ziel weiter verfolge, den protestantischen Einfluß zu minimieren, und hoffe, von der Allianz mit Frankreich zu profitieren. Ausdrücklich plädierte Praslin dafür, sich nicht vollständig vom „alten System" zu trennen, das sich durch die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts gegenüber Wien auszeichne. Eine derartige Politik sei ohne weiteres mit der Freundschaft zu Wien vereinbar und ermögliche zudem eine Absicherung für den im Moment eher nicht zu erwartenden Fall eines Bruches zwischen Wien und Paris. Letztlich sei dies auch der Weg zur Festigung der Allianz. Je mehr Einfluß man im Reich besitze, so Praslin, desto größer 15

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Praslin traf am 28. Juni in Wien ein, vgl.: AAE CP Autriche 272, fol. 295r_v, Boyer an Choiseul, siehe auch: Khevenhiiller-Metsch, Tagebuch 1758-1759, S. 113; „Quant à ce qui me regarde personellement, je ne puis trop me louer de l'accueil qu'ils [= Colloredo und Kaunitz] m'ont fait et de la manière dont ils m'ont traité, je ne parle pas des égards et de la politesse qui est due au caractère dont le Roy m'a honoré, mais d'un air d'ouverture, d'aisance, de contentement et presque même d'amitié, comme si nous nous connoissions depuis longtems", CP Autriche 272, fol. 319r-324v, Praslin an Choiseul, 1. Juli 1759, fol. 320r; weitere Auszüge aus der Depesche bei: Bourguet, Choiseul et l'Autriche, S. 12. AAE CP Autriche 272, fol. 328-330', Praslin an Ludwig XV., 3. Juli 1759, fol. 329": „Cette princesse m'a encore demandé, Sire, des nouvelles de toute la famille royale, de plusieurs de vos ministres et de Madame de Pompadour, pour qui elle m'a témoigné une estime et une amitié véritable, elle a ajouté après avoir fait son éloge, ce n'est pas à cause de l'obligation que je luy ay d'avoir contribué à notre alliance, c'est une justice queje rens à son mérite"; vgl. auch: Bourguet, Choiseul et l'Autriche, S. 12-14. Haug-Moritz, Württembergischer Ständekonflikt und deutscher Dualismus, S. 175.

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werde das Interesse Wiens sein, Frankreich als Partner zu halten.18 Diese Vertiefung der in seiner Instruktion dargelegten Überlegungen stieß im Außenministerium auf die uneingeschränkte Zustimmung Choiseuls und des Königs19 und entwickelte sich schließlich zu einer Art Leitmotiv der politischen Reflexionen Praslins wie auch seines Dialogs mit dem Cousin in Frankreich. Daß die Choiseuls auch nach dieser Prämisse handelten, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt, so daß hier nur einige wenige Beispiele aufgeführt werden müssen, die die enge Verzahnung des Verhältnisses zum Reich mit der Allianz mit Wien belegen. So wies Choiseul im November 1759 Praslin daraufhin, zu verhindern, daß angesichts des bevorstehenden Ablebens des hessischen Landgrafen Wilhelm VIII. übereilte Vorstöße des Kaiserhofes oder des Reichshofrates in Richtung Abschaffung der Assekurationsakte unternommen würden. Ein solches Vorgehen würde eine weitere Verhärtung der Fronten bewirken, da die gegnerische Seite dies erneut zum Anlaß nehmen würde, einen konfessionell motivierten Krieg auszurufen.20 Hintergrund dieses gespannten Wartens auf den Tod des Landgrafen war der Streit um die Assekurationsakte, die der zum Katholizismus konvertierte Erbprinz Friedrich 1754 unter-

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AAE CP Autriche 272, fol. 352'-354 v , Praslin an Choiseul, 7. Juli 1759, fol. 353 r -354 v : „Mais les ministres impériaux pourroient bien négliger ce petit intérêt momentané en faveur de leur intérêt général et de leur objet qui est d'affoiblir le party protestant qui leur est presque toujours opposé, et d'augmenter le party catholique dans lequel ils sont sûrs d'avoir toujours la pluralité, et je ne m'éloignerois pas de croire qu'un des principaux avantages qu'ils se proposent dans nôtre alliance est de profiter de nôtre complaisance pour se rendre maîtres dans l'Empire. Et de nôtre côté malgré l'union qui règne entre les deux cours, nous ne devons, ce me semble, jamais nous écarter de nôtre ancien système pour conserver nôtre influence dans les résolutions du corps germanique et contrebalancer le crédit de la cour de Vienne. Je crois nôtre alliance avec elle stable, solide et utile, je crois encore qu'il est de nôtre intérêt de la maintenir, que l'Impératrice et son ministère sont de bonne foy, et qu'on doit oublier aujourd'huy les anciens préjugés, mais je pense en même tems qu'on ne doit pas perdre devüe que bien des événements pourroient amener un changement de système, et que si nous venions à nous brouiller avec cette cour-cy, il nous serait avantageux d'avoir un party considérable dans l'Empire, enfin on ne peut considérer cette cour comme amie, personne ne sçcauroit douter de l'intérêt sensible que nous avons à soutenir le party qui luy est opposé, comme amie, il est certain que plus nous aurons de crédit dans l'Empire, plus elle nous considéra, plus elle aura d'intérêt à nous ménager, et à rester unie avec nous; ainsy le moyen le plus sûr et efficace de conserver son alliance et son amitié, est peutêtre de s'opposer à propos à ses volontés et de se défendre d'une trop grande complaisance pour elle".

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Ibid. fol. 438'-440 r , Choiseul an Praslin, Versailles 27. Juli 1759, fol. 438': „Les réflexions que vous faites sur l'intérêt du Roy de conserver son influence dans les resolutions du Corps Germanique me paroissent très judicieuses, et vous ne pouves mieux faire que de suivre les principes que vous êtes formés vous même, et la conduite que vous vous proposés de tenir à l'égard de la cour impériale, relativement aux affaires de l'Empire". AAE CP Autriche 273, fol. 26'-27 v , Choiseul an Praslin, 6. August 1759, fol. 26': „On ne peut être plus content que le Roy l'est de vôtre conduite. Comme la politique est un art de spéculation, vous faites très bien de tout observer et de tirer des conjectures de tout; c'est le moyen de se rendre vôtre jugement sur les affaires solide par la réflexion et prompt par l'habitude". AAE CP Autriche 274, fol. 289-292', Choiseul an Praslin, 24. November 1759, fol. 291-291": „Par toutes ces raisons, Monsieur, l'on ne peut douter qu'il ne soit de la plus grande importance pour le bien des affaires de l'Empereur et de l'Empire, et pour celui de la cause commune, de ne faire aucune demarche précipitée ni hasardée dans ces circonstances de la part de la cour impériale et du conseil aulique, d'établir entre le Roi et leurs majestés impériales le plus parfait concert [...], de ne s'occupper que des moyens de prévenir les nouveaux troubles que les ennemis de la paix se préparent à exciter, et d'âgir ensemble et separé avec la plus grande circonspection sur cette matière".

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

zeichnen mußte.21 Darin mußte dieser weitgehende Einschränkungen seiner Rechte als zukünftiger Landesherr hinnehmen, die nicht nur auf die Sicherung der reformiert-lutherischen Konfession des Landes und der Dynastie abzielten22, sondern auch den Landständen bisher nicht dagewesene Rechte in der Überwachung des Fürsten einräumten. Überregionale Bedeutung erhielt die Angelegenheit dadurch, daß nicht nur das Corpus evangelicorum und Preußen, sondern auch die protestantischen Mächte England(-Hannover), Schweden, Dänemark und die Niederlande Garantieerklärungen für die Akte abgaben. Daß Frankreich sich auf die Seite des Erbprinzen stellte und Verstöße der Assekurationsakte gegen Bestimmungen des Westfälischen Friedens monierte, den Prinzen zu einem geheimen Protest animierte, hinderte ihn gleichwohl nicht, als General in preußische Dienste zu treten und auch nach dem Tode seines Vaters (1760) den Schulterschluß mit England und Preußen zu suchen. Die reichsweite Publizität, die der Fall erhalten hatte, trug in großem Maße zu der konfessionell aufgeladenen Atmosphäre im Reich bei, die Friedrich der Große seit Beginn des Krieges für sich zu instrumentalisieren suchte. Im bevorstehenden Thronwechsel in Hessen-Kassel sah Choiseul ein Potential, das eine Eskalation der derzeitigen Situation herbeiführen könnte.23 Entsprechend ließ Ludwig XV. auch eine Anfrage des dänischen Königs zurückweisen, der gebeten hatte, die Umsetzung der Regelungen der Assekurationsakte bezüglich der Grafschaft Hanau (sie wurde der Verfügungsgewalt des zukünftigen Landgrafen entzogen24) zu respektieren. Er könne auf keine Akte Rücksicht nehmen, so schrieb Choiseul an den französischen Gesandten in Dänemark, Ogier, die dem Westfälischen Frieden und den Gesetzen des Reiches widerspreche.25 Die konfessionell aufgeladene Atmosphäre wollte Choiseul auch nicht durch publizistische Aktionen des Kaiserhauses angeheizt sehen. Besonders am Reichstag schlugen im Sommer 1759 die Wogen hoch, als der Abt von St. Emmeram in Regensburg, Johann Baptist Kraus, möglicherweise mit der stillschweigenden Duldung Wiens einen Traktat veröffentlichte, dessen Interpretation der Reichsverfassung nach den Worten des sächsischen Reichstagsgesandten Ponickau darauf hinauslief, „alles evangelische Religionswesen im Reiche darnieder [zu] reißen".26 Falls Wien die Verbreitung der Schrift fordere und auch die Abfassung weiterer Stellungnahmen zulasse, sei mit einer dauerhaften Vergiftung des Kli-

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Vgl. zum folgenden: Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 75-92, 243-249, mit Verweis auf die ältere Literatur; Both, Vogel, Landgraf Wilhelm Vili., S. 101-104; Haug-Moritz, Württembergischer Ständekonflikt und deutscher Dualismus, S. 171. Kurze Zusammenfassung bei: Aretin, Das Reich, Bd. 3, S. 79-81. Absicherungen des konfessionellen Status quo bei zu erwartender katholischer Thronfolge waren seit dem späten 17. Jahrhundert im Reich keineswegs ungewöhnlich, vgl. die Beispiele bei: Haug-Moritz, Württembergischer Ständekonflikt und deutscher Dualismus, S. 173-174. AAE CP Autriche 274, fol. 290v-291r: „Vous sentirez, Monsieur, que la mort du Landgrave de Cassel va ouvrir une nouvelle scène des plus critiques que aient jamais paru sur le théâtre politique de l'Allemagne, tant par la situtation du prince héréditaire dont la personne et les États sont au pouvoir de nos ennemis, et par la difficulté de faire passer ce Prince les avis dont il auroit besoin, que par le grand nombre de puissances qui ont garanti les actes irréguliers que l'on a tirés de ce prince; et par les efforts que les ennemis de la paix employeront pour faire de cet événement une guerre de religion qui a été leur principal objet depuis le commencement des troubles actuels". Vgl.: Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 78; Both, Vogel, Landgraf Wilhelm VIII., S. 102. AAE CP Autriche 274, fol. 289Γ-290ν. Zum Streit um das ius eundi in partes siehe Kapitel Β I 1, S. 85-90. Zur Schrift des Abtes vgl.: Brabant, Das Heilige Römische Reich, Bd. 3, S. 90-103, das Zitat S. 97; Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 238-242, über den Abt Kraus umfassend: Greipl, Abt und Fürst, bes. S. 205-217.

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mas im Reich und einer deutlichen Verschlechterung des österreichischen Ansehens zu rechnen.27 Daß die Rücksichtnahme auf die Reichstände aber auch ihre Grenzen hatte, verdeutlicht die französische Haltung in der Frage der Teilnehmer am geplanten Friedenskongreß in Augsburg. So wollte Choiseul die „Rolle Frankreichs als Vormacht in Europa und Garant des Westfälischen Friedens erneut eindrucksvoll unterstreichen" und deshalb in alleiniger Regie mit den Briten über den Frieden verhandeln.28 Auf Drängen von Kaunitz gestand er die Beteiligung der Kaiserin zu, die Reichsstände aber wollte er nicht zulassen. Deren Teilnahme würde die Verhandlungen nur in die Länge ziehen, die Belange des Reiches könnten durch die erneute Bestätigung des Westfälischen Friedens abgesichert werden, lautete die Argumentation.29 Daß sich der Protektor der Reichstände mit diesem Hinweggehen über deren Wünsche Sympathien verscherzte, schien nicht weiter ins Gewicht zu fallen. Das Ringen um den Frieden

1759-1761

Die bereits mehrfach angesprochenen Versuche, Friedensverhandlungen in Gang zu bringen, intensivierten sich seit 1759 und erfuhren in der kontrovers geführten Debatte über die Einberufung eines Kongresses im Reich eine dramatische Zuspitzung, die zeitweise, so Alois Schmid, den Fortbestand der französisch-österreichischen Allianz bedrohte.30 Die Verhandlungen im Vorfeld des Kongresses wie auch sein Scheitern sollen aber hier nicht erneut dargestellt werden, vielmehr soll gezeigt werden, wie Praslin den langsamen Wandel der Einstellung der Regierenden in Wien zum Krieg wahrnahm, und welche Konsequenzen der ergebnislose Fortgang des Krieges für Frankreich und Österreich hatte. Choiseul zeichnete im Oktober 1759 ein düsteres Bild der Lage Frankreichs. An allen Fronten hatte man vernichtende Niederlagen hinnehmen müssen. Kanada war nach der Ero27

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A A E C P Autriche 275, fol. 213-218', Choiseul an Praslin, 11. März 1760, fol. 215r; ähnlich: ibid. fol. 282Γ-285Γ, Choiseul an Praslin, 20. März 1760, fol. 282. Schmid, Der geplante Friedenskongreß in Augsburg, S. 238-239. AAE CP Autriche 276, fol. 205Γ-207Γ, Denkschrift: „Sur la demande que veulent faire les États de l'Empire de la faculté d'envoyer leurs députés au futur congrès ou se traitera la paix d'Allemagne", fol. 205 v -207 r : „Tous les États formeroient des prétensions de dédommagement, plusieurs éxigeroient des explications sur quelques points des Traités de Westphalie; par exemple sur le droit des États de se séparer en deux parties, sur le droit des postes et en général sur l'exercice de leurs droits régaliens, de supériorité territoriale et des suffrages à la Diette qu'ils accusent l'Empereur de vouloir restreindre, d'autres demanderoient que sur les points renvoyés par lesdits traités à la décision de la Diette, et qui n'ont pas pû y être terminés soient derechef traités et décidés par le traité qui interviendra tels que la question sur la pluralité des suffrages en matière de collectes, la confaction d'une capitulation perpétuelle, l'élection d'un Roi des Romains, le redressement des défauts de la Diette et autres mentionnés dans l'article 8 § 3 du Traité d'Osnabruck, plusieurs désireraient qu'on eut égard à leurs prétentions et intérêts particuliers. D'autres enfin exigeroient le rétablissement des Traités de Westphalie dans tous leurs points, et conséquemment la suppression de la clause de l'article 4 du Traité de Ryswick [...] On pense donc qu'il conviendra de faire une paix pure et simple entre elles d'éviter surtout de traiter aucune affaire qui ait rapport à la religion, et de se borner à remettre les choses dans l'état ou elles étoient cy-devant sans toucher les Traités de Westphalie, lesquels on mettra pour la base de la paix d'Allemagne avec les autres traités subséquens et sans entrer en explication sur aucuns de leurs articles. Enfin de n'admettre au congrès que les ministres de l'Empereur, si comme on le présume, on ne peut pas s'en dispenser, mais en aucun cas ceux de États de l'Empire, ni conjointement, ni séparément." Die Berufung auf den Westfälischen Frieden im Friedensappell der Franzosen, in: CP Autriche 278, fol. 397'-402 v : „Déclaration de la part du Roi", bes. fol. 397 v -399 r , gedruckt in: Recueil des Instructions, Russie, Bd. 9/2, S. 98-100. Schmid, Der geplante Friedenskongreß in Augsburg, S. 240-241.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

berung von Quebec und dem Tode des Oberbefehlshabers Montcalm verloren, ebenso wie ein Teil der Besitzungen in der Karibik (die Antillen) und in Afrika. In Indien drohte die Einnahme Pondicherrys durch die Engländer, im Reich war man an den Rhein zurückgeworfen worden, und die Finanzen des Königreichs befanden sich in einem desolaten Zustand. Gleichwohl betonte der Minister, daß er nicht wie Bernis auf einen Friedensschluß drängen werde.31 Er beauftragte Praslin, diese Überlegungn Kaunitz vorzutragen, so wie er es schon Starhemberg vorgestellt hatte. Die Konsequenzen, die sich für den Außenminister ergaben, durfte Praslin seinen Gesprächspartnern jedoch nicht mitteilen. Man werde, so Choiseul, den Frieden mit England schließen, sobald sich die Gelegenheit ergebe. An der Unterstützung der Kaiserin werde festgehalten, man werde sich weiterhin für seine Verbündeten ruinieren, aber in Anbetracht der Lage könne Maria Theresia keine schlagkräftige Hilfe mehr erwarten. Persönlich würde Choiseul vielleicht darauf gedrängt haben, auf Wien mehr Druck auszuüben. Doch Ludwig XV. wollte eine Situation wie die des Vorjahres verhindern und ließ Praslin verbieten, über den angestrebten Separatfrieden und den zu erwartenden Rückgang der Intensität französischer Hilfe zu sprechen.32 Gleichsam als Antwort auf diese Bestandsaufnahme schilderte Praslin im Dezember ausführlich seine Einschätzung der Pläne Wiens, die er in Gesprächen mit der Kaiserin und Kaunitz in Erfahrung gebracht hatte. Noch immer, so führte er aus, werde man in Wien von der als einmalig angesehenen Chance angetrieben, Schlesien zurück zu gewinnen und Friedrich zu demütigen. Die finanzielle Situation sei bei weitem noch nicht so angespannt wie in Frankreich, und die mit dieser Kampagne erreichte Schwächung des Preußenkönigs stimme die Kaiserin für das nächste Frühjahr optimistisch. Solange die französische und russische Unterstützung anhalte, sei eine eigene Niederlage nicht zu erwarten. Gleichwohl benannte Praslin auch ein zentrales Defizit der österreichischen Kriegführung. Man verfüge zwar über gute Truppen, aber über keine fähigen Generäle.33 All seiner Verluste an Menschen und Material zum Trotz werde Friedrich sein militärisches Genie weiterhin seinen Feinden entgegenstellen, auch wenn bereits deutlich geworden sei, daß er keinen Gewinn aus diesem Krieg ziehen werde.34 Die Allianz, darin stimmen Kaunitz und Praslin überein, leide unter der Interessendivergenz der beiden Höfe. Frankreich sei ernsthaft nur am Krieg zu See interessiert, der für Versailles von ähnlicher Bedeutung wie Schlesien für Wien sei. Das Dilemma liege in der Tatsache, daß die Verluste in Übersee nur auf dem Kontinent zu kompensie31

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AAE CP Autriche 274, fol. 132r-140r, Choiseul an Praslin, 29. Oktober 1759, fol. 132r-139v; Auszüge abgedruckt bei: Bourguet, Choiseul et l'Autriche, S. 17-19; über die Kämpfe in Übersee während des Jahres vgl.: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, S. 252-421. AAE CP Autriche 274, fol. 139v-140r: „II ne faudra pas que cette princesse s'attende à des secours bien puissants de nôtre part. Nous ne ferons pas la paix de terre sans elle, nous nous serons forcés par les circonstances à faire nôtre paix d'Angleterre, dès qu'elle sera possible et que quant à la guerre de terre, si les efforts que nous allons faire manquent nous la soutiendrons comme nous pouvons, en défendant nos frontières, et en payant nos subsides à nos alliés. Ce n'est pas tout d'avoir du courage, il faut avoir le moyen de le soutenir, et ce seroit tromper nos alliés que de ne leur pas parler clairement sur notre situation. Au reste, Monsieur, le Roi pense que vous ne devéz pas encore faire ces ouvertures de notre état actuel à M. le comte de Kaunitz". Ibid. fol. 369-377', Praslin an Choiseul, 9. Dezember 1759, fol. 369r-372v. Ibid. fol. 372v-373r: „II est vrai que pour ne pas se faire illusion, il faut mettre en opposition les ressources de l'homme [= Friedrich II.], son génie, son industrie, beaucoup d'événements qui peuvent être en sa faveur, les secours d'Angleterre, et surtout l'ineptie des généraux autrichiens; D'où je conclus que le Roy de Prusse peut se soutenir encore plus d'une campagne, et peut-être même échapper au péril qui le menace; mais qu'il luy est moralement impossible aujourd'huy de reprendre une certaine supériorité et de faire de conquêtes".

II. Das Österreichbild

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ren seien. Daher, so folgerte Kaunitz listig, müsse Frankreich sich um so mehr auf dem Kontinent engagieren, je größer die Verluste in den Kolonien seien.35 Diese Allianz aber barg für den Botschafter eine große Gefahr, denn das Ausbluten Frankreichs zugunsten der Kaiserin festige den österreichischen und bedrohe den französischen Großmachtstatus: „Es macht ihr [Maria Theresia] wenig aus, daß die Macht Frankreichs ausgezehrt wird, daß es seinen Handel, seine Glaubwürdigkeit und seinen Einfluß in Europa verliert, solange ein für den Wiener Hof stabiler und Ruhm bringender Friede geschlossen wird".36

Zwar sprach Praslin seinem Gegenüber Kaunitz bösen Willen ab, dieser bleibe aber nun einmal ein österreichischer Minister. Ein Rest an Mißtrauen ist auch hier wieder spürbar. Deutlich wird, wie sehr man von französischer Seite versuchte, einerseits die Allianz nicht zu gefährden, andererseits aber Wien eindeutige Signale zukommen zu lassen, daß die Ressourcenknappheit Frankreich bald zu unangenehmen Schritten zwingen werde. Als Reaktion auf dieses Drängen muß die im Dezember erfolgte Einigung über die Einleitung von Friedensverhandlungen gesehen werden37, obwohl berechtigte Zweifel an der Ernsthaftigkeit des österreichischen Willens zur Beendigung des Konfliktes bestanden. So sah Kaunitz keine Chancen auf einen dauerhaften Frieden, sollte die preußische Macht nicht erheblich geschwächt werden.38 Damit scheiterte erneut der Versuch, einen Friedensplan zu konzipieren. Dies führte jedoch nicht zu einer Trübung des weiterhin betont freundschaftlichen Verhältnisses. Sowohl Praslin als auch Choiseul vertrauten Kaunitz und glaubten nicht, daß der Staatskanzler geheime Absprachen zum Schaden Frankreichs mit den Russen anstrebe.39 Neue politische Initiativen würden erst wieder Sinn ergeben, wenn die Resultate der Kampagne von 1760 vorlägen. Doch hinsichtlich der Erfolgsaussichten äußerte sich Praslin immer skeptischer.

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Ibid. fol. 373 v -374 r : „Aussi nos malheurs font ils icy une grande sensation, et M. le comte de Kaunitz ne manque jamais, à chaque occasion de me demander quelle est la disposition des esprits à Versailles, sur quelles l'on m'écrit, quelle est l'impression qu'a fait l'événement; et je lui réponds toujours l'on est fâché, mais point abattu, et qu'étant préparés d'avance aux revers, nous savons les soutenir avec courage. Alors il revient à son principe que nous ne pouvons réparer nos pertes, que par des succès dans le continent, et que par conséquent il faut doubler nos efforts de ce côté-là". Ibid. fol. 373 r -374 v : „Peu lui [= Maria Theresia, S.E.] importe que la puissance de la France soit énérvée, qu'elle perde son commerce, son crédit et son influence dans l'Europe pour qu'il fasse une paix solide et glorieux pour la cour de Vienne". Vgl. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 3, S. 490-492. AAE CP Autriche 275, fol. 45 r -61 v , Praslin an Choiseul, 26. Januar 1760, fol. 52 v -53': „II [= Kaunitz] m ' a ajouté: .Comptés que si la guerre se termine comme elle a commencé, il ne faut regarder la paix comme une tresve. Je réfléchis depuis longtemps impartialement sur l'état de l'Europe, et je vois clairement qu'elle retombera incessament dans les mêmes malheures, si les Anglois ou le Roy de Prusse ne seront point affoiblis'. J'ai lui ay répondu qu'il falloit malheuresement renoncer, pour cette guerre-cy, à l'abaissement des Anglois, nos véritables ennemis, mais que j'espérois que l'Impératrice seroit plus heureuse, et que la paix ne se ferait pas sans que la puissance prussienne fût diminuée". Ibid. fol. 112 r -133 v , Praslin an Choiseul, 7. Februar 1760, fol. 113 r_v : „Au demeurant, Monsieur, je puis me tromper, mais je ne crois pas que ce Ministre mette du mystère dans ses négociations avec la Russie, et qu'il nous dissimule ses idées sur les propositions de cette cour. Je lui en ai parlé souvent, il m'a toujours répondu avec l'air de bonne foi, et ne m'a paru qu'indécis et embarassé. Il sent le besoin qu'il a du concours des Russes pour parvenir à remplir ses viies, il regarde leur alliance comme nécessaire et fondamentale. En conséquence il veut la maintenir, satisfaire leur ambition, au meilleure marché qu'il pourra, mais je suis dans la confiance qu'il n'a avec eux aucune liaison qu'il doive ni qu'il veüille nous cacher"; ibid. fol. 132 r -134 r , Choiseul an Praslin, 15. Februar 1760, fol. 132r.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Der Verlauf des Feldzuges von 1760 sollte Praslins Vorahnungen bestätigen. Erneut widerstand Friedrich allen Angriffen der Verbündeten, zugleich stellte er „sein Geschick als Reformer zerschlagener Armeen nie mit größerem Erfolg unter Beweis als 1760".40 Schon im Mai, als die Operationen langsam anliefen, kritisierte Praslin die Fixierung der österreichischen Anstrengungen auf Schlesien. Nicht dorthin, sondern in Richtung Spree und Elbe sollten die Vorstöße zielen. Dadurch würde erstens die schwedische Armee ermuntert, wieder in die Kampfhandlungen einzugreifen und zweitens nicht nur der Marsch in Richtung Berlin abgesichert, sondern auch Sachsen zurückerobert. Aber dies bedürfe einer Kühnheit und Energie, die er Marschall Daun nicht zutraue. Daher bedürfe es eines Wunders, einer Verwandlung Dauns, oder schwerwiegender Fehler Friedrichs, sollte die Kampagne nicht enden wie alle zuvor.41 Kaunitz solle sich endgültig von seinen Träumen verabschieden: „Der Herr Graf von Kaunitz muß über die Folgen beunruhigt sein, die der über Jahre geringe Fortschritt der gemeinsamen Sache gegen den Preußenkönig bei seinen Verbündeten bewirkt. Und wenn er weise wäre, würde er ab sofort seine Träume von der Vernichtung des Königs von Preußen aufgeben und an seine Stelle einen vernünftigen Plan setzen, der die Allianz in ihren heiklen Punkten festigt, denn ohne dieses Vorgehen ist zu befürchten, daß die Kaiserin am Ende - weil sie zuviel wollte - nichts hat. Auf alle Fälle, Monsieur, wird man uns später nicht vorwerfen können, es nicht vorausgesagt zu haben".42

Doch auch weiterhin vertrat der Wiener Hof die Ansicht, daß ein Friede ohne die Zerschlagung Preußens nicht möglich sei. Geradezu Starrsinn machte Praslin bei den Verantwortlichen aus, was ihn veranlaßte, eine Entscheidungsschlacht herbeizusehnen, die unabhängig von ihrem Ausgang wieder Bewegung in die Gespräche bringen würde.43 Choiseul stimmte der Einschätzung seines Cousins zu und sah im zu erwartenden Ergebnis nur einen Grund mehr, einen Friedensschluß anzustreben.44 Choiseul ging sogar noch weiter und stellte die Existenz der Allianz in Frage, sollte Wien nicht auf die Bedürfnisse seines Partners eingehen. Jede Allianz, so räsonierte der 40 41 42

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Duffy, Friedrich der Grosse, S. 283. AAE CP Autriche 276, fol. 4Γ-5Γ, Praslin an Choiseul, 3. Mai 1760, fol. 4'~v. Ibid. fol. 4V: „M. le Comte de Kaunitz doit être intimidé des suites que produira dans les alliés le peu de progrès que fait d'année en année la cause commune sur le Roi de Prusse, et s'il étoit sage, il commenceroit des à présent à abattre ses fumés d'anéantissement du Roi de Prusse pour se former un plan de paix raisonnable et qui consolide l'alliance nouvelle dans ses différentes parties, sans quoi il est à craindre que pour vouloir trop l'Impératrice à la fin n'ait rien. En tout cas, Monsieur, l'on ne nous reprochera pas de ne l'avoir pas prédit". Ibid. fol. 405'-412r, Praslin an Choiseul, 7. Juli 1760, fol. 409': „Telle est, Monsieur, la façon de penser, la prévention ou du moins la langage de cette cour. Elle ne conviendra jamais qu'une paix par laquelle le Roi de Prusse ne sera pas écrasé, puisse estre salutaire au genre humain, et je suis persuadé que l'Impératrice et son ministre fidèles à leurs principes et à leur intérêt, ne mettent au fond de leur pensée d'autre terme à la guerre que la destruction de leur ennemy". AAE CP Autriche 277, fol. 89r-93v, Praslin an Choiseul, 14. August 1760, fol. 89': „Je m'aperçois tous les jours de plus en plus que la cour de Vienne est tres éloignée de penser à terminer la guerre cet hyver, à moins que le Roy de Prusse ne soit tout à fait écrasé pendant cette campagne"; fol. 92v-93r: „elle ne met de terme à la guerre que la destruction de son ennemi. Heureusement l'état présent des affaires annonce un dénouement prochain. Il est presque impossible qu'il ne se passe incessament quelque action décisive, si le Roy de Prusse perd une bataille, il me paroit sans ressource et l'Impératrice pourra luy donner la loy; s'il la gagnerait au contraire il rétabliroit sa réputation fort ébranlée et l'honneur de ses armes, et il seroit en état de soutenir pour le moins une déffensive honorable". Ibid. fol. 153'-155v, Choiseul an Praslin, 24. August 1760.

II. Das Österreichbild

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Außenminister, basiere auf der Reziprozität der Interessen der Vertragschließenden. Entfalle diese, verliere das Bündnis an Stabilität und Nutzen für einen der Partner. Genau dies sei die Situation, in der sich die Allianz derzeit befinde. Denn sie lebe vom gegenseitigen Profit und der Unterstützung, die man sich gegenseitig in Europa verspreche. Doch sei die Macht Frankreichs, massiv zum Wohle Österreichs militärisch auf dem Kontinent zu intervenieren, in großem Maßstab abhängig von Ressourcen, die auf den französischen Besitzungen in Übersee beruhten. Die Verfügung über die überseeischen Ressourcen sei nun nicht mehr gegeben, und es sei zu befürchten, daß auch die Allianz mit Österreich zusammenbrechen werde.45 Darüber hinaus sah Choiseul in der Abhängigkeit der Allianz vom Willen Maria Theresias und Kaunitz' eine weitere Gefahr. Ihr Tod könnte auch das Ende der Allianz bedeuten. Die beste Absicherung gegen dieses Risiko bestand für den Außenminister in einer zweifachen Strategie: zum einen in der Vorbereitung einer weiteren Kampagne, zum anderen in der Entwicklung eines Friedensplanes. Er warnte aber - zweifellos war die Erinnerung an das Verhalten Bernis' noch frisch - vor einem überstürzten Frieden und davor, die Truppen vorschnell in die Winterquartiere zu verlegen.46 Die beiden Höfe sollten sich also über einen Friedensplan einigen, der jederzeit, falls sich Friedrich auf Verhandlungen einlassen würde, auf den Verhandlungstisch gelegt werden könnte. Die Schlacht von Torgau (3. November 1760) führte schließlich ein Umdenken bei Kaunitz und Maria Theresia herbei. Zwar resultierten daraus keine unmittelbaren politischen Konsequenzen - die Armeen bezogen ihre Winterquartiere - , aber die Einsicht in das militärische Patt und die Unmöglichkeit für beide Gegner, einander zu bezwingen, erhöhte, so die zutreffende Einschätzung Praslins, die Bereitschaft zum Gespräch über den Frieden, der in Anbetracht der Schwäche Friedrichs für die Allianz durchaus vorteilhaft ausfallen könnte.47 Praslin beobachtete nun die schrittweise Einsicht der Verantwortlichen in die verfahrene Situation. So gab Kaunitz die Abhängigkeit Österreichs von der militärischen Hilfe Rußlands zu. Insgesamt, so der Eindruck Praslins, habe sich Österreich noch lange nicht so verausgabt wie Frankreich, ja in manchen Bereichen profitiere man sogar vom Krieg. Doch angesichts der oft unzulänglichen Zusammenarbeit mit St. Petersburg beginne man sich langsam von der Idee zu verabschieden, Preußen militärisch zu besiegen. Man baue in Wien darauf, daß sich die Alliierten und die Feinde in weit größerem Maße verausgabten, so daß selbst ein Frieden auf der Basis des Status quo die eigene Macht stärken werde.48 Aber 45

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AAE Autriche 278, fol. 1 5 - 2 Γ, Choiseul an Praslin, 6. Oktober 1760, fol. 16 v -17 r : „Toute alliance est fondée sur une réciprocité d'intérêts. Quand cette réciprocité vient à cesser, il n'est plus de compter sur la stabilité de l'alliance de la part de l'allié qui devient inutile et peut être à charge. L'alliance de la cour de Vienne avec celle de France a eû pour principale cause les secours que l'une pouvoit tirer de l'autre sur le continent, mais avec cette différence que c'est la puissance du Roy par mer qui lui fournit les moyens d'entretenir de nombreuses armées, et de payer de considérables subsides pour la défense de ses alliés; si cette source est tarie par la continuation des dépenses exorbitantes et insoutenables de la France pour la guerre de terre, l'alliance qui a eû les effets de la puissance du Roy pour cause, ne tombera-t-elle pas d'une chute commune par le renversement decette même puissance?" AAE CP Autriche 278, fol. 171 r -173 v , Choiseul an Praslin, 25. Oktober 1760, fol. 172 v -173 r . bid. fol. 289-295', Praslin an Choiseul, 13. November 1760, fol. 294-295': „II me paroit que la bataille qui vient de se donner ne change en rien nôtre situation politique, et je crois que c'est un bonheur pour nous qu'elle ne soit pas plus décisive. Le Roi de Prusse s'en glorifiera, mais au fond ses affaires n'en sont pas meilleures, peut-être même sont elles plus mauvaises, et il reste par là dans cet état de danger et indécision qui est à mon avis le plus favorable pour nous procurer une paix avantageuse". Ibid. fol. 330'-334 v , Praslin an Choiseul, 16. November 1760, fol. 334"; ibid., fol. 364-367', Praslin an Choiseul, 26. November 1760, fol. 364 v -365': „La cour de Vienne [...] sent l'extrême besoin qu'elle a de la

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen

Diplomatie

Praslin hielt es für durchaus möglich, daß, sollte Graf Lacy, Nachfolger Dauns und weit zielstrebiger als dieser, im folgenden Jahr eine Schlacht gewinnen, jede Bereitschaft zum Frieden entfallen und alle Hoffnungen auf einen Sieg neue Nahrung erhalten würden.49 Praslin übermittelte in den letzten Tagen des Jahres 1760 das Bild eines unentschlossenen, schwankenden Partner. Die Hoffnung auf einen Sieg hatte man trotz der erneuten Niederlage bei Torgau, in der Friedrich ja eine beinahe verlorene Schlacht noch zu seinen Gunsten hatte wenden können, noch nicht aufgegeben. Gleichwohl äußerten sich sowohl Maria Theresia als auch Kaunitz ihm gegenüber aufgeschlossener über einen Frieden, beim letzteren sei sogar eine Veränderung seines Preußenbildes festzustellen. Der Staatskanzler akzeptiere mittlerweile die preußische Überlegenheit.50 Seine Überzeugung von der Friedensbereitschaft Wiens verteidigte Praslin auch gegen Zweifel Choiseuls. Die Analyse des Gesandten über die Motive der führenden Entscheidungsträger Wiens mündete in eine Gegenüberstellung von monarchischer Leidenschaft und ministerieller Vernunft. Der Erhalt des Bündnisses mit Versailles genieße in Kaunitz' Denken oberste Priorität, denn er habe sie begründet und sein Schicksal mit ihr verknüpft. Daher könne er ihr Scheitern nicht zulassen, denn dies wäre sein Ende, und zugleich würde er die Monarchie großer Gefahr aussetzen, schließlich verkörpere der Staatskanzler doch ihre „Seele".51 Hingegen verhalte es sich mit der Kaiserin anders. Sie unterwerfe sich zwar den Projekten ihres Ministers, doch aus ganz anderen Motiven. Sie strebe einzig nach Reputation und Rache. Ursprünglich habe er geglaubt, so Praslin, daß nur über Kaunitz eine Meinungsänderung bei Maria Theresia zu bewirken sei. Doch die Ergebnisse des vergangenen Feldzugs und die desillusionierende Berichte Dauns hätten dazu geführt, daß die Kaiserin von grundsätzlicher Ablehnung zu unbedingter Bejahung des Friedens umgeschwenkt sei. Der Monarchin, die eine abrupte Kehrtwendung vornahm, stehe der abwägende Kaunitz gegenüber, der aus Kalkül für den

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Russie en effet, c'est une vérité reconnüe de tous les militaires et prouvée par les faits que sans le concours efficace de cette puissance l'Impératrice ne sçauroit espérer des succès décisifs contre le Roy de Prusse. Or en reprochant cette nécessité indispensable du concours efficace des Russes, de la certitude non moins reconnue, de la mollesse, de la lenteur, de la timidité de leurs opérations ainsy que de la mauvaise volonté et de l'ignorance de leurs généraux il ne sera pas dificile de tirer le pronostic de cette guerre. Il ne faut pas croire, Monsieur, que ce raisonnement échappe à la cour de Vienne: elle a été longtems dans l'aveuglement, mais elle commence à s'éclairer: l'adversité dissipe ses illusions, et le ministre autrichien est bien déchu de ses espérances. Mais une réflexion le retient, c'est qu'il ne court aucun risque et que son pis aller est de ne rien gagner: Si l'Impératrice s'endette, ses sujets s'enrichissent par la guerre. Et quand ses États s'épuiseroient, elle calcule que ses alliés et ses ennemis s'épuisent dans une proportion beaucoup plus grande, en sorte que la guerre avec des succès balancés ne détériore pas son État, et qu'un événement heureux et décisif peut faire revivre toutes ses espérances". Ibid. fol. 416'-427v, Praslin an Choiseul, 6. Dezember 1760, fol. 426M27'. Ibid. fol. 460r-466v, Praslin an Choiseul, 11. Dezember 1760, fol. 465': „Je crois donc, Monsieur, pouvoir vous répondre que les dispositions de l'Impératrice pour la paix sont sincères. Celles de Monsieur de Kaunitz sont les mêmes; il est frappé de l'impossibilité de remplir l'objet de la guerre, et de détruire un ennemy tel que le Roy de Prusse. Il a meilleure opinion que jamais de ses ressources et des talens de ce Prince, et il sent l'infériorité du militaire autrichien". Ähnlich auch: ibid. fol. 537'-543r, Praslin an Choiseul, 18. Dezember 1760. AAE CP Autriche 281, fol. 7 r -14 v , Praslin an Choiseul, 3. Januar 1761, fol. 7 v -8 r : „Mon opinion étoit fondée sur la connoissance que j'avois des sentimene de Monsieur le comte de Kaunitz. Je sçavois que le principe invariable et fondamental de sa politique est de maintenir nôtre alliance, de préférence à tout. Le sistème actuel est son ouvrage; son honneur, son crédit, sa réputation n'y sont intéressées; il le croit essentiellement bon, il en connoit tous les avantages; il sent qu'il ne peut en changer sans perdre lui même et sans exposer la monarchie dont il est l'âme".

II. Das Österreichbild

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Frieden plädiere.52 Zentrale Bedingung für Verhandlungen bleibe jedoch - entsprechend den Vereinbarungen des letzten Vertrages - das Verbot von Separatverhandlungen, fügte Praslin in einem weiteren Schreiben vom selben Tage hinzu. Die Art und Weise der Verhandlungen und nicht die Frage des Verbleibes von Schlesien werde die größten Schwierigkeiten bereiten.53 In Versailles zeigte man sich mit der Arbeit Praslins hochzufrieden. Choiseul richtete seinem Cousin das Lob des Königs und seines Rates aus und erweiterte seinen Handlungsspielraum.54 Diese Zufriedenheit des Hofes mit dem Agieren seines Gesandten wird sicherlich dazu beigetragen haben, daß dieser zum französischen Verhandlungsführer für den geplanten Friedenskongreß ernannt wurde. Von seinen Auffassungen rückte Praslin auch nicht ab, als sich in Gesprächen mit Kaunitz herausstellte, wie weit die Ansichten Frankreichs und Wiens über Friedensverhandlungen auseinandergingen.55 Praslin als Beobachter: Porträts der österreichischen Akteure und die Gründung des Staatsrates (1760/1761) Neben den direkt die Verhandlungen betreffenden Informationen enthält Praslins Korrespondenz zahlreiche Charakterstudien seiner Gesprächspartner. Damit erfüllte Praslin eine zentrale Aufgabe, nämlich die Machtverhältnisse am Wiener Hof genau zu analysieren. Diese wurden zweifellos von der Persönlichkeit des Staatskanzlers Wenzel Anton von Kaunitz geprägt. Schon früh flössen Charakterbilder des allmächtigen Ministers Maria Theresias in die Depeschen Praslins ein. Kaunitz werde, so führte dieser aus, von einer Leidenschaft zum Kampf getrieben, er habe ein Faible für kühne Unternehmungen, von denen er sich Erfolg verspreche und die folglich ihm zugeschrieben würden. Doch vermutete Praslin in dieser Risikobereitschaft nicht nur Eitelkeit, vielmehr deute dessen Aktionismus auf das Wissen um die Notwendigkeit einer schnellen Beendigung des Krieges hin.56 Bei Konferenzen mit dem 52

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Ibid. fol. 8Γ-9Γ: „L'Impératrice est gouvernée par son ministre, mais elle n'a pas absolument les mêmes principes, et son caractère est tout différent: elle est vive, passionée et ambitieuse; elle est attachée à nôtre alliance, mais elle l'est plus à l'intérêt de sa grandeur et de sa vengéance [...] Les mauvais succès de cette campagne l'ont abattue; les conseils et les rapports de M. le Maréchal de Daun lui ont oté toute l'espoir [...], et il a persuadé sa maitresse qu'elle ne parviendroit jamais à abattre un ennemy si redoutable: en sorte que son ministre, parce que sa tête a fait plus de chemin; qu'étant plus sensible ses résolutions sont plus extrêmes, et que ses changements sont plus rapides, à raison de sa vivacité, c'est pourqouy cette princesse qui ne sçauroit estre passive, a passé promptement de la répugnance au désir de la paix. M. le comte de Kaunitz plus tranquille et plus froid ne la craignoit pas tant, il ne la désire pas mais il sent qu'il faut la faire et il y consent. Telle est je crois, Monsieur, la situation de ces deux âmes". Ibid. fol. 15'-20 v , Praslin an Choiseul, 3. Januar 1761, fol. 20': „La cour de Vienne est entièrement de bonne foy et vous pouvez estre assûré, Monsieur, qu'elle ne mette pas d'obstacle à la paix, pourvû qu'elle se traite avec sa participation. Mais vous apercevez facilement dans la manière de s'expliquer qu'elle est fort en garde contre une négociation particulière, et je crains fort qu'il ne nous soit difficile d'en mener une à une heureuse fin. Monsieur le comte de Kaunitz est défiant et soupçonneux, mais il est honnête homme. La Silésie ne fera pas de difficulté, et nous le trouverons fort traitable sur les conditions de la paix, c'est sur la manière de la traiter qu'il sera plus épineux". Ibid. fol. 100' v, Choiseul an Praslin, 18. Januar 1761, fol. 100'"v. AAE CP Autriche 281, fol. 247'-248 v , Praslin an Choiseul, 10. Februar 1761; siehe auch: Ibid. fol. 256'-273 v , Praslin an Choiseul, 15. Februar 1761; vgl. die Zusammenfassung des Briefes bei: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 4, S. 479-481. AAE CP Autriche 272, fol. 400M04 V , Praslin an Choiseul, fol. 402'-402 v : „Ce qui me fait juger qu'il est frappé de l'épuisement de cette monarchie et de la nécessité de la paix, c'est l'ardeur que je remarque en

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Botschafter präsentierte sich Kaunitz ruhig und überlegt, kritische Vorhaltungen des Franzosen nahm er kaltblütig auf.57 Er personifiziere die Allianz mit Frankreich, an der er und die Kaiserin festhalten. Nicht zuletzt aus Gründen der Eitelkeit lehnten sie jede Veränderung ab.58 Arrogant im Umgang mit Untergebenen, vernunftgeleitet in politischen Verhandlungen, so porträtiert Praslin Kaunitz weiter. Dessen persönliche Schwächen, seine bereits angesprochene Eitelkeit und seine Reputation hätten aber unmittelbaren Einfluß auf die Politikgestaltung, denn sein Schicksal sei mit der Allianz verbunden, und er wolle sowohl seine Machtposition am Hofe bewahren, als auch davon ablenken, daß er Österreich in einen verlustreichen Krieg geführt habe. Dies gebe, davon ist Praslin überzeugt, den Franzosen Mittel in die Hand, ihn unter Druck zu setzen.59 Seine Berichte bestätigen also das von der Forschung gezeichnete Bild des Staatskanzlers als einer selbstbewußten, ehrgeizigen, auch arrogant wirkenden Persönlichkeit, die zugleich die Vernunft zur Leitschnur ihrer politischen Konzeption und ihres Handelns erkoren hat.60 War das Porträt Kaunitz' von Respekt und Anerkennung, weniger von Sympathie für die Leistung des Staatskanzlers geprägt, so bilden die Äußerungen des französischen Botschafters über den Oberbefehlshaber der österreichischen Armee, Leopold Joseph Graf von Daun, geradezu den negativen Widerpart. Daß Daun Friedrich dem Großen bei Kolin und bei Hochkirch schmerzhafte Niederlagen zugefügt hatte, verhinderte keineswegs das Aufkommen scharfer Töne gegen ihn. Seine bedächtige, vom Bemühen, dem Risiko einer Schlacht auszuweichen, geprägte Strategie61 trug ihm in der Öffentlichkeit Wiens den Vorwurf der Schlafmützigkeit ein. 2 Insbesondere der Aufstieg des Siegers von Kunersdorf, des Generals Loudon, gefährdete seine Stellung. Doch hatte Daun, wie Praslin bedauernd feststellte, in Maria Theresia eine mächtige Schutzherrin. Sie hielt gegen alle Kritik an ihm fest, riskierte über die Person Dauns einen Streit mit ihrem Mann und führte den Fehlschlag von Dauns Umzingelungsversuch bei Liegnitz (am 15. August 1760) auf den unergründlichen Ratschluß Gottes zurück. Dies veranlaßte Praslin zur Evozierung eines zynischen

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luy pour agir, pour combattre, et pour former des entreprises hazardeuses dont il espère de grand succès parce que il aime à se flatter, et je présume qu'il n'est si entreprenant que parce qu'il sent la nécessité de finir précipitamment la guerre". AAE CP Autriche 275, fo. 45 r -61 v , Praslin an Choiseul, 26. Januar 1760, fol. 50r. AAE CP Autriche 276, fol. 405r-412', Praslin an Choiseul, 7. Juli 1760, fol. 412': „L'Impératrice ne veut se broiiiller avec le Roy, elle est de bonne foy, elle aime son alliance, elle sent les avantages, M. le comte de Kaunitz tient à un sistème qu'il croit bon avec raison, et dont il est l'auteur, leur vanité souffriroit trop aujourd'huy d'en changer". AAE CP Autriche 278, fol. 289-295', Praslin an Choiseul, 13. November 1760, fol. 293v-294': „Sa hauteur et la fierté de son caractère se montrent principalement dans les petites choses et vis-à-vis des gens qu'il ne craint pas, mais dans les affaires majeures, la raison le détermine et la fermeté lui en impose. Il est sage, il a la teste froide et l'esprit solide, sa vanité, sa réputation, son crédit, son intérest, l'attachement au sisteme actuel, et plutôt que de rompre avec nous il se pliera a tout ce que nous pouvons raisonablement exiger de lui. C'est ainsi que j'en juge et queje vous l'ay depeint Monsieur depuis que je suis icy, et je crois pas etre dans l'erreur". AAE CP Autriche 282, fol. 5-11', Praslin an Choiseul, 1. April 1761, fol. 10 v -l 1': „Tels sont à peu près, Monsieur, les objets qui ont été traité dans mon audience. Je ne crois pas me tromper en vous assurant que l'Impératrice désire la paix avec ardeur, et qu'elle sent qu'elle en a besoin. Il me semble en même tems qu'on ne peut pas se persuader qu'il y ait une contrariété absolue de sentimens entre elle et son ministre, et je conclus que monsieur de Kaunitz déguise les siens par politique et par vanité étant l'auteur d'une guerre malheureuse, il voudrait au moins faire jouer à sa cour un rôle principal à la paix, comme vous l'avez fort bien remarqué, Monsieur". Vgl. dazu die Charakterstudie über Kaunitz bei: Szabo, Kaunitz, S. 20-35. Zur Stellung Dauns in der österreichischen Generalität: Kunisch, Feldmarschall Loudon, S. 109-110. Vgl. oben S. 69.

II. Das Österreichbild

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Bonmots Friedrichs des Großen: Mit einer solchen Auffassung werde man Königreiche im Himmel, aber nicht auf Erden erobern.63 Auch Praslins Cousin Choiseul hielt nicht viel von Dauns Fähigkeiten als Heerführer. Der Wunsch Maria Theresias, schrieb der Außenminister, Schlesien zu erobern, könne nicht besonders ausgeprägt sein, denn sonst hätte man sich längst von Daun getrennt.64 Auch die weiteren Berichte Praslins über Daun korrigierten dieses negative Bild nicht.65 Für den französischen Betrachter offenbarte sich in der Debatte um Daun ein unlösbares Dilemma der österreichischen Politik. Verfügte diese in Kaunitz über einen alles dominierenden politischen Kopf, stand ihm ein zögernder, auf eine Abnutzungsstrategie setzender General gegenüber, dem die Friedrich den Großen als Feldherrn auszeichnende Dynamik fehlte. Indem die Monarchin, trotz öffentlicher Kritik und unter Verzicht auf bestehende Alternativen (Loudon, Lacy66), auf Dauns Ablösung verzichtete, mußte sich in Frankreich der Eindruck verfestigen, der Krieg könnte sich endlos verlängern. Dies aber wollte Choiseul verhindern, und daraus erklärt sich seine Strategie, den Konflikt auf dem Wege von separaten Verhandlungen zu beenden. Zeigte sich in der Frage der des Oberkommandos, daß auch Kaunitz' Einfluß auf die Monarchin seine Grenzen hatte, erwies er sich in anderen Fragen einmal mehr als der mächtigste Minister. Gegen Ende des Jahres 1760 konnte er Maria Theresia unter Rückgriff auf bereits 1758 vorgetragene Pläne zu einer grundlegenden Reform der Regierung bewegen. Der Staatskanzler plädierte für die Schaffung eines beratenden Gremiums - eines Staatsrates -, der über alle Reformprojekte vor deren Verabschiedung und Umsetzung debattieren und diese gegebenenfalls modifizieren sollte. Um den Versuch der Fachminister zu verhindern, ihre Eigeninteressen zu verfolgen, würden seine Mitglieder in keiner weiteren Regierungsverantwortung stehen - mit einer gewichtigen Ausnahme: der Person des Staatskanzlers.67 Praslin zeigte sich über die neue Reform sehr gut informiert. Bereits am 3. Januar - der Staatsrat tagte erstmals am 26. Januar - berichtete er über dessen Konstituierung, wußte seine bedeutendsten Mitglieder zu benennen und die ihm zugrundeliegenden Prinzipien: 63

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AAE CP Autriche 277, fol. 219-227', Praslin an Choiseul, 4. September 1760, fol. 22Γ-222': „L'Impératrice soutient le maréchal pour qui elle a du foible, dont elle a une sorte de bonne opinion, qu'elle croit honnête homme et zélé pour ses intérêts, et à qui elle croit avoir obligation. On m'a même assuré qu'à l'occasion du 15 [août] elle avoit eue une prise assés forte avec l'Empereur qui luy reprocheroit l'aveuglement pour le maréchal, et je sçais positivement qu'elle a témoigné estre fort méconte des propos qui ont été tenus sur son compte en dernier lieu. Elle s'est refusée à la lumière, ou elle a feint de ne pas voir clair, elle a dit que l'on ne pourroit imputer ce malheur à personne, que la disgrâce qu'elle venoit d'éprouver étoit un de ces coups du hazard amenés par la providence, et que c'étoit le bras de Dieu qui s'étoit appesanti sur elle. À cette réflexion chrétienne, on seroit tenté de répondre par un mot du Roy de Prusse à monsieur de Séchelles, qu'avec de pareil sentimens on gagne les royaumes des cieux mais non ceux de la terre". Über den Durchbrach Friedrichs aus dem von Daun geplanten Kessel bei Liegnitz siehe: Duffy, Friedrich der Grosse, S. 289-298. AAE CP Autriche 277, fol. 261r-263r, Choiseul an Praslin 9. September 1760, fol. 2 6 f "v. AAE CP Autriche 281, fol. 273r-276v, Praslin an Choiseul, 15. Februar 1761, fol. 273v. Praslin sammelte vielmehr boshafte Kommentare: „On attribue ici, Monsieur, un mot assés plaisant au Roy de Prusse, sur le compte de ce général: on prétend qu'en apprenant qu'il devoit reprendre le commandement de l'armée, ce prince a dit: , J'aurai donc encore bien de la peine cette campagne, puisque je serai obligé de commander les deux armées'". Ibid. fol. 517r-518r, Praslin an Choiseul, 28. März 1761, fol. 518'. Über die sich in dieser Debatte verbergenden grundsätzlichen Probleme der militärischen Strategie und des Konflikts zwischen Leistungsprinzip und dem der Anciennität: Kunisch, Feldmarschall Loudon, S. 115-128. Über die Gründung des Staatsrates umfassend: Szabo, Kaunitz, S. 56-60; Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 233-235; grundlegend auch: Walter, Österreichische Zentralverwaltung, S. 254-281; wichtige Kritik zu dessen Interpretation bei: Szabo, S. 59, Anm. 95; Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 173-179.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

„Der neue Rat, den ich bereits die Ehre hatte, Euch anzukündigen, konstituiert sich j e t z t und wird unverzüglich seine Arbeit aufnehmen. Er nennt sich Staatsrat, besteht aus s e c h s Personen, drei Räten der ersten Ordnung und drei der zweiten. Die ersten sind die Herren Daun, Haugwitz und Blümegen 6 8 , die anderen kennt man nicht. 69 Neben diesen sechs Mitgliedern hat der Hof- und Staatskanzler das Recht, ihm, wann immer er es möchte, beizuwohnen, ohne zur regelmäßigen Teilnahme an seinen Sitzungen verpflichtet zu sein. D i e s ist ein Vorrecht und keine Rückstufung, denn er ist der einzige Minister, der dieses Vorrecht genießt. Eines der grundlegenden Prinzipien dieser Institution besagt, daß niemals der Leiter eines Departements zugelassen wird. Begründet wird dies damit, daß in d i e s e m Rat alle Angelegenheiten der Monarchie verhandelt werden sollen, so daß die in ihm zugelassenen Minister sonst Kontrolleure und Richter in eigener Sache wären. [...] Im übrigen hat der Rat nur beratende Funktion. Alle inneren Angelegenheiten, die bislang direkt zum Souverän gingen, werden dem Rat vorgelegt, dort geprüft und diskutiert, die Ergebnisse des Rates werden der Kaiserin vorgetragen, um sie in die Lage zu versetzen, darüber zu entscheiden". 7 0

Der Botschafter bewertete diese Neugründung als erheblichen Machtgewinn des Staatskanzlers, der damit die Position eines Premierministers einnehme (Kaunitz selbst betrachte den Staatsrat als kollektiven Premierminister), ohne den Titel selbst zu führen. Darüber hinaus entziehe er die Kaiserin dem Einfluß von Ratgebern, die sie nur einseitig und nicht immer im Interesse der Monarchie zu informieren suchten.71 In Kaunitz sah Praslin den 68

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Graf Heinrich Heinrich Cajetan Blümegen (1715-1788), bis dato mährischer Landeshauptmann, Dickson, Finance and Government Bd. 1, S. 349. Neben Kaunitz und den genannten gehörten Anton Stupan von Ehrenstein (Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 351) und Aegid Freiherr von Borié dem Rat an, Szabo, Kaunitz, S. 57; Dickson, Finance and Government, S. 350. Borié trat kurze Zeit später als Autor einen anonymen Schrift („Staats-Betrachtungen über den gegenwärtigen Preußischen Krieg in Deutschland") in Erscheinung, in der er nachdrücklich für die Fortsetzung des Krieges plädierte. Vgl. dazu: Klueting, Die Lehre von der Macht der Staaten, S. 274-283; die Schrift ist ediert bei: Kunisch, Das Mirakel des Hauses Brandenburg, S. 101-141, noch ohne Zuschreibung der Autorschaft Boriés und zuletzt: Kunisch, Aufklärung und Kriegserfahrung, S. 651-734, siehe dort auch den Kommentar S. 1009-1016. AAE CP Autriche 281, fol. 32 r -34 v , Praslin an Choiseul, 3. Januar 1761, fol. 32Γ-33Γ: „Le nouveau conseil que j'ay eu l'honneur de vous annoncer vient d'estre établi et doit commencer incessamment ses assemblées. Il porte le nom de conseil d'État, il est composé de six personnes, trois conseillers du premier ordre et trois du second, les premiers sont messieurs de Daun, de Haugwitz et de Blumengheim. Les autres sont des gens obscurs. Outre les six personnes le chancelier de cour et d'État a le droit d'y entrer quand il voudra sans estre obligé d'y assister régulièrement. C'est une liberté et non un assujétissement, et il est le seul ministre qui ait cette prérogative: un des principes essentiels de cette institution étant qu'il n'y sera jamais admis aucun chef de département, et la raison en est que toutes les affaires de la monarchie devant estre examinées dans ce conseil, les ministres qui y auroient entrée se trouveroient estre leur propres contrôleurs et seroient juges et partie dans leur propre cause. [...] Le nouveau conseil au reste n'est que consultatif. Toutes les affaires de l'intérieur qui étoient cy-devant portées au souverain iront à ce tribunal pour y estre examineées et discutées; et la délibération au conseil sera présentée à l'Impératrice pour la mettre en état de se décider". Vgl. auch: Szabo, Kaunitz, S. 58-59: „The Council of State had no executive power, but it was the funnel through which all important legislative proposals went. Further, since it was a form in which all proposed measures were subject to the dialectics of debate, it could make all options clear to the Monarch and its consensus would, in a wider sens, reflect the consensus of the entire society". Ibid. fol. 33' v: „Monsieur de Kaunitz qui a formé le plan de cet établissement croit que c'est la meilleure forme d'administration possible, et la plus aprochante de la perfection. Il regarde ce conseil comme un premier ministre toujours subsistant, mais plus éclairé, plus sage et moins sujet à erreur et à prévention qu'un seul homme qui serait revetu de ce caractère. Un autre grand avantage de cet établissement c'est de

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fähigsten Mann, um die Verwaltung Österreichs zu reformieren und Mißbräuchen entgegenzutreten. Er warnte aber zugleich auch vor dem Widerstand, der sich bereits gegen den Staatskanzler zu formieren beginne. Es werden sich, so die Voraussage Praslins, zwei Parteien bilden: Einerseits die Partei um Kaunitz, gestützt von der Kaiserin und allen „honnêtes gens", andererseits jene um die Brüder Chotek, protegiert vom Kaiser, in deren Händen nach Haugwitz' Wechsel in den Staatsrat die gesamte Finanz- und sonstige Administration der Erbländer lag.72 Damit beschrieb Praslin präzise das Konfliktpotential, das diese Reform barg und schon bald prägen sollte.73 Choiseul zeigte sich wenig beeindruckt von der Kaunitzschen Reform. Er begrüßte die der Gründung des Staatsrates zugrundeliegenden Ideen, zweifelte aber an der Möglichkeit ihrer effektiven Umsetzung. Sie seien fur die Menschheit einfach zu „metaphysisch", und er befürchtete „schwedische Zustände", d. h. eine durch den Kampf zweier Parteien hervorgerufene Instabilität. Kaunitz werde entweder den Staatsrat beherrschen oder mit ihm stürzen.74 Bilanz Als Ergebnis der Mission Praslins bleibt festzuhalten, daß sie die von Choiseul begonnene Konsolidierung der Allianz zwischen Versailles und Wien fortsetzen konnte. Außerdem trug sie dazu bei, daß das jeweilige Bild vom anderen schärfer und präziser wurde. So klärten sich die Fronten zwischen den Partnern über die je eigenen Prioritäten. Stand für Wien die Vernichtung Preußens an erster Stelle der politischen Agenda, suchte Frankreich den Erhalt

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soulager l'Impératrice d'une multitude d'affaires dont elle étoit surchargée, et sur lesquelles elle ne recevoit de lumières et d'éclaircissement que de la part des gens intéressés à les lui présenter sous le point de viie qui leur convenoit, au lieu que cette princesse aujourd'hui ne se déterminera sur aucune affaire d'administration que sur l'avis raisonné et motivé de son conseil. [...] Il [Kaunitz] se trouve premier ministre de fait puis qu'ayant déjà les affaires étrangères, celles des Païs-Bas et d'Italie, il aura encore la voix prépondérante dans ce conseil où personne ne sera en état ny en volonté de le contredire". Ibid. fol. 34'~v: „Reste à sçavoir si la paresse de ce ministre lui permettra de donner le tems, les soins et l'application nécessaires pour remplir un si grand projet, et s'il ne sera pas traversé par les intrigues des autres ministres et de ses ennemis, qui sont consternés de ce nouvel établissement, et qui ne manqueront pas d'employer toute leur adresse pour le faire tomber, soit en dépouillant le conseil de la connoissance des affaires les plus importantes, soit en empêchant que ses avis ne soient suivis. Messieurs de Chotek qui se trouvent par la rétraite de monsieur de Haugwitz chargés des finances et de toute l'administration intérieure des États allemands souffriront impatiemment que leur gestion et leurs opérations soient soumises à la révision et à l'examen du conseil d'État, c'est-à-dire de monsieur de Kaunitz. Ils ont beaucoup de crédit et d'intrigue; ainsi il va se former deux parties puissantes; celui de monsieur de Kaunitz qui a pour luy les lumières, la confiance de l'Impératrice et en général le suffrage des honnêtes gens; et celui de messieurs de Chotek qui ont la faveur de l'Empereur, qui seront appuyés par les autres ministres ennemis de monsieur de Kaunitz et qui ont en manege et en industrie ce qui leur manque en capacité, car il sont fort ignorane en finance, et font faire à l'Impératrice les plus mauvaises opérations". Zur Stellung der Chotek-Brüder siehe: Szabo, Kaunitz, S. 81-83. Szabo, Kaunitz, S. 125-126. AAE CP Autriche 281, fol. 107'-108 v , Choiseul an Praslin, 18. Januar 1761, fol. 107 v -108 r : „Je vous suis très obligé, Monsieur, du détail que vous m'avez fait à l'occasion du nouveau conseil établi à Vienne. Certainement la base des principes qui animent monsieur de Kaunitz dans cet établissement est aussi juste qu'utile et en spéculation, je crois que son projet mérite beaucoup de louanges et produiroit des avantages réels; mais je crains qu'il ne soit pour l'humanité trop métaphysique. Cet établissement ressemble au gouvernement de Suède qui demande des sujets plus qu'humains pour pouvoir le soutenir, et je suis persuadé qu'il arrivera de deux choses l'une: ou monsieur de Kaunitz prendra la prépondérance totale sous le nom de conseil d'État qui n'aura nulle fonction, ou ce même conseil d'État culbutera avec Monsieur de Kaunitz". Zur inneren Situation Schwedens siehe: Böhme, Schwedens Teilnahme am Siebenjährigen Krieg, S. 196-201.

