Früherkennung von Erfolgsfaktoren im unternehmerischen Alltag: Das Dresdner Referenzmodell vitaler mittelständischer Industrieunternehmen [1 ed.] 9783896445230, 9783896735232

Amöben als lebende Organismen gestalten ihre Zukunft in der ständigen Anpassung gegenüber sich verändernden Umweltbeding

123 36 25MB

German Pages 198 Year 2009

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Früherkennung von Erfolgsfaktoren im unternehmerischen Alltag: Das Dresdner Referenzmodell vitaler mittelständischer Industrieunternehmen [1 ed.]
 9783896445230, 9783896735232

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Oliver Crönertz ¨Peter Kögler ¨Oliver Zimmert

Früherkennung von Erfolgsfaktoren im unternehmerischen Alltag Das Dresdner Referenzmodell vitaler mittelständischer Industrieunternehmen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Oliver Crönertz ⎪ Peter Kögler ⎪ Oliver Zimmert

Früherkennung von Erfolgsfaktoren im unternehmerischen Alltag Das Dresdner Referenzmodell vitaler mittelständischer Industrieunternehmen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-523-2

© Verlag Wissenschaft & Praxis

Dr. Brauner GmbH 2009 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. +49 7045 930093 Fax +49 7045 930094 [email protected] www.verlagwp.de

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

5

Vorwort „Montags 18:00 Uhr – Sitzungszeit. An der Wand hängen die Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung. Alle sind anwesend. Wir können anfangen: Organisation der Abläufe, Termine vereinbaren, Präsentation von Ideen und Ergebnissen. Diskussionen. 3 Stunden später, die Luft im kleinen Raum ist stickig, die Münder nach den zum Teil hitzigen Gesprächen trocken.“ Das Forscherteam um Prof. Dr. Artur Friedrich sitzt in den Räumlichkeiten der Gründungsschmiede an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden zusammen. Die Frage, warum einige Industrieunternehmen der Dresdner Region in den letzten Jahren so außerordentlich erfolgreich waren, stellte den Ausgangspunkt für die Entstehung des Projektes „Frühwarnsystem – Modelllösungen für Dresdner Industriebetriebe im Fertigungsbereich“ (kurz Projekt FWS) dar. Nach einer gründlichen Literaturanalyse konnte sich das Forscherteam einen ersten Eindruck darüber verschaffen, wie differenziert Erfolgsfaktoren in Unternehmen beschrieben werden. Schnell war ein erstes, eher statisches Basismodell der Unternehmenssteuerung überwunden. So erlebte die „Unternehmensamöbe“ als Sinnbild ständiger Anpassung an die Märkte ihre Geburt. Durch Befragungen und Diskussionen wuchs die Amöbe an Komplexität und an Genauigkeit. Die Vielzahl von Aussagen der befragten Unternehmer1 stellte nicht nur das Tabellenkalkulationsprogramm, sondern auch das Team auf eine harte Probe, was Übersichtlichkeit und Verständnis betraf. Experten und Unternehmer bestärkten das Team durch ihre Bestätigungen und Anregungen auf diesem Weg. Durch eine standardisierte Befragung konnten die Ergebnisse untermauert werden. Daraus entstand das Dresdner Referenzmodell, eine Arbeitsgrundlage zur Beschreibung und Analyse erfolgreicher Unternehmensführung mittelständischer Dresdner Industriebetriebe. Das Projektteam bedankt sich bei der interdisziplinären Expertengruppe und den Unternehmern des Dresdner Industrierats, die mit ihrer Aufgeschlossenheit, ihrem Wissen und ihrer konstruktiven Kritik dazu beigetragen haben, das FWS-Projekt voranzutreiben. Um dem eingeflossenen Praxisbezug gerecht zu werden, finden 1

Im nachfolgenden Text ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Personenform gewählt worden.

6

sich im Text an verschiedenen Stellen zitierte Auszüge aus den Impulsen von Experten und Unternehmern. Unser Dank gilt zudem dem SMWK2, das mit der Finanzierung das Projekt ermöglicht hat. Ihr FWS Projektteam3 Prof. Dr. Artur Friedrich Oliver Crönertz Peter Kögler Bert Reichert Oliver Zimmert Sven Halank Marc Mehlhorn Ronny Möller Uwe Nake Mitko Ufer Sabine Unger Dresden im Frühjahr 2009

2 3

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Eine Aufstellung der Profile der am Buch beteiligten Teammitglieder befindet sich in Anlage 1.

7

Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................................... 5  Inhaltsverzeichnis ................................................................................................... 7  Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 10  Tabellenverzeichnis............................................................................................... 13 1  Einleitung ........................................................................................................ 15 2  Grundlagen ..................................................................................................... 19  2.1  Wie lernen Unternehmer? ......................................................................... 19  2.2  Das fraktale Unternehmen nach WARNECKE ............................................ 22  2.3  Theoretischer Hintergrund: Vitalität von Unternehmen ........................... 26  2.4  Früherkennung von Erfolgsfaktoren im unternehmerischen Alltag ......... 27  2.4.1  Erfolgsfaktoren ..................................................................................... 27  2.4.2  Früherkennung ...................................................................................... 36  2.4.2.1  Früherkennung als Teil des Risikomanagements .......................... 36  2.4.2.2  Früherkennung zur Vermeidung von Unternehmenskrisen .......... 37  2.4.2.3  Frühwarnung, Früherkennung und Frühaufklärung ...................... 40  2.4.2.4  Erscheinungsformen von Frühwarnsystemen................................ 42  2.4.2.5  Früherkennung als Risiko- und Chancenmanagement .................. 46  2.4.3  Früherkennung im unternehmerischen Alltag ...................................... 47  2.4.3.1  Früherkennung durch Verarbeitung von Erlebnissen .................... 47  2.4.3.2  Vor- und Nachteile der Selbstbewertung ...................................... 48 3  Forschungsdesign ........................................................................................... 51  3.1  Projektablauf ............................................................................................. 51  3.2  Projektphasen und Zwischenergebnisse.................................................... 52  3.2.1  Literaturanalyse .................................................................................... 52  3.2.1.1  Ziel ................................................................................................. 52  3.2.1.2  Methodik ........................................................................................ 53  3.2.1.3  Zwischenergebnisse ....................................................................... 57 

8

3.2.2  Experteninterviews ............................................................................... 59  3.2.2.1  Ziel ................................................................................................. 59  3.2.2.2  Methodik ........................................................................................ 59  3.2.2.3  Zwischenergebnisse ....................................................................... 73  3.2.3  Unternehmerinterviews ........................................................................ 78  3.2.3.1  Ziel ................................................................................................. 78  3.2.3.2  Methodik ........................................................................................ 78  3.2.3.3  Zwischenergebnisse ....................................................................... 83  3.2.4  Unternehmer- und Experten-Workshop ............................................... 87  3.2.4.1  Ziel ................................................................................................. 87  3.2.4.2  Methodik ........................................................................................ 87  3.2.4.3  Zwischenergebnisse ....................................................................... 88  3.2.5  Schriftliche Befragung .......................................................................... 89  3.2.5.1  Ziel ................................................................................................. 89  3.2.5.2  Methodik ........................................................................................ 89  3.2.5.3  Zwischenergebnisse ....................................................................... 99 4  Forschungsergebnisse (Vitalitätskonzept) ................................................. 103  4.1  Das vitale Dresdner Unternehmen .......................................................... 103  4.2  Das Modell vitaler Unternehmen (10-D-Modell) ................................... 106  4.3  Das Dresdner Referenzmodell ................................................................ 114  4.4  Die Bewertung des 10-D-Modells .......................................................... 117  4.4.1  Grundlagen der Bewertung ................................................................. 117  4.4.2  Die Bewertungsmethodik ................................................................... 118  4.4.3  Die Bewertung an einem Beispiel ...................................................... 121  4.4.3.1  Einordnung in die Bewertungslogik ............................................ 121  4.4.3.2  Hintergrund und Informationsquellen ......................................... 123  4.4.3.3  Bewertungsmethode .................................................................... 124  4.4.3.4  Interpretation und Nutzung der Bewertung ................................. 128  4.5  Die Anpassung des Referenzmodells an das individuelle Geschäftsmodell von Unternehmen........................................................ 129  4.5.1  Die Systematisierung des Geschäftsmodells ...................................... 129  4.5.2  Die Modellierung des individuellen Unternehmensmodells .............. 131

9

5  Methodische Einordnung des Vitalitätskonzeptes .................................... 133  5.1  Das Vitalitätskonzept als integratives Entscheidungsunterstützungsinstrument für die Früherkennung ........... 133  5.2  Das Vitalitätskonzept als Frühwarnsystem für den Mittelstand ............. 138  5.3  Das Vitalitätskonzept als taktisches Managementinstrument ................. 140  5.3.1  Vom strategischen zum taktischen Management ............................... 141  5.3.2  Definitionsansatz taktisches Management ......................................... 143  5.3.3  Taktisches Management im Mittelstand ............................................. 146  5.4  Das Vitalitätskonzept im Vergleich zu Basel II und EFQM .................. 150  5.4.1  Anforderungen bei der Unternehmensbewertung .............................. 150  5.4.2  EFQM-Modell .................................................................................... 150  5.4.3  Ratingsysteme nach Basel II............................................................... 153  5.4.4  Zusammenfassung .............................................................................. 156 6  Zusammenfassung und Ausblick ................................................................ 157  6.1  Zusammenfassung ................................................................................... 157  6.2  Ausblick: Vision Software ...................................................................... 158  6.3  Ausblick: Kundenbedarf ......................................................................... 164 Literaturverzeichnis ........................................................................................... 165  Anhang ................................................................................................................. 171 

10

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Entscheidungstheoretisches Modell zur Beschreibung, Analyse und Prognose krisenbewältigenden Verhaltens .................................. 20  Abbildung 2: Ebenen-Modell nach WARNECKE ..................................................... 23  Abbildung 3: Überarbeitetes Ebenen-Modell ......................................................... 26  Abbildung 4: Chancen-Risiken-Matrix .................................................................. 28  Abbildung 5: Erfolgsfaktoren, -potenziale und -objekte ........................................ 30  Abbildung 6: Teilsysteme des Unternehmenserfolges ........................................... 31  Abbildung 7: Umfeld- und Unternehmensanalyse ................................................. 32  Abbildung 8: Exemplarisches Netzwerk am Beispiel einer Publikumszeitschrift ................................................................................ 34  Abbildung 9: Exemplarische Einflussmatrix am Beispiel einer Publikumszeitschrift ................................................................................ 35  Abbildung 10: Kernelemente eines Risikomanagementsystems ............................ 36  Abbildung 11: Phasen des Krisenprozesses............................................................ 38  Abbildung 12: Abgrenzung der Begriffe Frühwarnung, Früherkennung, Frühaufklärung.................................................................................................. 41  Abbildung 13: Eigenorientierte Frühwarnsysteme ................................................. 42  Abbildung 14: Zusammenhang zwischen Entwicklungsstadium der Bedrohung und Manövrierfähigkeit der Unternehmung .................................. 45  Abbildung 15: Projektablauf ................................................................................... 51  Abbildung 16: Projektplan von Projekt Frühwarnsystem ...................................... 52  Abbildung 17: Beispiel eines Abstracts aus der Literaturanalyse .......................... 54  Abbildung 18: Beispiel einer Kriterien-Quellen-Matrix der Literaturanalyse ....... 55  Abbildung 19: Beispiel einer Dimensionen-Kriterien-Matrix der Literaturanalyse .......................................................................................... 56  Abbildung 20: „lebendes“ Unternehmen mit seinen Vitalitätsdimensionen .......... 57  Abbildung 21: Methodisches Vorgehen bei Interviews ......................................... 60  Abbildung 22: Methodisches Vorgehen im Experteninterview ............................. 63  Abbildung 23: Organisation der Experteninterviews ............................................. 64  Abbildung 24: Verteilung der Experten nach Berufsgruppen und Anteil .............. 65  Abbildung 25: Beispiel eines Abstracts aus den Experteninterviews .................... 70 

11

Abbildung 26: Beispiel einer Kriterien-Quellen-Matrix aus den Experteninterviews..................................................................................... 72  Abbildung 27: Beispiel einer Dimensionen-Kriterien-Map aus den Experteninterviews .............................................................................. 73  Abbildung 28: Beeinflussung zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Experteninterviews .............................................................................. 76  Abbildung 29: modifizierte Struktur des „lebenden“ Unternehmens ..................... 77  Abbildung 30: Verteilung der Unternehmer nach Branche und Anteil .................. 79  Abbildung 31: Beispiel eines Unternehmerinterview-Abstracts ............................ 81  Abbildung 32: Beispiel einer Kriterien-Quellen-Matrix aus den Unternehmerinterviews ....................................................................... 82  Abbildung 33: Beispiel einer Dimensionen-Kriterien-Map aus den Unternehmerinterviews ....................................................................... 83  Abbildung 34: Beeinflussung zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Unternehmerinterviews ..................................................................... 86  Abbildung 35: Beispiel für die Gewichtung der Faktoren (Beispiel Standort) ...... 91  Abbildung 36: Verteilung der Befragten ................................................................ 94  Abbildung 37: Gesamtverteilung des Rücklaufs .................................................... 96  Abbildung 38: Auswertungsstruktur der Fragebögen............................................. 97  Abbildung 39: Vielfaltssteigerung durch Unternehmenswachstum ..................... 104  Abbildung 40: Das 10-D-Modell .......................................................................... 109  Abbildung 41: Hierarchiemodell des 10-D-Modells ............................................ 112  Abbildung 42: Aufbau des 10-D-Modells ............................................................ 113  Abbildung 43: Das Dresdner Referenzmodell ...................................................... 115  Abbildung 44: Kladogramm des Referenzmodells............................................... 116  Abbildung 45: Elemente einer Bewertung............................................................ 117  Abbildung 46: Zusammenhang zwischen Validität und Reliabilität am Beispiel einer Zielscheibe ......................................................................... 118  Abbildung 48: Beispielhafte Bewertungsskala ..................................................... 119  Abbildung 47: Grundaufbau der Bewertung ........................................................ 119  Abbildung 49: Bewertungsverfahren des Dresdner Referenzmodells und Einordnung der in diesem Abschnitt behandelten Bewertungsmethode ........ 122  Abbildung 50: Portfolio mit kumuliertem Umsatzanteil & Länderkategorien .... 125  Abbildung 51: Bewertungsmethode ..................................................................... 126  Abbildung 52: Aufbau eines Systems ................................................................... 130 

12

Abbildung 53: Graphendarstellung ....................................................................... 131  Abbildung 54: Phasen zum Modellaufbau und Bewertung des Geschäftsmodells ............................................................................................ 132  Abbildung 55: Mögliche interne und externe Beobachtungsbereiche.................. 135  Abbildung 56: Fokussierung des Beobachtungsfeldes auf Basis ......................... 136  Abbildung 57: Das Vitalitätskonzept als integratives Entscheidungsunterstützungsinstrument......................................................... 137  Abbildung 58: Taktische Frühwarnsysteme ......................................................... 139  Abbildung 59: Grundmodell strategisches Management ..................................... 142  Abbildung 60: Hierarchische Struktur der Unternehmensebenen ........................ 143  Abbildung 61: Problem der Nischenpolitik .......................................................... 147  Abbildung 62: Transformationszyklus entlang der Management-Ebenen ........... 149  Abbildung 63: Unternehmensanforderungen ....................................................... 151  Abbildung 64: Das EFQM-Excellence-Modell .................................................... 152  Abbildung 65: Kernkriterien eines Bankenratings ............................................... 155  Abbildung 66: Data-Warehouse-Konzept ............................................................ 158  Abbildung 67: Typen von Führungssystemen und deren Einordnung ................. 160  Abbildung 68: Aufbau der Software ..................................................................... 163 

13

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Selbstbewertung ......... 50  Tabelle 2: Überblick über problemfokussierte Interviewformen ........................... 61  Tabelle 3: Berufsgruppen der Experten .................................................................. 65  Tabelle 4: Überführung der Erfolgsfaktoren an einem Beispiel............................. 69  Tabelle 5: Übersicht über die Gewichtungen der Vitalitätsdimensionen aus den Experteninterviews .............................................................................. 74  Tabelle 6: Übersicht über die Einflussstärken zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Experteninterviews .......................................... 75  Tabelle 7: Branchen der Unternehmer .................................................................... 79  Tabelle 8: Übersicht über die Gewichtungen der Vitalitätsdimensionen aus den Unternehmerinterviews ....................................................................... 84  Tabelle 9: Übersicht über die Einflussstärken zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Unternehmerinterviews ............................ 85  Tabelle 10: Verteilung der angeschriebenen Befragten.......................................... 93  Tabelle 11: Verteilung der angeschriebenen Befragten und Rücklauf der Befragung .................................................................................... 95  Tabelle 12: Beispielhafte Gewichtungsermittlung aus den Punktwerten der Fragebögen ........................................................................................................ 98  Tabelle 13: Vorgehensweise zur Zusammenführung der Gewichtungen............. 100  Tabelle 14: Zusammenführung der Dimensionsgewichtungen ............................ 101  Tabelle 15: Zusammenführung der Faktorengewichtungen ................................. 102  Tabelle 16: Veränderungen der Organisationsformen in Abhängigkeit von Krisen und Wachstum.............................................................................. 105  Tabelle 17: Beschreibung der Dimensionen ......................................................... 108  Tabelle 18: Datenbasis zur Bewertung „Gesellschaftliche Bedingungen im Zielland“ .................................................................................................... 125  Tabelle 19: Kennzeichnung strategischer, taktischer und operativer Planung ..... 144 

15

1

Einleitung

Früherkennung – im Sinne von Frühwarnsystemen (FWS) – findet in unzähligen Bereichen Anwendung, sei es im Hochwasserschutz, der Krankheitsvorsorge oder der Terrorismusabwehr. Ziel dabei ist immer das Gleiche: möglichst frühzeitig über Entwicklungen informiert zu werden, damit nach deren Interpretation entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können. Dieser Sachverhalt spielt auch für Unternehmen eine große Rolle. Gerade in Märkten mit hoher Dynamik und Komplexität kann es existentiell wichtig sein, sich auf anstehende Veränderungen einzustellen. Das gilt aber nicht nur im negativen Sinne für die Abwehr von Risiken, sondern auch in positiver Hinsicht für die Wahrnehmung von Chancen. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie sich diesen Herausforderungen des Marktes bewusst stellen. Die dazu notwendigen Voraussetzungen werden von den Autoren unter dem Begriff „Vitalität“ als die mittelfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens zusammengefasst. „Unternehmer kommt von was unternehmen.“ „Je robuster die Vitalität eines Unternehmens, desto eher ist es den Herausforderungen des Marktes gewachsen.“ Diese Kernthese hat das Projektteam in Kooperation mit dem Dresdner Industrierat (kurz DIR), einem Arbeitskreis des BVMW4, bestehend aus mittelständischen Fertigungsbetrieben aus Dresden, untersucht. Ziel war es, zu erforschen, was erfolgreiche, d.h. „vitale“ Unternehmen auszeichnet. Werden erfolgreiche Unternehmen z.B. durch zielgerichtete Strategien, eine umfangreiche Ressourcenausstattung oder eine prägende Unternehmerpersönlichkeit bestimmt? Sind regionale, technologische, branchenverbundene, organisatorische, mitarbeiterbezogene oder andere Bedingungen ein Vorzug oder ein Nachteil? Wie beherrschen am Markt aktuell erfolgreiche Unternehmen die sich ständig verändernden Anforderungen? Sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren bekannt, kann ein Früherkennungssystem konzentriert für die Erfolgsvorsorge in guten wie in schlechten Zeiten eingesetzt werden. Zur Beantwortung dieser Fragen hat das Projekt „Frühwarnsystem – Vitalität für Wachstumsunternehmen – Modelllösungen für Dresdner Industriebetriebe im Fertigungsbereich“ von Mai 2007 bis Dezember 2008 das Dresdner Referenzmodell geschaffen, welches geschäftsmodellbezogen in Handlungsanleitungen übertragen werden kann. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich bewusst mit erfolgreichen 4

Bundesverband mittelständische Wirtschaft

16

Unternehmen und den dahinter stehenden – teils versteckten „success stories“, in der Literatur auch als so genannte hidden champions5 bekannt. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, durch die Verfolgung welcher Chancen man „etwas richtig machen kann“ und nicht nur wie üblich durch Vermeidung welcher Risiken man „etwas nicht falsch machen sollte“. Obwohl das Thema in diesem Kontext in der Literatur unter dem Begriff des Risikomanagements angesiedelt ist, versteht sich die vorliegende Arbeit aus oben genannter Begründung eher als Beitrag zum Chancenmanagement. Zur Operationalisierung dieses unternehmerischen Vitalitätskonzeptes wird im nächsten Schritt ein onlinebasiertes Frühwarnsystem angestrebt, welches den Anwendern dabei helfen soll, ihre Organisation zur rechten Zeit auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. „Man muss an gewissen Stellen immer einen Plan B haben.“ Im deutschen Mittelstand sind Frühwarnsysteme im Allgemeinen noch nicht weit verbreitet. So zeigt eine Studie des BUNDESVERBANDES DEUTSCHER UNTERNEHMENSBERATER (BDU), dass gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der befragten Mittelständler (57 %) ein Frühwarnsystem nutzt.6 Das ist eigentlich verwunderlich, da diese i.d.R. den gleichen Bedingungen ausgesetzt sind wie Großunternehmen. Typischstes Argument gegen die Nutzung ist der hohe Betreibungsaufwand; strategisches Management wird oftmals als zu kompliziert gesehen.7 Studien belegen, dass im mittelständischen Management oft diese strategische Sensibilität fehlt. Obwohl ca. 90 % der Mittelständler Strategieplanung als wichtigen Erfolgsfaktor einschätzen, finden rund 60 % nicht ausreichend Zeit dafür.8 Bei ca. 20 % muss gar erst eine Liquiditätskrise vorliegen, bevor diese mit der Anpassung ihres Unternehmens beginnen!9 In Folge dessen gehen Studien davon aus, dass über 80 % der Krisenursachen im Mittelstand „hausgemacht“ sind – insbesondere durch Managementfehler.10 Häufig werden gerade in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten, sprich bei Wachstumsunternehmen, nicht die Weichen für die Zukunft gestellt. Ist die Krise dann erst deutlich zu sehen, ist es für Gegenmaßnahmen oft schon zu spät. 5

6

7 8 9 10

Hidden champions sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die mit unauffälligen Produkten bis zu 90 % des Weltmarktes beherrschen. Vgl. SIMON: Die heimlichen Gewinner: die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, 1998. Vgl. BDU E.V.: Frühwarnindikatoren, 2005, S. 2; Die Studie diente primär der Einschätzung der Bedeutung von Frühwarnindikatoren im Mittelstand von Baden-Württemberg. Vgl. HOFMANN, M.: Unternehmensstrategie – Vorfahrt für Strategen, 2007, S. 16. Vgl. ebenda. Vgl. JÄGER, R.: Tag der Wahrheit, 2007, S. 75. Vgl. SCHLEBUSCH, W.: Unternehmenskrisen im Mittelstand-Entwicklung, Symptome, Bewältigung, 2007, S. 8.

17

Auch geschichtliche Ereignisse unterstreichen diese Feststellung. So wird die Forderung nach Frühwarnsystemen immer erst dann laut, nachdem eine bestimmte Notlage eingetreten ist, z.B. die Tsunamikatastrophe, die Anschläge vom 11. September, der Ausbruch der Vogelgrippe oder die aktuelle Finanzmarktkrise. In diesem Zusammenhang ist der Nutzen einer Frühwarnung „Zeitgewinn, welcher für die Ereignisbewältigung erreicht wird.“11 Die Lösung? Das Motto „Agieren statt Reagieren“ sollte in die betriebliche Planung, Steuerung und Kontrolle eingebaut werden – auch wenn es Mühe macht, die dazu erforderlichen Daten zu erhalten und auszuwerten. Die Datengewinnung muss in diesem Zusammenhang nicht immer durch großen Aufwand und externe Experten erarbeitet werden. Gerade Mittelständler sind, wie später noch ausführlicher thematisiert wird, stark im unternehmerischen Alltag behaftet und haben dadurch einen guten Überblick über das betriebliche und überbetriebliche Geschehen. Beispiele dafür können Gespräche mit Lieferanten, Geschäftspartnern oder Kunden, ein gelesener Artikel in der Zeitung oder ein Impuls aus der Belegschaft sein. Eine Früherkennung von möglichen Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren findet damit implizit durch den Unternehmer statt, welche er oft in seinen „Bauchentscheidungen“ berücksichtigt. Das Problem dabei ist, dass diese Impulse oft in den Hintergrund – sprich die Schublade, den Papierkorb oder gar ganz aus dem Gedächtnis – geraten. Diese wichtige Informationsquelle zu nutzen und zu systematisieren, stellt die zentrale Herausforderung der vorliegenden Arbeit dar. Dabei bietet die moderne Informationstechnologie Möglichkeiten, die den Betreibungsaufwand sowie andere Anwendungshemmnisse (wie mangelnde Systematisierung) begrenzen. Genau auf eine solche unternehmerisch praktikable Lösung zielt das vorliegende Projekt ab. Es soll Unternehmer motivieren, Ordnung in ihren teils chaotischen Alltag zu bringen, um dadurch einen besseren Überblick zu gewinnen. Dabei sollen sie die Gelegenheit haben, ihre unternehmerische Intuition – eben jenes bereits erwähnte „Bauchdenken“ – abbilden und bewerten zu können. „Aus dem Bauch heraus zu entscheiden ist nicht falsch, nur Fakten dazu zu sammeln ist es auch nicht!“ Durch ein aufwändiges qualitatives und quantitatives Forschungsdesign wird aus einem Steuerungskanon von Erfolgsfaktoren das wachstumsrelevante Vitalitätskonzept extrahiert. Auf Basis des ermittelten Referenzmodells können durch individuelle Modellierung und Bewertung Handlungsempfehlungen generiert wer11

READ, M.: Konzeption und Inbetriebnahme eines Frühwarnsystem, 2005, S. 8.

18

den. Diese Grundlagen sollen in ein online-basiertes Frühaufklärungssystem als „spielerisches“ Simulationsprogramm für Unternehmer überführt werden.12 Es ergänzt damit die bewährten betrieblichen und überbetrieblichen Steuerungssysteme. Im 2. Kapitel werden die zentralen Theorien und Modelle, auf denen diese Arbeit beruht, näher erläutert. Daran schließt sich die Beschreibung der vorgenommenen Projektphasen an (Kapitel 3). Kapitel 4 beschreibt die erarbeiteten Forschungsergebnisse, welche im 5. Kapitel in den eingangs beschriebenen Wissenschaftskontext eingeordnet werden. Im abschließenden 6. Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf und deren Anknüpfungspunkte gegeben.

12

Vgl. Abschnitt 6.2 Ausblick: Vision Software

19

2

Grundlagen

2.1 Wie lernen Unternehmer? Die Dynamik am Markt führt zu permanenten Veränderungen innerhalb des Unternehmens. Diese Erkenntnis ist so etwas wie eine Binsenweisheit. Allerdings erhält diese Einsicht sehr schnell den Charakter eines Alleinstellungsmerkmals, wenn die Marktdynamik für ein Unternehmen zu strategisch gezielten und bedeutsamen Konsequenzen führt. Sind Strategien nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern werden daraus Programme abgeleitet, agieren Unternehmen taktisch. In diesem Zusammenhang wird damit auch stets der aktuelle Status Quo hinterfragt. An entscheidender Stelle für diese Dynamik steht der mittelständische Unternehmer. Um sein Verhalten bei der konkreten Gestaltung des eigenen Unternehmens zu analysieren, bieten sich Erkenntnisse aus der entscheidungstheoretischen Forschung an. Diese Überlegungen helfen auch die Frage zu beantworten, unter welchen Umständen Mittelständler bereit sind, ein Frühwarnsystem zu nutzen. Mit anderen Worten: wenn wir erkennen, wie ein Unternehmer lernt, können wir Vorhersagen wagen, warum sein Unternehmen Erfolg bzw. Misserfolg hat. Das hier referierte Modell basiert auf MARCH und SIMON in Verbindung mit lebenslaufsozialisationstheoretischen Erkenntnissen (siehe Abbildung 1). Im Modell wird davon ausgegangen, dass sich ein Mensch gewohnheitsmäßig verhält, also nur nach Neuem strebt, wenn er Diskontinuitäten/Krisen erlebt und dadurch unzufrieden wird. Trifft er dann bei seiner Suche nach „Zufriedenheit“ auf ein passendes und praktikables Werkzeug, wie das hier vorgestellte Frühwarnsystem, ist er gewillt, es zu nutzen. Das Registrieren von Krisen ist dabei abhängig von den im bisherigen Lebenslauf gemachten Erfahrungen.13

13

Vgl. MARCH, J.G. / SIMON, H. A.: Organisation und Individuum , 1976.

20

Abbildung 1: Entscheidungstheoretisches Modell zur Beschreibung, Analyse und Prognose krisenbewältigenden Verhaltens Quelle: in Anlehnung an MARCH, J.G. / SIMON, H. A.: Organisation und Individuum, 1976

Kumulative Erfahrungen: unternehmerisches Können und Wollen

Lebenslauferfahrungen vor der Unternehmensgründung/ -übernahme

Aktuelle Erfahrungen, Kompetenzen, Zielvorstellungen, Risikoeinstellung, Kontrollbedürfnis

Auftauchen von Krisen, Diskontinuitäten bei Unzufriedenheit

Persönlichkeit des/r Unternehmers/in

Verhaltenskontinuität

Bewertung Individuelle Bewertung

bei Zufriedenheit

Anspruchsniveau

Suche nach weiteren Modellen

Lösungssuche mit dem Wunsch nach Veränderung/Verbesserung

Wahrgenommenes Modell (Frühwarnsystem) Erwarteter Wert der Lösungsalternative

Abbruch der Suche

Such- und Entscheidungsprozess

Keine Lösung der Krise erwartet

Verbesserung erwartet mit Entscheidung

Einsatz des Frühwarnsystems

Misserfolge beim Einsatz der gewählten Lösungsalternative

Ungeeignete Lösung und Hinnahme der kritischen Lage

Umsetzung der Entscheidung

Aufgabe des Unternehmens

Unternehmensergebnis

Kreative Auseinandersetzung mit den hinderlichen Bedingungen, Etablierung des spezifischen Frühwarnsystems

Unternehmen überlebt

Unternehmen gefährdet

21

Die Aufmerksamkeit auf sogenannte Diskontinuitäten (Bewertung einer Situation als risiko-/ chancenreich) wird während der gesamten Sozialisation durch Erfahrungen gespeist. Sie werden somit Teil der Unternehmerpersönlichkeit und stabilisierender Faktor des Unternehmens. Taucht nun eine die bisherige Verhaltenskontinuität irritierende Situation auf und wird durch Beibehalten „alter“ Entscheidungen nicht beseitigt, entsteht Unzufriedenheit. Ist das Resultat der Bewertung dagegen Zufriedenheit, selbst wenn lediglich das Anspruchsniveau reduziert wird, bleibt alles beim Alten und gefährdet das Überleben des Unternehmens. Ist Unzufriedenheit das Ergebnis des Bewertungsprozesses, wird nach Lösungen gesucht, der Unternehmer verhält sich innovativ, er lernt. „… man muss in einer kritischen Situation, ob die jetzt rein wirtschaftlich ist oder ob man irgendwie sonst unter Druck ist, versuchen, das Zepter in der Hand zu behalten und irgendwie nicht aus der Hand zu geben“. Der Wunsch nach Veränderung veranlasst ihn, neben den altbekannten Modellen nach neuen Ausschau zu halten. Such- und Entscheidungsprozesse wechseln sich ab. Stößt der Unternehmer auf Ideen, die seinen Ansprüchen besser gerecht werden, ist er bereit „neue“ Entscheidungen zu treffen. Ist er enttäuscht von den gefundenen Modellen, vermutet er durch deren Einsatz keine besseren Lösungen, bricht er die Suche ab. Der Lernprozess stockt. Aber selbst im positiven Fall kommt es zu weiteren Gefährdungen des Lernprozesses. Erprobt er die neue Lösung und führt deren Einsatz nicht zu erkennbaren Erfolgen, kann der Versuch abgebrochen werden und die kritische Lage wird als „zwangsläufig“ hingenommen. Dies kann zur Gefährdung des Unternehmens und zur Aufgabe des Unternehmens führen. Bleibt der Unternehmer durch ermutigende Erprobungsversuche des neuen Denkens auf der Lernspur, kommt es immer mehr zu kreativen Auseinandersetzungen mit den Hindernissen einer ungestörten Neuorientierung, der Unternehmer ermuntert seine Umgebung, den Weg mitzugehen, die Überlebens-Chancen des Unternehmens steigen.

22

2.2 Das fraktale Unternehmen nach WARNECKE Den Ausgangspunkt für diese Untersuchung bildet das Ebenen-Modell nach WARNECKE14, welches ein Unternehmen aus verschiedenen Sichten beschreibt. Das dargestellte Modell erlaubt „einerseits eine handhabbare und deshalb komplexitätsreduzierende Betrachtung“15 und „vermeidet andererseits eine überkommene partikuläre Betrachtung von Einzelaspekten.“16 Der Ausgangspunkt von WARNECKE ist, dass durch die entstandene Komplexität in der heutigen Arbeitswelt (Globalisierung) Werkzeuge gefunden werden müssen, um in einem turbulenten Umfeld die unternehmensbeeinflussenden in- und externen Faktoren in einen Wettbewerbsvorteil umzumünzen. Dies muss zwangsläufig zu einem Paradigmenwechsel führen, „welches die Turbulenz der Umfeldbedingungen nicht ignoriert oder auszugegrenzen sucht, sondern die Vielschichtigkeit und Unvorhersehbarkeit des Geschehens bewusst akzeptiert.“17 Dieses Paradigma wird als das fraktale (gebrochene) Paradigma bezeichnet. Als Fraktal beschreibt WARNECKE „eine selbständig agierende Unternehmenseinheit, deren Ziele und Leistungen eindeutig beschreibbar sind. Fraktale organisieren und optimieren sich selbst und folgen widerspruchsfrei den Zielen des Unternehmens als Ganzes. Das Fraktale Unternehmen ist dann ein ganzheitlich offenes System, das aus selbständig agierenden und in ihrer Zielausrichtung selbstähnlichen Einheiten – Fraktalen - besteht und durch dynamische Organisationsstrukturen einen vitalen Organismus bildet.“18 WARNECKE beschreibt die Fabrik bzw. Unternehmung als „ein sozio-technisches System, das - in ein Umfeld eingebunden - viele Aspekte gleichzeitig beinhaltet, die bei der dynamischen Betrachtung und Komplexitätsreduzierung gleichzeitig Beachtung finden müssen.“19 (vgl. Abbildung 2) „Die Vorteile bei so einem mittelständischen Unternehmen sind, dass die Entscheidungswege relativ kurz sind.“

14 15 16 17 18 19

Vgl. zu nachfolgenden Ausführungen WARNECKE , H.J.: Aufbruch zum fraktalen Unternehmen , 1995, S. 16ff. a. a. O., S. 16. a. a. O., S. 17. a. a. O., S. 13. Ebenda. a. a. O., S. 17.

23

Abbildung 2: Ebenen-Modell nach WARNECKE Quelle: in Anlehnung an WARNECKE , H.J.: Aufbruch zum fraktalen Unternehmen , 1995, S. 18

Kulturelle Ebene „Das Unternehmen wird als eine Kultur, als soziales Gebäude, als Lebensgemeinschaft mit ausgeprägten Wert- und Orientierungsmustern betrachtet.“20 Kulturwandlungsprozesse werden im fraktalen Unternehmen durch „die Entwicklung eines neuen Leitbildes, einer strategischen Vision, die die angestrebte Entwicklungsrichtung des Unternehmens aufzeigt“21, umgesetzt. Strategische Ebene „Der strategische Aspekt unternehmerischen Handelns umschreibt den generellen Bezugsrahmen, innerhalb dessen sich die vielfältigen operativen Entscheidungen bewegen. [...] Die Notwendigkeit einer Strategie- bzw. Zielbestimmung folgt aus der Beobachtung, dass nur die Fokussierung der begrenzten Ressourcen einen 20 21

Ebenda. a. a. O., S. 20.

24

Wettbewerbsvorsprung erwarten lässt.“22 Als ein weiterer Erfolgsbaustein für ein heute und in Zukunft erfolgreich am Markt agierendes Unternehmen wird das facettenreiche Auftreten nach außen genannt.23 Sozio-informelle Ebene „Die Ebene betrachtet die spezifischen Verhaltensweisen, welche die Zusammenarbeit von Menschen prägen. Bestimmende Dimensionen sind Soziologie und Psychologie, die in informellen Kontakten zum Ausdruck kommen.“24 Es wird, „das auf den kulturellen Grundwerten basierende Beziehungsgefüge aller Menschen im Unternehmen beschrieben.“25 In dieser Ebene ist das Ziel des fraktalen Unternehmens, „den Menschen nicht nur als Mitarbeiter zu sehen, sondern als […] aktive[n] Mitgestalter, Mitentscheider, Mitverantworter, Mitwisser und Mitdenker.“26 Allgemein bekannt ist, „dass die von Teams erzielten Leistungen höher sind als die vergleichbare Summe von Einzelleistungen.“27 „Wenn der Faktor Mensch nicht entscheidend ist, dann leben wir in einer digitalen Welt!“ Wirtschaftlich-finanzielle Ebene Da sich die strukturelle Gliederung beim fraktalen Unternehmen weitestgehend am Prozess der Leistungserstellung orientiert28, bestehen gute Voraussetzungen für die Arbeit mit Verrechnungspreisen. Es wird aber empfohlen, diese Möglichkeit als Einzelbaustein nur dort einzusetzen, wo es auch funktioniert. Vielmehr wird auf die Vergabe von Budgets gesetzt, über welche dann die einzelnen Bereiche frei verfügen können.29

22 23 24 25 26 27 28

29

a. a. O., S. 21. Vgl. ebenda. a. a. O., S. 23. Ebenda. a. a. O., S. 24. Ebenda. Hierbei haben Unterstützerfunktionen nur ihre Berechtigung, wenn Sie eine unmittelbar erforderliche Leistung erbringen. Vgl. a. a. O., S. 26ff.

25

Informationsebene Durch den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung ist es möglich geworden, Informationen in beliebig großer Menge jederzeit zur Verfügung zu stellen. Dies hat einerseits den Vorteil, dass Mitarbeiter schnell mit den benötigten Informationen versorgt werden können, demgegenüber steht aber eine Überfrachtung mit Informationen, angefangen bei der Herausforderung der Filterung relevanter Daten bis hin zu unwichtigen und falschen Inhalten. Um eine bedarfsgerechte Versorgung in vernetzten Strukturen zu ermöglichen, erweist sich das Holprinzip als vorteilhaft.30 Prozess- und Materialflussebene In dieser Ebene werden alle Elemente der physischen Vorgänge im Unternehmen betrachtet, die für die Herstellung von Gütern erforderlich sind.31 Aber durch diesen eingeschränkten Blickwinkel werden „Wechselwirkungen mit übergreifenden Aspekten strategischer, wirtschaftlicher oder kultureller Art stark vernachlässigt, bzw. bleiben ganz unberücksichtigt.“32 Dadurch können negative Rückkopplungen auftreten.33 „Die Funktionsintegration und Prozess-/ Produktorientierung sowie der Aufbau von Kunden- und Lieferantenbeziehungen zwischen vor- und nach gelagerten Prozessstufen sind dabei wesentliche Elemente zur Dynamisierung und Optimierung […]. […]Zentrales unterstützendes Element ist dabei die Definition von überschaubaren Prozessbereichen mit einem geringen Komplexitätsgrad. Erreicht werden derartige Prozesse durch eine integrierte Betrachtung aller sechs Ebenen […]. Die strategische Unternehmensziele unterstützenden, mitarbeiterorientierten, leistungsverrechnungsgerechten Prozesse sind wesentliche Aspekte, die durch diese Betrachtungsweise eine Erweiterung der herkömmlichen Ansätze bewirken.“34 „Das ist eine solch wichtige Erkenntnis, dass man seine Organisation den ständigen Veränderungen anzupassen hat, dass wir das bis heute so pflegen.“

30 31 32 33 34

Vgl. a. a. O., S. 29ff. Vgl. a. a. O., S. 32. a. a. O., S. 33f. Vgl. a. a. O., S. 34. Ebenda.

