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German Pages [563] Year 2018
Dominik Geppert (Hg.)
Forschung und Lehre im Westen Deutschlands 1918–2018 Geschichte der Universität Bonn Band 2
Mit 45 Abbildungen
V& R unipress Bonn University Press
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-7370-0839-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Verçffentlichungen der Bonn University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. 2018, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Volkert Lannert, Abschlussfeier auf dem Hofgarten
Inhalt
Günther Schulz / David Lanzerath Besatzungszeit und demokratische Öffnung (1918–1933) . . . . . . . . .
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Ralf Forsbach Repression und Ideologisierung (1933–1945) . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Joachim Scholtyseck Wiederaufbau und Expansion (1945–1965) . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Christian Hillgruber Studentenproteste und Hochschulreform (1965–1991) . . . . . . . . . . . 293 Wolfgang Löwer Traditionell modern! (1991–2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Literaturverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Verzeichnis der Amtsträger Abbildungsnachweis Personenregister
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561
Günther Schulz / David Lanzerath
Besatzungszeit und demokratische Öffnung (1918–1933)
Die Universität bei Kriegsende und in der frühen Weimarer Republik 8 Umbruch 1918/19 9 Alliierte Besatzung 1918–1926 11 Verfassung, Organisation, Personal und Finanzen 18 Universitätsreform in Preußen und Bonn 18 Die Universitätsleitung 22 Die Beschäftigten 26 Lehrkörper 26 Akademischer Mittelbau 32 Nichtwissenschaftliches Personal 34 Das akademische Disziplinarrecht 34 Finanzen und Vermögen 36 Besondere Forschungs- und Lehreinrichtungen 41 Universitätsbibliothek und Studentenbücherei 41 Hochschulsport und das »Institut für Leibesübungen« 44 Die Studierenden 46 Anzahl und Sozialstruktur 47 Frauenstudium 52 Soziale und wirtschaftliche Lage 54 Studentische Hilfseinrichtungen – Der »Verein Studentenwohl e.V.« 60 Studentenverbindungen 63 Die studentische Selbstverwaltung durch AStA beziehungsweise ASTAG 67 Universität und Öffentlichkeit 73 Das Verhältnis zur Stadt Bonn 73 Beziehungen zu anderen Hochschulen und wissenschaftlichen Institutionen 76 Auslandsbeziehungen 79 Feste und Feiern 82 Die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn (GEFFRUB) 85 Bautätigkeit 89 Erweiterung des Hauptgebäudes 90 Kriegerdenkmal und Ehrenhalle 94 Weitere Bauprojekte 97 Die Universität in der späten Weimarer Republik (1926–1933) 99 »Überfüllung« der Hochschule und »Gefahr eines akademischen Proletariats« 99 »Heraufziehen einer zunehmenden Politisierung« 103 Lehrende 103 Studierende 109
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Die Universität bei Kriegsende und in der frühen Weimarer Republik Auf den verlorenen Krieg folgte ein politischer Systemwechsel – die Monarchie wurde von der Republik abgelöst. Den Umbruch überschatteten politische Unruhen, Radikalisierung und Aufstände. Arbeitslosigkeit und Hunger, Inflation und Vermögensverlust und weitere materielle sowie ideelle Nöte belasteten die neue Staatsform von Anfang an und erschwerten ihre Akzeptanz. Die deutschen Universitäten waren von diesem Umbruch ebenfalls betroffen. Galten die Jahre zwischen Reichsgründung und Ausbruch des Weltkriegs noch als deren »Blütezeit« beziehungsweise als Zeit der »Weltgeltung der deutschen Wissenschaft«,1 so fanden sich die Hochschulen nach Kriegsende in einer schwierigen Situation wieder. Nicht nur, dass unter den Dozenten, Studierenden und Angestellten viele Gefallene zu beklagen waren – auch das Alltagsleben der Daheimgeblieben beziehungsweise Zurückkehrenden wurde zunehmend schwierig. Probleme bereitete insbesondere der rasante Wertverlust der Reichsmark, der sowohl das private Leben als auch die Finanzierung von Lehre und Forschung massiv beeinträchtigte. Daneben mussten sich die Universitäten nach 1918 mit den neuen politischen und sozialen Gegebenheiten der Republik auseinandersetzen.2 Vielerorts begegnete man den neuen demokratischen Staatsstrukturen mit Skepsis, fürchteten die meisten Wissenschaftler doch um ihren Status in der Gesellschaft und um das internationale Renommee der deutschen Hochschulen.3 Den Umbruch 1918/19 empfand man an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität als »furchtbare[n] Sturz in die Tiefe«.4 Die langjährige Prinzenuniversität erlitt durch das Abdanken der Hohenzollern einen Attraktivitätsund Bedeutungsverlust. Strahlte sie in der Kaiserzeit noch die Aura einer Ausbildungsstätte des adeligen Herrscherhauses aus, so verlor sie nach 1918 diese vornehme Stellung und war »nur noch« eine unter vielen Hochschulen im Land.5 Andererseits spürte man in Bonn durch die Nähe zur Westgrenze deutlicher als in vielen anderen deutschen Universitätsstädten die unmittelbaren Folgen der 1 Angesichts zahlreicher Forschungserfolge und Nobelpreisgewinne deutscher Wissenschaftler erschien das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert als Glanzzeit der deutschen Wissenschaft. Allerdings sprachen die Zeitgenossen weniger von »Weltgeltung« als vielmehr von »internationaler Anerkennung«. Erst in der Weimarer Republik und später besonders im Nationalsozialismus wurde der Begriff »Weltgeltung« gebräuchlicher. Zum problematischen Umgang mit dem Topos »Weltgeltung der deutschen Wissenschaft« in der Debatte der Hochschulentwicklung in Deutschland siehe Paletschek, Weltgeltung, S. 29–54. 2 Vgl. Ellwein, Universität, S. 228–237. 3 Seiler, Alberto-Ludoviciana, S. 206. 4 Zitat aus dem Jahresbericht von Rektor Ernst Zitelmann, in: Chronik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1918/19, S. 2. 5 Becker, Geistesgrößen, S. 97.
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Kriegsniederlage: die stete Gefahr des Separatismus und separatistischer Gruppierungen, die Rheinlandbesetzung sowie die damit verbundenen besonders starken wirtschaftlichen Nöte belasteten auch den Alltag der Universität schwer. Alles in allem wurden die Jahre 1918/19 »zu einer besonderen Zäsur«6 in der Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität.
Umbruch 1918/19 Im Frühjahr 1918 zeigte man sich an der Bonner Universität hinsichtlich des bevorstehenden Sommersemesters voller Zuversicht. Beseelt von den militärischen Erfolgen an der französischen Front, ging man mit »frohem Mut […] in die Sommerarbeit hinein«,7 wie Rektor Ernst Zitelmann in seinem Jahresbericht festhielt. »Herzbewegend viele Studierende von größtem Lerneifer, sehr viele geschmückt mit dem Eisernen Kreuz oder die ehrenvollen Spuren schwerer Verwundungen aufweisend«,8 hätten die Hörsäle der Bonner alma mater gefüllt. Doch das »Idyll« der späten Kriegszeit, das in den Worten des Rektors anklang, täuschte: Vorwiegend Kriegsbeschädigte, Dienstuntaugliche, zeitweise Beurlaubte, Studierende unter 18 Jahren, Frauen und Geistliche bildeten die Zuhörerschaft.9 Im Wintersemester 1917/18 standen von rund 5.500 eingeschriebenen männlichen Studierenden etwa 4.800 im Heeresdienst (ungefähr 86 Prozent).10 Dass schwere Zeiten heranbrechen würden, machte sich bereits im Herbst 1918 bemerkbar. Rektor Zitelmann ordnete die Umsetzung einer ministeriellen Direktive an, das Wintersemester 1918/19 um einen Monat vorzuverlegen: Man wollte Heizkohle einsparen, die in Bonn während der Kriegszeit zu einem knappen und kostbaren Gut geworden war.11 Bereits zuvor hatte die für den 3. August 1918 geplante Einhundertjahrfeier der Universität abgesagt werden müssen.12 Die Kriegsumstände ließen eine solche feierliche Zeremonie nicht zu. Im Vergleich mit anderen Städten im Reich verlief die Novemberrevolution in Bonn in gemäßigten Bahnen. Zwar kam es vereinzelt zu Gefangenenbefreiungen, Plünderungen und Gewaltausbrüchen, doch dem am 9. November gebildeten Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat gelang es rasch, für Ruhe und Ordnung zu 6 7 8 9 10
Rosin, Geist, S. 145. Chronik 1918/19, S. 1. Ebd., S. 1. Chronik 1917/18, S. 1f. Die Zahl der im Wintersemester 1917/18 an der Universität immatrikulierten Studierenden belief sich auf 6.083 (ohne Gasthörer). Davon waren 4.854 (einschließlich 52 weibliche Studierende) beurlaubt. Ebd., S. 7f., S. 30f. 11 Chronik 1917/18, S. 2. 12 Die Feier wurde im August 1919 nachgeholt. Ausführlich dazu der Beitrag von Dominik Geppert in Band 1 dieser Festschrift.
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sorgen; im Dezember 1918 löste sich dieser Rat wieder auf. Die Universität bemühte sich nach Kräften um Normalität des Betriebs. Gerüchten, wonach die Hochschule im November geschlossen würde, widersprach Rektor Zitelmann mit einer Bekanntmachung in der Bonner Tagespresse.13 Direkte Auswirkungen auf den Fortgang von Lehre und Studium in Bonn hatten die turbulenten Novembertage letztlich nicht.14 Zwar fanden in mehreren Studentenversammlungen hitzige politische Auseinandersetzungen statt, den Ton gaben dabei »Radikalinskis« und »Revolutionäre« an, wie corpsstudentische Zeitzeugen kritisch anmerkten.15 Dass es aber nicht zu ernsten Unruhen an der Universität kam, war unter anderem das Verdienst von Rektor Zitelmann, der zusammen mit einer Reihe von Bonner Universitätslehrern an den Versammlungen teilnahm und beschwichtigend auf die erregten Gemüter der Studierenden einwirkte.16 Erschwert wurde der Universitätsalltag durch die sich auf dem Rückzug befindlichen deutschen Truppen. Die Bonner Stadtverwaltung forderte die Universität auf, einen Großteil ihrer Räume für die Einquartierung der Soldaten bereitzustellen. Rektor und Senat zeigten sich von dieser Idee wenig begeistert. Allerdings fanden ihre Bedenken bei den städtischen Behörden kein Gehör : Die Universität wurde angewiesen, 15 Hörsäle, drei Dozentenzimmer, sechs Seminarräume, den Fechtsaal und die Turnhalle zur Einquartierung der deutschen Truppen abzugeben. In der Folge war ein Teil der Bonner Universitätslehrer gezwungen, ihre Vorlesungen aus dem Universitätshauptgebäude in Institute im weiteren Stadtgebiet zu verlegen. Als Anfang Dezember 1918 die letzten deutschen Soldaten den Rhein passierten und der Einzug der britischen Besatzungsmacht in Bonn bevorstand, erließen Rektor und Senat einen Verhaltenskodex für die Studierenden im Umgang mit den fremden Befehlshabern. So wurde geraten, Kontakte mit britischen Soldaten auf ein Mindestmaß zu beschränken. Ebenso seien äußerste Zurückhaltung, »kühle Höflichkeit und ernste Würde« unbedingte Pflicht. Mit einem Appell an die akademische Ehre wiesen Rektor und Senat darauf hin, dass »ein Konflikt schweren Nachteil den einzelnen bringen, die Schließung der Universität herbeiführen und die ganze Stadt mit ihrer Bürgerschaft gefährden« könne.17 Zwischenfälle mit britischen Militärangehörigen konnten in den nachfolgenden Monaten dennoch nicht vermieden werden.
13 Deutsche Reichs-Zeitung (DRZ) vom 17. 11. 1918. 14 Außer in Bonn kam es übrigens in keiner anderen größeren Stadt im Rheinland zu einem Zusammenschluss von bürgerlichen Kräften mit revolutionären Arbeiter- und Soldatenräten. Dreßel, November, S. 263–268; Wolf/Engelhardt, Thron, S. 25–27. 15 Oppermann, Alemannia, S. 382; Gerhardt, Bonner Corps, S. 367. 16 Chronik 1918/19, S. 2f. 17 Bekanntmachung des Rektors und des Senats an die Studierenden in: Chronik 1917/18, S. 4.
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Alliierte Besatzung 1918–1926 Aufgrund der Besatzung gestaltete sich das Lehren und Studieren in der Rheinlandzone schwierig. Besonders machte sich die Raumnot bemerkbar. Die britischen Truppen bezogen im Universitätshauptgebäude ihr Quartier. Elf Hörsäle, drei Dozentenzimmer, sechs Seminarräume, die Turnhalle und das akademische Lesezimmer wurden in Beschlag genommen. Daneben dienten die Räume des Chemischen Instituts dem Unterricht Hunderter englischer Studierender.18 Lediglich fünf Hörsäle blieben den einheimischen Studierenden für den Besuch von Vorlesungen geöffnet. Größtenteils glich die Universität einer Kaserne: Auf dem Arkadenhof standen schwere Geschütze, an denen die britischen Soldaten Exerzierübungen durchführten; Hofgartenwiese und Innenhof wurden häufig als Fußballplatz zweckentfremdet.19 Mit Blick auf die damaligen Zustände bezeichnete der bekannte Bonner Philosophieprofessor Adolf Dyroff seine Hochschule deshalb als »Kakhiuniversität«.20 Um Begegnungen zwischen Besatzern und Studierenden zu vermeiden, wurde die Verbindung zwischen dem Ost- und dem Westflügel des Hauptgebäudes durch Bretterverschläge versperrt.21 Erst im April 1919 konnte die Universitätsleitung in Verhandlungen mit den britischen Behörden erwirken, dass wenigstens die Haupträume der Universität von der Einquartierung frei gemacht wurden. Von diesen Zugeständnissen abgesehen, zeigten sich die in Bonn stationierten Briten äußerst schroff gegenüber den Angehörigen der Universität. Nicht selten wurden Professoren und Studierende aufgrund von Nichtigkeiten drangsaliert.22 Der Rechtswissenschaftler Karl Bergbohm bekam dies auf drastische Weise zu spüren, als er – im Alter von 69 Jahren – von zwei englischen Unteroffizieren auf offener Straße ohnmächtig geschlagen wurde – er hatte sich bei den beiden Soldaten beschwert, dass sie ihn mit der Reitpeitsche des Bürgersteigs verwiesen hatten.23 Zu Beginn der Besatzungszeit litt die Universität – wie die gesamte Stadt – unter den strengen Anordnungen der britischen Befehlshaber : Der Brief-, Telegramm- und Telefonverkehr waren eingeschränkt, Ausreisen aus Bonn nur unter Auflagen möglich und Nachtausgang für Einwohner grundsätzlich ver18 Dyroff, Rheinische Friedrich Wilhelms-Universität, S. 95. 19 Rektor Zitelmann kommentierte das Treiben der britischen Soldaten im Universitätshauptgebäude mit bissigen Worten: »Die Glaser hatten nachher mächtig zu tun.« Zitelmann, Lebenserinnerungen, S. 38; vgl. auch Gerhardt, Bonner Corps, S. 373. 20 Dyroff, Rheinische Friedrich Wilhelms-Universität, S. 95. 21 Fuchs, Besatzungszeit, S. 6. 22 Ebd., S. 6–16. 23 Dyroff, Rheinische Friedrich Wilhelms-Universität, S. 94.
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Abb. 1: Britischer Soldat vor dem Hauptgebäude der Universität
boten. Kurzzeitig waren an der Universität sogar die Uhren auf die in England gültige Uhrzeit umgestellt worden.24 Als besonders kränkend empfand man die bestehende Grußpflicht gegenüber britischen Offizieren, die anfangs von allen männlichen Bürgern Bonns zu befolgen war.25 Im Verlaufe der ersten Jahreshälfte 1919 wurden die Vorschriften schrittweise gelockert; das Verhältnis zur englischen Besatzung besserte sich. Derweil sah sich die Universität vor die Aufgabe gestellt, die vielen Studierenden, die nach der Demobilisierung der deutschen Truppen an die Hochschule zurückdrängten, wieder in den Unterrichtsalltag zu integrieren. Wie an den meisten preußischen Universitäten richtete man auch in Bonn gemäß Verfügung des »Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung« Zwischensemester ein. Diese waren ausschließlich für Kriegsteilnehmer und Studierende bestimmt, die in den Hilfsdienst eingebunden gewesen waren.26 Insgesamt gab es zwei solcher Zwischensemester : Von Februar bis 24 Senatsbeschluss vom 13. 01. 1919, siehe Chronik 1918/19, S. 93; Rosin, Geist, S. 144. 25 Vogt, Bonn, S. 477. Kurator Gustav Ebbinghaus betrachtete die Grußpflicht als Affront und forderte im Dezember 1918 in einem Beschwerdebrief Rektor Zitelmann auf, bei Bonns Oberbürgermeister Wilhelm Spiritus vorstellig zu werden, damit dieser die Rücknahme der Grußpflicht bei den Besatzungsbehörden verlange. UAB, Rekt. 105, A 50,16: Verschiedenes, Bd. 4 (1917–1918), Schreiben des Kurators Gustav Ebbinghaus an Rektor Ernst Zitelmann vom 11. 12. 1918. Vgl. auch Rosin, Geist, S. 144. 26 Verzeichnis der Vorlesungen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn für das Zwischensemester vom 3. Februar bis 16. April 1919, Bonn 1919, S. 3.
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April und von September bis Dezember 1919. Für die Dozenten bedeutete dies oftmals eine »Verdopplung, ja Verdreifachung der Lehrtätigkeit«,27 wie Rektor Fritz Tillmann feststellte. Anfang Februar 1920 erfolgte ein Wechsel der Besatzung in Bonn: Französische Soldaten lösten die britischen Truppen ab. Die Universität begegnete den neuen Befehlshabern zunächst mit Skepsis, doch in einem Gespräch mit Rektor Tillmann gelang es dem Oberdelegierten der Interalliierten Rheinlandkommission, Camille-Marius G8lin, bestehende Zweifel an einem einvernehmlichen Verhältnis zwischen Franzosen und Universität zu beseitigen. Die französische Besatzung gab das Hauptgebäude vollständig frei; zusätzlich garantierte man, dass die Freiheit des Unterrichts, der Professoren und der Studierenden nicht eingeschränkt werde.28 Provokationen nationalgesinnter Studierender, wie sie vereinzelt vorkamen, nahmen die französischen Behörden gelassen hin.29 Generell trug das höfliche und zurückhaltende Auftreten der neuen Befehlshaber dazu bei, dass sich die Besatzungszeit für die Universität – wie auch für die Bonner Bevölkerung – in den ersten Jahren nach dem Kommandowechsel erträglich gestaltete.30 Dies änderte sich mit dem Ausbruch der »Ruhrkrise«, als französisch-belgische Truppen Anfang Januar 1923 ins Ruhrgebiet eindrangen, um Reparationslieferungen des Deutschen Reiches einzufordern. Die Reichsregierung antwortete mit der Ausrufung des »passiven Widerstands«, der Industrie, Verwaltung und Verkehr an Rhein und Ruhr zeitweise zum Erliegen brachte und den Konflikt mit Frankreich befeuerte. In Bonn blieb die Verschärfung der politischen Lage nicht ohne Auswirkungen auf die Universität. Die französischen Besatzungsbehörden gaben ihren nachsichtigen Kurs auf. Besonders deutlich wurde dies nach dem 25. Januar 1923. An diesem Tag hatten sich Tausende Bonner Bürger und Arbeiter sowie Teile der Studentenschaft am Bahnhof zusammengefunden, um den in Mainz vor dem Kriegsgericht verurteilten Ruhrindustriellen, unter ihnen auch Fritz Thyssen, bei ihrer Durchfahrt mit patriotischen Liedern einen stürmischen Empfang zu bereiten.31 Dabei waren vor dem Bahnhofsgebäude französische Absperrungen durchbrochen worden. Die Besatzungsbehörden nahmen den 27 28 29 30
Chronik 1919/20, S. 1. Ebd., S. 9. Vogt, Bonn, S. 480. Das diskrete Auftreten der Besatzer war Teil der französischen Rheinlandpolitik: Mittels friedlicher Durchdringung (p8n8tration pacifique) der rheinischen Bevölkerung sollten Sympathisanten für einen von Preußen unabhängigen, eng an Frankreich angelehnten Rheinstaat gewonnen werden. Vgl. Schneider, Besatzungspolitik, S. 33. 31 Bonner General-Anzeiger vom 26. 01. 1923, Artikel: »Eine deutsche Kundgebung auf dem Staatsbahnhof in Bonn«; Wolf/Engelhardt, Thron, S. 65f.
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Auflauf zum Anlass, um einen verschärften Belagerungszustand über die Stadt zu verhängen und rigide gegen Angehörige der Universität vorzugehen. Es kam zu Verhaftungen von Studierenden. Sogar die Schließung der Universität wurde erwogen, sollte sich das provozierende Verhalten der Studierenden gegenüber französischen Soldaten nicht legen.32 Darüber hinaus erhielt Rektor Otto von Franqu8 am 1. Februar 1923 von der Interalliierten Kommission einen Ausweisungsbefehl auf Bewährung.33 Der distanziert und kühl wirkende von Franqu8 galt den Franzosen aufgrund seiner deutsch-nationalen Haltung als »Pangermanist« und war ihnen deshalb ein Dorn im Auge.34 In einer Unterredung mit den ehemaligen Rektoren Fritz Tillmann und Johannes Fitting verdeutlichte Oberst G8lin, dass die Militärbehörden ihre feindselige Haltung gegenüber der Universität aufgeben würden, stünde von Franqu8 nicht länger dem Senat vor. Im Ergebnis führte die »Affäre« dazu, dass sich Otto von Franqu8 nach langwierigen Verhandlungen im April 1923 für seine restliche Amtszeit als Rektor beurlauben ließ.35 Bis zum Rektoratswechsel im Oktober übernahm Prorektor Fitting dessen Amtsgeschäfte.36 Erste Risse hatte die Beziehung zwischen Universität und Besatzungsbehörden bereits im Dezember 1922 erhalten. Auslöser war zum einen die Teilnahme von Franqu8s an einer Kundgebung in Essen, bei der er im Namen der rheinischen Hochschulen Aachen, Köln, Bonn und Poppelsdorf ein Treuebekenntnis zum Deutschen Reich und zum Rheinland abgab, das er mit der markanten Parole beendete: »Deutsch sein oder nicht sein!«37 Zum anderen nahmen die Franzosen Anstoß an einem Aufruf der Bonner Universität und der Landwirtschaftlichen Hochschule Poppelsdorf vom 8. Dezember 1922, der an die nichtfranzösischen Hochschulen des Auslands erging. Rektor und Senat beider Hochschulen übten darin scharfe Kritik an der »Gewaltpolitik« Frankreichs und betonten wiederholt die Zugehörigkeit des Rheinlands zu Deutschland.38 In 32 Dyroff, Rheinische Friedrich Wilhelms-Universität, S. 95; Narjok, Erinnerungsblätter, S. 39. 33 UAB, Aufzeichnungen über die französische Besatzungszeit von Rektor Otto von Franqu8, S. 12 (nicht verzeichneter Bestand). 34 Ebd., S. 8. Zur Person von Franqu8: Bickenbach, Otto von Franqu8, S. 297. Johannes Fitting, Prorektor der Universität im Wintersemester 1922/23, umschrieb seinen Kollegen Otto von Franqu8 als schwierigen Charakter, der von »grimmigem Franzosenhass« getrieben gewesen sei. Siehe UAB, Kleinere Sammlungen Nr. 3, Johannes Fitting, Mein Leben (Kopie des Manuskripts), S. 30a. 35 UAB, Aufzeichnungen über die französische Besatzungszeit von Rektor Otto von Franqu8, S. 12–14 (nicht verzeichneter Bestand). Den sofortigen Rücktritt von Franqu8s im Februar 1923 hatten sowohl Universität als auch Besatzungsbehörden abgelehnt, da man Unruhen seitens der Studierenden befürchtete. 36 UAB, Aufzeichnungen über die französische Besatzungszeit von Rektor Otto von Franqu8, S. 5. 37 Ebd., Beilage 1, Rede auf der Rheinlandkundgebung in Essen am 9. Dezember 1922. 38 Ebd., Beilage 2, Aufruf der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität und der Land-
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ähnlicher Weise äußerte sich die Bonner Studentenschaft wenige Tage später bei einer großen Kundgebung im Siebengebirge nahe Königswinter.39 Während sich Professoren und Studierende in der Frage um die politische Zukunft des Rheinlands also eindeutig auf der Seite des Deutschen Reiches positionierten, forderten separatistische Aktivisten im Rheinland vehement die Abtrennung vom Reich zugunsten eines eigenständigen Staates.40 Als am 21. Oktober 1923 in Aachen und Koblenz die »Rheinische Republik« ausgerufen wurde, hatte dies auch Auswirkungen auf Bonn. Mit Unterstützung der französischen Gendarmerie gelang es den »Sonderbündlern« – wie die Anhänger der separatistischen Bewegung genannt wurden – in der Nacht zum 24. Oktober, das Rathaus gewaltsam zu besetzen. Ihr Regiment hielt sich allerdings nur kurzzeitig: Als Frankreich auf Druck Englands und der Vereinigten Staaten den Schutz der Separatisten aufgab, endete das »Politabenteuer« im Rheinland noch vor Jahreswechsel.41 Mit Eifer engagierte sich auch die Studentenschaft gegen die rheinische Separatistenbewegung. So hatten Bonner Waffenstudenten bereits im Winter 1920/ 21 ein geheimes Verteidigungsbündnis gegründet, das sich schlicht »Abwehr« nannte und unter der Leitung des Rhenanen Carl Jansen stand.42 Die Gruppe arbeitete eng mit der städtischen Polizeibehörde zusammen und half unter anderem dabei, verbotenes, gegen die Separatisten gerichtetes Propagandamaterial in der Stadt zu verteilen und feindliche Spione zu enttarnen.43 Spürbaren Widerstand leisteten Mitglieder der »Abwehr« bei der Erstürmung des Bonner Rathauses durch separatistische Truppen in der Nacht zum 24. Oktober. Unter Einsatz von »Knallerbsen, Knallfröschen und […] Stinkbomben«44 hatte man
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wirtschaftlichen Hochschule Bonn-Poppelsdorf an die ausländischen Hochschulen vom 8. Dezember 1922. Aufgrund anhaltender Verhandlungen mit der Universität Köln, die sich letztendlich nicht dazu entschließen konnte, den Aufruf zu unterzeichnen, gelangte dieser erst am 3. Januar 1923 in die Presse. Dies war insofern für die Beziehungen der Universität mit den Besatzungsbehörden unglücklich, als Frankreich zu diesem Zeitpunkt bereits den Einmarsch in das Ruhrgebiet beschlossen hatte. Geistiger Urheber des Aufrufs war der Bonner Anglist Wilhelm Dibelius; ebd., Ansprache im Großen Senat am 17. Oktober 1923. Dazu auch Fuchs, Besatzungszeit, S. 62f. Fuchs, Besatzungszeit, S. 64–67. Vgl. Friedrichs, Separatismus. Wolf/Engelhardt, Thron, S. 49–55; Schloßmacher, Bonner Geschichte, S. 123. Ebd. S. 99f. Neben der »Abwehr« leisteten auch weitere Bonner Studentengruppen praktische Arbeit gegen die Separatisten. So hatten beispielweise Mitglieder des Republikanischen Kartells in den AStA-Räumen der Landwirtschaftlichen Hochschule Poppelsdorf ein Nachrichtenbüro eingerichtet, um Informationen über separatistischen Aktivitäten zu sammeln. Gerhardt, Bonner Corps, S. 405. Ebd., S. 405f. Narjok, Erinnerungsblätter, S. 42. Einen detaillierten Blick auf die Verteidigung des Bonner Rathauses aus Sicht der Studierenden bietet der Bericht von Waffenstudent Carl Jansen,
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versucht, die Angreifer vom Eindringen in das Gebäude abzuhalten; letztendlich musste man sich aber geschlagen geben, als französische Gendarmen den Angreifern Rückendeckung gaben und ihnen die Besetzung des Rathauses ermöglichten.45 Daraufhin schlossen sich studentische Gruppen in den nachfolgenden Tagen immer wieder mit Bürgern und Arbeitern zusammen, um auf der Straße Widerstand gegen die Sonderbündler zu leisten.46 Ein entscheidender Schlag gelang am 16. November 1923 in der »Schlacht bei Aegidienberg«: In der Nähe des kleinen Siebengebirgsdorfs besiegten einheimische Bürgerwehrverbände – verstärkt durch Mitglieder der Bonner Studentencorps – einmarschierende Separatistentruppen in einem blutigen Kampf.47 Der Ausgang der Schlacht läutete »die Zertrümmerung der separatistischen Front«48 ein; zu einer Abtrennung der Rheinlande kam es folglich nicht. Der Druck der französischen Besatzung lastete hingegen weiter auf Bonn. Hinzu kam, dass die wirtschaftlichen und sozialen Nöte zunahmen.49 Erst ab Sommer 1924 verbesserte sich die Lage – auch das Verhältnis von Besatzungsbehörden und Universität normalisierte sich. Dozenten und Studentenschaft achteten darauf, neuen Zwischenfällen mit den Franzosen aus dem Weg zu gehen.50 Auf der anderen Seite gaben die Besatzer ihren harten Kurs gegenüber der Universität auf, wenn auch ihr Misstrauen nicht vollständig schwand. So untersagte die Interalliierte Rheinlandkommission,51 1925 den 8. Deutschen Studententag in Bonn durchzuführen, da befürchtet wurde, dass die aus dem besetzten Gebiet teilnehmenden Studierenden den Konflikt mit den französischen Soldaten suchen würden.52 Die im selben Jahr stattfindende Feier der
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abgedruckt in Fuchs, Besatzungszeit, S. 102–105. Siehe dazu auch Gerhardt, Bonner Corps, S. 409–416. Klocksin, Separatisten, S. 13f. Ausführlicher Spoelgen, Vergangenheit, S. 129–135. Fuchs, Besatzungszeit, S. 118; Balder, Frankonia, S. 517–523. Narjok, Erinnerungsblätter, S. 42. Im teils fiktiven, zum großen Teil aber auf historischen Tatsachen beruhenden Roman »Barbaren« schildert Günter Weisenborn den Verlauf der Kampfhandlungen im Siebengebirge aus Sicht einzelner Bonner Studierender. Siehe Weisenborn, Barbaren, S. 216–228. Ebd., S. 228. Ein Corpsstudent der Bonner Universität beschrieb die Situation im Wintersemester 1923/24 wie folgt: »Mit einer für den November wohlgefüllten Geldbörse treffen die Aktiven aus den Ferien in Bonn ein und müssen schon andern Tags gewahren, daß sie hiervon die erste Mittagsmahlzeit nicht mehr begleichen können.« Zitat aus Gerhardt, Bonner Corps, S. 416. Auch weitere Schilderungen verdeutlichen, dass das Leben in Bonn im Winter 1923/24 »unsagbar trostlos« wirkte. Siehe beispielsweise Ruder-Club »Rhenus«, 65 Jahre, S. 49. Fuchs, Besatzungszeit, S. 131; Chronik 1924/25, S. 2. Die Kommission trug die Bezeichnung »Interalliierter Hoher Ausschuss für die Rheinlande«. Sie war ab 1920 die oberste Verwaltungsbehörde der Besatzungsmächte Frankreich, Belgien, USA und Großbritannien im besetzten Rheinland. Chronik 1924/25, S. 1f. Stattdessen fand der Deutsche Studententag 1925 in Berlin statt. Erst
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Universität anlässlich der tausendjährigen Zugehörigkeit der Rheinlande zum Deutschen Reich unterlag hingegen keinerlei Einschränkungen, obwohl dem Festakt unverkennbar ein deutsch-nationales Gepräge anhaftete, was durchaus Konfliktpotential mit den Besatzungsbehörden in sich barg. Allerdings war das Laissez-faire der Franzosen bereits als Vorbote des sich abzeichnenden Endes der Besatzungszeit in der nördlichen Rheinlandzone (»Kölner Zone«) zu verstehen. Der endgültige Abzug des französischen Militärs erfolgte am 31. Januar 1926. Bonn war damit wieder frei. Nachfolgend wurden sowohl von der Stadt als auch von der Universität und den Studentenvereinigungen Befreiungsfeiern ausgerichtet. Am Fackelzug der Studierenden – dem ersten studentischen Umzug, der seit Sommer 1914 wieder in Bonn selbst stattfand – nahmen am 1. Februar 1926 rund 2.000 Personen teil.53 Um die siebenjährige »Leidenszeit« unter der Besatzung zu symbolisieren, wurden während des Zuges sieben erloschene Fackeln in den Rhein geworfen.54 Die offizielle Befreiungsfeier der Universität fand am 20./21. Februar 1926 statt und wurde besonders pompös begangen. Neben zahlreichen hochrangigen Vertretern von Staat, Kirche und Wirtschaft waren auch Rektoren und Studentenabordnungen von 24 deutschen und österreichischen Hochschulen zugegen.55 Dies ist insofern hervorzuheben, als die Hundertjahrfeier der Universität im Jahre 1919 – noch dem »Ernst der Zeit«56 angepasst – nur im kleinen Kreise ausgetragen werden konnte. Dem Festakt in der Beethovenhalle folgten die Enthüllung des Ehrenmals »Flamme empor« für die im Krieg gefallenen Universitätsangehörigen im Arkadenhof sowie eine Andachtsfeier am Alten Zoll für Ernst Moritz Arndt, den ehemaligen Bonner Professor und »Sänger und Künder der deutschen Freiheit«.57 Als Festredner trat unter anderem Reichsaußenminister Gustav Stresemann auf. Den Abschluss der Feierlichkeiten zur Rheinlandbefreiung bildete der Besuch von Reichspräsident Paul von Hindenburg am 23. März 1926. Gelegentlich seiner Reise durch die befreiten Gebiete machten er und ein Großaufgebot an Reichsministern und Ländervertretern unter anderem Station in der Bonner Univer-
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im darauffolgenden Jahr – nach Ende der Besatzungszeit in Bonn – wurde die Studentenversammlung am Rhein abgehalten; Vorstand, Bericht. Der Fackelzug, der am Poppelsdorfer Schloss Aufstellung nahm und über den Kaiserplatz zur Hofgartenwiese, zum Alten Zoll und die Theaterstraße bis zum Marktplatz zog, wurde von Studierenden beider Bonner Hochschulen – der Universität und der Landwirtschaftlichen Hochschule Poppelsdorf – organisiert. Chronik 1925/26, S. 1. Ebd., S. 2. Von Seiten der Reichsregierung beteiligten sich unter anderem Außenminister Gustav Stresemann und Reichsjustizminister Wilhelm Marx an den Feierlichkeiten. Zitat aus dem Jahresbericht von Rektor Fritz Tillmann, in: Chronik 1919/20, S. 2. Zitat aus dem Jahresbericht von Rektor Adolf Dyroff, in: Chronik 1925/26, S. 9.
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sität. Rektor, Senat, Dozenten und Studierende – letztere waren trotz der Osterferien in großer Zahl herbeigeströmt – bereiteten ihnen in der Universitätsaula einen begeisterten Empfang. Die Anwesenheit des Reichspräsidenten nahm die Universität Bonn zum Anlass, ihm seitens der Juristischen und Philosophischen Fakultät (gemeinsam!) die Ehrendoktorwürde der Staatswissenschaften zu verleihen; die Bonner Studentenschaft trug ihm zugleich die Ehrenmitgliedschaft an.58 Insgesamt besaß der »Hindenburgtag« großen symbolischen Wert: Mit ihm unterstrich das Reich seine Verbundenheit mit dem Rheinland und dokumentierte dessen Zugehörigkeit zur deutschen Nation. Für die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität war der Besuch von Reichspräsident und Reichaußenminister umso mehr ein wichtiges Signal, denn nach Jahren voller Sorgen und Ungewissheit über die Zukunft konnte sie sich nun gewiss sein, dass ihr Bestand gesichert war.59
Verfassung, Organisation, Personal und Finanzen Universitätsreform in Preußen und Bonn Der Zusammenbruch des Kaiserreichs schuf für die Organisation der Universitäten in Deutschland eine neue Situation. Nach Jahren des Reformstaus mehrten sich in der jungen Weimarer Republik Stimmen, die auf eine Veränderung des Hochschulsystems drängten.60 In enger Verbindung standen solche Umgestaltungspläne mit dem Orientalisten Carl Heinrich Becker, einem ehemaligen Bonner Professor, der seit 1916 im preußischen Kultusministerium tätig war, und zwischen 1919 und 1930 zweimal das Amt des preußischen Kultusministers innehatte.61 Reformpolitisches Ziel Beckers war eine umfassende Demokratisierung der Hochschulen. Seine im Sommer 1919 als Programmschrift publizierten »Gedanken zur Hochschulreform« sahen die Aufhebung der bestehenden Rangunterschiede zwischen Ordinarien und beamteten Extraordinarien vor.62 Auf diese Weise sollte »eine einheitliche Klasse von planmäßigen Professoren«63 geschaffen werden, die sich nur nach Gehaltsstufen unterschied. Auch die 58 Ebd., S. 11–16; siehe auch Deutsche Reichs-Zeitung vom 22. 03. 1926. 59 Braubach, Kleine Geschichte, S. 40. 60 Vgl. UAB, Kur 106, C 11, Band 1 (1848–1924), Schreiben des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Konrad Haenisch (SPD) vom 17. 05. 1919. 61 Müller, Bildung. Ebenso Rimmle, Universitätsreform; Wende, C. H. Becker. 62 Becker, Gedanken. Vorläufer der Broschüre war eine Zeitungsartikelserie, die von Becker bereits im Winter 1918/19 veröffentlicht worden war. Vgl. Müller, Bildung, S. 288, S. 290. 63 Grüttner, Universität, S. 93.
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wirtschaftliche Situation der Privatdozenten, die häufig in prekären Einkommensverhältnissen lebten, sollte unter anderem durch eine Erhöhung der Lehraufträge für bewährte Privatdozenten und eine Aufstockung der Kolleggelder verbessert werden.64 Dies implizierte eine Stärkung der rechtlichen Stellung von Nichtordinarien innerhalb der Universität, denen eine intensivere Partizipation an der Selbstverwaltung zugestanden werden sollte.65 Ebenso beabsichtigte Becker, die Studierenden durch Einrichtung staatlich anerkannter Vertretungsorgane in die Universität einzubinden und auf diese Weise an der Hochschulverwaltung teilhaben zu lassen.66 Die Reformvorschläge Beckers riefen an den Hochschulen unterschiedliche Reaktionen hervor. Während sich die Vereinigung der außerordentlichen Professoren Preußens für die Schaffung einer einheitlichen Kategorie planmäßiger Ordinarien aussprach, versuchten die ordentlichen Professoren (Ordinarien) die von ihnen als Angriff auf ihre Position empfundenen Reformvorhaben abzuwehren.67 Auf einer außerordentlichen Konferenz der Hochschulrektoren im Juni 1919 in Halle an der Saale kamen die Magnifizenzen überein, den Beckerschen Reformplänen eine Absage zu erteilen.68 Wie es im Verhandlungsprotokoll heißt, sprach man sich unter anderem »für eine Erhaltung des Instituts der Extra-Ordinariate« im Sinne einer »Bewährungsstufe« und eines »Übergangsstadiums« für angehende Ordinarien aus.69 Zudem beharrten die Rektoren auf der Beibehaltung der Kolleggelder als Einnahmequelle der Professoren sowie auf dem »klaren Gegensatz« der Privatdozenten zu den beamteten, festbesoldeten Professoren. In dieselbe Kerbe schlug auch der »Verband der Deutschen Hochschulen« (VDH), der im Januar 1920 als Interessenvertretung der deutschen Universitäten und Technischen Hochschulen gegründet worden war und 64 Müller, Bildung, S. 303. 65 Rektor Zitelmann war in der Frage, wie die Stellung der Privatdozenten zu gestalten sei, offensichtlich zwiegespalten. In seiner Rede zur 100-Jahr-Feier der Bonner Universität 1919 führte er aus: Das »Dasein des freien, nicht beamteten Privatdozentenstandes ist anerkanntermaßen ein wesentlicher Grund für die Blüte der deutschen Universitäten. Diesen Stand müssen wir erhalten, seine Freiheit dürfen wir nicht antasten lassen. Aber die Kehrseite dieser Freiheit ist freilich auch ein Unbeschütztsein gegen äußere Sorgen und Lebensnöte – müssen wir hier nicht helfend eingreifen? Und muß nicht dafür gesorgt werden, daß die Laufbahn des Universitätslehrers jedem Tüchtigen ohne Rücksicht auf seine Vermögenslage auch tatsächlich offen stehe?« Er gab aber zu, dass »in der Stellung der Privatdozenten vieles zu bessern« sei. Zitelmann, Rede, S. 23f. 66 Vgl. Becker, Gedanken, S. 45–52. 67 Grüttner, Universität, S. 93. 68 Für die Bonner Universität nahm der Staats- und Kirchenrechtler Rudolf Smend in Vertretung des verhinderten Rektors Zitelmann an der Konferenz teil. Vgl. UAB, Rekt. 105, A 6.9, Rektorenkonferenzen der deutschen Universitäten (1903–1921), Schreiben vom 17. 04. 1919. 69 UAB, Rekt. 105, A 6,9, Rektorenkonferenzen der deutschen Universitäten (1903–1921), Protokoll der siebten außeramtlichen deutschen Rektorenkonferenz in Halle a. d. S. am 3., 4. und 5. Juni 1919, S. 6.
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dessen Vorstand der Bonner Theologe Fritz Tillmann jahrelang angehörte.70 Anfang 1922 legte der VDH einen Entwurf für »Grundlinien einer Neuordnung der preußischen Hochschulverfassung« vor.71 Da die ursprünglichen Pläne Beckers angesichts des Widerstands der Ordinarien nur schwer zu realisieren waren und auch wegen der finanziellen Notlage des Staates zu scheitern drohten,72 erarbeitete man im Berliner Staatsministerium unter Einbezug der VDH-Vorschläge neue Entwürfe. Resultat waren die »Grundsätze einer Neuordnung der preußischen Universitätsverfassung«. Kultusminister Otto Boelitz73 erließ sie im März 1923. Obwohl die ursprünglichen Ziele Beckers, die Umwandlung der Extraordinariate in Ordinariate und die materielle Absicherung der Privatdozenten, in den »neuen Grundsätzen« keine Berücksichtigung fanden, wurde der Demokratisierungsprozess an den deutschen Hochschulen im Sinne Beckers vorangetrieben: Außerordentliche Professoren und Privatdozenten erhielten erstmals das Recht, Vertreter in die Entscheidungsgremien der Universitäten (Senat, Großer Senat, Fakultäten)74 zu entsenden, wo sie dieselben Rechte und Pflichten hatten wie die bislang allein bestimmenden Ordinarien.75 Eine weitere Neuerung bezog sich auf die Studierenden. Diese wurden als »Studentenschaft« nun als verfassungsmäßiges Glied der Universität anerkannt und erhielten das Recht auf Selbstverwaltung sowie auf Teilnahme an Verwaltungssitzungen der Hochschule, sofern die jeweiligen Themen sie betrafen. Das Ringen um die Hochschulreform war damit allerdings noch nicht beendet. Um den Besonderheiten und Bedürfnissen der einzelnen Universitäten Rechnung zu tragen, waren die Hochschulen dazu angehalten, eigene Statutenentwürfe zu erstellen und diese dem Ministerium vorzulegen. In Bonn, wo 70 Spenkuch, Politik, S. 249. Von 1929 bis 1933 war Tillmann Vorsitzender des VDH. Bauer, Geschichte, S. 18, Fn 19. 71 Die »Grundlinien« basierten auf einem Verfassungsentwurf des VDH, der bereits Ende Oktober 1921 erarbeitet worden war. Zentraler Gegenstand war der Grundsatz, dass alle Mitglieder des Lehrkörpers an der Hochschulselbstverwaltung beteiligt werden sollten. Allerdings sperrte sich der VDH gegen die Forderung der Nichtordinarienvereinigung, fakultätsangehörige Nichtordinarien hinsichtlich Berufungen, Beförderungen und Habilitationen die gleichen Rechte einzuräumen, wie sie die Ordinarien besaßen. Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 153f., S. 160–168. Zu den »Grundlinien« des VDH selbst: GStA, I. HA, Rep. 169 DX I Nr. 2 Ldtg. Band 1 Bl. 69–70. 72 Grüttner, Universität, S. 95. Siehe auch Neugebauer, Bildungswesen, S. 786. 73 Der DVP-Abgeordnete Boelitz hatte das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung im November 1921 übernommen. Er folgte damit auf den Sozialdemokraten Konrad Haenisch, der im selben Jahr als preußischer Kultusminister zurückgetreten war, sowie auf Carl Heinrich Becker, der das Amt im Jahr 1921 kurzfristig zwischen April und November bekleidet hatte. 74 Vgl. Fakultätsbeschluss vom 10. 02. 1921, in: Chronik 1920/21, S. 96. 75 Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 176–181; Braubach, Kleine Geschichte, S. 41.
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bereits seit Januar 1919 immer wieder Gespräche und Versammlungen über eine Hochschulreform stattgefunden hatten,76 genehmigte der Senat am 21. Juni 1923 eine Satzungsvorlage.77 Diese schloss zum größten Teil die vom Staatsministerium festgelegten »Grundsätze« vom März 1923 ein, beinhaltete aber auch einzelne Rechtsbestimmungen, die auf der ersten Universitätsverfassung basierten, den »Statuten« von 1827.78 In einer Senatssitzung im Mai 1925 unter Vorsitz des Ministerialrats und späteren Bonner Rektors (1951–53) Werner Richter sowie im Beisein von Kurator Johannes Norrenberg erzielte man grundsätzliche Einigkeit über die Neufassung der Universitätssatzung.79 Abschließende Verhandlungen zwischen Rektor Heinrich Konen und Werner Richter fanden im Juni 1930 statt.80 Einen Monat später, am 21. Juli 1930, überreichte Staatssekretär Aloys Lammers in Vertretung von Kultusminister Adolf Grimme der Universität Bonn die neue Satzung.81 Sie trat mit Wirkung vom 1. Oktober 1930 in Kraft. Insgesamt blieb die organisatorische Hochschulreform der Weimarer Zeit allerdings hinter ihren Ansprüchen zurück. Zwar passte sie die Universitäten an das »demokratische Zeitalter« an, doch zu einer substantiellen Umgestaltung des Hochschulwesens trug die Reform nicht bei. Weder verschoben sich durch Beteiligung der Nichtordinarien an den Entscheidungsgremien die internen Machtverhältnisse, da die Mehrheit der ordentlichen Professoren nach wie vor ungebrochen blieb, noch verbesserten sich die Karrierechancen des akademischen Nachwuchses nachhaltig.82 Dass die neuen Universitätssatzungen Mängel aufwiesen, sahen auch die Zeitgenossen. So sparte Rektor Heinrich Konen bereits während der Feierlichkeiten zur Übergabe der neuen Satzung nicht mit Kritik, »daß mancher unter uns die Fassade des neuen Gebäudes hier und da anders gewünscht hätte, und daß einige Ausschmückungsstücke und Teile des Anstrichs nicht überall Beifall finden. […] Wenn nach einer angemessenen Reparaturzeit gelegentlich neu verputzt und angestrichen wird, wer weiß, was dann noch nachgeholt werden kann.«83
76 Am 22. Oktober 1920 hatte beispielsweise Carl Heinrich Becker, als Staatssekretär des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, der Universität Bonn einen Besuch abgestattet, um in einer von nahezu allen Dozenten besuchten Versammlung in der Aula für seine Pläne zur Hochschulreform zu werben. Chronik 1920/21, S. 1. 77 Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 183–194, hier insb. S. 183. 78 Ebd., S. 194. 79 Ebd., S. 199–201. 80 Ebd., S. 203–208. 81 Chronik 1929/30, S. 2. 82 Grüttner, Universität, S. 99. 83 Konen/Lammers, Satzung, S. 4. Bereits zuvor hatte Konen in seiner Rektoratsrede und mehreren Immatrikulationsreden beharrlich auf die Probleme der Universitäten, die Aufgaben einer Hochschulreform und die Wichtigkeit der Selbstverwaltung bei der Pflege der Wissenschaft hingewiesen. Konen, Universitätsverfassung.
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Die Universitätsleitung Während der Weimarer Republik hatten an der Bonner Universität insgesamt 14 Personen das Amt des Rektors inne, von denen zwei, der Theologe Fritz Tillmann und der Physiker Heinrich Konen, eine zweite Amtsperiode anschlossen.84 Auffällig war der Anteil von Katholiken: Bildeten katholische Rektoren in der Kaiserzeit die Ausnahme, so standen sie nach 1918 in acht von 15 Amtsperioden der akademischen Verwaltung vor.85 Neben Heinrich Konen zählte unter anderem auch Fritz Tillmann zum Kreis der katholischen Rektoren. Dessen erneute Wahl im akademischen Jahr 1920/21 war ein Novum in der Geschichte der Universität Bonn: Erstmals absolvierte ein Rektor zwei Amtszeiten in Folge. Dahinter verbargen sich nicht zuletzt taktische Gründe der Universität, denn Tillmann galt als bewährter Verhandlungsführer, der den alliierten Besatzungsbehörden »in ausgesuchter Höflichkeit«,86 aber bestimmt entgegentrat. Insbesondere die französischen Offiziere, mehrheitlich ebenfalls der katholischen Kirche eng verbunden, begegneten dem katholischen Geistlichen Tillmann, »der in seinem Priesterkleid stark auf den Gegner wirkte«,87 mit großem Respekt und legten in den Verhandlungen mit ihm »eine Zurückhaltung an den Tag, die sie einem Laien gegenüber wohl kaum aufgebracht hätten«.88 Es überrascht deshalb nicht, dass die Universität Tillmann 1921 ein drittes Mal das Amt des Rektors anvertrauen wollte; jedoch lehnte dieser das Angebot ab.89 Als »besondere Potenz«90 ex aequo lässt sich Adolf Dyroff charakterisieren. Er leitete im Amtsjahr 1925/26 das Rektorat. Neben seinen fachlichen Leistungen als Inhaber eines der beiden Philosophie-Lehrstühle tat sich Dyroff vor allem als Netzwerker sowohl innerhalb der Universität als auch in der »feinen« Bonner Gesellschaft hervor. So unterhielt er – wie auch zahlreiche andere Bonner Professoren – enge Kontakte zur »Lese- und Erholungsgesellschaft« (kurz: »Lese«), einer der bedeutendsten gesellschaftlichen Einrichtungen der Stadt, in der sich prominente Persönlichkeiten regelmäßig zu kulturellen und geselligen Veranstaltungen trafen.91 Daneben war Dyroff Mitglied mehrerer akademischer
84 Wenig, Verzeichnis, S. 353. 85 Die hohe Zahl katholischer Rektoren war Ausdruck des zunehmenden Einflusses des Katholizismus an der Bonner Universität. Vgl. Becker, Geistesgrößen, S. 102. 86 Fuchs, Besatzungszeit, S. 42. 87 Ebd., S. 43. 88 Becker, Geistesgrößen, S. 100. 89 Fuchs, Besatzungszeit, S. 42. 90 Brief von Prof. Wilhelm Neuß über Adolf Dyroff, abgedruckt in: Szylkarski, Jugendgeschichte, S. 186. 91 Dyroff, Festschrift; D. Maurer/A. Maurer, 200 Jahre.
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Abb. 2: Fritz Tilllman, Katholische Theologie
Kränzchen, darunter dem »Rennklub«,92 in dem sich Bonner Professoren seit 1889 zu Wanderungen verabredeten, und dem »Geisterklub«, einem privaten Debattierverein der Bonner Geisteswissenschaftler.93 Nicht zuletzt aufgrund seiner offenen, kontaktfreudigen Art genoss Dyroff bei seinen Kollegen den Ruf, »das verbindende Glied des Lehrkörpers [überhaupt]«94 gewesen zu sein. Sechs der 14 Rektoren in der Weimarer Zeit stammten aus der Philosophischen Fakultät – Geisteswissenschaftler und Naturwissenschaftler, die bis 1936 der Philosophischen Fakultät angehörten, hielten sich dabei mit jeweils drei 92 Ritschl, Rennklub. 93 Siehe: Das Bonner Wissenschaftliche Kränzchen. 94 Brief von Prof. Wilhelm Neuß über Adolf Dyroff, in: Szylkarski, Jugendgeschichte, S. 186. Auch bei den Studierenden erfreute sich Dyroff großer Beliebtheit, sie nannten ihn liebevoll »Vater Dyroff«. Vgl. Rüfner, Dyroff, S. 22. Ferner Braubach, Erinnerungen, S. 2f.
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Abb. 3: Adolf Dyroff, Philosophie
Rektoren die Waage. Es folgten die Juristische beziehungsweise Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät mit drei Rektoren, die Mediziner und die katholischen Theologen mit je zwei Rektoren; die Evangelisch-Theologische Fakultät stellte mit Johannes Meinhold während der Weimarer Republik lediglich einen Rektor. Eine Systematik beziehungsweise vorgegebene Reihenfolge nach Fakultäten lässt sich bei der Wahl des Rektors nicht erkennen; vielmehr scheinen die Persönlichkeit und die Fähigkeiten der jeweiligen Kandidaten – wie sich am Beispiel von Fritz Tillmann gezeigt hat – die ausschlaggebende Rolle gespielt zu haben.
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Tabelle 1: Rektoren der Universität Bonn (1918–1933) nach Fakultäten Fakultät Evangelisch-Theologische Fakultät Katholisch-Theologische Fakultät
Anzahl 1
Rektoren Johannes Meinhold (1926/27)
2
Fritz Tillmann (1919/20, 1920/21); Arnold Rademacher (1928/29)
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
3
Medizinische Fakultät
2
Ernst Zitelmann (1918/19); Joseph Heimberger (1924/25); Adolf Zycha (Wintersemester 1932/33) Otto von Franqu8 (1922/23); Richard Siebeck (Wintersemester 1930/31)
Philosophische Fakultät
6
Geisteswissenschaftler : Conrad Cichorius (1923/24); Adolf Dyroff (1925/26); Rudolf Meißner (1927/ 28) Naturwissenschaftler : Johannes Fitting (1921/22); Heinrich Konen (1929/30, Sommersemester 1931); Paul Pfeiffer (1931/32) Quellen: Eigene Berechnungen nach den Personalverzeichnissen der Universität Bonn.
War die Universität bei der Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbständig, so stand sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts doch auch unter der unmittelbaren Aufsicht des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Bereits bei der Gründung der rheinischen alma mater im Jahr 1818 hatte man das Amt des Kurators als Kontrollinstanz des Staates über die universitäre Selbstverwaltung geschaffen.95 Als offizieller Vertreter des Ministers am Ort besaß der Kurator im Wesentlichen die Funktion, die Administration der Universität zu leiten. In den Debatten um die Weimarer Hochschulreform wurden erneut, wie bereits Mitte des 19. Jahrhunderts, Überlegungen angestellt, das Kuratorium abzuschaffen.96 Im April 1919 veröffentlichte die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität eine Stellungnahme zur Beseitigung der Kuratorenstelle, in der sie sich gegen die »Überwachung der Universitäten im Dienste der politischen Reaktion« aussprach und eine Befreiung von der »nicht würdigen Bevormundung«97 forderte. Dies wurde in der Weimarer Republik aber nicht verwirklicht. Erklären lässt sich die Beibehaltung des Kuratorialsystems an den preußischen Universitäten mit dem staatlichen Interesse: In einer Zeit, in der Professoren und Studierende der aus der 95 Stein von Kamienski, Bonner Kuratoren, S. 529. 96 Sievers, Rektor, S. 28. 97 UA Münster, Bestand 4, Nr. 175, Schreiben vom 07. 04. 1919. Hinweis aus Sievers, Rektor und Kurator, S. 28, Fn 8.
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Revolution von 1918 hervorgegangenen Republik mehrheitlich mit Argwohn begegneten, wollte der Staat nicht auf seine Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten an den Hochschulen verzichten.98 Nicht von ungefähr merkte Rektor Konen in seinem Rückblick auf das Studienjahr 1930/31 kritisch an: »Das Amt des Kurators wird an deutschen Universitäten schwerlich jemals populär sein. In seiner Geschichte liegt dies begründet.«99 Außergewöhnlich war die personelle Besetzung des Kuratorpostens an der Bonner Universität während der Weimarer Zeit. Hatte das preußische Ministerium seit dem 19. Jahrhundert stets Wert darauf gelegt, das Amt einem Mann zu übertragen, der sowohl in politischer als auch in konfessioneller Hinsicht (Protestant) der Linie der Regierung entsprach, so bestellte man im Juni 1919 mit dem Kölner Johannes Norrenberg erstmals einen Katholiken zum Kurator.100 Die Besetzung dieses zentralen Postens mit einem Angehörigen der katholischen Konfession zeugte – ähnlich wie für das Rektorat festgestellt – vom größer werdenden Einfluss des Katholizismus an der Bonner Hochschule. Auch die Tatsache, dass Norrenbergs Nachfolger, der aus Oberschlesien stammende Alfons Proske,101 ebenfalls Katholik – zudem Mitglied der Zentrumspartei – war, unterstreicht dies.
Die Beschäftigten Lehrkörper In der Weimarer Zeit vergrößerte sich der Lehrkörper der Bonner Universität beträchtlich. Im Sommersemester 1922 lehrten 198 Professoren und Privatdozenten an der Universität, im Sommersemester 1932 waren es 243 – ein Wachstum von 23 Prozent. Den größten Zuwachs verbuchten die Privatdozenten, deren Zahl um 70 Prozent (1922: 44 Stellen; 1932: 75) anstieg. Sie machten damit am Ende der Weimarer Republik knapp ein Drittel des Bonner Lehrkörpers aus. Zahlreicher waren nur die Ordinarien, deren Anteil sich auf 37 Prozent 98 Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 210. 99 Zitat aus dem Jahresbericht von Rektor Heinrich Konen, in: Chronik 1930/31, S. 5. 100 Johannes Norrenberg zeichnete sich vor allem durch seine moderate Art der Verhandlungsführung aus, mit der er ihm gelang, ein konstruktives Verhältnis zu den Besatzungsbehörden herzustellen. Für seine Verdienste um die Bonner Universität – insbesondere in der krisenhaften Zeit der Besatzung und Inflation – wurde ihm anlässlich seiner Pensionierung die Würde des Ehrensenators verliehen. Norrenberg war damit der erste, dem diese Ehre zuteilwurde. Stein von Kamienski, Kuratoren, S. 560f. 101 Das Staatsministerium ernannte Alfons Proske am 29. 04. 1929 zum Nachfolger Norrenbergs als Universitätskurator. Seine Amtszeit in Bonn betrug etwas mehr als vier Jahre. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er per Erlass im Juli 1933 zunächst für sechs Monate beurlaubt, ab März 1934 dann außer Dienst gestellt. Siehe UAB, PA 7120, Alfons Proske. Vgl. Stein von Kamienski, Kuratoren, S. 562f.
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belief. An dritter Stelle folgten die nichtbeamteten außerordentlichen Professoren, die 1922 mit circa 28 Prozent noch auf zweiter Position gelegen hatten, 1932 aber nur noch rund 26 Prozent stellten. Den geringsten Anteil am Lehrkörper hatten Honorarprofessoren mit knapp fünf Prozent. Der Rückgang der planmäßigen außerordentlichen Professorenstellen lässt sich in zweierlei Hinsicht erklären: Zum einen schied ein Teil aus Altersgründen beziehungsweise aufgrund von Berufungen an andere Hochschulen aus dem Lehrkörper aus, zum anderen wurden drei planmäßige Extraordinariate 1923 und 1924 in ordentliche Professuren (Ordinariate) umgewandelt. Tabelle 2: Der Lehrkörper der Universität Bonn 1922 und 1932 nach Statusgruppen und Fakultäten* Ev. Fak.
Kath. Fak.
Jur. Fak.
Med. Fak.
Phil. Fak.
Gesamt
1922 1932 1922 1932 1922 1932 1922 1932 1922 1932 1922 1932 Ordentliche Prof. Beamtete a. o. Prof.
7
7
9
12
9
13
14
18
39
41
78
91
-
-
-
-
-
-
2
-
5
-
7
-
1
1
-
1
3
2
-
8
9
13
13
5
2
3
-
1
23
27
31
28
56
64
3
6
5
5
5
13
25
16
37
44
75
16
18
20
15
22
54
70
99
115
198
243
Hono1 rarprof. Nichtbeamt. a. o. Prof. Privat4 dozenten Gesamt 12
* Entpflichtete Professoren wurden nicht berücksichtigt. Quellen: Eigene Berechnungen nach dem Personalverzeichnis der Universität Bonn für das Sommersemester 1922 sowie dem Bonner Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1932.
Mit der steigenden Anzahl von Privatdozenten und nichtbeamteten außerordentlichen Professoren sanken zugleich aber auch deren Aussichten, zukünftig auf einen der Lehrstühle an der Bonner Universität zu gelangen, da die Zahl der planmäßigen Lehrstühle im Missverhältnis zu der Anzahl der nachrückenden Nachwuchskräfte stand und das Problem im Verlaufe der Weimarer Jahre weiter anwuchs. Waren zu Beginn der 1920er Jahre auf 85 planmäßige Professorenstellen »lediglich« 100 Lehrstuhlanwärter gekommen, so verschob sich das Zahlenverhältnis bis 1932 auf 91 zu 139. Die akademische Nachwuchskrise war nicht nur ein Bonner Problem, sondern bestand an zahlreichen deutschen Universitäten.102 102 Vgl. Grüttner, Universität, S. 137f. Verschärfend trat hinzu, dass infolge der durch die
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Das Durchschnittsalter eines ordentlichen Professors lag zum Zeitpunkt seiner Berufung an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität während der Weimarer Republik bei 44 Jahren, das eines planmäßigen Extraordinarius bei 43 Jahren. Vergleicht man dies mit den Ordinarien an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, die ihren Ruf an die Hauptstadtuniversität zwischen 1919 und 1932 durchschnittlich erst im Alter von 49 Jahren erhielten,103 so berief die Bonner Universität verhältnismäßig »junge« Professoren auf die Lehrstühle.104 Tabelle 3: Das Durchschnittsalter der ordentlichen und planmäßigen außerordentlichen Professoren bei der Berufung an die Bonner Universität (1919–1932)
Fakultäten
Durchschnittsalter im Jahr der Berufung
Evangelisch-Theologische Fakultät Katholisch-Theologische Fakultät
Ordentliche Prof. 42 48
Planmäßige a. o. Prof. 45
Juristische / Rechts- und Staatswiss. Fakultät Medizinische Fakultät
42 45
46 43
Philosophische Fakultät Gesamt
45 44
36 43
Quellen: Eigene Berechnungen nach den Angaben in den Chroniken der Rheinischen Friedrichs-Universität Bonn für die Jahre 1919–1932/33.
Hinsichtlich der Geschlechterverteilung war der Lehrkörper der Universität Bonn in der Weimarer Republik männerdominiert. Obwohl Frauen auf Grund von Art. 109 der Weimarer Reichsverfassung105 im Vergleich mit der Kaiserzeit größere Chancen auf eine Hochschullehrerkarriere hatten, blieben die Aussichten auf einen Platz im Universitätskollegium auch nach 1919 gering. Für die Weimarer Republik führen die Bonner Personalverzeichnisse weder Professorinnen noch Privatdozentinnen auf. Einzige Frau in der Gesamtheit des wisWeltwirtschaftskrise veranlassten Sparzwänge ein Ausbau von Planstellen an den deutschen Universitäten nicht stattfinden konnte. Vgl. Hehl, Umbrüche, S. 120. 103 Waren die Ordinarien in Berlin zum Zeitpunkt ihrer Berufung durchschnittlich fünf Jahre älter als ihre Bonner Kollegen, so gab es bezüglich der planmäßigen außerordentlichen Professoren keinen Altersunterschied: Bei ihrer Berufung waren sie – wie auch die planmäßigen Extraordinarien in Bonn – im Durchschnitt 43 Jahre alt. Grüttner, Universität, S. 135f. 104 Das Durchschnittsalter eines Habilitierten bei seiner Erstberufung lag an deutschen Universitäten und Technischen Hochschulen zu Beginn der 1930er Jahre bei 41,5 Jahren. Ringer, Sociography, S. 264f. Das durchschnittliche Habilitationsalter eines Ordinarius in Deutschland lag im Zeitraum von 1910 bis 1930 bei 31 Jahren. Damit vergingen bis zur Erstberufung im Durchschnitt elf Jahre. Ferber, Entwicklung, Sp. 151f. 105 Art. 109 der Weimarer Reichsverfassung: »Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.«
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senschaftlichen Personals der Universität war Marie Ramondt (1878–1963), seit 1925 als Lektorin für niederländische Sprache tätig.106 Gemessen an der Gesamtheit des Lehrkörpers belief sich der weibliche Anteil auf weniger als 0,4 Prozent (Sommersemester 1932). Die Universität Bonn lag damit sogar unter dem Durchschnitt aller deutschen Hochschulen von 1,2 Prozent am Ende der Weimarer Republik.107 Habilitandinnen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität gab es erst später : Im Jahre 1943 erhielt Wilhelmine Hagen als erste Frau die venia legendi.108 In puncto konfessioneller Zusammensetzung gehörte die Mehrheit des Bonner Lehrkörpers – legt man eine Berechnung des preußischen Kultusministeriums für das Jahr 1924109 zugrunde – dem protestantischen Glauben an (58,5 Prozent), während die Katholiken etwas mehr als ein Drittel ausmachten. Aussagekraft gewinnen die Zahlen jedoch erst, wenn man sie mit denen der anderen preußischen Hochschulen vergleicht. Im Ergebnis unterschied sich die konfessionelle Struktur der Bonner Universität zum Teil erheblich. Lag man hinsichtlich der Protestanten circa 15 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt, so gab es in Bezug auf die katholische Konfession eine deutliche Überrepräsentation (plus 18,8 Prozentpunkte). Bonn gehörte damit neben Köln und Münster zu den katholischen »Hochburgen« unter den Universitäten in Preußen.110 Tabelle 4: Die Religionszugehörigkeit des Bonner Lehrkörpers im Vergleich mit der konfessionellen Struktur aller preußischen Universitäten im Jahre 1924 Universität Bonn
Preußische Universitäten
Evangelisch Katholisch
Absolut 107 65
in Prozent 58,5 35,5
Absolut 1.499 341
in Prozent 73,4 16,7
Jüdisch Konfessionslos
10 1
5,5 0,5
179 23
8,8 1,1
Gesamt 183 100,0 2.042 100,0 Quelle: GStA, I. HA, Rep. 76, Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 28 Bd. II Bl. 156f. (Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten. Universitäts-Sachen Generalia, Acta betreffend die Aufstellung einer Statistik über die Lehrer bei den Universitäten); Zahlen abgedruckt bei Grüttner, Universität, S. 173. 106 107 108 109
Kamerbeek, Ramondt, S. 113. Vgl. Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1933, S. 524. Kuhn/Mühlenbruch/Rothe, Frauenstudium, S. 70; Happ, Habilitation, S. 95. GStA, I. HA, Rep. 76, Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 28 Bd. II Bl. 156f. (Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten. Universitäts-Sachen Generalia, Acta betreffend die Aufstellung einer Statistik über die Lehrer bei den Universitäten); Zahlen abgedruckt bei Grüttner, Universität, S. 173. 110 Nahezu die Hälfte aller katholischen Hochschullehrer in Preußen lehrte an den Universitäten Bonn, Köln und Münster. Grüttner, Universität, S. 173.
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Unterdurchschnittlich stark vertreten waren Hochschullehrer jüdischer Konfession an der Universität Bonn: Im Sommersemester 1924 waren es zehn Personen, etwas mehr als fünf Prozent des Lehrkörpers.111 Obwohl der Kreis der jüdisch-stämmigen Wissenschaftler klein war, besaßen sie an den Fakultäten nennenswerten Einfluss, da die Mehrzahl von ihnen einen Lehrstuhl innehatte. Das Amt des Rektors bekleidete indessen keiner der in Bonn wirkenden jüdischen Gelehrten während der Weimarer Republik.112 Bezüglich der Einkommensentwicklung der Bonner Hochschullehrer ist es schwierig, einen Überblick zu gewinnen und fundierte Aussagen zu treffen, da einerseits das Aktenmaterial für die Weimarer Zeit erhebliche Lücken aufweist (insbesondere für die Jahre 1920 bis 1925), andererseits die vorhandenen Statistiken von unterschiedlichen Werten ausgehen.113 So lassen sich in den Überlieferungen bis 1919 Angaben zur Grundbesoldung sowie zu den Nebeneinkünften (Wohngeldzuschüsse, Vorlesungsgebühren,114 Prüfungsgebühren, Sonderzahlungen115 et cetera) finden. Ab 1926 führen die Einkommenslisten der ordentlichen und außerordentlichen Professoren jedoch nur noch die Grundgehälter ohne Nennung der gezahlten Zulagen auf, weshalb ein tragfähiger Längsvergleich nicht möglich ist. In der frühen Weimarer Republik hatten die Bonner Hochschullehrer gegenüber der Vorkriegszeit deutliche Gehaltsrückgänge hinzunehmen. Betrug das jährliche Durchschnittsgehalt eines Ordinarius am Juristischen Seminar im Jahre 1912 circa 20.000 Reichsmark, stand ihm nach dem Ersten Weltkrieg nur 111 Ebert, Hochschullehrer, S. 476–479. 112 Für die Vermutung von Ebert, Rektor Joseph Heimberger (Amtsjahr 1924/25) sei jüdischen Glaubens gewesen, lassen sich in den Akten keine Anhaltspunkte finden. Gegen die Annahme spricht zudem, dass Heimberger in einem 1943 von der nationalsozialistischen Universitätsleitung herausgegebenen Band über berühmte Bonner Rektoren und Professoren überaus positiv beurteilt wird, wohingegen der jüdische Rektor Ernst Landsberg (Amtsjahr 1914/15) bei der Würdigung der einzelnen Rektoren schlichtweg übergangen wird. Ebert, Hochschullehrer, S. 479; Rektor und Senat, Professoren. 113 Angaben zu den Einkommensverhältnissen der Bonner Professoren in der Weimarer Republik sind den Kuratoriumsakten zu entnehmen: UAB, Kur 106, H 5, Bd. 4, Die Nachweisungen über die Einkommensverhältnisse des Universitätspersonals behufs Veranlagung zur Einkommensteuer p.p. (1915–1924); UAB, Kur 106, H 3a, Bd. 5, Allgemeine Angelegenheiten der Professoren (1927–1934). 114 Die als Kolleg-/Unterrichtsgelder bezeichneten Vorlesungsgebühren waren von den Teilnehmern einer Lehrveranstaltung zu entrichten und wurden an die jeweiligen Professoren abgeführt. Das Besoldungsgesetz von 1920, das die Professorengehälter reichsweit einheitlich neu ordnete, schrieb Kolleggelder in einer bestimmten Mindesthöhe als festen Bestandteil der staatlichen Professorenbesoldung fest. Blomeyer, Professorenbesoldung, S. 4. 115 Ab 1923 erhielten Hochschullehrer in besetzten Gebieten auf Grundlage der vom preußischen Staatsministerium erlassenen »Richtlinie für die Schadloshaltung der unmittelbaren Staatsbeamten […]« ihre Dienstbezüge auch nach Ende ihrer akademischen Amtszeit. Zudem wurden Kosten für Umzüge und Reisen erstattet sowie Zahlungen im Falle von Personenschäden gewährt. Maus, Professor, S. 197.
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noch rund drei Fünftel seines vormaligen Einkommens zur Verfügung (1919: circa 12.600 Reichsmark).116 Zurückzuführen war der Einkommensrückgang hauptsächlich auf massive Einbußen bei den Nebeneinkünften, die in der Vorkriegszeit durchschnittlich knapp 60 Prozent des Gesamteinkommens eines Bonner Juraprofessors ausgemacht hatten, 1919 jedoch nur noch ein Drittel.117 Tabelle 5: Das durchschnittliche Gehalt eines ordentlichen Professors an der Juristischen Fakultät der Universität Bonn (1912/19) in Mark Jahr 1912
Anzahl der ordentlichen Professoren 9
Grundgehalt und Wohngeldzuschuss
Nebeneinkünfte
Gesamt
8.167,22
11.726,24
19.893,46
1919 10 8.360,00 4.282,60 12.642,60 Quelle: Eigene Berechnungen nach UAB, H 5, Bd. 3: Steuernachweisung für das Etatjahr 1913 [Die dort aufgelisteten Jahreseinkommen beziehen sich auf das Kalenderjahr 1912]; UAB, Kur 106, H 5, Bd. 4: Die Nachweisungen über die Einkommensverhältnisse des Universitätspersonals behufs Veranlagung zur Einkommensteuer p.p. (1915–1924), Schreiben mit Eingang am 14. Januar 1919.
Für die Zeit nach der Inflation lässt sich beobachten, dass die Grundgehälter der ordentlichen und beamteten außerordentlichen Professoren der Universität Bonn bis zum Beginn der 1930er Jahre stiegen. Zur Verbesserung trug die preußische Besoldungsreform von 1927 bei, die eine Umstellung der Besoldungsgruppen bewirkte und von der insbesondere die planmäßigen Extraordinarien profitierten.118 In der Weltwirtschaftskrise kam es zu deutlichen Gehaltsreduzierungen. Die von Reichskanzler Heinrich Brüning betriebene Deflationspolitik führte unter anderem zu einer Absenkung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst,119 was auch die verbeamteten Hochschullehrer betraf: 1931 lag das Grundgehalt der Ordinarien durchschnittlich um rund 116 UAB, H 5, Bd. 3, Steuernachweisung für das Etatjahr 1913; UAB, Kur 106, H 5, Bd. 4, Die Nachweisungen über die Einkommensverhältnisse des Universitätspersonals behufs Veranlagung zur Einkommensteuer p.p. (1915–1924). Siehe dazu auch Maus, Professor, S. 364–369. 117 Verglichen mit den Kriegsjahren waren die Nebeneinkünfte der Bonner Juraprofessoren zu Beginn der Weimarer Republik aber schon wieder deutlich angestiegen. Den durchschnittlich rund 12.600 Mark aus dem Jahre 1919 standen Nebeneinkünfte von lediglich rund 2.800 Mark (1916 bis 1918) gegenüber. Hauptursache für den starken Rückgang war die geringe Zahl an Studierenden während der Kriegszeit, so dass die Professoren und Privatdozenten nur wenige Hörergelder einnahmen. Maus, Professor, S. 222, S. 365–368. 118 Der »Verband der persönlichen Ordinarien an den preußischen Hochschulen« kritisierte die Besoldungsreform von 1927 heftig, da sich ältere Ordinarien gegenüber Inhabern neuer Professuren übervorteilt fühlten. Zu den Unterzeichnern der Denkschrift gehörte unter anderem der Bonner Chemieprofessor Andreas von Antropoff. UAB, Kur 106, H 3a, Bd. 6, Allgemeine Angelegenheiten der Professoren (1934–1937), Denkschrift vom 01. 08. 1932 [Ohne Folierung]. Siehe auch Maus, Professor, S. 225–230; 282f. 119 Golla, Zielvorstellungen, S. 27–32.
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13 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Doch die Gehaltseinbußen waren nur von kurzer Dauer ; bereits 1932 erhielten die Ordinarien wieder ein »ungekürztes Grundgehalt«,120 das in etwa der Höhe der Gehälter von 1930 entsprach. Tabelle 6: Das durchschnittliche Grundgehalt der ordentlichen und außerordentlichen Professoren an der Universität Bonn (1926–1932) in Reichsmark Rechnungsjahr
Ordentliche Professoren
1926 1927
60 56
Grundgehalt 10.099,34 11.085,77
Veränderung zum Vorjahr + 9,77 %
1928 1929
64 67
11.539,45 11.619,13
1930 1931
65 65
12.508,48 10.837,02
Anzahl
Beamtete außerordentliche Professoren
27 25
Grundgehalt 7.318,30 7.530,50
Veränderung zum Vorjahr + 2,90 %
+ 4,09 % + 0,69 %
25 24
8.775,71 8.847,27
+ 16,54 % + 0,82 %
+ 7,65 % - 13,36 %
25 23
8.554,17 7.853,75
- 3,31 % - 8,18 %
Anzahl
1932 68 12.095,15 + 11,61 % k. A. k. A. k. A. Quelle: Eigene Berechnungen nach UAB, Kur 106, H 3a, Bd. 5: Allgemeine Angelegenheiten der Professoren (1927–1934).
Akademischer Mittelbau An der Bonner Universität nahm im Verlauf der 1920er und frühen 1930er Jahre die Zahl der Assistenten deutlich zu. Für 1922 führen die Personallisten 95 Assistentenstellen auf, zehn Jahre später waren es 135121 – eine Steigerung von rund 42 Prozent.Erhebliche Ungleichheit gab es hinsichtlich der Verteilung der Assistenten auf die einzelnen Fachbereiche. Hier waren insbesondere die medizinischen und naturwissenschaftlichen Fächer dominant. So arbeiteten 1932 mehr als 55 Prozent (75 Stellen) aller in Bonn tätigen Assistenten an der Medizinischen Fakultät. Den zweiten Platz nahm die Philosophische Fakultät mit circa 35 Prozent (47 Stellen) ein, von denen allein 30 Stellen auf die mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion entfielen. Mit großem Abstand folgte die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät (circa 8 Prozent/11 Stellen). Jeweils nur einen Assistenten gab es in den beiden theologischen Fakultäten. Innerhalb der Assistentenschaft gab es Unterschiede zwischen planmäßigen und außerplanmäßigen Assistenten. Letztere waren im Gegensatz zu den Plan120 UAB, Kur 106, H 3a, Bd. 5, Allgemeine Angelegenheiten der Professoren (1927–1934), Anhang des Schreibens vom 09. 04. 1932. 121 Eigene Berechnungen nach Angaben des Personalverzeichnisses der Universität Bonn für das Sommersemester 1922 sowie Hinweisen aus dem Bonner Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1932.
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mäßigen keine Staatsbeamten. Dies drückte sich besonders im Gehaltsgefüge aus: Außerplanmäßige Assistenten erhielten an preußischen Universitäten gemeinhin nur rund 80 Prozent der Anfangsbezüge eines planmäßigen Assistenten.122 In Bonn nahm die Zahl der außerplanmäßigen Assistentenstellen im Verlaufe der 1920er stark zu: Im Jahr 1922 waren es drei, 1932 52 Stellen. Tabelle 7: Anzahl der Assistentenstellen an der Universität Bonn nach Fakultäten 1922 und 1932
Fakultäten
Assistentenstellen 1922 AußerPlanplanmäßig mäßig
Gesamt
AußerPlanplanmäßig mäßig
Gesamt
-
-
1
-
1
-
-
-
1
-
1
-
-
-
1
10
11
57 35
3 -
60 35
47 33
28 14
75 47
Evangelisch-Theologische Fakultät Katholisch-Theologische Fakultät Juristische / Rechts- und Staatswiss. Fakultät Medizinische Fakultät Philosophische Fakultät
1932
Gesamt 92 3 95 83 52 135 Quellen: Eigene Berechnungen nach dem Personalverzeichnis der Universität Bonn für das Sommersemester 1922 sowie dem Bonner Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1932.
Zur Vermittlung musischer und fremdsprachlicher Kenntnisse beschäftigte die Universität Bonn in den Weimarer Jahren zwischen acht und 15 Lektoren beziehungsweise künstlerische Lehrer. Bei den Sprachlehrern handelte es sich um Promotionskandidaten oder bereits Promovierte, die in ihrer Muttersprache wie Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch, Japanisch, Chinesisch oder Arabisch unterrichteten. Mitunter nahmen auch außerordentliche Professoren Lektorentätigkeiten wahr, wie im Fall von Paul Menzerath, der als Direktor des Phonetischen Instituts französischen Sprachunterricht erteilte. Für die Förderung der Leibesertüchtigung waren an der Universität Bonn zu Beginn der 1920er Jahre drei sogenannte »Exercitien-Meister« zuständig, die die Studierenden in Turnen, Fechten und Tanzen unterrichteten.
122 Grüttner, Universität, S. 142, Fn 21.
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Nichtwissenschaftliches Personal Das nichtwissenschaftliche Personal der Universität setzte sich aus den in der Verwaltung tätigen Beamten und Angestellten zusammen. Dazu gehörten auf Seiten des Kuratoriums Sekretäre, Amtsgehilfen, Quästoren und Kassenprüfer sowie die Bauräte und Inspektoren des Universitätsbauamts. Für das Rektorat führen die Personalverzeichnisse der frühen 1930er Jahre neben Verwaltungsinspektoren, Schreibkräften und Amtsgehilfen (Pförtner) den Universitätsrat als Vertreter der akademischen Jurisdiktion auf. Der Pedell übernahm in Personalunion die Funktion von Hausmeister, Aufwärter und Aufseher. Für die Aufsicht über das gesamte Universitätsgebäude war der Kastellan (Oberpedell) zuständig. Daneben beschäftigten die fünf Fakultäten der Universität eigene Pedelle, wobei sich die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät mit den beiden theologischen Fakultäten eine Stelle teilte. Verglichen mit dem Umfang ihrer heutigen Verwaltung war die personelle Ausstattung der akademischen Behörden an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in der Weimarer Republik bescheiden. Im Universitätskuratorium waren 1932 einschließlich des Kurators zwölf Personen tätig; das Büro des Rektorats kam mit vier Mitarbeitern aus. Die größte Verwaltungseinheit in personeller Hinsicht bildete die Universitätsbibliothek mit 24 Personen, darunter acht Bibliothekare im höheren Dienst.123
Das akademische Disziplinarrecht Seit 1879 fielen nur noch Disziplinarfälle in den Zuständigkeitsbereich der akademischen Gerichtsbarkeit. In Zivilrechtsfragen hingegen unterstanden die Studierenden den allgemeinen Gesetzen – beispielsweise dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Privatangelegenheiten.124 Die Disziplinarrechtsprechung sollte »Ordnung, Sitte und Ehrhaftigkeit«125 an der Universität wahren. Als Sanktionsmittel standen den preußischen Universitäten je nach Schwere des Vergehens Strafen zur Verfügung, die von einem einfachen mündlichen Verweis, Geldstrafe und Karzerarrest über Nichtanrechnung eines Semesters und Androhung der Entfernung bis zur tatsächlichen Entfernung von der Universität (consilium abeundi) und dem reichsweit gültigen Ausschluss vom Universitätsstudium (Relegation) reichten. Ein endgültiger Verweis von allen deutschen Universitäten war nur nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Vergehens »aus 123 Vorlesungsverzeichnis der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Sommersemester 1932, S. 22. 124 Ebd., S. 286. 125 Ebd., S. 288.