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seines Kolonialreiches und erstrebte die Abwehr der britischen Seeherrschaft. Aus diesen Schwerpunktsetzungen ergaben sich auch Mißtrauen und Spannungen zwischen den Höfen, die intern manche scharfe Formulierung bewirkten.75 Aber trotz der relativ offen ausgetragenen Differenzen über die Frage eines Friedensschlusses wurde aber die Existenz des Bündnisses niemals ernsthaft in Frage gestellt. Dies verhinderten Ludwig XV. (und wohl auch Choiseul) und Kaunitz, dessen Interesse am Erhalt der Allianz Praslin richtig beurteilte.76 Alle für den Gesandten wahrnehmbaren Zeichen wiesen in diese Richtung. Kaunitz galt als Architekt des Bündnisses, und seine Position als einflußreichster und mächtigster Minister Maria Theresias festigte sich durch die von ihm inspirierte Regierungsreform des Jahres 1761. Für die französische Politik bedeutete dies etwas, das man in der Allianz mit Friedrich dem Großen vermißt hatte: Stabilität. Vieles wies auf die Entwicklung einer Partnerschaft hin, die, basierend auf einem Grundkonsens, dem einzelnen genügend Freiraum zur Verfolgung eigener Interessen bieten würde. Voraussetzung für die Ausschöpfung dieses Potentials an politischen Möglichkeiten aber mußte der Frieden sein, denn Praslins Berichte reflektieren, wie sich im Kampf gegen Preußen deutlich die von Johannes Kunisch beschriebenen strukturellen Grenzen der Kriegführung des ausgehenden Ancien Régime zeigten.77 In Anbetracht der Tatsache, daß man Friedrich II. nicht durch eine Zermürbungsstrategie zur Aufgabe zwingen konnte - vielmehr zeigten die Alliierten selbst zunehmend Anzeichen der Zermürbung - , mußte es für die französische Politik nun darum gehen, Wien für Friedensverhandlungen zu gewinnen. Zunächst aber galt es, erneut die Entscheidung auf dem Schlachtfeld zu suchen, um somit eine für die Koalition günstige „conjoncture" herbeizuführen.

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Etwa die bei Bourguet, Choiseul et l'Autriche, S. 20, zitierte Äußerung Choiseuls aus seiner Depesche an Praslin vom 25. Dezember 1759: „II ne faut pas perdre de lui [= Kaunitz] faire connaître que nous ne sommes point dans l'intention de sacrifier les intérêts de la France à ceux de la maison d'Autriche, de même que cette maison ne sacrifierait pas les siens aux nôtres". Vgl. Kaunitz' Stellungnahme zu Gunsten der Allianz vom Oktober/November 1760, bei: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 289. Vgl. Kunisch, Das Mirakel des Hauses Brandenburg, S. 54-75.

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5. Châtelet-Lomont 1761-1763/1766 Die Mission des Grafen Châtelet-Lomont dauerte weit über das Ende des Siebenjährigen Kriegs hinaus. Nachdem Radix de Sainte-Foy zwischen Mai und Juli die französischen Belange am Wiener Hof vertreten hatte, nahm Châtelet dort Ende Juli 1761 seine Arbeit auf; am 25. Juli des Jahres berichtete er von seiner ersten Audienz. Er sollte genau fünf Jahre in Wien bleiben.1 Châtelet verfolgte von dort die beiden letzten Feldzüge des Krieges, die jedoch angesichts der politischen Ereignisse des Jahres 1762 verblassen. Mußten die Österreicher 1761 erneut einen Rückschlag hinnehmen, als sie von einem Angriff auf das gut gesicherte Lager Friedrichs bei Bunzelwitz absahen, gelang ihnen im früh einsetzenden Winter ein bis dahin unerreichter Coup. Erstmals konnten die Truppen der Kaiserin ihre Winterquartiere nach Schlesien sowie in das ehedem preußisch besetzte Sachsen verlegen und somit Friedrich wichtiger Ressourcen berauben. Darüber hinaus hielten sie die bedeutende Festung Schweidnitz besetzt. Am Ende der Kampagne des Jahres 1762 hatte Friedrich jedoch dank des vielbeschworenen „Mirakels des Hauses Brandenburg" - des Bündniswechsels Rußlands erneut die Oberhand gewonnen und die Österreicher aus Schlesien vertreiben können. Damit war der Weg frei zum Frieden von Hubertusburg, der eine Rückkehr zum territorialen Status quo von 1756 vorsah.2 Dies sind, in wenigen Worten zusammengefaßt, die militärischen Ereignisse, deren Zeuge Châtelet wurde. Von weitreichenden politischen Konsequenzen aber war der Tod der Zarin Elisabeth am 5. Januar 1762 in St. Petersburg, der zum Bruch der österreichischrussischen Koalition führte.3 Zar Peter III., ein glühender Verehrer des Preußenkönigs, drehte binnen kurzem die russische Politik tun 180 Grad. Er schloß Frieden mit Friedrich dem Großen und kurz darauf ein Bündnis mit ihm, das es den Preußen ermöglichte, mit der russischen Armee gegen die Österreicher zu marschieren und ihnen erstmals zahlenmäßig überlegen entgegenzutreten. Zwar kam es zu keinem gemeinsamen preußisch-russischen Angriff mehr, da der Zar am 28. Juni von seiner Frau Katharina abgesetzt und wenig später ermordet wurde, aber Friedrich konnte den General der russischen Truppen, Tschernyschew, dazu bewegen, nicht sofort abzurücken.4 Dadurch banden sie österreichische Verbände und halfen Friedrich zur Erringung seines letzten Sieges bei Burkersdorf, der zur Folge hatte, daß sich Daun weit zurückzog, die Verbindung zur Besatzung von Schweidnitz aufgab und den Preußen die Rückeroberung der Festung ermöglichte. Die französisch-österreichischen Beziehungen nahmen seit der zweiten Jahreshälfte 1761 eine eher unerwartete Wendung. Hatte in den Jahren zuvor immer wieder Frankreich auf die Einleitung von Friedensverhandlungen und die Beendigung des Krieges gedrängt, Österreich dagegen unbeirrt am Ziel der Zerschlagung Preußens festgehalten, tauschten die Partner nun die Rollen. Nach dem Scheitern der britisch-französischen Verhandlungen im Haag im August 1761 und dem beinahe zeitgleich erfolgten Abschluß des „Familienpaktes" zwischen

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Er verließ Wien am 26. Juli 1766, Recueil des instructions: Autriche, S. 410; Châtelets erste Depesche in: AAE CP Autriche 282, fol. 329 r -330 v , Châtelet an Choiseul, 25. Juli 1761. Ausführliche Darstellung der Feldzüge bei: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 5, S. 215-276 (nur 1761); Duffy, Friedrich der Große, S. 315-349. Zu den Ereignissen in Rußland mit weiterführender Literatur: Zernack, Handbuch der Geschichte Rußlands, S. 439-444, 520-526; zuletzt: Scharf, Katharina II., S. 18-23. Duffy, Friedrich der Große, S. 339-340.

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Frankreich und Spanien sah Choiseul dem Fortgang des Krieges in Übersee optimistisch entgegen.5 In Wien reagierte man eher verstimmt auf dieses Bündnis, da Kaunitz, so Außenminister Praslin, einen Bedeutungsverlust Österreichs als Partner Frankreichs befürchtete.6 Praslins Einschätzung traf durchaus zu, denn Kaunitz fürchtete, Spanien und Frankreich könnten in Italien gegen Österreich vorgehen. Doch insgesamt überwog in Wien die Uberzeugung, daß der Familienpakt das „neue System" von 1756 festigen würde, weil Spanien und Frankreich in England einen gemeinsamen Gegner besaßen. Um zu vermeiden, daß der bourbonische Pakt bei Bruch der Allianz Versailles-Wien eine antihabsburgische Stoßrichtung erhielt, suchte Wien noch während des Krieges eine Annäherung an Madrid.7 Die Hoffnung auf die spanische Militärmacht erwies sich letztlich als Illusion, denn es war Madrid unmöglich, effektive Schläge gegen die Briten zu führen.8 Châtelets Instruktion Châtelets Instruktion vom 29. Juni 1761 entspricht in weiten Teilen wortgetreu der seines Vorgängers.9 Ergänzungen wurden nur vorgenommen, um den Gesandten über die Ergebnisse der Feldzüge bzw. den Stand der Verhandlungen zu informieren. Da zum Zeitpunkt der Abfassung der Instruktion das Scheitern der britisch-französischen Verhandlungen und des Augsburger Kongresses noch nicht absehbar war, wies man Châtelet an, welche Haltung er in dieser Angelegenheit einnehmen sollte, und informierte ihn über die Maximen der französischen Politik gegenüber Wien. Diese kennzeichnen zwei Grundsätze: Erstens werde man die Interessen Frankreichs nicht denen der Verbündeten opfern, und zweitens bekenne man offen, daß die Kriegsziele Österreichs und Rußlands nicht zu realisieren seien.10 Châtelet solle dies immer wieder seinen Gesprächspartnern vor Augen führen. Darüber hinaus wurde er angewiesen, sich sein Wissen darüber anmerken zu lassen, daß sowohl in Wien als auch in St. Petersburg der Wunsch nach Zerschlagung Preußens noch immer stärker sei als deqenige nach Frieden. Dies war im Prinzip die einzige Order, in der sich seine Instruktion von der seines Vorgängers unterschied. Wie auch Praslin wurde Châtelet eingeschärft, besonders aufmerksam jede Demarche des Kaisers gegenüber dem Reich zu verfolgen. In An-

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Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 5, S. 277. Vgl. AAE CP Autriche 286, fol. 12-2Γ, Châtelet an Praslin, 8. Januar 1762, fol. 16v; ibid. fol. 102'-104v, Praslin an Châtelet, 24. Januar 1762, fol. 102r-v: „Je ne suis pas surpris de l'impression que vous avez cru remarquer sur l'Impératrice et son ministre à l'occasion de notre union intime avec l'Espagne; vous savez que je l'avois prévüe. M. de Kaunitz est trop jaloux par caractère et trop fin politique pour ne pas sentir que notre alliance avec l'Espagne est plus fondamentale pour nous que celle de l'Impératrice. Ce ministre sent bien que la cour de Vienne doresnavant ne sera que notre seconde allié au lieu d'être la première, c'est comme la Russie pour la maison d'Autriche. Vous éprouvez ainsi que moy sans doute toutes les préférences que celle-cy donne à la première sur nous: Il semble qu'à l'avenir nous pouvons avoir la même prédilection pour l'Espagne". Hier zeigt sich sehr gut, daß die Bewertung von Informationen vor allem im Ministerium vorgenommen wurde: Châtelet übermittelt die Reaktion Kaunitz', die der Außenminister dann interpretiert. Kleinmann, Die Politik des Wiener Hofes gegenüber Karl III., S. 49-59 Zur spanischen Politik siehe den Überblick bei: Bottineau, Les Bourbons d'Espagne, S. 266-276. Recueil des instructions: Autriche, S. 393-407. Ibid. S. 402—403: „Sa Majesté [...] ne veut pas en même temps sacrifier les intérêts de sa couronne aux idées ambitieuses et souvent chimériques des cours impériales. Pour allier ces deux objets de ses désirs, elle a pris le parti de faire connoître, à chaque occasion, la vérité de la chose et de sa volonté aux deux impératrices. On a tâché de les ramener à cette vérité, et quand il n'a pas été possible de les faire revenir de leurs préventions, on ne leur a pas dissimulé l'intérêt du Roi et sa détermination sur les partis qu'il pourra prendre".

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gelegenheiten des Reiches solle er zudem mit dem schwedischen Gesandten Barck zusammenarbeiten." Ungewöhnlich ist indessen die Hierarchie, in die der Gesandte eingebunden wurde. Nicht nur der Außenminister in Versailles, sondern auch Praslin, der als Botschafter nach Augsburg reisen sollte, war Châtelet gegenüber weisungsbefugt.12 In dieser Herabstufung drückt sich die Tatsache aus, daß Châtelet nur den Rang eines ministre plénipotentiaire erhielt. Erst als das Kongreßprojekt gescheitert war und Praslin das Außenministerium übernommen hatte, wurde er im Oktober 1761 zum Botschafter befördert.13 Der Tod des Marschalls Belle-Isle am 27. Januar 1761 hatte eine Regierungsumbildung in Versailles erzwungen. Choiseul, der bereits während der Krankheit von Belle-Isle interimistisch das Kriegsministerium geführt hatte, behielt dessen Leitung und ließ sich nach Abschluß des „Familienpaktes" auch das Marineministerium übertragen. Da die Leitung von drei Ministerien die Arbeitskraft auch eines der fähigsten Minister Ludwigs XV. überschritt, wurden die Verantwortlichkeiten im Oktober 1761 neu aufgeteilt. Praslin übernahm das Außenministerium, Choiseul das Marine- und Kriegsministerium, behielt sich jedoch die Korrespondenz mit dem spanischen und portugiesischen Hof vor. Beide Choiseuls arbeiteten von nun an eng zusammen und betonten ausdrücklich, daß mit diesem Revirement kein Richtungswechsel in der Außenpolitik verbunden sei.14 Wenngleich Choiseul weiterhin die Grundlienen der Außenpolitik bestimmte, so fiel das eigentliche Tagesgeschäft, die regelmäßige Korrespondenz mit den Gesandten, Praslin zu. Sein besonderes Augenmerk galt nicht zuletzt Wien, und so verwundert es nicht, daß er Châtelet in einer umfangreichen Depesche eine Art Zusatzinstruktion zukommen ließ.15 Rückblickend auf seine Erfahrungen am Wiener Hof betonte Praslin, wie auch schon in der Instruktion vermerkt, seine ständigen Bemühungen, Wien von den „Chimären" hochfliegender Eroberungen abzubringen. Zur Einsicht in die Unmöglichkeit der Verwirklichung ihrer Kriegsziele sei man dort nicht durch die Vernunft, sondern durch die Ereignisse gekommen. Auch wenn man den Separatverhandlungen Frankreichs mit den Briten zugestimmt sowie einen Friedenskongreß einberufen habe, bedeute dies noch lange nicht, daß man dort tatsächlich einen Frieden anstrebe. Praslin warnte vor dem Mißtrauen, das die Österreicher gegenüber allem hegten, was mit einem Friedensschluß zusammenhing, und mahnte seinen Nachfolger, Licht in die Haltung Wiens zum Frieden zu bringen.16 Kaunitz " 12 13 14

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Ibid. S. 404-406. Ibid. S. 407. Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 5, S. 279. Luçay, Les Origines du pouvoir ministériel, S. 356-357, 363; AAE CP Autriche 283, fol. 3 H r _ v , Praslin an Châtelet, 15. Oktober 1761, fol. 311': „Le changement de ministre n'en aportera aucun au sistème de justice et de modération que sa Majesté a établi pour la conduite de ses affaires étrangères". AAE CP Autriche 284, fol. 5 3 ' - 6 2 \ Praslin an Châtelet, 13. November 1761, fol. 62r. Ibid. fol. 53'-54 r : „Vous avez vû, Monsieur, dans ma correspondance, que pendant tout mon séjour à Vienne, j'ai eû constamment pour point de vue de détruire les chimériques espérances de la cour de Vienne, de lui faire connoître l'impossibilité de satisfaire son ambition, et remplir les vastes projets qu'elle s'étoit proposés dans cette guerre, de la ramener à des idées plus saines, enfin de déchirer le voile de l'illusion, et de lui inspirer des sentimens de modération et de paix conformes au désir que nous avions de terminer les malheures de la guerre. La cour de Vienne, éclairée par l'expérience et abattiie par quelques revers, s'est plutôt rendue aux évenémens qu'à mes raisons. Elle adonné les mains à l'assemblée d'un congrès à Augsbourg en déclarant qu'elle se relâcheroit d'une partie de ses prétentions; elle a fait plus, elle a consenti à ce qu'il fut entamé une négociation particulière entre la France et l'Angleterre; et il est vrai qu'elle a affecté de donner son consentement par pure complaisance, comme un effort de son amitié pour le Roy, et qu'elle en a témoigné assés d'inquiétude. Cette inquiétude étoit réelle, car la cour de Vienne est très bien

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u n d M a r i a T h e r e s i a , s o führte er w e i t e r aus, s e i e n d i e e n t s c h e i d e n d e n P e r s ö n l i c h k e i t e n d e s H o f e s , deren Temperamente sich gegenüberstünden u n d die ein eindeutiges Urteil über die tatsächliche Haltung des H o f e s s o erschweren. D e r beunruhigten, entmutigten Monarchin, d i e m i t t l e r w e i l e e i n e n F r i e d e n w ü n s c h e , s t e h e der k a l t b l ü t i g e , ü b e r l e g t e u n d e i t l e Kaunitz g e g e n ü b e r , der s i c h nur s c h l e c h t v o n d e n Z i e l e n v e r a b s c h i e d e n k ö n n e , d i e er m i t s e i n e m „ n e u e n S y s t e m " a n g e s t r e b t habe. 1 7 A n g e s i c h t s der S a c k g a s s e , i n d i e d i e V e r h a n d l u n g e n m i t t l e r w e i l e geführt h a b e n , h a b e s i c h n u n e i n e v o l l k o m m e n n e u e Situation e r g e b e n : „Die Einstellungen der Höfe haben sich geändert. Bisher haben wir einen Frieden gewünscht, einen Generalfrieden oder wenigstens einen Partikularfrieden mit England, dem notwendigerweise der auf dem Kontinent gefolgt wäre. Die Engländer haben dies abgelehnt, und daher liegt es nicht mehr in unserem Interesse, daß unsere Alliierten i h n schließen. Der Friede in Deutschland könnte für uns gefahrlich werden, wenn er nicht v o n dem mit England begleitet wird, und der König wird heute diesen stolzen Feinden nicht mehr die Bedingungen zugestehen, die sie zurückgewiesen haben. Daher scheint unser gegenwärtiges Interesse in der Fortsetzung des Krieges mit allen Kräften und an allen Fronten zu bestehen, und wir sind der Überzeugung genügend Kräfte zu besitzen, um i h n noch zwei oder drei Kampagnen durchzustehen, denn dazu werden wir durch die unersättliche Gier unser Feinde gezwungen". 1 8 E n t s p r e c h e n d s o l l t e er in s e i n e n Gesprächen für d i e F o r t s e t z u n g d e s K r i e g e s argumentieren, o h n e s i c h a n m e r k e n z u l a s s e n , daß e s in V e r s a i l l e s e i n e n s o d e u t l i c h e n M e i n u n g s u m s c h w u n g g e g e b e n habe. 1 9

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ombrageuse, et vous aurez, Monsieur, plus d'une occasion de le connoître par vous-même; mais c'est un problème de sçavoir si elle désiroit, ou non, la continuation de la guerre". Ibid. fol. 54'~v: „J'ai remarqué, pendant l'hiver passé, la même difference que vous observés aujourd'hui, Monsieur, entre les sentimens de l'Impératrice et ceux de son ministre. L'une vive, impatiente, découragée, désespérant de vaincre son ennemi, désirant la paix et effrayée des longueurs de la négociation. L'autre, froid et tranquille, disposé à se flatter et ne pouvant se résoudre à renoncer aux grands avantages qu'il avoit annoncés, et qu'il s'étoit promis à lui même d'un nouveau système dont il étoit l'auteur. Enfin, Monsieur, quelque fût le sentiment véritable de la cour de Vienne pour la paix et la guerre, et peut-être n'étoit-elle pas d'accord avec elle-même, le congrès a été determiné, notre négociation particulière avec l'Angleterre a commencé, celle-ci s'est rompue, et l'autre est sans effet". Ibid. fol. 54 v -55 r : „Les dispositions des cours sont changées. Jusqu'à présent nous avions désiré la paix, mais une paix générale, ou du moins une paix particulière avec l'Angleterre, qui entrainoit nécessairement celle du continent. Les Anglois l'ont refusée et dès lors, il n'est plus de notre intérêt que nos alliés la fassent. Celle de l'Allemagne pourroit être dangereuse pour nous, si elle ne marchoit du même pas avec celle des Anglois, et le Roy n'accorderait pas aujourd'hui à ces fiers ennemis les conditions qu'ils ont refusées. Ainsi, notre intérêt actuel paraît être que la guerre se continue avec vigueur dans toutes les parties, et nous croyons avoir les moyens de la soutenir encore pendant deux ou trois campagnes, puisque nous y sommes forcés par l'avidité insatiable de nos ennemis". Ähnlich auch schon in einer der ersten Depeschen an Châtelet, in: AEE CP Autriche 283, fol. 311Γ"ν, Praslin an Châtelet, 15. Oktober 1761, zit. in: Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 5, S. 280, auch in: Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 115, der dortige Verweis auf Bd. 4 (Anm. 327) ist zu korrigieren. AAE CP Autriche 284, fol. 57 v -58 r : „Quant à ce qui a rapport à vôtre langage relativement à la paix ou à la guerre, vous aurez attention, s'il vous plait, Monsieur, à ne témoigner aucun empressement pour l'un ni pour l'autre; mais, sans paraître avoir changé de sistème, vous dirigeres principalement vos discours vers la guerre; et si l'on venoit à vous parler catégoriquement de la paix, vous diriez que le Roy est toujours disposé à y donner les mains, dès qu'il plaira à ses ennemis d'accepter des conditions justes et honorables, et qu'il ne se refusera jamais au vœu et aux besoins de ses alliés".

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Daß sich aus dieser Umkehrung der Verhältnisse eine Krise zwischen Wien und Versailles ergeben könnte, hielt Praslin allerdings für unmöglich. Er vertraute der Integrität der Monarchin und ihres Ministers und setzte darauf, daß ihr Haß auf Friedrich den Großen sie zu weiteren Anstrengungen anspornen werde. Sorge bereitete ihm nur der Zustand der österreichischen Finanzen, deren Defizit zwar kleiner als das französische sei, Wien im Gegensatz zu Frankreich aber über geringere Mittel verfuge, weitere Gelder zu mobilisieren. Daher gab Praslin Châtelet den ausdrücklichen Auftrag, alle ihm möglichen Recherchen über den Zustand der kaiserlichen Finanzen zu unternehmen.20 Châtelet in Wien: Porträts der Akteure Châtelets Porträts der führenden Persönlichkeiten des Wiener Hofes fügten denen seiner Vorgänger nur wenig Neues hinzu. Daher sei hier nur auf die scheinbare Zuspitzung hingewiesen, die in den Augen der Franzosen die Konkurrenz zwischen Daun und Kaunitz um Einfluß auf die Kaiserin nahm. Angesichts der Fehlschläge des Herbstes 1761 bemerkte Châtelet eine wachsende Verzweiflung bei Kaunitz, während Daun weiterhin die Protektion der Kaiserin genoß, obwohl er in der Öffentlichkeit lautstark kritisiert wurde. Gerade Dauns unerschütterliche Stellung wurde erstaunt zur Kenntnis genommen. Nicht nur, daß er als Nachfolger des verstorbenen Grafen Harrach den Vorsitz des Hofkriegsrats übernahm, er behielt-auf Intervention Maria Theresias-auch seinen Sitz im Staatsrat, ein Privileg, das sonst nur Kaunitz genoß.21 Damit entwickelte sich Daun immer mehr zum Gegenspieler von Kaunitz. Der Staatskanzler kämpfte für den Erhalt seines politischen Systems und seiner Position in der Regierung (einmal mehr wird das Schicksal der Allianz mit dem Kaunitz' verbunden) und sah sich einer Opposition gegenüber, die von Daun geführt werde. Alles hänge von der Kaiserin ab.22 Um der Gefahr des Sturzes von Kaunitz zu begegnen, hielt es der Gesandte für angemessen, im Gespräch mit der Kaiserin die Linie des Staatskanzlers zu vertreten.23 Praslin wies Châtelet an, der Monarchin die ungeteilte Unterstützung Ludwigs XV. zu versichern, weil dies bislang immer ermutigende Wirkung auf die

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AAE CP Autriche 284, fol. 56r_v: „Je crois la cour de Vienne incapable de nous manquer. J'ai une véritable confiance dans la probité de l'Impératrice et de son ministre. Je connais d'ailleurs leur haine implacable contre le Roi de Prusse, et nous avons éprouvé leur acharnement pour la guerre; mais l'épuisement total des ressources est une loi supérieure, et un déficit de 28 millions de florins, est une somme si forte pour les finances de l'Impératrice qu'il me paroît impossible qu'elle puisse y suppléer. La France a bien d'autres ressources que les États autrichiens, et s'il nous manquoit 70 millions, nous serions hors d'etat de continuer la guerre. M. de Starhemberg, à qui j'ai témoigné quelque inquiétude sur cet article, m'assuré que sa cour feroit encore la campagne prochaine, et même avec vigueur. Cependant, comme cet objet est extrêmement intéressant, je vous prie, Monsieur, de faire toutes les recherches possibles sur l'état de finances de l'Impératrice". AAE CP Autriche 286, fol. 260-26Γ, Châtelet an Praslin, 5. Februar 1762; Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 349. AAE CP Autriche 286, fol. 307r-314v, Châtelet an Praslin, 15. Februar 1762, fol. 310-311': „Je suis pourtant un peu effrayé des inconvéniens qui peuvent résulter par la suite de laisser la cour de Vienne livré à ellemême dans l'état de dissension intérieure où elle est, et dans la circonstance presente; M. le comte de Kaunitz a sans doute le crédit dominant et il tient par goût et par intérêt même à un sistème qui est son ouvrage auquel il doit son existence, ou moins sa prédominance, et dont la chute entraineroit vraisemblablement la sienne, mais il a beaucoup d'ennemis à la tête desquels est le maréchal Daun qui croit que nous l'aimons pas, et l'Impératrice bien impatiente, et souvent bien impatientée". Ibid. fol. 31Γ-312'.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Kaiserin gezeigt habe.24 Kaunitz, so schloß der Minister seine Depesche, sei, auch wenn er im Falle Schlesiens gegen französische Interessen handle, als spiritus rector der österreichischen Politik für Frankreich unverzichtbar.25 Daß aus diesen Beobachtungen echte Besorgnis über den Bestand der österreichischen Regierung sprach, ist nicht zu bezweifeln. Dahinter stand die Furcht, daß ein Sturz Kaunitz' auch das Ende des „neuen Systems" zur Folge haben werde. Es ist jedoch zu konstatieren, daß Kaunitz' Position wohl doch stabiler war, als es die Depeschen Châletets vermuten lassen. Unter weitaus größerem Druck stand Daun, um dessen Platz sich die Generäle Hadik, Lacy und Loudon bewarben. Letzterer konnte sich dabei der Unterstützung der Öffentlichkeit, nicht aber des Wohlwollens Maria Theresias sicher sein, während Lacy der Favorit Dauns war.26 Die Berichte erwecken den Eindruck, daß Maria Theresia an Kaunitz festhielt, weil sie sich seiner Fähigkeiten und seiner Treue bewußt war. Zugleich plazierte sie mit Personen wie Daun Gegengewichte, um zu verhindern, daß der Staatskanzler zu mächtig würde. Kaunitz' Reformen und die Finanzen der Habsburgermonarchie Der Fortgang des Krieges stellte Wien vor immer größere Finanzprobleme. Zwar gingen beständig französische Subsidien ein, doch reichten diese längst nicht zur Deckung des hohen Geldbedarfs. Praslin hatte die wachsenden pekuniären Nöte Wiens korrekt eingeschätzt, und seine Anweisung an Châtelet, aufmerksam den Zustand der österreichischen Finanzen zu studieren, wurde vom Botschafter gewissenhaft ausgeführt. In Châtelets Depeschen finden sich minutiöse Darstellungen der Maßnahmen, die getroffen wurden, um einem drohenden Bankrott zu entgehen. So berichtete er im Oktober 1761 von der Einführung einer neuen Art der Kopfsteuer 7, die einen nicht unbedeutenden Betrag in die Kassen der Kaiserin bringen werde. Ihre Einnahmen zielten im wesentlichen in zwei Richtungen: Tilgung der Schulden und Auffüllung der Kriegskasse. Die Verteilung der aufzubringenden Steuern erfolge eindeutig zu Lasten der Erbländer, während aus Ungarn nur geringe Summen flössen und man dort am Krieg verdiene, da zu überhöhten Preisen Lebensmittel exportiert würden. Nicht nur diese Beobachtungen entsprechen dem auch von der Forschung ermittelten Zustand, auch der von Châtelet genannte Bedarf für den Feldzug des Jahres 1762 ist mit 40 Millionen fl. präzise geschätzt. Doch trotz all dieser Probleme, so schloß Châtelet, sei man entschlossen, den Krieg fortzusetzen, und der Botschafter war überzeugt davon, daß dies auch gelingen werde.29

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AAE CP Autriche 287, fol. 292-295', Praslin an Châtelet, 9. April 1762, fol. 293 v : „Le trouble où est cette Princesse et l'inquetude dont elle est agité ne s'accordent guère avec le propos qu'elle vous a tenu qu'étant sûre du secours et de l'amitié du Roy, elle oseroit beaucoup et craindoit peu des choses: Vous voudres bien, Monsieur, la confirmer dans cette persuasion". Praslin bezieht sich auf die Depesche Châtelets vom 23. März 1762, ibid. fol. 150'-168\ bes. fol. 154-164'. Ibid. fol. 294 v -295': „Ce ministre n'est assurément pas militaire et sa passion pour la Silésie contrarie nos intérêts; mais il est très important pour nous qu'il reste à la tête des affaires de l'Impératrice, et je regarderois comme un grand malheur pour nous qu'il perdit la prépondérance dans le conseil". AAE CP Autriche 291, fol. 296-300', Châtelet an Praslin, 3. November 1762, fol. 299 v . Zu den Schwierigkeiten Loudons siehe auch: Kunisch, Feldmarschall Loudon, S. 127-128. Siehe dazu: Arneth, Maria Theresia, Bd. 6, S. 258-259; Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 341, vgl. generell über die Inflation neuer Steuern: Szabo, Kaunitz, S. 124-125. Die Kampagne des Jahres 1761 kostete 41 460 400 fl., fur die des Jahres 1763 wurden 45 Mio. fl. veranschlagt, Dickson, Finance and Government, Bd. 2, S. 124. AAE CP Autriche 283, fol. 387'-404 r , Châtelet an Praslin, 31. Oktober 1761, fol. 396-399'.

II. Das Österreichbild

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Daß die Habsburgermonarchie am Rande des finanziellen Zusammenbruchs stand, übersah Châtelet trotz seines Optimismus freilich nicht. Weiterhin lieferte er Denkschriften über den Zustand der Wiener Finanzen und zeichnete ein düsteres Bild der vom Krieg zerrütteten österreichischen Wirtschaftskraft. Die Staatschulden seien immens, eine Flut von Papiergeld habe die Länder überschwemmt, und die Provinzen seien vom Krieg ausgeblutet.0 Doch nicht nur mit neuen Steuern, sondern auch durch eine Neuorganisation der Finanzverwaltung wollte man der Krise beikommen. Kaunitz' Reformwillen erreichte nun auch die Finanzverwaltung. Ende Dezember 1761 berichtete Châtelet von ihrer Reform, die eigentlich die erste Systematisierung der Finanzen sei, da zuvor nur „Konfusion" und „Unordnung" geherrscht hätten31: Châtelet bezog sich hier auf die Umstrukturierung der Administration, die bereits im Frühjahr 1761 begonnen hatte und nun ihren Abschluß fand.32 Es wurden drei Kammern eingerichtet.33 Graf Hatzfeld übernahm als Präsident sowohl die Ministerial BankDeputation4 als auch die Ständische Credits-Deputation, letztere, im August gegründet, um Staatsanleihen auf den Markt zu bringen.35 Die Hofkammer sollte unter dem Vorsitz des Grafen Herberstein alle Einkünfte überwachen und verwalten.36 Und schließlich wurde der neubegründeten Hofrechenkammer die Aufgabe übertragen, alle Kassen zu kontrollieren. Ihren Vorsitz übernahm Graf Zinzendorf, Protégé des Staatskanzlers und innovativer Vordenker in Finanzfragen am Kaiserhof. Zinzendorf beaufsichtigte die beiden anderen Kammern und gewann damit in den Augen des Botschafters eine dem contrôleur général in Frankreich vergleichbare Stellung.37 Die Reform festige, so Châtelets Urteil, die Position

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AAE CP Autriche 284, fol. 239'—265v: „Mémoire sur l'état des finances de la cour de Vienne au mois de Décembre 1761"; fol. 266-281": „État des dettes de la cour de Vienne". Fol. 285 r -289 r , Châtelet an Praslin, 8. Dezember 1761, bes. fol. 287 v -288 r : „Les provinces sont épuisées d'argent, et on ne leur rendra que du papier. L'agriculture sera découragée et tous les ordres de l'État se ressentiront nécessairement de l'obstruction que causera dans la circulation la multitude des effets peu propres au commerce qui vont plus que jamais inonder les pays héréditaires; et qui achèveront de porter tous les particuliers, chèz qui l'argent de l'État a reflué depuis la guerre par l'effet du monopole que ces papiers ont occasionné, à le servir plus soigneusement encore qu'il ne l'ont fait jusqu'à présent. Il paroit également difficile d'établir de nouveaux impôts ou de continuer ceux qui ont été créés cette année".

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Ibid. fol. 337 r -349 r , Châtelet an Praslin, 27. Dezember 1761, fol. 337": „Ces changemens seront accompagnés de la refonte totale du sistème des finances, si tant est qu'on puisse appeler sistème, la confusion et le désordre qui ont régné jusqu'à présent dans toutes les parties de leur administration". Zur Reform der Finanzadministration siehe: Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 233-237; Walter, Österreichische Zentralverwaltung, S. 323-329; Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 178-179. AAE CP Autriche 284, fol. 337 v -339 r : „Toutes les caisses doivent être réunies dans une seule dont le comte de Hattsfeld, président des appels à Prague, aura la direction, jointe au département de la banque et de la députation du crédit provincial. Ce dernier emploi étoit possédé par le comte de Zinzendorf qui devient président d'une nouvelle chambre de compte avec les fonctions de contrôleur général. Le comte d'Herberstein commandeur de l'ordre de Malte et ci-devant président de la représentation en Carniole aura la charge de président de conseil des finances. Ainsi tout ce qui a rapport à leur adminstration tant pour la partie des fonds que pour celle de la régie et de la révision sera entre les mains de trois hommes". Dickson, Finance and Government, Bd. 1, S. 219-220. Über Graf Friedrich Anton Hatzfeld (1718-1793), siehe: Ibid., Bd. 1, S. 353-354. Vgl. ibid. Bd. 2, S. 133-137. Walter, Österreichische Zentralverwaltung, S. 325. Über Graf Johann Seifried Herberstein, siehe: Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 8, S. 339; NDB 8, S. 577. AAE CP Autriche 284, fol. 338 v -339 v : „M. de Zinzendorff sera pourtant en quelque sorte au dessus des deux autres puisque l'autorité supérieure sur toutes ces parties, et de qui s'appelle proprement le ministère des finances lui sera donné avec titre et un pouvoir équivalent à celui du contrôleur général en France". Über Zinzendorf jetzt: Lebeau, Aristocrates et grand commis, bes. S. 173-179.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Kaunitz', denn er schalte damit seinen Rivalen Rudolf Chotek aus, der die Leitung der Böhmischen Kanzlei übernahm.38 Die Nachricht von der Reform stieß in Versailles auf positive Resonanz, und man erhoffte sich von ihr eine Stärkung der österreichischen Machtgrundlagen.39 Doch die Hoffnung auf eine zügige Gesundung des österreichischen Staatshaushaltes währte nur kurz. Im April 1762 konstatierte Châtelet die weitgehende Wirkungslosigkeit der Reform. Die Finanzierung einerweiteren Kampagne 1763 sei - entgegen den Beteuerungen des Staatskanzlers - so gut wie unmöglich. Durch den beständigen Rückgriff auf Papiergeld und Anleihen habe die Krone zudem ihren Kredit und das Vertrauen der Öffentlichkeit verloren.40 Darüber hinaus beobachtete der Botschafter eine zunehmende Mutlosigkeit und hielt es für unwahrscheinlich, daß die Fortführung des Krieges möglich bzw. überhaupt gewollt sei.41 Auch hier traf Châtelets Einschätzung zu. Die finanzielle Situation Wiens war in der Tat katastrophal, und nur der Friede von Hubertusburg wandte einen drohenden Staatsbankrott ab.42 Daß Versailles seit dem Frühjahr wieder mit den Briten über einen Frieden verhandelte, dazu werden Châtelets Berichte über die desolate Finanzlage des Verbündeten beigetragen haben, denn neben die militärische Erfolglosigkeit, das Ausscheiden Schwedens aus der Koalition und den kurzfristigen Bündniswechsel Rußlands bzw. den unter Katharina II. erfolgten Friedensschluß trat nun die vollkommene Erschöpfung des Anführers der antipreußischen Koalition. Die Wiederherstellung des Friedens führte auch zu einer relativen Erholung der österreichischen Finanzen. Zwar konnte Châtelet bereits im April 1763 von einer geordneten Steuereinziehung berichten, kritisierte aber die Faulheit der Österreicher, weil sie keine Anstalten träfen, sich über Friedrichs des Großen Maßnahmen zum Wiederaufbau zu informieren.43 Die Finanzpolitik des Wiener Hofes verfolgte er auch weiterhin und präsentierte im Herbst detaillierte Berichte und Kommentare über die neuesten Erlasse der Kaiserin.44

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Ibid. fol. 344v-345r: „Cet événement n'est pas une des moindres preuves du crédit actuel de M. le comte de Kaunitz et les effets étendront et affermiront nécessairement son influence prédominante dans toute les parties du gouvernement qui étoit quelquefois balancé par le crédit de Monsieur de Chotek". Zur Entmachtung Rudolf Choteks siehe: Szabo, Kaunitz, S. 126-128. AAE CP Autriche 286, fol. 39r-40v, Praslin an Châtelet, 10. Januar 1762. AAE CP Autriche 288, fol. 3'-15 v , Châtelet an Praslin, 17. April 1763, fol. 1 l r -12 r :, J'ay des notions certaines que les finances de la cour de Vienne malgré le nouvel arrangement qu'elle vient de faire sont en plus mauvais état que jamais; elle a des fonds ou pour mieux dire du papier pour la campagne prochaine, mais c'est une fanfaronnade de la part de M. le Comte de Kaunitz que d'assurer (et ce seroit une duperie de le croire) que les fonds de celle de 1763 soient prévues et encore moins certaines. Tout cela roule sur des emprunts que l'on multiplie avant qu'ils soient à moitié remplis et qui en se nuisant les uns aux autres anéantissent de jour en jour le crédit et la confiance publique". Ibid. fol. 13'-14r: „Enfin je prévois avec chagrin, Monsieur, que la cour de Vienne ne sçaura ou donner de la tête pour faire le fonds de la campagne de 1763, et quoiqu'on pût espérer qu'elle les trouvera si elle est indispensablement obligée de la faire, vous sentez que son épuisement qu'elle connoit mieux que ses ressources et la considération du peu de fruit qu'elle peut doresnavant se promettre de la continuation de la guerre, n'est pas propre à lui donner du courage pour resister aux menaces du monarque russe s'il se joignit à son ennemi". Szabo, Kaunitz, S. 130. AAE CP Autriche 294, fol. 110-117 r , Châtelet an Praslin, 2. April 1763, fol. 112 v -l 14v. AAE CP Autriche 295, fol. 347-361', Châtelet an Praslin, 28. September 1763, bes. fol. 349-355': „Observations sur l'édit contenant l'établissement d'une taxe sur les capitaux portant intérêt", und fol. 356'-360v: „Observations sur l'édit contenant fixation du cours des Monnoyes". Vgl. auch seine späteren Berichte über das österreichische Steuersystem in: Hartmann, Steuersystem, S. 157-196.

II. Das Österreichbild

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Die Ereignisse in Rußland und der Weg zum Frieden Daß der Machtwechsel in St. Petersburg zu einer Wendung hin zum Erzfeind Preußen und somit gegen Wien führen würde, diese Erkenntnis setzte sich bei Kaunitz nur langsam durch. Die Konsequenz, die er daraus schließlich zog, war, grundsätzlich nun doch einen Friedensschluß in Erwägung zu ziehen. Endgültig dazu durchringen konnte er sich jedoch erst im Herbst 1762, als eine Einigung zwischen London und Versailles immer deutlicher wurde.45 Nachdem der Tod der Zarin auch in Wien bekannt geworden war46, wies Praslin Châtelet an, sich auf einen neuen Kurs in Kaunitz' Politik einzustellen. Es stehe zu befürchten, daß bei einem russischen Separatfrieden mit Preußen auch Wien einen Frieden anstreben werde, denn dann bestehe keine Hoffnung mehr für eine Zerschlagung Preußens.47 Châtelet betrachtete zu diesem Zeitpunkt die Situation keineswegs als kritisch. Kaunitz werde dem neuen Zaren keinen Anlaß zum Bruch der Allianz geben, und außerdem könne man der Kampagne des Frühjahres mit Gelassenheit entgegensehen, denn man sei in der Lage, weitaus mehr Truppen als der geschwächte Preußenkönig ins Feld zu schicken.48 Praslin bezeichnete aber die von Kaunitz eingenommene Haltung als illusorisch. Alles, was man über die Persönlichkeit des neuen Zaren wisse, deute auf eine Beendigung der österreichisch-russischen Zusammenarbeit hin. Aber man solle Kaunitz in seinem Bemühen um den neuen Machthaber in St. Petersburg gewähren lassen. Keinesfalls dürfe darüber eine Verstimmung in den französisch-österreichischen Beziehungen entstehen. Dem Zaren sagte Praslin keine lange Regierung voraus.49 Er stellte damit bereits klar, daß über diese negative Wendung keine Belastung der Allianz zwischen Versailles und Wien entstehen dürfe. Dies betonte er erneut, als sich das preußisch-russische Bündnis abzeichnete.50

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Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 280-285. AAE CP Autriche 286, fol. 41'-44 v , Châtelet an Praslin, 10. Januar 1762, fol. 42' v; ibid. fol. 90 r -97 v , Châtelet an Praslin, 21. Januar 1762; zu den Reaktionen auf den Thomwechsel vgl. auch: Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 350-354. AAE CP Autriche 286, fol. 154-157', Praslin an Châtelet, 2. Februar 1762, fol. 155'~v: „La cour de Vienne, réduite à ses propres forces, perdra l'espérance d'abattre le Roi de Prusse; c'est cette espérance seule et son ambition qui la soutenoient, du moment qu'elle en sera déchue elle ne pensera plus qu'à la paix. Si M. de Kaunitz vous fasoit, Monsieur, des ouvertures sur ce sujet, vous lui répondrez que le Roi ne s'éloignera jamais de la paix, quand on lui fera des conditions raisonables, mais qu'elle est plus difficile, à faire aujourd'huy que l'année passée, à cause de notre union avec l'Espagne, et qu'au surplus, nous comptons trop sur l'amitié, sur la droiture et sur la fidélité de l'Impératrice pour la soupçonner de vouloir la faire sans notre participation". Ibid. fol. 182-195', Châtelet an Praslin, 3. Februar 1762, fol. 192'". AAE CP Autriche 287, fol. 141'-142 v , Praslin an Châtelet, 21. März 1762, fol. 14Γ-141": „Nous devions nous attendre à tout, de la part d'un prince tel qu'on nous a dépeint le Czar; mais nous n'étions pas préparés au stile qui régne dans sa déclaration, et dans la conversation dont M. de Breteuil nous rend compte; et nous ne sommes pas encore accoutumés à recevoir des loix du Nord. Je vous avoiie, Monsieur, que je n'ai pas tant de sang froid que M. de Kaunitz. J'admire sa modération, mais je remets à lui donner des éloges que nous en ayons reconnu les succès. Ce ministre ne peut renoncer aux espérances de ramener la Russie. Il regarde ceci comme une bourasque passagère qui cédera tôt ou tard à une politique plus raisonnable; mais je crois qu'aujourd'hui tout est égal: hauteur, fermeté, modération, complaisance, foiblesse même, rien ne peut arrêter ce prince. Il n'y a que le tems, les événemes et le revers qui nous en feront raison. Je suis d'ailleurs d'opinion qu'un Empire conduit par un génie aussi déréglé n'est pas bien redoutable, et ne saurait faire grand mal; et je pense comme vous, que de façon ou d'autre, ce règne ne sera pas long". AAE CP Autriche 288, fol. 101'-104 v , Praslin an Châtelet, 5. Mai 1762.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen

Diplomatie

Die Ungewißheit über den neuen Kurs des Zaren gab Raum für vielfältige Spekulationen hinsichtlich des Verhaltens der Kriegsparteien. Würde Friedrich der Große den Machtwechsel nutzen, so fragte man sich, um noch vor Beginn der Feldzugszeit Frieden mit Wien zu schließen? Denkbar wäre ein Tausch: Preußen würde auf die Grafschaft Glatz verzichten, Wien das besetzte Schweidnitz restituieren. Dies wäre für beide Seiten ein akzeptabler Frieden, befand Châtelet.51 Diese Option drängte sich um so mehr auf, als im April bekannt wurde, daß die Schweden einen Waffenstillstand geschlossen hatten.52 Das Ausscheiden Schwedens aus der antipreußischen Koalition rief Verzweiflung in Wien hervor. Châtelet zeichnete das Bild eines unschlüssigen, verängstigten Hofes, dessen Minister angesichts des vom jahrelangen Krieg ausgezehrten Landes und der sich formierenden antiösterreichischen Allianz keine andere Möglichkeit sähen, als Frieden zu schließen.53 Er beendete seine Ausführungen, die im Ministerium treffend als „Porträt der Schwäche des Wiener Hofes" kommentiert wurden, mit dem vernichtenden Fazit, daß es dieser großen Monarchie - trotz der Reformen Kaunitz', muß hier eingeschoben werden - an einer zielgerichteten inneren Regierung gefehlt habe. Er selbst wolle alles unternehmen, um Wien von einem überstürzten Friedensschluß abzuhalten.54 Als aber keine Zweifel mehr am Bündnis zwischen Zar Peter III. und Friedrich dem Großen bestanden, fürchtete Châtelet sogar eine Schwächung des allmächtigen Staatskanzlers Kaunitz, denn er habe bei der Kaiserin erheblich an Ansehen eingebüßt.55 Nicht nur das militärische Patt in Schlesien und im Reich drohte zu kippen, auch das vom Zaren verkündete Vorgehen gegen Dänemark war ein Stoß gegen die „balance du Nord".56 51

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Ibid. fol. 3 Γ -15 ν , Châtelet an Praslin, 17. April 1762, fol. 8'-9': „Une réflexion Monsieur, qui ne vous aura sans doute pas échapé, c'est que si le Roi de Prusse est sage, il ne cherchera point à abuser de la circonstance et qu'il fera offrir à la cour de Vienne soit directement soit par le canal du Czar des conditions de paix supportables, telles que seraient celles de lui laisser le comté de Glatz à condition qu'elle restituerait Schweidnitz; à moins d'événemens peu ou point probables, c'est tout ce que la cour impériale peut se flatter d'obtenir en continuant la guerre". Am 7. April 1762 schloß der schwedische Oberbefehlshaber Augustin Ehrensvärd einen Waffenstillstand mit Preußen, der im Frieden von Hamburg am 22. Mai bestätigt wurde, siehe: Böhme, Schwedens Teilnahme am Siebenjährigen Krieg, S. 210. AAE CP Autriche 288, 26'^K) r , Châtelet an Praslin, 21. April 1762, fol. 37 v -38 v : „Je m'aperçois avec chagrin que les ministres désirent la fin de la guerre et qu'ils n'envisagent aucun avantage à la continuer et peut-être même des dangers à courir. L'idée générale est que le Czar se joindra au Roy de Prusse pour forcer l'Impératrice à la paix et cette idée fait fremir; ajoutez à célà le désordre des finances, les cris des peuples accablés d'impôts, la désunion qui régne dans le conseil, les différentes affections qui partagent le cœur de la souveraine, sa foiblesse, l'inactivité de son premier ministre et la crainte fondée du génie et des ressources du Roi de Prusse, et vous aurés, Monsieur, une idée du tableau que j'ay sans cesse sous les yeux". Ibid. fol. 38 v -39 v : „La cour de Vienne ne connoit pas ses forces ni ses ressources et surtout elle n'a personne pour les mettre en œuvre. Cette vaste monarchie n'a jamais eu et n'a point encore aucun principe de gouvernement intérieur, et tant que les choses resteront sur le pied où elles sont maintenant, elle n'en acquerra pas et ne corrigera aucun des vices qui lui sont pour ainsi dire innés. Notre but doit être au milieu de toutes ces agitations, de gagner du tems, d'encourager et de retenir autant qu'il sera possible, la cour de Vienne, et j'espère que vous aurez rien à me reprocher du côté des soins, du zèle, de la fermeté et de l'attention la plus suivie à remplir cet objet important". Die Marginalie („tableau de la foiblesse de la cour de Vienne") findet sich fol. 38'. AAE CP Autriche 288, fol. 1 6 2 - 1 8 Γ , Châtelet an Praslin, 14. Mai 1762, fol. 17f" v : „La faveur de son ministre et son goût pour lui sont considérablement affoiblis depuis quelque tems; il ne faut cependant pas prendre l'allarme trop vitement dans ce premier moment". Siehe AAE CP Autriche 287, fol. 93-113', Châtelet an Praslin, 17. März 1762; AAE CP Autriche 289, fol. 152'-157 v , Châtelet an Praslin, 27. Juni 1762. Peter III., geboren als Karl Peter von Holstein-Gottorp, wollte

II. Das

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Praslin g i n g s o g a r n o c h w e i t e r u n d m a l t e a n l ä ß l i c h dieser n e u e n F r o n t b i l d u n g e n e i n S z e n a r i o aus, i n d e m Friedrich der G r o ß e w i e d e r a u f Eroberungen a u s g i n g u n d W i e n s i c h d e n b e i d e n „ T y r a n n e n " u n t e r w e r f e n m ü s s e . Für Frankreich w ü r d e d i e s d e n überstürzten R ü c k z u g a u s d e n i m R e i c h b e s e t z t e n G e b i e t e n u n d d a m i t d e n V e r l u s t a l l e r P f a n d e r i m Verh a n d l u n g s p o k e r b e d e u t e n . 5 7 A u c h C h o i s e u l b e f ü r c h t e t e S c h a d e n für Frankreichs A n s e h e n i m R e i c h , w e n n m a n s i c h dort a u f e i n e n F r i e d e n o h n e f r a n z ö s i s c h e B e t e i l i g u n g b z w . v o r A b s c h l u ß der b r i t i s c h - f r a n z ö s i s c h e n V e r h a n d l u n g e n e i n i g e n würde. 5 8 D e n F r i e d e n anzustreben, darin s a h Praslin, der an d i e bereits seit l ä n g e r e m andauernden V e r h a n d l u n g e n m i t d e n B r i t e n dachte, k e i n e A u f g a b e der p o l i t i s c h e n P r i n z i p i e n , d e n n m a n reagiere a u f e i n e v o l l k o m m e n n e u e Situation: „Wenn wir heute dem Frieden zuneigen, wird man diesen Umschwung nicht unseren wankelmütigen Grundsätzen zuschreiben. Wir beugen uns den Umständen. Einerseits haben wir Martinique verloren, dessen Rückgabe man uns jetzt anbietet, und wir können n o c h weitere Rückschläge zur See erleiden. Andererseits darf man sich nicht darüber h i n w e g täuschen, daß die Angelegenheiten des Kontinents vollständig ihre Gestalt geändert haben. Der Tod der Zarin, die daraus resultierenden furchtbaren Folgen, die Tag für Tag deutlicher werden, die Unruhe, der Aufregung, die Schwäche und Mutlosigkeit des Wiener Hofes, die ihn bedrohende Gefahr, seine Erschöpfung, der v o n ihm geäußerte Wunsch, den Krieg zu beenden, schließlich die von ihm uns gegenüber erklärte Unfähigkeit, ihn fortzusetzen, der Abfall Schwedens und die Gewißheit, daß die französische und österreichische Armee keinen entscheidenden Erfolg erringen können - all dies sind g e w i c h t i g e Gründe, die uns heute gegen unsere Neigung und unser erklärtes System dem Frieden g e neigter machen. Aber, Monsieur, angesichts der gegenwärtigen Lage bewegen wir uns nur in Richtung Frieden, wenn wir ihn für uns und unsere Verbündeten stabil und ehrenhaft schließen können". 5 9

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mit preußischer Unterstützung Dänemark zur Herausgabe des von diesen gehaltenen gottorfischen Anteils am Herzogtum Schleswig zwingen. Einen Krieg hatte er dabei fest einkalkuliert, sein Sturz kam dem zuvor, vgl.: Hübner, Staatspolitik und Familieninteresse, S. 13-17,175-198. AAE CP Autriche 288, fol. 239-243', Praslin an Châtelet, 17. Mai 1762, fol. 24Γ-242': „Nous sçaurons encore d'une manière certaine par différens endroits que le Roy de Prusse depuis ses liaisons intimes avec le Czar auroit formé des projets de conquête et d'agrandissement. Il s'ensuit de là que si nous manquerons l'occasion de faire la paix, elle deviendra de plus en plus difficile, et la cour de Vienne finira par se trouver obligée de se soumettre aux loix de deux tyrans, et les armées françoises forcées d'évacuer l'Allemagne, nous perdrons les conquêtes que nous y avons faites et qui nous servent aujourd'huy de compensation". Rashed, The Peace of Paris, S. 136. AAE CP Autriche 288, fol. 343 r -348\ Praslin an Châtelet, 31. Mai 1762, fol. 343 v -344 r : „Si nous inclinons aujourd'huy à la paix, on ne sçauroit attribuer ce changement à une instabillité dans nos principes: nous ne faisons que céder aux circonstances; d'un côté nous avons perdus la Martinique dont on nous offert la restitution, et nous pouvons encore eprouver d'autres malheurs maritimes; de l'autre on ne peut se dissimuler que la face des affaires du continent a totalement changé à nôtre prejudice; la mort de la Czarine; les suites fâcheuses qui en résultent et qui se développent aujourd'huy de plus en plus; les inquiétudes, les allarmes, la foiblesse et le découragement de la cour de Vienne; le péril qui la menace; son épuisement; le désir qu'elle nous témoigne de terminer la guerre; enfin l'impuissance qu'elle nous avoiie de la continuer; la défection de la Suède et la certitude morale que les armées françoises et impériales ne peuvent avoir aucun succès décisif; tels sont les puissants motifs qui nous font aujourd'huy entrer dans des vues pacifiques contre nôtre propre inclination et le sistème que nous avions embrassés. Au surplus, Monsieur, nous n'inclinons vers la paix qu'autant que nous pouvons la faire d'une manière solide et honorable tant pour nous que pour nos

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Auch Châtelet teilte diese Auffassung, die bereits zur neuen Richtlinie der französischen Außenpolitik geworden war.60 Er sah sogar in der Herbeiführung des Friedens eine Chance für die Erhaltung der französischen Reputation im Reich, denn es sei nun möglich, daß Frankreich über London Druck auf Friedrich den Großen ausüben und ihn so dazu bewegen könne, Wien akzeptable Friedensbedingungen zu präsentieren. Kaunitz zeige sich derzeit sehr folgsam, und so werde Ludwig XV. die Rolle des „arbitre de la paix d'Allemagne" übernehmen.61 Diese Einschätzung des Botschafters war zweifellos zu optimistisch, doch wurden Praslin und Choiseul - und auch der König - dadurch in ihrer Entscheidung bestärkt. Auch Kaunitz beeilte sich nun, den Friedenswillen Wiens zu signalisieren, um eine Isolation Österreichs als des letzten im Krieg verbleibenden Akteurs zu vermeiden.2 Der Putsch gegen Zar Peter, dem Kaunitz nur eine kurze Regierung vorhergesagt hatte63, schien auf österreichischer Seite die Friedensbereitschaft wieder in Frage zu stellen. Châtelet leitete nicht nur erste Charakterisierungen der Zarin Katharina nach Versailles weiter64, sondern beobachtete auch, wie Kaunitz alles daran setzte, die neue Regentin für die Allianz ihrer Vorgängerin zu gewinnen. In den Wochen der Ungewißheit, als nicht klar war, ob Katharina zur Politik Elisabeths zurückkehren, das von ihrem Mann geschlossene Bündnis mit Friedrich fortsetzen oder einen eigenständigen Kurs einschlagen würde, lebte erneut das „traditionelle" Mißtrauen zwischen Wien und Versailles auf. Châtelet führte das Schweigen Kaunitz' über die Vorgänge in St. Petersburg auf dessen eifersüchtiges Bemühen zurück, einziger und bevorzugter Ansprechpartner Rußlands zu sein und jeden Aufbau eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Versailles und dem Zarenhof zu behindern.65 Frankreich bedürfe jetzt eines fähigen Gesandten in Rußland, um das Vorgehen der Österreicher genau zu beobach-

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alliés, eu égard aux circonstances présentes". Zum Stand der Friedensverhandlungen im Frühjahr 1762 siehe: Rashed, The Peace of Paris, S. 115-146. Rashed, The Peace of Paris, S. 135. AAE CP Autriche 289, fol. 5Γ-18Γ, Châtelet an Praslin, fol. l l v - 1 2 v : „Si vous vous rappeliez, Monsieur, mes dernières depesches, vous verrez que j'avois bien prévu que les menaces du despote russe seroient les meilleures arguments qu'on pût lui opposer, il faut l'apporter en grande partie à cet événement de voir maintenant la docilité de M. de Kaunitz sur la France. Nous devons croire qu'il aura la même influence sur la nature des conditions et je vois avec satisfaction le Roy devenir l'arbitre de la paix d'Allemagne, et la reconciliation de S. M. avec ses ennemis directs donner le ton à la pacification de l'Europe. Il faut cependant apprécier jusqu'à quel point les Anglois disposent du Roy de Prusse et si ce prince sûr d'entraîner le Czar dans toutes ses volontés ne se refusera pas à des conditions supportables pour la cour impériale". Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 283. AAE CP Autriche 288, fol. 320-327', Châtelet an Praslin, 27. April 1762, fol. 322'" v : Kaunitz ist der festen Überzeugung „que son [Peter III.] régne ne peut être long et que ses débauches ou ses folies le priveront [...] du thrône ou de la vie. Il est sûr que les excès en tout genre auxquels ce prince se livre avec toute la brutalité de son caractère doivent laisser quelqu'espérance de cette nature à ses sujets et à ses voisins". AAE CP Autriche 291, fol. 35 r -46 v , Châtelet an Praslin, 6. September 1762, fol. 39'. AAE CP Autriche 290, fol. 146-156', Châtelet an Praslin, 30. Juli 1762, fol. 147 v -149 r : „La cour de Vienne a depuis longtems un amour de préférence pour celle de Russie et cherche à luy inspirer des sentimene exclusif. Cette passion est surtout la manie de M. le comte de Kaunitz et il craint sans doute de mettre un tiers dans la confidence des moyens qu'il compte employer pour la rendre heureuse; Je crois cette politique entièrement fausse, mais vous en avés vu plus d'une fois les effets pendant le règne de l'Impératrice Élisabeth et même dans le tems que celuy de Pierre trois ne laissoit plus aucun espoir au ministère autrichien de ramener la Russie à ses anciennes liaisons et à ses anciens principes. Nous ne devons pas nous le dissimuler, Monsieur, jamais la cour de Vienne ne nous verroit qu'avec regret à côté d'elle en Russie, jamais elle ne nous verroit y partager son influence, sans se livrer à des mouvemens de jalousie qu'il serait difficile à calmer; enfin jamais elle ne nous fera une confidence entière de ses projets et de ses intrigues que quand elle ne pourra s'en dispenser".

II. Das Òsterreichbild

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ten, die alle Mittel einsetzen würden, die junge Zarin auf ihre Seite zu ziehen.66 Die Verstimmung über Kaunitz wuchs, als in Versailles bekannt wurde, daß der österreichische Botschafter die Zarin über den Stand der britisch-französischen Verhandlungen informiert und damit gegen die von Praslin erbetene Geheimhaltung verstoßen hatte.67 Das Zögern des Staatskanzlers über den einzuschlagenden Kurs gab indes den Franzosen einen entscheidenden Vorsprung für ihre Verhandlungen mit den Briten, die durch die Entsendung des Herzogs von Nivernais nach London Anfang September forciert wurden.68 Der Aushandlung eines Friedens zwischen Wien und Berlin stand vorerst noch, so sah es Chätelet, der endgültige Klärungsprozeß über seine Grundlagen entgegen. Maria Theresia, so zeigt seine Depesche vom 29. September, hielt noch immer am Gewinn von Glatz fest, an einer Forderung, deren Durchsetzung der Botschafter für unwahrscheinlich hielt, da Friedrich sich zweifellos nicht mit der Rückeroberung von Schweidnitz begnügen werde.69 Dagegen konnte Praslin von der Bereitschaft des Preußenkönigs berichten, Verhandlungen aufzunehmen. Dies sei auf das sowohl an Wien als auch an Berlin ergangene Angebot der Zarin zurückzuführen, mit ihren „bons offices" zur Schaffung des Friedens beizutragen. Praslin vermutete dahinter verschiedene Motive. Einmal zeige sich hier die Abkühlung der britischpreußischen Freundschaft, denn einen ähnlichen Vorschlag hatte Friedrich der Große zuvor abgelehnt. Zum anderen deute dies daraufhin, daß sich der Preußenkönig eine propreußische Wendung in Rußland erhoffte und damit rechnete, daß Katharina ihre anfangliche Distanzierung zurücknahm. Und drittens vermutete Praslin militärisches Kalkül. Eine Vermittlung, die über St. Petersburg führe, laufe auf langwierige Verhandlungen hinaus und würde Friedrich die Möglichkeit wahren, seine militärischen Ziele zu erreichen.70 Doch vorerst blieben 66 67 68

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Ibid. fol. 149v-152r. Ibid. fol. 170-17Γ, Praslin an Châtelet, 31. Juli 1762; siehe auch: Rashed, The Peace of Paris, S. 231. Vgl. zum Gang der Verhandlungen: Rashed, The Peace of Paris, Kapitel 5, S. 159-191; zur Mission Nivernais' auch: Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, S. 387-404. AAE CP Autriche 291, fol. 138-149', Châtelet an Praslin, 29. September 1762, fol. 14Γ-143': „II m'a paru à cette occasion que le désir de garder le comté de Glatz étoit un peu plus enraciné que par le passé dans le cœur de l'Impératrice, et que ce qu'elle appelleroit maintenant une paix humiliante ce serait celle qui aurait pour base la restitution absolue préalable de toutes ses conquêtes. La forteresse de Glatz lui est, dit-elle, indispensable pour la sûreté de la Bohême. Elle sent que le Roy de Prusse peut vouloir mettre son honneur à ne rien perdre, mais elle ajoute qu'elle met aussi sa vanité à conserver quelque chose pour fruit d'une guerre aussi longue aussi ruinieuse et aussi injuste. Et qu'en partant de l'uti possidetis pour base d'un traité quelconque, elle ne croit pas s'écarter des règles de la modération, ni s'aveugler sur l'état de ses forces et sa situation vis-a-vis du Roi de Prusse. Comme je ne m'étois proposé que de connoître la façon de penser actuelle de l'Impératrice sur les différents objets qui se présenteraient naturellement dans le cours de ma conversation, je n'ai, Monsieur, ni combattu ni approuvé les idées de S. M. Impériale. Je me suis borné à les discuter impartialement, mais je crois vous prévenir queje ne l'ai jamais trouvée si ferme sur le désir absolu de conserver le comté de Glatz, et je commence à croire qu'à moins que le Roi de Prusse ne bornât pas les succès de sa campagne à la prise de Schweidnitz, elle aura la peine à en fairer le sacrifice". (Hervorhebung im Text). Ibid. fol. 48'-50 v , Praslin an Châtelet, 10. September 1762, fol. 49 r -49 v : „L'ambassadeur impérial m'a confié que la cour de Russie ayant fait faire au Roy de Prusse ainsy qu'à S. M. et à l'Impératrice Reine des ouvertures sur le désir qu'elle a de voir la paix établie et sur la disposition où elle est d'y employer ses bons offices, ce prince ne les a point rejetés et y a répondu d'une manière fort amicale. La conduite du Roy de Prusse en cette occasion est remarquable en ce que nous sçavons d'un autre côté qu'il n'a pas répondu aux instances que l'Angleterre luy a fait sur le même objet. On peut lui supposer trois motifs: Γ un grand refroidissement entre lui et la cour britannique. 2° L'espérance de trouver des dispositions favorables à Petersbourg, espérance qui n'est peut-être pas sans fondement puisque nous remarquons que la conduite de la nouvelle Impératrice est bien différente des sentimens qu'elle a anoncé en montant sur le trône. 3° le

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

alle Anläufe vergebens, denn beide Gegner versuchten, sich noch einmal auf dem Schlachtfeld Vorteile zu verschaffen. Dies sollte erneut den Preußen besser gelingen.71 Der Friede von Hubertusburg Es war der Präliminarfrieden von Fontainebleau zwischen Frankreich und Großbritannien, der schließlich auch den Friedensschluß zwischen Österreich und Preußen herbeiführte. Kaunitz' langes Zögern, auch bedingt durch eine Krankheit, die ihn vom Spätsommer bis in den Herbst weitgehend an der Führung der Amtsgeschäfte hinderte72, hatte ein Ende, als dank sächsischer Vermittlung Ende November die Verhandlungen mit Friedrich dem Großen aufgenommen wurden.73 Zu diesem Zeitpunkt hatten die britisch-französischen Gespräche bereits ihren Abschluß gefunden. Am 3. November 1762 hatten die Unterhändler in Fontainebleau einen Präliminarvertrag unterzeichnet, der die Grundlage des Friedensvertrages vom 10. Februar 1763 bildete.74 Praslin teilte Châtelet den Abschluß am 6. November mit und vergaß nicht, zu ergänzen, daß die französisch-österreichischen Verträge ausdrücklich bestätigt worden seien. Die Allianz profitierte hier vom Bruch zwischen Berlin und London, das seinen „Festlandsdegen" fallen gelassen hatte.75 Châtelet zeigte sich gut informiert über den Verlauf der Verhandlungen im nahe Leipzig gelegenen Jagdschloß Hubertusburg. Grundlage der Verhandlungen waren für Wien vier Punkte: 1. der Einschluß Sachsens in den Frieden, 2. die Berücksichtigung der Entschädigungsforderungen einzelner Reichsstände durch Preußen, 3. eine allgemeine Amnestie und 4. die Abtretung der Grafschaft Glatz. Diese Wiener Propositionen stellten aber keineswegs unüberwindliche Hindernisse auf dem Weg zum Frieden dar.76 Es seien Maximalforderungen, von denen man durchaus bereit sei abzusehen, sollte sich Friedrich ihnen massiv widersetzen.77 Daß man am Verbleib von Glatz nicht die Verhandlungen scheitern lassen

calcul qu'il peut avoir fait, qu'une négociation établie à Petersbourg toumeroit nécessairement en longueur par la distance de cette capitale, et qu'elle ne pourroit être terminée avant la fin d'une campagne qu'il ne veut pas interrompre". " Vgl. oben S. 140,208,291-292. 72 Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 284; Berichte Châtelets darüber: AAE CP Autriche 291, fol. 29'-32 v , Châtelet an Praslin, 6. September 1762; Kaunitz nahm die Amtsgeschäfte erst Anfang November wieder auf, ibid. fol. 296r-300r, Châtelet an Praslin, 3. November 1762. 73 Duffy, Friedrich der Große, S. 346. Zum Hubertusburger Frieden: Zusammenfassung des Forschungsstandes und konzentrierte Darstellung bei Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 90-126; „unkritisch" und mit „scharfer antiösterreichischer Tendenz" (Duchhardt): Beaulieu-Marconnay, Der Hubertusburger Friede, mit Quellenanhang; zu den religionspolitischen Vereinbarungen des Friedens jetzt: Bergerhausen, Friedensrecht und Toleranz, S. 157-193; zur Haltung der Kurie: Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg, S. 358-368; zur Rolle der preußischen Westprovinzen im Friedensprozeß: Carl, Okkupation und Regionalismus, S. 62-65. 74 Zu den Einzelheiten siehe: Rashed, The Peace of Paris, S. 159-200. 75 AAE CP Autriche 291, fol. 322-327', Praslin an Châtelet, 6. November 1762, fol. 322-323'; zum Bruch der britisch-preußischen Allianz: Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 115-118; zuletzt: Schweizer, England, Prussia and the Seven Years War, S. 226-237. 76 AAE CP Autriche 292, fol. 311 -320', Châtelet an Praslin, 17. Dezember 1762, fol. 313v-317'. 77 Ibid. fol. 317v-318': „Je ne doute pas que la cour de Vienne ne se relâche successivement de ce qui fait l'objet de ses premières propositions, et que si le Roi de Prusse donne les mains à la paix avec la· seule condition de l'oubli du passé et de la restitution pleine et entière de chaque pays à son ancien maître dans l'état où il se trouvera lors de la cessation des hostilités, la cour impériale laisse échapper l'occasion qui luy est offerte de se procurer un repos qui luy est si nécessaire".