26

2.3 Theoretischer Hintergrund: Vitalität von Unternehmen Aus dem Grundmodell nach WARNECKE wurde ein überarbeitetes Unternehmensführungsmodell für die folgenden Forschungen erarbeitet. WARNECKES Ansatz dient dem Ziel, in gesättigten Märkten einen Weg zu beschreiben, der es erlaubt, tagtägliche selbst überraschende Probleme organisationell zu lösen. Hierfür fordert er zur unternehmerischen Gestaltung auf den verschiedenen Steuerungsebenen auf (kulturelle, strategische, sozio-informelle, wirtschaftlich-finanzielle, Informations-, Prozess- und Materialflussebene). Für die Präzisierung zur empirischen Durchleuchtung dieser Ansatzebenen haben die Autoren in Anlehnung an das Modell nach WARNECKE insgesamt acht Dimensionen erkannt: Abbildung 3: Überarbeitetes Ebenen-Modell Quelle: in Anlehnung an WARNECKE , H.J.: Aufbruch zum fraktalen Unternehmen, 1995, S. 18

27

Wird das Unternehmen als anpassungsfähiges Konstrukt - im Sinne eines Lebewesens gesehen, ergibt die Zusammenstellung dieser Dimensionen in Anlehnung an den ressourcenorientierten Ansatz35 die Vitalität eines Unternehmens, welche die mittelfristige Überlebensfähigkeit widerspiegelt.36 Daraus ergibt sich folgende Hypothese: Je robuster die Vitalität eines Unternehmens, desto eher ist dieses Unternehmen den Herausforderungen des Marktes gewachsen.

2.4

Früherkennung von Erfolgsfaktoren im unternehmerischen Alltag

2.4.1

Erfolgsfaktoren

In Theorie und Forschung, vor allem aber in der betrieblichen Praxis beschäftigt man sich bereits seit längerer Zeit mit der Früherkennung von Erfolgsfaktoren, die konzeptionell dem strategischen Management und Controlling zugeordnet werden. Unter dem militärisch geprägten Begriff Strategie versteht man im Allgemeinen die Kenntnis über die eigenen Fähigkeiten und das eigene Umfeld, um dadurch nachhaltig seinen Erfolg zu sichern. Auf Unternehmen übertragen (strategisches Management) setzt sich eine solche Bewertung demnach aus der Analyse des eigenen Unternehmens (eigene Stärken/Schwächen) und des Unternehmensumfeldes (potenzielle Gelegenheiten/Gefahren durch Umfeldveränderungen) zusammen.37 Je nachdem, ob das Unternehmen hinsichtlich der Gefahren oder Gelegenheiten Stärken oder Schwächen aufweist, ergeben sich daraus entweder Chancen oder Risiken (vgl. nachfolgende Abbildung).38

35 36

37 38

Vgl. stellvertretend PENROSE, E.T.: The Theory of the Growth of the firm, 1959. Im Duden wird der Begriff Vitalität kurz mit „Lebenskraft“ umschrieben. Darunter kann man die körperliche und geistige Gesundheit eines Lebewesens verstehen, die die Voraussetzung für die Anpassung an Veränderungen bildet. Vgl. BAUM, H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 1ff. In der praktischen Anwendung ist dieses allgemeine Schema auch als SWOT- oder SOFT-Analyse bekannt. In der Literatur werden die Begriffe Gelegenheit/Chance und Gefahr/Risiko dabei oft widersprüchlich gebraucht. Die Autoren schließen sich hier der Auffassung von SCHNEIDER entsprechend der obigen Abbildung an. D.h. Gelegenheiten und Gefahren ergeben sich durch Veränderungen des Unternehmensumfeldes, während Chancen und Risiken unternehmensspezifische potenzielle Wirkungen sind, die erst durch das Zusammenwirken von Stärken/Schwächen und Gelegenheiten/Gefahren entstehen.

28

Abbildung 4: Chancen-Risiken-Matrix Quelle: in Anlehnung an SCHNEIDER, D.: Unternehmensführung und strategisches Controlling, 2005, S. 61

Unternehmen Stärken

Umfeld

Gelegenheiten

Gefahren

Schwächen

Chancen Risiken

Können diese Ebenen miteinander in Einklang gebracht werden, indem optimalerweise ein möglichst hoher Deckungsgrad zwischen unternehmerischen Stärken und umfeldbedingten Gelegenheiten erreicht wird, sollte es gelingen, die Unternehmensziele langfristig zu sichern. Um eine nachhaltige Existenzsicherung zu erreichen, muss für die „Schaffung und Erhaltung der besten Voraussetzungen für anhaltende und weit in die Zukunft reichende Erfolgsmöglichkeiten“39 gesorgt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Erfolgspotenziale, die als Zielgröße dienen. Erfolgspotenziale versteht man nach GÄLWEILER als das gesamte „Gefüge aller jeweils produkt- und marktspezifischen erfolgsrelevanten Voraussetzungen, die spätestens dann bestehen müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht.“40 Demnach handelt es sich um Vorsteuerungsgrößen für den Gewinn, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftige, positive, operative Ergebnisse garantieren (vgl. dazu Abbildung 5). Folgerichtig ist es die Aufgabe des strategischen Managements, Erfolgspotenziale aufzubauen und das Feld zur Erreichung zukünftiger Ergebnisse zu ebnen41, insbesondere zum Aufbau von Vorteilen gegenüber den Wettbewerbern.42 39 40 41 42

Vgl. DASCHMANN, H-A.: Erfolgsfaktoren mittelständischer Unternehmen, 1994, S. 16. GÄLWEILER, A.: Strategische Unternehmensführung, 1990, S. 26. Vgl. SCHRÖDER, E.F.: Modernes Unternehmens-Controlling, 2003, S. 233f. Vgl. EGGERS, B. /EICKHOFF, M.: Instrumente des Strategischen Controlling – Notwendigkeit, Ziele, Problemfelder, 1996, S. 8.

29

In der Literatur wird neben dem Begriff Erfolgspotenzial auch der Begriff Erfolgsfaktor verwendet, und das teils widersprüchlich. In diesem Zusammenhang schließen sich die Autoren der Definition von DASCHMANN an, der Erfolgspotenziale als „Wirkungssystem der zugrunde liegenden Erfolgsfaktoren“43 deutet. Beispielsweise kann das Erfolgspotenzial „Mitarbeiterpotenzial“ aus den Erfolgsfaktoren „Motivation“, „Qualifikation“ und „Beteiligungsgrad“ gebildet werden. Dabei beschreibt ein Erfolgspotenzial die bestmöglichen Ausprägungen aller Erfolgsfaktoren, die dieses Erfolgspotenzial bilden.44 Strategische Erfolgsfaktoren sind nach BAUM/COENENBERG/GÜNTHER demgegenüber die Faktoren, „die wesentlichen Einfluss auf das Erfolgspotenzial haben“, wobei in Abgrenzung dazu Schlüsselfaktoren gar Eigenschaften sind, ohne deren Vorhandensein dem Unternehmen die Marktteilnahme gänzlich versagt bleibt („KO-Kriterien“).45 Zur Verfolgung der Erfolgspotenziale können zur strategischen Segmentierung strategische Geschäftseinheiten (SGE) gebildet werden, welche man in diesem Zusammenhang auch als Erfolgsobjekte bezeichnet.46 Ausgangspunkt für unternehmerischen Erfolg sind somit einzelne Erfolgsfaktoren, welche in Kombination als Erfolgspotenzial durch Erfolgsobjekte verfolgt werden. Um zu hinterfragen, wo die Stärken mittelständischer Unternehmen liegen, sind demnach die einzelnen „Wurzeln“ – die Erfolgsfaktoren – zu ergründen. Nachfolgende Abbildung fasst diesen Zusammenhang nochmals zusammen:

43 44 45 46

DASCHMANN, H-A.: Erfolgsfaktoren mittelständischer Unternehmen, 1994, S. 5. Vgl. ebenda. Vgl. BAUM, H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: STRATEGISCHES CONTROLLING, 2004, S. 29f. Vgl. ZIEGENBEIN, K.: Controlling, 1992, S. 65ff.

30

Abbildung 5: Erfolgsfaktoren, -potenziale und -objekte Quelle: Eigene Darstellung

Erfolgsfaktoren einzelne Bestimmungsfaktoren eines Erfolgspotenzials

Erfolgspotenziale Gefüge produkt- und marktspezifischer Voraussetzungen für zukünftigen Erfolg

Erfolgsobjekte Strategische Geschäftseinheiten zur gezielten Verfolgung von Erfolgspotenzialen einer Organisation

Als langfristiges Unternehmensziel gilt im Allgemeinen die nachhaltige Sicherung der Unternehmensexistenz. Diese besteht darin, das Unternehmen auf Dauer gegenüber Veränderungen des Unternehmensumfeldes und dadurch bedingten Veränderungen im Unternehmen anpassungsfähig zu halten (Vitalität).47 Damit nimmt die strategische Verfolgung der nachhaltigen Existenzsicherung über die Schaffung von Erfolgsfaktoren eine Vorsteuerungsfunktion ein und ist die notwendige Voraussetzung für den operativen unternehmerischen Erfolg (Gewinn und Liquidität).48

47

48

So klassifizieren z.B. DÖNNI/RYFFEL vitale Unternehmen als jene mit herausragenden Stärken und Gelegenheiten (d.h. großen Chancen) sowie mit gering ausgeprägten Schwächen und Gefahren (d.h. wenigen Risiken), welche dadurch über herausragendes Potenzial verfügen. Vgl. DÖNNI, B /RYFFEL, F.: Bilanz immaterieller Güter, 2000, S. 26. Vgl. BAUM , H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 7f.

31

Abbildung 6: Teilsysteme des Unternehmenserfolges Quelle: in Anlehnung an BAUM , H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 6

Oberziele

Controllingsystem Teilsysteme des Controlling und dessen Zielgrößen

nachhaltige Existenzsicherung

Gewinn

strategisches Controlling

operatives Controlling

Jahresabschluss - Erträge - Aufwendungen

Umfeld - Gelegenheiten - Gefahren

Jahresüberschuss Unternehmen - Stärken - Schwächen

Kostenrechnung - Leistungen - Kosten

Erfolgspotenzial (Shareholder Value) Legende:

Liquidität

Betriebsergebnis

Finanzierung - Einnahmen - Ausgaben Cash Flow Finanzrechnung - Einzahlungen - Auszahlungen Barliquidität

Vorsteuerungsfunktion notwendige Voraussetzung

Als „Rationalitätssicherung der Führung“49 ist es i.d.R. Aufgabe des Controllings die Erfolgsfaktoren und -potenziale zu bewerten, um dadurch der Unternehmensführung eine transparentere Entscheidungsgrundlage zur Steuerung zu liefern. Wie bereits oben erwähnt, gliedert sich diese strategische Bewertung in eine Unternehmens- und Umfeldanalyse, welche sich auf verschiedene Faktoren konzentriert.50

49 50

WEBER, J.: Einführung in das Controlling, 2004, S. 47. Sind Unternehmen sehr heterogen aufgestellt, ist die Unternehmensanalyse ggf. für verschiedene strategische Geschäftseinheiten (SGE) getrennt vorzunehmen.

32

Abbildung 7: Umfeld- und Unternehmensanalyse Quelle: in Anlehnung an SCHNEIDER, D.: Unternehmensführung und strategisches Controlling, 2005, S. 61ff.

Strategische Analyse (Chancen/Risiken) Umfeldanalyse (Gelegenheiten/Gefahren) globales Umfeld

aufgabenspezifisches Umfeld

Unternehmensanalyse (Stärken/Schwächen) Management

Politik & Recht

Marktregeln

Potenziale

Gesellschaft

Lieferanten

Entwicklung

Wirtschaft

Konkurrenten

Technologie

Kunden

Umwelt

Substitute

Damit kann man zwischen unternehmensinternen Erfolgsfaktoren (z.B. Produktions- und Kostensituation) und Erfolgsfaktoren des Umfeldes (z.B. Marktanteile oder Wachstumsraten) unterscheiden. Während Gelegenheiten und Gefahren durch Veränderungen des Umfeldes von außen vorgegeben werden und dadurch weitestgehend nicht beeinflussbar sind (d.h. sie sind vorwiegend nur beobachtbar), können die Stärken und Schwächen eines Unternehmens aktiv beeinflusst werden. Die Abbildung von Erfolgsfaktoren weist dabei einen uneinheitlichen Generalisierungsgrad auf, sodass es keine vollständig generelle „Faktorenlandkarte“ gibt, da diese immer situationsspezifisch auf das Unternehmen zugeschnitten sein muss.51 51

Vgl. BAUM , H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 31. Ein Versuch zur Ergründung genereller Erfolgsfaktoren war die so genannte PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies). Die Studie des Strategic Planning Institute Cambridge wurde in den 60er bis 90er Jahren durchgeführt und sollte branchenübergreifend feststellen, welche Faktoren für die unterschiedliche Rentabilität von Unternehmen bzw. strategischen Geschäftseinheiten verantwortlich sind. Im Ergebnis konnten u.a. 80 %

33

Zur Abbildung und Bewertung der Faktoren können verschiedenste Controllingmethoden eingesetzt werden, z.B.: - Risikomanagement - Kennzahlen(systeme) - Balanced Scorecard - Benchmarking - Scoring/Rating/Checklisten - Simulations-/Szenarienrechnungen - Netzwerke und Einflussmatrizen, z.B. Success Resource Deployment (SRD) - weitere strategische Instrumente (Gap-, Portfolio-, Produkt-Markt-Analyse nach ANSOFF, Value-Map, Wettbewerbsanalyse nach PORTER u.ä.) Diese strategischen Analysehilfen dienen auch dazu, die hinter den strategischen Erfolgsfaktoren stehenden Zusammenhänge zu erklären und Empfehlungen z.B. in Form von Normstrategien vorzuschlagen. Zur Identifizierung und Bewertung der Einflussmöglichkeiten von Erfolgsfaktoren können die Grundgedanken des vernetzten Denkens, der Systemtheorie und der Kybernetik angewandt werden. In einem ersten Schritt werden zur Auffindung von geeigneten Indikatoren so genannte (lineare) Kausalketten eingesetzt. Dadurch werden Abfolgen von Ereignissen dargestellt, welche die betrachtete Zielgröße beeinflussen („Was wäre wenn...?“). Beispielsweise wird die Auftragslage eines Handwerkers dadurch beeinflusst, wie viele Anfragen er erhalten hat, was wiederum von der Anzahl der Baugenehmigungen abhängt usw. Allerdings nimmt die Prognosegüte ab, umso früher ein Indikator ausgewählt wurde. Dies liegt daran, dass die Stärke des Zusammenhangs meist nicht linear von einem Faktor, sondern von einem Netz aus Faktoren abhängt („unvollständige Determiniertheit“). So hat z.B. auch die Kaufkraft der Kunden eine gewisse Auswirkung auf die Auftragslage des Handwerkers. Da sich Ereignisse auch untereinander beeinflussen, bieten sich vernetzte Darstellungsmethoden an. Es wird daher u.a. von GOMEZ/PROBST52 vorgeschlagen, Erfolgsfaktoren und Indikatoren in einem Netzwerk („Feedbackdiagramm“) darzustellen, welches die wesentlichen Einflüsse aufzeigt.

52

des Return on Investment (RoI) auf 37 unabhängige Faktoren (darunter v.a. relativer Marktanteil, Investitionsintensität und relative Produktqualität) statistisch zurückgeführt werden. Heute steht man der Studie kritisch gegenüber, da ihre generelle Anwendung, statistischer Hintergrund sowie Faktorenvielfalt in Frage gestellt wird. Vgl. u.a. SCHNEIDER, D.: Unternehmensführung und Controlling, 2005, S. 90ff. Vgl. PROBST, G.J.B./GOMEZ, P.: Vernetztes Denken – Ganzheitliches Führen in der Praxis, 1991.

34

Abbildung 8: Exemplarisches Netzwerk am Beispiel einer Publikumszeitschrift Quelle: in Anlehnung an BAUM , H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 45

+ +

+ +

Verfügbares Einkommen

+ +

+

+



Kosten der Umweltbelastung

Ansprüche an Technologie

Anzeigenvolumen

+

+

+

+ + Anzeigen

+

Ertrag

+

+

+

Redaktionskosten Radaktionsteam

Gesamterlöse

+

+ + ‐



+ +

Anzeigen Konkurrenz

Attraktivität der Neuen Medien

+ Gesamtkosten

+

Redaktionelle Qualität



+ +

Legende:

+ Attraktivität

+

Verkaufskosten

Verkaufspreis

+

Innovation

+

+ + Druckkosten

+

Leserreichweite

+

Verkaufserlöse

Verkaufsorganisation

+

‐ +

Verkaufsauflage

Wirtschaftslage Konsumhaltung

Verkäufe Zeitschriften

+

Interesse, Zeit, Mittel für Zeitschriften

+

‐ ‐

Marktvolumen

+ ‐

+

Verkäufe Konkurrenz

+

+ Verfügbare Freizeit

+

+

ProduktInnovation Konkurrenz

Wunsch nach Unterhaltung

Anzeigenerlöse

Angebot an Medienleuten

lenkbar

kurzfristig: 3 Monate

nicht lenkbar

mittelfristig: ½ - 1 Jahr

Indikator

langfristig: > 1 Jahr

Im Netzwerk kann sowohl die Einflussart eines Faktors auf einen anderen (+ oder -), die Einflussmöglichkeiten sowie die zeitliche Reaktionsverzögerung des Einflusses (z.B. kurz-, mittel- und langfristig) abgebildet werden. Hinterlegt man diesem Netzwerk als Datenbasis eine Einflussmatrix, kann man die Beeinflussungsstärken auch mathematisch, z.B. durch Expertenschätzungen, abbilden. Diese mathematische Abbildung stellt natürlich keine exakte Simulation dar, sie soll jedoch dabei helfen, die verschiedenen Stellhebel des Unternehmenserfolges über Planspiele zu identifizieren.

35

Abbildung 9: Exemplarische Einflussmatrix am Beispiel einer Publikumszeitschrift Quelle: in Anlehnung an BAUM , H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 46 Einfluss von Kriterium

auf Kriterium

1

1. Wirtschaftslage

2

1

3

4

5

6

7

8

9

10

Stärke der Einflussnahme (Zeilensumme)

1

2

1

0

1

0

2

0

8

3

2

2

2

2

3

2

1

17

2

2

2

3

3

2

1

17

2. Interesse, Zeit, Mittel für Zeitschriften

0

3. Marktvolumen Lesermarkt

0

2

4. Volumen Anzeigenmarkt

0

1

2

5. Produktinnovation Konkurrenz

0

1

2

2

6. Verkäufe Zeitschriften

0

1

2

2

2

7. Verkaufslage

0

1

2

2

2

1

8. Leserreichweite

0

1

2

2

3

3

2

2

1

1

3

1

13

2

3

3

2

3

18

3

3

2

0

15

3

2

1

14

3

1

17

1

14

2

9. Anzeigenaufkommen

0

2

2

3

2

2

1

1

10. Redaktionelle Qualität

0

2

1

1

2

1

3

3

2

Stärke der Beeinflussbarkeit (Spaltensumme)

0

12

17

18

18

15

19

20

20

15 9

Die Berechnung ermöglicht die Unterteilung der Faktoren nach deren Beeinflussbarkeit. Hierbei wird zwischen trägen, aktiven, passiven und kritischen Faktoren unterschieden. Weiterhin kann das Netz zur besseren Übersicht durch gewisse Kategorien (z.B. Umfeld = Gesellschaft + Politik usw.) segmentiert werden.53 Am Ende des strategischen Bewertungsprozesses kann das Unternehmen seine Strategie bestimmen. Dabei ist die wechselseitige Beziehung zwischen - Produkt-Markt (P/M)-Strategien als Kern einer marktorientierten Unternehmensführung („marked based view“) und - Ressourcen (R)-Strategien als Fokus einer ressourcenorientierten Unternehmensführung („resourced based view“) zu berücksichtigen. Die Produkt-Markt-Strategien haben auf der einen Seite die Festlegung des Produktkonzeptes (unternehmerische Komponente) und die Auswahl des relevanten Marktes (umfeldliche Komponente) zur Aufgabe („UmfeldSystem-Fit“). Zur Festlegung der zukünftigen Betätigungsfelder kann z.B. auf die Produkt-Markt-Matrix nach ANSOFF zurückgegriffen werden. Auf der anderen 53

Vgl. BAUM , H-G. / COENENBERG, A-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 39ff. u. S. 312ff.

36

Seite müssen anschließend mithilfe der Ressourcenstrategien die für die unternehmerische Umsetzung erforderlichen Potenziale generiert werden („IntraSystem-Fit“).54 2.4.2

Früherkennung

2.4.2.1 Früherkennung als Teil des Risikomanagements Um die nachhaltige Existenzsicherung auch zukünftig durch den Ausbau von Erfolgspotenzialen sicherzustellen, müssen Unternehmen in komplexen und dynamischen Märkten frühzeitig auf Umfeldveränderungen reagieren können. Durch ein Risikomanagementsystem können Rückschlüsse und Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen getroffen werden. Dabei steht im Vordergrund, dass Risiken, sowohl bestehende als auch zukünftige, kontrollierbar und kalkulierbar sein sollen. Ein Risikomanagementsystem greift zur Datengewinnung auf drei Kernelemente zurück (Abbildung 10).55 Abbildung 10: Kernelemente eines Risikomanagementsystems Quelle: in Anlehnung an KEITSCH, D.: Risikomanagement, 2007, S. 217

Risikomanagement als interner Prozess

Frühwarnsystem

Überwachungssystem (interne Revision)

Controlling

Ein Überwachungssystem soll Sorge dafür tragen, die Zuverlässigkeit der betrieblichen Ablaufprozesse zu gewährleisten und sicher zu stellen. Controlling stellt den verantwortlichen Entscheidungsträgern jederzeit die aktuelle Risikosituation dar, damit entsprechende Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet werden können.56

54 55 56

Vgl. BAUM , H.-G. / COENENBERG, A.-G. /GÜNTHER, T.: Strategisches Controlling, 2004, S. 24ff. Vgl. KEITSCH, D.: Risikomanagement, 2007, S. 216. Vgl. a. a. O., S. 225 ff.

37

„Das Entscheidende ist, das richtige Problem zu finden, Maßnahmen kann man anschließend viele empfehlen.“ Die ursprünglichste Form der Risikoidentifikation bildet die Frühwarnung mit dem Frühwarnsystem als dessen Instrument. Sie soll dem Nutzer rechtzeitig latente Risiken aufzeigen, damit ihm so noch hinreichend Zeit für die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Abwendung der Bedrohung oder Schadensbegrenzung bleibt.57 Damit unterscheidet das Risikomanagement zwischen Krisenmanagement zur Überwindung bestehender Krisen (aktive Krisenbewältigung) und Frühwarnung zur präventiven Krisenvermeidung.58 Da bei frühzeitiger Warnung die Reaktionsmöglichkeiten umfangreicher und die Behebungskosten geringer sind, ist ein Frühwarnsystem bei vertretbarem Aufwand dem Krisenmanagement stets vorzuziehen. Frühwarnsysteme sind dabei i.d.R. offene Systeme, d.h. sie beschäftigen sich sowohl mit dem Unternehmen, als auch mit dem relevanten Unternehmensumfeld.59 2.4.2.2 Früherkennung zur Vermeidung von Unternehmenskrisen Der Begriff Krise begleitet uns in unserem täglichen Leben. Er wirkt vertraut, enthält allerdings auch immer einen bitteren Beigeschmack. Allein das vielfältige Auftreten macht es schwer, eine genaue begriffliche Bestimmung über den Inhalt einer Krise zu bilden. Dies stellte bereits LUNEBURG (1970) in seiner Formulierung „… crisis has become one of the most overworked words in the language…”60 fest. Bei der Betrachtung des Begriffes Unternehmenskrise kann eine präzisere Aussage getroffen werden, die von vielen Autoren geteilt wird. Demnach sind Unternehmenskrisen: „Ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang. Sie weisen unterschiedliche Phasen auf (von der potenziellen bis hin zur akuten Krise) und sind in der Lage, den Fortbestand des gesamten Unternehmens substanziell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Dies geschieht durch die Beeinträchtigung dominanter Ziele, deren Gefährdung oder Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer nachhaltigen Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des Unternehmens als selbständig und aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmender Einheit 57 58 59

60

Vgl. ROMEIKE, F./ VAN DEN BRINK, G.: Frühwarnindikatoren: Kritischer Faktor Spätwarnung, 2006 , S. 5. Vgl. SCHNEIDER, D.: Unternehmensführung und strategisches Controlling, 2005, S. 257ff. Vgl. ROMEIKE, F./ VAN DEN BRINK, G.: Frühwarnindikatoren: Kritischer Faktor Spätwarnung, 2006, S. 2. Aus diesem offenen System können zur Eingrenzung gewisse Beobachtungsbereiche (extern/intern) festgelegt werden, wodurch Systemgrenzen geschaffen werden. LUNEBURG, W.V.: The Role of Management in an Atmosphere of Crisis, 1970, S. 7.

38

mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen.“61 Allein aus dieser Formulierung lässt sich erkennen, wie umfassend der Begriff sowie der Sachverhalt zu betrachten ist und es lässt sich erahnen, wie viele Faktoren Einfluss darauf nehmen können, um eine Unternehmenskrise zu verursachen. Unternehmenskrisen entstehen oft durch schleichende, nicht rechtzeitig wahrgenommene Prozesse. Den Verlauf einer typischen Krise zeigt folgendes entwickelte Fünf-Phasen-Modell (Abbildung 11) in Anlehnung an die Phasenmodelle von KRYSTEK62 und KEITSCH63. Abbildung 11: Phasen des Krisenprozesses Quelle: Eigene Darstellung

hoch

1. Phase

2. Phase

3. Phase

4. Phase

5. Phase

Normaler Zustand

Anforderungen an Krisenmanagement

Anforderungen an Früherkennung

Lernen aus Unternehmenskrisen t

Phase 1 – Normaler Zustand/Ausgangspunkt Die positive Ertragslage und Entwicklung im Unternehmen ist gesichert und es sind keine krisenhaften Zustände zu erkennen. Da aber ständig strategische Entscheidungen getroffen werden, können diese bereits Ansätze für spätere Krisenprozesse beinhalten, sind allerdings noch nicht bekannt.

61 62 63

KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R., : Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 26. Vgl. KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R.: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 37. Vgl. KEITSCH, D.: Risikomanagemet, 2007, S. 245.

39

Phase 2 – potenzielle Krise Die Entwicklung und Ertragslage sind im positiven Bereich. Es ist eine potenziell mögliche, aber noch nicht real vorhandene Krise erkennbar. Die Identifikation unternehmensrelevanter Krisen in diesem frühen Stadium stellt eine gewisse Herausforderung dar. Sie bietet aber die Möglichkeit, für den Fall des Eintritts schon frühzeitig Krisenbewältigungsmaßnahmen zu entwickeln. Auch können risikobehaftete Geschäftsgebaren, wie eine schlechte Zahlungsmoral oder das bewusste Eingehen eines Geschäftsrisikos, eine potenzielle Gefahr darstellen. Phase 3 – latente Krise Das Unternehmen erwirtschaftet bereits operative Verluste. Sie ist gekennzeichnet durch eine bereits verdeckt vorhandene oder mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Unternehmenskrise, deren Wirkung auf das Unternehmen mit den herkömmlichen Instrumentarien noch nicht wahrnehmbar ist. Bei Anwendung geeigneter Methoden der Früherkennung besteht jedoch die Möglichkeit, durch die noch relativ große Bandbreite von Handlungsmöglichkeiten latent vorhandene Krisenprozesse mit geeigneten Maßnahmen zu beeinflussen.64 Phase 4 – akute/beherrschbare Krise Die Unternehmenssituation verschlechtert sich stetig und kann zu Liquiditätsengpässen führen. Krisen werden jetzt unmittelbar wahrgenommen. Damit entfällt weitestgehend die Früherkennungsproblematik. Unternehmen stehen unter zunehmendem Zeitdruck und Entscheidungszwang. Dennoch kann in dieser Phase die Krise noch bewältigt werden. Phase 5 – Katastrophe/Insolvenz Die Krise ist nicht mehr beherrschbar und führt zur Katastrophe. Die Steuerung des Krisenprozesses mit dem Ziel seiner Bewältigung wird wegen des fortlaufenden Wegfalls von Handlungsmöglichkeiten, des extremen Zeitdrucks und der zunehmenden Intensität der destruktiven Effekte unmöglich und führt zur Insolvenz des Unternehmens.65

64 65

Vgl. KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R.: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 38. Vgl. Ebenda.

40

Die aufgezeigten Phasen stellen keine zwingend erforderliche Reihenfolge dar, die durchlaufen werden muss. Sie dienen vielmehr der Veranschaulichung eines „idealen“ Verlaufes. Es ist möglich, dass der Krisenprozess in einer späteren Phase beginnt oder einzelne Phasen überspringt. Durch geeignete Maßnahmen, die sich jedoch mit steigender Krisendauer immer mehr einschränken, kann der Verlauf gestoppt und die Beherrschung und Heilung der Krise erreicht werden. Gewonnene Erkenntnisse aus einem Krisenprozess können zur Vermeidung bzw. Vorsorge für mögliche zukünftige Krisen oder nachfolgende Phasen herangezogen werden (Lernen aus Krisen).66 Von jeder Unternehmenskrise kann jedoch auch eine konstruktive Wirkung ausgehen, denn gerade in Krisenphasen sind tief greifende Veränderungen leichter möglich. Oftmals sind diese Veränderungen vorab am Widerstand von einzelnen Interessengruppen gescheitert. In Krisensituationen ist das Management risikobereiter und damit einhergehend werden häufiger Prozess- und Produktinnovationen initiiert.67 Jedes erkannte Problem kann Krise als auch Chance darstellen. Ein frühzeitiges Erkennen von Situationen ermöglicht, rechtzeitig zu reagieren und somit aus einer vermeintlichen Krise eine Chance zu gestalten. 2.4.2.3 Frühwarnung, Früherkennung und Frühaufklärung Die Literatur unterscheidet – mehr als die Praxis – zwischen den Begriffen Frühwarnung, Früherkennung und Frühaufklärung.68 Während Frühwarnsysteme – dem Namen nach – nur Risiken signalisieren, erweitert sich das Aufgabenspektrum bei Früherkennung und Frühaufklärung schrittweise.

66

67 68

Vgl. GEIßLER, J.: Frühaufklärungssysteme, Instrumente zur frühzeitigen Wahrnehmung von Chancen und Risiken im Unternehmen, 1995, S. 59. Vgl. BERGAUER, A.: Erfolgreiches Krisenmanagement in der Unternehmung, 2001, S. 146. Vgl. ROMEIKE, F./ VAN DEN BRINK, G.: Frühwarnindikatoren: Kritischer Faktor Spätwarnung, 2006, S. 5.

41

Abbildung 12: Abgrenzung der Begriffe Frühwarnung, Früherkennung, Frühaufklärung Quelle: KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R.: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 98

Frühzeitige Ortung von Bedrohungen/ Risiken und Chancen

Frühaufklärung

Früherkennung

Frühwarnung Frühzeitige Ortung von Bedrohungen/ Risiken

Frühzeitige Ortung von Bedrohungen/ Risiken und Chancen

sowie Sicherstellung der Einleitung von (Gegen-) Maßnahmen

Der Begriff Früherkennung (Früherkennungssystem) entwickelte sich mit der Erkenntnis, dass ein wahrgenommenes Risiko zugleich Ausgangspunkt einer Chance darstellt und somit zur Vermeidung von Krisen genutzt werden kann. Ziel der Frühaufklärung ist es, nicht nur Chancen und Risiken zu orten, sondern in deren Folge zusätzlich auch Gegenmaßnahmen einzuleiten.69 Vor allem im englischsprachigen Raum hat sich der Begriff "early-warning system" inzwischen so etabliert, dass eine Differenzierung der drei Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch keinen Sinn mehr macht.70 Daher wird auch im deutschsprachigen Raum in der Regel einheitlich von Frühwarnsystemen – auch als Synonym für die Früherkennung und Frühaufklärung – gesprochen. Diese Verfahrensweise wird auch in diesem Beitrag angewendet, obwohl die vorliegende Arbeit sich im aktuellen Status als Früherkennungssystem versteht.

69

70

Vgl. GEIßLER, J. : Frühaufklärungssysteme, Instrumente zur frühzeitigen Wahrnehmung von Chancen und Risiken im Unternehmen, 1995, S. 10. Vgl. DIEMERS, D.: URL:http://www.ifj.ch/dt/getFAQ.asp?experten_id=00002026&themenkreis=Fr%FChwarnsysteme&experte=D aniel+Diemers%2C+Dr.Oec.HSG%2C+CEMS+MIM&thema=1401&emailexperte=daniel%40diemers.net&ges chlecht=m&explng=dt (Stand 15.06.2008).

42

2.4.2.4 Erscheinungsformen von Frühwarnsystemen Frühzeitig hat sich eine Differenzierung in eigen- und fremdorientierte Frühwarnsysteme herausgebildet. Wenn Krisen und Insolvenzen bei fremden Unternehmen frühzeitig erkannt werden sollen, spricht man von fremdorientierten Frühwarnsystemen, die jedoch in diesen Erläuterungen keine Berücksichtigung finden. Früherkennungsansätze, die Chancen und/oder Bedrohungen des jeweiligen eigenen Unternehmens erkennen sollen, werden als eigenorientierte Frühwarnsysteme bezeichnet. Im Laufe der Zeit haben sich vier Generationen dieser eigenorientierten Frühwarnsysteme herausgebildet (Abbildung 13). Abbildung 13: Eigenorientierte Frühwarnsysteme Quelle: Eigene Darstellung

Eigenorientierte Frühwarnsysteme 4. Generation

mehrdimensionaler Ansatz an „schwachen Signalen“ orientiert

3. Generation 2. Generation

indikatororientiert

1. Generation

kennzahlen-/ hochrechnungsorientiert operativ

strategisch

1. Generation: Kennzahlen- und hochrechnungsorientierte Frühwarnsysteme Durch die Nutzung von Kennzahlen und Kennzahlensystemen, die quantifizierbare Informationen i.d.R. über interne Sachverhalte und Zusammenhänge und deren Forecast liefern, entstand die 1. Generation von Frühwarnsystemen. Dabei werden insbesondere periodische Vergleiche von Soll-Ist-Zahlen bzw. Soll-Wird-Zahlen durchgeführt. Bei Unter- bzw. Überschreiten definierter Schwellenwerte sollen umgehend adäquate Warnmeldungen ausgelöst werden.71 Kritisch dabei ist, dass 71

Vgl. ROMEIKE, F./ VAN DEN BRINK, G.: Frühwarnindikatoren: Kritischer Faktor Spätwarnung, 2006, S. 5.

43

abgegebene Warnmeldungen größtenteils auf gegenwarts- und vergangenheitsorientierten Sachverhalten basieren, aber keine unerwarteten und in der Vergangenheit nicht wahrgenommenen Ereignisse/Entwicklungen einbeziehen. Der Forecast bildet somit nur einen Glaubenssatz aufgrund einer intuitiven Beobachtung bzw. vorhandener Erfahrungswerte. Dabei werden unberücksichtigte Variablen und/oder geänderte oder zusätzliche Randbedingungen bzw. dadurch verursachte Trendeinbrüche – so genannte Diskontinuitäten – außer Acht gelassen. Diese Situation bezeichnet man auch als Extrapolationsfalle.72 2. Generation: Indikatororientierte Frühwarnsysteme Einen festen Bestandteil der indikatororientierten Frühwarnung bilden die externen Einflussfaktoren. Kerngedanke bei diesem System ist die Aufdeckung bereits latent vorhandener Veränderungen durch Indikatoren, die diese Veränderungen mit einem zeitlichen Vorlauf signalisieren können.73 Erstmalig finden nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Informationen Berücksichtigung. Daher ist es maßgeblich für die Effizienz eines solchen Frühwarnsystems, welche Indikatoren zur Betrachtung herangezogen werden. Nur Indikatoren, die in der Lage sind relevante Veränderungen frühzeitig wahrzunehmen, ermöglichen es, Gegenmaßnahmen rechtzeitig einzuleiten bzw. Chancen zu ergreifen.74 Die Analyse und Bewertung der Indikatoren erfolgt wie bei dem kennzahlenorientierten Frühwarnsystem. Überschreiten oder unterschreiten die analysierten Daten vorgegebene Warngrenzen oder im Voraus festgelegte Entwicklungen, so werden entsprechende Informationen vom System gemeldet. Das Hauptproblem der 2. Generation der Frühwarnsysteme ist, dass durch diese keine Trendbrüche („Diskontinuitäten“) aufgedeckt werden können. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass insbesondere im globalen Umfeld plötzlich beeinflussende „Drittvariablen“ auftreten, die aufgrund bisheriger Nichtexistenz nicht erfassbar waren (z.B. Terrorismusgefahr im Flughafengeschäft).75

72 73 74

75

Vgl. HUBNER, H./ JAHNES, S.: Management-Technologie als strategischer Erfolgsfaktor, 1998, S. 331. Vgl. FIEGE, S.: Risikomanagement- und Überwachungssystem nach KonTraG, 2006, S. 130. Vgl. GEIßLER, J.: Frühaufklärungssysteme, Instrumente zur frühzeitigen Wahrnehmung von Chancen und Risiken im Unternehmen, 1995, S. 99. Vgl. EGGERS, B. /EICKHOFF, M.: Instrumente des Strategischen Controlling – Notwendigkeit, Ziele, Problemfelder, 1996, S. 1.

44

3. Generation: Früherkennung „schwacher Signale“ Die Komplexität und Dynamik der Faktoren, welche ein Unternehmen beeinflussen, erfordern die Betrachtung von strategischen Aspekten. Bisher gewonnene Informationen aus den operativen Frühwarnsystemen bieten aber kaum Nutzungsmöglichkeiten zur strategischen Planung. Um die Informationslücke zu schließen, entstanden Frühwarnsysteme der 3. Generation, die den Grundgedanken der Frühaufklärung auf strategische Problemstellungen überträgt. Dabei erfolgt eine gesamtunternehmensbezogene Betrachtung, die sich nicht nur auf latent vorhandene Bedrohungen beschränkt. Schließlich passieren Veränderungen selten „über Nacht“; sie kündigen sich meist mit gewissen Vorsignalen an. Strategische Frühwarnung ist weniger scharf umrissen und schwächer strukturiert als die operative Frühwarnung. Eine besondere Rolle für die Entdeckung strategischer Diskontinuitäten kommt den so genannten schwachen Signalen zu. Sie sollen das Frühwarnsystem sensibilisieren, sich ähnelnde Ereignisse in der Unternehmensumwelt, die plötzlich gehäuft auftreten, zu erkennen und zu erfassen. Damit soll die Schaffung einer Vorlaufzeit erreicht werden, die es ermöglicht, neue Strategien zur Reaktion auf die Diskontinuitäten zu entwickeln bzw. bestehende Strategien anzupassen. Die schwachen Signale beschreiben undeutlich definierte und strukturierte Informationen, die bisher wegen ihrer noch nicht zu interpretierenden Wirkung keine Berücksichtigung fanden. Sie können sich jedoch im späteren zeitlichen Verlauf verstärken und an Relevanz gewinnen. Diesem Sachverhalt widmet sich ANSOFF mit seinem Konzept der „Weak Signals“. Er thematisiert das grundlegende Phänomen der „Ignorance“, der inhaltlichen Unklarheit einer Situation oder Entwicklung im Sinne von Nichtwissen. ANSOFF folgert daraus, dass eben dieser Umgang mit Nichtwissen der Kern und die Herausforderung von strategischer Frühwarnung sei.76 Er geht davon aus, dass nicht erwartete Störungen von außen nicht vollständig unvorhersehbar eintreten, sondern so genannte „Vorläufer“ – also Frühindikatoren einer möglichen Veränderung – voraus laufen.77 Das Aufspüren schwacher Signale im Unternehmen und dessen Umfeld wird als "Scanning" bezeichnet. Dabei kann man sich die Suche als 360-Grad-Radar vorstellen, das im Prinzip überall und zu jeder Zeit nach den schwachen Signalen sucht. Wird ein Signal gefunden, das ein relevantes Problemfeld des Unternehmens betrifft, wird dieses über das „Monitoring“ vertiefender beobachtet und untersucht. 76 77

Vgl. KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R. : Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 119. Vgl. EMMRICH, V. : Risikomanagement zwischen Krisenfrüherkennung und Unternehmensrating, 2003, URL: http://www.krisennavigator.de/Risikomanagement-zwischen-Krisenfrueherkennung-undUnternehmensrating.299.0.html (Stand:24.04.2008).