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einer ehrlosen Gesinnung«126 möglich. Ein Blick in die Akten der studentischen Disziplinarverfahren an der Universität Bonn zeigt, dass diese Art der Bestrafung in den Weimarer Jahren jedoch nur selten ausgesprochen wurde. 1922 endete ein Verfahren mit Ausschluss vom Universitätsstudium, weil sich der angeklagte Student der Urkundenfälschung und somit der »Unehrenhaftigkeit«127 schuldig gemacht hatte. Im Jahr zuvor war eine Relegation erfolgt, weil ein Student Mäntel seiner Kommilitonen gestohlen hatte. In den meisten Fällen, mit denen sich die akademische Jurisdiktion in Bonn zu beschäftigen hatte, erhielten die Beschuldigten lediglich einen mündlichen Verweis, der durch den Rektor ausgesprochen wurde. Gründe für eine solch strenge Ermahnung konnten beispielsweise (nächtliches) Lärmen in der Öffentlichkeit, (geringfügige) Sachbeschädigung oder Widerstand gegen Polizeibeamte beziehungsweise Offiziere der Besatzungsmacht sein, was bis zum Abzug der alliierten Truppen aus Bonn im Jahre 1926 nicht unüblich war.128 Die Verurteilung durch die akademische Gerichtsbarkeit schloss keineswegs aus, dass sich die Studierenden auch noch vor einem ordentlichen Gericht zu verantworten hatten. Dies belegt der Fall eines Bonner Studenten, der wegen Sittenwidrigkeit gegenüber einer Minderjährigen sowie Zechprellerei 1924 vom Bonner Landgericht zu acht Monaten Haft verurteilt wurde.129 Dass die Urteile zwischen ordentlichem und akademischem Gericht stark divergieren konnten, zeigte sich ebenfalls in dem genannten Fall. Während das Landgericht eine Gefängnisstrafe aussprach, erhielt der Student vom Universitätssenat einen Freispruch, da die Glaubwürdigkeit der Aussage des Opfers zweifelhaft sei. Zu Änderungen des akademischen Disziplinarrechts kam es im Zuge der preußischen Hochschulreform während der Weimarer Zeit. In Bonn wurden beispielsweise Bestimmungen zur Anwendung von Karzerstrafen aus der modifizierten Universitätssatzung von 1930 gestrichen: eine Konsequenz daraus, dass der Karzer in Bonn bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung verloren hatte. Die letztmalige Nennung von Studierenden, die in den Arrestzellen der Universität einsaßen, datiert aus dem Jahr 1893.130 In organisatorischer Hinsicht gab es für die universitäre Rechtsprechung insofern eine Veränderung, als auf Beschluss des preußischen Kultusministeriums vom 20. März 1923 das Amt des Universitätsrichters durch einen dem Rektor und Senat untergeordneten Universitätsrat ersetzt wurde.131 Dieser führte 126 Ebd., S. 290. 127 UAB, Disziplinarsachen, Straflisten Nr. 417 (unerschlossener Bestand). 128 Vgl. UAB, Disziplinarsachen, Straflisten Nr. 351, Nr. 417, Nrn. 418–449 (unerschlossene Bestände). 129 UAB, Disziplinarsachen, Straflisten Nr. 417 (unerschlossener Bestand). 130 Bernoth, Karzer, S. 98f. 131 Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 180.
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die Geschäfte der akademischen Gerichtsbarkeit und stand dem Rektor in juristischen Fragen beratend zur Seite, hatte aber keinen Sitz im Senat. Das Amt des Bonner Universitätsrichters beziehungsweise Universitätsrats bekleideten während der Weimarer Jahre die Amtsgerichtsräte Ferdinand Riefenstahl (bis 1920) und Ludwig Clostermann (1920–1923), Amtsgerichtsdirektor August Arimond (1923–1928) sowie Amtsgerichtsrat Franz Wildt (ab 1928). Obwohl die Satzungsnovelle der Universität keinen Hinweis mehr auf das Richteramt enthielt, blieb der Begriff in der Alltagspraxis erhalten; noch 1946 wurde der Amtsträger des Universitätsrates Hellmuth von Weber offiziell zum Universitätsrichter ernannt.132 In Fragen der korporativen Beteiligung von Studierenden an der akademischen Disziplinargerichtbarkeit gab es keine Änderungen. Während die Hochschulen in Bayern, Baden, Württemberg, Hessen, Thüringen und Hamburg der Studentenschaft aktives Mitwirken bei Disziplinarfällen zugestanden, blieb es den Studierenden an den preußischen, sächsischen und mecklenburgischen Hochschulen weiterhin verwehrt, beispielsweise studentische Beisitzer zu den akademischen Disziplinarverfahren zu entsenden.133
Finanzen und Vermögen Die Krisen der Weimarer Republik brachten der Universität Bonn große finanzielle Schwierigkeiten. Nachkriegsnot, Inflation und schließlich die Weltwirtschaftskrise schränkten den Handlungsspielraum der Hochschule erheblich ein. Dabei hing das Wohl des wissenschaftlichen Betriebs stark von der hinreichenden finanziellen Ausstattung ab. Das Budget der Universität speiste sich zum Teil aus eigenen Einnahmen (studentischen Gebühren, Erträgen aus den Kliniken, Zinserträgen et cetera), am wichtigsten aber war die Finanzierung durch die öffentliche Hand. Während der Weimarer Republik erhielt die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität den Großteil ihrer Finanzmittel (1932: rund 67 Prozent134) aus Zuwendungen des preußischen Staates.135 Bonn war damit keine Ausnahme: Wie der preußische Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1932 zeigt, deckten staatliche Mittel 132 133 134 135
Bernoth, Karzer, S. 99. Maack, Grundlagen, S. 78f. Siehe dazu auch Alenfelder, Gerichtsbarkeit, S. 293. Eigene Berechnungen nach dem Haushaltsplan des Preußischen Staates 1932, S. 176f. Auch nach der Erzbergerschen Finanzreform von 1919, die eine grundlegende Umstrukturierung der bis dahin bestehenden Finanzordnung herbeiführte, indem sie dem Reich die finanzhoheitlichen Kompetenzen zuwies, behielten die Länder das Recht, eigenständig über die ihnen vom Reich zugewiesenen Mittel und somit auch über die aufgewendeten Gelder für ihre Landesuniversitäten zu bestimmen. Jeskow, Universitätsfinanzierung, S. 113.
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durchschnittlich etwa 70 Prozent der Einnahmen aller preußischen Universitäten ab.136 Demgemäß griff das Land auch bei den Universitäten ein: Bereits seit dem Kaiserreich unterstanden in Preußen, wie dargelegt, die Überwachung und Verwaltung der Universitätsfinanzen und des Personals vollständig staatlichen Kuratoren.137 Insgesamt investierte Preußen während der Weimarer Zeit mehr als je zuvor im 20. Jahrhundert in seine Wissenschaftseinrichtungen. Waren zwischen 1900 und 1914 im Durchschnitt 0,5 Prozent des Staatshaushalts für die preußischen Universitäten bestimmt, stieg der Anteil im Zeitraum von 1918 bis 1933 auf durchschnittlich 0,9 Prozent.138 Dies hing vornehmlich mit der Dynamik der Universitäten zusammen, die sich, wie schon in der Kaiserzeit, nun aber noch intensiver zu wissenschaftlichen Großbetrieben mit immensen finanziellen Bedürfnissen für Einrichtungen und Personal entwickelten.139 Tabelle 8: Ausgaben des preußischen Staates für die Universitäten 1914–1933 (in Mio. Reichsmark) Aus- Anteil am gaben Staatsetat 1914 26,8 0,56 % Jahr
Aus- Anteil am gaben Staatsetat 1924 44,4 1,39 %
Jahr
Aus- Anteil am gaben Staatsetat 1929 70,8 1,39 %
Jahr
1918 17,8 1919 22,9
0,08 % 0,03 %
1925 46,1 1926 49,7
1,14 % 0,99 %
1930 58,0 1931 52,3
1,12 % 1,18 %
1920 78,0 1921 92,0
0,15 % 0,28 %
1927 60,0 1928 68,8
1,25 % 1,30 %
1932 43,1 1933 42,1
1,42 % 1,56 %
Quelle: Pfetsch, Datenhandbuch, S. 71, 120.
Die staatlichen Fördermittel hingen stark von der ökonomischen Lage des Deutschen Reichs und seiner Länder ab. In der krisengeplagten Weimarer Zeit unterlagen sie erheblichen Schwankungen. Der Posten, den der preußische Haushalt für Universitätszuschüsse vorsah, war in den Nachkriegs- und Inflationsjahren auf ein Minimum reduziert (1919: 0,03 Prozent; 1921: 0,28 Prozent). Dementsprechend litten alle Hochschulen unter finanzieller und materieller Not. 136 Im Haushaltplan sind neben Bonn neun weitere Universitätsstädte gelistet: Königsberg, Berlin, Greifswald, Breslau, Halle an der Saale, Kiel, Göttingen, Münster und Marburg Die Stiftungsuniversität Frankfurt am Main und die städtische Universität Köln waren während der Weimarer Zeit im preußischen Staatsetat nicht eingerechnet. Siehe Haushaltsplan des Preußischen Staates 1932, S. 176. 137 Vgl. Jeskow, Universitätsfinanzierung, S. 116f. 138 Die Zahlen basieren auf der von Pfetsch angefertigten Datensammlung zur staatlichen Wissenschaftsfinanzierung aus dem Jahre 1982. Nicht in die Berechnungen eingeschlossen sind die Wissenschaftsausgaben des preußischen Staates für Technische Hochschulen, Fachhochschulen, wissenschaftliche Akademien und Ähnliches. Siehe Pfetsch, Datenhandbuch, insbesondere S. 120. 139 Ullmann, Überlegungen, S. 168f.
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In Bonn beklagte man die angespannten Etats der Institute und Seminare, die »selbst in Friedenszeiten nicht ausgereicht« hätten und in Zeiten der Geldentwertung so geringe Geldmittel aufweisen würden, »dass sie selbst in Verbindung mit den Seminarbeiträgen kaum zu den allerdringlichsten Ausgaben, nicht mehr aber zur Anschaffung von Büchern und Zeitschriften ausreichen.«140 Als Konsequenzen der finanziellen Notlage folgten Gehaltskürzungen, Beschaffungsund Ausgabesperren, Gebührenerhöhungen und sogar Vakanzen von Lehrstühlen und Assistenzstellen.141 Oft mussten zudem geplante Bauvorhaben zurückgestellt werden oder konnten nur mit großer zeitlicher Verzögerung durchgeführt werden.142 Erst nach Ende der Inflation und dem Übergang in eine Phase der relativen politischen und wirtschaftlichen Stabilität stieg die Haushaltsquote für universitäre Ausgaben in Preußen merklich an.143 In den Jahren 1924 bis 1929 lag der Durchschnittswert bei 1,2 Prozent. Auch zu Beginn der 1930er Jahre blieb der Anteil auf diesem Niveau. Allerdings brachen infolge der Weltwirtschaftskrise die Steuereinnahmen von Reich und Ländern ein. Dies führte zwischen 1930 und 1932 zur Kürzung des preußischen Staatsetats um circa 40 Prozent. Folglich gingen auch die Zuschüsse für die Universitäten stark zurück: 1929 waren es circa 70,8 Millionen Reichsmark, 1932 nur noch rund 43,2 Millionen. Damit lagen die staatlichen Ausgaben in etwa wieder auf dem Niveau von 1924 (44,4 Millionen Reichsmark).144 An der Universität Bonn führte die Reduzierung der Staatsgelder zu Beginn der 1930er Jahre erneut zu Einsparungen, die sich hauptsächlich in Gehaltskürzungen und Bauverzögerungen niederschlugen. Hatte der preußische Haushalt für 1928 noch 3,44 Millionen Reichsmark veranschlagt, konnte die alma mater vier Jahre später nur noch mit staatlichen Zuschüssen in Höhe von
140 UAB, MF 79 15, Denkschrift vom 01. 03. 1922 über die Lage und Wünsche der Universität Bonn aufgrund sorgfältiger Vorarbeiten aller Fakultäten vom akademischen Senat zusammengestellt, S. 6. 141 Vgl. UAB, Kur 106 H 6, Bd. 2, Sparmaßnahmen. Personalangelegenheiten (1923–1925), Schreiben von Kurator Norrenberg an das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung »betreff. Sparmaßnahmen bei der Universität Bonn« vom 21. 12. 1923; UAB, Kur 106, H 6, Bd. 1, Sparmaßnahmen. Allgemeines (1923–1924), Schreiben des preußischen Kultusministeriums vom 18. 12. 1923. 142 UAB, Kur 106, H 6, Bd. 1, Sparmaßnahmen. Allgemeines (1923–1924), Schreiben des preußischen Hochbauamts an Kurator Norrenberg vom 19. 11. 1923 sowie Zeitungsausschnitt aus dem Bonner General-Anzeiger vom 04. 12. 1923. 143 Die staatlichen Zuschüsse für die Universität Bonn stiegen im Zeitraum von 1924 bis 1928 von 1,9 Millionen Reichsmark auf 3,4 Millionen Reichsmark, dies entsprach einer Steigerung von circa 79 Prozent. 144 Pfetsch, Datenhandbuch, S. 120.
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3,1 Millionen Reichsmark planen.145 Ein Vergleich der zehn im preußischen Etat aufgeführten Universitäten zeigt, dass die Verminderung der staatlichen Zuweisungen hauptsächlich zu Lasten der Universität Bonn ging: Während die für universitäre Zwecke bestimmten Staatsausgaben im preußenweiten Durchschnitt nur um knapp dreieinhalb Prozent sanken, nahmen sie für Bonn um annähernd neun Prozent ab. Tabelle 9: Geplante Einnahmen der preußischen Universitäten aus Staatsmitteln in den Rechnungsjahren 1928 und 1932 (in Mio. Reichsmark) Universität Berlin
1928 8,65
1932 8,34
Universität Halle a. d.S.
1928 3,64
1932 3,48
Bonn Breslau
3,44 3,89
3,10 3,98
Kiel Königsberg
3,18 3,42
3,24 3,31
Göttingen Greifswald
3,19 2,42
3,08 2,40
Marburg Münster
2,90 2,72
2,74 2,64
Quellen: Haushaltspläne des Preußischen Staates für die Rechnungsjahre 1928 und 1932.
Für die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität ergab sich daraus, dass sie im Verhältnis von staatlichen Zuschüssen pro Studierendem am Ende der Weimarer Republik deutlich ungünstiger gestellt war als Universitäten mit geringeren Studierendenzahlen. So konnten die Universitäten in Marburg und Göttingen im Vergleich mit Bonn rund das Eineinhalbfache, Halle und Greifswald sogar circa das Zweieinhalbfache an Staatsgeldern für ihre Studierenden aufwenden. Tabelle 10: Verhältnis der staatlichen Zuschüsse pro Studierendem an den preußischen Universitäten im Rechnungsjahr 1932
Berlin Bonn
12.544 5.625
Staatliche Staatliche Zuschüsse Zuschüsse Universität Studierende (in RM) pro (in RM) pro Studierenden Studierenden 665,21 Halle a. d.S. 2.386 1.459,40 551,38 Kiel 2.499 1.295,52
Breslau Göttingen
4.160 3.350
957,47 919,69
Universität Studierende
Königsberg 3.233 Marburg 2.973
1.024,31 921,95
4.130 638,54 Greifswald 1.645 1.459,31 Münster Quellen: Eigene Berechnungen nach dem Haushaltsplan des Preußischen Staates 1932 sowie Titze, Datenhandbuch, Band 1, 2. Teil.
145 Berechnet nach den Haushaltsplänen des Preußischen Staates für das Rechnungsjahr 1928 und 1932.
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Doch waren staatliche Zuweisungen, wie erwähnt, nicht die einzige Einnahmequelle der Universitäten. Aus den Haushaltsplänen des preußischen Staates geht hervor, dass es sich bei den »Einnahmen aus eigenem Erwerb« der Bonner Universität hauptsächlich um solche der Universitätskliniken handelte.146 Ihr Anteil an den Gesamteinnahmen der Universität belief sich 1932 auf circa 22 Prozent. Die Hälfte, rund zehn Prozent, machten die von den Studierenden zu entrichtenden Gebühren (unter anderem Aufnahme-, Studien-, Hörer-, Promotions-, Kanzlei- und Ausfertigungsgebühren) aus. Zusätzliche Einkünfte erzielte die Bonner Hochschule aus nahestehenden Stiftungen (1932: 0,2 Prozent) sowie aus Kapitalzinsen und Grundstückseinkünften (1932: ebenfalls 0,2 Prozent). Auf der Ausgabenseite schlugen demgegenüber laufende Aufwendungen für Personal- und Sachmittel zu Buche. Im preußischen Haushaltsplan des Jahres 1932 waren für die Universität Bonn fortlaufende Kosten in Höhe von 4,7 Millionen Reichsmark einkalkuliert.147 Den größten Posten bildeten die Ausgaben für das wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Personal148 mit rund 53 Prozent, wovon wiederum knapp 40 Prozent auf die Besoldung der Professoren entfielen. Die Sachkosten hatten einen Anteil von rund 42 Prozent an den Gesamtausgaben. Darin eingeschlossen waren alle Verwaltungs- und Betriebskosten (Heizung, Beleuchtung, Schreibmittel, Postgebühren, Instandsetzung et cetera). Größter Kostenfaktor hierbei waren die klinischen Anstalten, für die circa 58 Prozent aller Sachkosten veranschlagt wurden. Zusätzlich zu den laufenden Kosten für Personal- und Sachmittel führten die preußischen Haushaltspläne jeweils auch außerordentliche Ausgaben auf. Dabei handelte es sich um Mittel für einmalige Investitionen (Beschaffung von Apparaturen et cetera) und für die Umsetzung größerer Bauvorhaben. Der Universität Bonn wurden insbesondere im Zuge der Erweiterungsmaßnahmen am Universitätshauptgebäude ab Mitte der 1920er Jahre hohe Geldbeträge aus dem preußischen Staatshaushalt zur Verfügung gestellt: 1924 erhielt sie 11,9 Prozent (0,6 Millionen Reichsmark) aller für die preußischen Universitäten bestimmten Sondermittel. 1928 waren es sogar 14,2 Prozent (0,85 Millionen Reichsmark).149 Allerdings kam es auch hier infolge der Weltwirtschaftskrise zu drastischen Einsparungen. 1932 stand im preußischen Haushalt nur noch ein Fünftel der 146 Vgl. Haushaltsplan des Preußischen Staates 1932, S. 176f. 147 Ebd., S. 176–179. 148 Die Personalkosten umfassten Besoldung und Nebenzulagen der Professoren, wissenschaftlichen Assistenten und Beamten sowie die Gehälter und Löhne der Angestellten und Arbeiter. 149 Im Vergleich der preußischen Universitäten lag die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität damit sowohl 1924 als auch 1928 jeweils an zweiter Position hinter Münster beziehungsweise Berlin.
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Sonderausgaben von 1928 bereit.150 Für die Universität Bonn bedeutete dies, dass ihr finanzieller Handlungsspielraum in einer wirtschaftlich ohnehin schon schwierigen Zeit noch stärker eingeengt wurde.
Besondere Forschungs- und Lehreinrichtungen151 Universitätsbibliothek und Studentenbücherei Die Bibliothek der Universität hatte in der Weimarer Republik große Schwierigkeiten: Es gab personelle und materielle Engpässe, und die räumlichen Unzulänglichkeiten im Ostflügel des Hauptgebäudes engten ihre Möglichkeit ein, den wachsenden Anforderungen als größte Universitäts- und Provinzialbibliothek des Rheinlands gerecht zu werden. Die Arbeitsplätze waren unzureichend beleuchtet, die Aufnahmekapazitäten der Büchersäle und Magazinräume nahezu erschöpft.152 Deshalb drängte die Bibliotheksverwaltung auf den Bau eines neuen Gebäudes. Bereits 1910 hatte der damalige Bibliotheksdirektor Wilhelm Erman in einer Denkschrift eindringlich für einen Neubau geworben; 1916 war ein Grundstück an der Poppelsdorfer Allee bereitgestellt worden.153 Allerdings scheiterte die Umsetzung des Bauvorhabens zu Beginn der 1920er Jahre an der schlechten Finanzlage des preußischen Staates. Erich von Rath,154 der im Januar 1921 die Nachfolge von Wilhelm Erman angetreten hatte, versuchte in der Folge mittels baulicher Veränderungen und der Übernahme freigewordener Räume des Englischen Seminars des Platzmangels Herr zu werden; doch die Verbesserungen halfen nur kurz. Größere Fortschritte gab es erst Anfang der 1930er Jahre, als die Bibliothek im Zuge des Erweiterungsbaus der Universität die Räumlichkeiten des ehemaligen Juristischen Seminars hinzugewann. Diese wurden zu einem zweistöckigen Magazin mit rund 6.000 Regalmetern Stellfläche ausgebaut.155 Zusammen mit der Vergrößerung und Modernisierung der Benutzer- und Arbeitsräume konnte die Raumnot mittelfristig gemildert werden. Insgesamt gelang es der Universitätsbibliothek trotz der widrigen Umstände, 150 Der preußische Etat von 1928 stellte für »einmalige Ausgaben« der Universitäten (ohne Frankfurt) 5,98 Millionen Reichsmark zur Verfügung; vier Jahre später waren es nur noch rund 1,17 Millionen. Die Universität Bonn erhielt davon 25.300 Reichsmark. Gegenüber der Summe von 1928 bedeutete dies einen Rückgang um das Dreiunddreißigfache. 151 Siehe hierzu und insbesondere zur Ausgliederung der Wirtschaftswissenschaften aus der Philosophischen Fakultät und der Schaffung der Staatswissenschaftlichen Fakultät die entsprechenden Fakultätskapitel in Band 3 dieser Festschrift. 152 Vgl. Chronik 1918/19, S. 78–80. 153 Ermann, Denkschrift; ders., Erinnerungen, S. 272–281. 154 Mummendey, Bibliothekare, S. 82–84. 155 Chronik 1930/31, S. 84.
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in der Weimarer Zeit ihren Rang als größte und bedeutendste Bibliothek des Rheinlands zu wahren.156 Ihre Benutzerfrequenz stieg nach krisenbedingtem Rückgang zwischen 1921 und 1923 (circa 79.300 Buchbestellungen pro Jahr) von Mitte der 1920er Jahre bis zum Ende der Weimarer Republik. 1932/33 gingen mehr als 208.000 Literaturbestellungen bei der Bibliothek ein – eine Zahl, die weit über der der Vorkriegsjahre lag (1913: circa 153.0000 Bestellungen) und erst Ende der 1950er Jahre wieder erreicht wurde.157 Tabelle 11: Benutzerfrequenz der Bonner Universitätsbibliothek 1921–1933 Jahr 1921/22
Bestellungen der Bonner Benutzer 91.964
Auswärtige Bestellungen 11.575
Gesamt 103.539
1923/24 1925/26
74.748 86.963
4.573 10.742
79.321 97.705
1927/28 1929/30
117.200 154.859
16.991 22.507
134.191 177.366
1932/33 181.832 26.601 Quelle: Schürfeld, Universitätsbibliothek, S. 43, S. 45.
208.433
Der Bestand der Bonner Universitätsbibliothek vermehrte sich in der Weimarer Zeit von circa 434.000 auf 564.000 Bände – eine Steigerung von rund 30 Prozent. In den ersten Nachkriegsjahren war man darauf bedacht, die im Laufe der Kriegszeit entstandenen Bestandslücken zu schließen. Wegen der Inflation standen allerdings kaum Gelder zum Ankauf neuer Werke zur Verfügung.158 Dennoch gelang es der Bibliothek, ihren Fundus zu vergrößern – hauptsächlich durch Tausch, Pflichtlieferungen sowie Schenkungen von Privatpersonen und nationalen beziehungsweise internationalen Fördereinrichtungen.159 Zwischen 1924 und 1930 entwickelten sich die Verhältnisse der Bibliothek günstig: Ihr Etat 156 UAB, Kur 106, C 20: Zeitungswesen (1844–1937), Artikel der Stollberger Zeitung vom 15. 07. 1925, »Die Bonner Universitätsbibliothek im Geistesleben des Rheinlands«. 157 Schürfeld, Universitätsbibliothek, S. 42–48, S. 93–96. 158 Chronik 1923/24, S. 66. 159 Umfangreiche Schenkungen an Büchern und Zeitschriften verdankte die Bonner Universitätsbibliothek während der Weimarer Jahre unter anderem der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft (mehr als 18.000 Bände), dem Alt-Katholischen Bistum (1922/23: 5.302 Bände), dem Amerika-Institut in Berlin sowie der Germanistic Society of America. Die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn unterstützte den Erwerb neuer Literatur mit größeren Geldspenden; der Bonner Romanist Ernst Robert Curtius steuerte aus seiner Privatsammlung französische und italienische Werke bei. Unter den ProfessorenNachlässen, die der Universitätsbibliothek übergeben wurden, befanden sich unter anderem die Bibliotheken beziehungsweise Korrespondenzen des Kunsthistorikers Carl Justi, des Juristen Paul Krüger sowie des Indiologen Hermann Jacobi. Ein Großteil des Nachlasses von Gottfried und Johanna Kinkel konnte 1928/29 durch Ankauf erworben werden. Vgl. Schürfeld, Universitätsbibliothek, S. 29f.; Brandt-Schwarze, Nachlass, S. VIIIf.
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wuchs von rund 85.000 auf circa 178.000 Reichsmark. Damit standen auch mehr Gelder zur Anschaffung von Büchern und Zeitschriften zur Verfügung.160 Die Bonner Bibliothek war spezialisiert auf den Erwerb aller im und über das Rheinland erschienenen Werke sowie auf die Pflege einer seit 1910 geführten Sammlung französischer und niederländischer Schriften.161 Wertvolle Stücke der Bibliotheksbestände wurden oftmals auf Ausstellungen gezeigt, so unter anderem 1925 bei der »Jahrtausendfeier der Rheinlande« in Köln sowie 1928 bei der ebenfalls dort veranstalteten Internationalen Presse-Schau »Pressa«.162 Zu Beginn der 1930er Jahre traten infolge der Weltwirtschaftskrise erneut erhebliche Probleme für die Universitätsbibliothek auf: Da die staatlichen Zuschüsse massiv reduziert wurden und die Gebühreneinnahmen stark rückläufig waren, sank der Etat binnen zwei Jahren um rund 30 Prozent von 178.000 auf 128.570 Reichsmark. Dass der Bücherbestand trotz der Einbußen vermehrt werden konnte, war in erster Linie das Ergebnis des beträchtlichen Preisverfalls auf dem deutschen und internationalen Büchermarkt.163 Eine Ergänzung zur Universitätsbibliothek und zu den speziellen Seminarund Institutsbibliotheken war die von der Studentenschaft verwaltete Studentenbücherei. Sie ging auf eine Stiftung der Rheinischen Provinzialverwaltung und der Stadt Bonn anlässlich des einhundertsten Gründungstags der Universität zurück und wurde im Februar 1919 als erste ihrer Art in Deutschland eröffnet.164 Ihre Räumlichkeiten befanden sich zunächst im ersten Stockwerk der Buchhandlung Cohen (Bouvier) gegenüber der Universität, im Herbst 1923 zog sie ins Universitätshauptgebäude um.165 Nachdem sie dort kurzzeitig im Auditorium untergebracht worden war, siedelte die Studentenbücherei im Herbst 1924 in die ehemaligen Räume der Mensa academica im ersten Stock des
160 Die Einnahmen der Universitätsbibliothek wuchsen in erster Linie durch die rasch zunehmende Zahl der Studierenden. Im Rechnungsjahr 1930/31 machten die Gebühren rund zwei Drittel (111.205 Reichsmark) des Gesamtetats der Bibliothek aus. Weitere Einnahmen erzielte man u. a. durch Zahlungen von Einzelbenutzern und Gebühren aus dem Fernleihverkehr sowie aus staatlichen und privaten Fonds. Der Etat zum Erwerb von Büchern und Zeitschriften stieg 1924 bis 1930 von circa 59.700 auf 118.630 Reichsmark. Schürfeld, Universitätsbibliothek, S. 27f. 161 Sander, Universitäts-Bibliothek, S. 30; UAB, Kur 106, C 20: Zeitungswesen (1844–1937), Artikel der Stollberger Zeitung vom 15. 07. 1925, »Die Bonner Universitätsbibliothek im Geistesleben des Rheinlands«. 162 Schürfeld, Universitätsbibliothek, S. 59. 163 Die Universitätsbibliothek erwarb im Rechnungsjahr 1932/33 circa 11.300 neue Bände. Zum Vergleich: 1928/29 waren es rund 11.400 Bände. 164 Ermann, Studentenbücherei, S. 163. Initiator zur Stiftung einer studentischen Präsenzbibliothek an der Universität war der Bonner Ordinarius für Kunstgeschichte Paul Clemen. Hofstetter, Studentenbücherei, S. 194. 165 Oehler, Studentenbücherei, S. 167.
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Nordwestflügels über, wo sie Platz für etwa 200 Benutzer hatte.166 Die Studentenbücherei hatte den Anspruch, in überschaubarem Umfang die wichtigsten und aktuellsten Werke aus Deutschland und dem Ausland zu führen, damit sich die Studierenden über ihre Fachgrenzen hinaus – im Sinne des Studium universale – umfassend weiterbilden konnten.167 Im April 1932 umfasste der Bestand rund 13.400 Bände sowie mehr als 300 deutsch- und fremdsprachige Zeitungen und Zeitschriften. Nicht zuletzt auch aufgrund ihrer »behaglichen klubartigen«168 Atmosphäre erfreute sich die Studentenbücherei großer Beliebtheit: 1931/32 wurden täglich mehr als 1.400 Benutzer gezählt.
Hochschulsport und das »Institut für Leibesübungen« Sport in seinen zahlreichen Bewegungs-, Spiel- und Wettkampfformen wurde in der Gesellschaft der Weimarer Zeit zunehmend attraktiv – neben gesundheitlichen und erzieherischen Aspekten erlangte er auch in militärischer Hinsicht als Ersatzfunktion Bedeutung: Mithilfe körperlicher Erziehung sollten die durch den Versailler Vertrag auferlegten Einschränkungen im Heereswesen kompensiert und die Wehrfähigkeit des Volkes gefördert werden.169 Schon 1921 hatte der Senioren-Convent, also der Zusammenschluss der Bonner Corps, für seine Aktiven eine verbindliche Leichtathletikstunde pro Woche angesetzt. An den preußischen Universitäten war ab 1924 jeder Studierende angehalten, »mindestens in seinen zwei ersten Studiensemestern wöchentlich an wenigstens einer praktischen Übung bei dem akademischen Turn- und Sportlehrer«170 teilzunehmen. Das Kultusministerium entsprach damit Forderungen, die in Deutschland bereits zu Beginn der 1920er Jahre sowohl in der Professorenschaft als auch in der Studentenschaft geäußert worden waren.171 Die organisatorische Verankerung des Sports an der Bonner Universität erfolgte 1925 mit der Gründung des »Instituts für Leibesübungen« (IfL). Es vereinigte alle bestehenden Hochschulsportangebote und war für die sportliche Ausbildung der Lehramtsstudenten zuständig, ab 1930 auch für die Betreuung eines eigenständigen Turn- und Sportlehrerstudiengangs.172 Das Institut unterLang, Studentenbücherei, S. 60f. Oehler, Studentenbücherei, S. 168f. Lelbach, Studentenbücherei, S. 102. Gehlen, Mens sana, S. 77. Schwarzer, Leibesübungen, S. 420. Der 1921 in Halle an der Saale abgehaltene 2. Deutsche Hochschultag beschäftigte sich ausführlich mit der Frage der Leibesübungen für Studierende und trat für die Schaffung eines »Deutschen Hochschulamtes für Leibesübungen« ein. Schlink, Rektorenkonferenz, S. 594. Siehe auch Jansen, Hochschulsport, S. 207; Beyer, Sport, S. 666f. 172 Das IfL schloss zunächst auch die Studierenden der Landwirtschaftlichen Hochschule in 166 167 168 169 170 171
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stand keiner Fakultät, erhielt allerdings beratende Unterstützung durch den mit Vertretern der Fakultäten besetzten akademischen Ausschuss für Leibesübungen.173 Ein daneben existierendes studentisches Amt für Leibesübungen half bei der Organisation des Wettkampfbetriebs. Die Leitung des IfL oblag dem akademischen Turn- und Sportlehrer.174
Abb. 4: Karikatur auf den seit 1921 im Bonner Senioren-Convent eingeführten Sport
Mit dem Ausbau des Hochschulsports vergrößerte sich auch das Sportangebot der Universität: Neben die klassischen akademischen Disziplinen Fechten, Turnen und Rudern traten in der Weimarer Zeit verstärkt Leicht- und Schwerathletik sowie Ballsportspiele. Eine Reihe neuer Sportarten wie Boxen, Reiten, Jiu-Jitsu, Kleinkaliberschießen und Segelfliegen werteten das Hochschulsportprogramm zusätzlich auf. An den akademischen Leibesübungen beteiligten sich im Sommersemester 1925 mehr als 25 Prozent aller Studierenden der Bonner
Poppelsdorf mit ein, ehe dort 1926 ein eigenständiges Sportinstitut eingerichtet wurde, das unter der Leitung des Akademischen Turn- und Fechtlehrers Dr. Müller stand. Schwarzer, Leibesübungen, S. 424–426. 173 Der Ausschuss für Leibesübungen umfasste den Rektor als Vorsitzenden, den akademischen Turn- und Sportlehrer, den Sportarzt der Universität, je einen von den fünf Fakultäten entsandten Dozenten sowie in gleicher Anzahl Vertreter der Studentenschaft. Ebd., S. 421. 174 Erster Leiter des Bonner Instituts für Leibesübungen war Dr. Aloys Schwarzer, der bereits zuvor ab 1923 die hauptamtliche Stelle des akademischen Turn- und Fechtlehrers an der Universität bekleidet hatte. Jansen, Hochschulsport, S. 207.
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Universität.175 Als Übungsstätten dienten neben den öffentlichen Sportanlagen im Stadtgebiet zwei universitätseigene Turn- beziehungsweise Gymnastikhallen im Hauptgebäude.176 Auch die Hofgartenwiese wurde zwischen 1919 und 1926 zeitweilig für sportliche Zwecke genutzt, doch Forderungen der Studentenschaft, dort dauerhaft einen Universitätssportplatz einzurichten, erteilten die Stadtund Universitätsbehörden eine Absage.177 Im sportlichen Wettbewerb mit anderen Hochschulen verbuchten die Studierenden der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität viele Erfolge: Bei den jährlich ausgetragenen westdeutschen Hochschulmeisterschaften gewannen sie Titel im Fußball, Handball, Faustball, Schlagball und Geräteturnen. Darüber hinaus errang die Universitätshockeymannschaft 1925 und 1929 die gesamtdeutsche Meisterschaft; bei der 8. Deutschen Hochschulolympiade 1927 in Königsberg erreichten Bonner Studierende in vielen Disziplinen (unter anderem 100-Meter-Lauf, Speerwerfen und Hochspringen) ebenfalls Podiumsplätze.178 Die Förderung des sportlichen Wettkampfs und die »Vermittlung echter Körperkultur im weitesten Sinne«179 trat in der Endphase der Weimarer Zeit immer deutlicher hinter der »Betonung des wehr- und geländesportlichen Gedankens«180 zurück. Paramilitärische Übungen wie Schießen, Zielwerfen mit Handgranatattrappen und Geländeläufe gehörten nun neben Kampf- und Mannschaftssportarten zum festen Bestandteil des Hochschulsports, der auf diese Weise Vorschub für die von den Nationalsozialisten betriebene Erziehungspolitik leistete.181
Die Studierenden Das Leben der Studierenden, die die Bonner Universität in der Weimarer Zeit besuchten, unterschied sich erheblich von dem der Vorkriegsjahre. Nicht nur, dass der Weltkrieg physische und psychische Narben hinterlassen hatte, nun bestimmten auch bis dahin kaum gekannte soziale und wirtschaftliche Nöte den 175 Chronik 1924/25, S. 47. 176 Zusätzlich zur bereits vor dem Ersten Weltkrieg bestehenden Universitätsturnhalle im Westflügel des Hauptgebäudes richtete die Universität im Wintersemester 1924/25 eine neue Gymnastikhalle mit Sprung- und Wurfgrube in den Räumen der ehemaligen Mensaküche ein. Schwarzer, Leibesübungen, S. 426f. 177 Ebd., S. 428. 178 Siehe dazu die jährlichen Berichte des Instituts für Leibesübungen, abgedruckt in den Chroniken der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 179 Schwarzer, Leibesübungen, S. 422. 180 Chronik 1932/33, S. 56. 181 Jansen, Hochschulsport, S. 208.
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Alltag. Viele Studierende litten unter Wohnungsnot, Armut und Hunger. Hinzu kam Unsicherheit über die berufliche Zukunft, verstärkt durch die Inflation und später die Weltwirtschaftskrise. Insbesondere die ersten Monate der Besatzungszeit blieben vielen angesichts zahlreicher Entbehrungen in schlechter Erinnerung. Chemiestudent Helmut Diester, Mitglied des Studentencorps Hansea, notierte in seinen Erinnerungen zur Stimmungslage in Bonn: »Es war damals keine Lust Student zu sein!«182 Aus studentischem Engagement erwuchsen schließlich sozialwirtschaftliche Einrichtungen, die für die Hochschüler der Universität unentbehrlich wurden. Zugleich wurde mit der Gründung eines Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) erstmals studentische Selbstverwaltung institutionalisiert. Die Generation der »Weimarer« Studierenden legte den Grundstein für studentische Hilfsund Fördereinrichtungen, die in moderner Form von Studentenwerk und Studentenvertretung noch heute an der Universität bestehen.
Anzahl und Sozialstruktur Nach der Zahl der eingeschriebenen Studierenden zählte die Universität Bonn in der Weimarer Republik zu den größten deutschen Hochschulen: Im Durchschnitt hatte die Bonner alma mater in den Jahren von 1918 bis 1933 5.036 Studierende.183 Mit mehr als 6.300 Studierenden zu Beginn der 1930er Jahre lag sie im reichsweiten Vergleich unter den insgesamt 23 bestehenden Universitäten an vierter Stelle hinter Berlin, München und Leipzig.184 Tabelle 12: Anzahl der eingeschriebenen Studierenden an den zehn größten deutschen Universitäten (1930) 1. Berlin 2. München
13.120 8.740
6. Breslau 7. Göttingen
4.347 4.425
3. Leipzig 4. Bonn
6.938 6.369
8. Münster 9. Freiburg i. Br.
4.149 4.034
5. Köln 5.821 10. Marburg Quellen: Titze, Datenhandbuch, Band 1, 2. Teil, S. 64.
3.918
Die Entwicklung der Bonner Studierendenzahlen während der Weimarer Jahre glich einer Welle mit zwei Hochpunkten je am Beginn und am Ende dieser Zeit mit einem Tiefstand Mitte der 1920er Jahre. 182 Zit. nach Dettweiler, Korps Hansea, S. 212. 183 Eigene Berechnungen auf Grundlage der in den Chroniken der Universität Bonn angegebenen Studierendenzahlen. 184 Titze, Datenhandbuch, Bd. 1, 2, S. 64.
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Wie an allen Universitäten im Reich gab es auch in Bonn unmittelbar nach Kriegsende einen starken Andrang. Nun kehrten viele Frontsoldaten zurück, die ihr Studium unterbrochen hatten. Ferner wichen viele junge Menschen auf ein Studium aus, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage zu Beginn der Weimarer Republik wenig berufliche Perspektiven sahen. Allerdings war der Ansturm auf die Universität in Bonn nur von kurzer Dauer. Waren im Sommersemester 1919 noch mehr als 7.000 Studierende immatrikuliert, so besuchten ein Semester darauf nur noch circa 5.200 Studierende die Hochschule. Die Zahl sank also um mehr als ein Viertel. Tabelle 13: Zuwachs-/Verlustraten der Studierenden an der Universität Bonn sowie an den deutschen Universitäten 1920–1925 (Angaben jeweils für die Sommersemester in Prozent) 1920* 1921 1922 1923 1924 1925 - 24,1 - 10,9 - 10,1 - 13,7 - 18,4 - 0,4 + 0,9 - 3,3 + 1,1 - 20,2 - 12,5 Deutsche Universitäten insgesamt - 3,0 * Die Angaben für 1920 beziehen sich auf die Studierendenzahlen im Sommersemester 1919, die nachfolgenden Werte jeweils auf das vorangegangene Sommersemester. Siehe dazu auch die nachfolgende Tabelle. Quellen: Eigene Berechnungen auf Grundlage der Zahlen von Titze, Datenhandbuch, Bd. 1, 1. Teil, S. 29f. sowie 2. Teil, S. 112. Universität Bonn
Vergleicht man den Trend rückläufiger Studentenzahlen in Bonn mit dem an anderen deutschen Universitäten, so zeigt sich, dass die Entwicklung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität früher und stärker eintrat als anderswo. Während in Deutschland die Immatrikulationszahlen vielerorts erst nach dem Krisenjahr 1923 massiv einbrachen, lag die Verlustrate in Bonn bereits zu Beginn der 1920er Jahre im zweistelligen Bereich. Als Hauptgründe lassen sich zum einen die schlechte finanzielle Lage der Studierenden, zum anderen die bedrückende Situation im besetzen Bonn ausmachen.185 Unmittelbar nach dem Abzug der französischen Besatzung fand ein erneuter Ansturm auf die Universität statt. Waren es im Wintersemester 1924/25 noch 2.600 Studierende, so gab es im Sommersemester 1926 bereits wieder knapp 4.000 Hochschüler : ein Anstieg von rund 50 Prozent. Die Aussicht, in der nicht mehr besetzten Stadt an einer traditionsreichen Universität studieren zu können, war offenbar vielen Studierenden ein Anreiz. Darüber hinaus drängten die geburtenstarken Jahrgänge der Kaiserzeit an die Universität.186 Im Sommerse185 Herzberg/Höroldt, Stadtraum, S. 207; Holz, Studierendenschaft, S. 24. 186 In den 1890er Jahren lag die Zahl der Neugeborenen bei 1,96 Millionen; der Geburtenüberschuss lag bei 13,9 Promille. Im nachfolgenden Jahrzehnt übertraf die Zahl der Geborenen knapp zwei Millionen; der Geburtenüberschuss stieg auf 14,3 Promille. Im Vergleich damit lag die Zahl der Geborenen in den Jahren 1871 bis 1890 unterhalb von 1,8 Millionen; der Geburtenüberschuss betrug 11,8 Promille. Insgesamt stieg die Zahl der Einwohner im Kaiserreich von 49,2 Millionen (1890) auf 64,4 Millionen (1910). Ritter, Kaiserreich, S. 27f.; Statis-
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mester 1928 lag der Anteil von Erstsemestern an der Universität bei rund 25 Prozent.187 Die Höchstzahl eingeschriebener Studierender erreichte man im Sommersemester 1931 mit rund 7.300 Hörern. Grund war offenbar, dass infolge der Weltwirtschaftskrise und der schlechten Berufsaussichten viele hochschulberechtigte Schulabgänger zunächst ein »Parkstudium« aufnahmen, bevor sie in den Arbeitsmarkt eintraten.188 Die Zeitgenossen empfanden die steigende Studierwilligkeit unter den Jugendlichen als Bedrohung, sodass sich zusehends das Schlagwort vom »akademischen Proletariat«189 verbreitete. Tabelle 14: Studierendenzahlen an der Universität Bonn in den Sommersemestern 1919–1932 1919 7.047
1920 5.350
1921 4.767
1922 4.285
1923 3.698
1924 3.018
1925 3.007
1926 3.921
1927 4.879
1928 5.726
1929 6.643
1930 7.264
1931 7.292
1932 6.696
Quellen: Chroniken der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1919/20–1931/32.
Blickt man auf die soziale Herkunft der Studierenden an der Universität Bonn in der Weimarer Zeit, so zeigt sich, dass der Anteil derjenigen, die aus den unteren Schichten stammten, sich im Vergleich mit dem Kaiserreich zeitweise vervierfacht hatte (1886: 2 Prozent; 1924: 8 Prozent).190 Gleichwohl stammten die weitaus meisten Studierenden wie schon vor dem Ersten Weltkrieg aus der Oberund Mittelschicht. Im Wintersemester 1924/25 waren es mehr als 90 Prozent der Studierenden. Auffällig ist jedoch, dass die Oberschicht gegenüber der Mittelschicht deutlich weniger stark vertreten war und im Vergleich mit der Kaiserzeit um 20 Prozentpunkte verloren hatte.191 Mehr als ein Drittel aller Studierenden stammte nun aus Beamtenfamilien.192
187
188 189 190 191 192
tisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011, Lange Reihen: Bevölkerung nach dem Gebietsstand. Siehe auch Mens, Not, S. 40; Jarausch, Studenten, S. 132. Damit lag die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität über dem Durchschnittswert aller preußischen Universitäten (22,3 Prozent) beziehungsweise aller Universitäten im Reich (23,8 Prozent). An der Universität zu Köln waren zur selben Zeit lediglich 17,2 Prozent Erstsemester eingeschrieben. Kuske, Stellung, S. 246. Vgl. Holz, Studierendenschaft, S. 24f. Chronik 1928/29, S. 2. Holz, Studierendenschaft, S. 14–16. Ebd., S. 15. Ebd., S. 16.
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Tabelle 15: Soziale Rekrutierung193 der Studierenden an der Universität Bonn (Angaben in Prozent)
Oberschicht Mittelschicht
Wintersemester 1886/87 53 45
Wintersemester 1924/25 34 58
Sommersemester 1927 34 61
Unterschicht Gesamt
2 100
8 100
5 100
Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage von Holz, Studierendenschaft, S. 15f. Zahlen gerundet.
Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit überwogen an der Universität Bonn die Katholiken. Zu Beginn der 1930er Jahre betrug ihr Anteil rund 54 Prozent, während etwa 42 Prozent der Immatrikulierten evangelisch und drei Prozent jüdisch waren.194 Damit unterschied sich die Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität weitgehend von den anderen Hochschulen im Reich; dort studierten überwiegend Protestanten (1930: durchschnittlich 65,8 Prozent). Der hohe Anteil von Katholiken in Bonn ist in erster Linie auf die Herkunftsregion der Studierenden zurückzuführen, die hauptsächlich aus Landesteilen mit mehrheitlich katholischer Bevölkerung kamen, insbesondere aus dem Rheinland (1930: 66,2 Prozent) und Westfalen (14 Prozent).195
193 Die Kategorisierung der Studierenden erfolgt auf Grundlage des Einteilungsrasters der Deutschen Hochschulstatistik. Ihr zufolge zählen zu den Studierenden aus der Oberschicht Kinder von höheren Beamten, Angehörigen freier Berufe mit akademischer Bildung, Großlandwirten, Fabrikbesitzern und Privatangestellten in leitender Position. Zur Mittelschicht wird gerechnet, wer aus der Familie von mittleren Beamten, Freiberuflern ohne akademische Bildung, Kleinlandwirten, selbstständigen Handwerksmeistern, Handel- und Gewerbetreibenden und »sonstigen« Privatangestellten stammt. Zur Unterschicht zählen Kinder von Land- und Industriearbeitern, unteren Beamten, niederen Angestellten und Dienstboten. Keiser, Studium, S. 62–66. Das Einteilungsmodell nach Keiser findet auch in der neueren universitätshistorischen Forschung weiter Anwendung, siehe beispielsweise Paletschek, Tradition, S. 114, Fn 112. 194 Deutsche Hochschulstatistik, Bd. 5: Sommerhalbjahr 1930, S. 76. 195 Ebd., S. 96f. Die Zahlen beziehen sich auf die in Bonn eingeschriebenen reichsdeutschen Studierenden. Ausländische Studierende wurden nicht berücksichtigt.
51
Besatzungszeit und demokratische Öffnung (1918–1933)
Tabelle 16: Konfessionelle Gliederung der Studierenden an der Universität Bonn im Vergleich (Angaben für das Sommersemester 1930, in Prozent) Katholisch Evangelisch
Universität Bonn 53,9 41,7
Deutsche Universitäten insgesamt 27,4 65,8
Jüdisch Sonstige
3,0 1,4
4,3 2,5
Gesamt 100 100 Quelle: Deutsche Hochschulstatistik, Band 5: Sommerhalbjahr 1930, S. 76.
Aus dem Ausland stammten durchschnittlich etwa drei Prozent der Bonner Studierenden zwischen 1919 und 1932.196 1919 sank der Ausländeranteil unter ein Prozent, zu Beginn der 1920er Jahre stieg er wieder an.197 Der Höhepunkt wurde 1923 erreicht, als etwas mehr als fünf Prozent aller Studierenden ausländischer Herkunft waren. Insbesondere die für Ausländer günstigen Lebensunterhaltungskosten während der Inflationszeit wirkten attraktiv, ein Studium in Deutschland aufzunehmen.198 Tabelle 17: Ausländische Studierende an der Universität Bonn in den Sommersemestern 1919–1932 1919
1920
1921
1922
1923
1924
1925
0,88 % 1926
1,31 % 1927
2,71 % 1928
3,85 % 1929
5,05 % 1930
3,89 % 1931
3,22 % 1932
2,27 % 2,36 % 2,18 % 2,10 % 2,70 % Quelle: Titze, Datenhandbuch, Band 1, 2. Teil, S. 103.
2,87 %
2,93 %
196 Reichsausländer deutscher Abstammung, die in den vom Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg abgetrennten Gebieten lebten, galten gemäß Ministerialbeschluss vom 9. April 1923 an preußischen Universitäten und Hochschulen als Reichsinländer. Bonner Studentenführer 1932, S. 40. 197 Titze, Datenhandbuch, Bd. 1, 2, S. 103. 198 Ehling, Ausländer, S. 29–32. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass ausländische Studierende an den preußischen Universitäten im Vergleich mit Inländern ab 1921 zunächst den dreifachen Betrag an Gebühren (Immatrikulationsgebühren, Auditoriengelder, Bibliotheksgebühren etc.) zu entrichten hatten, ab 1922 im Zuge der fortschreitenden Geldentwertung sogar den fünffachen Betrag. Siehe UAB, Rekt. A 13,15, Bd. 1: Honorar für die Vorlesungen, Auditoriengelder (1910–1923). Die preußischen Universitäten sahen darin eine Möglichkeit, Mehreinnahmen für ihre chronisch klammen Kassen zu erzielen. Ferner dienten die höheren Abgaben für Ausländer als Steuerungsmittel, um den Andrang auf die Hochschulen zu regulieren. Nach der Währungsumstellung im November 1923 verteuerte sich das Studium für Ausländer im Deutschen Reich erheblich, so dass der Anteil ausländischer Studierender an den Universitäten abnahm. Titze, Datenhandbuch, Bd. 1, 2, S. 45. In Bonn sank der Ausländeranteil unter den Studierenden von 5,05 (1923) auf 2,1 Prozent (1929). Ein leichter Anstieg war erst wieder ab den 1930er Jahren zu verzeichnen.
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Verglichen mit den Ausländeranteilen der übrigen deutschen Hochschulorte lag die Bonner alma mater allerdings auf einem hinteren Platz. Während im Sommersemester 1930 der Reichsdurchschnitt bei 5,3 Prozent lag, waren in Bonn lediglich 2,7 Prozent ausländische Studierende eingeschrieben.199 Die Randlage der Stadt an der Westgrenze des Reiches sowie das Renommee von Großstadtuniversitäten wie Berlin, München und Leipzig dürften dabei eine Rolle gespielt haben.200 Die meisten in Bonn studierenden Ausländer kamen aus Europa (1930: 80,7 Prozent), gefolgt von Nordamerika (6,6 Prozent), Asien (6,1 Prozent) und Südamerika (4,4 Prozent).201 Die Mehrheit der Studierenden europäischer Herkunft stammte aus den nahegelegenen Staaten Belgien, Luxemburg und den Niederlanden (zusammen rund 25 Prozent). Ebenfalls stark vertreten waren Studierende aus Polen und der Freien Stadt Danzig (zusammen 19,2 Prozent) sowie Schweden (11 Prozent). Auffallend gering war dagegen der Anteil von Franzosen, die in Bonn nur knapp ein Prozent aller Studierenden aus dem europäischen Ausland ausmachten – offenbar ein Resultat des angespannten deutsch-französischen Verhältnisses nach dem Ersten Weltkrieg.202
Frauenstudium Die gesetzliche Gleichstellung von männlichen und weiblichen Studierenden schuf erst Art. 109 der Weimarer Verfassung.203 Erste Fortschritte für Frauen im Bildungsbereich zeigten sich, als Preußen an den Universitäten frauenspezifische Einschränkungen in Prüfungsordnungen und Zulassungsregelungen für bestimmte Berufe aufhob. Darüber hinaus erhielten Frauen 1920 das Recht, sich zu habilitieren.204 Die Öffnung der Universität für das weibliche Geschlecht ermunterte in der Weimarer Zeit auf lange Sicht junge Frauen, sich an Hochschulen einzuschrei199 Hinsichtlich der vorliegenden Zahlen für das Ausländerstudiums an 33 deutschen Hochschulstandorten im Sommersemester 1930 führte die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität mit 9,8 Prozent vor Leipzig (7,6 Prozent), München (6,6 Prozent) und Königsberg (5,9 Prozent). Die Plätze hinter der Bonner Universität belegten Erlangen (2,6 Prozent), Tübingen (2,3 Prozent), Halle an der Saale (2,0 Prozent), Köln (1,9 Prozent) und Münster (0,7 Prozent). Deutsche Hochschulstatistik, Band 5: Sommerhalbjahr 1930, S. 109. 200 Vgl. Grüttner, Studentenschaft, S. 192. 201 Deutsche Hochschulstatistik, Band 5: Sommerhalbjahr 1930, S. 110. 202 Der Eindruck verstärkt sich, nimmt man die Zahlen weiterer Semester in den Blick. Im ersten Nachkriegssemester war kein französischer Studierender an der Universität Bonn eingeschrieben. Auch 1922, während der Besatzungszeit, lag der Anteil der Franzosen an den ausländischen Studierenden lediglich bei acht Prozent. Amtliche Personalverzeichnisse der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1918/19 und 1922. 203 Art. 109 WRV, in: Blanke, Verfassungen, S. 264. 204 Kuhn/Mühlenbruch/Rothe, Frauenstudium, S. 42.
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ben. Auch in Bonn war dies zu beobachten, die Zahl der weiblichen Studierenden, die sich nach 1918 in die Immatrikulationsalben eintrugen, wuchs merklich an. Im Sommersemester 1919 schrieben sich 618 Frauen ein, etwa neun Prozent aller Bonner Studierenden. Am Ende der Weimarer Republik hatte sich der Frauenanteil mehr als verdoppelt: Der Spitzenanteil wurde im Sommersemester 1931 mit 1.653 Studentinnen (rund 23 Prozent) erreicht. Tabelle 18: Anzahl/Anteil der weiblichen Studierenden an der Universität Bonn in den Sommersemestern 1919–1932 1919 618
1920 501
1921 426
1922 379
1923 371
1924 338
1925 338
8,77 % 1926
9,36 % 1927
8,94 % 1928
8,84 % 1929
10,03 % 1930
11,20 % 1931
11,24 % 1932
501 798 953 1.202 1.461 1.653 1.375 12,77 % 16,36 % 16,64 % 18,10 % 20,11 % 22,67 % 20,53 % Quellen: Chroniken der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1919/20–1931/32.
Betrachtet man die Zahlen genauer, so erkennt man, dass die Entwicklung des Frauenstudiums in Bonn in mehreren Phasen verlief und Besonderheiten aufweist. Vom Sommersemester 1919 an nahm die Zahl der weiblichen Studierenden in Bonn bis zum Sommersemester 1925 ab, sogar weitaus deutlicher als an anderen deutschen Universitäten. In den Jahren 1920 bis 1922 lag die Verlustrate stets im zweistelligen Bereich. Erst 1926 stieg der Frauenanteil an. Die Ursache war wohl die preußische Schulreform aus dem Jahre 1925, die Mädchen den Zugang zum Abitur und somit auch zu den Hochschulen erleichterte.205 Zudem trug das Ende der Besatzungszeit in Bonn dazu bei, dass viele Studierende an die Universität strömten, darunter eine große Anzahl an Frauen. Dies wird deutlich, schaut man sich die Zuwachsraten der weiblichen Studierenden an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität insbesondere in den Jahren 1926 und 1927 an: Mit Werten von knapp 50 beziehungsweise 60 Prozent lagen sie weit über dem reichsweiten Durchschnitt. Insgesamt stieg die Zahl der in Bonn eingeschriebenen Frauen von 1926 bis 1931 um mehr als das Dreifache. Der Großteil ging einem Lehramtsstudium nach oder schrieb sich für medizinische Fächer ein.206
205 Ebd., S. 43. Zur Schulreform siehe auch Müller-Rolli, Schule. 206 Titze, Datenhandbuch, Bd. 1, 2, S. 108–115; Heimbüchel, Universität, S. 364.
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Tabelle 19: Zuwachs-/Verlustraten der weiblichen Studierenden an der Universität Bonn sowie an den deutschen Universitäten 1920–1930 (Angaben jeweils für die Sommersemester in Prozent) Universität Bonn Deutsche Universitäten insgesamt
1920* 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 +/- + + + + + - 18,9 - 2,1 - 8,9 15,0 11,0 0,0 48,2 59,3 19,4 26,1 21,5 - 2,7
+ 3,4
- 2,0
+ 8,1
14,9
- 9,1
+ 16,8
+ 21,0
+ 25,7
+ 23,8
+ 17,0
* Die Angaben für 1920 beziehen sich auf die Zahl der weiblichen Studierenden im Sommersemester 1919, die nachfolgenden Werte jeweils auf das vorangegangene Sommersemester. Siehe dazu auch die vorangestellte Tabelle. Quellen: Eigene Berechnungen auf Grundlage der Zahlen in Titze, Datenhandbuch, Band 1, 1. Teil, S. 29f. sowie 2. Teil, S. 112.
Doch so sehr Frauen in der Weimarer Republik das Alltagsbild der Universität prägten – es fehlte noch weitgehend an gesellschaftlicher Akzeptanz.207 Das vorherrschende Geschlechterverständnis der damaligen Zeit, welches Frauen traditionell in der Rolle der Ehefrau und Mutter sah, war der Boden für Widerstände gegen das Studium und die Berufstätigkeit von Frauen. Auftrieb erfuhren solche Ressentiments in Zeiten finanzieller Not und prekärer Berufsaussichten für Hochschulabsolventen.208 Dies war auch am Ende der Weimarer Republik der Fall, als die Berufsaussichten für Akademiker aller Fachrichtungen äußerst schlecht waren und Studentinnen von ihren männlichen Kommilitonen als bedrohliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt angesehen wurden.209
Soziale und wirtschaftliche Lage »Die Gebildeten in der Dauerkrise« – so betitelt Konrad Jarausch in seinem Buch über die Studierenden an den deutschen Universitäten das Kapitel über die Weimarer Republik.210 Er nennt die Sorgen und Nöte, die damals an den Hochschulen vorherrschten: materielle Not, ideelle Verarmung, Überfüllung des akademischen Berufsstands, Proletarisierung und Verelendung. Auch für die Bonner Universität treffen Jarauschs Beobachtungen zu. Während der Weimarer Republik litten viele Studierende unter Geldmangel. 207 Hinterberger, Kanzeln, S. 39f. 208 Kuhn/Mühlenbruch/Rothe, Frauenstudium, S. 42. 209 Die Chancen auf dem akademischen Arbeitsmarkt waren insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise sehr schlecht. 1931 gab es schätzungsweise nur 10.000 offene Stellen für rund 150.000 Bewerber. Benker/Störmer, Grenzüberschreitungen, S. 46; Hinterberger, Kanzeln, S. 39. 210 Jarausch, Studenten, S. 117.
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Ein Großteil lebte an der Grenze zur Armut oder darunter. Eine Umfrage des »Vereins Studentenwohl« ergab für das Wintersemester 1921/22, dass von rund 1.200 Studierenden fast 70 Prozent ein Einkommen unterhalb beziehungsweise nur knapp über der definierten Existenzminimumgrenze von 1.000 Mark im Monat hatte.211 Von dem wenigen Geld, das den Studierenden zur Verfügung stand, mussten nicht nur die studienbedingten Beiträge wie die Semestergebühren212 beglichen, sondern auch der Lebensunterhalt bestritten werden. In Bonn kam erschwerend hinzu, dass die Unterhaltskosten für den täglichen Bedarf durch die Besetzung höher waren als anderswo im Reich.213 Im Wintersemester 1923/24 benötigten die Bonner Studierenden etwa den doppelten bis vierfachen Geldbetrag, verglichen mit ihren Kommilitonen im unbesetzten Gebiet, um sich hinreichend versorgen zu können.214 Der gebürtige Bonner Hermann Josef Abs, in den 1950er und 1960er Jahren Vorstandssprecher der Deutschen Bank, musste 1921 sein Studium an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität bereits nach einem Semester abbrechen, weil es der Familie an Geld mangelte.215 Auch nach dem Ende der Besatzungszeit lebten viele Studierende weiterhin »in einem chronischen Zustand ökonomischer und sozialer Existenzgefährdung«.216 Angesichts der Probleme, von den Eltern hinreichend finanzielle Unterstützung zu erhalten, sahen sich viele Studierende gezwungen, ihren Lebensunterhalt mit Nebentätigkeiten zu verdienen. Der »Werkstudent« wurde zu einem Massenphänomen der Weimarer Zeit. Im Sommersemester 1922 gingen rund 60 Prozent aller deutschen Studierenden einer Nebentätigkeit nach: die meisten in der vorlesungsfreien Zeit (circa 90 Prozent), doch 30 Prozent auch während des Semesters.217 In Bonn, einem beliebten Wohnort von Rentiers, lagen die Verhältnisse ein wenig anders. Hier gab es kaum Industrie.218 Dies erschwerte es den Studie211 Rede von Carl Duisberg, in: Fünfte Hauptversammlung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn vom 22. Juli 1922, S. 10. 212 Die Gebührenordnung der preußischen Universitäten sah für 1930 unter anderem folgende von Studierenden zu entrichtenden Kollegiengelder und Gebühren vor: Erstmalige Aufnahmegebühr 25 RM, wiederholte Aufnahmegebühr 15 RM, Hörerschein 14,50 RM, Studiengebühr 60–70 RM (je nach Fakultät), Sozialgebühren 19 RM, Vorlesungshonorare je Semesterwochenstunde 2,50 RM. Jastrow, Kollegiengelder, S. 281. 213 Holz, Studierendenschaft, S. 46; Narjok, Erinnerungsblätter, S. 40f. 214 Balder, Frankonia, S. 524. 215 Engelmann, Freunde, S. 57. 216 Kater, Studentenschaft, S. 11. 217 Die Zahlen gehen auf eine Berechnung der Wirtschaftshilfe der deutschen Studentenschaft zurück. Holz, Studierendenschaft, S. 52. 218 Bereits im 19. Jahrhundert hatte sich die Bonner Stadtverwaltung gegen einen Ausbau als Industriestandort entschieden, da dies nicht in Einklang mit dem Charakter einer Garten-
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renden, Nebenerwerbstätigkeiten zu finden.219 Zudem standen sie in Konkurrenz zu den vielen Arbeitslosen, die während der Inflation beschäftigungslos geworden und ebenfalls auf der Suche nach Lohnerwerb waren. Tabelle 20: Anteil der Werkstudenten an den Studierenden der Universität Bonn (Angaben in Prozent) Sommersemester 1924
Während des Semesters 5,4
In den Semesterferien 9,5
Sommersemester 1925 Wintersemester 1926/27
5,6 5,5
5,6 3,2
Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage von Holz, Studierendenschaft, Anhang: Tabelle 8 (Studentischer Nebenerwerb in Bonn) sowie den Studierendenzahlen aus den Chroniken der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität.
Die Schwierigkeit, in Bonn eine Nebentätigkeit zu finden, spiegelt sich auch in den Zahlen wider : Zwischen 1924 und 1927 waren hier durchschnittlich lediglich fünf bis sechs Prozent der Studierenden als Werkstudenten während des Semesters tätig. Während der vorlesungsfreien Zeit in den Sommermonaten konnte der Anteil auf ungefähr das Doppelte ansteigen.220 Abhilfe schuf – wenn auch nur in geringem Umfang – das Stipendienwesen. Es bestand schon seit der Kaiserzeit an der Universität Bonn.221 Im Wintersemester 1919/20 wurden insgesamt 457 Stipendien in Höhe von circa 85.500 Mark vergeben.222 Der Anteil der Studierenden, die auf diese Weise eine finanzielle Unterstützung erhielten, lag bei 8,7 Prozent. Die Höhe der Stipendiengelder variierte zwischen 47 und 750 Mark jährlich; der Durchschnitt lag bei rund 187 Mark. Allerdings verloren die für die Studierenden bereitgestellten Finanzmittel, die teils aus privaten Stiftungen, teils aus dem akademischen Haushalt sowie Kirchenkollekten stammten, in der Inflation rasch an Wert. In der Hyperinflation im Herbst 1923 versiegte die Fördertätigkeit der meisten Stiftungen – ihre Kapitalien waren wertlos geworden.223 Erst nach der Währungsumstellung lief die Vergabe von Stipendien wieder an. Jedoch bewegten sich die Fördersummen jetzt auf einem erheblich niedrigeren Niveau als vor der Inflation: Im Wintersemester 1925/26 betrug die Summe aller studentischen Finanzhilfen rund
219 220 221 222 223
und Luxusstadt zu bringen sei, wie Oberbürgermeister Leopold Kaufmann 1867 in einem Rechenschaftsbericht betonte. Ennen/Höroldt, Römerkastell, S. 199. Vgl. Deutsche Akademische Rundschau (DAR) vom 17. 07. 1922, Artikel: »Die Notlage der Studenten«. Holz, Studierendenschaft, S. 56. Klett, Entwicklung, insb. S. 18–22; Faulenbach, Benefizwesen. Die Zahlen beziehen sich auf Stipendien, die aus besonderen, das heißt privaten Stiftungen stammten, sowie aus dem etatmäßigen akademischen Stiftungsfonds und den Kirchenkollekten. Chronik 1919/20, S. 45–50. Vgl. Chronik 1923/24, S. 35. Siehe auch Holz, Studierendenschaft, S. 59.
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10.700 Mark; im Winter- und Sommersemester des akademischen Jahres 1930/ 31 circa 57.800 Mark.224 Wie sich die Gelder im Einzelnen verteilten – darüber geben die Quellen keine Auskunft. Auffällig ist, dass für die Unterstützung von Studierenden, die aus dem vom Reichsgebiet abgetrennten Saarland stammten, ein Drittel (1925/26: circa 3.500 Mark) bis ein Viertel (1930/31: 13.740 Mark) aller Stipendienmittel aufgewendet wurde. Ab 1925 bestand die Möglichkeit, sich um finanzielle Unterstützung durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes zu bewerben. Im Unterschied zum herkömmlichen Stipendienwesen beschränkten sich diese Hilfen nicht auf einmalig für ein Semester gezahlte Mittel, sondern galten für die gesamte Studiendauer der Stipendiaten.225 Allerdings war das Förderprogramm nur einem kleinen Kreis höchstqualifizierter Abiturienten und Abiturientinnen sowie Studierender zugänglich. Im Durchschnitt unterstützte die Studienstiftung reichsweit jährlich rund 290 Studierende. An der Bonner Universität erhielten 1926 bis 1928 insgesamt 97 Studierende Unterstützung durch die Studienstiftung.226 Trotz der Möglichkeit externer finanzieller Hilfe227 blieb die wirtschaftliche und soziale Lage für das Gros der Studierenden in der Weimarer Zeit prekär. Dies zeigt sich deutlich an den Wohnverhältnissen. Wie im gesamten Reich, so verschärfte sich auch in Bonn nach dem Weltkrieg die Wohnsituation. Durch den Krieg war es zu einem Investitionsstau im Bauwesen gekommen, es war kaum neuer Wohnraum geschaffen worden. Ferner drängten heimkehrende Kriegsteilnehmer auf der Suche nach Arbeit in die Stadt. Ein großes Raumproblem verursachte auch die Einquartierung der Besatzungssoldaten – neben dem Universitätsgebäude nahmen sie zahlreiche Häuser und Wohnungen im Stadtbezirk in Beschlag. Besonders nach der Ablösung der britischen Truppen durch französische Soldaten im Februar 1920 spitzte sich der Mangel zu. Im Jahre 1922 lebten circa 8.000 Angehörige des französischen Militärs in der Stadt, die zu dieser Zeit um die 93.000 Einwohner zählte.228 Insgesamt beanspruchten die Besatzer rund 1.400 Räume in Privathäusern als Einzel- und Familienquartiere: Für die Einwohner Bonns verringerte sich das Wohnraumangebot drastisch. Erschwerend kam hinzu, dass freiwerdende Wohnungen zuerst der französischen Einquartierungskommission angeboten werden mussten, erst danach konnten Einheimische als Mieter in Aussicht genommen werden.229 224 225 226 227
Chronik 1925/26, S. 44 sowie Chronik 1930/31, S. 43. Dazu auch George, Stiftungen, S. 241. Wirtschaftshilfe, Studentenschaft. Holz, Studierendenschaft, S. 59f. Neben der Bezuschussung durch das Elternhaus und der Möglichkeit, mittels Stipendien Unterstützung zu erhalten, konnten Studierende auch finanzielle Hilfen bei der Darlehnskasse der Deutschen Studentenschaft beantragen. 228 Ennen/Höroldt, Römerkastell, S. 365; Holz, Studierendenschaft, S. 35. 229 Holz, Studierendenschaft, S. 35.
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Führt man sich dies vor Augen, so war es besonders für weite Teile der mehr als 4.000 eingeschriebenen Studierenden äußerst schwer, an eine Unterkunft zu gelangen, die sie bezahlen konnten. Die Anfragen beim studentischen Wohnungsamt überstiegen deutlich das Angebot an leerstehenden Wohnungen.230 Hinzu kam, dass die Mietpreise in Bonn stark anstiegen. Bewegten sich die Preise für ein Zimmer inklusive Beköstigung 1918 noch zwischen 60 und 135 Mark, musste man zwei Jahre später bereits zwischen 300 und 400 Mark monatlich zahlen.231 In der nachfolgenden Inflationszeit wuchs das Mietpreisniveau weiter stark an.232 Auch der Zustand der Wohnungen war problematisch, da viele Zimmer unzureichend oder gar nicht beheizbar waren. Gegen solche Mängel vorzugehen war schwierig, da die Studierenden als Untermieter kaum rechtlichen Schutz gegenüber dem Hausbesitzer als Vermieter genossen. Erst Mitte der 1920er Jahre entspannte sich die Wohnungssituation in Bonn, als nach Abzug der französischen Besatzungstruppen viele Wohnungen frei wurden, die nun in großer Zahl an Studierende vermittelt wurden.233 Neben der Wohnungsfrage bereitete auch die Lebensmittelversorgung große Schwierigkeiten. Bis zu einem Drittel aller deutschen Studierenden im Reich galten während der Nachkriegszeit als unterernährt.234 Die erschwerte Einfuhr von Nahrungsmitteln in die Besatzungszone sowie stark steigende Preise waren Ursachen dafür, dass in Bonn Hunger gelitten wurde. Um die Ernährungslage der Studierenden zu verbessern, unterhielt die Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität ab 1919 eine Mensa academica. Dort konnte man für wenig Geld essen. Weil die Mahlzeiten möglichst preiswert sein sollten, beschränkten sich die Gerichte meist auf Kartoffeln, Gemüse und Suppe, was freilich nicht sehr nahrhaft war – Fleisch gab es selten.235 Somit half das Speiseangebot der Bonner 230 Im Wintersemester 1921/22 boten Bonner Bürger beim studentischen Wohnungsamt insgesamt zehn leerstehende, möblierte Zimmer zur Vermietung an Studierende an. Die Zahl der Nachfragen lag gleichzeitig jedoch bei weit über dem Zehnfachen. Ebd., S. 35. 231 Ebd. 232 So wurden im Herbst 1922 für ein Studentenzimmer in Bonn bereits zwischen 6.000 und 10.000 Mark verlangt. Siehe UAB, LWF 1 Nr. 3677, Schreiben des Rektors der Landwirtschaftlichen Hochschule Bonn-Poppelsdorf an den Minister für Landwirtschaft, Forsten und Domänen bezüglich Unterstützung notleidender Studierender vom 23. 10. 1922. 233 UAB, LWF 1 Nr. 3678, Jahresbericht des Vereins Studentenwohl e. V. für das Geschäftsjahr 1927/28. Bericht des Wohnungs- und Vergünstigungsamtes. 234 Mens, Not, S. 121. 235 Holz, Studierendenschaft, S. 38. Jurastudent S. W. Cord8 beschrieb die dürftige Ernährungslage der Bonner Studierenden im Sommer 1922 wie folgt: »Das erste Frühstück des Studenten entspricht dem, was in der Nachkriegszeit für den Mittelstand üblich geworden ist: schlechtes Brot, als Aufstrich Margarine und dazu schwarzen Malzkaffee. Für den Studenten fällt das zweite Frühstück in der Regel aus, das Gleiche gilt vom Nachmittagskaffee. Zum schlechtesten ist es um die Hauptmahlzeit des Studenten, um das Mittagsessen, bestellt. Allgemein ist ja die Qualität des Essens gesunken, seit bei den meisten Mahlzeiten das Fleisch fehlt. Für dieses kann die Hausfrau Ersatz schaffen durch stärkeren Fettzusatz an
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Mensa besonders in den ersten Jahren der Weimarer Republik kaum, die Unterversorgung der Studierenden zu überwinden. Ungünstig wirkte sich auch der rapide Preisanstieg für Mensaessen in der Inflation aus. Im Oktober 1922 kostete ein Mittagessen 50 Mark, im Februar 1923 waren es 400 Mark.236 Die Essenspreise stiegen damit proportional weitaus höher als die studentischen Einkommen. Dies hatte zur Folge, dass nur noch wenige Studierende ein reguläres Mittagessen in der Mensa einnahmen. Nach der Währungsumstellung besserte sich die Versorgungslage, dennoch musste rund ein Drittel der Studierenden 30 bis 50 Prozent des Einkommens für die monatliche Verpflegung ausgeben.237 Die schlechte Ernährungslage hatte Einfluss auf den Gesundheitszustand der Studierenden. Aus den Berichten der Akademischen Krankenkasse238 lässt sich ermitteln, dass zwischen 1919 und 1932 durchschnittlich etwa 27 Prozent aller Bonner Studierenden an einer Erkrankung litt und sich deshalb in ärztlicher Behandlung befanden. Tabelle 21: Anteil der ärztlich behandelten Studierenden der Universität Bonn 1919–1932 (Angaben für die Sommersemester in Prozent) 1919 20,17
1921 26,43
1923 20,44
1925 23,01
1927 25,31
1929 26,87
1931 36,15
1932 38,83
Quelle: Chroniken der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1919/20–1931/32.
Auffällig ist, dass die Anzahl der Erkrankten während der Krisenzeit um 1923 nicht höher war als zu Beginn der Weimarer Republik. Mitte der 1920er Jahre verschlechterte sich der allgemeine Gesundheitszustand der Studierenden allerdings zunehmend. Im Sommersemester 1932 war der Höchststand erreicht, als 38 Prozent aller Studierenden der Universität Bonn ärztlich behandelt wurden Speisen oder durch einen verhältnismäßig billigen, aber nahrhaften Nachtisch wie Reisund Griespuddings etc. Dieser Ausgleich fehlt dem studentischen Mittagstisch, da er auf Massenbetrieb eingestellt ist. Früher aß der Student im Restaurant oder in seinem Verbindungsheim. Das Restaurant scheidet wegen seiner hohen Preise für die studentische Ernährung vollkommen aus. Das Verbindungshaus, das durch Zuschüsse der alten Herren augenblicklich die beste aller studentischen Speisegelegenheiten ist, kommt nur für einen kleinen Teil der Studenten in Betracht. Der größere Teil der Studierenden ist auf die ›Privatmittagstische‹ oder aber auf die ›Studententische‹, die von den örtlichen Studentenschaften und Universitätsbehörden eingerichtet worden sind, angewiesen.« Siehe Deutsche Akademische Rundschau (DAR) vom 17. 07. 1922, Artikel: »Die Notlage der Studenten«. 236 Holz, Studierendenschaft, S. 38f. 237 Mens, Not, S. 122. 238 Seit 1829 gab es an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität eine »Verpflegungsanstalt für erkrankte Studierende«, aus der später die Akademische Krankenkasse als studentische Gesundheitsfürsorgeeinrichtung hervorging. Ihren Mitgliedern gewährte die Krankenkasse im Krankheitsfall unentgeltliche ärztliche Behandlungen in den Universitätskliniken und Kuraufenthalte während der Semesterferien. Klett, Entwicklung, S. 13–15; Bonner Studentenführer 1932, S. 49.
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den. Häufigstes Krankheitsbild waren neben Infektionen vorwiegend Zahnprobleme sowie Haut- und Augenkrankheiten.239 Aufgrund der gestiegenen Zahl erkrankter Studierender führte die Universität Bonn im Sommer 1932 ärztliche Pflichtuntersuchungen ein, die bei Erstsemestern und Studierenden des fünften Semesters als Präventivmaßnahmen zur Gesundheitsverbesserung helfen sollten. Von mehr als zweieinhalbtausend untersuchten Studierenden wiesen zum Beispiel 13 schwere ansteckende Lungenkrankheiten auf, von denen die Betroffenen nichts wussten; viele weitere waren sich ebenfalls nicht über ihren schlechten körperlichen Zustand im Klaren. Manche Studierende waren körperlich sogar derart geschwächt, dass sie auf Anraten der Ärzte ihr Studium aufgaben.240
Studentische Hilfseinrichtungen – Der »Verein Studentenwohl e. V.« Um der sozialen und wirtschaftlichen Not der Bonner Studierenden in der Nachkriegszeit entgegenzutreten, wurde im September 1919 der »Verein Studentenwohl e. V.« als studentische Selbsthilfeorganisation von heimkehrenden Kriegsteilnehmern ins Leben gerufen. Die Ursprünge dieses Vereins gehen auf eine Kriegsküche zurück, die die Stadt Bonn für ihre Einwohner eingerichtet hatte. Diese befand sich im Westflügel des Universitätshauptgebäudes und wurde auch von zahlreichen Studierenden genutzt.241 Als jedoch im Sommer 1919 die Besucherzahlen zurückgingen, stellte die Stadtverwaltung den Betrieb der Küche ein. Bemühungen der Studentenschaft, die Stadtbehörden von der Fortführung zu überzeugen, scheiterten.242 Daraufhin übernahmen die Studierenden den Küchenbetrieb zum Start des Zwischensemesters 1919 unter dem Namen »Mensa academica« in Eigenregie.243 Als Rechtsträger des Betriebsvermögens fungierte der erwähnte Verein Studentenwohl, dessen Vorstand sich gemäß der Gründungssatzung von 1919 aus drei Studierenden zusammensetzte.244 Alle Angehörige der Universität Bonn und der Landwirtschaftlichen Hochschule in Poppelsdorf konnten Mitglied des Vereins werden; der Mitgliedsbeitrag belief sich auf 20 Pfennig pro Semester.245 239 Chronik 1932/33, S. 63f. 240 Bericht der Akademischen Krankenkasse, in: ebd., S. 64f. 241 1918 nutzten täglich bis zu 800 Gäste das Angebot und nahmen ihre Mahlzeit in dem über der Kriegsküche befindlichen Hörsaal ein, der notdürftig zum Speisesaal umgestaltet wurde. Tillmann/Stockhausen, Studentenwohl, S. 431. 242 Ebd., S. 432. 243 Klett, Entwicklung, S. 24. 244 UAB, LWF 1, Nr. 3677, Satzung des Vereins Studentenwohl e. V. vom 19. September 1919. 245 Holz, Studierendenschaft, S. 67.
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Abb. 5: »Tillmannhaus«: Mensa und Studentenwohnheim
Bis zum Sommersemester 1920 blieb der Verein in der Alleinverantwortung der Studierenden. Wachsende finanzielle Schwierigkeiten, die sich aus der rasch einsetzenden Geldentwertung ergaben, gepaart mit mangelnder betriebswirtschaftlicher Erfahrung der Vereinsaktiven, führten schließlich dazu, dass man vom Prinzip der studentischen Selbstorganisation abrückte und stattdessen auf externe Hilfe baute. Doch auch die Neugründung des Vereins Ende 1920 unter Einbeziehung von Professoren und Alumni der Universität sowie Vertretern der Stadt und der Rheinprovinz brachte zunächst nicht die erhoffte Besserung. Weiterhin wirtschaftete der Verein ineffizient, sodass der Mensabetrieb meist nur durch Sachspenden und zinslose Darlehen aufrechterhalten werden konnte.246 1921 schloss sich der Verein nach einer weiteren Neugründung der in Dresden ansässigen »Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft« an, dem Dachverband aller akademischen Selbsthilfeorganisationen; dieser unterstützte die Bonner Studentenhilfe in der Folgezeit finanziell.247 Eine Konsolidierung
246 Ebd., S. 69. 247 Die »Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft e. V.« wurde am 19. Februar 1921
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gelang allerdings erst nach der Inflation 1923, die nahezu das gesamte Vereinsvermögen aufgezehrt hatte. Maßgeblichen Anteil am Aufschwung hatte Professor Fritz Tillmann, der im Februar 1923 den Vorsitz des Vereins Studentenwohl übernahm und die Organisation strukturell und wirtschaftlich neu aufstellte. Auf seine Initiative hin entstand in Bonn 1924 das deutschlandweit erste Studentenhaus.248 Neben der Mensa academica betrieb man ab 1922 eine Verkaufsstelle mit Utensilien für den studentischen Bedarf, ein Bücheramt (ab 1922/23) zur verbilligten Beschaffung von Literatur, ein Arbeitsamt (ab 1923) zur Vermittlung von Nebenerwerbsmöglichkeiten, ein Wohnungs- und Vergünstigungsamt (ab 1927), das Studierenden bei der Wohnungssuche half und Rabattkarten für die Nutzung der Eisenbahn oder den Besuch von Theateraufführungen ausgab, sowie mehrere kleinere Dienstleistungseinrichtungen wie Druckerei, Buchbinderei und Schreibmaschinenstube (ab etwa 1921).249 »Wissenschaftlich und persönlich tüchtige Studenten«,250 die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden, konnten besondere Fürsorgeleistungen in Anspruch nehmen; dazu zählten unentgeltliche Speisen in der Mensa (Freitische), Kleiderspenden und Sanatoriumsaufenthalte für Erkrankte. Examenskandidaten hatten darüber hinaus die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung durch die im Sommer 1921 gegründete Darlehnskasse der Universität zu erhalten.251 Angesichts der wachsenden Not ausgangs der Weimarer Republik gewann die Studentenhilfe immer mehr an Bedeutung. 1929 suchten nahezu 2.000 Studierende täglich das Studentenhaus auf – die meisten davon wegen der preiswerten
248 249 250 251
gegründet. 1929 erfolgte die Umbenennung in »Deutsches Studentenwerk (DSW)«. Bojanowsky, Studentenwerk, S. 27; Schairer, Jahrzehnt, S. 42–62; Streit, Studentenwerk. Klett, Entwicklung, S. 28f. Bojanowsky, Studentenwerk, S. 31; Holz, Studierendenschaft, S. 77–80. Bonner Studentenführer 1932, S. 51. Die Darlehnskasse war auf Anraten von Fritz Tillmann ins Leben gerufen worden, um bedürftigen Studierenden den Abschluss ihres Studiums zu ermöglichen, ohne dass sie gezwungen waren, einem Nebenerwerb nachgehen zu müssen. Im Wintersemester 1922/23 schloss sich die Darlehnskasse der Bonner Universität als eine von insgesamt 57 Zweigstellen der reichsweit tätigen Darlehnskasse der »Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft« an. Finanziert wurde sie hauptsächlich über Zuschüsse des Reichs und der Länder sowie durch Spenden aus der Wirtschaft. Studierende, die in den Genuss eines geringverzinslichen Darlehns kommen wollten, mussten einen Antrag bei ihrer Hochschule stellen. In Bonn oblag die Prüfung der Anträge dem Verein Studentenwohl. Mitglieder der Prüfungskommission waren u. a. der Vorsitzende des Vereins Studentenwohl, Peter Stockhausen, sowie die Professoren Arthur Spiethoff, Heinrich Konen und Fritz Tillmann. Die Darlehen wurden zu günstigen Bedingungen vergeben. So betrug der Jahreszins in den ersten fünf Jahren drei Prozent, danach sechs bei einer Rückzahlungsfrist von zehn Jahren. UAB, Slg. Bib. 2261, Der Bonner Student, Ausgabe vom 01. 05. 1931; Klett, Entwicklung, S. 18f.; Holz, Studierendenschaft, S. 61–63.