II. Das

Österreichbild

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werde, davon war Châtelet überzeugt.78 Praslin teilte die hier ausgedrückte Zuversicht über den möglichen Verlauf der Verhandlungen, denn es bestünden die besten Voraussetzungen dafür, da Friedrich II. zur Rückkehr zum Status quo ante bereit sei und die Kaiserin auf Eroberungen verzichten werde.79 Somit war der Weg frei zum Vertragsabschluß. Die weiteren Depeschen Châtelets über die Verhandlungen betrafen die mühselige Einigung über den Wortlaut des Vertragstextes. Probleme bereiteten seinen Berichten zufolge die Fragen nach dem Einschluß des Reiches in den Vertrag, ob die Verbündeten namentlich genannt werden oder welche Absprachen über den Handel aufgenommen werden sollten.80 Doch die Verhandlungspartner verzichteten auf eine langwierige Diskussion der strittigen Punkte und kamen zu einer schnellen Einigung. Am 18. Februar 1763 konnte Châtelet die Unterzeichnung des Friedens und erste Details seiner Regelungen nach Versailles melden. Auch wenn Wien seine Forderung nach der Rückgabe von der Grafschaft Glatz nicht habe durchsetzen können, so dies jedoch bei den Artikeln über den Handel und über den Schutz der katholischen Religion in Schlesien gelungen.81 Die Resonanz auf das Kriegsende aber sei gedämpft: „Die vor wenigen Stunden eingetroffene und auf der Stelle bekanntgegebene Nachricht vom Friedensschluß, scheint mir nicht das Gefühl einer lebhaften Freude auszulösen. Die Deutschen sind Phlegmatiker, und im übrigen hinterläßt dieser notwendige und herbeigesehnte Frieden viele noch lange blutende Wunden und bietet in Wahrheit keinerlei Trost, der die Öffentlichkeit beeindrucken und somit verhindern könnte, daß es seine Schmerzen fühlt. Aber trotz allem glaube ich an eine zufriedene Kaiserin, und sie hat Recht dazu".82

Daß der Botschafter mit seinem Urteil hinsichtlich der Erleichterung Maria Theresias richtig lag, belegt sein Bericht von einer Audienz nur wenige Tage später. Zumindest im Gespräch mit dem Vertreter des französischen Königs ließ die Monarchin keine Zweifel - und dies war keine Verstellung83 - an ihrer Freude über das Ende des Krieges. Châtelet gab die Komplimente im Namen des Königs zurück und betonte das Interesse seines Herrn an einem dauerhaften Frieden. Über die bloße Höflichkeit hinaus aber gingen die weiteren Äußerungen 78

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Ibid. fol. 318r_v: „Quant à la cession du comté de Glatz, cette condition n'est point sine qua non. On compte s'en relâcher suivant les circonstances et mes notions ne me portent même à croire que M. de Colembach y est suffisamment autorisé, supposé que dès les premiers moments de la négociation, cet objet paroit de nature à la faire échouer". Über den österreichischen Unterhändler Heinrich Gabriel Freiherr von Collenbach siehe: Bergerhausen, Friedensrecht und Toleranz, S. 177-178. Ibid. fol. 367'-368v, Praslin an Châtelet, 24. Dezember 1762, fol. 368v: „Je me flatte cependant qu'elle [la paix] sera faite incessament, puisque le Roi de Prusse est d'accord de remettre les choses sur le pied où elles étoient avant la guerre, et que la cour de Vienne a pris le parti sage et nécessaire de renoncer à toute idée de conquête". AEE CP Autriche 293, fol. 125-131', Châtelet an Praslin, 12. Januar 1763. Vgl. dazu: Beaulieu-Marconnay, Der Hubertusburger Friede, S. 121-174. AAE CP Autriche 293, fol. 381Γ-386Γ, Châtelet an Praslin, 18. Februar 1763, fol. 382'"v. Châtelet bezieht sich auf die Artikel XIII-XIV des Hubertusburger Friedens, vgl.: Consolidated Treaty Series, Bd. 42, S. 354; Bergerhausen, Friedensrecht und Toleranz, S. 189-192. AAE CP Autriche 293, fol. 384r_v: „La nouvelle de la paix arrivée ici depuis peu d'heures et publiée sur le champs ne me paroît pas avoir répandu la sensation d'ime joye bien vive. Les Allemands sont flegmatiques et d'ailleurs cette paix si nécessaire et si désirée laissera après elle bien des playes qui saigneront encore longtemps et n'offrent à la vérité aucune fiche de consolation qui puisse faire illusion au public, et l'empescher de sentir ses maux. Malgré célà, je crois l'Impératrice bien aise et elle a raison". Vgl. Arneth, Maria Theresia, Bd. 6, S. 416-417.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

Maria Theresias, die die Depesche übermittelten, denn sie enthielten ein Bekenntnis zur Allianz, zum „System" der beiden Höfe, das auch weiterhin Bestand haben sollte. Die Kaiserin warnte Châtelet vor den Annäherungsversuchen der „alten" Freunde, in diesem Fall die der Briten, die bislang vergeblich versucht hätten, wieder an alte Bande anzuknüpfen. Aber, so ließ sie dem französischen König versichern, er könne immer auf sie zählen.84 Praslin befahl im übrigen, den Kontakt mit dem preußischen Gesandten auf den reinen Austausch von Höflichkeiten zu beschränken.85 Einmal mehr wird deutlich, wie sehr die Allianz von 1756 auch ein Werk der beiden Herrscher und nicht nur ihrer politischen Berater war, was ein Beleg für den Gestaltungswillen der „absoluten" Monarchen ist: „Sie [Maria Theresia] verließ sich in dieser Hinsicht ganz auf die Treue Ihrer Majestät und abgesehen von den Beziehungen, die man zu Mächten hat, mit denen man in Frieden lebt und in Frieden bleiben möchte, wünschte sie nichts anderes als eine enge und vertraute Verbindung mit Ihrer Majestät. Sollten wir weiterhin vereint bleiben, würden wir immer die stärksten sein, wenn es sich um die Wahrung des Friedens handele, den sie für die Dauer ihrer Herrschaft und ihres Lebens zu halten gedenkt".86

Ein solches Bekenntnis konnte nicht ohne Reaktion bleiben. Praslin antwortete am 2. März und ließ, den Friedensschluß bilanzierend, keinen Zweifel am Willen Frankreichs, daß Bündnis zu „zementieren", es eine eigene Tradition entwickeln und so an Legitimität gewinnen zu lassen: „Ich bitte Sie, Monsieur, der Fürstin und ihrem Minister meine Komplimente zu überbringen und ihr zu wiederholen, was ich Ihnen vielfach geschrieben habe, nämlich, daß nach einem sehr unglücklichen Krieg wir aus dem Frieden einen dauerhaften und ehrenhaften Vorteil ziehen können, indem wir mehr und mehr unsere Allianz festigen, die um so respektabler wird, je älter sie sein wird".87

Daß der Frieden keine Niederlage und keineswegs ein Triumph für Friedrich den Großen, sondern durchaus ehrenvoll für Österreich sei, ist die Quintessenz der für Châtelet bestimmten Bilanz des Außenministers.88 Dennoch war man auf allen Seiten nicht zum Feiern aufge84

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AAE CP Autriche 293, fol. 411^19', Châtelet an Praslin, 22. Februar 1763, bes. fol. 412Μ16 Γ , fol. 413'~v: „Elle m'a dit qu'il falloit s'attendre que chacun rechereroit bientôt ses anciennes liaisons, et qu'elle auroit à repousser plusieurs attaques des Anglois, comme nous en aurions sans doute à essuyer de pareilles de la part du Roy de Prusse, mais que le Roy pouvoit compter à jamais sur elle". AAE CP Autriche 295, fol. 306r-314v, Praslin an Châtelet, 16. September 1763, fol. 307v-308r. Ibid. fol. 413v—414r: ,311e se reposoit entièrement sur la fidélité de S. M. à son égard, et qu'à l'exception des ménagements qu'il falloit garder avec des puissances avec lesquelles on étoit, on vouloit demeurer en paix, elle ne désiroit de liaison étroite et intime qu'avec sa Majesté, qu'elle étoit, plus que jamais convaincue de la bonté de nôtre sistème et qu'en restant bien unis nous serions toujours les plus forts surtout lors qu'il s'agiroit du maintien d'une paix, qu'elle souhaitoit de perpetuer autant que son règne et que sa vie". AAE CP Autriche 294, fol. 3 r -6 r , Praslin an Châtelet, 2. März 1763, fol. 3V: „Je vous prie, Monsieur, d'en faire mes complimens à cette Princesse et à son ministre, et de leur répéter ce que je vous ai mandé bien des fois, je veux dire qu'après une guerre très malheurese nous pouvons retirer de la paix un avantage commun aussi solide qu'honorable, en cimentant de plus en plus nôtre alliance qui deviendra autant plus respectable qu'elle sera plus ancienne". Ibid. fol. 3r_v: „À ne considérer que la réintégration compiette de ce prince [Friedrich II.] dans les États qu'il possédait avant la guerre, on ne peut disconvenir que sa paix ne soit très brillante, et qu'il ne sorte glorieusement d'une guerre dans laquelle il devoit succomber au nombre et à la puissance de ses ennemies, mais en examinant la paix que relativement à l'état actuel des choses, je trouve que l'Impératrice se tire

II Das Òsterreichbild

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legt, und so gab es keine Friedensfeste wie 1648 im Reich, sondern man müsse, so Praslins Schluß, „sich auf beiden Seiten damit beschäftigen, die Wunden zu heilen, die Finanzen und die innere Verfassung wieder in Ordnung zu bringen und schließlich der Allianz die ihr zukommende Achtung verschaffen".89 Neben diese Aufgaben traten schon bald wieder dringende außenpolitische Fragen - das Schicksal Polens - in den Vordergrund. Außerdem wurde die in Hubertusburg vereinbarte Wahl des römischen Königs nunmehr nicht von Preußen, sondern vom Pfälzer Kurfürsten in Frage gestellt. Zwar sollte die Königswahl eine schnelle Lösung finden90, doch kündigten sich in der Frage der polnischen Sukzession erneut Spannungen zwischen den Höfen von Versailles und Wien an.91 Zu einer ernsthaften Gefahrdung der Allianz sollten sich diese Fragen aber nicht entwickeln. In den ersten zwei Jahren von Châtelets Wiener Mission verschoben sich die Schwerpunkte des Interesses an der Habsburgermonarchie. Der Anordnung aus Versailles folgend, beobachtete der Botschafter verstärkt die Reformtätigkeit des Staatskanzlers, um von ihr gegebenenfalls auch Anregungen für Reformen in Frankreich zu erhalten. Gleichwohl räumte Châtelet Kaunitz' Bemühungen geringe Erfolgschancen ein, denn er sah in ihnen vor allem Maßnahmen zur Festigung seiner Position als inoffizieller Premierminister. Überhaupt traten die Spuren von sechs Jahren stärker Krieg in das Blickfeld des Beobachters. Wie in Frankreich, so drohte der Krieg auch in der Habsburgermonarchie das Staatswesen völlig auszuzehren und in eine Existenzkrise zu stürzen. Der Friede von Hubertusburg wandte die drohende Staatskrise ab und sein angesichts weitreichender Kriegsziele blamabler Abschluß wurde, wenn nicht gefeiert, so doch mit einer gewissen Genugtuung aufgenommen. Das Kriegsende stellt zugleich einen Neuanfang und eine neue Probe für die Allianz dar. Beide Seiten hatten während des Krieges beständig versucht, Nutzen aus der Allianz zu ziehen. Frankreich war dabei in weit größerem Maße der Gebende, was sich aus seinem Selbstverständnis als Garant der Reichsverfassung erklären läßt. Nach Bernis' Ablösung reduzierte Choiseul zwar die Hilfe für Wien, stellte die Allianz aber nicht in Frage. Die Achse Versailles-Wien blieb erhalten, Stabilität verschaffte ihr vor allem der Wille der Monarchen. Trotz spürbaren Mißtrauens und Verärgerung enthielten Châtelets Berichte niemals Gründe, das Bündnis in Frage zu stellen. Diese Überzeugung teilte nicht zuletzt Kaunitz, der es als das beste der möglichen „Systeme" betrachtete: „Ich darf nicht vergessen", schrieb Châtelet, „Ihnen von einer sehr vertraulichen Unterredung zu berichten, die ich vor einigen Tagen mit dem Grafen Kaunitz hatte und in der der Minister voller Überschwang die Güte unseres Systems pries, die gegenseitige Freundschaft unserer Souveräne und das wechselseitige und tiefe Vertrauen unserer Mi-

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assés honorablement d'un très mauvais pas. Le Roi de Prusse auroit pû continuer la guerre avec avantage, et avec aparence de succès. Et je crois que s'il avoit été moins usé de sa personne, et qu'il n'eut pas senti ses ressources épuisées, il auroit encore hazardé une campagne. C'est ce qui m'a toujours fait penser que l'Impératrice avoit un intérêt très instant à terminer cette guerre plus tôt que plus tard. Je trouve son traité assés honorable vû les circonstances, et je pense qu'elle doit en être content". Ibid. fol. 3V: „Et que nous devons nous occuper de part et d'autre à guérir nos playes, à réparer nos finances et nôtre intérieur, et à procurer à nôtre alliance le degré de considération qu'elle doit avoir". Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 109,119. AAE CP Autriche 296, fol. 65-77', Châtelet an Praslin, 16. Oktober 1763, fol. 69'; ibid. fol. 85-87', Praslin an Châtelet, 16 Oktober 1763, fol. 85' und: fol. 123r-127v, Praslin an Châtelet, 26. Oktober 1763, fol. 124M25'. Vgl. dazu: Burkert, Frankreich und die erste Teilung Polens, S. 18-26, ohne Rückgriff auf unpublizierte Quellen; zur Haltung Ludwigs XV. zur Königswahl von 1764 siehe: AAE CP Autriche 296, fol. 89Γ-91Γ, Praslin an Châtelet, 16. Oktober 1763, fol. 89'-90'; Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, S. LVII-LXI.

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C. Das Preußen- und Österreichbild der französischen Diplomatie

nisterien. Er stellte fest, daß wir die einzigen Mächte Europas seien, die tiefgehende Verbindungen und positive Vereinbarungen untereinander haben. Er ließ die Systeme Englands und Preußens, Rußlands mit Preußen und England und schließlich die des Königs von Preußen mit allen anderen Mächten Revue passieren und legte dar, daß zwischen all diesen Mächten nur Ansätze von Verträgen und brüchige Verbindungen bestehen, die vom kleinsten Ereignis in Frage gestellt würden".92

Zusammenfassung: Die Entwicklung der französisch-österreichischen Allianz im Urteil der Diplomaten Bestätigt dieser Gang durch die Korrespondenz der französischen Diplomaten am österreichischen Hof das von Richard Waddington geprägte und auch jüngst wieder bekräftigte Urteil, der Regierung Ludwigs XV. hätte es an „politischen Scharfblick" gefehlt?93 Ist das Ergebnis des Siebenjährigen Krieges tatsächlich als „Scherbenhaufen" zu bezeichnen?94 Das in den vorangegangenen Kapiteln rekonstruierte Bild der Habsburgmonarchie und der Evolution der französisch-österreichischen Allianz enthält zahlreiche Gründe, die dafür sprechen, diese Urteile zu revidieren. Die Auswertung der parallel zu den französisch-österreichischen Verhandlungen 1755-1756 entstandenen Depeschen ergibt das Bild einer an einem stabilen Ausgleich mit Frankreich interessierten Monarchin. Zwar gingen die Schlußfolgerungen des Gesandten Aubeterre in die falsche Richtung, nämlich daß über alle Verstimmung hinweg die österreichisch-britische Allianz von Dauer sein werde, insgesamt aber sind die Äußerungen über die Kaiserin, ihr Umfeld und vor allem das Porträt ihres Staatskanzlers Kaunitz weitaus positiver als die Kommentare über Friedrich den Großen, der seine Verbündeten beständig vor den Kopf gestoßen und mit der Unterzeichnung der Westminsterkonvention zweifellos eine imaginäre Grenze überschritten hatte. In den ersten Monaten nach Abschluß des Defensiwertrags von 1756 und kurz nach Beginn des Krieges zeichnen die zahlreichen französischen Beobachter Wiens indessen ein uneinheitliches Bild: um Unparteilichkeit bemüht etwa beim Geschäftsträger Ratte, positiv beim Offizier Montazet, kritisch distanziert beim Militär Courten und beim Grafen Broglie. Gerade bei letzterem kommen antiösterreichische Reflexe noch am stärksten zum Vorschein. Dies änderte sich mit der Ankunft Choiseuls in Wien. Wenngleich dieser auch im Rückblick in seinen Erinnerungen vor allem zum zweiten Versailler Vertrag auf Distanz ging, so ergab die Durchsicht seiner Korrespondenzen eine grundsätzliche Bejahung der Allianz.

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AAE CP Autriche 296, fol. 365-370', Châtelet an Praslin, 16. Dezember 1763, fol. 365-366": „Je ne dois pas me dispenser de vous rendre compte que dans une conversation très confîdentelle que j'ai eue, il y a quelque jours avec M. le comte de Kaunitz, et où ce ministre exhalta avec beaucoup d'efusion de cœur la bonté de notre sistème, l'amitié réciproque de nos souverains et la confiance mutuelle et intime de nos ministères. Il observa que nous étions les seules puissances de l'Europe qui eussent des liaisons intimes et des engagemens positifs entre elles; enfin un sistème fixe pour l'instant et durable pour l'avenir. Il passa en revue le sistème de l'Angleterre vis-à-vis du Roy de Prusse et de la Russie, celui de la Russie avec le Roy de Prusse et l'Angleterre et enfin celui du Roy de Prusse vis-à-vis de toutes les autres puissances de l'Europe, et il prouva que toutes ces puissances n'avoient entre elles que des ébauches de traités et que des liaisons peu solides, dépendantes du moindre événement". Zur Bedeutung des „Systems" fur die politische Konzeption des Staatskanzlers vgl.: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 302-326. Waddington, Renversement, S. 239; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 80. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 130.

II. Das Österreichbild

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Gerade die frühe, der Einschätzung Rattes widersprechende Kritik von Broglie an Feldmarschall Daun bestätigte sich nicht. Die österreichische Armee fügte bereits im ersten Feldzug bei Kolin dem bislang unbesiegten Preußenkönig eine empfindliche Niederlage zu. Verbunden mit der Besetzung Hannovers deutete im Herbst 1757 vieles daraufhin, daß die Entscheidung für das Bündnis mit Wien richtig war. Frankreich hatte ein Pfand auf dem Kontinent in der Hand, und in Nordamerika wie im Mittelmeer fügte man den Briten Niederlagen zu. Für das Scheitern der Allianz mit Wien waren nicht die ihr zugrundeliegenden Konzeptionen verantwortlich, sondern vielmehr strukturelle Gründe. So verfügte das französische Heer über keinen Friedrich dem Großen ebenbürtigen Feldherren und Strategen. Frankreich war nicht in der Lage, Hannover dauerhaft zu besetzen, so wie es noch unter der Führung von Moritz von Sachsen die Österreichischen Niederlande hatte erobern können. Als nach den Schlachten von Kolin, Rosbach und Leuthen deutlich wurde, daß es keinen kurzen Krieg geben werde, hießen die politischen Konsequenzen Rückzug oder Fortsetzung des Krieges. Darüber entspann sich ein Machtkampf zwischen Bernis und Choiseul, dessen Gesandtschaft in Wien die politisch bedeutsamste des gesamten Siebenjährigen Krieges war. Je mehr Bernis auf den Frieden drängte, desto mehr betonte Choiseul die Entschlossenheit des Wiener Hofes zur Fortsetzung des Kampfes. Ein Ausscheiden aus der Koalition zu diesem Zeitpunkt hätte einen erheblichen Verlust an Reputation für Frankreich bedeutet, das, dies darf nicht vergessen werden, ja zugleich als Garant des Westfälischen Friedens in den Konflikt intervenierte und sich deshalb nicht einfach zurückziehen konnte. Diesen Aspekt hatte Bernis, der nur auf den Kriegsverlauf und die innenpolitischen Konflikte sah, vollkommen aus dem Blickfeld verloren. Seine Ablösung im Dezember 1758 ist zugleich als Beleg für die Entschlossenheit Ludwigs XV. zu werten, den Krieg fortzusetzen. Gab es auch in der Folge zwischen Wien und Paris zahlreiche Differenzen vor allem über konkrete Feldzugspläne oder über die Frage der Herbeiführung des Friedens - an der grundsätzlichen Entscheidung für Wien kann nicht gezweifelt werden. Seit der Anwesenheit Choiseuls in Wien pendelte sich das Verhältnis zwischen den Höfen auf eine Form von „distanzierter Nähe" ein. Dessen Politik zielte auf die Verwirklichung einer dem französischen Selbstverständnis als „arbiter" und europäischer Vormacht entsprechenden Rolle. Dazu gehörte, daß der Eindruck vermieden werden sollte, der Juniorpartner in dieser Allianz zu sein, woraus sich auch das beständige Mißtrauen gegenüber der weiteren Entwicklung des österreichisch-russischen Bündnisses erklärt. Die über Jahre hinweg die Wiener Politik bestimmenden Persönlichkeiten ließen seit 1756 kaum Zweifel aufkommen, die neubegründete Allianz fortzusetzen. Dies galt einerseits für Maria Theresia, eine selbstbewußte Monarchin, die trotz zahlreicher Rückschläge nicht nur an der Entscheidung von 1756, sondern auch an ihren Ratgebern und Ministern festhielt. Dies galt andererseits auch für den Staatskanzler Kaunitz, der das Bündnis verkörperte. Stabilität und Berechenbarkeit waren die entscheidenden Eindrücke, die die Berichte der französischen Diplomaten über die Wiener Regierung vermittelten. Diese Tatsache muß stärker als zuvor in die Bewertung der französischen Politik einbezogen werden. Denn deren vorrangiges Interesse galt ja, wie in den Instruktionen mehrfach betont, der Auseinandersetzung mit den Briten und der kolonialen Expansion. Die Fortführung und der Ausbau des Kolonialreiches im Frieden waren aber nur möglich, wenn in Europa, wo man sich als kontinentale Vormacht verstand, Frieden herrschte. Um diesen zu überwachen, benötigte man verläßliche Bündnispartner. Friedrich der Große hatte sich als unberechenbar und darüber hinaus als Friedensstörer erwiesen, woraufhin Maria Theresia ihn ersetzt hatte. Die Allianz mit der Habsburgermonarchie brachte für Frankreich die gewünschte Stabilität seines kontinentalen Bündnissystems.

D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

I. Louis-Augustin Blondel: Plädoyer fur ein neues „System" (1751) Einfiihrung Nachdem bislang das Deutschlandbild aus der Gesamtheit der von den französischen Diplomaten im Reich gesammelten Informationen rekonstruiert wurde, soll dies in den folgenden Abschnitten am individuellen Beispiel erfolgen. Dabei interessiert besonders, ob der Nachweis möglich ist, daß die vorgestellten Beispiele Einfluß auf Optionsbildung und Entscheidungsfindung hatten. Vorgestellt werden einerseits zwei Denkschriften von Diplomaten, die eine Kombination von Darstellung der jeweils aktuellen außenpolitischen Lage und der Formulierung von Optionen enthalten, sowie andererseits in Versailles angefertigte Memoranden von zwei premiers commis, die auf der Auswertung der eingegangenen diplomatischen Korrespondenzen beruhen und damit bereits einen weiteren Schritt innerhalb des Entscheidungsprozesses markieren. Die zu untersuchenden Stellungnahmen sind daraufhin zu befragen, ob in ihnen die bisher herausgearbeiteten Deutschlandbilder wiederkehren, und ob die getroffenen Entscheidungen die in den einzelnen Memoranden entwickelten politischen Konzepte widerspiegeln. Die exakte Zuschreibung und Rückführung einer Entscheidung des Außenministers auf eine eindeutig zu identifizierende Denkschrift eines Diplomaten ist indessen nicht möglich. Das Echo, das die zumeist selbständig angefertigten Memoranden der premiers commis hatten, hing nicht zuletzt in hohem Maße vom Rang und von der persönlichen Beziehung des Autors zum jeweiligen Außenminister ab. Soweit diese rekonstruierbar war, fließt sie in die Analyse mit ein. Blondel Schon Max Braubach hat in seiner bereits mehrfach genannten Studie auf den Diplomaten Louis-Augustin Blondel hingewiesen, der als chargé d'affaires von 1749 bis 1751 in Wien residierte. Blondel, so Braubach, sei als einer der ersten Franzosen von der „Aufrichtigkeit der Friedens- und Freundschaftsversicherungen Maria Theresias und ihrer Minister" überzeugt gewesen.1 Zum Zeitpunkt seiner Rückkehr vom Kaiserhof konnte Louis-Augustin Blondel bereits auf ein bewegtes Diplomatenleben zurückblicken, das ihn über Madrid, Turin, Hannover,

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Braubach, Versailles und Wien, S. 401.

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Mannheim, Mainz und Frankfurt nach Wien geführt hatte.2 Sein Vater war Sekretär Colbert de Torcys gewesen, und diese Verbindung hatte dem jungen Blondel die Aufnahme in Torcys Académie politique ermöglicht. Blondel zählt zu den Deutschlandexperten des französischen Außenministeriums in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dank seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu Jean-Gabriel de La Porte, Sieur du Theil, premier commis von 1715 bis 1745, stand er in engem Kontakt zu Kardinal Fleury. Bei Ausbruch des Österreichischen Erbfolgekrieges plädierte Blondel für die Einhaltung der französischen Garantie der Pragmatischen Sanktion und damit des Status quo im Reich. Ihm gelang es aber auch, sich mit den Gegnern Fleurys zu arrangieren. So fungierte er als außenpolitischer Berater Belle-Isles, dem Wortführer der antiösterreichischen Partei am Hofe. Blondel bereitete von Mainz aus die Mission des Wahlbotschafters Belle-Isle für die Kaiserwahl des Jahres 1741 vor. Mit diesem verfügte er über einen Protektor, dessen Einfluß am Hofe Ludwigs XV. auch nach dem Scheitern der Pläne einer Umgestaltung des Reiches nicht zu unterschätzen war. Blondels gute Beziehungen zu den „Cabalen" wie auch seine Erfahrung werden bei seiner Nominierung als erster Gesandter nach Kriegsende am Kaiserhofe keine geringe Rolle gespielt haben. Seine Aufgabe bestand in der Vorbereitung der Mission eines Gesandten im Botschafterrang. „Maintenir le sistème de l'Empire" Nach seiner Rückkehr aus Wien diskutierte Blondel ausgiebig mit Außenminister Puyzieulx über seine in Wien gewonnenen Eindrücke.3 Grundlage ihrer Unterredungen war vor allem seine „Sur un sistème de politique à suivre envers l'Autriche" betitelte Denkschrift, die er Anfang Januar 1751 verfaßt hatte.4 In dieser Denkschrift entwarf Blondel ein Panorama des europäischen Staatensystems nach dem Aachener Frieden, beschrieb aktuelle und potentielle Rrisenherde und skizzierte Handlungsstrategien für die französische Außenpolitik, die der Konfliktbewältigung und Friedenssicherung dienen sollten. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war ein Plädoyer gegen das starre Festhalten an traditionellen Prinzipien in der Politik, zweifellos eine bewußt-unbewußte Rezeption der Vorurteilskritik der Aufklärung. Beharre man zu lange auf ihnen, werde man nicht bemerken, daß zur Erhaltung des Staates neue Wege und das Erkennen neuer Wahrheiten notwendig seien.5 Die von Blondel gewählten Metaphern - der Politiker als Arzt - weisen ihn als Kenner der politischen Theorie aus. Die „Metaphorisierung des Politikers als Arzt" begegnet

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Über Blondels Karriere und Biographie: Externbrink, Louis-Augustin Blondel, S. 77-80; nur bis 1740: Fould, Un diplomate au XVIIIe siècle, basierend auf Blondels „Mémoires et anecdotes", BNF, n.a.f. 349, 350, siehe auch: Duchhardt, Frankreichs diplomatische Präsenz am Rhein; und: Duchhardt, Philipp Karl von Eitz, S. 49-52 u.ö. Braubach, Versailles und Wien, S. 403. AAE MD France 525, fol. 102 r -l 18v; zu den einzelnen Exemplaren siehe unten S. 352. Ibid., fol. 102r: „II est de la politique, comme de la médecine: la plupart du tems les préjugéz guident les systèmes, si le médecin appuyé toujours le sien dans l'opinion, qu'il n'y a que le sang qui occasionne la maladie, sans examiner le tempérament billieux, le malade périt. Il est de même des États, lorsque les ministres qui les gouvernent sont préocuppés d'anciens systèmes, dont il ne reste plus que le nom et le fantôme, et que peu instruit par ceux qu'ils emploient au dehors, ils ne peuvent connoître que superficiellement la vérité de certains circonstances qui peuvent les mettre en état de manœuvrer le gouvernail de l'État qui leur est confié; d'augmenter sa splendeur, de le préserver de tout trouble, et de le maintenir dans la considération où il doit être".

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

seit Piaton immer wieder in den großen Werken zur Politik, sei es bei Machiavelli, Naudé, Kardinal Richelieu oder im 19. Jahrhundert noch bei Hegel.6 Aber der Diplomat legte hier weit mehr vor, als nur ein Zeugnis seines Wissens. Er begriff Politik als eine empirische Wissenschaft, in der, wie in der Medizin, neue Erkenntnisse, neues Wissen zu neuen Behandlungsmethoden und Rezepten führen. Der Politiker wie der Arzt dürfe sich nicht nur auf hergebrachtes Wissen stützen, sondern sei verpflichtet, ständig neue Wege zu beschreiten, die der Gesundheit des Patienten bzw. dem Wohl des Staates nützen können. Beide seien zu wissenschaftlichen und vor allem rationalen Handeln ohne Rücksicht auf hergebrachte Weisheiten verpflichtet. Erweisen sich letztere als falsch, so darf man sich ihrer nicht mehr bedienen. Blondel ist also ein typischer Vertreter der Lumières, der auf die Kraft der Vernunft setzt. Darüber hinaus plädierte er nicht nur für die Aufgabe alter Denkweisen, sondern auch für die sorgfältige Berücksichtigung der Arbeit der Gesandten, deren Verhandlungen, Berichte und Informationen für die Regierung unerläßlich seien. Der Aachener Frieden hatte Veränderungen gebracht, die eine Aufgabe traditioneller Handlungsweisen erforderten. Blondels Memorandum handelt daher von den politischen Konsequenzen des Aachener Friedens, mit dem eine Neupositionierung der Mächteverhältnisse in Europa einherging, die von ihm beschrieben und in ihren Konsequenzen analysiert werden. Im Mittelpunkt seines „Systems" standen Österreich, Großbritannien, Preußen und das Reich. Ganz im Gegensatz zur französischen Öffentlichkeit, die anläßlich des Friedensschlusses das Sprichwort „bête comme la paix" prägte7, sah Blondel in ihm einen Erfolg. Zum einen habe Ludwig XV. ganz Europa seine „modération" bewiesen, zum anderen sei er seinen Alliierten gerecht geworden, indem er ihnen geholfen habe, ihre Ansprüche zu befriedigen.8 Das bedeutendste Ergebnis des Krieges - und des Friedens - für Frankreich bestand für ihn jedoch in der Sicherung der französischen Westgrenze: „Dennoch hat dieser Krieg einen tatsächlichen Vorteil für Frankreich gebracht. Es hat sich für seinen gesamten Besitz auf Dauer Sicherheit verschafft, denn durch die Schleifung Freiburgs geht vom Rhein keine Gefahr mehr dadurch aus, daß sich das Haus Österreich dieses Ortes für einen Angriff auf unsere Grenzen bedient".9

Die Zerstörung der Festung Freiburg sei um so höher einzuschätzen, so der Deutschlandexperte Blondel, weil jetzt Wien nur noch geringen Druck auf den Schwäbischen Kreis ausüben könne, wodurch dieser an Handlungsfreiheit gewinne. Auch die Ereignisse in Frankreich während des Krieges - Ludwigs Reise ins Elsaß, um dort einen Angriff Österreich 6 7 8

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Münkler, Politische Bilder, S. 132-140; vgl. auch: Richelieu, Testament politique, S. 349. Antoine, Louis XV, S. 400. AAE MD France 525, fol. 102v-103r: „Cette guerre qui a été terminée à l'avantage de la France, avec un succès qu'on ne pouvoit espérer dans les années 1742 et 1743 a convaincu toute l'Europe, non seulement de la modération du Roi, mais même de la fidélité des paroles qu'il avoit donné, non seulement à ses allies, mais même à ses ennemis, auxquels il a toujours déclaré dès le commencement qu'il ne prétendoit que la satisfaction de ses alliés". Vgl. auch: Bois, Fontenoy, S. 124-128. Ibid. fol. 103': „De cette guerre, il en est cependant résulté l'avantage réel à la France, qu'elle s'est mise pour l'avenir, dans une sécurité pour toutes ses possessions de terre, car du coté du Rhin, Fribourg rasé, ne lui donne plus à craindre qu'il serve de place d'armes à la Maison d'Autriche pour venir attaquer ses frontières". Die Grenzsicherung gilt auch fur Nordfrankreich, vgl.: ibid. fol. 103r_v: „Les frontières de la France sont encore plus assurées du côté des Pays-Bas; non seulement le Roy est en état sur le soupçon des mauvaises intentions de la Maison d'Autriche de la prévenir un an d'avance, mais même de contenir les Hollandois ses alliez, pouvant être dans peu de marches à leurs portes, sans pour ainsi dire, tirer un coup de fusil".

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abzuwehren, seine Krankheit und die große Popularität, die er während dieser Zeit genoß müsse zu den Erfolgen des Krieges gezählt werden. Da der König sich entschlossen habe, den Aachener Frieden als Grundlage seines „politischen Systems" zu betrachten, gebe es nur eine Macht, die ihn unterstützen könne - das Haus Österreich.10 Zu den Ergebnissen des Friedens im weiten Sinne gehöre nämlich auch, daß das Frankreich Ludwigs XV. aus dem Schatten seines Vorgängers herausgetreten sei und den europäischen Mächten gezeigt habe, daß es nicht mehr der Expansionspolitik Ludwigs XIV. anhänge; dies sei auch in Wien begriffen worden sei: „Das Haus Österreich läßt von dem immer gepflegten Vorurteil ab, Frankreich strebe die Universalmonarchie an, dessen es sich oft bedient hat, um ganz Europa gegen Frankreich zu hetzen".11

Blondel versuchte nun, vor allem die Frage des Verhältnisses Frankreichs zu England und zu Österreich zu klären und die französischen und österreichischen Bündnissysteme zu analysieren. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war der Aachener Friede, der der österreichischen Macht erhebliche Einbußen beschert habe. So seien Neapel und Sizilien, Schlesien, Belgrad und die Festung Freiburg verloren gegangen, die Niederlande seien kaum gegen Angreifer zu verteidigen, die restlichen Besitzungen in Italien kaum in der Lage, sich selbst zu finanzieren. An allen Grenzen lauerten potentielle Feinde: im Westen Frankreich, im Osten die Türken, im Reich Preußen und in Italien warte Sardinien nur darauf, das Herzogtum Mailand zu schlucken. In dieser Lage sei alles Trachten des Herrscherpaares darauf gerichtet, den Frieden zu wahren und sich dem Wiederaufbau der durch den Krieg geschwächten Territorien zu widmen. Ihr innenpolitischer Reformeifer treffe jedoch auf den Widerstand besonders des Adels, des Klerus und des Militärs, und diesen zu überwinden erfordere die ganze Kraft der Herrscherin. Sie sei durch die Bündnisse mit Rußland und England abgesichert, doch diese dienten nur dazu, den Besitzstand zu wahren, ohne daß sie irgendeine Perspektive in Richtung einer möglichen Expansion oder Rückgewinnung verlorengegangener Territorien eröffneten. Besonders die englische Allianz weise ein deutliches Ungleichgewicht auf, da London die Kaiserin dazu gebracht habe, Schlesien an Preußen, Teile Mailands an Sardinien abzutreten und sie schließlich zur Annahme des Aachener Friedens gezwungen habe. Maria Theresia habe ihm, Blondel, mehrfach ihre Unzufriedenheit und Verbitterung über das Verhalten Londons zu verstehen gegeben.12 Blondeis Analyse englischer Politik konzentriert sich auf die Frage, ob England nicht der größte und sogar der einzige Feind Frankreichs sei.13 Für die englisch-französischen Beziehungen bedeute Aachen nur einen Waffenstillstand, resultierend aus der Erschöpfung des Gegners. Die nur auf ihren Handel blickenden Briten würden alles daransetzen, Konflikte auf dem Kontinent zu schüren, um Fortschritte des französischen Handels zu blockieren bzw. zu zerstören.14 Blondel prophezeite, daß dieser Konflikt nicht allein auf den Meeren ausgefoch10

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Ibid. fol. 103v. Ibid. fol. 102": „La maison d'Autriche, est revenue du préjugé qu'elle a toujours eu, et dont elle s'est souvent servi, pour ameuter toute l'Europe contre la France, savoir, que cette dernière visoit à la monarchie universelle". Ibid. fol. 104'-105v. Ibid. fol. 103": „considérer si l'Angleterre n'est pas le principal ennemi, et même pour ainsi dire, le seul de la France". Ibid. fol. 105v-106r: „L'Angleterre n'a mis bas les armes qu'à cause de son épuisement, bien resolüe d'occasionner une nouvelle guerre contre la France, pour achever de ruiner sa marine et son commerce". Zur Bekämpfung des französischen Handels durch die Briten: Niedhart, Handel und Krieg, S. 41-42.

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

ten, sondern von den Briten auch auf den Kontinent getragen werde. Englische Handelsinteressen würden gewaltsam gegen jede Konkurrenz durchgesetzt, sei es gegen das preußische Emden oder das savoyische Nizza, das österreichische Triest und das florentinische Livorno. Der Aufstieg des französischen Handels werde daher von England mit großem Argwohn beobachtet und bekämpft.15 So diene die von London betriebene Wahl des römischen Königs nur dazu, Frankreich in einen Konflikt mit dem Reich und der Kaiserin zu verwikkeln.16 Diese britische Initiative bot Blondel Anlaß, die Klientelverhältnisse im Reich zu beschreiben. Köln und Bayern würden von London bezahlt, hingegen könne Frankreich sich auf den Pfälzer Kurfürsten und auf den Herzog von Württemberg stützen. So sei zugleich hier zeigt sich seine Kenntnis der Reichsverfassung - französischer Einfluß in den wichtigsten Reichskreisen, damit bei den Organisatoren des Reichskrieges gesichert. Doch die entscheidende Voraussetzung für eine Neugestaltung der französisch-deutschen Beziehungen sei das Verhalten von Kaiser und Kaiserin. Blondel glaubte, eine grundsätzliche Kehrtwendung in ihrem Verhalten und vor allem in ihren politischen Zielen wahrgenommen zu haben, eine Kehrtwendung, die sie letztendlich gegen britische Schmeicheleien und Überredungskünste in der Frage der Königswahl immunisiere. Beide hätten aus ihren Fehlern gelernt, die sie wegen ihres zu großen Ehrgeizes in den ersten Regierungsjahren begangen hätten. Von ihren Ministern und Ratgebern weitgehend unabhängig geworden, widmeten sie sich nun der großen Aufgabe der Rekonstruktion und seien bereit, auch die Hilfe des ehemaligen Erzfeindes anzunehmen, um das verlorengegangene Erbe zurück zu gewinnen.17 Für dieses Projekt stehe England nicht zur Verfügung, da es mit britischen Handelsinteressen nicht vereinbar sei. Schon der Verlauf des letzten Krieges habe gezeigt, daß das österreichische Interesse an der Verteidigung der Erblande in den Augen der Seemächte keine Priorität besaß. So mußte Wien einen Überfall Preußens abwehren und gleichzeitig Truppen zur Verteidigung der Niederlande und Unterstützung der Briten abstellen.18 Für Wien und Versailles konstatierte Blondel hingegen eine Identität der Interessen. Beide Höfe seien am Fortbestand des Friedens interessiert, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen; Frankreich wolle den Ausbau seiner Marine und seines Handels, Österreich den Wiederaufbau. Die Verbindung mit Österreich sei für Frankreich ein Gebot der politischen Vernunft: „Was stört es den König, ob man sich aus Liebe oder aus Interesse um ihn bemüht, wenn die Motive seinem Ziel entsprechen: der Erhaltung des allgemeinen Friedens in Europa,

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AAE MD France 525, Ibid. fol. 109": „l'Angleterre cherchera incessament les occasions de renouveller la guerre, par son intérêt à ruiner le commerce non seulement de la France, mais aussi à faire avorter dès leur commencement celui que l'Empereur à Livourne, l'Impératrice à Trieste, le Roy de Sardaigne à Nice, et le Roy de Prusse à Embden ont établi, regardant tous ces canaux de commerce comme un vol qu'on lui fait et qu'elle dissipera dans, et par la guerre". Ibid. fol. 106'; zum Projekt der Königswahl in den Jahren 1750 bis 1755 vgl.: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 47-48; für die Diskussion ab 1753: Rödel, Frankreich, Kuipfalz, Kurmainz und die Frage der römischen Königswahl, passim; sowie unten Kapitel D III. AAE MD France 525, fol. 109' v: „Ces sont aujourd'hui l'un et l'autre des pères de famille, qui rangent leur maison, qui ne veulent plus rien perdre de leur héritage, qui veulent le bonifier, en attendant le moment où provoqué mal à propos et injustement, ils trouvent les moyens de récupérer ce qui a été démembré de leur héritage, et d'avoir pour cet effet, le concours de la même puissance, qui a coopéré à ce démembrement". Ibid. fol. 110r_v. Gemeint ist der Feldzug des Jahres 1745.

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der Bewahrung seines Königreiches vor einem neuen Krieg und, entsprechend seiner Würde und Macht, der Einflußnahme auf die bedeutsamsten Angelegenheiten".19 Die Übereinstimmung zwischen Frankreich und Österreich dürfe aber nicht öffentlich werden, denn beide Mächte müßten mehr oder weniger zum Schein ihre traditionellen Bündnisse aufrecht erhalten, weil als logische Folge einer offiziellen französisch-österreichischen Allianz das Zusammengehen Englands und Preußens drohe. Dies müsse aber unbedingt verhindert werden, da sich sonst die beiden größten Unruhestifter des Staatensystems verbinden und binnen kurzem eben jenes System, das zu einem großen Teil durch Frankreich erst konstruiert wurde, zerstören würden. 20 Das System benötigte in Blondeis Interpretation zufolge Allianzen, die die konfessionellen Lager überwinden, „denn was würde aus dem Reich, wenn sich die Kräfte dieser beiden Mächte [England und Preußen, S. E.] vereinigen: die an sie grenzenden Bistümer würden bald säkularisiert, die Goldene Bulle verändert, die Kurfürstentümer Mainz oder Trier oder Köln dienten einem Protestanten, wie etwa dem Landgrafen von Hessen-Kassel, der sich ihnen anschlösse, als Belohnung, die Kaiserkrone würde zwischen Protestanten und Katholiken alternieren. Das System des Reiches, auf dem die Größe und Sicherheit Frankreichs beruhe, wäre derart verändert, daß sein Frieden für immer gefährdet ist und das Haus Österreich zur Beute des Königs von Preußen oder Sachsens würde, während sich andererseits der Kurfürst von Hannover und Hessen-Kassel vergrößerten".21 Diese Schreckensvision begründete der Diplomat mit den aktuellen Konflikten im Reich, die sich nicht zuletzt an konfessionellen Problemen entzündet hatten. Besonders Preußen, so führte er aus, nehme grundsätzlich eine der kaiserlichen diametral entgegengesetzte Haltung ein. 22 Es stehe sogar zu befürchten, daß Preußen in die Rolle des Unterdrückers der deut-

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Ibid. fol. 1 1 0 v - l l l r : „Qu'importe au Roi qu'on le recherche par amour ou par intérêt, quand les motifs vont à son but qui est de maintenir la tranquilité générale en Europe, et de preserver son royaume d'une nouvelle guerre, et d'influer dans toutes les affaires majeures, comme il convient à sa dignité et sa puissance". Ibid. fol. 112': „II faut bien se donner de garde de chercher à rompre l'alliance de l'Impératrice avec l'Angleterre, cela serait aussi dangereux pour la France, qu'il le serait pour l'Impératrice de rompre celle du Roi avec le Roi de Prusse, parce que si le Roi avec l'Impératrice peuvent s'entendre avec une confiance réciproque, le Roi retiendra de son côté le Roi de Prusse comme l'Impératrice retiendra le Roi d'Angleterre, ayant un intérêt commun pour la religion, pour leurs possessions et pour maintenir le sistème de l'Empire, que ces deux puissances ne s'unissent jamais". Ibid. fol. 112r_v: „Car que deviendrait l'Empire si les forces de ces deux puissances se réunissent, les évèchés dont elles sont limitrophes seraient bientôt sécularisés, la Bulle d'or changée, l'Électorat de Mayence ou de Trêves ou de Cologne devenir la récompense d'un protestant, qui se joindrait à eux, tel que le Landgrave de Hesse Cassel, l'Empire devenir alternatif, entre les Protestane et les Catholiques. Le sistème de l'Empire qui fait la grandeur et la sûreté de la France, changé par conséquent, sa tranquilité et ses possessions toujours exposées et la Maison d'Autriche devenir la proye du Roi de Prusse, ou de la Saxe, pendant que l'Électeur d'Hanover et la Hesse s'agrandiront de l'autre côté". Ibid. fol. 112v, 113v; hier 117v: „Le Roy de Prusse et les Protestane y ont toute l'influence l'Empereur n'y a nul crédit; chacun a recours au Roi de Prusse, les uns par crainte les autres par espérances. Il n'y a pas une affaire où il ne paroisse comme dictateur, quoiqu'elle ne le regarde point, telle est celle de la noblesse immédiate de Suabe; celle de Hohenlohe, celle de la comtesse de Bentinck; celle de l'église réformée de Francfort, dans lesquelles il change des principes au moment qu'il appercoit que l'Empereur adopte les mêmes principes, pour se trouver uniquement en contrariété avec S.M.I. et la décréditer". Zu den angesprochenen Konflikten siehe: Äretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 71-79.

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sehen Freiheiten schlüpfe oder gar das Amt des Kaisers anstreben werde.23 Preußen nahm im System Blondeis den Rang einer mittleren oder Auxiliarmacht ein, die so mächtig geworden sei, daß sie sich von ihrem ehemaligen Protektor emanzipiert habe und eigene Ziele verfolge, die sie mit ihm in Konflikt bringe. Neben Preußen folge Sardinien den gleichen Prinzipien.24 Eine weitere Expansion Preußens, insbesondere ein Bündnis mit London, bedrohe das Staatensystem und vor allem die Existenz des Reiches in seiner derzeitigen Form.25 Es sei daher Frankreichs Pflicht und Staatsinteresse, das Subsystem „Reich" zu verteidigen: „Die Reichsverfassung begründet die Größe des Königs und sichert das Königreich entlang des Rheins. Die große Zahl kleiner Staaten, die so viele unterschiedliche Interessen verfolgen, verhindert, daß sich die Kräfte dieses gewaltigen Reiches vereinigen. Seine Verfassung bewirkt Verzögerungen, die dem König Zeit geben, ihnen entweder mit Waffengewalt entgegenzutreten oder ihnen auf dem Verhandlungswege zu begegnen".26

Damit bewege sich Frankreich weiterhin in den Bahnen traditioneller Reichspolitik, wenngleich unter veränderten Voraussetzungen: „Ganz abgesehen von diesem fundamentalen Interesse, muß der König als Garant des Westfälischen Friedens das Reich vor Unterdrückung schützen. Bis zu Karl VI. hat die Politik nur auf das Haus Österreich gezielt. Frankreich hat das Reich auch vor Invasion und Unterdrückung geschützt und seine Verfassung so gut es konnte erhalten".27

Der Kern der französischen Reichspolitik - Sicherung und Garantie der Existenz des Reiches, Übernahme der Rolle des Protektors der „libertés germaniques" - wurde somit durch Blondel nicht in Frage gestellt. Er plädierte für eine Modernisierung, eine Anpassung der französischen Reichspolitik an die sich wandelnden Machtverhältnisse im Reich, an deren Entwicklung, wie er unumwunden zugab, Frankreich erheblichen Anteil hatte. Blondel warnte entschieden vor der Auflösung des Reiches. Dies zu verhindern, solle Aufgabe der 23

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AAE MD France 525, fol. 117v: „il est à craindre que ce Prince ne devienne à la fin l'oppresseur de l'Empire, et ne boulversera ce même sistème, et ces mêmes constitutions, qui font la sûreté du Royaume". Ibid. fol. 113r_v: „Le Roi de Prusse, le Roi de Sardaigne, ne seront fidels alliés de la France qu'autant qu'ils auront besoin d'elle, pour se soutenir ou pour acquérir. Ils cesseront nécessairement d'être tels, au moment qu'ils auront une certaine puissance; peut-être l'a-t-on déjà éprouvé, et il n'y aura que leur foiblesse ou leur espérance qui les rendra alliés nécessaires de la France, qui peut essuyer des grands revers, s'ils deviennent ainsi indépendant qu'elle, et s'ils forment des ligues et des unions que seront toujours à son préjudice et contre sa tranquillité". Daß Savoyen-Sardinien und Preußen die einzigen Nutznießer des Aachener Friedens seien, da beide britische Protektion genossen, schrieb Maria Teresia bereits während der noch laufenden Verhandlungen in Aachen an Kaunitz, vgl.: Anderson, The War of Austrian Succession, S. 202. AAE MD France 525, fol. 113r_v: „L'agrandissement du Roi de Prusse ou son union avec l'Angleterre est pernicieux à la Religion, à l'Empire, à la France, à la maison d'Autriche, et à tous ses voisins. Il ne peut plus alors y avoir d'équilibre. Les princes puissans ne sont jamais des alliés dépendans, flatés de leur grandeur, ou ils veulent diriger, ou s'agrandir davantage". Ibid. fol. 117r: „Les constitutions de l'Empire font la grandeur du Roi et la sûreté du royaume du côté du Rhin. Ce nombre considérable de petits États qui ont autant d'intérêt différent empêchent que les forces de ce vaste Empire ne se réunissent et leurs constitutions emportent des longueurs qui donnent le temps au Roi, ou de les prevenir, par les armes ou de les traverser par des négociations". Ibid. fol. 117r: „Indépendamment de cet intérêt essentiel, le Roy comme garant du traité de Westphalie doit garantir cet Empire de l'oppression. La politique jusqu'à Charles VI n'a indiqué que la maison d'Autriche; aussi la France a t-elle préservé cet Empire de l'invasion et de l'oppression, et a maintenu autant qu'elle a pu en vigueur lesdites constitutions".

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informellen Allianz mit Wien sein. Frankreich handelte in Blondeis Augen seinem Rang als Groß- und Vormacht des Kontinents entsprechend, wenn es die Gewichte der Machtbalance verschiebe. Dadurch werde sein Status als Leitmacht des Kontinents bestärkt, denn, so schließt der Diplomat, die neuen Partner werden sich die „monarchie universelle d'influence" teilen.28 Seine Denkschrift, die eine Vielzahl von mehr oder weniger zutreffenden Prognosen enthält, läßt sich in die Reihe der bereits besprochenen Denkschriften des Außenministeriums zur Entwicklung der Machtverhältnisse im Reich der 30er und 40er Jahre einordnen. Konzentrierten sich jene jedoch in erster Linie auf das Reich, entwarf Blondel hier ein Szenario, in dem deutlich wird, wie sehr Reich und Staatensystem miteinander verzahnt waren. Darüber hinaus skizzierte er das Projekt einer längerfristigen Zusammenarbeit mit Wien. Damit ging er deutlich über die unter Fleury kursierenden Überlegungen hinaus, wenngleich er sicherlich durch ihn und die Erfahrung der französisch-österreichischen Verständigung während des Polnischen Thronfolgekrieges inspiriert wurde.29 Für die Anregung durch Fleury, dem er als Berater zur Verfugung stand30, spricht unter anderem auch die Prämisse, auf der das Memorandum aufbaut. Die Großmächte müßten sich gegen die Ansprüche der Aufsteiger wehren und ihren eigenen Status verteidigen, ihnen Grenzen setzen. Diese Einstellung hatte, so Max Braubach, schon die französisch-österreichischen Verhandlungen der 30er Jahre geprägt: ,3ei der Verständigung von 1735 und bei den Bestrebungen der folgenden Jahre, in allen politischen Fragen eine Übereinstimmung herzustellen, hatte die gemeinsame Mißstimmung über den Aufstieg dritter Mächte und Fürsten, die von der traditionellen Feindschaft zwischen Österreich und Frankreich auf beider Kosten profitiert hatten, eine nicht geringe Rolle gespielt".31 Das europäische Staatensystem veränderte sich zwischen 1748 und 1756. Konflikte auf dem Kontinent schürten nicht mehr in erster Linie das Hegemonialstreben einzelner Mächte wie zuvor Spanien und Frankreich, sondern die entsprechenden Ambitionen der aufstrebenden ehemaligen Auxiliarstaaten der Großmächte, in erster Linie Brandenburg-Preußens und Savoyen-Sardiniens, die in dieser Entwicklung am weitesten fortgeschritten waren, während andere (Sachsen-Polen) zurückgeworfen wurden. England hatte selbst bereits den Rang einer Großmacht (mit hegemonialen Ambitionen) eingenommen, mit Rußland drängte ein weiterer, über erhebliches Potential verfügender Akteur in das System. Für die mittlerweile schon traditionellen Großmächte begann der Kampf um den Erhalt des Status quo. Die Sicherung des Besitzstandes in Europa löste den Drang nach Ausdehnung der Grenzen ab, expansive Bestrebungen richteten sich in Frankreich verstärkt nach Übersee und auf den Kolonialhandel. Diese Entwicklung hatte Blondel erfaßt, und er forderte entsprechende Maßnahmen, die zwangsläufig die Aufgabe hergebrachter Wege der französischen Außenpolitik verlangten. Und er deutete hier auch schon den Weg der Geheimverhandlungen an, der seit 1755 gewählt wurde - allerdings am Außenministerium vorbei. Außenminister Puyzieulx könnte mit dem österreichischen Botschafter Kaunitz, der, wie Blondel richtig beobachtet hatte, das Vertrauen der Kaiserin besaß, über eine geheime Allianz in Verhandlungen treten. 28

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Ibid. fol. 118v: „Si ce système est adopté en France, comme je suis persuadé qu'il est désiré à Vienne, les deux cours auront l'honneur de partager la monarchie universelle d'influence. Titre plus glorieux, que de celui des possessions, qui sont toujours la fourie des guerres, de l'effusion du sang humain, de la jalousie des voisins, du malheur des Empires et des peuples". Braubach, Versailles und Wien, S. 186-359. Vgl. Externbrink, Louis-Augustin Blondel, S. 83-84; Wilson, French Foreign Policy during the Administration of Cardinal Fleury, S. 328-330. Braubach, Versailles und Wien, S. 337.

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

Blondels Konzept enthielt jedoch einen Widerspruch, der sich als Belastung für das geplante Bündnis erweisen hätte können. Immer wieder wurde das Interesse Frankreichs an der „tranquilité de l'Europe" auf der Grundlage des Aachener Friedens betont. Zugleich verschwieg er aber nicht, daß die inneren Reformen Wiens, die dem Wiederaufbau des Staates dienen sollen, auf das Ziel der Rückgewinnung der an Preußen verlorenen Territorien ausgerichtet seien. Wie diese Absichten mit dem französischen Interesse der Wahrung des Status quo und des Friedens in Überstimmung gebracht werden könnten, dazu äußerte er sich nicht. Reaktionen auf Blondels „System " Mit seinen Vorschlägen stieß Blondel auf wenig Zustimmung. Sie brachten ihn vielmehr an den Rand eines Aufenthaltes in der Bastille.32 Bussy verdächtigte ihn, nicht der wahre Verfasser der Denkschrift zu sein. Er habe ihr nur seinen Namen geliehen, schon das schlechte Französisch der Denkschrift enthülle die Autorschaft eines Österreichers.33 Der premier commis tat die Gesamtheit der Überlegungen Blondels als absurd ab.34 Die Autorschaft eines Österreichers ist jedoch auszuschließen. Blondel mag durchaus Sprachrohr der Wünsche Maria Theresia gewesen sein, doch seine Einschätzungen decken sich mit Überlegungen, die schon früher im Versailler Außenministerium formuliert wurden. Blondels mutiges Eintreten für eine Annäherung an Österreich beendete seine diplomatische Karriere. Aber obwohl er seit seiner Rückkehr aus Wien mit keiner Mission mehr beauftragt wurde, blieb er gleichwohl dem Außenministerium verbunden, denn er trat mit Beginn des Siebenjährigen Krieges erneut als Gutachter für den Marschall Belle-Isle in Erscheinung.35 Als eine späte Anerkennung seiner Verdienste wird er die 1756 erfolgte Ernennung zum Conseiller d'État aufgefaßt haben.36 Es ist zudem zu vermuten, daß er in Paris durchaus Möglichkeiten hatte, auf informellem Wege für seine Ansichten zu werben. Ein Cousin, Augustin Blondel de Gagny, verkehrte im Salon der Madame de Pompadour, und man kann annehmen, daß auch Blondel die Gesellschaften der „maitresse en titre" besuchte, gehörte er doch über seinen Schwiegervater zur Klientel der mächtigen Brüder Pâris, den

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Tapié, L'Europe de Marie-Thérèse, S. 138; vgl. auch: Ebbecke, Frankreichs Politik gegenüber dem deutschen Reiche, S. 63-64, 73-74. So auch: Ebbecke, Frankreichs Politik gegenüber dem deutschen Reiche, S. 73. AAE MD Autriche 30, fol. 47Γ-473': „Esquisse sur le système politique proposé par le Sieur Blondel avec la cour de Vienne", bes. fol. 47Γ-472': „Quand au fond de son sistème, on voit bien que le but est d'amener le Roy à s'abandonner entièrement à la cour de Vienne, tant sur l'affaire de l'élection du Roy des Romains que sur celle d'un Roi de Pologne, sur la bonne foi des assurances que ladite cour donne qu'elle se défie de l'Angleterre et de la Russie, et qu'elle n'a de confiance qu'en la France, soit pour sa conservation, soit même pour recouvrer ce qu'elle a perdû, et par là procurer, selon le sentiment de l'auteur, l'honneur de partager avec la cour de Vienne la monarchie universelle d'inflüence. Tel est clairement le sistème, mais quand l'absurdité n'en sauteroit pas aux yeux au 1er aspect, touttes les raisons qu'on emploie pour le soutenir suffiroient pour le faire tomber; outre qu'elles sont très foibles par elles-mêmes, elles sont remplies de contradictions, on y laisse échapper une vérité pour servir de passe porta deux mensonges qui la suivent, d'ailleurs l'artifice qu'on y a mis est grossier, qu'il ne peut tromper personne". Sein „Mémoire politique et militaire du 13 septembre 1756", in: AAE CP Prusse 181, fol. 256-263", siehe dazu: Externbrink, Louis-Augustin Blondel, S. 89-90. Fould, Un diplomate au XVIIIe siècle, S. 7.