45

Der Umgang mit den vorhandenen Informationen stellt die größte Schwierigkeit dar. Nach der Aufnahme, Verdichtung und Aufbereitung der Informationen müssen diese noch interpretiert werden. Bei der Bewertung auf Relevanz für das Unternehmen kann das Management meist nur unter subjektiven Gesichtspunkten arbeiten, da keine klaren eindeutigen Informationen vorliegen.78 Die Manövrierfähigkeit hängt dabei insbesondere von dem Entwicklungsstadium der Bedrohung ab (Abbildung 14). Abbildung 14: Zusammenhang zwischen Entwicklungsstadium der Bedrohung und Manövrierfähigkeit der Unternehmung Quelle: in Anlehnung an EMMRICH, V. : Risikomanagement zwischen Krisenfrüherkennung und Unternehmensrating, 2003, S. 1

Gestaltungsspielraum „Schwache Signale“ „Unternehmerische Intuition“ Übermorgen Verbalisierbare, aber kaum quantifizierbare Veränderungen und bevorstehende Ereignisse Morgen Konkretisierungsgrad nimmt zu

Quantifizierbarer Erfolg oder Misserfolg ist eingetreten Heute Quantifizierbarer Erfolg oder Mißerfolg der Vergangenheit fördern bzw. behindern die zukünftige Unternehmensentwicklung

Reaktionsmöglichkeit nimmt ab

Gestern

4. Generation: mehrdimensionale Frühwarnsysteme Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen der operativen und der strategischen Frühwarnung. Dennoch ist es möglich und sinnvoll, beide Systeme zu nutzen (4. Generation). Das spiegelt sich vor allem bei der Betrachtung der vorhandenen Gemeinsamkeiten wider. So ist die Grenze zwischen Kennzahlen, Indikatoren und schwachen Signalen häufig recht unscharf und eine klare Trennung nicht immer möglich. Daher werden häufig die Begriffe harte und weiche Indikatoren verwen78

Vgl. ebenda.

46

det. Die harten Indikatoren bilden die verwendeten quantifizierbaren Indikatoren der operativen Frühwarnung und die weichen Indikatoren die qualitativen Indikatoren (schwache Signale) der strategischen Frühwarnung. Die gemeinsame Orientierung an latenten Chancen und Risiken ist ein weiterer Aspekt, der eine Gemeinsamkeit darstellt. Um sich die Vorteile, Gemeinsamkeiten und theoretischen Erkenntnisse beider Systeme zu Nutze zu machen und somit einen mehrdimensionalen Ansatz zu generieren, werden operative und strategische Frühwarnsysteme zusammengelegt und bilden die vierte Generation.79 2.4.2.5 Früherkennung als Risiko- und Chancenmanagement Durch die genaue Beobachtung der internen und externen Unternehmensbereiche lassen sich nicht nur Risiken sondern auch Chancen frühzeitig erkennen. Dem Unternehmen bietet sich die Möglichkeit, sich strategische Wettbewerbsvorteile zu schaffen, wenn die Chancen erkannt und entsprechend genutzt werden. Als mögliche Beispiele sind zu nennen: - Nutzen von neuen technischen und wirtschaftlichen Forschungsergebnissen (neue Produkte als Erster auf dem Markt platzieren, Umsetzen von neuen Führungsstrategien). - Generieren neuer Märkte bzw. Ausbau vorhandener Märkte (Berücksichtigung vorhandener Informationen über Kundenwünsche). - Eingehen auf zunehmendes Umweltbewusstsein der Menschen.80 Insbesondere bei der stetigen Globalisierung der Märkte und der damit verbundenen Zunahme des Wettbewerbes ist es für ein Unternehmen essenziell, schnell auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Dabei ist der Handlungsspielraum umso größer, je früher Veränderungen erkannt werden. Frühwarnsysteme stellen somit eine spezielle Art von Informationssystemen dar, die sich auf das rechtzeitige Erkennen von latenten als auch potenziellen Chancen und Risiken spezialisiert haben. Es haben sich verschiedene Konzepte entwickelt, die sich generell in strategische, operative und kombinierte (taktische) Frühwarnsysteme einteilen lassen. Indikatorbasierte Frühwarnsysteme besitzen dabei eine große Bedeutung, insbesondere da sie den Ansprüchen des KonTraG gerecht werden. Trotz der Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten für ein Unternehmen und der oftmals reinen Bauchentscheidungen, insbesondere bei Mittelständlern, sollte sich

79 80

Vgl. KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R. : Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S . 126. Vgl. GEIßLER, J. : Frühaufklärungssysteme, Instrumente zur frühzeitigen Wahrnehmung von Chancen und Risiken im Unternehmen, 1995, S. 16.

47

im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen mit dem Thema der Risikovorsorge beschäftigt werden. Üblicherweise wird noch immer die Unternehmensplanung als die beste Form der Zukunftsgestaltung und damit auch der Vorsorge gegenüber potenziellen Unternehmenskrisen gesehen. Dabei stellen sich dem Unternehmen verschiedene Hemmnisse in den Weg, das Undenkbare (Krise), nicht für wahrscheinlich Erachtete, zu durchdenken. Es ist sinnvoll die Vorsorge gegenüber Krisen als eigenständigen Punkt zu betrachten. Sie bietet als Kern die Identifikation potenzieller Unternehmenskrisen sowie entsprechende Strategien und Maßnahmen. Sie kann jedem Unternehmen helfen, sich auch auf für unwahrscheinlich erachtete Krisen vorzubereiten und somit die Chance auf eine Umgehung dieser Krise wahren. 2.4.3

Früherkennung im unternehmerischen Alltag

2.4.3.1 Früherkennung durch Verarbeitung von Erlebnissen Der mittelständische Unternehmer ist oft noch stark mit dem Alltagsgeschäft verquickt, insbesondere im Vertrieb und Projektmanagement. Dadurch ist er zwar nahe am Kunden und wird somit auf potenzielle Chancen und Risiken hingewiesen, muss aber aus Zeitmangel Entscheidungen oft „aus dem Bauch heraus“ treffen. Diese unternehmerische Intuition wird dem Mittelständler im operativen Bereich häufig als Stärke ausgelegt, während auf der anderen Seite ein fehlender Weitblick bemängelt wird. Fakt ist: auch im strategischen Bereich sind die Entscheidungsträger keinesfalls „ahnungslos“. Jeden Tag sprechen sie mit Lieferanten und Kunden, schauen in Zeitungen oder erfahren Neuigkeiten von ihren Bankberatern. Sie werden jedoch in der gegenwärtigen Informationsgesellschaft und dem globalen Wettbewerb mit einer steigenden Komplexität konfrontiert, für deren Aufbereitung leider die Zeit und das passende Werkzeug fehlen. „Das Topmanagement, das letztendlich die Entscheidung fällt, muss viele Hände haben und viele Finger, um den Puls zu spüren.“ Wie eine Art „Tagebuch“ soll das vorliegende Vitalitätskonzept den Anwendern die Möglichkeit geben, die täglichen Erlebnisse in einem virtuellen „Baukastensystem“ zu verarbeiten (im Nachfolgenden als Erlebnisverarbeitung bezeichnet), indem diese strukturiert abgelegt, bewertet und gewichtet sowie Verbindungen untereinander hergestellt werden. Auf dieser Basis kann der Unternehmer in Entscheidungssituationen seine Erlebnisse reflektieren und Wirkungszusammenhänge

48

erkennen. Ziel ist es somit keinesfalls, die Bauchentscheidungen des Mittelständlers zu eliminieren – oftmals ist gerade diese unternehmerische Intuition eine besondere Kernkompetenz – sondern die Entscheidung durch den Blick auf das Wesentliche zu unterstützen. Daraus lässt sich in der gegenwärtigen Phase der Untersuchung eine Checkliste ableiten, die zur Analyse nutzbar ist.81 Eine solche Selbstbewertung des Unternehmens durch den Unternehmer, wie sie in der vorliegenden Arbeit vorgesehen ist, hat Vor- und Nachteile. 2.4.3.2 Vor- und Nachteile der Selbstbewertung Im übertragenen Sinne stellt eine Bewertung eine Entscheidung über die Einstufung eines Sachverhaltes (o.ä.) auf einer vorgegebenen Bewertungsskala dar und ist demzufolge wie alle Entscheidungsfindungen auch von den Faktoren Wissen, Motivation und oftmals auch Emotionen des Bewertenden abhängig.82 Hauptgrund der präferierten Selbstbewertung gegenüber der oft praktizierten Fremdbewertung ist die These, dass erfolgreiche Unternehmer stets den besten Einblick in ihr Unternehmen haben. Weil Fremdbewerter Unternehmen stets in Relation zu fest vorgegebenen Mustern bewerten, verkennen sie häufig die besonderen Alleinstellungsmerkmale dieser. Dies führt dazu, dass Mittelständlern oft eine „Beratungsresistenz“ unterstellt wird. Gibt man den Unternehmern ein geeignetes Instrument zur Früherkennung von Erfolgsfaktoren in die Hand, wird dies mehr gelebt als die nicht voll akzeptierte Fremdbewertung. „Die Schwierigkeit der täglichen Arbeit besteht darin zu erkennen, was ist Chance, was ist Risiko.“ Weitere Vorteile der Selbstbewertung werden für das Unternehmen hauptsächlich auf Seiten des Datenschutzes und der schnellen Verfügbarkeit der Informationen gesehen. So ist eine Weitergabe von Daten an Dritte nicht notwendig und Betriebsinterna dringen nicht nach außen. Ebenso sollte durch Nutzung des fachspezifischen Wissens der unternehmenseigenen Mitarbeiter die Informationsgewinnung erheblich verkürzt werden. Um dem System eine aussagekräftige Berechnung zu ermöglichen, ist die objektive Bewertung des Unternehmens durch den Endnutzer unabdingbar. Dieser stehen jedoch eine Vielzahl psychologischer Effekte entgegen, die bei Nichtbeachtung zu 81 82

Diese Checkliste wird im nächsten Schritt in ein online-basiertes Steuerungsinstrument überführt und erweitert. Vgl. JUNGERMANN, H./PFISTER, H.-R./FISCHER, K.: Die Psychologie der Entscheidung. Eine Einführung, 2005, S. 8.

49

einer verzerrten Bewertung und somit einem falschen Ergebnis bzgl. der Situation des Unternehmens führen. Bereits in der Frühphase der Bewertung – bei der Beobachtung der eigenen Unternehmung – können durch den Bewerter allgemeinpsychologische Fehler auftreten. So z.B. der sogenannte Beobachter-Bias, welcher grob mit dem „halb vollen bzw. halb leeren Glas“ beschrieben werden kann. Das eigene Unternehmen wird aus einer subjektiv gefärbten Sichtweise betrachtet, welche bei verschiedenen Nutzern zu veränderten Eingaben und somit zu Objektivitätsproblemen führen kann.83 Da der Hauptbestandteil der wissensbasierten Bewertung auf Erklärung und Vorhersage der Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens liegt, besteht hier auch die größte Gefahr der Verzerrung. Die Vorgänge des Erklärens eines Ergebnisses, bei Anwendung einer definierten Strategie, sowie dessen Vorhersage, bei gleichwertiger Durchführung, sind eng miteinander verknüpft und lassen sich nur schwer voneinander trennen. Die Begründung hierfür liegt darin, dass Vorhersagen getroffen werden, indem Informationen aus der Vergangenheit auf Situationen in der Zukunft angewendet werden.84 So spielen hier kognitive Effekte wie der Priming-Effekt eine große Rolle. D.h. das erste Ergebnis einer erstmals angewandten Strategie wird stärker gewichtet als Ergebnisse, welche bei gleicher Vorgehensweise zu einem späteren Zeitpunkt erzielt wurden.85 Somit besteht die Gefahr, dass positiv oder negativ beeinflussende Einmaleffekte, welche beim ersten Versuch auftraten, den Nutzer unbewusst eine fehlerhafte Bewertung treffen lassen. Weitere Verfälschungen können z.B. durch den Framing-Effekt auftreten. Durch Nutzung positiver oder negativer Formulierungen von Fragestellungen werden hier bereits Bewertungsrichtungen suggeriert.86 Neben den bereits genannten psychologischen Aspekten ist auch das Wissen des Bewertenden über die Bewertungsmethodik von großer Bedeutung. So ist eine Fehlinterpretation bei unklaren Fragestellungen oder Bewertungsskalen möglich, bzw. wird die Bewertungstragweite für das Endergebnis falsch eingeschätzt. In der Motivationspsychologie werden weitere Aspekte behandelt, welche Bewertungen bewusst oder unbewusst beeinflussen können. So können Strategien verfolgt werden, um das Endergebnis so zu beeinflussen, dass z.B. Machtbedürfnisse oder Wünsche nach positiven, affektiven Beziehungen gestillt werden. D.h. es wird der selbst geführte Unternehmensbereich so bewertet, dass die eigene Stellung in der Organisation gesichert oder verbessert wird, bzw. Abteilungen von 83 84 85 86

Vgl. ZIMBARDO, P./GERRIG, R. : Psychologie, 1999, S. 20. Vgl. a. a. O., S. 3ff. Vgl. a. a. O., S. 252. Vgl. JUNGERMANN, H./PFISTER, H.-R./FISCHER, K.: Die Psychologie der Entscheidung. Eine Einführung, 2005, S. 232 f.

50

Personen, zu denen eine positive Beziehung besteht, besser bewertet werden, um Konfliktpotential zu vermeiden.87 Als dritter Aspekt bei der Selbstbewertung spielen Emotionen und deren Wirkung auf kognitive Funktionen eine Rolle. So wurde in einem Versuch von BLANEY 1986 beobachtet, dass in Abhängigkeit von der Stimmungslage des Probanden positive und negative Erinnerungen aus der Vergangenheit verstärkt wurden.88 D.h. es besteht die Gefahr, dass bei negativer Stimmungslage des Bewertenden das Unternehmen schlechter, bei positiver Stimmungslage das Unternehmen besser bewertet wird. Neben den in diesem Abschnitt genannten psychologisch bedingten Schwierigkeiten bei der Selbstbewertung müssen noch betriebswirtschaftliche Aspekte, wie Kosten und Ressourcen betrachtet werden. Zusammenfassend sollen in folgender Tabelle Vor- und Nachteile gegenübergestellt werden. Tabelle 1: Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Selbstbewertung Quelle: Eigene Darstellung

Vorteile - Nutzung betriebsinternen Fachwissens - keine Weitergabe von Betriebsinterna - geringe Einarbeitungszeit - keine Kosten durch Fremdbewerter - höhere interne Akzeptanz der Ergebnisse

Nachteile - hohe Gefahren des Selbstbetruges u.a. durch - subjektive Sichtweise - zeitliche Verzerrungen - Interpretation der Bewertungsmethodik - Machtmissbrauch - Stimmungslage

Trotz des Bewusstseins der vorhandenen skizzierten Nachteile wird aufgrund des Vorteils der Systematisierung des unternehmerischen Bauchdenkens die Selbstbewertung präferiert. „Ein Unternehmer muss sich selbst einschätzen können, engagiert und diszipliniert sein und eine Vision haben – alles andere kann man lernen.“ 87 88

Vgl. MÜSSELER, J./PRINZ, W.: Allgemeine Psychologie, 2002, S. 245 ff. Vgl. ZIMBARDO, P./GERRIG, R.: Psychologie, 1999, S. 369.

51

3

Forschungsdesign

3.1 Projektablauf Das Projekt Frühwarnsystem erstreckte sich insgesamt über fünf Phasen. In den ersten beiden Abschnitten wurden die wissenschaftlichen Grundlagen mit einer Literaturanalyse und die Sicht von Fachleuten aus dem Unternehmensumfeld in Form von Experteninterviews erörtert. Anschließend beschäftigte sich die dritte Phase durch Unternehmerinterviews mit den Meinungen und Erfahrungen der betroffenen Unternehmer selbst. Den Abschluss der vorangegangenen Analysen bildete eine Diskussion mit Experten und Unternehmern in Form eines Workshops. Ziel war es, die bisherigen Projektergebnisse zu bewerten und abzusichern. Diese bildeten gleichzeitig die Grundlage für die schriftliche Befragung als fünfte Phase. Dazu wurden weitere 50 Unternehmen und Experten befragt, um die bis dahin erstellten Modelle weiter auszugestalten und zu vervollständigen. Abschließend wurden die Modelle aus Theorie und Praxis zu einem Referenzmodell zusammengeführt. Nachfolgende Abbildungen fassen dies zusammen: Abbildung 15: Projektablauf Quelle: Eigene Darstellung

Literaturmodell

Expertenmodell

Unternehmermodell

Modellierung Profilbildung Entwurf Referenzmodell

Workshops

Schriftliche Befragung Feedback Vervollständigung der Daten Referenzmodell

52

Das Projekt startete am 1. Mai 2007 und fand am 31. Dezember 2008 wie geplant seinen Abschluss. Abbildung 16: Projektplan von Projekt Frühwarnsystem Quelle: Eigene Darstellung

Phase

2007

2008

Literaturanalyse (Lehrbücher, Zeitschriftenartikel, Internetquellen …)

Experteninterviews (Bänker, Rechtsanwälte, Verbände, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Unternehmensberater, Professoren)

Unternehmerinterviews (mittelständische Dresdner Fertigungsunternehmen)

Workshop / Schriftliche Befragung

Ergebnis • 75 Quellen • Theoriemodell • 17 narrative Interviews • Critical Incident Methode • Expertenmodell

• 20 narrative Interviews • Critical Incident Methode • Unternehmermodell • 50 Fragebögen • Vervollständigung/ Ausgestaltung der Modelle

(mittelständische Dresdner Fertigungsunternehmen)

Konzeption und Evaluation

• Zusammenführung Theorie- und Praxismodelle

In den folgenden Abschnitten werden die Phasen in ihrem Vorgehen und deren Durchführung erläutert. Die Grundstruktur beinhaltet Ziele, Methodik und deren Zwischenergebnisse. In diesen werden nur Ausschnitte der Untersuchungen und Umfragen gezeigt, um den Umfang des Buches zu beschränken.89

3.2

Projektphasen und Zwischenergebnisse

3.2.1

Literaturanalyse

3.2.1.1 Ziel Zur Zielerreichung wurde in einem ersten Schritt eine Literaturanalyse durchgeführt, um den aktuellen Wissensstand der „science community“ über das rubrizierte Themengebiet kennen zu lernen. 89

Weitere Informationen können auf Nachfrage von den Autoren angefordert werden.

53

3.2.1.2 Methodik Es wurden 75 Quellen90 hinsichtlich möglicher Vitalitätsfaktoren (induktives Vorgehen) und theoretischer Ansätze mit den verbundenen Forschungsmethoden (deduktives Vorgehen) ausreichend untersucht. Die Autoren haben sich bemüht, das Themengebiet in seiner Breite und Tiefe zu erfassen, um sich nicht frühzeitig auf einen Teilbereich (z.B. eine rein finanzielle Betrachtung) einschränken zu lassen. Als Ergebnis wurden zu den Quellen Zusammenfassungen (Abstracts) verfasst. Die Vielzahl der Einflussgrößen wird in den aus der Analyse abgeleiteten Matrixdarstellungen deutlich. Sämtliche Zusammenfassungen der untersuchten Literatur wurden in einer Liste in alphabetischer Reihenfolge samt Bearbeiter-Kürzel gesammelt. Der Hinweis, ob die Aussagen der referierten 75 Quellen qualitativer (verbale Hypothesen, Vorstellung von Methoden/Konzepten) oder quantitativer Art (empirische Befunde konkreter Untersuchungen) sind, sollte der Einschätzung über die Fundiertheit dienen.

90

Eine Aufstellung der Quellen findet sich in Anlage 2.

54

Abbildung 17: Beispiel eines Abstracts aus der Literaturanalyse Quelle: Eigene Darstellung

Kriterien-Quellen-Matrix

Die genannten Erfolgsfaktoren aus den Quellen wurden anschließend mittels Metaplantechnik zu Kriterienkategorien zusammengefasst.91 Die Kriterien-QuellenMatrix zeigt auf, welche Kriterien welchen Quellen entstammen. Nachfolgend ist ein kurzer Ausschnitt abgebildet:

91

In der nachfolgenden Modellierung findet eine dreistufige Unterteilung statt. So setzt sich die Vitalität aus mehreren Dimensionen zusammen, welche wiederum aus mehreren Faktoren bestehen die sich aus verschiedenen Kriterien ergeben.

55

Abbildung 18: Beispiel einer Kriterien-Quellen-Matrix der Literaturanalyse Quelle: Eigene Darstellung

Dimensionen-Kriterien-Matrix

Abschließend wurden den einzelnen Kriterien (weiße Zeilen) Kategorien in Form von Faktoren (schwarze Balken) und Dimensionen (Überbegriffe in den Spalten) zugeteilt. Nachfolgend ist ein kurzer Abschnitt abgebildet:

56

Abbildung 19: Beispiel einer Dimensionen-Kriterien-Matrix der Literaturanalyse Quelle: Eigene Darstellung

57

3.2.1.3 Zwischenergebnisse Als Ergebnis der Literaturanalyse entstand auf Grundlage einer Amöbendarstellung das erste Teilmodell, bestehend aus acht Vitalitätsdimensionen:

Abbildung 20: „lebendes“ Unternehmen mit seinen Vitalitätsdimensionen Quelle: Eigene Darstellung

Die analysierten Quellen bieten zahlreiche interessante Blickwinkel auf die Vitalitätsdimensionen, -faktoren und -kriterien von Unternehmen. Als oft erwähnte kritische Eigenheiten im Mittelstand traten v.a. folgende auf: - fehlendes strategisches Management (Planung & Zielsetzung), es überwiegt „operationale Hektik und Improvisation“ - hohe Abhängigkeit von Einzelpersonen - knappe Ressourcen, insbesondere Personal und Kapital - mangelnde Weiterbildungsmöglichkeiten - ausgeprägte Technikorientierung und zurückgedrängte Marktorientierung - fehlendes betriebswirtschaftliches Know-How

58

- unzureichende Steuerungsinstrumente (Controlling) - Handlungsträgheit in Krisenzeiten (zu späte Reaktion durch fehlende Transparenz und Isolation) - wenn gehandelt wird, dann oft nur durch Arbeit an den Krisenwirkungen („Bilanzsanierungen“) anstatt an den Ursachen - organisatorischer „Wildwuchs“ und „Verzettelung“ in Wachstumsphasen92 - ungeklärte Vertretungs- und Nachfolgeregelungen - überaus vorsichtiger Umgang mit betrieblichen, insbesondere finanzwirtschaftlichen Daten Demgegenüber stehen aber auch Erfolgsgeschichten, insbesondere von hidden champions, u.a. durch folgende Erfolgsfaktoren bedingt: - „Erfolgsfaktor Mensch“, d.h. motivierte und qualifizierte Mitarbeiter - Teamarbeit - Schnelligkeit durch flache Hierarchien - Flexibilität - Innovationskraft - gezielte Spezialisierung auf Marktsegmente - Risikobereitschaft - globale Vermarktung - Kundennähe - Qualität und Service Es ist deutlich geworden, dass eine rein quantitativ/monetäre Sichtweise keine ausreichende Erklärung vitaler Unternehmen bietet. Vielmehr ist ein dichtes Netz aus Dimensionen/Faktoren/Kriterien dafür verantwortlich, ob ein Unternehmen erfolgreich auf Veränderungen eingeht oder nicht. Es ist daher ein strategischerer Blickwinkel anzusetzen. „Die Schwierigkeit besteht darin, messbare Kriterien zu finden, die die Ursachen widerspiegeln und einfach zu ermitteln sind.“

92

Vgl. u.a. HOFMANN, M.: Unternehmensstrategie – Vorfahrt für Strategen, 2007, S. 12ff.

59

Als Projektziel wurde nach Auswertung der bestehenden Konzepte daher sowohl eine strategische Analyse des Unternehmens, als auch die Hinterlegung eines Frühaufklärungs-/Frühwarnsystems angestrebt. Während die strategische Analyse den „Vitalitätsstatus“ eines Unternehmens bestimmen soll, muss das Frühwarnsystem über Wirkungsnetzwerke als „Planspiel“ fungieren, um zu simulieren, wie sich die Veränderung einzelner Faktoren auf das Gesamtbild auswirken kann. 3.2.2

Experteninterviews

3.2.2.1 Ziel Das Expertenmodell war der zweite von drei Bausteinen zur Modellierung des Referenzmodells. Dieser Schritt verfolgte das Ziel, die aus der theoretischen Analyse gewonnenen Erfahrungen praxisnah zu hinterfragen und das entwickelte Modell gegebenenfalls zu verändern bzw. anzupassen. Dadurch sollte dem Projektteam ein erstes Feedback auf den vorgelegten Entwurf gegeben und die dargestellten Kriterien weiter verfeinert und strukturiert werden. Unter Experten wurden in diesem Projekt Berufsgruppen verstanden, die auf Grund ihrer Aufgaben- und Einsatzgebiete Einblick in viele Unternehmen haben und gleichzeitig verschiedene Sichtweisen auf die zu erforschende Thematik besitzen. Dazu zählen u.a. Finanzfachleute, Unternehmensberater und Rechtsanwälte. Zur Datengewinnung wurden aus der Region Dresden 17 Personen ausgewählt, mit denen im letzten Quartal 2007 Interviews durchgeführt wurden. In der Summe wurde somit die Möglichkeit geschaffen, einen breiten Fokus auf die Unternehmen unter dem Gesichtspunkt „Erfolgsfaktoren“ zu schaffen, um einerseits Rückkopplungen auf das entwickelte Modell zu bekommen und anderseits die im nächsten Schritt geplante Unternehmerbefragung auf einem qualitativ hohen Niveau durchführen zu können. 3.2.2.2 Methodik In der Praxis empirischer Sozialforschung haben qualitative und offene Formen des Interviews große Bedeutung. Im Kern stellt das Interview eine Gesprächssituation dar, die gezielt geschaffen wird, damit der Interviewer Fragen stellt, die vom Interviewten beantwortet werden. Dadurch erhält man die subjektive Sichtweise von Personen oder Personengruppen zu einem ausgewählten Thema. Die Besonderheit bei der Ermittlung von qualitativen Daten besteht darin, dass das Gespräch weniger von dem Fragenden, sondern vielmehr von dem Befragten gesteuert und gestaltet wird. Durch diese Freiheit wird dem Befragten viel Spielraum

60

beim Antworten gelassen und es ist möglich, eine breitere Masse an Informationen und Zusammenhängen zu erfahren. Um qualitative Daten aus persönlichen Gesprächen zu erheben, stehen verschiedene Vorgehensweisen zur Auswahl. Ein gewähltes methodisches Vorgehen besteht dabei aus folgenden zwei Bausteinen: Abbildung 21: Methodisches Vorgehen bei Interviews Quelle: Eigene Darstellung

Interviewform

Herangehensweise

Methodisches Vorgehen zur Gewinnung qualitativer Daten

Interviewform Für das vorliegende Projekt kamen problemfokussierte Interviewarten in Frage, weil durch die umfangreiche Literaturanalyse eine fundierte Ausgangsbasis für die Interviews geschaffen wurde. Mit der Vorstrukturierung des Gesprächsgegenstandes war eine Voraussetzung für diese Interviewform gegeben. Im „fokussierten Interview“ werden auf der Grundlage eines Gesprächsleitfadens die Interpretationen des Befragten bezüglich des festgelegten Fokus in relativ offener Form (freies Gespräch mit Möglichkeit, sich auch zu nicht-antizipierten Aspekten zu äußern) dokumentiert. Problemfokussierte Interviewarten konzentrieren sich demnach auf jene Teile der Interviews, welche sich mit vorhandenen Problemen oder bewältigten Problemen beschäftigen. Die nachfolgende Tabelle zeigt einen kurzen Überblick über mögliche Interviewformen:

61

Tabelle 2: Überblick über problemfokussierte Interviewformen Quelle: Eigene Darstellung

Interviewform

Ziel und Methodik

Literatur

DilemmaInterview

Dilemma wird vorgegeben; Befragter soll dieses lösen und dabei Vorgehensweise erläutern; ständiges Nachfragen, um Argumente genau zu erfassen, ist unablässig

AUFENANGER 1991; FRIEBERTSHÄUSER 2003

Problemzentriertes Interview

Analysierung von alltäglichen Problemen; in Einzel- oder Gruppeninterviews möglich

WITZEL 1982

Narratives Interview

Durch Erzählanstoß eingeleitet, erfolgt vom Befragten eine Stehgreiferzählung zu historischen persönlichen Ereignissen

KÜSTERS 2006; SCHÜTZE 1983

VerhaltensAnalyse

Erfassung des Verhaltens in umschriebenen Situationen

REINECKER/ LAKATOS 1999

Vertikale Verhal- Handlungsleitende Motive werden ertens-Analyse fasst sowie Ziel-Mittel-Relationen

CASPAR/GRAWE 1982

Für die Befragung der Experten wurde das narrative Interview als geeignetster Typ ausgewählt. Ursprünglich war das narrative Interview für die Eruierung lebensgeschichtlich bezogener Fragestellungen entwickelt worden. Der Begriff ist jedoch weiter gefasst und wird heute als Synonym für qualitative Interviewformen verwendet. In der ursprünglichen Form ist die Interviewsituation geprägt durch Stegreiferzählungen seitens des Befragten. Der Impuls (erzählgenerierende Frage) für diese Berichte wird durch den Interviewer gesetzt. Die lebensgeschichtlich bezogenen Fragestellungen waren durch die Ergebnisse der Literaturanalyse vorgegeben. Erfolge im industriellen Mittelstand werden durch mehrere Dimensionen und einer Vielzahl von Faktoren, aber insbesondere durch die Persönlichkeit des Unternehmers geprägt. Diese Spur sollte in den Experteninterviews aufgenommen werden.

62

Ziel dieser Interviewform war es, durch einen so genannten „Erzählanstoß“ eine Stehgreiferzählung auszulösen, ohne auf eine bestimmte Reaktion hin zu steuern, die durch den Interviewer provoziert wurde. Das narrative Interview wird dabei in Haupterzählung, Nachfrage und Bilanzierungsphase gegliedert. - Im Hauptteil erzählt der Befragte ohne Unterbrechung seine Geschichte. Dabei fungiert der Interviewer nur als aufmerksamer Zuhörer. - Im Nachfrageteil hat nun der Interviewer die Möglichkeit, Unklarheiten anzusprechen und auf Details genauer einzugehen. - Im Bilanzierungsteil wird die Erzählung bewertet. Durch induktives Vorgehen kann hierbei eine problemzentrierte qualitative Auswertung erfolgen, um den an die Interviewform gestellten Ansprüchen gerecht zu werden. Herangehensweise Mit dem narrativen Interview wird nur der Ablauf der Befragung festgelegt. Kernstück des Interviews ist die Art und Weise, wie die Informationen erhoben werden. Entschieden wird dies über die Fragestellung oder den Erzählanstoß. Für die Erstellung eines Frühwarnsystems sind die erlebten Erfahrungen der Befragten entscheidend, so dass die richtige Herangehensweise unabdingbar ist, um die tatsächlichen Abhängigkeiten von Erfolg und Misserfolg zu erkennen. Damit muss in der Fragestellung die Problemstellung vorkommen, die wertungsfrei und richtungslos ist. Für die Aufstellung von Erfolgs- und Misserfolgskriterien eignet sich besonders die Critical Incident Methode. Mit diesem Verfahren werden kritische Zwischenfälle analysiert, welche aus einer Summierung von positiven und negativen Erfahrungen bestehen. Das Ziel dieser Methode liegt in der Entwicklung, Erreichung und Förderung von Kompetenzen.93 Durch eine genaue Betrachtung der erlebten negativen Erfahrungen wird eine Einsicht in die Bewältigungs- und Verarbeitungsstrategien der Befragten möglich. Damit werden Ereignisse sichtbar, die zu den kritischen Situationen und deren Folgen führten. Eine negative Situation wird über Erfahrungen mit negativen Konsequenzen für den Befragten oder andere Beteiligte beschrieben. Im Kontext dazu 93

Die Critical Incident Technique ist eine Methode bei der kritische Ereignisse und deren Folgen beleuchtet werden. „By an incident is ment any observable human activity that is sufficiently complete in itself to permit inferences and predictions to be made about the person performing the act. … To be critical, an incident must occur in a situation where the purpose or intent of the act seems fairly clear to the observer and where its consequences are sufficiently definite to leave little doubt concerning its effects.” (FLANGAN, J.C.: The critical incident technique, 1954, S. 327).

63

ist eine positive Situation das Erlangen von positiven Konsequenzen für den Befragten oder Beteiligten. Durch das Sammeln dieser Informationen kann dann eine strukturierte Analyse erfolgen und so eine treffende Schlussfolgerung erarbeitet werden, wodurch es möglich wird, gewünschte Prozesse und Kompetenzen zu fördern und die unerwünschten zu unterbinden. Zusammenfassend ergab sich für das Projekt Frühwarnsystem folgende Interviewmethodik: Abbildung 22: Methodisches Vorgehen im Experteninterview Quelle: Eigene Darstellung

Narratives Interview

Critical Incident Methode

Methodisches Vorgehen zur Gewinnung qualitativer Daten aus den Experteninterviews Zusätzlich zur oben beschriebenen Interviewmethodik wurden folgende Rahmenbedingungen für die Interviews festgelegt: - Es wurde eine Auswahl von 17 Experten festgelegt. - Die Interviewdauer wurde mit einem Zeitrahmen von 60 bis 90 Minuten geplant. - Aufgrund der Informationsdichte wurden die Interviews mit einem Diktiergerät aufgenommen. Mit der Gesprächsaufzeichnung sollte eine hohe Qualität der Auswertung sichergestellt werden. Damit wurde es möglich, nicht nur eine vollständige Wiedergabe der Inhalte zu gewährleisten, sondern auch zeitunabhängig einzelne Passagen in ihren Zusammenhängen abzuhören. - Für das Interview selbst wurden stets zwei Personen eingeplant. - Der Interviewer (wissenschaftlicher Mitarbeiter) übernahm den aktiven Part der Fragestellung bzw. des Erzählanstoßes. Seine Hauptaufgabe war die Sicherstellung eines reibungslosen Gesprächsablaufes, d.h. in erster Linie das Interview zu führen, ein Stocken des Gesprächsflusses zu verhindern und

64

somit eine „Wohlfühl-Atmosphäre“ zu schaffen, um möglichst viele Informationen zu erhalten. - Der Protokollant (i.d.R. studentischer Mitarbeiter) war dem gegenüber für den Abgleich der Antworten mit den Faktoren der Literaturanalyse zuständig.94 Dadurch wurde das Gespräch auf inhaltliche Vollständigkeit geprüft, wobei der Protokollant am Ende des Gesprächs gegebenenfalls ergänzende Fragen einbringen konnte. Die Organisation und Durchführung der Experteninterviews wurde in mehrere Schritte eingeteilt, die im Folgenden detailliert erläutert werden: Abbildung 23: Organisation der Experteninterviews Quelle: Eigene Darstellung

a) Organisation • Auswahl der Experten • Kontaktaufnahme b) Interview • Narratives („freies“) Interview • Ausfüllen der Fragebögen c) Auswertung • Exzerption der Interviews • Zusammenstellung der Faktoren mittels Mind Map

a) Organisation Mit dem Ziel, ein möglichst breites Bild von Unternehmen zu erhalten, wurden Experten ausgewählt, die aufgrund ihrer Spezialisierung Unternehmen aus verschiedenen Blickwinkeln erleben. Folgende Expertengruppen wurden nach Funktionen unterschieden, wobei aus Vertraulichkeitsgründen auf eine namentliche Erwähnung der Experten verzichtet wurde:

94

Diese wurden mittels eines Faktorenprotokolls verglichen, vgl. Anlage 6.

65

Tabelle 3: Berufsgruppen der Experten Quelle: Eigene Darstellung

Funktion

Kürzel

Anzahl

Anteil

Wirtschaftsanwälte

A

2

11,8%

Vertreter von Verbänden/Kammern

V

3

17,6%

Manager aus Banken/ Finanzdienstleister

B

5

29,4%

Wirtschaftsprüfer/Steuerberater

W

2

11,8%

Forscher

F

3

17,6%

Unternehmensberater

U

2

11,8%

17

100,0 %

SUMME

Abbildung 24: Verteilung der Experten nach Berufsgruppen und Anteil Quelle: Eigene Darstellung Unternehmens‐ berater; 11,8% Wirtschafts‐ anwälte;  11,8%

Verbände/  Kammern;  17,6%

Forschung;  17,6%

Wirtschafts‐ prüfer/  Steuerberater;  11,8%

Banken/  Finanzdienst‐ leister; 29,4%

66

Nach Festlegung der Rahmendaten wurden aus dem Kontaktpool der Hochschule, der Kooperationspartner und der Projektmitarbeiter entsprechende Personen ausgewählt und anschließend für die Gespräche zwischen zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern aufgeteilt. Die ausgewählten Personen wurden mittels schriftlicher Anschreiben erstmals kontaktiert.95 Darin wurde das Projektziel vorgestellt und um Kooperationsbereitschaft gebeten. In diesem Zusammenhang wurde der Kontaktierte darauf vorbereitet, dass sich der zugeteilte wissenschaftliche Mitarbeiter zur Terminabsprache telefonisch meldet. Das Telefongespräch fand ca. eine Woche nach Versand der Anschreiben statt, um den Experten vorher die Gelegenheit zu geben, die Anfrage sachlich und terminlich zu prüfen. Vordergründig ging es darum, den Gesprächspartner mit dem Interviewer und dem Protokollanten einschließlich deren Aufgaben sowie deren Qualifikationen bekannt zu machen. Neben der formalen Bekanntmachung war damit auch das Ziel verbunden, eine vertrauensvolle Situation zu schaffen, um möglichst viele unverfälschte Informationen zu erhalten. In diesem Zusammenhang hatte der Gesprächspartner auch die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Nach der Vorstellung wurden die konkreten Details besprochen. Zum einen wurde um Erlaubnis zur Aufnahme per Diktiergerät gebeten, wobei der Hinweis auf Vertraulichkeit dabei eine elementare Voraussetzung für ein offenes Gespräch darstellte. Zusätzlich wurde der genaue Gesprächstermin sowie dessen Dauer und Ort fixiert.96 b) Interview Zum Gesprächstermin wurden Interviewer und Protokollant für gewöhnlich in die Räumlichkeiten der Gesprächspartner eingeladen. Mit entsprechend vorbereiteten Gesprächsunterlagen97 wurde das Interview nach einem festgelegten Ablaufschema durchgeführt, wobei das eigentliche Interview in zwei Kernteile gegliedert war.

95 96

97

Das vollständige Anschreiben befindet sich in Anlage 4. Bei den Gesprächen war eine durchweg positive Kooperationsbereitschaft festzustellen. Dafür und für die vielen spannenden und interessanten Erzählungen möchte sich das gesamte Projektteam an dieser Stelle nochmals ausdrücklich bedanken. Die vollständigen Gesprächsunterlagen befinden sich in Anlage 5.

67

Einführung - persönliche Vorstellung - Erläuterung Projekt- und Gesprächsziel - Vorgehensweise und Ablauf des Gesprächs - nochmalige Einholung der Erlaubnis zur Nutzung des Diktiergerätes und Zusicherung der Vertraulichkeit Interview Teil 1 (offenes Gespräch) Entsprechend der Vorgehensweise des narrativen Interviews wurden vom Interviewer nur wenige Fragen gestellt, damit der Befragte möglichst frei von Einschränkungen oder Leitlinien seine Meinung und Erfahrungen wiedergeben konnte. Dabei stand der Interviewer dem Befragten für eventuelle Rückfragen zur Verfügung und fügte auch individuelle Fragen ein, um Unklarheiten zu beseitigen bzw. in gewisse Sachverhalte tiefer einzudringen. Zwischenzeitliche Zusammenfassungen des Interviewers mit seinen eigenen Worten sollten zudem die Interpretation der Aussagen absichern. Aufgeteilt in verschiedene Zielstellungen wurden folgende Fragen gestellt bzw. Impulse gesetzt:

A Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren: - Wenn Sie einmal an die nähere Vergangenheit denken und sich ein erfolgreiches regionales Industrieunternehmen aus dem Mittelstand vorstellen. Woran erkennen Sie, was ein erfolgreiches, was ein weniger erfolgreiches Unternehmen auszeichnet? - Wenn wir uns nun den erfolgreichen Unternehmen zuwenden. Können Sie aus Ihrer Gesamtschau beschreiben, was typische wichtige Vorfälle/Ereignisse für Sie sind, um von einem erfolgreichen Unternehmen zu sprechen? - Können Sie häufige Vorfälle/Ereignisse beschreiben? - Was waren unerwartete Vorfälle/Ereignisse?