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Mahlzeiten in der Mensa academica.252 Mit den steigenden Studentenzahlen wuchsen aber auch die Probleme für den Verein Studentenwohl. Anfang der 1930er Jahre geriet er erneut in finanzielle Schwierigkeiten, was unter anderem daran lag, dass dessen Mitglieder und Förderer immer weniger Gelder für die Studentenhilfe bereitstellen konnten. Das Ziel des Vereins, Studierende aus ihrer wirtschaftlichen Bedrängnis herauszuführen, war somit nur sehr schwer zu realisieren.
Studentenverbindungen Die Not der Weimarer Jahre zeigte sich auch bei den Bonner Korporationen. Der »elitäre Dünkel«,253 der in manchen Studentenverbindungen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gepflegt worden war, verschwand spätestens mit Kriegsende.254 In der Besatzungs- und Inflationszeit blieb von der »Burschenherrlichkeit« vergangener Tage nicht viel übrig.255 Die meisten Verbindungen hatten mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum einen standen sie vor finanziellen und materiellen Problemen, die meist nur durch die Spendenbereitschaft der älteren Verbindungsmitglieder gemildert werden konnten.256 Zum anderen wirkte die politische Lage im Rheinland bedrohlich: Die meisten Bonner Korporationen standen unter strenger Beobachtung der Besatzungsmacht; nahezu alle Verbindungen hatten Einschränkungen, Entbehrungen und Schikanen zu ertragen. Doch ungeachtet der Tatsache, dass das Verbindungsleben der Weimarer Zeit in vielerlei Hinsicht mit Problemen behaftet war und sich damit deutlich von dem der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg unterschied, bildeten die Korporationen weiterhin »die Kernzelle der Studentenschaft«.257 Wie schon in den Jahrzehnten zuvor hatten sie großen Einfluss auf das Gemeinschaftsleben der Studierenden. Die Verbindungen umfassten unterschiedliche Formen und Konstellationen: Es gab farbentragende und nicht farbentragende, Mensur schlagende und die Mensur ablehnende, religiös gebundene und konfessionell neutrale, politisch
252 Bojanowsky, Studentenwerk, S. 31. 253 Becker, Studentenverbindungen, S. 30. 254 Viele Bonner Korporationen hatten bereits während des Ersten Weltkriegs ihren Aktivenbetrieb aufgeben müssen, da die meisten ihrer Mitglieder für den Kriegsdienst eingezogen worden waren. Landmann, Salia, S. 16. 255 Vaders, Turnerschaft, S. 131. 256 Als Beispiel sei die Burschenschaft Frankonia genannt, deren Altherrenschaft die Aktivitas in Zeiten großer wirtschaftlicher Not oftmals durch Geld- und Sachspenden unterstützte. Balder, Frankonia, S. 503. 257 Ebd., S. 508.
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ausgerichtete und Parteipolitik ablehnende, Sport treibende, musische, gesellige und beruflich orientierte Vereinigungen.258 Während der Weimarer Republik waren die meisten der Studentenvereinigungen in der »Vertreter-Versammlung Bonner Korporationen« (V.V.) zusammengeschlossen, die sich wiederum in drei große Blöcke unterteilen ließ.259 Die katholisch-konfessionell geprägten Verbindungen bildeten den »Ring Katholischer Korporationen« (R.K.K.). Daneben bestand der im Februar 1919 gegründete »Bonner Waffenring« (B.W.R.), dem die schlagenden Corps, Burschenschaften, Landsmannschaften und Turnerschaften angehörten.260 Die dritte Gruppierung bildete die »Interessengemeinschaft der Bonner Korporationen« (I.B.K.), in der sich die nichtkonfessionellen Verbindungen mit Mensurverbot zusammenfanden. Von geringerer Bedeutung als an anderen Hochschulen war der Bonner Ableger des »Hochschulrings Deutscher Art« (H.d.A.), ein korporationsübergreifendes Bündnis deutsch-völkisch gesinnter Studierender.261 Während er an zahlreichen deutschen Universitäten insbesondere in der ersten Hälfte der 1920er Jahre starken Zulauf erlebte, scheiterten in Bonn zwei Versuche, eine Ortsgruppe des Hochschulrings dauerhaft zu etablieren.262 Studierende, die keiner akademischen Vereinigung angehörten, konnten sich in der Freistudentenschaft (Finkenschaft) engagieren.263 Obwohl diese in Bonn die Mehrheit der Immatrikulierten stellten, blieben die Freistudenten aufgrund
258 Vgl. Neupert, Arbeitskreis, S. 13. Einen Überblick über die während der Weimarer Republik in Bonn existierenden Korporationen bieten die von der Universität herausgegebenen »Bonner Studentenführer«. 259 Oldenhage, Korporationen, S. 112f. Zu der seit 1911 bestehenden V.V. siehe den Beitrag von Dominik Geppert zur Geschichte der Universität Bonn 1900–1918 in Band 1 dieser Festschrift. 260 Das Anliegen des Bonner Waffenrings war laut § 1 seiner Satzung die »gemeinsame Interessenwahrnehmung des Waffenstudententums gegenüber der immer stärker werdenden Bekämpfung desselben.« Zit. nach Dettweiler, Korps Hansea, S. 183; Gerhardt, Bonner Corps, S. 374; Oppermann, Alemannia, S. 464. 261 Zum Hochschulring deutscher Art siehe Herbert, Generation, S. 115–144; Schwarz, Studenten, S. 168–174. 262 Der Bonner Ableger des Hochschulrings, der im Wintersemester 1921/22 aus Vorsicht vor den französischen Besatzungsvorschriften unter dem Namen »Bund deutscher Studenten in Bonn« gegründet worden war, musste bereits nach einem Semester seine Aktivitäten einstellen. Die Besatzungsbehörden hatten das als radikal und antisemitisch geltende interkorporierte Studentenbündnis verboten. Eine später neugegründete Ortsgruppe scheiterte ebenfalls: Interne Uneinigkeiten unter den Burschenschaften waren hierfür der Grund. Dettweiler, Korps Hansea, S. 187, S. 192f. 263 Ziel der »Finken« war es, allen Studierenden hochschulpolitischen Einfluss zu verschaffen, welcher zuvor lediglich den Studentenverbindungen vorbehalten war. Besonders stark engagierten sich die Freistudenten auf dem Feld der studentischen Fürsorge- und Selbsthilfeeinrichtungen. Wagner, Freistudentenschaft; Mahrholz, Stellung, S. 593–599.
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ihrer heterogenen Zusammensetzung nur schwach organisiert und konnten sich weiterhin kaum gegen die einflussstarken Korporationen behaupten. Der Anteil der Korporationsstudenten in Bonn lag nach dem Ersten Weltkrieg durchschnittlich bei etwa 40 Prozent. Damit waren in der Weimarer Zeit wesentlich weniger Studierende in Verbindungen aktiv als während des Kaiserreichs: zwischen 1887 und 1914 waren es im Durchschnitt noch rund 50 Prozent gewesen.264 Tabelle 22: Anzahl/Anteil der Bonner Studierenden in studentischen Verbindungen
Männer Frauen Gesamt
1919 1.670
1921 1.914
1923 1.388
1925 1.399
1927 1.986
1929 2.745
1931 2.963
1932 2.650
22,9 % 163
40,2 % 37
37,5 % 57
46,5 % 40
40,7 % 58
40,0 % 87
40,6 % 129
39,6 % 112
2,2 % 1.833
0,8 % 1.951
1,5 % 1.445
1,3 % 1.439
1,2 % 2.044
1,3 % 2.832
1,8 % 3.092
1,7 % 2.762
25,1 % 41,0 % 39,0 % 47,8 % 41,9 % 41,3 % 42,4 % 41,3 % Quellen: Chroniken der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1919/20–1932/33.
Zu einem starken Einbruch kam es insbesondere in den ersten Nachkriegsjahren, in denen nur noch ein Viertel der in Bonn Studierenden Mitglieder einer Verbindung waren. Das charakteristische Straßenbild der Stadt, das vormals von den bunten Mützen und Bändern der Korporationsstudenten geprägt worden war, wandelte sich in den ersten Monaten der Besatzungszeit.265 Die Verbindungen hatten mit erheblichen Problemen zu kämpfen. So traf sie unter anderem das durch die britische Besatzungsbehörde verhängte Reiseverbot für Bonn hart, das zahlreichen Bundesbrüdern nicht erlaubte, aus den unbesetzten rechtsrheinischen Gebieten für ihr Studium an die Universität zurückzukehren.266 In der Folge war es vielen Korporationen kaum möglich, ihren Betrieb wie in früheren Zeiten aufrechtzuerhalten. Verschiedene Corps und Verbindungen erwogen daher, Bonn als Standort aufzugeben und an eine andere Universitätsstadt im unbesetzten Deutschland überzusiedeln. Die meisten verwarfen dies jedoch und blieben in der Stadt, beispielsweise das Corps Hansea267. Lediglich die 264 Eigene Berechnungen auf Grundlage von Jarausch, Students, S. 296. 265 Einen Eindruck vom studentischen Leben in Bonn in den ersten Nachkriegsmonaten vermittelt die Festschrift der akademischen Ruderverbindung Rhenus: »Verschwunden war trotz 7000 Studierenden das studentische Gepräge […] es gab keine farbenprächtigen Festzüge, keinen Bummel auf der Poppelsdorfer Allee, keine buntbeflaggten Dampfer und Motorboote mit echt rheinischem fröhlichem Leben und Tanz. Selbst unser Stammlokal, das Hähnchen, war mit seinem Ersatzbier unseren Füchsen ein Greuel [sic!].« Ruder-Club »Rhenus«, 65 Jahre, S. 38. 266 Oldenhage, Korporationen, S. 85. 267 Das Korps Hansea hatte 1919 Überlegungen angestellt, seinen Sitz nach Gießen zu verlegen.
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Burschenschaft der Norddeutschen und das Corps Ottonia verlegten ihren aktiven Betrieb während der Besatzungszeit nach Marburg beziehungsweise Halle an der Saale.268 Einzelne Verbindungen umgingen den Druck der alliierten Behörden, indem sie Außenstellen (sogenannte »Abteilungen«) mit gleichen Farben, Namen und Zirkel an anderen Universitätsstandorten errichteten, wie es zum Beispiel die Burschenschaft Alemannia und die Turnerschaft Germania in Münster taten.269 Hinsichtlich der Mensur stellten die Besatzer anfangs die Bedingung, dass Fechtkämpfe nur unter ihrer Aufsicht stattfinden durften. Da die waffentragenden Studentenschaften dies jedoch kategorisch abgelehnten, verhängte die englische Kommandobehörde Mitte Februar 1919 ein generelles Mensur- und Couleurverbot, das bis Juli 1919 Bestand hatte.270 Als im Februar 1920 die französische Armee die britische ablöste, entspannte sich das Verhältnis zwischen korporierten Studierenden und Besatzern zunächst. Nun wurden beschlagnahmte Verbindungshäuser wieder freigegeben.271 Allerdings spitzte sich die Lage zwischen 1921 und 1924 infolge der großen politischen und sozialen Not erneut zu. Verbindungsstudenten, die für den Verbleib des Rheinlands beim Deutschen Reich eintraten und sich gegen die in Bonn wirkenden separatistischen Kräfte zur Wehr setzten, wurden »wegen Aufreizung der Bevölkerung«272 verfolgt, zu Gefängnisstrafen verurteilt oder aus dem Rheinland ausgewiesen.273 Zudem wurden mehrere Verbindungen auf Veranlassung der französischen Besatzungsmacht verboten, da sie ihre patriotische Gesinnung öffentlich kundgetan hatten.274 Ferner wurden abermals Verbindungshäuser von den Franzosen in Beschlag genommen.275 Solche oft als Willkür feindlicher Truppen empfundenen Maßnahmen trugen freilich dazu bei,
268
269 270 271 272 273 274 275
Jedoch sprachen sich die maßgeblich bestimmenden Alten Herrn für einen Verbleib des Korps in Bonn aus, »komme was wolle«. Zit. nach Dettweiler, Korps Hansea, S. 184. Eine solche Einstellung vertrat man auch in der Burschenschaft Frankonia: »Wir stehen auf dem Standpunkt, daß gerade in dieser Zeit deutsche Interessen durch Korporationsstudenten im bedrohten Westen vertreten werden müßten.« Zit. nach Balder, Frankonia, S. 517. Die Burschenschaft der Norddeutschen siedelte im Winter 1923 nach Marburg über. Dort blieb man aber nur kurz. Bereits im Oktober 1924 fasste der Konvent den Beschluss, nach Bonn zurückzukehren. Das 1921 gegründete Corps Ottonia verlagerte seinen Betrieb im Oktober 1925 nach Halle und verschmolz dort mit dem gleichnamigen Altherrenverband zum Corps Palatia. Spieß, Burschenschaft, S. 26; Balder, Frankonia, S. 517, S. 1214. Verein, Beiträge, S. 131; Kiehne, 1918–1919, S. 296. Kiehne, 1918–1919, S. 295; Oldenhage, Korporationen, S. 84. Unruh, Palatia, S. 85; Verein, Beiträge, S. 33. Brenig, Salia, S. 73. Oldenhage, Korporationen, S. 87; Gerhardt, Bonner Corps, S. 400–416. Die behördliche Suspension betraf die Turnerschaften Cimbria und Germania. Balder, Frankonia, S. 508; Oldenhage, Korporationen, S. 87. Das Haus des Corps Saxonia wurde Ende Januar 1923 geräumt, damit dort französische Eisenbahner einziehen konnten. Dettweiler, Korps Hansea, S. 215.
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dass sich das Solidaritätsgefühl der Bonner Korporationen untereinander stärker ausprägte.276 Tabelle 23: Anzahl der Bonner Studentenverbindungen Männervereinigungen
1919 51
Frauenvereinigungen Gesamt
6 57
1921 66
1923 73
1925 72
1927 73
1929 83
1931 87
1932 87
4 4 4 4 5 7 7 77 77 94 70 76 88 94 Zahlen entnommen aus: Chroniken der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität 1919–1932.
Eine Phase des Aufblühens begann für die Bonner Studentenvereinigungen 1926. Nach der Besatzungszeit konnte das Verbindungsleben wieder ungestört seinen gewohnten Gang gehen. Dies drückte sich auch in einem starken Anstieg der Mitgliederzahlen aus. Anfang der 1930er Jahre gehörten knapp 3.000 Studierende einer Korporation an. Ebenso schnell wuchs die Zahl der Studentenvereinigungen: Zu den 76 Verbindungen, die 1925 existierten, traten bis 1932 weitere 18 hinzu, darunter drei Frauenverbindungen. Deren Gesamtzahl belief sich am Ende der Weimarer Zeit auf sieben.277 Hinsichtlich der Organisation und des äußeren Erscheinungsbildes unterschieden sie sich kaum von den männlichen Verbindungen; lediglich Mensuren wurden in keiner Damenverbindung geschlagen.
Die studentische Selbstverwaltung durch AStA beziehungsweise ASTAG Neben korporativen Verbänden wie der Vertreter-Versammlung und dem Bonner Waffenring existierte in Bonn seit Anfang 1919 auch ein auf Basis allgemeiner und direkter Wahlen bestimmter »Allgemeiner Studenten-Ausschuss« (AStA). Als gesetzliche Vertretung der Studierenden hatte er die Rechte eines Selbstverwaltungsorgans.278 So war er unter anderem befugt, zur Anhörung studentischer Angelegenheiten Vertreter in die Senatssitzungen zu entsenden.279 Neben 276 Rotthoff, Studentenverbindungen, S. 65f. 277 An der Philosophischen und Medizinischen Fakultät der Universität waren angehende Oberlehrerinnen seit dem WS 1896/97 als Gasthörerinnen in Vorlesungen zugelassen. 1899 gründete sich mit dem »Klub der Namenlosen« (ab 1904: Hilaritas) in Bonn der erste Studentinnenverein Deutschlands. Kuhn/Mühlenbruch/Rothe, Frauenstudium, S. 16, S. 28; Frerichs, Hilaritas, S. 12. 278 Dettweiler, Korps Hansea, S. 183. 279 Das Recht, vom Senat angehört zu werden, stand dem AStA zunächst allerdings nur probeweise zu. Auf Antrag durften drei Vertreter der Studentenschaft ihre Anliegen vortragen. Dabei mussten die Themen einen Bezug zur Universität im Ganzen haben. Die Beschlüsse des Senats wurden in Abwesenheit der Studentenvertreter gefasst. Nachdem dieses Ver-
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der Selbstverwaltung zählten die Einrichtung beziehungsweise Unterhaltung von sozialen und wirtschaftlichen Selbsthilfeangeboten zu den wichtigen Aufgaben des AStA. In Bonn erkannte der Senat am 6. Februar 1919 den AStA als einheitliche Mitbestimmungs- und Selbstverwaltungsorganisation aller Studierenden an.280 Die erste Wahl zur Studentenkammer, der Vertreterversammlung der Studentenschaft, fand am 15. Februar 1919 statt. Wie auch an anderen deutschen Hochschulen stand der Bonner AStA in der Weimarer Zeit unter dem Einfluss der traditionellen Studentenverbindungen.281 Religiöse und parteipolitische Ansichten spielten zunächst keine Rolle.282 Dennoch war zu beobachten, dass es eine Trennlinie zwischen republikanisch-verfassungstreuen Studierenden und Befürwortern des großdeutschvölkischen Prinzips gab.283 Dieser Gegensatz bestimmte in der ersten Hälfte der 1920er Jahre auch die Debatten der Bonner Studentenkammer über die Positionierung innerhalb der »Deutschen Studentenschaft« (DSt), dem 1919 in Würzburg gegründeten Dachverband aller örtlichen Studentenausschüsse.284 Ihm gehörten neben den deutschen auch die Studentenschaften Österreichs, des Sudetengebiets und Danzigs an. Schon bald nach der Gründung war innerhalb der DSt ein Verfassungsstreit um die Mitgliedschaft ausländischer beziehungsweise jüdischer Studierender entbrannt. Laut der auf dem Göttinger Studententag von 1920 verabschiedeten Satzung bildeten die »Studierenden deutscher Abstammung und Muttersprache der Hochschulen des deutschen Sprachgebiets« die Deutsche Studentenschaft.285 Diese unpräzise formulierte Regelung legten die einzelnen Studentenschaften unterschiedlich aus: Während an den preußischen Hochschulen allen Studierenden deutscher Staatszugehörigkeit,
280 281
282 283 284 285
fahren ein Jahr ausprobiert worden war, stellte Rektor Fritz Tillmann 1920 fest, dass »das hundertjährige Vertrauensverhältnis der Studierenden zu ihren Lehrern keinen Augenblick auch nur ins Schwanken gebracht worden sei.« In der Universitätssatzung von 1930 wurde den Studierenden das Recht auf Anhörung vor dem Senat bestätigt. Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 152; Braubach, Kleine Geschichte, S. 45. Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 152. Anfangs standen die Bonner Korporationen einer studentischen Gesamtorganisation allerdings ablehnend gegenüber. Aus ihrer Sicht war der AStA ein »Revolutionsgebilde«, an dessen Wahl im Februar 1919 »sich nur die radikalen Elemente« der Studentenschaft beteiligt hätten. Schnell kam man jedoch zu der Einsicht, dass sich ein Fernbleiben vom AStA schädigend auf die Korporationen auswirken würde. Fortan arbeiteten die Korporationen im Studentenausschuss mit. Bonner Rhenanen-Zeitung, Ausgabe Februar 1922, Artikel: »Hochschulpolitik und das Corps Rhenania«; Dettweiler, Korps Hansea, S. 183. George, Studieren, S. 274. Oldenhage, Korporationen, S. 99. Volkmann, Studentenschaft; Schwarz, Studenten, S. 174–187; Grüttner, Studentenschaft, S. 214f. Zinn, Selbstverwaltung, S. 451.
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Sprache und Kultur die Mitgliedschaft zur lokalen Studentenschaft gewährt wurde, wählten die österreichischen und sudetendeutschen Studentenschaften ihre Mitglieder nach »völkisch-rassischen« Kriterien aus – Nichtdeutsche und Studierende jüdischer Herkunft wurden ausgeschlossen; ebenso Sozialisten und Republikaner, die eine rassische Auswahlpraxis ablehnten. Auf den Deutschen Studententagen, den jährlich stattfindenden Mitgliederversammlungen der DSt, nahmen die Diskussionen um die Mitgliederfrage breiten Raum ein. Spätestens seit dem Würzburger Studententag von 1922 gewannen die Verfechter des »völkischen Prinzips« die Oberhand.286 Auch in Bonn favorisierten Teile der Studentenschaft eine Mitgliederregelung im rassisch-völkischen Sinne. Insbesondere die Vertreter der schlagenden Korporationen sprachen sich vehement dafür aus. Allerdings waren sie in der Studentenkammer in der Minderheit: Bei den AStA-Wahlen im Februar 1923 hatte die republikanisch orientierte »Volksstudentenliste« die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt.287 Als im Juli über eine Neufassung der Satzung der Bonner Studentenschaft beraten wurde, was mit der Frage verbunden war, ob man dem großdeutsch-völkischen Kurs der DSt folgen wolle, entschied sich die Studentenkammer mehrheitlich gegen die Annahme des »Rasseprinzips«. Umso überraschender war es daher für die Bonner Studentenvertreter, als wenig später auf dem 5. Deutschen Studententag, der abermals in Würzburg abgehalten wurde, der Leiter des DSt-Kreises V b288 eigenmächtig die Zustimmung des gesamten Kreises zur deutsch-völkisch ausgerichteten »Würzburger Verfas-
286 In der Frage, ob die DSt deutsch-völkisch auszurichten sei oder nach staatsbürgerlichen Grundsätzen organisiert werden solle, war der Dachverband seit dem Göttinger Studententag 1920 in zwei Lager gespalten. Eine pro-republikanische, national-kulturell gesinnte Minderheit (zu der auch die Studentenschaft der Universität Bonn zählte) versuchte Ende Mai 1922 auf einem außerordentlichen Studententag in Honnef, die DSt mit der »Rheinischen Verfassung« auf staatsbürgerlichen Kurs zu bringen. Im Gegenzug hielten die sich in der Mehrzahl befindlichen opponierenden Studentenschaften im Juli 1922 einen vom DStVorstand nicht offiziell einberufenen Studententag in Würzburg ab. Die dort beschlossene »Würzburger Verfassung« erkannte erstmals das völkische Prinzip als rechtmäßig an. Im Herbst 1922 unternahmen die Hochschulverwaltungen der Länder den Versuch, die strittige Verfassungsfrage gemeinsam mit den führenden Studentenvertretern zu lösen. Doch die Beschlüsse der Stralsunder Hochschulkonferenz führten keine zufriedenstellende Lösung herbei. In der Folgezeit fand das völkische Prinzip unter den reichsdeutschen Studentenschaften immer mehr Zuspruch. Bis Mitte der 1920er Jahre schlossen sich sukzessive alle Einzelstudentenschaften der DSt der Würzburger Verfassung von 1922 an. Lambrecht, Studenten, S. 108–110; Zinn, Selbstverwaltung, S. 454–458; Schwarz, Studenten, S. 245– 276. 287 Oppermann, Alemannia, S. 464. 288 Die Deutsche Studentenschaft unterteilte sich insgesamt in zehn Kreise. Zum Kreis V b zählten die im besetzten westdeutschen Gebiet liegenden Hochschulen Köln, Aachen, Düsseldorf, Bonn und Bonn-Poppelsdorf.
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sung«289 von 1922 verkündete. Gegen diesen formell unzulässigen Schritt legten die republikanischen Kammermitglieder Protest ein und erklärten nach einer Kampfabstimmung mit den Korporationsvertretern im November 1923, dass die Bonner Studentenschaft einer Einigung mit der DSt nicht zustimmen könne. Der AStA der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität war somit die einzige Studentenvertretung des westdeutschen Kreises, die der Würzburger Satzung fernstand – jedoch nur vorübergehend.290 Denn nach erneuten Verhandlungen in der Studentenkammer im Dezember 1923 nahm der AStA die DSt-Verfassung an, allerdings unter der Prämisse, dass die Deutsche Studentenschaft versprach, ihr Statut in Bezug auf die reichsdeutschen Studentenschaften nach dem Staatsbürgerprinzip auszurichten.291 Den österreichischen und sudetendeutschen Studentenschaften gestand man weiterhin eine Mitgliederauswahl nach deutsch-völkischen Kriterien zu, auch wenn es dem republikanischen Flügel des Bonner AStA schwer fiel, diese Regelung zu akzeptieren.292 In den nachfolgenden Jahren wuchs der Einfluss nationalistischer, antisemitischer und republikfeindlicher Kräfte in der DSt. Auch in Bonn gewannen völkisch orientierte Hochschulgruppen Mitte der 1920er Jahre an Bedeutung, während der republikanische Block bei den Studentenkammerwahlen Stimmen einbüßte.293 Um den radikalen Tendenzen in der Deutschen Studentenschaft entgegenzuwirken, schaltete sich 1926 Preußens Kultusminister Carl Heinrich Becker in die Mitgliederfrage der DSt ein. In seiner Weihnachtsbotschaft stellte er die preußischen Studentenschaften vor die Wahl, entweder die arisch-völkisch-organisierten Studentenausschüsse Österreichs und des Sudetengebiets aus dem Dachverband auszuschließen oder dafür zu sorgen, dass auch die auslandsdeutschen294 Studentenschaften für alle Studierenden »ohne Ansehen von Rasse 289 Abdruck der Würzburger Satzung vom 23. 07. 1922 in: Volkmann, Studentenschaft, S. 287–291. 290 Im Gegensatz zur Studentenschaft der Bonner Universität hatten alle ASten des Kreises V b bereits im Juli 1923 ihre Einwilligung zur Würzburger Verfassung gegeben – unter ihnen auch die Studentenvertretung der Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn-Poppelsdorf. 291 Kölner Volkszeitung vom 18. 12. 1926, Artikel: »Beschlüsse der Bonner Studentenschaft«. 292 Bei der Unterzeichnung der Einigungserklärung auf dem am 13. 12. 1923 in Köln abgehaltenen Kreistag der westdeutschen Studentenschaften erklärten die Bonner Vertreter, dass die Frage um das Mitgliedersystem der österreichischen und sudetendeutschen Studentenschaften noch nicht endgültig geklärt sei. Oppermann, Alemannia, S. 467f. 293 Bei der AStA-Wahl im Wintersemester 1926/27 siegte die Liste »Nationaler Korporationen«, der unter anderem die Verbindungen des Waffenrings angehörten. Oldenhage, Korporationen, S. 104. 294 Als auslandsdeutsche Studentenschaften galten alle außerhalb der Reichgrenzen wirkenden Studentenausschüsse, die sich durch Sprache, Bildung und Bekenntnis zur deutschen Kulturgemeinschaft zugehörig fühlten. Dies traf insbesondere auf die österreichischen und sudetendeutschen Studentenschaften zu. Müller, Bildung, S. 323.
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und Religion« zugänglich seien.295 Aber weder die österreichischen Studentenschaften noch der Vorstand der DSt waren bereit, auf die Vorschläge Beckers einzugehen. Auch nach mehrmonatigen Verhandlungen kam man zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Die preußische Regierung erließ daraufhin im September 1927 eine Verordnung, die den preußischen Studentenschaften nur noch Zusammenschlüsse mit solchen Studentengruppen erlaubte, die ihre Mitglieder nicht nach rassischen Kriterien auswählten und deren Satzungen im Einklang mit dem preußischen Studentenrecht von 1920296 standen.297 Über das Inkrafttreten der neuen Verordnung sollten die preußischen Studentenschaften per Urabstimmung entscheiden. Wie in Bonn, so endete das Votum im November 1927 an allen Hochschulen – einzige Ausnahme war die Philologisch-Theologische Akademie im ostpreußischen Braunsberg – mit einer Absage an die von Kultusminister Becker anvisierte staatsbürgerliche Neuausrichtung der Deutschen Studentenschaft.298 Als Konsequenz aus der Abstimmungsniederlage entzog Becker den ihm unterstellten Studentenschaften im Dezember 1927 die staatliche Anerkennung und löste die bestehenden Studentenausschüsse auf.299 In Bonn erfolgte die Liqui-
295 Zinn, Selbstverwaltung, S. 459f. 296 Am 18. September 1920 erließ die preußische Regierung die »Verordnung über die Bildung von Studentenschaften«. Sie war das erste in Deutschland geltende Studentenrecht. Es erkannte die an den Hochschulen gebildeten Allgemeinen Studentenausschüsse offiziell als Körperschaften des öffentlichen Rechts an und gestattete ihnen unter anderem, Zwangsbeiträge zu erheben. Andere Länder des Deutschen Reichs folgten bis 1922 dem preußischen Modell und wendeten die Verordnung in leicht modifizierter Form auf ihre Studentenschaften an. Grundgedanke des Studentenrechts war es, den Studierenden ein Mitbestimmungsrecht in studenten- und hochschulpolitischen Angelegenheiten zu geben und sie auf diesem Wege zu pflicht- und verantwortungsbewussten Staatsbürgern zu erziehen. Vgl. Verordnung über die Bildung von Studentenschaften vom 18. September 1920, abgedruckt in: Kalischer, Universität, S. 132–136; Rohwedder, Selbsthilfe S. 236f.; Zinn, Selbstverwaltung, S. 452f. 297 Grüttner, Studenten, S. 27; Lönnecker, Vorbild, S. 40–43; Müller, Bildung, S. 322f.; Wende, C. H. Becker, S. 252–268. 298 An der Bonner Universität votierten bei einer Wahlbeteiligung von 77 Prozent knapp zwei Drittel der Studierenden gegen die Neuverordnung. Vergleicht man das Ergebnis mit den Resultaten an den übrigen preußischen Universitäten, so zeigte sich, dass Beckers Pläne in Bonn noch auf relativ große Sympathien stießen. In Greifswald, Halle, Marburg und Münster lag der Anteil der Nein-Stimmen bei mehr als 90 Prozent. Siehe die Zahlen bei Grüttner, Studentenschaft, S. 217. 299 Durch den Entzug der gesetzlichen Grundlage verloren die Studentenschaften unter anderem die ihnen übertragenen Aufgaben der sozialen Studentenfürsorge; zudem besaßen sie fortan kein Anrecht mehr darauf, Zwangsbeiträge zu erheben. Vgl. GStA, VI. HA, Nl Becker, C. H., Nr. 1049, Nachrichtenblatt der Deutschen Studentenschaft. Jg. 8 1927/28, Nr. vom 25. 11.
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dierung durch Kurator Norrenberg.300 Die Studierenden nahmen den Vorgang ohne größere Aufregung hin, wie Rektor Rudolf Meißner berichtete.301 Danach gab es in Bonn mehr als zwei Jahre lang keine organisierte Studentenschaft. Die Belange der Studierenden wurden zwischenzeitlich von den Korporationen und einzelnen studentischen Vereinen vertreten.302 Allerdings gab es innerhalb der Studentenschaft recht bald wieder Bemühungen, eine freie, von staatlicher Kontrolle unabhängige Selbstverwaltung zu bilden. Diese sollte die Arbeit des aufgelösten AStA weiterführen. Ein erster Versuch, eine solche Studentenvertretung zu gründen, scheiterte im Sommer 1928 zunächst noch am Widerstand der Waffenringverbindungen und der katholischen Korporationen: Sie hielten den Zeitpunkt einer Reorganisation für verfrüht.303 Erst im darauffolgenden Jahr fand sich eine Mehrheit für die Neubildung einer studentischen Organisation. Zu den Unterstützern zählten auch Teile der Dozentenschaft, allen voran Adolf Dyroff und Rektor Heinrich Konen. Die Gründung der »Allgemeinen Studentischen Arbeitsgemeinschaft« (ASTAG) als freie Interessenvertretung der Studentenschaft an der Universität und der Landwirtschaftlichen Hochschule in Poppelsdorf erfolgte schließlich am 12. Februar 1930. Sie wurde von Rektor und Senat anerkannt. Ihre Aufgabengebiete ähnelten denen des alten AStA: sie bezogen sich im Wesentlichen auf Fragen der Hochschul- und Studienreform, der Wirtschaftshilfe, der Auslandsarbeit und des Hochschulsports. Darüber hinaus veranstaltete die ASTAG Vortragsreihen zur Förderung der politischen Bildung der Studierenden und wirkte in Universitätsausschüssen wie dem Gebührenausschuss, der Akademischen Krankenkasse, dem Amt für Leibesübungen und dem Bauausschuss mit.304 Eines der bekanntesten Mitglieder war der damalige Jurastudent Gerhard Schröder, welcher später in der Bundesrepublik an der Gründung der CDU beteiligt war und zwischen 1953 und 1969 verschiedene Bundesministerposten bekleidete.305 Finanziell war die ASTAG aufgrund ihrer Unabhängigkeit von staatlichen Stellen auf freiwillige Beitragszahlungen der Studentenschaft angewiesen.306 Die Geschäftsstelle befand sich in den Räumen des Kuratoriums an der 300 UAB, Kur 106, F 2, Band 1: Studentenschaft (1925–1934), Schreiben von Kurator Norrenberg vom 30. 06. 1928. 301 Chronik 1927/28, S. 1. 302 UAB, Slg. Bib. 2261, Der Bonner Student, Ausgabe vom 09. 11. 1930. 303 Ruloffs, Salia, S. 158; Oldenhage, Korporationen, S. 105. 304 Bonner Studentenführer 1932, S. 53. 305 Der CDU-Politiker Schröder war von 1953 bis 1961 Bundesminister des Innern, von 1961 bis 1966 des Auswärtigen und von 1966 bis 1969 Bundesminister der Verteidigung. Zur Tätigkeit Schröders in der Bonner DVP-Hochschulgruppe und der ASTAG siehe Oppelland, Schröder, S. 56–63; dazu auch UAB, Slg. Bib. 2261, Der Bonner Student, Ausgabe vom 29. 01. 1932, Artikel: »Bemerkung zur ASTAGwahl«. 306 Pro Semester erhob der ASTAG einen freiwilligen Beitrag von 0,30 Reichsmark von seinen
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Franziskanerstraße. Getragen wurde die Arbeitsgemeinschaft in erster Linie von den katholischen Korporationen und den Verbindungen des Bonner Waffenrings; der Einfluss radikaler Gruppen wie des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) blieb verglichen mit anderen Universitäten gering.307
Universität und Öffentlichkeit Wie immer wieder deutlich wurde, war der Übergang von der Kaiserzeit zur Weimarer Republik für die Bonner Universität ein tiefer Einschnitt. Auch ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit änderte sich unter den neuen Bedingungen: Alte Verbindungen rissen ab oder konnten nur unter anderen Vorzeichen fortgeführt werden. Gleichzeitig entstanden neue Beziehungsgeflechte, die die Position der Bonner alma mater in der deutschen und internationalen Wissenschaftslandschaft stärkten. An ihren Traditionen hielt sie fest. Diese wurden meist bei akademischen Feiern in Erinnerung gerufen und dienten vornehmlich der Selbstvergewisserung und Identitätsstärkung.308
Das Verhältnis zur Stadt Bonn Um 1900 hatte Bonn zu den wohlhabendsten Städten in Preußen gezählt. Nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterte sich die finanzielle Situation der Stadt entscheidend.309 Durch die Erzbergersche Reichsfinanzreform von 1920 büßte die Stadt ihre Einnahmen aus der Einkommensteuer ein; Steuergelder flossen nur noch aus Grund- und Gewerbeabgaben, die jedoch für das industriearme Bonn nicht viel einbrachten.310 Darüber hinaus trug die Inflation zur Verarmung bei: Zwar konnte die kommunale Schuldenlast abgebaut werden, mancher Einwohner jedoch verlor sein Vermögen und war fortan auf städtische Fürsorgeleistungen angewiesen.311 Umso größer war in solch schwierigen Zeiten die finanzielle Bedeutung der Hochschule für die Stadt.
307 308 309 310 311
Mitgliedern. Vgl. Der Bonner Student, Ausgabe vom 12. 12. 1931, Satzung, Geschäfts- und Wahlordnung der ASTAG. Vgl. UAB, Kur 106, F 2, Band 1: Studentenschaft (1925–1934), Schreiben von Kurator Proske vom 22. 02. 1930 an das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Siehe auch Forsbach, Studieren, S. 105. Vgl. Bruch, Universität, S. 98. Ennen/Höroldt, Römerkastell, S. 216. Vogt, Bonn, S. 484. Insbesondere die zahlreichen Rentiers in Bonn, von deren Wohlstand die Stadt in früheren Jahren stark profitiert hatte, traf die Inflation schwer. Im Krisenjahr 1923 lebte etwa ein
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Mit ihren zahlreichen Beschäftigten und Studierenden war die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität eine starke Stütze des Bonner Wirtschaftslebens. Nicht nur, dass sie einer der größten Arbeitgeber der Stadt war, auch Buchhändler, Drucker, Handwerker, Gastwirte, Wohnungsvermieter et cetera profitierten von der Nachfrage der Universitätsangehörigen. Zudem belebten wissenschaftliche Tagungen das Fremdenverkehrsgewerbe in Bonn – in den 1920er Jahren etwa sechs bis zehn pro Jahr.312 Ferner war das kirchliche Leben der Stadt von den Verbindungen geprägt, die die Universität sowohl zur evangelischen als auch zur katholischen Glaubensgemeinde unterhielt. So fanden protestantische Gottesdienste unter Beteiligung des Universitätspredigers auch während der Weimarer Republik in der Schlosskirche statt, im Wechsel mit der Kreuzkirche am Kaiserplatz; der katholische Universitätsgottesdienst nutzte bis 1930 das Gotteshaus der Remigiuspfarre in der Brüdergasse, anschließend die Gymnasialkirche (heutige Namen-Jesu-Kirche) in der Bonngasse.313 Die kulturelle Ausstrahlung der Universität spiegelte sich auch im Anteil der Studierenden an der Einwohnerzahl Bonns. Während der Weimarer Zeit machten die Studierenden durchschnittlich 5,5 Prozent der Stadtbevölkerung aus. Damit rangierte Bonn unter den deutschen Universitätsstädten im oberen Drittel; lediglich Tübingen (14,8 Prozent), Marburg (10,3 Prozent), Göttingen (7,9 Prozent) und Erlangen (6,2 Prozent) hatten einen höheren Anteil. Allerdings hatten diese Städte erheblich weniger Einwohner als Bonn, das während der Weimarer Republik rund 95.000 Bewohner zählte.314 Tabelle 24: Anteil der Studierenden an der Bonner Bevölkerung in den Sommersemestern 1919–1932 (Angaben in Prozent) 1919 6,45 1926 4,28
1920 5,91 1927 5,30
1921 5,25 1928 6,11
1922 4,73 1929 7,03
1923 4,27 1930 7,62
1924 3,53 1931 7,66
1925 3,32 1932 6,98
Quellen: Eigene Berechnungen nach Zahlen aus Höroldt, Stadt und Universität, S. 349.
Die Bedeutung der Universität für die Stadt drückte sich auch in dem großen Umfang der kommunalen Leistungen für die Hochschule aus. Trotz angespannter Haushaltslage ließen die Stadtväter den studentischen Hilfseinrichtungen und Stiftungen in der alma mater regelmäßig Gelder zukommen, beDrittel der Bonner Bevölkerung von Unterstützungen. Gutzmer, Chronik, S. 165; Ennen/ Höroldt, Römerkastell, S. 293. 312 Höroldt, Bedeutung, S. 274. 313 Ebd., S. 280f. 314 Eigene Berechnungen anhand der Einwohnerstatistiken der betreffenden Städte für die Jahre 1919, 1925 und 1933 sowie den Zahlen aus dem von Titze herausgegebenen Datenhandbuch, Band 1, Teil 2.
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teiligten sich an Kosten für Bau, Unterhalt und Personal von Universitätseinrichtungen, insbesondere der Kliniken, und halfen beim Erwerb von Grundstücken.315 Eine von der Bonner Stadtverwaltung für die Jahre 1925 bis 1929 angestellte Umfrage unter elf mittelgroßen deutschen Universitätsstädten ergab, dass die Stadt mit ihren Leistungen für die Universität (eingerechnet aller einmaligen Aufwendungen) in der Spitzengruppe lag – übertroffen nur von Freiburg, Heidelberg und Gießen.316 Die Universität empfing jedoch nicht nur Leistungen der Stadt, sondern engagierte sich auch zugunsten der Bonner Bevölkerung. So betätigten sich Universitätslehrer in der Erwachsenenbildung, indem sie Vortragsreihen und Fortbildungskurse in der 1919 gegründeten »Gesellschaft für Volksbildung« hielten.317 Die Universitätskliniken leisteten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung in der Stadt und dem umgebenden Landkreis: 1926 richtete die Zahnmedizinische Klinik beispielsweise auf Anregung ihres Direktors Alfred Kantorowicz eine fahrbare Zahnklinik ein, die der Behandlung von Schulkindern diente und eine der ersten ihrer Art in Deutschland war.318 Ebenso unterstützten die universitären Kliniken die Stadt bei sozialen Diensten wie der Pflege verarmter Stadtbewohner, die in der Weimarer Zeit bis zu einem Drittel aller Patienten der Universitätskliniken ausmachten.319 In engem Zusammenspiel von Stadt und Universität wurden drohende Ge315 Eine Übersicht über die Aufwendungen der Stadt Bonn für die Universität in den Jahren 1924–1939 findet sich bei Höroldt, Bedeutung, S. 332f. Neue Grundstücke gewann die Universität während der Weimarer Republik hauptsächlich durch Parzellenaustausch mit der Stadt Bonn. Gegen Überlassung des Geländes der Hauptkliniken an der Theaterstraße erhielt die Universität im Gegenzug Grundstücke im Westen der Stadt (Gut Hoheneich an der Endenicher Straße), die für den Bau eines neuen Klinikums vorgesehen waren. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise konnte dieser Plan in den Weimarer Jahren jedoch nicht realisiert werden. Ebd., S. 182–187. 316 Die im Dezember 1929 initiierte Umfrage bezog sich auf die Städte Aachen, Bonn, Erlangen, Freiburg, Gießen, Göttingen, Heidelberg, Marburg, Münster, Tübingen und Würzburg. Sieht man von einmaligen Zahlungen ab und vergleicht nur die Zuwendungen der Städte, die dem Lehrbetrieb und studentischen Wohlfahrtseinrichtungen zugutekamen, belegte die Stadt Bonn unter den genannten Hochschulstädten mit Abstand den ersten Rang. Ebd., S. 334, Anlage 8 a und b. 317 Die »Gesellschaft für Volksbildung« war 1919 als Zusammenschluss von 29 Bonner Vereinen aller politischen und konfessionellen Richtungen entstanden und trat die Nachfolge der ersten, 1904 gegründeten Bonner Volkshochschule an, die 1916 kriegsbedingt geschlossen werden musste. Von 68 Dozenten, die zwischen 1919 und 1923 im Volksbildungsverein lehrten, waren die Hälfte Universitätslehrer. Den Vorsitz der Gesellschaft hielt der Germanist Carl Enders, seine Kollegen Alfred Kantorowicz, Wilhelm Neuß und Ludwig Schiedermair saßen im Vorstand. Berke, Entwicklungen, insb. S. 82–146; Höroldt, Bedeutung, S. 295. 318 Kremer/Büchs, Klinik, S. 92–94. 319 Höroldt, Bedeutung, S. 60f.
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fahren für den Hochschulstandort Bonn abgewehrt. Dabei handelte es sich vorwiegend um staatliche Pläne, einzelne Institute der Universität aus Rationalisierungsgründen in andere Hochschulstädte zu verlegen.320 Akut schien eine solche Gefahr insbesondere im Wintersemester 1931/32 zu werden, als sich Gerüchte verbreiteten, die Kliniken der Bonner Universität würden im Austausch mit der vorklinischen Ausbildung nach Köln umgesiedelt. Es überrascht nicht, dass es in Bonn hartnäckigen Widerstand gegen ein solches Vorhaben gab. So nahm sich die Zentrumsfraktion unter ihrem Vorsitzenden Johannes Henry des Themas in einer geheimen Stadtratssitzung an; Stadtschulrat Baedorf nutzte persönliche Kontakte in Berlin, um die Verlegung abzuwenden. Schließlich wurden die Pläne nicht realisiert – es hieß, das Innenministerium habe aus Sparzwängen dem Ansinnen einen Riegel vorgeschoben, was das Kultusministerium allerdings dementierte.321
Beziehungen zu anderen Hochschulen und wissenschaftlichen Institutionen Unabhängig von dem Bestreben, mit den städtischen Behörden gut und eng zusammenzuarbeiten, suchte die Bonner Universität ihre Kontakte zur scientific community auszubauen. Die einschneidenden politischen Ereignisse der Nachkriegszeit, insbesondere die alliierte Besetzung des Rheinlands, bereiteten der Universität dabei häufig Schwierigkeiten. Hochangesehene Professoren waren nur schwer für den Wechsel an den Rhein zu gewinnen, und auch mancher Bonner Kollege wäre angesichts der drückenden Verhältnisse wohl gern an einen anderen Hochschulort gewechselt.322 Als hinderlich für den wissenschaftlichen Austausch erwiesen sich auch die Reiseverhältnisse im Rheinland. So musste Rektor Zitelmann im Frühjahr 1919 seine Teilnahme an der deutschen Rektorenkonferenz in Halle an der Saale absagen, da restriktive Ein- und Ausreisebestimmungen der britischen Besatzungsbehörden seine Reise behinderten.323 Angesichts der »Abgeschiedenheit« des Rheinlands intensivierte die Universität ihre Kontakte zunächst vorwiegend auf regionaler Ebene, nicht nur mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). So entstand im Verlauf der 1920er Jahre insbesondere mit der Universität zu Köln eine rege und produktive Zusammenarbeit: Man förderte den Austausch von 320 Ebd., S. 70. 321 Ebd., S. 71. 322 UAB, MF 79 15, Denkschrift vom 01. 03. 1922 über die Lage und Wünsche der Universität Bonn aufgrund sorgfältiger Vorarbeiten aller Fakultäten vom akademischen Senat zusammengestellt, S. 13. 323 UAB, Rekt. 105, A 6,9, Rektorenkonferenzen der deutschen Universitäten (1903–1921), Schreiben vom 14. 02. 1919.
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Lehrkräften, Immatrikulierte waren berechtigt, an der jeweils anderen Hochschule Vorlesungen und Übungen zu besuchen, und auch in Verwaltungsangelegenheiten und bei der Organisation sportlicher Wettbewerbe kooperierte man eng.324 Dabei war das Verhältnis der beiden rheinischen Nachbaruniversitäten nicht von Anfang an spannungsfrei. Als zu Beginn des Jahres 1919 die Nachricht bekannt wurde, dass in Köln nach den Wünschen von Oberbürgermeister Konrad Adenauer und Studiendirektor Christian Eckert durch Einbeziehung mehrerer wissenschaftlicher Einrichtungen eine Volluniversität entstehen sollte, regte sich auf Bonner Seite starker Protest. Rektor und Senat legten am 18. Januar beim Kultusministerium Beschwerde ein, dass die Zustimmung zur Kölner Universitätsgründung noch vor Zusammentritt der verfassungsgebenden preußischen Landesversammlung erfolgt war.325 Zusätzlich war man über den Umstand verärgert, dass die Verhandlungen in Berlin ohne Rücksprache mit der Bonner Hochschule geführt worden waren. Die somit vor vollendete Tatsachen gestellten Bonner hatten gehofft, die Kölner Handelshochschule werde als Handels- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität angegliedert, so wie es Carl Heinrich Becker, der damalige Universitätsreferent im preußischen Kultusministerium, Ende 1918 geplant hatte.326 Die Bonner Stadtverordnetenversammlung unterstützte die Universität bei ihrem Protest. In einem Beschluss vom 24. Januar 1919 kritisierten die Ratsherren die »übereilte« Entscheidung des Ministeriums als »geringschätzige Behandlung« der alma mater.327 Man war der Ansicht, dass Bonn durch die Einrichtung einer zweiten rheinischen Hochschule seinen Rang als zweitgrößte preußische Universität verlieren und die Bürgerschaft »eine schwere wirtschaftliche Schädigung« erleiden würde. Doch entgegen aller Einwände, denen sich auch der Godesberger Gemeinderat anschloss, revidierte das preußische Kultusministerium seine Entscheidung nicht; die Universität zu Köln wurde am 12. Juni 1919 feierlich eröffnet.328 Indes: Zu der befürchteten Benachteiligung
324 Höroldt, Rivalität, S. 209f.; Chronik 1920/21, S. 95, sowie Chronik 1927/28, S. 1f. 325 UAB, Kur 106, D 7, Die Gründung einer Universität in Cöln a. Rh. (1919–1924), Schreiben vom 18. 01. 1919. Am selben Tag schloss sich der gesamte Lehrkörper der Bonner Universität der Protestnote von Rektor und Senat an. Siehe SAB, PR 2055, Schreiben vom 18. 01. 1919. Ferner : Bonner Zeitung vom 24. 01. 1919. 326 Eckert, Wiedereinrichtung, S. 53–74. 327 UAB, Kur 106, D 7, Die Gründung einer Universität in Cöln a. Rh. (1919–1924), Auszug aus dem Sitzungs-Protokoll der Stadtverordneten-Versammlung zu Bonn vom 24. 01. 1919. 328 SAB, PR 2055, Auszug aus dem Beschlussbuche des Gemeinderats von Godesberg. Siehe auch Höroldt, Stadtverwaltung, S. 69; Fuchs, Besatzungszeit, S. 63f.; Heimbüchel, Universität, S. 273–335.
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Bonns und seiner Universität ist es durch die Kölner Neugründung nicht gekommen. Eine fruchtbare Kooperation unterhielt die Universität Bonn mit der Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn-Poppelsdorf. Seit 1847 bestand auf dem Gelände des ehemaligen Gutshofs Poppelsdorf eine landwirtschaftliche Lehranstalt. Diese war 1861 zur »Königlich Preußischen Landwirtschaftlichen Akademie«erhoben worden.329 Seit Oktober 1919 hatte sie den Status einer Hochschule mit Rektoratsverfassung und Promotionsrecht. Sie war eigenständig und unterstand dem preußischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. In organisatorischer Hinsicht gab es enge Verbindungen zwischen den beiden Bonner Einrichtungen. Einzelne Ordinarien der Poppelsdorfer Hochschule gehörten auch dem Lehrkörper der Philosophischen beziehungsweise Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät an;330 ihre Studierenden waren an der Philosophischen Fakultät immatrikuliert und somit vollberechtigte Angehörige der Universität.331 Darüber hinaus kooperierten beiden Einrichtungen in Angelegenheiten der studentischen Wohlfahrtspflege.332 Mit der Pädagogischen Akademie besaß Bonn zudem seit 1926 eine weitere Hochschule. Diese war als eine der ersten Lehrerbildungsanstalten in Preußen eingerichtet worden und zunächst im Gebäude der Volksschule in der Wilhelmstraße untergebracht, ehe im April 1933 der Umzug in einen Neubau unmittelbar am Rheinufer – das spätere Bundeshaus – erfolgte.333 Ein Blick auf das erste Dozentenkollegium der Lehrerakademie aus dem Jahre 1926 zeigt, dass es personelle Verbindungen zur Universität gab. So hielten Siegfried Behn, außer-
329 Ihren Ursprung hatte die akademische Ausbildung von Landwirten in Bonn bereits im Jahre 1819, als durch Erlass von Staatsminister von Altenstein ein Landwirtschaftliches Institut an der Philosophischen Fakultät der Universität eingerichtet wurde. Es stand unter der Leitung des aus Jena berufenen Karl Christian Gottlob Sturm. Dessen plötzlicher Tod im Jahre 1826 hemmte die weitere Entwicklung des Instituts, so dass die Landwirtschaftswissenschaften an der Universität zunächst aufgegeben wurden. 1847 entstand in Poppelsdorf die »Königlich Höhere Landwirtschaftliche Lehranstalt« als selbständige Einrichtung. Aus ihr ging später die Landwirtschaftliche Hochschule hervor. Ausführlich zur Geschichte der landwirtschaftlichen Ausbildung in Bonn-Poppelsdorf siehe: Weiß, 200 Jahre; Krampitz, Lehre; Kick, Geschichte, S. 10–20. 330 Theodor Brinkmann und Friedrich Beckmann unterrichteten im Sommersemester 1928 Landwirtschaftliche Betriebslehre beziehungsweise Volkswirtschaftslehre an der Philosophischen Fakultät. Nach der Zusammenlegung der Wirtschaftswissenschaften mit den Juristischen Fächern im Oktober 1928 gehörten beide als Honorarprofessoren der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät an. 331 UAB, LWF 1, Nr. 1003, Bd. 1, Einrichtung und Organisation der landwirtschaftlichen Fakultät (1919–1924), Schreiben vom 14. Oktober 1919; ebd. Satzungen der landwirtschaftlichen Hochschule Bonn, §§ 34–38. 332 Hagemann, Hochschule, S. 14. 333 Berger, Akademie, S. 293–316; Arnold, Reform, S. 29–76.
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ordentlicher Professor für Philosophie, und Leo Weisgerber, Privatdozent für Sprachwissenschaften, an beiden Einrichtungen Lehrveranstaltungen ab.334 Über die lokalen und regionalen Grenzen hinaus fand die Zusammenarbeit mit den Universitäten und Hochschulen im Reich meist in den großen nationalen Wissenschaftsvereinigungen, Interessenverbänden und Fördergesellschaften statt. Bonner Professoren hatten im Organisationsgefüge dieser Institutionen oftmals eine tragende Rolle. Beispielsweise gehörte Fritz Tillmann zu den Mitgliedern des Hauptausschusses der 1920 gegründeten »Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft« (NDW), die ab 1929 den Namen »Deutsche Forschungsgemeinschaft« (DFG)335 trug; ferner war er von 1929 bis 1933 Vorsitzender des 1920 unter seiner Mitwirkung ins Leben gerufenen »Verbandes der Deutschen Hochschulen« (VDH).336 Der Nationalökonom Arthur Spiethoff zählte zum Führungskomitee des 1925 geschaffenen »Akademischen Austauschdienstes« (AAD), der sich 1931 mit der Deutschen Akademischen Auslandsstelle des VDH und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zum »Deutschen Akademischen Austauschdienst« (DAAD) zusammenschloss.337
Auslandsbeziehungen Die Pflege internationaler Kontakte, wie sie beispielsweise über den DAAD hergestellt wurden, war für die Arbeit der Hochschulen sehr wichtig. Für die deutschen Universitäten war insbesondere die Spätphase des Kaiserreichs ein »goldenes Zeitalter des Internationalismus«338 gewesen. Allerdings wurden die regen Auslandsbeziehungen durch den Ersten Weltkrieg stark beeinträchtigt. Infolge der weitgehenden Isolierung Deutschlands rissen viele Verbindungen mit ausländischen Gelehrten und Gesellschaften ab. Im Oktober 1918 verabschiedete die Konferenz der interalliierten Akademie der Wissenschaften in London eine Resolution, die das Deutsche Reich von internationalen Veranstaltungen ausschloss.339 Zu Fachkonferenzen erhielten deutsche Wissenschaftler in der Folge kaum mehr Einladungen. Allein in den Jahren 1922/23 fanden 65 Prozent aller internationalen wissenschaftlichen Tagungen ohne 334 UAB, Slg. Bib. 1569, Manuskript zum Vortrag »40 Jahre Pädagogische Hochschule Bonn 1926–1966« von Prof. Dr. Peter Thielen, S. 19. 335 Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 85. 336 Oberdörfer, Verband, S. 69–88; Schlink, Rektorenkonferenz, S. 589–596. 337 Laitenberger, Austausch, S. 16–32, S. 183. 338 Metzler, Wissenschaftsbeziehungen. S. 57. Dazu auch Crawford, Nationalism, S. 61. 339 Der Beschluss der Londoner Konferenz wurde 1919 auf weiteren Tagungen in Paris und Brüssel bekräftigt und der Ausschluss der deutschen Wissenschaftler auf eine Dauer von zwanzig Jahren festgelegt. Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 30.
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deutsche Beteiligung statt.340 Auch von repräsentativen Wissenschaftsorganisationen wie dem 1919 in Brüssel gegründeten »International Research Council« für die Naturwissenschaften und der »Union Acad8mique Internationale« für die Geisteswissenschaften waren deutsche Forscher ausgeschlossen.341 Darüber hinaus verlegten internationale Forschungseinrichtungen ihren Sitz außerhalb der Reichsgrenzen, und Deutsch verlor seinen Status als vorherrschende Verhandlungssprache bei wissenschaftlichen Kongressen.342 Erst im Zuge der Entspannungspolitik der Ära Stresemann mit der Aushandlung der Locarno-Verträge (1925) und der Aufnahme des Deutschen Reiches in den Völkerbund (1926) gelang es, Deutschland wieder »näher an die institutionalisierte internationale Wissenschaft«343 heranzuführen. Die bis Mitte der 1920er Jahre systematisch betriebene Ächtung der deutschen Wissenschaft durch das Ausland beeinträchtigte auch die internationalen Beziehungen der Universität Bonn. Offizielle Kontakte zu Forschungseinrichtungen in Ländern der Siegermächte bestanden in den ersten Nachkriegsjahren kaum; vielmehr trat man unter dem »Gefühl des Aufeinanderangewiesenseins«344 mit Hochschulen ehemaliger deutscher Bündnispartner wie Österreich und Bulgarien in Austausch, die ebenfalls von der wissenschaftlichen Isolierung betroffen waren.345 Positiv waren auch die Verbindungen zu sowjetischen Wissenschaftlern, die nach 1918 das Schicksal ihrer deutschen Kollegen teilen mussten. Bis zur Verschlechterung der deutsch-sowjetischen Beziehungen in den 1930er Jahren stand die Bonner Universität in wiederholtem Austausch mit sowjetischen Gelehrten und Forschungseinrichtungen.346 So gehörte der Bonner alt-katholische Theologe und Spezialist für Slawistik, Leopold Karl Goetz, einer dreißigköpfigen deutschen Delegation an, die im September 1925 anlässlich der 200-Jahrfeier der Russischen Akademie der Wissenschaften Leningrad und Moskau besuchte.347 Umgekehrt erhielten russische Forscher Einladungen, vor
340 341 342 343 344 345 346 347
Schroeder-Gudehus, Wissenschaftsbeziehungen, S. 860. Hehl, Umbrüche, S. 146. Brocke, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 201. Metzler, Wissenschaftsbeziehungen, S. 77. Der Anteil der internationalen Wissenschaftskongresse ohne deutsche Beteiligung lag 1926 unter 20 Prozent. Schroeder-Gudehus, Wissenschaftsbeziehungen, S. 860. Nötzold, Wissenschaftsbeziehungen, S. 779. UAB, Kur 106, D 1, Beziehungen zu anderen Universitäten und gelehrten Anstalten (1834– 1928). Nötzold, Wissenschaftsbeziehungen, S. 778–787. Chronik 1924/25 S. 8. Goetz hatte auf dieser Reise die Ehre, auf dem Festbankett in Leningrad die Rede als Vertreter der deutschen Universitätsdelegation zu halten. Stupperich, Teilnahme, S. 224.
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Bonner Publikum Vorträge zu halten, was in Kreisen der nationalsozialistisch gesinnten Studentenschaft für großes Missfallen sorgte.348 Eine bedeutende Rolle für die internationalen Wissenschaftsbeziehungen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität spielte das Verhältnis zu den französischen Besatzungsbehörden. Obwohl die Franzosen zu den Initiatoren der Ächtungspolitik gegen deutsche Wissenschaftler gehörten, versuchten sie, den Austausch mit deutschen, besonders Bonner Professoren alsbald wieder aufleben zu lassen.349 Dahinter verbarg sich die Strategie, den Einfluss im besetzten Rheinland auf dem Wege der friedlichen Durchdringung (»P8n8tration pacifique«) auszudehnen. Besonders der Oberdelegierte der Interalliierten Rheinlandkommission, Oberst Camille-Marius G8lin, sowie Oberst Jacques Bessey de Boissy waren wiederholt bemüht, den wissenschaftlichen Verkehr mit Bonner Professoren in Gang zu setzen.350 Doch solange das Rheinland von den Franzosen besetzt blieb und weiterhin Ächtungsbeschlüsse des Auslands gegen deutsche Wissenschaftler ergingen, lehnte der Senat der Universität Bonn die Annäherungsversuche Frankreichs beharrlich ab.351 Nach Ende des Boykotts der deutschen Wissenschaft blühten die internationalen Beziehungen der Bonner Universität wieder auf. Ausdruck war etwa im Jahre 1927 die Gründung einer Akademischen Auslandsstelle als Abteilung des Vereins Studentenwohl e.V.352 Den Vorsitz hatte Professor Adolf Zycha, das Büro leitete Dr. Peter Stockhausen, damaliger Geschäftsführer des Studentenwerks und später – von 1948 bis 1951 – Oberbürgermeister von Bonn.353 Die Akademische Auslandstelle richtete ihr Hauptaugenmerk auf die Betreuung der aus348 »So weit ist man an der Bonner Universität schon gekommen«; NSDStB Bonn, Wir tragen das Banner der Freiheit, S. 24. Siehe auch Bonner Mitteilungen 6, November 1930, S. 20. 349 UAB, Rekt. 105, A 49,4, Bd. 5, Vereinigung deutscher Hochschulen (1921–1922), Schreiben von Rektor Johannes Fitting an den Vorsitzenden des Deutschen Hochschulverbands Rudolf Schenck vom 26. 10. 1921. 350 UAB, Rekt. 105, A 49,4, Bde. 1–9, Vereinigung deutscher Hochschulen/Hochschulvereinigung/Hochschulverband. 351 Beispielsweise lehnte der Senat im Oktober 1925 einen Professorenaustausch mit dem Institut d’8tudes germaniques in Mainz ab. Der Senat hegte Zweifel, ob sich Bonner Professoren finden würden, die geneigt seien, Vorträge am Mainzer Institut zu halten, und ob in Bonn Studenten bereit seien, Vorlesungen französischer Professoren zu besuchen, während im Rheinland noch Besatzungstruppen stationiert seien. Vgl. Schreiben von Rektor Joseph Heimberger an das preußische Kultusministerium vom 17. 10. 1925, abgedruckt bei Fuchs, Besatzungszeit, S. 132–134. 352 UAB, Rekt. 105, A 49,4, Bd. 9, Hochschulverband (1925–1928), Schreiben vom 26. 04. 1927. Siehe auch Holle, Das Akademische Auslandsamt, S. 63; Feldenkirchen, Beziehungen, S. 194. Die Akademische Auslandsstelle Bonns gehörte Ende der 1920er Jahre zu einer der 18 bestehenden Beratungseinrichtungen an deutschen Universitäten, die unter dem Dach der zentralen »Deutschen Akademischen Auslandsstelle« (DAASt) mit Sitz in Dresden zusammengefasst waren. Vgl. Impekoven, Humboldt-Stiftung, S. 135. 353 Bonner Studentenführer 1929, S. 39.
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ländischen Studierenden an den Bonner Hochschulen und vermittelte ihnen Wohnplätze und Kontakte zu Professoren, Studierenden und deutschen Familien. Sie veranstaltete im Studentenhaus Empfänge, Vortragsreihen und »deutsch-ausländische Abende«, die der Diskussion über nationale Fragen und dem gesellschaftlichen Austausch dienten, bot Deutschkurse für Ausländer an, führte Exkursionen durch und übernahm die Fürsorge für den Aufenthalt ausländischer Studentengruppen in Bonn.354 Deutsche Studierende nahmen die Auslandsstelle bei Fragen zum Studium im Ausland in Anspruch. In großer Zahl gingen insbesondere Gesuche um Vermittlung von Au-pair-Stellen ein – doch da es nur wenige Angebote aus dem Ausland gab, ließen sich die Wünsche der Bewerber nur in wenigen Fällen verwirklichen. Ähnliche Ziele wie die Akademische Auslandsstelle verfolgte die private »Vereinigung ausländischer Studierender«, in der sich die in Bonn lebenden Ausländer zusammenschlossen. Um ihren Mitgliedern das Einleben in deutsche Kulturverhältnisse zu erleichtern, umgekehrt aber auch der Bonner Bevölkerung Kenntnisse über fremde Länder zu vermitteln, richtete der Verein Veranstaltungen aus, die der Bildung und Geselligkeit dienten. Von Vorteil waren dabei die engen persönlichen Beziehungen des Klubs zur Akademischen Auslandsstelle. So erschienen zahlreiche Professoren, Studierende und Bonner Familien regelmäßig zu den Festveranstaltungen der Vereinigung.355
Feste und Feiern Feste und Feiern waren ein wichtiger Bestandteil des universitären Lebens. Sie dienten der akademischen Repräsentation in der Öffentlichkeit; zugleich spiegelten sie das Selbstverständnis der Hochschule wider.356 Einige Schlaglichter sollen die zahlreichen Festaktivitäten der Universität Bonn beispielhaft verdeutlichen. Kern der universitären Veranstaltungskultur war die alljährliche Rektoratsübergabe. Sie war stark ritualisiert. Die Universitätssatzung von 1930 sah vor, dass der amtierende Rektor am 18. Oktober, dem Gründungstag der alma mater, den Großen Senat zur Übergabe des Amtes an seinen Nachfolger einberief.357 Der ins Amt einzuführende Rektor legte dabei vor den wahlberechtigten Mitgliedern des Lehrkörpers seinen Amtseid ab. Anschließend gaben die Universitätslehrer dem Rektor den Handschlag auf treue und pflichtbewusste Mitarbeit zum Wohle 354 355 356 357
Chronik 1930/31, S. 80–83. Ebd., S. 82. Blume, Institutionalität, S. 73–76. UAB, Kur 106, A 8, Statuten der Universität (1853–1934), Satzung der Universität Bonn 1930, § 52.
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der Universität. Dieser internen und schlicht gehaltenen Zeremonie folgte am ersten Novembersonntag nach Semesterbeginn die öffentliche Rektoratsübergabe.358 Sie wurde unter Beteiligung von Dozenten, Studierenden und Ehrengästen in der Aula der Universität feierlich begangen.359 Neben der Rektoratsübergabe zählten der Geburtstag des Universitätsstifters Friedrich Wilhelm III. am 3. August sowie die Sonnenwendfeier der Studentenschaft am Abend des 21. Juni zu den traditionellen Bonner Universitätsfestivitäten. Die Sonnenwendfeier konnte in den Weimarer Jahren allerdings erst 1926 wieder aufgenommen werden; zuvor hatte die alliierte Besatzung die Fackelzüge der studentischen Korporationen in die Gronau und die dortige Kundgebung an der Bismarcksäule untersagt. Zeitweise waren auch die erstmals 1919 ausgerichteten Reichsgründungsfeiern von einem Verbot betroffen.360 Während die Universität am 18. Januar 1921 den 50. Jahrestag des Deutschen Reichs noch in ruhiger Form begehen konnte, wurden die Feiern 1923 und 1924 von den Besatzungsbehörden untersagt.361 Grund war das angespannte politische Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich. Das Verbot sorgte an der Universität besonders deshalb für Missfallen, weil damit die in Verbindung mit den Reichsgründungsfeiern stehenden Gedächtnisfeiern für die im Krieg gefallenen Dozenten und Studierenden ebenfalls nicht stattfinden konnten.362 Erst nach Abzug der Besatzung war es 358 Ursprünglich fanden die Übergabe der Amtsgeschäfte am Vortag des 18. Oktober und der öffentliche Festakt der Rektoratsübergabe am Gründungstag der Universität Bonn selbst statt. 1921 war man von dieser Praxis versuchsweise abgewichen und führte den Festakt erst zu Beginn des Wintersemesters durch, um einer größeren Zahl von Studierenden die Teilnahme zu ermöglichen. Seit 1926 vollzogen sich die interne Rektoratsübergabe und der öffentliche Festakt regelmäßig getrennt voneinander. 359 Von 1926 bis 1929 fand die feierliche Rektoratsübergabe aufgrund von Umbauarbeiten im Hauptgebäude in der Beethovenhalle statt. 1930 nahm man die Rektoratsfeier zum Anlass, um sie mit der Einweihungsfeier für den Neubau und der neu errichteten Aula zu begehen. Bonner Mitteilungen 7, Februar 1931, S. 43f. 360 Chronik 1926/27, S. 1f. In der Kaiserzeit war der 18. Januar kein Nationalfeiertag und fand dementsprechend auch als akademischer Gedenktag nicht statt. Vielmehr war es an den preußischen Universitäten vor 1918 üblich gewesen, den Geburtstag des Kaisers – unter Wilhelm II. der 27. Januar – feierlich zu begehen. Kotowski, Universität, S. 45. 361 Bereits 1922 hatte die Feier zur Erinnerung an die Reichsgründung und an die im Weltkrieg gefallenen Kommilitonen in der Beethovenhalle nur unter Auflagen der Besatzungsbehörden stattfinden können. Beispielsweise durften keine Berichte in die Presse gelangen. Ohnehin war es nur dem Einsatz von Rektor Fritz Tillmann zu verdanken gewesen, dass der Tag gefeiert werden konnte, da alle sonstigen Reichsgründungsfeiern im besetzten Gebiete von der interalliierten Rheinlandkommission verboten worden waren. Chronik 1921/22, S. 8f., sowie Chronik 1924/25, S. 1. 362 Das Zusammenlegen von Reichsgründungsfeier und Gedenkstunde für die Gefallenen der Universität hatte der Senat am 17. November 1921 beschlossen. Gleichzeitig wurde der 18. Januar dauerhaft zum dies academicus erklärt. Damit war der Bonner Senat einer Anregung des deutschen Hochschulverbands gefolgt. Chronik 1921/22, S. 2, S. 133.
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wieder möglich, den 18. Januar als Reichsgründungs- und Gefallenen-Gedenktag zu begehen. Mit der Reichsverfassungsfeier etablierte sich nach 1918 ein weiterer Erinnerungstag im akademischen Festkalender. Anders als bei den Reichsgründungsfeiern, die die Universitäten initiierten,363 ging der Impuls für die Verfassungsfeier von der Reichsregierung aus. Ziel war es, die Hochschulen inhaltlich und symbolisch eng mit der Verfassung der Weimarer Demokratie zu verbinden.364 In Bonn fand eine solche Feier erstmals am 28. Juli 1929 statt. Allerdings wurde sie vom Boykott der korporierten Studierenden getrübt, die auf diese Weise ihren Protest gegen ein ministerielles Verbot ihrer Kundgebung zum 10. Jahrestag der Unterzeichnung des Versailler Vertrags zum Ausdruck brachten.365 1930 verband man die Verfassungsfeier mit der Gedenkfeier anlässlich der Räumung des letzten Teils des besetzten Rheinlands.366 Die kurzlebige Tradition der Reichsverfassungsfeiern an der Universität endete mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Nicht nur die Reichsgründungs- und die Reichsverfassungsfeier waren Neuschöpfungen der Weimarer Epoche, sondern auch die Gedenktage, die die Universität für berühmte verstorbene Bonner Professoren ausrichtete. Seit 1921 wurden die Feiern in unregelmäßigen Abständen begangen.367 Neben den Physikern Hermann von Helmholtz (1921), Rudolf Clausius (1922) und Heinrich Hertz (1926) würdigte man auch den Philologen Friedrich Ritschl (1922), den Physiologen Eduard Pflüger (1929), den Chemiker August Kekul8 (1929) sowie den Althistoriker Barthold Georg Niebuhr (1931) für hervorragende Verdienste um Universität und Wissenschaft. Die Feiertage des akademischen Festkalenders wurden durch einmalige Festveranstaltungen ergänzt. Meist gaben historische Jubiläen oder aktuelle politische Ereignisse Anlass zu einem Festakt. In der Weimarer Zeit sind die folgenden hervorzuheben: die nachträglich durchgeführte 100-Jahr-Feier der 363 Dass die deutschen Universitäten nach 1918 den Reichsgründungstag als festen Bestandteil in ihren Festkalender aufnahmen, war Ausdruck ihrer Kritik an der aus ihrer Sicht ungeliebten Republik. Langewiesche, Universität, S. 56. 364 Hehl, Umbrüche, S. 159. 365 1927 war auf dem 10. Deutschen Studententag in Würzburg der Beschluss gefasst worden, an allen deutschen Hochschulen jährlich eine Kundgebung gegen den Versailler Vertrag und gegen die »Kriegsschuldlüge« zu veranstalten. Das Verbot der für 1929 geplanten Veranstaltung durch das Kultusministerium führte zu Verstimmung in der Studentenschaft. Wie in Bonn blieben auch an anderen Universitäten im Reich – unter anderem in Münster – Teile der Studentenschaft der Reichsverfassungsfeier fern. Drüding, Jubelfeiern, S. 101; Kotowski, Universität, S. 79. 366 Die Feier wurde gemeinsam von der Universität und der Landwirtschaftlichen Hochschule Bonn-Poppelsdorf in der Beethovenhalle ausgerichtet. 367 Der Senat gab am 17. November 1921 seine Zustimmung zur Veranstaltung schlichter Feiern an Gedenktagen hervorragender Gelehrter der Universität. Chronik 1921/22, S. 133.
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Universität im August 1919,368 die Feier der tausendjährigen Zugehörigkeit des Rheinlands zum Deutschen Reich im Juni 1925369 – den historischen Bezugspunkt bildete die Eingliederung des Herzogtums Lothringen (Lotharingien) in das ostfränkische Reich unter Heinrich I. im Jahre 925 – sowie die am 20. und 21. Februar 1926 veranstaltete Befreiungsfeier370 der Bonner Hochschulen zum Ende der Besatzungszeit in der Stadt. Charakteristisch für diese Veranstaltungen war ihr national-konservatives, »vaterländisches« Gepräge. Dies galt auch für die Gedächtnisfeiern zu Ehren populärer Persönlichkeiten wie Ludwig van Beethoven (1927) und Johann Wolfgang von Goethe (1932) sowie bei der Langemarck-Gedenkfeier der Bonner Studierenden (1932).371
Die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn (GEFFRUB) In engem Zusammenhang mit den Festaktivitäten der Universität stand die Gründung der »Gesellschaft der Freunde und Förderer der Rheinischen Fried368 Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität feierte den 100. Jahrestag ihres Bestehens erst mit einjähriger Verspätung. An dem ursprünglichen Termin im Oktober 1918 konnte aufgrund des Kriegsverlaufs und der ernsten politischen Lage nicht festgehalten werden. 369 Zwischen Mai und Herbst 1925 richteten zahlreiche Städte des Rheinlands »Jahrtausendfeiern« in Form von Ausstellungen, Festumzügen und Gottesdiensten aus. In erster Linie dienten sie als Demonstration »deutsch-nationaler Gesinnung«. Zentren der Feierlichkeiten bildeten Düsseldorf, Köln und Koblenz. Die Stadt Bonn beging ihre Feier am 24. Mai in der Beethovenhalle. Die Professoren Rudolf Meißner und Adolf Dyroff beteiligten sich als Festredner. Am 20. Juni organisierte die Universität gemeinsam mit der Poppelsdorfer Landwirtschaftshochschule im Rahmen der »Jahrtausendfeierlichkeiten« eine Feststunde, bei der der Historiker Aloys Schulte sprach. Senat und Fakultäten nahmen die Feier zum Anlass, Ehrendoktorwürden zu verleihen (unter anderem an Reichskanzler Wilhelm Marx). Die Feierlichkeiten endeten mit einem großen Festkommers der Studentenschaft in der Beethovenhalle. Germanistikprofessor Rudolf Meißner resümierte: »Niemals hat die rheinische Bevölkerung so einmütig, so unzweideutig ihre deutsche Gesinnung zu erkennen gegeben, nie hat das Rheinland dem übrigen Deutschland so nahe gestanden.« Chronik 1924/25, S. 3–7; Schulte, Grundzüge. Allgemein zur Rheinischen Jahrtausendfeier : CeplKaufmann, Jahrtausendfeiern; Theis, Historiker. Zum Meißner-Zitat: Wolf/Engelhardt, Thron, S. 77. 370 Während die Feier zum 100. Geburtstag der Universität nur in kleinem, stillem Rahmen stattfinden konnte, war die Befreiungsfeier 1926 der erste Festakt der Bonner Universität seit der Kaiserzeit, der wieder in großem Stile gefeiert wurde. Neben Regierungsvertretern wie Reichsaußenminister Gustav Stresemann, Reichsjustizminister Wilhelm Marx und Kultusminister Carl Heinrich Becker nahmen auch Rektoren von 24 deutschen und österreichischen Hochschulen sowie zahlreiche weitere Honoratioren aus Politik und Kirche teil. Höhepunkt war die Enthüllung des Ehrenmals für die Gefallenen der Universität im Innenhof. Chronik 1925/26, S. 2–11. 371 Vgl. u. a. Chronik 1926/27, S. 2f.
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rich-Wilhelms-Universität zu Bonn« (GEFFRUB).372 Sie entwickelte sich zur bedeutendsten Förderorganisation der rheinischen alma mater. Ihre Ursprünge gehen auf die Kriegszeit zurück, als hinsichtlich des bevorstehenden hundertjährigen Jubiläums der Universität im Laufe des Winters 1916/17 Anstrengungen unternommen wurden, Spenden für das Fest zu akquirieren. Der Planungsausschuss373 um Rektor Hugo Ribbert wandte sich dabei in erster Linie an die rheinischen Industrieunternehmen, doch war deren Resonanz zunächst recht zurückhaltend. Dies änderte sich, als Carl Duisberg, Generaldirektor der Farbenfabriken Bayer Leverkusen, im Juni 1917 die Initiative ergriff, aus dem temporären Spendenverein eine kontinuierlich arbeitende Förderorganisation zu schaffen. Am 7. Juli 1917 hielt die Gesellschaft der Freunde und Förderer ihre Gründungsveranstaltung ab.374 Die neue Einrichtung formulierte das Ziel, dem Wohle sowohl der Universität als auch der Landwirtschaftlichen Akademie Poppelsdorf durch Mäzenatentum zu dienen.375 Gleichzeitig strebte der Verein an, die Beziehungen der Universität zu Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, welche im Krieg größtenteils abgerissen waren, wieder herzustellen, um eine bessere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis zu ermöglichen. Damit war sie die zweite Gesellschaft dieser Art, sie gründete sich wenige Wochen nach Halle (6. Mai) und vor Erlangen (21. Juli 1917).376 In den ersten eineinhalb Jahren ihres Bestehens ermöglichte die GEFFRUB die Einrichtung zweier »Jubiläumsprofessuren«: zum einen für Industrie- und Handelsrecht (Heinrich Göppert), zum anderen für angewandte Geologie377 (Johannes Wanner). Auch bei der Anschaffung von Apparaten und Lernmaterialien, Auf- und Ausbau von Bibliotheken sowie durch Bereitstellung von For372 Braubach, Gesellschaft, S. 89–104; ferner in leicht abgewandelter Form: Ders., Fünfzig Jahre, S. III–XIV. 373 Dem Komitee gehörten außerdem die Professoren Ernst Zitelmann, Aloys Schulte, Ernst Landsberg, Gustav Steinmann, Theodor Rumpf, Richard Anschütz und Paul Clemen an. 374 Büchel, Achtzig Jahre, S. 3. 375 Satzung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Rheinischen Friedrich WilhelmsUniversität zu Bonn, e. V., abgedruckt in: Hundertjähriges Jubiläum der Universität Bonn. Gründungs-Versammlung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität zu Bonn. 7. Juli 1917, S. 53–60, hier S. 53f. 376 Herrn Dr. Ralf-Torsten Speler, Präsident der Vereinigung der Freunde und Förderer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sei für diese Auskunft gedankt. 377 Wanners Lehrstuhl trug die Bezeichnung »Curt Alfons Haniel-Jubiläums-Professur für angewandte Geologie«. Die Namensgebung ging auf August Haniel zurück, den Vorsitzenden der Gutehoffnungshütte Oberhausen, der 1918 in Gedenken an seinem im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohn Curt Alfons 150.000 Mark zur Einrichtung eines Extraordinariats an der Universität Bonn bereitgestellt hatte. Zweite Hauptversammlung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität zu Bonn, am 2. August 1919, nachmittags 5 Uhr, in der Aula der Universität, S. 8f.