I. Blondel

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Förderern der Pomapadour.37 Blondel und Abbé Bernis kannten sich, und der spätere Außenminister war mit dem Inhalt der Gespräche Blondeis vertraut.38 Blieb seiner Denkschrift unmittelbare Wirkung versagt, so muß ihr jedoch eine langfristige Wirkung zuerkannt werden. Die in der Denkschrift betonte Rivalität zwischen Frankreich und England und seine gleichzeitige Abschwächung der alten Feindschaft zu Österreich fanden bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges immer größere Zustimmung. Rückblickend bewertete Bernis den Aachener Frieden hinsichtlich seiner europäischen Wirkung ähnlich positiv, denn durch den Verzicht auf die Durchsetzung territorialer Gewinne habe Frankreich den anderen europäischen Staaten die Furcht vor seinem Hegemoniestreben genommen. Die Tragweite des Vertrages hinsichtlich der kolonialen Fragen schätzte Bernis jedoch gering ein. Dagegen kritisierte er die Entwicklung der französisch-preußischen Beziehungen scharf. Man habe sie vernachlässigt und es beim Bündnis mit Friedrich II. belassen, obwohl der sprunghafte Charakter des Preußenkönigs bekannt gewesen sei. Österreich behandelte Bernis in seinen Erinnerungen nur am Rande - bis zu dem Moment, in dem Starhemberg über die Marquise de Pompadour an Ludwig XV. mit der Bitte herantrat, einen Bevollmächtigten zu ernennen, dem er Vorschläge der Kaiserin unterbreiten wolle. Daß die Wahl auf ihn fiel, obwohl er erst seit wenigen Jahren als Gesandter in Venedig Erfahrungen in der Außenpolitik gesammelt hatte, führte Bernis darauf zurück, daß der König nur zu gut über die Vorurteile seiner Minister gegen den Wiener Hof informiert gewesen sei.39 In den Erinnerungen Bernis' und in Blondels Denkschrift wird eine schon mehrfach angesprochene Einsicht spürbar, die grundlegend für die Neugestaltung der französisch-deutschen Beziehungen sein sollte. Nicht mehr von Österreich und dem Kaiser ging demnach eine Gefahr für Frankreich und für das Mächtegleichgewicht in Europa aus, sondern von England. Dies schlug sich bereits in der Instruktion für den Marquis d'Hautefort nieder, der als Botschafterden chargé d'affaires Blondel in Wien 1751 ablöste, und in der es heißt, daß Ludwig XV. keineswegs vom alten Mißtrauen gegen Wien beeinflußt sei.40 Doch trotz seines späteren „Erfolges" vertrat Blondel 1751 eine Minderheitenmeinung. Der Anstoß zum neuen System ging schließlich von Wien aus. Vergeblich bewarb sich Blondel 1756 mit Unterstützung des österreichischen Botschafters in Paris, Starhemberg, um den neu zu besetzenden Botschafterposten in Wien. Er mußte Choiseul den Vortritt lassen.41

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Externbrink, Louis-Augustin Blondel, S. 91; Gallet, Madame de Pompadour, S. 195. Blondel hatte seinen späteren Schwiegervater Bataille de Francés während seiner Mission in Frankfurt kennengelernt, vgl. AAE MD Allemagne 94, fol. 188'-209r, „Sur le Sieur de Blondel, premier secrétaire de M. de Torci Ministre et secrétaire d'État des affaires étrangères, et sur sa famille". Bataille de Francés scheiterte 1738 bei der Bewerbung um den Posten eines fermier général, vgl.: Durand, Les Fermiers généraux, S. 117; über die Einfluß der Brüder Pâris vgl.: Chaussinand-Nogaret, Gens de finance au XVIIIe siècle, S. 58-62 u.ö. Bernis, Mémoires, ed. Rouart, Bonnet, S. 145. Ibid. S. 99-101,144. Recueil des instructions: Autriche, S. 315: „le Roi n'est nullement affecté des anciennes défiances qui, depuis le règne de Charles-Quint, avoient fait regarder la maison d'Autriche comme une rivale dangereuse et implacable de la maison de France; que l'inimitié entre ces deux principales puissances ne doit être plus une raison d'État". Waddington, La guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 63. Siehe oben S. 249.

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

II. Nicolas-Louis Le Dran: Perspektiven der französischösterreichischen Allianz (1756) Plädierte Blondel aus eigenen Erfahrungen für eine grundlegende Revision der französischösterreichischen Beziehungen und mußte dafür scharfe Kritik einstecken, so liegt der Ursprung der nun zu analysierenden Aktenstücke im Außenministerium. Zur Klärung des Kontextes ihrer Entstehung sei noch einmal die Entstehungsgeschichte des renversement des alliances in Erinnerung gerufen. Im September 1755 hatte Abbé Bernis auf Befehl Ludwigs XV. geheime Unterhandlungen mit dem österreichischen Botschafter Starhemberg über eine Allianz begonnen. Erst im November wurde der Kreis der Mitwisser auf einige Minister ausgedehnt. In diesem Zusammenhang wurden auch die premiers commis von den Verhandlungen in Kenntnis gesetzt.1 Im Rahmen des internen Klärungsprozesses im Ministerium erhielt der premier commis und Leiter des Archivs, Le Dran, den Auftrag, die Perspektiven eines französisch-österreichischen Bündnisses zu untersuchen. Im März 1756 legte Le Dran dem Außenminister zwei Denkschriften vor. In der ersten präsentierte er eine Geschichte der Annäherungsversuche zwischen Wien und Versailles seit dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges - gleichsam die Vorwegnahme der Studie Max Braubachs.2 Dargestellt wurde die Geschichte der Annäherung zwischen Wien und Versailles, wobei als Leitfaden die Konkurrenz der Dynastien seit Karl V. diente. Wie später Braubach begann Le Dran mit dem ersten Ausgleichsversuch nach dem Frieden von Utrecht und Rastatt, wobei er insbesondere die Gespräche zwischen Villars und Prinz Eugen3 und die ergebnislose Mission Du Lucs an den Kaiserhof kurz vor dem Tode Ludwigs XIV. erwähnte.4 Behandelt wurden außerdem die Kongresse von Soissons und Cambrai sowie die Verhandlungen Fleurys mit Wien 1725-1739 einschließlich des Wiener Präliminarfriedens und der französischen Vermittlung des Friedens von Belgrad zwischen der Pforte und Wien.5 Enthielt sich Le Dran in dieser Darstellung jeder Wertung, so skizzierte er in einer weiteren, zeitgleich entstandenen Denkschrift das Potential einer französisch-österreichischen Allianz.6 In den Augen Le Dran gründete die politische Ordnung Deutschlands auf dem Zusammenspiel von Reichsverfassung, Westfälischem Frieden und Reichstag. Der Friede von 1648 habe eindeutig und dauerhaft die Bedingungen der Koexistenz von Kaiser und Reichsständen aller drei Konfessionen geregelt. Le Dran vergaß nicht zu erwähnen, daß dieser Frieden seitdem diversen Änderungen unterworfen worden war (z. B. die Errichtung der Neunten Kur und die Rijswijcker Klausel). Dabei habe er aber seinen Charakter als Fundament der Reichsverfassung und damit der politischen Ordnung Deutschlands nicht verloren. Dies sei das Verdienst des seit 1663 permanent tagenden Reichstags, der zumindest in Frie1 2

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Vgl. S. 243, Anm. 76. AAE MD Autriche 40, fol. 30'-51 r , „Sur la vûe d'une etroite union entre le Roi et l'Impératrice-Reine d'Hongrie et de Bohême, pour l'intérêt de leurs royaumes et États, et pour le maintien de la paix en Europe"; die Schrift trägt den Vermerk: ,>1. le Dran en réponse a M' Rouillé, ministre des affaires étrangères, le 5e mars 1756"; über Le Dran siehe S. 33, Anm. 14. AAE MD Autriche 40, fol. 34'~v; vgl. Braubach, Versailles und Wien, S. 57-66. AAE MD Autriche 40, fol. 35-37'. AAE MD Autriche 40, fol. 37-51'; Braubach, Versailles und Wien, S. 105-330. AAE MD Autriche 40, fol. 8'-29 v , „Points que le Roy peut avoir principalement en vûe, dans une union étroite entre sa Majesté et l'Impératrice-Reine d'Hongrie et de Bohême, par M. Le Dran, chef du Dép[ôt] des aff. étr.", März 1756, fol. 8'.

II. Le Dran

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denszeiten Verstöße gegen die Verfassung verhindere und dem der Titel des Beschützers der deutschen Freiheiten zukomme.7 Die vom König mit der Kaiserin derzeit diskutierte Allianz werde den Reichstag in seiner Funktion eines Wächters der Reichsverfassung nur stärken. Ein friedliches Reich sei auch weniger auf die ständige Anrufung der Garantiemächte angewiesen.8 Den Garantenstatus Frankreichs betrachtete Le Dran als den Stützpfeiler französischer Deutschlandpolitik. Er legitimiere die Intervention im Reich zum Schutze seiner Verfassung, ganz gleich ob das Reich als Ganzes oder nur einzelne Stände - ungeachtet ihrer Konfession - betroffen seien.9 Dieses Recht werde auch keineswegs zur Förderung antikaiserlicher Opposition instrumentalisiert. Daher müsse die Garantie und damit auch der Westfälische Frieden in das geplante Bündnis aufgenommen werden - der Vertrag von 1648 müsse sogar als Basis französisch-österreichischer Zusammenarbeit dienen.10 Diese Überlegung war von großer Bedeutung für die französische Haltung in den Verhandlungen, die zum Versailler Vertrag führten. Möglicherweise hatte das vom österreichischen Botschafter Starhemberg beklagte Festhalten Rouillés und Marschall Noailles' an der Aufnahme des Westfälischen Frieden in den zu schließenden Vertrag seinen Ursprung im Memorandum des premier commis.11 In diesem Fall läge hier ein Beispiel für den Übergang von der Meinungsbildung zur Formulierung von Optionen und anschließender Auswahl einer Option vor - eben der Entscheidung, den Frieden von 1648 im Allianzvertrag ausdrücklich bestätigen zu lassen. In der Einschätzung der Bedeutung des Westfälischen Friedens für die französische Außenpolitik stimmten im übrigen Gegner wie Befürworter der Allianz mit Wien überein. Le Dräns Analyse beschränkte sich aber nicht nur auf das Verfassungsgefüge des Reiches, sondern umfaßte auch die machtpolitische Konkurrenz zwischen Berlin und Wien und bezog die österreichischen Revancheabsichten mit ein. Die Berechtigung der Forderungen Maria 7

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Ibid., fol. 8V-9V: „La Diette générale assemblée à Ratisbonne par l'Empereur Leopold en 1663 et qui a esté rendüe permanente en cette ville, s'est attachée à maintenir sur le fondement de ces traités et des autres lois de l'Empire, l'estat ou sistème du gouvernement du corps germanique, et s'il est arrivé dans des temps de troubles, que cette Diette n'a pu empêcher des entreprises de la part des princes puissants contre des princes seigneurs ou États qui n'étoient pas assés forts pour se déffendre, elle a toujours évité autant qu'il luy a esté possible, d'autoriser les infractions de la paix publiques et les usurpations. De sorte qu'on peut considérer cette Diette comme le rempart des libertés germaniques à tous égards; mais c'est particulièrement lorsque l'Empire jouit d'une paix profonde, qu'elle exerce ses droits avec la supériorité qui luy appartient". Ibid. fol. 9 v -10 r : „Ainsi la tranquilité de l'Allemagne ne pouvant qu'être de plus en plus asseurée par l'union intime du Roy avec Γ Impératrice-Reine, il en résultera que les Princes et États seront d'autant moins exposés aux vexations et aux entreprises injustes, et conséquemment qu'il sera beaucoup moins question que par le passé, de recourir par de réclamations aux garants des traités de Westphalie". Ibid. fol. 10 r -10 v : „Ces traittés ayant établi la France garante de leur exécutions conjointement avec les autres parties contractantes, le Roy à l'exemple du Roy Louis 14 son prédécesseur regarde cette garantie moins comme un engagement et une obligation, que comme un droit en vertu duquel la couronne de France a une inspection principalle sur les affaires publiques de l'Allemagne, pour le maintien et l'observation des stipulations de ces traittés en faveur tant du Corps Germanique en général, que de chacun des États qui le composent, sans distinction de la religion que les uns ou les autres sont en possession de professer". Ibid. fol. 10v—1Γ: .Ainsi le Roy étant bien éloigné de vouloir se prévaloir de ce titre de garant des traités de Westphalie pour exciter ou fomenter des divisions entre les États, ou pour les soulever contre l'Empereur leur chef, les ministres de l'Impératrice-Reine ne seroient nullement fondés à refuser, que cette garantie soit exprimée convénablement dans son traitée d'union avec sa Majesté. Il paroit même que le renouvellement de la stipulation de cette garantie pouroit être exprimé comme le fondement de l'union entre leurs Majestés pour le maintien de la paix et du repos public dans l'Empire". Vgl. S. 109, bes. Anm. 11.

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

Theresias bestritt Le Dran nicht, ja es liege sogar im Interesse des Reiches, daß eine Rückgabe Schlesiens erfolge. Die Rückkehr der Provinz unter österreichische Herrschaft dürfe aber unter keinen Umständen Gegenstand der aktuellen Verhandlungen werden, denn Ludwig XV. habe Friedrich dem Großen den Besitz der Provinz garantiert und eine Rücknahme dieser Garantie sei nur durch das Konzert aller am Frieden beteiligten Mächte, d. h. insbesondere Englands, möglich.12 Eine Revision des Aachener Friedens schloß Le Dran dennoch nicht vollkommen aus, denn es liege im Bereich des Möglichen, daß nach Abschluß der Allianz eine größere antipreußische Koalition zustande käme, die es sich zum Ziel setze, Friedrich den Großen in seine Schranken zu weisen.13 Der soeben zwischen England und Preußen abgeschlossenen Allianz räumte Le Dran angesichts der notorischen Unzuverlässigkeit Friedrichs nur eine kurze Lebensdauer ein. Das französisch-österreichische Bündnis hingegen werde auch eine Stärkung der zweiten Garantiemacht Schweden bewirken.14 Darüber hinaus würde das von Ludwig XV. angestrebte Bündnis die Stabilisierung der Herrschaft Maria Theresias zur Folge haben. Somit setze man die Politik Fleurys fort, die er mit der Vermittlung des Belgrader Friedens (1739) verfolgt hatte und von der nicht nur Wien, sondern auch das gesamte Reich profitiere, denn dieser Frieden sichere beide vor Angriffen des Osmanischen Reiches.15 Le Dran folgerte daraus, daß es auch im Interesse Europas und insbesondere Frankreichs sein müsse, durch die Wahl Erzherzog Josephs zum römischen König rechtzeitig die habsburgische Thronfolge im Reich zu sichern, denn damit würden sowohl der Bestand der Habsburgermonarchie als auch der Reichsfrieden und Frankreichs gute Beziehungen zum Reich gesichert.16 Mit der Zustimmung zur Wahl des Erzherzogs hoffte Le Dran, das erneute Aufbrechen einer Krise bei der Kaiserwahl wie in den Jahren 1740/1741 und das Auftreten weiterer Kandidaten für den Kaiserthron zu vermeiden. Damit widersprach er den in etwa zeitgleich entwickelten

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AAE MD Autriche 40, fol. 12v-13v: „Le Roy n'entend cependant pas, qu'il doive être rien stipulé par raport à cette province de Silésie dans son traitté d'union avec l'Impératrice-Reine; il a compté en faisant exprimer par l'article 22e du dernier traitté d'Aix-la-Chapelle la garantie de cette province en faveur du Roy de Prusse, que ce seroit le moyen de cimenter conjointement avec le Roy de la Grande Bretagne la tranquillité générale de l'Europe, et c'est dans ce point de vue que sa Majesté envisage encore actuellement cette garantie, comptant ne devoir en être tenue dans quelque cas que ce puisse être, que conjointement avec les puissances qui ont concouru à la conclusion de ce traitté de paix". Ibid. fol. 14r: „On peut entrer dans la suite avec le Roy de Suède, avec le Roy de la Grande Bretagne, ou avec d'autres puissances tant au dedans qu'au dehors de l'Empire, et l'on peut même dès à présent prévoir et conjecturer, que ce sera principalement sur la conduite de ce prince [Friedrich II.] et sur les moyens de contenir sa puissance dans de justes bornes, que devront porter les mesures à concerter entre sa Majesté et l'Impératrice-Reine, tant pour la tranquilité intérieure de l'Empire, que pour le maintien de la paix". Ibid. fol. 15-16 r . Zum Belgrader Frieden vgl.: Bérenger, L'Empire des Habsbourg, S. 432-433; Redlich, Das Werden einer Grossmacht, S. 298-319. AAE MD Autriche 40, fol. 18Γ—19r: „Sa Majesté voit de même que toute l'Europe, que rien ne convient mieux pour consolider de plus en plus l'union des royaumes et États possédés par l'Impératrice-Reine, que d'assurer l'expectative de la couronne impériale au fils aîné de cette princesse, en le faisant élire Roy des Romains. L'Impératrice-Reine a bien raison de souhaiter de voir les électeurs et les princes de l'Empire concourir à cette élection; le Roy ne pourra que désirer aussi que cette vue puisse aussi être remplie à l'entière satisfaction de cette princesse lorsqu'il sera assuré par un traitté d'union avec elle sur leurs intérêts communs, puisqu'alors l'élection de l'archiduc Joseph à la dignité de Roy de Romains ne pourra que contribuer à l'affermissement de la paix de l'Empire, et à maintenir la concorde et la bonne correspondance entre la France et le Corps Germanique".

II. Le Dran

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Überlegungen seines Kollegen Bussy, der eben dies - die Wahl Josephs vivente imperatore - verhindern wollte.17 Der premier commis beschränkte sich aber nicht nur auf die Untersuchung der Machtverhältnisse in Deutschland. Ein französisch-österreichisches Bündnis, so führte er weiter aus, wäre besonders von Bedeutung für die italienische Staatenwelt. Dort sah er Verhandlungsbedarf zwischen Wien und Versailles vor allem über das weitere Schicksal Philipps von Parma, des Schwiegersohns Ludwigs XV. Über seine Herrschaft in Parma, Piacenza und Guastalla gab es in Wien und in Turin, das Anspruch auf Teile seiner Territorien (Piacenza) erhob, unterschiedliche Interpretationen der einschlägigen Artikel des Friedens von Aachen.18 Ein potentieller Konfliktherd in Italien könnte auch aus der ungewissen Zukunft der bourbonischen Sekundogenitur im Königreich Neapel entstehen. Dort erhob König Karl III. Anspruch auf den spanischen Thron. Es war zu erwarten, daß er seinem kinderlosen Halbbruder Ferdinand VI. von Spanien beerben und dieser wiederum die Krone Siziliens seinem jüngeren Sohn überlassen würde. Ludwig XV., so Le Dran, sei bereit, in Absprache mit dem Wiener Hof dieser Regelung zuzustimmen und zugleich einen Weg zu finden, seinen Schwiegersohn für den Verlust der durch den Aachener Frieden genährten Hoffnung auf die sizilianische Krone zu entschädigen.19 Le Dran skizzierte einen Ländertausch zu Gunsten Philipps von Bourbon-Parma. Nachdem Ludwig XV. 1753 Karl III. von Neapel durch eine geheime Absprache den Verbleib des Königtums in seiner Familie garantiert hatte20, sollte nun Philipp von Parma eine Entschädigung für die Aufgabe seiner Ansprüche auf das Königreich Neapel-Sizilien erhalten. Wien könnte Teile der östlichen Niederlande gegen Parma-Piacenza-Guastalla tauschen und so Philipp zu einem seinem Rang angemessenen Territorium verhelfen.21 Den zu erwartenden Widerstand Turins gegen diesen Handel betrachtete Le Dran als ein kalkulierbares Risiko. Wie 1720/21, als Turin nach dem Willen der Großmächte Sizilien gegen Sardinien eintauschen mußte, würden sich die Savoyer auch diesmal dem fait accompli der Großmächte beugen.22 Auf diese Weise könne die Entstehung einer Erbfolgekrise in Italien schon im Keim erstickt werden, der Friede bliebe auf Dauer gesichert, aber auch die ständigen Kon-

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Siehe unten Kapitel D III. Consolidated Treaty Series, Bd. 39, Friedenspräliminarien vom 30. April 1748, S. 237-271, S. 241 (Artikel 4), 250-252 (Erklärung Maria Theresias zum Etablissement Philipps in Parma), 296-390: Friede von Aachen, 18. Oktober 1748, hier bes.: 309-315 (Inthronisierung Philipps in Parma). AAE MD Autriche 40, fol. 19v-22v. Zu den Thronfolgeverhandlungen in Italien im Anschluß an den Aachener Frieden vgl. jetzt: Butler, The Secret Compact of 1753. Butler, The Secret Compact of 1753, S. 569-572. AAE MD Autriche 40, fol. 24'-27 v , bes. fol. 26r_v: „Dans cette pensée le Roy propose à l'Impératrice-Reine de luy abandonner pour elle et ses héritiers et successeurs, les États possédés en Italie par l'Infant Don Philippe, et qu'elle cède en échange à cet Infant pour luy, pour la Sérénissime Infante son épouse, et pour leurs héritiers et successeurs, soit le Toumaisis et la partie du Comté de Flandres qui comprend les villes d'Ypres, de Menin, de Fiemes d'Ostende et de Nieuport, soit le Comté de Naumur et le Duché de Luxembourg y compris le Comté de Chiny". Ibid. fol. 27 r -28 v , bes. 28'~v: „II [= Karl Emanuel III. von Sardinien] ne balança pas à y souscire voyant que c'etoit chose reglée pour le bien général de l'Europe et que ce seroit en vain qu'il s'efforceroit d'y apporter du changement. C'est la méthode à suivre pareillement dans les circonstances présentes avec le Roy de Sardaigne par rapport au droit de reversion qu'il s'est ménagé par son accession au traitté d'Aix la chapelle sur la partie du Duché de Plaisance dont il a fait cession à l'Infante Don Philippe en exécution de ce traitté".

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

flikte zwischen Habsburg und Bourbon um den Grenzverlauf und die Herrschaft in den südlichen Niederlanden gehörten dann der Vergangenheit an.23 Le Dräns Denkschrift enthält die wesentlichen Charakteristika des Deutschlandbildes der französischen Diplomatie in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Das fundamentale Interesse Frankreichs am Fortbestand des Reiches in seiner politischen Vielgestaltigkeit nannte er ebenso wie das französische Recht zur Intervention in die inneren Angelegenheiten des Reiches kraft Garantenstatus. Deutlich ist die Abkehr vom Feindbild Österreich, das hier als Partner einer friedlichen französischen, ganz Europa umfassenden Ordnungspolitik dargestellt wird. Nicht mehr der Kaiser bedrohte die Rechtsordnung des Reiches, sondern der Parvenu aus Berlin, dessen kriegerischem Ehrgeiz Schranken gesetzt werden müßten. Bezüglich Italien entwickelte er ein vergleichbares Bild. Frankreich beanspruche auf der Apenninenhalbinsel die Rolle der Ordnungsmacht, Wien wurde aber durchaus ein Mitspracherecht eingeräumt. Darüber hinaus skizzierte Le Dran den Ländertausch Parma gegen Teile der Österreichischen Niederlande weitgehend so, wie er dann im zweiten Vertrag von Versailles 1757 beschlossen wurde.24 Sowohl die Behandlung savoyisch-sardinischer Ansprüche als auch das geplante Vorgehen gegen Preußen zeigen, wie ehrgeizigen und expansionswilligen „Aufsteigern" des Staatensystems (Duchhardt) durch das Konzert der Großmächte Zügel angelegt werden sollten. Die Denkschrift Le Dräns gibt einen Einblick in den innerfranzösischen Meinungsbildungsprozeß des Frühjahrs 1756, für den man bislang meist nur auf die Berichte des österreichischen Botschafters Starhemberg angewiesen war.25 Le Dräns Memorandum kann darüber hinaus nicht nur auf seinen Gehalt hinsichtlich des Entscheidungsprozesses gelesen werden, sondern es ermöglicht auch Aussagen über die französische Selbstwahrnehmung. Das Frankreich Ludwigs XV. reklamierte demnach unmißverständlich den Platz der kontinentalen Führungsmacht innerhalb des europäischen Staatensystems, die durch den ehemaligen Konkurrenten Österreich Unterstützung im Kampf um eine europäische Friedensordnung erhält. Geradezu patriarchalisch mutet diese von Le Dran konzipierte Rolle an, in der Frankreich durch eine kluge Bündnispolitik gravierende Veränderungen innerhalb der Machtverhältnisse des Staatensystems verhindere und territoriale Änderungen des Besitzstandes nur auf der Basis der Convenance der großen Mächte zulassen werde. Die französische Hegemonie werde frei von früherer Eroberungslust sein: dies habe man bei den Verhandlungen in Aachen bewiesen, als man auf territoriale Gewinne verzichtet habe. Zwar entsprach die Rückgabe der 1745 eroberten südlichen Niederlande der damit beanspruchten Rolle des „arbitre de l'Europe" 26 , doch die hier anklingende positive Wertung des Aachener Friedens stand in krassem Gegensatz zur zeitgenössischen Kritik des Friedensschlusses in der öffentlichen Meinung Frankreichs. Vergleicht man die Denkschrift Le Dräns mit den noch zu besprechenden Plänen Bussys, so offenbart sich die tiefe Spaltung, die innerhalb des französischen Außenministeriums im Hinblick auf die Beurteilung des Mächteverhältnisses in Europa nach dem Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges bestand. Verkörperte Bussy die Richtung der „Traditionalisten", zu denen auch der dritte premier commis, Abbé de La Ville, sowie Rouillé und die Gebrüder 23

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Ibid. fol. 28 v -29 r : „Au reste de ces arrangements concertés dans le plus profond secret entre le Roy et l'Impératrice-Reine [...], on préviendrait la guerre dont l'Italie est menacée dans le cas où le Roy des Deux Siciles viendrait à succéder à la couronne d'Espagne, et du côté des Pays-Bas on verroit disparoître plusieurs des contestations, qui durent si longtemps par raport aux limites de ces pays avec les provinces de France". Consolidated Treaty Series, Bd. 40, S. 18-28. Vgl. die Ausführungen bei: Waddington, Louis XV, S. 320-323. Nolhac, Madame de Pompadour et la politique, S. 24 (Voltaire); Bois, Fontenoy, S. 127-128.

II. Le Dran

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d'Argenson gezählt werden müssen27, repräsentierten die Überlegungen Le Dräns eher die der „Modernisten", zu denen der erwähnte Diplomat Blondel, Bernis, Ludwig XV., die Madame de Pompadour und später auch Stainville-Choiseul gehören. Beide Fraktionen verfolgten das gleiche Ziel: Sicherung des französischen Großmachtstatus. Und beide gingen hinsichtlich ihres Deutschlandbildes von identischen Voraussetzungen aus. Es lag in französischem Interesse, keine grundlegenden Veränderungen der Reichsverfassung, d. h. keine gravierenden Reformen des Systems des Westfälischen Friedens, zuzulassen. Doch in der „subjektiven Bestandsaufnahme der Realität" (Gottfried Niedhart), in der Beurteilung Mächteverhältnisse im Reich differierten ihre Schlüsse aus den ihnen vorliegenden Berichten erheblich. Sah Bussy in der Zulassung der Königswahl Erzherzog Josephs zu Recht eine antifranzösische Initiative Londons im Reich und befürchtete damit eine intolerierbare Stärkung Wiens28, betrachtete Le Dran sie im Gegenteil mit dem gleichen Recht als eine notwendige Stärkung Wiens im Reich gegen den protestantischen norddeutschen Block. In einem weiteren Memorandum aus der Feder Le Dräns aus dem Spätsommer 1757 sammelte er Argumente, die gegen die Kritiker der Allianz in der französischen Öffentlichkeit verwandt werden können. Zentrales Argument für das Bündnis ist zum einen die Überwindung alter Vorurteile und Feindschaften, zum anderen die veränderte Gestalt des Staatensystems. Praktizierte man im Österreichischen Erbfolgekrieg noch die traditionelle antikaiserliche Politik und hatte man eine aus den Reichsständen gebildete Liga der britisch-österreichischen Allianz entgegengestellt, so habe nun ein „Systemwechsel" stattgefunden. Einem mächtigen Frankreich, das eine Sekundogenitur in Spanien eingerichtet und seine Grenzen zu allen Seiten ausgedehnt habe, stehe ein England gegenüber, dessen Macht dank seines Handelsimperiums so gewachsen sei, daß es - mit seinem preußischen Partner - über die Geschicke Europas verfügen könnte. Und dieser Bedrohung könne Frankreich nur im Bündnis mit Wien widerstehen.29 Ziel des Versailler Vertrags sei die Erhaltung des Friedens

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Vgl. Ozanam, Le Marquis d'Argenson, l'Abbé de La Ville; Combeau, Argenson, S. 147 u. ö. Vgl. S. 331-333. AAE MD Autriche 40, fol. 315'-334 v , „Sur les suites de l'alliance intime conclue le 1er Mai 1756 entre le Roy et l'Impératrice-Reine de Hongrie et de Bohème", fol. 320 v -322 v : „Les liaisons que le Roy avoit formées avec le Roy de Prusse pour leurs intérêts communs durant la guerre précédente, avoient été applaudies par la pluspart des politiques de France, prévenus par les anciennes maximes suivies par les Roys Henri 4, Louis 13 et Louis 14, que le Roy ne pouvoit rien faire de plus convénable aux intérêts de son royaume, que d'achever de détruire et abattre la puissance de la cour impériale de Vienne; ces politiques étoient entretenus dans leurs préventions contre cette cour par les ministres résidants à Paris de la part de plusieurs princes d'Allemagne et autres du Nord, que la France s'étoit jusqu'alors cru obligé de ménager et de solder par de gros subsides pour se les attacher, et former en Allemagne un parti qu'ils pussent opposer contre la puissance impériale, dans les cas où les Empereurs ligués avec la Grande Bretagne et la République des Provinces-Unies, pouvoient au moyen des subsides qu'ils en recevoient, assembler et faire marcher vers le Rhin et en Italie des armées formidables; ces politiques ne considéraient pas, que le sistème général de l'Europe étoit totalement changé depuis que la France, après avoir étendu considérablement aux dépens des deux branches de la maison d'Autriche ses frontières, tant du côté de l'Espagne, que vers les Pays-Bas catholiques et l'Allemagne, avoit fait passer dans une branche de la maison royale de Bourbon la couronne d'Espagne, et les possessions de cette couronne dans les Indes orientales et occidentales; que d'autre part les Anglois avoient de même acru considérablement leur puissance par leurs possessions et leur commerce dans les quatre parties du monde et pareillement en Amérique; que par là ils s'étoient mis en possession de décider des plus grands intérêts de l'Europe; qu'ils ne pouvoient y trouver d'obstacle que de la part de la France; que par cette considération ils regardoient les François comme leurs ennemis naturels, et que le Roy de Prusse le principal allié de la Grande Bretagne dans l'Empire, s'étoit formé par l'augmentation de ses troupes jusqu'au nombre de cent quarante mille hommes parfaittement disciplinés, une puissance militaire si formidable à tous les voisins,

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

in Deutschland gewesen, doch hätten die Briten ihren Verbündeten Preußen zum Einmarsch in Sachsen bewegen können und damit Frankreich in den Krieg gezwungen.30 Daß man zum Zeitpunkt der Abfassung des Memorandums in Versailles noch von einem erfolgreichen Abschluß des Krieges überzeugt war, zeigt der in der Denkschrift wörtlich zitierte Brief, den der Erzbischof von Paris auf den Kanzeln der Pariser Kirchen verlesen ließ. Ausdrücklich und wortreich wurde darin die Überwindung der Erbfeindschaft mit Habsburg beschworen ohne Bezugnahme auf das verbindende Band der Konfession - und der Anbruch einer neuen Zeit gefeiert, in der Frankreich und Österreich über den Frieden in Europa wachten. Zeichen für die Gerechtigkeit der Sache sei der gleichzeitige Erfolg der französischen und österreichischen Armeen (gedacht ist vor allem an den Sieg von Kolin).31 Zwei grundsätzliche Feststellungen ergeben sich aus Le Dräns Schriften: zum einen die Einsicht in die fundamentale Veränderung der politischen Gewichte in Europa, zum anderen die Erkenntnis, daß die traditionelle Politik diesen veränderten Rahmenbedingungen nicht mehr gerecht wird und es unverzeihlich wäre, trotzdem an ihr festzuhalten. Gerade die Verknüpfung dieser Erkenntnisse belegt, daß die französische Außenpolitik in der Lagebeurteilung rational war und das verminderte österreichische Bedrohungspotential realistisch einschätzte und sich nicht mehr, wie noch während der Regentschaft Philipps von Orléans, akut von Wien bedroht sah.3 Beide Einsichten wurden bereits 1750 von Blondel ausgesprochen. Sechs Jahre später hatten sie sich an den entscheidenden Stellen durchgesetzt und wurden den zahlreichen Kritikern dieser Richtungsentscheidung entgegengehalten.

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qu'ils ne croioient plus en état de luy résister, qu'en consolidant de plus en plus les alliances déffensives convenues entre eux pour leur seureté mutuelle". Ibid. fol. 315-317'. Ibid. fol. 327-330'. Ulbert, Die Angst vor einer habsburgischen Hegemonie, bes. S. 67.

III. Bussy

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III. François de Bussy und die „diplomatische Revolution" 1755-1763 François de Bussy: 41 Jahre im Dienst französischer Außenpolitik Im Jahre 1756 konnte der premier commis François de Bussy auf eine bereits dreißigjährige Karriere im Dienste des Außenministeriums zurückblicken. Wie viele andere Diplomaten, die nicht durch ihre Zugehörigkeit zum Hochadel von vornherein als ministre oder Botschafter eingesetzt werden konnten, begann er 1725 als Gesandtschaftssekretär im Dienste des Marschalls Richelieu, der als Botschafter an den Kaiserhof ging. Nach dessen Abreise vertrat er fünf Jahre lang als chargé d'affaires die französischen Belange in Wien. Zurück in Frankreich, folgten Tätigkeiten im Außenministerium und die erneute Verwendung im Ausland, diesmal für vier Jahre in England (1744-1746) und als Sekretär von Marschall Noailles in Spanien (1746). Mit Richelieu und Noailles verfügte er über einflußreiche Protektoren. Auch nachdem er 1749 zum premier commis ernannt worden war, bediente man sich seiner für diplomatische Missionen. Kurz vor Ausbruch des britisch-französischen Krieges traf er König Georg II. in Hannover, und im Jahre 1761 verhandelte er in London vergeblich über einen Friedensschluß. Zwischen 1751 und 1754 verfügte er innerhalb des Außenministeriums über einen seine formalen Kompetenzen weit überschreitenden Einfluß.1 Bussy verdankte seine Ernennung zum premier commis Außenminister Puyzieulx, der möglicherweise auf Druck der Pompadour - den Tod des premier commis du bureau de Fonds, Jean-Nicolas Bernage, zum Anlaß einer Neuorganisation der Büros des Außenministeriums nahm. Opfer dieses Revirements war Le Dran, der in das Archiv abgeschoben wurde.2 Tercier kam ebenfalls als Protégé von Puyzieulx in das Außenministerium, Noailles setzte die Berufung Bussys durch.3 Für die ihm übertragenen Zuständigkeiten, in erster Linie das Reich und der Kaiserhof, konnte Bussy durchaus als qualifiziert gelten, und die in London gesammelten Erfahrungen schärften seinen Sinn für die Verzahnung der Angelegenheiten des Reiches mit denen der europäischen Politik. Bussys Reputation als loyaler Diener seines Königs, als den er sich selbst darstellte, erleidet leichte Blessuren durch die Tatsache, daß er während seiner ersten Mission in London auf der Gehaltsliste Robert Walpoles stand.4 Zwar schätzte man dort den Wert der durch ihn weitergeleiteten Informationen nicht besonders hoch ein, und zudem blieb dies wohl eine Episode, doch stützt sein Verhalten das Urteil des Marquis d'Argenson, der ihn als Intriganten bezeichnete und um seine Käuflichkeit wußte.5 Wohl vergeblich versuchte Friedrich der

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3 4 5

Die Stationen seiner Karriere sind aufgelistet bei: Samoyault, Les Bureaux, S. 278; über seine Missionen vgl. die Angaben Kapitel A I, Anm. 12; zu ergänzen mit den Ausführungen in: Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, S. 311-322, 369-385; zur Mission von 1761 : Rashed, The Peace of Paris, S. 56-114. Samoyault, Les Bureaux, S. 49; AAE Personnel 13, fol. 149': „Le marquis de Puyzieulx propose à sa Majesté le Sieur de Bussy pour remplir la place de premier commis vaccante par le passage du Sieur le Dran à celle de chef de dépôt des affaires étrangères, et le Sieur Tercier pour succéder au bureau vacant par la retraicte du Sieur Bernage". Samoyault, Les Bureaux, S. 50-54. Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, S. 311-312; Samoyault, Les Bureaux, S. 52-54; 229, Anm. 21. „C'est un homme d'intrigue, un traître, un méchant homme et grandement soupçonné d'être gagné par l'Angleterre [...] je l'ai toujours vu alerte à savoir ce qui se passait, à se mêler de tout, quoiqu'on ne le chargeât de rien", Marquis d'Argenson zit. nach: Samoyault, Les Bureaux, S. 51.

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

Große 1754 Bussy erneut zu bestechen.6 Angesichts der Tatsache, daß er ein luxuriöses Hôtel in Paris samt einer Bibliothek mit einem Bestand von 6474 Büchern sein eigen nannte und er sich dennoch bei den Außenministern Saint-Contest und Rouillé über schlechtere Bezahlung sowie über angebliche Zurücksetzung gegenüber seinen Kollegen beklagte, neigt man dazu, Argenson zuzustimmen. Insbesondere Tercier, der mit ihm zum premier commis befördert wurde, galt seine Mißachtung, die soweit ging, daß er ihn bei Saint-Contest der Unfähigkeit beschuldigte.7 Auch die Reaktion auf die Denkschrift Blondels wird sowohl auf seine Neigung, sich in den Vordergrund zu drängen, zurückzuführen sein, als auch auf seine Eifersucht auf den Diplomaten, der in den Angelegenheiten des Staatensystems eine neue Sichtweise vertrat. Unbestritten aber dürfte seine Fach- und Detailkenntnis gewesen sein und letztlich auch seine Loyalität, mit der er der „diplomatischen Revolution" schließlich folgte. Bussy und die Vorgeschichte des renversement des alliances Bussys Eifer bei der Verteidigung französischer Interessen, seine Kenntnis der Reichsverfassung und seine nicht geringe Handlungsfreiheit im Außenministerium unter Rouillé zeigten sich anhand einer von ihm im Sommer 1755 in Gang gesetzten geheimen Verhandlung mit dem Kurfürsten von Mainz, Johann Friedrich Karl von Ostein. Diese mainzisch-französischen Verhandlungen hat Walter G. Rödel in einem 1986 publizierten Aufsatz zum Anlaß genommen, zu fragen, ob hier nicht eine geheime und über den Umweg des Mainzer Kurfürsten vorgenommene Kontaktaufhahme zwischen Versailles und dem Wiener Hof vorliege. So fallen die Verhandlungen des Mainzer Geschäftsträgers von Berns, der im Auftrage Rouillés in Mainz vorstellig wurde, genau in die Zeit, in der man in Wien begann, wieder ernsthaft die Möglichkeit einer Allianz mit Frankreich zu diskutieren. Hatte Kaunitz am 27. Juni 1755 noch vor einer Zusammenarbeit mit Frankreich gewarnt, wurde am 21. August Starhemberg angewiesen, in Frankreich eine „weitreichende Offerte für die Erzielung einer Übereinkunft zu unterbreiten". Zu diesem Zeitpunkt begannen die Verhandlungen in Mainz, von denen der Kurfürst auch den Kaiserhof unterrichtete. Damit habe Wien vom französischen Interesse an der Verhinderung der Eskalation des soeben ausgebrochenen Kolonialkonfliktes auf den Kontinent erfahren. Da Rouillé kein Konzept vorlag, wie er auf die Situation reagieren solle, habe Ludwig XV. zur „Verhütung eines Übergreifens des Konflikts auf Europa [...] mit der Sendung des Herrn von Berns auf einem unauffälligen, aber sicheren Umweg ein diskretes Signal für den Wiener Hof gegeben". Rödel kommt zu dem Ergebnis, daß trotz der Divergenz der Interessen zwischen Versailles und Wien - Eingrenzung des britisch-französischen Krieges auf den Kampf zur See und in den Kolonien einerseits, andererseits gegen das Ziel, Preußen Schlesien zu entreißen - die Gespräche in Mainz als „Signal für eine Annäherung am kaiserlichen Hof in Wien verstanden und aufgegriffen" wurden. „Der bisher als äußerst abrupt anzusehende diplomatische Schritt Österreichs, vollzogen mit der Sitzung am 19. August 1755, wurde mit großer Wahrscheinlichkeit durch die hier geschilderte französische Initiative ausgelöst".8 Diese These wurde bislang nur in den Studien von Eckart Buddruss und Lothar Schilling diskutiert und als zu weitgehend kritisiert9, nach den Spuren, die diese Verhandlungen in den französischen Ak6 7

8 9

Externbrink, Kommunikation - Information - Außenpolitik, S. 168-169. Samoyault, Les Bureaux, S. 242,247-255; AEE Personnel 13, fol. 154-156', Bussy an Puyzieulx, 1. Oktober 1753; fol. 174 r -177\ Bussy an Rouillé, Mai 1756. Rödel, Eine geheime französische Initiative als Auslöser des Renversement des Alliances?, S. 98, 109, 112. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 73, Anm. 26; Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 191-192, bes. S. 192, Anm. 818.

III. Bussy

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ten hinterlassen haben, wurde bislang nicht geforscht. Rödels Überlegungen stützen sich auf zwei bislang unbewiesene Hypothesen: Erstens, kann seine Vermutung über die positive Reaktion in Wien auf die Nachricht, die durch den Mainzer Gesandten von der französischen Fühlungsnahme überbracht wurde, nicht belegt werden. Es ist durchaus anzunehmen, daß Kaunitz informiert war, doch liegen über seine Bewertung der Vorgänge in Mainz liegen jedoch keine Erkenntnisse vor. „Welche Gründe Kaunitz [...] veranlaßten, entgegen der bis dahin von ihm befürworteten Linie aktiv auf ein Bündnis mit Versailles hinzuwirken, ist bis heute nicht geklärt". Hier mögen Gerüchte über britisch-preußische Geheimverhandlungen eine Rolle gespielt haben.10 Zweitens, hat er keine Informationen über die Hintergründe der Mission von Berns: Von wem ging die Idee zu seiner Mission aus, wer instruierte ihn? Stand hinter der Aktion tatsächlich Ludwig XV. und dessen Vorliebe für diplomatische Geheimaktionen, wie Rödel annimmt? Wäre dies demnach der Versuch, ein zweites secret du roi aufzubauen?" Zur Beantwortung der ersten Hypothese können hier keine weiterführenden Erkenntnisse präsentiert werden, wohl aber zu den Ursprüngen der Missionen des Herrn von Berns. Im März 1755 legte der premier commis Bussy Außenminister Rouillé eine „Projet d'une négociation avec l'électeur de Mayence" betitelte Denkschrift vor, die er vor dem Hintergrund der zunehmenden Eskalation der britisch-französischen Gegensätze in Nordamerika verfaßt hatte.12 Bussy schlug eine diplomatische Initiative vor, mit der die seit dem Österreichischen Erbfolgekrieg abgebrochenen Beziehungen zum Kurfürsten von Mainz wieder aufgenommen werden sollten. Er entwarf einen Plan, der darauf abzielte, Mainz an die Seite Frankreichs zu ziehen. Begründet wurde dieser Vorschlag mit der einflußreichen Stellung, die der Kurfürst in den Institutionen des Reiches besaß. Die Haltung des Kurfürsten, so Bussy, sei in zwei aktuellen Fragen von großer Bedeutung: in der Diskussion um die Wahl des römischen Königs - seit 1750 von London forciert14 - und im Reichskriegswesen. Angesichts der britisch-französischen Spannungen könne es von großer Bedeutung sein, sich die Dienste des Kurfürsten zu sichern. Bussy hielt die Gelegenheit für günstig, denn zum einen gebe es momentane Verstimmungen zwischen Wien und Mainz, die auf ausgebliebenen Zahlungen aus den letzten Kriegen beruhten, zum anderen habe der Kurfürst gerade in Frankreich um die Bezahlung der der französischen Armee gelieferten Fourage gebeten.15 Der Kurfürst müsse überzeugt werden, daß man die Auseinandersetzungen mit London nicht auf den Kontinent ausdehnen wolle. Dazu wäre seine Hilfe von Nöten, denn dank seines Einflusses in den Institutionen des Reiches könne er antifranzösische Aktionen der Engländer - die römische Königswahl oder gar die Erklärung eines Reichskrieges - verhindern. Dies würde der Wahrung der Reichsverfassung dienen, demnach im Sinne des Kurfürsten wie auch im französischen Interesse als eines Garanten der Verträge von Münster und 10

Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 191-192. ' Rödel, Eine geheime französische Initiative als Auslöser des Renversement des Alliances?, S. 109 weist zur Stützung seiner Vermutung auf die parallel, im Rahmen des secret du roi angelaufene Geheimmission des Schotten Douglas hin, der die russischen Truppen an der polnisch-russischen Grenze ausspionieren sollte. Zu den Hintergründen der Mission Douglas' siehe: Oliva, Misalliance, S. 10-15. 12 Vgl. Waddington, Renversement, S. 1 —44; Reese, Europäische Hegemonie und France d'outre-mer, S. 274-288; Higonnet, The Origins. 13 AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 135Γ-138Γ, „Projet d'une négotiation avec l'électeur de Mayence", fol. 135': „L'électeur de Mayence, tant par sa dignité d'archi-chancelier de l'Empire, que par la disposition de la direction de la Diette qui est entre ses mains a une inflüence principale dans les affaires de l'Empire". Siehe unten Quellenanhang III, S. 367-369. 14 Vgl. unten Anm. 22. 15 AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 135 v -136 r . 1

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D. Deutschlandbild

und

Entscheidungsprozeß

Osnabrück sein. Als Gegenleistung für die Vertretung französischer Interessen auf dem Reichstag und im Kurfürstenkollegium solle man dem Kurfürsten die Begleichung seiner Forderungen und weitere Subsidien anbieten. Was die Durchführung seines Planes betraf, so schlug Bussy den Weg einer vorsichtigen Kontaktaufnahme vor, wodurch im Falle des Scheiterns Frankreich keine Nachteile entstehen würden: „Für den Augenblick handelt es sich darum, ein geheimes Werkzeug auszuwählen, das man für solcherart Verhandlungen braucht. Ein solches, wie man es sich besser nicht wünschen kann, scheint sich in der Person des Herrn von Berns, des Agenten des Kurfürsten von Mainz in Paris, anzubieten [...]. Der Herr von Berns ist ein seit 40 Jahren in Paris lebender Händler aus Mainz, er verfügt über Vermögen, er ist alt und wünscht nichts sehnlicher, als seinen Lebensabend in diesem Königreich zu verbringen, das für ihn eine neue Heimat geworden ist".16

Für Berns spreche zudem, daß er direkten Zugang zum Kurfürsten habe, der ihn auch ohne Rücksprache mit seinen Minister empfangen werde. Wenn die Verhandlungen erst einmal angelaufen seien, könne man ihre Intensivierung ins Auge fassen. Bussy stieß bei seinem Vorgesetzten auf Zustimmung. Man könne es unter der Bedingung versuchen, daß dem Kurfürsten nur Entgegenkommen bei der Begleichung seiner Forderungen in Frankreich signalisiert werde. Subsidien dürfe man nicht anbieten, vermerkte Rouillé am Rand des Memorandums.17 Die Mission Berns hatte demnach ihren Ursprung nicht in der Absicht Ludwigs XV. einer indirekten Kontaktaufnahme mit Wien, sondern in der Initiative des premier commis Bussy. Dieser wollte Frankreich im sich anbahnenden Krieg eine gute Ausgangsposition sichern, indem er der antifranzösischen Reichspolitik Londons einen Riegel vorschob. Welche Absichten Bussy den britischen Demarchen unterstellte, wird im weiteren noch zur Sprache kommen. Es sind keine Aussagen darüber möglich, ob Ludwig XV. von dieser Mission wußte, die durchaus seiner Vorliebe für Geheimverhandlungen entsprach. Diese wurden jedoch immer vom König persönlich initiiert und nicht von subalternen Beamten. Daher steht zu vermuten, daß Rouillé Bussy gewähren ließ, um im Erfolgsfall dem König die Entsendung eines offiziellen Vertreters vorzuschlagen. Bussy bestellte Berns nach Versailles und übergab ihm Chiffren sowie ein an den Kurfürsten adressiertes Schreiben, das er selbst aufgesetzt hatte, das aber zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit von Rouillé unterzeichnet war.1 Daraufhin reiste Berns nach Mainz ab. Am 25. Juni berichtete er, die Vorschläge hätten das Interesse des Kurfürsten geweckt und man könne bald mit einer Antwort rechnen, die er bei seiner Rückkehr übergeben werde. Nach Eingang des Briefes reichte ihn Bussy, sichtlich zufrieden über den erfolgreichen Beginn seines Planes, an Rouillé weiter.19 Die Antwort des Kurfürsten entsprach dann aber 16

Ibid. fol. 137v: „II s'agit à présent de déterminer le choix de l'instrument secret qu'il faudra employer pour une pareille négotiation, il paroit qu'il s'en offre un tel qu'on peut le désirer dans la personne du Sieur Berns agent de l'électeur de Mayence à Paris [...]. Le Sieur de Berns est un négotiant de Mayence établi à Paris depuis 40 ans, il y a toutte fortune, il est vieux et n'aspire qu'à finir tranquillement ses jours dans ce royaume qui est devenu pour lui une nouvelle patrie". 17 Ibid. fol. 135'. 18 AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 148r-v. Rödel, Eine geheime französische Initiative als Auslöser des Renversement des Alliances?, S. 101. Das von Rödel erwähnte, an Berns übergebene „Mémoire sur l'affaire de l'élection du Roy des Romains" findet sich in: AAE CP Mayence 46, fol. 54r-62v. " AAE CP Mayence Supl. 3, fol. 157r, Bussy an Rouillé, 4. Juli 1755. Der Brief Berns' ibid. fol. 155'"v.

III. Bussy

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doch nicht den Erwartungen des premier commis. Es steht zu vermuten, daß der Kontakt über Berns einstweilen unterbrochen wurde, da Bussy mit einer diplomatischen Mission zu Georg II. beauftragt wurde, der sich in Hannover aufhielt.20 Graf Stadion, wichtigster Berater des Kurfürsten, schrieb Anfang Dezember noch einmal an Berns. Unter vielen Komplimenten versteckte er seine Ablehnung der französischen Vorschläge und forderte an erster Stelle die Begleichung der französischen Schulden als Voraussetzung für weitere Verhandlungen.21 Damit wären die oben gestellten Fragen hinsichtlich der Ursprünge der geheimen Kontakte zwischen Versailles und Mainz im Sommer 1755 weitgehend geklärt. Die Beweggründe, die Bussy zu dieser Initiative veranlaßt haben, können anhand einer weiteren Denkschrift aus seiner Feder erhellt werden. Den Anstoß, die seit dem Österreichischen Erbfolgekrieg unterbrochenen Kontakte zu Mainz wieder aufzunehmen, gab die Befürchtung eines erneuten Auflebens der Diskussion über die Wahl eines Römischen Königs vivente imperatore. Zwar war der englische Vorstoß von 1750 bereits zweimal gescheitert, aber noch hatte man die Angelegenheit nicht endgültig aufgegeben.22 Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz versuchte, aus der Situation zu profitieren und territoriale sowie finanzielle Ansprüche durchzusetzen, und bot seine Zubzw. Absage zur Wahl des jungen Erzherzogs Joseph dem Meistbietenden an. Ohne Wissen Frankreichs hatte er im Frühjahr 1754 geheime Verhandlungen mit Mainz angeknüpft, in der Absicht, über den Kurfürsten mit dem Kaiser ins Gespräch zu kommen.23 Obwohl die Wahl zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht zur Debatte stand, wollte der Pfälzer die Gelegenheit nutzen, den Preis zu eruieren, den man in Wien (oder Paris) für eine Allianz mit ihm zu zahlen bereit war. Die Briten zielten, als sie das Projekt der Königswahl lancierten, auf die Schwächung des französischen und auf die Stärkung des britisch-hannoverischen Einflusses im Reich. Über die Königswahl sollten durch parallel abgeschlossene Subsidienverträge sympathisierende Kurfürsten ins englische Lager gezogen werden, was im Falle Kölns und Bayerns auch gelang.24 Dies war der Hintergrund der Denkschrift Bussys vom 1. Mai 1755, in der er die französische Haltung in der Frage der Königswahl diskutierte. Der premier commis verdächtigte London, ein „grand projet" zur Bekämpfung und Erniedrigung Frankreichs zu verfolgen:

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Bussys Instruktion ist datiert vom 28. Juni, er blieb bis etwa Anfang August in Hannover, nachdem er bereits am 18. Juli, einen Tag nach seiner Ankunft, wegen der Wegnahme der Alcide und Lys durch Admiral Bouscawen vor Kanada abberufen wurde, vgl.: AAE CP Brunswick-Hanvore 52, fol. 8'-12 v , „Instruction pour le Sieur de Bussy allant à Hannovre pour y résider en qualité de ministre du Roy auprès du Roy de la Grande Bretagne", seine - wohl einzige Audienz bei Georg II. - schildert er ibid., fol. 17'-35v, Bussy an Rouillé, 29. Juli 1755. Newcastles Vorschlag, Bussy erneut zu bestechen, konnte in dieser kurzen Zeit nicht umgesetzt werden. Ob er darauf eingegangen wäre, bleibt Spekulation. Der bei Waddington zitierte Brief Newcastles (S. 101) ist zugleich Beleg dafür, daß Bussy nach seinem ersten Aufenthalt in London nicht als Informant für die Briten tätig war. Bussys Besuch in Hannover ist in der Forschung nicht weiter berücksichtigt worden, bei Waddington, Renversement, S. 101, 104 nur kurze Erwähnungen. AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 166-168', Stadion an Berns, 6. Dezember 1755; über Anton Heinrich Friedrich Graf von Stadion (1691-1768): Duchhardt, Philip Karl von Eitz, S. 37, Anm. 232 mit Literatur. Zur Königswahl vgl.: Gehlsdorf, Die Frage der Wahl des Erzherzogs Joseph zum römischen König; Horn, The Origins of the proposed Election; Rödel, Frankreich, Kurpfalz, Kurmainz und die Frage der römischen Königswahl; Olbrich, Die Politik des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, S. 69-122. Rödel, Frankreich, Kurpfalz, Kurmainz und die Frage der römischen Königswahl, passim. Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 47.

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

„Aus diesem ist zu folgern, daß jenes große Vorhaben [d. i. die Wahl des römischen Königs, S. E.] in nichts anderem besteht als darin, von der Zurückhaltung zu profitieren, die Frankreich im Glauben an die Wiederherstellung des Friedens an den Tag legt, um es entweder direkt oder durch seine Verbündeten anzugreifen".25

Mit Beginn der Auseinandersetzungen in Amerika habe die Ausführung dieses Planes eine neue Stufe erreicht. Durch den angekündigten Besuch Georgs II. in Hannover solle die Wahl Erzherzogs Josephs vorangetrieben werden. Auch die erste Initiative Londons sei bei einem Aufenthalt des Königs in Hannover eingefädelt worden.26 Bussy plädierte nun unter ausfuhrlicher Diskussion der Wahlbestimmungen der Reichsverfassung (einstimmige Wahl oder Wahl mit einfacher Mehrheit?) für die Verhinderung der Wahl, so wie sie von London forciert würde. 27 Setze Georg II. die Wahl ohne Rücksicht auf Frankreich durch, das berufen sei, als Garant des Westfälischen Friedens auf die Einhaltung der Wahlgesetze zu achten, bedeute dies einen großen Schaden für die französische Reputation im Reich: „Wenn man bei dieser Gelegenheit dem König von England den Ruhm läßt, die Wahl des Römischen Königs vollendet zu haben, wird er nicht zögern, daraus erhebliche Vorteile zu ziehen. Man wird ihn als Wiederhersteller des Hauses Österreich, als Wächter der Kaiserkrone betrachten. Sehen die deutschen Fürsten einen Römischen König, der jeden Augenblick Kaiser werden kann, dann werden sie alles tun, um sich sein Wohlwollen zu sichern. Der Wiener Hof wird nichts mehr mit dem französischen Hof zu verhandeln haben, und ihrerseits werden die Engländer vom Erfolg ihres Königs bei der Wahl des Römischen König in Deutschland so aufgeblasen sein, daß sie sich noch mehr anstrengen, um die Bemühungen ihrer Majestät zu Wasser und zu Land zu unterstützen".28

Bussy äußert hier die schon mehrfache angesprochene Furcht, daß Frankreich im Reich an Einfluß verlieren würde und zugleich eine wie auch immer geartete Umgestaltung des Reiches durch die protestantischen Führungsmächte (hier jedoch nur England-Hannover) nicht verhindern zu können. Deutlich wird, daß Österreich nicht mehr auf einer Stufe mit England stehend gesehen wird, sondern vielmehr als geschwächte Macht erscheint, die die Kaiserwürde nur noch mit fremder Hilfe behaupten kann. Scharfsinnig sah Bussy, wie sehr die englische Außenpolitik durch Rücksichtnahme auf die Innenpolitik geprägt wird. In der Tat verband Newcastle das fur den König prestigeträchtige Wahlprojekt mit Bündnis- und Sub-

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AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 139'-142 v , „Sur le projet de retarder l'élection du Roi des Romains", 1. Mai 1755, fol. 139': „On concût dès lors que ce grand projet ne pouvoit être que celui de profiter de l'état pacifique où la France se tenoit sur la foi du rétablissement de la paix pour l'attaquer soit directement soit par ses alliés". AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 139'~v: „II paroit que nous touchons au moment de l'accomplissement de la prédiction des Anglois, puisques tandis qu'ils prennent les mesures les plus fortes pour faire la guerre par mer à la France, le Roi d'Angleterre passe dans ses États d'Hanover pour consommer l'affaire de l'élection". Siehe auch: Gehlsdorf, Die Frage der Wahl des Erzherzogs Joseph zum römischen König, S. 16. Ibid. fol. 140'—141v. Ibid. fol. 139 v -140 r : „Si dans cette circonstance on laisse tranquillement le Roi d'Angleterre la gloire de consommer l'élection du Roi des Romains, il ne poura manquer d'en tirer un avantage considérable. On le regardera comme le restaurateur de la maison de l'Autriche, le dispensateur de la couronne impériale. Les princes allemands voiant un Roi des Romains qui poura devenir à tout moment Empereur ne seront occupés du soin de mériter sa bienveillance. La cour de Vienne n'aura plus rien à menager avec celle de France, et les Anglois de leur côté enflés du succès que le Roi d'Angleterre aura eû en Allemagne par l'élection du Roi des Romains n'en deviendront que plus animé pour seconder les efforts de S. M. Britannique et par terre et par mer".