68

B Krisenursachen: - Sie haben uns nun einige Situationen erläutert, die zu Erfolg bzw. Misserfolg in Unternehmen geführt haben. Worauf führen Sie diese Entwicklungen in den Unternehmen zurück? Waren dies eher persönliche oder situative Umstände? C Lernbereitschaft: - Wie wurde auf die Veränderungen reagiert? Haben die Firmen ihre Strukturen und Prozesse angepasst? Wie erfolgreich war die angestrebte Veränderung? Zeitgleich zur Beantwortung der Fragen war der Protokollant für den Abgleich der besprochenen Inhalte auf dem Faktorenprotokoll zuständig. Damit konnte der Interviewer bis dato offen gebliebene Punkte in Absprache mit dem Protokollanten ansprechen. Interview Teil 2 (dreiseitiger Fragebogen) Mit einem kurzen abschließenden Fragebogen sollten noch einmal die aus der theoretischen Basis gewonnenen Dimensionen praxisnah bewertet und hinterfragt werden. Damit wurde bereits auf die Erstellung des Referenzmodells hingearbeitet, indem neben Begrifflichkeiten auch quantifizierte Zusammenhänge abgefragt wurden. Nach der Vorlage der Fragebögen erfolgte eine kurze Erläuterung der Begrifflichkeiten und der damit verbundenen Erwartungen. Während des Ausfüllens hatte der Interviewer zudem die Möglichkeit, bei Unklarheiten oder Missverständnissen in die Bearbeitung einzugreifen. Der Fragebogen hatte folgende Ziele: 1. Nennung von Bestimmungsfaktoren für den Unternehmenserfolg nach Vitalitätsdimensionen zur Ergänzung des Literaturmodells. 2. Bestimmung der Einflussstärken der Vitalitätsdimensionen von 1 (sehr schwach) bis 10 (sehr stark) zur Gewichtung für das Referenzmodell. 3. Aufzeigen der drei wichtigsten Beeinflussungszusammenhänge der Dimensionen untereinander, mit Angabe von Ursache-Wirkungs-Beziehung (Pfeilrichtung) und Stärke der Abhängigkeit von 1 (sehr schwach) bis 10 (sehr stark).

69

Gesprächsabschluss - Bedanken für die Unterstützung - Erklärung der weiteren Projektschritte - Ermunterung zur weiteren aktiven Mitarbeit (z.B. Teilnahme an Workshops) - Verabschiedung c) Auswertung Zur Auswertung wurden durch wiederholtes Anhören der aufgenommenen Sprachdateien vom Interviewer und Protokollanten unabhängige Abstracts verfasst, welche anschließend zusammengeführt wurden. Damit sollten die subjektiven Eindrücke auf „mehrere Schultern“ verteilt werden, um damit eine höhere Objektivität zu gewährleisten. Auf Basis dieser Zusammenfassung wurden in einer Diskussionsrunde der beiden Interviewteilnehmer die Kernaussagen in Erfolgsfaktoren überführt und in einer Excel-Liste erfasst. Um dem Nachteil der Aggregation auf einzelne Stichwörter zu begegnen, konnten die Faktoren in einem Kommentarfeld näher beschrieben werden. Tabelle 4: Überführung der Erfolgsfaktoren an einem Beispiel Quelle: Eigene Darstellung

Ausschnitt Abstract

Kriterium

Dimension

„ …die Anstrengungen haben sich dahin gehend entwickelt, neue Geschäftsfelder zu erschließen …“

Erschließung neuer Ziele & Strategien Geschäftsfelder

Die gewonnenen Faktoren wurden anschließend den Erfolgsdimensionen mittels Mind-Map-Technik zugeordnet. Zusätzlich wurden nach Interpretation der Wissenschaftler Verknüpfungen zwischen Faktoren verschiedener Dimensionen hinzugefügt. Die erstellten Wände wurden anschließend digital übertragen und bildeten die Übersichten in Form von Dimensionen-Kriterien-Maps. Die erste Seite des Fragebogens diente dazu, das oben erwähnte Faktorennetz zu ergänzen. Demzufolge wurden die beschriebenen Faktoren und Kriterien zusätzlich in die Mind Maps aufgenommen, wobei sie gesondert gekennzeichnet wurden. Die Zuordnung wurde hier 1:1 vom Fragebogen übernommen, um die Meinungen der Experten widerzuspiegeln.

70

Die zweite und dritte Seite, die der Quantifizierung der Beziehungen des Modells diente, wurden in einer Excel-Datei erfasst und statistisch ausgewertet. Aufgrund der relativ geringen Grundgesamtheit wurden die Werte nicht getrennt nach Funktionen der Experten interpretiert, sondern nur als Summe ermittelt.98 Nachfolgend befindet sich ein kurzer Ausschnitt aus den zusammengefassten Interview-Abstracts. Abbildung 25: Beispiel eines Abstracts aus den Experteninterviews Quelle: Eigene Darstellung

98

Die Ergebnisse befinden sich im Abschnitt 3.2.2.3 Zwischenergebnisse – Mathematische Verknüpfungen und werden an dieser Stelle interpretiert.

71

Kriterien-Quellen-Matrix Wie schon bei der Literaturanalyse wurden auch bei den Experteninterviews die erwähnten Erfolgsfaktoren zu Kritierienkategorien zusammengefasst. Die nachfolgende Kriterien-Quellen-Matrix gibt einen Überblick darüber, welche Kriterien von den jeweiligen Experten in welchem Interviewteil angesprochen wurden. Steht in der jeweiligen Spalte des Experten ein „I“, so wurde es im freien Interviewteil erwähnt, bei einem „F“ in den Fragebogen eingetragen.

72

Abbildung 26: Beispiel einer Kriterien-Quellen-Matrix aus den Experteninterviews Quelle: Eigene Darstellung

Dimensionen-Kriterien-Maps Die Dimensionen-Kriterien-Maps geben auf Basis der Kriterien-Quellen-Matrix eine Übersicht über die Zuordnung der Kriterien zu den Dimensionen.

73

Abbildung 27: Beispiel einer Dimensionen-Kriterien-Map aus den Experteninterviews Quelle: Eigene Darstellung

3.2.2.3 Zwischenergebnisse

Mathematische Verknüpfungen Aus Fragebogen 2 konnten zusammenfassend folgende Ergebnisse ermittelt werden:

74

Tabelle 5: Übersicht über die Gewichtungen der Vitalitätsdimensionen aus den Experteninterviews Quelle: Eigene Darstellung

Dimension

Mittelwert

Rang

Standardabweichung

Markt

8,7

1

1,7

Ziele & Strategien

8,6

2

1,8

Betrieblicher Hintergrund & Identität

5,6

7

2,5

Permanente Veränderungen

6,7

5

2,4

Ressourcen

7,0

4

2,5

Struktur

5,6

7

1,7

Verhalten

7,5

3

2,0

Prozesse

6,5

6

2,1

n = 15 (15 auswertbare Fragebögen), Skala: 1 (sehr geringes Gewicht) bis 10 (sehr hohes Gewicht)

Folgende Thesen konnten daraus abgeleitet werden: - Markt am wichtigsten, dicht gefolgt von Ziele & Strategien - danach bereits das Verhalten, noch vor Ressourcen oder Prozessen - abgeschlagen und am unwichtigsten Betrieblicher Hintergrund & Identität und Struktur - größere Uneinigkeit bei Betrieblicher Hintergrund & Identität, permanente Veränderungen und Ressourcen (σ99 > 2)

99

Standardabweichung

75

Verknüpfungen Dimensionen Die Verbindungen aus dem 3. Fragebogen ergaben zusammengefasst folgendes Bild: Tabelle 6: Übersicht über die Einflussstärken zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Experteninterviews Quelle: Eigene Darstellung

Dimension

Nennungen

Summen

∑ Einfluss

∑ Beeinflussung

∑ Einfluss

∑ Beeinflussung

Markt

22

13

183

112

Ziele & Strategien

18

20

141

171

Betrieblicher Hintergrund & Identität

10

7

77

50

Permanente Veränderungen

14

8

84

60

Ressourcen

8

9

63

70

Struktur

6

9

37

66

Verhalten

9

12

82

83

Prozesse

7

16

58

113

n = 16 (16 auswertbare Fragebögen), Skala: 1 (sehr geringer Einfluss) bis 10 (sehr hoher Einfluss)

Überführt man die Anzahl der Nennungen in eine Grafik, in dem die Pfeilstärke die Einflussstärke unter den Dimensionen darstellt, ließen sich erste Tendenzen erkennen:

76

Abbildung 28: Beeinflussung zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Experteninterviews Quelle: Eigene Darstellung Struktur

Betrieblicher Hintergrund Markt

& Identität

Ziele & Ressourcen

Strategien

Prozesse

permanente Veränderung

Verhalten

Die Interpretation der Daten führte zu folgenden Thesen: - dominierender Einfluss kommt vom Markt (22 Nennungen) - Ziele & Strategien sind am meisten von anderen Faktoren abhängig – richten sich „nach dem, was im Unternehmen da ist“ - auch Prozesse wurden als stark abhängig angesehen (16 Nennungen) - starke Wechselwirkung zwischen Markt und Ziele & Strategien Im Ergebnis der qualitativen Befragung von Experten hatte sich (erwartungsgemäß) eine höhere Bedeutung der Unternehmerpersönlichkeit für die Vitalität eines Unternehmens herauskristallisiert. In Folge dessen wurde das entwickelte Unternehmensmodell in Form einer Amöbe entsprechend ergänzt. „Die Unternehmerpersönlichkeit ist nicht alles, aber eine ganze, ganze Menge.“

77

Die Gespräche ergaben, dass sich die Zahl der in der Literaturanalyse recherchierten Kriterien (deutlich) konzentrieren wird, wobei bei den noch nachfolgenden Untersuchungen davon auszugehen war, dass neben einzelnen Kriterien ebenfalls Faktoren ergänzt werden. Der Ansatz mit Fokus auf die Durchführung einer strategischen Unternehmensanalyse hatte sich als richtig herausgestellt. Ansonsten herrscht ein relativ weit gestreutes/vielschichtiges Bild, welches die Komplexität des Beobachtungsgegenstandes verdeutlicht. Grundsätzlich wurde das Modell aus der Literatur durch die Experten angenommen, jedoch mit einigen Ergänzungen und Modifikationen: - Kategorisierung: Trennung Verhalten in Mitarbeiterverhalten und Unternehmerpersönlichkeit - Begriffsklärung: Umbenennung Prozesse in Geschäftsprozesse und permanente Veränderungen in Verbesserungsprozesse - Systematik: Ausweis der Verbesserungsprozesse als Schnittstelle zwischen operativen (innerer Bereich) und strategischen Einheiten (äußerer Bereich). Abbildung 29: modifizierte Struktur des „lebenden“ Unternehmens Quelle: Eigene Darstellung

78

3.2.3

Unternehmerinterviews

3.2.3.1 Ziel Zur weiteren Anreicherung mit Praxisimpulsen wurden im nächsten Schritt die Unternehmer selbst über Erfolgs- und Misserfolgsszenarien befragt. Damit sollten einerseits die bisherigen Ergebnisse validiert und andererseits weitere Impulse aus der direkten Perspektive der Unternehmer aufgenommen werden. 3.2.3.2 Methodik Analog zu den Experteninterviews wurde auch bei den Unternehmergesprächen auf das narrative Interview und die Critical Incident Methode zurückgegriffen und folgende Rahmenbedingungen für die Interviews festgelegt: - Es wurde eine Auswahl von 20 Unternehmern befragt - Interviewdauer: 60 bis 90 Minuten - Befragungsteam: 1 Interviewer (wissenschaftlicher Mitarbeiter), 1 Protokollant (studentischer Mitarbeiter) - Aufzeichnung per Diktiergerät - Festgelegter Interviewablauf mittels vordefinierter Fragen Im ersten Teil, dem freien Interview, wurden Erzählanstöße zu folgenden Fragekomplexen gestellt: A Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren B Krisenursachen C Lernbereitschaft Der zweite Teil bestand aus einem dreiseitigen Fragebogen zu folgenden Themen: 1) Bestimmungsfaktoren für den Unternehmenserfolg 2) Gewichtung der Bestimmungsfaktoren 3) Beeinflussung der Bestimmungsfaktoren100 Die befragten Unternehmen stammten aus folgenden Branchen: 100

Um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu den Experteninterviews zu erreichen, sind die daraus entstandenen Veränderungen der Dimensionen (Hinzunahme Unternehmerpersönlichkeit, Umbenennung Prozesse in Geschäftsprozesse und Permanente Veränderung in Veränderungsprozesse) nicht ins Interview eingeflossen.

79

Tabelle 7: Branchen der Unternehmer Quelle: Eigene Darstellung

Funktion

Kürzel

Anzahl

Anteil

Maschinenbau

M

9

45,0%

Elektronik

E

5

25,0%

Umwelt

U

2

10,0%

Textil

T

1

5,0%

Software

Sw

1

5,0%

Stahlbau

St

2

10,0%

20

100,0 %

SUMME

Abbildung 30: Verteilung der Unternehmer nach Branche und Anteil Quelle: Eigene Darstellung Stahlbau; 10%

Software; 5%

Textil; 5% Maschinenbau;  45% Umwelt; 10%

Elektronik; 25%

Zur Auswertung des freien Interviews wurde das Gespräch in Abstracts zusammengefasst. Daraus überführten die beiden Interviewteilnehmer in einer Diskussi-

80

onsrunde die Kernaussagen in Erfolgsfaktoren. Anschließend wurden diese mittels Mind-Map-Technik kategorisiert. In der Summe entstand damit die Struktur des Unternehmermodells. Der Fragebogen lieferte zum einen Ergänzungen zum freien Interview und zum anderen mathematische Verknüpfungen, die die Erfolgsfaktoren im Referenzmodell untereinander gewichten. Dabei konnten u.a. die Einflüsse der Dimensionen für die Bestimmung eines summierten Vitalitätsstatus bewertet werden. Nachfolgend befindet sich ein kurzer Ausschnitt aus den zusammengefassten Interview-Abstracts.

81

Abbildung 31: Beispiel eines Unternehmerinterview-Abstracts Quelle: Eigene Darstellung

Kriterien-Quellen-Matrix Analog dem Vorgehen bei den Experteninterviews wurden die genannten Erfolgsfaktoren zu Kriteriengruppen zusammengefasst. Die nachfolgende KriterienQuellen-Matrix gibt einen Überblick darüber, welche Kriterien von welchen Unternehmern in welchem Interviewteil angesprochen wurden. Steht in der jeweiligen Spalte des Unternehmers ein „I“, so wurde es im freien Interviewteil erwähnt, bei einem „F“ in den Fragebogen eingetragen.

82

Abbildung 32: Beispiel einer Kriterien-Quellen-Matrix aus den Unternehmerinterviews Quelle: Eigene Darstellung

Dimensionen-Kriterien-Maps Auf Basis der Kriterien-Quellen-Matrix geben die Dimensionen-Kriterien-Maps eine Übersicht über die Zuordnung der Kriterien zu den Dimensionen.

83

Abbildung 33: Beispiel einer Dimensionen-Kriterien-Map aus den Unternehmerinterviews Quelle: Eigene Darstellung

3.2.3.3 Zwischenergebnisse

Mathematische Verknüpfungen Aus dem Fragebogen konnten zusammenfassend folgende Ergebnisse ermittelt werden.

84

Tabelle 8: Übersicht über die Gewichtungen der Vitalitätsdimensionen aus den Unternehmerinterviews Quelle: Eigene Darstellung

Dimension

Mittelwert

Rang

Standardabweichung

Markt

9,2

1

1,1

Ziele & Strategien

8,3

2

1,8

Betrieblicher Hintergrund & Identität

6,7

6

1,4

Permanente Veränderungen

6,7

6

2,3

Ressourcen

7,3

5

1,4

Struktur

6,0

8

1,4

Verhalten

7,5

4

1,2

Prozesse

7,9

3

2,1

n = 15 (15 auswertbare Fragebögen), Skala: 1 (sehr geringes Gewicht) bis 10 (sehr hohes Gewicht)

Folgende Thesen konnten daraus abgeleitet werden: - Wie schon bei den Experten wurde der Markt als wichtigster Erfolgsbaustein gesehen. Auch Ziele & Strategien lagen wie bei den Experten auf einem deutlichen 2. Platz. - Insgesamt ist die Rangfolge der Dimensionen denen der Experten sehr ähnlich. Einzige Ausnahme bildeten die Prozesse, die bei den Unternehmern den 3. Rang (im Gegensatz zum 6. Rang bei den Experten) einnahmen. Dies mag daran liegen, dass Unternehmer den direkteren Bezug zum Unternehmensgeschehen haben, während Experten eher die Resultate dieser Prozesse z.B. im Hinblick auf Verhaltensweisen bzw. finanzielle Ressourcen wahrnehmen. - Die Unternehmensstruktur belegte auch bei diesen Interviews abgeschlagen den letzten Platz. - Etwas überraschend lagen die permanenten Veränderungen nur auf Platz 6, obwohl diese eigentlich der zentrale Anpassungshebel an markt- und unternehmensinterne Veränderungen sind. Schaut man sich die Zahlenreihe jedoch im Einzelnen an, stellt man schnell fest, dass die Wertungen in diesem Fall stark schwanken (zwischen 2 und 10). Demzufolge war die vorgenommene

85

Umbenennung in „Verbesserungsprozesse“ wichtig, um zukünftige Unsicherheiten bei der Begriffsdeutung einzudämmen. - Generell war festzustellen, dass die Gewichtungsunterschiede (ausgedrückt durch die Standardabweichung) weniger stark schwankten als bei den Experten. Lediglich permanente Veränderungen und Prozesse wiesen eine Abweichung von über 2 auf. Hier kam die weite Streuung der Experten (von Bänkern bis Professoren) zum Tragen, der gegenüber eine homogenere Auswahl an befragten Unternehmern stand.

Verknüpfungen Dimensionen Die Verbindungen aus dem Fragebogen ergaben zusammengefasst folgendes Bild:

Tabelle 9: Übersicht über die Einflussstärken zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Unternehmerinterviews Quelle: Eigene Darstellung

Dimension

Nennungen

Summen

∑ Einfluss

∑ Beeinflussung

∑ Einfluss

∑ Beeinflussung

Markt

22

11

190

89

Ziele & Strategien

10

18

82

149

Betrieblicher Hintergrund & Identität

6

2

37

13

Permanente Veränderungen

2

5

14

36

Ressourcen

3

8

26

63

Struktur

3

4

21

30

Verhalten

5

7

30

48

Prozesse

11

7

87

59

n = 14 (14 auswertbare Fragebögen), Skala: 1 (sehr geringer Einfluss) bis 10 (sehr hoher Einfluss)

86

Überführt man die Anzahl der Nennungen in eine Grafik, in dem die Pfeilstärke die Einflussstärke unter den Dimensionen darstellt, ließen sich erste Tendenzen erkennen: Abbildung 34: Beeinflussung zwischen den Vitalitätsdimensionen aus den Unternehmerinterviews Quelle: Eigene Darstellung Struktur

Betrieblicher Hintergrund Markt

& Identität

Ziele & Ressourcen

Strategien

Prozesse

permanente Veränderung

Verhalten

Die Interpretation der Daten führte zu folgenden Thesen: - Der Markt wurde wie bei den Experten als dominante Einflussgröße gesehen. - Auffällig war, wie schon bei der Gewichtung der Dimensionen, die gesteigerte Bedeutung der Prozesse. Im Gegensatz dazu wurden die permanenten Veränderungen nicht als Veränderungsimpuls gesehen. Dies mag die These unterstützen, dass mittelständische Unternehmen Veränderungen i.d.R. intuitiv auf operativer Ebene durchführen, ohne dabei im Vorfeld stets langfristige (taktische) Pläne aufzustellen.

87

- Eine weitere Gemeinsamkeit mit den Expertenmeinungen war bei dem Punkt Ziele & Strategien festzustellen. Auch für die Unternehmer war diese Dimension diejenige, die am meisten von anderen Elementen abhing. - Das Verhalten und der betriebliche Hintergrund & Identität spielten nach Meinung der Unternehmer eine untergeordnete Rolle, da sie weniger beeinflusst wurden und weniger Einfluss ausübten als es die Experten eingeschätzt hatten. - Im Allgemeinen konnte gesagt werden, dass die Unternehmer weniger Einfluss und Beeinflussung sahen als die Experten. Die Unternehmer waren aber der Meinung, dass Beeinflussungen vorhanden sind, wenn diese stärkere Ausprägungen aufweisen und somit konzentriert auftreten. 3.2.4

Unternehmer- und Experten-Workshop

3.2.4.1 Ziel Ziel des Workshops war es, die bisherigen Projektergebnisse von den Betroffenen bewerten zu lassen und gleichzeitig eine Grundlage für die sich anschließende schriftliche Befragung von weiteren Unternehmern und Experten zu schaffen. 3.2.4.2 Methodik Zu Beginn des Workshops wurden den Teilnehmern zunächst noch einmal Projektziele und -inhalte sowie das Forschungsdesign erläutert. Anschließend wurde der bisherige Forschungsstand vorgestellt, insbesondere das aus den Experten- und Unternehmerinterviews entwickelte Profil an Erfolgsdimensionen des „typischen“ erfolgreichen mittelständischen Industrieunternehmers aus Dresden. Diese Ergebnisse wurden mit den Teilnehmern anhand von Mind Maps über die Faktoren und Dimensionen diskutiert. Ziel war es, Zusammenfassungen, Begriffsänderungen bzw. Aufgliederungen auf Faktorenebene zu erreichen. Im dimensionalen Bereich wurden sowohl Anzahl wie Begrifflichkeiten und Zuordnung der Faktoren hinterfragt. Anschließend bewerteten jeweils ein Unternehmer-/Experten-Team unter Assistenz eines Projektmitarbeiters die Gewichtung der Faktoren. Dazu hatte jedes Team zwei Punkte pro Faktor zur Verfügung, welche dann in Form eines „Punktebudgets“ frei verteilt wurden. Als Hilfsmittel wurden Urnen in Form von Plastikbechern genutzt (mit den Faktorenbezeichnungen beschriftet), in die das Bewertungsteam Kugeln einlegen sollte. Die überarbeitete Faktoren- und Dimensionsliste bildete die Grundlage für die schriftliche Befragung.

88

3.2.4.3 Zwischenergebnisse Die Diskussionen konzentrierten sich einerseits auf die Bezeichnung der Erfolgsdimensionen (z. B. Verbesserungs- oder Veränderungsprozesse) und die Berücksichtigung des betrieblichen Umfeldes. Andererseits ging es um die Gewichtung der Faktoren. Weiterhin wurden die Forschungsergebnisse im Allgemeinen erörtert und die hohe Bedeutung der Unternehmerpersönlichkeit besonders für Innovationen im Unternehmen betont. Punkt des Anstoßes für den ersten Teil der Diskussion war, dass die bisherige Bezeichnung „Verbesserungsprozesse“ nicht der Realität entsprach, da im Vorfeld von geplanten Verbesserungen nie sicher gesagt werden kann, ob das Ergebnis von angestoßenen Veränderungen auch positiv sein wird. Zum größten Teil sind Marktveränderungen dafür verantwortlich, dass im Betrieb Anpassungen vorgenommen werden müssen, häufig mit ungewissem Ausgang. Alle Diskussionsteilnehmer sprachen sich einheitlich für den Begriff „Veränderungsprozesse“ aus. Dem Vorschlag des Projektteams wurde zugestimmt, die Dimension Umfeld aus der Dimension Markt herauszulösen, da sich beide durch die Mittelbarkeit ihrer Auswirkungen unterscheiden. Während der Markt als unmittelbares Unternehmensumfeld direkte Auswirkungen auf das zu betrachtende Unternehmen hat, sind Veränderungen des allgemeinen Umfelds, im Sinne von politischen, makroökonomischen, soziokulturellen, technologischen und ökologischen Faktoren, nur mittelbar relevant. Sie können, aber müssen sich nicht über die Dimension „Markt“ auswirken. Um dem Auftrag eines Frühwarnsystems zu folgen, sollten auch diese meist „schwachen und nicht direkt wirkenden Signale“ beachtet werden. Im zweiten Teil des Workshops konnten die Teilnehmer die in den Vorphasen der Studie erkundeten Dimensionen und Faktoren einem Re-Design unterziehen und anschließend gewichten. Das Ergebnis ist in den Tabellen 15 und 16 nachzulesen. Die Diskussion ergab folgendes Ergebnis: - „Unternehmerpersönlichkeit“ wurde als wichtigster Bestandteil von „Betrieblicher Hintergrund & Identität“ gesehen, sollte jedoch eine eigene Dimension bleiben. „Die Unternehmerpersönlichkeit ist prägend, nicht was er sagt, sondern eher was er tut.“ - Flexibilität und permanente Anpassung sind bei betrieblichen Strukturen entscheidend.

89

- Bei unternehmerischen Zielen & Strategien stehen Kundenbindung und klare Zielsetzung im Mittelpunkt der Führungsarbeit. - Technologie ist im industriellen Bereich die wichtigste Ressource. - (Markt-)Strategien sind bei Produkten auf dem Markt unerlässlich. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Aussage aus dem Workshop, dass die Gewichtung der Dimensionen und Faktoren von Unternehmen zu Unternehmen verschieden ist. Ein Vergleich der Gewichtungen sollte in diesem Kontext nicht nach Branchen sondern nach Geschäftsmodellen erfolgen, da diese sich auf ähnliche Stärken-Schwächen-Profile fokussieren. Außerdem wurden die Anpassungsvorschläge des Referenzmodells aufgegriffen und dieses nochmals als Grundlage für die schriftliche Befragung neu gruppiert. Im Ergebnis ergab sich ein neues Strukturbild (vgl. Tabelle 15). 3.2.5

Schriftliche Befragung

3.2.5.1 Ziel Ziel der standardisierten schriftlichen Befragung war es, die aus den vorangegangenen Projektphasen gewonnen Faktoren und darüber die Dimensionen von ausgewählten Unternehmern und Experten hinsichtlich ihrer Relevanz (Wichtigkeit/Bedeutung) bewerten zu lassen. 3.2.5.2 Methodik Zu dieser Zielgruppe wurden analog zu den mündlichen Befragungen Experten ausgewählt, die aufgrund ihrer Tätigkeit Einblick in viele unterschiedliche Unternehmen haben. Die Unternehmen stammten aus dem Bereich des produzierenden Gewerbes der Region Dresden. Die in den vorangegangenen Projektphasen bereits interviewten Unternehmer und Experten wurden nicht mehr befragt.101 Dem Charakter einer Explorationsstudie102 folgend, stand nicht die Repräsentativität der Ergebnisse im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Ausgestaltung des Referenzmodells in Ergänzung zu den bisherigen Theorien.103 Die Mitglieder des Dresdner Industrierates104 bildeten, wie auch schon in den vorherigen Untersuchungsschritten, das Rückgrat der Befragung. Nachdem es sich 101 102

103

Die Anschreiben befinden sich in den Anlagen 7 und 8. „Explorative Studien dienen der Bildung von Theorien und Hypothesen.“ BORTZ, J, /DÖRING, N.: Forschungsmethoden und Evaluation, 2006, S. 352. Vgl. a. a. O., S. 352 ff.

90

hierbei um ein Netzwerk von insgesamt ca. 80 Teilnehmern handelt, wurde ergänzend eine Adressdatei hinzugezogen, die im Jahre 2005 zu einer repräsentativen Finanzierungsstudie genutzt wurde. Die Experten wurden aus einer separaten Netzwerkdatei gezogen. Die FWS-Studie wurde als schriftliche Befragung auf dem Postweg durchgeführt.105 Diese Methode hat sowohl technische als auch ökonomische Vorteile. Letztere entstehen vor allem durch den Wegfall der Interviewer-Kosten sowie durch den geringeren Verwaltungsaufwand, der sich in einem kleineren Mitarbeiterstab äußert. Technisch betrachtet ist der Aufwand für die Koordination einer postalischen Befragung geringer als bei den anderen Erhebungsformen. Darüber hinaus führen SCHNELL/HILL/ESSER noch folgende Vorteile an:106 - Interviewer-Fehler werden vermieden, - die Antworten sind ehrlicher und überlegter, - der Druck durch den Interviewer entfällt; dadurch sind die Konzentration auf das Thema und die Motivation zur Teilnahme höher, - Zusicherung der Anonymität ist glaubwürdiger. Den Vorteilen stehen aber auch einige Nachteile gegenüber. Dazu zählen v.a.: - geringe Rücklaufquoten, - die Unkontrollierbarkeit der Erhebungssituation (ungewiss, wer den Fragebogen tatsächlich ausfüllt), - die Unkontrollierbarkeit des Antwortvorganges (Reihenfolge der Beantwortung der Fragen, Ausfülltag, Reaktionszeit), - die nur durch den Fragebogen ausgelöste Motivation zur Auskunftsgabe.107 Diese Nachteile können reduziert werden, indem bei der Gestaltung und Ausführung der Befragung auf bestimmte Aspekte geachtet wird. Von zentraler Bedeutung ist der Fragebogen selbst: - Die untersuchte Thematik muss für die Befragten interessant sein. - Der Fragebogen sollte spannend aufgebaut und nicht zu lang sein.

104 105

106 107

Anm.: der Dresdner Industrierat ist Partner und Mitinitiator des Projekts. Vgl. BEREKOVEN, L./ ECKERT, W./ ELLENRIEDER, P.: Marktforschung – Methodische Grundlagen und praktische Anwendungen, 2001, S. 104 ff. Vgl. SCHNELL, R./ HILL, P. B./ ESSER, E.: Methoden der empirischen Sozialforschung, 1995, S. 333. Vgl. BEREKOVEN, L./ ECKERT, W./ ELLENRIEDER, P.: Marktforschung – Methodische Grundlagen und praktische Anwendungen, 2001, S. 113.

91

- Die einzelnen Fragen sowie die Beantwortungsmöglichkeiten sollten einfach und ihre Reihenfolge logisch sein. Der verwendete Fragebogen108 gliederte sich in zwei Bereiche. Der erste Teil enthielt Fragen zu Strukturdaten der Unternehmen (z. B. Rechtsform, Mitarbeiterzahl, Inhaberführung), während im zweiten Teil die Faktoren, welche die 10 Erfolgsdimensionen beschreiben, angeordnet waren. Es waren immer Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Als zentrale Fragestellung sollten die Befragten einschätzen, wie wichtig die vorgegebenen Faktoren für den Gesamterfolg eines Unternehmens sind. Durch die Vergabe von Punkten (1 = am wichtigsten, 2 = am zweitwichtigsten, 3 = am drittwichtigsten) wurde eine Abstufung der Gewichtung der Faktoren einer Dimension vorgenommen. Dabei war es den Befragten freigestellt, die Punktwerte mehrfach zu nutzen. Folgende Abbildung zeigt die Bewertungssystematik beispielhaft: Abbildung 35: Beispiel für die Gewichtung der Faktoren (Beispiel Standort) Quelle: Eigene Darstellung

Mietbedingungen

3

3

(z.B. günstige

2

3

Lieferantennähe (z.B. Senkung

Akademische Infrastruktur

3

(z.B. Nähe zu

1

3

Zentrale Verkehrsinfrastruktur (z.B. gute

Kundennähe

3

(z.B. Senkung

Grundstücks-

der Transport-

Hochschulen

Anbindung an

der Transport-

preise, guter

kosten, per-

und anderen

Autobahnen,

kosten, per-

Zustand)

sönlicher

Forschungsein-

Schienenver-

sönlicher

Kontakt)

richtungen)

kehr)

Kontakt)

Das Begleitschreiben109, welches zusammen mit dem Fragebogen verschickt wurde, diente dem Erstkontakt zum Befragten. Es hatte zur Aufgabe, diesen von der Bedeutung der Untersuchung im Allgemeinen, der Bedeutung seiner Teilnahme an der Befragung sowie im Besonderen der vertraulichen Behandlung seiner persönlicher Daten zu überzeugen. Die Bedeutung der Erhebung wurde zusätzlich zu dem individualisierten Projekt-Begleitschreiben durch frühzeitige Informationen über den Verteiler des Dresdner Industrierats und in persönlichen Gesprächen bei den regelmäßigen Treffen dieses Netzwerks unterstrichen.

108 109

Vgl. Anlage 9. Vgl. BORTZ, J, /DÖRING, N.: Forschungsmethoden und Evaluation, 2006, S. 253ff.

92

Auf einen Pretest wurde verzichtet. Dies war durchaus begründet, da durch die umfangreichen Vorarbeiten mit Vertretern der Zielgruppe der Studie die für einen Pretest kennzeichnenden Fragen bereits beantwortet wurden: - Kann das Forschungs- und Verwertungsziel der Zielgruppe verdeutlicht werden? - Ist die Zielgruppe erreichbar und kann sie zu einer offenen Mitarbeit bewegt werden? - Mit welchen Ausfällen ist zu rechnen? Warum wird eine Beteiligung abgelehnt? - Ist die Art der Befragung (z.B. postalisch) richtig gewählt? - Wie viel Zeit wird für die Beantwortung des Fragebogens, seiner Verschlüsselung, PC-Eingabe usw. erforderlich sein? - Welche verzerrenden Einflüsse treten auf? - Werden die Fragen von der Zielgruppe verstanden? - Verfügen die Befragten über genügend Informationen, um die Fragen zu beantworten? - Wie stark ist die Diskriminationskraft der Variablen, d.h. wie streuen die untersuchten Einheiten über die Ausprägungen der einzelnen Variablen? - Ist die vorbereitete Codierung ausreichend, um die Antworten zu erfassen? - Passen die Kategorien eindeutig, um Gleichförmigkeit unter den Beurteilern und Codierern zu erreichen (Reliabilität)? - Welche Kontrolle der Reliabilität und Validität ist möglich? - Sind Rückfragen möglich, um die Reaktionen der Befragten zu erkunden? - Wird das Projektanliegen mit den beteiligten Forschern akzeptiert? - Gilt der Projektträger als hinreichend neutral und unauffällig, um Beeinflussungen und Verzerrungen zu vermeiden? - Sind die Projektmitarbeiter ausreichend qualifiziert und betreut oder muss eine Trennung und Neuorganisation herbeigeführt werden? Im ersten Befragungslauf im September 2008 wurden 55 Unternehmer aus dem Netzwerk des DIR sowie weitere 5 Maschinenbauer aus dem nicht verbandsbezogenen Bereich (kurz Ma-Bau) ausgewählt. Die Anzahl der Experten beschränkte sich auf fünf Befragte je relevanter Berufsgruppe (Unternehmensberater, Steuerberater, Finanziers, Professoren, Anwälte). Aufgrund der geringen Rücklaufquote inklusive Erinnerungsaktion, wurde im November 2008 eine zweite Befragungsrunde mit 24 weiteren Fertigungsunterneh-

93

men und einem Experten gestartet110. Um den explorativen Charakter der Studie nicht zu gefährden, erwies sich das als geeigneter Weg, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten. Die Verteilung der befragten Unternehmen und Experten setzte sich folgendermaßen zusammen: Tabelle 10: Verteilung der angeschriebenen Befragten Quelle: Eigene Darstellung

Zielgruppe

Anzahl

Anteil*

DIR Unternehmen

55

50,0%

Sonst. Unternehmen Ma-Bau

29

26,4%

Steuerberatung

5

4,5%

Finanzierungsberatung

5

4,5%

Anwälte

5

4,5%

Unternehmensberatung

6

5,5%

Professoren

5

4,5%

110

100,0 %

SUMME

* Anteil gerundet, dadurch Rundungsdifferenzen zu 100% möglich

110

Vgl. a. a. O., S. 258.

94

Abbildung 36: Verteilung der Befragten Quelle: Eigene Darstellung Professoren ;  Unternehmens‐ 4,5% beratung ; 5,5%

Anwälte ; 4,5% Finanzierungs‐ beratung ; 4,5% Steuer‐ beratung ; 4,5% DIR  Unternehmen ;  50,0% Sonst.  Unternehmen   Ma‐Bau ; 26,4%

Insgesamt wurden 110 Unternehmer und Experten persönlich angeschrieben. Die Hälfte der zur Befragung eingeladenen Unternehmer kamen vom Dresdner Industrierat. Eine weitere geschlossene Gruppe stellten die Maschinenbauunternehmer dar, die nicht im Industrierat organisiert sind. Nach der zweiten Runde kam es zu einer Rücklaufquote von annähernd 33 %. Diese setzt sich wie folgt zusammen:

95

Tabelle 11: Verteilung der angeschriebenen Befragten und Rücklauf der Befragung Quelle: Eigene Darstellung

Zielgruppe

Befragte Antwort Anteiliger Anteil am Rücklauf* Gesamtrücklauf*

DIR Unternehmen

55

16

29,1%

44,4%

sonst. Unternehmen Ma-Bau

29

3

10,3%

8,3%

Steuerberatung

5

3

60,0%

8,3%

Finanzierung

5

3

60,0%

8,3%

Anwälte

5

4

80,0%

11,1%

Professoren

5

0

0,0%

0,0%

Unternehmensberatung

6

4

66,7%

11,1%

Nicht zuordenbar

0

3

-%

8,3%

SUMME

110

36 32,7%

100,0%

ANTEIL

* Anteil gerundet, dadurch Rundungsdifferenzen zu 100% möglich

96

Abbildung 37: Gesamtverteilung des Rücklaufs Quelle: Eigene Darstellung

Nicht  zuordenbar;  8,3%

Unternehmens‐ beratung; 11,1% Professoren;  0,0%

DIR Unternehmen;  44,4% Anwälte; 11,1%

Finanzierung; 8,3%

Steuerberatung;  8,3%

nicht zuordenbar;  8,3%

Die Vertreter der beratenden Berufsstände haben über ihren relativen Anteil hinaus geantwortet. Professoren waren nicht für eine Teilnahme zu gewinnen. Die Unternehmer bildeten mit ca. 53 % (44,4 % DIR + 8,3 % Ma-Bau) die Mehrheit an der Gesamtzahl der Befragten. Nach Eingang wurden die Fragebögen durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter auf ihre Auswertbarkeit hin geprüft. Stichprobenartige Kontrollen sollten Fehler minimieren. Die erhobenen Daten wurden nach Eingang zur Auswertung in eine zentrale Datei überführt, wie nachfolgende Abbildung skizzenhaft aufzeigt:

97

Abbildung 38: Auswertungsstruktur der Fragebögen Quelle: Eigene Darstellung

Durch eine Verknüpfung der beiden Teile (Strukturdaten und Bewertungen) wurden zu einem späteren Zeitpunkt Zusammenhänge zwischen Unternehmensdaten und Faktorenbewertung auf Korrelationen untersucht, wie z.B. die These „bei inhabergeführten Unternehmen hat die Unternehmerpersönlichkeit einen besonders hohen Stellenwert“. Die Charakterisierung der jeweiligen Häufigkeitsverteilung erfolgt durch die Berechnung von Lage- und Streuparametern. Die wichtigsten Lageparameter sind die Mittelwerte. Das arithmetische Mittel – auch als Durchschnitt bezeichnet – ist der gebräuchlichste. Ebenfalls bedeutend ist der Median. Er gibt den mittleren

98

Wert in einer Reihe, der nach der Größe geordneten Beobachtungswerte an.111 Streuparameter geben an, wie dicht die Werte einer Beobachtungsreihe um einen Mittelwert liegen. Empirische Varianz und empirische Standardabweichung stellen die allgemein üblichen und am häufigsten verwendeten Streuungsmaße in der deskriptiven Statistik dar.112 Die Auswertung des vorliegenden Berichtes wurde im MS Excel unter der Nutzung des arithmetischen Mittels vorgenommen. Die damit verbundenen Schwächen wurden für einen ersten Überblick in Kauf genommen. Ebenso wurde auf die Nutzung von Streuparametern verzichtet. Hintergrund war, dass das „Dresdner Referenzmodell“ ein Durchschnittsmodell über verschiedenartige Geschäftsmodelle darstellt und Streuungen innerhalb dieser Gruppe damit durch die Unterschiedlichkeit der Geschäftsmodelle begründet waren. Als Ergebnis der schriftlichen Befragung stand die Ermittlung einer durchschnittlichen Faktorengewichtung im Vordergrund. Dazu wurden zu den oben genannten Punktwerten der Faktoren der Kehrwert gebildet (1=3, 2=2, 3=1), anschließend die Summe der Kehrwerte innerhalb einer Dimension ermittelt und mit den einzelnen Kehrwerten ins Verhältnis gesetzt. Damit konnten die Befragungsergebnisse der einzelnen Faktoren in eine relative Gewichtungsgröße überführt werden, wie nachfolgende Tabelle nochmals beispielhaft aufzeigt. Tabelle 12: Beispielhafte Gewichtungsermittlung aus den Punktwerten der Fragebögen Quelle: Eigene Darstellung

Faktor

Punktwert

Kehrwert

Gewichtung

Leitsätze

2

2

33%

Marktstrategien

3

1

17%

Kundenbindung/CRM als Unternehmensziel

1

3

50%

SUMME

6

6

100%

Die Gewichtungsverteilung ist in Tabelle 15 nachzulesen.