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Abb. 6: Carl Duisberg, Gründer und erster Vorsitzender der GEFFRUB
schungsbeihilfen waren die »Freunde und Förderer« eine große Hilfe für die Universität, insbesondere in der schwierigen Nachkriegszeit. Bis zum Sommer 1921 wuchs das Vermögen des Vereins durch Spenden und Mitgliedsbeiträge auf mehr als 3,3 Millionen Mark. Doch schon bald drückten die GEFFRUB finanzielle Sorgen. Vom angesammelten Stiftungskapital in Millionenhöhe blieben zu Beginn des Jahres 1924 – nach Inflation und Währungsreform – gerade noch knapp 3.000 Reichsmark übrig.378 Trotz des finanziellen Engpasses gelang es Carl Duisberg und seinen Mitstreitern jedoch schnell, die GEFFRUB wieder auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Der rund 800 Mitglieder umfassende Verein konnte bereits ab 1925 rund 100.000 Reichsmark jährlich an die Seminare und Institute der Universität
378 Büchel, Achtzig Jahre, S. 8.
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verteilen.379 Aufgrund der Not vieler Bonner Studierender nahmen sich die »Freunde und Förderer« auch der aktiven Studentenhilfe an, einerseits durch Vergabe von Finanzmitteln an bedürftige Kommilitonen, andererseits durch Zuschüsse für den Verein Studentenwohl, die studentische Darlehenskasse und die Studentenbücherei. Die GEFFRUB konnte so den Ausfall vieler universitärer Stiftungen nach der Inflationszeit kompensieren.380 Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde die Arbeit der GEFFRUB wieder sehr schwierig. Parallel zu den Mitgliederzahlen sanken die Beitragsleistungen; 1933 brachten die knapp 650 Mitglieder nur noch rund 42.000 Reichsmark für Förderzwecke zusammen.381 Darüber hinaus ging im Verein ein personeller Umbruch vonstatten. Aus der Gründungsgeneration waren unter anderem die Professoren Ernst Zitelmann und Hans Scheurer verstorben, ebenso der Kölner Bankier und langjährige Schatzmeister der Gesellschaft Louis Hagen. Zudem legte Carl Duisberg 1931 – nach seinem 70. Geburtstag – aus gesundheitlichen Gründen den Vorsitz der GEFFRUB nieder. Bis zu seinem Tod im März 1935 blieb er Ehrenvorsitzender der Gesellschaft. Die Universität zeichnete Duisberg aufgrund seiner Verdienste für die Bonner Hochschulen 1931 mit der Ehrendoktor- und Ehrensenatorwürde aus. Zu seinem Nachfolger als GEFFRUB-Vorsitzenden wählte man 1931 Paul Müller, Generaldirektor der Troisdorfer Dynamit-Werke. Er führte die Geschicke der Gesellschaft bis zu deren – vorläufigem – Ende 1944.382 Festzuhalten bleibt, dass die GEFFRUB trotz mancher eigener Schwierigkeiten einen bedeutenden Beitrag zur finanziellen und materiellen Unterstützung der Universität Bonn in der Weimarer Republik leistete. Ebenso wichtig war sie als Austauschforum und Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Sie wurde rasch zum Muster und Vorbild für viele andere Universitätsfördergesellschaften in Deutschland.383
379 380 381 382
Braubach, Gesellschaft, S. 101. George, Stiftungen, S. 244. Büchel, Achtzig Jahre, S. 11. Infolge heftiger Kriegserschütterungen, die Bonn im Herbst 1944 trafen, stellte die GEFFRUB ihre Arbeit ein. Erst 1949 konnte sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen – unter dem Vorsitz von Ulrich Haberland, Leiter der Bayerwerke. George, Studieren, S. 238f. 383 Braubach, Gesellschaft, S. 91. Unmittelbar nach Gründung der GEFFRUB wurden bis Ende 1918 an zwölf weiteren Hochschulen Fördergesellschaften nach dem Bonner Vorbild eingerichtet, unter anderem in Erlangen, Halle, Tübingen, Göttingen, Kiel und Gießen. Herrmann, Freund, S. 87–91; Pawelletz, Geschichte, S. 25–28.
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Bautätigkeit In der Baugeschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität spiegelt sich viel vom Zustand und von der Entwicklung der Hochschule während der Weimarer Republik. Obwohl die Universität insbesondere während der Kaiserzeit baulich erweitert worden war und sowohl die naturwissenschaftlichen als auch die medizinischen Fachbereiche bereits vor der Jahrhundertwende eigene Gebäude im Stadtbereich bezogen hatten, genügten die räumlichen Gegebenheiten bald nicht mehr den Ansprüchen. Insbesondere das Hauptgebäude erwies sich als zu eng für den gewachsenen Platzbedarf der Seminare; die zur Verfügung stehende Raumkapazität stieß an ihre Grenzen.384 Beispielsweise bot das Staatswissenschaftliche Seminar Raum für lediglich 18 Arbeitsplätze, obwohl ihm unter anderem mehr als hundert Doktoranden angehörten.385 Ähnliches galt für die Universitätsbibliothek. Verstärkt wurde die Raumnot in den ersten Nachkriegsjahren durch die Beschlagnahme von Universitätsflächen für alliierte Zwecke: Der Universitätsleitung gelang es in dieser Zeit kaum, so viele Hörsäle bereitzustellen, wie es für die gestiegene Zahl der Studierenden erforderlich gewesen wäre. Zur Raumnot trat hinzu, dass sich durch jahrzehntelang ausgebliebene Bauund Sanierungstätigkeit am ehemaligen kurfürstlichen Residenzschloss der Zustand des Gebäudes zusehends verschlechtert hatte. In einem an die preußische Regierung gerichteten Memorandum beklagte die Universität 1922, zahlreiche Seminar- und Institutsräume seien in einem »wahrhaft jämmerlichen und völlig veralteten Zustand«.386 Die Katholisch-Theologische Fakultät, das Geographische sowie das Psychologische Institut beispielsweise glichen »mit ihren vormärzlichen Einrichtungen […] viel mehr dumpfen Höhlen als freundlichen Unterrichts- und Forschungsstätten«,387 so der akademische Senat. Heinrich Lützeler, damals Student an der Bonner Universität, schrieb in seinen Erinnerungen, dass Professoren und Studierende auf dem Weg zu Hörsälen und Seminaren durch »dunkle verwinkelte Gänge irren«388 mussten. Nicht nur dem Hauptgebäude, auch den baulichen Einrichtungen der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer, die mehrheitlich außerhalb 384 UAB, MF 79 15, Denkschrift vom 1. März 1922 über die Lage und Wünsche der Universität Bonn aufgrund sorgfältiger Vorarbeiten aller Fakultäten vom akademischen Senat zusammengestellt, S. 4. 385 Lützeler, Ausbau, S. 104. 386 Ebd., S. 104. 387 UAB, MF 79 15, Denkschrift vom 1. März 1922 über die Lage und Wünsche der Universität Bonn aufgrund sorgfältiger Vorarbeiten aller Fakultäten vom akademischen Senat zusammengestellt, S. 4. 388 Lützeler, Entwicklung, S. 45.
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des Innenstadtbereichs lagen, stellten die Autoren der Denkschrift von 1922 ein schlechtes Zeugnis aus. Besonders die im Poppelsdorfer Schloss untergebrachten Institute der Mineralogie, der Botanik und Zoologie seien »beschämend nicht nur für ihre Leiter, sondern auch für den Staat, wenn diese […] von auswärtigen Fachgenossen besichtigt«389 würden. In einem ebenso mangelhaften Zustand seien die Bauten der Medizinischen Fakultät; dabei lag die Errichtung der meisten medizinischen Kliniken und Institute zu Beginn der Weimarer Zeit nicht einmal 50 Jahre zurück.390
Erweiterung des Hauptgebäudes So war der bauliche Gesamtzustand der Universität Bonn zu Beginn der Weimarer Republik alles andere als befriedigend. Die größte Sorge bereitete – wie angesprochen – der Raummangel im Hauptgebäude. Doch obwohl das Problem bereits seit der Wende zum 20. Jahrhundert bekannt war und seither immer dringlicher geworden war, zögerte sich die Lösung bis Mitte der Weimarer Epoche hinaus. Mehr als 20 Jahre vergingen, bis es von der Planung zur Realisation des Universitätserweiterungsbaus kam. Überlegungen, das Hauptgebäude baulich zu erweitern, waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg angestellt worden. Mit Blick auf die 1918 anstehende Einhundertjahrfeier der Universität regten Rektor, Senat und Kurator im April 1908 den Ausbau des der Innenstadt zugewandten Gebäudetrakts »Am Hof« an.391 Erst nach Ende des Weltkriegs rückte das Schlosserweiterungsprojekt wieder in den Fokus. Aufgrund des großen Studierendenandrangs in den Nachkriegsjahren und der damit verbundenen Raumprobleme hoffte die Universität, möglichst bald neue Kapazitäten bereitstellen zu können. Jedoch erlaubte die prekäre Lage der preußischen Staatsfinanzen keine rasche Bauausführung. Selbst für dringliche Ausbesserungen an den Seminaren und Instituten standen der Universität im Staatshaushalt keine außerplanmäßigen Mittel zur Verfügung, so dass die Instandhaltungen – zu Lasten des Fiskus – nur mit einer
389 UAB, MF 79 15, Denkschrift vom 1. März 1922 über die Lage und Wünsche der Universität Bonn aufgrund sorgfältiger Vorarbeiten aller Fakultäten vom akademischen Senat zusammengestellt, S. 4. 390 Die Frauenklinik, die seit 1819 im Hauptgebäude untergebracht war, hatte beispielsweise 1872 einen Neubau am Rhein mit insgesamt 56 Betten bezogen. Ebenfalls waren in der Kaiserzeit neue Gebäude für das Physiologische Institut (1878), die Medizinische Klinik (1882), die Chirurgische Klinik (1883), das Pathologische Institut (1886), die Augenklinik (1903) und die Nervenklinik (1908) in Bonn errichtet worden. Lützeler, Entwicklung, S. 48. 391 Proske, Erweiterung, S. 442.
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Abb. 7: Neugebauter Straßenflügel nach der Erweiterung des Hauptgebäudes, 1930
ministeriell genehmigten Überschreitung des Universitätsetats durchgeführt werden konnten.392 Einen wichtigen Impuls für die Wiederaufnahme des Erweiterungsbaus gab Rektor Johannes Fitting, als er gemeinsam mit Prorektor Fritz Tillmann und Erich Hoffmann, dem Dekan der Medizinischen Fakultät, im Auftrag des Lehrkörpers und des Senats Anfang März 1922 nach Berlin reiste, um im Kultus- und Finanzministerium für die Ausführung zu werben.393 Das Bemühen der Bonner Delegation war von Erfolg gekrönt: Im Juni 1922 stellten die Ministerien neue Mittel für das Haushaltsjahr 1923 hinsichtlich »sofortiger Inangriffnahme und 392 Chronik 1919/20, S. 106f. 393 Chronik 1921/22, S. 3f.
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ununterbrochener Durchführung des Aufbauprojektes«394 in Höhe von mehr als 30 Millionen Mark bereit. Zur Ausführung der Bauarbeiten kam es jedoch nicht, da sich die finanzielle Situation des preußischen Staates während des Jahres 1923 derart verschlechterte, dass sich das Kultusministerium abermals gezwungen sah, das Bauvorhaben ruhen zu lassen. Im Sommer 1924, als die Hyperinflation in Deutschland überwunden war, startete die Bonner Universitätsleitung erneut Versuche, die Ausführung des Erweiterungsbaus in die Wege zu leiten. Die Bemühungen fanden im Berliner Kultusministerium Gehör. Schon im Frühjahr 1924 hatte Minister Otto Boelitz durchblicken lassen, dass das Bauprojekt »bei anhaltender Besserung der Wirtschaftslage in absehbarer Zeit der Vollendung entgegengeführt«395 werden solle. So wurde Regierungsbaurat Dr. Hermann Mylius beauftragt, die Gesamtleitung des Erweiterungsbaus zu übernehmen und die bereits bestehenden Pläne zu aktualisieren.396 Mylius’ Entwurf sah vor, das Schloss als einheitlichen Komplex herzurichten, so wie es ursprünglich, in kurfürstlicher Zeit, beabsichtigt, doch nie ausgeführt worden war.397 Als Orientierungshilfe dienten dabei die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Baupläne der beiden kurfürstlichen Hofarchitekten Enrico Zuccali und Robert de Cotte.398 Obwohl führende deutsche Architekten und Denkmalpfleger den Vorwurf des baulichen Historismus erhoben und die kommunistische Fraktion im Bonner Stadtrat im Sommer 1926 einen Antrag gegen die Umgestaltung einreichte, fanden die Pläne Mylius’ im Kultusministerium Zustimmung. Im Juli 1926 wurde der Bauauftrag erteilt, am 17. August 1926 legte man den Grundstein.399 Die Bauarbeiten nahmen etwas mehr als vier Jahre in Anspruch. Markantestes Resultat war der wiedererrichtete Schlossflügel »Am Hof«, der nun erstmals über zwei Türme verfügte und der gesamten Barockanlage einen stimmigen Abschluss gab. Bevor es zur Fertigstellung der beiden Ecktürme kam, mussten allerdings einige Streitpunkte mit der Stadt Bonn aus dem Weg geräumt werden. Die städtischen Behörden monierten, dass durch die auf den Gehsteig ragende Bebauung möglicherweise der Verkehrsfluss und die Lichtverhältnisse »Am
394 Proske, Erweiterung, S. 443. 395 Ebd., S. 444. 396 Mylius stand dem Projekt allerdings nicht bis zum Abschluss vor, sondern nur bis Mai 1930, als er aus »zwingenden subjektiven Gründen«, wie er betonte, das zuständige preußische Ministerium um seine Abberufung aus Bonn bat. Den Abschluss der Umbauarbeiten am Universitätshauptgebäude leitete ab dem 27. Mai 1930 Regierungsbaurat Bernhard Gelderblom. Mylius, Erweiterung, S. 465. 397 Ebd., S. 453f. 398 Proske, Erweiterung, S. 445; Mylius, Erweiterung, S. 453f. 399 Lützeler, Ausbau, S. 106; Proske, Erweiterung, S. 446.
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Hof« stark beeinträchtigt würden.400 Um das Bauvorhaben nicht in Gefahr zu bringen, ging die Universität Kompromisse ein. Einerseits wurden in den Untergeschossen der beiden Schlosstürme Durchgangspassagen eingefügt, die Fußgängern genügend Raum boten, andererseits stimmte die Universität – wenn zunächst auch widerwillig – zu, das Stockentor für den Auto- und Straßenbahnverkehr zu vergrößern.401 Bei der Bauausführung gelang es nach Mylius’ Vorgaben, den barocken Stil beizubehalten. Alt und Neu fügten sich äußerlich nahtlos zusammen. Abgerundet wurde die Fassade durch den zur Fürstenstraße ausgerichteten Mittelrisalit, in dem die neue Haupteingangshalle eingegliedert war. Das Obergeschoss zierten sechs Plastiken des österreichischen Bildhauers Wolfgang Wallner, die die an der Universität gelehrten Fachgebiete Geschichte, Heilkunde, Philosophie, Recht, Glauben und Natur verkörperten.402 Wiewohl nach außen hin Anschluss an die architektonischen Vorgaben der Kurfürstenzeit gehalten wurde – die Innenräume des Universitätserweiterungsbaus gestaltete man nach Maßstäben des modernen, sachlichen Baustils der Weimarer Epoche.403 Anders als im alten Hofgartentrakt bestimmte im Neubauabschnitt somit das Prinzip der Funktionalität das Raumgefüge: klare Linien und flache Deckenführung anstelle von hohen Gewölben. Auch die neue Aula – zwischen 1928 und 1930 als letztes Teilstück des Erweiterungsbaus im südlichen Querflügel errichtet – sowie die darunter gelegene Garderobenhalle und das angeschlossene dreiläufige Treppenhaus entsprachen dieser Maxime.404 Für deren Ausgestaltung hatte das Kultusministerium 1929 eigens einen Wettbewerb unter Baukünstlern ausgeschrieben, den der renommierte Berliner Architekturprofessor Bruno Paul gewann.405 Dekorativstes Merkmal des neuen Festsaals war die von der Professorenschaft mitfinanzierte und von der Bonner Firma Klais erbaute Orgel samt des vom Expressionisten Ludwig Gies geschaffenen monumentalen Orgelprospekts, der in der allegorischen Form eines vielästigen »Baums der Erkenntnis« die Fakultäten repräsentierte.406 Am 9. November 1930, anlässlich der feierlichen Rektoratsübergabe, konnten die Bonner die neue Aula erstmals als Ort einer akademischen Veranstaltung nutzen. Zugleich beging man die festliche Einweihung des gesamten Erweiterungsbaus.407 Lützeler, Ausbau, S. 105. Gatzka, Erweiterungsbau S. 132f. Mylius, Erweiterung, S 460. Ebd., S. 461. Gatzka, Erweiterungsbau, S. 134. Knopp, Residenz, S. 18. Mylius, Erweiterung, S. 465. Die Nationalsozialisten betrachteten die Holzvertäfelung als entartete Kunst und ließen sie im August 1940 entfernen. Knopp, Orgelprospekt, S. 8–23, insb. S. 19. 407 Abgeschlossen waren die Umbauarbeiten am Hauptgebäude zur Zeit der Eröffnungsfeier im
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Abb. 8: Neue Aula im Hauptgebäude
Insgesamt trug der Erweiterungsbau dazu bei, dass sich die Raumnot entspannte. Durch den Umzug der entsprechenden Seminare und Institute in den neuen Gebäudetrakt »Am Hof« gewann man im Altbau zusätzliche Räume für die dort ansässigen Forschungseinrichtungen wie das Mathematische, das Historische und das Evangelisch-Theologische Seminar. Ebenso gelangen auf diese Weise die Einrichtung zweier neuer großer Hörsäle sowie die Erweiterung der Magazinräume der Universitätsbibliothek. Trotz aller Verzögerungen und Unsicherheiten, die der Erweiterungsbau in der Weimarer Zeit mit sich gebracht hatte, stellte Rektor Heinrich Konen in seinem Bericht für das akademische Jahr 1929/30 zufrieden fest: »So ward glücklich vollendet, was ein Jahr vorher kaum noch zu hoffen schien, vielleicht im letzten Augenblick, wo die sinkende Wirtschaftslage Deutschlands dies noch möglich machte.«408
Kriegerdenkmal und Ehrenhalle Während die Umbauarbeiten am Universitätshauptgebäude mit Beginn der 1930er Jahre weitgehend abgeschlossen waren, hielten die Diskussionen um die angemessene Form einer Ehrung der Kriegsgefallenen an der Bonner HochNovember 1930 indes noch nicht. Noch im Sommer 1932 gab es Raumumgruppierungen und Instandsetzungsarbeiten. Proske, Erweiterung, S. 450. 408 Zitat aus dem Jahresbericht von Rektor Heinrich Konen, in: Chronik 1929/30, S. 3.
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schule weiter an. Im Mittelpunkt kontroverser Debatten stand die 1926 im Innenhof der Universität enthüllte Skulptur »Flamme empor«. Den Anstoß für die Errichtung des Monuments hatten nationalkonservative Kreise der Bonner Professorenschaft im Frühjahr 1922 gegeben, als sie im Senat ihren Wunsch nach einem zentralen Erinnerungsort für die im Krieg gefallenen Universitätsangehörigen vortrugen.409 Das Ansinnen fand schnell Zuspruch: Bereits im April 1922 beschloss der Senat, inmitten des Arkadenhofs ein »würdiges Denkmal«410 errichten zu lassen und betraute den in Bonn wirkenden Bildhauer Karl Menser mit dieser Aufgabe.411 Dieser schuf im Sommer 1922 eine Skulptur, doch konnte diese erst vier Jahre später im Zuge der Befreiungsfeiern in Bonn enthüllt werden, da die Universität während der Besatzungszeit stets Einwände der französischen Besatzungsbehörden gegen die Errichtung eines Kriegerehrenmals zu befürchten hatte.412 Die Bronzeplastik stand auf einem zwei Meter hohen Sockel und zeigte einen Jüngling in gegrätschter Position, der mit zum Himmel emporgerecktem Schwert Entschlossenheit und Kampfbereitschaft signalisierte. Der symbolische Gehalt des Menserschen Monuments zielte auf einen in der Nachkriegszeit besonders in Universitätszirkeln verbreiteten Mythos von studentischer Opferbereitschaft und Heldenmut auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, der Sinn und Identität für die nachfolgenden Hochschulgenerationen stiften sollte.413 Doch kaum der Öffentlichkeit präsentiert, entstanden sogleich heftige Auseinandersetzungen um den künstlerischsymbolischen Wert des Denkmals.414 Von 1927 an fochten im Senat Gegner des Gefallenendenkmals für dessen Versetzung aus dem Innenhof und strebten eine alternative Gedenkstätte an, während die Befürworter der Skulptur wie der Kunsthistoriker Paul Clemen eine untrennbare symbolische Einheit zwischen »Flamme empor« und Universität beschworen und einen Standortwechsel ablehnten.415 Bis zum Oktober 1930 hielt die Kontroverse an, ehe der Senat beschloss, das umstrittene Denkmal demontieren und umsetzen zu lassen.416 Als 409 Befürworter eines Kriegsgefallenendenkmals waren unter anderem der spätere Rektor Otto von Franqu8 sowie der Kunsthistoriker Paul Clemen. Seiderer, Kriegerdenkmäler, S. 16f. 410 Chronik 1921/22, S. 9. 411 Niesen, Karl Menser. 412 Bis zu ihrer Enthüllung am 21. Februar 1926 wurde die Figur außerhalb des besetzten Rheinlands, in Stuttgart, eingelagert. Seiderer, Kriegerdenkmäler, S. 17. 413 Seiderer, Universität, S. 132f. 414 UAB, Kur 106, D 7, Band 3: Schreiben von Rektor Rudolf Meissner und des Senats an das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 22. 12. 1927. In Verbindung damit steht auch das Schreiben des Regierungsbaurats Mylius an Universitätskurator Norrenberg vom 04. 11. 1927. 415 Seiderer, Universität, S. 133. 416 Chronik 1929/30, S. 77; Bonner Mitteilungen 6, November 1930, S. 23. Die Bonner ASTAG erhob Einwände gegen die Versetzung des Denkmals an den Alten Zoll. Insbesondere bedauerte man, dass der Senatsbeschluss ohne Rücksprache mit der Studentenschaft gefällt
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neuen Standort wählte man den unweit der Universität gelegenen Alten Zoll und stellte die Figur im Dezember 1930 dort auf.417
Abb. 9: Einweihung des Kriegerdenkmals »Flamme empor«
Im Zuge der Ablösung der Menserschen Statue als zentrales Gedächtnissymbol für die im Kriege gefallenen Universitätsangehörigen entschied sich die Universität, ein neues Kriegerdenkmal zu errichten.418 Die Wahl fiel auf die Schaffung einer Ehrenhalle, die im dreischiffigen Eingangsbereich des neuerbauten Hauptgebäudeflügels »Am Hof« ihren Platz finden sollte. Nach kurzer Bauzeit zu Beginn des Jahres 1930 wurde die Halle im Juli desselben Jahres eingeweiht. Im Unterschied zum ersten Kriegerdenkmal war die Entscheidung für das neue Denkmal diesmal nicht allein von der Professorenschaft ausgegangen, sondern beruhte auf einer Übereinkunft von Senat und Studentenschaft. Die Finanzieworden sei. Gegen die Versetzung hätten in studentischen Kreisen sachliche Bedenken bestanden, stellte die ASTAG fest. UAB, Slg. Bib. 2261, Der Bonner Student, Ausgabe vom 12. 12. 1930. 417 Bonner Zeitung vom 18. 12. 1930. 418 Der Zeitpunkt erster Bauplanungen für die Ehrenhalle ist unbekannt. Da jedoch ein enger Zusammenhang mit der Diskussion um die Aufgabe von »Flamme empor« bestand, dürften konkrete Ideen in den Jahren 1928/29 entstanden sein. Seiderer, Kriegerdenkmäler, S. 19. Siehe auch Mylius, Erweiterung, S. 460f.
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rung der Ehrenhalle trugen zum Großteil die Studierenden – seit dem Wintersemester 1928/29 hatte es auf Anregung von Rektor Arnold Rademacher freiwillige Spendensammlungen unter den Bonner Hochschülern gegeben.419 Zentraler Gegenstand des von Baurat Mylius und dem Bildhauer Wolfgang Wallner gestalteten Eingangsbereichs bilden sechs an den Seitenwänden befestigte Gedenktafeln mit den Namen der im Krieg getöteten Universitätsangehörigen. Oberhalb davon befinden sich zwei von Wallner aus Stein modellierte Kriegerköpfe, die mit geschlossenen Augen und ruhiger Miene dem Raum eine ernste Würde verleihen. Bis in die heutige Zeit ist die Ehrenhalle im Wesentlichen unverändert geblieben und hat nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Was wurde aus der »Flamme empor«-Statue? In der nationalgesinnten Professoren- und Studentenschaft bewegte die Versetzung der Plastik 1930 weiterhin die Gemüter. Beklagt wurde, durch die Aufstellung der Figur außerhalb des Universitätshauptgebäudes würden die gefallenen Kommilitonen nicht hinreichend gewürdigt.420 Doch entgegen aller anhaltenden Proteste blieb die Statue während der Weimarer Epoche am Alten Zoll. Erst auf Anweisung der nationalsozialistischen Universitätsleitung wurde sie im Sommer 1933 an ihren alten Standort in den Innenhof zurückversetzt, diesmal auf einen wesentlich höheren Sockel als 1926.421 Aber auch dort war dem Streitobjekt erneut kein langfristiger Verbleib beschieden. 1940 wurde das Kunstwerk von der Universität der Metallspende gestiftet und vermutlich für Kriegszwecke eingeschmolzen.422 Als Begründung gab man ästhetische Mängel sowie fehlende künstlerische Qualität an.423
Weitere Bauprojekte
Über die umfangreiche Bautätigkeit am Hauptgebäude hinaus musste man in den Weimarer Jahren zahlreiche Neubauwünsche wegen der angespannten Finanzlage zurückstellen. Die wenigen fertiggestellten Institutsneubauten der 1920er Jahre waren ausschließlich Einrichtungen der medizinischen beziehungsweise der naturwissenschaftlichen Fächer. Anlässlich der Rheinischen 419 Die hierin zum Ausdruck kommende »breite, demokratische Basis«, sei demnach das wesentliche Merkmal gewesen, das die Ehrenhalle in ihrem Charakter als Kriegergedenkstätte von der mit nationalistischer Symbolik überfrachteten »Flamme empor«-Statue unterschieden hätte, so das Urteil von Michaela Seiderer. Seiderer, Kriegerdenkmäler, S. 20. 420 Verlautbarung der NS-Studentengruppe Bonn im General-Anzeiger vom 28. 11. 1930. Siehe auch Protestschreiben des ASTAG in: Bonner Mitteilungen 7, Februar 1931, S. 45. 421 Chronik 1932/33, S. 6. 422 Deutsche Reichszeitung vom 26. 07. 1940, Artikel: »Universitäts-Ehrenmal verschwindet«. Siehe auch Zabel-Zottmann, Skulpturen. 423 SAB, NL 189 (Heinrich Lützeler), Schreiben vom 04. 09. 1940.
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Jahrtausendfeier wurde 1925 das Gebäude des Hygienischen Instituts424 auf dem Gelände des Hatzfelder Hofs in der Theaterstraße 32 sowie die mit einem Stationshaus für 42 Patienten ausgebaute Hals-, Nasen- und Ohrenklinik425 in der Wilhelmstraße 35/37 im Beisein von Kultusminister Carl Heinrich Becker festlich eröffnet und ihrer Bestimmung übergeben.426 Zwei Jahre darauf feierte die Universität die Fertigstellung der neuerbauten Gewächshausanlage im Botanischen Garten,427 ebenfalls unter Teilnahme von Kultusminister Becker.428 Ein Provisorium blieb das Kinderkrankenhaus. Es war seit 1924 im alt-katholischen Johanneum in der Lenn8straße 30 untergebracht und wurde als Gemeinschaftswerk von Stadt und Universität betrieben. Hoffnungen auf den Bau einer modernen Kinderklinik zerschlugen sich, als das durch Stiftung des ehemaligen Sanitätsrats Dr. Oebeke bereitgestellte Kapital in Höhe von 1,5 Millionen Mark der Inflation zum Opfer fiel.429 Im Bereich des universitären Wohnungsbaus war die Universität ebenfalls auf das finanzielle Entgegenkommen der Stadtverwaltung angewiesen. Um den drückenden Wohnungsmangel für neuberufene Professoren zu lindern, errichtete die Stadt Bonn 1922/23 vier Einzelwohnungen in der Rottenburgstraße und überließ sie der Universität für einen Zeitraum von zwanzig Jahren zu einem mäßigen Mietzins.430 In der Reihe der Bonner Universitätsbauten der Weimarer Zeit ist schließlich noch das Studentenhaus des Vereins Studentenwohl zu nennen, das in der Lenn8straße die Mensa academica sowie weitere studentische Hilfseinrichtungen wie die Arbeitsvermittlungsstelle, das Wohnungs- und Vergünstigungsamt und eine Verkaufsstelle beherbergte.431 Im November 1924 auf Betreiben des Bonner Theologieprofessors Fritz Tillmann als deutschlandweit erstes Studentenhaus eröffnet, erwies sich das »Tillmannhaus« rasch als zu klein für die wachsende Zahl an Aufgaben und an Studierenden.432 Abhilfe brachte ab November 1932 ein dreigeschossiger Erweiterungsbau, der auf einem vom Berliner Kultusministerium angekauften Nachbargrundstück an der Nassestraße 1 er-
424 425 426 427 428 429 430 431 432
Selter, Institut, S. 88–93; Ferlic, Entwicklungsgeschichte, S. 22. Grünberg, Ohren-Klink, S. 130–132; Höpfner, Krankenhausgeschichte, S. 65–70. Chronik 1924/25, S. 8. Fitting, Geschichte, S. 391–402; Barthlott, Geschichte, S. 41–56; Lampmann, Gewächshausanlage, S. 437–445. Chronik 1926/27, S. 85. Gött, Kinderklinik, S. 104; Höpfner, Krankenhausgeschichte, S. 89f.; Vogt, Bonn, S. 573. UAB, Rekt. 105–13, Bebauungs- und Fluchtlinienplan, Regulierung der Grundstücke und Abtretungen (1911–1926), Schreiben vom 23. 11. 1921. Siehe auch Chronik 1921/22, S. 1; Chronik 1922/23, S. 3. Stockhausen, Kriegsküche, S. 4–11. Tillmann, Studentenhaus, S. 1–3; Klett, Entwicklung, S. 30f.
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richtet wurde.433 Neben dem preußischen Staat trugen zudem die Freunde und Förderer der Bonner Universität maßgeblich zur Finanzierung des Anbaus bei, ferner der in Dresden ansässige Dachverband der deutschen Studentenwerke sowie die Bonner Studentenschaft, die sich bereiterklärt hatte, einen »Studentenhausbeitrag« in Höhe von zwei Reichsmark pro Semester zu entrichten.434 Eingerechnet aller Kosten für Um- und Erweiterungsbauten sowie für Grundstückserwerbe belief sich die Summe, die der Freistaat Preußen für die Universität Bonn seit Beginn der ersten Bauplanungen aufwandte, auf mehr als 4,2 Millionen Reichsmark.435 Damit erfuhr die Bonner alma mater »eine so bedeutende Förderung […], wie sie in den letzten Jahrzehnten keiner anderen Hochschule zuteil geworden war.«436
Die Universität in der späten Weimarer Republik (1926–1933) »Überfüllung« der Hochschule und »Gefahr eines akademischen Proletariats« Krieg, Besatzung und Inflation hatten bewirkt, dass die Studierendenzahlen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität rapide zurückgegangen waren. Doch bereits im Sommer 1927 erreichte man mit 4.879 Studierenden nahezu wieder den Stand aus Friedenszeiten. Auch in den nachfolgenden Semestern riss der Zustrom nicht ab. Mit Zahlen oberhalb von 5.000 übertraf man ab dem Sommersemester 1928 stets die Vorkriegszeit. Die Bonner Universität nahm damit die gleiche Entwicklung wie die meisten deutschen Hochschulen: Auch dort stiegen die Studierendenzahlen ab Mitte der 1920er Jahre.437 Gleichwohl wurde dies nicht nur mit Freude und als Ausdruck eines prosperierenden Bildungswesens angesehen, sondern zunehmend auch mit Sorge. Rektor Rudolf Meißner wies bereits im Sommersemester 1928 auf die »Überfüllung der Hörsäle«438 hin. Sein Nachfolger Arnold Rademacher beklagte angesichts des sprunghaften Zuwachses von rund 4.600 Studierenden im Wintersemester 1927/28 auf mehr als 6.600 im Sommersemester 1929 ein »Ueberhandnehmen des akademischen Berufsstudiums« und warnte vor der »heraufziehenden Gefahr eines akademischen Proletariats«.439 Auch in den nachfolgenden Jahren griffen die Rektoratsberichte das Thema immer wieder 433 434 435 436 437 438 439
Tillmann/Stockhausen, Studentenwohl, S. 441. Tillmann, Rede, S. 99–101. Proske, Erweiterung, S. 452. Ebd., S. 446. Titze, Datenhandbuch, Bd. 1, 1, S. 23–40. Chronik 1927/28, S. 1. Chronik 1928/29, S. 2.
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auf. Der Chemiker Paul Pfeiffer sprach für das akademische Jahr 1931/32 von einer »ganz ungesunden und unerwünschten Entwicklung« und stellte ähnlich wie seine Kollegen fest: »Immer schwieriger wird es für die Absolventen unserer Hochschulen, einen Platz im Leben zu erringen, der auch nur einigermaßen ihrer Ausbildung entspricht. Die Gefahr eines akademischen Proletariats mit all seinen kulturzersetzenden Auswirkungen steigt turmhoch vor uns auf.«440
In den zeitgenössischen öffentlichen Debatten und der Literatur gewann die Vorstellung einer »akademischen Überfüllungskrise« große Aufmerksamkeit.441 Den Anstieg der Studierendenzahlen betrachteten viele Zeitgenossen als Grund für eine zunehmende Verelendung der »geistigen Arbeiter«. Günter Weisenborn, der in den 1920er Jahren in Bonn studiert hatte, beschrieb in seinem 1931 erschienenen Roman »Barbaren« die Not der Studierenden: »[Die] geistige Verwirrung [wird] immer bösartiger, die ökonomische Lage immer verzweifelter. Die Universitäten sind heute Bildungsbahnhöfe, Berechtigungsbetriebe, Wartesäle der Arbeitslosigkeit. Die studentische Jugend steht mitten im Existenzkampf, ist ausgeliefert der rabiatesten Konkurrenz, steht mitten im Kampf Aller gegen Alle. Es handelt sich um jene allgemeine Verwilderung, um den Beginn jener neuen Barbarei, die am Ende einer untergehenden Kultur aufzutauchen pflegt und die uns heute bereits alle erfaßt.«442
Die Einschätzung Weisenborns wurde von der akademischen Nachkriegsjugend vielfach geteilt. Während der Weltwirtschaftskrise war es für Hochschulabsolventen äußerst schwierig, in einen Beruf zu gelangen. Dabei machte es wegen der »Unberechenbarkeit der Zukunft« keinen Unterschied, welcher Fakultät man angehörte: »das kollektive Bewusstsein existentieller Unsicherheit«443 kennzeichnete alle akademischen Fachrichtungen. Allein für das höhere Schulwesen in Preußen prognostizierten Bildungsexperten Anfang der 1930er Jahre einen Überschuss von 10.000 Studienräten.444 Die Zahl aller arbeitslosen Akademiker wurde für das Jahr 1934 auf 66.000 beziffert.445 Folglich machten sich unter den
440 Chronik 1931/32, S. 1. 441 Die Diskussion über die Überfüllung der Hochschulen war nicht nur ein Thema der Weimarer Zeit, sondern trat in der deutsche Hochschulgeschichte bereits seit Jahrhunderten immer wieder auf. Titze, Akademikerzyklus, für die Zeit nach 1918 insb. S. 263–299. Siehe dazu auch Niessen, Lebensraum; Schraier, Berufsnot. 442 Weisenborn, Barbaren, S. 7f. 443 Kater, Studentenschaft, S. 72f. 444 Ebd., S. 71. 445 Titze, Akademikerzyklus, S. 271. In Bonn war die Zahl der Erwerbslosen von 2.000 (1925) auf mehr als 10.000 angewachsen (Anfang 1933). Jeder vierte Einwohner der Stadt war auf Unterstützungszulagen angewiesen. Ennen/Höroldt, Römerkastell, S. 309.
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Studierenden Ängste um die berufliche Zukunft und vor sozialem Absturz breit. Dies spiegelte sich auch in der Bonner Studentenpresse des Jahres 1930 wider : »Die Ueberfüllung der intellektuellen Berufe wächst ständig. Alle Voraussetzungen und Vorausberechnungen kündigen keinen Rückgang, sondern ein weiteres Steigen an. Die Gefahr einer schweren Stockung des Lebenskreislaufes wichtiger Stände und Berufsgruppen, die Bedrohung der natürlichen Entwicklung des Volkskörpers rückt in unmittelbare Nähe. Jeder einzelne Angehörige dieser großen Stände ist von dieser Gefahr bedroht. Vor allem die Jugend Deutschlands leidet schwer unter ihr.«446
Als Ursache für das »unnatürliche Wachstum« der Studentenzahlen benannten die Bonner Universitätslehrer hauptsächlich die aus ihrer Sicht zu hohe Zahl der »zur Wissenschaft völlig ungeeigneten Studenten«.447 Rektor Pfeiffer merkte in seinem Jahresbericht an, dass sich »neben vielen Hochbegabten leider ein hoher Prozentsatz an solchen« befinde, »die nun einmal nicht die für ein wissenschaftliches Studium notwendigen Qualitäten« besäßen.448 Dies bedrohe den Ruf der akademischen Bildung. In die gleiche Kerbe schlug auch Rektor Richard Siebeck, der für das Wintersemester 1930/31 notierte: »Auch im neuen Semester war der Zudrang zur Universität ein überaus großer, sagen wir offen, ein viel zu großer. Immer wieder und von allen Seiten wurde darüber geklagt, daß so Viele heute mit völlig unzureichender Vorbildung, mit Mangel an Wissen und Reife, zur Hochschule kommen und dadurch ein ersprießlicher akademischer Unterricht so sehr erschwert werde. Wer immer heute besorgt ist um das Gedeihen der Hochschulen, um den Aufstieg der besten Auslese zu wirklich hervorragenden Leistungen, um diese Voraussetzung einer neuen Blüte deutschen Geistes und deutschen Volkstums, der sollte mit allen Kräften danach streben, diesem Notstande endlich abzuhelfen.«449
Als Maßnahmen gegen die »Überfüllungskrise« empfahlen die Bonner Rektoren Reformen im Schulwesen. Meißner sprach sich im Namen aller akademischen Lehrer für gründlichere Prüfungen und schärfere Reglementierungen der Zulassungsbedingungen zum Hochschulstudium aus.450 Auch Pfeiffer hielt »eine strengere Auslese auf der Schule« für dringend notwendig. Gleichzeitig mahnte er, die höheren Schulen sollten zu ihren »ursprünglichen Aufgaben« zurückkehren: der Vorbereitung der Schüler auf die Universitäten und sonstigen Hochschulen.451 Der Kritik des Rektors am Weimarer Bildungssystem schloss sich der Bonner Romanist Ernst Robert Curtius an. In seiner berühmt gewor446 447 448 449 450 451
UAB, Slg. Bib. 2261, Der Bonner Student, Ausgabe vom 01. 12. 1930. Chronik 1927/28, S. 1. Chronik 1931/32, S 1. Chronik 1930/31, S. 1. Chronik 1927/28, S. 1. Siehe auch Holz, Studierendenschaft, S. 31–33. Chronik 1931/32, S. 1.
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denen Streitschrift »Deutscher Geist in Gefahr« von 1932 wies er ebenfalls auf das Problem hin: »Es liegt endlich an den fragwürdigen Neuerungen auf dem Gebiet des Schul- Bildungswesens, die den Zugang zur Universität immer mehr erweitert und damit ihr Niveau gesenkt haben. Es gibt jetzt 47 Zugangswege zum Studium. Die Losung ›Dem Tüchtigen freie Bahn!‹ hat die Träger und die Interessenten unserer Demokratie berauscht. Wir haben jetzt als Ergebnis zu buchen, daß dem Untüchtigen und Unbegabten der Weg frei gemacht wird. Tragischerweise führt dieser Weg aber nicht zu Gedeih und Glück, sondern in den Massenpferch des arbeitslosen Bildungsproletariats.«452
Auch die Bonner Studierenden stellten Überlegungen an, wie man der »Studentenflut« Einhalt gebieten könne. Drastische Ansichten vertrat dabei die nationalsozialistische Hochschulgruppe. Sie sprach sich 1932 für die Einführung einer Zulassungsbeschränkung für Juden an deutschen Hochschulen aus. In einer Rede vor Bonner Studierenden führte Baldur von Schirach, Reichsführer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB), aus: »Die Notwendigkeit eines numerus clausus sieht man, wenn man erfährt, daß an der medizinischen Fakultät in Berlin 42 Prozent Juden dozieren. Wien hat von 1890 Rechtsanwälten 1780 Juden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß höchstens zwei Prozent der Gesamtstudierenden Juden sein dürfen, bis eines Tages der Standpunkt vertreten wird, daß an den deutschen Hochschulen die Juden überhaupt nichts mehr zu suchen haben.«453
Neben völkisch-nationalistischen wurden vermehrt auch »volksbiologische« Gesichtspunkte formuliert, denen zufolge der Zugang niederer sozialer Schichten zum Hochschulstudium eingeschränkt werden müsse. Zwischen dem steigenden Bildungsniveau der Bevölkerung und dem Rückgang der Geburtenzahlen in der Weimarer Republik gebe es einen direkten Zusammenhang.454 Mittel, den Massenzulauf an den Universitäten zu stoppen, fanden aber weder Politiker noch Wissenschaftler und Studentenvertreter.455 Die Verunsicherung der Akademiker verstärkte die Vorstellung einer »geistigen Krise« am Ende der Weimarer Republik. Die Furcht vor dem Verlust der hervorgehobenen Stellung in der Gesellschaft, vor einer vermeintlichen »Gleichschaltung des Kopfarbeiters mit dem Handarbeiter«, nagte am Selbstbild der Bildungsschicht und stürzte sie 452 Curtius, Geist, S. 70f. In seinem Werk greift Curtius neben dem aus seiner Sicht fortschreitenden Verfall des deutschen Bildungssystems auch den aufkommenden Kulturhass der Nationalisten in der Weimarer Republik scharf an. 453 Zit. nach Kramer, Treue, S. 41f. 454 Überspitzt ließe sich die »volksbiologische Problemwahrnehmung« in der Formel »Bildungswahn gleich Volkstod« zusammenfassen. Titze, Akademikerzyklus, S. 282–291. Siehe auch Mens, Not, S. 45. 455 Vgl. Holz, Studierendenschaft, S. 33.
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»in eine tiefe Identitätskrise«.456 Nicht wenige Universitätsangehörige gerieten auf diese Weise in einen »Politisierungsprozeß«,457 der sie für radikale Losungen besonders empfänglich machte.458
»Heraufziehen einer zunehmenden Politisierung« Die Annahme, dass die Universität als Ort des freien Geistes den demokratischen Grundideen des Weimarer Staates gemeinhin hätte offen gegenüberstehen müssen, lässt sich nur schwerlich bestätigen. In der Forschung herrscht Einigkeit, dass die Angehörigen der deutschen Hochschulen der Weimarer Republik größtenteils mit Vorbehalten und Argwohn, mitunter mit Ablehnung, begegneten.459 Verunsichert und enttäuscht von den Entwicklungen der ersten modernen deutschen Demokratie, nahmen gerade die liberalkonservativen bis deutschnational gesinnten Professoren in zunehmendem Maße die Auflösungstendenzen der Weimarer Republik mehr oder minder teilnahmslos hin.460 Lehrende Ein solches Bild zeigt sich auch in Bonn. Kurator Gustav Ebbinghaus trat gleich zu Beginn der Weimarer Zeit zurück. Als überzeugter Anhänger der preußischen Monarchie reichte er vier Tage nach dem 9. November 1918 bei den Volksbeauftragen Adolf Hoffmann und Konrad Haenisch, dem späteren preußischen Kultusminister, sein Abschiedsgesuch vom Staatsdienst ein.461 Dem wurde am 30. November 1918 entsprochen. In einem Abschiedsschreiben an die Fakultäten vom März 1919 schilderte Ebbinghaus seine Gründe: »Am 1. April d. Js. trete ich vom Amte zurück. Ich scheide aus demselben, weil ich den Richtlinien meines Lebens treu bleiben will. Die Verhältnisse zwingen mich, mich auf diesem Wege von der Fakultät und ihren sämtlichen Angehörigen zu verabschieden. […] Glückliche Jahre im Amte, die mir mein König gab, liegen hinter mir, dieser will ich dankbar gedenken, so lange das Herz in der Brust mir schlägt!«462
Mag Ebbinghaus in seiner konsequenten Ablehnung des Weimarer Staates ein außergewöhnlicher Einzelfall gewesen sein, so waren doch nur wenige Professoren und Beamte an der Universität Bonn zwischen 1918 und 1933 überzeugte 456 457 458 459 460 461 462
Titze, Hochschulen, S. 221. Ebd., S. 222. Hehl, Umbrüche, S. 172. Faust, Professoren, S. 31. Höpfner, Universität, S. 7. Stein von Kamienski, Kuratoren, S. 558. Bonner Zeitung vom 28. 03. 1919.
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Demokraten und Unterstützer des neuen Staatsgedankens.463 Vielmehr hegte man starke Sympathien für das untergegangene Kaiserreich. Dem Gros der konservativ eingestellten Universitätsangehörigen mangelte es an Verständnis für »die Funktionsbedingungen einer parteienstaatlichen Demokratie«.464 Hinzu kam, dass viele den Versailler Friedensvertrag als »Schanddiktat« empfanden und von der Politik und dem »System Weimar« enttäuscht waren. In ihrer Haltung standen die Bonner nicht allein – an allen deutschen Hochschulen lässt sich für die Weimarer Jahre eine antidemokratische Grundstimmung nachweisen.465 Allerdings ginge es zu weit, wenn man aus der Reserviertheit, die die Universitätsangehörigen der Republik entgegenbrachten, im Umkehrschluss ein Bekenntnis zu radikalen Positionen ableiten wollte. Das zeigt das Verhältnis der Bonner Professoren zum Nationalsozialismus. So sprachen sich vor 1933 nur wenige öffentlich für eine Regierungsübernahme Adolf Hitlers aus. Den im »Völkischen Beobachter« vom 30. April 1932 gedruckten Aufruf »An die deutschen Universitäten und Hochschulen!«, der die Unterschrift von 42 Hochschulprofessoren trug, hatten aus Bonn lediglich der Chemiker Andreas von Antropoff, der Psychologe Walter Poppelreuter und der Mediziner Hugo Stursberg unterzeichnet.466 Als am 29. Juli 1932 eine weitere »Erklärung deutscher Universitäts- und Hochschullehrer« im NS-Parteiblatt veröffentlicht wurde, fanden sich unter den Unterzeichnern wiederum nur drei Bonner Dozenten: Neben dem genannten Antropoff der Philosoph und Soziologe Erich Rothacker sowie dessen guter Freund, der Mediävist und Volkskundler Hans Naumann.467 Bis auf Poppelreuter, der bereits 1931 der NSDAP beigetreten war, gehörte vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler keiner der aufgeführten Unterzeichner der Partei an.468 Antropoff – seit 1931 im rechtsgerichteten »Kampfbund für Höpfner, Universität, S. 235. Faust, Professoren, S. 46. Titze, Hochschulen, S. 216–220. Der Anteil der Hochschullehrer, die sich durch die Unterzeichnung des Aufrufs öffentlich zu Hitler bekannten, lag an der Universität Bonn bei lediglich 1,2 Prozent (drei von 243 Professoren und Privatdozenten im Sommersemester 1932). Insgesamt schlossen sich Professoren von 21 Hochschulen (unter anderem auch Wien und Stockholm) dem Schreiben an. Die meisten Unterstützer (jeweils fünf) gehörten der Universität Berlin, München und Jena an. Zum Aufruf: Völkischer Beobachter vom 30. 04. 1932. Siehe auch Heiber, Universität, Teil 2, S. 15, 567; Faust, Professoren, S. 37; Höpfner, Universität, S. 11. 467 Völkischer Beobachter vom 27. 06. 1932. Insgesamt gehörten 51 Universitäts- und Hochschulprofessoren zu den Unterzeichnern des Wahlaufrufs für Adolf Hitler. Vgl. auch Heiber, Universität, Teil 2, S. 16, S. 567; Faust, Professoren, S. 37f.; Höpfner, Universität, S. 11f.; Stöwer, Rothacker, S. 113. 468 Neben Walter Poppelreuter gehörten an der Universität Bonn auch der Mediziner Walter Blumenberg (seit 1931) und der Jurist Karl August Eckhardt (seit 1932) bereits während der Weimarer Zeit der NSDAP an. Vgl. Höpfner, Universität, S. 101, S. 223.
463 464 465 466
Besatzungszeit und demokratische Öffnung (1918–1933)
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deutsche Kultur« organisiert – entschied sich Anfang März 1933 für die Parteimitgliedschaft, Rothacker folgte im Mai 1933.469 Freilich machte letzterer, der von 1919 bis 1928 der nationalliberalen DVP angehört hatte, gegen Ende der Weimarer Republik keinen Hehl aus seiner Sympathie für die nationalsozialistischen Ideen und trat schon am 12. November 1932 dem Nationalsozialistischen Lehrerbund bei.470 Rothacker gehörte schließlich auch zu jenem Kreis von mehr als 300 Hochschullehrern, die im März 1933 einen weiteren Wahlaufruf für Hitlers Liste 1 unterzeichneten. Neben ihm finden sich hier die Namen von elf weiteren Bonner Professoren.471 Doch nicht alle von ihnen waren wie Poppelreuter und Antropoff bereits Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung. Mehrheitlich gehörten die Unterzeichner zum deutschnationalen Lager. Die Motive, warum diese Bonner Dozenten für Hitler warben, waren offenbar, soweit ersichtlich, vornehmlich Befürchtungen bezüglich des geistigen und kulturellen Lebens in Deutschland, »Not und Verelendung des deutschen Volkes«, und man fürchtete »marxistisch-bolschewistische Einflüsse« auf den deutschen Geist.472 Mit Hitler, so hofften und glaubten nicht wenige, werde die alte Ordnung des Wilhelminischen Obrigkeitsstaats wiederhergestellt und das deutsche Volk wieder zu neuer Blüte gelangen.473 Die Mehrheit der Bonner Professoren vertrat, soweit dies in den Dokumenten greifbar ist, in der Weimarer Zeit eine politisch neutrale Haltung: Parteienstreit sollte nicht in die Wissenschaft getragen werden.474 Aus diesem Grund erließ der Senat beispielsweise im Rektoratsjahr 1929/30 eine Reihe von Verboten bezüglich des Anbringens politischer Plakate, der Einladung politischer Organisationen und von Demonstrationen und Kundgebungen zu politischen Werbe469 Ebd., S. 14, S. 495; Stöwer, Rothacker, S. 113f. 470 Stöwer, Rothacker, S. 113. 471 Die Zahl der zwölf Bonner Unterzeichner bezieht sich auf den am 3. März 1933 im Völkischen Beobachter abgedruckten Aufruf, der von insgesamt 301 Hochschuldozenten unterschrieben worden war. Ein tags darauf im Bonner General-Anzeiger veröffentlichter lokaler Aufruf »Für Adolf Hitler« wies sogar die Namen von 14 Bonner Professoren auf, wobei neben den im Völkischen Beobachter Aufgelisteten drei weitere hinzukamen. Die Unterschrift Rothackers fehlte im Bonner Aufruf. Vgl. Bonner General-Anzeiger vom 04. 03. 1933; Höpfner, Universität, S. 11f.; Heiber, Universität, Teil 2, S. 18, S. 568f. 472 Zitate entnommen aus dem Aufruf »Für Adolf Hitler«, in: Bonner General-Anzeiger vom 04. 03. 1933. 473 Vgl. Höpfner, Universität, S. 12. 474 Diese Ansicht war an den deutschen Hochschulen weit verbreitet. Der Berliner Staats- und Kirchenrechtslehrer Rudolf Smend, von 1915 bis 1922 Professor in Bonn, konstatierte 1930: »Parteien und Parteipolitik stehen mit dem Wesen der Hochschule in Widerspruch. […] Von Recht und Staat empfängt die Hochschule nur die äußeren Formen und Bedingungen, allenfalls gewisse Aufgaben und Zielsetzungen. Zugleich kann sie freilich als eine Lebensform des nationalen Geistes nicht ohne tiefe innere Beziehung auch zur staatlichen Lebensform dieses Geistes sein. Aber diese Beziehung ist stets problematisch.« Smend, Hochschule, S. 153.
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Abb. 10: Erich Rothacker, Philosophie
zwecken.475 Unpolitisch war »der Lehrkörper« nicht. Dies belegen Zahlen, die Hans-Paul Höpfner in seinen Untersuchungen zum politischen Engagement der Bonner Hochschullehrer ermittelt hat.476 Tabelle 25: Anzahl der einer politischen Partei angehörigen Bonner Hochschullehrer (1932/33) Von 252 Professoren und Dozenten der Universität Bonn und der Landwirtschaftlichen Hochschule Poppelsdorf waren in einer Partei aktiv… Partei
Anzahl
DNVP/ 30 Stahlhelm
Anteil an der Gesamtzahl der politisch aktiven Hochschullehrer
Anteil an der Gesamtzahl der Hochschullehrer
45,5 %
11,9 %
475 Chronik 1929/30, S. 4. 476 Höpfner, Universität, S. 7.
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Besatzungszeit und demokratische Öffnung (1918–1933)
(Fortsetzung) Von 252 Professoren und Dozenten der Universität Bonn und der Landwirtschaftlichen Hochschule Poppelsdorf waren in einer Partei aktiv…
15
Anteil an der Gesamtzahl der politisch aktiven Hochschullehrer 22,7 %
Anteil an der Gesamtzahl der Hochschullehrer 6,0 %
12
18,2 %
4,8 %
5
7,6 %
2,0 %
4 66
6,0 % 100,0 %
1,5 % 26,2 %
Partei
Anzahl
Zentrum DDP & DVP SPD NSDAP Gesamt
Quellen: Eigene Berechnungen nach Zahlen aus Höpfner, Universität Bonn, S. 7. Emeriti, Lehrbeauftrage und Assistenten sind in der Aufstellung nicht berücksichtigt.
Zu den bekannten Mitgliedern der DNVP zählten an der Bonner Universität die beiden evangelischen Theologen Hans Emil Weber und Friedrich Horst, ebenso wie der Hygieniker Hugo Selter und der Jurist Heinrich Göppert. Letzterer hatte bereits während der Kaiserzeit als Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsamt Karriere gemacht; nach seinem 1919 erfolgten Wechsel an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität engagierte er sich in der Lokalpolitik: 1924 wurde er Ortsgruppenleiter der Bonner DNVP und war von dieser Zeit an bis 1929 Stadtrat.477 Bedeutende Vertreter der Zentrumspartei an der Hochschule waren der Physiker Heinrich Konen, die katholischen Theologen Fritz Tillmann und Albert Lauscher sowie der Kunsthistoriker Heinrich Lützeler.478 Alle vier setzten sich stark für das Wohlergehen der Universität und deren Studierenden ein und waren auch auf politischer Ebene aktiv ; Lauscher saß als Abgeordneter seiner Partei im Preußischen Landtag und war von 1920 bis 1924 Mitglied des Reichstags – er galt als führender Experte für Schul- und Bildungspolitik.479 Während der Weimarer Zeit besaß die Zentrumspartei weitreichenden Einfluss an der Bonner Universität. Beispielsweise wirkte sie bei der Neubesetzung von Lehrstühlen darauf ein, dass das preußische Kultusministerium nicht nur protestantische Professoren an den Rhein berief, sondern auch Katholiken.480 Dies führte auf Seiten der Katholizismus-Gegner zu massiver Kritik. Paul Kahle, evangelischer Theologe und Orientalist, monierte in seinen in englischer Spra-
477 Wolff, Göppert, S. 242f. 478 Kahle, University, S. 6f.; Kroll, Widerstand, S. 29. 479 In der Zeit von 1920 bis 1924 war Lauscher zudem Mitglied der Zentrumsfraktion im Reichstag. Nachruf auf Albert Lauscher, S. 36f.; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete, S. 334–335; Lauscher, Akademiker. 480 Kahle, University, S. 7.
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che erschienenen Erinnerungen über die Weimarer Jahre an der Bonner Universität die Einflussnahme der Zentrumsmitglieder auf die Berufungspolitik: »scarcely any vacant professorship in the University was filled without reference to the demands of the Centrum, and often inefficient Professors were nominated to Bonn merely because they were Catholics.«481
Auch die Nationalsozialisten registrierten den Einfluss des Zentrums auf die Universität mit großem Missfallen. In seiner im Frühjahr 1933 verfassten Denkschrift über die Zukunft der Bonner alma mater brachte Ernst Anrich, Privatdozent für Neuere Geschichte und NSDAP- sowie SS-Funktionär, seine Abneigung gegen eine »schwarze«, das heißt von der Zentrumspartei dominierte Universität zum Ausdruck und griff dabei insbesondere die Berufungspolitik des katholischen Rektors Heinrich Konen scharf an.482 Erich Rothacker sprach im Mai 1933 sogar von einer »widerwärtigen Zentrumsclique«, die aufgrund »ihrer gewaltigen Macht« der Universität »in den letzten Jahren zehnmal mehr Schaden zugefügt« habe »als die ganze hier doch wenig einflußreiche politische Linke.«483 Dies war politische Polemik – doch der Einfluss des Katholizismus an der Bonner Universität war unverkennbar.484 Dem Zirkel der linksgerichteten, sozialdemokratisch gesinnten Hochschullehrer gehörte der Zahnmediziner Alfred Kantorowicz an, der ebenso wie der bereits erwähnte nationalkonservative Göppert Mitglied des Bonner Stadtrats war. Beide hatten jüdische Vorfahren, weswegen Göppert 1935 seine Professur in Bonn aufgeben musste, und Kantorowicz als jüdischer Sozialdemokrat 1933 in »Schutzhaft« genommen wurde. Er emigrierte 1934 in die Türkei und kehrte erst 1950 nach Deutschland zurück.485 Während der separatistischen Unruhen in Bonn im Jahre 1923 hatte sich Kantorowicz als aktiver Widersacher der Rheinischen Republik hervorgetan. Den liberalen, der Republik loyal gegenüberstehenden Bonner Professoren sind unter anderem der bereits genannte Ernst Robert Curtius sowie die Rechtswissenschaftler Alexander Graf zu Dohna (DVP bis 1931) und Richard Thoma (DDP) zuzurechnen. Beide letztgenannten waren Mitglied der 1926 gegründeten »Vereinigung verfassungstreuer Hochschullehrer«, die ab 1931 unter dem Namen »Weimarer Kreis« firmierte und einen losen Zusammenschluss von Gelehrten bildete, die bereit waren, »auf dem Boden der bestehenden republi481 Ebd., S. 7. 482 UAB, Slg., Bestand aus fremden Archiven 3: Ernst Anrich, Bonn als geistige Festung an der Westgrenze, Bl. 1. Siehe auch Höpfner, Universität, S. 19–26; Becker, Geistesgrößen, S. 101f. 483 UB Bonn, NL Rothacker, Brief vom 08. 05. 1933 an Rektor Friedrich Pietrusky. Vgl. Höpfner, Universität, S. 336. 484 Vgl. Becker, Geistesgrößen, S. 102. 485 Kremer/Büchs, Klinik, S. 97–99; Rose, Kantorowicz.
Besatzungszeit und demokratische Öffnung (1918–1933)
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Abb. 11: Alfred Kantorowicz, Zahnheilkunde
kanisch-demokratischen Staatsordnung«486 am Ausbau des Verfassungslebens mitzuwirken. Studierende Wohl stärker noch als bei den Professoren stieg das politische Engagement der Studierenden. In der Kaiserzeit war es eher gering gewesen, nach dem Ende des Weltkriegs kam es zu einem »umfassenden Politisierungsschub«487. Nur wenige freilich verfolgten demokratische Ziele, die sich an den Werten der Weimarer
486 Döring, Weimarer Kreis, S. 87. 487 Levsen, Identitäten, S. 109.
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Republik orientierten – die Großzahl der Studierenden ging auf Distanz zum neuen Staat beziehungsweise lehnte ihn ab.488 Mehr »Politisierung« kennzeichnete den Bonner Studierenden in der Weimarer Zeit. Wie sich bereits bei der Gründung des AStA 1919 gezeigt hatte, beteiligten sich nun selbst die Studentenverbindungen an politischen Diskussionen, welche sich vormals – zumindest ihrem Selbstverständnis nach – als unpolitische Vereinigungen gesehen hatten. Die Politisierung des studentischen Alltags auch in Bonn war während der Weimarer Republik spürbar. Ein aus Löwen in Belgien stammender Austauschstudent hielt 1930 über seine Zeit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität fest: »Ob es irgend wie mit den deutschen Hochschulzuständen zusammenhängt, weiß ich nicht, jedenfalls scheint es mir, daß in Deutschland der Student politisch mehr geschult ist als bei uns. Wahrscheinlich trägt die Strenge, die disziplinierte Erziehung in den Korporationen und die kritische Lage Deutschlands seit dem Kriege hierzu viel bei. Ohne Zweifel, Politik ist von großer Bedeutung für die staatsbürgerliche Erziehung der bürgerlichen Jugend. Auch bei uns arbeitet man in dieser Richtung. Aber für die deutsche Jugend ist die Politik eine Frage von zentraler Bedeutung geworden. Das beweisen die nahen Beziehungen zwischen den Studenten und den politischen Parteien und allerdings auch die Tatsache, daß immer morgens an den Eingängen der Universitätsgebäude politische Manifeste und Zettel verteilt werden.«489
Im Jahresbericht 1928/29 machte sich Rektor Arnold Rademacher Sorgen über »eine zunehmende Politisierung der Studentenschaft« und »das Eindringen eines kämpferischen Geistes, der stärker, als es erwünscht sein kann, in die Erscheinung«490 trete. Gemeint waren in erster Linie »Unruhen der nationalsozialistischen Bewegung«491 an der Bonner Universität. Dies verdeutlicht die Schilderung des Alltags an der Zahnmedizinischen Klinik im Wintersemester 1932/33: »[M]ehr und mehr Studenten erschienen im braunen Hemd zu den Vorlesungen und Übungen; man sah Parteiabzeichen bei einigen Assistenten, der Stahlhelm wurde Ausweichpaß für Ängstlichere, und eine rege Propaganda setzte gegen Kantorowicz
488 Grüttner, Studenten, S. 25f.; Titze, Hochschulen, S. 212f. 489 UAB, Slg. Bib. 2261, Der Bonner Student, Ausgabe vom 12. 12. 1930. 490 Chronik 1928/29, S. 4f. Kurt Petter, Mitglied der Bonner Burschenschaft Frankonia, merkte im Dezember 1931 zur zunehmenden Politisierung der Studierenden an: »Die Studentenschaft treibt heute nicht Politik wie früher aus Lust am Debattieren oder wissenschaftlichem Drang, sondern der politische Kampf ist heute ein Ringen um eine Weltanschauung. Hinzu kommt, daß dieser Kampf mit Not und Entbehrung verbunden ist, die den Willen nur stählen.« Nachrichtenblätter der W.A.G., Ausgabe vom Dezember 1931, S. 18. Zitat ebenfalls abgedruckt in Balder, Frankonia, S. 597. 491 Kremer/Büchs, Klinik, S. 97.
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und einige jüdische Assistenten, wie Dr. Kleinschmidt (Chirurgie), Dr. Hardt und Dr. Liesel Stern (Orthodontie) ein.«492
Trotz nationalsozialistischer Hetze gegen andersdenkende Angehörige der Universität blieb die Lage in Bonn aber weitgehend friedlich.493 Dies lag unter anderem an der Zusammensetzung der organisierten Studentenschaft, in der die katholischen Studentenbündnisse (Ring katholischer Korporationen, Katholische Freistudentenschaft, Liste katholischer Theologen) die führende Position hatten. Im Gegensatz zu den Anhängern des Bonner Waffenrings, die eine nationalkonservative Linie vertraten, hatten die Katholiken ein weitaus positiveres Verhältnis zum demokratischen Weimarer Staat.494 Gegenüber den Nationalsozialisten traten sie äußerst reserviert auf. Ausschlaggebend dafür war die Haltung der katholischen Bischöfe, die 1931 die Unvereinbarkeit der katholischchristlichen Lehre mit der Gesinnung des Nationalsozialismus erklärt hatten.495 Demnach war es den Gläubigen nicht gestattet, Mitglied der NSDAP zu werden. Die beiden führenden katholischen Studentenverbände CV und KV schlossen sich 1932 der Haltung der Bischöfe an.496 In Bonn zeigte dies Wirkung: Die starke Stellung der katholischen Studentenverbände im AStA half, dass sich während der Weimarer Zeit antidemokratische und radikalvölkische Ideen innerhalb der Studentenschaft nicht so stark verbreiten konnten wie andernorts.497 Dies spiegeln auch die Ergebnisse des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB)498 bei den Wahlen zur Bonner Studentenkammer wider. Während der Weimarer Republik schafften es die rechtsradikalen Studierenden nie, mehr als rund ein Viertel der Wahlstimmen auf sich zu vereinigen. 492 493 494 495 496 497
Ebd., S. 97. Chronik 1930/31, S. 1. Höpfner, Universität, S. 111. Rösgen, Auflösung, S. 84. Faust, Studentenbund, Bd. 1, S. 145. George, Studieren, S. 27f. Allgemein ist festzustellen, dass die Nationalsozialisten vor 1933 an Universitäten mit hohem Katholikenanteil nur eine relativ schwache Position einnahmen. Grüttner, Studenten, S. 56f. 498 Der NSDStB war im Februar 1926 von Studierenden der Universität München als überregionale studentische Organisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) ins Leben gerufen worden. Die Gründung eines Bonner Ablegers erfolgte am 15. Januar 1928. Während der Weimarer Jahre hatten die NS-Studenten in Bonn nur geringen Zulauf. Im Wintersemester 1932/33 gehörten dem NSDStB 95 Personen an; das waren lediglich 2,5 Prozent aller männlichen Bonner Studierenden. Zum Vergleich: An den deutschen Hochschulen lag der prozentuale Anteil zum selben Zeitpunkt im Durchschnitt bei 4,4 Prozent. Zum NSDStB allgemein siehe Faust, Studentenbund; Kater, Studentenschaft; Grüttner, Studenten, insb. Tabellen im Anhang, S. 487–501. Zur Entstehung und Entwicklung des nationalsozialistischen Studentenbunds in Bonn siehe NSDStB Bonn, Wir tragen das Banner der Freiheit; Hikad, Studenten; Höpfner, Universität, S. 111–119; Oldenhage, Korporationen, S. 108–112.
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Tabelle 26: ASTAG-Wahlergebnisse an der Universität Bonn (WS 1929/30–1932/33) Liste / Block Katholisch Nationalkonservativ
WS 1929/30 46,0 % 30,1 %
WS 1930/31 42,9 % 27,2 %
WS 1931/32 44,5 % 23,6 %
WS 1932/33 42,7 % 18,8 %
Nationalsozialistisch Republikanisch
8,0 % 3,2 %
19,5 % 5,2 %
26,3 % 5,6 %
18,8 % 4,7 %
Sonstige Gesamt
12,7 % 100,0 %
5,2 % 100,0 %
100,0 %
15,0 % 100,0 %
Quellen: Höpfner, Universität Bonn, S. 116.
Verglichen mit den Resultaten in anderen Universitätsstädten, wo der NSDStB im selben Zeitraum bis zu 70 Prozent der Stimmen errang, waren die Ergebnisse in Bonn somit gering.499 Selbst 1932, als die Nationalsozialisten mit 26,3 Prozent (19 Sitze) die stärkste Fraktion im Studentenparlament bildeten, gelang es ihnen nicht, gemeinsam mit den nationalkonservativen Gruppierungen500 (17 Sitze) die Mehrheit zu bilden, da das Bündnis aus katholischen Listen501 (32 Sitze) und Republikanischem Block (4 Sitze) auf die gleiche Anzahl an Sitzen (36) kam. Bei den ASTAG-Wahlen im Wintersemester 1932/33 erzielte der Bonner NSDStB das mit Abstand schlechteste Wahlresultat aller deutschen Hochschulen.502 Erst nach der »Gleichschaltung« der Universität durch Einführung des »Führerprinzips« und Beseitigung der Korporationen gelang es den nationalsozialistischen Studierenden, die Führung der Bonner Studentenschaft zu übernehmen.503 Vergleicht man die Universität Bonn in der Umbruchphase von der Weimarer Republik zum nationalsozialistischen Staat mit den anderen deutschen Universitäten, so zeigt sich, dass in Bonn antidemokratische und völkisch-rassische 499 Hohe Werte erzielte der NSDStB beispielsweise bei den AStA-Wahlen 1932 in Erlangen und Marburg: 68,2 beziehungsweise 63,4 Prozent Stimmenanteile. In Jena lag der Anteil sogar bei 86,8 Prozent, allerdings waren die Nationalsozialisten hier als gemeinsame Liste mit den Korporationen und dem Stahlhelm angetreten. Durchschnittlich wählten 1932 an den deutschen Universitäten 49,1 Prozent der Studierenden den NSDStB; bei den Studentenkammerwahlen; an den technischen Hochschulen waren es 41,2 Prozent. Grüttner, Studenten, S. 496f., Tabelle 25; Titze, Hochschulen, S. 216. 500 Dem nationalkonservativen Lager waren der Bonner Waffenring und der Nationale Hochschulblock zuzurechnen, die bei den ASTAG-Wahlen 1932 elf beziehungsweise sechs Sitze gewannen. 501 Bei der ASTAG-Wahl 1932 traten folgende katholische Listen an: Ring Katholischer Korporationen (18 Sitze), Katholische Freistudenten (zehn Sitze), Katholische Theologen (vier Sitze). 502 Während der NSDStB bei den Wahlen im Februar 1933 an anderen deutschen Hochschulen zwischen 40 und 60 Prozent der Wählerstimmen gewinnen konnte, erzielte die Bonner NSHochschulgruppe lediglich 21,9 Prozent. Höpfner, Universität, S. 116f. 503 Ebd., S. 117f., S. 541. Siehe dazu auch den nachfolgenden Beitrag von Ralf Forsbach zur Geschichte der Universität Bonn im Nationalsozialismus.
Besatzungszeit und demokratische Öffnung (1918–1933)
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Ideen bei den Universitätsangehörigen vor 1933 weniger Anhänger fanden als andernorts – und zwar unter den Professoren wie unter den Studierenden. Auch die rechtsgerichtete Hochschulringbewegung konnte in Bonn weniger Akzente setzen als an anderen Hochschulen. Zu stark war der Einfluss der katholischen und konservativen Gruppen.504 Von NSDAP-Organisationen wurde die Bonner Universität deshalb als »politisch unzuverlässig«505 eingestuft. Dennoch: ein Bollwerk gegen den Nationalsozialismus war die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität nicht. Mit der Vertreibung jüdischer und politisch missliebiger Personen zeigten sich nach der Machtübernahme Hitlers im Frühjahr 1933 dieselben Verhaltensweisen, wie sie auch an anderen deutschen Hochschulen zu beobachten waren.506 Weitgehend widerstandslos und unkritisch passten sich die meisten Mitglieder der Bildungseliten auch in Bonn den neuen Machtverhältnissen an. ***
Für die Bonner Universität waren die Jahre zwischen 1918 und 1933507 einerseits wenig glanzvoll. Mit alliierter Besatzung, Inflation und Weltwirtschaftskrise war sie großen Problemen ausgesetzt, zeitweise musste sie sogar um ihren Fortbestand bangen. Auf der anderen Seite ist festzuhalten, dass sie den Gefahren standhielt. Die Weimarer Jahre waren auch eine Periode der Modernisierung, in der sich die Bonner alma mater an die Gegebenheiten der »neuen Zeit« anpasste. Die Leitbegriffe dafür waren: zunehmende Partizipation, Ausdifferenzierung, Ausbau und Wachstum. Angesichts solcher positiven Aspekte lässt sich die Geschichte der Bonner Hochschule in der Weimarer Republik weder einseitig als Krisen- noch einseitig als Erfolgsgeschichte beschreiben. Es war eine Mischung. Insgesamt konnte die Universität in der Weimarer Ära ihren Ruf als einer der bedeutendsten Orte für Forschung und Lehre in Deutschland verteidigen und ausbauen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der »Gleichschaltung« der Universität nahm die Entwicklung eine andere Richtung. 1933 markiert eine der schärfsten Zäsuren in der Geschichte der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität.
504 505 506 507
Höpfner, Universität, S. 540–542. Ebd., S. 541. Ebd., S. 28–65. Siehe dazu näher: Schulz/Lanzerath, Weimarer Republik.
Ralf Forsbach
Repression und Ideologisierung (1933–1945)
Gleichschaltung und Selbstgleichschaltung Ergebenheitsadressen und Wahlaufrufe Bastion des Katholizismus oder Grenzlanduniversität? Verfolgung, Vertreibung, Flucht Die Universitätsleitung Der Konjunkturritter : Friedrich Pietrusky Episoden: Hans Naumann und Karl Theodor Kipp Der nationalsozialistische Multifunktionär : Karl Schmidt Der Kriegsrektor : Karl Chudoba Die Kuratoren: Julius Bachem, Gustav Ehrlicher und Joachim Kieckebusch Die Studentenschaft Nationalsozialisten in der Minderheit Gewalt und Terror NS-Bindung der Studierenden Unrecht Doktorgradentziehungen Die Beugung des Rechts Erteilung, Verweigerung und Entziehung des Doktorgrads Der Fall Thomas Mann Zwangssterilisationen »Euthanasie« Das Anatomische Institut als Profiteur des Mordens Opposition und Widerstand Oppositionelle Regungen zu Beginn des NS-Regimes Rückzug und Selbstkündigungen Opposition aus den Fakultäten Individueller Widerstand mit christlichem Hintergrund Individueller Widerstand mit sozialistisch-kommunistischem Hintergrund Krieg Die Universität an der Seite von NS-Regime und Wehrmacht Der Luftkrieg und das Ende des Lehrbetriebs Die Verlegung der Universität Medizinische Notversorgung
116 118 119 120 126 126 132 134 142 146 148 148 149 156 156 157 157 161 163 168 171 172 175 175 175 176 177 179 185 185 186 188 192
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Ralf Forsbach
Gleichschaltung und Selbstgleichschaltung Rückt eine Institution mit ihren Strukturen in den Mittelpunkt einer Betrachtung, besteht grundsätzlich die Gefahr, die Verantwortung des einzelnen Akteurs in den Hintergrund zu rücken und seine Handlungsoptionen als eng begrenzt darzustellen.1 Doch auch wer in einer autoritär geführten Institution in einem totalitären Staat tätig war, hatte häufig die Möglichkeit, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Die Grade oppositionellen Verhaltens waren unterschiedlich. Zugleich sind auch bei denjenigen, die sich gleichschalten ließen, also den totalitären Führungsanspruch des Staates anerkannten und sich seinen Repräsentanten unterwarfen, Unterscheidungen vorzunehmen. Zu fragen ist hier, ob die Unterwerfung freiwillig erfolgte oder erzwungen war, ob Hitler »zugearbeitet« wurde aus Begeisterung, Opportunismus oder aus purer Angst. Der totalitäre Staat setzte einen Rahmen, der den Machtanspruch des Regimes dokumentierte und dem sich einzelne Mutige widersetzten. Für die Universitäten von ausschlaggebender Bedeutung war die Zerschlagung der föderalen Ordnung. Die juristische Grundlage bildeten die beiden Gesetze zur »Gleichschaltung der Länder mit dem Reich« vom 31. März 1933 und vom 7. April 1933 sowie das »Gesetz über den Neuaufbau des Reiches« vom 30. Oktober 1933. Es dauerte allerdings noch bis zum 1. Mai 1934, bis per Erlass das »Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung« (REM; gelegentlich auch RMEWV und RMEWuV) gegründet wurde.2 Der seit dem 4. Februar 1933 amtierende preußische Kultusminister Bernhard Rust vereinigte am 20. Dezember 1934 das alte preußische Ministerium mit dem neuen Reichsministerium zum »Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung«. Am 1. Oktober 1938, nach dem »Anschluss« Österreichs, fiel der »preußische« Zusatz fort. Von nun an lautete die offizielle Benennung: »Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung«.3 Formal gingen am 23. Februar 1935 die Hoheitsrechte der Länder auf das REM über, in dem etwa 100 Beamte des höheren und gehobenen Dienstes ihrer Arbeit nachgingen.4 Als nachgeordnete Behörden blieben die
1 Die Darstellung beruht in wesentlichen Teilen auf der bahnbrechenden Studie von Höpfner, Universität, der ein scheinbar enges Thema breit ausleuchtenden Monographie von Hübinger, Thomas Mann, und auf früheren, teilweise wörtlich übernommenen Veröffentlichungen des Autors: Forsbach, Fakultät; ders., Nationalsozialismus; ders., Thomas Mann; ders., Markov ; ders., Studieren. 2 Vgl. Hausmann, Romanistik, S. 34; Brocke, Kultusministerien, S. 201; Nagel, Kultuspolitik, S. 70. Vgl. auch Nagel, Bildungsreformer, passim. 3 Vgl. Brocke, Kultusministerien, S. 201; Nagel, Kultuspolitik, S. 72. 4 Vgl. Hausmann, Romanistik, S. 35.
Repression und Ideologisierung (1933–1945)
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Kultusministerien außerhalb Preußens »ohne wirkliche Entscheidungsbefugnisse bestehen«.5 Vor Ort war der Kurator als Leiter der Universitätsverwaltung unmittelbarer Ansprechpartner des Ministeriums. Die Lehrenden gehörten – mit Ausnahme der beamteten Professoren – automatisch der »Dozentenschaft« an.6 Alle »eingeschriebenen Studenten deutscher Abstammung und Muttersprache« fanden sich in der in »Fachschaften« gegliederten »Studentenschaft« wieder.7 Betrachtet man die Situation vor Ort, so war der Unterwerfungsprozess Ende 1933 bereits sehr weit vorangeschritten. Rasch hatten sich unter den Universitätsangehörigen drei Gruppen abgezeichnet, die der Direktor der Medizinischen Klinik Paul Martini nach dem Ende der NS-Zeit für seine Fakultät folgendermaßen beschrieb: »Die 1. Gruppe war die offenbar radikal dem Regime entgegengesetzte und kompromisslose und sie war recht klein. Die 3. Gruppe war die der unbedingten Bejaher des Regimes und unter ihr befanden sich, wie immer in solchen Zeiten, Geschäftemacher und Denunzianten (diese aber nicht unter den Lehrstuhlinhabern) und diese Gruppe war ebenfalls sehr klein. Die mittlere Gruppe machte Kompromisse und war weitaus die größte. Ein Teil von ihnen war gekennzeichnet durch den Ausspruch des wohl ca. 7jährigen Sohns eines meiner Kollegen. Der Junge erklärte in seiner Schulklasse, als über den Nationalsozialismus und die Stellung zu ihm gesprochen wurde, seinem Lehrer: ›Oh, mein Vater, der macht nur nach außen so, als ob er auch Nationalsozialist wäre, zu Hause ist das aber ganz anders.‹«8
5 Ebd, S. 34. 6 Anonymus, Bildung der »Dozentenschaft« der Universität Bonn, in: Kölnische Zeitung vom 16. 11. 1933: »Wie an allen preußischen Hochschulen wurde jetzt auch an der Universität Bonn die ›Dozentenschaft‹ gebildet, der alle nichtbeamteten außerordentlichen Professoren, Privatdozenten und Assistenten pflichtgemäß angehören. Zum Führer […] wurde Oberarzt Privatdozent Dr. Karl Schmidt ernannt. Die Arbeit der ›Dozentenschaft‹ gilt vor allem der Ertüchtigung des akademischen Nachwuchses.« 7 Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22. April 1933, in: Münch/Brodersen, Gesetze, S. 174. Vgl. auch die bereits am 12. April 1933 erlassene Preußische Studentenrechtsordnung in: Ellwein, Universität, S. 299f. Medizinhistorisches Institut Bonn, Nachlass Paul Martini, 1933-1938, Erlass W I i 1710 W III des REM, 15. 05. 1935, wo sieben »Aufgabengebiete der Deutschen Studentenschaft« festgelegt werden: Fachschaftsarbeit, Arbeitsdienst, Grenzlandarbeit, Auslandsarbeit, Presse und Film, Studentensport, Studentenarbeit. Vgl. Steinberg, Sabers, S. 141f.; Franze, Studentenschaft, S. 198f., S. 289f.; Roegele, Student, S. 143f. 8 Paul Martini: Erinnerungen und Erfahrungen (ungedrucktes Manuskript in Familienbesitz), Teil IV, S. 188.
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Ergebenheitsadressen und Wahlaufrufe Schon vor 1933 hatte es wiederholt pronationalsozialistische Aufrufe aus den Reihen von Hochschullehrern gegeben, die in unterschiedlichen Zeitungen veröffentlicht worden waren. Zu den Unterzeichnern gehörten aus Bonn Andreas von Antropoff, Walter Poppelreuter, Hugo Stursberg und Erich Rothacker. Einen reichsweiten Aufruf zur Wahl Hitlers unterschrieben aus Bonn zwölf Professoren. Deren Namen finden sich auch unter einem »Für Adolf Hitler« betitelten Text, der am 4. März 1933 im Bonner »General-Anzeiger« erschien und von insgesamt 14 Universitätsangehörigen unterzeichnet ist. Von den 14 Unterzeichnern waren mehr als die Hälfte Mediziner, neben den Initiatoren Walter Blumenberg und Walter Poppelreuter Friedrich Pietrusky, Erich Hoffmann, Rudolf Strempel, Hugo Selter, Heinrich Cramer und Paul Römer. Hinzu kamen die Chemiker Andreas von Antropoff und Mark Freiherr von Stackelberg, Hubert Kappen von der Landwirtschaftlichen Fakultät, der Germanist Hans Naumann, der evangelische Theologe Emil Pfenningsdorf und der Assyriologe Albert Schott.9 In der Erklärung heißt es: »Wir unterzeichneten deutschen Universitäts- und Hochschullehrer erklären heute in aller Öffentlichkeit, dass wir in der Machtübernahme Adolf Hitlers und dem Zusammenschluss der nationalen Kräfte, die am Wiederaufbau des deutschen Volkes mit tätig sein wollen, den richtigen Weg sehen, der ungeheuren Not und Verelendung des deutschen Volkes Einhalt zu gebieten. Wir als deutsche Männer, als berufene Lehrer der akademischen Jugend unseres Volkes, sind überzeugt, daß es der nationalsozialistischen Bewegung in Verbindung mit allen aufbauwilligen Kräften unseres Volkes gelingen wird, auf allen Gebieten des Lebens zu dem Wandel der nationalen und sozialen Gesinnung und Handlungsweise zu kommen, die für unser Volk Grundbedingung des Wiederaufstiegs ist. Die marxistisch-bolschewistischen Einflüsse auf den Geist unseres Volkes müssen aufhören. Deshalb erklären wir uns bereit, an dem großen Aufbauwerk der Reichsregierung mit all unseren Kräften mitzuarbeiten, um dem großen Werk, das jetzt begonnen wurde, zum glücklichen Endsieg zu verhelfen […]. Wir erwarten zuversichtlich von der derzeitigen Reichsregierung unter Führung Adolf Hitlers die Gesundung unseres gesamten öffentlichen Lebens und damit die Rettung und den Wiederaufstieg Deutschlands und sind fest entschlossen, jeder an seinem Teil dafür zu wirken.«10
9 Vgl. Höpfner, Universität, S. 11f. und allgemein zu derartigen Aufrufen Keim, Erziehung, S. 161f. 10 General-Anzeiger vom 04. 03. 1933, reproduziert in: Höpfner, Universität, S. 303.