III. Bussy

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sidienverträgen im Reich, für die er die Zustimmung des Parlamentes brauchte.29 Bussy, dem die Pfälzer Verhandlungen mittlerweile bekannt waren30, plädierte für ein behutsames Vorgehen, um im Lager der Kurfürsten keine unüberbrückbaren Gräben zwischen den Parteigängern Frankreichs und denen Englands aufzureißen. Karl Theodor von der Pfalz solle einsehen, daß es ohne Nutzen sein werde, mit Frankreich zu brechen, um seine Ziele zu erreichen. Andere würden seinen Platz einnehmen.31 Könnte man den Mainzer Kurfürsten in das französische Lager ziehen, so Bussy, böten sich weit bessere Einflußmöglichkeiten auf die Reichsinnenpolitik, als sich bisher über das „Sprachrohr" Mannheim ergeben hatten. Denn Bussy war nicht entgangen, daß Mainz „seit Beginn des 18. Jahrhunderts [...] einen bis heute nicht untersuchten besonderen Einfluß auf die Reichspolitik gewonnen" hatte.32 Zu den Rechten und Funktionen des Kurfürsten, die es ihm erlaubten, eine zentrale Rolle im Reich zu spielen, zählten das Recht, die Kurfürsten zur Kaiserwahl zu versammeln, sein Einfluß auf die Ernennung der Kammerrichter am Reichskammergericht sowie das Recht, bei Bedarf die Reichskreise zu Gesamtkreistagen einzuberufen. Hinzu kam seine tragende Rolle am Reichshofrat und am Reichstag, wo er über das Direktorium großen Spielraum bei der Gestaltung der Tagesordnung besaß. Die Rekrutierung des Mainzer Kurfürsten aus dem katholischen Reichsadel bewirkte, daß sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Sprecher der kleinen Reichsstände wurden. Die von Bussy weitgehend in Eigenverantwortung gestartete Initiative belegt exemplarisch, wie das in großem Umfang vorhandene Wissen über Deutschland und vor die Reichsverfassung bei der Formulierung politischer Ziele eingesetzt wurde. Ausschlaggebend für die Aufnahme bzw. Pflege diplomatischer Beziehungen zu einzelnen Reichsständen mußte nicht deren tatsächliche politisch-militärische Macht sein. Fehlende militärische Stärke konnte durch die Einbindung in das Gefüge des Reichssystems kompensiert werden. Die Reichsverfassung bot den mindermächtigen Reichsständen die Möglichkeit, eine kleine Rolle im Konzert der europäischen Mächte zu spielen. Mit der Berufung auf die Verankerung des Mainzer Kurfürsten in den Schaltstellen der Reichsverfassung legitimierte Bussy auch ein Jahr später die Forderung nach der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen. Es sei ein Fehler gewesen, aus Furcht vor den Ansprüchen des Kurfürsten die seit der Abberufung Blondels vakante Stelle eines Gesandten in Mainz nicht mehr zu besetzen. Man dürfe nicht allein auf die geostrategischen Überlegungen zur Bewertung des politischen Gewichtes zurückgreifen, sondern müsse die Stellung des Kurfürsten im Reich - als Reichskanzler und Direktor des Kurrheinischen und des Oberrheinischen Kreises - berücksichtigen33. 29

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Rödel, Frankreich, Kurpfalz, Kurmainz und die Frage der römischen Königswahl, S. 512; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 45-46. Rödel, Frankreich, Kurpfalz, Kurmainz und die Frage der römischen Königswahl, S. 534. AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 142': „On se bornera seulement à dire qu'il est essentiel en général de fortifier le parti des électeurs alliés du Roy par l'union d'autres électeurs dans les mêmes vues et en particulier pour retenir l'électeur Palatin affin qu'il voie que le sacrifice qu'il seroit tenté de faire à la cour de Vienne des engagements qu'il a pris avec le Roy seroit inutile par les oppositions des autres électeurs que remplaceroient la sienne, et que cette considération jointe à la promesse de l'indemnité dont on a parlé plus haut puisse l'empêcher d'accorder aux cours de Vienne et d'Angleterre des complaisances pernicieuses aux intérêts du Roy et de la tranquilité générale". Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 137. Zum folgenden siehe ibid. S. 137-138, Bd. 1, S. 116-119, 132-134; Mohnhaupt, Die verfassungsrechtliche Einordnung der Reichskreise, S. 22-23. AAE CP Mayence Suppl. 3, fol. 194Γ-195Γ, „Avantage d'envoyer un ministre à Mayence", fol. 194 v -195 r (vollständiges Zitat): „Cet électeur n'est pas tant considérable par la valeur de ses États, qui ne sont cependant pas à mépriser ni par l'importance de sa ville de Mayence quoique ne très bien fortifiée au voisinage de France et dans la position la plus avantageuse sur le Rhin à l'embouchure du Mein, ce qui la

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

Bussy setzte sich durch: Von 1757 bis zur Eroberung durch die französische Revolutionsarmee 1792 residierte in Mainz ein Vertreter Frankreichs. Und als man 1762 die kurfürstlichen Bemühungen um den Zusammenhalt des Reiches überschwenglich lobte, dürfte dies wohl auch den premier commis bestätigt haben, der seit 1755 für eine Wiederannäherung der einstmals eng Verbündeten geworben hatte.34 Bussy als Kritiker der österreichischen Allianz 1760 Wie sehr das alte Feindbild Österreich Bussys Anschauungen auch nach 1756 prägte, zeigt sich in einer für den internen Gebrauch angefertigten Denkschrift des Jahres 1760. Darin bilanzierte er die Ergebnisse, die seiner Auffassung nach die Allianz mit Wien für Frankreich gebracht hatte, und kam zu einem insgesamt negativen Ergebnis. Seine Ablehnung des neuen Systems drückte sich bereits in den einleitenden Worten aus. Die Neugestaltung der Bündnissysteme Europas sei unnatürlich und gefährde den europäischen Frieden35 - d. h. er bestritt, daß die Allianz, wie von ihren Befürwortern behauptet, friedenssichernd wirken könne. Diese grundsätzliche Feststellung beruhte auf der Kritik des Ungleichgewichts des Bündnisses, wie sie im zweiten Versailler Vertrag festgeschrieben worden war. Österreich allein profitiere von der französischen Reputation im Reich - so sei der Reichsschluß vom 27. Januar 1757 nur durch Frankreichs Einfluß zustande gekommen - , leiste nichts für den Kampf gegen Großbritannien und gewinne für sich zahlreiche Bündnispartner, während für Frankreich kein einziger Alliierter bleibe.36 Auch hinsichtlich der Kriegsziele sei ein Ungleichgewicht festzustellen. Würden bei erfolgreicher Beendigung des Krieges weite Teile Schlesiens an Wien zurückfallen, sei die Restitution verlorener Kolonien zweifelhaft. Auch nach Kriegsende werde allein Wien von der Allianz profitieren, was sich vor allem in einem Machtzuwachs Österreichs im Reich manifestieren werde. Die Streitfälle am Reichstag, etwa das Vorpreschen Wiens in der Frage der Reichsacht, galten Bussy als Beleg für den Willen des Kaisers, seine Macht auf Kosten der Reichsstände zu vergrößern.37 Frankreich, so die

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rend une des clefs de l'Allemagne; que par son office d'archi=chancelier de l'Empire qui lui donne le directoire exclusif de toutes les Diettes générales de l'Empire, outre celui du cercle électoral du bas Rhin, celui aussi du cercle du Haut Rhin. Cet emploi est de si grande conséquence et lui donne une telle autorité et une influence si étendue que sans le concours de cet électeur, il est presque impossible à l'Empereur même fût il d'accord avec les autres 8 électeurs d'exécuter la moindre chose dans l'Empire, et encore moins de pouvoir négocier quoi que ce puisse être dans toute l'Allemagne à son insçû, enfin on peut avancer hardiment qu'il est lui seul le plus puissant dans l'Empire que tous les autres électeurs". Ähnliche Formulierungen finden sich auch in der Instruktion für den 1758 neu ernannten Befehlshaber der französischen Armee im Reich, Clermont, siehe: AAE CP Allemagne 600, fol. 58Γ-73Γ, Instruktion Clermonts vom 28. Januar 1758, fol. 59 v . Recueil des instructions: Mayence, S. 175; zur Rolle des Kurfürsten Ostein im Krieg: ibid. S. LX. AAE MD Autriche 40, fol. 425 r -431 v : „Sur l'alliance de la France avec la maison d'Autriche", Juli 1760, fol. 425': „L'alliance des cours de Londres et de Berlin a changé le système politique de l'Europe, elle a donné lieu à celles de la France avec les 2 Impératrices et celle de la Suède avec la Russie, l'une aussi peu naturelle que les autres et également dangereuse pour le repos de l'Europe en général et de l'Empire en particulier". Ibid. 425Γ-426Γ. Ibid. fol. 426 v -427 r : „La puissance de la maison d'Autriche augmentée par la conquête de la Silésie, fortifiée par l'élection de Roy des Romains en la personne de l'archiduc Joseph, soutenue par une bonne administration et appuyée par l'alliance de la France, sera plus formidable qu'elle n'a jamais été, et la garantira de toute entreprise de la Porte, et dès lors cette maison se croira en droit d'étendre l'autorité impériale aux dépens des droits et de la liberté des États. L'affaire du ban de l'Empire, celles de la tutuelle

III. Bussy

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Befürchtung des premier commis, sei nur Erfüllungsgehilfe des Kaisers, der auch nicht zögern werde, neugewonnenen Handlungsspielraum gegen Versailles zu nutzen.38 Bussys ansatzweise entwickelte Vision der von Frankreich zu verfolgenden Politik bestand im Rückgriff auf die klassische Reichspolitik, wie sie von Richelieu und seinen Nachfolgern bis zu Fleury praktiziert wurde. Es sei im Interesse Frankreichs, im Reich über ein protestantisches Gegengewicht zu Wien zu verfügen. Diese Rolle habe früher Schweden innegehabt und werde jetzt von Preußen übernommen. Doch könne Wien nicht zulassen, daß diese Rolle nach der Ausschaltung Friedrichs II. von einer anderen protestantischen Macht übernommen werde. Angesichts der Tatsache, daß Versailles und Wien über keinen gemeinsamen Feind verfügten, daß auch weitere außenpolitische Präferenzen, etwa das Verhältnis zur Pforte, nicht kongruent seien, konnte sich für Bussy nur ein Schluß ergeben: „Es scheint also, daß man die Allianz Frankreichs mit dem Hause Österreich unter dem gleichen Blickwinkel betrachten muß wie die Frankreichs und Englands gegen Holland im letzten Jahrhundert und die derzeitige Frankreichs und Rußlands: d. h. als momentan und vorübergehend. Sollte sie nach dem Frieden fortbestehen und sich verfestigen, wäre sie den größten Unannehmlichkeiten unterworfen, denn es ist sicher, daß sie die der Könige von Preußen, Englands und der protestantischen Fürsten verewigen würde; daß es ihnen sogar noch leichter fallen würde, weitere Fürsten aus alten Dynastien einzugliedern, da man diese niemals davon überzeugen werde, die Allianz Frankreichs und Österreichs diene an erster Stelle dem Erhalt des deutschen Systems. Die Erfahrung vieler Jahrhunderte hat sie über die Ansichten des Hauses Österreich belehrt. Und um sich vor dem Joch dieses Hauses zu schützen, haben sie die Hilfe Frankreichs erbeten. Da sich nun diese Krone mit dem Kaiser vereint wiederfindet, kann man sich nicht damit schmeicheln, die Wiedergeburt des Vertrauens der Reichsstände auf die Protektion des Königs und den Rückgewinn seines Einflusses in Reichsangelegenheiten zu erleben, solange die enge Verbindung mit der Macht besteht, die nur danach trachtet, die Rechte der Stände zu beschränken".39

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de Weymar, des monnoyes, des postes, de la nomination du général et du commissaire de l'armée de l'Empire et différentes autres de cette nature, entreprises dans une époque critique, où cette maison avoit besoin du secours des États, ont décelé ses vues et fait connoitre le cas qu'elle fait de l'observation des loix de l'Empire et à quoi l'on doit s'attendre de sa part dans des temps moins orageux". Ibid. fol. 427v: „On ne peut se dispenser de faire ici une digression et d'observer à ce sujet que les circonstances ont forcé la France de faciliter à la cour impériale les moiens d'entreprendre sur les droits et le liberté des États, soit en adoptant une partie des principes de cette cour, qui sont très préjudicables tant aux États en général qu'aux Protestane en particulier, soit en rétablissant d'autres qui se trouvent proscrits par les capitulations impériales et autres loix de l'Empire, que la maison d'Autriche ne manquera de faire valoir dans l'occasion d'appliquer peut être contre la France même". Ibid. fol. 431r_v: „II paroit donc, qu'il faut considérer l'alliance de la France avec la maison d'Autriche du même œil que celle de la France et l'Angleterre contre la Hollande dans le dernier siècle, et celle de la France et de la Russie dans celui cy, c'est à dire comme momentanée et passagère, car si elle devoit subsister et se consolider après la paix, elle seroit sujettée aux plus grands inconvénients, puisqu'il est certain qu'elle perpétuerait celle des rois d'Angleterre et de Prusse et des princes protestants qui se trouvent dans leur parti, qu'il leur seroit même facile d'y en attirer encore d'autres princes des anciennes maisons, auxquelles on ne persuadera jamais, que l'alliance des maisons de France et d'Autriche ait pour objet principal le maintien du système germanique. L'expérience de plusieurs siècles les a instruit des vues des empereurs de la maison d'Autriche, c'est pour les garantir du joug de cette maison, qu'ils ont réclamé l'assistance de la France. Comme cette couronne se trouve unie avec l'Empereur, on ne peut pas se flatter de voir renaître la confiance des États dans la protection du Roy et de lui rendre par conséquent son influence dans les affaires

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

Sollte das Anheizen der konfessionellen Rivalitäten im Reich im Interesse Frankreichs liegen, könne dies die aktuelle Bündniskonstellation bewirken. Damit, so das Fazit Bussys, sei der Rückfall in die Zeiten Karls V. und Ferdinands II. sowie der Ausbruch eines Religionskrieges garantiert.40 Bussys Kritik der österreichischen Allianz basierte auf der traditionellen Bewertung der Machtverhältnisse im Reich. Die Verschiebungen des innerreichischen Gleichgewichts der Kräfte, Konsequenz des Österreichischen Erbfolgekriegs, wurden von ihm - ihm Gegensatz zu Blondel und anderen - als nicht relevant beachtet. Bussys Wahrnehmung österreichischer Politik überzeichnet zweifellos die Ziele der Habsburgermonarchie. Kaunitz strebte nach der Revision des Aachener Friedens, doch sein Hauptaugemerk richtete sich weniger auf das Reich als auf die Konsolidierung habsburgischer Hausmacht, die zu großen Teilen außerhalb der Reichsgrenzen lag. Zweifellos war Wien nicht bereit, Einschränkungen der kaiserlichen Rechte hinzunehmen, aber man verfolgte keine mit der Politik Karls V. und Ferdinands II. vergleichbare Ziele. Habsburgische Reichspolitik vollzog in dem durch den Westfälischen Frieden gesetzten Rahmen, und gerade indem sich die Kaiser seit 1648 sich diesem Koordinatensystem unterworfen hatten, war ihnen ja in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein erheblicher Rückgewinn des alten Ansehens gelungen. Doch folgte auf den Höhepunkt kaiserlicher Macht nach 1715 im Gefolge des Todes Karls VI. ein Zusammenbruch, von dem sich die Monarchie nur langsam erholte.41 All diese Entwicklungen scheinen von Bussy nicht berücksichtigt worden zu sein. Sein Bild der Habsburgermonarchie bleibt undifferenziert und erinnert an den ,,irrationale[n], fast paranoide[n] Charakter der französischen Ängste" in der ersten Phase der Regentschaft Philipps von Orléans.42 Bemerkenswert ist der Einsatz historischer Argumente sowohl bei den Kritikern der Allianz als auch bei ihren Befürwortern.43 Berief sich Bussy auf die Erfolge der Vergangenheit, um dem Festhalten an der von Richelieu geprägten Reichspolitik eine größere Legitimität zu verleihen, besaß die Vergangenheit für Blondel zwar eine Orientierungsfunktion, die aber kritisch zu prüfen war. Deutet vieles darauf hin, daß für den premier commis der ciceronische Lehrsatz von der historia magistra vitae unvermindert galt, traten Blondel und Le Dran dieser Tradition weit kritischer entgegen. Um den „revolutionären" Schritt, das Bündnis mit dem Erbfeind Habsburg, zu wagen, war aber nicht allein kritische, der Aufklärung Gedankengut verpflichtete Urteilskraft ausschlaggebend, sondern die in den Jahrzehnten zuvor vollzogene Neudefinition der Interessen französischer Außenpolitik. Nicht mehr der habsburgischen Umklammerung, nicht mehr der Expansion Frankreichs in Richtung „natürliche Grenze" am Rhein, sondern kolonialer Expansion und dem Aufbau eines Handelsimperiums kam oberste Priorität zu. Und hier kollidierten die französischen Interessen mit denen Großbritanniens. Der französische Kolonialhandel entwickelte sich seit den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für den britischen, was dazu führte, daß London in Frankreich immer mehr einen maritimen Rivalen und weniger eine

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de l'Empire, tant que durera sa liaison intime avec la puissance qui ne cherche qu'à empiéter sur leurs droits". Ibid. fol. 43l v : „On doit s'attendre plutôt, que si cette alliance subsiste sur le même pied, on retombera dans les temps de Charles Quint et de Ferdinand 2 d , c'est à dire dans ceux des ligues entre les deux partis, qui opèrent à la fin une guerre de religion. S'il pouvait être de l'intérêt de la France d'entretenir les moiens de la fomenter, il faut cultiver et resserrer l'union avec la maison d'Autriche". Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 50-59. Ulbert, Die Angst vor einer habsburgischen Hegemonie, S. 67. Zum folgenden siehe auch: Burkhardt, Geschichte als Argument, bes. S. 206-214.

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Bedrohung für das kontinentale Gleichgewicht sah.44 Frankreich fühlte sich durch die überlegene britische Kriegsmarine in die Defensive gedrängt und analysierte diese Situation in ähnlichen Kategorien wie im 16. und 17. Jahrhundert den Kampf gegen die habsburgische Universalmonarchie. England sei der wahre Rivale Frankreichs, schrieb Monteil, Gesandter in Köln, im Mai 1757, ein Gegner, der zu Wasser nicht zu besiegen sei. Einzig erbitterter Widerstand könnte einen Stimmungsumschwung in der öffentlichen Meinung des Inselreiches herbeiführen, der London an den Verhandlungstisch und zu Zugeständnissen fuhren würde.45 Es war diese grundsätzliche Verschiebung in der Wahrnehmung der Konfliktlinien des Staatensystems, die den Weg für die Neubewertung der Machtverhältnisse im Reich und für die österreichische Allianz öffnete, und die Fähigkeit, sich von Traditionen zu lösen, ermöglichte diese Entscheidung. Wie eine Analyse dieser veränderten Weltlage unter Einbeziehung des kolonialen Interesses und der Neuformierung des europäischen Staatensystems aussah, soll nun abschließend erörtert werden.

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Black, Anglo-French Relations 1740-1756, S. 53-60. AAE CP Cologne 93, fol. 331-334", Monteil an Rouillé, 26. Mai 1757, fol. 331 v : „La véritable rivale de la France c'est l'Angleterre, le danger le plus réel dont cette guerre menace l'État, c'est le succès des efforts que les Anglois font contre nous: Qu'importent les autres événemens! [...] Les entreprises contre les établissemens éloignés des Anglois sont trop incertaines et trop dispendieuses; il faut se contenter d'une bonne et sage déffensive contre l'Angleterre par mer, et la meilleure offensive que nous puissions exécuter contre le royaume de la Grande-Bretagne c'est de procurer des révolutions. Le moyen le plus efficace de parvenir à ce but, c'est sans doute de réduire le Roy d'Angleterre à la plus grande extrémité, il faut le rendre à charge à la nation pour la dégoûter de la guerre de terre, qu'elle a cru nous susciter tandis qu'elle ne fasoit que servir l'ambition du Roy de Prusse".

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D. Deutschlandbild

und

Entscheidungsprozeß

IV. Louis-Gabriel Du Buat: Das Alte Reich, das Staatensystem und die europäische Expansion (1761) Wie der Kolonialkrieg, die Veränderung der mächtepolitischen Konstellationen Europas durch den Aufstieg Rußlands und Preußens und die Frage der Gestalt des Alten Reiches miteinander verzahnt waren, kann anhand einer Denkschrift des in München residierenden Gesandtschaftssekretärs Du Buat dargelegt werden. Seine Denkschrift entstand im Sommer 1761, zu einem Zeitpunkt, an dem sich der Konflikt zu einem Abnutzungskrieg entwickelt hatte, eine militärische Entscheidung in weite Ferne gerückt war und erste Sondierungen über einen Friedensschluß in Gang gekommen waren. Louis-Gabriel Du-Buat-Nançay war „Schüler" des bedeutenden Militärtheoretikers Chevalier de Folard und gelangte mit dessen Hilfe in diplomatische Dienste. Er begleitete Hubert Folard, den erfahrenen Deutschlandexperten, als Sekretär auf dessen Münchner Posten und wurde als Spezialist für deutsche Geschichte in die Bayrische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.1 Im Sommer 1761, als Choiseul erste Versuche unternahm, einen Frieden mit Großbritannien auszuhandeln, sandte ihm Du Buat eine „Réflexions sur le futur traité de paix" betitelte Denkschrift. Darin plädierte er vor allem für die Aufgabe Kanadas, um so Kräfte zu gewinnen, die zum Schutz der karibischen Kolonien und Louisianas eingesetzt werden könnten. Für den Verzicht auf Kanada sprach seines Erachtens vor allem die Tatsache, daß die Erträge der Kolonie bei weitem nicht die zu ihrer Verteidigung aufgewandten Kosten ausglichen. Auch hinsichtlich der strategischen Bedeutung Kanadas war Buat überzeugt, den Verlust durch Stärkung der Stützpunkte in der Karibik wettmachen zu können.2 Auf die Diskussion über die Bedeutung Kanadas für die französische Politik kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.3 Von Interesse für unsere Thematik sind aber die einführenden Überlegungen Buats über potentielle Entwicklungen innerhalb des Staatensystems. Unmittelbarer Anlaß seiner Denkschrift war die Neubesetzung der vakanten Bischofssitze in Westfalen, die bis 1761 in der Person des Kurfürsten Clemens-August von Köln vereinigt waren. Nachdem Hannover bereits 1745 die Säkularisation Osnabrücks gefordert hatte, befürchtete man bei Suche nach den Nachfolgern für den Kölner Kurfürsten ein erneutes Aufleben dieser Diskussion.4 Dies war Ausgangspunkt der Überlegungen Du Buats. Den französischen Interessen widerspreche eine Einziehung der westfälischen Bistümer nach dem Vorbild der Säkularisationen des 16. und 17. Jahrhunderts, da dies unweigerlich eine fundamentale Umgestaltung Deutschlands zur Folge haben würde. An die Stelle der staatlichen Vielfalt würden letztlich drei Mächte treten - der Kaiser, Hannover und Preußen - , die untereinander früher oder später die noch unabhängigen Kleinstaaten dominieren wür1 2 3

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Über Du Buat vgl. Kapitel Α. II., S. 59, Anm. 67. AAE CP Bavière 144, fol. 276-284', „Réflexions sur le futur traité de paix", Juli-August 1761, fol. 279-284'. In der Behandlung der Kanadafrage standen sich wirtschaftliche und strategische Überlegungen gegenüber. „L'intérêt économique du Canada était limité", nachdem der im 17. Jahrhundert florierende Handel zurückgegangen war, vgl.: Bérenger, Meyer, La France dans le monde, S. 204; Desbarats, France and North America; zu den Diskussionen im Außenministerium vgl.: Reese, Europäische Hegemonie und France d'outremer, S. 323-325; zu den Befürwortern des Verzichts auf Kanada zählte im übrigen auch Voltaire, der sich direkt an Choiseul wandte, vgl.: Haudrère, L'Empire des rois, S. 315-317. Siehe oben Kapitel Β III 3; Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 22, 136-137.

IV. Du Buat

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den.5 Das Kaisertum würde zu einem leeren Titel herabsinken, da mit den geistlichen Staaten eine wichtige Klientel verloren ginge, die traditionell die Nähe zum Kaiser gesucht hatte. Auch wäre es nicht mehr möglich, der preußischen Macht durch ein Bündnis der Reichsstände Einhalt zu gebieten. Für Frankreich bedeute dies, daß es nicht mehr in der Lage sein würde, das Gleichgewicht der Kräfte im Reich zu kontrollieren oder zu steuern, worauf die vollkommene Aufhebung der Reichsverfassung und damit das Ende des Reiches folgen würde.6 Ein unkontrollierbares Deutschland, in dem drei Mächte um den Vorrang kämpfen, stelle für das europäische „System" eine Bedrohung dar: „Man mag sich die Zeit nicht vorstellen, in der Deutschland, einmal aufgeteilt zwischen drei Mächten, zum Schauplatz eines Krieges wird, der nur in der Zerstörung einer der Mächte enden kann, und der durch die Beschleunigung der Formierung einer deutschen Monarchie das Staatensystem Europas umstürzen würde".7

Diese Prophezeiung, mit der Du Buat den Entwicklungen zwischen 1803 und 1806 sehr nahe kam, zeigt einmal mehr, wie sehr das Nachdenken über das Staatensystem in der französischen Diplomatie auf einer der folgenden Grundannahme beruhte: Das Alte Reich prägt dessen Gestalt und garantiert zugleich dessen relative Stabilität. Am Beispiel Preußens lasse sich, so Du Buats Überzeugung, der Spielraum demonstrieren, den das System einem Aufsteiger" biete. Zugleich zeigten sich aber auch die Grenzen der Flexibilität des Systems: In dem Moment, in dem ein Akteur oder mehrere Akteure versuchten, die Grundstrukturen des Systems zu verändern - in diesem Falle die Auflösung des Reiches - , müßten sich die anderen Akteure verbünden, um dies zu verhindern. Hinsichtlich potentieller Umgestaltungen im Reichsgefüge könne man allenfalls zulassen, die geistlichen Territorien in der Hand einer fürstlichen Seitenlinie zu vereinigen und somit eine dritte, unabhängige Macht schaffen. Diesen Gedanken führte er jedoch nicht weiter aus. Angesichts dieser drohenden Konsequenzen riet Du Buat verständlicherweise, sich rigoros jeglichen Überlegungen hinsichtlich der Säkularisation der vakanten Bistümer zu widersetzen, um die Originalität des Reiches zu erhalten. In seinen Augen zeichnete sich das Reich eben durch jene Vielzahl von mittleren Territorien aus: „Um diese große Revolution zu verhindern oder zumindest zu verzögern, bleiben nur zwei Mittel. Das erste besteht darin, sich jeder Säkularisation zu widersetzen und auf die-

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AAE CP Bavière 144, fol. 276r-284r, „Réflexions sur le futur traité de paix", Juli-August 1761, fol. 276v: „Si on renouvelle l'exemple donné à Munster et Osnabrugg, toute l'Allemagne se trouvera partagée entre trois grandes puissances, pour qui les loix ne seront qu'un mot vide de sens, et qui n'auront rien à craindre et pourront tout exiger des petits états qui seront à leur portée. Toute la Westphalie, la Hesse même, la Thuringe, et peut-être la Franconie seront pour Hannovre, ce qu'ont été pour le Roi de Prusse la Saxe, le pays d'Anhalt, le Meckelbourg etc. un chemin toujours ouvert, une pépinière d'hommes, un magazin de subsistances". Ibid. fol. 277': „L'Empereur sera sans crédit, la diète sans délibérations, la maison d'Autriche aura deux rivaux, et n'aura plus des alliés dans l'Empire, la France perdra toute l'influence, et se liguera en vain avec une des trois puissances pour tenir tête aux deux autres. Elle augmentera les maux d'Allemagne en y prenant part, et il ne faudra qu'une guerre ou deux au plus pour achever le bouleversement total de la constitution germanique". Ibid.: „On ne veut pas prévoir le temps où Allemagne une fois partagée entre trois puissances deviendroit le théâtre d'une guerre qui ne pourroit finir que par la destruction d'une des trois, et qui accélérant la formation d'une monarchie allemande renverseroit tout le système de l'Europe".

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D. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß

se Weise die Vielzahl der passiven Mächte und Staaten dritter Ordnung zu bewahren, die allein das wahre Reich bilden".8

Nicht das Pufendorfsche Staunen über das monstro simile, das nach gängigen Verfassungsmodellen nicht kategorisierbare Reich9, sondern die Einsicht, daß das Reich und seine Verfassung etwas Originelles und vor allem Erhaltenswertes darstellen, kennzeichnet das hier von Du Buat gezeichnete Bild. Die zahlreichen Akteure innerhalb des Reiches erlaubten, so führte er weiter aus, beinahe beliebig viele mächtepolitische Kombinationen: Man könne jederzeit den einen Reichsstand zu Gunsten eines anderen schwächen, jedoch dürfe man nie den Fehler begehen, alle Macht in der Hand eines Einzigen zu vereinigen, denn dies werde die Existenz des Reiches gefährden.10 Du Buats Einschätzung vom Reich als dem Fundament der europäischen Ordnung deckt sich also mit Rousseaus Verweis „auf die Bedeutung des Alten Reiches für die Einheit und das Gleichgewicht in Europa"11. Sowohl für den Diplomaten als auch für den Philosophen, der ebenfalls über Erfahrung in der Diplomatie gesammelt hatte, war das Reich der „Ruhepol"12 des europäischen Staatensystems. Die nach Du Buat zweite Möglichkeit zur Erhaltung des Reiches, trug den gewandelten machtpolitischen Verhältnissen Rechnung. Es gelte, Rußlands Drängen nach Europa auszunutzen und das Zarenreich an die preußische Grenze heranzuführen. Dadurch werde Preußen zur Disziplin und zur Konzentration seiner Kräfte in Richtung Osten gezwungen. Es würde, so wie die habsburgischen Territorien als Puffer zwischen dem Reich und der Pforte dienten, die Barriere zwischen dem Reich und Rußland bilden.13 Das Risiko, Rußland könnte zu einer Gefahr für das Reich werden, schätzte Du Buat als kalkulierbar ein.14 Seine These vom Heranführen Rußlands an das Reich zeigt, daß er den direkten Nachbarn Preußens, Polen, nicht mehr zu den zu berücksichtigenden Akteuren zählte. Er trug damit der Entwicklung der französisch-russischen Beziehungen Rechnung, die zu einer Aufgabe der traditionellen Instrumentalisierung Polens im Rahmen der „barrière de l'est" führten.15 Die Barrierefunktion sollte an Preußen übergehen, das auf diese Weise zugleich diszipliniert würde. 8

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Ibid. fol. 277': „Pour empêcher ou retarder au moins cette grande révolution il n'y a que deux moyens à prendre, le premier est de s'opposer à toute sécularisation, et de conserver par là en son entier la masse des puissances passives et des États du 3™ ordre, qui seules composent véritablement l'Empire". Vgl. zum Einfluß dieser Interpretation auf die Geschichtsschreibung: Schindling, Kaiser, Reich und Reichsverfassung, S. 34-35. AAE CP Bavière 144, fol. 277'~v: „Que l'on combine comme on voudra les différentes portions de puissance active qu'il y a en Allemagne, qu'on ôte à un Prince pour donner à l'autre, dès qu'on ne change point la nature des puissances, dès qu'on ne réunit point, on peut donner une nouvelle face au système politique mais on anéantit point la constitution, on ne fait point un mal qui soit sans remède". Asbach, Internationaler Naturzustand und Ewiger Friede, S. 216. Steiger, Der Westfälische Frieden, S. 77. AAE CP Bavière 144, fol. 278': „La monarchie prussienne est entre l'Empire et la Russie ce qu'a été depuis longtems la Maison d'Autriche entre ce même Empire et la puissance Ottomane". Ibid. fol. 278' „II ne m'appartient pas de les développer, mais il me semble que dès lors une des plus grandes puissances de l'Allemagne ne chercheroit à avoir des liaisons avec la Russie, qu'autant qu'elle en auroit besoin contre la Porte, et qu'une autre puissance, gênée par le voisinage des Russes seroit obligée de se ménager du côté de l'Empire; il me semble que la jalousie d'une côté et la crainte de l'autre empêcheroient bien des entreprises dans l'intérieur de l'Europe, et que l'Empire seroit soulagé de cet excès de puissance qui la surcharge de deux côtés, et qui l'expose sans cesse à devenir le théâtre des guerres les plus terribles". In den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts plädierte man im Außenministerium fur das Gegenteil: nämlich für britisch-französische Zusammenarbeit gegen Rußland, vgl.: Savage, Favier's Heirs, S. 236. Oliva, Misalliance, S. 95-108, 155-156.

IV. Du Buat

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Du Buats Überlegungen über die Rolle Rußlands trafen sich durchaus mit denen Choiseuls. 16 Der Außenminister spielte zu dieser Zeit mit dem Gedanken, Rußland den Erwerb neuer Territorien zuzugestehen, um das Zarenreich so in den angestrebten Frieden einzuschließen. Doch der Tod der Zarin Elisabeth am 5. Januar 1762 und der am 7. Januar erlassene Befehl an alle sich in Rußland aufhaltenden Franzosen, das Land zu verlassen, bedeutete das Ende der französisch-russischen Allianz im Siebenjährigen Krieg.17 Diese Entwicklung war im Moment der Entstehung der Denkschrift Du Buats nicht abzusehen. In seinen Augen würde der Einsatz Rußlands als Wächter preußischer Ambitionen ein auf Abschreckung und gegenseitigem Mißtrauen basierendes Gleichgewichtssystem entstehen lassen. Frankreich wäre es so möglich, sich ganz der Bekämpfung der britischen Seemacht zu widmen: „Mir scheint bei diesem neuen Stand der Dinge, daß die osmanische Pforte, Rußland, Preußen und Österreich untereinander ein eigenes Gleichgewicht bilden, das sie gleichsam aus dem Gleichgewicht der Kräfte in Europa herauszieht, wodurch Frankreich ohne Anstrengung und Kosten die Balance auf dem Kontinent wahren und den Großteil seiner Kräfte dem Aufbau eines Gegengewichts zur englischen Seemacht widmen könnte".18

Du Buat formulierte hier explizit das außenpolitische Credo Frankreichs: Schiedsrichter, Architekt und Garant des Staatensystems zu sein. Und er verdeutlichte, daß die eigentlichen Interessen Frankreichs derzeit in der Verteidigung seines Handels und seiner Marine gegen England lägen.19 Du Buats Memorandum repräsentiert die beiden Formen der Perzeption des Staatensystems durch die französische Diplomatie im 18. Jahrhundert. Der Fortbestand des Reiches in der 1648 begründeten Gestalt war Bedingung dafür, daß Frankreich seinem momentan als vordringlich erkannten Interesse, der Sicherung des Überseehandels, nachgehen konnte. Der Kampf gegen England stand im Vordergrund, doch dieser hatte nur bei gleichzeitiger Kontrolle des kontinentalen Staatensystems Aussicht auf Erfolg. Diese aber drohte Frankreich durch den von Friedrich dem Großen entfesselten Krieg zu entgleiten. Die Ausfuhrungen Du Buats eröffnen aber noch weitere Perspektiven. Es scheint, daß das europäische Staatensystem lange Zeit einen schwachen, nicht expansiven Kern benötigte, um überhaupt zu existieren. Für die Zeit zwischen 1648 und 1789/92 bildete das Alte Reich diesen Kern, im 19. Jahrhundert nahm diese Funktion bis in die sechziger Jahre der Deutsche Bund wahr. Das Reich war in seiner Schwäche mächtig genug gewesen, um der Expansionsdrang Ludwigs XIV. zu widerstehen, die letztlich niemals die Existenz des Reiches in Frage gestellt hatte. Ihm gelang es, die territorialen Gewinne des Westfälischen Friedens

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Gegenüber Folard lobte Choiseul Du Buats Denkschrift und versprach, sich für ihn einzusetzen: „Cet ouvrage du Chevalier de Buat est une nouvelle preuve de ses talens, de ses connoissances et de son zèle, et vous ne devez pas douter de ma disposition à les faire, et à profiter des occasions qui pourront se présenter de lui marquer toute ma bonne volonté", AAE CP Bavière 144, fol. 295 r_v , Choiseul an Folard, 29. August 1761, fol. 295'. Oliva, Misalliance, S. 192-193. AAE CP Bavière 144, fol. 278 v : „II me semble que dans ce nouvel état des choses la Porte Ottoman, la Russie, la Prusse et l'Autriche formeraient entr'elles un équilibre particulier, qui les tirerait en quelque sorte de la balance du pouvoir en Europe, au moyen de quoi la France pourrait sans effort et sans dépens tenir cette balance sur le continent, et reserver la plus grande partie de ses forces pour contrebalancer la puissance maritime de l'Angleterre". Ibid. fol. 278 v : „Cette dernière remarque nous ramène à l'intérêt le plus essentiel de la France, qui est celui de sa marine et de son commerce".

342

D. Deutschlandbild

und

Entscheidungsprozeß

abzurunden. Die Allianz von 1756, die „diplomatische Revolution", zielte auf eine Stabilisierung des Staatensystems ab. Eroberungen in großem Stil, dies war eine unausgesprochene Einsicht, sollten nicht mehr möglich sein. Sie sollten durch Ländertausch und Wechsel von Dynastien ersetzt werden. In diese Richtung zielten bereits die Verträge der fünfziger Jahre zwischen Frankreich, Neapel, Spanien und Österreich in Italien, mit denen nicht nur Erbfolgeregelungen getroffen wurden, sondern auch die ehrgeizige savoyisch-sardinische Monarchie in Schach gehalten wurde.20 Eine vergleichbare Regelung strebte man nun für das Reich an, in dem Friedrich der Große vom Kaiser die Rolle des Unruhestifters übernommen hatte. In den Überlegungen des Preußenkönigs spielte das Reich keine große Rolle, er sah in der vordergründigen Uneinigkeit des Reiches keine stabilisierende Wirkung. Der „aufgeklärte" Friedrich der Große verfolgte alles andere als eine „aufgeklärte" Außenpolitik. Allein aus machtpolitischen Erwägungen eroberte er Schlesien und sann in seinen „Rêveries politiques"2 über weitere Möglichkeiten der Ausdehnung nach. Für das Reich war dieses Verhalten besonders deshalb so gefährlich, weil die Aggression von innen kam. Vergleichbare territoriale Verschiebungen hatte es zuletzt im Dreißigjährigen Krieg gegeben. Obwohl sich Friedrich durchaus erfolgreich traditioneller Methoden der Reichspolitik bediente - er mobilisierte seine Anhänger, indem er sich als Verteidiger des Protestantismus präsentierte - , seine Ziele „waren letztlich gegen die Existenzgrundlage des Reichsverbandes gerichtet, für den das Auftreten dieses Friedrich gleichsam die Endzeit ankündigte".22 Die Denkschrift Du Buats zeigt, daß man in Frankreich die weitreichenden Konsequenzen, die sich aus dem Aufstieg Preußens ergaben, erkannt hatte. Die expansiven Energien der Staaten, auch dies eine Folgerung, die sich aus der Lektüre seiner Denkschrift ergibt, sollten sich von nun an nach Übersee richten.

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Vgl. Butler, The Secret Compact of 1753, bes. S. 559-561. Die „Rêveries politiques" waren Bestandteil des Politischen Testaments von 1752, Friedrich der Große, Politische Testamente, S. 364-377; Schieder, Friedrich der Große, S. 178-179. Press, Friedrich II. als Reichspolitiker, S. 55-56.

Schlußbetrachtung

Zur Ausgangslage Die französisch-österreichische Allianz stand von Beginn an im Kreuzfeuer der Kritik. Aber schon der Herzog von Choiseul warnte davor - aus seinem Exil auf die Ereignisse des Jahres 1756 zurückblickend - , die Allianz mit Wien einseitig als grundsätzlich falsch zu verdammen. Sie nicht zu schließen, wäre erheblich gefährlicher gewesen, und außerdem sei es nur „natürlich", daß der König einen starken Partner an Stelle des preußischen Königs gesetzt habe. Ausdrücklich lobte er dabei den Defensiwertrag vom Mai 1756.' Choiseuls Bemerkung, der in seinen Erinnerungen ansonsten kein allzu gutes Bild von der Politik Ludwigs XV. zeichnet, ist bei der Erforschung der französischen Reichspolitik im Siebenjährigen Krieg lange übersehen worden. Denn allein sie verdeutlicht schon, daß Frankreichs Außenpolitik eben nicht zu erklären ist mit „psychologischen Kategorien" und einer „Trotzreaktion"2, sondern zurückzuführen ist auf in sich geschlossene Grundüberzeugungen, die durch das gewählte methodische Vorgehen der Analyse von Perzeption und Entscheidungsprozeß erhellt werden konnten. Erinnert sei noch einmal an die Ausganglage nach Ende des Österreichischen Erbfolgekriegs. Dem Frieden von Aachen blieb, sieht man von den Regelungen ab, die Italien betrafen, eine langfristig stabilisierende Wirkung verwehrt, denn die den Krieg verursachenden Konflikte wurden nicht dauerhaft in eine tragfähige Lösung überführt. Zwar wurde Friedrich dem Großen der Besitz des eroberten Schlesien garantiert, doch galt die Revision dieses Zustandes von nun an als erklärtes Ziel österreichischer Politik.3 Indem Frankreich auf die eroberten Österreichischen Niederlande verzichtete, konnte es die an die Briten verlorenen Überseeterritorien zurückfordern. Aber gerade die nicht erfolgte eindeutige Regelung kolonialer Rivalitäten - insbesondere die unklare Grenzziehung zwischen

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Choiseul, Mémoires, ed. Guicciardi, Bonnet, S. 159-160: „Sans partialité aucune, en approfondissant les différents événements possibles, je crois qu'en bonne politique il a été très bien fait de conclure un traité avec la cour de Vienne et de déranger le système de l'Angleterre et que ceux qui ont désapprouvé la liaison politique avec la cour de Vienne, ne l'ont désapprouvé qu'après que le traité a été fait , sans avoir calculé ni approfondi les inconvénients qu'il y aurait eu de ne le pas faire. [...] Mais ce traité devait-il être fait comme il a été? Je n'ai trouvé aucun inconvénient au traité défensif. Il était même naturel que le Roi, ayant connaissance des desseins de l'Angleterre, se prémunît d'une alliance considérable en Allemagne pour remplacer la perte qu'il faisait de celle du roi de Prusse". Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 80, 289. Siehe auch: Waddington, Renversement, S. 370-371. Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 28.

344

Schlußbetrachtung

britischer und französischer Einflußsphäre im Ohio-Tal in Nordamerika - sollte sehr bald wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen führen. 4 Zwischen dem Ende des Österreichischen Erbfolge- und dem Beginn des Siebenjährigen Kriegs fielen bedeutende außenpolitische Um- und Neuorientierungen in beinahe allen europäischen Kabinetten. In England begann eine Phase der Abwendung vom Kontinent und eine Konzentration auf kolonialpolitische Fragen. 5 Frankreich wurde in London seit der Konfrontation in Übersee während der vierziger Jahre nicht mehr nur als Kontinentalmacht wahrgenommen, sondern verdrängte Spanien als schärfsten Rivalen Englands auf den Weltmeeren.6 In Wien diskutierten 1749 die Minister Maria Theresias über die Vorschläge des Grafen Kaunitz, eine Verständigung mit Frankreich zu suchen. Zwar blieb die sich an diese Debatte anschließende Pariser Mission Kaunitz' ohne nennenswerte Erfolge, doch es gelang ihm, in Paris und Versailles Sympathie für Maria Theresia zu wecken und Zugang zum Salon der Marquise de Pompadour zu erhalten.7 Nach 1748 setzte auch in Frankreich eine außenpolitische Neuorientierung ein, die weitreichende Konsequenzen haben sollte. Frankreich wandte sich verstärkt, wenn auch längst nicht in der Intensität, mit der in England Kolonien und Welthandel zu Leitkategorien der Außenpolitik wurden, dem Ausbau und dem Erhalt seiner Überseebesitzungen zu. Deutlich sichtbar wurde dies im intensivierten Flottenbau, mit dem die Verluste des Krieges ausgeglichen und neue Kapazitäten bereitgestellt wurden. Der Außenhandel Frankreichs und insbesondere der profitträchtige Handel mit den Kolonien erfuhren auch nach 1748 weitere Steigerungen. Das wachsende Gewicht wirtschaftlicher und kolonialer Interessen blieb nicht ohne Auswirkungen auf die kontinentale Politik Frankreichs. Durch die Rückgabe der besetzten Niederlande und die Verabredung tragfahiger Regelungen in Italien wurden seit 1748 mögliche Konfliktherde zwischen Versailles und Wien ausgeräumt. Dies galt jedoch - wie oben schon angedeutet - nicht für die Beziehungen zwischen London und Versailles: Hier entstanden schon kurz nach Abschluß des Friedens erneut „Kristallisationspunkte des Mißtrauens" in Übersee, die nicht auf dem Verhandlungswege beigelegt werden konnten. 9 „Beide Regierungen waren ja letztlich nur zum Waffenstillstand bereit, nur Frankreich wollte die ,Weltherrschaft' bzw. die ökonomische Überlegenheit teilen, in London konnte sich das keine Regierung leisten, ohne von der Macht verdrängt zu werden". 10 Die Konzentration Frankreichs auf den Atlantik und gegen England blieb nicht ohne Folge für das Deutschlandbildes und die Deutschlandpolitik. Der Feststellung des Marquis d'Argenson aus dem Jahre 1738, angesichts der anstehenden Integration Lothringens seien die Zeiten der Eroberung vorbei, kam durchaus eine programmatische Bedeutung für die

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Vgl. oben Einleitung, S. 11, Anm. 1. Vgl. Black, Natural and Necessary Ennemies, S. 46-56; Black, Anglo-French Relations 1740-1756; Niedhart, Handel und Krieg, S. 64-70. Black, Anglo-French Relations 1740-1756, S. 60-61. Über Kaunitz' Konzeption: Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances, S. 53-55, zur Mission Kaunitz ibid., S. 159-189; von einem Scheitern der Mission Kaunitz' spricht dagegen: Braubach, Versailles und Wien, S. 413. Bérenger, Meyer, La France dans le monde, S. 20-22. Reese, Europäische Hegemonie und France d'outre-mer, S. 233. Vgl. ibid. S. 252, sowie S. 234-273.

Schlußbetrachtung

345

französische Deutschlandpolitik seit 1748 zu.11 Frankreich solle eine friedliche Suprematie ausüben und als „arbitre stabilisateur" Europas wirken.12 Dies ist im Prinzip die Übertragung von Grundüberzeugungen der Reichspolitik auf eine europäische Ebene. Die französische Außenpolitik am Vorabend und im Siebenjährigen Krieg gründete auf einer der Umgestaltung innerhalb des Staatensystems Rechnung tragenden Lagebeurteilung. Diese veränderte Perzeption betraf wesentlich das Alte Reich und mit Österreich und Preußen die bedeutendsten Akteure innerhalb Deutschlands. Perzeption des Reiches: Bewahrung des „ Westfälischen Systems " Leitmotiv französischer Reichspolitik nicht erst im Siebenjährigen Krieg war das Verfassungswerk des Westfälischen Friedens samt seiner seit 1648 vorgenommenen Modifizierungen. Das durch ihn etablierte Gleichgewicht zwischen Kaiser und Reich galt als existenziell für das eigene Sicherheitsbedürfhis, und man betrachtete jegliche Verschiebung der Gewichte äußerst skeptisch. Der Erhalt des „équilibre établi par les traités de Westphalie" gehörte auch zu den Grundlagen des „système politique" des Prinzen Conti, als dieser in den 1740er Jahren die geheime Polenpolitik Ludwigs XV. inaugurierte.13 Doch jenes Gleichgewicht war seit der Eroberung Schlesiens durch Preußen ins Wanken geraten, und den damit einhergehenden Veränderungen widmete man im Außenministerium seit 1748 zunehmende Aufmerksamkeit. Befürchtet wurde die Entstehung eines durch Brandenburg-Preußen und Hannover-England gebildeten protestantischen Blocks, wobei der konfessionelle Faktor eher als zweitrangig angesehen wurde, nicht jedoch die Gefahr der Säkularisation der nordwestdeutschen Germania sacra. Diese wurde akut mit dem Tode des Kölner Kurfürsten Erzbischof Clemens August im Jahre 1761. Zwar konnte Versailles keinen seiner Kandidaten durchsetzen, und so etablierte sich in Köln und Münster mit Maximilian Friedrich von Königsegg ein eher den Briten zugeneigter Fürst, doch entscheidend war für Frankreich, daß alle fünf Bistümer einschließlich Osnabrück bis 1763 wieder neu besetzt wurden. Damit wurde der Status quo aufrecht erhalten, eine Revision des 1648 festgeschriebenen Normaljahres unterblieb. Für Nord- und Westdeutschland begann eine bis zu den Revolutionskriegen reichende Blüte- und Friedenszeit.14 Die Allianz mit Wien brach mit der Tradition antihabsburgischer Politik, die während des 17. Jahrhunderts das Denken der Monarchen - von Heinrich IV. bis Ludwig XIV. - und ihrer Minister - Richelieu - geprägt hatte. Es erfolgte die Modifizierung einer Reichspolitik, die bislang durch die Instrumentalisierung der Reichsstände gegen den Kaiser geprägt war und für deren Programm durch die übermächtige Chiffre „Richelieu" symbolisiert wurde, denn der Schatten des Kardinals lag noch immer und auch über das 18. Jahrhundert hinaus über den französischen Außenpolitikern.15 Choiseul beklagte sich gegenüber

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„Ce n'est plus le temps des conquêtes", Argenson zit. nach Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 27. Auch Bernis betonte 1757, daß der Aachener Friede die Grenzen des Königreiches gesichert und die Gefahr, die von Österreich ausging, verringert habe: Recueil des instructions: Autriche, S. 357-358. Antoine, Louis XV, S. 311. Skeptisch gegenüber der These, Frankreich sei nach der Regelung der Annexion Lothringens saturiert gewesen, zeigt sich Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 315. Stimmen, die fur einen Verzicht auf eine französische Vorherrschaft plädieren, wurden schon unmittelbar nach dem Tod Ludwigs XIV. laut, vgl.: Bély, Espions et ambassadeurs, S. 710. Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. XXVII. Schindling, Rheinisches Reich und Frankreich, S. 390. So diente auch nach 1815 Richelieu noch der französischen Außenpolitik als Orientierung, vgl.: Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 61-62. Inwieweit und wie lange Richelieu als Referenz französischer

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Schlußbetrachtung

Voltaire, er sei gezwungen, von Richelieus Politik abzurücken und ein neues System zu entwerfen16 - eine Äußerung, die nicht als Absage an die französisch-österreichische Allianz gedeutet werden darf17, sondern Ausdruck der Suche nach einer Legitimierung und Fundierung des neuen Systems ist. Nicht zufällig betonte Choiseul in diesem Zusammenhang, daß, wäre Friedrich II. nicht so ein Narr, es kein idealeres Gegengewicht und Ersatz für das geschwächte Schweden gebe als Preußen.18 Im Grunde ließ der Versailler Vertrag die Prinzipien der französischen Reichspolitik unangetastet.19 Er war eine Reaktion auf die Verschiebung der Machtverhältnisse im Reich. Nicht mehr der Kaiser bedrohte in den Augen der französischen Diplomatie die Existenz des Reiches, sondern der König von Preußen, der dadurch eben seien „legitimen" Anspruch auf das Erbe Schwedens als Machtgleichgewicht im Reich verlor. Daher arbeiteten Frankreich und Preußen nach 1763 in dem Moment wieder zusammen, als man glaubte, Wien strebe die Rückeroberung der alten Vormachtstellung im Reich an. Wie sehr einerseits das Bekenntnis zur Entscheidung von 1756 und andererseits der Westfälische Friede Richtschnur französischer Deutschlandpolitik waren, zeigt das Verhalten Frankreichs in der Frage der bayerischen Erbfolge (1778-1779). Zwar wurden schon im Vorfeld der Krise verschiedene Teilungsszenarien diskutiert, doch die nach dem Tode des Kurfürsten Max III. Joseph von Außenminister Vergennes verfolgte Politik weist verblüffende Parallelen zu den während des Siebenjährigen Krieges vorherrschenden Ansichten auf. Denn der Rekurs auf den Westfälischen Frieden und die darin von Frankreich eingegangene Garantieverpflichtung hatte es ermöglichte, das neue System gegenüber den Reichsständen zu legitimieren. Erneut räumte man 1778/79 der Garantie des Westfälischen Friedens eine bedeutende Rolle ein, und erneut zeigte sich Frankreich vor allem daran interessiert, keine allzu großen Veränderungen des territorialen Status quo im Reich zuzulassen.20 Dies schloß auch den Widerstand gegen die von Joseph II. verfolgten Expansionspläne ein. Im Bayerischen Erbfolgekrieg gelang es Frankreich, den Konflikt der

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Außenpolitik fimktionalisiert wurde, diese Frage zu klären ist ein Desiderat der Forschung. Weitere Stimmen, die für eine Aufgabe Richelieuscher Prinzipien plädierten, bei: Savage, Favier's Heirs, S. 238-239. Voltaire, Correspondence, Bd. 105, S. 463^64, D 9061, Choiseul an Voltaire, 13. Juli 1761, S. 463: „Cinquante lieus du Canada, la Silésie et la Prusse de plus ou de moins ne sont pas ce qui m'inquiète; douleur aux vaincus; mais la création d'un système nouveau m'effraye et me fait penser jour et nuit. Vous trouverez à ce que j'espère, mon cher solitaire, que je suis prudent et que j'ai raison de réfléchir beaucoup sur la situation de l'Europe après la paix, car c'est de là d'où dépend le bonheur ou l'infortune de l'univers pendant un siècle". So die Interpretation des Briefes bei: Burkert, Frankreich und die Teilung Polens, S. 15-16. Choiseul wußte natürlich um den Kontakt Voltaires zu Friedrich, und er wird sich gehütet haben, ihm Einblick in die Diskussionen im Außenministerium und im conseil zu geben. Voltaire, Correspondence, Bd. 105, S. 463-464: „Si Luc [= Friedrich II.] était un autre homme et qu'avec ses talents, il eût quelques vertus, par exemple les plus communes, je crois que la politique devrait désirer qu'il ne fut pas anéanti [...]. Quant à Luc, c'est un fol, tout est dit, voilà en quoi consiste le malheur actuel [...]. Luc est un chien enragé, qu'il faut laisser aboyer, il n'a plus cette consolation; il me fait pitié, le mensonge et les injures sont les seules armes que lui resteront bientôt". Und mit einem Verrückten können keine emsthaften Verhandlungen geführt werden. Vgl. Recueil des instructions: Autriche, S. 356: „En s'unissant étroitement à la cour de Vienne, on peut dire que le Roi a changé le système politique de L'Europe; mais on auroit tort de penser qu'il eût altéré le système de la France" (Instruktion für Choiseul 1757). Zum Bayerischen Erbfolgekrieg: Aretin, Das Reich, Bd. 3, S. 183-212; Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik, S. 211-260. Die Kontinuität französischer Deutschlandpolitik, die sich hier zeigt, entgeht Buddruss völlig, obwohl er zahlreiche Belege anfuhrt, die daraufhinweisen, vgl. z. B. S. 247, Anm. 242.

Schlußbetrachtung

347

deutschen Großmächte zu kontrollieren und gemeinsam mit Rußland im Reich als Schlichter aufzutreten. Wien mußte sich im Frieden von Teschen den französischen Vorstellungen beugen und sich mit dem Gewinn des Innviertels zufrieden geben. Damit hatte Frankreich die Balance gefunden sowohl zwischen den sich aus der Allianz mit Wien als auch den aus dem Westfälischen Frieden und der Garantenfunktion ergebenden Verpflichtungen.21 So war Frankreich das gelungen, was 1756 fehlgeschlagen war: nämlich den Frieden auf dem Kontinent zu sichern und alle verfügbaren Kräfte zur Bekämpfung der britischen Seeherrschaft zu mobilisieren. Für England ergab sich im parallel ausgebrochenen Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg nicht die Möglichkeit, wie 1756 sich eines „Festlanddegens" zu bedienen. Das System des Reiches in der Balance zu halten, damit keiner der Akteure, die es bilden, eine die anderen gefährdende Position erreiche, und darüber hinaus das Festhalten an der Allianz mit Wien, dies waren die Ziele französischer Deutschlandpolitik vor und nach der „diplomatischen Revolution". Jenes Gleichgewicht aber wurde nicht erst seit 1756 durch Friedrich den Großen, dem „tollwütigen Hund" (Choiseul22), und nicht mehr durch das Haus Habsburg gefährdet. Der „Realitätstest", an dem die Erforschung von Perzeption und Bildern, von „selektivsubjektiver Wahrnehmung" zu messen ist, hat darüber hinaus ergeben, daß das Bild der französischen Diplomatie vom Alten Reich und vom entstehenden österreichischpreußischen Dualismus, weitgehend von der neueren Forschung bestätigt wird. Die Verfassung des Alten Reiches, seine Mechanismen, die Rechte und Pflichten der Reichsstände wie des Kaisers stellten für die französische Diplomatie keine terra incognita dar, alle noch so speziellen Fragen zum Reichsrecht konnten unter Rückgriff auf die Spezialisten im Außenministerium, von denen an erster Stelle die premiers commis der zuständigen Abteilungen zu nennen sind, bis ins Detail beschrieben und beantwortet werden. Dieses Wissen erleichterte die Einleitung der notwendigen Maßnahmen zur Mobilisierung des Reiches gegen Friedrich den Großen, denn die am Reichstag dafür notwendigen Schritte, öffentliche Beistandserklärung der Garanten, Ausrufung der Reichsexekution, Anrufung der Reichskreise, die Kontingente zur Reichsarmee zu stellen, konnten durch adäquate diplomatische Missionen unterstützt werden. Hierzu zählte auch das Werben um die kleinen und machtpolitisch unbedeutenden Reichsstände. Die antifriderizianische Front sollte so groß wie möglich werden. Zur Perzeption Preußens und Friedrichs des Großen Distanz und Kritik prägte die Wahrnehmung des Preußenkönigs durch die französische Diplomatie.23 Zählte der Marquis von Valory, der Frankreichs Interessen in Berlin während des Österreichischen Erbfolgekrieges vertreten hatte, noch zu den Bewunderern Friedrichs, so waren seine Nachfolger nicht mehr für den Philosophenkönig eingenommen. Die persönliche Lebensführung des Königs, das nüchterne und sparsame Leben am preußischen Hofe - all dies stieß durchaus auf Anerkennung - , doch der durch das allgegenwärtige 21

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Dieses Problem wurde von Ludwig XVI. auch erkannt, vgl. Hardmann, Louis XVI and Vergennes, S. 256-258, Ludwig XVI. an Vergennes, 4. Februar 1778, S. 256: „Nous avons une alliance qui nous unit de bien près avec l'Autriche, mais elle ne nous oblige pas d'entrer dans leurs vues d'ambition et d'injustice. D'autre côté nous avons la réputation de la France à maintenir, qui n'a été que trop attaquée depuis quelque temps, et comme vous le dites fort bien, la garantie de la paix de Westphalie est inhérente à la couronne". Voltaire, Correspondence, Bd. 105, S. 464. Vgl. im Einzelnen Kapitel C. I. 3, zusammenfassend S. 218-220.

348

Schlußbetrachtung

Militär geprägte Alltag in Brandenburg-Preußen rief Irritationen hervor. Zwar inspirierte die preußische Militärorganisation französische Reformen der Nachkriegszeit, Vorbildcharakter aber besaß der preußische Staat nicht. Friedrichs Einmarsch in Sachsen, die für ihn überlebenswichtige Ausplünderung des Kurfürstentums, seine immer wieder in die Öffentlichkeit gelangten despektierlichen Äußerungen über Ludwig XV., Maria Theresia und die Marquise de Pompadour trugen nicht dazu bei, sein Ansehen zu steigern. Dieser von aller Idolatrie freie, nüchterne Blick auf Friedrich den Großen blieb jedoch auf einen kleinen Kreis beschränkt. Dagegen dominierte in der französischen Öffentlichkeit, wenn auch mit Schwankungen, ein positiv konnotiertes Bild des Monarchen. Zur Perzeption der Habsburgermonarchie Ungleich schwieriger ist es dagegen, das Österreichbild der französischen Diplomatie in wenigen Worten zu charakterisieren. Wie auch im Falle Preußens verfügte Versailles über einen hohen Informationsstand über alles, was die Habsburgermonarchie betraf. Verkannte Aubeterre, der Gesandte in Wien zum Zeitpunkt des Bündnisschlusses, den Kurs von Maria Theresia und Kaunitz, so resultierte dies weniger aus einer Fehlperzeption als aus der ihm gegenüber praktizierten Geheimhaltung der französisch-österreichischen Verhandlungen. Indizien, die auf einen Bruch der Achse London-Wien deuteten, hatte der Gesandte erkannt und darüber auch berichtet. Er selbst zog daraus die falschen Schlüsse. In Versailles hingegen wertete man sie als Bestätigung des ernsthaften Willens der Habsburger, einen Ausgleich mit Frankreich anzustreben. Mit Abschluß des Versailler Vertrags brach eine neue Epoche französischer Diplomatie in Wien an. Bewegten sich die Gesandten bis dahin auf mehr oder weniger feindlichem Gebiet, wuchs nun ihre Verantwortlichkeit erheblich über die der anderen in Deutschland akkreditierten Diplomaten hinaus. In größerem Maße als bei diesen fielen Verhandlungen in den Aufgabenbereich der an den Kaiserhof geschickten Vertreter. Über die bloße Informationspflicht hinaus oblag ihnen die Herstellung eines vertraulichen Umgangs mit den neuen Partnern. Weit mehr als für die anderen deutschen Höfe war die Nähe zum neuen System und zu den einflußreichen Persönlichkeiten und Zirkeln des Versailler Hofes ausschlaggebend für die Nominierung für den Wiener Posten. Sowohl Choiseul als auch sein Cousin Praslin und Châtelet waren keine „Berufsdiplomaten", wie etwa Folard in Bayern oder der junge Vergennes, der seine Karriere in Trier begonnen hatte. Alle drei kamen aus Lothringen und brachten der mit dem letzten Herzog von Lothringen verheirateten Maria Theresia eine größere Sympathie entgegen. Nicht übersehen werden darf die Tatsache, daß Choiseuls Vater einst die Belange des Gemahls der Kaiserin in Paris vertreten hatte und über ihn während des Österreichischen Erbfolgekrieges Sondierungen über einen französisch-österreichischen Ausgleich liefen.25 Choiseuls Mission ist darüber hinaus besonders hervorzuheben, weil er bereits als Vertrauter des Abbé Bernis nach Wien kam und sich von dort aus, zunehmend auf Distanz zum Abbé gehend, den Ruf des heimlichen Außenministers erwarb. Vergleicht man das aus den Korrespondenzen Choiseuls, Praslins, Châtelets sowie des chargé d'affaires Rattes und der kurzfristig anwesenden D'Estrées und Broglie rekonstruierte Bild der Habsburgermonarchie mit dem Preußenbild der französischen Diplomatie, 24 25

Vgl. S. 241-245. Angedeutet bei Braubach, S. 615-620.

Versailles und Wien, S. 375; ausführlich behandelt bei: Butler,

Choiseul,

Schlußbetrachtung

349

so tritt die grundsätzlich positivere Zeichnung des ersten deutlich hervor. Maria Theresia wurde durchgängig als integre, resolute und starke Herrscherin porträtiert, die ihren Mann, Kaiser Franz Stephan, klar überragte. Die dominierende Persönlichkeit ihrer Regierung aber war Kaunitz, dessen beständigen Machtzuwachs die Berichte der Gesandten ausführlich dokumentieren. Kaunitz' Intellekt und sein Bemühen um eine Reform der Monarchie fanden Anerkennung, wenngleich seinen Maßnahmen, etwa der Gründung des Staatsrates, wenig Erfolg vorausgesagt wurde. Nicht unerwähnt blieben seine persönlichen Schwächen, seine Eitelkeit und sein in französischen Augen zunehmend illusorisches Festhalten am Kriegsziel einer substantiellen Schwächung Preußens. Doch lassen die Berichte keinen Zweifel daran, daß trotz aller Macht, die Kaunitz im Untersuchungszeitraum ansammelte, Maria Theresia sich niemals völlig seinem Einfluß unterwarf. Dies wird sichtbar in ihrem Festhalten an Feldmarschall Daun, dem Sieger von Kolin, der sich als einziger namhafter Gegenspieler von Kaunitz etablieren konnte, weil er wie der Staatskanzler die besondere Protektion der Monarchin genoß, die auch durch von Daun zu verantwortende militärische Fehlschläge und durch sein oft beklagtes zögerliches Vorgehen nicht geschmälert wurde. Der Staat der Habsburger erscheint weit weniger vom Herrschaftswillen des Souveräns durchdrungen, als es in Preußen der Fall ist. In ungleich größerer Dimension als Brandenburg-Preußen ist der Staat Maria Theresias eine aus den unterschiedlichsten Territorien zusammengesetzte Monarchie. Kaunitz' Reformbestrebungen zielten bekanntlich auf eine Straffung und Zentralisierung seiner Verwaltung. Daß das Habsburgerreich ein fragiles Gebilde war, zeigen ζ. B. die Berichte über die Unruhen in Kroatien im Frühjahr 1755 oder die beständige Furcht vor Angriffen der Türken in Transsylvanien. Insgesamt ergibt sich also ein positives Bild, das sich in den Jahren nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges kaum änderte. Die auf lange Sicht erfolgreichen Kaunitzschen Reformen wurden sogar der eigenen Unfähigkeit zu durchgreifender Reform entgegen gestellt. Im Jahrzehnt vor der Revolution schließlich wird Österreich sogar zum Vorbild einer geordneten Regierung.26 Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß: das renversement des alliances Abschließend ist noch einmal auf die Entwicklung der französisch-österreichischen Beziehungen, wie sie aus den Korrespondenzen der Gesandten rekonstruiert wurde, sowie auf die politische Grundsatzentscheidung von 1756 einzugehen. Überblickt man den Siebenjährigen Krieg in seiner Gesamtheit, so gab es für beide Partner keinen Anlaß, die Allianz zu kündigen. Über die immer wieder auftretenden Dissonanzen, etwa über die Kriegführung oder in Fragen des Friedensschlusses, zerbrach die Koalition nicht. Trotz des auf beiden Seiten auch weiterhin vorhandenen Mißtrauens kam es im militärischen Bereich zu einer 26

AAE MD Autriche 38, fol. 292Γ-374Γ: „Tableaux statistiques des États possédés par la maison d'Autriche" (1780), von M. Brunet, fol. 295r: „L'Empereur tire de ses pays héréditaires plus que les autres princes et électeurs de l'Empire ne tirent de leurs, car les besoins et les desseins de l'Empire y sont plus importants aux peuples, cependant l'affoiblissement après de grandes guerres n'a pas été si sensible qu'en France et en Espagne. C'est que les peuples s'y gouvernent eux mêmes, leur intérests sont ménagés par d'autres suffrages que par les horribles lumières des financiers de France: Les peuples tirent des conjonctures le moins mauvais parti qu'ils peuvent. Ils choisissent les genres d'impositions les moins fâcheux pour la campagne, ils les levent eux-mêmes avec le moins de frais et de vexation. [...] On se convaincroit encore d'avantage de tous les principes en parcourant l'Allemagne; on y trouveroit différents degrés de démocratie, et qui selon les intérests du public y sont plus ou moins abondants et les souverains plus ou moins riches et respectés, la mesure de la justice étant celle du succès du gouvernement".

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Schlußbetrachtung

engen Zusammenarbeit, in deren Verlauf zahlreiche französische Offiziere Zeugen der Kämpfe in Böhmen und Schlesien wurden und einer der Militärs, Montazet, sogar das Vertrauen der Kaiserin gewinnen konnte. Über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg hielt zum einen der Wille der Monarchen die Allianz zusammen. Beide versicherten sich immer wieder ihrer Absicht, die eingegangenen Verträge zu erfüllen, wobei Ludwig XV. zweifellos - was ihm viel Kritik eintrug - eher der Gebende und Maria Theresia eher die Nehmende war. Zum anderen war es von großer Bedeutung für die Stabilität der neugeschmiedeten Allianz, daß ihre außenpolitischen Prioritäten - Österreichs Fixierung auf Preußen, Frankreichs Kampf gegen die britische Vormachtstellung zu See - nicht kollidierten. Wien hatte keine kolonialen Interessen, und für Versailles bedeutete der Bündniswechsel keine fundamentale Revision der Deutschlandpolitik. Diese blieb darauf ausgerichtet, das „System des Reiches" zu erhalten und war deshalb „nur" eine Akzentverschiebimg - wenngleich mit „revolutionärer" Wirkung - , weil sie der Veränderung des Machtgleichgewichts in Deutschland durch den Aufstieg Preußens Rechnung trug. Einem Angriffskrieg gegen Preußen hätte Versailles niemals zugestimmt, da man sich bewußt war, daß dies eine Schwächung der gegen Großbritannien ins Feld geführten Mittel bewirkt hätte. Und umgekehrt interessierte sich Kaunitz nur wenig für den Streit um Kanada, für die karibischen Zuckerinseln oder für Handelskontore in Indien. Ihm ging es um die Rückgewinnung Schlesiens, eine Verwicklung der Habsburgermonarchie in den Kolonialkrieg lag ihm fern. So ergeben sich neue Perspektiven auf die französische Außenpolitik vor und während des Siebenjährigen Krieges. Es dürfte deutlich geworden sein, daß die Entscheidung zum Bündnis mit Wien nicht auf den Einfluß einer übermächtigen Mätresse zurückzuführen ist oder eine kurzsichtige Reaktion auf einen erneuten Affront Friedrichs des Großen darstellt. Das renversement des alliances beruhte französischerseits auf einer vom „Realitätstest" durchaus bestätigten Bestandsaufnahme der politischen Situation. Die Option eines Zusammengehens mit dem alten gegen den neuen „Erbfeind", in der ernsthaften Diskussion wohl seit Fleury und von Blondel 1750 erstmals umfangreich skizziert, nahm Ludwig XV. 1756 schließlich wahr. Die Motive dafür finden sich nicht zuletzt in der persönlichen Disposition Ludwigs XV., der sich vom Expansionismus und aggressiven Hegemoniestreben (zumindest in den ersten Jahrzehnten seiner Regierung) seines Vorgängers verabschiedet hatte und statt dessen - wie bereits oben erwähnt - die Rolle eines friedlichen Arbiters der europäischen Staaten anstrebte. Damit gab er keineswegs Traditionen französischer Außenpolitik auf und konnte sich auf Heinrich IV. und Richelieu als Kronzeugen berufen.27 Dieses Verhalten gründete nicht zuletzt in der Warnung Ludwigs XIV., der auf dem Totenbett seinen Urenkel ermahnt hatte, ihm nicht in seiner Vorliebe für das Kriegführen zu folgen.28 Kardinal Fleury, den noch Ludwig XIV. zum Erzieher des Dauphins ernannt hatte, verstärkte diese Grundhaltung. In einer für den jungen König verfaßten Schrift hielt er seinem Schüler die Geschichte der Franken als Spiegel vor: Die Zeit des Aufbaus eines Reiches wie zur Zeit Karls des Großen war vorbei, nun gelte es, den Zerfall des Reiches zu verhindern. Daher müsse sich ein König der Diplomatie bedienen, die Kunst des Friedensschlusses beherrschen und danach streben, von den Völkern als Schiedsrichter anerkannt zu werden. Dies waren die Maßstäbe, die

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Dazu jetzt: Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung, S. 66-183; zum „Arbiter" im Denken Ludwigs XV.: Bois, Fontenoy, S. 124-132. Petitfils, Louis XIV, S. 692: „Ne m'imitez pas dans les guettes; tachez de maintenir toujours la paix avec vos

Schlußbetrachtung

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Fleury seinem Zögling zur Nachahmung empfahl.29 Berücksichtigt man diese frühe Prägung des jungen Königs, dem zugleich bewußt war, daß er ein gefährdetes Reich geerbt hatte, erscheint der Verzicht auf jeglichen territorialen Gewinn im Aachener Frieden in einem anderen Licht. Frankreich war seit der absehbaren Erwerbung Lothringens arrondiert, die Eroberung und die Annexion der gesamten oder von Teilen der Österreichischen Niederlande bargen zu große Risiken - dies schloß jedoch nicht aus, sie vertraglich zu erwerben, wie es derfranzösisch-österreichischeVertrag von 1757 vorsah. Die Allianz mit Wien sollte diese Politik fortschreiben, den Kontinent befrieden und Kräfte zum Kampf gegen britische Hegemoniebestrebungen freisetzen. Dieser „grand dessein" Ludwigs XV. scheiterte jedoch. Verantwortlich für diesen Fehlschlag, dessen schwerwiegendste Konsequenzen sich im Bereich der Innenpolitik zeigen sollten, war zum einen Friedrich der Große, der den Siebenjährigen Krieg auslöste und Frankreich in einen aufreibenden und letztlich erfolglosen Kontinentalkrieg verwickelte. Friedrichs erneute eklatante Mißachtung des Völkerrechts wurde bereits im Vorfeld von London publizistisch und auch diplomatisch gerechtfertigt, und der Preußenkönig enttäuschte die Briten nicht, denn er gewann für sie, nach dem Ausspruch Pitts, Kanada in Deutschland.30 Zum anderen besaß Frankreich nicht mehr über das militärische Potential, das 1745 noch die Eroberung der Österreichischen Niederlande ermöglicht hatte. Nach dem Tode von Moritz von Sachsen verfügte man nicht mehr über einen Feldherren von Rang und konnte bei Rosbach dem militärischen Genie Friedrichs des Großen und in den folgenden Jahren dem taktischen Geschick Ferdinands von Braunschweig nichts entgegensetzen. Die Hoffnungen, die sich mit der Allianz in ihrer ursprünglichen Form von 1756 verbanden, erfüllten sich nicht - verwirklicht nur in Italien, wo Wien und Versailles das expansionshungrige Sardinien kontrollierten. Weit schwerwiegender aber waren für Frankreich die innenpolitischen Konsequenzen der außenpolitischen Grundsatzentscheidung, die bis 1792 Bestand haben sollte. Es gelang den Regierenden nicht, die langfristig die Öffentlichkeit fiir die Allianz zu gewinnen. Nach einer letztlich nur kurzen Welle der Empörung gegen das preußische Vorgehen 1756 behielten die Vorurteile gegen Habsburg ihre Geltung. Nach 1763 fand die Austrophobie in Frankreich in Marie-Antoinette eine Projektionsfläche und Zielscheibe, die sich mit der allgemeinen Kritik am „Despotismus" des französischen Königtums zu einer brisanten Mischung verband.31 So verwundert es nicht, daß man nach 1789 und besonders nach dem Sturz der Monarchie auf den Bruch der österreichischen Allianz hinarbeitete. Die außenpolitischen Ideen der französischen Revolution kennzeichnete somit ein Revisionismus, der sich gegen eine „diplomatische Revolution" richtete.32

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Mormiche, Fleury et l'éducation de Louis XV, bes. S. 580-582; der Hinweis auf die Ausbildung Ludwigs XV. schon bei: Antoine, Louis XV, S. 401. Schlenke, England und das friderizianische Preußen, S. 225-230; die Äußerung Pitts zit. nach: Wagner, Europa im Zeitalter des Absolutismus, S. 48. Vgl.: Kaiser, Who's afraid of Marie-Antoinette?, S. 243: „the defamation of Marie-Antoinette was inscribed in a renewed French hostility to Austria, which was promoted by the same factions who turned on her. French Austrophobia was hardly a new phenomenon, but the Franco-Austrian treaty of 1756, which was routinely represented by its opponents as the first step down a path of national humiliation, paradoxicically gave it a new lease of live in the late ancien régime". Vgl. dazu: Savage, Favier's Heirs, S. 240-254.