111 112

Vgl. REICHHARDT, H./ REICHARDT, À.: Statistische Methodenlehre für Wirtschaftswissenschaftler, 2002, S. 62. Vgl. ECKSTEIN, P.P.: Repetitorium Statistik, 1998, S. 50 f.

99

3.2.5.3 Zwischenergebnisse Mit der schriftlichen Befragung von Experten und Unternehmern wurden die bisherigen Ergebnisse (Interviews, Workshop) in Form von Faktorengewichtungen in einem größeren Umfang abgesichert. Im Einzelnen stellen sich die Ergebnisse folgendermaßen dar: - Die Dimension „Umfeld“ hatte im Ergebnis der Befragung nur eine sehr geringe Relevanz (1 %) in Bezug zum Unternehmenserfolg. Die Felder Politik und Technologie waren bestimmend in diesem Bereich. - Im Gegensatz dazu spielte der „Markt“ (13 %) eine der wesentlichsten Rollen. Hier hatten die Lieferanten bzw. der Beschaffungsmarkt die größte Bedeutung. - Als noch bedeutender waren „Ziele & Strategien“ (16 %) bewertet worden, Marktstrategien dominieren in dieser Dimension. - Bei „Unternehmerpersönlichkeit“ (10 %) war größter Wert auf die entsprechende Fach- und Methodenkompetenz sowie Managementfähigkeiten gelegt worden. - „Betrieblicher Hintergrund & Identität“ und „Veränderungsprozesse“ sind mit jeweils 8 % ausgewogen bewertet worden, eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen sowie Ressourcenentwicklung und Prozessoptimierung wurden dabei als die entscheidenden Faktoren aufgezeigt. - „Ressourcen“ war mit 17 % der Bereich mit der höchsten Gewichtung, an dieser Stelle wurde das Personal an 1. Stelle genannt. - „Struktur“ (8 %) und „Mitarbeiterverhalten“ (7 %) wurden mit einer ausgewogenen Gewichtung bewertet, wobei die Finanzen und Rollenverteilung im Unternehmen, sowie die notwendige Fachkompetenz für den Erfolg eines Unternehmens in den Vordergrund gestellt wurden. - Auch der Bereich „Geschäftsprozesse“ (10 %) wurde als wichtig, aber nicht als Herausforderung betrachtet, dabei standen Prozessoptimierung im Vertrieb und beim Personal im Vordergrund. „Aber in erster Linie, muss ich dem Kunden erstmal den Eindruck vermitteln, dass der hier gut aufgehoben ist.“ Grundsätzlich waren drei Dimensionen mit überdurchschnittlicher Bedeutung erkennbar: Ressourcen, Ziele & Strategien und Markt. Dagegen schien das betriebliche Umfeld nur einen sehr kleinen Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens auszuüben.

100

Alle bisherigen Gewichtungsquellen für die Dimensionen und Faktoren konnten nach der empirischen Erhebung zusammengefügt und in die überarbeitete Struktur des Referenzmodells überführt werden. Tabelle 13: Vorgehensweise zur Zusammenführung der Gewichtungen Quelle: Eigene Darstellung Quelle / Strukturebene

Dimensionen

Faktoren

Kriterien

Anzahl der Nennungen (Neugruppierung)

Anzahl der Nennungen

-

Anzahl der verteilten Punkte bei vom Referenzmodell abweichenden Faktoren

-

-

relative Punktzuordnung

-

1. Literaturanalyse 2. Experteninterviews 3. Unternehmerinterviews

Fragebogen 9.2

Anzahl der Nennungen

4. Workshop

5. Schriftliche Befragung Zusammenführung

Gewichtete Zusammenführung aus a) Anzahl der Nennungen (37 Quellen) und b) Fragebögen (je 15 auswertbare Experten und Unternehmer)

Gewichtete Zusammenführung aus a) Anzahl der Nennungen (37 Quellen) b)Anzahl der verteilten Kugeln (4 Experten) nach vorheriger Zuordnung zum Referenzmodell c) Relative Punktwerte (35 Fragebögen)

Anzahl der Nennungen bleibt

Zur Gewichtung der Dimensionen wurden sowohl die Anzahl der Nennungen als auch die Fragebögen der beiden Interviewrunden heran gezogen und mittels gewichteter Durchschnittsbewertung zusammengefasst:

101

Tabelle 14: Zusammenführung der Dimensionsgewichtungen Quelle: Eigene Darstellung

Dimension

Gewichtung Literatur

Gewichtung Experten

Gewichtung Unternehmer

DurchRang schnitt

(37 Quellen)

(15 auswertbare)

(15 auswertbare)

1 Umfeld

1%

5%

4%

(67) 3%

10

2 Markt

13%

13%

13%

13%

3

3 Ziele und Strategien 4 Unternehmerpersönlichkeit (i.w.S.) 5 Betrieblicher Hintergrund & Identität 6 Veränderungsprozesse

16%

13%

12%

14%

1

10%

9%

10%

10%

6

8%

10%

10%

9%

7 8

8%

11%

11%

9%

7 Ressourcen

17%

9%

9%

13%

2

8 Struktur

10%

12%

11%

11%

4

9 Mitarbeiterverhalten

7%

9%

10%

8%

9

10 Geschäftsprozesse

10%

10%

11%

10%

5

100%

100%

100%

100%

Summe

Anmerkungen: • Gewichtung Unternehmerpersönlichkeit = Mitarbeiterverhalten (Phasen 1-3) • Gewichtung Umfeld in Fragebogen 9.2. pauschal jeweils mit 3/10 Punkten, da dort nicht vorhanden

Durch die Aufspaltungen der Dimensionen mussten einige Prämissen (vgl. Anmerkungen in der vorangegangenen Tabelle) gesetzt werden. Zur Zusammenführung der Faktoren- und Dimensionsgewichte stand eine große Zahl von Daten zur Verfügung. Die ursprünglich durch Literaturhinweise und Experten- wie Unternehmerinterviews geschaffene Struktur wurde durch die Ergebnisse des Workshops und die standardisierte Befragung überarbeitet. Die Mittelwertbildung hat zwar Schwächen, zum gegenwärtigen Entwicklungsstand der Modellentwicklung erschien dies jedoch hinnehmbar. Daraus ergaben sich folgende Ergebnisse:

102

Tabelle 15: Zusammenführung der Faktorengewichtungen Quelle: Eigene Darstellung Faktoren

a) Lit./Exp./Un.

b) Workshop

c) schr. Befr.

a) gewichtet

b) gewichtet

c) gewichtet

SUMME

Durchschnitt

n 1. Umfeld

37

4

36

37

4

36

77 77,0

77 100,00%

21,6%

11,1%

8,0

40,5%

22,2%

21,3%

15,0

0,9

7,7

23,6

30,61%

31%

0,0%

22,2%

28,3%

0,0

0,9

10,2

11,1

14,41%

14%

1.4 Technologie

29,7%

0,0%

24,8%

11,0

0,0

8,9

19,9

25,90%

26%

4,0

8,1%

0,0%

14,3%

3,0

0,0

5,2

8,2

10,60%

11%

77,0

100,00%

100%

21,5%

22,6%

20,6%

8,0

0,9

7,4

16,3

21,16%

21%

2. Markt 2.1 Branche

14,2

18,49%

18%

1.1 Gesellschaft 1.3 Politik & Recht

2,2

9,3%

12,9%

17,4%

3,5

0,5

6,3

10,2

13,29%

13%

2.3 Lieferanten/Beschaffungsmarkt

9,3%

12,9%

26,5%

3,5

0,5

9,6

13,5

17,56%

18%

2.4 Nachfrage / Kunden

45,6%

32,3%

20,1%

16,9

1,3

7,2

25,4

32,96%

33%

2.5 Wettbewerb

14,2%

19,4%

15,3%

5,3

0,8

5,5

11,6

15,02%

15%

77,0

100,00%

100%

2.2 Kapitalmarkt

3. Ziele & Strategien 3.1 Kundenbindung / CRM als Unternehmensziel

30,1%

40,0%

27,2%

11,1

1,6

9,8

22,5

29,26%

29%

3.2 Leitsätze

12,8%

20,0%

34,4%

4,8

0,8

12,4

17,9

23,29%

23%

3.3 Marktstrategien

57,1%

40,0%

38,4%

21,1

1,6

13,8

36,5

47,45%

48%

77,0

100,00%

100%

7,8%

30,0%

25,3%

2,9

1,2

9,1

13,2

17,16%

17%

4. Unternehmerpersönlichkeit i.w.S. 4.1 Fachkompetenz

19,6%

4,8

0,8

7,0

12,7

16,44%

16%

4.3 Sozialkompetenz

36,2%

20,0%

18,2%

13,4

0,8

6,5

20,7

26,91%

27%

4.4 Persönlichkeit i.e.S.

35,8%

20,0%

18,2%

13,3

0,8

6,5

20,6

26,76%

27%

4.2 Methodenkompetenz/Managementfähigkeiten

4.5 Werteorientierung

13,0%

20,0%

7,2%

10,0%

18,7%

2,7

0,4

6,7

9,8

12,72%

13%

77,0

100,00%

100%

18,8%

25,0%

25,0%

7,0

1,0

9,0

17,0

22,02%

22%

5. Betrieblicher Hintergrund & Identität 5.1 Unternehmenscharakteristika 5.2 Interessensgruppen

27,2%

29,2%

25,8%

10,1

1,2

9,3

20,5

26,63%

27%

5.3 Führungsspezifika

44,0%

20,8%

18,6%

16,3

0,8

6,7

23,8

30,90%

31%

5.4 Identifikation mit dem Unternehmen

10,0%

25,0%

30,7%

3,7

1,0

11,0

15,7

20,45%

20%

77,0

100,00%

100%

24,7%

10,0%

17,0%

9,1

0,4

6,1

15,7

20,33%

20%

6. Veränderungsprozesse 6.1 Strukturanpassung 6.2 Ressourcenentwicklung

18,5%

20,0%

29,1%

6,8

0,8

10,5

18,1

23,52%

14,1%

60,0%

25,9%

5,2

2,4

9,3

16,9

21,99%

22%

42,7%

10,0%

28,0%

15,8

0,4

10,1

26,3

34,15%

34%

77,0

100,00%

100%

3,9%

4,5%

6,1%

1,5

0,2

2,2

3,8

4,98%

5,1%

9,1%

7,7%

1,9

0,4

2,8

5,0

6,55%

7%

7.3 Anlagen & Betriebsmittel

13,2%

9,1%

11,0%

4,9

0,4

4,0

9,2

11,94%

12%

15,7%

14,3%

5,1

11,7

20,8%

18,2%

18,9%

7,7

0,7

6,8

15,3

19,81%

20%

15,5%

22,7%

8,1%

5,7

0,9

2,9

9,6

12,45%

12%

7.7 Unternehmensnetzwerk

18,1%

13,6%

3,9

11,1

14,44%

14%

10,8%

6,7

0,7

0,5

15,16%

15%

18,2%

7.5 Personal 7.6 Information & Rechte

5,8

8%

7.8 Zeit

3,5%

4,5%

12,2%

1,3

0,2

4,4

5,9

7,65%

7.9 Image

4,1%

0,0%

10,8%

1,5

0,0

3,9

5,4

7,03%

7%

77,0

100,00%

100%

8. Struktur 8.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

5,6%

0,0%

20,2%

2,1

0,0

7,3

9,4

12,17%

12%

8.2 Rollenverteilung, Organisationsform und Projektmanagement

58,1%

62,5%

26,6%

21,5

2,5

9,6

33,6

43,62%

44%

17,6%

16,7%

28,5%

6,5

0,7

10,2

17,4

18,6%

20,8%

24,7%

6,9

0,8

8,9

16,6

21,58%

21%

77,0

100,00%

100%

14,7

19,04%

19%

9.1 Fachkompetenz der MitarbeiterInnenschaft: Können und Wissen

8,6%

25,0%

29,2%

3,2

1,0

10,5

22,63%

23%

8.3 Finanzstruktur 8.4 Informationssystem 9. Mitarbeiterverhalten

11,3%

16,7%

23,0%

4,2

0,7

8,3

13,1

17,05%

17%

9.3 Sozialkompetenz

34,2%

33,3%

14,6%

12,7

1,3

5,2

19,2

25,00%

25%

9.4 Persönlichkeiten in der Belegschaft

29,7%

8,3%

17,2%

11,0

0,3

6,2

17,5

22,76%

23%

9.5 Werteorientierung

16,2%

16,7%

16,0%

6,0

0,7

5,8

12,4

16,15%

16%

77,0

100,00%

100%

9,5%

24,1%

16,5%

3,5

1,0

5,9

10,4

13,51%

14%

9.2 Methodenkompetenz

10. Geschäftsprozesse 10.1 Voraussetzungen für Prozessoptimierungen

14,8%

10,0%

12,1%

3,6

8,7

11,24%

12,7%

20,4%

19,7%

4,7

0,8

7,1

12,6

16,40%

16%

8,5%

11,1%

10,4%

3,1

0,4

3,8

7,3

9,54%

10%

0,6

2,4

0,1

6,4

9,0

11,69%

12%

10.6 ReWe/Finanzen

9,5%

9,3%

13,2%

3,5

0,4

4,8

8,6

11,22%

11%

10.7 Prozessoptimierungswerkzeuge

41,2%

16,7%

12,3%

15,2

0,7

4,4

20,3

26,40%

26%

10.5 Personal

6,5%

3,7%

17,9%

Abrundung

11%

10.2 Produktion 10.3 Vertrieb 10.4 Logistik

4,5

Aufrundung

5%

7.1 Umwelt & Infrastruktur 7.2 Material & Energie 7.4 Finanzen

Aufrundung

24%

6.3 Verhaltensänderungen 6.4 Prozessoptimierung 7. Ressourcen

Anmerkung

100%

1.2 Wirtschaft

1.5 Umwelt

55,6%

Gewichtung (ger. 100%)

Um bei den gerundeten Gewichtungen (graue Spalte) in der Summe 100 % zu erhalten, wurde zur Korrektur die jeweils nächstliegende Gewichtung auf- bzw. abgerundet (vgl. Spalte Anmerkung).

103

4

Forschungsergebnisse (Vitalitätskonzept)

4.1 Das vitale Dresdner Unternehmen Als Ergebnis des Projektes ist das vitale Unternehmen folgendermaßen zu charakterisieren: - Es ist Insider auf dem Markt und bewegt sich in Nischen. „Nicht wie Heringe immer in der Mitte im Strom schwimmen, sondern auch mal am Rand schauen, auch wenn da Wellen sind...“ - Es schafft sich Alleinstellungsmerkmale über Qualität und Service statt durch Kostenvorteile. - Es ist stark projektgetrieben. - Es hat flache Hierarchien und wenig standardisierte Prozesse. - Es hat eine dünne Personaldecke. - Es setzt auf Export. - Es hat ein weit verzweigtes informelles Netzwerk. - Es ist im technischen Bereich fließend („evolutionär“) gewachsen, im kaufmännischen Bereich jedoch sprunghaft („revolutionär“). Erfolgreiche Unternehmen haben diese Sprünge gemeistert, z.B. durch Einstellung eines kaufmännischen Geschäftsführers. „Durch Wachstum wird ein Unternehmer wird von der Fachzur Führungskraft.“

104

Abbildung 39: Vielfaltssteigerung durch Unternehmenswachstum Quelle: in Anlehnung an SAXE, M.: Aktivitätsorientierte Kostenrechnungen, 2000, S. 72

Marktforschung Vertrieb

Zunahme der Komplexität, Schnittstellen

Kleinstunternehmen

Produktion

Wirtschaft

Personal

Vielfalt, Intransparenz und

=

FiBu Vertrieb

BeFu

Personal

Finanzen

Revolution (schrittweise)

Vertrieb

ReWe

Organisation

Verwaltung

Finanzen

Finanzen

Betriebswirtschaft

Produktion

Konstruktion

Entwicklung

Entwicklung

Produktion

Konstruktion

Konstruktion

Produktion

Detailkonstruktion

Versand

Beschaffung

Annahme der Ganzheitlichkeit

Großunternehmen

=

Arbeitsvorbereitung

und Anforderungsvielfalt

Qualität

Technik Evolution (fließend)

Produktion Versand

Legende:

= Abteilung bzw. Unterabteilung

= revolutionäres Wachstum

= evolutionäres Wachstum

In diesem Zusammenhang ist zwischen unterschiedlichen Herausforderungen während der Wachstumsphasen von Unternehmen zu unterscheiden:

105

Tabelle 16: Veränderungen der Organisationsformen in Abhängigkeit von Krisen und Wachstum Quelle: Eigene Darstellung

Phase

Organisationsform

Krisen

1

Einmann-/Einfrauspitze

Überlastung mit Füh- Kreativität und Initiarungsaufgaben tive des Topmanagers

2

Funktionale Führungsstruktur

weiterhin Überbelastung mit Führungsaufgaben

organisierte spezialisierte Führung

3

Divisionale Führungsstruktur

Autonomiekrise auf der zweiten Führungsebene

Delegation und Dezentralisierung

4

Divisionale Struktur mit Lenkungs- und Koordination durch Koordinationskrisen zentrale Stabs- und Servicestellen

Führungssysteme zum koordinierten Wachstum

5

Flexible, innovationsorientierte Formen der Projekt- und Matrixorganisation

Institutionalisierte Innovation

Kann ein Mensch mehr als „einem“ Chef dienen?

Wachstumsimpulse

Ein vitales Unternehmen ist stark abhängig von der Unternehmerpersönlichkeit, die das Verhalten der Mitarbeiter beeinflusst. Daher wird abschließend in Ergänzung zur Beschreibung des vitalen Unternehmens der „typische“ erfolgreiche mittelständische Unternehmer im Dresdner Fertigungsbereich aus Expertensicht wie folgt beschrieben: - Er hat eine technische Ausbildung. - Er ist Mitgründer des Unternehmens bzw. daran beteiligt. - Er ist sehr ehrgeizig und selbstbewusst. - Er steuert das Unternehmen „aus dem Bauch heraus“ bzw. durch Intuition. - Er kann mit Kunden kommunizieren. - Er schafft es, trotz der Verquickung in operativen Tätigkeiten, ab und an Zeit für die strategische Planung zu finden. - Er hat Umsicht und denkt in alternativen Szenarien.

106

- Er möchte am liebsten noch alles selber machen, hat aber gelernt, Verantwortung abzugeben und seinen Mitarbeitern zu vertrauen. - Trotz seiner „Beratungsresistenz“ ist er bei wichtigen Entscheidungen für externes Know-how offen. - Er erkennt den Nutzen kaufmännischer Verfahren und sieht sie nicht nur als „notwendiges Übel“ an. „Beim Mittelstand geht es meiner Meinung nach immer über die fachliche Kompetenz. Man kommt auch nicht ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse aus. Aber in meinem Augen kommt immer erst die fachliche Kompetenz und in zweiter Linie die wirtschaftliche Betrachtung.“

4.2 Das Modell vitaler Unternehmen (10-D-Modell) Um das Zusammenspiel der Frühindikatoren für die betriebliche Praxis zu nutzen, wird ein Unternehmen in Anlehnung an das Konzept des fraktalen Unternehmens von WARNECKE von den Autoren als lebender Organismus in Form einer Amöbe verstanden. Wie jedes Lebewesen muss die Amöbe auf Grundlage einer gewissen Selbsterkenntnis unterscheiden, welche Entwicklung für sie vorteilhaft ist und welchen Gefahren sie lieber aus dem Weg gehen sollte. Nur dadurch kann ein Lebewesen in der sich verändernden Umwelt wachsen und damit seine nachhaltige Existenz sicherstellen. Für die Bewertung eines umfassenden, mehrdimensionalen Unternehmensprofils (vollständig wäre vermessen) reicht z.B. eine Bilanzanalyse bei weitem nicht aus. Um die Ursache-Wirkungs-Beziehungen und die Interaktionen innerhalb und außerhalb eines Betriebes zu analysieren, muss der Blick im Sinne einer Umfeldund Potenzialanalyse auf qualitative Faktoren erweitert werden.113 Mögliche Vitalitätsfaktoren reichen demnach von der Finanzsituation, über die Altersstruktur der Mitarbeiter, dem Kundenstamm bis hin zur Führungspersönlichkeit. Um diese komplexen Zusammenhänge einschätzen zu können, setzen die Autoren bei der so genannten „Chaostheorie“ an. Diese besagt, dass sich in jeder noch so großen Unordnung exakte Strukturen befinden. Eine umfangreiche Themenlandkarte soll genau diese Zusammenhänge transparent machen. Dadurch wird versucht, den 113

In der Theorie wird dabei zunehmend die Einflussstärke und Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände bzw. Ressourcen („intangible assets“) diskutiert. Vgl. dazu u.a. DÖNNI, B./RYFFEL, F.: Bilanz immaterieller Güter, 2000, S. 26.

107

Mittelständlern nachgesagte Phänomene wie das unternehmerische „Bauchdenken“ näher zu beleuchten. Die Vitalität, d.h. mittelfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens, setzt sich aus einer Vielzahl von Einflüssen zusammen, welche durch das Projektteam in zehn so genannten Dimensionen zusammengefasst wurden. In diesem Zusammenhang wird nachfolgend auch von einem 10-D-Modell gesprochen. Dieser Begriff ist folgendermaßen definiert: Dimensionen sind Bausteine der unternehmerischen Gesamtsituation, die auf vorteilhafte Entwicklungen bzw. Gefahren hinweisen.

Die unterschiedlichen Dimensionen werden im nachfolgenden kurz anhand von einander abgrenzenden Eigenschaftsdefinitionen114 vorgestellt:

114

Anhand der genannten Eigenschaften in den jeweiligen Dimensionen lassen sich damit Kriterien eindeutig den Dimensionen zuordnen.

108

Tabelle 17: Beschreibung der Dimensionen Quelle: Eigene Darstellung

Dimension

Definition

Umfeld

mittelbares Umfeld eines Unternehmens, welches durch Wirtschafsbeziehungen mit diesem verknüpft ist

Markt

unmittelbares Umfeld eines Unternehmens, welches durch Wirtschafsbeziehungen mit diesem verknüpft ist

Ziele & Strategien

abgestimmte Ausrichtung eines Unternehmens und deren Herunterbrechen in Handlungsfelder

Unternehmerpersönlichkeit

Merkmale, Fähigkeiten und Motivationen des Entscheidungsträgers

Betrieblicher Hintergrund & Identi-

„Persönlichkeit“ eines Unternehmens, geprägt durch dessen Historie, Interessengruppen und Region

Veränderungsprozesse Aktivitäten, die Elemente des Unternehmens verändern Ressourcen

alle Faktoren, die dem Unternehmen als Leistungspotenzial unmittelbar zur Verfügung stehen

Struktur

gestaltete Rahmenbedingungen eines Unternehmens, in denen es seine Aktivitäten ausübt

Mitarbeiterverhalten

Verhalten der Individuen und Gruppen, die bestimmen, wie gut Situationen antizipiert und Aktivitäten ausgeführt werden

Geschäftsprozesse

sich wiederholende Aktivitäten, die aus Inputs durch die Nutzung von Leistungspotenzialen höherwertige Outputs herstellen

Diese Dimensionen können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern stehen in Interaktion miteinander (vgl. nachfolgende Abbildung). Ein Unternehmen bewegt sich demnach als ein „multidimensionaler“ lebender Organismus durch ein komplexes und dynamisches Umfeld (äußere Sphären). Die „Schutzhülle“ zur Außenwelt bildet dabei das strategische Management (Amöbenhülle). Dessen „Sinne“ sollten in Form eines Frühwarnsystems registrieren, wenn eine relevante Umfeldveränderung (Gelegenheiten oder Gefahren) eintritt.115 Nur wenn in diesem Zusammenhang Erkenntnisse eintreten und Handlungserfordernisse durch die Formulierung einer Unternehmenspolitik abgeleitet werden, gibt dies die 115

Die „Sinne“ sind aber gleichzeitig auch nach innen zu richten, da auch dortige Veränderungen (Stärken/ Schwächen) zu neuen Chancen oder Risiken führen können.

109

„Schutzhaut“ an die operativen Kernelemente des Unternehmens (Amöbenkern) weiter und verursacht damit Veränderungen (Verbindungspfeile) im Unternehmen. Handelt es sich um Chancen, können diese für das Wachstum aufgenommen werden, während Risiken gemieden werden. Das Lebewesen muss sich in Folge dessen in beiden Fällen aktiv umgestalten. Abbildung 40: Das 10-D-Modell Quelle: Eigene Darstellung

Ausgangspunkt dieses Ursache-Wirkungs-Geflechtes ist der Markt, der als Impulsgeber Signale sendet, wie sich ein Unternehmen entwickeln sollte, um langfristig erfolgreich zu bleiben oder Impulse von Unternehmen aufnimmt, die wiederum Änderungen zur Folge haben. Diese zu erkennen und auf ihre Chancen oder Risiken hin zu interpretieren, ist Aufgabe des betrieblichen Frühwarnsystems. Der Markt wiederum ist eingebettet in ein allgemeines Umfeld, welches diesen z.B. durch politische Entwicklungen oder technologische Trends i.d.R. langfristig beeinflusst. In diesem Zusammenhang formuliert ein Unternehmen Ziele & Strategien, um sich wirksam am Markt auszurichten (Effektivität). Angestrebte Veränderungen sind jedoch nicht uneingeschränkt möglich, sondern müssen immer in Abwägung mit der Identität des Unternehmens erfolgen. Diese „Persönlichkeit des Lebewe-

110

sens Unternehmen“ bildet den betrieblichen Hintergrund & Identität, in mittelständischen Unternehmen in Kombination mit einer ausgeprägten Unternehmerpersönlichkeit der Eigner. In der Summe ergibt sich eine mehr oder weniger deutlich formulierte Unternehmenspolitik. Durch die Dynamik am Markt führt die Umsetzung dieser Politik zu Veränderungsprozessen. Es stellt sich immer die Frage, was im Unternehmen verändert werden sollte, um die angestrebten strategischen Ziele zu erreichen. Wäre dies beispielsweise die Bedienung eines Marktes mit Hochtechnologieprodukten, dann müsste geschlussfolgert werden, dass entsprechende Ressourcen (Produktionsanlagen, qualifizierte Mitarbeiter usw.) beschafft und eingesetzt werden. Strategien werden also in Programme übersetzt. In diesem Zusammenhang wird stets der aktuelle Status Quo hinterfragt. Die Veränderungen können mehr oder weniger radikal sein (kontinuierlicher Verbesserungsprozess vs. Business Process Reengineering) und sind durch eine Vielzahl an Begrifflichkeiten geprägt, darunter Change Management und Projekt-/Innovationsmanagement. Die Veränderungen sind der zentrale Stellhebel und sorgen dafür, dass Unternehmen für die Zukunft handlungsfähig bleiben und stellen i.d.R. auf die unternehmerischen Grundelemente ab.116 Diese Grundelemente bestehen im Kern aus einem Mix unterschiedlicher und teils einzigartiger Ressourcen, deren Leistungspotenzial durch eine gestaltete und entwickelte Organisation abgerufen werden soll. Ressourcen werden dabei i.d.R. durch Investitionen verändert, während die Organisation durch Reorganisationsmaßnahmen angepasst werden kann. Das Leistungspotenzial von Ressourcen kann sowohl quantitativer (z.B. Mengenkapazität der Produktionsanlagen) als auch qualitativer Natur sein (z.B. implizites Wissen der Mitarbeiter). Wichtig ist, dass die Ressourcen durch einen Ordnungsrahmen – die Struktur – bereitgestellt werden (z.B. Organisationsstruktur). Diese werden dann durch die Mitarbeiter aufgegriffen und in deren Verhalten als Leistungswilligkeit und -fähigkeit mehr oder weniger gut abgerufen. In der Summe ergibt sich aus dem Ablauf dieser Wechselwirkungen im besten Fall ein wirtschaftlicher Geschäftsprozess (Effizienz). Gelingt es, aus dieser Kombination sogar entscheidende Vorteile am Markt bzw. gegenüber dem Wettbewerb zu erringen, spricht man auch von Kernkompetenzen. Das vorgestellte Konzept verbindet durch die Analogien der Biologie eine konsequente Prozessorientierung. Die Motive finden sich auch aus ähnlichen Konzepten

116

Sie werden einerseits vom strategischen Bereich angeschoben und über eine Feedbackschlaufe durch den operativen Bereich ergänzt bzw. verfeinert. Dies spiegelt sich im Amöbenmodell durch die Verbindungspfeile wider.

111

wie Lean Management, Total Quality Management (TQM), Time based Management und Business Reeingineering als gemeinsame Merkmale117 wieder: - Schnellere Reaktion auf ändernde Umwelteinflüsse (Umfeld und Markt) - Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung - Starke Kundenorientierung - Bewältigung unternehmungsinterner „Strukturkrisen“ - Förderung schlanker Organisationen (Rationalisierungsdruck) Der Sachverhalt wird durch die Visualisierung des 10-D-Modells, in Anlehnung an Kladogramme118, aufgezeigt (siehe Abbildung 41) und es wird ersichtlich, wie die einzelnen Dimensionen in den jeweiligen Management-Ebenen funktional119 arbeiten und in der Vitalität münden. Anders als in vergleichenden ManagementKonzepten, wie z.B. dem ST. GALLER-KONZEPT120, wird die Ebene des taktischen Managements integriert. Diese Notwendigkeit bestimmt sich aus dem Kopplungsproblem zwischen dem strategischen und operativen Management, in dem Strategien nur zeitverzögert umgesetzt werden. Aus den Umfragen hat sich ergeben, dass Veränderungen des Umfeldes und des Marktes nicht nur in der Anpassung der Strategien, sondern auch speziell in der effektiven Durchsetzung der Maßnahmen, ein Wandel in den Organisationsstrukturen, Geschäftsprozessen und dem Mitarbeiterverhalten erfolgen muss.121 Dies wird durch die Veränderungsprozesse im taktischen Bereich eingeleitet und durchgesetzt. Damit wird eine Brücke von den groben strategischen Programmen hin zu detaillierten Maßnahmen des operativen Managements geschlagen und ein fließender Prozess erreicht. Die Auswirkungen sollten in voller Breite im Unternehmen umgesetzt werden, was durch das taktische Management konkretisiert wird.

117 118

119

120 121

Vgl. BLEICHER, K.: Das Konzept integriertes Management, 2001, S. 451. Kladogramme finden ihre Herkunft in der biologischen Systematik und werden vorrangig in der Evolutionstheorie eingesetzt. Gegenüber der normalen Darstellung als Pyramide betont die Darstellung das Zusammenwirken der Management-Ebenen untereinander. Es findet keine direkte Separierung zwischen den Ebenen statt und jede Ebene wird summativ von der übergeordneten Ebene gelebt. Vgl. BLEICHER, K.: Das Konzept integriertes Management, 2001, S. 436. Zum Vergleich siehe a. a. O., S. 450. Vgl. a. a. O., S. 318.

112

Abbildung 41: Hierarchiemodell des 10-D-Modells Quelle: Eigene Darstellung

Unter den genannten Dimensionen befinden sich weitere Einflussebenen, die im 10-D-Modell hierarchisch verknüpft sind. So wurden die Dimensionen nochmals durch 51 Faktoren (Kategorien) unterlegt, die wiederum auf über 250 einzelnen Kriterien basieren. Die Ebenen der Kriterien sind dabei nach unten offen, sodass es möglich ist, die Komplexität in der Tiefe bis zur n-ten Ebene abzubilden. Indikatoren sollen die Ausprägung dieser Aspekte bewerten, wobei die Bewertung der untersten Ebene (Kriterien) die genauesten Aussagen liefern kann. Die nachfolgende Abbildung skizziert die Strukturierung des 10-D-Modells:

113

Abbildung 42: Aufbau des 10-D-Modells Quelle: Eigene Darstellung

Aufgrund der hohen Komplexität, kognitiver Unzulänglichkeiten des Menschen und undurchsichtiger Geschäftsprozesse beschränkt sich der Mensch meist nur auf einen Teilabschnitt seines Umfeldes und übersieht ggf. wichtige Beziehungen. Ein wesentlicher Nachteil bei Verlust der Gesamtsicht besteht in der Folge, lediglich Symptome im Unternehmen zu beseitigen, anstatt die tatsächlichen Ursachen („Wurzeln“) zu behandeln122. Durch den mehrdimensionalen Ansatz des 10-DModells wird eine umfassendere Sicht auf das Unternehmen aufgezeigt, indem der Unternehmer sich nicht mehr auf einzelne Schwachstellen konzentriert, sondern „das große Ganze“ mit all seinen Einflussfaktoren und Beziehungen sichtbar wird. Die Erstellung eines eigenen Unternehmensmodells versetzt den Unternehmer in die Rolle eines Konstrukteurs, in dem das 10-D-Modell als Ausgangslage dient und nachfolgend sämtliche unternehmensspezifischen Prozesse eingepflegt werden können. Er kann die Ursache-/Wirkungsketten in diesem Modell selbst gestalten und sich damit die gesamte Komplexität visualisieren. Aus diesem Bau gelingt es neben den täglichen Kontrollaufgaben, die durch kurzfristige Erfolgsmeldungen gekennzeichnet sind, ursachengerechte Analysen für zukunftsweisende Potenziale zu erkennen und erfolgreicher zu planen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. In der Systemerstellung gelten folgende vier Ausrichtungen: - Abstraktion und Generalisierung: Die Aufstellung von Strategien erfolgt in der Umsetzung durch strategische Programme. Diese müssen in Kommunikation mit den weiteren Management-Ebenen stehen, um insbesondere Rückkopplungen aufzuzeigen. 122

Vgl. PICOT, A./ REICHWALD, R./WIGAND, R.: Die grenzenlose Unternehmung, 1996, S. 479 ff.

114

- Teilungsprozess und Detaillierung: In diesem Prozess kommt die Notwendigkeit des taktischen Managements zum Tragen. Bei der Detaillierung und damit bei der Zerlegung der Grobplanung in Teilpläne wird ein fließender Prozess erforderlich, um die Komplexität der Vernetzung zu bewältigen.123 Dieser fördert somit den Erfolg der Strategien oder/und die Effizienzsteigerung der Maßnahmen im operativen Bereich. Die beiden Kombinationen wirken diagonal durch das Referenzmodell und fördern eine kontinuierliche Unternehmensanalyse, -kontrolle und -steuerung entlang der Management-Ebenen.

4.3 Das Dresdner Referenzmodell Auf Basis des skizzierten deskriptiven 10-D-Modells war es Aufgabe des Projektes, ein normatives Empfehlungsmodell zu schaffen, um aufzuzeigen, welche Dimensionen, Faktoren und Kriterien erfolgreiche Unternehmen besonders beeinflussen. In diesem Zusammenhang entstand das Dresdner Referenzmodell. Referenzmodell ist das 10-D-Modell für das typisch erfolgreiche mittelständische Dresdner Industrieunternehmen. Es besteht aus hierarchischen Verbindungen zwischen unterschiedlichen Unternehmenseinflüssen (Dimensionen, Faktoren und Kriterien), welche untereinander gewichtet sind.124 Mit anderen Worten handelt es sich hierbei um ein Empfehlungsmodell, auf welche Einflüsse erfolgreiche Unternehmen besonders achten sollten. Im Gegensatz zu anderen Instrumenten in diesem Bereich soll dies jedoch lediglich für besondere Stellhebel sensibilisieren und keinesfalls als alleinig richtiges Erfolgsmodell dem Unternehmer „aufgezwungen“ werden. Vielmehr kann dieser auf Basis des Referenzmodells als Stammdatensatz sein eigenes Unternehmensmodell erstellen und dieses anschließend bewerten und pflegen. Das Referenzmodell dient hierbei nur als Anfangsbeispiel, welches die häufigsten Meinungen der befragten Quellen widerspiegelt.

123 124

Vgl. BLEICHER, K.: Das Konzept integriertes Management, 2001, S. 452. Die ermittelte Gewichtung ist das Ergebnis der vorlaufenden fünf Projektschritte (vgl. Tabelle 14 und 15).

115

Folgende Ausprägungen und Gewichtungen konnten durch das Projekt ermittelt werden, wobei sich die Darstellung auf die Faktoren- und Dimensionsebene (ohne Einflüsse untereinander) beschränkt: Abbildung 43: Das Dresdner Referenzmodell Quelle: Eigene Darstellung

Wie aus der Grafik ersichtlich, zeichnet sich das erfolgreiche mittelständische Dresdner Industrieunternehmen v.a. durch eine starke Betonung im Bereich zielorientierter strategischer Steuerung aus. Die Grundlage seines Erfolges bilden die starke Ressourcenbasis, bei der das Personal die wichtigste Rolle spielt sowie der Markt, in dem der Kunde im Mittelpunkt steht.

116

„Die Mitarbeiter bekommen viele Tendenzen im Markt mit, wichtig ist, dass dies bis zum Geschäftsführer vordringt.“ Das Zusammenspiel der Dimensionen und Faktoren ist in flexible Strukturen und sich ständig optimierende Prozesse eingebettet. Etwas geringer fällt das Gewicht für die Bedeutung der „Unternehmerpersönlichkeit“ aus, gefolgt von „Betrieblicher Hintergrund“, „Veränderungsprozesse“ und „Mitarbeiterverhalten“. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die eruierten Dimensionen ein abgerundetes Bild des betrieblichen Erfolges widerspiegeln. Mittelständische Unternehmer steuern ihr Unternehmen durch Beachtung einer großen Zahl von Bestimmungsgrößen. Im Alltag bedeutet dies ein fein abgestimmtes „Tuning“ (vgl. Abbildung). „…erfolgreich sein, heißt das komplette Klavier zu spielen.“ Abbildung 44: Kladogramm des Referenzmodells Quelle: Eigene Darstellung

Innerhalb der Dimensionen fallen jedoch erhebliche Faktorenunterschiede auf. Selbst bei der als gering bewerteten Dimension „Umfeld“ sind Faktoren wie „Wirtschaftliche Entwicklung“ und „Technologieentwicklung“ von erheblicher Bedeutung, im Gegensatz zu Einflüssen aus den Bereichen „Politik und Recht“ oder „Umwelt“.