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Bastion des Katholizismus oder Grenzlanduniversität? Als nationalsozialistischer Theoretiker trat 1933 der gerade 26 Jahre alte Historiker Ernst Anrich hervor. Der Sohn des Kirchenhistorikers Gustav Anrich war 1928 in den NS-Studentenbund und 1930 in die NSDAP eingetreten und führte die Deutsche Gildenschaft Ernst Wurche mit ihren Ortsgruppen in Bonn, Heidelberg, Tübingen und Wien dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund zu.11 Dennoch geriet er bald in Konflikt mit Parteigenossen. Im Jahr seiner Promotion bei Fritz Kern 1931 wurde er aus NSDAP und Studentenbund ausgeschlossen. Anrich hatte sich mit einem elitären Programm, das Akademiker aus der Masse des Volkes herausheben sollte, ins Abseits gestellt, vertrat doch NS-Studentenbundführer Baldur von Schirach wie Goebbels und Hitler eine dezidiert antiintellektuelle Linie.12 Bei der SS, deren Mitglied er wurde, fand Anrich mehr Anerkennung. Anrich erkannte im pointierten Bonner Katholizismus das zentrale Problem für den örtlichen Nationalsozialismus und verfocht das Ziel, eine sogenannte Grenzlanduniversität zu errichten, von der aus eine nationalsozialistisch geprägte Wissenschaft Strahlkraft nach innen und außen entwickeln sollte. In seiner Denkschrift »Bonn als geistige Festung an der Westgrenze« von Anfang 1933 griff er namentlich den Theologen Albert Lauscher und den Physiker Heinrich Konen an und beschuldigte sie, aufgrund ihres Einflusses im Kultusministerium beziehungsweise bei der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft die Universitätspolitik im Sinne des Katholizismus und des Zentrums zu steuern. Nach Ansicht Anrichs gab es großen Änderungsbedarf: »Bonn stellt in keiner Weise eine wirkliche Grenzlandfestung dar. Es sind wohl einige Ansätze vorhanden, sie sind aber nicht systematisch zusammengefaßt, der Gesamtgeist ist seit 1919 in steigender Linie vom Zentrum und einigen Sozialdemokraten geprägt worden. […] Es ist erforderlich, daß schon von den eigentlichen philosophischen Ordinariaten aus das organische Denken gelehrt wird und seine Rangordnungen begründet werden (Nation im Mittelpunkt usw.). Es ist erforderlich, daß die Geschichte dieser Werte und Kräfte bewußt vertreten wird. […] Unter den Naturwissenschaften muß vor allem die Biologie so ausgebaut werden, daß sie eine lebendige Kraft wird für die Schärfung des bevölkerungspolitischen Gewissens gerade auch von der Westgrenze aus.«13
Zahlreiche weitere Professoren und Hochschuldozenten unterzog er einer Beurteilung mit klaren Empfehlungen für Entlassungen.14 Anrichs Ziel, Bonn als 11 Vgl. Reulecke, Männerbünde, S. 154; Faust, Studentenbund, S. 157. 12 Vgl. Höpfner, Universität, S. 19; Bering, Epoche, S. 89; Wortmann, Baldur von Schirach, S. 70–84; Hachtmann, Wissenschaftsmanagement, S. 312–315. 13 Zit. nach Höpfner, Universität, S. 23f. 14 Vgl. ebd., S. 22.
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Bestandteil einer Linie von Grenzlanduniversitäten im Westen zu etablieren, zu denen er auch Freiburg, Heidelberg, Frankfurt, Köln und Aachen zählte, traf weder im Erziehungsministerium noch in der Partei auf Widerhall. In Berlin setzte sich die Überzeugung durch, die Universitäten zwar personell im Sinne des Nationalsozialismus auszustatten und das »Führerprinzip« durchzusetzen, an grundlegende Umstrukturierungen in der Lehre aber nur vorsichtig heranzugehen. Wenn es Übereinstimmungen zwischen Anrichs Denkschrift und der NS-Praxis gab – wie beispielsweise mit Blick auf die Entlassungen von Professoren – waren diese sicher nicht auf Anrichs Einfluss zurückzuführen. Seine Idee einer »geistigen Festung an der Westgrenze« wurde jedoch am Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande am Leben erhalten und fand in den ersten Kriegsjahren unter dem Dekan der Philosophischen Fakultät Kurt Tackenberg stärkeren Zuspruch. 1942 wurden neue Lehrstühle für keltische Sprache und Kultur sowie Volkskunde eingerichtet.15 Anrich lehrte als Privatdozent für Neuere Geschichte noch bis 1938 in Bonn und wurde dann ordentlicher Professor in Hamburg. Auch auf Fürsprache der SS und des Reichssicherheitshauptamts gelangte er sodann in die Position des Bevollmächtigten des Reichsdozentenführers für den Aufbau der Reichsuniversität Straßburg. Dort war er von 1940 bis 1943 Dekan der Philosophischen Fakultät sowie von 1941 bis 1943 Dozentenführer der Universität. 1949 initiierte er die Gründung der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft und gehörte zeitweilig dem Vorstand der NPD an.16
Verfolgung, Vertreibung, Flucht Durch die nationalsozialistische Verfolgung verloren etwa 50 von 300 Professoren und Privatdozenten ihre Anstellung an Universität oder Landwirtschaftlicher Hochschule.17 Mit der von Hans-Paul Höpfner errechneten Entlassungsrate von 16 Prozent lag die Universität Bonn weit unter dem Durchschnitt. Der erste Betroffene war der Psychiater Otto Löwenstein, der von seinem Widersacher und dem nach 1945 noch lange hoch verehrten Walter Poppelreuter regelrecht gejagt wurde. Poppelreuter und seinen SA-Schergen, die ihn am 8. März
15 Vgl. ders., Festung, S. 687. 16 Vgl. Lerchenmüller, Reichsuniversität, S. 151–153; Kettenacker, Kontinuität, S. 140-152; Schöttler : Westforschung, S. 224. Zu Anrichs Denken vgl. Institut für Zeitgeschichte München, ZS-542, Zeugenschrifttum Ernst Anrich (ifz-muenchen.de/archiv/zs/zs-0542.pdf, zuletzt abgerufen am 25. 05. 2017). 17 Vgl. Höpfner, Universität, S. 28, wo frühere Forschungen referiert und korrigiert werden.
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1933 in Ketten durch die Stadt schleifen wollten, konnte sich Löwenstein knapp entziehen und Deutschland am 10. März verlassen.18 Ebenfalls von Kollegen wurde der Phytomediziner Ernst Schaffnit bedroht, ein Pionier seines Fachs und Verfechter der Demokratie. Ihn zeigten einige seiner Mitarbeiter wegen angeblicher Veruntreuung und Unterschlagung an, woraufhin er am 28. März 1933 verhaftet wurde.19 Alfred Kantorowicz, der die Bonner Zahnmedizin durch seine Maßnahmen zur Prävention deutschlandweit bekannt gemacht hatte und der für die SPD in den Bonner Stadtrat gewählt worden war, entzog sich zunächst durch Untertauchen einem Schutzhaftbefehl, stellte sich aber am 1. April 1933 der Polizei.20 Mit dem Gesetz zur »Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 wurde die Verfolgung systematisiert. Schon am Tag zuvor hatte Universitätskurator Alfons Proske sämtliche Einrichtungen der Universität aufgefordert, ihm binnen 24 Stunden alle jüdischen Beamten zu benennen.21 Nach diesen ersten Angaben waren 17 der 296 Bonner Hochschullehrer in den Augen der Nationalsozialisten »Nichtarier«, bei den 205 Assistenten sechs.22 Bald nach Inkrafttreten des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« wurden Personen, die von den Nationalsozialisten als Juden angesehen wurden, zunächst beurlaubt, dann in den Ruhestand versetzt oder entlassen. Zwangsbeurlaubt wurden im Mai 1933 als erste die Assistenten Alfred Meyer, Samuel Last, Werner Jacobsen, Heinrich Rheinboldt, Paul Dreyfuß und Kurt Levy sowie die Bibliothekarin Helene Wieruszowski. Mehrere andere Assistentinnen und Assistenten hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Stelle aufgegeben und Deutschland verlassen, darunter Gertrud Harth und Raphael Erdmann. Der Zahnmediziner Reinhold Waldsachs verlor im August 1933 seine Anstellung, weil er mit einer von den Nationalsozialisten als Jüdin angesehenen Frau verheiratet war.23 In einem nächsten Schritt wurde den nichtbeamteten Professoren und Privatdozenten, die als Juden galten, die Lehrbefugnis entzogen. Betroffen waren Paul Ludwig Landsberg (Philosophie), Alexander Sperber (Judaistik), Alfred Meyer (Psychiatrie), Adolf Nußbaum (Chirurgie) und Hans König (Psychiatrie). Zudem wurde Max Grünhut, ordentlicher Professor für Strafrecht, im September 1933 in den Ruhestand versetzt.24 Heinrich Göppert (Industrierecht) wurde im 18 Vgl. ebd., S. 42. Zu Löwensteins Wirken vgl. Orth, Transportkind, S. 9–18; Waibel, Jugendpsychiatrie, passim; Forsbach, Löwenstein. 19 Vgl. Höpfner, Universität, S. 514f. 20 Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 336–340. 21 Vgl. Höpfner, Universität, S. 29. 22 Vgl. ebd., S. 29f. 23 Vgl. ebd., S. 30; Forsbach, Fakultät, S. 360. 24 Vgl. Höpfner, Universität, S. 30.
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März 1935 vorzeitig emeritiert, weil er nach nationalsozialistischer Terminologie ein »Halbjude« war.25 Das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« sah darüber hinaus die Möglichkeit vor, politisch unliebsame Beamte zu entlassen. Betroffen waren die Sozialdemokraten Karl Ludwig Schmidt, Fritz Lieb, Ernst Fuchs und Karl Engeroff, der Zentrumspolitiker Albert Lauscher wurde zwangsweise emeritiert. 1934 erhielt auch der Physiker Heinrich Konen, der in der Wiederaufbauzeit nach 1945 so wichtige Wissenschaftspolitiker, wegen seiner Mitgliedschaft im Zentrum seine Entlassungspapiere.26 Der Fall des evangelischen Theologen Karl Barth, der den Eid auf den »Führer« verweigerte und entlassen wurde, fand international Beachtung.27 Aus einem Lagebericht der Gestapostelle Köln wird deutlich, dass sich die überwiegende Zahl der an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Studierenden mit Barth solidarisch fühlte, den Schritt zu öffentlichem Protest aber nicht wagte: »Die Amtsenthebung des Universitätsprofessors Dr. Barth verursachte unter den Studenten der evangelisch-theologischen Fakultät eine starke Beunruhigung, da Professor Dr. Barth bei seiner Hörerschaft sehr beliebt ist. Auch die evangelischen Studenten stehen zu 90 % im Lager der Bekenntnisverweigerung des Professors Dr. Barth. Der zu seiner Vertretung bestimmte Professor Schmidt-Japing wird von der Hörerschaft abgelehnt. Zu öffentlichen Kundgebungen und Störungen innerhalb der Universität ist es jedoch nicht gekommen.«28
Johann Wilhelm Schmidt-Japing war von 1920 bis 1937 als Leiter des Evangelisch-Kirchlichen Studentendienstes an den rheinischen Universitäten der erste Studentenpfarrer in Deutschland. 1933 trat er in die SA ein, 1937 wurde er NSDAP-Mitglied. Im selben Jahr bejahte er als Unterzeichner eines Aufrufs »die nationalsozialistische Volkswerdung auf der Grundlage von Blut und Boden«.29 Barths Amtsenthebung gehörte zu mehreren Aktionen gegen NS-kritische evangelische Pfarrer. So vermeldete ein Gestapo-Lagebericht für August 1934 auch die Amtsenthebung des Königswinterer Pfarrers, Superintendenten für den Kirchenkreis Bonn und stellvertretenden Landesbischofs Ernst Rentrop (1868–1937), der sich offensiv auf die Seite der »Bekennenden Kirche« stellte. Rentrop blieb allerdings aufgrund von Formfehlern und großer Unterstützung bis 1937 in seinen Königswinterer und Bonner Ämtern.30 25 26 27 28 29
Vgl. ebd., S. 31. Vgl. ebd., S. 30f. Vgl. den Beitrag zur Evangelisch-Theologischen Fakultät in Band 3 dieser Festschrift. Zit. nach Faust/Rusinek/Dietz, Lageberichte, S. 665. Zu Schmidt-Japing vgl. Klee, Personenlexikon, S. 547; Faust/Rusinek/Dietz, Lageberichte, S. 665. 30 Zu Rentrop vgl. Klein, Nationalsozialismus, S. 425–427; Faust/Rusinek/Dietz, Lageberichte, Lagebericht der Gestapostelle Köln für August 1934, S. 319.
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Abb. 12: Karl Barth, Evangelische Theologie
Mit den sogenannten »Nürnberger Gesetzen« vom September 1935 verloren die verbliebenen älteren jüdischen Hochschullehrer ihre beruflichen Rechte, nun auch einstige »Frontkämpfer« des Ersten Weltkriegs. In den Ruhestand versetzt wurden Wilhelm Levison (Geschichte), Otto Toeplitz (Mathematik), Eberhard Bruck (Rechtsgeschichte) und Felix Hausdorff (Mathematik).31 Die Auslegung des Beamtengesetzes vom 21. Januar 1937 erfasste schließlich alle noch im Dienst befindlichen Hochschullehrer, die nach NS-Anschauung jüdische Frauen geheiratet hatten oder mindestens ein »jüdisches Großelternteil« besaßen. Von der Lehrtätigkeit ausgeschlossen wurden Leo Waibel (Geo31 Vgl. Höpfner, Universität, S. 31.
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graphie), Carl Enders (Literaturgeschichte), Johannes Müller (Mathematik), Leo Schrade (Musikwissenschaft), Rudolf Hertz (Keltologie) und der bereits emeritierte Oskar Walzel (Germanistik).32 Weitere Entlassungen und Entziehungen der Lehrbefugnis beruhten in den folgenden Jahren auf Einzelbeurteilungen der politischen Zuverlässigkeit. Erleichtert wurden derartige Schritte durch die Reichshabilitationsordnung von 1939, die es erlaubte, außerplanmäßige Professoren und Privatdozenten als Beamte auf Widerruf jederzeit von der Universität zu weisen. Betroffen von den negativen Folgen dieser Regelung waren Karl Meisen (Volkskunde), Aloys Müller (Philosophie), Robert Wizinger (Chemie), Werner Henkelmann (Landwirtschaftliche Betriebslehre) und Heinrich Lützeler (Philosophie).33 Die Familie des Orientalisten Paul Kahle stand während der Pogrome in der schon zeitgenössisch sarkastisch sogenannten »Reichskristallnacht« im November 1938 jüdischen Bekannten bei: »Wir waren weder Juden noch parteipolitisch oder religiös verfolgt, sondern eine bürgerliche Familie aus dem deutschen Universitätsmilieu«,34 beschrieb John H. Kahle, ein Sohn Paul Kahles, 1998 die Situation sechzig Jahre zuvor.35 Für den »Westdeutschen Beobachter« war unter anderem die Hilfe beim Aufräumen in einem von einer Jüdin betriebenen und von den Nationalsozialisten verwüsteten Wäscheladen »Verrat am Volke«.36 Paul Kahle wurde entlassen, sein studierender Sohn Wilhelm der Universität verwiesen und die ganze siebenköpfige Familie floh nach London.37 Andere Wissenschaftler emigrierten, bevor sie die Verfolgung erfasste. Wir wissen von entsprechenden Entschlüssen der Mediziner Felix Nussbaum, Nathan Simon, Joseph Löwenstein sowie der Assistentin an der Zahnklinik, Gertrud Harth.38 Andere Assistentinnen emigrierten nach ihrer Entlassung, so Luise Stern, Volontärassistentin an der Zahnklinik.39 Als politisch unzuverlässig galten den Nationalsozialisten auch Freimaurer. Waren sie leitende Beamte, worunter die Professoren gerechnet wurden, durften sie seit 1936 nur mit Zustimmung des »Stellvertreters des Führers« weiterbe32 Vgl. ebd., S. 32. 33 Vgl. ebd. 34 Dass es durchaus legitim ist, auch den Terminus »Reichskristallnacht«, ein »ironisches Wortungetüm« der Berliner Bevölkerung, »das die Lüge der Nazis ebenso enthält wie die decouvrierte Wahrheit«, zu benutzen, zeigt Kropat, Reichskristallnacht, S. 7, der die Formulierungen von Gerlach, Zeugen, S. 99 aufgreift. 35 Kahle, Was hätten Sie getan, S. 7. 36 Anonymus, Das ist Verrat am Volke, Frau Kahle und ihr Sohn halfen der Jüdin Goldstein bei Aufräumungsarbeiten, in: Westdeutscher Beobachter vom 17. 11. 1938, Reproduktion in: Kahle, Was hätten Sie getan, S. 188. 37 Vgl. den detaillierten Bericht in Kahle, Was hätten Sie getan. 38 Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 333f. 39 Vgl. Höpfner, Universität, S. 43f.
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schäftigt werden.40 Die entsprechende »Nachweisung« der Universität Bonn verzeichnet als ehemalige Logenmitglieder zwei Professoren der Medizinischen Fakultät, Otto Grütz und Theodor Nühsmann, den Universitätsoberinspektor Eduard Hartmann, den emeritierten Geographen Alfred Philippson, den Bibliotheksrat Paul Reiche, den Geodäten Paul Samel und den Professor für Landmaschinenkunde Karl Vormfelde.41 Später wurde noch die zeitweilige Logenmitgliedschaft des Zahnmediziners Friedrich Proell bekannt.42 Dass es allein wegen Freimaurerei zu Entlassungen gekommen wäre, ist nicht bekannt. In den Fällen Grütz und Nühsmann ließ Kurator Bachem das Reichserziehungsministerium im März 1937 wissen, beide nähmen zwar »Institutsdirektorenstellen« ein, hätten »aber nicht das Recht der endgültigen Entscheidung« bei der Besetzung von Stellen.43 Offenbar gab man sich in Berlin mit dieser Erklärung zufrieden. Von Verfolgung betroffen waren auch emeritierte Professoren wie der Geograph Alfred Philippson (1864–1953), Sohn des Bonner Rabbiners Ludwig Philippson und ausgewiesener Griechenlandexperte. Im Alter von fast 75 Jahren entging er der Inhaftierung am 10. November 1938, weil ihm die Familie Kahle Schutz in ihrem Haus gewährte.44 Kurz zuvor hatte man ihm bereits den Reisepass entzogen.45 Drei Jahre später beschlagnahmte die Gestapo das seit 1863 im Familienbesitz befindliche Haus in der Königstrasse 1. Philippson wurde mit seiner Frau und seiner Tochter Dora in ein »Judenhaus« in der Gluckstrasse 12 zwangseingewiesen. Mitte Juni 1942 wurden die Philippsons über das Internierungslager der Gestapo im Klostergebäude in Bonn-Endenich und das Messelager Köln-Deutz im Güterzug nach Theresienstadt deportiert. Bis September 1942 wurden sie dort unter katastrophalen Zuständen im Massenquartier gefangen gehalten.46 Dann erhielt Alfred Philippson einen »Prominentenstatus«, der neben einer besseren Unterbringung vor allem bedeutete, zumindest vorläufig nicht in ein Vernichtungslager deportiert zu werden.47 In dieser Situation verfasste Philippson seine Lebenserinnerungen, deren fast 1000seitiges Manuskript er im Juli 1945 mit in seine Heimatstadt brachte.48 Bei den wiederholten Überprüfungen versuchten einige Universitätsange40 41 42 43 44 45 46 47 48
UAB, Kuratorium, H 1, Bd. 8, Erlass des REM Z II a 3156/36, 18. 2. 1937. UAB, Kuratorium, H 1, Bd. 8, Nachweisung, 23. 9. 1935. UAB, Kuratorium, H 1, Bd. 8, Kurator Bachem an REM, 9. 3. 1937, Entwurf. UAB, Kuratorium, H 1, Bd. 8, Kurator Bachem an REM, 9. 3. 1937, Entwurf. Hierbei handelte es sich um die Familie seines Kollegen des Orientalisten Prof. Dr. Paul Kahle. Siehe Kahle, Was hätten Sie getan, S. 17 sowie Mehmel, Philippson, S. 28. Verordnung des Reichsinnenministeriums über Reisepässe von Juden vom 05. 10. 1938. Walk, Sonderrecht, S. 244. Vgl. Dora Philippson in: Kuhn, Frauenleben, S. 301–321. Vgl. Böhm/Mehmel, Philippson; Mehmel, Philippson, S. 32f.; Mehmel, Bürger, S. 187f. Böhm/Mehmel, Philippson.
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hörige offenbar, Fragen zur »Rassenzugehörigkeit« unbeantwortet zu lassen, um das von den Nationalsozialisten angelegte Erfassungssystem zu sabotieren. Es ist jedenfalls auffällig, dass gerade der Internist Paul Martini (1889–1964) und der Anatom Johannes Sobotta (1869–1945) als dem »Dritten Reich« skeptisch oder ablehnend gegenüber stehende Ordinarien im August 1933 nachdrücklich aufgefordert wurden, die entsprechenden Fragen korrekt zu beantworten. Auch von dem Privatdozenten an der Zahnklinik Karl Schmidhuber wurde »eine ausdrückliche Versicherung über seine Abstammung« eingefordert.49
Die Universitätsleitung Der Konjunkturritter: Friedrich Pietrusky Ab Herbst 1933 wurden nach dem »Führerprinzip« Rektoren, Prorektoren, Dekane und die Leiter von Dozenten- und Studentenschaft von Wissenschaftsminister Bernhard Rust bestimmt.50 Die Rechte des Senats gingen auf den Rektor über, der »den Senat u.s.w. als beratende Körperschaft« einberufen konnte, »wenn es ihm im Interesse der Universität geboten« erschien.51 Der Rektor hatte zudem das Recht, auf der Basis eines Dreiervorschlags der Fakultäten die Dekane zu bestimmen. In Bonn geschah dies erstmals am 1. Dezember 1933, als der Rektor, der Gerichtsmediziner Friedrich Pietrusky, den Pathologen Wilhelm Ceelen zum Dekan der Medizinischen Fakultät ernannte.52 Während immerhin ein Vertreter der Dozentenschaft der Engeren Fakultät angehörte, hatte der Dekan mit dem Führer der Studentenschaft lediglich »Einvernehmen« herzu49 UAB, Kuratorium, H 1, Bd. 7, i. A. gez. Achelis/Wissenschaftsministerium an Kurator Bonn, 18. 08. 1933. 50 Weingart/Kroll/Bayertz, Rasse, S. 396. UAB, Kuratorium, E 7, Bd. 7, Wahlprotokoll, 27. 04. 1933, Abschrift; Medizinhistorisches Institut Bonn, Nachlass Paul Martini, 1933-1938, Dekan i. V. Selter an Fakultätsmitglieder, 04. 11. 1933, Kenntnisgabe des Erlasses des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung »Vorläufige Maßnahmen zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung«, 28. 10. 1933, Abschrift (auch in: UAB, Kuratorium, E 7, Bd. 7). Vgl. Kater, Professoren, S. 470, der von einem zweiten »Schock für die Professoren« nach dem Gesetz über die »Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« spricht, und vor allem Seier, Rektor, S. 105-146. Vgl. auch Vogt, Bonn, S. 530. 51 Medizinhistorisches Institut Bonn, Nachlass Paul Martini, 1933-1938, Dekan i. V. Selter an Fakultätsmitglieder, 04. 11. 1933, Kenntnisgabe des Erlasses des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung »Vorläufige Maßnahmen zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung«, 28. 10. 1933, Abschrift (auch in: UAB, Kuratorium, E 7, Bd. 7). 52 Medizinhistorisches Institut Bonn, Nachlass Paul Martini, 1933-1938, Dekan i. V. Selter an Fakultätsmitglieder, 04. 11. 1933, Kenntnisgabe des Erlasses des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung »Vorläufige Maßnahmen zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung«, 28. 10. 1933, Abschrift (auch in: UAB, Kuratorium, E 7, Bd. 7); Universitätsarchiv Bonn, Kuratorium, E 7, Bd. 7, Rektor an Kurator, 01. 12. 1933.
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stellen, soweit die Studenten Interesse zeigten.53 Die Wahl von Rektor Friedrich Pietrusky selbst war am 27. April 1933 noch auf traditionelle Weise durch den Senat erfolgt.54 Neben Pietrusky hatten mit Erich Hoffmann, Erich von Redwitz und Wilhelm Ceelen drei weitere Mediziner kandidiert. Diese drei erhielten jeweils eine Stimme. Pietrusky vertrat sein Fach in Bonn seit 1930 als Nachfolger des renommierten, nach Berlin berufenen Viktor Müller-Heß.55 Das Gerichtsmedizinische Institut an der Theaterstraße kam aufgrund seines Aufgabengebiets schnell und unmittelbar mit dem NS-Schrecken in Berührung. So wurde hier Otto Renois eingeliefert, der am 4. April 1933 von SA oder SS erschossene langjährige KPD-Stadtverordnete.56 In diesem Klima der Gewalt wurde Pietrusky gewählt. Er erhielt im Großen Senat 83 von 111 Stimmen. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Pietrusky noch nicht der NSDAP an und war, höchst ungewöhnlich, bis zum Juli 1937 lediglich Extraordinarius.57 Zu Pietruskys Aufgaben gehörte es nun, die Dekane zu be53 Medizinhistorisches Institut Bonn, Nachlass Paul Martini, 1933-1938, Dekan i. V. Selter an Fakultätsmitglieder, 04. 11. 1933, Kenntnisgabe des Erlasses des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung »Vorläufige Maßnahmen zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung«, 28. 10. 1933, Abschrift (auch in: UAB, Kuratorium, E 7, Bd. 7). 54 UAB, Kuratorium, E 7, Bd. 7, Wahlprotokoll, 27. 04. 1933, Abschrift; Medizinhistorisches Institut Bonn, Nachlass Paul Martini, 1933-1938, Dekan i.V. Selter an Fakultätsmitglieder, 04. 11. 1933, Kenntnisgabe des Erlasses des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung »Vorläufige Maßnahmen zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung«, 28. 10. 1933, Abschrift. 55 Friedrich Pietrusky wurde am 12. Januar 1893 in Zaienze bei Kattowitz geboren. Nach dem Abitur 1913 studierte er, unterbrochen vom Kriegsdienst, in Freiburg und Breslau. 1922 wurde er promoviert und Assistent am Breslauer Institut für gerichtliche Medizin. 1924 legte er das Kreisarztexamen ab, 1925 habilitierte er sich. Im selben Jahr wurde er kommissarischer Leiter des Breslauer Instituts, 1927 Ordinarius in Halle. Zum 1. November 1930 folgte er dem Ruf an das Institut für Gerichtliche und Soziale Medizin in Bonn. 1933/34 und 1935/36 war er dort Rektor. 1942 wechselte er nach Heidelberg, wo er 1945 amtsenthoben und 1954 emeritiert wurde. Pietrusky starb am 23. November 1971. Seit 1933 Parteianwärter, wurde er 1937 NSDAP-Mitglied (Nr. 2103018). 1935 wurde er mit dem Schlageterkreuz für die Teilnahme als Freikorpsmitglied »an den Kämpfen gegen Spartakus« ausgezeichnet (Anonymus, Rücktritt des Rektors der Universität Bonn, in: Kölnische Zeitung vom 02. 09. 1935). Literatur: Herber, Hakenkreuz, S. 150–155; ders., Gerichtsmedizin, S. 339; Madea/Preuss, Rechtsmedizin S. 181–185; Mallach, Geschichte, S. 241f. 56 Es existiert eine im Institut heimlich aufgenommene Photografie des aufgebahrten Leichnams; vgl. Vogt, Bonn, S. 528. 57 Pietrusky wurde mit Erlass vom 24. 11. 1927 (U I Nr. 13087.1) zum persönlichen Ordinarius bei der Universität Halle ernannt. Das bedeutet, er erhielt Titel und Rang eines Ordinarius, aber behielt seine bisherige Planstelle als Extraordinarius, was wesentlich weniger Einkommen bedeutete. Durch Erlass vom 05. 11. 1930 wurde Pietrusky als Nachfolger von Müller-Hess auf den »Lehrstuhl« (sic) für Gerichtsmedizin berufen, und zwar ausdrücklich als Ordinarius. Das aber war vermutlich gar nicht möglich, denn die Bonner Stelle war als Extraordinariat im Stellenplan verzeichnet. Pietrusky wurde dann auch genauso wie in Halle als persönlicher Ordinarius auf einem Extraordinariat geführt. Das Extraordinariat ist dem Namen nach in ein Ordinariat umgewandelt worden »jedoch mit der Maßgabe, dass der
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stimmen. Auch hier gab es aus Sicht der NSDAP Schwierigkeiten. Unter den Ordinarien von Pietruskys Medizinischer Fakultät fand sich zu diesem Zeitpunkt kein NSDAP-Mitglied. Es blieb dem Rektor nichts Anderes übrig, als einen Nicht-Parteigenossen zum Dekan zu bestimmen. Er entschied sich für den Pathologen Wilhelm Ceelen, einen Liberalkonservativen, der in der Weimarer Zeit der DVP Stresemanns nahegestanden hatte. Schon nach einem Jahr trat Ceelen als Dekan zurück, weil er die mit der Gleichschaltungspolitik verbundene Gewalt nicht akzeptieren wollte.58 Auch nach seiner ersten, 1934 endenden Amtszeit prägte Pietrusky die Universität. Für die Dauer von zwei Semestern war er 1935/36 erneut Rektor. In der Zwischenzeit hatte er 1934/35 das Amt des Prorektors inne, das er von 1936 bis 1939 und erneut 1941/42 bekleidete. Pietrusky war ein Opportunist, der sich nach dem 30. Januar um eine Parteimitgliedschaft bemüht und am 4. März 1933 zu den Unterzeichnern einer Zeitungsanzeige »Für Adolf Hitler« gehört hatte.59 In seiner Antrittsrede am 1. Mai 1933 griff er die NS-Phraseologie auf, sprach von dem versagenden Bürgertum, dem internationalen Judentum und dem »Vorbild« Horst Wessel.60 Sollten die Pietrusky wählenden Senatoren in ihm die Personifikation eines goldenen Mittelweges zwischen ideologischer Anpassung und Wahrung universitärer Interessen gesehen haben, so wurden sie bald enttäuscht.61. Hans-Paul Höpfner hat Pietrusky sogar »eine besonders perfide Art von Konjunkturrittertum« zugesprochen.62 Der ins Exil getriebene Orientalist Paul Kahle vertrat die Auffassung, Pietrusky habe versucht, »durch seine Taten zu kompensieren, daß er nicht schon früher ein Nazi gewesen war«.63 Gegen die Vertreibungsaktion Walter Poppelreuters hatte Pietrusky noch energisch Stellung bezogen.64 Sein
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Inhaber dieses Lehrstuhls, Prof. Dr. Pietrusky, planmässiger Extraordinarius bleibt« (Universitätsarchiv Bonn, PA 6991, mschr. Konzept eines Schreibens des Kurators oder Rektors an den Reichserziehungsminister vom 12. 07. 1937; Reinkonzept nicht erhalten). Auf Antrag der Medizinischen Fakultät ist schließlich mit Erlass vom 25. 07. 1937 die Berufung auf ein planmäßiges Ordinariat ausgesprochen worden; vgl. GStA, Rep. 76, Nr. 400, Kurator i. V. Klingelhöfer an REM, 09. 06. 1934; UAB, Kuratorium, E 7, Bd. 7, Wahlprotokoll, 27. 04. 1933, Abschrift. Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 26, S. 93–98. Faksimile in: Höpfner, Universität, nach S. 302. Anonymus, Der Feiertag der deutschen Arbeit an der Universität. Feierlicher Rektoratswechsel, in: Deutsche Reichs-Zeitung vom 02. 05. 1933 (auch in: Becker/Stauf/D.van Rey/ M.van Rey, Machtergreifung, Nr. 159). UAB, MF-PA Pietrusky, Dekan von Redwitz an Rektorat, 15. 04. 1947, Abschrift: »Nach meiner Erinnerung […] wurde Prof. Pietrusky […] nominiert, weil seine Einstellung als eine gemässigt nationalsoz. galt. […] In der Folgezeit richtete sich seine Haltung stärker nach nationalsoz. Richtlinien als offenbar erwartet worden war.« Höpfner, Universität, S. 68. Kahle, Universität, S. 117. UAB, MF-PA Pietrusky, Dekan von Redwitz an Rektorat, 15. 04. 1947, Abschrift.
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Abb. 13: Gemälde Friedrich Pietruskys, Medizin (Maler unbekannt)
späteres Handeln stärkt dagegen Kahles Urteil. So zählte zu Pietruskys Taten noch 1933 das Erstellen einer Liste, die gegen die NSDAP eingestellte Dozenten verzeichnete sowie die Genehmigung eines studentischen Boykottaufrufs, der sich unter anderem gegen den Psychologie lehrenden Privatdozenten Kurt Gottschaldt wandte. Das Verbot der katholischen »Hochschulgruppe Neudeutschland« begründete er damit, dass deren »Bestrebungen […] sich in einer Richtung bewegten, die der neuen Staatsidee direkt entgegengesetzt« seien.65 Wenig später forderte er ausdrücklich dazu auf, »im Examen entsprechende Rücksichten« auf Studierende zu nehmen, »die schon vor Mitte 1932 der nationalsozialistischen Bewegung angehört und für sie gekämpft« hätten.66 65 UAB, Kuratorium, F2, Rektor an Kurator, 21. 12. 1933. 66 UAB, MF 79/122, Rektor Pietrusky an MF, 10. 02. 1934.
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Pietrusky richtete nationalsozialistische Schulungskurse ein, in denen prominente Parteigrößen die Standpunkte der NSDAP propagierten. In diesem Rahmen sprachen unter anderem NS-Gauleiter Josef Groh8, der spätere Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, und der Präsident des Reichsgesundheitsamtes Hans Reiter.67 Unter Pietruskys Ägide wurde zudem von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität eine Büste Hitlers finanziert, die ihren Platz in der »Halle der Schwarzen Bretter« fand.68 Pietruskys Wirken ist freilich im Zusammenhang mit heftigen Attacken aus Parteikreisen zu sehen, die in Bonn – nicht zu Unrecht – starke, gegen den Nationalsozialismus gerichtete katholische Residuen vermuteten. Als am 30. April 1934 in »Ziel und Weg«, der Zeitschrift des nationalsozialistischen Ärztebundes, ein Artikel des Münchner Dermatologieprofessors Franz Wirz erschien, in dem auf diffuse Weise die namentlich nicht genannte Universität Bonn reaktionären Geistes beschuldigt wurde, richtete Pietrusky ein klärendes Schreiben an das Ministerium: »1.) Es wird behauptet: ›An einer solchen Universität mußte ein Ordinarius wegen politischer Vergehen beurlaubt werden. [(]Ein Fachblatt meldete allerdings schamhaft, dass er sich beurlauben liesse um sich mehr der Forschung widmen zu können)‹. Hier könnte Professor Hoffmann gemeint sein. Ich verweise auf den dortigen Bericht vom 15. 2. 1934 – U I 155/35 – nach dem Professor Hoffmann der von ihm gewünschte Urlaub bewilligt worden ist, er also nicht zwangsbeurlaubt wurde.«69
Zu dem Vorwurf, am ersten Jahrestag der Machtübertragung an Hitler sei »nur eine Fahne in den Landesfarben zu sehen« gewesen und der studentischen SA sei mit der Polizei gedroht worden, als sie »die Fahnen des Kampfes und des Sieges zu hissen« versucht habe, erklärte Pietrusky : »Am 30. 1. 1934 wurde der Führer der Studentenschaft bei mir vorstellig und bat, die Hakenkreuzfahne auf das Dach der Universität hissen zu lassen. Da hier nur ein Flaggenmast vorhanden ist, war entsprechend der Verordnung des Herrn Preussischen Ministerpräsidenten so geflaggt worden, dass an diesem Mast die Landesfahne, an der Vorderfront des Gebäudes die Hakenkreuz- und die schwarz-weiss-rote Fahne gezeigt wurden. Ausdrücklich betonen möchte ich, dass diese beiden Fahnen etwa 5 m lang und etwa 2 m breit sind, ganz breit herabhingen und wenigstens ebenso deutlich sichtbar waren, wie die Fahne auf dem Dache. Ich wies den Führer der Studentenschaft auf den Erlass hin […]. Er erkannte das an. […] Die studentische S.A. ist nicht aufmarschiert, vielmehr kam nur der Führer der Studentenschaft zu mir. Eine Drohung
67 Vgl. Pietrusky, Einleitung, S. 4; Höpfner, Universität, S. 69, Anm. 4; Anonymus, Schulungskurse der Universität in Bonn eröffnet, in: Völkischer Beobachter vom 13. 05. 1934. 68 Vgl. Pietrusky, Einleitung, S. 7. 69 GStA, Rep. 76 V a 3 IV 39 XVI, Pietrusky an REM, 30. 04. 1934.
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mit der Polizei ist nicht erfolgt, vielmehr hat sich das Gespräch in durchaus kameradschaftlicher Form abgewickelt.«70
Schließlich stellte Pietrusky klar, dass er – anders als die Philosophische Fakultät – gegen die Berufung des Wiener Vor- und Frühgeschichtlers Oswald Menghin eingetreten sei, weil er von dessen nationalsozialistischer »Einstellung nicht überzeugt« gewesen sei.71 In Wirz’ Artikel war der sachlich richtige Vorwurf erhoben worden, »ein christlich sozialer Mann« sei an die erste Stelle der Berufungsliste gesetzt worden.72 Pietrusky hielt es für angemessen, als Rektor Angriffe aus den Reihen der NSDAP abzuwehren, indem er die Bonner Universität als nationalsozialistisch zeichnete und selbst eine nationalsozialistische Universitätspolitik betrieb. Angesichts dieser Rektoratspolitik glaubte der NSGegner Paul Martini nach dem Kriege nicht an »eine eigentliche Bösartigkeit« Pietruskys: »Er hatte wohl nur äusserlich das Zeug zum Regieren, seine Basis aber war schmal und brüchig.«73 Für diese Einschätzung spricht, dass sich manche Schritte des Rektors, etwa die Attacke gegen Gottschaldt, auch im nationalsozialistischen Sinne als übereilt und revisionsbedürftig erwiesen. Trotz dieser berechtigten Relativierungen ist unverkennbar, dass Pietruskys Wirken massiv in das Leben anderer eingriff und Leid verursachte. Sogar seine Institutsangehörigen waren vor Aktionen nicht sicher. Dem Assistenten Josef Gierlich ließ Pietrusky mitteilen, dass er, Gierlich, wegen seiner »Zugehörigkeit zu einer katholischen Studentenverbindung […] unerwünscht« sei.74 Gierlich 70 GStA, Rep. 76 Va 3 IV 39 XVI, Pietrusky an REM, 30. 04. 1934. Fahnenstreitigkeiten waren zu Beginn der NS-Herrschaft keine Seltenheit. Vgl. als weiteres Beispiel zum Streit um die Beflaggung der Godesburg Zander, Godesberger Kommunalpolitik, S. 69–72. 71 GStA, Rep. 76 V a 3 IV 39 XVI, Pietrusky an REM, 30. 04. 1934. Vgl. Höpfner, Universität, S. 443f. 72 GStA, Rep. 76 V a 3 IV 39 XVI, Pietrusky an REM, 30. 04. 1934. 73 MHI Bonn, NL Martini, lose Stücke, Martini an Büchner/Freiburg, 05. 07. 1952, Durchschrift. 74 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1053/52, Erklärung Gierlichs, o. D. [03. 08. 1946]. Josef Heinrich August Gierlich wurde am 15. August 1906 geboren. Der Katholik studierte von 1926 bis 1932 in Bonn, Köln, Freiburg und Innsbruck. Die Doktorprüfung legte er am 28. Juni 1933 ab. 1933/34 war er Medizinalpraktikant im Bonner Pathologischen Institut, dann in der Bonner Medizinischen Klinik. Am 16. August 1933 wechselte er an das Pathologische Institut Nürnberg, wo er am 16. Januar 1934 zum Assistenten aufstieg. Nach Bonn zurückgekehrt, bekleidete er dort vom 1. Januar 1935 bis zum 1. Juni 1936 eine Stelle als außerplanmäßiger Assistent im Gerichtsmedizinischen Institut. Anschließend wechselte er als Assistenzarzt unter Wilhelm Geller an die Bonner Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt, wo er am 1. Juni 1938 Anstaltsarzt und am 1. Juni 1940 Provinzialmedizinalrat wurde. Von 1937 bis 1939 diente Gierlich auch in der Wehrmacht, zuletzt als Unterarzt; er wurde am 21. Oktober 1939 ausgemustert. Er gehörte der katholischen Studentenverbindung Ripuaria Bonn (seit 1926) an, der NSDAP (ab 01. 05. 1933, Nr. 2325622), dem NSKK (ab 11. 07. 1933, Sanitätssturmführer), dem Reichsbund der deutschen Beamten (ab 1939), der NSV (ab 1934), der NSKOV (ab 1942), dem Reichskolonialbund (ab 1939) und dem Reichsluftschutzbund. 1945/46 musste sich Gierlich des Vorwurfs erwehren, in der von dem ehemaligen Anstaltsinsassen Peter Breuer
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verließ daraufhin das Gerichtsmedizinische Institut und wurde Arzt in der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt. Pietrusky hat sich aktiv an den NS-Zwangssterilisierungen gemäß dem »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« vom 14. Juli 1933 beteiligt. Er war Beisitzer des Erbgesundheitsobergerichts Köln und hat unter anderem 1941 die Sterilisierung eines in der Bonner Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt untergebrachten Medizinstudenten befürwortet, obwohl der Vater des Betroffenen gegen die vorinstanzliche Entscheidung des Erbgesundheitsgerichts Bonn für eine Sterilisierung Einspruch erhoben hatte.75
Episoden: Hans Naumann und Karl Theodor Kipp Bevor der Ophthalmologe Karl Schmidt die Vorkriegsjahre der Universität als Rektor prägen sollte, standen mit Hans Naumann ein Germanist und mit Karl Theodor Kipp ein Jurist der Universität nur jeweils einige Monate vor. Beide Rektorate blieben Episode. Nur im Wintersemester 1934/35, von September bis April, amtierte Naumann als Rektor der Universität. Als Germanist war er nicht unbekannt, als Nationalsozialist hatte er sich bei der Bücherverbrennung im Mai 1933 hervorgetan und leitete seit Ende 1933 NS-Schulungskurse für Universitätsangehörige. 1934 veröffentlichte er das Buch »Germanischer Schicksalsglaube«, in dem er nicht zuletzt »die Macht der Führerpersönlichkeit nach der irrationalen […] Seite« hin beschwor.76 Er galt als »großer Idealist« (Paul Kahle), der sich vom Nationalsozialismus eine durchgreifende Rückbesinnung auf Werte der Kaiserzeit erhoffte.77 Entsprechend irritiert war er von dem kompromisslosen Vorgehen der Nationalsozialisten gegen Karl Barth. Hier folgte er nur zögerlich den Anwei»KZ Bonn-Nord« genannten Provinzialanstalt unbotmäßige Patienten mit »Einpackungen« und Elektroschocks ohne therapeutischen Sinn gequält zu haben. Schließlich wurde nicht Gierlich, sondern der Ankläger Breuer verurteilt. In: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1053/52 finden sich zahlreiche Dokumente zu diesem Vorwurf, die im Entnazifizierungsverfahren wie vor Gericht verhandelt wurden. Sie lassen die Deutung zu, dass Gierlich gerne die Patienten »stramm stehen« ließ und auf den Hitlergruß Wert legte. Auch ist zumindest ein Fall dokumentiert, der den Verdacht auf Misshandlung nahelegt. Andererseits scheint Gierlich Juden behandelt und privat unterrichtet sowie Angehörige von durch die NS-»Euthanasie« bedrohten Patienten gewarnt zu haben. Gierlich wurde 1948 im Entnazifizierungsverfahren nach Berufung in die Kategorie V der Entlasteten eingestuft. Vgl. LAV NRW, Abt. Rheinland, 1037/BIII Nr. 5025; ebd., NW 1053/52. 75 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1053–52, Beschluss des Erbgesundheitsgerichts Bonn Kloninger/Spickernagel/Peipers, 19. 09. 1941 gegen Kurt W.; ebd., Beschluss des Erbgesundheitsobergerichts Köln Rennen/Dietrich/Pietrusky, 01. 12. 1941. 76 Naumann, Schicksalsglaube, S. 94. 77 Kahle, Universität, S. 103.
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sungen und erwies sich nicht als der geeignete Führer der Universität.78 Die NSVerantwortlichen akzeptierten seine Wiederwahl »mit der überwältigenden Mehrheit der Lehrkörperstimmen« nicht und setzten mit Unterstützung des Bonner Dozentenführers zum 1. Mai 1935 als seinen Nachfolger Karl Theodor Kipp ein.79 Dies war ein unfreundlicher Akt gegen Naumann, aber kein Schritt zu einem harten Konfrontationskurs. Denn mit Kipp gelangte ein Nichtparteigenosse an die Spitze der Universität, der sich in dieses Amt nicht gedrängt hatte.80 Bei der weiteren »Säuberung« der Evangelisch-Theologischen Fakultät zeigte er wenig Elan. Dies reizte die Nationalsozialisten so sehr, dass sie die Kundenliste einer Metzgerei nutzten, um Kipp öffentlich zu denunzieren. Der als Jude verfolgte Metzgermeister Leo Grüneberg war wegen »Devisenschiebungen« verhaftet worden, die Familien zahlreicher Bonner Honoratioren waren seine Kunden. Der »Westdeutsche Beobachter« begann, die Kundenliste zu veröffentlichen. In den ersten beiden Folgen der Artikelserie tauchten neben Kipp unter anderem die Namen des Dekans der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Hans Dölle, des Pharmazeuten Georg Frerichs und des Mediziners Karl Bohland auf.81 Für Kipp bedeuteten die Fleischeinkäufe das Ende seines Rektorats. Er erstattete dem Reichserziehungsministerium Bericht und ließ sich vom Ministerialbeamten Franz Bach8r telefonisch befragen. Kipp war nicht bereit, die Schuld auf seine den Haushalt führende Frau als politisches »Dummchen« abzuschieben.82 Am 30. August 1935 sah sich Kipp zum Rücktritt gezwungen. Als sein Stellvertreter und Prorektor gelangte nun erneut Friedrich Pietrusky an die Spitze der Universität. Dieser nutzte das Amt, um den ihm verhassten, von Bonn nach Berlin gewechselten Kollegen Victor Müller-Heß zu schikanieren. Einer Tagung, an der dieser teilnehmen wollte, verweigerte er Räume der Universität, behauptete eine gegen Müller-Heß gerichtete Stimmung und erinnerte an Finanzmanipulationen aus den 1920er Jahren, als Müller-Heß Leiter der akademischen Krankenkasse in Bonn war.83 Dieses Vorgehen befremdete so sehr, dass das Reichserziehungsministerium in Übereinstimmung mit dem Kuratorium der Universität Pietruskys baldige Ablösung betrieb. Am 11. November 1936 wurde er als Rektor von seinen Aufgaben entbunden, blieb aber weiterhin Prorektor.84 78 Vgl. Höpfner, Universität, S. 70f. 79 UAB, PA PF Naumann, Aufzeichnung Naumanns, 25. 08. 1945; auch zit. in: Heiber, Universität, Teil 2, Bd. 1, S. 644; vgl. Höpfner, Universität, S. 71. 80 Vgl. Heiber, Universität, Teil 2, Bd. 1, S. 540f. 81 Vgl. ebd., S. 541. 82 Ebd., S. 542. 83 Vgl. Heiber, Universität, Teil 2, Bd. 2, S. 637f. und Höpfner, Universität, S. 72f. 84 Vgl. Höpfner, Universität, S. 73.
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Der nationalsozialistische Multifunktionär: Karl Schmidt Der 1899 in Oberhausen geborene Ophthalmologe Karl Schmidt erlebte 1935/36 einen ungewöhnlichen Aufstieg vom Oberassistenten zum Rektor.85 In der Augenklinik wurde 1935 der langjährige Direktor Paul Römer aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig emeritiert. Römer setzte sich erfolgreich für seinen Mitarbeiter Schmidt ein.86 Schmidt war noch Soldat im Ersten Weltkrieg gewesen und 85 Karl Schmidt, evangelisch, wurde am 25. Oktober 1899 in Oberhausen geboren. Dort besuchte er das Realgymnasium und bestand im Juni 1917 die Notreifeprüfung. 1919 nahm er das Studium der Medizin in Erlangen auf, wo er im Sommer 1920 die ärztliche Vorprüfung bestand. Er wechselte nach Rostock, dann nach Bonn. Dort bestand er im April 1923 das Staatsexamen und wurde am 3. Mai 1924 promoviert. Als Medizinalpraktikant blieb er in Bonn. Nach vier Monaten in der Medizinischen Universitätsklinik kam er an die Augenklinik, wo er sich am 18. Dezember 1928 habilitierte, daraufhin Oberassistent und schließlich am 1. Oktober 1935 Direktor wurde, zunächst noch als außerordentlicher, ab 1937 als ordentlicher Professor (abweichende Angaben in LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948: Januar 1935 ao. Prof., 01. 10. 1935 o. Prof.). Zuvor unterbrach er seine Tätigkeit lediglich für einen sechswöchigen Forschungsaufenthalt an der Augenklinik Budapest und achtwöchige Forschungen am Chemischen Institut Königsberg. Als Vorsitzender des in die Dozentenschaft überführten Deutschen Akademischen Assistentenverbandes wurde Schmidt Dozentenschaftsleiter (bis 1936) und von 1936 bis 1939 Rektor. 1940 wechselte er als Gründungsrektor nach Straßburg. Schmidt starb am 20. Juli 1980. Verheiratet war Schmidt seit dem 14. März 1931 mit der am 23. April geborenen Ingeborg Janson. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, darunter Ursula (geb. 16. 01. 1932), Hans-Peter (geb. 24. 02. 1933), Liselotte (geb. 22. 08. 1934), Barbara (geb. 25. 10. 1937) und Ingeborg (geb. 28. 01. 1941). Im Juni 1917 trat Schmidt in das Pionier-Bataillon 24 in Köln-Riehl ein; noch im selben Jahr rückte er ins Feld. Im April wurde er leicht verwundet (Steckschuss rechter Unterschenkel). Am 6. Januar 1919 wurde er als Unteroffizier entlassen. Wenig später, im März 1919, unterbrach er sein gerade aufgenommenes Studium für zehn Wochen, um als Angehöriger des Freikorps Epp »an der Entsetzung Münchens« (so Schmidt in einem undatierten Lebenslauf, wohl 1935/36), also der blutigen Niederwerfung der Räterepublik in München, teilzunehmen. Nach dem Kapp-Putsch 1920 war er sechs Wochen Zeitfreiwilliger bei der Reichswehr und an Kämpfen am Niederrhein beteiligt, ebenso 1921, nun als Mitglied der Rostocker Studentenkompagnie, in Oberschlesien. Schmidt wurde ausgezeichnet mit EK II, KVK und dem Ehrenzeichen I des DRK. Er war seit 1917 Mitglied der Deutschen Burschenschaft Bubendeuthia. 1922 wurde er in Bonn stellvertretender Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses und Vorsitzender der Klinikerschaft und 1927 Vorsitzender der Ortsgruppe Bonn des Deutschen Akademischen Assistentenverbandes. 1930 schloss sich die Wahl in die Ärztekammer der Rheinprovinz an. Am 1. Mai 1933 trat er der NSDAP bei (Nr. 3244124, Ortsgruppe Bonn-Süd). Von 1934 bis 1936 war Schmidt Kreisamtsleiter des NSD-Ärztebundes, dessen Mitglied er seit 1933 war. Anfang 1934 trat er in die SA ein (Einheit 5/160 Bonn), die ihn am 30. Januar 1938 zum Hauptsturmführer, als Straßburger Rektor 1942 zum Standartenführer beförderte. Schmidt war zudem Mitglied der Reichsdozentenschaft (1932-1945), als deren Leiter er bis zur Übernahme des Rektorenamts fungierte, des NSDozentenbundes (1935-1945), der NSV (1934-1945), der Deutschen Jägerschaft, des DRK und des RLB. Er nahm an den Reichsparteitagen 1937 und 1938 teil. Quellen: UAB, MF-PA Schmidt; BA Berlin, BDC-Dossier Schmidt; LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699. 86 Zit. nach ebd., S. 318f. (UAB, MF 3106, Römer an Dekan, 08. 05. 1935).
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hatte sein Studium immer wieder unterbrochen, um sich in Freikorps oder auch regulären Reichswehreinheiten einsetzen zu lassen. Man fand ihn im Kampf gegen die Münchner Räterepublik, gegen die polnischen Verbände in Oberschlesien und nach dem Kapp-Putsch auf Seiten der Reichswehr in den Gefechten am Niederrhein.87 Die Fakultät erhob gegen diesen Mann, der ganz nach Römers Herzen war, keinerlei Einspruch, obwohl eine Hausberufung äußerst ungewöhnlich war. Auch im Ministerium hatte man gegen Römers Vorschlag keinerlei Einwände. Dass der Ruf an ihn ergehen würde, schien klar, noch bevor die offizielle Vorschlagsliste Bonn verlassen hatte.88 Auf dieser fanden sich der Rostocker Ordinarius Wilhelm Comberg und sein Kollege Wilhelm Clausen aus Halle primo et aequo loco. Da man von beiden wusste, dass sie kaum Lust auf einen Wechsel verspürten, war Schmidt der tatsächliche Favorit.89 Er wurde auf Platz zwei der Vorschlagsliste gesetzt, gemeinsam mit Oswald Marchesani (München).90 Zum 1. Oktober 1935 wurde Schmidt außerordentlicher Professor und Klinikleiter, erst 1937 Ordinarius. Schon 1936 übernahm er das Amt des Rektors. Ein entsprechender Vorschlag hatte das Ministerium aus Bonn bereits im Februar 1935 erreicht, nachdem »zahlreichen Angehörigen des Lehrkörpers […] in einem eigentümlichen Verfahren zum letzten Mal Gelegenheit gegeben worden war, zwar nicht den Rektor zu wählen, aber ihre Meinung über geeignete Personen zu äußern«.91 Schmidt galt offenbar als Kandidat der »dem Nationalsozialismus ablehnend« gegenüberstehenden Professoren, die in ihm als »Führer der Dozentenschaft« einen nicht allzu gefährlichen Fanatiker wahrgenommen hatten – zumal er bei der im Juli 1935 erfolgten Gründung des NS-Dozentenbundes, der häufig mit der Dozentenschaft in Personalunion geführt wurde, wegen einer schlechten Aktennotiz übergangen worden war.92 Im September 1935 wurde der Physiker Leonard Grebe zunächst kommissarisch der erste Bonner Führer des NS-Dozentenbundes.93 Durchaus mit Schmidt harmonie-
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UAB, MF-PA Bonn, Lebenslauf Schmidt, o. D. (wohl 1935/36). UAB, MF 3106/2, Jansen/REM an Dekan Stöhr, 30. 07. 1935; vgl. Höpfner, Universität, S. 319. UAB. MF 3106/2, Römer an Dekan Stöhr, 08. 05. 1935. UAB, MF 3106/2, Dekan Stöhr an REM durch Rektor und Kurator, 30. 07. 1935, Abschrift. Hübinger, Thomas Mann, S. 206. LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948: »Ich hatte aber damals, wie mir vertraulich mitgeteilt wurde, von Seiten der Partei eine ›schlechte Aktennotiz‹.« Als Informanten benannte Schmidt in dieser Angelegenheit den Stellvertretenden Reichsdozentenführer und SS-Sturmbannführer Gustav Borger, außerordentlicher Professor für Pathologische Anatomie an der Universität München. Vgl. Höpfner, Universität, S. 74, S. 105. 93 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1054–570. Vgl. Höpfner, Universität, S. 105f.; Chudoba, Entwicklung, S. 3.
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rend, übernahm Grebe nach dessen Bestimmung zum Rektor im November 1936 auch die Leitung der Dozentenschaft.94 Damit handelte man »nach einem Übereinkommen zwischen dem Reichserziehungsministerium und der Reichsamtsleitung des NSD-Dozentenbundes«, das »dem Grundsatz der Einheit von Partei und Staat auf dem Gebiete der Hochschule in der einheitlichen Führung der Ämter des örtlichen Dozentenbundführers und des Dozentenschaftsleiters« folgte.95 Schon 1937 schied Grebe aus dem Amt, weil ihn die Parteioberen für zu tolerant hielten.96 Schmidt behauptete sich gegen den abgesetzten Juristen Karl Theodor Kipp und den nicht einmal ein Jahr in Bonn weilenden, aber der SS und dem SD angehörenden Germanisten Karl Justus Obenauer, der für sich selbst eine Übernahme des Rektorenamtes als unangemessen ansah.97 So wurde Schmidt in der Hoffnung zum Rektor ernannt, dass nach den Querelen um Kipp, dessen nicht linientreuem Vorgänger Hans Naumann und dem intriganten, eigenmächtig agierenden Gerichtsmediziner Friedrich Pietrusky ein besonnener Kopf die Führung der Universität übernehmen würde.98 Vor diesem dunklen Hintergrund sind die eher wohlwollenden Urteile über das Wirken Schmidts als Rektor zu verstehen, wenn damit auch nach den Worten Paul Egon Hübingers »selbstverständlich nicht gesagt sein« soll, »daß Schmidt zu den inneren Gegnern des nationalsozialistischen Regimes gehört hat. […] Er hat die Anordnungen der Regierung zuverlässig ausgeführt und dies wohl auch in der Regel ohne innerliches Widerstreben, vermutlich sogar im Gefühl weitgehender Übereinstimmung mit den meisten Erlassen und den hinter ihnen steckenden politischen Absichten getan. Aber er war kein gläubiger Adept, geschweige denn ein Apostel der nationalsozialistischen Ideologie. Fragen der Weltanschauung ließen ihn kühl. Als Rektor hat er Konflikte mit der nationalsozialistischen Studentenschaft und dem örtlichen Standartenführer der SA, der zugleich Polizeichef von Bonn war, nicht gescheut, um das wissenschaftliche Studium und die Hochschulgerechtsame gegen radikale Kräfte und äußere Eingriffe zu verteidigen.«99
Dieses abgewogene Urteil behält seine Gültigkeit, wenn man sich den Details von Schmidts Wirken zuwendet. Es sind mehrere Fälle bezeugt, in denen er die antijüdische Politik der Nationalsozialisten unterlief. Der verfolgte Historiker Wilhelm Levison bestätigte gegenüber Paul Egon Hübinger, dass Schmidt noch 94 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. Vgl. Höpfner, Universität, S. 105. 95 Chudoba, Entwicklung, S. 3. 96 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1054–570. Vgl. Höpfner, Universität, S. 105f. 97 Vgl. ausführlich Hübinger, Thomas Mann, S. 205f., S. 219. 98 Vgl. Hübinger, Thomas Mann, S. 204f.; Vogt, Bonn, S. 549. Zum Fall Barth vgl. Prolingheuer, Barth, sowie Dembowski, Fakultät, S. 335-361. 99 Hübinger, Thomas Mann, S. 206f.
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»Mitte der dreißiger Jahre in seiner Klinik jüdische Patienten mit größter Humanität behandelt« habe.100 Entgegen dem allgemeinen Verbot habe Schmidt als Direktor der Augenklinik angeordnet, dass »Juden auch weiterhin genauso wie jeder andere Kranke zu behandeln seien«.101 Als Schmidts Assistent Herbert Bolsinger eine Jüdin heiraten wollte, habe ihm der Klinikdirektor, so berichtete der Vater der Braut nach dem Krieg, »keine Schwierigkeiten in den Weg« gelegt und beabsichtigt, »Bolsinger nach seiner Heirat aus privaten Mitteln anzustellen, da ja eine Anstellung durch die Univ.-Klinik nach einer solchen Heirat nicht mehr möglich war«.102 Schmidt wollte angeblich auf diese Weise Bolsingers »Fachausbildung als Augenarzt sichern«.103 Als im Frühjahr 1938 ein verzweifelter jüdischer Arzt den Bonner Universitätsinspektor Friedrich Franzmann zu bestechen versuchte, um verschiedene für seine beabsichtigte Auswanderung erforderliche Studienbescheinigungen zu erhalten, verhinderte Rektor Schmidt eine dienstliche Verfolgung der Angelegenheit.104 Schmidt selbst berichtete nach dem Krieg, er habe einen Türken, der »höchstwahrscheinlich Jude war«, vor einer von SA-Standartenführer und Stadtpolizeidirektor Reinartz verfügten Ausweisung durch Einspruch beim Reichsinnenminister bewahrt.105 Eine Folge dieses auch andernorts aktenkundig gewordenen Falls ist die Trübung seiner Beziehungen zu den örtlichen Partei- und Amtsstellen gewesen.106 Zu deren Aufhellung trug auch nicht Schmidts erfolgreiche Drohung vom Sommer 1939 bei, die Universität zu schließen, um die Freilassung dreier von der Gestapo verhafteter Studenten zu erreichen.107 Nach dem Ende der NS-Zeit nahm Schmidt für sich in Anspruch, die Freiheit der Wissenschaft verteidigt zu haben: »Bei meiner ganzen Hochschulpolitik bin 100 Ebd., S. 207. So auch Schmidt selbst nach dem Krieg: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. Er gibt als Zeugin Schwester Hedwig Grembke an. 101 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Erklärung Carl Pollack, 27. 02. 1948, Abschrift. 102 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Erklärung Carl Pollack, 27. 02. 1948, Abschrift. 103 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Erklärung Carl Pollack, 27. 02. 1948, Abschrift. 104 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Eidesstattliche Erklärung Franzmanns, 08. 03. 1948, Abschrift: »Professor Schmidt bat mich in Gegenwart von Dr. Levy, von einer weiteren Verfolgung dieser Angelegenheit und auch von einer dienstlichen Meldung an ihn, den Rektor der Universität, abzusehen. Ich habe dieser Bitte meines damaligen Chefs gerne entsprochen.« Siehe auch ebd., Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. 105 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948 106 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. Vgl. Hübinger, Thomas Mann, S. 207; Höroldt, Stadt, S. 129f. 107 So jedenfalls Schmidt 1948 unter Nennung des SS- und Polizeiführers Nockemann als Zeugen. LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948.
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ich davon ausgegangen, dass die Universität eine im Geistigen völlig liberale Gelehrtenrepublik sein muss und dass, wenn irgendwo, dann an der Universität Zwang und Befehl zur völligen Zerstörung der Grundlagen echter Wissenschaft führen müssen.«108 Als Beleg für seine auch öffentlich verfochtene Haltung führte er an, während einer der sogenannten »Reichsgründungsfeiern« am 30. Januar »ausdrücklich und klar betont« zu haben, »dass die Universität und die Wissenschaft vom parteipolitischen Geschehen und von der Politik des Tages freigehalten werden müsse.«109 Immerhin hat Schmidt den Konflikt nicht gescheut, wenn die außeruniversitären Belastungen der Studierenden, etwa durch Ernteeinsätze, die Qualität des Studiums allzu sehr beeinträchtigten.110 Als weiteren Beweis für seine Gesinnung führte Schmidt nicht ganz zu Unrecht an, die von der Schließung bedrohten Theologischen Fakultäten nicht behindert, sondern »im Gegenteil dafür Sorge getragen« zu haben, »dass die freiwerdenden Ordinariate wieder besetzt wurden«.111 Tatsächlich würdigte Schmidt im Dezember 1938 eine von der Katholisch-Theologischen Fakultät eingereichte Vorschlagsliste und befürwortete den Ruf von Gottlieb Söhngen, dem neben Josef Koch primo et aequo loco auf der Liste der Fakultät genannten Kandidaten.112 Während Schmidts Amtszeit kam es allerdings zu einer Verkleinerung der KatholischTheologischen Fakultät. Angesichts innerfakultärer Unstimmigkeiten und an höchsten Berliner und Münchner Stellen getroffenen Entscheidungen ist Schmidts Einfluss hier jedoch als eher gering zu veranschlagen.113 Als Beweis dafür, dass er keine konfessionellen Vorbehalte erkennen ließ, erwähnte Schmidt 1948 die Beantragung des Adlerschildes des Deutschen Reiches für den Historiker Aloys Schulte anlässlich dessen 80. Geburtstages am 2. August 1937.114 Er tat dies, obwohl Schulte Inhaber eines konkordatsgebundenen Lehrstuhls war.115 Im November 1939 legte Schmidt das Rektorenamt entgegen dem Wunsch des Reichserziehungsministeriums nieder, weil er sich, so jedenfalls seine Begründung 1948, »auf die Dauer gegen den Widerstand der örtlichen Parteidienststellen kaum hätte durchsetzen können und weil eine Schädigung der Universität 108 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. 109 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. 110 Vgl. Hübinger, Thomas Mann, S. 207. 111 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. Als Zeugen benennt Schmidt den katholischen Studentenpfarrer Monsignore Toselli. 112 Vgl. Höpfner, Universität, S. 200f. 113 Vgl. zur »›Austrocknung‹ der Fakultät« ausführlich ebd., S. 194–201. 114 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. 115 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948.
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[…] bei dem gespannten Verhältnis zwischen der Stadt Bonn« und ihm »unausbleiblich war«.116 Ein Jahr später, im Oktober 1940, konkretisierten sich auf Anregung des Heidelberger Internisten, Klinikdirektors, Rassentheoretikers und Prorektors Johannes Stein Schmidts Überlegungen, nach Straßburg zu wechseln. Der Reichsstatthalter im Elsass, Robert Wagner, fand während einer Unterredung offenkundig Gefallen an der Idee, trotz parteiamtlicher Widerstände Schmidt als Rektor der neu gegründeten Universität Straßburg durchzusetzen.117 Am 24. Dezember 1940 erhielt Schmidt durch Ministerialverfügung seine Ernennung zum zunächst kommissarischen Rektor der Universität Straßburg sowie zum kommissarischen Leiter der dortigen Universitäts-Augenklinik.118 Am 23. November 1941 wurde die Reichsuniversität Straßburg eröffnet. Karl Schmidt war Nationalsozialist und hat manchem Universitätsangehörigen geschadet, etwa durch sein ursprüngliches Eintreten für den unfähigen Pädiater Hans Knauer und durch die gut geheißene Verfolgung des Dermatologen Erich Hoffmann. In Straßburg sorgte er rigoros für eine personelle Erneuerung innerhalb der bestehenden Augenklinik. Zumindest in Einzelfällen ließ er über elsässische Ärzte ein faktisches Berufsverbot in ihrer Heimat verhängen, so dass diese andernorts, zum Beispiel in Bonn, eingesetzt werden konnten. Dennoch wird man ihn nicht als linientreuen Anhänger Hitlers bezeichnen können, der den einzelnen Menschen und die Wissenschaft vollkommen aus den Augen verlor. Dafür spricht auch Schmidts Verhalten an der Reichsuniversität Straßburg, wo er nicht zu den »Kreisen« gerechnet wurde, »die aus der Straßburger Hochschule eine SS-Universität machen wollten«.119 Gleichwohl übernahm Schmidt dort wie in Bonn das Rektorenamt. Dass er, der Gefallen am Biergenuss und durchaus auch an dem ihm bereits in Bonn zugebilligten Spitznamen »Bier-Schmidt« fand, in angeheiterter Stimmung Reichsminister Rust in dessen Anwesenheit einen »mißgeratenen Treuhänder der Wissenschaft« nannte, passt in das Bild eines zwischen Engagement aus Überzeugung, Anpassung und Widerspruch changierenden Charakters.120 Schmidt fand im Entnazifizierungsverfahren prominente Fürsprecher, die sich vor allem auf seine Straßburger Rektorenzeit bezogen, unter anderem den 116 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. 117 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. Vgl. Heiber, Universität, Teil 2, Bd. 1, S. 247. 118 UAB, PA 7429 Riehm, Dekan Tiemann an REM, 21. 03. 1941. 119 Hübinger, Thomas Mann, S. 207f. 120 Zit. nach ebd., S. 207. Siehe auch Schreiben von Paul Glees an Hans-Paul Höpfner, 5. 10. 1994 (dem Autor von Hans-Paul Höpfner übergeben), wo die Benennung »Bierschmidt« für die Bonner Zeit bestätigt wird.
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Historiker Hermann Heimpel und den Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker, die beide 1946 in Göttingen wirkten.121 Dennoch war Schmidt noch im März 1948 121 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066, Nr. 8699, Erklärung Weizsäckers, 13. 07. 1946: »Ich schreibe diese Zeilen, um einen Teil einer Dankesschuld abzutragen, die ich gegenüber dem ehemaligen Rektor der Universität Straßburg, Herrn Professor Dr. Karl Schmidt, habe. Durch die Unabhängigkeit seines Urteils vom Willen vorgesetzter Stellen und durch den Mut und die Hartnäckigkeit, mit denen er stets seine Meinung verfochten hat, ist es möglich gewesen, an der von ihm geleiteten Universität Ansichten zu vertreten und eine menschliche Haltung anzunehmen, die nicht in der von der Partei gewünschten Linie lagen. Als ein Beweisstück dafür möchte ich die Geschichte meiner eigenen Berufung nach Straßburg kurz schildern. Im Februar 1941 forderte mich Herr Schmidt, den ich bis dahin nicht kannte, auf, zu Berufungsverhandlungen nach Straßburg zu kommen. Ich war darüber überrascht, weil man vielfach von der neugegründeten Universität Straßburg parteipolitisch bestimmte Berufungen erwartete. Ich selbst war aber als Schüler von Heisenberg, der im VB und im Schwarzen Corps, in letzterem als ›weißer Jude‹[,] angegriffen worden war, und als Vertreter der modernen Theorien der Physik (Relativitäts- und Quantentheorie), die von offizieller Parteiseite aus bekämpft wurden, bekannt. Ich habe außerdem weder der NSDAP, noch der SS, SA oder HJ jemals angehört. In meinem ersten Gespräch mit Herrn Schmidt macht[e] ich ihn sofort darauf aufmerksam, daß von Parteiseite aus diese Einwände gegen mich erhoben werden könnten. Er antwortete[,] dies alles sei ihm wohlbekannt und seine Absicht, mich zu berufen, sei davon ganz unabhängig. Insbesondere sei es seine Absicht, nur Vertreter der wirklichen modernen Physik zu berufen und sich keine Vertreter der von der Partei befürworteten ›deutschen Physik‹ aufdrängen zu lassen. In der Tat stieß meine Berufung auf sehr große Schwierigkeiten. Ich wurde vom Reichserziehungsministerium und der Parteikanzlei aus abgelehnt. Für den Lehrstuhl für theoretische Physik, den ich erhalten sollte, ebenso wie für den Lehrstuhl für Experimentalphysik schlug das Ministerium eine Reihe von Vertretern der ›deutschen Physik‹ vor. Die Universität Straßburg hat den Kampf um diese Besetzungen anderthalb Jahre durchgeführt und schließlich erreicht, daß die von ihr gewünschten Kandidaten die Lehrstühle erhielten. Nach allem was ich von diesen Kämpfen weiß, sind sie im wesentlichen dadurch entschieden worden, daß Herr Schmidt selbst sich persönlich mit der äußersten Entschiedenheit eingesetzt hat. Auch nachdem ich im November 1942 nach Straßburg gekommen war, war meine Lage nicht ohne Gefahren. Ich habe das Gefühl persönlicher Sicherheit, das ich trotzdem während der fast zwei Jahre meines Straßburger Aufenthaltes besaß, ebenso wie manche andere Kollegen, die sich in derselben Lage befanden, im wesentlichen deshalb gehabt, weil wir wußten, das Herr Schmidt sich für uns auch weiterhin gegenüber allen Angriffen stets aufs Äußerste einsetzen würde. Ich möchte wünschen, daß das Verdienst, das Herr Schmidt sich um viele einzelne Menschen und um die Bewahrung eines beträchtlichen Teils deutscher Wissenschaft erworben hat, auch in der Zukunft voll anerkannt wird. Über mich selbst möchte ich hinzufügen, daß ich heute mit der Bewilligung der Militärregierung Abteilungsleiter im Kaiser Wilhelm-Institut für Physik in Göttingen bin.« Ebd., »Gutachten« Heimpels, 12. 07. 1946: »Dr. Karl Schmidt, früher Rektor der Universität Strassburg und Ordinarius der Augenheilkunde, ist mir seit dem Frühjahr 1941 persönlich gut bekannt. Da ich selbst niemals Mitglied der NSDAP war, werde ich verhältnismässig oft gebeten, Gutachten über frühere Kollegen zu erstatten. Ich wüsste nicht, dass ich der Bitte in irgend einem Falle lieber, rückhaltloser, mit freierem Herzen entsprechen könnte als bei K. Schmidt. Dass ich selbst mich entschloss, s. Z. den Ruf nach Strassburg anzunehmen, war in dem Eindruck begründet, den ich bei den Berufungsverhandlungen von Rektor Schmidt gewann. Es war seiner mannhaften, geraden und vor allem seiner echt toleranten Art zu verdanken, dass die neue Hochschule nicht eine Parteihochburg, sondern eine echte Universität geworden ist.
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im Internierungslager Balingen inhaftiert.122 In Kriegsgefangenschaft und im Internierungslager für Kriegsverbrecher verbrachte er insgesamt 39 Monate. Nur für einige Wochen konnte er zum Jahresende 1945 eine Augenarztpraxis in Tuttlingen vertretungsweise übernehmen.123 In Balingen verfasste er eine mehrseitige Darstellung seiner persönlichen Entwicklung. Über seinen Parteieintritt 1933 bemerkte er, diesen habe die Gauleitung für wünschenswert erachtet, weil er seine »bisherigen berufspolitischen Aemter« behalten sollte: »Ich bin der NSDAP gerne beigetreten, weil ich in ihr die einzige Möglichkeit sah, die innerpolitisch [sic] völlig verfahrenen Zustände in Deutschland wieder in Ordnung zu bringen. […] Ich glaub[t]e im Jahre 1933 meinen bisher geschuldigten liberal-demokratisch-politischen Grundsätzen abschwören zu können, da die Demokratie in ihrer freiesten Spielart seit dem Jahr 1918 in Deutschland im wesentlich[en] Schiffbruch erlitten hatte und vor allen Dingen die brennenden Fragen der sozialen Not nicht zu lösen imstande war.«124
Schmidts Geschichtsbild war freilich nicht frei von Simplifizierungen, glaubte er doch, 1933 hätten sich »die meisten demokratischen Parteien« für die NSDAP ausgesprochen und »sich sogar freiwillig« aufgelöst.125 Am 13. September 1948 wurde der Entnazifizierungsbescheid ausgestellt. Er folgte weitgehend der Verteidigungslinie Schmidts. Durch die Einstufung in die Kategorie IV der Mitläufer war es ihm aber de facto nicht möglich, an die Universität zurückzukehren.126 Er ließ sich als Augenarzt in Mülheim/Ruhr nieder und schaltete 1958 seinen DuzFreund und Direktor der Bonner Frauenklinik Harald Siebke ein, um die zuvor von Dekan Herwig Hamperl angebotene, dann jedoch zunächst nicht weiter verfolgte förmliche Emeritierung zu erreichen.127 Schmidt blieb der Universität Bonn verbunden. 1969 dankte er für die durch den Dekan übermittelten
122 123 124 125 126 127
Immer kollegial vertrat Schmidt ohne Scheu die akademischen Interessen. Ich darf in dieser Sache umso mehr ein Urteil abgeben, als ich in Strassburg für meine unvorsichtigen Äusserungen bekannt war und in mehreren Fällen von Herrn Schmidt gedeckt worden bin. Als ich, in fast ermüdender Wiederholung, meine kirchliche Einstellung betonte, um schon bei meiner Berufung keine Unklarheit aufkommen zu lassen, respektierte das Herr Schmidt – meine Erklärungen haben dank seinem Eintreten meine Berufung nicht um einen Tag verzögert. Ich wünsche Herrn Schmidt, dem glänzenden und menschlich fühlenden Arzt, ich wünsche aber auch seinen Patienten, dass er bald eine Praxis aufnehmen kann.« LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Eidesstattliche Erklärung Franzmanns, 08. 03. 1948, Abschrift. LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Deutscher Entnazifizierungsausschuss des Kreises Lemgo, 6. 9. 1948, Vernehmungsprotokoll, 06. 09. 1948. LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Schmidt an Kreisuntersuchungsausschuss für politische Säuberung Balingen, 11. 03. 1948. LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1066–8699, Case Summary Karl Schmidt, 13. 09. 1948. UAB, MF-PA Schmidt, Schmidt an Siebke, 17. 07. 1958.
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Glückwünsche zu seinem siebzigsten Geburtstag und gedachte seiner »alten Fakultät«, in der er sich 41 Jahre zuvor habilitiert hatte.128
Der Kriegsrektor: Karl Chudoba Schmidts Nachfolger folgte wesentlich deutlicher dem NS-Kurs. Der 1898 in Mähren geborene Mineraloge und Petrologe Karl Franz Chudoba war 1929 als Privatdozent an das Bonner Mineralogisch-Petrographische Institut unter dem de jure bereits emeritierten, de facto aber noch sehr präsenten Reinhard Brauns gekommen. 1934 folgte ihm Chudoba als Institutsleiter. Im Jahr darauf wurde er zum außerordentlichen Professor, 1938 zum Ordinarius und Institutsdirektor ernannt. Dieser Aufstieg wurde durch seine Linientreue erleichtert. Chudoba hatte in Österreich der Großdeutschen Volkspartei angehört und war 1933 NSDAP und SA beigetreten. Sein Einsatz galt einer linientreuen Dozentenschaft. 1935 wurde er stellvertretender Dozentenschaftsleiter und 1937 Führer des NSDozentenbundes, 1938 sogar auf Gauebene. Der »politisch und fachlich recht durchschnittliche Mann« (Hans-Paul Höpfner) war in den Augen von Parteigutachtern offenbar gerade wegen seiner Mediokrität für die Universitätsleitung geeignet.129 Für Paul Ritterbusch, einen »der profiliertesten nationalsozialistischen Wissenschaftsfunktionäre«, lag »das ganze Wesen von Choduba« 1935 »mehr an der Oberfläche«.130 Nachdem Chudoba am 1. November 1939 Rektor geworden war, änderte er zunächst die Rangordnung der Fakultäten zu Lasten der Theologischen Fakultäten, die er an das Ende der Liste setzte. Damit nahm Bonn im nationalsozialistischen Sinne eine »Vorreiterrolle« ein, die bis zum Ende des »Dritten Reichs« reichsweit nicht durchgesetzt werden konnte. Nur wenige Universitäten haben bis 1945 die Fakultätenrangordnung verändert, neben Bonn auch Freiburg, Jena, Kiel und Tübingen.131 Diesem Akt der Symbolpolitik folgten keine weiteren Schritte einer scharfen NS-Politik. Bald sahen auch dem Nationalsozialismus skeptisch gegenüberstehende Universitätsangehörige in Chudoba einen Mann, der zwar ein überzeugter Parteigenosse war und das Vertrauen von Reichserziehungsminister Rust genoss, zugleich aber Probleme ruhig und kollegial zu lösen versuchte.132 Eines dieser Probleme betraf die sogenannte »Elsass-Frage«. Ihr wandte sich Chudoba im Herbst 1940 zu. Sie bestand für die Universität aus der Suche nach 128 129 130 131 132
UAB, MF-PA Schmidt, Schmidt an Dekan MF, o. D., eingeg. 11. 11. 1969. Höpfner, Universität, S. 77. Zit. nach ebd., S. 77; Zitat zu Ritterbusch: Heiber, Universität, Teil 1, S. 48. Vgl. Höpfner, Universität, S. 78. Vgl. ebd., S. 78f.
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Beschäftigungsmöglichkeiten für elsässische Assistenten, Oberassistenten und Dozenten. Nach der Besetzung der teilweise deutschsprachigen Gebiete westlich des Rheins galt es, Wissenschaftlern von dort angemessene Betätigungsfelder zu eröffnen. Erläuternd schrieb Chudoba: »Bei der politischen Beurteilung bedeutet Elsässer elsässische und nicht verwelschte Gesinnung. Dies bedeutet nach Lage der Dinge nicht ohne weiteres eine aktiv deutsche Gesinnung, ist aber doch der 22jährigen Umwerbung von Seiten Frankreichs gegenüber eine positive Leistung.«133 Chudoba erwartete von dieser Personengruppe offensichtlich keine stramm nationalsozialistische Haltung. Chudobas vergleichsweise umsichtiges Vorgehen unterschied ihn von Prorektor Friedrich Pietrusky, der erneut seine Stunde gekommen sah, als der Rektor sich im April 1941 für ein dreiviertel Jahr freiwillig der Wehrmacht zur Verfügung stellte. Pietruskys »ausgeprägter Katholikenhaß« führte ihn in einen Konflikt, der nur aufgrund seiner »Verdienste« 1942 mit der Versetzung nach Heidelberg relativ glimpflich endete.134 Pietrusky hatte es offenbar darauf abgesehen, ein drittes Mal zum Rektor bestimmt zu werden. Zu diesem Zwecke griff er Chudoba scharf an. »Der Hauptvorwurf war«, so fasste es 1952 der NS-Gegner Paul Martini zusammen, Chudoba »habe eine katholische Hochschulpolitik getrieben und sei ein verkappter Schwarzer und Zentrumsmann«.135 Martinis Kommentierung ist eindeutig: »Das war eine Bemerkung über einen Mann, der aus der Kirche ausgetreten war, wie sie viel dämlicher nicht hätte ausfallen können, und ich selbst zweifelte von da an nicht nur an seinem Charakter, sondern auch an seinem Verstand.«136 Dennoch folgte Pietruskys Denkweise einer inneren Logik. Chudoba war wie sein Vorgänger Karl Schmidt ein gemäßigter Nationalsozialist, der vor der Funktion des Rektors die des Dozentenführers wahrgenommen hatte. Er hielt auch zu regimekritischen Hochschulangehörigen Kontakt, etwa zu dem katholischen Geistlichen und Dozenten für luxemburgische und westeuropäische Geschichte Henri-Camille Wampach, der noch 1935 zum Honorarprofessor ernannt worden war.137 Für Pietrusky mit seiner »Vermischung von Nationalsozialismus mit einem geradezu blinden Antiklerikalismus« war das Anlass genug, gegen Chudoba vorzugehen.138 133 UAB, Rektorat A 8, 18, Bd. 1, Rektor an Dekan Medizinische Fakultät, 12. 11. 1940. 134 Höpfner, Universität, S. 70; zu Pietruskys Wirken in Heidelberg vgl. Bauer, Universität, S. 67, und Herber, Hakenkreuz, S. 94. 135 MHI Bonn, NL Martini, lose Stücke, Martini an Büchner/Freiburg, 05. 07. 1952, Durchschrift. 136 MHI Bonn, NL Martini, lose Stücke, Martini an Büchner/Freiburg, 05. 07. 1952, Durchschrift. 137 Vgl. Martini, Erinnerungen Teil IV, S. 223. 138 Ebd.