Anhang

Anhang I. Deutschlandbild und Entscheidungsprozeß - Quellen* 1. Das „Système politique" von Louis-Augustin Blondel (Januar 1751) Denkschrift Louis-Augustin Blondeis vom Januar 1751: AAE MD France 525, fol. 10ΐ-US': Sisteme politique, du premier janvier 1751, Marginalvermerk: Mémoire remis par M. Blondel. Weitere Kopien in: ΑΛΕ MD Autriche 30, fol. 452r-47(f; ΛΑΕ CP Autriche Suppl. 14, fol. 221-24Ï. Fol. 102r: Il est de la politique, comme de la médecine: la plupart du tems les préjugéz guident les sistèmes1, si le médecin appuyé toujours le sien dans l'opinion, qu'il n'y a que le sang qui occasionne la maladie, sans examiner le tempérament billieux, le malade périt. Il est de même des États, lorsque les ministres qui les gouvernent, sont préocupés d'anciens systèmes, dont il ne reste plus que le nom et le fantôme, et que peu instruit par ceux qu'ils emploient au dehors, ils ne peuvent connoître que superficiellement la vérité de certains circonstances qui peuvent les mettre en état de manœuvrer le gouvernail de l'État qui leur est confié; d'augmenter sa splendeur, de le préserver de tout trouble, et de le maintenir dans la considération où il doit être. Tant que j'ai été restraint dans les bornes d'exécuter les ordres qui m'ont été présents de rendre compte de leur effet, et de ce qui se passoit d'intéressant pour le service du Roy, ou de ses alliéz, je me suis donné de garde de communiquer mes réflexions, et je me suis appliqué à connoître à fond la politique de la cour de Vienne. Je ne dis pas seulement sur les paroles, conservations et [fol. 102v] confidences de L. M. I. et de leurs ministres, mais par des preuves claires constantes et sans réplique, Je me suis acquis assez de confiances pour les approfondir, à fin qu'au moment que le Roy, ou son ministre des affaires étrangères me demanderoient mes réflexions, je fusse en état de les exposer avec la fidélité que je dois à Dieu, au Roy à l'État, à l'humanité et à moi-même. La maison d'Autriche est revenüe du préjugé qu'elle a toujours eu, et dont elle s'est souvent servi, pour ameuter toute l'Europe contre la France, savoir, que cette dernière visoit à la monarchie universelle. La modération du Roy, la paix d'Aix-la-chapelle, l'a autant confirmé dans cette idée, que surpris car l'Impératrice-Reine d'Hongrie, ne s'y attendoit pas, connoissant sur

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Auf eine ausfîihrliche Kommentierung der Quellen wurde verzichtet, da eine eingehende Analyse in den Abschnitten DI-IV erfolgt ist. Eine ähnliche Wendung findet sich schon in Richelieus Politischem Testament: Richelieu, Testament politique, hg. L. André, Paris ¡947, S. 349.

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tout l'épuisement ou étoit l'Angleterre; la foiblesse et la dissention des Hollandois, et le manque de toute choses ou elle étoit elle-même. Cette guerre qui a été terminé a l'avantage de la France, avec un succeès qu'on ne pouvoit espérer dans les années 1742 et 1743 a convaincu toute l'Europe, non seulement de la modération du Roi, mais même de la fidélité des paroles qu'il avoit donné, non seulement à ses alliéz, mais [fol. 103 r ] même à ses ennemis, auxquels il a toujours déclaré dès le commencement qu'il ne prétendoit que la satisfaction de ses alliés. De cette guerre, il en est cependant résulté l'avantage réel à la France, qu'elle s'est mis pour l'avenir, dans une sécurité pour toutes ses possessions de terre, car du côté du Rhin, Fribourg rasé, ne lui donne plus à craindre qu'il serve de place d'armes à la maison d'Autriche pour venir attaquer ses frontières. Pour en imposer ou contraindre les cercles, à prendre part à ses querelles particulières, et à entraîner l'Empire dans la guerre qu'elle aura à soutenir contre la France. Ce point est de plus important à quiconque voudra entrer dans l'examen de cette position, et c'est surquoy je ne m'étendrai pas davantage, puisque toutes les idées en sont palpables. Les frontières de la France sont encore plus assurées du côté des Pays-Bas; non seulement le Roy est en état sur le soupçon des mauvaises intentions de la maison d'Autriche de la prévenir un an d'avance, mais même de contenir les Hollandois ses alliéz, pouvant être dans peu de marches à leurs portes, sans, pour ainsi dire, [fol. 103T] tirer un coup de fusil. Le Roy par cette guerre, a encore plus gagné particulièrement que son royaume, puis qu'indépendamment des lauriers qu'il a récueilli de la connoissance qu'il a pris de ses frontières et des ses troupes; de la fidélité qu'il a témoigné à ses alliez; de la modération dont il a surpris ses ennemis, il a connu par lui même que la paix étoit nécessaire, non seulement à toute l'Europe, mais aussi à son royaume. Et sa Majesté a pris pour base de son système politique le traité d'Aixla-Chapelle, bien resolüe de maintenir à l'avenir la tranquillité publique, et de prévenir toutes les étincelles qui pourroient rallumer la guerre, et d'y entraîner. Elle ne peut être sécondée dans un projet aussi glorieux, que par la maison d'Autriche; c'est pourquoi: I o II faut faire un examen très scrupuleux sans y admettre aucun préjugé ni intérêt particulier; 2° considérer si l'Angleterre n'est pas le principal ennemi et même pour ainsi dire le seul de la France; 3° La valeur des alliéz de l'Impératrice; 4° La valeur des alliéz de la France. ad i m e n t : L'égalité, ou la supériorité de puissance, occasionnent dans le système politique la rivalité, mais [fol. 104r] lorsque l'un et l'autre cesse, il faut nécessairement changer de principes, et de venir pour ainsi dire le soutien de la puissance, dont on étoit le rival. La maison d'Autriche dépouillée des Royaumes de Naples et Sicile, de la Silésie, ayant perdu une immensité de terrain du côté des Turcs, et même Belgrade qui la met à découvert vis-à-vis de l'Empire ottoman; Ses possessions dans l'Italie étant aussi bornées, et n'en retirant pas même le nécessaire pour entretenir les troupes qu'elle y a; presque toute la Flandres ouverte, et hors d'état d'en réparer les fortiffications, et les revenus de ces même Pays-Bas suffisans à peine à l'entretien des troupes qu'elle y a et des gouverneurs de cet province; n'ayant aucun point d'appui dans la Suabe depuis que Fribourg est razé; n'ayant dans aucune de ses possessions intérieures de l'Allemagne et extérieurs nulle place fortiffiée, connoit si bien sa situation vis-à-vis de la France; des Turcs, du Roy de Prusse, du Roi de Sardaigne, et autres en Italie, que bien loin de songer à susciter des guerres ou elle n'auroit qu'à perdre, elle n'a d'autre point de vüe que le maintien de la paix dans toute l'Europe à fin de se conserver elle-même, et sa principale attention, est de s'appliquer à l'arrangement économique des [fol. 104T] ses finances, afin de subvenir aux dépenses que sa dignité et sa sûreté exigent; elle éprouve que le bouleversement qu'elle a fait dans son administration économique ne lui a pas encore concilié l'amour de ses sujets, par le préjugé qu'ils avoient de l'ancien système, et par ce que la noblesse et le clergé ne payant point autre fois, ces 2 ordres soulèvent, pour ainsi dire, le peuple, qui est également animé par le militaire, auquel l'Impératrice a mis un frein contre les vexations et la tirannie qu'il exerçoit dans

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1. Blondel

l'intérieur de ses pays héréditaires. Il ni aura qu'une expérience de 10 années qui pourra faire connoître à ce même peuple qu'il porte beaucoup moins de charges, qu'il n'avoit par l'ancien sistème et ramener la noblesse, le clergé et le militaire au principes de justice et d'équité, qu'elle a établi. Ad 3unl Les alliances qu'elle a, sont sa conservation et comme leur puissance et plus forte que la sienne non seulement elle n'en dispose pas, mais elle n'éprouve que trop souvent qu'elle y est assujettée et obligée d'en suivre les loix. Ces alliances sont pour elle plus spécieuses que réelles, elles sont imposantes pour la garantir des invasions, mais non pour conquérir ou récupérer, [fol. 105r] Celle de la Russie en impose aux Turcs et au Roy de Prusse: Fantôme plus spécieux que réel. Car contre la lanteur de ces secours, qui peut lui répondre que ces mêmes secours lui parviendront avant que d'être envahie; cette alliance qui lui est nécessaire pour sa conservation lui coûte bien cher, puisque c'est elle qui la engage dans la guerre de 1733 où elle a perdu les royaumes de Naples et de Sicile, de même que dans la guerre de 1737 contre les Turcs, ou elle a perdu non seulement ses troupes, mais la Bosnie, la Serbie, et la Valaquie, et surtout Belgrade2, qui en étoit un boulevard respectable contre les incursions de l'empire ottoman au lieu qu'aujourd'hui elle n'a pas une place qui la garantisse de ce côté-là. Celle de l'Angleterre est léonine de la part du Roi de la Grande-Bretagne, qui ne suit que son intérêt et sa haine; c'est par ces deux motifs qu'il a obligé l'Impératrice d'augmenter les possessions du Roy de Sardaigne, et de céder la Silésie au Roi de Prusse, pour tâcher d'avoir la supériorité sur la France, mais il l'a pour ainsi dire abandonné, lors qu'il s'est agi du traité [fol. 105v] d'Aix-la-Chapelle. Nonobstant il a fallu que l'Impératrice dissimulât le ressentiment ou ton impérieux avec lequel l'Angleterre lui préscrivoit la loi soit par reconnoissance des secours quoi que tardifs dont l'Angleterre l'a aidée dans la dernière guerre, soit par l'impossibilité où elle étoit de faire autrement, se trouvant abandonnée par les puissances maritimes, lassés et épuisées de faire la guerre. L'Impératrice a senti et sent ces événements plus qu'elle ne les a fait paroître, et dans plusieurs conversations, elle a laissé apercevoir ses mécontémens contre le Roi d'Angleterre suffisamment pour que la France les entendit, mais assez énigmatiquement affin qu'elle n'en pût point faire d'abus et qu'il n'en pût rien transpirer à l'Angleterre, ad 2dum L'Angleterre n'a mis bas les armes qu'à cause de son épuisement, bien resoliie d'occasionner une nouvelle guerre contre la France, pour achever de ruiner sa marine et son commerce au moment qu'elle aura arrangé ses affaires; elle sent que tous les efforts seroient inutiles, aussi longtems qu'elle ne pourrait occuper les forces et les ressources de France par terre et la seule puissance qu'elle puisse mouvoir avec quelque [fol. 106r] poids, est la maison d'Autriche. C'est dans cette vue pour l'adoucir sur la paix, et pour lui donner un air plus pondérant dans l'Europe, qu'elle a formé le projet, et s'est chargé de la dépense, de faire élire Roi des Romains l'archiduc Joseph, fils aîné de leurs majestés impériales3 et sous cette apparence continuer des subsides aux Électeurs de Cologne et de Bavière, affin de faire passer l'affaire au Parlement, auquel le Roi d'Angleterre ne peut pas dire, que son ambition le porte à faire un Roi des Romains de sa façon, mais auquel il donne à entendre, qu'il s'est fait des alliances dans l'Empire, afin d'asseurer le repos et la tranquilité de toute l'Europe, et être prêt à tout événement, il se donnera bien garde de laisser appercevoir à ce même Parlement, qu'il a éprouvé le peu de fonds et de ressources qu'il y a à faire sur pareille alliances, mais n'importe pour lui, elles font nombre sur le papier; de même que l'association des Cercles à laquelle il a principalement coopéré. Il peut présenter à son Parlement, ces situations spécieuses qui ne sont ni pésées ni examinées en Angleterre, où peu de gens sont instruits des constitutions de l'Empire; de la 2 3

Vgl. Duchhardt, Balance of Power und Pentarchie, S. 288-295, 399. Joseph II. * 13. März 1741; Römischer König 27. Mai 1764, Kaiser 18. August 1765, alleinregierend seit dem 29. November 1780, f 20. Februar 1790.

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contrariété qui se trouve dans les Cercles [fol. 106v] lors qu'il s'agit de les mettre ensemble; d'augmenter leur simple, de faire joindre leurs drapeaux; de les faire camper, er de les mettre en Postierung4, et de l'embaras dont ils sont lorsqu'ils n'opèrent. Il laissera aussi ignorer que la lenteur de leur assemblage, donne toujours un an et demi, ou deux ans à la France pour les prévenir. Il se donnera bien de garde de laisser apercevoir à son Parlement que cette assomation n'est d'aucun poids, lorsque d'un côté la maison d'Autriche n'a plus Fribourg, qui servoit autre fois de place d'arme, de dépôt et de ressource au Cercle de Suabe, lequel se laissera d'autant moins intimider, que ni ayant point de troupes impériales dans cette place, elles ne pourront lui en imposer ayant surtout le duc de Württemberg pour son codirecteur, qui restera attaché à la France. Le Cercle de Suabe se voyant ouvert aujourd'huy de toutes les côtés ne doit songer qu'à sa conservation et lors qu'il s'agira de guerre entre la France et la maison d'Autriche pour éviter d'en être le théâtre et d'être dévasté, doit se porter pour son intérêt particulier, à demander à l'une et [fol. 107r] à l'autre partie, de ne requérir de lui aucun passage, ni de le forcer à l'accorder, parce que ce ne sera jamais un transitus innoxius5 qui ne lui soit pas préjudiciable, puisque la contrepartie venant à la rencontre sur son territoire, il ne peut manquer d'en être la victime et enfin il pourra leur déclarer sans se laisser intimider par qui que ce soit, que si l'une des deux parties se dispose à forcer et force ledit passage, il appellera la contrepartie, et y joindra ses forces pour la repousser, et nettoyer son Cercle. C'est l'intérêt non seulement des directeurs, mais même de tous les petits États qui composent ce Cercle, et si quelqu'un se pousse d'enthousiasme pour la maison d'Autriche, il sera en état de le mettre à la raison. Le directeur du Cercle de Haut-Rhin, l'électeur Palatin, est attachée à la France, et ne peut se départir de ses engagemens sans s'exposer à sa ruine totale, et sans espérance de pouvoir être dédommagé par qui ce soit, de même que l'Évêque de Worms. Les électeurs de Mayence et de Trêves sont hors d'état non seulement de fournir un homme à cette association, mais même ont besoin du [fol. 107 v ] secours de cercles associées pour garder et garantir les forteresses de Mayence et d'Herenbreitstein6 ou Coblence. Les secours qu'on peut attendre du Bas-Rhin peuvent devenir plus nuisibles à la maison d'Autriche que profitables, attendu la manière de penser et d'agir de l'électeur de Cologne, et l'alliance du Roi avec l'électeur Palatin, possesseur des duchés de Juliers et de Berg, et la puissance du Roi de Prusse dans cette partie de Clèves, de la Marek et de Wesel. Le Roi d'Angleterre rendra encore moins compte à son Parlement de la dépense et l'inutilité dont lui a été son traité avec l'électeur de Cologne pendant la dernière guerre, et de la foiblesse de l'électeur de Bavière. Toutes ces jactances sur ces objets ne peuvent se réduire qu'à dire, qu'il nous enlève des alliés, mais à bien considérer ces sont des charges qu'il prend et qu'il nous ôte. La couronne de Roi des Romains dont il prétend se faire honneur et mérite près de l'Empereur et de l'Impératrice est du même aloi, leurs majestés Impériales n'en sont point la dupe; elles n'ont pu la refuser sur les instances et sur l'offre de l'Angleterre. Mais elles en etoient médiocrement curieux dans le moment présent, [fol. 108r] L'Impératrice a senti parfaitement que son fils sera un jour le seul candidat, pour occuper le trône impérial, et en soutenir les charges, et que non seulement toute l'Empire le demanderoit mais que nécessairement nul autre candidat ne pourroit mieux convenir à la France, à moins qu'elle ne voulât se donner une charge onereuse et s'exposer de faire un jour de son allié, son ennemi, parce que dans tous les Électeurs et Princes de l'Empire nul ne pourroit soutenir cette eminente dignité sans des accroissements considérable, accroissement que la France ne peut faire qu'à sa ruine d'hommes et d'argent, accroissement dont elle ne

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Hervorhebung im Text. Hervorhebung im Text. Ehrenbreitstein.

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1. Blondel

peut manquer de devenir jalouse au moment qu'ils prendront quelque consistance, et que l'Angleterre attentive à ses intérêts et à se concilier la puissance de terre la plus forte saura augmenter sans grand frais après que la France s'y sera épuisée. Il ne seroit pas étonnant que l'Impératrice eut envisagé que cette élection d'un Roi des Romains emporteroit nécessairement la garantie de l'Empire pour la Silésie en faveur du Roy de Prusse, circonstance très essentielle pour elle et ses déscendants. Car il est certain que suivant le traité de Dresde, elle n'etoit [fol. 108v] obligée de la procurer au Roy de Prusse, qu'après que le Roi de la Grande-Bretagne auroit fourni celle que le Roy de Prusse s'étoit engagé de lui procurer de ce même traité, et comme il y a apparence que jusques là, elle se seroit toujours entendu avec le Roi de la Grande-Bretagne, elle n'auroit jamais été obligée de procurer cette garantie de l'Empire, et elle auroit pu attendre des événements qui l'auroient non seulement délivré de ses engagements, mais même donné des espérances de récupérer la Silésie. Il ne seroit peut-être pas hors de toute vraisemblance de penser que l'Empereur n'a pas saisi avec empressement le projet d'élire son fils Roi des Romains, en considérant qu'il est à la fleur des son âge et qu'il s'expose peut-être à beaucoup d'embaras et même à des révolutions dangereuses si les sentiments de l'archiduc ne répondent pas un jour à la confiance qu'il a dans sa tendresse et dans la bonne éducation qu'il lui donne. Peut-être a-t-on été longtemps à lui persuader, que c'étoit un événement nécessaire, pour d'autant mieux établir les arrangements œconomiques qui se font dans les États héréditaires pour les préserver de nouveaux troubles et de démembrement pour lui donner plus de crédit et d'autorité dans l'Empire, quand on envisagera qu'il se sacrifie [fol. 109r] aussi genereusement pour le repos et pour la tranquillité du Corps Germanique. Par la manière dont pensent l'Empereur et l'Impératrice, il n'y a pas lieu de croire qu'ils se laissent illuser par ces apparences d'affection et d'amitié de l'Angleterre, laquelle leur fait perdre plus d'États par ses traités que la France par la force des armes. Leurs majestés Impériales voyent et font tout par elles mêmes, elles ne sont occupées que de leurs affaires, sans aucune autre distraction; aucun ministre ne les conduit, et elles les dirigent tous; elles ont totalement changé leur système ancien de leur maison; elles en ont reconnu l'abus, ayant vu très clairement que leurs prédécesseurs, et l'Impératrice elle même dans le commencement de son règne, avoit été la victime de l'ambition, de l'ignorance, de l'avarice, de l'entêtement, de l'intérêt ou de la vengeance de leurs ministres ou de leurs généraux dans lesquels ils ont mis tant de confiance; Ce sont aujourd'hui l'un et l'autre des pères de famille, qui rangent leur maison, qui ne veulent plus rien perdre de leur héritage, qui veulent le bonifier, en attendant le moment où provoqué mal à propos et injustement, ils trouvent les moyens de récupérer ce qui a été démembré de leur héritage, et d'avoir pour cet [fol. 109v] effet, le concours de la même puissance, qui a coopéré a ce démembrement. Elles sentent bien que l'Angleterre occupé uniquement de ses intérêts ne peut les aider dans ce projet; Qu'au contraire même elle leur feroit sacrifier encore quelque chose si elle avoit l'espérance et la probabilité de se concilier le Roy de Prusse contre la France. Elles font encore moins de fonds sur la Russie, dont l'influence est moins pour récupérer ce qu'elles ont perdu, que pour conserver ce qu'elles possèdent. Elles n'ont pas plus de confiance que par le passé dans le Roi de Sardaigne, qui ne s'est enrichi et ne s'augmentera que de ses dépoüilles et lequel ne se conservera sous l'apparence trompeuse d'une amitié sincère avec elles, que pour des unions et alliances secrètes avec la France. Elles savent et voyent aussi clairement que toutes les autres puissances, que l'Angleterre cherchera incessament les occasions de renouveler la guerre, par son intérêt à ruiner le commerce non seulement de la France, mais aussi à faire avorter dès les commencement celui que l'Empereur à Livourne, l'Impératrice à Trieste, le Roy de Sardaigne à Nice, et le Roy de Prusse à Embden ont établi, regardant tous ces canaux de commerce comme un vol qu'on lui fait et qu'elle dissipera dans, et [fol. 110r] par la guerre.

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L'Angleterre a senti avant la dernière guerre que la France commençoit à la primer dans le commerce, elle sent encore que cette même France gagnera sur elle la supériorité, si elle joiiit de plusieurs années de paix, aussi elle saisira tous les prétextes indirectes qu'elle pourra pour la faire sortir de sa tranquillité; car les prétextes directs seroient équivoques; sa partie n'est pas assez lié, ses alliances sont déffensives, il lui sera presque impossible de les convertir en offensive. Je laisse aux lumières du conseil du Roy à juger, si les affaires actuelles du Nord, et l'élection d'un Roi des Romains, n'ont pas cet objet, pour engager la France dans une guerre, par le secours qu'elle donnera à la Suède, ou par l'opposition qu'elle fera a l'élection d'un Roi des Romains, de concert avec ses alliéz. L'alliance de l'Impératrice avec les Hollandois est uniquement pour la conservation de l'une et de l'autre puissance, elle ne peut jamais avoir pour objet des conquêtes. Ils doivent également se garantir des vûes ambitieux de l'Angleterre, qui leur présente souvent des projets, plus spécieux que solides. [fol. 110 v ] Les instances et menaces que ces deux puissances maritimes firent près de l'Impératrice pour porter toutes ses forces en 1744 sur le Rhin pour faire diversion aux forces d u Roy qui se portèrent dans les Pays-Bas n'ont point garanti les prises de ses places; lui ont fait dégarnir la Moravie; la Bohême; l'Autriche et la Bavière; ont mis le Roi de Prusse en état de s'emparer de la Bohême, et réduire l'Impératrice dans l'état le plus affreux où elle eût encore été, et de lui faire perdre Fribourg. Par une espèce de miracle, elle répara ses pertes pendant l'hiver, mais la fin de 1745 la força à une paix conseillée par l'Angleterre qui assura pour toujours la Silésie au Roy de Prusse. Il paraît donc par la situation de leurs majestés Impériales, par les discours qui leur sont échappés depuis deux ans, sur le système qu'elles ont adopté, par le ton et les éclaircissements qu'elles ont donné sur toutes choses, qu'elles ne cherchent qu'à se concilier la confiance de la France et qu'elles ne trouvent leur seureté et leurs avantages que dans son alliance. Qu'importe au Roi qu'on le recherche par amour, ou par intérêt, quand les motifs vont à son but qui est de maintenir la [fol. l l l r ] tranquillité générale en Europe, et de préserver son royaume d ' u n e nouvelle guerre, et d'influer dans toutes les affaires majeures, comme il convient à sa dignité et sa puissance. Ce serait s'illuser que d'imaginer que l'Angleterre s'est réconcilié de bonne foi avec la France, leurs intérêts ne pourront jamais s'accorder, l'Angeleterre qui ne subsiste que par le commerce, ne jouerait plus de rôle dans l'Europe si une puissance comme la France y donnoit la même attention qu'elle et si toutes les autres puissances suivant leurs forces, lui en détachoient quelques branches. L'épuisement lui a fait faire la paix, mais au moment qu'elle sera un peu réparée, soit par des arrangements économiques, soit par des ressources que la nation même peut fournir, on ne doit pas se flatter de la voir tranquile. C'est dans ce projet éloigné qu'au moment même où elle signoit la paix d'Aix-la-Chapelle, il est presque sûr, qu'elle suscitoit la Russie contre la Suède; soit que son ambition la porta à vouloir un établissement pour le duc de Cumberland 7 , soit qu'elle voulut forcer la Suède à entrer dans son alliance, et renoncer à celle de la France. Elle a eu le chagrin non seulement d'éprouver la fermeté de la Suède, mais de la voir [fol. 1I1VJ contracter des alliances avec le Dannemarck, le Roi de Prusse et resserrer le nœud des anciennes alliances avec la France. Il est constant qu'elle tient le gouvernail de la Russie, et peutêtre n'est t-il que trop probable que ce n'est que par ces inductions que cet Empire reste armé et continue de menacer, et ce ne pourra être qu'avec l'argent de l'Angleterre que la Russie manégera la Suède, pendant la Diète prochaine. L'Angleterre se couvre du manteau de l'Autriche pour cacher toutes ses menées, elle fait passer conjointement avec elle en public, ses offices à Petersbourg, mais il est à croire que dans le 7

Wilhelm Augustus Herzog von Cumberland (1721-1765), 3. Sohn Georgs II. von England.

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cabinet le langage de l'Anglois est différent de celui de l'Autrichien; car ce dernier paroît y aller de bonne foi pour toutes les raisons dites cy-dessus et parce que ses ministres ne veulent ni ne peuvent soutenir la guerre, au lieu que l'Anglois veut à quelque prix que ce soit, détacher la Suède, et le Dannemarck de l'alliance de la France parce que si elle subsiste l'Angleterre sera forcée de rester tranquile et ne pourra plus si facilement occasionner une guerre. L'Angleterre éloignera toujours de tout son pouvoir la réconciliation de la Russie avec la France, elle [fol. 112r] s'est saisi de tout son commerce, et aussi longtemps que cette situation durera, elle fera toujours mouvoir la Russie à sa fantaisie, et si elle continue d'avoir également à sa disposition la maison d'Autriche, le Roi ne peut pas compter sûrement d'une année à l'autre, de ne pas voir renouveller la guerre, soit directement contre lui soit indirectement afin d'y prendre part et occasionner une guerre générale. Il faut bien se donner de garde de chercher à rompre l'alliance de l'Impératrice avec l'Angleterre, cela seroit aussi dangereux pour la France, qu'il le seroit pour l'Impératrice de rompre celle du Roy avec le Roy de Prusse, parce que si le Roy avec l'Impératrice peuvent s'entendre avec une confiance réciproque, le roi retiendra de son côté le Roi de Prusse comme l'Impératrice retiendra le Roi d'Angleterre, ayant un intérêt commun pour la religion, pour leurs possessions et pour maintenir le système de l'Empire, que ces deux puissances ne s'unissent jamais car que déviendra de l'Empire si les forces de ces puissances se réunissent! Les évêchés dont elles sont limitrophes seraient bientôt sécularisés, la Bulle d'or changée, l'électorat de Mayence ou de Trêves ou de Cologne devenir la récompense d'un Protestant, qui se [fol. 112"] joindra à eux, tel que le Landgrave de Hesse Cassel, l'Empire devenir alternatif, entre les Protestants et les Catholiques. Le système de l'Empire qui fait la grandeur et la sûreté de la France, changé, par conséquent, sa tranquillité et ses possessions toujours exposées et la maison d'Autriche devenir la proye du Roi de Prusse, ou de la Saxe, pendant que l'électeur d'Hannover et la Hesse s'agrandiront de l'autre côté. Ces idées ne sont pas aussi chimériques qu'elles le paraissent au premier aspect; qu'on considère le peu de crédit actuel, que l'Empereur a dans l'Empire, que les Protestants sont les plus forts; qu'ils le connoissent et qu'ils s'en prévalent dans les conjonctures, comme on vient de l'éprouver très récemment il y a deux mois à l'occasion de l'affaire du Prince d'Hohenlohe, où l'on a vu l'électeur d'Hannover quoiqu'en apparence livré et attaché à la maison d'Autriche, et l'électeur de Saxe faire cause commune avec les autres Protestants et offrir de joindre leur contigent de 20. et 12.000 hommes a celui de 20.000 hommes offert par le roi de Prusse.8 Dans cette situation la France peut témoigner en apparance de l'inquiétude sur l'action de [fol. 113 r ] l'Angleterre au traité défensif de 1746 entre Γ Impératrice-Reine d'Hongrie et celle de Russie, mais dans le fonds elle doit en être aussi contente que l'Impératrice-Reine puisque ce traité étant uniquement contre le Roi de France, ce dernier s'alliénera d'autant plus contre le Roi d'Angleterre, ce qui empêchera leur union, qui seroit également préjudiciable à la France et à l'Autriche, quand elles voudront et pourront s'entendre. La maison d'Autriche est hors de toute portée de faire un mal à la France dont elle a besoin elle même, ou pour sa conservation ou pour récupérer ce que les conjonctures ou les événements peuvent lui faciliter. L'aggrandissement du Roi de Prusse ou son union avec l'Angleterre est pernicieux à la religion, à l'Empire, à la France, à la maison d'Autriche, et à tous ses voisins. Il ne peut plus alors y avoir d'équilibre. Les princes puissants ne sont jamais des alliés dépendans, flattés de leur grandeur, ou ils veulent diriger, ou s'agrandir davantage. Le Roi de Prusse, le Roi de Sardaigne, ne seront fidels alliés de la France qu'autant qu'ils auront besoin d'elle, pour se soutenir ou pour acquérir. Ils césseront nécessairement d'être tels, au moment qu'ils auront une certaine puissance; peut-être l'a-t-on déjà éprouvé, et il n'y aura que [fol. 113v] leur foiblesse ou leur espérance qui les rendra alliés

Zum Hohenloher Konfessionsstreit siehe: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 72-79.

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nécessaires de la France, qui peut essuyer des grands revers, s'ils déviennent ainsi indépendant qu'elle, et s'ils forment des ligues et des unions que seront toujours à son préjudice et contre sa tranquillité. Rien ne prouve mieux ce qu'on doit attendre d'alliés puissants, supérieurs ou égaux, que ce que l'Impératrice éprouve depuis un an: I o Dans l'affaire d'Hohenlohe, Hannovre et la Saxe font cause commune avec le Roi de Prusse contre elle et l'Empereur, de manière que l'autorité impériale est presque anéantie et le parti protestant fait la loi aujourd'hui. 2° Le Roi d'Angleterre forme le projet d'élection d'un Roi des Romains et dispose de l'archiduc Joseph sans consulter leurs majestés impériales qui ne peuvent ajouter foy à la gazette de Cologne qui en donna la nouvelle dès le mois de février.9 Le Roi d'Angleterre ne leur en a fait la première ouverture qu'au mois de juin, elles l'ont d'abord décliné, les instances ont été réiterées au mois de juillet et ce ne fut que le 7 de ce mois que leurs majestés impériales y consentoient sous les conditions: I o Qu'elle ne donneroit aucune atteinte à la pragmatique, 2° qu'elle ne blesseroit point le droit d'un tiers [fol. 114 r ] 3° qu'elle ne dérogeroit en façon quelconque au système de l'Empire, 4° qu'elle n'engagerait l'Impératrice dans aucune dépense qui dérangerait son système intérieur, qui ne tend qu'à sa propre seureté. La réponse du Roi d'Angleterre ayant été satisfaisante sur ces quatre conditions, il demanda un homme légal et versé dans ces matières. Vers le 20 juillet on fit partir pour Hannover M. de Forstner10 dont la première relation à leurs majestés impériales étant arrivé à Vienne le 13 aoust, il fut écrit le 15 du même mois au sieur maréchal pour communiquer cette négociation en France. J'ignore les raisons qui l'ont empêché d'exécuter ses ordres; il s'est excusé sur les incommodités de M. le marquis de Puyzieulx sur quoi il m'en fut parlé comme j'en ai rendu compte, ainsi la communication qui en a été faite au Roi, n'a point été tardive, mais aussi prompte qu'elle le pouvoit. 3° L'accession de l'Angleterre au traité de Petersbourg de l'année 1746 a été faite sans que l'Impératrice en ait été prévenue, ni par l'Angleterre, ni par la Russie, et le comte de Bernes" qui n'etoit point instruit de cette circonstance a accepté ladite accession en vertu des plein pouvoirs [fol. 114v] dont il étoit muni depuis deux ans et demi, sans avoir eu aucun ordre négatif ni afïïrmatif pendant cet intervale. C'est au conseil du Roi, à peser les motifs d'une pareille conduite de la part du Roi de la GrandeBretagne. Son union avec les Protestants contre l'Empereur dans les affaires de religion ou la France doit prendre part en vertu du traité de Westphalie. L'élection d'un Roi des Romains à laquelle il a suposé que peut-être la France s'oposeroit pendant qu'il s'en fait un mérite près de leurs majestés impériales; son accession au traité de 1746 qui aura plus de jactance que d'effet, mais dont il a espéré faire naître d'autant plus de mésintélligence entre le Roi et l'Impératrice, seroit ce trop hazarder que de suivre que toutes ces manœuvres ne visent qu'à rendre infructeusement les négociations du comte de Caunitz, afin d'avoir d'autant plus dans la dépendance de l'Angleterre et de la Russie l'Impératrice-Reine. 4 emc Les alliances du Roy sont spécieuses importantes, et utiles dans ses projets. La peur que le Roy de Prusse imprime à la Saxe, à Hannover, à la maison d'Autriche, empêche toute ligue entre [fol. H5 r ] ces puissances et détournera toujours l'électeur de Cologne et les possesseurs de ses bénéfices de prendre une part serieuse aux guerres qui surviendront puisqu'ils ne peuvent douter du désir qu'il a de séculariser lesdites bénéfices. Les voix de ce prince dans les différents collègues de l'Empire, et dans les cercles, de même que celles de l'électeur Palatin, du duc de

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Zur römischen Königswahl siehe: Gehlsdorf, Die Frage der Wahl des Erzherzogs Joseph zum römischen König; Horn, The Origins of the proposed Election; Rödel, Frankreich, Kurpfalz, Kurmainz und die Frage der römischen Königswahl, S. 511-513; zusammenfassend: Aretin, Das Alte Reich, Bd. 3, S. 47—48. Genaue Daten zu Forstner waren nicht zu ermittlen. Karl Anton Graf von Bernes de Rossana, Gesandter des Kaiser in St. Petersburg 1748-1751, siehe: Repertorium der diplomatischen Vertreter, Bd. 2, S. 66, 79.

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Würtemberg, et d'autres princes que le Roi s'est concilié, ou se conciliera, sont de la plus grande utilité, pour éventer, traverser, et s'opposer même aux projets qu'on pourroit former contre la France. On doit donc les ménager avec une extrême attention, quoi qu'on doive sentir très bien que ces alliances ne seraient d'aucun secours dans une guerre effective. La politique du Roy de Prusse est trop connüe, et s'est manifesté dans tant d'occasions, que ce seroit s'abuser de croire, qu'il se compromettra à jamais, à moins qu'il ne voye une occasion sûre et indubitable de réussir, et de rester possesseur de ce qu'il aura envahi. Sa politique le portera toujours au contraire, à susciter la guerre à la maison d'Autriche à fin qu'elle puisse s'enerver, [fol. 115v] soit pour gagner encore quelques domaines, soit du moins pour asseurer la possession tranquille de la Silésie. Au contraire la moindre crainte qu'il aura, il aura recours à la France, et sur la lenteur il criera et ménaçera même de faire son traité particulier avec la puissance qui voudra lui déclarer la guerre, et de joindre ses troupes à celles de cette même puissance pour tomber sur la France, et lui enlever une partie des conquêtes qu'elle a faite. On ne doit pas ignorer en France, qu'après le Traité d'Aix-la-Chapelle, ce Prince envoya à Londres son blanc seing, pour une alliance telle que l'Angleterre la jugeroit à propos. L'alliance que ce Prince a faite avec la Suède est pour son unique seureté, et si malheureusement la Russie attaque la Suède, on n'éprouvera que trop, la politique de ce Prince, qui veut avoir toute l'Europe pour le soutenir, le maintenir ou conquérir, mais qui fait plus de parade de ses forces et de sa puissance pour contenir, que pour agir effectivement, son alliance cependant doit être ménagé avec beaucoup de politique de circonspection. Il convient même de paroitre à bonder dans son [fol. 116 r ] sein et dans ses projets; favoriser ses inclinations, caresser ses ministres et déférer dans les bagatelles à ses désirs comme il sera de la prudence de ne pas donner dans ses visions et d'être en méfiance contre tous les soupçons qu'il fera naître directement ou indirectement, car on connoit assez qu'il fait joiier des ressorts très éloignés afin que les méfiances qu'il veut faire naître ne paraissent pas venir de lui, et il seroit aussi imprudent à la France de laisser appercevoir au Roi de Prusse, qu'elle a approfondi son système et sa politique, qu'il le seroit à l'Impératrice-Reine de Hongrie et de Bohême, de laisser apercevoir celle qu'elle reconnoit dans l'Angleterre et la Russie et dans celle du Roi de Sardaigne; et comme dans la politique il est dangereux autant qu'impossible, de se donner réciproquement par écrit à connoître la manière dont on pense a l'égard de ses propres alliés pour éviter l'abus qui n'en est que trop souvent resulté, par la zizanie qu'on a mis entre ces mêmes alliés. Il y a cependant moyen de s'entendre, quand deux puissances comme le Roy et l'Impératrice-Reine ont le même objet, le même intérêt, le même désir, la même vue, et la même manière de penser, [fol. 116v] La France a ce moyen dans le comte de Caunitz le quel seul possède la confiance de l'Impératrice, tous les autres ministres n'étant que pour la forme des affaires, et leur consommation, et l'Impératrice indiquant assés elle même qu'elle a toute confiance dans le ministre des affaires étrangères M. le marquis de Puyzieulx. Si ces deux ministres peuvent s'entendre, n'ayant d'autres rapport à faire qu'à leurs souverains directement, sans communication au conseil du Roy, et aux conférences de l'Impératrice-Reine, l'affaire peut être arrangée d'autant plus solidement du côté de l'Impératrice, qu'elle n'a et ne veut consulter personne, et qu'aussi longtems qu'elle vivra, si elle n'est pas dans la dépendance du Roy, elle sera au moins sa complaisante. Il n'en seroit pas de même, si le secret de pareille négociation transpirait a des tiers, lesquels suivant les idées de l'Impératrice, ne doivent s'en mesler que pour la consommation, et des choses mécaniques. Ce premier fondement fait avec la solidité requise, et promesse réciproque de s'ouvrir sur tous les soupçons qu'on cherchera à faire naître à l'une ou à l'autre partie, l'Impératrice verra avec indifférence tous les égards [fol. 117 r ] et caresses publiques que la France fera aux Prussiens, et réciproquement la France devra regarder avec indifférence toute la déférence que l'Impératrice pourra avoir pour l'Angleterre, avec laquelle elle ne condescendra cependant qu'après avoir

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connu les intentions du Roy, et avoir aprofondi le but, l'intérêt et les suites des condescendances qu'exigeront l'Angleterre et la Russie, et réciproquement le Roi a l'égard du Roi de Prusse et de ses alliés. Les constitutions de l'Empire font la grandeur du Roi et la sûreté du royaume du côté du Rhin. Ce nombre considérable de petits États qui ont autant d'intérêt différent, empêchent que les forces de ce vaste Empire ne se réunissent et leurs constitutions emportent des longueurs qui donnent le tems au Roi, ou de les prévenir, par les armes ou de les traverser par des négociations. Indépendamment de cet intérêt essentiel, le Roy comme garant du traité de Westphalie doit garantir cet Empire de l'oppression. La politique jusqu'à Charles VI n'a indiqué que la maison d'Autriche; aussi la France a t-elle préservé cet Empire de l'invasion et de l'oppression, et a maintenu autant qu'elle a pu en vigueur lesdites constitutions. Ce n'est [fol. 117 v ] plus la même politique aujourd'hui, le Roy de Prusse et les Protestants y ont toute l'influence l'Empereur n'y a nul crédit; chacun a recours au Roi de Prusse, les uns par crainte les autres par espérances. Il n'y a pas une affaire où il ne paroisse comme dictateur, quoi qu'elle ne le regarde point. Telle est celle de la noblesse immédiate de Suabe; celle de Hohenlohe, celle de la comtesse de Bentinck; celle de l'église réformée de Francfort, dans lesquelles il change des principes au moment qu'il aperçoit que l'Empereur adopte les mêmes principes, pour se trouver uniquement en contrariété avec sa majesté impériale et la decréditer; et il est à craindre que ce Prince ne devienne à la fin l'oppresseur de l'Empire, et ne boulversera ce même système, et ces mêmes constitutions, qui font la sûreté du Royaume. Il est même plus à craindre, qu'il ne rende cet Empire alternatif avec les Protestants, et que par la force de ses armes, il ne forme une nouvelle Bulle d'Or, aux dépens des Électeurs ecclésiastiques, qui n'ont nulle force, ainsi suivant les circonstances la France doit veiller pour la conservation du Corps Germanique, avec une scrupuleuse attention, aux entreprises ou [fol. 118r] de la maison d'Autriche, ou du Roi de Prusse, et porter secours à l'une et à l'autre suivant le danger, pour éviter un boulversement dont elle seroit le premier victime, et une source continuelle de guerres. Tout ce système politique sera d'autant plus aise à suivre, que je suis moralement sûr, que le comté de Caunitz est instruit sur ces principes, qu'il conviendra vis-à-vis des ministres des affaires étrangères du Roy, de la foiblesse de sa cour, quoi qu'on s'efforce à ne pas la laisser apercevoir à l'étranger de même que les soupçons et les craintes que l'Impératrice a contre ses propres alliés du remède qu'elle cherche pour s'en garantir ainsi que de leur dépendance. Depuis que les troubles qui se sont élevés au commencement de ce siècle à l'occasion des prétentions à la succession d'Espagne sont ajustés, les seules affaires sur lesquelles les intérêts des deux couronnes peuvent être différent, et sur lesquelles il faut s'entendre et se complaire l'une à l'autre réciproquement, sont: La mort du Roi de Suède. La mort du Roi de Pologne et l'élection d'un Roi des Romains. Dans ces affaires ce qui sera convenu secrètement entre ces deux cours doit paraître en contrariété [fol. 118v] dans le public, sans quoi rien ne réussira. L'Angleterre prendra toujours l'opposé des inclinations qu'elle supposera à la France, et le Roi de Prusse, a quoi inclinera l'Impératrice. Ce n'est point tromper ses alliés quand on ne leur fait point tort; qu'on conserve leurs possessions; qu'on les maintient en paix, qu'on s'oppose a leur ambition démesurée, et qu'on ne cherche que sa tranquillité et celle de toute l'Europe. Si ce système est adopté en France, comme je suis persuadé qu'il est désiré à Vienne, les deux cours auront l'honneur de partager la monarchie universelle d'inflüence. Titre plus glorieux, que de celui des possessions, qui sont toujours la source des guerres, de l'effusion du sang humain, de la jalousie des voisins, du malheur des Empires et des peuples.

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2. Le Dran

2. Le Dran: Perspektiven derfranzösisch-österreichischenAllianz (1756) AAE Mémoires et Documents Autriche 40, fol. !f-29v\ Points que le Roy peut avoir principalement en vûe, dans une union étroite entre sa Majesté et l'Impératrice Reine d'Hongrie et de Bohème, par M. Le Dran, chef du Dep. des äff. etr. 2e mémoire, Vermerk mit Bleistift: Mars 1756. Fol. 8r: L'objet de l'union entre le Roy et l'Impératrice Reine de Hongrie et de Bohème peut se considérer en général sous deux points de vûe principaux; l'un regarde l'Allemagne, et l'autre l'Italie. Ce qui [fol. 8V] peut avoir rapport aux possessions des Prince et Etats des deux religions qui partagent l'Allemagne sous l'autorité de l'Empereur et de le l'Empire, et aux droits et prérogatives de ces princes et Etats, a été réglé par les traittés de Westphalie conclus à Munster et Osnabrück au mois d'octobre 1648, et par les dérogations qu'on a jugé depuis devoir y faire par d'autres traittés. La Diette générale assemblée à Ratisbonne par l'Empereur Léopold [fol. 9 r ] en 1663 et qui a esté rendiie permanente en cette ville, s'est attachée à maintenir sur le fondement de ces traités et des autres lois de l'Empire, l'estat ou sistème du gouvernement du corps germanique, et s'il est arrivé dans des temps de troubles, que cette Diette n'a pu empêcher des entreprises de la part des princes puissants contre des princes seigneurs ou États qui n'étoient pas assés forts pour se déffendre, elle a toujours évité autant qu'il luy a esté possible, d'autoriser [fol. 9V] les infractions de la paix publiques et les usurpations. De sorte qu'on peut considérer cette Diette comme le rempart des libertés germaniques à tous égards; mais c'est particulièrement lorsque l'Empire jouit d'une paix profonde, qu'elle exerce ses droits avec la supériorité qui luy appartient; ainsi la tranquillité de l'Allemagne ne pouvant qu'être de plus en plus asseuré par l'union intime du Roy avec l'Impératrice Reine, il en résultera que les Princes et États seront d'autant [fol. 10r] moins exposés aux vexations et aux entreprises injustes, et conséquemment qu'il sera beaucoup moins question que par le passé, de recourir par de réclamations aux garants des Traités de Westphalie. Ces traittés ayant établi la France garante de leur exécutions conjointement avec les autres parties contractantes, le Roy à l'exemple du Roy Louis 14 son prédécesseur regarde cette garantie moins comme un engagement et une obligation, que comme un droit [fol. 10v]en vertu du quel la Couronne de France a une inspection principale sur les affaires publiques de l'Allemagne, pour le maintien et l'observation des stipulations de ces Traittés en faveur tant du Corps Germanique en général1, que de chacun des États qui le composent, sans distinction de la Religion que les uns ou les autres sont en possession de professer; ainsi le Roy étant bien éloigné de vouloir se prévaloir de ce titre de garant des Traités de Westphalie pour exciter ou fomenter des divisions [fol. Il r ] entre les Etats, ou pour les soulever contre l'Empereur leur chef, les ministres de l'Impératrice Reine ne seraient nullement fondés à refuser, que cette garantie soit exprimée convenablement dans son traitée d'union avec sa Majesté. Il parait même que le renouvellement de la stipulation de cette garantie pourrait être exprimé comme le fondement de l'union entre leurs Majestés pour le maintien de la paix et du repos public dans l'Empire. Comme l'estat de l'Allemagne n'est pas pas fondé seulement sur [fol. l l v ] les traités de Westphalie, mais aussi su diverses dérogations qui s'y sont faites en différents temps en vertu de nouveaux traittés, à la plus part desquels la France n'a pris aucune part, il est assés entendu que dans l'inspection générale qui appartient au Roy sur la tranquillité de l'Allemagne à titre de garant des Traittés de Munster et d'Osnabruck, sa Majesté considère l'état actuel comme Dieser Abschnitt ist bis hierhin angestrichen - von Rouillé?

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suffisament autorisé, sans préjudice toutes fois des protestations qui peuvent avoir été faites juridiquement pour la conservation [fol. 12r] des droits des parties intéressés. Ces principes généraux étant ainsi établis ou supposés, il ne paraît pas que rien doive empêcher l'Impératrice Reine, d'entrer conjointement avec le Roy dans l'engagement de s'entendre et de se concerter ensemble, en se communiquant mutuellement leurs vues, pour tout ce qui peut avoir rapport à la conservation de la paix publique dans l'Empire. L'opinion est généralement répandue, que cette Princesse n'ayant cédé que forcement la [fol. 12v] Silésie au Roy de Prusse, n'attend que les occasions de revenir contre cette cession; Il paroit même que les raisons tant sur le fond que sur la forme ne luy manqueront pas, pour prouver l'invalidité et nullité de cette cession, et que le corps Germanique est intéressé à concourir avec cette Princesse au recouvrement de cette province que le Roy de Prusse s'est fait céder comme un démembrement de l'Empire. Le Roy n'entend cependant pas, qu'il doive être rien stipulé par rapport [fol. 13r] à cette province de Silésie dans son traitté d'union avec l'Impératrice Reine; il a compté en faisant exprimer par l'article 22e du dernier traitté d'Aix la chapelle la garantie de cette province en faveur du Roy de Prusse, que ce seroit le moyen de cimenter conjointement avec le Roy de la Grande Bretagne la tranquillité générale de l'Europe, et c'est dans ce point de vue que sa Majesté envisage encore actuellement cette garantie, comptant ne devoir en être tenue dans quelque cas [fol. 13v] que ce puisse être, que conjointement avec les puissances qui ont concouru à la conclusion de ce traitté de paix. Mais indépendamment de ce qui regarde la Silésie, il n'est pas possible que le concert une fois établi entre sa Majesté et l'Impératrice Reine relativement au maintien de la paix de l'Europe et de la tranquillité de l'Allemagne, ne réfléchisse de manière ou d'autre sur le Roy de Prusse, vû les liaisons soit publicques [sic], soit secrètes où il [fol. 14r] il est entré, ou peut entrer dans la suite avec le Roy de Suède, avec le Roy de la Grande Bretagne, ou avec d'autres puissances tant au dedans qu'au dehors de l'Empire, et l'on peut même des à présent prévoir et conjecturer, que ce sera principalement sur la conduite de ce Prince et sur les moyens de contenir sa puissance dans de justes bornes, que devront porter les mesures à concerter entre sa Majesté et l'Impératrice Reine, tant pour la tranquillité intérieure de l'Empire, que pour le maintien de la paix [fol. 14V] dans le Nord. Le Roy de Prusse aurait pu se trouver compromis avec l'Impératrice de Russie, si les troupes russes auxiliaires de la Grande Bretagne avoient entrepris de traverser les marches de Brandebourg, pour se rendre dans le pays d'Hanovre; C'est pour se garentir de ce danger, qu'il a conclu au mois de janvier de la présente année une Convention avec le Roy de la Grande Bretagne pour l'exclusion de l'entrée des troupes étrangers dans l'Empire; mais cet engagement n'ayant pour objet que la [fol. 15r] situation actuelle des affaires entre la France et la Grande Bretagne, on peut compter que par les différentes partis que ce Prince a pris dans les diverses révolutions de la guerre occasionné par la succession du feu Empereur Charles 6, que les conjonctures changeant, il pourra de même changer des vues, et entrer dans d'autres arrangements politiques selon que les circonstances luy paraîtront plus ou moins favorables pour l'exécution de ses desseins. Le Roy ne dissimulera pas [fol. 15v] à l'Impératrice Reine, qu'il a vu avec une vraie satisfaction que le Roy de Suède ait épousé la soeur du Roy de Prusse, et même que sa Majesté considère cette alliance comme le plus sûr moyen de préserver la Suède son ancienne allié, de divers dangers dont il ne luy seroit pas possible de se garantir par ses propres forces; sa Majesté connoit toutes les raisons qui doivent engager l'Impératrice Reine, à observer des ménagements avec l'Impératrice de Russie, et elle est bien éloignée d'exiger dans le [fol. 16r] traitté d'union rien qui puisse altérer l'intelligence que des intérêts communs et constants établissement entre ces deux Impératrices, mais plus ces objets sont délicat à traiter, plus sa Majesté estime nécessaire qu'ils entrent dans la confiance mutuelle qu'elle désire d'établir avec l'Impératrice Reine pour le bien général de l'Europe.

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2. Le Dran

Il est demandé de ce qui regarde le Roy de Dannemarck, et l'intérêt qu'a cette couronne, que ni le Grand Duc de Russie ni le Roy de Suède ne puissent faire valoir sur le Duché de Sleswick, [fol. 16V] ni même sur le Duché de Holstein, des droits que pourroient compromettre le Dannemarck avec la Russie ou la Suède, pour des objets que les Russes e les Suédois doivent regarder comme étrangers, et mesme peu important pour leur souverains. La médiation que le Roy a exercé dans les dernières années de la vie du feu Empereur Charles 6, pour faire cesser la guerre entre la Porte Ottomane et les cours de Vienne et de Petersbourg, et [fol. 17 r ] la garantie que sa Majesté a donnée à la réquisition de cet Empereur pour l'exécution des traittés de paix conclus à Belgrade le 18e 7bre 1739 par l'entremise du M's de Villeneuve ambassadeur de sa Majesté à Constantinople, ont fait voir que la France peut très bien entrer dans ce qui regarde les intérêts à ménager entre la cour de Vienne et les Turcs, sans que l'Impératrice Reine doive prendre de jalousie; cette princesse est redevable aux soins et aux bons offices de [fol. 17v] cet ambassadeur, d'être parvenue à surmonter ou à aplanir diverses difficultés qui restoient à régler pour l'exécution de ce traitté de Belgrade lors du décès de l'Empereur Charles 6 son père. Le Roy considéroit dans l'affermissement de cette paix entre la Porte Ottomane et la cour de Vienne, l'intérêt de la chrétienté, et cette cour dut sentir alors, la générosité de ce procédé, puisque les sujets de discorde qui depuis ont excité une rupture ouverte [fol. 18r] entre sa Majesté et la Reine de Hongrie et de Bohème, avoient déjà éclaté; ainsi sa Majesté compte que cette princesse en sa qualité d'Impératrice d'Allemagne étant encore plus obligée qu'alors de préserver l'Empire de toute invasion de la part des Turcs, n'en sera que plus disposée à s'entendre sur un objet aussi intéressant pour l'Allemagne et toute la chrétienté. Sa Majesté voit de même que toute l'Europe, que rien ne [fol. 18v] convient mieux pour consolider de plus en plus l'union des Royaumes et Etats possédés par l'Impératrice Reine, que d'assurer l'expectative de la couronne impériale au fils aîné de cette princesse, en le faisant élire Roy des Romains. L'Impératrice-Reine a bien raison de souhaiter de voir les Electeurs et les Princes de l'Empire concourir à cette élection; le Roy ne pourra que désirer aussi, que cette vu puisse aussi être remplie à l'entier satisfaction de cette Princesse [fol. 19r] lorsqu'il sera assuré par un traitté d'union avec Elle sur leurs intérêts communs, puis qu'alors l'élection de l'archiduc Joseph à la dignité de Roy de Romains ne pourra que contribuer à l'affermissement de la paix de l'Empire, et à maintenir la concorde et la bonne correspondance entre la France et le Corps Germanique. Ce sera pour lors, que sa Majesté pourra compter sur des arrangements convenables de part et d'autre par rapport aux limités de la [fol. 19T] Lorraine, et de même pour la fixation de celles de la Basse Alsace à la Queich. Quand au concert à établir entre le Roy et l'Impératrice Reine par rapport à l'Italie, les ministres de la cour de Vienne ont du sentir en signant son accession au traitté de paix d'Aix-la-Chapelle que l'énonciation qu'ils y ont faite, des cas où ils jugeoient que les états cédés par ce traité à l'Infant Don Philippe gendre de sa Majesté seroient réversibles à cette princesse, étant différente de ce qui se trouve énoncé par [fol. 20 r ] rapport au mesme objet dans l'acte d'accession du Roy de Sardaigne au mesme traitté, cette différence tiendroit l'Europe en suspens, et pourroit exposer l'Italie à se voir d'un jour à l'autre, devenir le théâtre d'une nouvelle guerre, si malheureusement l'un des cas prévus par ces deux actes d'accession survenoit avant que l'on pris des arrangements fixes et permanents à cet égard. Cette même différence étant relative au cas, où le Roy d'Espagne viendroit à mourir sans laisser d'enfants mâles, et où le [fol. 20v] Roy de Deux Siciles son frère luy succèderoit sur le trône d'Espagne, il paraît que les appréhensions du renouvellement de la guerre en Italie devront subsister, tant que l'Europe restera dans l'incertitude sur l'ordre de succession à ce royaume des Deux Siciles, c'est à dire il ne sera pas décidé, si le Roy don Carlos devenant Roy d'Espagne pourra laisser Naples, l'un de ses fils, ou si transportant avec luy à Madrid toute sa famille

Anhang I.

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Royale, il devra céder ce royaume des Deux [fol. 21 r ] Siciles à l'Infant Don Philippe Duc de Parme son frère puiné, ainsi que l'acte d'accession de l'Impératrice Reine au traitté d'Aix-la-Chapelle paroit l'annoncer, on peut juger par les négociations qu'il y a eu entre les cours de Madrid et de Naples depuis ce traitté de paix, et même à ce qui a paru avec la participation de l'Impératrice Reine, et par l'union intime établie entre le Roy Catholique et le Roy des deux Siciles son frère, qu'ils sont présentement d'accord sur ce cas eventuel, et il [fol. 21 T ] y a tout lieu de juger qu'ils sont convenus, que dans le cas où le Roy des Deux Siciles déviendroit Roy d'Espagne, il emmènera avec luy à Madrid seulement son fils ainé, et abandonnera son royaume au second de ses fils. Il seroit fâcheux qu'un pareil arrangement intérieur entre le Roy d'Espagne et et le Roy de Deux Siciles son frère, put être regardé comme contraire à la tranquillité de l'Italie; le Roy ne croit pas que l'Infant Don Philippe soit dans l'intention de s'elever au contraire; sa Majesté [fol. 22 r ] est bien éloignée aussi, de luy donner à cet égard d'autres conseils, que ceux qui pourront contribuer à entretenir la concorde et une étroite intelligence entre ces princes et la famille du Roy de Deux Siciles; sa Majesté est confirmée encore dans cette façon de penser, par la persuasion où elle est, que l'Impératrice Reine est dans le secret des arrangements concertés entre ce Prince et le Roy Catholique pour les cas de la vacance du trône espagnol; tout ce qu'elle désire, c'est de pouvoir [fol. 22v] s'entendre avec cette princesse sur les moyens d'asseurer en ce cas la paix et la tranquillité en Italie. Les duchés de Parme de Plaisance et de Guastalle forment un établissement bien modique et peu convenable pour un Infant d'Espange gendre du Roy; Lorsque cet établissement a été stipulé par le traitté d'Aix-la-Chapelle pour l'Infant Don Philippe sa Majesté n'envisageoit que ce soit un acheminement pour le porter au trône des Deux [fol. 23 r ] Siciles dans le cas où le Roy des Deux Siciles son frère aîné déviendroit Roy d'Espagne, mais cette espérance qui pour lors avoit quelque apparence de fondement devenant tous les jour de plus en plus douteuse, sa Majesté intéressé personnellement à ce qui regarde cet infant et sa famille, n'hésite pas à confier à l'Impératrice Reine, que rien ne paroit mieux consolider l'amitié et l'union entre leurs Majestés que de pouvoir trouver par quelque échange convenable un établissement plus stable et [fol. 23 v ] plus compatible avec la résolution ou sa Majesté est, d'écarter tout sujet de mésintelligence entre leurs Majestés, l'intention où le Roy est de concourir à l'élection de l'archiduc Joseph à la dignité de Roy de Romains, est une preuve bien certaine de ses dispositions à prévenir les désirs de l'Impératrice Reine et à procurer l'accomplissement de tout ce qui peut être le plus de sa satisfaction personnelle pour le maintien de la grandeur de sa famille, Le Roy croit donc pouvoir espérer, que cette princesse [fol. 24 r ] par une juste retour de sa part voudra bien aussi entrer dans les vues de sa Majesté pour Infant Don Philippe son gendre, et consentir à ce qui sera estimé le plus convenable, pour les effectuer dans les circonstances présentes. La possession où cette Princesse se trouve des Provinces connues sous le nom de Pays Bas catholiques est si contrainte par les engagements que l'Empereur Charles 6 son père s'est trouvé obligé de contracter avec la République de Hollande, sans prétexte d'asseurer la déffense [fol. 24 v ] de ces Pays à titre de barrière contre la France lors et depuis qu'ils ont été réunis à la cour de Vienne en exécution des traittés de paix d'Utreckt, qu'il a paru en divers occasions que cette possession luy étoit plus onéreuse qu'utile, et l'exposoit même ainsi que cet Empereur ne la que trop éprouvé, à des contestations et à des brouilleries avec les Etats généraux des Provinces Unies et aussi avec la Grande Bretagne ; on peut juger par ces considérations que si la cour de Vienne est attaché à conserver ces Provinces [fol. 25 r ] au nombre des Etats soumis à l'Impératrice Reine, c'est plustôt par un point d'honneur, que par un intérêt réel pour les royaumes et les Etats héréditaires de la succession d'Autriche en Allemagne; ainsi il y a toute apparence, que lorsque la Grande Bretagne et la République de Hollande ont exigé, qu'il fut stipulé par les traittés d'Utreckt de 1713, que ces Pays Bas seroient réunis à l'Empereur Charles 6, et qu'ils ne seroient jamais cédés transportés ni donnés, ni pourroient échoir à la couronne de France, ni a aucune

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2. Le Dran

Prince ou princesse [fol. 25v] de la maison ou ligne de France ces deux puissances ont eu principalement en vue de faire entrer par ce moyen l'Empereur et ses successeurs, dans les guerres qui pouroient survenir entre elles et la France, et d'obliger aunsi cees souverains, d'y employer contre cette couronne les forces de l'Allemagne. Le Roy connoit qu'il ne doit pas être question actuellement de changer le fond de cette disposition dans ce qui peut avoir rapport à la sûreté de la barrière des Pays Bas; mais en mesme temps il est persuadé [fol. 26 r ] que l'Impératrice Reine étant souveraine de ces pays elle est absolument la maîtresse d'y faire à d'autres égards indépendamment de toute autre puissance telle dérogation qu'elle peut estimer convenable pour les propres avantages de sa maison, et particulièrement lorsque cette dérogation peut contribuer à l'affermissement de la paix générale de l'Europe, et que c'est sans qu'il doive en résulter aucun préjudice réel pour les puissances qui se croyent intéressées et autorisées à la conservation de cette barrière. Dans cette pensée le Roy [fol. 26T] propose à l'Impératrice Reine de luy abandonner pour elle et ses héritiers et successeurs, les états possédés en Italie par l'Infant Don Philippe, et qu'elle cède en échange à cet Infant pour luy, pour la Serenissime Infante son épouse, et pour leurs héritiers et successeurs, soit le Tournaisis et la partie du Comté de Flandres qui comprend les villes d'Ypres, de Menin, de Fiemes d'Ostende et de Nieuport, soit le Comté de Naumur et le Duché de Luxembourg y compris le Comté de Chini2; Le revenu du duché de Luxembourg n'a jusqu'à présent été évalué [fol. 27 r ] qu'à 300 mille livres. Dans des pareilles échanges on considère beaucoup plus les convenances naturelles que le calcul du plus ou moins de revenus; Il est aisé de voir, de quelle importance il seroit pour les Etats de l'Empereur et de l'Impératrice , de pouvoir unir aux duchés de Milan et de Mantoue ceux de Parme, de Plaisance et de Guastalle; sa Majesté lorsqu'il en auroit été convenu, laisseroit absolument à la disposition de l'Impératrice Reine de prendre avec le Roy de Sardaigne tels arrangements que [fol. 27v] cette princesse voudroit par rapport à la réversion d'une portion du Duché de Plaisance à la maison de Savoye dans le cas prévu par l'acte d'accession de ce Prince au Traité d'Aix la chapelle; Il seroit extrêmement dangereux de lui donner prématurément connaissance, des vues pour un arrangement entre sa Majesté et l'Impératrice Reine pour transférer l'établissement de Don Philippe dans les Pays Bas. Le Roy Victor avoit obtenue par le traitté d'Utreckt le Royaume de Sicile, la France et l'Angleterre [fol. 28 r ] réglèrent par les conditions de la quadruple alliance de Londres en 1718 qu'il abandonnerait ce Royaume et que celuy de Sardaigne luy seroit donné comme ar échange; Il n'en fut donné connaissance à ce Prince qu'après que les conditions de cette alliance eurent été fixées entre le Roy et le Roy de la Grande Bretagne; Il ne balança pas à y souscrire voyant que c'étoit chose réglée pour le bien générale de l'Europe et que ce seroit en vain qu'il s'efforceroit d'y apporter du changement. C'est la méthode à suivre pareillement dans [fol. 28v] les circonstances présentes avec le Roy de Sardaigne par rapport au droit de réversion qu'il s'est ménagé par son accession au traitté d'Aix-la-Chapelle sur la partie du Duché de Plaisance dont il a fait cession à l'Infante Don Philippe en exécution de ce traitté. Au reste de ces arrangements concertés dans le plus profond secret entre le Roy et l'Impératrice Reine, et dans les quels entreroit le renouvellement des garanties réciproques et particulièrement par rapport au Grand Duché de [fol. 29 r ] Toscane, on préviendroit la guerre dont l'Italie est menacée dans le cas où le Roy de Deux Siciles viendroit à succéder à la couronne d'Espagne, et du côté des Pays Bas on verroit disparaître plusieurs des contestations, qui durent si longtemps 2

Marginalie: Na: observer que Bruges n'est pas compris dans cette demande; on peut compter que l'Impératrice Reine refuseroit absolument de céder cette place regardée de tout temps comme une des principales du Comté de Flandres et la siège où a été fondé l'ordre de la toison d'or. L'on doit s'attendre aussi à un refus sur Ostende, mais il faudroit au moins obtenir Nieuport et Dixmunde. La frontière de la France se trouveroit au reste jusqu'à Condé, comme elle etoit par le traité de Riswick de 1697.