117

4.4

Die Bewertung des 10-D-Modells

4.4.1

Grundlagen der Bewertung

Der Begriff Bewertung bedeutet, einen Sachverhalt in Bezug zu einem Zielsystem zu bringen, d.h. Informationen/Daten über einen Sachverhalt mit dem relevanten Wertesystem zu verknüpfen und daraus ein Urteil abzuleiten.125 Eine Bewertungslogik legt fest, wie Regeln bzw. die Abfolge von Regeln, Daten und Wertesystemen zu einem Bewertungsergebnis verknüpft werden. Dabei ist die Logik unabhängig von möglichen Sachinhalten (z.B. Nutzwertanalysen). Die konkrete Umsetzung einer oder mehrerer Bewertungslogiken wird als Bewertungsmethode bezeichnet.126 Eine Bewertungsmethode bzw. verfahren127 legt also fest, welche Daten mit welcher Bewertungslogik und welchem Ziel-/Wertesystem verknüpft werden.128 Abbildung 45: Elemente einer Bewertung Quelle: in Anlehnung an GIEGRICH, J. : Die Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen, 1995, S. 256

Daten / Informationen

Ziel- und Wertesystem Bewertungsmethode

Erkennen / Messen Bewertungslogik

Bewertungsergebnis

125

Vgl. GIEGRICH, J. : Die Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen, 1995, S. 256. Vgl. a. a. O., S. 258. 127 Verfahren sind ein„... konkreter, methodisch festgelegter Ablauf von Handlungen, die Bewertungsschritte beinhalten...“ Verfahren können bestimmt werden durch die Art und Weise der Problemdefinition, Vorgaben zur Informationsbeschaffung, der Auswahl der Kriterien und Bewertungsmethode oder der Art der Urteilspräsentation. Vgl. GIEGRICH, J. : Die Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen, 1995, S. 258. 128 Beispiel: Bewertung der Eigenkapitalquote (Methode), Eigen- und Fremdkapital der Bilanz (Daten), Bildung einer Kennzahl (Bewertungslogik), „Goldene Bilanzregel“ (Ziel- bzw. Wertesystem). 126

118

Bei Messung und Bewertung der Ergebnisse wird eine hohe Validität und Reliabilität angestrebt. Die Validität oder „Treffsicherheit“ gibt dabei den Grad der Genauigkeit an, mit dem man das Merkmal misst, das gemessen werden soll.129 Als Reliabilität oder „Zuverlässigkeit“ wird das Ausmaß bezeichnet, in dem wiederholte Messungen eines Objektes unter identischen Messbedingungen mit einem Messinstrument die gleichen Werte liefern.130 Abbildung 46: Zusammenhang zwischen Validität und Reliabilität am Beispiel einer Zielscheibe131 Quelle: in Anlehnung an PEPELS, W. : Marketing, 2004, S. 294

hohe Reliabilität geringe Validität

hohe Reliabilität hohe Validität

4.4.2

geringe Reliabilität hohe Validität

geringe Reliabilität geringe Validität

Die Bewertungsmethodik

Das Konzept setzt hierbei auf die Selbstbewertung durch den Anwender, welcher im Modell die Möglichkeit hat, jede beliebige Ebene zu bewerten. Der Anwender muss nicht jede Dimension detailliert bearbeiten, aber je tiefer die Bewertung, desto höher die Qualität der Ergebnisse. Für eine einfache Beurteilung und nachvollziehbare Berechnung wird eine Ordinalskala von 1 bis 10 Punkten herangezogen. Die Möglichkeit Istwerte und 129

Vgl. PEPELS, W. : Marketing, 2004, S. 294. Vgl. SCHNELL, R., HILL, P.B, ESSER, E.: Methoden der empirischen Sozialforschung, 2008, S. 151 und PEPELS, W. : Marketing, 2004, S. 293. 131 weißer Bereich = Fehlbereich, graue Scheibe = Zielbereich, schwarze Punkte = Schüsse 130

119

Erwartungswerte für einen definierten Zukunftshorizont einzuschätzen, soll die Frühwarnung im Sinne einer Simulation unterstützen. Hinter der Punktbewertung steht die Frage, wie gut oder schlecht ein Kriterium erfüllt ist, wobei den Zahlen eine abgestufte verbale Beschreibung in Anlehnung an die Notenskala zur besseren Interpretation zugewiesen ist. Die nachfolgende Abbildung zeigt ein Beispiel einer solchen Verbalbeschreibung: Abbildung 47: Beispielhafte Bewertungsskala Quelle: Eigene Darstellung

sehr schlecht erfüllt... 5

6

7

8

genügend

ausreichend

befriedigend

gut

Sehr gut

9

10 ausgezeichnet

4

hervorragend

3 mangelhaft

miserabel

2 ungenügend

1

...sehr gut erfüllt

Über prozentuale Gewichtungen werden die Eingabewerte beurteilt und zu einer Spitzenkennziffer, dem Vitalitätsstatus, hochgerechnet. Abbildung 48: Grundaufbau der Bewertung Quelle: Eigene Darstellung

Erfüllungsgrad („Bewertung“)

Wie gut ist die Anforderung erfüllt?

Gewichtung

Wie wichtig ist die Anforderung für den Gesamterfolg?

Beurteilung (gewichtete Bewertung)

120

Zur Visualisierung und damit Früherkennung unterscheidet das Konzept vier Zonen (unter der Hinzunahme der Ampelfarben), welche der Ordinalskala zugeordnet werden können, wie nachfolgend beispielhaft dargestellt: - K.O.-Zone (schwarz): Ist auch nur eines der bewerteten Kriterien in der K.O.Zone, ist das gesamte Lebewesen Unternehmen „tot“ (bspw. 1 bis 2). - Warnzone (rot): Es besteht dringender Handlungsbedarf (bspw. 3 bis 5). - Toleranzzone (gelb): Aufmerksamkeit ist geboten (bspw. 6 bis 8). - Zielzone (grün): Die Ziele werden derzeit erreicht (bspw. 9 bis 10). Es muss nicht allen Erfolgsfaktoren eine K.O.-Zone zugewiesen werden. Ist dies aber der Fall (ein typisches Beispiel bei dem dies notwendig erscheint, ist die Liquidität), handelt es sich im Modell um ein Muss-Kriterium, ansonsten um ein Kann-Kriterium („nice to have“). Das Bewertungsmodell basiert somit auf den Grundgedanken des Scoring unter Einbeziehung quantitativer und qualitativer Daten (multikriterielle Bewertungsverfahren). In der Entscheidungstheorie gibt es in diesem Kontext bereits Instrumente zur Findung von objektiven Entscheidungen. Eines der bekanntesten Werkzeuge ist die Nutzwertanalyse, in der Kriterien bewertet und mit Gewichtungen versehen werden können, z.B. bei der Standortanalyse. Hierbei sind die Kriterien linear in einer Ebene angeordnet und die Gewichtungen werden subjektiv festgelegt, ohne alle Verbindungen der Kriterien zu berücksichtigen. Eine objektivere Entscheidungsmethodik bildet dem gegenüber der Analytical Hierarchy Process (kurz AHP) von SAATY.132 Hier können die Kriterien in einer Baumstruktur angeordnet und die Bewertungen und Gewichtungen durch einen paarweisen Vergleich sämtlicher Kriterien bestimmt werden. Dadurch erhöht sich die Genauigkeit, eine objektive Entscheidung auf der Grundlage der Auswertung der Kriterien und Gewichtungen zu finden. Jedoch fehlen auch hier Einflüsse, die übergreifend auf andere Kriterien einwirken können. Um Querverbindungen zwischen Kriterien zuzulassen, sollen im Vitalitätskonzept die Bewertungen und Gewichtungen der Kriterien in lineare Gleichungssysteme überführt und durch bekannte Methoden der linearen Algebra gelöst werden. Daraus folgt für das nachfolgende Forschungsprojekt, besonderen Wert auf die Lösbarkeit sowie die Stabilität der Systeme zu legen. Aus diesem Grund ist das beschriebene Vorhaben als interdisziplinäres Projekt der Betriebswirtschaftslehre, Informatik und Mathematik bzw. Numerik, in Kooperation mit mittelständischen Industrieunternehmen, angelegt. 132

Vgl. SAATY, T. L.: Decision Making for Leaders – The Analytic Hierarchy Process for Decisions in a Complex World, 2001.

121

4.4.3

Die Bewertung an einem Beispiel

4.4.3.1 Einordnung in die Bewertungslogik In einer zweiten optionalen Bewertungsebene ist angedacht, harte Fakten, wie Bilanzkennziffern, mit der Ordinalskala zu verbinden, um somit einen Teil der Bewertung aus bestehenden Kennziffern durchzuführen und die Bewertungsgenauigkeit zu erhöhen. In diesem Zusammenhang soll für die Bewertung des Erfolgsfaktors „Gesellschaft“ eine Methode vorgeschlagen werden, welche die folgenden Fragen beantwortet: - Wie ist es möglich, den Erfolgsfaktor „Gesellschaft“ bzw. das Unterkriterium „Gesellschaftliche Bedingungen im Zielland“ zu messen? - Wie kann man das Ergebnis dieser Messung bewerten und auf einer Skala von 1 bis 10 abbilden? - Welche Daten werden dabei benötigt, und aus welchen Quellen werden diese gespeist? Durch eine ausgewählte Bewertungsmethode in der 1. Ebene der nachfolgenden Abbildung werden ein oder mehrere Kriterien bewertet. Das Kriterium „gesellschaftliche Bedingungen im Zielland“ soll an dieser Stelle als Beispiel dienen. Das Ergebnis dieser Bewertung ist ein Punktwert auf einer Skala von 1 bis 10. Dieser Punktwert wird entsprechend dem Dresdner Referenzmodell gewichtet und fließt in den Punktwert des Vitalitätsfaktors in der 2. Ebene ein. Im hier gewählten Beispiel ist das Kriterium zu 100 % zum Vitalitätsfaktor „Gesellschaft“ gewichtet, welcher wiederum mit 18 % in die Dimension „Umfeld“ einfließt.

122

Abbildung 49: Bewertungsverfahren des Dresdner Referenzmodells und Einordnung der in diesem Abschnitt behandelten Bewertungsmethode Quelle: Eigene Darstellung

123

4.4.3.2 Hintergrund und Informationsquellen Ziel bei der Bewertung dieses Faktors ist durch das Kriterium „gesellschaftliche Bedingungen im Zielland“ die Einstufung von politischen und wirtschaftlichen Risiken, welche durch Exportgeschäfte, insbesondere in Nicht-EU-Staaten, entstehen. Gerade für mittelständische Unternehmen ist ein Forderungsausfall ungleich schwerer zu verkraften als für Großunternehmen.133 Folgende Informationsquellen und vorgeschlagene Maßnahmen können für ein Entgegenwirken dieser Problematik aus Sicht der Autoren genutzt werden: Exportgarantien Indem Unternehmen ihren ausländischen Kunden Lieferantenkredite gewähren, gehen sie damit auch ein hohes Risiko ein.134 Exportgarantien sind „Versicherungen“ für Exportgeschäfte, mit denen ein Zahlungsausfall aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen vermieden wird.135 Sie vermindern somit das Insolvenzrisiko und verbessern die Liquidität des Ausführenden. Nimmt ein Exporteur diese Absicherung in Anspruch, muss er eine Versicherungsprämie entrichten. Die Höhe dieser Prämie richtet sich u.a. nach folgenden Eckkriterien: Auftragswert, Laufzeit des Geschäftes, Art des Bestellers und die Einstufung des Ziellandes in eine Risikoklasse.136 Staatliche Exportgarantien Im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Euler Hermes Kreditversicherungs-AG und die PricewaterhouseCoopers AG beauftragt, Risiken durch Exportgeschäfte deutscher Unternehmen mit Exportgarantien abzusichern, auch bekannt als „Hermesdeckungen“. 137 Dabei richtet sich die Prämie, neben den im vorherigen Abschnitt genannten Kriterien, im Wesentlichen nach der Einstufung des Ziellandes in eine achtstufige Länderkategorie. Dabei bedeutet Kategorie 0 geringstes Risiko und niedrigste Prämie, Kategorie 7 höchstes Risiko und höchste Prämie.138 133

Vgl. O.V.: Exportgarantien der Bundesrepublik Deutschland, o.J. URL: http://agaportal.de/pages/aga/grundzuege/mittelstand.html (Stand: 22.04.2009). 134 Vgl. GIESEN, C.: Das „Risiko Kunde“ begrenzen- Kreditversicherung begleitet Unternehmen im Export, 2004 (Stand 22.04.2009). 135 Vgl. O.V.: Exportgarantien der Bundesrepublik Deutschland, o.J., URL: http://agaportal.de/pages/aga/index.html (Stand: 22.04.2009). 136 Vgl. a. a. O., URL: http://agaportal.de/pages/aga/praemie.html (Stand: 22.04.2009). 137 Vgl. a. a. O., URL: http://www.agaportal.de/pages/aga/index.html (Stand: 22.04.2009). 138 Vgl. a. a. O., URL: http://www.agaportal.de/pages/aga/praemie.html (Stand: 22.04.2009).

124

Private Kreditversicherer Neben den staatlichen Absicherungen gewinnen Kreditversicherer aus der Privatwirtschaft an Bedeutung, insbesondere bei Exportgeschäften in Industrieländer und im kurzfristigen Bereich. Hier sichert der Staat nur Exporte ab, für die privatwirtschaftliche Anbieter keine Lösung bereitstellen.139 Als Beispiel wäre hier die Ausfuhrkreditversicherung der Firma Allgemeine Kreditversicherung Coface AG erwähnt. 4.4.3.3 Bewertungsmethode Für die Bewertung des Kriteriums „Gesellschaftliche Bedingungen im Zielland“ im Dresdner Referenzmodell wird im folgenden die achtstufige Einteilung (0 bis 7) in Länderkategorien (siehe Abschnitt staatliche Exportgarantien) zu Grunde gelegt, welche, wie bereits vorstehend erwähnt, eine wesentliche Determinante für die Prämienhöhe bei staatlichen Exportgarantien ist. Die aktuellen Einstufungen der Länder sind über das Internet unter „www.agaportal.de“140 abrufbar. Da die weitere Bewertungsmethode auf diesen vorhanden Daten aufbaut, handelt es sich um eine Sekundärerhebung von Daten.141 Zu Beginn wird geklärt, ob das Unternehmen überhaupt exportiert. Wird diese Frage mit „nein“ beantwortet, erfolgt keine Bewertung dieses Faktors, weil keine Relevanz besteht. Bei einer Beantwortung mit „ja“ werden in einer Tabelle nun Daten zu allen Exportgeschäften des Unternehmens gesammelt. Dabei werden jedem Exportland die entsprechende Länderkategorie und der geplante Umsatzanteil am Unternehmensgesamtumsatz zugeordnet. Die Spalte der Länderkategorie ist geteilt in „alt“ und „neu“ und soll hier dem Anwender ein Signal geben, wenn eine Veränderung, insbesondere Verschlechterung, eintritt. Zu diesem Fall wird bei der Bewertung noch konkret Stellung bezogen. Die Länder Vietnam und Lettland sollen an dieser Stelle als Beispiele142 für mögliche Exportländer dienen.

139

Vgl. GIESEN, C.: Das „Risiko Kunde“ begrenzen- Kreditversicherung begleitet Unternehmen im Export, 2004, URL: www.openpr.de/news/38295/Das-Risiko-Kunde-begrenzen-Kreditversicherung-begleitet-Unternehmenim-Export-Messe-export21.html (Stand 22.04.2009). 140 Vgl. O.V.: Exportgarantien der Bundesrepublik Deutschland, 2009, URL: http://www.agaportal.de/pages/aga/deckungspolitik/laenderklassifizierung.html (Stand: 22.04.2009). 141 Vgl. PEPELS, W.: Marketing, 2004, S. 222. 142 Stand: 22.04.2009.

125

Tabelle 18: Datenbasis zur Bewertung „Gesellschaftliche Bedingungen im Zielland“ Quelle: Eigene Darstellung

Exportland

Länderkategorie alt

Länderkategorie neu

Umsatzanteil geplant/ Gesamtumsatz (%)

Vietnam

5

4

15

Lettland

4

4

5

In der nachfolgenden Grafik wird der kumulierte Umsatz je Länderkategorie an der x-Achse und die Länderkategorie (neu) an der y-Achse dargestellt. Die Einteilung der x-Achse ist individuell nach jeweiligen Gegebenheiten anpassbar, hier im Beispiel dreistufig von 10 bis 30 %. Dem gewählten Beispiel folgend sind hier 20 % (15% Vietnam + 5% Lettland) des geplanten Umsatzes in der Länderkategorie 4 einzuordnen, wie in folgender Abbildung dargestellt. Abbildung 50: Portfolio mit kumuliertem Umsatzanteil & Länderkategorien Quelle: Eigene Darstellung143

Länderkategorie Kategorien 6,7: höchstes Risiko

6

Kategorien bis 5: mittleres Risiko

4

2 Kategorien bis 2: geringes Risiko 0

143

10% 20% kumulierter Umsatzanteil

30%

Dieses Verfahren ähnelt einer „Risk-Map“, in der Risiken nach Eintrittswahrscheinlichkeit (x-Achse) und Schadensausmaß (y-Achse) eingeordnet werden. Weitere Informationen dazu u.a. in REICHMANN, T. / PYSZNY, U.: Rating nach Basel II: Herausforderung für den Mittelstand, 2006, S. 377.

126

Liegt nur Export in Ländern mit Länderkategorie = 0 vor, erfolgt automatisch eine Bewertung mit dem besten Punktwert (10). Bei Exporten in Länder mit Kategorien > 0, schließt sich im letzten Schritt eine verbale Frage mit den beiden Antwortalternativen „ja“ oder „nein“ an: „Sind Ihre Exporte in Länder mit Länderkategorie > 0 durch staatliche oder private Exportgarantien abgesichert?“ Die Antwort darauf wird in Verbindung mit den vorliegenden Daten nach folgendem Bewertungsschema bewertet: Abbildung 51: Bewertungsmethode Quelle: Eigene Darstellung

ja

10

nein

bis Kat. 2

bis Kat. 5

Kat. 6;7

Länderkategorien

bis 10%

9

bis 20%

8

bis 30%

7

bis 10%

6

bis 20%

5

bis 30%

4

bis 10%

3

bis 20%

2

bis 30%

1

Umsatzanteil

Bewertung: Punktwert

„Abwertungs“ faktor“ siehe Erklärunb bbbbb )

127

Im Beispiel (Vietnam, Lettland; beide Kategorie 4; gemeinsam bis 20 % Umsatzanteil am geplanten Gesamtumsatz) sind als Ergebnis je nach gewählter Antwort zwei Punktwerte möglich. Wurde die Antwort „ja“ gewählt, dann wird mit 10 Punkten bewertet, bei „nein“ mit 5 Punkten. Die Bewertung des Kriteriums „Gesellschaftliche Bedingungen im Zielland“ wäre im Beispiel bei 5 oder 10 Punkten. Da dieses Kriterium zu 100 % in den Vitalitätsfaktor „Gesellschaft“ einfließt, wird dieser mit gleichem Punktwert bewertet. In der Dimension „Umfeld“ ist dieser Wert dann mit 18 % gewichtet (vgl. Abbildung 49). Da sich im unternehmerischen Alltag die Sachlage meist nicht so übersichtlich wie im Beispiel darstellt, werden im Folgenden zwei weitere mögliche Bewertungsfälle betrachtet: 1. Fall: Das Unternehmen tätigt Umsätze in Länder aus verschiedenen Länderkategorien (z.B. in Kategorie 5 und 7 jeweils bis 10 % Umsatzanteil) und hat diese nicht abgesichert. In diesem Fall entspricht der Punktwert der schlechtesten Bewertung (im Beispiel hier wären das 3 Punkte). 2. Fall: Bei einem durch eine Ausfuhrkreditversicherung abgesicherten Geschäft, welches z.B. einen Anteil bis zu 10 % am Gesamtumsatz hat, wird das entsprechende Zielland in eine „schlechtere“ Länderkategorie eingestuft (z.B. von Kategorie 2 auf 3). Die Gründe hierfür können politische oder wirtschaftliche Probleme innerhalb des Landes sein. Die Bewertung wäre durch die vorhandene Absicherung eigentlich 10 Punkte, allerdings steigen mit der verschlechterten Länderkategorie auch die Kosten für die Absicherung des exportierenden Unternehmens. Für diesen Fall schlagen die Autoren eine Abwertung vor. Diese kann mit Hilfe eines „Abwertungsfaktors“ errechnet werden, welcher mit der ursprünglichen Punktzahl (10) multipliziert wird. Beispielrechnung bei einer Veränderung der Länderkategorie von 2 auf 3 und abgesichertem Exportgeschäft: Abwertungsfaktor = 1 - (Kategorieneu –Kategoriealt) x 0,2 = 1 - (3 - 2) x 0,2 = 0,8 Bewertung = Punktzahl x Abwertungsfaktor = 10 x 0,8 = 8 Punkte

128

4.4.3.4 Interpretation und Nutzung der Bewertung In der Regel sichern Unternehmen ihre Geschäfte in Ländern mit hohen Risikoklassen144 ab. Der damit erzielbare Punktwert von 10 ändert sich aber in dem Augenblick, in dem ein Land in der Länderkategorie abgewertet wird. Für den Unternehmer sind in diesem Fall höhere Absicherungskosten zu erwarten, was zu einem grundlegenden Überdenken dieser Risikoposition führen sollte. Darüber hinaus erfolgt auch in den weniger riskanten Länderkategorien eine Abwertung bei fehlender Absicherung über den kumulierten Umsatzanteil je Risikoklasse. Das heißt, je größer der Umsatzanteil, bei dem nicht das Exportrisiko entsprechend gedeckt ist, desto geringer der Punktwert. Dies sollte ebenso zu einem Überdenken dieser Risikopositionen führen. Die gewünschte Treffsicherheit und Zuverlässigkeit der Bewertungsmethode ist nach Meinung der Autoren erfüllt145, der Aufbau transparent und für den Anwender leicht nachvollziehbar. Mit diesem Bewertungsansatz wird der Unternehmer für das politische und wirtschaftliche Risiko im Zielland sensibilisiert, welches bei einem Exportgeschäft entstehen kann. „Die Gefahr ist immer, dass man im Tagesgeschäft versinkt – wichtig ist, sich Selbstreflektionspunkte zu setzen.“ Als Erhebungsintervall für diesen Vitalitätsfaktor schlagen die Autoren einen viertel- bis halbjährlichen Rhythmus vor. Am Beispiel des Erfolgsfaktors „Gesellschaft“ in der Dimension „Umfeld“ des Dresdner Referenzmodells wurde veranschaulicht, wie die weiteren 50 qualitativen und quantitativen Erfolgsfaktoren des Modells bewertet werden können.146 Ziel dabei ist es, treffsichere und zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, welche allerdings auch angesichts der Vielzahl von qualitativen Einflussfaktoren, eine begrenzte Genauigkeit aufweisen können. Dies ist jedoch hinzunehmen, da es nicht „auf die letzte Kommastelle“ sondern vielmehr auf die Sensibilisierung für Chancen- und Risikobereiche ankommt. Mit einem unbefriedigenden Bewertungsergebnis soll der Unternehmer konkret auf Schwachpunkte aufmerksam werden.

144

75 % aller Hermesdeckungen entfallen auf Entwicklungs- und Schwellenländer. O.V.: Exportgarantien der Bundesrepublik Deutschland, o.J., – URL: http://www.agaportal.de/pages/aga/grundzuege/grundzuege_exportkredit.html (Stand: 22.04.2009). 145 Den praktischen Beweis können sie an dieser Stelle noch nicht antreten. Im Rahmen einer Testphase der zu entwickelnden Software werden die Bewertungsverfahren jedoch auf ihre Praktikabilität geprüft. 146 Dies stellt eine der zentralen Herausforderungen des auf dieser Basis angestrebten Folgeprojektes zur Entwicklung einer Software dar (vgl. auch Abschnitt 6.2 „Ausblick: Vision Software“).

129

4.5

Die Anpassung des Referenzmodells an das individuelle Geschäftsmodell von Unternehmen

4.5.1

Die Systematisierung des Geschäftsmodells

Ein Unternehmer muss fortwährend Entscheidungen treffen. Diese müssen häufig vor allem zeitnah geschehen. Doch die Qualität der Entscheidung hängt weniger von Informationen ab, die dem Unternehmer zur Verfügung stehen, sondern vielmehr von dem frühzeitigen Erkennen und Einordnen eines relevanten Sachverhaltes, dessen es einer Entscheidung bedarf.147 Die Systematisierung eines Unternehmens als Geschäftsmodell bietet Möglichkeit der Früherkennung von Chancen und Risiken sowie einer zeitnahen Reaktion auf diese. Als Geschäftsmodell wird im Allg. die „Darstellung der Art und Weise, wie ein Unternehmen, ein Unternehmenssystem oder eine Branche am Markt Werte schafft“148 verstanden. Es beschreibt somit durch Abstraktion bzw. Aggregation die Architektur der Wertschöpfung.149 Geschäftsmodelle systematisieren im Sinne des Ressourcen- und Konfigurationsansatzes Unternehmen auf einer individuellen Ebene und bilden damit „ganzheitliche Strategien, die neben dem klassischen Kern der meisten Unternehmensstrategien, der Markt- und Produktpolitik, noch eine ganze Reihe weiterer gleichwertiger Elemente [Gewinnmodell, Ressourceneinsatz, Organisation] zu einer konsistenten Einheit zusammenfassen.“150 Damit stellen sie die Erfolgsfaktoren eines Unternehmens in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ein Unternehmen besteht dabei in seiner Organisation aus mehreren Systemen, die sowohl sozial als auch technisch bedingt sind. Ein System ist die Gesamtheit von Subsystemen und Elementen, die von ihrer Umwelt abgegrenzt ist. Zwischen einem System, seiner Umwelt, seinen Subsystemen und Elementen bestehen vielfältige Beziehungen. Mit diesem komplexen Beziehungsgeflecht und deren Zusammenhängen, „insbesondere der Erklärung von Wachstums-, Anpassungs- und Selbstregulierungsprozessen“151 befasst sich die Systemtheorie, wie Abbildung 52 skizziert.152

147 148

149

150

151 152

Vgl. SCHWANGINGER, M.: Organisationale Intelligenz aus Managementkybernetischer Sicht, 1999, S. 62. BIEGER, T./RÜEGG-STÜRM, J./ROHR, T. V.: Strukturen und Ansätze einer Gestaltung von Beziehungskonfigurationen – Das Konzept Geschäftsmodell, 2002, S. 50-52 zitiert nach SCHEER, C./DEELMANN, T./LOOS, P.: Geschäftsmodelle und internetbasierte Geschäftsmodelle, 2003, S. 16. Vgl. SCHEER, C./DEELMANN, T./LOOS, P.: Geschäftsmodelle und internetbasierte Geschäftsmodelle, 2003, S. 19ff. MERCER.: Herausforderung profitables Wachstum, 2002, zitiert nach SCHEER, C./DEELMANN, T./LOOS, P.: Geschäftsmodelle und internetbasierte Geschäftsmodelle, 2003, S. 17. VAHS, D.: Organisation. Einführung in die Organisationstheorie und -praxis, 2007, S. 39. Vgl. VAHS, D.: Organisation. Einführung in die Organisationstheorie und -praxis, 2007, S. 38f.

130

Abbildung 52: Aufbau eines Systems Quelle: in Anlehnung an VAHS, D.: Organisation. Einführung in die Organisationstheorie und -praxis, 2007, S. 38

Umwelt

System Beziehung

Element

Subsystem

Nicht nur der Aufbau von Systemen spielt eine große Rolle in der Organisation eines Unternehmens, sondern auch deren Steuerung. Damit beschäftigt sich die Kybernetik. SCHWANINGER beschreibt die Kybernetik als „Wissenschaft von der Lenkung und Kommunikation komplexer Systeme“153. Die Managementkybernetik befasst sich mit der intelligenten Organisation. Dabei spielen die Selbstlenkung und -organisation im Unternehmen eine große Rolle. Nur wer sein Unternehmen effektiv organisiert, kann sich in einem ständig wandelnden Umfeld bewähren.154 Zur Handhabung komplexer Systemzusammenhänge werden Modelle gebildet zweckorientierte und vereinfachte Abbildung der Realität oder eines Realitätsausschnittes.155 Durch die Vielfalt reeller Systemzusammenhänge ist eine möglichst individuelle Modellierung anzustreben. Die Systemtheorie und die Kybernetik sind funktionsübergreifend anwendbar und eignen sich demnach bestens zur Analyse und Aufklärung bestimmter Sachverhalte innerhalb von Geschäftsmodellen. Zudem lassen sich „sowohl die statischstrukturellen Aspekte als auch die dynamisch-funktionalen Gesichtspunkte erfassen und gestalten“.156 Die Kombination beider Ansätze zwischen Theorie und Praxis eignet sich insofern, um nicht nur strukturelle Gegebenheiten zu erklären, sondern auch Handlungsempfehlungen zu geben.157 153 154 155 156 157

Vgl. SCHWANINGER, M.: Organisationale Intelligenz aus Managementkybernetischer Sicht, 1999, S. 57. Vgl. ebenda. Vgl. HEINEN, E.: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 1992, S. 19. Vgl. VAHS, D.: Organisation. Einführung in die Organisationstheorie und -praxis, 2007, S. 39. Vgl. a. a. O., S. 40.

131

4.5.2

Die Modellierung des individuellen Unternehmensmodells

„Es kann kein Frühwarnsystem geben, was auf alle Branchen passt, es muss immer auf das Unternehmen zugeschnitten sein.“ Das 10-D-Modell muss sich in einer allgemein gültigen Form widerspiegeln, in der auch weiterführende mehrdimensionale Verbindungen aufgebaut werden können. Aus den Umfrageergebnissen der Experten und Unternehmer ergab sich eine enorme Komplexität an Kriterien und Verbindungen, die den Erfolg des mittelständischen Unternehmens bestimmen. Im Forschungsprojekt war es daher die Aufgabe, eine geeignete Struktur zu finden, welche alle Faktoren erfasst und noch vielmehr die Verbindungen zwischen diesen darstellen kann.158 Sehr häufig ist es der Fall, dass sich ein Element wie z.B. „Unternehmerpersönlichkeit“ auf mehrere andere Elemente auswirkt, aber dennoch einem Hauptverursacher unterliegt. Durch eine einfache Baumstruktur, wie in Abbildung 53 ersichtlich, können bereits Kriterien nach ihrer Ordnung und Ebene zugeordnet werden. Jedoch kann kein Einfluss auf andere Kriterien dargestellt werden, ohne die Übersicht zu verlieren, was zu einem komplexen Graphen (in Anlehnung an einen Gozintographen) führen würde. Dennoch sind genau diese Verbindungen oft von entscheidender Bedeutung, um Wirkungszusammenhänge zu erklären. Deshalb wurde der Bestimmungs-/Einfluss-Kriterien-Graph (BEK-Graph) entwickelt. Dieser Graph unterscheidet grundlegend nach der Bestimmung und dem Einfluss von Kriterien und deren Beziehung. So werden Bestimmungs-Kriterien dort angeordnet, wo ihre Entstehung oder Hauptaufkommen auftritt. Abbildung 53: Graphendarstellung Quelle: Eigene Darstellung

158

Nicht das Unternehmen muss sich an die Bewertungsmethode anpassen, sondern das 10-D-Modell ist auf das individuelle Geschäftsmodell zu „eichen“. Bei einer solchen Anpassung spricht man auch von „Adaption“.

132

Dieses Bestimmungs-Kriterium kann sich zusätzlich auf andere Kriterien bzw. weitere Unternehmensbereiche auswirken und wird somit ferner als EinflussKriterium angezeigt (schraffierte Kreise). Durch diese Anordnung der Struktur wird die Übersicht beibehalten, ohne die Komplexität zu mindern. Nun können alle Kriterien transparent abgebildet und zusätzlich alle Gewichtungen verteilt werden. Auf dieser Grundlage lässt sich eine allgemeine Herangehensweise für die Modellierung des individuellen Unternehmensmodells ableiten. Abbildung 54: Phasen zum Modellaufbau und Bewertung des Geschäftsmodells Quelle: Eigene Darstellung

In Abbildung 54 beginnt die Erstellung des Unternehmensmodells mit der Formulierung der eigenen Gedanken und Ereignisse („Erlebnisverarbeitung“) die die Unternehmensführung unmittelbar betreffen (Schritt 1). In der Phase der Konkretisierung und Modellierung werden die qualitativen und quantitativen betriebswirtschaftlichen Sachverhalte zu Kriterien zusammengefasst (Schritt 2) und untereinander in Beziehung gesetzt (Schritt 3). Dabei können die Kriterien mehrdimensional verbunden werden, um ein möglichst genaues Wirkungsgeflecht zu erhalten. Nach dem Aufbau des Modells werden diese Kriterien analysiert und der derzeitige Status Quo sowie zukünftige Erwartungen bewertet (Schritt 4). In dieser Phase werden die Chancen und Risiken ersichtlich, zu denen Handlungsempfehlungen für die Unternehmensführung vorgeschlagen werden. „Ein Frühwarnsystem kann nicht alles abdecken, wichtig ist, dass es für Neues aufnehmbar ist.“

133

5

Methodische Einordnung des Vitalitätskonzeptes

5.1 Das Vitalitätskonzept als integratives Entscheidungsunterstützungsinstrument für die Früherkennung Durch die hohe Dynamik und Komplexität der Märkte ist es für Unternehmen von existenzieller Bedeutung, möglichst frühzeitig über Änderungen auf dem Markt informiert zu werden. Damit können nach einer Interpretation der Informationen Maßnahmen entwickelt werden, wie auf Veränderungen zu reagieren ist. Dabei spielen nicht nur wahrgenommene Risiken eine Rolle, sondern auch gleichzeitig damit verbundene Chancen. Sich dieser Situation bewusst zu werden und sich den Herausforderungen des Marktes zu stellen, ist das Alltagsgeschäft eines Unternehmers. Das Vitalitätskonzept ist den simulationsbasierten taktischen Frühwarnsystemen zuzuordnen. „Simulationsbasierte Frühwarnsysteme verbinden die Funktionalitäten der Simulation mit einem Frühwarnsystem. Die Nutzung der Simulation zur Vorhersage eines zukünftigen Zustandes ist ein signifikanter Unterschied zu den klassischen Frühwarnsystemen, deren Vorhersage von Ausnahmesituationen ausschließlich auf Vergangenheits- und aktuellen Messdaten beruht. Ein weiterer Unterschied liegt in der Bewertung verschiedener Handlungsalternativen. Zusammen mit der Warnung vor einem dedizierten Zustand werden dann automatisiert Lösungsvorschläge unterbreitet.“159 Simulationen können mit Hilfe von Szenariotechniken erstellt werden. Mit deren Hilfe können Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erkannt und Prognosen erstellt werden. Auf diesen können dann adäquate Antizipationsstrategien aufbaut werden.160 Dabei zeigt die Szenarioentwicklung nicht nur einen möglichen Verlauf, sondern versucht eine große Bandbreite möglicher alternativer Zukunftsverläufe darzustellen. So werden auf systematische Weise unterschiedliche Szenarien entwickelt, aus denen Unternehmer mehrere mögliche Konsequenzen für ihr zukünftiges Handeln in den betroffenen Bereichen ableiten können.161 159

Vgl. HOTZ, U./ SCHULZE, T.: Simulationsbasierte Frühwarnsysteme – Definition, Anforderungen, Architektur, Vortrag, 2006, S. 3. Vgl. EMMRICH, V.: Risikomanagement zwischen Krisenfrüherkennung und Unternehmensrating, o.J., URL: http://www.krisennavigator.de/Risikomanagement-zwischen-Krisenfrueherkennung-undUnternehmensrating.299.0.html (Stand: 22.04.2008). 161 Vgl. KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R.: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 83. 160

134

Das Vitalitätskonzept nutzt die Grundlagen einer Simulation und unterstützt den Unternehmer bei der Analyse von Ursache-Wirkungs-Beziehungen und der Aufdeckung von Interaktionen innerhalb und außerhalb eines Unternehmens. Es ist notwendig, dass eine kritische Selbstbewertung durch den Unternehmer in regelmäßigen Abständen durchgeführt wird. Nur auf der Basis einer möglichst realen Darstellung der Unternehmenssituation identifiziert sich der Unternehmer mit der Simulation. „Es gibt jeden Tag neue Risiken, Einmalerkennung hilft nicht!“ Um Aufschluss über mögliche zukünftige Tendenzen und Entwicklungen zu erhalten, die außerhalb der aus den Bilanzen und Finanzzahlen abzuleitenden Kennzahlen liegen, werden Frühwarnindikatoren herangezogen. Ein optimaler Indikator deckt folgende Eigenschaften ab: Eindeutigkeit, Vollständigkeit, Frühzeitigkeit, rechtzeitige Verfügbarkeit, ökonomische Vertretbarkeit und Qualität. Durch eine zielgerichtete Entwicklung von Indikatoren können genauere Aussagen über Kundenzufriedenheit, Produktqualität, Serviceleistungen, Mitarbeiterzufriedenheit, etc. erhalten werden. Durch diese Informationen ist es wiederum möglich, Fehlentwicklungen, Schwächen und Stärken sowie Aussagen über die wirtschaftliche Lage abzuleiten. Ein Problem stellt dabei die Datenmenge dar, die dazu führen kann, dass Informationen unüberschaubar und unverständlich werden.162 Werden in der Literatur Frühwarnsysteme beschrieben, beschränkt sich deren Erklärung i.d.R. darauf, an Beispielen aufzuzeigen, wie Indikatoren in einem bestimmten Beobachtungsfeld zeitlich angeordnet werden können. Ein typisches Beobachtungsfeld ist der Umsatz, welcher zeitlich in die Zukunft prognostiziert wird, bspw. durch die Anzahl der Interessenten, Anfragen, Angebote, Aufträge, Auslieferungen und Zahlungseingänge. Unbeantwortet bleibt dabei oft die Frage, wo Indikatoren angesiedelt werden sollen. Um die Indikatoren sinnvoll einzusetzen, ist es notwendig, interne sowie externe Beobachtungsbereiche je Indikator zu bestimmen, in denen latente Chancen oder Bedrohungen erwartet werden. Ein Unternehmen ist ein komplexes und dynamisches Gebilde, bestehend aus einer Vielzahl von Beobachtungsfeldern. Zur Bestimmung wird das Prinzip der zielgerichteten Suche verfolgt, allerdings ist es kaum realisierbar, alle möglichen Beobachtungsbereiche abzudecken. Bei der Auswahl von relevanten Beobachtungsbereichen sollten vor allem die generellen Unternehmensziele, insbesondere solche, die die Sicherung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens zum Gegenstand haben, im Vordergrund stehen. Dies be162

Vgl. KEITSCH, D.: Risikomanagement, 2007, S. 219.

135

deutet auch, dass latente Chancen oder Bedrohungen aus unbeobachteten Bereichen nicht frühzeitig genug erkannt werden können. Daher sollte in festzulegenden Zeitabständen eine Überprüfung der Beobachtungsbereiche erfolgen und diese eventuell angepasst werden.163 Abbildung 55 zeigt nur eine kleine Auswahl möglicher Beobachtungsbereiche. Abbildung 55: Mögliche interne und externe Beobachtungsbereiche Quelle: in Anlehnung an KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R.: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 111.

Wirtschaftlicher Bereich

Sachanlagen Absatz

Ergebnis- und Finanzlage

Mitarbeiter

Management

Unternehmung Forschung und Entwicklung

Verwaltung Produktion und Beschaffung Technologischer Bereich

Produktprogramm intern

Sozio-Politischer Bereich

extern

Durch die hohe Komplexität eines Unternehmens ist es oft sehr schwierig, geeignete Beobachtungsbereiche festzulegen. Die Literatur geht hier davon aus, dass die Unternehmer durch strategische Analysen (v.a. Umfeld- und Potenzialanalysen) die Bestandteile ihres Unternehmens kennen und wissen, welche sensiblen Bereiche („kritische Erfolgsfaktoren“) näher betrachtet werden sollten. Ein erfolgreicher Unternehmer weiß dies sicherlich, jedoch ist eine solche Dokumentation im Mittelstand nur selten vorhanden. 163

Vgl. KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R.: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, 2007, S. 110.