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Chudoba hatte als seinen Nachfolger im Amt des Dozentenführers wiederum einen gemäßigten Parteigenossen protegiert, der aus der katholischen Kirche ausgetreten war : den Dozenten für landwirtschaftliche Betriebslehre Wilhelm Busch.139 Wie zuvor Schmidt und Chudoba verfolgte Busch »eher die Interessen der Universität als die des NS-Dozentenbundes« und sorgte unter anderem für den Verbleib des zur Emeritierung vorgesehenen liberalen Staatsrechtlers Richard Thoma.140 Busch traf Pietruskys Hass auf Chudoba. Im Juli 1941 griff Pietrusky ihn wegen seiner »katholisierenden Dozentenbundpolitik« scharf an.141 Dabei beging er einen entscheidenden Fehler. Er legte ein gefälschtes negatives Gutachten der Gestapo über Busch vor.142 Den nationalsozialistischen Instanzen gelang es rasch, die Fälschung nachzuweisen.143 Busch wurde Professor, Pietrusky am 14. Oktober 1941 als Prorektor abgesetzt.144 Chudoba galt freilich nicht allgemein als verdienter Sieger der Kabalen. Paul Martini äußerte sich jedenfalls noch 1952 angewidert über die »nur unter Nationalsozialisten erträglich erscheinenden Kampfformen«.145 Er machte Chudoba dafür verantwortlich, dass »Pietrusky auf eine geradezu schändliche Art und Weise verurteilt und abgesetzt wurde. […] Dass man ihn nicht öffentlich an den Pranger stellte, war alles. Gewiss, sein Vergehen war hässlich gewesen, aber diese Verurteilung war es noch mehr.«146 Pietrusky, so fügte Martini ironisch hinzu, »dürfte« durch die Vorkommnisse »ein Opfer des Nationalsozialismus geworden sein«.147 Martinis Urteil gründet wohl vor allem auf einer außerordentlichen Senatssitzung, während der Chudoba am 10. Februar 1942 seinen »Sieg« über Pietrusky mit Hilfe des von Minister Rust entsandten Paul Ritterbusch inszenierte.148 An der Sitzung nahmen neben Ritterbusch, dem Rektor, den Dekanen, den Senatoren sowie den Vertretern von Dozentenbund und Studentenschaft auch viele Vgl. Höpfner, Universität, S. 106. Ebd., S. 106f.; vgl. ebd., S. 236. Zit. nach ebd., S. 107. Siehe auch: UAB, PA Pietrusky, Aufzeichnung Klapps, o. D., Abschrift. Vgl. Höpfner, Universität, S. 107. Vgl. ebd., S. 108. Vgl. ebd.; UAB, MF-PA Pietrusky, Dekan von Redwitz an Rektorat, 15. 04. 1947, Abschrift. MHI Bonn, NL Martini, lose Stücke, Martini an Büchner/Freiburg, 05. 07. 1952, Durchschrift; zu Büchner vgl. Ganssmüller, Erbgesundheitspolitik, S. 174f. 146 MHI Bonn, NL Martini, lose Stücke, Martini an Büchner/Freiburg, 05. 07. 1952, Durchschrift. 147 MHI Bonn, NL Martini, lose Stücke, Martini an Büchner/Freiburg, 05. 07. 1952, Durchschrift. 148 Vgl. Heiber, Universität, Teil 1, S. 48. Vgl. Ritterbuschs Vortrag anlässlich der Eröffnung der Ausstellung »Deutsche Wissenschaft im Kampf um Reich und Lebensraum« in der TH Berlin vom 07. 12. 1941 (Ritterbusch, Wissenschaft) sowie vor allem Hausmann, Geisteswissenschaft, S. 33f. Vgl. auch die Darstellung in: Herber, Gerichtsmedizin, S. 339; ders., Hakenkreuz, S. 153.
139 140 141 142 143 144 145
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Ordinarien teil.149 Sie wurden Zeugen einer Erklärung, in der Ritterbusch »als Beauftragter des Herrn Reichserziehungsministers« Pietrusky auch eines direkten Angriffs auf Chudoba bezichtigte. Sie ist im Sitzungsprotokoll vollständig wiedergegeben: »Herr Professor Dr. PIETRUSKY hat als Prorektor unter Kenntnis gewisser allgemeiner Vorwürfe einer betonten Förderung konfessionell gebundener Kreise an der Universität Bonn, die sich nicht gegen den Rektor richteten und die sich inzwischen als nicht gerechtfertigt erwiesen haben, den im Felde stehenden Rektor Prof. Dr. CHUDOBA angeschuldigt, eine katholisch infizierte Politik zum Schaden des Ansehens der Universität Bonn geführt zu haben. Herr Prof. PIETRUSKY hat diesen Vorwurf in leichtfertiger Weise erhoben, ohne sich vorher von seiner Richtigkeit zu überzeugen. Besonders erschwerend ist aber, dass die Vorwürfe gegen einen Mann erhoben wurden, der im Ostfeldzug seine Pflicht als Soldat tat und der nichts davon wissen konnte, was hinter seinem Rücken gespielt wurde. Herr Prof. PIETRUSKY hat es nicht für seine Pflicht gehalten, den Rektor zu unterrichten. Entscheidend aber ist, dass Herr Prof. P. in keinem Fall, wie es selbstverständliche Treue gewesen wäre, sich schützend vor den Rektor gestellt hat, der sich ja nicht verteidigen konnte und der von ihm in bestem Einvernehmen und mit vollem Vertrauen auf ihn geschieden war. Dieses Gesamtverhalten von Herrn Prof. P. ist auf keine Weise zu rechtfertigen. Der Herr Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung sieht sich daher genötigt, Ihnen[,] Herr Prof. Dr. PIETRUSKY[,] Ihr Verhalten in schärfster Form zu verweisen.«150
Nach dem Verlesen der Erklärung forderte der Rektor Pietrusky auf, den Senatssaal zu verlassen.151 Dessen parteiinterne Beschwerden scheiterten. Am 9. Juni 1943 wurde die am 16. September 1942 vom Gaugericht Köln-Aachen ausgesprochene »strenge Verwarnung« bestätigt.152 Dass Pietrusky trotz der Demütigung vor den Kollegen nach Heidelberg wechseln durfte, hatte er offenbar seinem engen Kontakt zu dem im Wissenschaftsministerium für das Fachgebiet Medizin verantwortlichen Referenten Max de Crinis, der »graue[n] Eminenz der Anstaltstötungen«, zu verdanken.153 Beide waren durch eine gemeinsame wissenschaftliche Publikation verbunden, für deren Neuauflage Pietrusky noch im Januar 1942 den Charakter eines Lehrbuchs für Studierende 149 UAB, MF-PA Pietrusky, Protokoll der außerordentlichen Senatssitzung vom 10. 02. 1942. Demnach waren von den Ordinarien der Medizinischen Fakultät die Professoren Ebbecke, Ceelen, Stöhr, Pietrusky, von Redwitz, Martini, Grütz, Pohlisch und Riehm (für Dozent Reiser) anwesend. Die nicht anwesenden Professoren beziehungsweise Dozenten Dirscherl, Tiemann, Siebke, Reiser und Büttner erhielten das Protokoll im Umlaufverfahren. 150 UAB, MF-PA Pietrusky, Protokoll der außerordentlichen Senatssitzung vom 10. 02. 1942. 151 UAB, MF-PA Pietrusky, Protokoll der außerordentlichen Senatssitzung vom 10. 02. 1942. 152 BA Berlin, BDC-Dossier Pietrusky, Aufzeichnung, o. D. 153 Roth, Folter, S. 8. Zu de Crinis, der bis zu seiner Entlassung wegen NSDAP-Zugehörigkeit 1934 der Grazer Medizinischen Fakultät angehörte, vgl. Kernbauer, Spiegelung; Sauer, Akademischer Rassismus, S. 74; Blasius, Seelenstörung, S. 184 und vor allem Jasper, de Crinis.
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vorschlug.154 Dabei erwies sich Pietrusky als Propagandist nationalsozialistischer Verbrechen: »Wie ich vom Verlag Heymann hörte, ist unser Buch jetzt im Druck. Dieser verzögerte sich, weil man den Abschnitt über die Vernichtung lebensunwerter Wesen, für die ich eintrat, nicht aufnehmen wollte. Hoffentlich erscheint die Auflage noch in diesem Jahr«.155
Die Kuratoren: Julius Bachem, Gustav Ehrlicher und Joachim Kieckebusch Ein potentieller Gegner von Rektor und Fakultäten war der Universitätskurator, der das Berliner Erziehungsministerium vor Ort vertrat. Von Seiten der Professorenschaft wurde die Ägide von Kurator Julius Bachem als besonders problematisch angesehen. Bachem übernahm als seit Mai 1932 der NSDAP und der SA angehörender Parteigenosse das Amt im Dezember 1934 zunächst provisorisch. Zuvor waren Alfons Proske aus politischen und Paul Klingelhöfer aus dienstlichen Gründen von dieser Aufgabe entbunden worden.156 Im Juni 1935 wurde Bachem offiziell zum Kurator ernannt, bevor er am 31. Oktober 1937 in den Ruhestand versetzt werden konnte. Dies war trotz entsprechender Einsichten auch in Berlin erst möglich, nachdem besondere Bestimmungen zum Schutz von Beamten, die vor 1933 bereits der NSDAP angehört hatten, aufgehoben worden waren.157 In Berlin hatte Bachem durch sein zwar energisches, aber auch unangemessenes Auftreten von sich reden gemacht. Seine Eingaben an das Erziehungsministerium waren häufig überaus umfangreich und nicht nur sprachlich von mangelhafter Qualität.158 1937 beklagte er sich bitter über die angebliche Nichtbeteiligung an den Planungen zum Austausch von kirchlichen Ordensschwestern. Im Jahr zuvor hatte er angeprangert, dass Rektor und Dozentenschaftsleiter häufig zu lange mit ihren Stellungnahmen bei Einstellungsverfahren warteten. Die Kandidaten verlören in der Zwischenzeit das Interesse an der ihnen angebotenen Stelle.159 Tatsächlich aber ist ein Fall aktenkundig, in dem sämtliche Stellungnahmen vorlagen, es aber höchstwahrscheinlich Bachem versäumt hatte, die Unterlagen nach Berlin zu senden. Gleichwohl mögen Ba154 BA Berlin, BDC-Dossier Pietrusky, Pietrusky an de Crinis, 19. 01. 1942; ebd., de Crinis an Pietrusky, 27. 01. 1942, Durchschrift; ebd., Pietrusky an de Crinis, 02. 02. 1942; ebd., BDCDossier Elbel, Pietrusky an de Crinis, 05. 10. 1942; Pietrusky, Gerichtliche Medizin de Crinis: Gerichtliche Psychiatrie. Vgl. Madea/Preuss, Rechtsmedizin, S. 181. Zur fachlichen Einschätzung de Crinis’ vgl. Gerrens, Ethos, S. 77f. 155 BA Berlin, BDC-Dossier Elbel, Pietrusky an de Crinis, 05. 10. 1942. 156 Vgl. Höpfner, Universität, S. 93–98. 157 Vgl. ebd., S. 95f. 158 Beispiele: GStA, Rep. 76, Nr. 409, Kurator Bachem an REM, 26. 07. 1936. 159 GStA, Rep. 76, Nr. 409, Kurator Bachem an REM, 26. 07. 1936.
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chems Klagen berechtigt gewesen sein. Der Umgang mit ihm aber war für alle Beteiligten schwer. Nach Ärger mit dem Direktor der Kinderklinik, Hans Knauer, der trotz angespannter Personalsituation lange privat verreist war und darüber Bachem nur unzureichend unterrichtet hatte, bat er das Erziehungsministerium um eine neue Kompetenz. Den Universitätssatzungen solle der Zusatz angefügt werden: »Der Leiter einer Klinik bedarf während des Semesters und während der Ferien des Einverständnisses des Universitätskurators für seinen Urlaub«.160 Im Erziehungsministerium bemerkte man hierzu nur : »Ausgerechnet Herr Bachem! Nein!!!«161 Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Bachem durchaus den Mut fand, in ideologisch heiklen Angelegenheiten zugunsten der vom Nationalsozialismus Verfolgten einzutreten. Belegt ist sein Versuch, für die Tochter eines Dozenten, der mit einer Jüdin verheiratet war, »die Heiratsgenehmigung mit einem Arier« zu erwirken.162 Als im Umgang angenehmer und in seiner Arbeit effektiver wurde der zweite die NS-Zeit an der Universität mitprägende Kurator angesehen. Von April 1939 bis März 1943 nahm die Stellung das NSDAP-Mitglied Gustav Ehrlicher ein. Ihm wurde nach dem Krieg von regimekritischen Professoren eine »von rein sachlichen Gesichtspunkten« geleitete Amtsführung, sogar »Wohlwollen« und »Vornehmheit« attestiert.163 Offenbar ist Ehrlicher aus opportunistischen Gründen der Partei beigetreten und hat in ihr auf eine »soziale«, sogar eine christliche Seite gehofft; er war Mitglied der »Deutschen Christen«.164 In einem parteiinternen Verfahren wurde Ehrlicher mit einem Verweis bestraft. Zugrunde lagen Vorwürfe, er habe »den Ortsgruppenleiter auf der Straße nicht gegrüsst [sic]« und seine »Haltung« sei »nicht nationalsozialistisch genug«165. Tatsächlich gelang es Ehrlicher gemeinsam mit Rektor Chudoba, den Beueler Bürgermeister Wilfried Gielow als
160 GStA, Rep. 76, Nr. 409, Kurator Bachem an REM, 26. 07. 1936. 161 GStA, Rep. 76, Nr. 409, Kurator Bachem an REM, 26. 07. 1936, Randbemerkung. 162 UAB, Kuratorium, H 1, Bd. 8, Bachem an Leiter des Rassenpolitischen Amts der NSDAP Grosse durch Reichsinnenministerium, 21. 11. 1936, Durchschlag. 163 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 15–245, Eidesstattliche Erklärung Martinis, 03. 07. 1946, Abschrift (Durchschlag auch in: MHI Bonn, NL Martini, Anklagen, Verteidigungen und Gutachten nach dem Krieg); ebd., Eidesstattliche Erklärung Redwitz’, 06. 07. 1946. Ähnlicher Auffassung war Universitätsrichter von Weber, der betonte, »parteipolitische Einflüsse« seien in Ehrlichers »Amtsführung nicht bemerkbar geworden« (ebd., Weber an Rektor, 17. 04. 1946). 164 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 15–245, Erläuterungen Ehrlichers zum Entnazifizierungsfragebogen vom 06. 04. 1946, o.D. 165 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 15–245, Erläuterungen Ehrlichers zum Entnazifizierungsfragebogen vom 06. 04. 1946, o.D.
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Nachfolger des zentrumsnahen Universitätsrats Franz Wildt zu verhindern.166 Wildt war empört aus dem Amt geschieden, nachdem ihm »seine alte Zentrumsgesinnung« zum Vorwurf gemacht worden war und er nicht mehr als Vertreter oder sogar Nachfolger des Kurators in Frage kam.167 Nach dem Krieg versuchte Ehrlicher, ebenfalls mit Hilfe von Chudoba, glaubhaft zu machen, er sei lediglich aufgrund der Feindschaft von Bonner NSDAP-Kreisen, insbesondere von Propagandaleiter Otto Schmitz-Erpenbach, zum 1. April 1943 nach Prag versetzt worden.168 Ehrlicher war nicht der letzte Kurator der NS-Zeit. Ihm folgte aus Marburg der Landgerichtsrat Joachim Kieckebusch, der an der Lahn im Nebenamt zugleich als Universitätsrat tätig gewesen war. Er blieb im Zusammenhang mit den Plänen zur Evakuierung der Universität und den daraus resultierenden Konflikten gegen Ende des Krieges in Erinnerung.
Die Studentenschaft Nationalsozialisten in der Minderheit Während der Weimarer Jahre hatte sich die Bonner Studentenschaft als rheinisch-katholisch-liberal geprägt gezeigt, die republikfeindlich-nationalistische Gesinnung konnte zunächst keine Vorherrschaft erringen. Während bei den Wahlen zur Allgemeinen Studentischen Arbeitsgemeinschaft (ASTAG) an anderen Universitäten der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund oft weit mehr als fünfzig Prozent der Stimmen erreichte, waren es in Bonn im Februar 1932 nur gut 26 Prozent und ein Jahr später sogar nur knapp 22 Prozent der Stimmen, das schlechteste Ergebnis reichsweit.169 Hatte der NSDStB 1932 mit 19 Sitzen knapp vor dem Ring katholischer Korporationen mit 18 Sitzen die stärkste Fraktion gestellt, lag nach der Wahl von 1933 der Ring vorne. Unter Führung des Rings blieb de facto eine große »Koalition gegen den NSDSt bestehen«.170 166 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 15–245, Erläuterungen Ehrlichers zum Entnazifizierungsfragebogen vom 06. 04. 1946, o.D. Vgl. Höpfner, Universität, S. 97f. 167 Höpfner, Universität, S. 97. 168 LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 15–245, Eidesstattliche Erklärung Chudobas, 17. 10. 1947; ebd., Ehrlicher an Oberpräsidenten der Nord-Rheinprovinz durch Rektor, 10. 05. 1946. 169 UAB, Kuratorium, F 2, o.D., Sitzverteilung in der Allgemeinen studentischen Arbeitsgemeinschaft. Vgl. auch Anonymus, Die neue Bonner Studentenkammer. Ruhiger Verlauf der gestrigen Astag-Wahl. – Geringere Wahlbeteiligung. – Verluste der alten, Gewinne der neuen Listen, in: General-Anzeiger, 8. 2. 1933 (auch in: Becker/Stauf/D. van Rey/M. van Rey, Machtergreifung. Vgl. ausführlich Höpfner, Universität, S. 111–119 und zudem Lützeler, Jut, S. 106. 170 Höpfner, Universität, S. 117.
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Sitzverteilung in der Allgemeinen Studentischen Arbeitsgemeinschaft 1933 (1932) Ring katholischer Korporationen 15 (18) Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund 14 (19) Bonner Waffenring 9 (11) Katholische Freistudentenschaft 9 (10) Evangelische Studentenschaft 4 (-) Nationaler Hochschulblock 3 (6) Katholische Theologen 3 (4) Republikanischer Block 3 (4) Konservative katholische Liste 2 (-) Deutsche Wehrstudenten 2 (-)
Trotz der schlechten Wahlergebnisse der nationalsozialistischen Studenten und bildungs- und demokratiefreundlicher Kundgebungen noch drei Jahre vor dem Ende der Weimarer Republik setzten sich mit der einer totalitären Diktatur eigenen Gewalt neue Strukturen und neue Personen rasch durch. Der erste Studentenführer wurde Walter Schlevogt, eine so selbstherrlich und arrogant auftretende Person, dass Bonner Nationalsozialisten wie Ernst Anrich dringend zu seiner Absetzung rieten. Noch 1933 machte er tatsächlich dem Landwirtschaftsstudenten Karl Hermann Bockhorn Platz. Es folgte eine Reihe von Studentenführern, die Nichtnationalsozialisten viel Ärger bereiteten, aber keinen größeren Einfluss innerhalb der Universitätsstruktur erlangen konnten.171
Gewalt und Terror Mit den neuen Machthabern im Rücken verschärften die nationalsozialistischen Studenten bald ihren Terror zur Einschüchterung und Vertreibung Andersdenkender. Am Tag des »Boykotts jüdischer Aktivitäten« folgten auch die Bonner Angehörigen des NSDStB ihrem Bundesführer Oskar Stapel. Dieser hatte in einem Manifest gefordert: »Ab 1. April 1933 stehen vor den Hörsälen und Seminaren der jüdischen Professoren und Dozenten Posten der Studentenschaft, die die Aufgabe haben, die deutschen Studenten vor dem Besuch solcher Vorlesungen und Seminare zu warnen, mit dem Hinweis, daß der betreffende Dozent als Jude von allen anständigen Deutschen berechtigt boykottiert wird«.172
171 Vgl. ebd., S. 119–121. 172 Zit. nach Hammerstein, Goethe-Universität, Bd. 1, S. 171.
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Rektor Adolf Zycha, Rechtshistoriker, Österreicher und noch bis zum 30. April 1933 im Amt, wandte sich nach diesen gelenkten Störungen des Universitätsbetriebs an die Polizei. Seine Folgerungen aus den Ereignissen waren gleichwohl mehr als zwiespältig und wiesen auf ein Zurückweichen vor den nationalsozialistischen Studenten hin. Er empfahl den jüdischen Professoren nämlich, einstweilen nicht an die Universität zu kommen.173 Am 3. Mai aber wurde den NS-Studenten reichsweit von Erziehungsminister Bernhard Rust klargemacht, dass nicht sie das Sagen hätten. »Eine Umgestaltung der Lehrkörper« sei »die Aufgabe der Staatsregierung«. Auf der Studentenschaft liege »die Pflicht, vor Deutschland und der Welt durch Disziplin und Leistung den Ruf eines freien und hochstehenden deutschen Hochschulwesens wieder herzustellen und zu befestigen«. Rust schloss mit einem Appell: »Laßt Euch in der Erfüllung dieser großen und ehrenvollen Aufgabe nicht durch Entgleisungen einzelner Hochschullehrer beirren. […] Ich werde den Störungsversuchen des Arbeitsfriedens an den preußischen Hochschulen auf beiden Seiten entgegenzutreten wissen.«174 Das Zurechtweisen des NS-Studentenbundes macht die nachrangige Stellung des NSDStB im NS-Parteisystem deutlich. Menschenverachtend blieben seine Maßnahmen dennoch. So genehmigte Pietrusky als neuer Rektor zur gleichen Zeit, als Minister Rust zur Mäßigung aufrief, einen Boykottaufruf der NS-Studenten. Dieser richtete sich gegen den evangelischen Theologen Fritz Lieb und den Lektor am Englischen Seminar, Karl Engeroff – beide waren Sozialdemokraten – sowie gegen den linksliberalen, paneuropäisch gesinnten Historiker Fritz Kern und gegen den der KPD nahestehenden Psychologen Kurt Gottschaldt. Der von Schlevogt unterzeichnete Aushang schloss mit den an die »Bonner Studentenschaft« gerichteten Worten: »Wir ersuchen Euch, ihre Vorlesungen geschlossen zu meiden.«175 Immerhin gab es Widerspruch. Der Rektor ließ am folgenden Tag den Boykottaufruf abhängen und die Philosophische Fakultät protestierte auf ihrer nächsten regulären Sitzung am 17. Mai einstimmig.176 Zu diesem Zeitpunkt hatten die Mannen um Schlevogt längst die nächste Untat geplant und vollzogen. Am 8. Mai war die Bonner Studentenschaft zur öffentlichen Bücherverbrennung zwei Tage später aufgerufen worden. Wörtlich heißt es in dem Appell:
173 UAB, MF 79/70, Rektor Zycha an Dekan MF, 04. 04. 1933; vgl. Forsbach, Fakultät, S. 598. Zu Zycha vgl. ausführlich Wiederhold, Adolf Zycha, S. 613–640. 174 Zit. nach Jung, Fackeln, S. 141. 175 Zit. nach Höpfner, Universität, S. 123. 176 Vgl. ebd., S. 125.
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»Die deutsche Studentenschaft hat den Kampf ›wider den undeutschen Geist‹ aufgenommen und ruft Euch alle, Bonner Bürger und Studenten auf: Reiht Euch ein in diese Front, auf dass der Sieg unser ist. Wir kämpfen um die Reinheit unserer Kultur. Das deutsche Schrifttum der Nachkriegszeit ist verpestet durch eine Unmasse von fremdgeistigen, zersetzenden und entsittlichenden Schriften. Schmutz und Schund wurden aus niederem Geschäftsgeist heraus in die Lektüre des deutschen Volkes getragen, wurde der Jugend vorgesetzt und treiben entsetzliche Wucherungen an der deutschen Volksseele. Wir haben es heute in der Hand, mit sicherem Griff über diese Krankheit Herr zu werden, wenn jeder von uns seine Pflicht erfüllt. Heraus aus Euren Bibliotheken mit den zersetzenden jüdischen Büchern und dem Schund, der den Büchermarkt überschwemmt hat!«177
Einige Tausend Menschen folgten am späten Abend des 10. Mai den denunziatorischen Reden Schlevogts, des Germanisten Hans Naumann und des Kunsthistorikers Eugen Lüthgen. »Wie die Flammen emporlodern, um Gift, um Schmutz und Schund und, was ebenso wichtig ist, die in ein schimmerndes Kleid gehüllten Gedanken der heimlichen Zersetzung und Auflösung zu zerfressen, so sollen diese Flammen der Läuterung uns Sinnbild sein, alles Undeutsche bis in die Wurzel hinein zu vernichten«, so Lüthgen.178 Um Mitternacht fand die Bücherverbrennung statt. Im Rahmen der NS-Aktion »Wider den undeutschen Geist« kursierten an den deutschen Universitäten antisemitische Aufrufe der Deutschen Studentenschaft: »Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude und der, der ihm hörig ist. […] Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter. […] Wir fordern deshalb von der Zensur : Jüdische Werke erscheinen in hebräischer Sprache. Erscheinen sie in Deutsch, sind sie als Übersetzung zu kennzeichnen. Schärfstes Einschreiten gegen den Mißbrauch der deutschen Schrift. Deutsche Schrift steht nur dem Deutschen zur Verfügung. […] Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Überwindung des jüdischen Intellektualismus und der damit verbundenen liberalen Verfallserscheinungen im deutschen Geistesleben.«179
Den Nationalsozialisten missliebige Studierende wurden bis hin zum Verweis seitens der Universität benachteiligt. In den ersten beiden Jahren des NS-Regimes wurden 29 Bonner Studenten relegiert, weil sie als Kommunisten galten. Andere links orientierte Studenten haben ihr Studium abbrechen müssen, weil ihnen Stipendien und anderweitige Unterstützung entzogen wurden. Einen formalen Ausschluss von jüdischen Studierenden hat es nicht gegeben, da die vom »Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen« 177 Zit. nach ebd., S. 125f. 178 Zit. nach zermahlenegeschichte.de/files/Bonn/Luethgenrede2-neuer-Schrifttyp.pdf (zuletzt abgerufen am 01. 10. 2016). 179 Zit. nach Krebs, Deutschland, S. 372f.
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festgelegte Obergrenze in Bonn gar nicht erreicht wurde. Die Zahl der jüdischen Studierenden sank dennoch drastisch. 1930 gab es in Bonn 191 jüdische Studierende. Dies entsprach drei Prozent der Studierenden. 1933 dürften es noch 150 gewesen sein, 1935 weist die Statistik nur noch 33 sogenannte »nichtarische« Studierende auf.180 Trotz Angst und Schikanen legten noch bis 1938 Juden Examina ab. Bekannt ist darüber hinaus, dass im Sommer 1944 an der gesamten Universität noch ein weiblicher »Mischling II. Grades« studierte.181 Bis 1938 waren Promotionen von als »Nichtariern« klassifizierten Studierenden möglich. Anhand der Promotionsalben konnten 39 derartige Fälle in der Medizinischen Fakultät ermittelt werden, 22 bei den Medizinern, 15 bei den Zahnmedizinern. Die Betroffenen erhielten das »Doktordiplom« erst, wenn sie auf ihre Approbation verzichteten oder die deutsche Staatsangehörigkeit aufgaben und mindestens ein Jahr im Ausland lebten. Wer eine Erlaubnis »zur ärztlichen Behandlung von Juden« erhielt, durfte den Doktortitel nicht tragen.182 Auch durften keine Erkenntnisse über politisch unliebsame Aktivitäten vorliegen. Über jeden Einzelfall entschied das Berliner Erziehungsministerium. Die Universität hatte einen standardisierten Antrag einzureichen, in dem gemeinhin nur die Namen und Daten verändert wurden.183 Frühe Parteigenossen erfuhren hingegen eine Bevorzugung. Rektor Pietrusky erstellte im März 1934 eine Liste mit den Namen von Studierenden, die schon vor 1932 der NSDAP angehört hatten. Auf diese seien »im Examen entsprechende Rücksichten« zu nehmen: »Wenn diese Studierenden wissenschaftlich auch nicht alle Erwartungen erfüllen sollten, so haben sie doch durch ihren Kampf für die Bewegung gezeigt, dass sie andere Eigenschaften besitzen, die für ihren späteren Beruf wertvoll sind«.184 Der Anspruch an die Lehre sank. Der zeitliche Aufwand, den die NSDAP, deren Gliederungen und Verbände beanspruchten, war enorm, wenn es auch Zeiten der Entlastung gab, etwa Mitte 1934 nach der Entmachtung der SA und der Auflösung der SA-Hochschulämter. Im Vorfeld des Krieges empörten Verpflichtungen auch von Nichtparteigenossen zu Erntehilfeund Fabrikeinsätzen sowie zu Lehrveranstaltungen wie der Luftschutzpflichtvorlesung einige Studierende so sehr, dass es zu Störungen und zum Abreißen und zur Kommentierung von Propagandaplakaten kam. Am 15. Juni 1939 wurden in diesem Zusammenhang von der Gestapo elf Studenten verhaftet.185 180 181 182 183 184 185
Vgl. Höpfner, Universität, S. 129. Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 402. UAB, Rektorat, A 21, Dekan Siebke an REM, 15. 11. 1938. Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 421. Zit. nach Höpfner, Universität, S. 130. Vgl. Grüttner, Studenten, S. 344f.; Heiber, Universität, Teil 2, Bd. 2, S. 639–641; Höpfner, Universität, S. 140.
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Während des Krieges waren der NSDAP angehörende Studierende, wenn nicht zur Wehrmacht eingezogen, in besonderem Maße zu kriegswichtigen Einsätzen verpflichtet. Die Klagen der Professoren, die ihrerseits ebenfalls für außeruniversitäre Aufgaben beansprucht wurden, sind Legion. Die vorübergehend statt der Semester eingeführten Trimester ließen das Leistungsniveau weiter fallen.186 Zugleich sanken die Studierendenzahlen dramatisch. Waren 1933 noch 5.455 Studierende in Bonn immatrikuliert, wurde im Winter 1936/37 die 3.000erGrenze unterschritten. Im Krieg lag die Studierendenzahl zwischen 1.300 und 1.900. Dabei war die Medizinische Fakultät die mit Abstand größte. Ihr Anteil stieg von unter 30 Prozent im Jahr 1933 auf über 50 Prozent im Jahr 1941. Der Frauenanteil fiel bis zum Krieg von etwa 20 auf zehn Prozent, bevor er 1944 mit 50 Prozent einen Rekordwert erreichte.187 Die Haltung der in Verbindungen organisierten Studierenden zum Nationalsozialismus war unterschiedlich. Die katholischen Verbindungen von CVund KV hoben ihre Unvereinbarkeitsbeschlüsse auf, so dass nicht wenige ihrer Mitglieder nun NS-Organisationen beitraten. Dennoch blieben die katholischen Verbände kritisch. Ähnliches galt für manche Burschenschaft. Die Alemannia Bonn und die Frankonia Bonn wurden aus der Deutschen Burschenschaft ausgeschlossen, weil sie das Lebensbundprinzip über den Rassismus der Nationalsozialisten stellten. Sie schlossen niemanden aus, weil er den Nationalsozialisten als Jude galt.188 Nach Fronleichnam 1934 gingen die Bonner HJ und der NS-Studentenbund in die Offensive. Die Fronleichnamsprozession war zu einer Demonstration der katholischen Studierenden geworden. Deshalb verbot Schlevogts Nachfolger Karl Hermann Bockhorn als NS-Studentenführer den katholischen Korporationen für 14 Tage, ihre Farben zu tragen. Auch die Burschenschaften waren von verschärfter Hetze betroffen. Die HJ verbrannte öffentlich eine Puppe mit den Farben des Corps Borussia und Monokel als Zeichen vermeintlich überkommenen Gelehrtentums. Die HJ verteilte gegen die Korporationen gerichtete Flugblätter und verwickelte Couleurstudenten immer wieder in Scharmützel, beispielsweise indem man ihnen die Mütze vom Kopf schlug.189 186 187 188 189
Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 461. Vgl. Titze, Datenhandbuch, Bd. 1, 2, S. 103; George, Studieren, S. 367. Vgl. Holz, Studierendenschaft. Zu den Auseinandersetzungen siehe unter anderem: Anonymus, Klagelied eines Bonner Korps: Die Bevölkerung hat kein Verständnis für unsere »harmlosen Streiche«. Die »Sorgen« einer feudalen Jugend, in: Völkischer Beobachter vom 14. 05. 1934; P. Tücking (»Führer des Oberbanns Siebengebirge«), Reaktion in bunten Mützen. Einige Bonner Korporationen regen sich auf – Wirkungslose Drohungen, in: Westdeutscher Beobachter vom 03. 06. 1934; Anonymus, Bonner HJ gegen studentische Korporationen, in: Germania vom 27. 05. 1934; Anonymus, HJ verbrennt Korpsstudenten-Puppe, in: Der Tag vom 27. 05. 1934; Anonymus, Hitlerjugend gegen Stahlhelm und Auswüchse des Korpsstudententums,
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Abb. 14: Flugblatt der HJ gegen die Langemarck-Feiern der Studentenverbindungen
Am 11. Juni 1934 eskalierte eine Veranstaltung, die unter Beteiligung der im »Bonner Waffenring« zusammengefassten Burschenschaften und Studentenverbindungen sowie der HJ auf dem Bonner Marktplatz stattfand. Anders als von den Studenten erwartet, trug die Veranstaltung nicht zu einer Beruhigung der Gemüter bei: HJ-Gebietsführer Wallasch beschimpfte die Farbentragenden in einer Weise, die offenbar sämtliche Studenten geschlossen vom Markt ziehen ließ. Noch am selben Tag kam es von Seiten der HJ zu neuen Attacken gegen Studenten, die mehrere Verletzte forderten. An den Folgetagen trugen beinahe in: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 27. 05. 1934; Anonymus, Bonner HJ gegen studentische Korporationen, in: Landespost Hildesheim vom 29. 05. 1934. Zahlreiche Zeitungsausschnitte finden sich zudem in: BA (Koblenz), ZSg. 129, Bd. 523.
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alle berechtigten Studenten und Professoren Couleur, obwohl Bockhorn dass Couleurtragen neuerlich und nun für alle verboten hatte. NS-Gauleiter Josef Groh8 kam nach Bonn und suchte die Situation zu klären. Bockhorn wurde abgesetzt, sein Nachfolger wurde der SA-Truppführer Hanns Neyer.190 Die Atmosphäre aber blieb angespannt. Als im Herbst 1934 Studenten randalierten, wurde hierfür von Seiten der Gestapo auch die mangelhafte Einbindung der Universitätsangehörigen in die SA verantwortlich gemacht: »Die Studenten in Bonn machen sich seit Beginn des Wintersemesters durch alkoholische Exzesse und groben Unfug geschmackloser Art unliebsam bemerkbar. Hier wirkt sich die eingetretene Lockerung des SA.-Dienstes nachteilig aus, der den angeblich im Examen stehenden Studenten weitgehende Befreiung vom SA.-Dienst brachte. Im vergangenen Jahre, als diese Vergünstigungen noch nicht bestanden, haben sich jedenfalls derartige Exzesse in Bonn, an denen sogar die studentisches Leben gewohnte Bevölkerung argen Anstoss nimmt, nicht zugetragen.«191
Als Willi Börger, der schon in der Weimarer Republik die NSDAP im Reichstag vertreten hatte, auf Einladung des NS-Studentenbundes in Bonn sprach, wurde er von einem Zwischenrufer unterbrochen. Darauf schlug Börger den Zwischenrufer zu Boden. Er hatte gefragt: »Was halten Sie von Christus?« Dieser Vorfall ereignete sich am 21. Juni 1935 und markiert zusammen mit Vorkommnissen in Heidelberg das Ende der traditionellen Korporationen. In einem neuerlichen, nun unter umgekehrten Vorzeichen stehenden Unvereinbarkeitsbeschluss wurde Nationalsozialisten die Mitgliedschaft in den Korporationen verboten.192 Viele Korporationen zerfielen oder lösten sich auf. Am 14. November 1935 erklärte der Rektor, das Chargieren der noch bestehenden Korporationen sei künftig unerwünscht. Die übrig gebliebenen katholischen Verbände wurden 1938 förmlich verboten. Konspirativ gründete sich Ende 1939 eine neue katholische Verbindung namens Conruebia, die 1944 mehr als 100 Mitglieder zählte.193 Dem NS-Studentenbund schlossen sich nun immer mehr Studierende an, zumal er in der Regel die ehemaligen Korporationshäuser samt Inventar übernahm. Versuche der formal nicht nationalsozialistischen Deutschen Studentenschaft und des NSDStB, zumindest die Anfangssemester zu kasernieren, scheiterten. An der Lenn8straße wurde zwar im November 1933 ein Gebäude für 71 Studenten eingeweiht, doch gab die Deutsche Studentenschaft das Projekt auf, nachdem Hitler es als der Homosexualität förderlich bezeichnet hatte.194 190 191 192 193 194
Vgl. Oldenhage, Korporationen, S. 92–95; Höpfner, Universität, S. 135. Faust/Rusinek/Dietz, Lageberichte, S. 666. Vgl. Höpfner, Universität, S. 136–138. George, Studieren, S. 38; Clemens, Interimsverbindung, S. 239–250. Vgl. Höpfner, Universität, S. 133.
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NS-Bindung der Studierenden Die Mitgliederzahl des NS-Studentenbundes erreichte in Bonn anders als im Reichsdurchschnitt sicher nicht die 50-Prozent-Marke. Zwar sind für Mitte 1933 fast 900 Mitglieder (etwas über 20 Prozent) registriert, doch traten beispielsweise 1936 nur zehn Prozent der Erstsemester dem NS-Studentenbund bei. Aus dem Jahr 1937 wissen wir, dass in Bonn 12,1 Prozent der Studentinnen Mitglieder im NS-Studentenbund waren, während reichsweit 1939 etwa 71 Prozent der Studentinnen zum NSDStB gehörten.195 Daneben war die ohne größeren Einfluss gebliebene »Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen (ANST)« ein Sammelpunkt von der NS-Ideologie nahestehenden Frauen.196 Eine formale Verpflichtung für Studierende, der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen beizutreten, hat nicht bestanden. Dennoch galt ein solcher Schritt als derart opportun, dass er von vielen als gleichsam verpflichtend empfunden wurde. Ein sich den NS-Organisationen Verweigernder erhielt beispielsweise keine Studentendarlehen. Die Zahl potentieller Arbeitgeber für Nichtparteimitglieder galt nach dem Abschluss des Studiums als eingeschränkt. Wer nicht der NSDAP beitreten konnte oder wollte, orientierte sich an SA und SS. Viele wandten sich »der plebejischen SA« (Michael Kater) zu, nachdem »die Klassengegensätze« durch SA-Studentengruppen teilweise neutralisiert worden waren.197 Trotzdem ist es für die Anfangsphase des »Dritten Reichs« glaubhaft, dass gerade in Bonn einige Betroffene die SS der SAvorzogen. Hier erwarteten sie ein Verhalten vorzufinden, das eher bürgerlicher Konvention entsprach. Hinzu kam in Bonn, dass die Person des 1935 ums Leben gekommen Bonner SAStandartenführers Willi Himmelmann, Assistent an der Chirurgischen Klinik, in gebildeten Kreisen besondere Ablehnung provoziert hatte.198
Unrecht Als 1999 im Festsaal des Universitätshauptgebäudes in einer missverständlichen Formulierung »der 60. Wiederkehr der Reichspogromnacht« gedacht wurde, zitierte man eine Resolution des akademischen Senats vom 5. November 1998. Darin wurde 149 Menschen gedacht, denen an der Universität Unrecht widerfahren war. 30 Studierende waren von Relegationen und 56 Personen von Doktorgradentziehungen betroffen. 63 Dozentinnen und Dozenten hatten Verfol195 196 197 198
Vgl. ebd., S. 118; Grüttner, Studenten, Tab. 25 und 27. Vgl. Chronik 1939 bis 1949, S. 73; Güttner, Studenten, S. 354f. Kater, Professoren, S. 478f. Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 394.
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gung und Vertreibung erleiden müssen, teilweise bis in den Tod.199 Hinzu kommt das Leid, das Menschen widerfahren war, die an der Universität Zwangsarbeit hatten leisten müssen, aus politischen Gründen inhaftiert wurden oder Opfer von der medizinischen Ethik widersprechenden Maßnahmen, auch NS-Medizinverbrechen, geworden sind.200
Doktorgradentziehungen Die Beugung des Rechts Am 16. November 1933 erreichte die Universität die Aufforderung des Berliner Wissenschaftsministeriums, das »Erforderliche in entsprechender Weise wegen der Aenderung der Promotionsordnungen alsbald zu veranlassen«.201 Bezug nahm das Schreiben auf eine Initiative des Bayerischen Kultusministeriums vom 3. Oktober 1933, der ihrerseits ein Antrag der Deutschen Studentenschaft des Kreises Bayern zu Grunde lag. In jenem Antrag vom 18. September 1933, der zwei Monate später zur Stellungnahme an die Bonner Fakultätsmitglieder gelangte, heißt es: »Bei der kürzlich durch die Presse gegangenen Veröffentlichung der Namen der im Ausland weilenden Landesverräter, denen die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen worden ist, fällt die große Anzahl von Doktoren auf. Nach den Promotionsordnungen der deutschen Universitäten besteht durchaus die Möglichkeit[,] die Doktorwürde bei Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte durch den Träger derselben und ihn ähnlichen für die Verleihung der Doktorwürde kompromittierenden Fällen zu entziehen.«202
Der bayerische Kultusminister Hans Schemm, auch schon vor seinem legendenumwobenen Unfalltod 1935 vielfach als »positive« Gegenfigur zu Julius Streicher betrachtet, sah die Rechtslage weniger eindeutig als die Studierenden. »Die Promotionsordnungen«, so wies er die bayerischen »Hochschulen« an, seien ausdrücklich dahingehend zu ergänzen, »daß die Doktorwürden auch entzogen werden, wenn der Promovierte nach dem Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom
199 200 201 202
Vgl. Borchard, Opfer. Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 481–487. UAB, MF 79/139, Wissenschaftsministerium an Kurator Bonn, 02. 11. 1933. UAB, MF 79/139, Karl Gengenbach/Leiter des Kreises Bayern/Deutsche Studentenschaft, München an Staatsminister Hans Schemm/Kultusministerium, München, 18. 9. 1933 (abgedruckt in: Hübinger, Thomas Mann, Nr. 24, S. 386f.), Abschrift mit Unterschriftenliste für Fakultätsmitglieder, 17. 11. 1933. Vgl. Moritz, Aberkennung, S. 541; Hildebrand, Universitäten, S. 194-202. Vgl. grundlegend auch Happ, Aberkennung.
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14. 7. 1933 […] der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt wurde«.203 Dies bedeutete für die als Juden Verfolgten den Verlust des Doktortitels. Inzwischen waren auch die preußischen Promotionsordnungen angepasst worden, hatten sie doch zuvor entweder keinen Passus über den möglichen Entzug des Doktorgrads enthalten oder strenge Voraussetzungen für einen derartigen Entzug formuliert. Deshalb erließ der preußische Erziehungsminister Bernhard Rust am 17. Juli 1934 präzisere Vorschriften, nach denen »die Doktorwürde« bei einem Täuschungsversuch oder bei einem der »deutschen akademischen Würde« nicht entsprechenden Verhalten »wieder entzogen werden« konnte.204 »Als unwürdig« sei insbesondere derjenige anzusehen, der aufgrund des Gesetzes vom 14. Juli 1933 die Staatsangehörigkeit verloren hatte oder dessen Einbürgerung widerrufen worden war. Einer ausdrücklichen Erwähnung bedürfe diese Bestimmung aber nicht.205 Entscheiden sollte keinesfalls die jeweilige Fakultät, sondern »ein aus dem Rektor und den Dekanen zusammengesetzter Ausschuss«.206 Der Betroffene, dem ein Beschwerderecht zugebilligt wurde, sollte noch vor der Entscheidung des Ausschusses »soweit es tunlich erscheint« angehört werden. Ähnliche Bestimmungen waren nach dem Willen Rusts für Ehrenpromotionen, Ehrenbürger und Senatoren zu erlassen.207 Mit Ausnahme der Katholisch-Theologischen Fakultät, die sich auf das Mitbestimmungsrecht der Kirche berief, entsprachen sämtliche Bonner Fakultäten bis November 1934 der Verfügung.208 Auch in den folgenden Jahren blieben die Promotionsordnungen ein Thema in den Universitäten wie im Ministerium. Die Fakultäten wurden immer wieder durch den Kurator über Modifizierungen der Vorstellungen zum Entzug des Doktorgrads im Reichserziehungsministerium informiert, ohne dass seitens der Fakultäten grundlegende Schritte zu unternehmen gewesen wären. Mit einem Erlass vom 13. April 1935 wurde ihnen zwar das Recht zugebilligt, nicht nur den Doktorgrad, sondern sämtliche akademischen Abschlüsse, also vor allem Diplome, zu entziehen; auch der »Dr. habil.« wurde nun ausdrücklich genannt.209 Doch derartige »Rechte« gingen de facto mit einem weiteren Autonomieverlust einher. Schon seit einem Erlass vom 4. Oktober 1933 unterlag das Promotions203 UAB, MF 79/139, Schemm an Landesuniversitäten, 03. 10. 1933, Abschrift. 204 UAB, MF 79/139, Erlass des Wissenschaftsministeriums, 17. 07. 1934. Siehe zu den (pseudo)rechtlichen Grundlagen im einzelnen GStA, Rep. 76, NW 5, Nr. 453. 205 UAB, MF 79/139, PMW, Erlass, 17. 07. 1934. 206 UAB, MF 79/139, PMW, Erlass, 17. 07. 1934; ebd., MF 79/191, Dekan Siebke an Rektor, 22. 02. 1938, Konzept; Siehe hierzu auch UAB, UR 67/40, Salzwedel an Rektor durch Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, 22. 02. 1963. 207 UAB, MF 79/139, PMW, Erlass, 17. 07. 1934. 208 Vgl. GStA, Rep. 76, NW 5, Nr. 453, insbes. Dekan Tillmann an Kurator, 19. 11. 1934. 209 UAB, MF 79/139, REM an Kurator, 13. 04. 1935, Abschrift u. a. über den Entzug von Diplomen und Habilitationsurkunden.
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verfahren – und nicht nur der Entzug eines Doktorgrads – einer polizeilichen Oberaufsicht. Eine entsprechende Anzeigepflicht wurde im Frühjahr 1936 noch erweitert. »Jede Verleihung eines akademischen Grades« sei »der Ortspolizeibehörde« mitzuteilen, »welche für den Wohnsitz des Inhabers des Grades zuständig ist«, ebenso jeder Entzug.210 Anderthalb Jahre später wurde der Universität nur noch eine stützende Rolle gerichtlicher Entscheidungen eingeräumt. Das Reichserziehungsministerium teilte am 27. Dezember 1937 ausdrücklich mit, dass in den Fällen, in denen den Betroffenen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt würden, diese gemäß § 35 StGB ihre akademischen Grade verlören. Es bedürfe »seitens der zuständigen Hochschule lediglich eines Beschlusses, der diese Tatsache feststellt«.211 Mit Erlass vom 15. April 1937 verbot das Reichserziehungsministerium, Jüdinnen und Juden deutscher Staatsangehörigkeit Doktordiplome zu verleihen oder zu erneuern.212 Promovierenden, die sämtliche formalen Bedingungen bereits »restlos erfüllt« hatten, wurde eine dreimonatige Übergangsfrist gewährt.213 Die von den Nationalsozialisten als »jüdische Mischlinge« klassifizierten Studierenden konnten mit einer »Bestallung« als Arzt oder Zahnarzt nicht rechnen und waren auf eine Anstellung im Ausland angewiesen. Sofern sie eine solche nachweisen konnten, durfte ihnen weiterhin die Promotionsurkunde ausgehändigt werden.214 Sie hatten aber ausdrücklich zu erklären, dass sie auf die nun »Bestallung« genannte Approbation im Deutschen Reich verzichten würden.215 Entsprechendes galt für Habilitationswillige.216 Im Jahr 1938 kam es zu einer weiteren Anpassung der Promotionsordnung, die auf einen Erlass des Reichserziehungsministeriums aus dem Vorjahr zurückging, mit dem die Fakultäten aufgefordert worden waren, »Entwürfe der Promotionsordnungen zur vorläufigen Genehmigung« einzureichen, die sämtliche bislang ergangenen Einzelerlasse der NS-Regierung berücksichtigen sollten.217 Mit Blick auf die Aberkennung von Doktorgraden heißt es in dem Erlass modifizierend, dass nicht »die Tatsache der jüdischen Abstammung allein« und auch nicht der Widerruf der »Einbürgerung lediglich aus rassischen Gründen […] die Entziehung der Doktorwürde« rechtfertige.218 Am 15. März 1938 erfolgte 210 UAB, MF 79/191, Erlass W I a 130/36, gez. i.V. Vahlen/REM, 18. 03. 1936, Abschrift. 211 UAB, MF 68/116 u. MF 79/191, Erlass W F 2973, i. A. Wacker/REM an Rektor Bonn u. a., 27. 12. 1937. Daneben wurde ebd. die Notwendigkeit bekräftigt, seitens der Universität Polizei und Ministerium zu benachrichtigen. 212 UAB, MF 79/191, Erlass WA Nr. 590, i.V. gez. Zschintzsch/REM, 15. 04. 1937. 213 UAB, MF 79/191, Erlass WA Nr. 590, i.V. gez. Zschintzsch/REM, 15. 04. 1937. 214 UAB, MF 79/191, Erlass WA Nr. 590, i.V. gez. Zschintzsch/REM, 15. 04. 1937. 215 UAB, MF 79/191, Erlass WA Nr. 590, i.V. gez. Zschintzsch/REM, 15. 04. 1937. 216 UAB, MF 79/191, Erlass WA Nr. 590, i.V. gez. Zschintzsch/REM, 15. 04. 1937. 217 UAB, MF 79/191, Erlass WA 562 i. A. gez. Wacker/REM, 15. 03. 1938; ebd., Erlass WA 1078, i. A. gez. Wacker/REM, 01. 06. 1937. 218 UAB, MF 79/191, Erlass W I a 1910/36, i.V. gez. Zschintzsch/REM, 16. 12. 1936. Unter-
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die Genehmigung der von den Fakultäten eingereichten Promotionsordnungen.219 Nicht verlangt worden war die Aufnahme offen antisemitischer Bestimmungen; in den ergänzenden Bemerkungen des Reichserziehungsministeriums wurde jedoch postuliert, dass in den Doktorarbeiten »die Verwendung jüdischer Literatur« zu kennzeichnen, die dort vertretene »Auffassung« zu bekämpfen und ihre Auflistung im Literaturverzeichnis »auf das unbedingt notwendige Material zu beschränken« sei.220 Das Befolgen dieser Richtlinien wurde ausdrücklich den Fakultäten auferlegt.221 Die Namen der von den Doktorgradentziehungen Betroffenen wurden ebenso wie die Namen derjenigen, deren Einbürgerung widerrufen beziehungsweise denen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wurde, im Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger veröffentlicht. Mehrere Fälle von Doktorgradentziehungen standen in keinem direkten Zusammenhang mit der Etablierung des NS-Regimes. Sie betrafen vor allem Delikte im Rahmen der Abtreibungsgesetzgebung und des Sexualstrafrechts.222 Hier wären der Entzug und die Nichtverleihung des Doktorgrads trotz erbrachter Leistung auch in der Weimarer Republik möglich gewesen, und wäre es je nach Schwere der Gesetzesverstöße auch nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland.223 Deshalb und
219 220
221 222 223
schieden wird zwischen den Betroffenen nach § 1 und § 2 des Reichsgesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. 07. 1933 (RGBl. I, S. 480). Nur die von § 2 Betroffenen seien »einer deutschen Doktorwürde in jedem Falle als unwürdig« zu betrachten. Der Erlass WA 562 vom 15. 03. 1938 wurde in der »Ostmark« am 6. Juni 1939 in Kraft gesetzt, jedoch unter ausdrücklicher Ausklammerung der Medizinischen Fakultäten (UAB, MF 79/ 191, Erlass WA 719 i. A. gez. Mentzel/REM, 06. 06. 1939). UAB, MF 79/191, Erlass WA 562 i. A. gez. Wacker/REM, 15. 03. 1938: »Ein grundsätzliches Verbot für Doktoranden auszusprechen, jüdische Autoren in ihren Arbeiten zu zitieren, ist nicht möglich. Dagegen sind jüdische Autoren stets mit Zurückhaltung anzuführen und zwar auch dann, wenn andere Literatur nicht vorhanden ist. Dies zu prüfen, muss im Einzelfalle der Fakultät überlassen bleiben. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken, jüdische Autoren dann zu zitieren, wenn es in der Absicht geschieht, ihre Auffassung zu widerlegen oder zu bekämpfen. In allen den Fällen aber darf die Tatsache der Verwendung jüdischer Literatur nicht unerwähnt bleiben; das Literatur-Verzeichnis hinsichtlich der jüdischen Verfasser ist auf das unbedingt notwendige Material zu beschränken.« UAB, MF 79/191, Erlass WA 562, i. A. gez. Wacker/REM, 15. 03. 1938. Vgl. Forsbach, Nationalsozialismus, S. 297f. Zur Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland vgl. Anonymus, Rechtsprechung in Leitsätzen, in: Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 1993, S. 67: »Die gesetzliche Ermächtigung, einen akademischen Grad wegen ›Unwürdigkeit‹ seines Inhabers zu entziehen, verletzt weder das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot noch den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Menschenwürde« (BVerwG, Beschluss vom 25. 8. 1992 – 6 B 31.91-); Anonymus, Entziehung eines Doktorgrades wegen Unwürdigkeit, in: Neue Juristische Wochenschrift, Jg. 1993, S. 675; Anonymus, Entziehung eines Doktorgrades wegen Unwürdigkeit, in: Neue Juristische Wochenschrift, Jg. 1991, S. 675; Anonymus, Rechtsprechung in Leitsätzen, in: Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 1988, S. 1131; Anonymus, Entziehung des Doktorgrades wegen Unwürdigkeit, in: Deutsches Verwaltungsblatt, Jg. 1988, S. 2911-2913; Anonymus,
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in einigen Fällen wegen unklarer Umstände wurden 1998 zehn Personen, denen in der NS-Zeit der Bonner Doktorgrad aberkannt worden war, nicht rehabilitiert. Erteilung, Verweigerung und Entziehung des Doktorgrads Trotz der von den Nationalsozialisten erlassenen Zulassungsbeschränkungen kam es zu Promotionen von Ausländern, vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika sowie aus Luxemburg. Alleine an der Medizinischen Fakultät wurden in den fünf Jahren von 1934 bis 1938 insgesamt 28 Mediziner und 17 Zahnmediziner promoviert, die eine ausländische Staatsangehörigkeit besaßen. Im Jahr 1939 verschärfte sich die Situation. Auch jüdischen Studierenden, bei denen selbst die Nationalsozialisten keine marxistische oder kommunistische Betätigung vermuteten, wurde nun der Doktortitel verweigert. Daraufhin erwog Rektor Schmidt, künftig auf eine Anfrage in Berlin zu verzichten, wie es ein Schreiben zu einem Einzelfall nahelegt: »Da der Herr Reichsminister bisher keine grundsätzliche Bestimmung getroffen hat, dass an Juden ein Doktordiplom nicht ausgehändigt werden darf, müsste das Gesuch der Frau Mendelssohn dem Herrn Minister wohl doch zur Entscheidung vorgelegt werden. Es könnte dann dabei gleichzeitig angefragt werden, ob künftighin solche Gesuche noch vorgelegt werden sollen oder ob der Herr Dekan ermächtigt werden könnte, von sich aus solche Gesuche abschlägig zu bescheiden.«224
Man war also in Bonn bereit, die volle Verantwortung für derartige Doktorgradentziehungen zu übernehmen. Aktenkundig wurden insgesamt acht Doktorgradentziehungen durch den Universitätsausschuss nach Gerichtsurteilen wegen Abtreibung und der folgenden Rücknahme der »Bestallung«.225 Im Jahr 1940 wurden die meisten Doktortitel wegen Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit entzogen und deren Träger als dieses Titels »unwürdig« bezeichnet. Allein am 16. Juni 1940 unterzeichnete Rektor Chudoba einen »Entziehungsbeschluss«, der mit Peter Franz Michels (Pater Thomas) und Hans Stern zwei Angehörige der Philosophischen Fakultät und die sechs an der Medizinischen Fakultät Studierenden Otto Wallerstein, Julius Hagemann, Hans Liebenberg, Eugen Salomon, Sally Löwenstein und Hildegard Waldsachs beGFaG § 4; UG § 54, in: Juristenzeitung, Jg. 1981, S. 661-664. Bis 1970 konnte der damals noch als Sanktionsmaßnahme vorgesehene Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte die Aberkennung des Doktorgrads zur Folge haben. Heute orientieren sich die verantwortlichen Gremien an rechtskräftigen Verurteilungen wegen vorsätzlicher Tötung, wegen Vergewaltigung oder wegen anderer Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit (einschließlich Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz), die mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht sind. Vgl. Starosta, Aberkennung, S. 1052. 224 UAB, Rektorat, A 21, Rektor Schmidt an Dekan der Medizinischen Fakultät, 19. 06. 1939. 225 UAB, MF 68/116, »Entziehungsbeschluss« des Rektors, 28. 12. 1942, Abschrift.
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traf.226 Es folgten nach den entsprechenden Entscheidungen des Entziehungsausschusses vom 5. September und 17. September 1940 Artur Frank und Friedrich Schwartz.227 Am 25. August 1941 unterzeichnete Prorektor Pietrusky einen weiteren Entziehungsbeschluss, der nun ausdrücklich von »Juden« sprach, denen der Doktortitel aberkannt wurde. Es handelte sich um Paul Theodor Leser von der Philosophischen Fakultät und die Mediziner Rudolf Aron und Emanuel Rubensohn.228 Bereits am 12. Mai 1939 waren Max Behr, Fritz Bernheim und Rudolf Weil wegen Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit die Doktorgrade vom Rektor der Universität entzogen worden.229 Im engeren Sinne kriegsbedingt war die Aberkennung des Doktorgrads im Fall des Aachener Arztes Hermann Pieper. Er und seine Ehefrau hatten gegen die »Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen« vom 1. September 1939 verstoßen, die das Hören feindlicher Sender verbot. Deshalb verurteilte ihn das Sondergericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts Köln am 3. April 1940 zu zwei Jahren Zuchthaus; am 13. August 1941 nahm der Aachener Regierungspräsident Piepers Approbation zurück.230 In den 16 Monaten zwischen rechtskräftiger Verurteilung und Widerruf der Approbation ließ die Universität die Angelegenheit keineswegs auf sich beruhen, sondern erkundigte sich nach der offiziellen Unterrichtung durch die Kölner Staatsanwaltschaft und das Aachener Regierungspräsidium immer wieder nach dem Stand des Verfahrens vor der Ärztekammer.231 Am 2. Oktober 1941 entzog der zuständige Bonner Universitätsausschuss Pieper den Doktortitel, nachdem Dekan Selter dem Rektor mitgeteilt hatte, die Fakultät halte den Verlust der Approbation »für not-
226 UAB, MF 68/116, »Entziehungsbeschluss« Rektor Chudobas, 16. 06. 1940. 227 UAB, MF 68/116, Rektor Chudoba an »alle deutschen Hochschulen«, 09. 01. 1941. Ebd. wird »Schwartz« »Schwarz« genannt und der Beschluss um einen Monat, auf den 17. Oktober 1940, verlegt. Die wohl richtigen Angaben finden sich in: UAB, MF 68/116, Entziehungsbeschluss, 17. 09. 1940 mit den Unterschriften von Rektor Chudoba, Dekan Tiemann u. a. 228 UAB, MF 68/116, »Entziehungsbeschluss« Prorektor Pietruskys, 25. 08. 1941. 229 UAB, MF 79/191, von Rektor Schmidt unterzeichneter »Beschluss«, 12. 05. 1939. 230 UAB, MF 68/116, Urteil des Sondergerichts für den Bezirk des Oberlandesgerichts Köln gegen Hermann Pieper und Elise Pieper, 18. 04. 1940, Abschrift; ebd., Regierungspräsident Aachen an Pieper, 13. 08. 1941, Duplikat. Zu den Sondergerichten und der Justiz im KölnBonner Raum vgl. Klein, Justiz, S. 211–264 sowie Laum/Pamp, Oberlandesgericht, S. 648–679. 231 UAB, MF 68/116, Staatsanwaltschaft Köln an Universität Bonn, 22. 04. 1940; ebd., Rektor Chudoba an Dekan MF, 03. 05. 1940; ebd., i. A. Domansky/Regierungspräsident Aachen an Rektor Bonn, 01. 08. 1940, 13. 12. 1940, 31. 03. 1941; ebd., i. A. Regierungspräsident Köln an Rektor Bonn, 22. 07. 1940; ebd., Dekan Tiemann an Rektor, 10. 05. 1940; ebd., Rektor an Regierungspräsident Köln, 14. 05. 1940, 18. 07. 1940; ebd., Rektor Bonn an Regierungspräsident Aachen, 25. 07. 1940, 05. 12. 1940.
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wendig«.232 Andere Fälle beruhten auf »Devisenvergehen«, die ihre Flucht vorbereitende Verfolgte des NS-Regimes nahezu zwangsläufig begehen mussten.233
Der Fall Thomas Mann Als die Philosophische Fakultät am 9. Juli 1919 über die in Aussicht genommene Ehrenpromotion Thomas Manns abstimmte, galt der Schriftsteller als über alle Zweifel erhaben. Es gab lediglich eine Stimmenthaltung, obwohl Thomas Manns Ehrenpromotion vom Üblichen abwich.234 Denn er war nach dem Dithmarschener Mundartdichter Klaus Groth 1856 erst der zweite Schriftsteller, den die Universität in die Reihen ihrer Doktoren aufnahm.235 Das Verhältnis zwischen Thomas Mann und der Universität Bonn blieb fortan ein freundliches. Auf seiner Reise nach Stockholm zur Entgegennahme des Nobelpreises 1929 bereitete man ihm einen triumphalen Empfang.236 Thomas Mann notierte ein Jahr später für die Neue Rundschau: »Die Feier in der Aula der Universität Bonn, deren philosophische Fakultät mich kurz nach dem Kriege zum Doktor h.c. promoviert hatte, bleibt mir unvergeßlich durch den jugendlichen Zudrang, der nach Aussage besorgter Professoren den Fußboden des alten Saales auf eine bedenkliche Belastungsprobe stellte«.237 Der Triumph machte Thomas Mann trotz mancher Fehleinschätzung im Einzelnen nicht blind für die politischen Realitäten. Seinem zum Nationalsozialisten gewandelten Fürsprecher Ernst Bertram schrieb Thomas Mann Ende 1931: »Glauben Sie mir, die Tage Ihrer Universitäten sind auch gezählt.«238 Und kurz vor dem Verlassen Deutschlands schrieb er am 4. Februar 1933 in einem anderen Brief mit fatalistischem Unterton: »Ständen wir heute, wo wir stehen, wenn die Revolution mit mehr Glauben an sich selbst durchgegriffen hätte? Aber vielleicht mußte das alles so sein und dem gespenstischen Unfug, den wir jetzt erleben, der Weg frei gehalten werden, wie es geschehen. Daß das Endziel dennoch die wirkliche, die selbstbewußte und starke soziale Republik sein wird, ist meine feste Überzeugung und all dies mögen unvermeidliche Mittel zur politischen Erziehung unseres großen und dabei in politischen Dingen so märchenthörichten Volkes sein.«239 232 UAB, R 68/116, Dekan Selters an Rektor, 25. 09. 1941. UAB, MF 68/121, »Entziehungsbeschluss« Prorektor Pietruskys, 02. 10. 1941. 233 UAB, MF 68/116, Urteil des Sondergerichts Düsseldorf gegen Karl Zaudy, 03. 08. 1939. 234 Vgl. Hübinger, Thomas Mann, S. 33. 235 Vgl. ebd., S. 35f. 236 Vgl. ebd., S. 97. 237 Zit. nach ebd., S. 381. 238 Zit. nach ebd., S. 101. 239 Zit. nach Forsbach, Fischer-Baling, S. 198.
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Am 11. November 1933 forderte das Preußische Kultusministerium von den Universitäten Verzeichnisse der erfolgten Ehrenpromotionen an. Im Februar 1934 folgte die Anweisung, den Entzug der Ehrendoktorgrade zu prüfen. Hierauf wurde man auch in Bonn tätig. Am 14. März 1934 erreichte den Rektor ein Bericht aus der Philosophischen Fakultät. In diesem heißt es wörtlich: »Unter den angegebenen Ehrendoktoren dürften sich wohl einige befinden, bei denen wir es lieber sähen, daß ihnen der Ehrendoktor nicht erteilt worden wäre, wie z. B. Thomas Mann. Ich glaube jedoch nicht, daß gegenüber irgendeinem von den Ehrendoktoren Material vorliegt, welches die Entziehung des Ehrendoktors als gerechtfertigt erscheinen lassen würde.«240
Abb. 15: Aberkennung des Ehrendoktortitels für Thomas Mann
In den folgenden Jahren hat Thomas Manns Ehrenpromotion die Fakultätsmitglieder und die Rektoren immer wieder informell, bisweilen offiziell beschäftigt. Paul Egon Hübinger hat die Entwicklung akribisch nachgezeichnet, auch den Einsatz der immer schärferen propagandistischen Mittel gegen Thomas Mann, die am 2. Dezember 1936 zum Entzug seiner Staatsangehörigkeit führten.241 Dem Entzug der Staatsbürgerschaft aus sogenannten nichtrassischen Gründen hatte nach einem Erlass des Wissenschaftsministeriums die Ab240 Zit. nach Hübinger, Thomas Mann, S. 114. 241 Vgl. ebd., S. 180.
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erkennung der Promotion zu folgen. Entsprechend verfuhr die Universität Bonn. Folgendes Schreiben unterzeichnete der Dekan der Philosophischen Fakultät, Karl Justus Obenauer, am 19. Dezember 1936: »Im Einverständnis mit dem Herrn Rektor der Universität Bonn muß ich Ihnen mitteilen, daß die Philosophische Fakultät sich nach Ihrer Ausbürgerung genötigt gesehen hat, Sie aus der Liste der Ehrendoktoren zu streichen. Ihr Recht, diesen Titel zu führen, ist […] erloschen.«242 Dieser Brief hätte auch nach NS-Recht nicht geschrieben werden müssen, da nach einem Erlass vom 16. Dezember 1936 die Bekanntmachung der Betroffenen im Reichsanzeiger die individuelle Benachrichtigung ersetzen sollte. Doch diese Änderung der vorherigen Regelung war Obenauer beim Abfassen seines Schreibens noch nicht bekannt. Die Fakultät als ganze hat über den Fall nicht beraten. Die Entscheidung beruhte auf Gesprächen zwischen Dekan Obenauer, Rektor Karl Schmidt und dem Wissenschaftsministerium.243 So sehr sich Thomas Mann 1919 gefreut hatte, so enttäuscht war er jetzt, auch wenn der Tagebucheintrag von Weihnachten 1936 betont beiläufig formuliert ist: »Fast hätt’ ich’s vergessen: Mitteilung der philos. Fakultät von Bonn über Aberkennung des Ehrendoktors als Folge der Ausbürgerung. – Antwort erwogen.«244 In seinen brieflichen Äußerungen ist von »Choc«, »Niedergeschlagenheit« und »Ekel« die Rede.245 Thomas Mann reagierte Neujahr 1937 mit einem elfseitigen, an den Dekan gerichteten Brief, der etwa Mitte Januar als Broschur in der Schweiz publiziert wurde. Wohl ganz bewusst kündigte der Verlag in der Werbung eine Antwort auf die Ausbürgerung, nicht auf den Entzug des Ehrendoktorgrads an. Thomas Mann setzte sich in dem Schreiben nach dem Vorbild von Jacob Grimms Flugschrift »Über meine Entlassung« mit den im totalitären Deutschland verschmähten humanistischen Grundwerten auseinander ; es mündete in das Stoßgebet: »Gott helfe unserem verdüsterten und mißbrauchten Lande und lehre es, seinen Frieden zu machen mit der Welt und mit sich selbst!«246 Die Universität Bonn fand nur am Rande Erwähnung, aber das Urteil über die Hochschulen des »Dritten Reichs« war klar und eindeutig: »Die schwere Mitschuld an allem gegenwärtigen Unglück, welche die deutschen Universitäten auf sich geladen haben, indem sie aus schrecklichem Mißverstehen der historischen Stunde sich zum Nährboden der verworfenen Mächte machten, die Deutschland moralisch, kulturell und wirtschaftlich verwüsten, – diese Mitschuld hat mir die Freude an der mir einst verliehenen akademischen Würde längst verleidet und mich gehindert, noch irgendwelchen Gebrauch davon zu machen. Den Ehrentitel eines
242 243 244 245 246
Zit. nach ebd., S. 562. Vgl. ebd., S. 122–125. De Mendelssohn, Thomas Mann, Eintrag 25. 12. 1936, S. 413. Zit. nach Hübinger, Thomas Mann, S. 244. Zit. nach ebd., S. 569.
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Doktors der Philosophie führe ich auch heute, da die Harvard Universität ihn mir aufs neue verliehen hat«.247
Die Aberkennung der Bonner Ehrenpromotion Manns und dessen Reaktion war für das Ansehen des nationalsozialistischen Staates eher schädlich als nützlich. Dies wussten auch die Nationalsozialisten selbst: Sie wiesen die Presse an, die Causa Thomas Mann nicht länger zum Gegenstand ihrer meist hetzerischen Kommentare zu machen.248 Die Bonner Affäre stärkte hingegen diejenigen, die als Oppositionelle oder Opfer auf ein baldiges Ende des Regimes hofften. Marcel Reich-Ranicki, für den als Verehrer Thomas Manns das Wort des Nobelpreisträgers von besonderem Rang war, schrieb über die Umstände, unter denen er von Manns brieflicher Reaktion auf die Aberkennung der Ehrendoktorwürde erfuhr : »Die Frage, was Thomas Mann, der nun in der Schweiz wohnte, angesichts dessen, was sich in Deutschland abspielte, tun werde, gewann für mich, ich übertreibe nicht, lebenswichtige Bedeutung. Als ich an jenem Abend im Februar 1937 die ersten Worte seines Briefes hörte, war ich sehr unruhig, ich glaube, ich zitterte. Ich hatte ja keine Ahnung, worauf ich mich gefasst machen sollte, wie er sich also entschieden hatte, wie weit er gegangen war. Doch schon der dritte Satz hat die Unsicherheit behoben. Denn hier war von den ›verworfenen Mächten‹ die Rede, ›die Deutschland moralisch, kulturell und wirtschaftlich verwüsten‹. Da konnte kein Zweifel mehr sein: Thomas Mann hatte sich in diesem Brief zum ersten Mal und in aller Deutlichkeit gegen das ›Dritte Reich‹ gestellt.«249
Universität und Fakultät haben sich in den verbleibenden Jahren des »Dritten Reichs« nur noch am Rande mit Thomas Mann befasst, meist in Reaktion auf gegen Mann gerichtete Unterstützungsschriften. Episode blieb auch der Auftritt des nationalsozialistischen, aber immer wieder unkonventionelle Ansichten vertretenden Bonner Germanisten Hans Naumann, der den Fall Thomas Mann in einem Zeitungsinterview mit einer dänischen Zeitung einerseits als »Tragödie« bezeichnete und fälschlicherweise den Entzug des Ehrendoktorgrads als von Berlin ungewollt darstellte, andererseits aber die angebliche »rassische Minderwertigkeit« der Familie Mann als Erklärung für die Entwicklung heranzog.250 Nach dem Ende des NS-Regimes nahm der Fall Thomas Mann innerhalb der Universität eine Sonderstellung ein. Denn bei allen anderen Entziehungen oder Nichtverleihungen von ordnungsgemäß erworbenen Doktorgraden ist die Universität bis 1996 nicht von sich aus aktiv geworden. Vielmehr hat sie die 247 248 249 250
Zit. nach ebd., S. 562. Vgl. ebd., S. 262 Reich-Ranicki, Leben, S. 103f. Verweyen, Bücherverbrennungen, S. 180–183.
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»Nichtigkeit« von entsprechenden Entscheidungen aus der Zeit des »Dritten Reichs« nur auf Antrag und nach Einzelfallprüfung bestätigt.251 Nach langwierigen quälenden Beratungen ließ die Philosophische Fakultät über den emigrierten Bonner Mediävisten Wilhelm Levison bei Thomas Mann »sondieren«.252 Die Verantwortlichen wollten aus Sorge um eine Zurückweisung ihrer Geste zunächst auf eine direkte Kontaktaufnahme mit Thomas Mann verzichten. Es ging ihnen, so wird man schließen dürfen, primär um das Ansehen von Fakultät und Universität und nicht um den Versuch einer damals unkritisch so genannten »Wiedergutmachung« gegenüber einem Menschen, dem Unrecht widerfahren war. Diese These findet auch darin ihre Bestätigung, dass es eben nur der prominente Fall der Ehrenpromotion Thomas Manns war, der überhaupt von Seiten der Universität aufgegriffen wurde. Wie unberechtigt die Bonner Sorge war, von Thomas Mann zurückgewiesen zu werden, stellte sich bald heraus. Er antwortete Levison am 24. September 1946 aus Kalifornien und zeigte sich völlig unkompliziert: »Haben Sie Dank für Ihren Brief! Ich hatte seit dem Ende des tausendjährigen Reiches schon hie und da daran gedacht, daß eine solche Geste von Bonn eigentlich fällig sei – und fast schon die Hoffnung aufgegeben, daß sie noch erfolgen werde. Nun kommt der freundliche Wiedergutmachungsantrag doch, als Ergebnis eines längst gefaßten Beschlusses, wie Sie schreiben, und Sie sehen mich aufrichtig erfreut darüber. Ich bin nicht der Mann, ein solches Anerbieten mit der Miene der Unversöhnlichkeit zurückzuweisen. Vorausgesetzt also, daß es sich um einen freien, spontanen und einhelligen Wunsch der Fakultät handelt, und daß diese gewiß ist, mit der Wiederverleihung des Ehren-Doktorats an mich der Stimmung in der Universität überhaupt zu entsprechen und die Gesinnung der großen Mehrheit der Studentenschaft zum Ausdruck zu bringen, – bin ich dankbar bereit, mir das schöne Diplom von damals bestätigen, vielleicht sogar erneuern zu lassen. Denn es ist mir 1933 mit viel anderer Habe verloren gegangen, und unter einer ganzen Kollektion amerikanischer Pergamente dieser Art fehlt das wichtigste und schicksalsreichste, das deutsche.«253
Daraufhin erhielt Mann mit je einem Schreiben von Rektor Heinrich Konen und von Dekan Oertel im Advent des Jahres 1946 die Mitteilung, dass die Fakultät den Entzug der Ehrendoktorwürde »für nichtig erklärt« habe.254 Die späte Benachrichtigung begründete Dekan Oertel im Namen der Philosophischen Fakultät mit der »Würde der Fakultät«, die es verboten habe, »den Eindruck einer billigen Geste erwecken oder gar eine Ablehnung zu erfahren«.255 Thomas Mann ant251 Vgl. Forsbach, Nationalsozialismus, S. 287 sowie Forsbach, Fakultät, S. 412–432. 252 Zit. nach Hübinger, Thomas Mann, Schreiben vom 06. 09. 1946, S. 588. 253 Zit. nach ebd., S. 589 (Levison an Dekan der Philosophischen Fakultät, 11. 10. 1946, den Brief Thomas Manns an Levison vom 03. 10. 1946 referierend). 254 Zit. nach ebd., S. 593; vgl. auch Harpprecht, Mann, S. 1607–1609. 255 Zit. nach Hübinger, Thomas Mann, S. 593.
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wortete wiederum in überaus freundlichem, ja gerührtem Ton, ohne den historischen Hintergrund außer Acht zu lassen: »Wenn etwas meine Freude und Genugtuung dämpfen kann, so ist es der Gedanke an den entsetzlichen Preis, der gezahlt werden mußte, ehe Ihre berühmte Hochschule in die Lage kam, den erzwungenen Schritt von damals zu widerrufen.«256
Zwangssterilisationen Die etwa 400.000 Zwangssterilisationen an Frauen und Männern gemäß des am 1. Januar 1934 in Kraft getretenen »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« gehören zu den Taten des »Dritten Reichs«, deren verbrecherischer Charakter lange verkannt wurde.257 In Bonn wurden die meisten Zwangssterilisationen an der Universitätsfrauenklinik vorgenommen. Ihr Direktor war Harald Siebke, der mit einer kurzen Unterbrechung von 1936 bis 1940 auch Dekan war. Er war ein typischer Anpasser, der zu jeder Selbstgleichschaltung bereit war. Er ließ sich nicht nur zum Dekan wählen, er bemühte sich seit Mai 1933 letztlich erfolgreich auch um die Mitgliedschaft in der NSDAP. Offenbar ohne Bedenken reihte er sich in die Phalanx von Klinikärzten ein, die sich an der Durchführung des »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« beteiligten. Von Anfang an wurde in der Frauenklinik nicht der geringste Versuch unternommen, sich den Operationen zu verweigern, etwa so wie dies katholische Krankenhäuser erfolgreich taten.258 Im Gegenteil nutzte man das neue Aufgabenfeld, um für eine Personalaufstockung zu werben. Schon unter Siebkes Vorgänger Otto von Franqu8 hatte der Oberarzt Walter Haupt in Vertretung des Klinikdirektors im September 1934 eine zweite Schwester beantragt.259 Nachdem die beantragte Personalaufstockung verwehrt worden war, wandte sich der scheidende, parteilose Direktor Otto von Franqu8 selbst an den Verwaltungschef der Universität, den Kurator. Aus seinem auf den 12. Oktober 1934 datierten Brief geht klar hervor, dass er sich der Dimension des neuen Aufgabenbereichs nach anfänglicher Fehleinschätzung bewusst war. Franqu8 schrieb, »die Klinik« sei »in ganz unerwarteter Weise mehr belastet« worden: »Wir mußten seit Ende Mai dieses Jahres bis jetzt 108 Sterilisationen ausführen; es versteht sich von selbst, daß diese verantwortungsvollen Operationen nicht alle von dem Direktor der Klinik durchgeführt werden können und auch nur erfahrenen und in operativer Hinsicht erprobten Kräften anvertraut werden können. Nach den Mit256 257 258 259
Zit. nach ebd., S. 596. Westermann, Leid. Vgl. Forsbach, Euthanasie. GStA, Rep. 76, NW 5, Nr. 498, Bd. XVII, Haupt an Verwaltungs-Inspektion der Klinischen Universitätsanstalten, 08. 09. 1934.
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teilungen der für die Bonner Klinik zuständigen Erbgesundheitsgerichte und Pflege- und Heilanstalten ist eine Abnahme des Zudrangs solcher Patientinnen innerhalb der nächsten Jahre noch nicht zu erwarten«.260 Festzuhalten ist: In knapp fünf Monaten, in den ersten Monaten der Zwangssterilisation, wurden 108 entsprechende Operationen in der Universitätsfrauenklinik durchgeführt.261 Franqu8s Nachfolger Siebke aber ging noch weiter. In den Akten findet sich der Fall eines fünfzehnjährigen dunkelhäutigen, vollkommen gesunden Mädchens, das von Siebke im Juni 1937 auf Geheiß der Gestapo zwangssterilisiert worden ist.262 Damit verstieß er sogar gegen die NS-Gesetzgebung, denn Zwangssterilisationen von Mädchen und jungen Frauen, deren Vater ein französischer oder amerikanischer Besatzungssoldat mit dunkler Hautfarbe gewesen war, wurden durch das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« nicht gestattet. Erfasst wurden Krankheiten und Behinderungen, aber keine »rassischen« Merkmale.263 Nach einem von Ministerialdirektor Arthur Gütt entwickelten Plan hatte die Gestapo eine »Sonderkommission 3« gebildet, der drei Unter-Kommissionen, die über die Sterilisation im Einzelfall zu entscheiden hatten, unterstanden. Die Kommission 3 war in Koblenz angesiedelt und lag Bonn am nächsten.264 Die gesamte Aktion sollte geheim bleiben, der notwendige Schriftverkehr per Einschreiben abgewickelt werden. So ist davon auszugehen, dass sich auch die der Zwangssterilisation schuldig machenden Ärzte, darunter Siebke, der Illegalität ihres Handelns bewusst waren.265 Dass Sterilisationen auf der Grundlage des »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« in Bonn vorgenommen wurden, war dagegen kein Geheimnis und in Gesetzessammlungen sowie Gesetzeskommentaren nachzulesen. Im Verzeichnis der »Kran260 GStA, Rep. 76, NW 5, Nr. 498, Bd. XVII, Franqu8 an Kurator, 12. 10. 1934. 261 Dass die Sterilisierungen allenfalls in ganz wenigen Ausnahmefällen nicht als Zwangssterilisierungen bezeichnet werden können, zeigt am Beispiel Bremen Schmacke/Güse, Rassenhygiene, S. 84–98; Vgl. auch die Falldokumentationen in Bock, Zwangssterilisation, S. 209–229 sowie ebd., S. 270–277. 262 BA (Koblenz), R 1501, Nr. 1271 a, Siebke an Regierungsrat Thorn/Sonderkommission III, Koblenz, 17. 06. 1937, Einschreiben. Auch zit. in: Pommerin, Schicksal, S. 84 (Faksimile des Briefs ebd., S. 106). 263 Vgl. Pommerin, Schicksal, S. 52; Przyrembel, Rassenschande, S. 60f. Vgl. zudem Ganssmüller, Erbgesundheitspolitik, S. 85f.; El-Tayeb, Rasse, S. 178f. Obwohl keine rassischen Merkmale erwähnt werden, gehört das »Erbgesundheitsgesetz« zur »Rassengesetzgebung im engeren Sinne«. Deren Zweck war die Erhaltung der »Rassereinheit« nicht nur durch Ausschaltung von »Nichtariern«, sondern auch durch eine gegen als krank angesehene »Arier« gerichtete »Erbgesundheitspflege«, Majer, Fremdvölkische, S. 180. 264 Zur Sterilisierung der »Rheinlandbastarde« vgl. ausführlich Pommerin, Schicksal, passim, sowie knapp Kaupen-Haas, Bevölkerungsplaner, S. 112f. 265 Vgl. vorsichtiger Pommerin, Schicksal, S. 82. Dass »die anthropologische Rassenzugehörigkeit« im Sterilisationsgesetz »ausgeklammert« worden war, hatte wohl außenpolitische Gründe. Vgl. Kröner, Eugenik, S. 117. Zu den Überlegungen, »Halbjuden« zu sterilisieren, vgl. Essner, Gesetze, S. 419–432.