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par rapport aux limites de ces Pays avec les provinces de France, selon que l'Impératrice Reine se déciderait d'abandonner à l'Infant, ou le Tournaisis avec une partie du Comté de Flandres, ou le duché de Luxembourg et le Comté de Chini avec le Comté de Naumur. Vermerk fol. 29y: 1756 May. Convention de l'Impératrice Reine de Hongrie avec le Roy Louis 15 pour la neutralité de cette Impératrice dans la guerre allumée alors entre la France et la GrandeBretagne. Traitté d'amitié et de garantie réciproque des possessions et droits de part et d'autre. Articles séparés sur l'alternative pour l'ordre des nominations et signature entre les deux puissances et au sujet de l'idiome françois dans lequel les actes ont été rédigés et signés.

3. François de Bussy und die Mission Berns 1. AAE CP Mayence Supplément 3, fol. 135r-13ff: Projet d'une négociation avec l'Électeur de Mayence, Vermerk: Mars 1755, von François de Bussy. Fol. 135r: L'Électeur de Mayence, tant par sa dignité d'archi-chancelier de l'Empire, que par la disposition de la direction de la Diète qui est entre ses mains a une inflûence principale dans les affaires de l'Empire. Il y a surtout 2 points capitaux qu'il est en son pouvoir de faire echoüer ou reüssir, c'est la guerre de l'Empire et l'Election du Roi des Romains. Il est essentiel d'empêcher que dans des conjonctures critiques où l'on se trouve avec l'Angleterre aucun de ces 2 points n'ait le succès que nos ennemis peuvent désirer; et de ce peu de réflexion il paroit prouvé qu'il ne peut être qu'avantageux au Roy d'engager l'Electeur de Mayence dans ses intérêts. Deux circonstances peuvent en [fol. 135v] faciliter l'entreprise. I o L'Electeur de Mayence paroit dégoûté de la cour de Vienne qui a eu si peu d'égards à tous les malheurs qu'il s'est attirés par son attachement déclaré pour elle, que dans le payement de fournitures de la dernière guerre, Elle lui a retenu impitoyablement les mois romains qu'elle a pretendus lui être dûs par son prédécesseur. Cette marque d'ingratitude, jointe à la hauteur dont cette cour et celle de l'Angleterre, l'ont traité jusqu'à présent leur ont aliéné le cœur de ce Prince et semblent le préparer à recevoir les impressions que le Roy voudra lui donner. 2° L'Électeur sollicite actuellement auprès du Roy le paiement des fournitures de la dernière guerre, et le traitement favorable qu'on pourra lui faire sous l'apparence de ce paiement présente une occasion naturelle de le déterminer [fol. 136r] à s'attacher à la France par des complaisances réciproques. D'après ces principes, on pourra représenter à S. A E. que le zèle du Roy pour le maintien de la Paix ne s'est point démenti, qu'il est toujours le même et que Sa Majesté s'est prêtée à tous les moyens possibles de préserver la tranquillité générale de toute atteinte dans le différent survenu entre elle et l'Angleterre. Mais que comme II n'a pas rencontré les mêmes dispositions de la part des Anglois, il est à craindre que par la suite de leurs entreprises le feu de la guerre ne se rallume sur le continent. Que dans cet Etat les seuls moyens d'empêcher que les malheurs qui en seront inséparables ne se communiquent aux États de l'Empire qui n'ont aucun rapport aux différents survenus, sont de ne point favoriser [fol. 136v] les Ennemis du Roy, de ne pas consentir à faire une guerre générale de l'Empire, et de retarder l'Election du Roy des Romains, jusqu'à ce qu'elle soit fait conformément aux constitutions de l'Empire, c'est à dire du consentement unanime des Electeurs. On ajoutera que le Roy et les Électeurs ses alliés ont insisté d'autant plus fortement sur cette clause auprès de la cour de Vienne, qu'elle a été insérée par le Ministre même de l'Électeur dans le projet qui fut présenté en 1750 à la cour d'Hanover et agrée par elle et que c'est en effet la plus solide barrière que l'on puisse opposer actuellement au projet de la cour de Vienne de rendre la couronne impériale héréditaire, et de se faire des sujets de tous les souverains de l'Empire.

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3. Bussy

On finira par dire, que le Roy [fol. 137r] propose avec d'autant plus de confiance à l'Electeur de concourir au succès de ces moyens qu'ils sont conformés aux constitutions de l'Empire, aux Droits des Etats, et aux lustre du collège électorale, au maintien desquels l'Électeur est obligé particulièrement par la prérogative de sa place, et nommément à la Paix de Westphalie dont le Roy est expréssement Garant. Que par conséquent l'on ne demande à l'Électeur que ce que sa conscience, son honneur et la sûreté de ses propres États exigent de luy, et que le Roy saisira avec plaisir cette occasion de laisser agir librement sa considération et sa bienveillance en sa faveur, et de le dédommager des malheurs de la derniere guerre en lui donnant des subsides sous l'aparence du Paiement des fournitures de la derniere guere. Comme cette méthode a déjà été pratiquée avec l'Électeur par l'Angleterre, Il auroit mauvaise grâce s'y [fol. 137T] refuser; d'ailleurs toute proposition de subsides n'a rien de désobligeant auprès des Princes d'Allemagne. Il s'agit a présent de déterminer le choix de l'instrument secret qu'il faudra employer pour une pareille négociation, Il paroit qu'il s'en offre un tel qu'on peut le désirer dans la personne du Sr Berns agent de l'Électeur de Mayence à Paris, pour l'affaire des fournitures. Le Sr de Berns est un négociant de Mayence établi à Paris depuis 40 ans, Il y a toute fortune, il est vieux et n'aspire qu'à finir tranquillement ses jours dans ce Royaume qui est devenu pour lui une nouvelle patrie. Il a donné des preuves de son attachement au Roy dans la négociation concernant la navigation du Rhin. Il a des accès secrets auprèz de l'Électeur de Mayence qui le consulte indépendamment de ses ministres [fol. 138r] et c'est un homme sans éclat que pourra terminer la négociation dont on le chargera sans réveiller les soubçon de nos ennemis; mais on croit qu'il n'y a pas de tems à perdre pour le faire partir, étant nécessaire qu'il arrive à Mayence avant le départ du Ministre que l'Electeur envoiera à Hannover si le Roy d'Angleterre va cette année dans ses États d'Allemagne. Si la proposition à faire à S. A. E. reüssit, on croit que les succès ne pourra être qu'avantageux, si elle ne reüssit pas il n'y aura aucun inconvénient de l'avoir entamé et l'on en tirera au moins l'avantage de connoitre les véritables dispositions de l'Electeur. Au cas que cet idée soit adoptée on formera un plan de négociation plus détaillé et les instructions qui y seront relatives.

Vermerk Rouillés: Fol. 135r: On le peut tenter, en lui procurant non des subsides, mais un traittement plus avantageuse pour la liquidation de ses demandes.

2. AAE CP Mayence, Supplément 3, fol. 14S~V, Notiz von der Hand Bussys: Detail sur la mission de M. de Berns. Fol. 148r: On croit qu'il convient de donner au Sr de Berns le mémoire en forme d'Instruction sur les affaires de l'Élection signé par M. Rouillé affin que l'Électeur puisse prendre confiance aux propositions qu'il lui fera, mais sans désigner son nom afin qu'il puisse être désavoué si contre toute attente cela venoit nécessaire puis qu'il ne paraîtra aucun trait que cette commission lui ait été donné personnellement. On croit encore qu'il faudra [fol. 148T] donner un petit chiffre au Sr de Berns pour assurer le secret de sa correspondance avec le ministre, et l'engager à partir sans délai.

3. AAE CP Mayence, Supplément 3, fol. 155r~v, Berns an Bussy, Mainz, 1755 Juni 25. Fol. 155r: J'ay eu l'honneur de vous escrire Monsieur par l'ordinaire dernier sous l'adresse de ma Maison à Paris. Du depuis |: l'Électeur de Mayence mon Maitre m'a fait la grâce de me donner deux audiences en particulier. Mes propositions ont été goûtées, tant du Maitre que de ses deux ministres; on me promet de me renvoier cette semaine en France avec une réponse satisfaisante; si

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cela est j'aurai l'honneur de vous voir à la cour à Compiègne, avant votre départ pour hanovre. j'ay l'honneur d'estre avec un sincère attachement, Monsieur Vostre très humble et très obéissant serviteur - Berns. 4. AAE CP Mayence Supplément 3, fol. 15 f , Aktenvermerk: Mayence. 4 Juillet 1755, M. de Bussy à M. de Rouillé. Fol. 157r: J'ai l'honneur de joindre icy une lettre2 que j'ai reciie de M. de Berns, vous y verrés les espérances qu'il donne pour les succès de sa négociation, et qu'il doit arriver incessamment avec une réponse satisfaisante, je souhaite de tout mon cœur que l'affaire réussisse.

4. Nicolas Du Buat-Nançay über die mögliche Neuordnung Europas 1761 AAE CP Bavière 144, fol. 27ff-284r, Juli-August 1761, Louis-Gabriel Du-Buat-Nançay: Réflexions sur le futur traité de paix, Vermerk: J' à la lettre de M. de Folard du 11 aoust 1761. Fol. 276r: Le Roi a deux grands intérêts à menager dans la négociation qui doit mettre fin à la guerre. L'un est celui de ses peuples, l'autre est en quelque sorte plus personnel, et regarde plus particulièrement sa gloire et les affaires du continent. On dira peu de chose de ce dernier article parce qu'on ne peut en parler d'une manière solide sans connoître tous les engagemens que sa Majesté a pris avec ses alliés, et les menagemens qu'elle est obligé d'avoir pour eux. Mais sans entrer dans aucun détail là-dessus on se bornera à quelques remarques générales qui ne supposent aucune notion particulière. Iere Remarque Tout projet de sécularisation est diamétralement contraire aux intérêts de la France, et en ce point plus qu'en tout autre son système doit être le même que celui de la cour de Vienne et de la cour impériale. Les sécularisations augmonteroient la masse des puissances actives de l'Allemagne à un point qu'il seroit [fol. 276v] impossible à la France de maintenir la système de l'Empire. On a pu espérer jusqu'ici que sous un autre gouvernement la puissance prussienne se rapprocheroit de la proportion qu'il doit y avoir entre les membres de l'Empire en sorte, qu'elle ne pourroit contrebalancer seul les forces de tous les autres membres réunis contr'elle. Tant que l'électorat d'Hanovre a été une puissance du 3eme ordre, on a pu espérer qu'il s'intéresseroit au maintien du système de l'Empire, et qu'il feroit la partie foible de l'Angleterre. Enfin l'Empereur a eu quelque chose de plus qu'un grand titre tant qu'il y a eu plusieurs États médiocres et purement passifs, tels que sont les principautés ecclésiastiques. Si on renouvelle l'exemple donné à Munster et Osnabrugg, toute l'Allemagne se trouvera partagée entre trois grandes puissances, pour qui les loix ne seront qu'un mot vide de sens, et qui n'auront rien à craindre et pourront tout exiger des petits États qui seront à leur portée. Toute la Westphalie, la Hesse même, la Thuringe, et peut-être la Franconie seront pour Hannovre, ce qu'ont été pour le Roi de Prusse la Saxe, le pays d'Anhalt, le Meckelbourg etc. un chemin toujours ouvert, une pépinière d'hommes, un magazine de subsistances.

2

:...: in Chiffre, von Bussy transkribiert. Randvermerk: celle du 25 juin. Siehe oben Nr. 3.

4. Du Buat

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[fol. 277r] L'Empereur sera sans crédit, la diète sans délibérations, la maison d'Autriche aura deux rivaux, et n'aura plus des alliées dans l'Empire, la France perdra toute l'influence, et se liguera en vain avec une des trois puissances pour tenir tête aux deux autres. Elle augmentera les maux d'Allemagne en y prenant part, et il ne faudra qu'une guerre ou deux au plus pour achever le bouleversement total de la constitution germanique. On ne veut pas prévoir le tems où Allemagne une fois partagée entre trois puissances déviendroit le théâtre d'une guerre qui ne pourroit finir que par la destruction d'une des trois, et qui accélérant la formation d'une monarchie allemande renverseroit tout le système de l'Europe. Pour empêcher ou retarder au moins cette grande révolution il n'y a que deux moyens à prendre, le premier est de s'opposer à toute sécularisation, et de conserver par là en son entier la masse des puissances passives et des États du 3cme ordre, qui seule composent véritablement l'Empire. Que l'on combine comme on voudra les différentes portions de puissance active qu'il y a en Allemagne, qu'on ôte à un prince pour donner à l'autre, dès qu'on ne change point la nature des puissances, dès qu'on ne réunit point, on peut donner une nouvelle face au système politique [fol. 277v] mais on anéantit point la constitution, on ne fait point un mal qui soit sans remède. Si l'on pouvoit faire une nouvelle loi dans l'Empire, si le sort des armes nous avoit été assez favorable, pour que nous puissions faire un second traité de Westphalie, cette loi auroit dû être, que jamais il ne se fera aucune réunion dans l'Empire, que jamais on ne diminuera le nombre des Etats. Si les sécularisations pouvoient avoir lieu ce ne devroit être que pour créer une nouvelle puissance séculière, pour former un État à un prince cadet et jamais pour agrandir un État déjà formé. La puissance prussienne elle-même doit son existence aux sécularisations et aux réunions, et en prouve l'extrême inconvénient. IIde Remarque J'ai déjà dit que pour prévenir ou retarder la grande révolution, dont l'Allemagne et toute l'Europe sont menacées, il y a un 2nd moyen, qui peut aller de pair avec l'attention à empêcher les sécularisations et les réunions. Ce moyen se présente sous un aspect effrayant, mais il n'en faut pas juger par les apparences. La puissance ottomane dirigée sur des principes [fol. 278 r ] semblables à ceux qui sont adoptés dans les autres cabinets de l'Europe, auroit été depuis longtems la meilleure sauvegarde du système germanique. Mais si de tout tems les Turcs se sont faits un principe de ne jamais attaquer les puissances chrétiennes, lors quelles étoient en guerre les unes avec les autres, on n'a aucune raison de croire, que ce principe soit celui de la plus formidable puissance du Nord. La monarchie prussienne est entre l'Empire et la Russie ce qu'a été depuis longtems la maison d'Autriche entre ce même Empire et la puissance Ottomane. Il ne manquera à la Russie que d'être plus à portée des États prussiens et d'avoir un point d'appui dans leur voisinage. S'il arrivoit que la cour de Petersbourg parvînt à se procurer ce point d'appui, et se conformât plus exactement qu'elle n'a fait jusqu'ici à la grande maxime de Pierre I, si dis-je, pour acquérir une grande influence dans l'Europe tout celle que Pierre I désiroit qu'elle y acquît, quelles seroient les conséquences de cette révolution dans le système de l'Europe? Il ne m'appartient pas de les développer, mais il me semble que dès lors une des plus grandes puissances de l'Allemagne ne chercheroit à avoir des liasions avec la [fol. 278v] Russie, qu'autant qu'elle en auroit besoin contre la Porte, et qu'une autre puissance, gêné par le voisinage des Russes serait obligée de se ménager du côté de l'Empire; il me semble que la jalousie d'une côté et la crainte de l'autre, empêcheraient bien des entreprises dans l'intérieur de l'Europe, et que l'Empire serait soulagé de cet excès de puissance qui la surcharge de deux côtés, et qui l'expose sans cesse à devenir le théâtre des guerres les plus terribles. Il me semble que dans ce nouvel état des choses la Porte Ottoman, la Russie, la Prusse et l'Autriche formeraient entr'elles un équilibre particulier, qui les tirerait en quelque sorte de la balance du pouvoir en Europe, au moyen de quoi la France pourroit sans effort et sans dépens tenir cette balance sur le continent, et réserver la plus grande partie de ses forces pour contrebalancer la puissance maritime de l'Angleterre.

Anhang I.

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Cette dernière remarque nous ramène à l'intérêt le plus essentiel de la France, qui est celui de sa marine et de son commerce. Lorsque le cri de la guerre commença sur le continent en 1756 le cri de la nation fut que cette guerre étoit le plus grand malheur qui pût arriver à la France. Je n'examinerai point, si un auteur Anglois a [fol. 279r] eu raison de dire, que la France a joué son jeu en entraînant l'Angleterre à une guerre sur le continent, et que cette dernier puissance a pris le change en s'y laissant entraîner. Cette dernière assertion me paroît au moins téméraire, sur tout, si l'on compare la manière dont l'Angleterre et la France ont fait la guerre en Allemagne et si l'on considéra que nous avons fait de cette guerre notre affaire capitale. Mais je crois pouvoir nier ce qu'avance cet auteur, que la France ne fera aucune augmentation dans la marine que l'Angleterre ne puisse faire une augmentation égale, et qu'ainsi celle-ci conservera toujours sa supériorité par ce principe que, si à deux grandeurs inégales vous ajoutez des quantités égales. J'observai d'abord qu'en admettant ce principe, et en accordant à l'Angleterre la possibilité des augmentations dont parle l'auteur des Considérations^, la puissance maritime de la France sera à la vérité toujours inférieure à celle de l'Angleterre, mais ne le sera pas dans la même proportion. Car c'est un autre principe, que, si, à deux grandeurs inégales dans une certaine proportion, vous ajoutez deux quantités égales, elles resteront inégales, mais dans une autre proportion. Je suppose, que la France ait actuellement [fol. 279v] 50 vaisseaux de ligne et l'Angleterre en ait 150.2 La France n'a qu'un tiers des forces d'Angleterre. Mais si la France et l'Angleterre font construire chacun 50 vaisseaux, la France en aura 100 contre 200 qu'aura l'Angleterre, et par conséquent elle aura la moitié des forces de son rival au lieu du tiers qu'elle a actuellement. Ainsi pour que la proportion subsistât, il faudra que l'Angleterre fit construire et équipât 150 vaisseaux, lorsque la France en feroit construire et en équiperoit 50. Je doute que l'auteur anglois osât assurer la possibilité d'une pareille augmentation. Or je dis, que dans le cas présent c'est à la proportion beaucoup plus qu'à la quantité de l'inégalité qu'il faut avoir égard: I o parce qu'il est possible, et que l'on peut assurer qu'avec un moindre nombre des vaisseaux, la France se mettra en état de ne pas recevoir la loi de l'Angleterre. 2° parce qu'il ne s'agit pas de faire passer la supériorité maritime du côté de la France, mais de la mettre en état d'avoir des alliés sur mer, ou au moins de déconcerter les entreprises de l'Angleterre. 3° parce que vû la position de physique et politique des deux puissances, l'Angleterre a beaucoup plus à défendre qu'a la France et doit entretenir quatre escadres lorsque la France peut n'en avoir que deux. Je suppose toujours la possibilité des augmentations [fol. 280 r ] égale, car pour celle des augmentations proportionelles il est inutile de la combattre. Mais si je nie encore la première de ces possibilités, je crois, que j'aurai pour moi tous ceux qui savent combien nous sommes au dessous de ce que nous pourrions être sur mer, et combien peu il s'en faut que la puissance maritime de l'Angleterre ne soit à son plus haut point, combien il est différent de construire 50 vaisseaux de plus, ou d'équiper et de mettre en mer 50 vaisseaux de plus. Tout ce raisonnement qui paroît déplacé ici ne l'est pourtant point puisqu'il tend à prouver: I o que nous ne devons pas déespérer de rétablir l'égalité entre nos forces maritimes et celles de l'Angleterre. 2° que nous devons régler notre système politique du côté du continent de manière que nous ne puissions être forcés à employer nos principales forces dans une guerre de terre ou même à la faire malgré nous.

1 1

Hervorhebung im Text. Du Btiats Vermutung trifft zu. Nach den zahlreichen Niederlage gegen die überlegene englische Flotte war der Bestand französischer Kriegsschiffe zu Beginn der 1760er Jahre auf den Stand von 1749 zurückgefallen. Damals standen derfranzösischen Marine 30 Linienschiffe und 20 Fregatten zur Verfügung, siehe: Bérenger, Meyer, La France dans le monde, S. 281-282.

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4. Du Buat

3° que dans l'espérance de parvenir à l'égalité nous devons avoir principalement en vue de nous mettre dans une telle posture, qu'avec un nombre inégal de vaisseaux notre marine puisse faire le même effet que la marine anglaise. Pour y parvenir il paroit essentiel de diminuer notre ligne de défense et d'augmenter celle de l'ennemie, [fol. 280v] Je compte pour rien dans cette ligne de défense toutes les côtes de notre continent en Europe, parce qu'il a toujours été vrai, et qu'il sera toujours vrai, que l'Angleterre, en attaquant nos côtes, casse des vitres avec des guiñees? Oserai-je le dire? Dans l'alternative fâcheuse de démolir Dunkerque et de restituer Ostende et Nieuport, ou de renoncer à tout le Canada je n'hésiterois point à faire ce dernier sacrifice. On sait ce qu'il en a coûté au Roi pour soutenir cette colonie en tems de paix et de la défendre en tems de guerre. Cette dépense et la difficulté qu'il y a eu à la faire utilement augmenteront encore après la restitution si elle a lieu. L'Angleterre ne nous rendra point ce qu'elle appelle la NouvelleEcosse, et on a dit et prouvé que sans cette restitution il est impossible de défendre la Canada. Louisbourg est démoli et vraisemblablement ne pourra être réparé. Or, sans cet entrepôt comment faire passer du secours au Canada? Ce sera donc plus que jamais une possession précaire et que la marine la plus puissante ne nous mettra peut-être pas en état de conserver en tems de guerre. Mais comment renoncer à une possession aussi importante, à une des principales branches de notre [fol. 281r] commerce, et qui forme un grand nombre de matelots? Je réponds à cela qu'il ne s'agit pas de comparer la perte actuelle que nous faisons en renonçant au Canada avec l'utilité actuelle, dont nous feroient le rétablissement de Dunkerque et l'acquisition d'Ostende et de Nieuport. Il faut prévoir l'avenir et songer de bonne heure à nous le rendre favorable. En conservant Dunkerque rétabli, et en gardant Ostende et Nieuport, nous étendons la ligne de défense de notre ennemi, puisque nous menaçons sa communication avec le Nord, la basse Allemagne et la Hollande. Nous n'etendons point la nôtre par la raison que j'ai déjà dit. En renonçant au Canada nous resserrons pour ainsi dire notre ligne de défense, puisque nous nous épargnons la nécessité d'envoyer des flottes de ce côté là, et comme en envoyant une puissante escadre vers l'Amérique septentrionale nous forcerons l'Angleterre à nous en opposer une sur ses côtes dans cette partie de l'Amérique, et une autre à l'entrée du golfe de Mexique nous doublerons ses efforts et nous simplifierons les nôtres. Il est donc clair, que, si nous avons encore en vue de rétablir l'égalité entre nôtre puissance maritime et celle de l'Angleterre, l'abandon du Canada ne peut être mis en [fol. 28l v ] comparaison avec l'acquisition des trois ports de Flandre. Il ne reste qu'à savoir comment nous réparons cette perte. Elle peut-être envisagée de plusieurs côtés: I o du côté de l'emploi des matelots et des choses qui entrent dans la construction des vaisseaux. 2° du côté du commerce des pelleteries et du poil de castor. 3° du côté du grand nombre de sujets que le Roi a dans le Canada. 4° et enfin du côté de la pêche de la morue. Pour ce dernier point, il n'est d'aucune considération, puisque depuis le Traité d'Utrecht, et même dans tous les tems cette pêche a été précaire, et que pour la conserver en tems de guerre, il faut des vaisseaux et non de la terre. En tems de paix, notre condition sera la même qu'auparavant, on peut même le rendre meilleure en envoyant tous les ans une escadre au banc de Terre-Neuve. Ce seroit une occasion d'exercer une partie de matelots que le commerce du Canada n'occupera plus. En tems de guerre, il vaudrait autant livrer une bataille navale pour la pêche de la morue que d'en livrer une sur terre pour des quartiers d'hiver. Je viens de proposer un moyen d'employer une [fol. 282 r ] partie des matelots auquel le commerce du Canada ne donnera plus d'occupation. Je reviendrai à cet article, qui, je l'avoue, est très intéressant, puisque la navigation marchande est par rapport aux forces maritimes ce qu'est l'agriculture par rapport aux forces de terre. Quant aux matières qui entrent dans la construction des vaisseaux, je n'ai jamais entendu dire, que nous en eussions tiré du Canada, et je sais qu'il ne fournit que de très mauvais bois de construction. 3

Hervorhebung im Text.

Anhang I.

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Mais en seroit-il de même des bois de la Louisiana? Les vaisseaux espagnols construits aux rades sont les meilleurs qu'il y ait dans le monde par la qualité du bois. La Louisiane ne fourniroit-elle pas du bois de la même espèce, ou d'une espèce au moins égale à celle qu'en trouve en Europe? Je viens d'indiquer comment on pourroit réparer la perte du Canada. Ce seroit en donnant à la Louisiane toute la valeur dont elle est susceptible. Sans parler des autres productions qu'on en pourroit tirer, je me borne aux plantations de tabac qui y réussissent aussi bien qu'à la Virginie. Nous payons actuellement, si je me ne trompe, cinq millions à l'Angleterre pour le tabac en feuille qu'elle nous fournit. Si nous prenions le parti de nous [fol. 282 v ] passer d'elle nous ferions réellement sur elle une conquête de cinq millions. Je doute que le commerce du Canada lui rende jamais ou nous ait jamais rendu autant. Il est vrai que dans le commencemens le tabac de la Louisiane pourroit coûter un sol de plus par livre que celui qu'on achète en Angleterre. Mais j'aimerais autant que par une raison semblable on proposât de substituer dans les greniers des fermes le sel de Portugal à celui de Bretagne. Le seul article que je viens d'indiquer peut devenir l'équivalent de presque toutes les pertes qu'entraineroit l'abandon du Canada. Que seroit-ce si je pouvois détailler tous les autres avantages que nous procueroit le Louisiane si elle étoit mise dans toute sa valeur? Ne pourrionsnous pas même recouvrer par là le commerce des pelleteries et du castor? Ne pourrions-nous pas l'étendre par les rivières qui se jettent dans le Mississippi par la rive occidentale? Au-moins, pourroit-on consulter la-dessus ceux qui connoissent mieux que moi cette immense contrée. Quant aux sujets que le Roi perdoit en abandonnant le Canada, j'ose avancer que cette perte diminueroit de beaucoup pour peu que l'on voulût attirer dans la Louisiane les habitans du Canada. Après ce [fol. 283r] que je viens de dire on ne me demandera plus comment il seroit possible d'employer le même nombre de matelots que le commerce du Canada occupoit avant la guerre. Mais la plus grande objection, que l'on feroit peut-être contre l'opinion que j'avance, seroit de dire, que les Anglois, maîtres du Canada et des côtes orientales de l'Amérique seroient de dangereux voisins pour la Louisiane. J'en conviens, mais j'ose assûrer qu'ils seroient moins à craindre pour cette colonie qu'ils ne l'ont été pour le Canada. La raison en est, qu'ils menaçeroient le Canada du côté de terre et de beaucoup plus près que la Louisiane, et du côté de mer, c'est-à-dire, du côté de sa communicatoin unique et nécessaire. Il n'y a de ressemblances à cet égard entre le Canada et la Louisiane, qu'en ce qu'ils pourroient aussi attaquer celle-ci du côté de terre. Mais l'éloignement de leurs colonies au centre de la Louisiane est si grand que pour peu que celle-ci fut défendue, il leur seroit impossible d'y faire aucune conquête. Ajoutons, que, la Louisiane étant situé entre la Floride et le Mexique, toute entreprise que les Anglois tenteroient sur cette colonie nous donnerait un allié nécessaire. Du côté de la mer, la Louisiane n'est accessible que par l'embouchure du Mississippi. Toute la côte des deux [fol. 283T] côtes n'est qu'un désert de sable jusqu'à 30 lieux dans les terres. Les Anglais n'ont aucun établissement sur cette côte. Voilà des différences palpables, et qui devroient faire espérer la défensive le plus heureuse, si jamais la Louisiane se trouvoit dans l'état où elle devroit être. Ajoutons une dernière considération. Nos deux meilleures colonies à l'entrée du golfe de Mexique sont S. Domingue et la Martinique. Ce seroient deux entrepôts pour les flottes que nous enverrions à l'embouchure du Missisipi, et pour toutes les munitions et provisions dont la Louisiane pouvoit avoir besoin en tems de guerre. Une seule flotte suffiroit pour protéger nos îles et notre continent dans l'Amerique. Ce seroit donc encore un moyen de resserrer notre ligne de défense et de nous mettre en état de faire avec une marine moins nombreuse autant que l'Angleterre pourroit faire avec de plus grandes forces. Or tout ce qui peut nous conduire à ce but mérite, ce me semble, de notre part la plus grande attention. Lorsque nous y serons parvenus, il n'y aura pas loin de là une supériorité, qui pourra nous rendre tout ce que nous aurons sacrifié au rétablissement de la paix, et [fol. 284 r ] peut-être avec quelque avantage sur tout si nous cherchons à rapprocher nous possessions, et si dans nos projets sur l'Amérique nous préférons les conquêtes, qui seront à notre portée, quoique moins étendus, à celle qui nous obligeroient à diviser nos forces sans augmenter davantage nos richesses.

374

Anhang II.

Anhang II. Verzeichnis der französischen Diplomaten in Deutschland

AIGREMONT, Geoffrey-Louis de Maret, Chevalier d' (31. Oktober 1720—f nach 1779), ministre plénipotentiaire im Kurfürstentum Trier Januar 1757 bis November 1774. Mit neun Jahren trat Aigremont dem 1. Musketierregiment (10. Mai 1729) bei. Damit begann der langsame Aufstieg in der militärischen Hierarchie: im Mai 1743 Kommandeur einer Kavalleriekompagnie; Ritter vom Orden Saint-Louis, dann 1755 zum ministre plénipotentiaire in Trier ernannt. Seit 1766 auch Ministre beim Landgrafen von Hessen-Kassel (bis 1773). Erhält in Trier ein Gehalt von 15 000 Lt., sowie 3000 l.t. für Möbel. Gratifikation von 4 000 l.t. 1768, 1770 Erhöhung auf 25 000 l.t. dann 30 000. 1771 eine weitere Gratifikation in Höhe von 10 000 l.t. Erhält 1779 eine „pension de retraite" in Höhe von 8 000 l.t. Quellen: AAE Personnel 1, fol. 272; AAE CP Trêves 22, fol. 58 v -59 r (Selbstdarstellung). Lit.: Recueil des instructions: Trêves, S. 189.

ALESME, Gabriel d' (t 1767), aus der Gascogne, ministre plénipotentiaire in der Kurpfalz, Oktober 1762 bis Januar 1763. Seine Abberufung erfolgt nach der im Dezember 1762 erfolgten Ernennung zum Gouverneur der Insel Oléron. Quellen: AAE CP Palatinat-Deux-Ponts 88, fol. 167-170; CP Palatinat-Deux-Ponts 91, fol 376; Lettre de récréance, CP Palatinat-Deux-Ponts 91, fol. 7-8. Lit.: Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 490-502; DBF 1, Sp. 1440-1442. AUBETERRE,

Joseph-Henri Bouchard d'Esparbès de Lussan, marquis d' (24. Januar 1714, St. Martin de la Coudre [Saintonge]-28. August 1788, Paris). Ministre plénipoteniaire am Kaiserhof in Wien, November 1753 bis August 1756. Nach einer Karriere als Soldat (Eintritt am 30. Juni 1730 bei den „mousquetaires du Roi", in der 1. Kompagnie) und der Teilnahme an den Feldzügen des Österreichischen Erbfolgekrieges (als Kommandeur eine Kavalleriekompagnie im Regiment Peyre Einsätze im Alten Reich und in Italien 1744), Colonel des Infanterieregiments Provence, maréchal de camp 1. Januar 1748, wechselt Aubeterre in den diplomatischen Dienst. Wien ist seine erste Station, es folgen Missionen als ambassadeur extraordinaire in Madrid 1757-1760 und als ambassadeur in Rom 1763-1769. Lieutenant général 1758, Conseiller d'État d'épée 21. Februar 1767, commandant en chef en Bretagne 1775-1784, maréchal de France 13. August 1783. Am 8. Juli 1779 erhielt er ein „Brevet de pension" für sich und seine Familie über 10 000 l.t. Verheiratet seit dem 4. Juli 1738 mit Marie-Françoise Bouchard d'Esparbès de Lussan d'Aubeterre (seine Kusine). Quellen: AAE Personnel 3, fol. 102 Γ -138\ fol. 125r. Lit.: DBF A (1968), Sp. 127-130; Michaud, Biographie universelle, Bd. 2, S. 383; Recueil des instructions: Rome, S. 433, Anm. 1; Recueil des instructions: Espagne, S. 79, Anm. 2. BAUSSET, Matthieu Nicolas (?- St. Petersburg 28. April 1767), ministre plénipotentiaire im Kurfürstentum Köln, von August 1760 bis Februar 1763. Lit.: Recueil des instructions: Cologne, S. 282, 285; Samoyault, Les Bureaux, S. 152, 173.

Kurzbiographien der Diplomaten BEAUVAL, d e ( 7 - 1 7 7 6 ) , envoyé

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i m H e r z o g t u m Z w e i b r ü c k e n , 1758.

Lit.: Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 547. BÉRENGER, Laurent (?-?), chargé d'affaires in Preußen, Juni 1762 bis November 1764. Lit: Samoyault, Les Bureaux, S. 58, 312. BOSCH (Boch) (?-?), chargé d'affaires in Hamburg Mai bis November 1763. In Hamburg nach Schiffspassage von Amsterdam eingetroffen am 22. Mai 1763. Quellen: AAE CP Hambourg 87, fol. 53 r -58 r (Instruktion); ibid. fol. 105r"v, 109r-110v (über seinen Empfang in Hamburg). BOYER DE FONSCOLOMBE, J o s e p h - R o c h ( 1 7 2 0 - 1 7 9 9 ) , chargé

d'affaires

a m K a i s e r h o f in W i e n ,

November 1758 bis Juni 1759. Boyer begann seine diplomatische Karriere als Gesandtschaftssekretär des Marquis des Issarts in Sachsen (1752-1753) und folgte ihm dann nach Turin (1754). Nach Paris zurückgekehrt ernannte ihn Choiseul auf Empfehlung des Herzogs von Noailles zu seinen Sekretär. Boyer begleitete Choiseul nach Rom und Wien, wurde dank Choiseuls Unterstützung ministre plénipotentiaire in Lüttich und später envoyé extraordinaire in Genua (1762-1768). Boyer erhielt als chargé d'affaires in Wien 1200 lt monatlich („argent de France") und zwar rückwirkend vom 1. November 1758, „Les deux derniers mois de l'année seront payés par M. de Montmartel, et à compter du 1er janvier 1759 ils les seront par M. de La Borde, secrétaire du Roi, rue neuve du petit champs, qui a remplacé M. de Montmartel dans la fonction du banquier de la cour". Quellen: AAE Personnel, 11, fol. 184r. Kopie, Choiseul an Boyer, Versailles 4. Februar 1759. Lit.: DBF 7 (1958), Sp. 113; Recueil des Instructions: Liège, S. 280-281; Butler, Choiseul, S. 1047-1049. BRETEUIL, Louis Charles Auguste Le Tonnelier Baron de Preuilly, Baron de (Azay-le-Féron 7. März 1730-Paris 2. November 1807) ministre plénitpotentiaire im Kurfürstentum Köln, August 1758-Dezember 1759. Breteuil war der Großneffe eines Kriegsministers Ludwigs XIV. und Enkel des Introducteurs des ambassadeurs des Sonnenkönigs. Damit war sein Weg vorgezeichnet: Nach wenigen Jahren in der Armee (guidon des gendarmes d'Orléans 1749, colonel de cavalerie 1759) verschrieb sich Breteuil dauerhaft der Diplomatie. Den Ausbruch des Siebenjährigen Krieges erlebte er als Augenzeuge in Sachsen.1 Köln war seine erste Station. Es folgten Missionen nach St.Petersburg (1760), Stockholm (1763-1767), Holland (1767-1769), als Botschafter Wien (1770-1771, 1773-1783) und Neapel (1771-1774). Er genoß das Vertrauen Ludwig XV., der ihn am 26. Februar 1760 in den secret du roi einweihte. Breteuil blieb bis 1774 einer der Hauptagenten der Geheimpolitik des Königs. Nach dem Ende seiner Wiener Mission ernannte ihn Ludwig XVI. zum ministre d'État und betraute ihn mit der Leitung des Maison du roi. Nach Konflikten mit Brienne trat er 1788 zurück, wurde jedoch vom König am 11. Juli 1789 wieder zurückgeholt und mit der Finanzen betraut. Die Revolution konnte der loyale Diener des Königs nicht verhindern. Breteuil ging ins Schweizer Exil, später nach Hamburg, und kehrte 1802 nach Frankreich zurück. Als Gesandter in Köln wurden im 24 000 l.t. Gehalt, 8 000 l.t. für Möbel sowie 10 000 l.t. gratification extraordinaire angewiesen. Das Gehalt wurde zum 1. Januar 1759 aufgestockt auf 30 000 l.t. In Petersburg erhielt er ein Jahresgehalt von 50 000 l.t. Quellen: AAE Personnel 11, 84 Aktenstücke 1760-1786. Lit.: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 789; Hartmann, Steuersystem, S. 67-68; DBF 7, Sp. 239; Recueil des instructions: Cologne, S. 273, Anm. 1; Broglie,

1

AAE CP Cologne 96, fol. 43 r -46 v , Breteuil an Bernis, 19 September 1758, fol. 45 v .

376

Anhang II.

Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. 72, Anm. 3 und passim; Maurepas, Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 273-279; Price, The Fall of the French Monarchy. BROGUE, Charles François comte de (1719-Saint-Jean d'Angély 1781) Ambassadeur in SachsenPolen (August 1752-Dezember 1756, 1757-1758). Broglie trat 1734 in die Armee ein und nahm an Feldzügen des Polnischen Thronfolgekrieges in Italien und des Österreichischen Erbfolgekrieges teil, bevor er im Rang eines Botschafters an den sächsisch-polnischen Hof gesandt wurde (1752-1755). Nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges kehrte er, zum maréchal de camp befördert, zurück in den Militärdienst und nahm bis 1762 an Feldzügen in Deutschland teil. Seit 1760 lieutenant-général, fiel er 1762 in Ungnade, kehrte jedoch 1764 wieder an den Hof zurück. 1770 wurde er zum gouverneur von Saumur ernannt, 1774 zum commandant en second des Trois-Êvêchés (d. h. Metz, Toul und Verdun) und kurz vor seinem Tode zum commandant en chef der Franche-Comté. Schon 1752 wurde er in den secret du roi initiiert, dessen Leitung er übernahm, nachdem der Prince de Conti in Ungnade gefallen war. Obwohl er ihn zweimal vom Hof verbannte, hielt Ludwig XV. an Broglie als außenpolitischen Berater bis zu seinem Lebensende fest. Quellen: Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, bes. S. VII-IX. Lit.: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 791. de Pouilly de Vandières, Gérard Lévesque Claude de, Sieur de Verneuil (Reims 12. September 1694—Verneuil-sur-Coucy [Aisne] 9. Januar 1778) ministre in Hamburg und am Niedersächsischen Reichskreis Juli 1750-November 1758. Champeaux, der in seiner Jugend mit dem Marquis d'Argenson verkehrte und als „Journalist" arbeite (Herausgabe der Zeitschrift L'Europe savante, bis 1720), trat 1726 in den „auswärtigen Dienst" ein und wurde im selben Jahr Konsul in Cadiz. Zum chargé d'affaires commerciales in Madrid ernannt (1739) mußte er Spanien noch im selben Jahr nach einem Konflikt mit dem spanischen Marineministerium verlassen. Vom Februar 1739 bis zum November 1749 war er résident in Genf, von wo er mehrfach geheime Missionen unternahm. Anfang 1750 erfolgte die Nominierung zum Gesandten am Niedersächsischen Reichskreis mit Sitz in Hamburg. Nach seiner Abberufung blieb er noch bis 1761 bevor er sich auf seinen Landsitz Verneuil-sur-Coucy zurückzog. Als Rente wurden ihm per brevet vom 14. Okotber 1761 4 000 livres zugewiesen. Quellen: AAE Personnel 15, fol. 282-314. Lit.: DBF 8, Sp. 315-316, Mezin, Les Consuls de France, S. 407-408. CHAMPEAUX

de Verneuil, Marc (Cadix 9. Oktober 1729), résident in Hamburg und am Niedersächsischen Reichskreis Juni 1758 bis 1761. Nach einer Offizierslaufbahn (lieutenant-colonel im Regiment Belzunce-Dragons) begleitete Champeaux seinen Vater nach Hamburg und wurde schließlich sein Nachfolger. Lit.: DBF 8, Sp. 315-316, Mezin, Les Consuls de France, S. 407, Anm. 2. CHAMPEAUX

Florentin Louis (20. November 1727-13. Dezember 1793) ministre plénipotentiaire, später ambassadeur am Kaiserhof in Wien Juli 1761-Juni 1766. Sohn der Marquise de Châtelet, nahm als Colonel im Regiment Quercy und später im Regiment Navarra an den Feldzügen des Jahres 1757 teil, wurde in der Schlacht bei Hastenbeck verwundet und 1761 zum maréchal de camp befördert. Seine diplomatische Laufbahn verdankte er Choiseul, der ihn als Nachfolger Praslins aussuchte und ihn 1768 zum Botschafter am englischen Hof ernannte. Als Choiseul in Ungnade fiel, unterstützte ihn Châtelet offen. Châtelet war auch der Testamentsvollstrecker Choiseuls. Vertreter seines Standes bei den Generalständen und in der Nationalversammlung, wurde er ein Opfer der Terreur: Er starb im Dezember 1793 unter der Guillotine. CHÂTELET-LOMONT,

Kurzbiographien der Diplomaten

377

Quellen: Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, 435-458. Lit.: DBF 11 (1965/1966), Sp. 1197-1199; Hartmann, Steuersystem, S. 156; Seebacher, Autour de „Figaro", S. 205-206, Anm. 4. CHOISEUL, Étienne François, comte de Stainville, duc de (Lunéville 28. Juni 1719-8. Mai 1785) ambassadeur am Kaiserhof in Wien, August 1757-November 1758. Aus Lothringen stammend trat Choiseul, nach Studienjahren am Collège Louis-le-Grand 1730, dank Vermittlung von Kardinal Fleury in das Regiment Royal Allemand der französischen Armee ein. Damit begann eine Karriere als Offizier und die Teilnahme am Polnischen Thronfolgeund am Österreichischen Erbfolgekrieg. 1748 erlangte Choiseul den Rang eines maréchal de camp. Nachdem er 1752 die Marquise de Pompadour über eine Konkurrentin um die Gunst des Königs informiert hatte, protegierte sie ihn fortan. Ihr verdankt er seine weitere Karriere: Botschafter in Rom (1753-1757), in Wien, Staatssekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten 3. Dezember 1758 (bis 1761 und 10. April 1766-24. Dezember 1770), Staatsminister am 10. Dezember 1758, Staatssekretär für das Kriegeswesen 1761, Staatssekretär für Marineangelegenheiten vom 13. Oktober 1761 bis zum 10. April 1766. In Ungnade gefallen am 24. Dezember 1770. Choiseul, neben Fleury zweifellos einer der bedeutendsten und faszinierendsten Politiker Frankreichs im 18. Jahrhundert, fiel die Aufgabe zu, die französisch-österreichische Allianz zu stabilisieren, die französische Außenpolitik auch über 1763 hinaus neu zu positionieren und darüber hinaus auf eine weitere Auseinandersetzung mit England vorzubereiten. Innenpolitisch stand der gebürtige Lothringer dem Gedankengut der Aufklärung nahe und sympathisierte mit den Parlamenten. Konnte er die Auflösung des Jesuitenordens beim zögernden König noch durchsetzen, scheiterte er 1770 an Ludwig XV., der nicht bereit war, dem Land einen weiteren Waffengang wegen der Falkland-Inseln zuzumuten. Der Ungnade folgte die Verbannung auf einen edlen Landsitz unweit von Amboise (Chanteloup), wo er vergeblich auf die Rückkehr in Regierungsämter hoffte. Seine im Exil verfaßten Erinnerungen sind eher autobiographische Fragmente. Quellen: BN Fonds français 7134-7137: Kopien der Korrespondenz Choiseuls mit Bernis; Choiseul, Mémoires, ed. Calmettes; Choiseul, Mémoires, ed. Guicciardi, Bonnet. Lit: Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 69-70; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 836-837; DBF, Bd. 8, Sp. 1219-122; Maurepas·, Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 155-163; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 166-178, Chaussinand-Nogaret, Choiseul; Butler, Choiseul. COURTEN, Maurice comte de (1692-1766) envoyé am Kaiserhof in Wien August-Oktober 1757. Der Offizier (lieutenant général am 1. Januar 1748, Träger des Croix St-Louis, Kommandeur des régiments des Valais der Schweizer Garden) Courten hatte bereits 1741 als Mitglied der Gesandtschaft des Herzogs von Belle-Isle Erfahrungen auf diplomatischem Parkett sammeln können. Von Karl VII. zum 1742 zum Reichsgrafen und kaiserlichen Kammerherrn ernannt, nahm er am böhmischen Feldzug von Belle-Isle 1741 teil. Ursprünglich sollte er als Berater zur österreichischen Armee in Böhmen stoßen, doch entschied man sich dagegen, da man Reibereien zwischen ihn und der österreichischen Generalität befürchtete2. Quellen: AAE CP Autriche 259 (Berichte Courtens aus Wien); Khevenhüller-Metsch, Tagebuch 1757, S. 110, 118. Lit.: DBF 9 (1960/1961), Sp. 1015-1016; Vaudrez, La Mission du comte Maurice de Courten.

2

AAE CP Autriche 259, fol. 39'", Choiseul an Paulmy, 24. August 1757.

378

Anhang II

Du BuAT-NANÇAY, Louis-Gabriel, chevalier, später comte (Tortisambert [Calvados] 1732-Salbris [Loir-et-Cher] 17. September 1787), ministre plénipotentiaire Dezember 1756-Juni 1757, chargé de la correspondance im Kurfürstentum Bayern, ministre am Reichstag April 1763-Januar 1772. Du Buat, Schüler des berühmten Militärtheoretikers Chevalier de Folard, gelangte dank dessen Hilfe in den diplomatischen Dienst. Seine erste Mission führte ihn als Angehörigen der Reichstagsgesandtschaft 1749 nach Deutschland. Den Siebenjährigen Krieg verbrachte Du Buat in München, wo er nicht nur Mitglied der neubegründeten Akademie der Wissenschaften, sondern auch deren historische Abteilung leitete. Parallel zu seiner Gesandtentätigkeit publizierte Du Buat zahlreiche historisch-politische Werke. Seine diplomatische Karriere blieb auf Deutschland beschränkt: auf die Station Regensburg folgten drei Jahre am Hofe des Kurfürsten von Sachsen. Buat zog sich 1775 vom Dienst zurück auf sein Gut Nançay (bei Vierzon). Am Reichstag erhielt er 30 000 livres jährlich, 8 000 livres für sein „ammeublement", sowie eine Gratifikation von 10 000. Er war zweimal verheiratet: in erster Ehe mit der deutschen Marie-Thérèse von Cross, in zweiter Ehe mit Louise Le Cordier Bigars de La Londe. Quellen: a) Werke : Les Origines ou l'ancien gouvernement de la France, de l'Allemagne, de l'Italie, 4 Bde., Paris 1757; Origines Boicae domus, 1764; Histoire ancienne des peuples de l'Europe, 12 Bde., 1772; Éléments de la politique, 6 Bde., 1773; Les Maximes du gouvernement monarchique, 4 Bde., 1778; Remarques d'un Français ou examen impartial du livre de M. Necker sur l'administration des finances de France, 1785. b) AAE Personnel 13, fol. 17r; AAE CP Allemagne 624, Dank Buats an Choiseul für seine Berufung nach Regensburg, fol. 11-12, München 29. Januar 1763. Lit.: DBF 11, Sp. 1098; De Laage de Meux, Un gentilhomme normand, Paris 1902; Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 378-381; 390, Anm. 4; Kraus, Die historische Forschung, S. 19-26. Du PRAT, Louis François Baton, Abbé (?-?), chargé de correspondance im Kurfürstentum Köln, Januar bis Mai 1759 und Dezember 1759 bis Juli 1760. Quellen: AAE Personnel 26. Lit.: Recueil des instructions: Cologne, S. 285. ESTRÉES, Louis Charles Le Tellier, marquis de Courtanvaux, duc d' (2. Juli 1695-2. Januar 1771), ministre plénipotentiaire am Kaiserhof in Wien November 1756-März 1757. Der Enkel von Louvois wurde von Kindesbeinen an für den Militärdienst bestimmt, bereits mit zwei Jahren erannte man ihn zum Ritter des Malteserordens. Es folgte der langsame Aufstieg in der Hierarchie der Armee (Mestre de camp-lieutenant im Regiment Royal-RoussillonCavalerie, 22. März 1718; Capitaine-Colonel bei den Cent-Suisses 19. April 1722; brigadier 20. Februar 1734; maréchal de camp 1. März 1738 und inspecteur général de la cavalerie; Ritter des Ordens Saint-Esprit 1. Januar 1746; Gouverneur des Aunis und von La Rochelle 1747; Commandant sur le côtes de la Normandie·, Gouverneur von Le Havre 31. Dezember 1755) und die Teilnahme an den Kriegen des 18. Jahrhunderts. Kurz nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges an den Wiener Hof zur Behandlung von Fragen der militärischen Zusammenarbeit geschickt, wurde er nach seiner Rückkehr zum maréchal de France ernannt (24. Februar 1757) und übernahm das Kommando der in Norden des Reiches operierenden Armee. Trotz seiner Anfangserfolge gegen die Engländer (Sieg bei Hastenbeck), mußte Estrées sein Kommando aufgrund von Konflikten mit den mächtigen Pâris abgeben. Ludwig XV. hielt viel von dem erfahrenen Militär und machte ihn am 2. Juni 1758 zum Staatsminister. Nach Ende des Krieges wurde er zum Gouverneur der trois évéchés (Metz, Toul, Verdun) ernannt.

Kurzbiographien der Diplomaten

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Lit.: DBF 13, Sp. 158-159; Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 98. FOLARD, Hubert de (Avignon 27. Juni 1709-Avignon 1799[?]) envoyé extraordinaire im Kurfürstentum Bayern Juni 1755 bis August 1776. Über den Werdegang Folards - außer das er der Neffe des gleichnamigen Militärtheoretikers war, ist wenig bekannt. Nach ersten Erfahrungen als Angehöriger der französischen Gesandtschaft beim Frankfurter Wahltag 1741 wurde er 1742 zum französischen Gesandten beim fränkischen Kreis ernannt. Nach dem Frieden von Aachen befördert zum Envoyé extraordinaire am Reichstag blieb er dort bis 1755 und ging dann mit demselben Rang an den bayerischen Hof. Dort residierte er, mittlerweile mit einer bayerischen Adligen (Marie-Agnes von Mantica) verheiratet mit Unterbrechungen bis 1776. Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst kehrte er zurück nach Avignon, wo sich seine Spuren um 1799 verlieren. Quellen: AAE Personnel 31. Lit.: DBF 14, Sp. 227-228; Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 315; Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 335-336. GÉRARD, Conrad Alexandre (Masevaux [Haut-Rhin] 12. Dezember 1729-Paris 16. April 1790), secrétaire de légation seit 1753 beim Kurfürsten von der Pfalz, dort chargé d'affaires Januar bis Mai 1759. Chargé d'affaires am Kaiserhof in Wien Juni 1761. Doktor der Rechte, trat Gérard 1749 in den diplomatischen Dienst ein und wurde dank seiner Deutschkenntnisse mit nach Mannheim geschickt. Nach einem Intermezzo an der École militaire ging er, protegiert von Choiseul, in derselben Funktion nach Wien. Hier blieb er bis 1766. Zurück in Paris wurde er premier commis unter Vergennes (mit dem Titel eines secrétaire du Conseil d'État) bis er 1778 erster Repräsentant Frankreichs bei den Vereinigten Staaten von Amerika wurde, von wo er 1780 zurückkehrte und aus dem diplomatischen Dienst ausschied. 1780 bis 1789 hatte er das Amt des préteur royal in Straßburg inne. Quellen: AAE Personnel 34, fol. 412-465; Meng, J. (Hg.), Despatches and Instructions of C. Α. Gérard 1778-1780. Correspondence with the Comte de Vergennes, 1939. Lit.: DBF 15, Sp. 1211-1212; Sitzmann, Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l'Alsace, Bd. 1, 586-588; Krebs, Gérard; Samoyault, Les Bureaux, S. 288-289. GUÉBRIAND, Jean Bonaventura II Le Lay de, Abbé de (1705-1768), ministre plénipotentiaire im Kurfürstentum Köln, 1747 bis Januar 1756. Guébriand stammte aus einer in der Bretagne ansässigen Familie, begann als conseiller an der chambre des requêtes des Parlements von Paris (26. August 1728), deren Präsidium er am 2. September 1734 übernahm. Über seinen Werdegang nach der Rückkehr aus vom kurkölnischen Hof liegen keine Informationen vor. Lit.: Recueil des instructions: Cologne, S. 209. HENNIN, Pierre Michel (Magny-en-Vexin [Val d'Oise] 30. August 1728-Paris 5. Juli 1807), chargé d'affaires in Sachsen Januar bis März 1757. Sohn eines Advokaten am Parlement von Paris trat Hennin 1749 als Mitarbeiter in die bureaux des Staatssekretariats ein, wo er als commis unter Bussy arbeitete. Er begleitete den Grafen Broglie als Sekretär an den polnisch-sächsischen Hof, den er 1757 verlassen mußte. Hennin unternahm eine längere Reise, die ihn durch die Niederlande, Schweiz und Italien führte. 1759 ging er erneut als Gesandtschaftssekretär nach Polen, wo er 1763-1764 auch die Funktion eines résident ausübte. Seit 1760 war er in den secret du roi eingeweiht. Nachdem er 1765 bis 1778 als résident Frankreichs Belange in der Schweiz vertreten hatte, wurde Hennin Gérards Nachfolger als premier commis. Er zog sich am 1. April 1792 aus dem aktiven Dienst zurück. Hennin war assoziiertes Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres.

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Anhang II.

Quellen: AAE Personnel 28, fol. 243-309. Lit.: Samoyault, Les Bureaux, S. 291; Piccioni, Les Premiers commis, S. 250-254; Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, Bd. 1, S. 114, Anm. 6. HUMBURG (Straßburg 3. Juni 1733-?), Antoine-François-Armand, chargé d'affaires am Reichstag, März-Mai 1758, Oktober 1761, Januar-April, August 1763, Januar, September, Oktober 1764.

Nach einer Lehrzeit beim jurisconsulte pour le droit allemand Bischoff diente Humburg seit 1751 als secrétaire de la legation du Roy auprès la Diètte générale de l'Empire den Gesandten Folard, Le Maire und Mackau. Als secrétaire de legation erhielt er „2000 livres argent fort faisant 2500 livres tournois", später wurde sein Gehalt erhöht au 2 300 bzw. 4300. 1767 wird er zum Konsul in Malaga ernannt, wo er bis zum Dezember 1785 amtiert und aus Krankheitsgründen um seine Abberufung bittet. Seit 1786 lebte er wieder in Straßburg, wo er nach dem Jahr II (1793) verstorben ist. Quellen: AAE CP Allemagne 623, fol. 271r_v, Humburg an Choiseul, 24. April 1763, AAE Personnel 39, fol 134-145. Lit.: Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 384, Mezin, Les Consuls de France, S. 351-352. KEMPFER von Plobsheim, Johann Baptist (Straßburg 13. März 1712-Straßburg 1789), ministre plénipotentiaire im Kurfürstentum Mainz Dezember 1757 bis August 1766. Nach Jurastudium und Promotion in Straßburg diente Kempfer seit 1741 als commissaire des guerres, bevor er als Gesandter an den Hof des Mainzer Kurfürsten ging. Weitere Missionen führten ihn als französischen Vertreter zum Wahltag des Reiches nach Frankfurt (1764), zum Oberrheinischen und zum Westfälischen Reichskreis. 1766 verließ er Mainz und kehrte in seine Heimatstadt zurück. 1775 adelte Ludwig XV. Kempfer. Seit 1742 war Kempfer mit Anne Brunon Françoise, Baronin von Saulnais verheiratet. Quellen: Archives Nationales, Série M III, Titres nobiliaires, 445, Nr. 3: Adelsbrief; Hartmann, Steuersystem, S. 304-313 (Kempfers Denkschrift zum Mainzer Steuersystem). Lit.: Recueil des instructions: Mayence, S. 169, Sitzmann, Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l'Alsace, Bd. 2, S. 19-20. LAUGIER (?), chargé d'affaires im Kurfürstentum Köln, Februar 1760 bis Juli 1760 und Februar bis April 1763. Lit.: Recueil des instructions: Cologne, S. 285, 299. KERVERSIO de Kermalen, Yves Marie Lelay, comte de (?-?), ministre intérimaire im Kurfürstentum Köln Juli bis Dezember 1755. Kerversio vertrat den Abbé Guébriand, als dieser im Sommer 1755 nach Italien reiste. Quellen: AAE CP Cologne 91: Depeschen Kerversios. Lit. Recueil des instructions: Cologne, S. 251. LA TOUCHE, Charles Nicolas, Chevalier de (?-?), ministre plénipotentiaire in Preußen, Juli 1752 bis März 1759. La Touche, ein erfahrener Offizier, 1748 maréchal de camp, hatte erste Erfahrungen als Gesandter 1750 in Schweden sammeln können, bevor er als Nachfolger des verstorbenen Tyrconnel an den preußischen Hof ging. Nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen kehrte er in den Militärdienst zurück und nahm an den Kampagnen der Jahre 1756 und 1757 teil. Eine erneute diplomatische Mission führte ihn zum Fränkischen Reichskreis. Im Dezember 1759 wurde er zum General-Leutnant befördert. Seine Berufung nach Berlin verdankt er dem Prinzen Conti, dem Leiter des secret du roi.

Kurzbiographien der Diplomaten

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Lit.: Recueil des instructions: Prusse, S. 425; Woodbridge, Revolt in Prevolutionary France, S. 28. LE MAIRE, Mathurin Rodolphe, Abbé (?-?), ministre am Reichstag, Juni 1754 bis Januar 1757. Le Maire diente lange Jahre in London und Kopenhagen als Sekretär des bekannten Gesandten Théodore Chevignard de Chavigny (1687-1771), dem Onkel des späteren Außenministers Vergennes. Von 1737 bis 1751 war er chargé d'affaires in Dänemark. Ihm wurden 1742 als Pfründe die Augustinerabtei von Saint-Ulmer in der Diözese Boulogne und 1750 die Augustinerabtei von Bénévent in der Diözese von Limoges übertragen. Nachdem er aufgrund seiner fortdauernden Zusammenarbeit mit dem preußischen Gesandten Plotho abgelöst worden war, diente er 1758 als Sekretär des Grafen von Clermont, der 1758 das Oberkommando der Rheinarmee übernahm. Lit.: Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 346-347, 350; Ebbecke, Frankreichs Politik gegenüber dem deutschen Reiche, S. 76-137. MACKAU, Louis-Eléonor, baron de (26. Mai 1727-18. Dezember 1767), ministré am Reichstag, Februar 1757-April 1763. Mackau entstammte einer im Elsaß ansässigen Familie, die im 16. Jahrhundert aus Irland eingewanderten war. Sein Vater leitete in Straßburg die Reitschule, erhielt das Bürgerrecht der Stadt und wurde von Leopold I. zum Baron ernannt. Ludwig XIV. bestätigte 1701 die Erhebung in den Adelsstand. Mackau wurde am 3. Januar 1748 conseiller am Straßburger Senat, trat 1755 in die Chambre des XVund zum Stettmeister berufen, ein Amt das auch während seiner Abwesenheit in Regensburg innehatte. Er erhielt für seine Tätigkeit in Regensburg 5000 l.t. pension sowie eine Gratifikation in Höhe von 10 000 it., hatte jedoch am Ende seiner Tätigkeit am Reichstag 20 000 l.t. Schulden.3 Lit.: Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 354—355; Sitzmann, Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l'Alsace, Bd. 2, S. 220-222. Denis, (?-?), ministre im Herzogtum Württemberg, April 1744 bis Januar 1756. Gesicherte Daten über Malbran liegen nicht vor. Es handelt sich wahrscheinlich um den Sohn des Reichstagsgesandten Malbran de la Noue (1737-1748). Lit.: Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 306-307.