136

Der Unternehmer braucht einen „Konstruktionsplan“ seines Unternehmens (Potenzialanalyse) sowie von dessen Umgebung (Umfeldanalyse), bevor er seine „Antennen“ (Indikatoren im Frühwarnsystem) gezielt anbringen kann. Nachfolgende Abbildung soll diesen Zusammenhang verdeutlichen, wobei in diesem Beispiel aus der Black-Box des Unternehmens drei sensible Bereiche (Kreise) ermittelt wurden, für welche eine weitergehende Beobachtung (Antennen) notwendig erscheint: Abbildung 56: Fokussierung des Beobachtungsfeldes auf Basis einer Umfeld- und Potenzialanalyse Quelle: Eigene Darstellung

Das Vitalitätskonzept stellt hierbei ein integratives Entscheidungsunterstützungsinstrument dar, welches Umfeld- und Potenzialanalyse sowie Frühwarnsystem praktikabel verknüpft. Ein zugrunde liegendes 10-D-Modell bildet die Umfeld- und Potenzialanalyse ab und zeigt die Bausteine des Unternehmens auf, deren Bedeutung für den Fortbestand des Unternehmens essenziell ist. Über wechselseitige Verbindungen dieser Bausteine werden Ursache-Wirkungs-Ketten abgebildet, deren Bedeutung mittels Gewichtungen dargestellt wird. Kriterien mit einer hohen Gewichtung stellen dabei die sensiblen Bereiche eines Unternehmens dar und sollten demzufolge genauer beobachtet werden. Die Frühwarnung liefert der Unternehmer auf dieser Basis selbst, in dem er mittels Erlebnissen sein Unternehmen und die zukünftige Entwicklung der einzelnen

137

Kriterien per Selbstbewertung einschätzt (Erlebnisverarbeitung). Seine Erlebnisse sind die Indikatoren, die er im betrieblichen Kontext einzuordnen hat. Mit Hilfe der Szenariotechnik lassen sich darauf aufbauend Simulationen durchführen, die je nach Situation Handlungsempfehlungen ermöglichen. Abbildung 57: Das Vitalitätskonzept als integratives Entscheidungsunterstützungsinstrument Quelle: Eigene Darstellung

klassische Frühwarnsysteme in der Theorie

Vitalitätskonzept des Projektes Frühwarnsystem

gegeben durch strategische Analyse (Umfeld/Potenzialanalyse)

10D-Modell

i.d.R. Fremdbewertung durch Prognosen

Selbstbewertung der Erlebnisse ggf. mittels Szenarien

Unternehmen kritische Erfolgsfaktoren Beobachtungsfeld Indikatoren Frühwarnung Zusammenfassend stellt das Vitalitätskonzept ein integratives Entscheidungsunterstützungsinstrument dar, welches als ein eigenorientiertes, simulationsbasiertes, taktisches Früherkennungssystem der 4. Generation auf Basis einer Umfeld- und Potenzialanalyse charakterisiert werden kann. Durch den mehrdimensionalen Ansatz des 10-D-Modells werden die meisten Bereiche eines Unternehmens in die Betrachtung einbezogen. Dieser Umstand ermöglicht ein umfassendes Bild und eine hohe Detaillierung bei der Darstellung der Unternehmenssituation. Mit Hilfe von Simulationen kann eine Art „Wegbeschreibung“ durch ein komplexes Verfahren erfolgen, um krisenpräventive Prozesse aber auch damit verbundene Chancennutzungen im Unternehmen anzustoßen.

138

5.2

Das Vitalitätskonzept als Frühwarnsystem für den Mittelstand

Klassischerweise werden Frühwarnsysteme in Großunternehmen eingesetzt – und das nicht ohne Grund: ein Beobachtungsfeld aufzubauen, welches bis zu 5 Jahre und länger im Voraus mögliche Gefahren erkennen soll, ist sehr aufwändig und daher selten im Mittelstand etabliert. An dieser Stelle bedarf es offensichtlich einer Skalierung, um eine angemessene Kosten-Nutzen-Relation zu gewährleisten. Ziel der Frühwarnsysteme ist das rechtzeitige Agieren/Reagieren auf Chancen und Risiken. Demzufolge ist es eine Frage der Reaktionsfähigkeit, wie frühzeitig der Entscheidungsträger Informationen zum Einlenken benötigt. Der Begriff Frühwarnung lässt die Frage nach dem beobachteten Zeithorizont offen – früh bedeutet lediglich vor dem Ereignis selbst. Das vorliegende Konzept versteht sich in diesem Zusammenhang als taktisches Frühwarnsystem, welches nach Meinung der Autoren einen guten „Trade-Off“ zwischen Betreibungsaufwand und Nutzen bildet. Folgendes bildhaftes Beispiel soll die Abgrenzung des vorliegenden (taktischen) Modells vom klassischen (strategischen) Frühwarnsystemen verdeutlichen: Der Kapitän eines Schiffes (Unternehmer) möchte eine bestimmte Insel (Unternehmensziel) im Meer (Markt) ansteuern. Auf dem Weg dorthin gibt es aber einige Hindernisse, z.B. Eisberge (Risiken).

139

Abbildung 58: Taktische Frühwarnsysteme Quelle: Eigene Darstellung

Klassische Frühwarnsysteme

Unternehmen

Taktisches Frühwarnsystem Risiko

Planungsgrößen (externe Quellen)

Zeit (t)

strategische Steuerung

Ziel

Impulse direkt aus dem Markt (eigene Erlebnisse)

taktische Steuerung

operative Steuerung

An dieser Stelle kommt die Unterscheidung der Reaktionsfähigkeit zum Tragen: Großunternehmen sind in aller Regel zwar sehr schlagkräftig, aber auch schwerfällig - vergleichbar mit einem Überseetanker. Demgegenüber verfügen mittelständische Unternehmen zwar nicht über die gleiche Robustheit wie Großkonzerne, sind dafür durch ihren geringeren Ressourcenstock oft viel wendiger. Je schwerfälliger also ein Unternehmen ist, desto größer sollte der Weitblick sein. „Kleine Unternehmen sind oft wendiger, und können Chaos schneller beherrschen - wie ein Segelboot; Großunternehmer sind unflexibler - wie ein Tanker.“ Beim Großunternehmen mit dem klassischen Frühwarnsystem würde der Kapitän vor Beginn der Reise versuchen, alle Eventualitäten über Plangrößen in seine Entscheidung einzubeziehen. Er studiert Seekarten, prüft die Wettervorhersage und die letzten bekannten Positionen der Eisberge. Die Folge: einem großen Aufwand steht eine unsichere Prognose entgegen, denn je weiter die tatsächliche Reise noch in der Zukunft liegt, desto größer wird die Differenz zwischen Voraussage

140

und tatsächlicher Situation. Um dieses Risiko zu minimieren, bevorzugt er daher eine Route, welche einen sehr großen Umweg bedeuten kann. Beim taktischen Frühwarnsystem für mittelständische Unternehmen sticht der Kapitän nach kurzer Planung schneller in See (den Markt) – immerhin könnten andere Schiffe (Konkurrenten) ihm zuvor kommen. Um erfolgreich zu sein, muss er also Mut zum Risiko beweisen. Einmal auf See, ist der Kapitän aber nicht hilflos: durch seine Erlebnisse und Sinneseindrücke kann er ebenfalls Frühwarninformationen „wittern“. Mit anderen Worten: er spürt den Wind, sieht die Wellen sowie die Wetterverhältnisse und kann auf einem begrenzten Raum mittels Fernrohr und Kompass das Umfeld beobachten. Der Unterschied: im zweiten Fall wird nur der Ausschnitt des Umfeldes betrachtet, der das Schiff auch wirklich betrifft – weit entfernte Eventualitäten werden ausgeblendet. Damit sinkt natürlich auch der Planungsaufwand und das Schiff kann das Ziel durch seine Wendigkeit auf einem kürzeren Weg erreichen als der Tanker. Klassische Frühwarnsysteme sind sehr weit in die Zukunft gerichtet und demzufolge für Großunternehmen konzipiert, wobei versucht wird, vorwiegend über Prognosen mögliche Trends zu erkennen. Das beschriebene Konzept ist näher am Markt angesiedelt. Es setzt darauf, Erlebnisse des Unternehmers zu verarbeiten, d.h. es basiert auf dem Prinzip der Selbstreflexion. Der Unternehmer reagiert auf erlebte Impulse. Das Vitalitätskonzept entspricht demnach in Abgrenzung zum oben beschriebenen klassischen, eher strategischen Frühwarnsystem, einem taktischen Frühwarnsystem, d.h. es betrachtet einen engeren Zeithorizont vor dem Hintergrund aller subsumierten Erfahrungen. Gleichwohl berücksichtigt es langfristige Erfahrungen durch bewusste Akzeptanz des unternehmerischen „Bauchdenkens“ (kumulierte, erfolgsselektierte und lebenslange Sozialisation).

5.3

Das Vitalitätskonzept als taktisches Managementinstrument „Survival is a function of the total organization of any system that does survive, and it includes its capacity to learn, to adopt, to evolve.“ – Stafford Beer

141

5.3.1

Vom strategischen zum taktischen Management “Strategy without tactics is the slowest route to victory. Tactics without strategy is the noise before defeat.” - Sun Tzu

Aus der explorativen Studie der mittelständischen Unternehmen wurde eine große Lücke in der taktischen Unternehmensführung erkannt. Auf der Grundlage Faktoren erfolgreicher Unternehmen zu ermitteln, wurde die Anpassungsfähigkeit gegenüber verändernden Marktbedingungen als eines der Hauptargumente genannt. Komplexe Anpassungsprozesse, angestoßen von Strategieänderungen, durchlaufen eine Vielzahl von Unternehmensbereichen. Angefangen in der Marktausrichtung, Produktpolitik bis hin zu Forschungs- und Entwicklungsleistungen müssen alle Bereiche erfasst und auf ihre Strategieauswirkungen analysiert werden. An dieser Stelle zeigt sich eine der größten Schwierigkeiten. Zwar werden Strategien als Grundgerüst für Veränderungen definiert, „dahinter“ fehlt jedoch die Analyse des gesamten Wirkungsgeflechts in einem geeigneten Detaillierungsgrad. Nur wenn dieses Geflecht erfasst wird, können die Ziele und Strategien in geeignete Entscheidungen und Maßnahmen überführt werden. Dies wird als eine Aufgabe vom taktischen Management abgedeckt, aber derzeit durch fehlende Instrumente nur unzureichend und verzögert für das operative Management umgesetzt. Diese Zuordnung zum operativen Management schlägt sich in einer Überbelastung durch erhöhten Planungs- und Koordinationsaufwand nieder. Um diesen Engpass zu vermeiden, muss das taktische Management im Unternehmen stärker ausgeprägt werden und damit den Prozess von der Strategieplanung bis zur -umsetzung fließender gestalten. Nachfolgend wird auf die Herangehensweise und die Problemstellung des taktischen Managements näher eingegangen. Angefangen bei der Aufstellung oder Änderung der Unternehmensstrategien, werden – wie bereits weiter oben beschrieben – mit der Umfeldanalyse sämtliche relevanten Veränderungen durch Chancen und Risiken ermittelt. Im strategischen Management werden über Methoden, wie der SWOT-Analyse, die Chancen und Risiken mit den Stärken und Schwächen in Form einer Unternehmensanalyse verglichen und in Strategiebestimmungen definiert. Im Rahmen dieser Bestimmungen werden die Alternativen analysiert und in sinnvolle Strategieoptionen verdichtet.164 Daraus ergeben sich die strategischen Programme, die ihre Realisierung im taktischen Management finden. Dieser Prozess wird vom Grundmodell des strategischen Managements (siehe Abbildung 59) komplett abgedeckt. 164

Vgl. SCHREYÖGG, G./ KOCH, J.: Grundlagen des Managements, 2007, S. 76.

142

Abbildung 59: Grundmodell strategisches Management Quelle: in Anlehnung an SCHREYÖGG, G./ KOCH, J.: Grundlagen des Managements, 2007, S. 75

Die strategischen Programme sind jedoch nur planerische Vorbereitungen. Aufgrund der Komplexität der vollständigen Planung erfolgt die Konkretisierung auf Basis eines Handlungsgerüsts. Demnach erfolgt als nächster Iterationsschritt die Realisierung im taktischen Management. Um den kompletten Aufgabenbereich des taktischen Managements zu erläutern, muss dieser definiert und die Relevanz für mittelständische Unternehmen aufgezeigt werden.

143

5.3.2

Definitionsansatz taktisches Management

Die Definition des taktischen Managements ist in der Wissenschaft nur rudimentär formuliert und in den letzten Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund geraten. Die taktische Planung als Teilbereich des Managements, lässt sich in der Unternehmensplanung zwischen der strategischen und operativen Planung ansiedeln.165 Diese Ebenen lassen sich in der typischen hierarchischen Struktur der Unternehmensführung abbilden (siehe Abbildung 60) und mit dem Management-Modell166 kombinieren. Abbildung 60: Hierarchische Struktur der Unternehmensebenen Quelle: in Anlehnung an MUGLER, J.: Betriebswirtschaftslehre der Klein-und Mittelbetriebe, 1995, S. 124

In der Literatur wird das taktische Management bzw. die taktische Planung meist als Bindeglied zwischen der strategischen und operativen Ebene bezeichnet. Zur Abgrenzung der drei Ebenen lassen sie sich nach den folgenden Merkmalen differenzieren:167 165 166 167

Vgl. GABLER, T.: Wirtschafts-Lexikon, 1997. Vgl. HUNGENBERG, H.: Strategisches Management in Unternehmen, 2004, S. 24. Vgl. MUGLER, J.: Betriebswirtschaftslehre der Klein-und Mittelbetriebe, 1995, S. 123.

144

- Differenziertheitsgrad: Wie differenziert werden die Pläne in Teilpläne aufgegliedert? - Detailierungsgrad: Wie stark erfolgt die Erfassung von Einzelheiten? - Präzision: Wie genau erfolgt die Verfeinerung der Informationen über die zu erfassenden Größen (Kennzahlen)? - Bezugszeitraum: Wie groß ist der Planungshorizont und die Prognosereichweite (z.B. 1 bis 5 Jahre)? - Strukturmängel: Wie erfolgt die Abgrenzung des Suchraums für zulässige Lösungen, um Strukturmängeln entgegen zu wirken. Tabelle 19: Kennzeichnung strategischer, taktischer und operativer Planung Quelle: BEA, F. X.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2005, S. 36

Merkmale

Differenziertheitsgrad

Detaillierungsgrad

Präzision

Bezugszeitraum

Strukturmängel

wenig differenziert (Gesamtplan)

globale Größen (Problemfelder)

grobe Informationen über Größen

langfristig

schlecht definierte Probleme

stark differenziert

detaillierte Größen (Detailprobleme)

feine Informationen über Größen

kurzfristig

wohldefinierte Probleme

Ebene der Planung strategisch

taktisch

operativ

145

Über diese Merkmale lässt sich die taktische Planung deutlich abgrenzen. Deren Planungsgegenstände168 sind u.a.: - Produktions- und Beschaffungsplanung - Absatzplanung - Forschungs- und Entwicklungsplanung (FuE) - Personalplanung - Investitions- und Finanzierungsplanung In der Studie des Projektes Frühwarnsystem wurden ausschließlich mittelständische Industrieunternehmen befragt. Aus diesem Grund bietet sich eine Herleitung aus dem taktischen Produktions-Management für den allgemeinen Definitionsansatz an: „Dieses beinhaltet die Konkretisierung der Strategien, wobei vor allem Entscheidungen über die Leistungsfelder, die anzuschaffenden Produktionspotenziale sowie über die Produktionsorganisation zu fällen sind.“169 Aus dieser Definition und der Differenzierung aus Tabelle 20 zeigt sich die Schnittstellenfunktion zum strategischen Management. Die Hauptaufgaben des taktischen Managements sind hierbei die Konkretisierung und daraus folgend die Entscheidungsfindung zur Umsetzung der Strategien. Daher wird folgende Arbeitsdefinition vorgeschlagen: Taktisches Management Taktisches Management fungiert als Bindeglied zwischen dem strategischen und operativen Management. Es umfasst alle Aktivitäten zur konkreten Strategieumsetzung und Entscheidungsführung in das operative Management. In diesem Prozess findet eine mittelfristige Detaillierung in der Planung, Steuerung und Kontrolle für die Realisierung der Strategie statt. Aus diesem Ansatz lassen sich der Bedarf und die notwendigen Maßnahmen über die Anpassungsfähigkeit mittelständischer Unternehmen ableiten.

168 169

Vgl. WÖHE, G.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2005, S. 101. Vgl. ZÄPFEL, G. : Taktisches Produktions-Management, 1989, S. 2.

146

5.3.3

Taktisches Management im Mittelstand

Aus den Experteninterviews und der Unternehmerbefragung ergaben sich folgende Eigenschaften mittelständischer Unternehmen170: - flache Hierarchien - Marktorientierung als Unternehmensgrundsatz - stabile Ressourcenbasis - wenig standardisierte Prozesse - bewegt sich in Nischen - zielorientierte Handlungen - Strategie besitzt einen hohen Stellenwert „Strategieplanung muss aus eigenen Köpfen kommen, nicht nur von Externen, sonst wird es nicht fortgeführt.“ Diese vorrangig positiven Eigenschaften beschreiben ein flexibles mittelständisches Unternehmen, welches aber ein kontinuierliches taktisches Management benötigt, um diese Eigenschaften beizubehalten. Dieser Zusammenhang spiegelt sich in dem Problem der Nischenpolitik wider (siehe Abbildung 61).

170

Diese Merkmale decken sich auch mit existierender Literatur. Vgl. THEILE, K.: Ganzheitliches Management: Ein Konzept für Klein- und Mittelunternehmen, 1996, S. 36ff.

147

Abbildung 61: Problem der Nischenpolitik Quelle: in Anlehnung an BÜHRENS, J.: Management im Mittelstand, 1997, S. 159

Zum einen wird die Alleinstellung durch Nischenprodukte gesichert, zum anderen besteht eine Gefahr in dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Wenn die Absätze durch z.B. Substitutionsgüter der Konkurrenz oder gesteigerte Qualitätsansprüche von Kunden stagnieren, entsteht ein Teufelskreis. Absatzeinbrüche müssen früh erkannt und noch viel mehr geeignete Maßnahmen geplant

148

und durchgeführt werden. Für die Lösung des Problems müssen folgende Bereiche Berücksichtigung finden:171 - Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für eine geeignete Produktdifferenzierung bzw. Diversifikation. - Findung geeigneter Strategien für den Marktein- und Marktausstieg der Produkte, besonders in ausländischen Märkten. - Ressourcenbereitstellung durch Mitarbeiter und Produktionskapazitäten für die erfolgreiche Umsetzung der Produktpolitik. Diese müssen jedoch frühzeitig eingeleitet werden. Aufgabe des taktischen Managements ist es hierbei, dieses Wirkungsgeflecht zu modellieren, zu bewerten und als Ergebnis entscheidende Maßnahmen einzuleiten. Bei einer ausreichenden Ausprägung wird in der mittelfristigen Umsetzung der Maßnahmen die Reaktionsfähigkeit verbessert und das Nischenproblem gelöst. Dieses Problem lässt sich im Transformationszyklus (siehe Abbildung 62) als Engpass verallgemeinern. Die Wirkung des taktischen Managements erfolgt bidirektional in Richtung des strategischen und operativen Managements und fördert die Implementierungsphase172, indem im operativen Management der Transformationszyklus durch Detaillierung in Teilpläne und die Überführung der Maßnahmen in die Ablauforganisation erfolgt. Dieser Prozess bestimmt einerseits die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens und andererseits die Agilität durch die Kommunikation mit der strategischen Ebene. Durch eine Abstimmung wird festgelegt, wie effizient das Unternehmen sich durch den Markt manövriert. Bei einer geringen Ausprägung verhält sich der Engpass bei steigender Marktdynamik immer stärker und führt zu häufigen Strategieanpassungen, die sich langsamer abarbeiten lassen. „Erfolgsfaktor ist letztendlich die Reaktionsfähigkeit.“

171 172

Vgl. BÜHRENS, J.: Management im Mittelstand, 1997, S. 158 ff. Vgl. BLEICHER, K. : Das Konzept integriertes Management, 2001, S. 436.

149

Abbildung 62: Transformationszyklus entlang der Management-Ebenen Quelle: Eigene Darstellung

Aus diesem Verhältnis lässt sich Folgendes zusammenfassen: Taktisches Management fördert die Reaktionsfähigkeit in der zeitnahen Umsetzung von Strategien gegenüber sich ändernden Umfeldbedingungen im operativen Management. Andererseits bestimmt die Agilität, in Abstimmung mit dem strategischen Management, den Erfolg der Umsetzung der Unternehmenssteuerung im Markt. Für die Instrumentalisierung des taktischen Managements und die Optimierung des Transformationszyklus werden jedoch Methoden und entscheidungsunterstützende Systeme benötigt, um dies nutzbringend dem Mittelstand bereit zu stellen.

150

5.4

Das Vitalitätskonzept im Vergleich zu Basel II und EFQM

5.4.1

Anforderungen bei der Unternehmensbewertung

In einem zunehmend komplexer werdenden Umfeld spielen neue Methoden der Unternehmensführung bzw. Unternehmensbewertung eine immer wichtigere Rolle. Dabei stellt die Bewertung von Unternehmen die Bewerter, aber auch die Unternehmer immer wieder vor eine komplizierte Aufgabe. Ein Bewertungssystem zu finden, welches unternehmensspezifische Merkmale berücksichtigt und dabei die meisten Betriebsbereiche einschließt, ist sehr schwierig. Im klassischen Sinne haben Unternehmensbewertungsmethoden die Aufgabe, einen Unternehmenswert173 zu ermitteln. Alternative Modelle zur Unternehmensbewertung bieten Teilbereiche von Managementkonzepten. Sie analysieren den Ist-Stand und versuchen Veränderungen abzuleiten, die zu einer Verbesserung und damit zum Betriebserfolg beitragen. Darüberhinaus fließen nicht nur so genannte „Hard Facts“, sondern auch „Soft Facts“ (qualitative Werte) in die Bewertung ein. 5.4.2

EFQM-Modell

Um TQM (Total Quality Management) geführte Unternehmen zu bewerten und ihnen einen Vergleich mit anderen Betrieben zu ermöglichen, wurde in Europa durch die EFQM (European Foundation for Quality Management), eine europäische Stiftung namhafter Industrieunternehmen, ein europäisches Referenzmodell, das EFQM-Modell entwickelt.174 Auf Basis dieses Modells wird der European Quality Award (EQA) verliehen, „eine Auszeichnung für Unternehmen, die nachweisen können, dass ihr Vorgehen zur Verwirklichung von TQM über eine Reihe von Jahren einen beträchtlichen Beitrag zur Erfüllung der Erwartungen von Kunden, Mitarbeitern und anderen geleistet hat“.175 Die Grundlage des EFQM-Modells bildet folgende These: Ein Unternehmen kann nur dann am Markt bestehen, wenn es in der Lage ist, Qualitätssteigerungen bei gleichzeitiger Zeitreduzierung und Kosteneinsparung durchzuführen. Es kann also nur dann auf Dauer erfolgreich sein, wenn es gleichzeitig besser, schneller und schlanker wird (Abbildung 63).176 173

174 175 176

Der Unternehmenswert ist der Betrag, den ein Käufer unter Berücksichtigung des Wertes vergleichbarer Unternehmen, künftiger Ertragserwartungen oder der Substanz der Vermögensgegenstände zu zahlen bereit ist. In Zusammenarbeit mit der EU-Kommission und der European Organization for Quality (EOQ). Vgl. WILMES, D./RADTKE, P.: Das Modell für (Business-) Excellence durch TQM, 2000, S. 16. MEHDORN, H./ TÖPFER, A.:TQM – Lean – Kaizen: Der Weg zum Unternehmenserfolg, 1994, S. 5.

151

Abbildung 63: Unternehmensanforderungen Quelle: Eigene Darstellung

Qualität Besser

Zeit

Kosten

Schneller

Schlanker

Dabei dient das EFQM-Modell als Grundlage der Bewertung eines Unternehmens in Richtung „Excellence177“. Es wird festgestellt, in welchem Stadium sich das Unternehmen auf dem Weg zu überdurchschnittlichen Leistungen beim Managen einer Organisation und Erzielen ihrer Ergebnisse befindet. Dabei ist das Modell vielseitig anwendbar, z. B. bei der Durchführung einer Selbstbewertung oder als Hilfe beim Erstellen eines Benchmarks. Das EFQM-Modell baut auf dem TQMGedanken eines umfassenden Qualitätsmanagements auf und möchte zu einer nachhaltigen Excellence führen. Die EFQM hat auf der Grundlage des „Deming Kreislaufes“ das abgebildete Modell entwickelt (Abbildung 64):

177

Excellence hängt davon ab, dass man die Interessen aller relevanten Interessengruppen in ein ausgewogenes Verhältnis bringt (dazu gehören Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und die Gesellschaft im Allgemeinen sowie diejenigen, die ein finanzielles Interesse an der Organisation haben). Excellence kann in diesem Zusammenhang als Unternehmensqualität verstanden werden.

152

Abbildung 64: Das EFQM-Excellence-Modell Quelle: in Anlehnung an EFQM: Excellence einführen, 2003, S. 5

Befähiger (50%)

Ergebnisse (50%) Mitarbeiterbezogene Ergebnisse (9%)

Mitarbeiter (9%)

Führung (10%)

Politik & Strategie (8%) Partnerschaften & Ressourcen (9%)

Prozesse (14%)

Kundenbezogene Ergebnisse (20%)

Schlüsselergebnisse (15%)

Gesellschaftsbezogene Ergebnisse (6%)

Innovation und Lernen

Das Modell beinhaltet neun Hauptkriterien, welche in Befähiger und Ergebnisse eingeteilt wurden. Befähiger sind dabei die „Stellhebel“, mit denen ein Unternehmen das eigene Handeln gestaltet. Die Ergebnisse sind die daraus entstehenden Resultate aus diesen Handlungen. Die Pfeile sollen die Dynamik des Modells sichtbar machen, denn durch Innovation und Lernen der Befähiger können die Ergebnisse beeinflusst werden.178 Diese Einteilung spiegelt auch gleichzeitig die grundlegende Erkenntnis des Modells wider. Demnach reicht es nicht aus, Ergebnisse zu managen, sondern es ist ebenso erforderlich, die Vorgehensweise mit einzubeziehen, denn die Ergebnisse allein liefern immer nur Informationen aus voraus gegangenen Handlungen, also in der Vergangenheit liegenden Ereignissen. Die Hauptkriterien sind nochmals mit Unterkriterien untersetzt, die ein Raster bilden, welches eine Art Leitfaden für die Umsetzung von TQM darstellt. Sie geben Unternehmen eine Handlungsanleitung und sind zugleich Checkpunkte für die Umsetzung.179 Hauptziel bei der Verwendung des EFQM-Modells ist eine einheitliche Richtlinie zur Umsetzung von TQM in Europa, um die Stellung der europäischen Industrie 178 179

Vgl. GRUND, H.: Das EFQM Excellence Modell, 2008, S. 8. Vgl. o.V.: EFQM – European Foundation for Quality Management, 2008, URL: http://www.4managers.de/themen/efqm-european-foundation-for-quality-management/ (Stand: 22.04.2009).

153

im weltweiten Wettbewerb zu festigen und auszubauen. Durch den Einsatz des EFQM-Modells soll die Entwicklung, Implementierung, Überprüfung und Verbesserung von Qualitätssystemen in allen Phasen der Betriebsabläufe sichergestellt werden. Das EFQM-Modell liefert dazu Hilfestellungen, indem es auf der einen Seite einen Orientierungsrahmen darstellt, an dem die Unternehmen ihre individuelle Vorgehensweise anlehnen können und zum anderen wird den Mitarbeitern eine inhaltliche Orientierung angeboten. Es kann zwar nicht alle Aspekte einer Unternehmensführung und -bewertung abdecken, dennoch hilft es Unternehmen, aktuelle Entwicklungen, aber auch einige fundamentale Prinzipien in ihre Überlegungen zu integrieren. Das EFQM-Modell setzt dabei bestimmte thematische Schwerpunkte, wie die Ausrichtung auf den Kunden, die Mitarbeiter sowie die kontinuierliche Verbesserung durch Transparenz von Schwächen. Durch eine regelmäßige Selbstbewertung und die damit verbundene Integration der strategischen Entscheidungsträger, das kritische Hinterfragen bisheriger Vorgehensweisen und deren Umsetzung, ergeben sich fast zwangsläufig systematische Veränderungen von Vorgehensweisen, Umsetzungsstrategien und Ergebnissen. Auch ermöglicht es einen Vergleich mit anderen Unternehmen und ist als eine langfristige Unternehmensphilosophie zu verstehen.180 5.4.3

Ratingsysteme nach Basel II

Der überwiegende Teil aller Unternehmen ist, wenn auch vermutlich unbewusst, mit den für Banken geltenden Eigenkapitalvorschriften181, auch unter dem Begriff Basel II bekannt, in Berührung gekommen. Die Vorschriften gelten zwar für Banken182, haben aber direkte Auswirkungen auf jegliche Unternehmen, die ein Debitorengeschäftsverhältnis mit ihrer Bank unterhalten. Demnach müssen Kreditinstitute eine fundierte Risikoanalyse ihrer Kreditnehmer erstellen, die sich nicht mehr nur auf vergangenheitsorientierte Ertrags- und Finanzzahlen beschränkt, sondern auch eine zukunftsorientierte Beurteilung der Risiken des Unternehmens verlangt. Bei einem Rating wird durch ein Benotungssystem verschiedener qualitativer und quantitativer Indikatoren eine Risikokennzahl ermittelt. Diese soll es ermöglichen, unterschiedliche Schuldner oder Finanztitel in verschiedene Risikoklassen einzuordnen. Die Risikoklassen spiegeln dabei die Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen wider. Rating beschäftigt sich dabei mit Chancen und Risiken, die 180 181 182

Vgl. ZINK, K.: TQM als integratives Managementkonzept, 2004, S. 398ff. Wenn die Eigenkapitalvereinbarung gesetzlich implementiert ist, wird sie zur Eigenkapitalvorschrift. Durch den umgangssprachlichen Gebrauch verwenden auch die Autoren den Begriff Bank. Er ist in dieser Arbeit mit dem Begriff Kreditinstitut gleich zu setzen.

154

zur Entstehung oder Verhinderung von Unternehmenskrisen führen können. Dabei wird sowohl das Ergebnis der Beurteilung als auch das Verfahren an sich als Rating bezeichnet.183 Jeder Bewertung durch die Bank sollte eine Selbstbewertung durch das Unternehmen vorausgehen. Dies bietet zwei große Vorteile, zum einen kann man sich mit allen relevanten Daten des eigenen Unternehmens vertraut machen und zum anderen festgestellte Schwächen abstellen, was wiederum zu einer besseren Bewertung durch die Bank führen kann. Bei den durchgeführten Ratings der Banken kommen sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien zum Einsatz (Abbildung 65). Obwohl hierbei jede Bank die Kriterien frei bestimmen kann, hat sich ein Kern an ähnlichen Kriterien gebildet, die mittels empirisch-induktiver Verfahren ermittelt wurden. Sie sollen in der Lage sein, die Gruppe der insolventen von der Gruppe der solventen Unternehmen bestmöglich zu trennen.184

183

184

Vgl. SCHNECK, O./ MORGENTHALER, P./ YESILHARK, M.: Rating, Wie Sie sich effizient auf Basel II vorbereiten, 2003, S. 23. Vgl. KUHN, N.: Kreditgenossenschaften und Basel II: Die Sicht der Evolutorischen Ökonomik, 2006, S. 28.

155

Abbildung 65: Kernkriterien eines Bankenratings Quelle: in Anlehnung an SCHNECK, O./ MORGENTHALER, P./ YESILHARK, M.: Rating, Wie Sie sich effizient auf Basel II vorbereiten, 2003, S. 92

Einflussgrößen auf ein Ratingurteil

Quantitative Kriterien

Vermögenslage

Qualitative Kriterien

Ertragslage

Branchen-, Produktund Umfeldanalyse

Finanzlage

Management und Strategie

Planungsqualität Risikoabsicherung

Organisation und Prozesse Planung und Steuerung Absatzmarktrisiken und Beschaffungsmarktrisiken

Auf Grundlage von Jahresabschlussanalysen und Einschätzungen hinsichtlich qualitativer Aspekte wird die zusammenfassende Bewertung aller Kriterien vorgenommen, die das Rating-Ergebnis determinieren. Dabei erfolgt die Beurteilung der quantitativen Kriterien im Regelfall zu Durchschnittswerten der relevanten Branche oder einer genau definierten Vergleichsgruppe von Unternehmen. Die qualitativen Kriterien werden durch Fragebögen bewertet.185 Das Ratingsystem nach Basel II als Instrument der Banken zur Kreditentscheidungsfindung betrifft eine große Anzahl von mittelständischen Unternehmen. In aller Regel gilt: Ohne Rating keine Kreditvergabe durch eine Bank. Das Hauptziel des Systems aus Unternehmenssicht ist daher, die wirtschaftliche Situation sowie die Zukunftsaussichten des Unternehmens in komprimierter Form an potenzielle Gläubiger weiterzugeben. Dies spielt natürlich nur dann eine Rolle, wenn ein Unternehmen z.B. aufgrund der Eigenkapitalstruktur auf eine Finanzierung 185

Vgl. FÜSER, K./ HEIDUSCH, M.: Rating-Einfach und schnell zur guten Positionierung ihre Unternehmens, 2002, S. 58.

156

durch Fremdkapital angewiesen ist oder es aus strategischen Gründen eine Fremdfinanzierung in Betracht zieht. Zwei Hauptnutzen sind beim Rating zu identifizieren: Zum einen, dass ein gutes Rating auch bessere Finanzierungskonditionen mit sich bringt und zum anderen, dass insbesondere die Ergebnisse eines durch ein Unternehmen selbst durchgeführtes Rating Stärken und Schwächen aufzeigen und somit Verbesserungsansätze liefern kann. Wird das Ratingverfahren nur flüchtig betrachtet, dann erscheint das als eine neue, zusätzliche Belastung, insbesondere für den Mittelstand. Hoher zeitlicher Aufwand, entstehende Gebühren und Durchführungskosten sowie der bürokratische Aufwand sind nur einige Punkte. Demgegenüber stehen jedoch verbesserte Führungs-, Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten für Unternehmen und natürlich die langfristige Sicherung der Bankenkreditengagements.186 5.4.4

Zusammenfassung

Das EFQM-Modell verfolgt vorrangig die Implementierung von TQM im Unternehmensbereich. Das Ratingkonzept nach Basel II dient als Instrument bei einer Kreditentscheidung. Beide sind von Außen auferlegte Systeme, bei denen Unternehmer einem mehr oder weniger starken Zwang zur Anwendung unterliegen. Der Nutzen der Systeme für die Unternehmen wurde nicht ausreichend kommuniziert und damit von den Unternehmern nicht erkannt. Auch wurde bei der Einführung der Systeme verpasst, den klaren Nutzen bei einer freiwilligen Anwendung herauszustellen. Damit entstand insbesondere im Mittelstand die Meinung, dass es sich nur um zusätzliche Belastung ohne klaren Vorteil handelt. Es wurde zum großen Teil nicht erkannt, dass auch diese Systeme einen Steuerungsnutzen für das Unternehmen mit sich bringen können. Dennoch zwingen beide Instrumente einen festen Fragebogenkatalog auf, sodass die Anpassbarkeit an die individuelle Unternehmenssituation leidet. Das Vitalitätskonzept nimmt eine Sonderstellung ein, da es vornehmlich für den Unternehmer als eine Art Assistent fungiert. Es soll Chancen und Risiken aufzeigen, stellt aber dem Nutzer die Anwendung als auch die Ergebnisverwertung frei. Damit soll die Akzeptanz bei der Anwendung erhöht werden. Darüber hinaus wird kein verallgemeinerndes Bewertungskonzept übergestülpt, sondern das eigene Unternehmen mit seinen individuellen Stärken und Schwächen abgebildet, womit eine treffsicherere Bewertung und Handlungsableitung angestrebt wird.

186

Vgl. MÜLLER, C.: Rating(agenturen) für den Mittelstand: Chance oder Ärgernis?, 2001, S. 23.

157

6

Zusammenfassung und Ausblick

6.1

Zusammenfassung

Insbesondere im deutschen Mittelstand sind Frühwarnsysteme nicht weit verbreitet, im Regelfall werden hierfür das Argument des hohen Betreibungsaufwandes sowie der Kompliziertheit eines strategischen Managements angeführt. Genau hier will die vorliegende Arbeit mit ihrem Konzept Abhilfe schaffen. Mit einem einfachen, anwenderbezogenen Modell soll den Unternehmern eine Bewertung ermöglicht werden, um mögliche Verbesserungspotenziale des eigenen Unternehmens zu bestimmen. Das 10-D-Modell gliedert sich in zehn Vitalitätsdimensionen (Überbegriffe). Diese wurden nochmals durch Faktoren (Kategorien) unterlegt, die sich wiederum aus einzelnen Kriterien zusammensetzen. Indikatoren sollen die Ausprägung der jeweiligen Ebenen ermitteln, wobei die Bewertung der untersten Ebene (Kriterien) die genauesten Aussagen liefern kann. Damit soll ermöglicht werden, ein Unternehmen einerseits zu bewerten und anderseits Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Risiken zu erkennen. Die Erstellung eines umfassenden Unternehmensprofils unter Einbeziehung von quantitativen und qualitativen Faktoren ist dazu erforderlich. Anhand dessen können Ursache-Wirkungs-Beziehungen und die Interaktion innerhalb und außerhalb eines Unternehmens analysiert werden. Dazu ist es notwendig, dass eine kritische Selbstbewertung durch den Anwender durchgeführt wird, denn nur auf dieser Basis ist eine möglichst reale Darstellung des Unternehmens möglich. Der Vitalitätsstatus, bestehend aus den bewerteten Dimensionen soll den Unternehmensstatus in Bezug auf die Erfolgsfaktoren, und damit Stärken und Schwächen, aufzeigen. Darüber hinaus soll anhand der Einschätzung der einzelnen Ebenen eine Auswertung des 10-D-Modells, in Form eines Feedbacks durch Handlungsanleitungen erfolgen, um die einzelnen Bereiche entsprechend zu bearbeiten. Die Qualität von unternehmerischen Entscheidungen hängt im Wesentlichen von der Qualität der zur Verfügung stehenden Informationen ab. Dadurch bedarf es der Fähigkeit, relevante Informationen zu beschaffen und optimal aufzuarbeiten. Erfolgreiche Unternehmer weisen gerade diese Fähigkeit auf und können sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Das Vitalitätskonzept zielt genau auf diese Informationsbeschaffung ab. Über die Integration der eigenen Erlebnisse zur Entscheidungsunterstützung soll der Unternehmer rechtzeitig auf Chancen und Risiken reagieren können. Dadurch sollen subjektive „Bauchentscheidungen“ durch objektivere Entscheidungsgrundlagen abgesichert werden.

158

6.2 Ausblick: Vision Software Die Entwicklung einer Softwareanwendung für das taktische Management muss in Form einer integrativen Lösung187 geschehen. Diese muss sich nicht nur als Bindeglied in der Organisation des Unternehmens, sondern auch in die derzeitige ITLandschaft eingliedern können. Aus Studien über die Ausstattung der IT im Mittelstand188 wird ersichtlich, dass besonders der Bereich von Business IntelligenceAnwendungen, die für die bessere Entscheidungsfindung im Top-Management verantwortlich sind, nur rudimentär ausgeprägt ist. Diese erlauben u.a. die Erstellung von Kennzahlensystemen, Abweichungsanalysen, Balanced Scorecards und Simulationen mit den Datenbeständen aus den operativen Systemen.189 Aus diesem Grund sollten besonders IT-Systeme für das Top-Management nicht nur isolierte Anwendung finden, sondern das Potenzial in den Daten des Unternehmens nutzen. Dies geschieht durch das Data-Warehouse-Konzept (siehe Abbildung 66), in dem die operativen Daten für taktische und strategische Vorhaben zusammengefasst werden. Abbildung 66: Data-Warehouse-Konzept Quelle: in Anlehnung an STAHLKNECHT/HASENKAMP, U.: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 2005, S. 387

187 188 189

Vgl. BEINHAUER, W./HERR, M./SCHMIDT,A.: SOA für agile Unternehmen, 2008, S. 275ff. Siehe Anlage 3 im Anhang. „Operative Systeme unterstützten die operativen Funktionen wie Abrechnung, Verwaltung und Disposition.“ STAHLKNECHT, P./ HASENKAMP, U.: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 2005, S. 326.

159

Die Fülle an Daten im Mittelstand wird an der zunehmenden Ausbreitung von Customer-Relationship-Management (CRM)-Systemen190 und E-Procurement191 in fast der Hälfte aller mittelständischen Unternehmen ersichtlich. Aus diesen Systemen lassen sich im Data-Warehouse-Konzept Kennzahlen wie die Kundenzufriedenheit, Reklamationsquote, optimale Bestellmenge, Kosten je Bestellvorgang oder die Verzugsquote ermitteln. Diese können in Management-SupportSystemen einfach integriert und aufbereitet werden. Aus dem Projekt Frühwarnsystem wurde ein Referenzmodell entwickelt, das die Umwelt- und Unternehmensanalyse anhand von Erfolgsfaktoren vereint. Ein besonderes Merkmal des Modells liegt im unbegrenzten Detaillierungsgrad, indem Strategien durch ihr Wirkungsgeflecht analysiert werden können und damit zu taktischen Entscheidungen befähigen. Als IT-System für das Unternehmen würde es als Entscheidungsunterstützungssystem (EUS) eingesetzt werden. Ziel ist es, die Strategien zu detaillieren und Bauchdenken kontinuierlich zu konkretisieren sowie andererseits die durchgeführten Maßnahmen des operativen Managements zu kontrollieren und in die Unternehmensanalyse einfließen zu lassen. Allgemein lässt sich die Funktion von der Definition des MASSACHUSETTS INSTI(MIT) in Anlehnung der englischen Übersetzung von Decision Support Systems verdeutlichen: „Decision Support Systems (DSS) represent a point of view on the role of the computer in the management decision making process. Decision support implies the use of computers to: TUTE OF TECHNOLOGY

1. Assist managers in their decision processes in semistructured tasks. 2. Support, rather than replace, managerial judgement 3. Improve the effectiveness of decision-making rather its efficiency.”192 Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass die Anwendung als Werkzeug193 dienen soll und nicht die Entscheidungen vom System gefällt werden. Daraus wird die Effektivität des Entscheidungsprozesses verbessert und damit die verbesserte Konkretisierung des Bauchdenkens.