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kenanstalten zur Durchführung des chirurgischen Eingriffs des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« vom 16. Oktober 1934 wurde auch die Universität Bonn aufgeführt.266 Zur »Unfruchtbarmachung durch Strahlenbehandlung« waren gemäß einer Verordnung vom 25. Februar 1936 zwei Bonner Anstalten berechtigt. Röntgen- und Radiumbestrahlungen durfte neben dem Röntgeninstitut der Chirurgie die »Universitäts-Frauenklinik in Bonn« vornehmen.267 Am 30. September 1936 wurde sämtlichen Fachärzten der Frauenklinik die Erlaubnis »zur Unfruchtbarmachung« erteilt.268 Die Sterilisation von Männern erfolgte in der von dem durchaus regimekritischen Erich von Redwitz geleiteten Chirurgischen Klinik. In der Durchführungsverordnung vom 25. Februar 1936 wurde dem »Röntgeninstitut der Chirurgischen Universitätsklinik« unter Robert Janker die Sterilisierung durch Röntgen- und Radiumbestrahlung genehmigt, die mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden ist.269 Am 30. September 1936 erhielten sämtliche Fachärzte der Chirurgischen Klinik die Erlaubnis »zur Unfruchtbarmachung«.270 Die Zahl der Zwangssterilisationen lag mit »20-40 im Monat« so hoch, dass Klinikdirektor Erich von Redwitz im Januar 1936 ähnlich wie zuvor Otto von Franqu8 in der Frauenklinik den Dekan auf seine Personalsorgen hinwies.271 Die Gesamtzahl der in Bonn sterilisierten Frauen und Männer ist bislang nicht geklärt. Anders als etwa in Göttingen, Bremen und Freiburg sind wichtige Unterlagen vernichtet worden.272 Sicher aber ist, dass sich weit über 1.000 Menschen der Operation unterziehen mussten, möglicherweise über 4.000. Die Kartei des ehemaligen Erbgesundheitsgerichts Bonn verzeichnet 4.430 Fälle von Anträgen auf Sterilisierung. Betroffen waren 2.751 Männer und 1.679 Frauen. Allein in einem Operationsbuch der Chirurgischen Klinik, das bis Juni 1936 geführt wurde, sind 710 an Männern vorgenommene Zwangssterilisierungen verzeichnet.273
266 267 268 269 270 271 272
273
Gütt/Rüdin/Ruttke, Gesetz, S. 372. Ebd., Gesetz, S. 377. UAB, MF 79/12, Kurator i. V. an MF Bonn, 30. 09. 1936. Gütt/Rüdin/Ruttke, Gesetz, S. 377; zur Chirurgie vgl. Kap. 2.13. Zum Krebsrisiko vgl. Proctor, Blitzkrieg, S. 109–112. UAB, MF 79/12, Kurator i.V. an MF Bonn, 30. 09. 1936. UAB, MF 79/106, Redwitz an Dekan Stöhr, 20. 01. 1936, Abschrift (auch ebd., PA 1413). Vgl. lokale Erhebungen u. a. in Beushausen/Dahms/Koch/Massing/Obermann, Fakultät, S. 208f.; Rudnick, Behinderte, S. 90f.; Link, Zwangssterilisationen, S. 73–77 (ebd., S. 77: »Aus den Akten der Universitätsfrauenklinik Freiburg lassen sich für den Zeitraum von 1934 bis 1944 906 eugenische Zwangssterilisationen und 36 Schwangerschaftsabbrüche aus eugenischer Indikation nachweisen.«); Vgl. auch Pfäfflin, Zwangssterilisation, S. 28. UAB, Operationsbuch der Chirurgischen Klinik, Juni 1933-Juni 1936.
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»Euthanasie« Zwei Professoren der Medizinischen Fakultät, Kurt Pohlisch und Friedrich Panse, beurteilten im Rahmen der nach der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 benannten »Aktion T4« psychisch Kranke und geistig Behinderte. Sie entschieden aufgrund der Patientenakten vom Schreibtisch aus über Leben und Tod, ohne die Betroffenen je gesehen zu haben. Kurt Pohlisch war vom 30. April 1940 bis zum 6. Januar 1941, Friedrich Panse parallel vom 14. Mai 1940 bis zum 16. Dezember 1940 T4-Gutachter.274 In dieser Zeit bearbeiteten beide nach eigenen Angaben etwa 1.000 Meldebögen aus schlesischen und österreichischen Anstalten, Pohlisch bis zu 400, Panse etwa 600.275 Pohlisch gelangte nach eigenen Angaben in ein bis zwei Prozent der Fälle zu Tötungsentscheidungen.276 Tatsächlich lag die Quote höher. Selbst das Landgericht Düsseldorf ging, trotz deutlich skeptischerer Schätzungen der Staatsanwaltschaft, von zehn Tötungsentscheidungen Pohlischs und 15 Tötungsentscheidungen Panses aus.277 Gleichwohl entsprach die Gutachtertätigkeit Pohlischs und Panses nicht den Erwartungen der Berliner T4-Zentrale. Wahrscheinlich deshalb wurden beide zur Jahreswende 1940/41 aus dem Kreis der 40 außerhalb der sechs Tötungsanstalten tätigen T4-Gutachter ausgeschlossen.278 Pohlisch und Panse haben in Gerichtsprozessen nach dem Krieg immer wieder ihr vergleichsweise gemäßigtes Verhalten als T4-Gutachter in den Vordergrund zu rücken versucht. Pohlisch betonte beispielsweise, Geheimnisverrat begangen zu haben, indem er sich unter anderem mit dem lange als oppositionell geltenden Landesrat in der Gesundheitsverwaltung der Rheinprovinz, Walter Creutz, getroffen habe.279 Nach dem Ende des NS-Regimes konnten Pohlisch und Panse gegen den Willen der nordrhein-westfälischen Landesregierung juristisch ihre Weiterbeschäftigung an der Universität Bonn beziehungsweise der Medizinischen Akademie Düsseldorf durchsetzen.280
274 Vgl. die Gutachterliste in Klee, »Euthanasie«, S. 228f. Zu Ablauf und Organisation der T4Aktion vgl. Hermeler, Euthanasie, S. 108–111; Ganssmüller, Erbgesundheitspolitik, S. 155f.; Klee, Euthanasie, S. 166f.; Benzenhöfer, Tod, S. 111–117; Müller-Hill, Wissenschaft, S. 44f. und sehr konzise in: Bernhardt, Anstaltspsychiatrie, S. 28–31f. Die medizinische Leitung der T4-Aktion oblag Werner Heyde und Hermann Paul Nitsche. 275 Leipert, Euthanasie, S. 121. 276 UAB, MF-PA Pohlisch, Gutachten des universitätsinternen Prüfungsausschusses von Weber/von Redwitz/Ceelen/Martini, 02. 05. 1946. Vgl. Leipert, Euthanasie, S. 122. 277 Vgl. Leipert, Euthanasie, S. 121. 278 Vgl. ebd., S. 121; vgl. auch Höpfner, Universität, S. 308f. 279 Vgl. Leipert, Euthanasie, S. 122. 280 Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 629.
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Abb. 16: Kurt Pohlisch, Medizin
Das Anatomische Institut als Profiteur des Mordens Offenbar ohne jedes Unrechtsbewusstsein und ohne Skrupel wurden im Anatomischen Institut der Universität die Leichen von NS-Opfern seziert und Leichenteile präpariert. Man freute sich über die Leichen von hingerichteten jungen, gesunden Menschen, hielt deren Zahl aber zunächst noch immer für zu niedrig und stritt sich vor allem mit der Nachbaruniversität Köln um die Zuweisung. Recht plastisch geben Zitate von Johannes Sobotta, dem wohl bedeutendsten Anatomen jener Zeit, den Eifer wieder : Sobotta forderte, zu Gunsten
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Abb. 17: Friedrich Panse, Medizin
von Bonn dem Anatomischen Institut der Universität Köln die Landgerichtsbezirke Düsseldorf und Wuppertal abzuerkennen. Schließlich gebe es in Bonn doppelt so viele Medizinstudenten wie in Köln und besitze Bonn nach Berlin und München das drittgrößte Anatomische Institut. Bonn habe aber Landgerichtsbezirke ohne ein »einziges Todesurteil« zugewiesen erhalten, während im Kölner Bereich »z. Z. bis heute rund 20 noch nicht vollstreckte Todesurteile gefällt« worden seien.281 Sobotta schloss sein Schreiben an den Kurator mit den folgenden Sätzen: 281 Anatomisches Institut Bonn, Nr. 117, Sobotta an Kurator, 21. 10. 1933.
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»Ich bitte daher […] dringlichst, im Interesse der Universität Bonn, der eine garnicht wieder gutzumachende Schädigung droht, gegen die Verteilung der Leichen Hingerichteter, wie sie die oben ausgeführte Ministerialverfügung vornimmt, ganz energisch unter den von mir angegebenen Gründen Protest einzulegen. Gleichzeitig bitte ich, da volle drei Wochen verflossen sind, ehe die genannte Verfügung hier bekannt wurde, dieses mit möglichste[r] Beschleunigung tun zu wollen, da bereits in den allernächsten Wochen (zum Teil sogar Tagen) nahezu 290 Todesurteile in der Rheinprovinz (nördl. Teil) vollstreckt werden.«282
Sobotta war gewillt, den Rigorismus des neuen Regimes zu Gunsten seines Instituts zu nutzen.283 Die Dimension dieses Rigorismus scheint er zunächst nicht erkannt zu haben. Denn dass auch in den Bonn zugesprochenen Gerichtsbezirken bald Todesurteile gefällt würden, ließ das Erziehungsministerium in kaum verhüllter Form mitteilen, als es Sobottas Ansinnen ablehnte: »Die Neuordnung wird im Zusammenhang mit der jetzt eingetretenen Verschärfung des Strafvollzugs hinsichtlich der Vol[l]streckung von Todesurteilen auch für das Anatomische Institut der dortigen Universität einen stärkeren Leichenanfall als bisher zur Folge haben.«284 Auch unter Sobottas Nachfolger Philipp Stöhr setzte sich der Kampf um Leichen fort. In freudiger Erwartung bestellte man für das Jahr 1935 die für die Sezierung und Präparierung unentbehrlichen Chemikalien »in 20facher Menge«.285 Insgesamt gelangten die Leichen von mindestens 154 während der NS-Zeit Hingerichteten an das Anatomische Institut der Universität, in der Regel ohne Einwilligung der Betroffenen oder deren Familien.286
282 Anatomisches Institut Bonn, Nr. 117, Sobotta an Kurator, 21. 10. 1933. 283 Vgl. zum Rigorismus des NS-Regimes Wüllenweber, Sondergerichte, S. 41f. Belegt sind 5.243 Todesurteile des Volksgerichtshofs. Hinzu kommen mindestens 11.000 Todesurteile der Sondergerichte. Etwa 12.000 Urteile dürften vollstreckt worden sein. Hinzuzurechnen sind die bislang nicht bezifferten sogenannten Urteile nach »NN-Verfahren«: Verfahren nach Nacht- und Nebel-Aktionen sowie etwa 25.000 von Kriegs- und Feldgerichten ausgesprochene Todesurteile gegen Wehrmachtssoldaten. Von 1907 bis 1932, also einschließlich der Zeit des Ersten Weltkriegs, sind lediglich 393 Hinrichtungen dokumentiert. Vgl. auch Angermund, Richterschaft, S. 210f. 284 Anatomisches Institut, Nr. 117, Erlass Breuer/Wissenschaftsministerium, 06. 11. 1933, Durchschrift. 285 Van Rey, Institute, S. 39. 286 Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 542.
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Opposition und Widerstand Oppositionelle Regungen zu Beginn des NS-Regimes Versuche oppositionellen Verhaltens gab es zu Beginn der NS-Herrschaft vereinzelt von offizieller Seite wie dem Rektorat. Am Tag des sogenannten »Judenboykotts«, dem 1. April 1933, wandte sich wie oben der Rektor, der Rechtshistoriker und Österreicher Adolf Zycha, nach Störungen im Universitätsbetrieb an die Polizei.287 Diese Störungen gingen auf einen Aufruf des Bundesführers des NS-Studentenbunds Oskar Stapel zurück. Er hatte in einem Manifest geschrieben: »Ab 1. April 1933 stehen vor den Hörsälen und Seminaren der jüdischen Professoren und Dozenten Posten der Studentenschaft, die die Aufgabe haben, die deutschen Studenten vor dem Besuch solcher Vorlesungen und Seminare zu warnen, mit dem Hinweis, daß der betreffende Dozent als Jude von allen anständigen Deutschen berechtigt boykottiert wird«.288 Zychas Folgerung aus den Ereignissen war freilich mehr als zwiespältig. Er rief zwar die Polizei, empfahl den als jüdisch verfolgten Professoren aber zugleich, einstweilen nicht an der Universität zu erscheinen.289 Oppositionelle Regungen gab es vor allem in den ersten Monaten des Regimes bei einzelnen Professoren und aus den Reihen der Studierenden während der Lehrveranstaltungen. In Vorlesungen achteten die Hörer – auch Nationalsozialisten – aufmerksam auf politisch deutbare Bemerkungen. Der Direktor der Medizinischen Klinik, Paul Martini, berichtet in seinen Erinnerungen, »daß auch Äusserungen, die ich selbst nicht einmal bewußt grundsätzlich gegen Handlungen des Nationalsozialismus gerichtet hatte, wenn sie auch so ausgelegt werden konnten, mit lauten Trampeln der Studenten approbiert wurden«.290 Auch an bewusste Kritik erinnert sich Martini, etwa zur »Praxis der Erbgesetze« und »zur Tötung ›minderwertigen Lebens‹«.291
Rückzug und Selbstkündigungen Mit der NS-Herrschaft Unzufriedene zogen sich vielfach aus dem öffentlichen Leben zurück und beschränkten ihre Kontakte auf gleichgesinnte Bekannte. Zu diesen Zirkeln zählten im Umfeld der Universität neben Paul Martini der Chirurg Erich von Redwitz, in dessen Klinik gleichwohl Zwangssterilisationen vorge287 288 289 290 291
UAB, MF 79/70, Rektor Zycha an Dekan MF, 04. 04. 1933; vgl. Forsbach, Fakultät, S. 598. Zit. nach Hammerstein, Goethe-Universität, S. 171. Vgl. Höpfner, Universität, S. 122. Martini, Erinnerungen, Teil IV, S. 231. Ebd.
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nommen wurden, der Honorarprofessor für Französische Geistes- und Gesellschaftsgeschichte Hermann Platz, dem 1935 sein Lehrauftrag entzogen wurde,292 der Direktor der Universitätsbibliothek und Universitätsprofessor Erich von Rath, der Direktor des Pathologischen Instituts der Universität, Wilhelm Ceelen, und der pensionierte Bergwerksdirektor und promovierte Jurist Wilhelm Schlüter.293 Zu diesen Kreisen gehörte anfangs zudem die aus der niederländisch-jüdischen Familie Kann stammende Witwe des 1917 gestorbenen Anglisten Karl Bülbring, Hortense Leonore; bei ihr lebte noch eine ihrer drei Töchter, Maud, die nach Martini »das hübscheste« und »auch das am ›nordischsten‹ aussehende junge Mädchen in Bonn« war.294 Universitätsangehörige, die aus politischen Gründen kündigten, wurden nur im Ausnahmefall bekannt. Zu ihnen zählt Erich Both. Der Physiker und Arzt leitete die Röntgenabteilung der Medizinischen Klinik, war nolens volens der SA beigetreten und stand vor der Habilitation. Dieser Weg, so wurde ihm gesagt, stehe ihm aber nur offen, wenn er der NSDAP beitrete. Dazu war er nicht bereit und bat Klinikdirektor Paul Martini, ihn als Assistenten zu entlassen.295
Opposition aus den Fakultäten Neben der Eidverweigerung Karl Barths aus der Evangelisch-Theologischen Fakultät war die Initiative des katholischen Kirchenhistorikers Wilhelm Neuß, detailliert Alfred Rosenbergs »Mythus des XX. Jahrhunderts« wissenschaftlich zu widerlegen, einer der auffälligsten oppositionellen Akte. Im Herbst 1934 publizierte er anonym gemeinsam mit Anton Koch, Konrad Algermissen und Paul Simon die »Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts«.296 Aus Sicht der Nationalsozialisten rückständig, blieb die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät ein »Relikt der Vergangenheit«, in der »fachliche Kompetenz über politische Zuverlässigkeit« gestellt wurde.297 Im Einzelnen wird diese Gesamteinschätzung zu relativieren sein, doch fanden die Nationalsozia292 Vgl. Bock, Abendland-Kreis. 293 Klaus Zacharias, Dr. jur. Wilhelm Schlüter, in: Westfälische Biographien. Hrsg. vom Altertumsverein Paderborn und Verein für Geschichte Paderborn. (westfälische-biographien. de/biographien/person/532, zuletzt abgerufen am 22. 10. 2015). 294 Martini, Erinnerungen, Teil IV, S. 233. Der in Theresienstadt gestorbene Bankier, Politiker und Vertraute Theodor Herzls, Jacobus H. Kann, war ein Bruder der Witwe Bülbring. Vgl. Mozes Heiman Gans, Memorboek. Platenatlas van het leven der joden in Nederland van de middeleeuwen tot 1940, 6. Aufl. Baarn 1988, S. 611f. (joodsmonument.nl/person/464441, zuletzt abgerufen am 01. 10. 2015). 295 Vgl. Martini, Erinnerungen, Teil, IV, S. 243. 296 Vgl. Scheidgen, Wilhelm Neuß ; Faust/Rusinek/Dietz, Lageberichte, S. 82. 297 Höpfner, Universität, S. 247f.
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listen bei den Juristen ebenso wenig festen Halt wie in der Medizinischen Fakultät. Aus der zentralen Medizinischen Klinik kamen immer wieder Einsprüche, die sich meist mit dem Namen Paul Martinis verbanden. Sie richteten sich vor allem gegen Personalentscheidungen wie den Austausch der katholischen Krankenschwestern durch Rot-Kreuz-Schwestern.298 In der Philosophischen Fakultät provozierten Entlassungen bisweilen Solidaritätskundgebungen. Ein besonders deutlicher Akt war die Abschiedsvorlesung von Heinrich Lützeler nach Entzug seiner venia legendi. Statt sein Kolleg »Die großen Denker der Griechen« abzuschließen, sprach Lützeler »Vom Beruf des Hochschullehrers«.299 In gedruckter Form fand die Vorlesung unter der Hand Verbreitung bis zu Frontsoldaten.300 Weit mehr als einhundert Studierende, vor allem Katholiken aller Fakultäten, hatten sich im kleinen, überfüllten Hörsaal XIX versammelt, um Lützeler beizustehen. Der Besuch der Vorlesung durch den Ordinarius für Kirchengeschichte, Wilhelm Neuß, wurde beklatscht. Große Nachdenklichkeit und offener Widerspruch waren die Folge. In einem Spitzelbericht ist von einem Jurastudenten die Rede, der den Entzug der Lehrerlaubnis für Lützeler als »Schweinerei« bezeichnete und Parallelen fand: »Es sei genau derselbe Fall wie mit Prof. Friesenhahn, der wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur Zentrumspartei nicht ordentlicher Professor werden könne.«301
Individueller Widerstand mit christlichem Hintergrund Der Fall Lützeler zeigt, wie individueller Widerstand größere Kreise ziehen konnte. Der nicht zuletzt durch sein vielfältiges, auch populäres Wirken nach 1945 berühmt gewordene Kunsthistoriker Heinrich Lützeler war seit 1930 Privatdozent für Philosophie an der Universität Bonn. Als Feuilletonist kannte man ihn in der Stadt, spätestens seit er im Juli 1931 nach einem Auftritt des NSIdeologen Alfred Rosenberg in der Beethovenhalle öffentlich Position bezogen hatte. Rosenberg sei ein »Zerstörer der abendländischen christlichen Kulturgemeinschaft«: »Wie unerlaubt vereinfachte Rosenberg die Probleme! Das gilt gleicherweise etwa vom kunstgeschichtlichen wie vom biologischen Gebiet. Vor allem sind seine Ausführungen über rassische Fragen von einer undiskutabelen [sic] unwissenschaftlichen Unzulänglichkeit«.302 Die NS-Propaganda konterte Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 438–444. Kroll, Lützeler, S. 87. Vgl. Kroll, Lützeler, S. 87f. Kroll, Lützeler, S. 87f., Anlage II, Anonyme studentische Stellungnahme, betr. UniversitätsDozent Dr. Heinrich Lützeler, Bonn, 02. 03. 1940 (Universitätsarchiv Bonn, Nr. 5724), S. 101-102, S. 102. 302 Zit. nach Kross, Lützeler, S. 11.
298 299 300 301
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mit unappetitlichen persönlichen Vorwürfen, die sich auf Lützelers Körperbau bezogen. Die neuen Machthaber sorgten dafür, dass dem »Krüppel« und »Gnomen von Privatdozenten« kaum noch bezahlte Aufträge erteilt wurden. 1940 wurde ihm die venia legendi entzogen.303 Die Universität stellte sich nicht schützend vor ihn, wohl aber taten dies viele seiner Hörer und einzelne Kollegen wie der Historiker Fritz Kern, der Kirchenhistoriker Wilhelm Neuß und der ehemalige Provinzialkonservator und Professor für Kunstgeschichte Paul Clemen.304 Aus dem katholischen Milieu kam auch der Widerstand des Medizinstudenten Franz Josef Peters. Er führte in Bonn unter dem Decknamen Massa ein Fähnlein des katholischen »Bundes Neudeutschland« (ND), in Siegburg sogar die gesamte ND-Gruppe. Die ND-Hochschulgruppe war bereits am 14. Oktober 1933 verboten worden. Er versammelte aber weiter katholische Jugendliche, die sich bewusst der Hitlerjugend entzogen. Die NS-Schergen kamen Peters’ oppositionellem Treiben erst nach mehreren Jahren auf die Spur. Unter Bezugnahme auf das »Heimtückegesetz« wurde er im Herbst 1937 relegiert; sein eben erst bestandenes Physikum wurde für nichtig erklärt. Nachdem Peters am 2. November 1937 zum Bonner Infanterieregiment 77 eingezogen worden war, nahm sich das Divisionsgericht Köln seines Falles an. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, Hermann Göring einen kriminellen »Säufer« genannt zu haben. Zunächst zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt, wurde diese Strafe bald in eine ebenso lange Gefängnisstrafe und schließlich – im Herbst 1939 – in eine sechsmonatige Gefängnisstrafe umgewandelt, deren Verbüßung bis nach Kriegsende ausgesetzt wurde.305 Peters überlebte, nahm aber nach 1945 sein Medizinstudium nicht wieder auf.306 Erwähnung finden muss in diesem Zusammenhang auch Willi Graf, der herausragende Vertreter der »Weißen Rose«. Das 1918 in (Euskirchen-)Kuchenheim geborene Mitglied des ND und des ebenfalls katholischen »Grauen Ordens« begann 1937 in Bonn mit dem Medizinstudium, das er hier bis zum Physikum 1939 fortsetzen konnte. Erst Anfang 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, obwohl er bereits mit dem nationalsozialistischen Staat in Konflikt geraten war. Nur eine Amnestie nach der Annexion Österreichs führte zur Einstellung eines Verfahrens, das gegen Graf als Mitglied des »Grauen Ordens« 1938 in Mannheim eingeleitet worden war. Nachdem er von der Wehrmacht im April 1942 zum Studium in München freigestellt worden war, fand er dort Kontakt zu Hans Scholl und Alexander Schmorell. Mitte Januar 1943 war Graf an 303 304 305 306
Vgl. ebd., S. 11f.; Kroll, Lützeler, S. 82f. Vgl. Kroll, Lützeler, S. 85 und S. 99f. Vgl. Schüller, Jugend, S. 406; Ders., Neudeutschland, S 99; Forsbach, Fakultät, S. 599f. Zeitzeugengespräch Katharina Peters/Siegburg, 12. 04. 2009.
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der Formulierung des fünften Flugblatts der »Weißen Rose« beteiligt und kam wenige Tage später nach Bonn. Was hier genau vorging, ist unbekannt. Als gesichert aber kann gelten, dass seine Bonner Ansprechpartner von Flugblattaktionen abrieten. Am 18. Februar 1943 wurde er in München verhaftet und am 12. Oktober 1943 in München-Stadelheim hingerichtet.307 Aus dem Kreis der einzeln agierenden, sich der Humanität verpflichtet fühlenden jungen Leute ist der Musikstudent Wilhelm Kahle zu nennen. Der Sohn des zeitweilig auch als evangelischer Pfarrer tätigen Orientalisten Paul Kahle und dessen zum Katholizismus konvertierter Ehefrau Marie wurde der Universität verwiesen, weil er einer befreundeten jüdischen Familie beim Aufräumen geholfen hatte. Deren Geschäft war während des Pogroms in der Nacht zum 10. November 1938 von der SA verwüstet worden.308 Zu den Oppositionellen aus der Gruppe der Hochschullehrer zählte der katholische Priester Henri-Camille Wampach. Er hatte seit 1930 auf eigenen Wunsch keine Pfarre mehr zu betreuen und widmete sich ganz der Wissenschaft.309 Seit dem Wintersemester 1931/32 konnte er als Dozent für luxemburgische und westeuropäische Geschichte an der Universität Bonn lehren. 1935 wurde er Honorarprofessor. Nach 22 Semestern Lehre wurde ihm im Wintersemester 1941/42 gekündigt und der Professorentitel aberkannt. Den Nationalsozialisten war seine Haltung nicht unbekannt geblieben. Wampach lehnte als Luxemburger eine Angliederung seines Landes an das Deutsche Reich ab. Auch verweigerte er 1941 die Annahme des Preises der zu diesem Zeitpunkt nationalsozialistisch unterwanderten Görres-Gesellschaft. Wampach zog sich ins Bürgerhospiz Echternach zurück, wo ihm als schlecht bezahltem Hilfsgeistlichen Zeit für weitere wissenschaftliche Tätigkeit blieb. 1946 sprach ihm die Universität Bonn den Titel eines Honorarprofessors wieder zu. Bis zu seinem Tod 1958 widmete er sich weiter der Quellenforschung.
Individueller Widerstand mit sozialistisch-kommunistischem Hintergrund Die etwa dreißig Mitglieder der in der Weimarer Republik gegründeten Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft (SAG) standen seit Beginn der NS-Zeit unter scharfer Beobachtung. Da eine Mitgliederliste seit demokratischen Zeiten ordnungsgemäß im Rektorat hinterlegt war, verboten sich für die SAG-Angehörigen konspirative oder sogar offene Aktionen.310 Verborgen hielten sich auch die 307 Vgl. Blaha, Graf; Jahnke, Widerstand, S. 108–114; Siefken, Weiße Rose, S. 93–101; Forsbach, Fakultät, S. 600f. 308 Vgl. Kahle, Was hätten Sie getan. 309 Zu Wampach vgl. mit weiteren Literaturangaben Malget, Wampach. 310 Vgl. Vogt, Bonn, S. 534; Forsbach, Fakultät, S. 598.
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Kommunisten, deren Widerstand zunächst vollkommen unabhängig von der KPD durch den Doktoranden und späteren Geschichtsprofessor Walter Markov organisiert wurde. Es handelt sich um den bekanntesten – und auch am besten dokumentierten – Akt des Widerstands an der Universität. Auf Empfehlung des als Juden verfolgten und vor der Emigration stehenden Hamburger Osteuropa-Historikers Richard Salomon war der eine schnelle Promotion anstrebende Walter Markov bei dem Bonner Mediävisten Fritz Kern vorstellig geworden. Salomon hatte Markov mit auf den Weg gegeben, sein Kollege sei politisch undefinierbar : »Kern schillert in allen Farben«.311 Er sei, so hieß es in einer nicht weniger kryptischen Formulierung, »ein Liberaler, kein Demokrat«.312 Mit Kerns schriftlicher Zusage, in seinem Hauptseminar vortragen zu dürfen, traf Markov Ende Oktober 1933 in Bonn ein.313 Im Wintersemester 1933/34 nahm er an Kerns Hauptseminar teil und fiel durch sein »großes Mundwerk« auf.314 Die Assistenten, der regimekritische Hans Hallmann und der aus der NSDAP ausgeschlossene Nationalsozialist Ernst Anrich, mochten staunen, »dem impulsiven Kern« aber gefiel der Neuzugang aus Hamburg. Markov brachte eine ungewohnte Note an das Historische Seminar. In Graz geboren, in verschiedenen Städten Sloweniens, Serbiens und Kroatiens aufgewachsen sowie mit halb Deutschland, namentlich Leipzig, Berlin und Hamburg, vertraut, trat er selbstbewusst auf. Am 3. Januar 1934 war Markov bei Kern zum Abendessen geladen. Bei einem Glas Wein empfahl der renommierte Historiker seinem neuen Schützling, sofort zu promovieren, zum Beispiel über den langjährigen serbischen Ministerpräsidenten Nikola Pasˇic´.315 Keine vier Wochen später, am 1. Februar, reichte Markov die Dissertation »Serbien zwischen Österreich und Russland, 1897-1908« ein; am 28. Februar war er summa cum laude promoviert; am 28. Juli hielt er die Doktorurkunde in Händen.316 Fritz Kern hatte ganz offensichtlich nicht nur das wissenschaftliche, sondern auch das politische Potential seines Ausnahmeschülers erkannt. »Man weiß nie, was dazwischenkommt, und promoviert ist promoviert«, soll Kern gesagt haben. Markovs Freund Hannes Schmidt erkannte eine Kongenialität: »Nur Markov kann eine 311 Zit. nach Markov, Leben, S. 157. Die Autobiographie entstand in der ersten Hälfte der achtziger Jahre (Aussage Irene Markov gegenüber dem Autor, Bonn, 13. 10. 2009) und wurde ohne jede editorische Anmerkung und mit offensichtlichen Unstimmigkeiten sowie lückenhaftem Register 2009 von Markovs Witwe Irene herausgegeben. Walter Markov starb 1993. Vgl. auch Markov, Zwiesprache; Neuhaus/Seidel, Beiträge; Rosendahl, Widerstand; Markov, Neubeginn. 312 Markov, Leben, S. 157. 313 Vgl. ebd., S. 159. 314 Ebd., S. 161. 315 Vgl. ebd. 316 Vgl. ebd., S. 161f.
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Abb. 18: Walter Markov als Geschichtsprofessor in der DDR
solche Dissertation schreiben – und nur Kern kann sie abnehmen!«317 Ein Jahr später war die mit 90 Seiten einschließlich Karten und anderer Beilagen auch für die damalige Zeit recht schmale Arbeit in einer unter Mitwirkung von Hans Hallmann herausgegebenen Reihe von Doktorvater Fritz Kern publiziert.318 317 Ebd., S. 162. 318 Ders., Serbien.
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Markovs Freund Hannes Schmidt war KPD-Mitglied und schon im Sommersemester 1933 von Hamburg nach Bonn gewechselt. Schmidt und Markov lernten sich in Kerns Hauptseminar kennen. Für Schmidt war durch die von Markov in seinem Referat tatsächlich als »Köder« gedachte Verwendung des Wortes »Produktionsverhältnisse« klar geworden, dass er es mit einem Gesinnungsgenossen zu tun hatte.319 Markov seinerseits hatte einen dritten Studierenden namens John gefragt, wer denn »der junge Mann sei, der aussähe wie Trotzki«. John gab diese Äußerung über Schmidt prompt an diesen weiter, so dass sich Schmidt direkt an Markov wandte: »Wissen Sie nicht, daß Trotzki Jude ist?« Darauf soll Markov zur Zufriedenheit Schmidts geantwortet haben: »Doch natürlich, aber was das betrifft, mir sind die Juden sympathisch!«320 Schon bald versicherte Schmidt seinem neuen Freund »Mov«: »Wenn Du was machst, ich mache mit!«321 Zu den beiden stießen noch drei weitere Studenten: An erster Stelle zu nennen ist Markovs Freund Günter Meschke. Ihn hatte Markov im Studentenwohnheim Berlin-Weißensee kennengelernt.322 Meschke kam im April 1934 nach Bonn und hoffte auf eine Promotion in Geschichte.323 Der vierte im Bunde war Anthony Toynbee, der älteste Sohn des Geschichtsphilosophen Arnold J. Toynbee. Markov beschrieb ihn später als hochbegabten, gutaussehenden, aber schwermütigen Engländer, der den Kommunismus für eine »große Idee« hielt; in seiner Heimat sei sie nach Toynbees Auffassung nicht durchsetzbar, im Kampf gegen Hitler aber »die fähigste Kraft«.324 Einer, der nach Markov »immer eines Antriebs bedurfte«, war Hans Schadow, der bei Karl Ludwig Schmidt, Karl Barth und Fritz Lieb evangelische Theologie studierte und damit in die Nähe der »religiösen Sozialisten« geriet. Schadow, fünftes Kind einer im kaschubischen Niedamowo ansässigen Familie, stand auch deshalb in Opposition zum NS-Regime, weil er den verlangten »Ariernachweis« für die Großelterngeneration nicht beibringen konnte.325 Markov, Schmidt, Meschke, Toynbee und Schadow gründeten Anfang Mai 1934 in einem zum Keltologischen Institut der Universität gehörenden Turmzimmer die »Gruppe Universität der KPD« und verpflichteten sich zu einem Monatsbeitrag von zwei Reichsmark, um eine »Kriegskasse« aufzubauen.326 Es 319 320 321 322 323 324 325
Ders., Leben, S. 162. Zit. nach ebd. Zit. nach ebd. Vgl. ebd., S. 139f. Die Angabe »April 1933« in ebd., S. 162 ist nicht stimmig und wohl ein Druckfehler. »Große Idee« Toynbee zit. nach ebd., S. 163; »die fähigste Kraft« Zitat Markovs ebd. Vgl. ebd. Zur Genealogie der Familie Schadow vgl. schadow-gesellschaft.org (zuletzt abgerufen am 13. 10. 2009). 326 Markov, Leben, S. 163.
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gelang Markov, die Fünfer-Treffen im Turmzimmer gegenüber der Universität als Russisch-Kurs zu deklarieren; er erhielt dafür im Sommersemester 1934 einmalig 500 Reichsmark.327 An Kontakten nach außen mangelte es zunächst, auch zu den Studierenden der verbotenen Kommunistischen Studenten-Fraktion (»Kostufra«).328 So kam man wohl unter dem Einfluss Toynbees auf die Idee, zunächst englischsprachige Touristen über den Charakter des NS-Regimes aufklären zu wollen. Entsprechende Flugblätter wurden verfasst. Eine Grundlage für diese Propagandaarbeit bot das Material, das der nach wie vor reiselustige Markov unter anderem am Rande des WM-Qualifikationsspiels der deutschen Fußballnationalmannschaft in Luxemburg (11. März 1934; 1:9) organisierte. Hatte er diese Fahrt mit dem Bus unternommen, fuhr er Pfingsten 1934 mit Meschke, Toynbee und Schadow per Fahrrad und Motorrad ins Saargebiet. In Saarbrücken sprach man bei der KP-Leitung vor, erhielt aber dort anders als erhofft keine Kontaktadressen. Markov richtete zudem für alle Fälle ein Konto bei einer französischen Bank ein. In Bonn plante die Gruppe weiter, erwog im Vorfeld eines Besuchs von Hermann Göring ein Attentat vom Museum Alexander König aus und konnte weitere Mitstreiter gewinnen. Endlich gelang auch ein Kontakt zur KPD. Ihn stellte Hannes Schmidt her, der mit einer »Halbjüdin« verlobt war und als Schlagzeuger und Ringelnatz-Fan zu einer Art linken »BohHme« zählte. Er konnte über den Apotheker Charlie Fromme und den Buchhändler Karl Limbach im Oktober 1934 die lange erhoffte Verbindung zur Unterbezirksleitung der KPD herstellen. Zu diesem Zeitpunkt war Markov bereits den NS-Behörden aufgefallen. Auf Markovs Doktorfeier Ende Juli hatte man ein Referat des Spitzenkommunisten Wilhelm Pieck diskutiert, was eine der Anwesenden nicht für sich behalten wollte. Einstweilen aber blieb die Gruppe unbehelligt, da man sie offenbar nicht allzu ernst nahm. Im Wintersemester 1934 wurde der Kontakt zur Unterbezirksleitung der KPD enger und Markov zeichnete mit »CH« (Carl und Hugo waren weitere Vornamen Walter Markovs) seine Artikel in der Widerstandszeitung »Sozialistische Republik«, für die er selbst den Titel vorgeschlagen hatte und die er zeitweise ganz allein füllte. Markovs Posteingang fiel auf und wurde so offen kontrolliert, dass er es später für möglich hielt, die zunächst noch wenig nationalsozialistische, eher katholisch geprägte Bonner Polizei habe ihn warnen wollen. Zum Verhängnis wurde Markov, dass er im Dezember 1934 in dem ihm von früher bekannten Eifeldorf Roggendorf Kontakt mit Kommunisten aufnahm. Einige von ihnen dienten als Kuriere für illegale Post. Am 8. Februar 1935 kam es hier zum Verrat. Noch am Abend wurde Schadow festgenommen, am Tag darauf 327 Vgl. ebd. 328 Vgl. ebd., S. 163f.
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Markov im Direktorenzimmer des Orientalisten Paul Kahle. Zuvor hatte Markov Prüfungen abgenommen. Markov war kurz nach Köln geflohen, dann aber bewusst nach Bonn zurückgekehrt, um nicht als Drückeberger zu gelten. Da er einen jugoslawischen Pass besaß, hätte er gewisse Fluchtchancen gehabt. So aber wurde er zunächst zur Polizeiwache im Rathaushof gebracht, dann in Gefängnisse in Bonn, Essen und Berlin. Dort verurteilte ihn am 4. Mai 1936 der Volksgerichtshof zu zwölf Jahren Zuchthaus, während Meschke mit einem halben Jahr und Schadow mit einem Jahr Gefängnis davonkamen. Anthonys berühmter Vater Arnold Toynbee, der nach Berlin zu Minister Hans Kerrl gereist war, hatte das harte Urteil auch deshalb nicht verhindern können, weil Markov im Prozess an seiner Weltanschauung kompromisslos festhielt. Bis 1945 und damit bis zu seinem 36. Lebensjahr saß Markov im Siegburger Gefängnis ein. Die dortige Arbeit bezeichnete er später als »lästig«, aber »nicht schwer«: Hanf zupfen, Stanniolpapier sortieren, mit einer Strickmaschine Militärsocken stricken, Basttaschen besticken. Er blieb konsequent, stand zu Stalin und lehnte Vergünstigungen wie einen Rasierapparat ab. Auch ärztliche und zahnärztliche Versorgung nahm er freiwillig nicht in Anspruch. Im Gefängnis begegnete er vielen anderen politischen Gefangenen, auch nichtkommunistischer Prägung. Hier lernte er nach dessen Verurteilung 1941 auch den im bündischen Widerstand tätigen Michael Jovy kennen, der – ohne Markovs Wissen – aus dem Siegburger Gefängnis heraus die Kölner Edelweißpiraten beriet.329 1944 wurde Markov aus seiner zeitweise verwanzten Einzelzelle zunächst in eine Zweier-, dann in eine Dreierzelle verlegt. Interventionen der Mutter und auch Fritz Kerns brachten Erleichterungen, zuletzt 1944 die Versetzung in die Bücherei. Zuvor hatte er im Schneidersaal unter anderem lausbesetzte Soldatenkleidung geflickt, die Fleckfieber ins Gefängnis brachte. Mit einem Außenkommando rettete er Teile der Bibliothek Fritz Kerns aus der zerbombten Bonner Universität. Wenig später steckte Fritz Kern bei einem Besuch in Siegburg Markov 2.000 Mark zu, mit denen er sich auf dem Gefängnisschwarzmarkt zwei geladene Pistolen besorgte. Trotz vieler Rückschläge – die Fleckfieberepidemie unter den Gefangenen, die Verlegung von Mitverschworenen, die Erschießung von drei Luxemburger Mitgefangenen als Vergeltung für ein Attentat, die völlige Überbelegung des Gefängnisses unter anderem nach Aufgabe der Rheinbacher Anstalt – verfocht Markov die Idee eines Aufstands gegen die Gefängnisleitung. Tatsächlich gelang es ihm mit einigen Gefährten, kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in den Siegburger Norden die Gefängnisleitung zu überwältigen. Die amerikanischen Besatzer übertrugen Markov und anderen politischen Gefangenen die Gefängnisleitung, da eine sofortige Freilassung wegen des noch immer grassierenden Fleckfiebers nicht sinnvoll erschien. Von der Mehrheit der 329 Vgl. ebd., S. 190.
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Gefängnisinsassen wurde Markov aber bald entmachtet, da man den Kommunismus ablehnte. Schließlich befiel auch Markov das Fleckfieber. Er kam in mehrere Krankenunterkünfte außerhalb Siegburgs, bevor er im Juni 1945 in Bonn an der Godesberger Straße eine Wohnung als Untermieter beziehen konnte. An der Universität fand er keine feste Anstellung. Rektor Heinrich Konen (1874-1948) verzichtete auf die Unterstützung des »Antifaschisten«, der am Aufbau beziehungsweise Wiederaufbau von KPD, FDJ, AStA und Kulturbund arbeitete. 1946 zog Markov nach Leipzig, wo der Philosoph Hans-Georg Gadamer Rektor der Universität war. Als marxistischer Historiker sah Markov für sich im Westen keine Chance.330
Krieg Die Universität an der Seite von NS-Regime und Wehrmacht Während des Krieges sank die Qualität der universitären Lehre noch stärker als in den vorangegangenen Jahren der Diktatur. Das Wintersemester 1939/40 wurde zunächst abgesagt, dann durch ein Trimester von Januar bis März 1940 ersetzt. Dem Sommersemester folgten zwei weitere Trimester (September bis Dezember 1940; Januar bis März 1941). Danach kehrte man formal zum normalen Semesterrhythmus zurück, doch wird man spätestens seit dem Wintersemester 1941/42 nicht mehr von einer auch nur annähernd regulären Lehre sprechen können. Nach den wegen ihrer Herkunft oder politischen Haltung Vertriebenen fehlten nun die zur Wehrmacht Einberufenen. Im Sommersemester 1941 musste deshalb auf 45 Lehrende verzichtet werden, im folgenden Wintersemester schon auf 60, im Wintersemester 1943/44 sogar auf 69.331 Die Universität zeigte sich auch im Krieg solidarisch mit dem NS-Regime. Offensiv versuchte sie, Krieg, Wissenschaft und Lehre miteinander zu verbinden. Ein äußeres Zeichen war die Verleihung der ersten, »nach der ruhmreichen Niederringung Frankreichs im Jahre 1940« gestifteten Ernst-Moritz-ArndtMedaille der Universität an Gauleiter Josef Groh8 1943. Dies geschah »als Ausdruck ihrer ganz besonderen Hochachtung und Ergebenheit« und verbunden mit einem neuerlichen Treueschwur gegenüber »Volk und Führer«.332 Stadtbekannt waren zu diesem Zeitpunkt die Kriegsvorträge. Die fast 150 Einzelveranstaltungen schwankten inhaltlich zwischen gediegener Wissen330 Vgl. ebd., S. 226. 331 Vgl. Chronik 1939 bis 1949, S. 7. 332 ALVR Brauweiler, MF 14, Nr. 100086, Bd. 3, »Ansprachen anlässlich der Akademischen Feier des 125-jährigen Jubiläums der […] Universität zu Bonn am 18. Oktober 1943«, S. 43.
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schaftlichkeit, Lebenshilfe und offener NS-Propaganda.333 Die Interessenten konnten sie bald nach den Veranstaltungen in gedruckter Form nachlesen. Den Universitätsangehörigen, die »im Feld standen«, sandte der Rektor die Bonner Kriegsvorträge, allen »Kameraden der Dozentenschaft bei der Wehrmacht« zudem auch mehrseitige Briefe, die neben Durchhaltepropaganda Nachrichten aus dem Bonner Universitätsleben enthielten.334
Der Luftkrieg und das Ende des Lehrbetriebs Der Luftkrieg begann für Bonn 1940. Belegt ist, dass Studierende bei Aufräumarbeiten halfen, nicht nur auf Universitätsgelände. Nach dem ersten größeren, zwölf Menschenleben fordernden Luftangriff am 22. Mai 1940 waren »hundert Studenten der Universität« im Einsatz.335 Die ersten Erfahrungen mit Fliegerangriffen führten zu eingehenden Überlegungen über den Brandschutz. Ein Schreiben von Kurator Ehrlicher, in dem eine feuerhemmende Imprägnierung von Dachstuhlholz beantragt worden war, wurde vom Erziehungsministerium dem Finanzministerium mit der Bitte zugeleitet, »im Hinblick auf die besonders starke Gefährdung durch Fliegerangriffe das Holzwerk der Dachkonstruktionen in den Universitätsgebäuden mit einem Feuerschutzmittel versehen zu lassen, um dadurch bei einschlagenden Brandbomben die Ausdehnung von Bränden nach Möglichkeit zu verhüten«.336 In Bonn sind wohl recht bald entsprechende Maßnahmen ergriffen worden, hatte doch das Erziehungsministerium »bereits grundsätzlich einer weitergehenden Anwendung von Feuerschutzmitteln in dringlichen Fällen zugestimmt«.337 Derartige Vorsorge und der Bau von Luftschutzeinrichtungen hat die Zahl der Verletzten und Toten auf Universitätsgelände in Grenzen gehalten. Genaue Angaben sind nicht überliefert.338 Dies gilt auch für den schwersten Luftangriff auf die Bonner Innenstadt am 126. Jahrestag der Gründung der Universität, dem 18. Oktober 1944.339 Mit ihm kam die Lehre weitgehend zum Erliegen. Das 333 Vgl. beispielsweise Panse, Psychopathen; Pohlisch, Erbpflege; Janker, Volksgesundheit; Schulemann, Bekämpfung; Ebbecke, Gesetzmäßigkeiten; Ebbecke, Müller ; Steudel, Vesalius; Steudel, Frühzeit; Dirscherl, Bedeutung. 334 Siehe etwa den Dank des Dozenten Fritz Bühler in: UAB, PA Bühler, Bühler an Rektor, 12. 12. 1943; ebd., MF 79/21, Rektor Chudoba an »Kameraden der Dozentenschaft bei der Wehrmacht«, 01. 06. 1944. 335 Vogt, Bonn, S. 35. 336 GStA, Rep. 76, Nr. 386, Kurator Ehrlicher an REM, 16. 10. 1941; ebd., REM an Preußischen Finanzminister, 13. 11. 1941. 337 GStA, Rep. 76, Nr. 386, REM an Preußischen Finanzminister, 13. 11. 1941. 338 Vgl. Chronik 1939 bis 1949, S. 7. 339 Vgl. Aders, Luftangriff, passim. Mehr als 300 Menschen kamen in der Innenstadt ums
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Abb. 19: Das zerstörte Hauptgebäude der Universität
Hauptgebäude wurde schwer beschädigt, in Teilen zerstört. Ähnliches gilt für die meisten Institute und Kliniken. Wo sich Notreparaturen zu lohnen schienen, wurden Zwangsarbeiter herangezogen, darunter politische Gefangene aus dem Siegburger Zuchthaus.340 Trotz der Schäden wurde der Betrieb der Kliniken zumindest notdürftig aufrechterhalten. Mit den Bombardierungen Ende Dezember 1944 und Anfang Januar 1945, die mit etwa 700 Toten folgenschwerer waren als der Großangriff vom 18. Oktober 1944, wurde manches eben Reparierte erneut zerstört.341 Pläne über Verlegungen – beispielsweise der Augenklinik nach Neunkirchen im Siegkreis – konnten nicht mehr realisiert werden. Zu intensiv war das Kriegsgeschehen. Schon Monate zuvor war unter den Bedingungen von Diktatur und Krieg an ein zumindest einigermaßen qualitätvolles Studium nicht mehr zu denken gewesen. Selbst diejenigen, die hierfür noch ausreichend Zeit fanden, mussten mit immer mehr Unannehmlichkeiten kämpfen. Exemplarisch ist ein Bericht des Leiters des Instituts für Vor- und Frühgeschichte, Kurt Tackenberg, vom 27. August 1943: »Der Universitätsbetrieb« laufe nur »kümmerlich, zumal immer mehr Bücher eingepackt« würden. Viele wollten nun »nicht weiter in Leben, etwa 1.000 Menschen wurden verletzt, 20.000 Personen obdachlos. Die Universität beklagte nur zwei Todesopfer, weil der Betrieb zum Wintersemester 1944/45 weitgehend eingestellt worden war. 340 Vgl. Steudel, Freiherr von Redwitz, S. 30. 341 Vgl. zu den Schäden an den Kliniken Forsbach, Fakultät, S. 586f.; zu den Auswirkungen des Bombenkriegs vgl. Vogt, Überblick, S. 38f.
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Bonner studieren, sondern möglichst wo anders hingehen, wo es ruhiger ist und wo sie mehr Arbeitsmöglichkeiten besitzen«.342
Die Verlegung der Universität Im Sommer 1944 wurden die meisten der verbliebenen Dozenten zum Einsatz am Westwall aufgerufen. Nur die Angehörigen der Medizinischen und der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät blieben davon unberührt.343 Die einen schienen für die medizinische Versorgung unabkömmlich, die anderen hatten »die vom Reichserziehungsminister angeordneten Zwischenkurse für die Kriegsversehrten abzuhalten«.344 Zu diesem Zeitpunkt war die Unruhe angesichts der herannahenden Front gewachsen. Gerüchte über eine »Verlagerung« von »in erster Linie gefährdeten« Hochschulen kursierten.345 Am 15. September 1944 sah sich Rektor Chudoba angesichts zahlreicher Anfragen veranlasst, sämtlichen Universitätsdozenten vertraulich mitzuteilen, dass ihm für den Fall einer weiteren »Zuspitzung« der Lage »keinerlei Anweisungen« vorlägen und »diese entweder von der Partei oder aber von unserem Reichsverteidigungsreferenten, dem Herrn Kurator, zu erwarten wären«.346 Bereits einen Tag später wurde Kurator Joachim Kieckebusch gegen den Willen Chudobas aktiv. In einem ebenfalls als vertraulich klassifizierten Papier teilte er sämtlichen Dienststellen der Universität erste Verhaltensregeln für den Fall einer bevorstehenden Einnahme Bonns durch alliierte Verbände mit. Dass dieser Fall eintreten würde, stellte das Rundschreiben kaum noch in Frage. Darin heißt es: »1. Solange eine Evakuierung Bonns von zuständiger Stelle nicht angeordnet ist, hat jeder Universitätsangehörige grundsätzlich auf seinem Posten zu verbleiben und seine Dienstpflichten gewissenhaft zu versehen. Wer aus besonderen Gründen Bonn verlassen muß, z. B. deswegen, weil er sich durch seine Tätigkeit in Partei oder Staat besonders exponiert hat, hat mir umgehend zu berichten und meine Genehmigung einzuholen. Der Zeitpunkt des Verlassens wird festgesetzt werden. Bei Gefahr im Verzug hat er in eigener Verantwortung zu handeln […]. 2. Wer kriegswichtige Forschungsaufträge hat, hat rechtzeitig vor Annäherung des Feindes unter möglichster Mitnahme seiner Forschungsarbeiten und seiner Arbeitskräfte Bonn zu verlassen und schon jetzt alles vorzubereiten, dass er seine Arbeiten nach Möglichkeit auswärts fortsetzen kann. Er hat sich jedenfalls alsbald dem Ministerium oder Reichsfor342 343 344 345 346
Zit. nach Bemmann, Tackenberg, S. 362. MHI Bonn, NL Martini 1939-1944, Chudoba an alle Dozenten, 15. 09. 1944. MHI Bonn, NL Martini 1939-1944, Chudoba an alle Dozenten, 15. 09. 1944. Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 500f. MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Chudoba an alle Dozenten, 15. 09. 1944.
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schungsrat wieder zur Verfügung zu stellen. Ich empfehle, sich schnellstens mit einem entsprechenden Institut einer anderen Universität dieserhalb in Verbindung zu setzen. Falls eine Mitnahme der Forschungsarbeiten nicht mehr möglich ist, ist unter allen Umständen für ihre Vernichtung zu sorgen. Es darf dem Feind nichts in die Hand fallen, was ihm in irgend einer Weise ermöglicht, Forschungsergebnisse auszuwerten oder sonst für ihn von Wert sein kann. In Zweifelsfällen bitte ich, sich schleunigst schon jetzt an mich zu wenden. 3. Ich erinnere nochmals an die schon mündlich erteilte Weisung zur Vernichtung oder auswärtigen Sicherstellung aller Geheim- und sonstigen VSSachen. […] 4. Vorsorglich wird schon jetzt eine Ausweichstelle des Universitätskuratoriums und der Universitätskasse bei dem Universitäts-Kuratorium in Marburg/ Lahn, Am Plan 3 eingerichtet, an die sich im Evakuierungsfalle die einzelnen Universitätsangehörigen wenden können.«347
Rektor Chudoba war entsetzt und eilte nach Berlin. Zuvor wies er am 18. September 1944 »streng vertraulich« alle Dozenten darauf hin, dass »der Führer« der »Parteiführerschaft« befohlen habe, sich »bei überraschender Besetzung von Gebietsteilen des Reiches durch den Feind […] freiwillig zum Wehrdienst zu melden«.348 »Politisch exponierte Parteigenossen« hätten also keinesfalls »Bonn zu verlassen«.349 Im Reichserziehungsministerium entschied Ministerialdirektor Rudolf Mentzel zugunsten Chudobas, obwohl Kurator Joachim Kieckebusch im Mai 1943 auf Drängen des Erziehungs- und gegen den Willen des Innenministeriums von Marburg nach Bonn versetzt worden war.350 Chudoba verkündete am 19. September 1944 seinen »Sieg«. Auch Mentzel meine, dass es nicht Aufgabe des Kurators sei, »Anordnungen über kriegswichtige Forschungsaufgaben« zu treffen – »um so weniger, wenn der betreffende Rektor, wie es bei mir der Fall ist, zugleich Vertrauensmann und Bevollmächtigter des Reichsforschungsrates ist«.351 Chudoba bat sämtliche betroffenen Kollegen zu einer Besprechung in den Senatssaal.352 »Meldekopf« wurde im Übrigen nicht Marburg, sondern Göttingen.353 Tatsächlich wurde für Bonn wie für Köln und Münster seit Längerem im Reichsforschungsrat und im Ministerium als Ausweichort Göttingen erwogen.354 »Bei evtl. Feindbesetzung« sei »das Universitätsleben« einzustellen und er, so Chudoba, bleibe angesichts der Situation bis auf weiteres als Rektor im Amt, da
347 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Kurator Kieckebusch an »sämtliche Dienststellen der Universität«, 16. 09. 1944. 348 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Rektor Chudoba an alle Dozenten, 18. 09. 1944. 349 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Rektor Chudoba an alle Dozenten, 18. 09. 1944. 350 Vgl. Höpfner, Universität, S. 98. 351 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Rektor Chudoba an alle Dozenten, 19. 09. 1944. 352 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Rektor Chudoba an alle Dozenten, 19. 09. 1944. 353 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Rektor Chudoba an alle Dozenten, 19. 09. 1944. 354 Vgl. Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 501.
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»an den Grenzland-Universitäten ganz allgemein der zu Beginn des Wintersemesters 1944/45 vorgesehene Rektoratswechsel« nicht stattfinden könne.355
Abb. 20: Rektor Karl Chudoba, Mineralogie
Mit dem Luftangriff vom 21. Dezember 1944 wurde in der Kinderklinik einer der wenigen noch brauchbaren Hörsäle an der Universität zerstört. Als die Sirenen heulten, las dort der 1942/43 vom Leipziger Karl-Sudhoff-Institut nach Bonn gewechselte Medizinhistoriker Johannes Steudel, der später unter anderem als Rektor (1958/59) die Universität prägen sollte. Es war die letzte Vorlesung nicht
355 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Rektor Chudoba an alle Dozenten, 19. 09. 1944.
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nur in der Kinderklinik, sondern an der Universität unter dem NS-Regime überhaupt.356 Die Notfallpläne fanden nur in Teilen Realisierung. Das Rektorat wurde nach Göttingen verlegt, ebenso die Philosophische und die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät.357 Tatsächlich vor Ort waren in Göttingen jedoch längst nicht alle zu den beiden Fakultäten gehörenden Professoren. Bekannt ist die Anwesenheit von Chudoba selbst und seinem Nachfolgekandidaten Kurt Tackenberg, den er noch am 16. März 1945 zum Prorektor ernannte.358 Für Chudoba war Tackenberg der Mann der Stunde. Der von November 1939 bis April 1941 als Dekan der Philosophischen Fakultät vorstehende Leiter des Instituts für Vor- und Frühgeschichte, seit 1937 Mitglied der NSDAP, fungierte als stellvertretender Dozentenbundführer.359 Tackenberg, der Gastprofessor in Gent gewesen war, suchte nicht nur in Bonn die Stellung von Rassenkunde, Volkskunde und Religionswissenschaften auch durch die Errichtung von Lehrstühlen zu stärken.360 Er war zudem erster Präsident des im Dezember 1942 offiziell eröffneten Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Brüssel, wo er sich für die Arbeiten zur »germanischen Landnahme« der Völkerwanderungszeit stark machte – auch um die nationalsozialistische Expansionspolitik zu begründen.361 Chudoba hätte Tackenberg gerne als seinen Nachfolger gesehen. Für den zum 1. November 1944 geplanten, dann wegen der Kriegslage aber nicht vollzogenen Wechsel im Amt des Rektors schlug Chudoba formal an erster Stelle Hans Herter vor. Dieser war Leiter des Seminars für Klassische Philologie und Nachfolger Tackenbergs als Dekan der Philosophischen Fakultät (Wintersemester 1940/41 bis Wintersemester 1942/43) sowie seit Sommersemester 1942 Prorektor. Er entwertete den Vorschlag aber mit der Bemerkung an das Ministerium, Herter sei als Prorektor lediglich »honoris causa« genannt worden.362 Tackenberg war an zweiter Stelle platziert und wurde mit Begriffen wie »Initiative, Zielklarheit und aufrechte Haltung« charakterisiert.363 An dritter Stelle fand Ernst Klapp von der Landwirtschaftlichen Fakultät Erwähnung.364 In Bonn blieb derweil Theodor
356 Steudel, Erinnerungen, S. 132. 357 Vgl. Stadtverwaltung, Bonn, S. 26; Bemmann, Tackenberg, S. 363; Chronik 1939 bis 1949, S. 8. 358 Vgl. ebd. 359 Vgl. ebd., S. 360; Höpfner, Universität, S. 446–448; Hausmann, Institute, S. 257. 360 Vgl. ebd. 361 Vgl. ebd., S. 264f., S. 268. 362 Zit. nach Bemmann, Tackenberg, S. 362. 363 Zit. nach ebd. 364 Vgl. ebd.
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Brinkmann Prorektor, ein Agrarwissenschaftler, der für Verhandlungen mit den Alliierten zur Fortführung des Universitätsbetriebs bereit stand.365
Medizinische Notversorgung In diesen letzten Kriegsmonaten waren es allein die Angehörigen der Medizinischen Fakultät, die angesichts der ihnen anvertrauten Patienten ihre Arbeit fortsetzen mussten. Dekan Schulemann gelang es unter Umgehung der Universitätsleitung in Absprache mit dem Armeearzt und Feldstandortarzt, rasch konkrete Entscheidungen für die letzte Kriegsphase durchzusetzen. Der Wehrmacht wurden 50, schließlich 80 Klinikbetten »dauernd« zur Verfügung gestellt, wobei die Erkrankung eines Patienten nun nicht mehr unbedingt »dem Spezialgebiet der einzelnen Klinik« entsprechen musste.366 Paul Martini übernahm es, dem Feldstandortarzt täglich um zwölf Uhr »Meldung über die Zahl der belegten und freien Betten zu machen«.367 Mit der Aufnahme von Wehrmachtssoldaten in größerer Zahl mussten besondere Vorschriften für die Kennzeichnung der Kliniken und deren Angehöriger Berücksichtigung finden. Dort, wo sich Soldaten zur Behandlung befanden, wurden nicht nur die Dächer mit einem Roten Kreuz gekennzeichnet, sondern auch entsprechende Flaggen als Neutralitätszeichen gehisst.368 Vorsorglich sollten für alle Angehörigen der Kliniken, die auch Soldaten behandelten, Rot-Kreuz-Armbinden und Rot-Kreuz-Ausweise der Wehrmacht beschafft, aber zunächst nicht ausgegeben werden.369 War die Anzahl der 365 »forsch« – Bonner Universitätsnachrichten 1/2009: Geschichte(n): Auf verlorenem Außenposten, S. 35. 366 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Dekan Schulemann an Klinikdirektoren, Armeearzt, Feldstandortarzt, Rektor und Kurator, 23. 09. 1944. Aus dem Schreiben geht folgende Verteilung hervor: Medizinische Klinik zehn, Chirurgische Klinik 20, Frauenklinik zehn, Hautklinik fünf, Augenklinik fünf Betten. Von Hand wurden auf dem im Nachlass Martini befindlichen Papier die Nervenklinik mit 15 und die Ohrenklinik mit fünf Betten hinzugefügt. Außerdem wurde die Bettenzahl der Augenklinik von fünf auf 15 erhöht. Möglicherweise ist die Erhöhung der Bettenzahl in einer Besprechung der Klinik- und Institutsleiter mit Oberfeldarzt Heise am 27. 09. in Martinis Sprechzimmer in der Medizinischen Klinik beschlossen worden (ebd., Schulemann an Oberfeldarzt Heise, Kurator und Klinikund Institutsleiter, 25. 09. 1944). 367 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Dekan Schulemann an Klinikdirektoren, Armeearzt, Feldstandortarzt, Rektor und Kurator, 23. 09. 1944. 368 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Dekan Schulemann an Klinikdirektoren, Armeearzt, Feldstandortarzt, Rektor und Kurator, 23. 09. 1944. Neben den oben erwähnten Kliniken, die Soldaten aufnehmen sollten, erhielten Dachkennzeichnungen die Frauenklinik, das Pathologische Institut, die Wirtschaftsgebäude, das Hygienische Institut, die Medizinische Poliklinik, die Ohrenklinik und das Johannishospital. 369 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Dekan Schulemann an Klinikdirektoren, Armeearzt, Feldstandortarzt, Rektor und Kurator, 23. 09. 1944.
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Gebäude, die mit Zustimmung der Wehrmacht durch das Anbringen des Roten Kreuzes gekennzeichnet werden durften, mit der Vereinbarung vom 23. September 1944 noch auf zwölf beschränkt gewesen, erging am 16. Oktober eine generelle Anordnung, mit der die besonderen Flaggenregelungen aufgehoben wurden. »Alle San.-Einrichtungen« sollten nun »durch Rote-Kreuz-Fahnen und grosse rote Kreuze auf weissem Feld auf den Dächern der Gebäude und in Höfen sowie Umgebung« gekennzeichnet werden.370 Die Erleichterung war groß. Harald Siebke reichte das entsprechende Schriftstück »mit einem fröhlichen Horridoh« an Paul Martini weiter.371 Dennoch gab es auch weiterhin Probleme mit der Schutzmarkierung. Ausgerechnet der – zivilen – Medizinischen Klinik, die sich seit dem 18. Oktober 1944 in der Kessenicher Rosenburg, einem ehemaligen Priesterseminar, befand, verweigerte der Bonner Oberbürgermeister als Luftschutzleiter die Markierungen. Direktor Martini schilderte ihm die Problematik: »In ihrer nächsten Nähe liegen einerseits das Krankenhaus Kessenich, andererseits einige 100 m entfernt das Südsanatorium Dottendorf. Diese beiden Anstalten tragen auf den Dächern rote Kreuze. Wenn die Rosenburg nicht auch mit einem roten Kreuz versehen wird, so ist es m. E. sehr zu befürchten, dass sie dadurch für feindliche Flieger ausgesprochen als Nicht-Krankenhaus gekennzeichnet und infolgedessen beschossen werden wird.«372 Obwohl Martini die Zustimmung des Kommandeurs der benachbarten Flakkaserne, die ihrerseits verstärkt in das Visier der alliierten Flieger hätte genommen werden können, eingeholt hatte, wurde Martinis Ersuchen abgewiesen.373 Tatsächlich wurde die Ausweichklinik in der Rosenburg am 21. Dezember bei einem Fliegerangriff getroffen, doch musste sie nicht geräumt werden.374 Als amerikanische Truppen am 9. März 1945 in Bonn einrückten, fanden sie in der Rosenburg noch etwa einhundert Patienten.375 ***
370 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Generalarzt an Dekan Schulemann, 16. 10. 1944 unter Berufung auf Verfügung des Oberbefehlshabers West vom 22. 07. 1944. 371 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Generalarzt an Dekan Schulemann, 16. 10. 1944, Anmerkung Siebkes. 372 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Martini an Oberbürgermeister als örtlichen Luftschutzleiter Bonn, 03. 11. 1944. 373 MHI Bonn, NL Martini, 1939-1944, Martini an Oberbürgermeister als örtlichen Luftschutzleiter Bonn, 03. 11. 1944, Anmerkung, 09. 11. 1944 und Begleitschreiben des Oberbürgermeisters als örtlicher Luftschutzleiter i. A., 09. 11. 1944. Siehe auch ebd., Martini an Oberbürgermeister Bonn, 25. 11. 1944; ebd., i. A. gez. Quadflieg/Regierungspräsidium Köln an Amtsarzt Medizinalrat Spickernagel, 01. 12. 1944. 374 Vgl. van Rey, Institute, S. 39. 375 Vgl. ebd.; Chronik 1939 bis 1949, S. 8.
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Die NS-Zeit hat auch über Bonn großes Leid gebracht. 1.150 Menschen wurden von den Nationalsozialisten getötet, darunter etwa 770 als Juden Verfolgte, etwa 50 Sinti und mindestens acht von etwa 10.000 Zwangsarbeitern.376 Etwa 180 Menschen aus Bonn und dem Umland sind über die Bonner Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt in die »Euthanasie«-Tötungsstätte Hadamar/Lahn verbracht worden.377 65 Angehörige der Universität konnten nicht weiter lehren. Zwei von ihnen, Johannes Verwegen und Paul Ludwig Landsberg, starben in Konzentrationslagern. Felix Hausdorff und Kurt Ludwig nahmen sich das Leben.378 Ein Jahr vor Kriegsende zählte man drei Dozenten, neun Assistenten und 225 Studenten, die als Soldaten getötet worden waren. Die Zahl der auf Universitätsgelände durch den Luftkrieg Getöteten dürfte sich im einstelligen Bereich bewegen.379 Darüber hinaus gab es an der Universität eine nicht zu beziffernde Zahl von Menschen, die durch die NS-Diktatur an Leib und Seele verletzt wurden, denen ein Studium versagt blieb und die ihren Beruf nicht (mehr) ausüben konnten. Auch wurde die Universität zum Ort von Zwangsarbeit durch Ausländer und Gefängnisinsassen. Ihre Einrichtungen nutzen die Folgen der NS-Gesetzgebung für Forderungen nach Personalaufstockungen (Frauenklinik, Chirurgische Klinik) und nach der Zuführung von Leichen (Anatomie). Die Universität Bonn stand nicht neben diesem Geschehen, sondern war Teil des verbrecherischen Systems. Daran ändert das im Vergleich zu manch anderer Universität distanzierte Verhältnis vieler Bonner Studierender und Lehrender nichts. Diese Distanz, vielfach in einem gelebten Katholizismus begründet, genügte nicht, um das Unheil fernzuhalten. Die vierzehn Unterzeichner der am 4. März 1933 im »General-Anzeiger« erschienenen Erklärung »Für Adolf Hitler« hätten nicht ausgereicht, um Gewalt und Verbrechen den Weg zu ebnen. Es waren die nur zu oft Schweigenden, die dem Nationalsozialismus Platz boten. Lässt man die verantwortlichen Akteure Revue passieren, sieht man Karl Dietrich Brachers Diktum von 1966 bestätigt: »Das eigentliche Verhängnis lag […] im Versagen der Mehrheit der Gebildeten, die der Vorwurf des unterlassenen Guten treffen muß. […] Es war eine ›partielle Sonnenfinsternis‹ in politischen Fragen, eine obrigkeitshörige Bereitwilligkeit, sich hinter der moralischen Mauer einer fraglosen Pflichterfüllung, einer geglaubten höheren Notwendigkeit zu verstecken«.380 Es war der Mut einzelner, der die Geschichte der Universität Bonn in der NSZeit ein wenig erhellt. Doch fast alle diese Mutigen – erwähnt seien hier nochmals 376 Vgl. die Zahlen des Stadtarchivs Bonn in: bonn.de/familie_gesellschaft_bildung_soziales/ stadtarchiv/stadtchronik/11828/index.html?lang=de; zuletzt abgerufen am 15. 06. 2017; vgl. zudem Bothien, Bonn, S. 7. 377 Vgl. Forsbach, Fakultät, S. 499f. 378 Vgl. Hopfner, Universität, S. 33. 379 Vgl. Chronik 1939 bis 1949, S. 7. 380 Bracher, Gleichschaltung, S. 142.
Repression und Ideologisierung (1933–1945)
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Heinrich Lützeler, die Familie Kahle, Franz Josef Peters und der Kreis um Walter Markov – wurden durch die Vergeltung des NS-Staats gestoppt. Dass es einen »normalen Lehrbetrieb« gegeben hätte, ist eine Mär. Die Arme des totalitären Staats drangen bis in die Hörsäle und Seminarräume. Lehre und Forschung litten unter der Ausschaltung verfolgter Lehrkräfte, den zahlreichen Dienstverpflichtungen von Dozenten und der Abkehr potentieller Nachwuchswissenschaftler von einer Universitätstätigkeit. Hinzu kamen die zeitlichen Nöte der Studierenden, die sich ihrerseits zum Besuch von nichtuniversitären Veranstaltungen und zu Diensten in Parteiformationen gezwungen sahen. Ähnlich problematisch waren die Eingriffe in den Lehrplan selbst, der vor allem im Krieg immer weiter gestrafft wurde. An der »Konstatierung fundamentaler Ambivalenzen« führt bei einem Gebilde wie einer Universität mit ihren teilweise hochspezialisierten Wissenschaftlern kein Weg vorbei.381 Diese Gebilde völlig zu zerschlagen, wäre einem totalitären Regime wie dem nationalsozialistischen möglich gewesen, doch haben es Opportunitätserwägungen davon abgehalten – zumal eine echte Gefahr für die NS-Diktatur von ihm nicht ausging. Im Gegenteil überwog die Zahl derjenigen, die den von Gerhard Ritter früh beschriebenen Handlungsspielraum nicht auszuloten versuchten und sich mit den Verhältnissen zu arrangieren verstanden.382 Nur in wenigen Ausnahmefällen wurden im Sinne Hitlers »Initiativen ergriffen«.383 »Dem Führer entgegen zu arbeiten«, wie es Ian Kershaw im Anschluss an Werner Willekens formuliert hat, fiel den meisten Bonner Universitätsangehörigen nicht ein.384 Sie arbeiteten in ihrer übergroßen Mehrheit Hitler nicht »entgegen«, sondern waren »Durchführer« (Klaus Hildebrand) dessen, was in Berlin angeordnet wurde.385 Das reichte aus, um aus der Universität eine Hochschule zu machen. »Eine nationalsozialistische Universität« war »ein Widerspruch in sich selbst«.386
381 Seier, Hochschullehrerschaft, S. 247; vgl. ähnlich zur Hamburger Medizinischen Fakultät van den Bussche, Wissenschaft, S. 447. 382 Ritter, Professor, S. 23f. 383 Kershaw, Hitler, S. 667. 384 Ebd. 385 Hildebrand, Reich, S. 191. 386 Ders., Universitäten, S. 27; vgl. Maier, Hochschulpolitik, S. 77.
Joachim Scholtyseck
Wiederaufbau und Expansion (1945–1965)
Die Zentrale – Lehrkörper, Rektor und Senat Von der Zerstörung zur Wiedereröffnung Ein improvisierter Neubeginn Der Weg zur Wiedereröffnung Entnazifizierung und Rehabilitierung Die Entnazifizierung Remigration und Rehabilitation Einblicke in die Personalstruktur Die Professoren Privatdozenten und Mittelbau Die Reorganisation der Universität Kanzler oder Kurator? »Magna Charta« oder Provisorium? Die Universitätsverfassung von 1960 Die Studierenden Entwicklung der Studentenzahlen Studieren in den Nachkriegsjahren Die Wohnsituation Die soziale Lage der Studenten Das Studentische Disziplinarrecht Studentische Selbstverwaltung Politisierung und Entfremdung Streitigkeiten um die Mitbestimmung Die Wiederbegründung der Studentenverbindungen und der »Bonner Farbenstreit« Universität und Öffentlichkeit Die Universität in der Bundeshauptstadt Bonner Hochschulpolitik im Zeichen der Expansion Reform oder Restauration? Studium generale oder Studium universale? Wachsender Reformdruck Der »Fall Petri« Vergangenheitsbewältigung: Der »Fall Moser« Infrastruktur Der Wiederaufbau Das Ende der baulichen Provisorien Die Universitätsbibliothek
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Die Zentrale – Lehrkörper, Rektor und Senat Von der Zerstörung zur Wiedereröffnung Ein improvisierter Neubeginn Das vorherrschende Gefühl bei Kriegsende hat Theodor Heuss mit den Worten beschrieben, die Deutschen seien »erlöst und vernichtet in einem gewesen«.1 Dieses »erlöst und vernichtet« bezog sich mutatis mutandis auch auf die Bonner Universität. Sie war zwar nicht vernichtet, aber sie lag in Trümmern, und sie war zwar von der nationalsozialistischen Diktatur erlöst, nicht aber von der eigenen Vergangenheit im »Dritten Reich«. Als am 9. März 1945 amerikanische Truppen Bonn besetzten,2 konnte es daher für die Universität – oder das, was von ihr übrig war – keine Rückkehr zum business as usual geben.3
Abb. 21: Bundespräsident Theodor Heuss im Gespräch mit Rektor Werner Richter, 1952
Nachdem ein Großangriff der Alliierten am 18. Oktober 1944, dem Jahrestag der Universitätsgründung, einen großen Teil der Universitätseinrichtungen wie das 1 Parlamentarischer Rat. Stenographische Berichte über die Plenarsitzungen 1948/49, Bonn 1949, Neudruck 1969, S. 210. 2 Vogt, Bonn; ders., Quellen; Ennen/Höroldt, Römerkastell. 3 George, Neubeginn.
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Hauptgebäude und die am Rhein gelegenen Kliniken zerstört oder schwer in Mitleidenschaft gezogen hatte, war der Lehrbetrieb in Bonn zum Erliegen gekommen, nicht anders als in den meisten anderen deutschen Universitätsstädten.4 Weitere massive Luftangriffe von Ende Dezember 1944 bis Anfang Februar 1945 hatten erneut das Hauptgebäude, das Poppelsdorfer Schloss sowie mehrere Institute beschädigt. Die Medizinische Fakultät hatte in Bonner Außenbezirken und Nachbarorten behelfsmäßige Kliniken eingerichtet und dort die Versorgung der Bevölkerung fortgesetzt. Schon Anfang September 1944 war angesichts der vorrückenden Front mit Verlagerungen der Universitätseinrichtungen ins Landesinnere begonnen worden, allerdings musste das Vorhaben abgebrochen werden. Nur Rektor Karl Chudoba sollte noch kurze Zeit in einer geradezu absurden Scheinwelt auf der Burg der Freiherren von Adelebsen in Göttingen amtieren. Er hatte, als das Ende absehbar geworden war, eigenmächtig den Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre, Theodor Brinkmann, zu seinem Nachfolger ernannt.5 Dieser war »unbelastet« und gehörte zudem einer Fakultät an, die erst 1934 mit der Eingliederung der Landwirtschaftlichen Hochschule fester Bestandteil der Universität geworden war. Der interimistische Rektor, der die Vereinigten Staaten seit einigen Forschungsreisen in den 1920er Jahren kannte, nahm sofort Kontakt mit den US-Kommandobehörden auf und erreichte die Zusage des Schutzes für die Universitätseinrichtungen, zumindest »soweit es die Kampflage gestattete«, denn Bonn lag noch bis Ende März in der Frontlinie: In der Nussallee zwischen dem Physikalischen Institut und der Endenicher Allee, dort, wo die vielgepriesenen »Tempel der Wissenschaft« errichtet worden waren, stand nun eine schwere amerikanische Batterie. Diese ersten Monate waren in allen Universitätsstädten die »Blütezeit der Improvisation«.6 Am Jahresende 1945 beschrieb Professor Heinrich Konen rückblickend das Chaos dieser ersten Wochen: »Schon im Laufe des März […] fanden sich einige wenige Männer zusammen. Damals war ein großer Teil der Dozenten weg. Sie sind langsam und allmählich zurückgekehrt, 4 Während in Bonn für die Jahre vor 1945 Aktenbestände verloren sind, ist die Überlieferung für den hier behandelten Zeitabschnitt mit Blick auf die Akten im Bonner Universitätsarchiv sowie das staatliche Schriftgut recht günstig. Den Studien zu verschiedenen westdeutschen Universitäten ist jedoch gemein, dass vor allem die Jahre zwischen 1955 und 1965 noch wenig erforscht sind. Vgl. Krönig/Müller, Nachkriegs-Semester ; Grüttner, Wissenschaftskulturen. Relevant sind vor allem die Beiträge von Middell, Ähnlichkeiten, S. 209–214; Ash, Kontinuitäten, S. 215–246; Kaiser, Planungseuphorie, S. 247–260. Zu den Universitäten Heidelberg, Tübingen, Köln und Münster sind Spezialstudien entstanden. Besatzung; Remy, Myth; Paletschek, Entnazifizierung; daneben auch Defrance, Les alli8s occidentaux; Sparing/Woelk, Forschungsergebnisse, S. 7–32 und besonders die Literaturhinweise, S. 10–16. 5 George, Studieren, S. 46; Weiß, 200 Jahre, S. 81. Vgl. Höpfner, Universität, S. 84. 6 Bargmann, Wiederaufbau, S. 653.
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noch sind viele fort. Damals waren die Universitätsgebäude von fremder Besatzung besetzt. Ein unbeschreiblicher Zustand! […] Hier war ein Durcheinander, das jeder Beschreibung spottete.«7
Einige Institute wurden von Soldaten geplündert,8 die Kommunikationsmöglichkeiten waren bescheiden, viele derjenigen, die an den Universitäten studiert oder gelehrt hatten, waren tot, galten als verschollen oder befanden sich in Kriegsgefangenschaft beziehungsweise im Internierungslager.9 Die ersten Professoren und Dozenten kehrten im April 1945 zurück. Von anfänglich 15 – dies war nur ein Zehntel der Zahl des letzten Kriegssemesters – wuchs ihre Zahl bis August auf knapp 100. Allein schon diese erstaunliche Kontinuität verweist darauf, dass es auch an der Universität Bonn keine »Stunde Null« gab.10 Am 12. April 1945 begann für die Universität die eigentliche Nachkriegszeit. Unter dem Vorsitz Theodor Brinkmanns fanden sich sieben nationalsozialistischer Tendenzen unverdächtige Professoren zu einer »Senatssitzung« zusammen. Die Repräsentanten des ad hoc zusammengesetzten Gremiums aus allen Fakultäten verstanden sich zugleich als Dekane,11 ein Indiz, dass am korporativen Aufbau der Universität und der starken Stellung ihrer Fakultäten nicht gerüttelt werden sollte. Das Protokoll vermerkt als einzigen Beschluss: »Die Leitung der Verwaltung der Universität ist Sache des Rektors.«12 Die Fakultäten spielten in der Anfangszeit angesichts zunächst fehlender übergeordneter Strukturen eine zentrale Rolle. Als »Ort der Zusammenkunft« sollte in ihnen der »korporative Geist«13 der Universität spürbar werden. Eine gewisse Sonderstellung genoss die Medizinische Fakultät. Weil der Klinikbetrieb bei der katastrophalen Versorgungslage Bonns gar nicht erst zum Erliegen kommen durfte, wurde der Dekan der Medizinischen Fakultät, Erich von Redwitz, von den Amerikanern am 26. Mai zum business manager der Kliniken bestellt, damit gewissermaßen als erster in seinem Universitätsamt bestätigt und »the reconstruction and reopening of the Medical School« in Aussicht gestellt.14 7 Ansprache des Rektors anlässlich der Plenar-Versammlung am 01. 12. 1945 im Akademischen Kunstmuseum, UAB, UV 69–21. 8 Eingabe des Repräsentativ-Ausschusses der Universität Bonn an die Militärregierung (ohne Datum), in: UAB UV 69–3. 9 Kleinen, Stacheldraht; Horn, Orientierung. 10 Kroll, Kriegsende; Stadtverwaltung, Bonn. 11 Für die Evangelisch-Theologische Fakultät Ethelbert Stauffer, für die Katholisch-Theologische Fakultät Wilhelm Neuß, für die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Erwin von Beckerath, für die Medizinische Fakultät Erich von Redwitz, für die Philosophische Fakultät Friedrich Oertel, für die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät Hans Cloos und für die Landwirtschaftliche Fakultät Theodor Brinkmann. 12 UAB, Senat 33–1. 13 Schmoeckel, Insel, S. 82. 14 UAB, UV 69–8.
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Nachdem die amerikanischen Besatzungstruppen am 28. Mai 1945 durch britische Verbände abgelöst worden waren, erließ deren Militärverwaltung in den folgenden Wochen Verfügungen für die in ihrer Zone liegenden Universitäten. Sie bestätigte und legitimierte am 1. Juni 1945 den bereits bestehenden Verwaltungsrat der Universität mit Brinkmann als Präsidenten und Heinrich Konen als Stellvertreter. Zugleich wurde dem Verwaltungsrat deutlich gemacht, in welchen Grenzen er sich fortan zu bewegen hatte: »No reconstruction is authorized save that required to safe valuable or irreplaceable objects. (…) All actions taken under this authorization are subject to the approval of the Military Governor.«15 Von Selbstverwaltung konnte dementsprechend keine Rede sein. Die Militärregierung legte fest, dass die Stadt Bonn so lange für den Unterhalt der Universität aufzukommen habe, bis eine nationale Regierung diese Aufgabe wieder übernehmen könne. Obwohl die Briten nicht von einer Wiederöffnung der Universität sprachen, machte der frisch legitimierte Verwaltungsrat Vorschläge für eine solche Eventualität. Eine »Vorläufige Anordnung über die Verwaltungsorgane«, die wenige Tage später als eine Art Geschäftsordnung verabschiedet wurde, legte fest, dass die Aufgaben, die bisher den Fakultäten, dem Kleinen und dem Großen Senat der Universität oblagen, im Rahmen der von der Militärregierung gezogenen Richtlinien nun vom mindestens neunköpfigen Verwaltungsrat wahrgenommen wurden, dessen Mitglieder von der Militärregierung aus dem Kreise des Lehrkörpers bestellt wurden. Der Verwaltungsrat wählte jeweils für die Dauer eines Jahres einen Präsidenten, der die Rechte und Pflichten des Rektors und des Kurators vereinte und unmittelbarer Vorgesetzter aller Beamten, Angestellten und Arbeiter war.16 Die Protokolle des Verwaltungsrats geben einen Einblick in die damaligen Alltagsprobleme. Angesichts der völligen Desorganisation der Stadtverwaltung und einer erst allmählich arbeitsfähigen Provinzial-Regierung, die sich zunächst in Bonn, später, unter der Leitung von Robert Lehr, in Düsseldorf niederließ, war das Thema Kreditbeschaffung von zentraler Bedeutung. Geld war nicht nur für laufende Sachausgaben nötig, die für 1945 mit einem Viertel des Betrages von 1944 veranschlagt wurden, sondern vor allem für Personalausgaben. Die Gesamtsumme von circa 2 Millionen RM – ohne die Universitätsklinik – sollte über die »Gesellschaft der Freunde und Förderer der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn« (GEFFRUB) und einen städtischen Kredit beschafft werden. Schon hier zeigte sich, wie unersetzlich der Anteil der GEFFRUB am Wiederaufbau der Universität war17, die ansonsten wesentlich am Tropf der Stadt 15 Erlaß der Militärregierung an die Stadtverwaltung vom 01. 06. 1945, in: UAB, UV 33–1. 16 Sitzung des Verwaltungsrates vom 07. 06. 1945, Anlage zum Protokoll, in: UAB, UV 33–1. 17 Braubach, Fünfzig Jahre; Büchel, Achtzig Jahre; George, Studieren, S. 238–241.