MALBRAN DE LA NOUE,

MESNIL, Charles-Louis de Chastelier, marquis de (ca. 1700-nach 1762), chargé d'une commission extraordinaire im Kurfürstentum Bayern Juni bis Juli 1757. Mesnil begann als Soldat in den gardes du corps Regimentern und erklomm in den 1740er Jahren die oberen Ränge der Offizierslaufbahn: brigadier 1743, maréchal de camp 1745, lieutenant général 1748. Seine Mission an den bayerischen Hof war nicht die einzige während des Siebenjährigen Krieges, an dem er als aktiver Offizier teilnahm: Im November 1758 verhandelte er am Hof von Hessen-Darmstadt über die Stationierung französischer Truppen in der Landgrafschaft. Nach 1763 diente er als lieutenant général in der Dauphiné. Quellen: Recueil des instructions: Bavière, Palatinat, Deux-Ponts, S. 350-363. Lit.: Antoine, Louis XV, S. 796; Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 354-355; Schmid, Max III. Joseph, S. 310-312. MODÈNE, François Charles de Raymond de Mormoiron, comte de (Naxos, 20. April 1734-Bayreuth, 25. Januar 1799), ministre plénipotentiaire in Hamburg und am Niedersächsischen Reichskreis, November 1762 bis Oktober 1768. 3

AAE CP Allemagne 623, fol 135Γ_ν, Choiseul an Mackau, 29. Dezember 1762; ibid. fol. 258-259', Mackau an Praslin, 2. April 1763, fol. 258 v .

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Anhang II.

Als Sohn einer Griechin und des französischen Konsuls in Naxos trat der in Südfrankreich aufgewachsene Modène dank der Protektion des Bischofs von Amiens, Louis-François-Gabriel Dorléans de La Motte, in den diplomatischen Dienst ein. Als Sekretär des Abbé Bernis (1754-1755) sollte er diesen ursprünglich nach Madrid begleiten. Im Anschluß an seinen Aufenthalt in Hamburg ging er von 1768 bis Juli 1770 als ministre plénipotentiaire nach Schweden. Zurückgehrt nach Frankreich wurde er zum gentilhomme d'honneur du comte de Provence (d.h. des späteren Ludwigs XVIII.) sowie zum gouverneur du Palais du Luxembourg (1775) ernannt. Ersteres Amt brachte 4 000 l.t. ein, wozu noch eine Pension des Außenministeriums in Höhe von 6 000, seit 1773 12 000 Lt. kam. Modène verließ 1791 Frankreich und starb in der Emigration. Er heiratete am 6. Oktober 1773 in Paris Philippine Louise Christophe de Lieurray, mit der er zwei Söhne hatte. Quellen: AAE Personnel 51, fol. 192-207; Eugénie Droz (Hg.), Le Comte de Modène et ses correspondants. Documents inédits sur l'émigration (= Société de l'Histoire de France), 2 Bde., Paris 1942. Lit.: Michaud, Biographie universelle, Bd. 28, S. 439; Broglie, Correspondance secrète, hg. Antoine, Ozanam, S. 99; Hartmann, Steuersystem, S. 128-129 (fehlerhaft), Mezin, Les Consuls de France, S. 511-512. MONCIEL, Claude François Tessier, marquis de (?-?), ministre im Herzogtum Württemberg Januar 1756 bis Juli 1770. Zum brigadier am 10. Februar 1759 ernannt blickte Monciel nach eigenen Angaben 1762 auf eine 35jährige Dienstzeit zurück. Als Soldat hatte er an den Feldzügen des Polnischen Thronfolge· und des Österreichischen Erbfolgekrieges teilgenommen (in Italien und Böhmen). Quellen: AAE CP Allemagne 621, fol. 2 3 1 - 2 3 2r, Monciel an Praslin („Lebenslauf' von der Hand Monciels). Lit.: Recueil des instructions: Mayence, S. 271; Pelizaeus, Der Aufstieg Württembergs, S. 179-183. MontAZET, Antoine-Marie Malvin comte de (1711-1768), chargé des affaires militaires à la cour de Vienne, 1757-1761. Montazet (1711-1768), brigadier bei den Dragonern, wurde am 1. Dezember 1757 zum maréchal de camp befordet, nahm in seiner Eigenschaft als „Militärbeobachter" an den Feldzügen der Jahre 1757-1761 teil. Seit dem 2. Dezember 1758 Generalleutnant wurde noch im Kriege zum Generalinspekteur der Kavallerie und Dragoner befördert (1. Februar 1761). Quellen: AAE CP Autriche 269, fol. 3 - 6 v (Instruktion), CP Autriche 279, 280 Depeschen Montazets. Lit.: Broglie, Correspondance secrète, Bd. 1, S. 31, Anm. 1; Waddington, La Guerre de Sept Ans, Bd. 1, S. 354-357. MONTEIL, François-Just, marquis de (Viviers 28. Oktober 1718-1791 oder 1794), envoyé extraordinaire im Kurfürstentum Köln, September 1757 bis Januar 1759. Monteil, ein Verwandter und Freund von Bernis, wechselte von der Armee in den diplomatischen Dienst (letzter Dienstgrad: brigadier). Der Kölner Station folgte eine commission particulière in Warschau bevor er zurück zur Armee ging (Juni 1759). Maréchal de camp 1761, Lieuténant-général 1780, kehrte Monteil zurück in den diplomatischen Dienst und vertrat von 1777 bis 1791 Frankreichs Belange in Genua. Als Gesandter in Genua erhielt er 30 000 Lt. Gehalt jährlich sowie eine Gratifikation in Höhe von 20 000 für Reisekosten und für die Einrichtung einer Residenz. Vom 31. Dezember 1779 an wurde ihm eine Rente in Höhe von 15 310 Lt. angewiesen. Quellen: AAE Personnel 52, fol. 85-98.

Kurzbiographien der Diplomaten

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Lit.: Broglie, Correspondance secrète, Bd. 1, S. 70; Recueil des instructions: Cologne, S. 254; Dahoui, Bernis, S. 434. NIVERNAIS, Louis-Jules Barbon Mancini-Mazarini, duc de (Paris 16. Dezember 1716-1798), ministre plénipotentiaire in Preußen, Januar bis März 1756. Nivernais, Großneffe von Kardinal Mazarin, verkörpert paradigmatisch den Typus des hochadeligen Höflings der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Einer kurzen Karriere im Militär, die er 1743 aufgrund seiner schwachen Konstitution aufgeben mußte, folgten Verwendungen (immer im Rang eines Botschafters) in Rom (1748-1752), Berlin, St. Petersburg (1756-1761) und London (1761-1762), wo der den Frieden aushandelte. Zeitlebens widmete er sich verstärkt der Förderung der schönen Künste, wurde 1742 Mitglied der Académie française und 1744 der Académie des inscriptions et belles-lettres. Mit einer Schwester Maurepas verheiratet, unterstützte Nivernais Choiseul und genoß auch das Vertrauen der Marquise de Pompadour. 1787 gehörte er der Notabelnversammlung an und war Minister ohne portefeuille. Obwohl mehrfach verhaftet, überlebte er die Schreckensherrschaft. Quellen: AAE Personnel 59, fol. 139. Lit.: Perey, Un petit-neveu de Mazarin; Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1154; Recueil des instructions: Prusse, S. 444—445; Recueil des instructions: Angleterre, Bd. 3, S. 388; Waddington, Renversement, S. 239-264. PFEFFEL, Christian-Friedrich (Colmar 3. Oktober 1726-Paris 21. März 1807), chargé d'affaires am Reichstag März 1759 bis Februar 1761). Der Sohn von Johann Konrad Pfeffel, jurisconsulte pour le droit germanique des Staatssekretariats für die Auswärtigen Angelegenheiten, studierte bei Schöpflin in Straßburg und begann als Gesandtschaftssekretär der sächsischen Botschaft in Paris (1751-1753) sowie als Erzieher der Kinder des sächsischen Ministers Graf Brühl. Erst 1758 trat er in französische Dienste und wurde conseiller de legation in Regensburg, ein Posten, den er jedoch aufgeben mußte. Pfeffel begab sich nach München, wo ihn Folard unterstütze und für sich arbeiten ließ. In Bayern macht sich Pfeffel bis 1768 einen Ruf als Wissenschaftler (Präsident der historischen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), bevor einen erneuten Ruf aus Frankreich erhielt und das verwaiste Amt seines Vaters übernahm. Von seinen Aufgaben entbunden 1792, trat Pfeffel in die Dienste des Herzogs von Zweibrücken ein. Im Jahr 1800 kehrte er nach Frankreich zurück. Quellen: AAE Personnel 57, fol. 43-101. Lit.: Auerbach, La France et le Saint Empire, S. 368-372; Bergsträßer, Ludwig, Christian Friedrich Pfeffels politische Tätigkeit in französischem Dienste 1758-1784 (= Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 16), Heidelberg 1906; Hartmann, Steuersystem, S. 287-288; Samoyault, Les Bureaux, S. 302; Sitzmann, Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l'Alsace, Bd. 2, S. 441-442. PICARD de Châteaumont (?-?), chargé d'affaires in der Kurpfalz, Mai 1759 bis August 1759; Mai 1761 bis September 1762, Januar bis November 1763. Picard kam als Gesandtschaftssekretärs d'Alesmes an den Mannheimer Hof und vertrat diesen bei Abwesenheit. Quellen: AAE CP Palatiant-Deux Ponts 88-92. PASCAULT, Jacques (?-?), chargé d'affaires in Hamburg, Juli 1761 bis Mai 1762. Pascault verließ Hamburg 1763 und zog sich auf ein Landgut bei Orléans zurück. Quellen: AAE CP Hambourg 88, fol. 110-11 Γ, Pascault an Praslin, 8. Mai 1763: über seinen Rückzug aufs Land, Geldforderungen an den comte de Modène, der ihm seine Auslagen erstatten soll.

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Anhang II.

PRASLIN, César-Gabriel, comte de Choiseul-Chevigny, duc de (seit 1762) (Paris 14. August 1712-Paris 15. November 1785), ambassadeur am Kaiserhof in Wien, Juli 1759 bis Mai 1761. Praslin mußte 1757 seine militärische Karriere, die er 1727 als Musketier begonnen hatte und die ihn bis zum lieutenant général des armées du Roi (1746) führte, aus Gesundheitsgründen aufgeben. Zuvor hatte er im Polnischen Thronfolge- und am Österreichischen Erbfolgekrieg teilgenommen. Seinem entfernten Vetter Choiseul verdankte er die Berufung auf den Posten eines Botschafters in Wien und 1761 auf den Stuhl des Außenministers, den er bis 1766 innehatte. In diesem Jahr übernahm er das Marineressort. 1770 ging er mit seinem Vetter ins Exil. Eine biographische Studie über ihn liegt nicht vor. Praslin war ein großer Kunstliebhaber, der über eine beachtenswerte Gemäldesammlung mit Werken von Van Dyck, Rembrandt, Rubens sowie italienischen Meistern verfügte. Im Jahre 1764 erwarb Praslin das einst von Fouquet erbaute Schloß Vaux-le-Vicomte. Lit.: Viguerie, Histoire et dictionnaire du temps des Lumières, S. 1304-1305; DBFS (1959), Sp. 1211-1212 (fehlerhaft); Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 211-212; Maurepas\ Boulant, Les Ministres et les ministères, S. 238-242; Dictionnaire des ministres des Affaires étrangères, S. 178-180. RATTE, Claude Alexis (?-?), chargé d'affaires in Wien August bis November 1756 und März bis September 1757. Ratte war secrétaire d'ambassade des Marquis d'Hautefort und seines Nachfolgers Aubeterre, bevor er nach dessen Abreise zum chargé d'affaires befördert wurde. Er stammte aus Mièges in der Franche-Comté. Ludwig XV. belohnte die Dienste Rattes mit seiner Nobilitierung im Juni 1759. Nach seiner Rückkehr aus Wien diente Ratte als premier commis im Staatssekretariat für das Kriegswesen. Als secretaire d'ambassade erhielt er ein Gehalt von 800 l.t. 1775 versuchte Ratte vergeblich, vom Staatssekretariat des Äußeren eine Pension zu erhalten und von der Zahlung einer Steuer zur Bestätigung seines Adels ausgenommen zu werden. Alle seine Eingaben - er wandte sich sogar an Königin Marie Antoinette - wurden zurückgewiesen. Quellen: AAE Personnel 59, fol. 65-81. SAINTE-FOY, Claude Pierre Maximilien Radix, sieur de (Paris 13. Juni 1736-Bourbonne-les-Bains 23. Juni 1810), chargé d'affaires in Wien Mai bis Juli 1761. Sainte-Foy war wie Boyer Gesandtschaftssekretär Choiseuls und dann auch Praslins bis 1761. Im selben Jahr wurde er zum premier commis des Affaires étrangères berufen, ein Amt, das er bis 1766 ausübte. Weitere Stationen seiner Karriere waren: trésorier général de la Marine 1766-1771, ministre plénipotentiaire beim Herzog von Zweibrücken 1774-1777, surintendant des finances du comte d'Artois (1776-1781) und directeur général des domaines et bois du comte d'Artois (seit 1785). Lit.: Samoyault, Les Bureaux, S. 304; Doyon, Radix de Sainte-Foy.

VALORY, Charles Guy Henri, marquis de (Menin 12. Oktober 1692-Oktober 1774), ministre plénipotentiaire in Preußen, März bis November 1756. Valory, Sohn eines Festungsbaumeisters Ludwigs XIV. trat 1707 in die Armee ein und diente sich langsam hoch: 1727 inspecteur des milices de Flandres, 1739 brigadier, 1745 maréchal de camp, 1748 général-lieutenant, um 1755 hatte er das Amt eines Gouveurneurs von Lille inne, 1767 folgte seine Ernennung zum gouverneur von Étampes. Er hatte Frankreich bereits von 1739 bis 1748 und von 1749 bis 1750 in Preußen vertreten und galt als Freund und Bewunderer Friedrichs des Großen, der auch nach 1750 noch sein Bücher zukommen ließ. Seine Entsendung war der letzte Versuch, den endgültigen Bruch zwischen Berlin und Versailles zu vermeiden. Über seine Aufenthalte am preußischen Hofe unterrichten seine propreußischen „Memoiren".

Kurzbiographien der Diplomaten

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Quellen: Archives Nationales, Série AB XIX, dossier 1-3: Papiere Valorys; AAE MD Prusse 16, Korrespondenz Valorys; Valory , Mémoires des négociations du Marquis de Valory. Lit.: Miehaud, Biographie universelle, Bd. 42, S. 528-529; Peukert, Friedrich, Die Memoiren des Marquis von Valory, Berlin 1884, bes. 3-9. Antoine René marquis de Paulmy (getauft Valenciennes 22. November 1722-Paris 13. August 1787), ambassadeur extraordinaire in Sachsen-Polen Juni 1759 bis Januar 1765. Der Sohn des Außenminister Argenson begann als Jurist am Pariser Parlement und in der Administration des Königreiches (conseiller au Parlement de Paris 1744, maître des requêtes 1747), bevor er in die Diplomatie wechselte: zuerst als Botschafter in der Schweiz (1748-1751), dann folgten Stationen in Sachsen-Polen und als ambassadeur in Venedig (1767-1768). Zwischen seinen Missionen in der Schweiz und in Polen liegt seine Karriere als Minister: 1751 erhielt er die survivance des Staatssekretariat für das Kriegswesen, das sein Onkel, der Graf d'Argenson, bis 1757 innehatte. Voyer übernahm am 3. Februar 1757 das Amt seines in Ungnade gefallenen Onkels, wurde ministre d'État, konnte sich aber nicht im conseil du roi durchsetzen und gab .das Staatssekretariat am 22. März 1758 ab. Sein Nachfolger wurde Marschall Belle-Isle. Es folgten die angegebenen diplomatischen Missionen sowie weitere Ämter, wie das eines lieutenant général pour le Roi in der Tourraine. Seine Liebe galt der Literatur und den Büchern (Mitglied der Académie française seit 1748): seit 1755 gouverneur de l'Arsenal stellte er dort seine große Bibliothek auf, die den Grundstock der heutigen Bibliothèque de l 'Arsenal bildet. VOYER D ' A R G E N S O N ,

Lit.: DBF, Bd. 3, Sp. 528-534; Antoine, Le Gouvernement et l'administration sous Louis XV, S. 249; Combeau, Argenson, S. 199-200. François-Antoine-Pacifique (1715-Paris 19. Juli 1779), ministre plénipotentiaire in der Kurfpalz, August 1753 bis März 1759. Der aus dem Elsaß stammende Zuckmantel hatte sich als Offizier (1734 Eintritt in die Armee, als Capitain im Regiment Picardie, dort auch colonel 1746; colonel 1747 im Regiment Alsace) ausgezeichnet, bevor er als ministre an den Kurpfalzer Hof wechselte. 1758 bat er um die ihm gewährte Beförderung zum brigadier, die ihm gewährt wurde. Als brigadier und colonel commandant nahm er seit 1759 an den Feldzügen in Deutschland teil. Mittlerweile zum maréchal de camp aufgestiegen, wechselte er nach Kriegsende erneut in die Diplomatie und wurde ministre plénipotentiaire in Sachsen (1763-1770) und ambassadeur in Venedig (1771-1777). Kurz vor seinem Tode wurde zum Botschafter in Lissabon ernannt, trat diese Stelle jedoch nicht mehr an. Quellen: AAE CP Palatinat-Deux Ponts 85, fol. 575r_v, Zuckmantel an Bernis, 11. Mai 1758 (Gesuch um Beförderung); AAE Personnel 69, fol. 310-314. Lit.: Sitzmann, Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l'Alsace, Bd. 2, S. 1053; Recueil des Instructions données aux ambassadeurs et ministres de France depuis les traités de Westphalie jusqu'à la Révolution française, Bd. 26: Venise, hg. v. Pierre Duparc, Paris 1958, S. 261: Hartmann. Steuersvstem. S. 229. ZUCKMANTEL,

386

Anhang III.

Anhang III. Chronologie

1754-1755 1755 August 21

1755 Anfang September Seit 1755 November

1755 November - 1756 Januar 1756 Januar 16 1756 Februar

1756 Februar - Mai

1756 April 23 1756 Mai - August 1756 Juni 9 1756 August 29

1756 Oktober 1 1757 Mai 1

1757 Mai 6

Ausbruch von offenen Feindseligkeiten zwischen England und Frankreich in Nordamerika und in Indien Staatskanzler Kaunitz ermächtigt den österreichischen Botschafter in Paris, Starhemberg, zur Aufnahme von Geheimverhandlungen mit Frankreich über eine Annäherung der beiden Kronen Erstes Zusammentreffen Starhembergs mit dem von Ludwig XV. als Unterhändler bestimmten Abbé de Bernis Die Staatssekretäre Machault (Marine), Moreau de Séchelles (Finanzen), Saint-Florentin (Inneres) und Rouillé (Äußeres) werden von den Verhandlungen in Kenntnis gesetzt, später auch der Herzog von Noailles (Staatsminister ohne Ressort) sowie die premier commis des Staatssekretariat des Äußeren. Schleppender Verlauf der Verhandlungen, Frankreich ist nicht bereit, Preußen fallen zu lassen Abschluß der Westminster-Konvention zwischen England und Preußen Abberufung des französischen Sondergesandten Nivernais aus Berlin, Verzicht auf eine Verlängerung des preußischfranzösischen Bündnisses Frankreich signalisiert grundsätzliche Bereitschaft zu einem Abkommen mit Österreich. Verhandlungen in Paris. Strittige Fragen: Frankreich lehnt einen Angriff gegen Preußen ab Einigimg auf eine Neutralitätskonvention mit Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung im Falle eines Angriffs, die am 1. Mai im Landsitz Rouillés unterzeichnet wird Franzosen unter Richelieu erobern Port-Mahon (Menorca) Verhandlungen: Wien drängt auf Abschluß einer Offensivallianz gegen Preußen, die Franzosen sind hierzu nicht bereit Kriegserklärung Frankreichs an England Einmarsch Friedrichs des Großen in Sachsen (Beginn des Siebenjährigen Kriegs): Damit tritt für Frankreich der „Bündnisfall" ein Schlacht von Lobositz. Preußischer Sieg (Friedrich Π.) Lobositz über die Österreicher Abschluß des 2. Versailler Vertrags: Festlegung der Bündnisverpflichtungen. Kriegsziel: Zerschlagung der preußischen Militärmacht Schlacht bei Prag. Preußischer Sieg (Friedrich II.) über die Österreicher

Chronologie 1757 Juni 18 1757 Juli 26 1757 September 8 1757 November 5 1757 Dezember 5 1758 Juni 23 1758 August 25 1758 Oktober 10 1759 März 1759 April 13 1759 August 1 1759 August 12 1759 September 18 1759 November 20 1760 August 14 1760 September 8 1760 Oktober 25 1760 November 3 1761 Juli 13 1761 1762 1762 1762 1762 1762 1762

August 15 Januar 2/15 Januar 5 Mai 5 ' Mai 22 Juni 19 Juli 9

1762 Juli 21 1762 November 3 1763 Februar 10 1763 Februar 15

387 Schlacht von Kolin. Preußische Niederlage gegen die Österreicher Schlacht von Hastenbeck. Französischer Sieg über die Briten unter Cumberland Konvention von Kloster-Zeven (Kapitulation Cumberlands) Schlacht von Rosbach. Preußischer Sieg (Friedrich II.) bei Rosbach über die Franzosen und die Reichsarmee Schlacht bei Leuthen. Preußischer Sieg (Friedrich II.) über die Österreicher Schlacht von Krefeld. Preußischer Sieg unter Prinz Ferdinand von Braunschweig über die Franzosen Schlacht von Zorndorf. Preußischer Sieg über die Russen Schlacht von Hochkirch. Preußische Niederlage bei gegen die Österreicher 3. Vertrag von Versailles (datiert auf den 30. Dezember 1758) Schlacht von Bergen. Französischer Sieg über die Preußen unter Prinz Ferdinand von Braunschweig Schlacht von Minden. Preußischer Sieg (Prinz Ferdinand von Braunschweig) bei Minden über die Franzosen Schlacht von Kunersdorf. Preußische Niederlage gegen die Russen und Österreicher Eroberung von Quebec Schlacht von Maxen. Preußische Niederlage gegen die Österreicher Schlacht von Liegnitz. Preußischer Sieg über die Österreicher Eroberung Montreals - damit ist Kanada vollständig in englischer Hand Tod Königs Georgs II. von England Schlacht von Torgau. Preußischer Sieg über die Österreicher Schlacht von Vellinghausen. Preußischer Sieg (Prinz Ferdinand von Braunschweig) über die Franzosen „Pacte de famille" zwischen Frankreich und Spanien England und Spanien erklären sich wechselseitig den Krieg Tod der Zarin Elisabeth I. Preußisch-russischer Friede Preußisch-schwedischer Friede Preußisch-russisches Bündnis Machergreifung der Zarin Katharina II. (die Große), Absetzung und Ermordung Zar Peters III. Schlacht von Burkersdorf. Preußischer Sieg über die Österreicher Unterzeichnung der englisch-französischen Friedenspräliminarien in Fontainebleau Frieden von Paris zwischen Frankreich, Spanien und England Friede von Hubertusburg zwischen Preußen und Österreich

Quellen und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Archives du Ministère des Affaires étrangères, Paris (zit. AAE): Correspondance politique (zit. CP): Allemagne origines-1870 (zit. Allemagne) 587, 588, 589, 591, 593, 597, 600, 601,603, 604, 605, 606, 610, 611, 612, 613, 615, 616-620, 622, 623, 624. Allemagne Supplément (zit. Allemagne Suppl.): 13, 14. Allemagne-Petites Principautés: 4 Autriche: 254, 255, 256, 256bis, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 269, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 280, 281, 282, 283, 284, 286, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 295. Autriche Supplément (zit. Autriche Suppl.): 14, 15, 19. Bavière: 134, 135, 136, 137, 138, 139, 141, 143, 144, 145, 146. Bavière Supplément (zit. Bavière Suppl.): 8. Brunswick-Hanovre: 52. Cologne: 92, 93, 94, 96, 98, 99, 100, 101, 103. Cologne Supplément (zit. Cologne Suppl.): 4. Hambourg: 76, 77, 78, 81, 83, 84, 86, 87, 88. Hambourg Supplément (zit. Hambourg Suppl.): 7, 8. Mayence: 46, 47, 49, 50, 51, 55. Mayence Supplément (zit. Mayence Suppl.): 2, 3. Palatinat-Deux-Ponts: 82, 83, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91. Pologne: 251, 255, 266. Prusse: 167, 168, 171, 174, 179, 180, 181. Prusse Supplément (zit. Prusse Suppl.): 6 Saxe-électorale et royale: 47, 48. Trêves: 19, 20, 22.

Mémoires et documents (- MD): Allemagne: 16, 44, 66, 71, 78, 94. Angleterre: 51 Autriche: 30, 38, 39, 40, 72. France: 514, 525, 534, 1347, 2186. Prusse: 2, 6, 7, 8.

Quellenverzeichnis Personnel, Dossiers Individuels origines-1830

389 (zit.: Personnel):

3, 11, 12, 13, 39, 59 Bibliothèque nationale de France (zit: BNF): Nouvelles acquisitions françaises (zit: n.a.f.): 349, 350

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Literaturverzeichnis

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Register

Aachen, Friede v. 26, 106, 154, 168, 181, 229, 239, 31 Iff., 318, 322ff., 336, 343, 351-354, 357, 360, 364ff. Adolf Friedrich, Kg. v. Schweden 163 Afrika 280 Aigremont, Geoffrey-Louis de Maret, Chevalier d' 35f.,61f., 111, 145,181,374 Alesme, Gabriel d' 62f., 374 Algarotti, Francesco 160 Amalie, Prinzessin v. Preußen 155 Amboise 377 Amelot de Chaillou, Jean Jacques 71 Amerika 20, 162, 164, 166, 372f. Amsterdam 375 Anhalt-Zerbst, Fstm 64 Anhalt 369 Antillen 280 Antoine, Michel 26 Anton Ulrich, Hg. v. Sachsen-Meiningen 127 Archenholtz, Johann Wilhelm v. 190 Argens, Jean-Baptiste de Boyer, Mq.d' 160 Argenson, Pierre Marc de Voyer de Paulmy, Gf. v. 43,243, 325, 385 Argenson, René Louis de Voyer, Mq. d' 95, 109, 325, 344, 376, 385 Aristoteles 48, 74 Aretin, Karl Otmar Freiherr v. 76, 91, 105, 129 Aubéry, Antoine 48 Aubeterre, Joseph-Henri Bouchard d' Esparbès de Lussan, Mq. v. 37, 69f., 110, 171, 173, 221, 225, 228-246, 308, 348, 374,384 Aubeterre, Marie-Françoise Bouchard d'Esparbes de Lussan d' 374 Augsburg 69, 181, 273 August III., Kf. v. Sachsen, Kg. v. Polen 174, 176, 197, 307 August Wilhelm, Prinz v. Preußen 64, 155 Aunis 378 Avignon 379 Baden 33 Bamberg 128, 142

Barbut 62 Barck 293 Bartenstein, Christoph Frhr. v. 259 Bastiani, Johann Battista 160 Batthiany, Karl Joseph v. 258 Bausset, Matthieu Nicolas, Mq. v. 41, 51, 63, 146f., 374 Baumgart, Winfried 23 Bayern 55, 60, 69, 72, 102ff., 123, 140, 142, 273, 314,331,355,357, 378,381 Bayreuth 41, 125, 140 Beaumont, Christophe de, Ezbf. v. Paris 326 Beauval 375 Belderbusch, Kaspar Anton v. 145f. Belgrad 313, 319, 321, 353f., 364 Bellegarde, Gf. v. 221 Belle-Isle, Charles Louis Auguste Foucquet, Hg. v. 65,105,123, 190,223,293,311,317,377,385 Bellevue 242 Bély, Lucien 55 Benedikt XIV. 258 Bentinck, Grfin v. 361 Bentivoglio, Guido 47 Bérenger, Laurent 375 Berg, Hgtm. 177f„ 355 Berkeley, Georges 13 Berlin 26,36, 51f., 63, 82, 111, 123, 148, 152, 162, 167ff., 172ff„ 184f., 188, 197,210, 213, 236f., 246, 275, 303f., 320,323, 347, 383f. Bernage, Jean-Nicolas 326 Bernes de Rossana, Karl Anton Graf v. 359 Bernis, François Joachim de Pierre, Abbé u. Kardinal 11,18, 22ff., 26f., 32, 39,43f., 46, 64, 67, 69f., 92, 94f., 108ff„ 114, 129f., 139f., 146, 170, 183, 189f., 193ff., 204ff., 210, 218, 222, 223f., 226, 239, 241 f., 249, 261ff., 261-269, 271-275, 280, 283, 307, 309, 317f., 323, 348, 382 Berns 327ff., 367ff. Berryer, Nicolas 63 Bertin, Henri Léonard Jean Baptiste 54f. Besenval, Jean Victor Baron 105

410 Bethlen, Gábor 258f. Bevern, August Wilhelm Hg. v. (Braunschweig-) 264 Bischoff, François-Henri 380 Blondel, Lous-Augustin 42, 228, 249, 310-319, 323, 325, 327, 333, 335f„ 350f. Blondel de Gagny, Augustin 318 Blümegen, Heinrich Cajetan Gf. 288 Bodin, Jean 73f. Böhmen 80, 137, 177, 182, 186f., 193, 204, 221, 224,236,246,261, 349,357,377 Boisgelin, de 221 Bonn 50 Borie, Aegid, Frh. v. 288 Borodino 197 Bosch 35, 375 Bosnien 354 Botero, Giovanni 48 Bourbon 26, 92, 103,274 Bouscawen, Edward, Admiral 235 Bouthillier, Léon, Gf. v. Chavigny 33 Boyer de Fonscolombe, Joseph Roch 221,271,375 Brabant 256 Brandenburg, siehe Preußen Braubach, Max 22f„ 146, 226, 309, 316, 319 Braunschweig 178, 192 Bremen 30, 119 Breslau 189, 264 Breteuil, Louis Charles Auguste Le Tonnelier Baron de Preuilly, Baron v. 50, 65, 146, 148, 151, 375 Broglie, Albert, Hg. v. 26 Broglie, Charles François, Gf. v. 37, 43, 65, 174, 176f., 179, 187, 202ff., 222, 226, 236, 244, 249-253,308f., 348,376, 379 Brosses, Charles de 56 Brown, Maximilian Ulysses Reichsgf.v. 221 Brühl, Friedrich Wilhelm Gf. 98, 133, 176, 383 Brüssel 107 Bruges 33 Brunet55, 212 Budruss, Eckart 25ff., 211, 327 Büsch, Otto 213,220 Bunzelwitz 291 Burgund, Ludwig Joseph Xaver Hg. v. 34 Burkersdorf 291 Burkhart, Johannes 24f.

Register Bussy, François de 23, 32ff„ 38, 46, 51, 57f., 61, 76f„ 87, 107, 131-135, 139f„ 150, 162-167, 169, 316, 321, 323f„ 326-336, 367ff„ 379 Cadiz 376 Callières, François de 46f., 56, 58 Cambrai 319 Candide 29 Cap-Breton 269 Cassirer, Ernst 13 Chaillou, Jean Jacques Amelot de 92f. Champeaux de Pouilly de Vandières, Gérard Lévesque Claude de, Sieur de Verneuil 376 Champeaux de Verneuil, Marc 35, 52, 64ff., 162, 172, 174,177,180,376 Châtelet, Gabrielle Émilie Le Tonnelier de Breteuil, Mqse. du 225,376 Châtelet-Lomont, Florentin Louis 38,42,49, 51, 53, 60, 78, 115, 140f., 143, 202f., 208, 221, 225, 291-309, 349,376 Chauvelinde Beauséjour, Bernard Louis Mq. de 41 Chauvelin, Germain Louis de 91f. Chavigny, Théodore Chevignard, Gf. v. Toulongeon, Baron d'Uchon 109, 121, 381 Chemnitz, Bogislaw Philipp v. 147 Chesterfield, Philipp Dorner Stanhope, Earl 93 Chini, Gfschft. 366f. Choiseul, Étienne-François de Stainville, Hg. v. llf., 14, 18, 22f., 31-44, 49, 53, 56, 62, 64f„ 68ff, 80, 84, 86, 93f., 96f., 113, 116f., 128, 132, 138, 148-151, 188-191, 196-201, 204f„ 209f„ 216, 221, 223f., 225f., 249, 252, 261-277, 279-285, 287, 289ff., 293, 301f., 307ff., 323, 337, 339, 343, 345-338, 375ff., 379, 383f. Chotek, Rudolf Gf. 257,289,298 Chotek, Johann Rudolf Gf. 289 Christian IV., Hg. v. Pfalz-Zweibrücken 276, 383f. Christian Ludwig, Hg. v. Mecklenburg-Schwerin 172f. Clemens XIII., Papst 149 Clemens August, Kf. ν. Köln 16, 34, 50, 62, 143f., 147f., 150f„ 337, 346 Clemens Wenzeslaus 149f. Clermont, Louis de Bourbon-Condé, Gf. v. 192f., 381 Colloredo, Rudolf Fürst, Reichsvizekanzler 69, 87, 132, 139,238,255,258,262 Combeau, Yves 242

Register Commynes, Philippe de 47 Compiègne 369 Contades, Louis Georges Érasme, Mq. de 202 Conti, Louis François de Bourbon, Prinz v. 43f., 65, 346, 376,380 Courten, Maurice, Gf. v. 223, 308, 377 Croissy, Charles Colbert de Vandières, Mq. de 103 Crossen 203 Croy, Emmanuel Hg. v. 242 Cumberland, William August, Hg. v. 135, 138, 188, 357 Dänemark 278, 300, 357f. Darget, Étienne 162, 164-167 Daun, Leopold, Gf. v. 68, 196, 198, 200, 202, 222, 248, 250ff., 282,284,286ff., 295, 309, 349 Dauphiné 381 Dettingen 216 Deutschland 14f., 16,22,27, 29f., 56, 59 Diderot, Denis 72 Dixmunde (Diksmuide/Dixmude) 366 Douglas, Alexandre Pierre Mackenzie-D. 42, 221, 328 Dresden 123, 173, 176f., 180, 185, 196f., 200f., 356 Du Buat-Nançay, Louis-Gabriel 51, 53f., 58, 338-342,369,371,378 Du Prat, Louis François Baton, Abbé 379 Duchhardt, Heinz 323 Dünkirchen 372 Düsseldorf 198 Duñy, Christopher 189, 197 Du Luc, Charles-François Vintimille, comte 319 Du Theil, Jean-Gabriel de La Porte 46, 88f., 310 Dupuy, Jacques u. Pierre 47 Durand de Distroff, François-Michel 176, 180 Ehrenbreitstein 355 Ehrenstein, Anton Stupan v. 288 Eichel, August Friedrich 155 Elbe 282 Elias, Norbert 56, 79 Elisabeth II., Zarin 65, 198, 207, 291, 301f., 340, 363 Elisabeth Christine, Kgin. v. Preußen 154f. Elsaß 56, 60,311,364 Emden 52, 356 England (auch: Großbritannien) 20f., 23, 52, 70, 89, 95, 107, 110, 120, 129, 137, 139, 160f., 165, 169, 181,190,205, 219, 229, 232, 234f., 238, 246,

411 262,278,280,304,311,313,316, 318, 321, 332ff., 336, 340, 354ff., 353f., 356-361, 365-373 Eon, Timothé de Beaumont, chevalier d' 65 Erfurt 119 Estrées, Victor Marie d', Mq. d. Cœuvres, Hg. v. 68, 109, 111, 135, 221f., 224, 247ff., 271,348, 378 Eugen v. Savoyen 319 Europa 20, 35, 45, 54, 78, 101, 166f„ 192, 205, 234,270,279,283,309, 311, 316, 318, 324f., 337f., 352ff., 361, 363, 369f., 372 Fabris, Franz 6Iff. Falkland-Inseln 377 Ferdinand von Braunschweig 117, 136, 160 190, 192, 195,200,349 Ferdinand, Prinz v. Preußen 153 Ferdinand II., Kaiser 133, 335 Ferdinand VI., Kg. v. Spanien 231, 322, 364 Ferrand-Dupuy 205f. Ferrari, Abbate 231 Fiemes 366 Finckenstein, Karl Wilhelm Finck v. 155,157 Flandern 239, 366f., 372 Flemming, Karl Georg Friedrich Gf. 247 Fleury, André Hercule, Kardinal v. 42f., 70, 86, 105,270, 310, 316, 319, 321, 350,377 Florida 373 Folard, Hubert de 41, 53f., 58, 61, 110, 115ff„ 124-128, 137, 150, 337,348, 378, 380, 383 Folard, Jean Charles, chevalier de 215f., 337, 378 Fontainebleau 303 Fouquet, Nicolas 384 Forstner 359 Fraigne, Jean Jacques Gilbert, Mq. de 64f. Franche-Comté 224, 376, 384 Franken 127f., 143,200, 369 Frankenstein, Johann Philipp v., Bf. v. Bamberg 125 Frankfurt 66f., 82, 126, 310, 361 Frankreich 11, 14-17, 20-26,28, 36,43, 52, 55, 58, 60, 63, 65, 68, 72f., 81f., 84, 91, 95, 97f., lOOf., 104-108, llOf., 114f., 117, 120f., 123ff., 133-137, 139f., 142, 144f., 148, 151ff., 157, 161, 164-169, 178, 181, 191ff., 202, 206, 210, 219, 221, 224, 226f., 229,232,237,247, 251,253f., 261,265, 267, 270, 272, 274f., 278f., 281, 284, 286, 289, 292, 301 f., 304, 307, 312-316, 318, 323-326, 329, 331-336, 338, 341, 343ff., 351ff., 355-358, 360, 364, 366f., 369, 371, 375, 377, 379f„ 382f.

412 Franz I., Kaiser 86, 124, 126, 130f., 222, 259, 263, 266, 337,348 Franz I., Kg. v. Frankreich 100 Franz II. Rákóczi 227 Frederik V., Kg. v. Dänemark 364 Freiberg 139 Freiburg 31 If., 353, 355,357 Friedrich, Mkgf. v. Bayreuth 124 Friedrich I., Kg. v. Preußen 104, 212 Friedrich II., der Große, Kg. v. Preußen 11, 15, 17, 22f., 26ff., 41f., 52f., 62, 64f., 67, 70f., 73, 81ff., 93f.,97f., 105ff., 109ff., 114ff., 118-123, 125-131, 134f., 143, 152-221, 230, 233, 239, 246, 248ff., 253, 257f., 263, 265, 267, 269, 276, 279, 282f., 286f., 289f., 298, 300-306, 308f., 318, 321, 327, 336, 341, 343, 346f., 350f., 353f., 357-361, 363, 369, 384 Friedrich II., Landgraf v. Hessen-Kassel 77, 169, 277 Friedrich VI., Burggf. v. Nürnberg 212 Friedrich August, Fst. v. Anhalt-Zerbst 63 Friedrich Christian v. Sachsen 174 Friedrich Wilhelm II., Kf. v. Brandenburg-Preußen 103 Friedrich Wilhelm I., Kg. v. Preußen 90, 211-214, 218ff. Gaxotte, Pierre 26 Geldern 203 Genf 376 Genua 41, 92, 231,375,382 Georg II., Kg. v. England 135, 137f., 169, 179, 234, 312, 326, 330f., 356,359,363 Georg III., Kg. v. England 135 Gérard, Conrad Alexandre 46, 62, 75, 222, 226, 379 Glafey, Adam Friedrich 58 Glatz 139, 203, 205, 299, 303ff. Godefroy, Théodore 48, 72 Goertz, Georg Gf. v. 128 Goethe, Johann Wolfgang 57f. Göttingen 49 Gonzaga 33 Gotha 126, 136f. Gravel, Robert de 103 Grimberghen, Louis-Joseph Albert de Luynes, Prinz v. 56f. Grotius, Hugo 48 Guastalla 322, 365f.

Register Guébriand, Jean Bonaventure II Le Lay de, Abbé de 145f., 379f. Guiccardi, General 230 Haag 273 Habsburg 11, 26, 99, 101, 104f., 152, 158, 274, 347, 360, 369 Hadik, Andreas Gf. v. Futak 299 Halberstadt 203 Halle 203 Hamburg 16, 30, 35f., 53, 64ff., 162, 172ff., 177, 180, 208, 375f.,381ff. Hanau 278 Hannover 66, 71, 81f., 91, 94, 101, 116, 118, 122, 128, 130, 135-138, 142, 147, 149, 165f., 169, 188, 191f„ 206, 233-236,239, 247,261, 264, 309f., 314, 326,330f., 337,359, 369 Harrach, Friedrich August Gervas Gf. 294 Hartmann, Peter C. 22 Hastenbeck 139, 188, 376, 378 Hatton, Ragnhild 152 Hatzfeld, Friedrich Anton Gf. 297 Haugwitz, Friedrich Wilhelm v. 257, 287f. Hautefort, Emmanuel, Mq. d' 229, 318, 384 Hautmont, d' 221 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 310 Heidelberg 68 Heinrich, Prinz v. Preußen 128, 139, 153 Heinrich IV., Kg. v. Frankreich 345, 350 Heiß, Jean 74 Henneberg-Schmalkalden 124 Hennenberg, François-Henri 33 Hennin, Pierre-Michel 379 Herberstein, Johann Seifried Gf. 297 Herder, Johann Gottfried 57 Hessen 143, 192, 369 Hessen-Darmstadt 381 Hessen-Kassel 36, 59, 144, 192, 196, 278, 314, 358,374 Higonnet, Patrice 23 Hildesheim 143, 147, 149, 177f. Hochkirch 195, 286 Hohenlohe 358f., 361 Hohenzollern 155 Holdernesse, Robert d'Arcy, 4. Earl of 243 Holland 89, 165 Holstein, Hgtm. 370 Hôpital, Paul-François de Galucci, Mq. de 1' 221, 254

Register Hubertusburg 114, 139, 141, 192, 291, 304, 307 Humbourg, Antoine-François-Armand 184, 380 Indien 20, 66, 280, 349 Irak 13 Irokesen 20 Issarts, Mq. des 375 Italien 26, 59f., 97f., 223, 231, 253, 256, 292, 312, 322f., 341, 353, 362, 364ff., 374, 376, 379 Jefferson, Thomas 60 Jesuiten 19 Johann Theodor, Kardinal v. Bayern 148f. Johanna-Elisabeth v. Holstein-Gottorp, Fstin v. Anhalt-Zerbst 63 Joseph I., Ks. 103 Joseph II., Ks. 247, 321,324, 330f„ 346, 359, 364 Joubain, François 85ff. Jülich 177f., 355 Justi, Johann Heinrich v. 148 Kärnten 257 Kanada 21, 279, 338, 350f„ 372f. Karg, Max Josef Baron 82 Karibik 66, 280, 350 Karl der Große 103, 350 Karl der Kühne, Hg. v. Burgund 47 Karl II., Kg. v. Spanien 45 Karl III., Kg. v. Neapel u. Sizilien 323, 364, 367 Karl V., Kaiser 96, 133, 320, 336 Karl VI. Kaiser 105, 217, 316, 336, 361, 363-366 Karl VII., Kaiser 56, 224, 258, 377 Karl VIII., Kg. v. Frankreich 101 Karl Emmanuel III., Kg. v. Sardinien 26, 353f., 356,358,360,364, 366 Karl Eugen, Hg. v. Württemberg 178 Karl Kaspar von der Leyen, Ebf. u. Kf. v. Trier 103 Karl v. Lothringen 223, 248ff., 252 Karl Leopold, Hg. v. Mecklenburg 91 Karl Theodor, Kf. v. d. Pfalz 62, 307, 331, 333, 355 Karl Wilhelm Friedrich, Mkgf. v. Ansbach 125, 128 Karolinger 79 Kassel 127 Katharina II. die Große, Zarin 64, 207, 291, 298, 302f. Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton Fürst v. 24ff., 42, 46, 50, 69, 95f., 107f„ 133, 171, 175, 189, 208f., 223f., 237, 239-244, 246f., 250ff„ 258ff„ 262ff.,

413 266, 268ff, 272f„ 279-290, 292-300, 302ff., 307ff., 317, 336, 344, 349f., 359ff. Keith, Robert 235f. Kempfer von Plobsheim, Johann Baptist, 67, 74, 111,145,380 Kerversio de Kermalen, Yves Marie Lelay, Gf. 380 Khevenhüller, Johann Josef 223, 250, 258 Kloster Zeven 29, 139f., 188, 190, 264 Koch, Christoph Wilhelm 49 Köln 26, 41, 51, 105, 178, 314f., 331, 337, 345, 358, 374f., 379, 383 Königsegg, Maximilian Friedrich v., Kf. v. Köln 63,147, 150, 345 Kolin 140, 186f., 203, 222f., 248, 250, 253, 261, 286,309, 326, 349 Konstantinopel 37, 111, 230,234,364 Kleist, General 140 Kleve 355 Knyphausen, Dodo Heinrich Freiherr zu Inn- u. 64 Kraus, Johann Baptist, Abt v. St. Emmeram 85, 88, 278 Krefeld 192, 195, 269 Kroatien 349 Kunersdorf 185, 195f., 199f., 286 Kunisch, Johannes 182,228, 290 La Borde, Jean-Joseph 376 La Carrière 122 Lacy, Franz Moritz Gf. 197, 202, 284, 287, 296 Lagau, Philippe Jean Jacques 208 La Mettrie, Julien Offray de 157 Langis, Gfin 255 La Rochelle 378 La Touche, Charles Nicolas, Chevalier de 36, 53, 158-163, 165,212,215,380 Lauenburg 139 La Vauguyon, André, Gf. de 104 La Ville, Jean-Ignace, Abbé de 23, 30f., 46, 59f., 243, 324 Laugier 51, 380 Lautz, Christophe 78f. L'Averdy, Clement Charles François de 53, 56, 212 Law, John 33 Le Baillif 157 Le Dran, Nicolas-Louis 32ff., 46, 56f., 76, 89, 109, 319-326,336,362 Leipzig 174, 304

414 Le Maire, Mathurin-Rodolphe Abbé 77, 81, 109ff., 122, 130,173, 380f. Leopold I., Ks. 105, 133,257, 360, 381 Le Sage, Alain René 28 Leuthen 140, 183,188,204,261,265, 309 Liegnitz 286 Lille 384 Lingen 144 Lionne, Hugues de 92 Lipsius, Justus 48 Lissabon 386 Livorno 314, 356 Lobositz 124, 180,248 London 21, 97, 111, 121, 136, 138, 140-143, 161, 163, 168, 229, 235, 239f., 244, 273, 275, 302ff., 313f., 325, 329-332, 336, 344,348,351, 360, 383 Lothringen 89, 344, 351 Loudon, Emst Gideon Frhr. ν. 202,286f., 296 Louisbourg 269,372 Louisiana 338, 373 Louvois, François Michel Le Tellier, Mq. de 221 Ludwig, Dauphin 34 Ludwig XI. 47 Ludwig XIII. 30, 101 Ludwig XIV. 22, 30, 33, 45, 52, 56, 92, 101-105, 123, 167, 227, 269, 313, 320, 341, 345, 350, 362, 375,381,384 Ludwig XV. 16, 22, 25ff., 30ff., 41, 4 3 ^ 6 , 55ff., 66, 68, 70f., 78, 92,102, 107, llOff., 116-119, 123, 141f., 161,166,170f., 176,180,186,193, 205, 209, 218, 221 if., 227, 229f., 232, 237, 242-245, 248f., 251 f., 254, 261f„ 265, 268f., 272, 274, 276, 278, 280, 285, 290, 293, 295, 302, 305f., 308f., 312f., 319-323, 328ff., 343, 348, 350-353, 361f., 367ff., 372,376-379, 384 Ludwig XVI. 347, 375 Ludwig XVIII. 382 Lübeck 30 Lüttich 375 Luise Ulrike v. Preußen, Kgin. v. Schweden 163, 265 Luxemburg, Hgtm. 366 Machault d'Arnouville, Jean-Baptiste de 243 Machiavelli, Niccolo 48, 312 Mackau, Louis-Eléonor, Baron ν. 29, 77, 80-84, lllf., 116ff„ 122, 142, 184f„ 380f. Madrid 26,42, 89,97, 169,225,242,292, 310, 365, 374,376 Mähren 237, 357

Register Magdeburg 64, 174, 178, 184, 203 Mahmud I., Sultan 230 Mailand 313, 366 Mainz, Kftum. 33, 67, 74, 110, 120, 144, 315, 328-331, 333f., 355, 367,380 Malaga 380 Malbran de la Noue, Denis 381 Malettke, Klaus 21, 73 Mannheim 29, 62 Mantua 33, 366 Marainville, chevalier de 38, 223 Marbois, François 60 Maria Anna, Erzhgin. 248 Maria Leszczynska, Kgin v. Frankreich 225 Maria Theresia, Ksin. 17, 22, 39f., 71, 99, 98, 110, 122f., 125, 149, 153, 176, 198, 208, 224, 227f., 230-270, 273, 280f., 283-287, 289f., 294ff., 303, 305f., 308ff„ 313f., 317f., 321, 344, 348ff., 352ff., 356ff., 360, 362-367 Marie-Antoinette 351, 384 Mark, Gfscht. 356 Marlborough, John Churchill, Hg. v. 134 Marmontel, Jean-François 46 Martinique 233, 301, 373 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de 159f. Maurepas, Jean Frédéric Phélypeaux, Gf. ν. 383 Max II. Emmanuel, Kf. v. Bayern 132 Max III. Joseph, Kf. v. Bayern 56, 62, 181, 346 Maxen 195f., Mayer 61 Mayern, Oberstlt. 128 Mazarin 33, 383 Mecklenburg-Schwerin 30, 82, 137, 172f., 267, 369 Meinecke, Friedrich 218 Menin 366 Menorca 172 Mesnil, Charles-Louis de Chastelier, Mq. v. 41, 111,381 Metz 376, 378 Mexiko, Golf v. 372 Migazzi, Gf.v, Ebf. v. Wien 259 Mindelheim 134 Mineray 63 Mississipi 21,373 Monciel, Claude François Tessier, Mq. de 178, 382 Modène, François Charles de Raymond de Mormoiron, Gf. de 35f„ 53, 381 Montaigu, Pierre-François, Gf. v. 71

Register Montcalm de Saint-Véran, Louis Joseph 280 Montazet, Antoine-Marie Malvin comte de 39f., 50,198,222f., 263, 308, 350 Montazet, Antoine de Malvin de, Ezbf. v. Lyon 222 Monteil, François-Just, Mq. v. 41, 147f., 177, 183, 337,382 Montesquieu, Charles-Louis de Secondât, baron de La Brede u. 28, 57, 92 Mopinot de la Chapotte, Antoine-Rigobert 218 Moreau, Jacob Nicolas 67 Moreau de Beaumont, Jean François 53 Moreau de Sechelles, Jean 243 Morville, Charles Jean Baptiste, Gf.v. 92 Moser, Friedrich Carl v. 126 Müller, Michael G. 23 München 36,41, llOf., 125, 376, 383 Münster 26, 73, 101f„ 108, 110,144, 150, 152, 177, 205, 329,362f., 369 Münster, Bistum 346 Nadasty, Lipót Florián Gf. 258 Naudé, Gabriel 312 Naumur, Gfschft. 366f. Naxos 381 Neapel, Kgr. 98f., 323, 342, 354, 364, 375 Neipperg, Wilhelm Reinhard Gf. 231, 250 Neufundland 235, 372 Neugebauer, Wolfgang 158 Neuhaus, Helmut 123 Neu-Schottland 372 Newcastle, Thomas Pelham Holies, Hg. v. 331 Niederlande, Österreichische 107, 166f., 236, 240, 273,309,324,351,366 Niederlande, Vereinigte 152, 234, 278, 314, 353, 365, 367,372, 375 Niedhart, Gottfried 325 Nieuport 366, 372 Nimwegen 33, 105 Nivernais, Louis-Jules Barbon Mancini-Mazarini, Hg. v. 58ff., 64, 158f., 168fT., 303, 383 Nizza 314, 356 Noailles, Adrien-Maurice, Gf d'Ayen, Hg. v. 78, 108f., 321, 327,375 Oberösterreich 257 Ogier d'Enouville, Jean-François 278 Ohio 21, 344 Oléron, île de 374 Öxel von Friedensberg, Ignaz Anton Friedrich Frhr. 82

415 Osnabrück 26, 101, 108, 121, 144, 148f., 151f., 205, 330, 338, 345,362f., 369 Ossat, Arnaud d', Kardinal 48 Ostein, Johann Friedrich Karl v.. Kf. v. Mainz 120, 130, 145,328-333, 368 Ostende 372 Österreich 11, 15, 17, 20f., 24, 94, 96ff., 103, 106, 111, 116, 118, 140f., 143, 153, 159, 161, 164, 168, 175f., 181, 201ff., 206, 209, 224, 229-260, 262, 276, 283, 292, 304, 306, 312-316, 324, 326, 328, 334, 341f., 349f., 357, 370 Oettingen-Wallerstein, Gf. v. 81 f. Orléans 383 Osmanisches Reich 159,230, 353 Paderborn 26, 144, 150, 177 Paris 18,21, 36f., 56, 62, 140f., 176, 207, 225, 228, 240,242,271,276, 309, 318, 328, 330f„ 344, 348, 368, 375, 379,383 Päris-Duvemey, Joseph 107, 224, 318 Pâris-Montmartel, Jean 107, 224, 318, 375 Parma 323, 365f. Pascault, Jacques 35, 383 Passarowitz 91 Paulmy d'Argenson, Antoine René de Voyer Mq. de 224 Pecquet, Antoine II 89 Peter I. der Große, Zar 91, 370 Peter III., Zar 207f„ 291, 300, 302, 364 Pfalz 119, 178,203, 273,314, 374, 383 Pfalz-Neuburg, Franz Ludwig v. 33 Pfeffel, Christian Friedrich 40,49, 54, 78, 114, 383 Pfeffel, Johann Konrad 383 Picard de Châteaumont 40, 62, 383 Pirna 179 Pithou, Pierre 48 Pitt, William 136,351 Philipp, Hg. von Orléans 105, 326, 336 Philipp, Hg. v. Parma u. Piacenza 323, 364ff. Piacenza 323, 366 Platon 312 Plotho, Erich Christoph v. 110, 140,381 Podewils, Heinrich Gf. v. 156, 158, 161, 165 Poellnitz, Karl Ludwig v. 160 Polen 23, 32, 58f., 115, 203, 230, 317, 340, 379, 385 Polybios 215 Pompadour, Jeanne-Antoinette Poisson, Mqse. v. 22, 43f., 70, 224, 226f., 229, 243, 271, 276, 319f., 325,344, 348, 377,383

416 Pondicherry 280 Portugal 373 Potsdam 197 Prades, Jean Martin Abbé de 64, 160 Prag 186f., 216, 223,249, 253 Praslin, César-Gabriel de Choiseul-Chevigny, Hg. v. 12, 32, 38-42, 50, 53f., 79f., 85, 95-98, 114f., 141, 151, 184f., 195f„ 198, 200ff., 207, 221, 273-290,292f., 295,299, 302, 304-307, 376,384 Preußen 16f., 20f., 23f., 26f., 43, 52f., 65, 72, 82, 84f., 91, 94, 96-99, 102, 105, 116-118, 121, 123, 132f., 137, 141, 150, 153-220, 230, 234-237, 239ff., 244f., 246, 253f., 261, 268, 274, 289, 299, 304, 307, 312-317, 322, 328, 338-342, 345-350, 354,370,380, 383f. Pütter, Johann Stephan 75 Pufendorf, Samuel 74, 340 Puyzieulx, Louis Philogène Brulart, Gf. v. Sillery, Mq. v. 92f., 156,271, 311,317, 327, 359f. Quebec 280 Queich 364 Radix de Sainte-Foy, Claude Pierre Maximilien 38, 46,221,226,291,384 Raesfeldt, Gottfried Freiherr v. 147 Rastatt 33,320 Ratte, Claude Alexis 39, 133, 175f., 187, 221, 225, 246f., 250, 252ff., 259f., 263, 308f., 348, 384 Reich, Heiliges Römisches dt. Nation 14, 16, 25, 71-77, 152,202, 311f., 353, 361,370 Regensburg 80, 83, 85, 88, 110, 122, 185, 278, 362, 378, 381 Rembrandt 384 Rhein 266,353 Richelieu, Armand-Jean Du Plessis, Kardinal v. 30, 72, 92,96f., 101,181,271, 312, 335, 345,350, 352 Richelieu, Louis François Armand Du Plessis, Hg. v., Marschall 39, 136, 139,202, 264, 327 Rieben, Baronin v. 64 Rijswijk 33,105,151,320,366 Rödel Walter G. 328f. Rohan, Henri de 48 Rom 149,226,374f., 377,383 Rosbach 28, 39, 129, 131, 140, 183, 188-193, 204, 250,261,264,309, 351 Rouillé, Antoine Louis, Gf. v. Jouy u. FontaineGuerin 24, 32, 34, 52, 92f., 108ff., 116, 121, 128, 131, 161, 180, 182, 187, 232f., 236, 240ff., 249, 321, 324, 328ff„ 368f. Rousseau, Jean Jacques 70f., 340

Register Rousset de Missy, Jean 58 Rubens, Peter Paul 384 Rußland 11, 14,20f., 23, 32,42, 58f., 97, 99, 118f., 159, 161, 164, 169, 175, 206f., 283, 291f., 298f., 302f., 313, 317, 340f., 347, 358f., 361, 364, 370 Sachsen 23, 27, 64, 67, 72, 84, 87, 102, 105, 108, 111,116f., 120, 122, 135f., 172ff., 176-179, 181f., 184f., 189, 193, 196, 198-201, 203f., 208, 246, 263ff., 267,291, 315, 348, 358f., 369, 375f., 385 Sachsen, Moritz v. 215, 309, 351 Sachsen-Hildburghausen, Joseph-Friedrich Prinz v. 250 Sachsen-Weimar 116 Saint-Contest, François Dominique Barberie de 23, 32, 52, 92f., 328 Saint-Florentin, Louis Phélypeaux, Hg. v. La Vrillière, Gf. v. 243 St.-George 62 Sainte-Foy, Radix siehe Radix Saint Pierre, Charles Irénée Castel, Abbé de 92 San Remo 93,232 St. Petersburg 97, 151, 161, 169, 207, 254, 283, 291f., 299, 302f., 359, 370, 375, 383 Sansovino, Francesco 49 Sardinien, Kgr. 99, 253, 313, 316 Saumur 376 Savoyen 92 Scheffer, Baron 159 Schieder, Theodor 23, 174 Schilling, Heinz 80 Schilling, Lothar 24f„ 328 Schindling, Anton 145 Schlesien 64, 164, 171, 177, 184f., 189, 193, 195, 201, 209, 245, 253, 261, 265, 267, 280, 282, 285, 287,291,296,300, 305, 313, 322, 328, 334, 342f., 349f„ 353f., 356, 360, 363 Schleswig, Hgtm. 364 Schmalz, Theodor 81 Schmid, Alois 22,279 Schönborn, Lothar Franz v., Kf. v. Trier 33, 148 Schönbrunn 263 Schöpflin, Johann Daniel 17, 49, 227, 377 Schroff, Johann Adam Baron v. 62 Schwaben 353, 355, 361 Schweidnitz 208,291, 300, 303 Schweiz 32, 385 Schweden 84f., 86f., 119, 122f., 203, 278, 300f., 322, 335, 346, 357f., 360, 362f., 380 Schweder, Christoph Schweder 58

Register Schwend, François-Nicolas 33 Schwerin 173 Seilern, Gf. v. 81 Seinsheim, Adam v., Bf. v. Bamberg u. Würzburg 125, 128 Serbien 354 Sigismund, Kaiser 212 Silhon, Jean de 103 Siri, Vittorio 48 Sizilien, Kgr. 323, 353f. Skalweit, Stephan 22f., 153, 182, 185 Soissons 320 Solothurn 110,122 Soltikow 115 Sophie Dorothea v. Hannover 156 Soubise, Charles de Rohan, Prince de 188, 190, 192,202,261,264 Spanien 45, 59, 102, 192, 228, 273, 292, 327, 342, 344 Spree 282 Stadion, Gf. 331 Staël, Germaine Necker, Baronin v. Staël-Holstein, gen. Madame de 28 Stainville, Fraçois-Joseph de Choiseul, Mq. de 107, 249,348 Starhemberg, Georg Adam Gf. v. 44, 46, 108f., 120,229,242,264,271,319f„ 328 St. Dominique 374 Steiermark 257 Stockholm 375 Straßburg 227, 379ff., 383 Sylva-Tarouca, Gfin, Sylva e Menezes, Johanna Amalia 255 Sylva-Tarouca, Manuel Tellez de Menezes e Castro, Gf. v. 259 Tacitus 27 Tecklenburg 144 Tencin, Pierre Guérin de, Kardinal 94, 224 Tercier, Jean-Pierre 32, 59, 66, 327 Teschen, Friede v. 347 Teufel von Birkensee, Karl Wilhelm, FrhrT. 82 Tholey 36 Thüringen 369 Thukydides 48 Thunder-ten-Tronck, Baron 29 Thum und Taxis, Ferdinand Fürst v. 81 Torcy, Jean-Baptiste Colbert, Mq. v. 17, 32f., 48, 70,92,311 Torgau 39, 196f„ 273, 283

417 Toskana, Ghgtm. 366 Toul 376, 378 Transsylvanien 230, 256, 349 Trauttmannsdorff, Maximillian, Gf. v. 15 Trier 33, 35f., 61, 103, llOf., 144, 315, 348, 355, 358, 374 Triest 314, 356 Tschernyschew, Iwan 291 Turin 99,169,310, 323, 375 Tyrconnel, Richard Talbot, Gf. v. 52f., 154-159, 380 Uhlfeld, Corfiz Anton 258 Ulm 69, 181 Ungarn 52, 230,243,256 USA 13,227 Utrecht 320, 366f., 372 Valois 30,92 Valory, Charles Guy, Mq. v. 52, 64, 154f., 158, 165, 176,215,347,384 Van Dyck, Anton 384 Vaux-le-Vicomte 384 Venedig 19,51,71,319,385 Verdun 376, 378 Vergennes, Charles Gravier, chevalier, später Gf. v. 37, 111,152,227,346,348,379 Versailles 14, 16fT., 23, 26, 29f„ 35f., 39, 41f., 45, 50f., 53, 62, 64, 105, 111, 122f., 128, 142f., 149, 152, 163, 167f., 170, 175, 180, 186, 192, 198, 203, 205,213,223,229, 231, 244, 249, 262, 267f., 271, 273, 275, 289, 293f., 298f., 302f., 305, 307, 310, 314,320, 323f., 326, 328, 330, 344f., 348, 350,384 Viguerie, Jean de 21 Viktor Amadeus II., Hg. v. Savoyen 366 Villars, Claude Louis Hector, Hg. v. 320 Villeneuve, Mq. 364 Vincennes 18 Virginia 60, 373 Vockerodt, Johann Gotthilf 156 Voltaire, François Marie Arouet gen. 28f., 154, 157, 159f., 172,226, 346 Vorpommern 203 Waddington, Richard 22, 25f., 308 Walachei 354 Walcknitz 82 Waldberghoff-trerbk-dikdorff 29 Walderdorff, Johann-Philipp v., Kf. v. Trier 111, 145, 148,181 Wallenstein, Albrecht Wenzel Fürst v. 89 Walpole, Robert 327

418 Warschau 37, 176 Weis, Eberhard 23 Weimar 127, 137 Wesel 165, 177, 355 Westfalen 118, 136, 144, 178, 338, 369 Wicquefort, Abraham de 47f., 55, 57, 63 Wien 12, 23, 25f., 37, 40f., 44, 65, 69, 80, 84, 89, 92, 107f., llOf., 115, 117, 120, 122f., 130, 133f„ 137, 141f„ 150, 168, 173f„ 181, 186, 188f., 196, 203ff„ 210, 221f„ 229-262, 267, 272f., 275ff., 280, 284, 289, 292f., 296, 298-303, 308-313, 317-320, 324-328, 331, 334, 343f., 348,350, 352, 359, 364f., 367f., 374-379,382,384 Wilhelm III. v. Oranien, Kg. v. England 101 Wilhelm VIII., Lgf. v. Hessen-Kassel 125, 127f., 137,277 Worms 150, 355 Württemberg 69, 142, 181,273, 314, 356, 360, 381 Würzburg 125f., 140, 142 Ypern 366 Zerbst 63f. Zetwitz-Liebenstein, Peter Emanuel Frhr. 63 Zinzendorf, Ludwig Gf. 297 Zorndorf 195 Zuckmantel, François Antoine Pacifique 29, 62, 87, 177ff., 183, 186f., 191, 385

Register

Geist und Macht Friedrich der Große im Kontext der europäischen Kulturgeschichte Herausgegeben von Brunhilde Wehinger 2005. 310 S„ 33 Abb., 170 χ 240 mm Geist und Macht .»www«,

Gb., € 49,80

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ISBN 3-05-004069-6

Aus kulturwissenschaftlieher Perspektive steht Friedrich der Große in einer historischen M Konstellation, die aufschlussreiche Einblicke t^ÜSää Friedrich der lìmite in die spezifischen Möglichkeiten und Grenzen im Knntml