190

191

192 193

„CRM-Systeme unterstützen die Koordination kundenorientierter Prozesse in Marketing, Verkauf und Service und sind auf die Kundenzufriedenheit optimiert. Es umfasst Komponenten wie die Verwaltung schwebender Aufträge, Versandwegverfolgung, Callcenterunterstützung und Kundendienst, Reklamationsbearbeitung.“ STAHLKNECHT/HASENKAMP, U.: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 2005, S. 352. „Unter E-Procurement wird die routinemäßige computergestützte Beschaffung, vor allem von C-Artikeln verstanden.“ a. a. O., 2005, S. 366. KEEN, P./ MORTON, M. : Decision support systems:an organizational perspective, 1978, S. 1. GUTHUNZ, U.: Informationssysteme für das strategische Management,1994, S. 29.

160

Abbildung 67: Typen von Führungssystemen und deren Einordnung Quelle: in Anlehnung an STAHLKNECHT, P./HASENKAMP, U.: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 2005, S. 383

Um möglichst alle Prozesse des taktischen Managements zu betrachten, empfehlen sich folgende betriebswirtschaftlichen Mindestanforderungen und Funktionen für zukünftige taktische Führungsinstrumente: - Freie Modellierung: Für die Erschaffung eines Unternehmensmodells muss das System freie Möglichkeiten der Modellierung bieten. Es müssen strategische Konzepte wie das 10-D-Modell aus dem Forschungsprojekt Frühwarnsystem oder Balanced Scorecards umsetzbar sein. Dabei darf es keine Einschränkungen in der Detaillierung oder Grenzen beim Einpflegen von Kennzahlen bzw. Fragestellungen geben. - Unternehmensbewertung: Aufbauend auf dem erstellten Unternehmensmodell müssen Methoden für die interne Unternehmensbewertung existieren. Bei der Umfeldanalyse sollten nicht nur das Einpflegen signifikanter Ereignisse durch den Nutzer, sondern auch deren Analyse möglich sein. Ziel ist es, die Auswirkungen der Strategie in einem Wirkungsgeflecht zu veranschaulichen und für die Verknüpfung zum operativen Management eine Messbarkeit zu schaffen. - Reporting und Trendbewertung: Für die Messbarkeit der Effektivität von Entscheidungen müssen Veränderungen und Bewertungen nachvollziehbar dokumentiert sein. Daraus muss sich eine kontinuierliche Kontrolle und Steuerung ermöglichen. Dies kann durch Controllinginstrumente wie Reports, Trendbewertungen oder Abweichungsanalysen erfolgen und in Form von Diagrammen visualisiert werden.

161

- Handlungsempfehlungen: Eine allgemeine Eigenschaft von entscheidungsunterstützenden Systemen ist es, aufbauend auf den Kausalketten geeignete Handlungsempfehlungen auszugeben. Dies kann durch die Kombination von Expertensystemen effizient umgesetzt werden. Zusatzanforderungen: - Referenzmodelle: Aus dem Projekt FWS wurde bereits ein Referenzmodell von erfolgreichen mittelständischen Industrieunternehmen geschaffen. Weitere Unternehmensmodelle erlauben die Untersuchung von Gemeinsamkeiten in Region, Branche oder Geschäftsmodell. - Vernetzung: Heutige IT-Infrastrukturen müssen eine hohe Interoperabilität194 zwischen den Anwendungen aufweisen. Technologien, wie die SOAArchitektur195 erlauben die Kopplung von IT-Anwendungen und das automatische Einpflegen von Kennzahlen direkt in das taktische Führungsinstrument und bilden somit das operative Unternehmensgeschehen ab. Dadurch entsteht eine bessere Kontroll- und Steuerungsfunktion, indem der Aufwand für manuelle Eingaben vermindert wird. - Benchmarking: Durch das Unternehmensmodell wird eine detaillierte Unternehmensbewertung ermöglicht. Darauf aufbauend können selbst oder durch unabhängige Benchmark-Institute Schwachstellen aufgezeigt und ggf. Prozessoptimierungen durchgeführt werden. Aus dieser Zusammenstellung lassen sich taktische Führungsinstrumente als eigenständige Anwendung nutzen und bei gegebener Ausstattung der IT im Unternehmen adaptiv einfach integrieren und mit operativen Anwendungen kommunizieren. Bei der Einführung eines solchen Führungsinstrumentes ist auch ersichtlich, welchen Einfluss taktische Maßnahmen auf die Evolution des Unternehmens haben und liefern somit Erkenntnisse für weitere Forschungen. Das Forschungsprojekt verfolgt das Ziel, die gewonnenen Erkenntnisse direkt in eine Software einfließen zu lassen. Das Anliegen liegt im Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Praxis des Mittelstandes, wie im Transfer der Erfahrungen von mittelständischen Unternehmen in den Wissenschaftsbetrieb. Ein Anschlussprojekt ab 2009 soll die Entwicklung einer online-basierten Softwarelösung 194

195

„Interoperabilität schafft die Verwendbarkeit von Anwendungen in heterogenen Rechennetzen zu verbessern, indem offene Schnittstellen für den Datentransfer geschaffen werden.“ STAHLKNECHT/HASENKAMP: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 2005, S. 76. In einer SOA-Architektur werden Anwendungen als Dienste verwendet, die stark auf die Geschäftsprozesse ausgerichtet sind. Dabei können Anwendungen so abgestimmt werden, dass sie die Produktivität des Prozesses verbessern. Die Architektur erlaubt über den Einsatz von Middleware, die bessere Kommunikation zwischen Anwendungen. Die Architektur erlaubt die bessere Kommunikation zwischen Anwendungen durch den Einsatz von Middleware.

162

verfolgen, um das vorgestellte Konzept für Unternehmer handhabbar umzusetzen. Die Herangehensweise beginnt mit der Integration des Referenzmodells als Basismodell für den Unternehmer, auf deren Grundlage Simulationen durchgeführt werden können. Dennoch ist das Basismodell keine statische Lösung, sondern kann nach Belieben geändert werden, um die Individualität des Unternehmens abzubilden. Anpassungen am Basismodell fördern die Vertrautheit und Genauigkeit des Ergebnisses. Durch die ausgeführten Simulationen wird ein Vitalitätsstatus ausgegeben, der den Unternehmer auf mögliche Chancen oder Risiken hinweist und dazu motiviert, tiefer zu forschen und damit Bauchentscheidungen zu konkretisieren. Simulationen können dabei in zweierlei Weise durchgeführt werden: - Generierung eines Fragebogens: Aus dem Modell des Unternehmens wird ein Fragebogen generiert, der den Nutzer durch eine automatische Wegführung an mögliche Chancen bzw. Risiken heranführt. Die Anwendung soll die Ergebnisse auswerten, um die spezifischen Fragen individuell auszuwählen. - Interaktive Bewertung des angepassten Basismodells (Erlebnisverarbeitung): Eine schnellere Durchführung der Simulation bietet die interaktive Bewertung des Unternehmensmodells. Dabei wird das Modell ähnlich des BEKGraphen (vgl. Abbildung 53: Graphendarstellung) angezeigt und die Kriterien können direkt bewertet werden. Dies ermöglicht eine höhere Übersichtlichkeit und der Nutzer kann selbst entscheiden, welcher Weg genutzt wird. Zur Auswertung wird jedes bewertete Kriterium aufgezeichnet und für den Vitalitätsstatus herangezogen. Beide Herangehensweisen lassen sich auch kombinieren, wobei der Vitalitätsstatus jederzeit ausgegeben werden kann. Für die Bearbeitung des Basismodells und Auswertung der Simulation sind folgende Softwarekomponenten angedacht: - Aufbau des Systems und Handlungsglossars: Wenn der Nutzer Anpassungen am Basismodell durchführen möchte, wird ihm die Freiheit gegeben, eigene Kriterien zu erstellen und zu verbinden. Zusätzlich kann aber auch aus vordefinierten Softwarebausteinen ausgewählt werden, die zum Beispiel schon bestimmte Kennzahlen enthalten. Für die Simulationen wird ein Handlungsglossar angeboten, welcher anhand der Bewertungen spezifische Empfehlungen ausgibt, die im Unternehmen umgesetzt werden können. - Reporting und Trendauswertung: Der Anwender soll sich nicht nur abgeschlossene Simulationen jederzeit anzeigen lassen, sondern diese auch untereinander vergleichen können. Über die Zeit werden stets unternehmensrelevante Entscheidungen getroffen und simuliert. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Trendauswertung zu starten, bei der aufgezeigt wird, wie sich das Unternehmensmodell entwickelt hat. So kann speziell auf die Evolution des Unternehmens eingegangen werden.

163

- Dokumentation: Für die taktische Ausrichtung ist es von Bedeutung, dass nicht nur das Unternehmensmodell abgespeichert wird, sondern auch sämtliche Entscheidungen und Überlegungen. Das System soll den Anwender bei diesen Vorhaben unterstützen und aufzeigen, zu welchen Zeitpunkten bestimmte Änderungen und Ereignisse in der Anwendung stattgefunden haben. - Benchmarking: Durch die Verfolgung einer onlinebasierten Anwendung wird es dem Nutzer möglich sein, sich mit anderen Unternehmen zu vergleichen. Daraus wird ersichtlich, wie andere Modelle von Unternehmen aus verschiedensten Branchen und Regionen aufgebaut sind und wie sie bewertet wurden. Es wird gezielt darauf geachtet, dass diese Daten nur mit Zustimmung in anonymisierter Form herausgegeben werden und durch ein speziell entwickeltes Sicherheitskonzept mittels neuster Technologien geschützt werden. Durch diese einzelnen Komponenten wird ein umfangreiches Unternehmenswerkzeug geboten, um den Unternehmer bei seiner taktischen Führung zu unterstützen. Die Software wird voraussichtlich 2011 vollendet und für erste Unternehmenseinsätze bereitgestellt. Abbildung 68: Aufbau der Software Quelle: Eigene Darstellung

164

6.3

Ausblick: Kundenbedarf

Ausgehend von den Impulsen des Dresdner Industrierates und den Ergebnissen der Experten- und Unternehmerbefragung, sieht das Projekt FWS ausreichend Bedarfsindikatoren um das Projekt einer vertieften Marktanalyse zu unterziehen. Dadurch soll eine deutschlandweite Einführung und Vermarktung der onlinebasierten Steuerungssoftware abgesichert werden. Zentraler Bestandteil der Studie ist eine repräsentative Befragung mittelständischer Unternehmen in Deutschland, mit max. 250 Mitarbeitern und weniger als 50 Millionen € Jahresumsatz. Der Fokus liegt hierbei auf Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, die in der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes mit dem Abschnitt D überschrieben sind. Durch die gezielte Befragung der Unternehmen im anvisierten Markt werden die bisher im Dresdner Referenzmodell erzielten Erkenntnisse auf deutschlandweite Umsetzbarkeit und Akzeptanz untersucht. Gleichwohl lassen sich hier auch mögliche regionale oder branchenspezifische Unterschiede erkennen, welche in der regionalen Studie (Dresden) nicht auffällig waren. Aus den Erkenntnissen der Befragung sollen weitere Pilotkunden in Deutschland gewonnen werden, welche als Initialkunden für die Bearbeitung des Marktes und der Darstellung der Umsetzbarkeit des Produktes dienen. „Ein erfolgreicher Unternehmer ist immer auch ein lernender Unternehmer.“

165

Literaturverzeichnis AUFENANGER, S. (1991): Qualitative Analyse semi-struktureller Interviews: Ein Werkstattbericht; In: Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analysen, S. 35-59 BAUM, H.-G. / COENENBERG, A. G. / GÜNTHER, T. (2004): Strategisches Controlling, 3. Auflage BEA, F. X. (2005): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 2: Führung, 9. Auflage BEINHAUER, W./ HERR, M./ SCHMIDT, A. (2008): SOA für agile Unternehmen, 1. Auflage BEREKOVEN, L./ ECKERT, W./ ELLENRIEDER, P. (2001): Marktforschung – Methodische Grundlagen und praktische Anwendungen BERGAUER, A. (2001): Erfolgreiches Krisenmanagement in der Unternehmung BLEICHER, K.(2001): Das Konzept integriertes Management, 6. Auflage, BORTZ, J./DÖRING, N. (2006): Forschungsmethoden und Evaluation für Humanund Sozialwissenschaftler BÜHRENS, J. (1997): Management im Mittelstand, 1.Auflage BUNDESVERBAND DEUTSCHER UNTERNEHMENSBERATER (BDU) E.V. (2005): Frühwarnindikatoren für den Mittelstand CASPAR, F. M. /GRAWE K. (1982): Vertikale Verhaltensanalyse -VVA-. Analyse des Interaktionsverhaltens als Grundlage der Problemanalyse und Therapieplanung, Psychologisches Institut (Bern, Univ.). Forschungsberichte; 5/1982 DASCHMANN, H.-A. (1984): Erfolgsfaktoren mittelständischer Unternehmen

166

DIEMERS, D. (O.J.): Dr.Oec.HSG, CEMS MIM Consultant im Bereich FSI http://www.ifj.ch/dt/getFAQ.asp?experten_id=00002026&themenkreis=Fr %FChwarnsysteme&experte=Daniel+Diemers%2C+Dr.Oec.HSG%2C+CEMS+MIM&the ma=1401&emailexperte=daniel%40diemers.net&geschlecht=m&explng=d t, DÖNNI, B. / RYFFEL, F. (2000): Bilanz immaterieller Güter; In: Manager Bilanz Ausgabe I. Bilanz-Beilage Januar 2000 EFQM (2003): Excellence Einführen EGGERS, B. / EICKHOFF, M. (1996): Instrumente des Strategischen Controlling – Notwendigkeit, Ziele, Problemfelder; ECKSTEIN, P.P. (1998): Repetitorium Statistik EMMRICH, V. (2003): Risikomanagement zwischen Krisenfrüherkennung und Unternehmensrating, http://www.krisennavigator.de/Risikomanagementzwischen-Krisenfrueherkennung-und- Unternehmensrating.299.0. html, FIEGE, S. (2006): Risikomanagement- und Überwachungssystem nach KonTraG FLANAGAN, J. C. (1954): The critical incident technique; In: Psychological Bulletin 51 FRIEBERTSHÄUSER, B. (2003): Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft FÜSER, K. / HEIDUSCH, M. (2002): Rating – Einfach und schnell zur guten Positionierung Ihres Unternehmens GABLER, T. (1997): GABLER Wirtschafts-Lexikon, 14. Auflage GÄLWEILER, A. (1990): Strategische Unternehmensführung, 2. Auflage GEIßLER, J. (1995): Frühaufklärungssysteme, Instrumente zur frühzeitigen Wahrnehmung von Chancen und Risiken im Unternehmen, Dissertation, GIEGRICH, J. (1995): Die Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen, in: Schmidt, M., Schorb, A. (Hrsg.): Stoffstromanalysen in Ökobilanzen und Öko-Audits

167

GIESEN, C. (2004): Das „Risiko Kunde“ begrenzen- Kreditversicherung begleitet Unternehmen im Export, Pressemitteilung der Firma Allg. Kreditversicherung Coface AG vom 10.12.2004, URL: www.openpr.de/news/38295/DasRisiko-Kunde-begrenzen-Kreditversicherung-begleitet-Unternehmen-imExport-Messe-export21.html GUTHUNZ, U. (1994): Informationssysteme für das strategische Management, 1. Auflage HEINEN, E. (1992): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 9. Auflage, 1992 HOFMANN, M. (2007): Unternehmensstrategie – Vorfahrt für Strategen; In: ProFirma, Vol. 10, Heft 04/2007 HOTZ, U./ SCHULZE, T. (2006): Simulationsbasierte Frühwarnsysteme – Definition, Anforderungen, Architektur, Vortrag in: Simulation and Visualization HUBNER, H./ JAHNES, S. (1998): Management-Technologie als strategischer Erfolgsfaktor HUNGENBERG, H. (2004): Strategisches Management in Unternehmen, 3. Auflage JÄGER, R. (2007): Der „Tag der Wahrheit“ und seine Folgen – Erfolgreiches Führen in der Krise erfordert konsequentes Handeln; In: Betriebswirtschaftliche Blätter JUNGERMANN, H./PFISTER, H.-R./FISCHER, K. (2005): Die Psychologie der Entscheidung. Eine Einführung, 2. Auflage KEEN, P./ MORTON, M. (1978): Decision support systems: an organizational perspective KEITSCH, D. (2007): Risikomanagement, Band 3 KRYSTEK, U./ MOLDENHAUER, R. (2007): Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement KUHN, N. (2006): Kreditgenossenschaften und Basel II: Die Sicht der Evolutorischen Ökonomik KÜSTERS, I. (2006): Narrative Interviews: Grundlagen und Anwendungen, 1. Auflage LUNEBURG, W.V. (1970): The Role of Management in an Atmosphere of Crisis

168

MARCH J. G. / SIMON H. A. (1976): Organisation und Individuum MEHDORN, H./ TÖPFER, A. (1994): TQM – Lean – Kaizen: Der Weg zum Unternehmenserfolg, in: Mehdorn, H./ Töpfer, A. (Hrsg.): Besser-SchnellerSchlanker, MUGLER, J. (1995): Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe, 2. Auflage, MÜLLER, C. (2001): Rating(agenturen) für den Mittelstand: Chance oder Ärgernis? In: BSU/AJU-News, Band Februar MÜSSELER, J./PRINZ, W. (2002): Allgemeine Psychologie, 1. Auflage O.V. (2008):

EFQM – European Foundation for Quality Management, URL: http://www.4managers.de/themen/efqm-european-foundation-for-qualitymanagement/

O.V. (2009):

Exportgarantien der Bundesrepublik Deutschland, o.J., URL: http://agaportal.de/pages/aga/index.html

PENROSE, E. T. (1959): The Theory of the Growth of the Firm PEPELS, W. (2004): Marketing, 4.Auflage PICOT, A./ REICHWALT, R. / WIGAND R.T. (1996): Die grenzenlose Unternehmung, 2. Auflage PROBST, G. J. B. / GOMEZ, P. (1991): Vernetztes Denken – Ganzheitliches Führen in der Praxis, 2. Auflage REICHMANN, T./ PYSZNY, U. (2006): Rating nach Basel II: Herausforderung für den Mittelstand READ, M. (2005): Konzeption und Inbetriebnahme eines Frühwarnsystems, URL: http://www.comratio.com/pdf/Fruehwarnsystem.pdf REINECKER, H./ LAKATOS, A. (1999): Kognitive Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen: eine Therapiemanual ROMEIKE, F. / VAN DEN BRINK, G. J. (2006): Frühwarnindikatoren: Kritischer Faktor Spätwarnung, In: RISIKO-MANAGER, Heft 13-2006

169

SAATY, T. L. (2001): Decision Making for Leaders – The Analytic Hierarchy Process for Decisions in a Complex World. 3. Auflage SAXE, M. (2000): Aktivitätsorientierte Kostenrechnungen - Rahmenbedingungen, Einsatzgebiete, Ausbaustufen, Kosten- und Nutzenüberlegungen im Lichte theoretischer und empirischer Forschung SCHEER, C./DEELMANN, T./LOOS, P. (2003): Geschäftsmodelle und internetbasierte Geschäftsmodelle – Begriffsbestimmung und Teilnehmermodell, URL: http://isym.bwl.uni-mainz.de/publikationen/isym012.pdf SCHNECK, O./ MORGENTHALER, P./ YESILHARK, M. (2003): Rating, Wie Sie sich effizient auf Basel II vorbereiten SCHNEIDER, D. (2005): Unternehmensführung und strategisches Controlling, 4.Auflage SCHNELL, R./ HILL, P.B./ ESSER, E. (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung, 8.Auflage SCHREYÖGG, G./ KOCH, J. (2007): Grundlagen des Managements, 1. Auflage SCHRÖDER, E.F. (2003): Modernes Unternehmens-Controlling, 8.Auflage SCHÜTZE, F. (1983): Biographieforschung und narratives Interview; In: Neue Praxis, 3/1983, 283–293 SCHWANINGER, M. (1999): Organisationale Intelligenz aus managementkybernetischer Sicht, in: Schwaninger, M. (Hrsg.): Intelligente Organisationen. Konzepte über turbulente Zeiten auf der Grundlage von Systemtheorie und Kybernetik, Band 19 SIMON, H (1998): Die heimlichen Gewinner: die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer STAHLKNECHT, P./ HASENKAMP, U. (2005): Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 11. Auflage THEILE, K. (1996): Ganzheitliches Management: ein Konzept für Klein- und Mittelunternehmen, 1. Auflage VAHS, D. (2008): Organisation. Einführung in die Organisationstheorie und – praxis, 6. Auflage

170

WARNECKE, H.-J. (1995): Aufbruch zum Fraktalen Unternehmen - Praxisbeispiele für neues Denken und Handeln WEBER, J. (2004): Einführung in das Controlling, 10. Auflage WILMES, D./RADTKE, P. (2000): Das Modell für (Business-) Excellence durch TQM, in: Kamiske, G. (Hrsg.): Der Weg zur Spitze, 2. Auflage WITZEL, A. (1982): Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Überblick und Alternativen WÖHE, G. (2005): Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 22. Auflage ZÄPFEL, G. (1989): Taktisches Produktions-Management, 1. Auflage ZIEGENBEIN, K. (1992): Controlling, 4.Auflage ZINK, K. (2004): TQM als integratives Managementkonzept, 2. Auflage ZIMBARDO, P./GERRIG, R. (1999): Psychologie, 7. Auflage

171

Anhang Anlage 1

Profile Projektteam Frühwarnsystem

Projektleitung: Prof. Dr. Artur Friedrich: Professor für das Management mittelständischer Unternehmen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden Autoren: Oliver Crönertz: Diplom-Kaufmann (FH), Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, Doktorand an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und der HTW Dresden; Arbeitsgebiete: Controlling, Projektmanagement, Produktion & Logistik und Umweltwirtschaft Peter Kögler: Diplom-Ingenieur (FH) / MBA, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, Doktorand an der Wirtschaftsuniversität Prag (VSE); Arbeitsgebiete: Produktion & Logistik, Unternehmensgründung Oliver Zimmert: studentischer Mitarbeiter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, cand. Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH); Arbeitsgebiete: Konzeption und Implementierung von Rich Internet Applications mittels .NetTechnologien Co-Autoren: Sven Halank: Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH), Absolvent der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden; Trainee als Firmenkundenbetreuer an einem Kreditinstitut; Schwerpunkte: Gründung und Führung mittelständischer Unternehmen, Finanzierung und Investition Bert Reichert: studentischer Mitarbeiter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden; cand. Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH); Arbeitsgebiete: Gründung und Führung mittelständischer Unternehmen, Produktionswirtschaft und Produktionstechnik

172

Mitwirkende: Marc Mehlhorn: studentischer Mitarbeiter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, cand. Diplom-Kaufmann (FH); Arbeitsgebiete: Rechnungswesen und Controlling, Personal- und Bildungsmanagement Ronny Möller: studentischer Mitarbeiter bei „dresden-exists“, der Gründungsinitiative der Dresdner Hochschulen und Forschungseinrichtungen, cand. DiplomWirtschaftsingenieur (FH); Arbeitsgebiete: Gründung und Führung mittelständischer Unternehmen, Produktionswirtschaft und Produktionstechnik Uwe Nake: studentischer Mitarbeiter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, cand. Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH); Arbeitsgebiete: C# und WPF Mitko Ufer: studentischer Mitarbeiter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, cand. Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH); Arbeitsgebiete: Gründung und Führung mittelständischer Unternehmen, Produktionswirtschaft und Produktionstechnik Sabine Unger: Studentin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, cand. Diplom-Kauffrau (FH); Arbeitsgebiete: Rechnungswesen und Controlling Eine Dankeschön gilt auch den ehemaligen Mitarbeitern des Forschungsprojektes Oliver Fuchs, Mario Kretzschmar und Steffen Wartner.

173

Anlage 2

Quellenverzeichnis der Literaturanalyse

ANDRAE, K. (2006): Unternehmen setzen auf Eigenkapital; In: Handelsjournal Nr. 12 vom 15.12.2006, S. 020 BAUM, H.-G. / COENENBERG, A. G. / GÜNTHER, T. (2004): Strategisches Controlling; 3. Auflage BEHR, P. / GÜTTLER, A. (O.J.): Kostenfreies Pre-Rating für den Mittelstand; Basel-II.info, URL: http:// www.basel-ii.info/artikel119.html (Stand 14.06.2007) BETHGE, H. (2007): Wenn im Unternehmen keiner folgt, folgen soll oder folgen will; In: Vermögen und Steuern 05 vom 02.05.2007, S. 011 BRAUN, S. (2003): Risikomanagement bei Mittelstands-Mandanten - Gefahren für KMU-Unternehmen frühzeitig erkennen; In: Vermögen & Steuern Nr. 09 vom 01.09.2003, S. 038; URL: http://www.wisonet.de/r_zwiw/webcgi?START=0A1&ANR=163681&DBN=ZECH&ZNR =1&ZHW=-4&WID=41842-1030007-82724_10 (Stand 01.07.2007) BROWN, S. (2007): Seven Skills for the Aspiring Entrepreneur; In: Business & Economic Review; Jan-Mar2007, Vol. 53 Issue 2, p16-18, 3p BUNDESVERBAND DER BILANZBUCHHALTER UND CONTROLLER E. V. (2005): Bundeskongress 2005: Weiterbildung - Schlüssel zum beruflichen Erfolg; In: Bilanzbuchhalter und Controller, Heft 07/2005, S. 166 BUNDESVERBAND DEUTSCHER UNTERNEHMENSBERATER (2005) E.V.: Frühwarnindikatoren für den Mittelstand DASCHMANN, H.-A. (1994): Erfolgsfaktoren mittelständischer Unternehmen DEUTSCHE INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER (O.J.): RatingSelbstCheck - Eine Übersicht über elektronische Verfahren sowie über Printprodukte zur Rating-Vorbereitung; URL: http://www.dihk.de/inhalt/informationen/news/schwerpunkte/rating/downl oad/RSC_Liste.pdf (Stand 14.06.07)

174

EDISON, K. / TUCKER, K. (2007): Largest risk management information systems providers; In: Business Insurance; 4/30/2007, Vol. 41 Issue 18, p74-74, 1p, 4 charts; URL.: http://www.csstars.com/Admin/Documents/Miscellaneous/BI_RMIS_Ran kings_April_07.pdf (Stand 01.07.2007) EGBERS, B. (2003): Basel II: Eine Chance für den Mittelstand; In: FINANZ BETRIEB, Heft 7 vom 2.7.2003, S. 456 – 461 EGGERS, B. / EICKHOFF, M. (1996): Instrumente des Strategischen Controlling – Notwendigkeit, Ziele, Problemfelder EVERLING, O. (2002): Nachteile der KMU auf den Finanzmärkten; EVERLING INTERNET NEWSLETTER Nr. 14 vom 03. April 2002; URL.: http://everling.biz/2002/14/Newsletter_2002_14.htm (Stand 01.07.2007) FUEGLISTALLER, U. ET AL. (2003): Strategisches Management für KMU FÜSER, K. / HEIDUSCH, M. (2002): Rating – Einfach und schnell zur guten Positionierung Ihres Unternehmens GABLER, C. (2003): Mittelstandsfinanzierung – Rating als Chance; Informationen der IHK München und Oberbayern 2003; URL: http://www.ihkmuenchen.de/internet/mike/ihk_geschaeftsfelder/starthilfe/Anhaenge/Merkblatt_ Rating.pdf (Stand 15.06.2007) GEIßLER, W. / FÜSER, K (2003): Basel II: Leitfaden Rating - Rating-Strategien für den Mittelstand; 2. überarbeitete und erweiterte Auflage GELDERMANN, B. (2006): Wissensmanagement - Kapital in den Köpfen nutzen; In: Arbeit und Arbeitsrecht, Heft 6/2006, S. 320-325 GERBER, A. / DIETZSCH, M. (2006): Integrationskonzept für kleine und mittelständische Unternehmen – DIMANOS QIS ERP-System mit Qualitätsmanagement-Funktionen; In: ERP Management, Nr. 2/2006, S. 18-21 GROSSER, H. (O.J.): Fitnesstraining für die Produktion - Kostensenken durch Ressourceneffizienz; URL: www.ipa.fraunhofer.de (Stand 03.08.2007) GRUBER, T. / VOSS, R. (2006): Wie gelingt effektives Beschwerdemanagement?; In: Planung & Analyse Nr. 03 vom 30.06.2006, S. 056

175

HELD, H. (O.J.): Strategische Unternehmensplanung in kleinen und mittleren Unternehmen; Eine Studie der HTW Aalen und ProFirma HERMES, V. (2006): Let’s blog – Wie Unternehmen an der Web-Gemeinde partizipieren können; In: Direkt Marketing vom 09/2006, S. 22-25 HEUMANN, D. W. (2007): Mittelstandsfinanzierung: Toni Werner, Vorstandsvorsitzender der Werner AG, zu der Mitarbeiterbeteiligung in seinem Unternehmen. "Die Leute suchen ihren Platz im Unternehmen"; In: VDI NR. 20 VOM 18.05.2007, S. 28 HOFMANN, M. (2007): Unternehmensstrategie – Vorfahrt für Strategen; In: ProFirma, Vol. 10, Heft 04/2007, S. 12-18 HOFMANN, M. (2006): So wird Ihr Unternehmen WETTERFEST; In: ProFirma, Vol. 9, Heft 10/2006, S. 12-23 JÄGER, R. (2007): Der „Tag der Wahrheit“ und seine Folgen – Erfolgreiches Führen in der Krise erfordert konsequentes Handeln; In: Betriebswirtschaftliche Blätter, Februar 2007, Nr. 02, S. 75 JODLBAUER, H. / SCHAUMBERGER, W. (2005): Erfolgsfaktor Flexibilität - Was zeichnet liefertreue Unternehmen aus? Eine empirische Untersuchung österreichischer Produktionsunternehmen; In: PPS Management, Nr. 2, 2005, S. 34-37 JUMPERTZ, N. (2004): Mit Eigeninitiative den Banken Paroli bieten; In: ProFirma, Heft 03/2004, S. 56 JÜRGENS, V. (1998): Ressourcenorientierte Leistungsgestaltung KAYSER, G. (1998): Die Industrie stellt sich dem rasanten Wandel - Die sogenannten Kleinen sind nach wie vor das Rückgrat der Wirtschaft; In: Industrieanzeiger, Heft 40 KELLER, A. (2001): Weiterbildungsbedarf von Führungskräften in kleinen und mittleren Unternehmen - Ergebnisse einer empirischen Erhebung mit Empfehlungen für die Weiterbildungsarbeit in der Zukunft; Studie für das RKW Eschborn, fhtw, Nr. 35/2001, S. 1 - 190 KERSCHBAUM, F. (2004): Basel II-Unternehmensfinanzierung im Wandel; FH Köln, WS 2004/05

176

KFW-BANKENGRUPPE: Mittelstandsmonitor 2006; Frankfurt am Main, März 2006; URL: http://monitor.mittelstand.info/ (Stand 01.07.2007) KIRSCHBAUM, V. (1995): Unternehmenserfolg durch Zeitwettbewerb KLEINITZKE, M. / SCHÖLER, A. (2007): Beschwerdemanagement - Beschwerden als Frühwarninformationen; In: Direkt Marketing, Heft 4/2007, S. 44-45 KOLBENSCHLAG, M. (2006): BESCHWERDEMANAGEMENT BEI MCDONALD'S - Kundenbindung durch Kundenzufriedenheit; In: IT Business, Heft 09/2006, S. 32 LEIDIG, G. (2005): Banken und Mittelstandsfinanzierung - Ergebnisse einer empirischen Erhebung 2005; In: DER BETRIEBSWIRT, Heft: 4, 2005, Vol. 46, S. 8-12 LOSSE, B. (2007): "Fatale Folgen"; In: WirtschaftsWoche NR. 018 vom 30.04.2007 S. 016 LÖWER, C. (2006): Frühwarnsysteme sind Mangelware; Handelsblatt.de vom 22.09.2006, URL: http://www.handelsblatt.com/news/Unternehmen/Unternehmenspraxis/_pv /_p/300892/_t/ft/_b/1139286/default.aspx/fruehwarnsysteme-sindmangelware.html (Stand 23.05.2007) MARCH J. G. / SIMON H. A. (1976): Organisation und Individuum MEDIENBÜRO.SOHN (O.J.): nena.de/Unternehmen unterschätzen Datenmanagement; In: u.a. Dow Jones Newswires, 20070502 10:26:09; URL: http://www.openpr.de/pdf/132908/Unternehmen-unterschaetzenDatenmanagement-Experten-raten-zu-mehr-Intelligenz-im-Netzwerk.pdf (Stand 01.07.2007) MEFFERT, J. / KLEIN, H. (2007): DNS der Weltmarktführer. Erfolgsformeln aus dem Mittelstand; Redline Wirtschaft, Heidelberg MICHEL, REINER (1999): Komprimiertes Kennzahlen-Know-How – Analysemethoden, Frühwarnsysteme, PC-Anwendungen, Checklisten, S. 36-39 NEDVIDEK, J. (2006): Gebundenes Kapital befreien, Cashflow steigern - Refinanzierung mittelständischer Unternehmen durch den Einsatz von Leasing; In: Venture Capital, Heft 10/2006, S. 32-33

177

O.V. (O.J.):

Der Resource-Based-View; venturenet-online, URL: http://www.venturenet-online.de/pdf/resbasedfirm.pdf (Stand 01.07.2007)

O.V.

(1999): Megatrends und Mittelstand – Perspektiven bis 2010; Deutsche Bank

O.V.

(2004): How to Manage the Risks Of Small-Business Loans; In: Credit Union Magazine; Nov2004, Vol. 70 Issue 11, p114-114, 1p

O.V. (O.J.):

How to minimize recession woes; In: Management Review; Sep80, Vol. 69 Issue 9, p4, 4p

O.V.

(2006): RATING BEI KMU’S: EINE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ZUR GEWICHTUNG UND VERFÄLSCHBARKEIT VON BASEL IIRATINGFAKTOREN BEI DER KREDITVERGABE; Wirtschaftspsychologie, Heft 1, 2006, S. 64-82

OESS, M. (2005): Starthilfe für den Mittelstand; In: LEBENSMITTEL PRAXIS NR. 014 vom 05.08.2005 S. 011 READ, M. (2005): Konzeption und Inbetriebnahme eines Frühwarnsystems; Comratio technology consulting GmbH Zürich 2005, URL: http://www.comratio.com/pdf/Fruehwarnsystem.pdf (Stand 01.07.2007) REICHLING, P. (2003): In vier Schritten zum Frühwarnsystem; In: ProFirma, Heft 05/2003, S. 42 ROMEIKE, F. / VAN DEN BRINK, G. J. (2006): Frühwarnindikatoren: Kritischer Faktor Spätwarnung; In: RISIKO-MANAGER, Heft 13-2006, S. 1-10 ROMEIKE, F. (2005): Nicht der Blick in den Rückspiegel ist entscheidend; In: RATINGaktuell 02/2005, S. 22-27 RUIGROK, W. / WAGNER H. (2005): Internationale Standortverlagerung und Mitarbeiterproduktivität: Eine empirische Untersuchung deutscher Industrieunternehmen; In: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtsch. Forschung, Ausgabe 06/2005, S. 310-324 SCHEIBELER, A. A. W. (2004): Balanced Scorecard für KMU; 3. Auflage SCHILDBACH, T. (2006): Das Eigenkapital deutscher Unternehmen im Jahresabschluß nach IFRS - Analyse eines Problems; In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Heft 04/2006, S. 325-341

178

SCHLEBUSCH, D. W. (o.J.): Unternehmenskrisen im Mittelstand – Entwicklung, Symptome, Bewältigung; URL: http://www.krisennavigator.de/akfo22d.htm (Stand 31.05.2007) SCHMIDT, T. (2001): Bewertung kleiner und mittelständischer Unternehmen – Entwicklung eines funktionalen Bewertungsmodells; Diplomarbeit HTW Dresden Sept. 01 SCHMITTING, W. / SIEMES, A. (2004): EDV-technische Umsetzung eines Risikomanagementmodells; In: Controlling, Heft 2/2004, S. 103-109 SCHNEIDER, D. (2005): Unternehmensführung und Controlling – überlegene Instrumente und Methoden; 4. Auflage, REFA Bundesverband e.V. SCHWIENTEK, R. (2006): Mittelstandsfinanzierung: Working Capital Management bringt bis zu 20 % mehr Liquidität. Bei Unternehmen liegt zu viel Geld im Regal; In: VDI NR. 46 vom 17.11.2006, S. 24 SECKER, J. (2006): Liquidität sichern und Bilanz optimieren - Factoring sorgt bei mittelständischen Unternehmen dafür, dass alles im Fluss bleibt; In: Venture Capital, Heft 10/2006, S. 30-31 SIEBERT, H.-F. (2002): Der Mittelstand braucht eine effiziente Unternehmenssteuerung; In: Sparkasse, Dezember 2002, Nr. 12, S. 570 STEMPEL, H. (2006): Mittelstands-Champions mit Vorbildfunktion; In: Absatzwirtschaft Nr. 01 vom 01.01.2006, S. 072 STIEFEL, R. T. (2006): Personalentwicklung KMU – Innovationen durch praxiserprobte Konzepte; 5. Auflage STRIZIK, P. (1993): Unternehmen neu strukturieren TSAKIRIDOU, E. (2005): Wissensmanagement: Viele KMU tun sich damit schwer - Die Kunst, Geistesblitze zu konservieren; In: VDI NR. 43 vom 28.10.2005, S. 28 VOLK, T. (2005): Transparente Unternehmensführung und offene Kommunikation als Wettbewerbsvorteil des Mittelstandes gegenüber Kreditinstituten; In: Bank Archiv; Jg. 53, 2005, Heft: 2, S. 83-86 WAGNER, D. (2007): Alter und Entgelt entkoppeln; In: Personal Nr. 03 vom 01.03.2007 S. 006, SCHWERPUNKT: GESUNDHEIT UND ALTER

179

WARNECKE, H.-J. (1995): Aufbruch zum Fraktalen Unternehmen - Praxisbeispiele für neues Denken und Handeln WARNECKE, H.-J. (1993): Revolution der Unternehmenskultur – Das Fraktale Unternehmen WEBER, J. ET AL. (2005): Unternehmenssteuerung mit Szenarien und Simulationen – Wie erfolgreiche Unternehmenslenker von der Zukunft lernen; 1. Auflage, S. 11-17

180

Anlage 3

E-Business Anwendungen im Mittelstand

Anwendung

Anwendung E-mail Online Shop B2C Online Shop B2B e-Procurement Intranet CRM Business Intelligence Collaborative Design e-Logistics SCM ERP, Warenwirtschaft Mobile Anwendungen e-Government Personal Management Finanzsysteme DMS

Derzeit Zukünftig und geplant zukünftig

99 33 36 45 30 41 20 11 23 23 37 33 20 22 38 20

Quelle: TechConsult, IT und E-Business im Mittelstand 2007, S. 32

in Prozent 1 4 5 9 6 7 7 2 2 3 3 8 3 2 2 7

Weder derzeit noch zukünftig 0 63 59 46 64 52 73 87 75 74 60 59 77 76 60 73

181

Anlage 4

Anschreiben Experten

182

183

184

185

186

Anlage 5

Gesprächsunterlagen

187

188

189

190

191

Anlage 6

Faktorenprotokoll

192

Anlage 7

Anschreiben Unternehmer

193

194

Anlage 8

Anschreiben sonstige Teilnehmer

195

196

Anlage 9

Fragebogen

197