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beziehungsweise des Landes hing. Der Kreditbedarf bis Jahresende wurde mit einer halben Million RM berechnet – ein bescheidener Anfang für die Reparatur der Schäden, deren Gesamtkosten nach der Währungsreform auf 50 Millionen DM berechnet wurden. Der Weg zur Wiedereröffnung Mitte Juli reichte der erschöpfte Präsident des Verwaltungsrats Brinkmann seinen Rücktritt ein. Er zog das Gesuch zwar wieder zurück, als ihm neben einer fühlbaren Arbeitsentlastung das alleinige Recht zugesichert wurde, Kollegen oder Sachverständige zu einzelnen Sitzungen des Verwaltungsrates hinzuziehen. Zufällig oder nicht, erreichte sein Abschiedsgesuch jedoch den Militärgouverneur, der daraufhin sofort den bisherigen Vizepräsidenten, den Physiker Heinrich Mathias Konen, zum Nachfolger ernannte. Dieser war bereits 1930/31 Rektor gewesen, hatte 1933 die Hakenkreuzbeflaggung der Universität abgelehnt und war daraufhin im Mai 1933 aus dem Amt gedrängt worden. Der nun reaktivierte Konen, dem ein »sehr positives Verhältnis zur Macht« bescheinigt wurde,18 erhielt das Vertrauen des Verwaltungsrats, während Brinkmann ins zweite Glied zurücktrat und das Prorektorat übernahm. Eine andere Personalrochade wurde mit großer Erleichterung registriert. Nachfolger von Hans Cloos als faktischem Kulturminister wurde der dem Verwaltungsrat der Bonner Universität angehörende Ökonom Erwin von Beckerath, der im Weltkrieg zu den widerständigen »Freiburger Kreisen« gehört hatte und jetzt im Düsseldorfer Ministerium zum Sachbearbeiter für die Abteilung Universität und Kirche nominiert war. Die Universität trieb die Wiedereröffnung mit allen Kräften voran. Der Personalmangel sollte, wie der Verwaltungsrat am 7. Juni 1945 empfahl, über die Einstellung von Assistenten mit kurzfristigen Arbeitsverträgen und mit provisorischer Vergütung beseitigt werden.19 Wenige Wochen später bat der Verwaltungsrat die Militärregierung um die Erlaubnis, die traditionellen Bezeichnungen der Universitäts-Magistrate als »Rektor«, »Prorektor«, »Dekan« und »Senat« wieder gebrauchen zu dürfen. Nachdem die Genehmigung erfolgt war,20 wurden die Statuten des Jahres 1930 zum Fixpunkt der Reorganisation.21 Im Sinne des Prinzips der akademischen Selbstverwaltung sollte auf der Grundlage verlässlicher Statuten inhaltlich so viel
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Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 250. Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 07. 06. 1945, in: UAB, Senat 33–1. UAB, UV 69–1. Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 199–215.
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wie möglich übernommen und spätestens am Ende des Wintersemesters 1945/46 die Dekane, der Senat und der Rektor gewählt werden. Ein vollständiger Rückgriff auf ältere Verfassungstraditionen aus der Zeit vor 1933 war jedoch kaum möglich: Die Universität war eine Gründung des preußischen Staates gewesen, der jahrzehntelang in ganz Deutschland bildungspolitisch eine führende Rolle gespielt hatte. Weil es Preußen inzwischen de facto nicht mehr gab und das Land Nordrhein-Westfalen erst im Entstehen begriffen war, musste die Universität auch in diesem Bereich improvisieren. Unter den Argusaugen der Besatzungsmacht musste die Verwaltung geordnet, die Verteilung der Vorlesungssäle organisiert, Immatrikulationsverzeichnisse erstellt und den Studenten, denen attestiert wurde, »guten Willens und zu allen Entsagungen bereit« zu sein, entsprechende Bescheinigungen erteilt werden. Ohne Genehmigung konnten keine Vorlesungen oder Seminare gehalten werden. Für die Studienabschlüsse, Promotionen, Ehrenpromotionen und Habilitationen sollten bis auf weiteres »die Regeln der Zeit vor 33 als Ausgangspunkt« gelten.22 Weil zu erwarten war, dass die in den Kriegsjahren und der Gefangenschaft altgewordenen Studenten auf einen schnellen Abschluss ihrer Studien drängen würden, wurde für das zulassungsbeschränkte Verfahren ein Immatrikulationsausschuss geschaffen und Regelungen zu »Übergangskursen« vereinbart.23 Am 22. September 1945 beantragten Rektor und Senat formell die Wiedereröffnung der Universität, um ab dem 15. Oktober mit Immatrikulationen und ab dem 2. November mit Vorlesungen und Übungen beginnen zu können.24 Gerade die Immatrikulationsfrage erwies sich als hochkomplex. Unter den 14.000 Vormerkungen befanden sich allein 6.000 für die in Bonn traditionell am stärksten nachgefragte Medizinische Fakultät – es war utopisch, diese Zahl an Bewerbern aufzunehmen. Während die Universität die Aufnahme von 3.500 Studenten erhoffte, akzeptierten die Briten nur 2.500. Auf den numerus clausus bestanden sie nicht nur wegen der Wohnungs- und Ernährungsprobleme, sondern auch, weil sie die Entstehung eines »akademischen Proletariats«25 verhindern wollten – man erinnerte sich nur zu gut daran, dass die Sorge vor einer ungewissen beruflichen Zukunft viele Studenten und Assistenten in die Arme des Nationalsozialismus getrieben hatte. Bei der Zulassung präferierten sie zudem politisch Benachteiligte, während die Universität in erster Linie an guten und leistungswilligen Studenten interessiert war, aber auch soziale Kriterien
22 Ansprache des Rektors anlässlich der Plenar-Versammlung am 01. 12. 1945 im Akademischen Kunstmuseum, UAB, UV 69–21. 23 Protokoll der Sondersitzung des Verwaltungsrates am 03. 08. 1948, in: UAB, Senat 33–1. 24 Abschrift und Entwurf in: UAB, UV 69–1. 25 Senatssitzung vom 19. 01. 1948, UAB, Senat 33–4.
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berücksichtigen wollte. Die Kompromisslösung bestand in der Ausarbeitung eines Punktesystems, das diese Faktoren zu integrieren suchte. Der Lehrbetrieb wurde schließlich am 6. November mit einem beeindruckenden Vorlesungsverzeichnis26 und 123 Lehrkräften aufgenommen. Ein schlichter Festakt im Collegium Leoninum am 17. November 1945 markierte den offiziellen Wiederbeginn. Es war ein gutes Omen, dass Robert Lehr als Oberpräsident der Provinz Nordrhein und Brigadegeneral John A. Barraclough, der Kommandeur der britischen Militärregierung Nordrhein, zur Feierstunde kamen.
Entnazifizierung und Rehabilitierung Die Entnazifizierung Die Ansicht, es habe nach 1945 an den Universitäten ein durchgängiges Verdrängen und Verschweigen der NS-Vergangenheit gegeben, ist ebenso weit verbreitet wie falsch. Die Trennung von »den vermeintlich schwarzen Schafen«, so lautete ein häufig gehörter Vorwurf, sei lediglich Indiz für »eine Deckung für die Selbstreinigungsrituale und Deutungskartelle«gewesen, »mit denen sich das ›Mandarinentum der deutschen Ordinarien‹ in der ›Abendröte der alten deutschen Universität‹ noch eine letzte Chance« eingeräumt habe.27 Entgegen dieser gängigen Auffassung zeigt der exemplarische Blick auf die Universität Bonn, dass von Entlastungs- und Schweigekartellen keine Rede sein kann, wenn auch die Beschäftigung mit der Vergangenheit aus Gründen, die noch zu erläutern sind, nach einer Weile wieder in den Hintergrund rückte.28 Wer sollte in die neue Zeit übernommen werden? Der Prozess der »Entnazifizierung« an den Universitäten erwies sich als höchst komplex und wurde in der französischen, amerikanischen, sowjetischen und britischen Zone jeweils mit unterschiedlichen Verfahren und Ergebnissen durchgeführt. Zumindest in der Anfangsphase waren die Briten eine strenge letzte Instanz, wenn es darum ging, das Gift des Nationalsozialismus aus dem ehemaligen deutschen »Volkskörper« zu entfernen. Aber sie waren in der Regel pragmatischer als die Amerikaner, deren Eifer sie zum Teil als kontraproduktive »Hexenjagd« ansahen. Es dauerte nicht lange, bis sie sich lieber aus dem komplizierten »Säuberungsgeschäft« zurückziehen wollten.29 Zunächst jedoch verlangte die Militärregierung am 26 Vgl. George, Vorlesungsverzeichnis. 27 Weisbrod, Geist, S. 20. 28 Lübbe, Nachkriegsbewusstsein, S. 585f. Vgl. ders., Deutschland, S. 182–206, besonders S. 203–206. 29 Rauh-Kühne, Entnazifizierung, S. 60.
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7. Juni 1945 eine Aufstellung sämtlicher Bonner Hochschullehrer mit den wichtigsten politischen Personalangaben.30 Bis Ende 1945 wurden »kubikmeterweise« Fragebögen ausgefüllt und die Ergebnisse den Briten »mit militärischer Knappheit mitgeteilt«.31 Da es allerdings an klaren Durchführungsbestimmungen mangelte, gewann die Universitätsspitze einen gewissen Spielraum, um die Entnazifizierung in die eigene Hand zu nehmen. Aus innerer Kenntnis des Lehr- und Forschungsbetriebs, so lautete das Argument, werde es universitätsinternen Kommissionen mit einer auf Einzelfallprüfung beruhenden Bewertung leichter fallen, die Spreu vom Weizen zu trennen, als dies den oftmals jungen und unerfahrenen Besatzungsoffizieren mit ihren formalistischen Fragebögen möglich sei. Bereits in der Sitzung des Verwaltungsrats am 30. Mai 1945 empfahl Konen die Einrichtung eines Ehrenrates »zur Vorprüfung der Pg-Fälle im Kollegenkreis«. Die Dekane wurden beauftragt, sich über die »einschlägigen Fälle in ihren Fakultäten« zu informieren.32 Der Psychologe Siegfried Behn wurde zum Leiter einer »Nachrichtenkommission« bestellt und ihm der Kunsthistoriker Heinrich Lützeler sowie der Astronom Friedrich Becker beigeordnet – eine harmonisch zusammenarbeitende Troika, die in den folgenden Monaten akribisch Aktenmaterial sammelte, auswertete und auf der Grundlage von Zeugenbefragungen und der Lektüre der zwischen 1933 und 1945 publizierten Schriften ausführliche Dossiers über Kollegen zusammenstellte. Der mit allen Wassern gewaschene Rheinländer Lützeler, ein 1934 geschasster Nazi-Gegner, dem 1940 die venia legendi entzogen worden war, war charismatischer Gelehrter und unabhängiger Geist zugleich. Er verband gekonnt Humor, Erfahrung und Schlitzohrigkeit,33 eine unter Universitätsprofessoren eher seltene Kombination. Behn war von den Chancen eines demokratischen Neuanfangs überzeugt und wollte »einige verknöcherte Spießbürger […] mit ihrem Nazismus ins Museum schicken.«34 Der Teufel steckte jedoch im Detail. Der Kirchen- und Staatsrechtslehrer Friedrich Heyer, der 1943 wegen seiner antinationalsozialistischen Haltung entpflichtet worden war, referierte am 12. Juli 1945 daher aus juristischer Sicht über die »Behandlung der PgFrage« und goss Wasser in den Wein der reinen Lehre. Die Entnazifizierung sei eine politische Entscheidung, die nicht von der Universität übernommen werden könne. Diese solle »vielmehr eine bewusste Entpolitisierung anstreben« und daher komme ihr lediglich die Rolle einer »gutachtlichen Beratungsinstanz zu, bei der die Militärregierung sich Infor30 Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats vom 07. 06. 1945, in: UAB, Senat 33–1. 31 Ansprache des Rektors anlässlich der Plenar-Versammlung am 01. 12. 1945 im Akademischen Kunstmuseum, UAB, UV 69–21. 32 Protokoll der Sitzung vom 30. 05. 1945, in: UAB, Senat 33–1. 33 Kroll, Kriegsende, S. 62–67; ders., Widerstand, bes. S. 52f. 34 Behn an Becker vom 24. 08. 1945, UA UV 139–318.
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mationen holen« könne.35 Daraufhin beschloss der Verwaltungsrat die Einrichtung eines Gutachterausschusses, dem der Rektor als Beobachter, der Strafrechtler und Kriminologe Hellmuth von Weber als Vorsitzender sowie der zuständige Dekan und ein weiteres Mitglied angehören sollten.36 Alle Dozenten, die der SS angehört und dem SD und der Gestapo Dienste geleistet hatten, wurden als untragbar angesehen. Ferner sollten alle früheren NSDAP-Mitglieder vorläufig von der Gehaltszahlung und der Mitarbeit ausgeschlossen werden.37 Die vergleichsweise strengen Maßstäbe38 wurden Ende Juli von der Militärregierung gebilligt, die sich jedoch das Entscheidungsrecht vorbehielt.39 Am 26. Juli 1945 wurde das gerade erst mühsam in Gang kommende Verfahren erstmals modifiziert. Fortan sollten dem Gutachterausschuss nur von Weber als Vorsitzender, der zuständige Dekan sowie ein weiteres Mitglied, das von dem zu Begutachtenden vorgeschlagen werden konnte, angehören. Im Falle einer Suspendierung durch die Militärregierung sollte der Betroffene vor den Gutachterausschuss geladen werden, der anschließend dem Verwaltungsrat berichten sollte. Dessen Gutachten wiederum sollte der Militärregierung zugehen. Von nun an bestand in Entnazifizierungsangelegenheiten eine »Doppelspitze« von Nachrichtenkommission und Gutachterausschuss, die von Anfang an häufig gegeneinander arbeiteten. Ihr Verhältnis zum Gutachterausschuss definierte die Nachrichtenkommission in einem »Selbstzeugnis« an Rektor Konen dabei wie folgt: »Wir halten uns einstweilen für die Informatoren des Rektors, in zweiter Linie des Senats, in dritter Linie der Presse. […] Wir fungieren weder als Staatsanwalt noch als Rechtsanwalt. Wir klagen nicht an und verteidigen nicht, sondern wir stellen fest.« Gleichzeitig fühlte sich die Kommission durch von Weber desavouiert, weil dieser die Gutachten immer wieder als Anklageschrift verwendete und den Beschuldigten zur Kenntnis gab, während er seine eigenen Urteile und Entscheidungen jedoch vorenthielt.40 Im Laufe des Sommers 1945 erstellte die Nachrichtenkommission zahlreiche Gutachten und Sondergutachten über Professoren – »kleine psychologische Meisterwerke«, wie der Dekan der Philosophischen Fakultät bemerkte.41 Teil35 36 37 38
Sitzung des VR vom 12. 07. 1945, UAB, Senat 33–1. Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates vom 12. 07. 1945, in: UAB, Senat 33–1. Schreiben des Verwaltungsrates an die Militärregierung vom 12. 07. 1945, in: UAB, UV 69–1. Einige Vorschläge gingen noch weiter. In den Unterlagen der Nachrichtenkommission findet sich eine undatierte Zusammenstellung, in der alle, die nach 1933 aus der Kirche ausgetreten waren, als Nationalsozialisten galten; auch diejenigen, deren Frauen in die Partei eingetreten waren. Eingereiht waren zudem Denunzianten und diejenigen, die »Fremdarbeiter schlecht behandelt oder sogar misshandelt« hatten, in: UAB, UV 139–318. 39 Schreiben der Militärregierung an den Präsidenten vom 27. 07. 1945, in: UAB, UV 69–1. 40 »Selbstzeugnis« der Nachrichtenkommission von Prof. Behn an Rektor Professor Konen vom 04. 09. 1945, in: UAB, UV 139–318. 41 Oertel an Lützeler vom 06. 09. 1945, UAB, PF 138–161.
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weise süffisant beziehungsweise sarkastisch wurden manche Professoren-Eitelkeiten aufs Korn genommen. Für den Germanisten und »Reichsredner« Hans Naumann, Rektor im Wintersemester 1934/35 und einer der Protagonisten der Bonner Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933, kam ein mehrere Seiten langes Gutachten zum Ergebnis, dessen Reden seien auf die »Verherrlichung Hitlers und Mussolinis« und eine »Vergötzung des nordischen Wesens« hinausgelaufen, was letztlich in »die restlose Auflösung seines Wissenschaftsbegriffs« gemündet sei.42 Naumann wurde 1946 entlassen und blieb an der Universität persona non grata.43 Ähnlich vernichtend fielen die Gutachten zum Chemiker und überzeugten Nationalsozialisten Andreas von Antropoff aus, der als erster an der Universität Bonn die Hakenkreuzfahne gehisst hatte. Als Konsequenz verweigerte ihm die Universität die Emeritierung, die er dann aber 1953 gerichtlich durchsetzte.44 Immer wieder wurde die Vermischung von Ideologie und Wissenschaft kritisiert. Über den Philosophen und Psychologen Gustav Störring hieß es: »Wissenschaftlich ist St. ohne Rang gewesen. Von 1913 bis 1931 hat er für das Psychologische Institut nicht nur nichts getan, sondern auch allen produktiven Kräften den Weg verstellt. Seine Bücher sind schon z. Zt. seines aktiven Lehramtes nicht ernst genommen worden und sind heute völlig vergessen. Dass an Stelle Edmund Husserls St. nach Bonn gekommen ist, war ein Unglück für die Entwicklung der Philosophie an unserer Universität.«45
Konsequenzen hatte dieses Verdikt nicht mehr, denn Störring starb Ende 1946. Zum Altphilologen Hans Herter, zeitweise Prorektor unter Chudoba, lautete die Einschätzung, dieser sei »ein ausgesprochen ängstliches Wesen. […] In die Partei ist er wohl aus Sorge um sein akademisches Weiterkommen eingetreten. Das Amt des Prorektors übernahm er wahrscheinlich vor allem deshalb, weil er so der Einberufung zur Wehrmacht entgehen konnte; er hatte vor dem Soldatwerden einen großen Schrecken.«46 Dank der Fürsprache Oertels wurde Herter nicht entlassen und blieb bis zu seiner Emeritierung 1967 im Amt.47 Bis zum November 1945 wurden 23 Professoren und Dozenten wegen ihrer NS-Vergangenheit entlassen; die SS-Mitglieder wurden in der entsprechenden Liste schon gar nicht mehr aufgeführt. Ein kritischer Blick auf das Entnazifizierungsverfahren an der Universität zeigt ein adäquates und professionelles Vorgehen. Bei aller Kritik an dem universitätsinternen Verfahren bleibt festzu42 43 44 45 46 47
Gutachten Naumann, in: ebd. Vgl. Senatssitzung vom 18. 01. 1951, UAB, Senat 33–7. Höpfner, Universität, S. 497. Gutachten Störring, in: UAB, PF 138–161. Gutachten Herter, in: ebd. Höpfner, Universität, S. 428. Vgl. In memoriam Hans Herter.
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halten, dass es leidlich funktionierte und die Gefahr der Renazifizierung ausschloss.48 Das Verfahren war dennoch von Anfang an umstritten. Neid und Missgunst sind an den Universitäten mindestens ebenso verbreitet wie in anderen gesellschaftlichen Milieus, und weil im »Dritten Reich« die Denunziation ein allgegenwärtiges Phänomen gewesen war, an das man sich gewöhnt hatte, fiel es leicht, den Gutachtern unlautere Motive zu unterstellen. Für die Universität erwies sich die gewünschte »Selbstreinigung« daher als ein unerfreuliches und schmerzhaftes Geschäft. Zahlreiche Betroffene protestierten lautstark und mit der erlernten Eloquenz gegen angebliche Willkür und Machtgelüste der Prüfer. Besonders kritisch wurde vermerkt, dass alle drei Mitglieder der Nachrichtenkommission Katholiken waren – der Verdacht auf entsprechende Seilschaften aus der Zeit des Rektorats Konen vor 1933 war schnell bei der Hand. Implizit warf Behn dem Gutachterausschuss vor, zu milde zu urteilen und berichtete von Gerüchten, in Bonn sei »Nazi Trumpf«. Zum Beleg zitierte er die Aussage, an der Universität ändere sich nichts. »Die Professoren wagen nichts; sie sind Feiglinge (›Schisser‹).«49 Die hinter den Kulissen ausgetragene heftige Auseinandersetzung zwischen Gutachterausschuss und Nachrichtenkommission gipfelte Ende 1945 in der Rücktrittsankündigung Behns, der sich mit seinem Eifer in eine Außenseiterposition manövrierte.50 Er stellte fest, es sei von Anfang an offenkundig gewesen, dass seine Kommission Ziel der »wütenden Verleumdung, des akademischen Tratsches, der weitgehenden Diffamierung werden« würde. Er befürchtete, dass sich, wenn der Rektor nicht die Dinge im Auge behalte, »notorische Nazis […] wieder einfädeln, andere nachziehen und dass politisch geschädigte Forscher von Rang und berufene Pädagogen ohne Lehrstuhl sitzen bleiben.«51 Als die Briten im Januar 1946 für ihre Zone verbindliche Entnazifizierungsvorgaben erließen, wurden Nachrichtenkommission und Gutachterausschuss in der bestehenden Form obsolet. Fortan war ein die Militärbehörden beratender Hauptausschuss tätig, der bisweilen Entscheidungen traf, die den strikten Empfehlungen der Universität entgegenliefen. Verkompliziert wurde das Verfahren noch dadurch, dass drei Unterausschüsse gebildet wurden, die nun für Professoren, Beamte/Angestellte respektive Studenten zuständig waren. Die Briten sahen Renazifizierungsgefahren eher bei Studenten als bei Professoren. Einen skandalösen Gipfel der Nachlässigkeit sahen sie erreicht, als im Januar 1946 bekannt wurde, dass es Hitlers Luftwaffenadjutanten Nicolaus von Below 48 49 50 51
Höpfner, Universität, S. 537. Van Rey, Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 40. Behn an Konen vom 07. 08. 1945, UAB, UV 139–318. Höpfner, Universität, S. 536. Behn an Konen vom 21. 12. 1945, UAB, UV 139–318.
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Abb. 22 : Ausschnitt aus einem Entnazifizierungsbogen
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gelungen war, sich unter falschem Namen in Bonn zu immatrikulieren.52 Die Sorgen vor einer Renazifizierung verflogen bald, da es nicht einmal ansatzweise zu einer »NS-Renaissance« kam. Eine Jugendamnestie für die nach 1919 Geborenen machte die zeitraubende Fragebogen-Überprüfung der Neuimmatrikulierten seit dem Wintersemester 1946/47 überflüssig. Kontroversen mit dem städtischen Entnazifizierungs-Hauptausschuss blieben freilich an der Tagesordnung. Bis zum Frühjahr 1947 votierte der universitäre »Entnazisierungs-Ausschuss« bei 75 Prozent der Betroffenen für Zulassung, bei zehn Prozent für eine bedingte Zulassung, bis auf zwei Fälle mit einstimmigem Beschluss. Der städtische Hauptausschuss wandelte die Nichtzulassungen in seinem Votum hingegen oft ab. Im April 1947 drohten einige Mitglieder des Unterausschusses unter Führung Friedrich Beckers deshalb ihren Rücktritt an.53 Ärger, Frustration und Unzufriedenheit über das Verfahren an sich, aber auch die kompromisslose Haltung Beckers kennzeichneten die Debatte. Der Mediziner von Redwitz hielt die Entnazifizierung oftmals nur für eine »Farce«. Sein Kollege Paul Martini, langjähriger Direktor der Medizinischen Klinik, warf Becker gar »nazistische Methoden« vor, weil dieser Ultimaten stelle.54 Schließlich setzte der Ausschuss inklusive Becker seine Arbeit fort.55 Dass vor allem die Mediziner protestierten, hatte einen Grund in der Sache. Die Medizinischen Fakultäten der Universitäten hatten sich in der Regel im »Dritten Reich« besonders kompromittiert. Hier waren nicht nur überproportional viele SS-Mitglieder zu finden, sondern vor allem die Fächer Eugenik und Rassenkunde boten ein Beispiel für den Sündenfall der Wissenschaft, ganz zu schweigen von den Beteiligungen an der Euthanasiepolitik beziehungsweise der angeblich wissenschaftlichen Begleitung von Verbrechen wie der T4-Aktion.56 Trotzdem erwies es sich als schwierig, zwischen kämpferisch-idealistischem Rigorismus und einem notwendigen Pragmatismus einen Mittelweg zu finden. Auf die Mediziner, ob sie nun belastet waren oder nicht, konnte man, wie sich schon 1945 in Bonn gezeigt hatte, angesichts der medizinischen Versorgungssituation und eines chronischen Ärztemangels nicht verzichten. Fast überall waren die Medizinischen Fakultäten die ersten gewesen, die wieder einen geregelten Dienst aufnahmen – ihr oblag auch im zerstörten und durch Hunger und Mangelernährung gekennzeichneten Bonn die medizinische Fürsorge. Der Direktor der klinischen Anstalten stellte am 28. Februar 1946 kurz und bündig fest, dass, so 52 Vgl. Below, Adjutant, S. 423. 53 Senatssitzung vom 04. 04. 1947, Senat 33–3. 54 Senatssitzung vom 26. 06. 1947, Senat 33–3. Von Redwitz beschwerte sich Mitte 1947 bei Rektor Konen: »Die wildesten Nazis werden zu Mitläufern erklärt, und Leute […], die doch wirklich Widerstand geleistet haben, werden verfemt.« Zit. nach Forsbach, Kampf, S. 254. 55 Protokoll der Senatssitzung vom 01. 07. 1947, in: UAB, Senat 33–3. 56 Siehe hierzu näher den Beitrag von Ralf Forsbach in diesem Band der Festschrift.
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wie die Dinge lägen, eine »Entlassung von klinischem Personal […] ohne Gefährdung der Kranken unmöglich« sei.57 Am grundlegenden Konflikt änderte dies wenig. Die meisten Abgelehnten wurden nach den geltenden Kategorien vom städtischen Hauptausschuss so eingestuft, dass sie einen rechtlichen Anspruch auf Wiedereinsetzung in ihr Amt anmelden konnten, was das ablehnende Votum des Universitätsausschusses konterkarierte. Der Senat verfolgte diese Entwicklung mit wachsender Sorge.58 Im Juni 1948 drohten Becker und seine Mitstreiter erneut mit Rücktritt: Die Vielzahl der mitwirkenden Instanzen, die zudem den »verschiedenartigsten Einflüssen« ausgesetzt seien und das Überhandnehmen formaljuristischer Gesichtspunkte mache ihre Tätigkeit unwirksam; die Arbeit sei daher praktisch »bloße Zeitverschwendung«.59 Das Tauziehen hatte damit noch kein Ende. Becker und seine Getreuen boten an, doch weiterzumachen, wenn ihren Voten größeres Gewicht beigemessen und diese der Militärregierung vorgelegt würden.60 Der Senat sah nur eine sibyllinische Lösung: Wenn man verhindern wollte, dass sich die entlassenen Professoren gerichtlich einklagten und wenn man verhindern wolle, dass selbst in Kreisen antinationalsozialistischer Kollegen die Meinung aufkomme, man müsse angesichts der ökonomisch prekären Lage der Entlassenen nach der Währungsreform »aus menschlichen Gründen die Zurückberufung aller amtsentsetzten Herren« fordern, bleibe nur die Gewährung von Pensionen für die nicht länger politisch tragbaren Professoren und Dozenten.61 Die Katholischen Fakultäten waren im »Dritten Reich« am wenigsten vom Nationalsozialismus kontaminiert worden, weil die »braune Bewegung« den Katholizismus neben Sozialdemokratie und Marxismus als einen Hauptgegner betrachtet hatte. In Bonn wurde nach 1945 immer wieder betont, dass keine Fakultät sich so früh »offensiv mit der nationalsozialistischen Weltanschauung« auseinandergesetzt habe.62 Schon 1934 sei beispielsweise Alfred Rosenbergs Blut-und-Boden-Machwerk »Der Mythos des 20. Jahrhunderts« auf den Index gesetzt worden, was nach 1945 als moralische Resistenz gewertet werden konnte.63 Ende 1945 konnten bis auf den in der Fakultät zutiefst umstrittenen ehemaligen Dekan und Anhänger Carl Schmitts, Hans Barion, alle Fakultätsmitglieder ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Während die Fakultät an alte Tra57 58 59 60
UAB, UV 69–8. Senatssitzung vom 01. 10. 1947, UAB, Senat 33–3. Becker an den Hauptausschuss Bonn-Stadt vom 26. 04. 1948, UAB, UV 139–322. Schreiben einiger Mitglieder des »Entnazisierungs«-Ausschusses an Rektor und Senat vom 09. 06. 1948, UAB, UV 139–122. 61 Rektor an den Universitäts-Kontroll-Offizier Kirk vom 13. 08. 1948, UAB, UV 139–322. 62 Gatz, Fakultät, S. 65. 63 Vgl. Stasiewski, Auseinandersetzung; Burkard, Häresie.
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ditionen anzuknüpfen versuchte,64 war die Umhabilitierung des Kirchenhistorikers Hubert Jedin von Breslau nach Bonn als eine Art geistige Wiedergutmachung zu verstehen. Dieser hatte in der NS-Zeit die venia legendi verloren und im inneren Exil in Rom an der Geschichte des Konzils von Trient gearbeitet.65 Problematischer war die Lage bei den Protestanten, weil nach 1933 mancher Professor eine Affinität zu der »braunen Heilslehre« gezeigt hatte. Die Evangelisch-Theologische Fakultät befand sich, wie ihr Dekan beklagte, in einem »denkbar desolaten Zustand«, weil »alle Mitglieder des Lehrkörpers durch ihre Nähe zum Nationalsozialismus erheblich kompromittiert waren.«66 Die entlassenen beziehungsweise suspendierten Professoren wurden nicht wieder eingesetzt und die Fakultät widerstand »allen Anmutungen, irgendeine Form von wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit ihnen wieder aufzunehmen.«67 Als erstaunlich widerstandsfähig hatten sich – entgegen der häufig gehörten These von den angeblich »furchtbaren Juristen«68 – die Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultäten gezeigt. Die Bonner Juristische Fakultät ist sogar als eine »Insel der Seligen« beschrieben worden,69 was allerdings in einer neueren Darstellung dahingehend ergänzt worden ist, die Fakultät sei zumindest »eine Insel der Tradition und der Wissenschaft« geblieben.70 Der Zivilprozessrechtler Erich Bley, der dem SD Bonn angehört und sich in seinen Vorlesungen antisemitisch geäußert hatte, wurde zwar im Spruchkammerverfahren »entlastet« und ordnungsgemäß emeritiert, aber von der Fakultät trotz verschiedener Fürsprachen konsequent abgelehnt.71 Noch eindeutiger war der Fall Karl August Eckhardt. Dieser war als SS-Sturmbannführer und enger Mitarbeiter Heinrich Himmlers ein Paradebeispiel eines erfolgreichen NS-Juristen.72 Eckhardt hatte in Bonn keine Chance mehr und fristete ab 1949 ein abgeschiedenes Dasein auf dem Posten des Direktors des Historischen Instituts des Werralandes in Witzenhausen. Zahlreiche Dozenten gaben sich mit ihrer Nichtwiedereinstellung nicht zufrieden – es folgte ein oft jahrelanger Streit vor den Verwaltungsgerichten um 64 Vgl. Borengässer, Kirchengeschichte; Gerhards, Liturgiewissenschaft; Müller, Kirchenrecht; Waldhoff, 100 Jahre. 65 Gatz, Fakultät, S. 74–76. 66 Kinzig, Wort Gottes, S. 31. Vgl. auch Hirschfelder, Professoren. 67 Kinzig, Wort Gottes, S. 35f. Einer Reihe von ihnen gelang es jedoch, »entweder im kirchlichen Dienst unterzukommen oder sogar erneut Lehrstühle zu übernehmen – ein trauriges Kapitel in der weithin noch ungeschriebenen Geschichte der Kontinuitäten in der wissenschaftlichen Theologie über das Ende des Dritten Reiches hinaus.« (Kinzig, Wort Gottes, S. 40.). 68 Müller, Juristen. 69 Höpfner, Universität, S. 247. 70 Schmoeckel, Juristen, S. 43, S. 45. 71 Bülte, Erich Bley. Vgl. auch Kleinheyer, Fakultät, S. 247. 72 Niemann, Eckhardt.
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Wiedereinsetzung, Ruhegehalt und Pensionsansprüche. Häufig wehrte sich die Universität gegen eine Emeritierung, um zu verhindern, dass ein Belasteter von seinem Recht Gebrauch machte, an der Universität Vorträge zu halten. Bei Wiedereinstellungen »belasteter« Professoren spielten pragmatische Überlegungen eine Rolle. Lange Prozesse waren zeit- und geldraubend, und weil den Klägern ohnehin Wartegeld zu zahlen war, war es die einfachste Lösung, diese Personen wieder als Lehrkräfte zu beschäftigen. 1951 schuf der Artikel 131 des Grundgesetzes in dieser Hinsicht eine gewisse Rechtssicherheit. Ein bitterer Beigeschmack bleibt angesichts dieser »pragmatischen« Vorgehensweise allein schon deshalb zurück, weil viele Gegner des NS-Regimes zur gleichen Zeit noch um ihr Recht kämpfen mussten. Aber langfristig entscheidender war, dass die Universität Bonn nach 1945 keinen geistigen Nährboden für eine von manchen befürchtete Renazifizierung bot. Remigration und Rehabilitation Der Anteil der aus dem Exil dauerhaft zurückkehrenden Dozenten betrug etwa ein Drittel.73 Die meisten wollten nicht zurück in das Land, das sie vertrieben hatte. Aber selbst wenn ein Rückkehrwille vorhanden war, blieben die Hürden hoch. Viele der vertriebenen Hochschullehrer waren inzwischen alt geworden; ihre Professuren häufig anders besetzt. Gastprofessuren als Notlösung blieben die Ausnahme. Den potentiellen Remigranten schlug teilweise sogar Misstrauen entgegen, weil sie vielen als Gehilfen der Besatzungsmächte erschienen und zudem eine ständige Erinnerung und Mahnung an das Unrecht des »Dritten Reiches« waren. Ob jedoch ein stärkerer Anteil von Remigranten die Innovationsfreude an den Universitäten vergrößert hätte, ist eine unbewiesene Vermutung. Viele wirkten keineswegs im Sinn einer »Westernisierung«, und bisweilen war sogar das Gegenteil der Fall: Manche der aus dem Exil zurückkehrenden Wissenschaftler reaktivierten nationalstaatliche respektive konservative Traditionsbestände. Und bisweilen waren die älteren Remigranten in ihren Urteilen gegenüber ihren – zum Teil – belasteten Kollegen erstaunlicherweise sogar oft milde gestimmt. In Bonn stellte sich die Situation nicht grundsätzlich anders dar als anderswo. Der Verwaltungsrat berichtete am 7. Juni 1945 über die »Rehabilitierung der in der Hitlerzeit beruflich geschädigten Kollegen«. Eine Rechtskommission sprach sich für die sofortige Rehabilitierung der Professoren Heyer, Konen, Meisen und Lützeler aus. Wenig später beschloss das Gremium die Rehabilitation von Alfred Philippson. Der im Juni 1942 nach Theresienstadt verschleppte Geologe wurde im Juli 1945 auf eine Initiative des Geologen Hans Cloos gemeinsam mit anderen 73 Vgl. Möller, Remigration, S. 610; Cieslok, Rückkehr.
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Bonner Juden zurückgeholt, erhielt seine Lehrbefugnis zurück und wurde 1946 von seiner Universität mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Im Spätsommer 1945 wurden 25 Emigranten gebeten, an ihre alma mater zurückzukommen, mit gemischtem Erfolg. Zu den jüdischen Gelehrten, die nach Bonn zurückkehren wollten, gehörte der nach Großbritannien geflohene Mittelalter-Historiker Wilhelm Levison, der sich seiner alten Universität immer noch verbunden fühlte.74 Ähnlich versuchte die Universität, den Völkerrechtler Erich Kaufmann (Amsterdam) und den Strafrechtler Max Grünhut (Oxford), von denen man gehört hatte, dass sie zur Rückkehr bereit seien, an den Rhein zurückzuholen.75 Bei Grünhut gelang es, Kaufmann hingegen folgte einem Ruf nach München. Alfred Kantorowicz, der wesentlich für den Ruf der Kieferorthopädie an der Universität Bonn verantwortlich gewesen war, lehnte aus dem türkischen Exil heraus den Ruf ab, als Klinikdirektor dauerhaft nach Bonn zurückzukehren und kam nur als Gastwissenschaftler. Ähnlich hielten es der Wirtschaftswissenschaftler Herbert von Beckerath und der Orientalist Paul Kahle. Der 1943 aus politischen Gründen »entpflichtete« Jurist Friedrich Heyer konnte auf seinen unbesetzt gebliebenen Lehrstuhl zurückkehren. Der als »Nichtarier« 1938 vertriebene Keltologe Rudolf Hertz erhielt 1946 eine außerordentliche Professur. Der Psychiater Hans Gruhle, der sich von der NS-Psychiatrie an ihn gestellten Zumutungen entzogen hatte, erhielt 1946 zunächst eine Gastprofessur und dann bis 1956 nur kommissarisch den Lehrstuhl für Psychiatrie, weil sich sein nationalsozialistischer Amtsvorgänger juristisch gegen seine Amtsenthebung wehrte.76 Der Germanist Werner Richter, der als Jude nach der »Machtergreifung« Deutschland hatte verlassen müssen und 1939 in die USA ausgewandert war, wurde 1949 auf den Lehrstuhl für Ältere Germanistik berufen und wenig später zum Rektor gewählt. Die Rückberufung von Hans von Hentig auf einen Lehrstuhl in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät,77 von dem er 1935 aus politischen Gründen entfernt worden war, nahm Rektor Friesenhahn im Jahr 1951 zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass Senat und Fakultäten sich bemühten, »diejenigen Kollegen, die nach 1933 aus ihrem Verband ausgeschieden wurden, soweit sie nicht bereits in Planstellen wieder eingerückt sind oder als Emeriti geführt werden, in irgendeiner anderen Weise, etwa als Honorarprofessoren, wieder in ihren Verband einzugliedern, auch soweit diese Herren im Auslande verbleiben.«78 Im Fall des Mathematikers Felix Hausdorff, der zwar 1935 in Bonn noch emeritiert worden war, sich jedoch jahrelangen Schikanen ausgesetzt gesehen hatte und angesichts der bevorstehenden De74 75 76 77 78
Zu seiner Vita vgl. die Beiträge in Becher/Hen, Levison. Rektor an Militärregierung vom 03. 12. 1945, UAB, UV 69–8. Böhnke, Gruhle, S. 67–72. In Memoriam Hans von Hentig. Chronik 1950.
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portation ins Vernichtungslager gemeinsam mit seiner Frau im Januar 1942 aus dem Leben geschieden war, blieb nur die posthume Würdigung in einer Gedächtnisstunde 1949. Die Hindenburg-Straße, in der er gewohnt hatte, wurde in Hausdorff-Straße umbenannt.79
Einblicke in die Personalstruktur Im Jahr 1964, am Ende des in diesem Kapitel behandelten Zeitabschnitts, verfügte die Universität Bonn über 203 Lehrstühle, davon 176 ordentliche und 27 außerordentliche. Im folgenden Jahr wurden weitere zwölf Ordinariate eingerichtet. Im »Mittelbau« gab es 63 Wissenschaftliche Räte, 70 planmäßige Dozenten, 46 Kustoden und Observatoren, 30 planmäßige Lektoren und 16 Studienräte im Hochschuldienst. Die Gesamtzahl der Assistenten und Oberassistenten belief sich auf 715 – eine offenbar so erfreuliche Bestandsaufnahme, dass im Bericht des Rektors, der über den Haushalt von inzwischen 137 Millionen DM referierte, zum ersten Mal in der Nachkriegszeit nicht mehr über Personalmangel geklagt wurde. Wie war diese erstaunliche Entwicklung zu erklären? Die Professoren In den Kriegsjahren hatte die Ausbildung schwere Defizite erlitten, und mit wissenschaftlich geringer qualifizierten Kräften wollte man einen Neubeginn nicht wagen. Auch daher begann der Lehrbetrieb mit einem überalterten Kernbestand. Die Verpflichtung von ebenso bewährten wie unbelasteten Emeriti statt überstürzter Neuberufungen war das Motto der ersten Stunde. Sie kannten die Universität der Weimarer Jahre, und eine grundstürzende Strukturänderung war von und mit ihnen nicht zu erwarten – das heißt, die Universität blieb ihrem Wesen nach im Bereich der Wissenschaft, also der Forschung und Lehre, dominiert vom Ordinarius, dem Lehrstuhlinhaber beziehungsweise dem Institutsleiter. Es war eine bewusste Entscheidung für die Traditionen der Zeit vor 1933, die kaum umstritten war, weil die Studenten sie akzeptierten und das Ministerium sie tolerierte. An der Emeritierung – und damit ausdrücklich nicht an der Pensionierung – hielt die Universität Bonn fest, wie der Präsident des Verwaltungsrats am 16. August 1945 bemerkte. Aber auch das Bild des Universitätsprofessors hatte sich durch die Zeitläufte verändert, wie Walter Henkels im Februar 1947 feinsinnig bemerkte. Das universitäre Leben Bonns sei immer geprägt gewesen, von der »wissenschaftlichen Leistung, der Dichtigkeit und Leidenschaftlichkeit« und der »Würde wissen79 Purkert, Hausdorff, S. 26.
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schaftlicher Forschung«, gekennzeichnet von »seltener Weltoffenheit und Freizügigkeit« und einem Miteinander von Universität und Bürgerschaft. Die Jahre des Unheils hätten jedoch »das Unterste zuoberst gekehrt«, wie allein der Blick auf die akademische Spitze zeige: »Der Herr Professor, der einmal die geistige Regentschaft in dieser Universitätsstadt besaß, ist ein völlig anderer geworden. Wo und wann hat er sich einmal intensiv mit so primitiven Erscheinungen des Lebens zu beschäftigen gehabt wie mit Kartoffeln, Brot und Schuhwerk, mit Wohnung und womöglich auch noch mit Entnazifizierung?«80 Die Zeiten, in denen Professoren zu den Spitzenverdienern gehörten, waren Vergangenheit. Mit der Kolleggeldreform des Jahres 1964, die von den Ordinarien jahrelang bekämpft worden war, verschwand bald ein weiteres finanzielles Eigenständigkeitsmerkmal. Ein Problem der ersten Nachkriegsjahre stellten die »vagierenden« und »umherirrenden« Professoren ohne Gehalt und finanzielle Hilfe dar, die beispielsweise den bisherigen Universitäten Breslau oder Königsberg angehört hatten. Sie sollten Pension erhalten und im Gegenzug »ähnlich wie ein amerikanischer Gastprofessor« an den ihnen zugewiesenen Hochschulen arbeiten.81 Die Wiederbesetzung vakanter Lehrstühle wurde nicht nur durch das »komplizierte und darum schleppende Berufungsverfahren der Regierungsinstanzen« gehemmt, sondern auch dadurch, dass den Gelehrten oftmals keine ausreichenden Arbeitsbedingungen und Wohnungen geboten werden konnten.82 In der Mitte der 1950er Jahre zogen sich manche Berufungsverhandlungen aus anderen Gründen hin: qualifizierte Kräfte, die für Planstellen in Frage kamen, wurden knapp. Das änderte jedoch wenig an der ungenügenden Betreuungsrelation: Auf jeden Planstelleninhaber kamen im Durchschnitt 63 Studenten. 1950 habilitierten sich in Bonn 14 Gelehrte, immerhin drei mehr als im Vorjahr, aber noch immer fehlten jüngere Privatdozenten.83 1951 gab es bereits 23 Habilitationen, und in einigen Fakultäten wurden führende Persönlichkeiten des Bonner öffentlichen Lebens zu Honorarprofessoren oder Lehrbeauftragten ernannt – als prominentestes Beispiel Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard.84 Der »Ordinarius« blieb weiterhin privilegiert. Seine noch unangefochtene Stellung rechtfertigte, bisweilen unter Hinweis auf die Ideale Humboldts, die herausgehoben und nicht an beamtenrechtliche »Laufbahnmuster« gekoppelte Stellung eines Universitätsprofessors. Dieser Status konnte mit der – gerade nach 80 Henkels, Walter: Bunker und alte Bauernherrlichkeit. Arbeit und Not der Bonner Studenten, in: »Die Zeit« vom 27. 02. 1947. 81 Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats vom 16. 08. 1945, in: UAB, Senat 33–1. 82 Klauser, Bericht 1948/49. 83 Klauser, Bericht 1949/50. 84 Ebd.
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den Erfahrungen des Nationalsozialismus – unabdingbaren Lehrfreiheit von den Einflüssen der Politik plausibel begründet werden. Der Universitätsprofessor hob sich nicht nur von anderen Hochschullehrern ab, sondern »repräsentierte seine Fachdisziplin in Forschung und Lehre, steuerte über seine alleinige Prüfungsberechtigung das Studium und die Art der Qualifikationen (indirekt damit auch gegenwärtige und künftige Berufsaufgaben der Absolventen) und über die Forschung ganze Berufsfelder.«85 Das Kollegialprinzip, nach dessen Grundlagen die Berufungen in einvernehmlicher Absprache in der Fakultät erfolgten, wurde vom Wissenschaftsrat in seine wegweisenden Empfehlungen des Jahres 1960 aufgenommen. Das Ordinariat als Element der universitären Selbstverwaltung wurde zwar bestätigt,86 aber das Wort von einer »Diktatur des Ordinariats«, das nach Ansicht mancher Kritiker einen »Anachronismus« darstelle, war bereits im Umlauf.87 Weibliche Professoren blieben die Ausnahme und waren auch im Vergleich zu anderen westdeutschen Universitäten unterrepräsentiert. Die Orientalistin Annemarie Schimmel erfuhr beispielsweise von einem befreundeten Ordinarius, sie würde einen Lehrstuhl erhalten, wenn sie ein Mann wäre. So ging sie zunächst nach Ankara und wurde erst nach weiteren Zwischenstationen Wissenschaftlicher Rat und 1970 Honorarprofessorin in Bonn. Die Chemikerin Margarete Rohdewald erhielt 1954 eine gering dotierte »Diätendozentur« und wurde 1958 außerplanmäßige Professorin.88 Privatdozenten und Mittelbau Hatte man im 19. Jahrhundert noch lange lediglich von Ordinarien und Extraordinarien gesprochen, rückten nach der Reichsgründung die Assistenten und das, was heute umgangssprachlich als »Mittelbau« bekannt ist, stärker ins Interesse. Die signifikant ansteigenden Dozentenzahlen machten nach 1945 eine Neuregelung der Dozentenkategorien dringlich. Im »Dritten Reich« waren viele der Assistenten ohne Festanstellung den neuen Machthabern gefolgt, zum Teil weil sie als Teil der »chancenlosen Generation« die Wissenschaft als ein Sprungbrett für ihre Karriere angesehen hatten, zum Teil weil sie mit Feuereifer der neuen Heilslehre gefolgt waren. An ihrer prekären Stellung hatte sich nach 1945 so gut wie nichts geändert – alle diejenigen wissenschaftlich Lehrenden, die über keinen Lehrstuhl verfügten und behelfsweise und hilflos als »Nichtordinarien« bezeichnet wurden, schwebten gleichsam im luftleeren universitären 85 Oehler, Hochschulentwicklung, S. 413. 86 Vgl. »Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil I: Wissenschaftliche Hochschulen«, S. 63. 87 Leonhardt, Universitäten, S. 357. 88 Vgl. grundsätzlich Kuhn/Rothe/Mühlenbruch, Frauenstudium.
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Raum. Die von den Briten 1949 angeregte Diskussion um die Globalisierung des Haushalts, die Erweiterung des Lehrkörpers, die Abschaffung des Privatdozententums und die Einführung von Hochschulräten war bald wieder eingeschlafen. Die Vertreter der Hochschulen, die Hochschulkonferenzen und auch der 1950 gegründete Hochschulverband nahmen sich jetzt dieses Themas verstärkt an – wobei gerade die Stellung der Nichtordinarien in der Selbstverwaltung umstritten blieb.89 Die Bonner Universitätsspitze fiel mit Blick auf die ständigen Rekordzahlen bei den Immatrikulationen in den Chor derjenigen ein, die der Forderung des Hochschulgutachtens von 1948 nach mehr Assistenten folgten. Eine »großzügige Vermehrung« dieser Planstellen, so stellte der Bonner Rektor fest, sei nötig, um das »schreiende Missverhältnis zwischen Aufgaben und Arbeitskräften« zu beseitigen.90 Der Appell tauchte fortan in jeder Rektorenrede auf, bald auch ergänzt um die Bitte um »mehr Diätendozenturen« – aber das grundsätzliche Problem blieb ungelöst. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz stellte Anfang 1953 fest, dass etwa 60 Prozent der Lehrkräfte Nichtordinarien waren und beklagte die auf »Anfängerstellen« zugeschnittenen Bezüge, fehlende Rechtsansprüche auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung und die unsicheren Perspektiven. Zu wenige Lehrkräfte, zu geringe Lehrmittel, eine kaum spürbare Erhöhung der Zahl der Hilfskräfte, das alles, so führte der Rektor 1953 aus, entmutige den wissenschaftlichen Nachwuchs, der im ganzen schlechter gestellt sei als die Anwärter anderer akademischer Berufe: »Es ist ein offenes Geheimnis, dass dadurch der pädagogische Aufbau des Lehrbetriebes zu Schaden gekommen ist. Die deutsche Universität ist dadurch in ihrer Lehrpraxis und in der Betreuung der Studierenden gegenüber den Universitäten des Auslandes schwer benachteiligt. Die zum Teil grotesken Mißstände können nicht auf dem Wege routinemäßiger Etatfestsetzungen behoben werden. Sie bedürfen der einmaligen, von einem festen Kulturwillen getragenen besonderen Reformmaßnahmen. Wenn unsere Hochschulen der heutigen im Technischen, Sozialen und Kulturellen veränderten Situation nicht angepasst sind, so trifft die Schuld dafür nicht die Selbstverwaltung. […] Wir begehen […] einen Fehler, wenn wir die sogenannte Überfüllung unserer Hochschulen immer wieder als einen Misstand bezeichnen, statt mit ihr als einer Tatsache zu rechnen, die unter dem Gesichtspunkt von zukünftigem Angebot und zukünftiger Nachfrage sogar zu rechtfertigen ist.«91
Seit Mitte der 1950er Jahre wurden – nach langen Jahren der Knappheit – zwar vermehrt wieder Mittel für Assistenten bewilligt, aber das löste weder die Probleme der Überfüllung noch der beruflichen Zukunft des Mittelbaus. In den 89 Vgl. Lundgreen, Personal, S. 17–22. 90 Klauser, Bericht 1949/50. 91 Richter, Bericht 1952/53.
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Etats der Seminare und Institute wurden neu bewilligte Mittel meist für Berufungszusagen verbraucht. Das Problem des wissenschaftlichen Nachwuchses, der bisweilen in Ehren ergraute, blieb auch in Bonn mit den Händen zu greifen. Die Zukunft der 197 »Nichtordinarien« der Universität erfüllte 1956 Rektor Braun »mit ernster Sorge« und führte zur Einberufung einer entsprechenden Senatskommission für »Nichtordinarienfragen«.92 In die Entwürfe der neuen Bonner Universitätssatzung wurde ein Paragraph eingefügt, der die Bildung einer eigenen Vertretung für die nichthabilitierten wissenschaftlichen Assistenten vorsah. Mit der 1960 verabschiedeten Verfassung sah die Universität diese Aufgabe als erfüllt an. Jetzt, so der damalige Rektor Braubach, seien »die Nichtordinarien mit Rechten vertreten, die […] in früheren Zeiten unvorstellbar« gewesen seien.93 Die Lehrkräfte des akademischen »Mittelbaus« blieben jedoch weiterhin ein Stein des Anstoßes. In der Praxis wurden sie inzwischen zum Abhalten von Übungen und Proseminaren herangezogen. Dies entlastete die Professoren, aber auch die Haushalte, weil hierdurch billige Lehrkräfte gewonnen wurden, was aber als ungute Entwicklung galt und eine Abkehr von wissenschaftlichen Vorstellungen darstellte: »Assistenten sollten einem Lehrstuhl, einem Seminar zuarbeiten und sich habilitieren, aber nicht – letztlich eigenverantwortlich – lehren.«94 Es blieb nicht aus, dass Studenten bisweilen über die unzureichende Kompetenz der Assistenten unzufrieden waren. Andererseits wähnten sich umgekehrt manche Dozenten »bestens ausgewiesen und in ihrer Stellung unterprivilegiert.«95 Weil die Universitäten jedoch trotz der praktischen Aushöhlung der Idee der Universität als einer Korporation der Gelehrten an diesem Prinzip festhalten wollten, war Kritik vorprogrammiert. Die Denkschrift »Hochschule in der Demokratie« des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) im Jahr 1961 wandte sich daher gegen die »Hierarchisierung«, unter der viele habilitierte Nichtordinarien als Assistenten arbeiteten. Ein Neugründungsgutachten des Verbandes Deutscher Studentenverbände (VDS) forderte 1962 eine Reorganisation der Universität nach Mitgliedergruppen und die Erweiterung der Mitbestimmung für Studentenschaft und wissenschaftliche Mitarbeiter, denen in einer »Gruppenuniversität« zu den bislang verweigerten Rechten verholfen werden müsse. Obwohl die SDS-Denkschrift zunächst kaum bekannt war, wurde das Problem in Bonn durchaus wahrgenommen. Es spielte in den Diskussionen um die neue Verfassung eine Rolle, auch wenn der Begriff »Nichtordinarien« nicht explizit auftauchte. Mehrfach debattierte der Senat seit 92 93 94 95
Braun, Bericht 1955/56. Braubach, Bericht 1959/60. Hammerstein, Goethe-Universität Bd. II, S. 419. Ebd., S. 420.
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1961 nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates über eine Satzung für die Vertretung der nichthabilitierten Assistenten, die auf ihren Status und ihre finanzielle Ausstattung pochten. Studienratsstellen im Hochschuldienst sollten als »transitorische Maßnahme« dienen, weil es »in der augenblicklichen Notlage keinen anderen Ausweg gibt. Es soll dadurch nichts präjudiziert werden.«96 Im Sommer 1963 beriet der Senat schließlich eine Landes-Assistentenordnung. Am Ende des hier betrachteten Zeitraums hatte die Universität bereits über 700 Assistenten und Oberassistenten auf ihren Gehaltslisten. Zukünftiger Ärger und Frustration waren vorprogrammiert, weil der immensen Vermehrung des wissenschaftlichen Nachwuchses kaum genügend akademische Karrierestellen gegenüberstanden. Wie dringend verbindliche Regelungen waren, zeigt der Blick auf die Verhältnisse im Jahr 1962: Von den inzwischen 4.500 Beschäftigten entfielen auf die Universität im engeren Sinne 1.969 und auf die Kliniken 1.862 Personen; dazu kamen noch 657 wissenschaftliche und technische Hilfskräfte, die aus Drittmitteln bezahlt wurden. Das wissenschaftliche Personal setzte sich aus 169 Professoren, 23 Wissenschaftlichen Räten, 55 Dozenten, 24 Kustoden und Observatoren, 32 Lektoren und 543 Oberassistenten und Assistenten zusammen. Bei den Haushaltsberatungen von 1962 wurde die Schaffung weiterer Stellen angekündigt und schließlich vom Senat 25 weitere Wissenschaftliche Räte sowie 93 Dozenten und Assistenten bewilligt.97 Nordrhein-Westfalen verwirklichte die Empfehlungen des Wissenschaftsrates für den Ausbau der Hochschulen also nicht allein durch Neugründungen, sondern durch bessere Ausstattung der traditionellen Universitäten. Seit 1957 hatte sich der staatliche Zuschuss von rund 62,4 Millionen auf 98 Millionen DM erhöht – eine durchaus »stolze Bilanz«, für die der Rektor dem Land Nordrhein-Westfalen, dem Landtag und der Regierung dankte, allerdings nicht ohne Wasser in den Wein zu schenken: »Wie glücklich wären wir, hätte das Wachstum der Universität Bonn seine Ursachen allein in der Entfaltung und Differenzierung der Forschung! Leider geht es wesentlich auf die ständig steigende Studentenzahl zurück! Diese Überflutung der Hochschulen macht die heutige Problematik der Universitäten aus, die endgültig nur durch die Errichtung neuer Hochschulen gelöst werden kann. Möge die Gründung der Universität Bochum, mit der unser Land mutig vorangegangen ist, baldige Nachfolge finden.«98
Der Rektor hätte noch erwähnen können, dass man von Selbstverwaltung bei einer Korporation, die wie die Universität Bonn in einem derart hohen Maß auf Zuschüsse des Landes angewiesen war, nur mit Einschränkung reden konnte. 96 Protokoll der Senatssitzung vom 25. 01. 1962, UAB, Senat 33–18. 97 Protokoll in: UAB, Senat 33–17. 98 Welzel, Bericht 1962/63.
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Die Reorganisation der Universität Am 1. Dezember 1945 erklärte der Rektor, dass die alten Statuten der Universität zwar nicht aufgehoben seien, sie in der bisherigen Form jedoch nicht mehr beibehalten werden könnten und ein Rückgriff auf sie »eine Fiktion« sei.99 Eine Klärung sollte die Rechtskommission in Verbindung mit der geplanten Rektorenkonferenz schaffen. Gegenüber den Ansprüchen der Länder blieb die Universität Bonn genauso misstrauisch wie andere Universitäten und pochte angesichts der Erfahrungen des »Dritten Reiches« auf ihr angestammtes Recht universitärer Selbstverwaltung. Dass die Universität jedoch noch keineswegs souverän war, zeigte sich in einem Kompetenzstreit mit den britischen Behörden im Jahr 1947, dessen Auslöser zwar banal war, aber gravierende Folgen hatte. Ausgangspunkt war das Immatrikulationsverfahren, das seit jeher zu Reibungen geführt hatte. Als sich herausstellte, dass die Universität systematisch die Zahl der genehmigten Zulassungen um 2.000 überschritten hatte, verlangte die Militärregierung am Jahresende 1947 den Rücktritt des Rektors Konen, der wohl zu sehr auf britische Nachsicht setzte, die Zulassungen mit rheinischer Nonchalance behandelt hatte und im Januar 1948 den Hut nehmen musste. Als Dank der alma mater erhielt er eine gebührende Ehrenerklärung des Senats und des AStA sowie die Ehrendoktorwürde. Sein unbestreitbares Verdienst war es gewesen, die Universität Bonn mit sicherer Hand durch die Zeit ihrer schwersten Krise gesteuert zu haben. An seiner Stelle wurde am 6. Februar 1948 Prorektor Martin Noth zum Rektor gewählt. Für die Studenten hatte der Vorfall im Übrigen keine Folgen, da sich die Militärregierung bereit erklärte, die zu Unrecht Immatrikulierten eingeschrieben zu lassen. Das konfliktträchtige Problem der Zulassungen erübrigte sich, seit im Sommersemester 1949 die Handhabung des numerus clausus in deutsche Hände gelegt wurde. Bereits seit 1946 ging die Verantwortung für das Bildungswesen sukzessive an die Länder über. Dass in Fortführung föderalistischer Traditionen das Land für die Bildungsaufgaben zuständig war, wurde von der Universität letztlich akzeptiert, weil es die bewährte Praxis der Jahre vor 1933 fortsetzte und eine Abkehr von den zentralistischen Tendenzen darstellte, die aus dem »Dritten Reich« in unguter Erinnerung waren. Vorteilhaft war für Bonn, dass man gute Freunde in Düsseldorf hatte: Zunächst machte sich dort Heinrich Konen die Verteidigung der Bonner Universitätsinteressen auf Landesebene zu eigen. Er trat in das zweite Kabinett Amelunxen als Kultusminister ein, allerdings nur unter der Bedingung, gleichzeitig Bonner Rektor bleiben zu können. Es blieb ein 99 Ansprache des Rektors anlässlich der Plenar-Versammlung am 1. Dezember 1945 im Akademischen Kunstmuseum, UAB, UV 69–21 (Berichte von Sondersitzungen).
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kurzer Ausflug in die Politik. Als er in Bonn am 22. Juli 1947 als Rektor wiedergewählt wurde, erklärte er seinen Rücktritt vom Düsseldorfer Posten, auf dem er nicht glücklich geworden war, und widmete sich wieder ganz seiner alma mater. Sein Feld bestellte Konen allerdings gut, denn seine christdemokratische Nachfolgerin Christine Teusch war Bonn ebenfalls eng verbunden.100 Als im November 1951 Rektor Friesenhahn, der selbstbewusste und meinungsstarke »Verfechter eines berechenbaren, willkürfreien Rechtsstaats«,101 ausführte, in Nordrhein-Westfalen sei die Selbstverwaltung der Hochschulen verfassungsmäßig gesichert, verband er das mit einem ausdrücklichen Lob: Selbst wenn Bonn keinen königlichen Landesherrn mehr habe, so lasse sich »doch auch unter der fürsorgenden Huld einer Frau Kultusminister ganz gut leben.«102 Teusch war in den in vielfacher Hinsicht entscheidenden und prägenden Anfangsjahren von 1947 bis 1954 im Amt; auch ihre Nachfolger Werner Schütz (CDU) von 1954 bis 1956 sowie 1958 bis 1962, Paul Luchtenberg (FDP) von 1956 bis 1958 sowie Paul Mikat (CDU) von 1962 bis 1966 hatten, selbst wenn sie auf Düsseldorfer Zuständigkeiten pochten, für Bonner Sorgen ein offenes Ohr.
Kanzler oder Kurator? Die Frage nach Kanzler oder Kurator war nach 1945 entscheidend für die Ausgestaltung des im Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Aufsicht und Haushaltsplanung stehenden Selbstverwaltungsrechtes der Universität. In der Universitätsverfassung vor 1945 hatte das Amt des staatlichen Kurators zentrale Bedeutung, denn dieser war der örtliche Vertreter des Ministers. Ihm gebührte im positiven Sinn die »Fürsorge« für die Universität. Er hatte nicht nur in Vertretung des Ministers die Dienstaufsicht über die Universität und ihre Beamten zu führen, sondern leitete die Vermögensverwaltung der Universität und vertrat sie in allen Rechtsangelegenheiten. Dies änderte sich mit dem Ende des »Dritten Reiches«, denn das Amt des Kurators wurde zunächst nicht neu besetzt – Konen übernahm als Rektor zunächst faktisch dessen Funktionen in der akademischen Selbstverwaltung mit. In der Verwaltungsordnung hieß es: »Der Präsident hat die Rechte und Pflichten des Rektors und des Kurators der Universität. Er ist der unmittelbare Vorgesetzte aller Beamten, Angestellten und Arbeiter des früheren Kuratoriums und des Rektorats.« Am 16. August 1945 wurde allerdings folgende Ergänzung hinzugefügt: »Die Stelle des Kurators kommt in Wegfall.« In einer
100 In memoriam Christine Teusch. Vgl. auch Wadischat, Hochschulpolitik. 101 Stolte, Ernst Friesenhahn, S. 231. 102 Friesenhahn, Bericht 1950/51.
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ausführlichen Stellungnahme für die Militärregierung wurde ergänzend ausgeführt: »There will be no Kurator in future. 125 years have passed since the foundation of the University of Bonn, and experience has shown that the co-existence of Rector and Kurator always used to give rise to serious conflicts. In normal times this post used to be a sinecure for well-tried Reich and State officials who were put on the retired list. In politically unsettled times the Kurator had some sort of very unpopular police functions. In the meantime, however, the frame of the State has shrunk and in view of the short distance separating us from the Provincial Government, the Kurator must be considered as an unnecessary intermediate authority, whereas, on the other hand, an amalgamation of the offices of Rector and Kurator would facilitate vigorous and unified control. This amalgamation has already taken place in not a few universities and many of them are having no Kurator at all, some money would also be saved.«103
Dieser Standpunkt wurde nach der Wiedereröffnung konsequent verfochten. Die Ansicht des Rektors zum Kurator hätte nicht klarer ausfallen können. Dessen Posten sei »in ruhigen Zeiten ein erwünschter Ruhesitz für einen älteren aufgebrauchten Beamten, in anderen Zeiten ein Hindernis für Rektor und Senat.« Ernst Robert Curtius bemühte den historischen Vergleich: Die ganze Kuratorwirtschaft stamme aus der Zeit der Demagogen- und Studentenverfolgung. Man müsse »dieses Joch (…) abwerfen.«104 Die staatliche Aufsichtsbehörde des Kurators habe »keine Existenzberechtigung« mehr, formulierte die Gesamtversammlung der Dozenten am 1. Dezember 1945. Der Lehrkörper stimmte mit der überwältigenden Mehrheit von 78 von 79 Stimmen dieser Meinung zu. Die Militärregierung nahm zu dieser Frage zunächst keine Stellung; die Briten wollten die Frage auf der Rektorenkonferenz besprechen.105 Das Oberpräsidium der Nord-Rheinprovinz teilte die Ansicht der Universität nicht und sah weiteren Beratungsbedarf.106 Der Oberpräsident plädierte bei den Briten dafür, »gegenwärtig von entscheidenden Satzungsänderungen« abzusehen. Einem »geschäftlich besonders befähigten Rektor« wie Konen könne man die Kuratorialbefugnis zwar zumindest vorläufig belassen, aber dieser müsse »in enger Fühlungnahme mit dem Oberpräsidium« handeln.107 103 LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454 (Besetzung der Stelle des Leitenden Verwaltungsbeamten an der Universität Bonn). 104 Ansprache des Rektors anlässlich der Plenar-Versammlung am 01. 12. 1945 im akademischen Kunstmuseum, UAB, UV 69–21 (Berichte von Sondersitzungen). 105 Aktennotiz vom 29. 11. 1945: Besprechung mit Colonel Walker, im Auftrag seiner Magnifizenz des Herrn Rektors in: UAB, UV 69–8 (Military Government), Bd. II, 1.0101. 106 LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454 (Besetzung der Stelle des Leitenden Verwaltungsbeamten an der Universität Bonn). 107 Memorandum des Oberpräsidenten vom 21. 11. 1945 für eine Besprechung der Kuratorfrage mit Oberst Walker, dem Leiter der »Education Branch« bei der britischen Militärregierung. Mit handschriftlichen Anmerkungen auf der Rückseite, in: LAV NRW, Abt.
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Abb. 23: Heinrich Matthias Konen, Physik
Diese Situation änderte sich grundlegend, als Rektor Konen Ende 1946 zum Kultusminister in Nordrhein-Westfalen berufen wurde. Für einen historischen Moment war der Gegensatz zwischen Landesverwaltung und Universität in dieser Frage aufgehoben. Konen schuf im Sommer 1947 für die Universität Bonn das Amt des Kanzlers und unterstellte ihn Rektor und Senat. Der ehemalige Landrat Dr. Peter Cremerius, der mit Wirkung vom 15. August 1947 zum Kanzler der Universität Bonn bestellt wurde,108 bekam folgenden Leitgedanken von Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454 (Besetzung der Stelle des Leitenden Verwaltungsbeamten an der Universität Bonn). 108 Aktenvermerk im Kultusministerium, 25. 07. 1947, Abschrift in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454.
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Konen mit auf den Weg: »Der Aufgabenbereich des Kanzlers umfasst die Leitung der gesamten Universitätsverwaltung, soweit sie nicht direkt dem Rektor unterstellt und soweit es sich nicht um Fakultätsangelegenheiten handelt. Der Kanzler ist Mitglied des Senats mit beratender Stimme und ist an die Weisungen von Rektor und Senat gebunden. Der Schriftverkehr mit dem Ministerium geht über den Rektor.«109
»Magna Charta« oder Provisorium? Als Anfang der 1950er Jahre die Stelle des Kanzlers neu besetzt werden musste, zeigte sich, dass der Konen-Erlass nicht so eindeutig gewesen war, wie es zunächst schien. Die Folge waren recht heftige Meinungsverschiedenheiten zwischen Ministerium und Universität. Die Universität ging davon aus, dass der Kurator abgeschafft war und das Amt des Kanzlers nun Teil ihrer Statuten geworden war. Er war ihre »Magna Charta«, wie der Bonner Staatsrechtslehrer Ernst Friesenhahn 1954 ausführte, weil durch ihn die Fremdherrschaft des Kurators abgeschüttelt und die wahre Selbstverwaltung hergestellt worden sei.110 Das Ministerium berief sich hingegen auf den »vorläufigen« Charakter des Konen-Erlasses. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, diesen Streit im Einzelnen zu schildern, aber das Problem blieb bis 1960 mangels einer rechtskräftigen Universitätsverfassung in der Schwebe. Dies zeigte sich, als das Kultusministerium Ende 1954 den Ministerialbeamten Gottfried Stein von Kamienski als zukünftigen Kanzler vorschlug und diesem eine Dienstanweisung mit nach Bonn geben wollte, die der Universität vor allem in Fragen der Vermögensverwaltung entschieden zu weit ging. In einer scharfen Protestnote wurde die Dienstanweisung als »ein Stück vorweggenommener Verfassung« bezeichnet, die der Universität »ohne vorherige Konsultation oktroyiert« werde: »Die Entsendung des Kanzlers würde ein fait accompli schaffen. […] Seit 1945 hat es kein Ministerium gewagt, auf solche Weise über den Kopf einer Universität in die Selbstverwaltung und die verfassungsmäßig garantierten Rechte einzugreifen. […] Es muss dem Ministerium klar gegenüber gehalten werden, dass nach Ansicht von Rektor und Senat der Kurator abgeschafft ist, dass die Universitätsverwaltung eine Einheit bildet und dass der Kanzler Rektor und Senat unterstellt ist.«111 109 Erlass des Kultusministers Konen an Herrn Landrat a.D. Dr. Peter Cremerius, Abschrift in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454. 110 Vgl. die Besprechungen zwischen Vertretern der Universität und dem Kultusministerium vom 22. 01. 1954, LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454. 111 Das Schreiben vom 08. 11. 1953 wird zit. nach dem Protokoll der Senatssitzung vom 03. 12. 1953, UAB, Senat 33–9.
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Die Antwort der Ministerin ließ nur wenige Tage auf sich warten. Sie nahm die Stellungnahme der Universität mit »Erstaunen« zur Kenntnis: »Die Behauptung eines Eingriffs in die verfassungsmäßig garantierten Rechte der Selbstverwaltung der Universität Bonn durch die vorläufige Dienstanweisung für den Kanzler weise ich entschieden zurück.«112 Düsseldorf signalisierte zwar Gesprächsbereitschaft, verwies aber auf die – tatsächlich noch nicht geänderte – Satzung des Jahres 1930. Nach mehreren Verhandlungsrunden einigten sich Universität und Ministerium auf eine nur vorläufige Dienstanweisung. Der neue Kanzler Stein von Kamienski trug ironischerweise die Amtsbezeichnung »Universitätskurator«, weil das Landesbesoldungsgesetz noch keine Kanzlerstellen vorsah. Zeitgleich mit der Neubesetzung wurde die Schaffung eines Verwaltungsausschusses angestrebt, den der Senat als notwendiges Gegengewicht zum Kanzler ansah. In diesem sollten die ständigen Senatskommissionen für Finanzen, Personal, Bau- und Grundstücksangelegenheiten zusammengeführt werden. Aber diese Einrichtung führte zu neuem Streit. Friesenhahn hielt den Verwaltungsausschuss für einen »Ersatz des Kurators« und prognostizierte optimistisch, die Aufgaben der staatlichen Verwaltung würden damit »auf ein Organ unseres Vertrauens übertragen.«113 Rektor Martini lehnte die Bildung eines Verwaltungsausschusses hingegen ab, weil er eine Einschränkung der Rechte des Rektors befürchtete.114 Auch das Kultusministerium spielte nicht mit: »Die Delegation von Befugnissen des Rektors auf den Verwaltungsausschuss« sei nicht zulässig, und die Universität dürfe die Satzung von 1930 nicht ohne staatliche Anerkennung abändern oder ergänzen.115 Die Stellung des Kanzlers blieb weiterhin in der Schwebe und beeinflusste noch die Beratungen über die Universitätsverfassung der Jahre 1959/60. Das Ministerium beharrte darauf, dass »vom Staat her gesehen« die Kuratorverfassung den Vorzug verdiene.116 Weil die Universität am entgegengesetzten Standpunkt festhielt, war jedoch eine gewisse Düsseldorfer Resignation zu erkennen: »Selbst der Hinweis darauf, dass der Rektor der Universität bei der Kanzlerverfassung gegenüber dem Staat weisungsgebunden ist, vermochte die Vertreter der Universität Bonn nicht zu beeindrucken. Bei diesem Sachverhalt wird die Kanzlerverfassung hingenommen werden müssen.«117 Alles in allem bleibt 112 113 114 115
Teusch an Martini vom 08. 12. 1953, LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454. Protokoll der Senatssitzung vom 04. 06. 1954, in: UAB, Senat 33–10. Ebd. Erlass des Ministeriums vom 30. 11. 1953, beglaubigte Abschrift in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454 (Besetzung der Stelle des Leitenden Verwaltungsbeamten an der Universität Bonn). 116 Vermerk des Staatssekretärs (Dr. Pötter) für den Minister vom 18. 02. 1959, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 453. 117 Ebd.
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festzuhalten, dass die Universität Bonn die Abschaffung des Kurators durchsetzte. Entscheidend begünstigt wurde die universitäre Position durch die Garantie der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit im Artikel 5 des Bonner Grundgesetzes. In ihrem Kampf scheint sie allerdings manchmal über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Die starke, mitunter irrational anmutende Ablehnung des Kurators lässt sich letztlich nur mit einem Blick auf die Geschichte der Universität vor 1945 erklären. Immer wieder blitzten in den Debatten die »Karlsbader Beschlüsse« von 1819 auf, wenn der Kurator beispielsweise als »Aufpasseorgan« bezeichnet wurde.118
Die Universitätsverfassung von 1960 Die deutschen Universitäten waren seit jeher unterschiedlich organisiert und standen, historisch gewachsen, in jeweils nicht zu verallgemeinernden rechtlichen Verhältnissen zum Staat. In einem föderal gegliederten System konnten sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sein, sie konnten sich als »Anstalten« gliedern, bei anderen wiederum gab es überhaupt keine verlässlichen Bestimmungen zu ihrer Rechtsform. Diese Situation war traditionell als ein Zeichen von Vielfalt und Pluralität gedeutet worden. Nach 1945 war deshalb »von einer umfassenden Regelung des Hochschulrechts im Wege der Gesetzgebung« abgesehen worden.119 In Artikel 16 der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen war der Grundsatz festgelegt, die akademische Selbstverwaltung auch bei Schaffung der Verfassungen von wissenschaftlichen Hochschulen zu verwirklichen. Die Universität Bonn musste bekanntlich zunächst notgedrungen nach den Statuten von 1930 verfahren, obwohl diese schon bald nicht mehr der zeitgenössischen Entwicklung in der bundesdeutschen Universitätslandschaft entsprachen. Eine neue Verfassung, deren Anfänge bereits aus dem Jahr 1947 datierten,120 und deren Grundrisse seit 1953 immer klarer erkennbar waren, war deshalb geboten, auch wenn die verschiedenen Vorschläge nicht alle Bonner Fachleute überzeugten: Das Gutachten der Hochschulreform-Kommission beispielsweise sei, so Friesenhahn 1951, nicht »der Weisheit letzter Schluss«. Er warnte davor, »die organisatorische Reform der Hochschulverfassung als das Primäre und Wesentliche zu betrachten und sie zu überstürzen. Nur in gründ-
118 Vgl. die Besprechungen zwischen Vertretern der Universität und dem Kultusministerium vom 22. 01. 1954, LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 454. 119 Thieme, Hochschulrecht, S. 26. Als Überblick zu den verschiedenen Regelungen in den Bundesländern: Oppermann, Kulturverwaltungsrecht. 120 Schäfer, Verfassungsgeschichte, S. 273.
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lichen Beratungen, in einem organischen Wachstum kann sich hier das Richtige ergeben.«121 Ein von Kommissionen sowie dem Kleinen und Großen Senat ausgearbeiteter Verfassungsentwurf von 1953 wurde von Staatsrechtsexperten wie dem 1950 nach Bonn berufenen Ulrich Scheuner immer wieder ergänzt. Die Verfassung sollte der Universität einen Rahmen geben, innerhalb dessen sie sich frei entfalten konnte und, so Rektor Braubach, in dessen Amtsperiode die Verabschiedung erfolgte, »den Fakultäten die volle Autonomie« zu belassen.122 Obwohl der Entwurf in den Umrissen bereits in der Mitte des Jahrzehnts schon weit genug ausgereift war, um bei der Regierung von Nordrhein-Westfalen zur Genehmigung eingereicht zu werden, und in der Praxis bereits nach ihm verfahren wurde, zogen sich die Beratungen und Modifizierungen bis 1959 hin. Insgesamt war der Entwurf stark vom korporativen Charakter der Universität bestimmt. Die Frage, ob es nicht doch an der Zeit sei, »mit manchen traditionellen Vorstellungen und Einrichtungen zu brechen« und sich Systemen der Hochschulführung anzunähern, wie sie in Frankreich, in England und in den Vereinigten Staaten üblich waren, war nach jahrelanger Diskussion verneint worden.123 Die Verfassung wurde beim Rektoratswechsel am 12. November 1960 in Anwesenheit von Kultusminister Werner Schütz verkündet. Sie kann als ein Beispiel für den »Gedanken einer staatsgelösten Selbstverwaltung«124 gelten, die auf die historischen Besonderheiten der Entwicklung der Universität Bonn Rücksicht nahm. Die Zurückhaltung des Landes erscheint gerade angesichts des heutigen staatlichen Regelungseifers erstaunlich. Schütz hatte, weil die anderen ehemals preußischen Universitäten Köln und Münster ebenfalls eigene Verfassungen ausarbeiteten, sogar dazu aufgefordert, »keine schablonenhaft sich gleichenden Verfassungsentwürfe«125 vorzulegen – was schließlich dazu führte, dass die angesprochenen Universitäten in der Tat ihre spezifischen Erfahrungen in ihre Verfassungen einfließen ließen. Die Universität Bonn erhielt nun erstmalig seit ihrem Bestehen eine Verfassung, die nicht einseitig vom Staate erlassen, sondern von der Universität selbst erarbeitet und beschlossen war.126 In der Praxis ermöglichte die neue Verfassung die Bewältigung der Arbeit einer Universität mit inzwischen fast 10.000 Studenten. Als besonders wichtig 121 Chronik 1950/51, Ansprache des Rektors Prof. Dr. Ernst Friesenhahn bei der Feier zur Einweihung des wiederaufgebauten Hofgartenflügels des Universitäts-Hauptgebäudes am 30. 06. 1951. 122 Braubach, Bericht, S. 26. 123 Ebd., S. 25. 124 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 356. 125 Ebd., S. 356, Anm. 241. 126 Ebd., S. 317.
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erwiesen sich die Senatskommissionen als zentrales Steuerungselement. Die Vorsitzenden dieser Kommissionen bildeten in der Regel die KoordinierungsKommission, ein im Jahr 1959 eingerichtetes kleines und daher »zu rascher Ratserteilung fähiges Gremium«. Es diente zur Entlastung des Rektors und sollte »in unerwartet eintretenden Situationen schnell Entscheidungen« treffen. Rektor und Senat wurden nun verfassungsgemäß durch die Verwaltung entlastet, in der selbständig alle Einzelfragen der Finanzierung und Besoldung, der persönlichen Stellung und der Rechte von Professoren und Assistenten, der sachlichen Ausstattung von Instituten und Seminaren, der sozialen Betreuung von Lehrenden und Lernenden gelöst werden durften. Dem Rektor und dem Senat oblag es, neben dem Kanzler, diese Entscheidungen ohne großen Zeitaufwand zu kontrollieren: »Ein solcher Verwaltungsapparat ist die Voraussetzung für das gute Funktionieren des ganzen Systems.«127 Aus welchen Gründen besonders seit Anfang der 1960er Jahre der Wunsch, ja sogar die Notwendigkeit postuliert wurde, diese gewachsenen Strukturen zu vereinheitlichen und zu einem bundesweit einheitlichen Hochschulrecht zu kommen, ist weniger klar als das Ergebnis, dass nämlich die Universitäten durch den Trend zu einer Systematisierung der Bildung und der daraus resultierenden rechtliche Planungswut von Bund und Ländern in ihrer Autonomie und ihren Entscheidungskompetenzen wieder beschnitten wurden.
Die Studierenden Entwicklung der Studentenzahlen Die Überfüllung der Universität stellte in den Anfangsjahren nach der Wiedereröffnung ein Dauerproblem dar und setzte das Verhältnis zwischen Universität und Militärregierung immer wieder einer Belastungsprobe aus. Bei der Zulassung der Studenten für Bonn behielten sich die Briten die letzte Entscheidung vor. Problematisch war die Zahl der »Schwarzhörer«, die zur Überfüllung beitrugen und sich kaum kontrollieren ließen. Der numerus clausus war seit 1945 der »Alpdruck« und der »Schrecken der Studienbewerber«, der auch die mit der Zulassung beschäftigten Universitätsinstanzen auf Trab hielt. Seit 1948, als die Verantwortung von den Besatzungsbehörden auf die deutschen Ministerien überging, wurde das System des numerus clausus sukzessive abgebaut. 1950 galt er nur noch bei den Medizinern, weil in der ganzen Bundesrepublik inzwischen von einer besorgniserregenden »Überfüllung des Arztberufs« die Rede war.128 127 Braubach, Bericht 1959/60. 128 Klauser, Bericht 1948/49.
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Auch andere Fakultäten konnten in Bonn anfangs nicht alle Bewerber aufnehmen, der Mangel an Hörsälen, Institutsräumen und Arbeitsplätzen wirkte sich dort de facto zulassungsbeschränkend aus.129 Die Annahme, dass die Studierenden nach der Währungsreform geradezu fluchtartig die Hochschulen verlassen würden, erwies sich als unzutreffend. Im Sommersemester 1949 zählte die Universität Bonn bereits 6.319, ein Jahr später 6.554 vollimmatrikulierte Studenten. Zählte man die 455 Gasthörer hinzu, stand Bonn mit einer Gesamtzahl von rund 7.000 Studierenden an zweiter Stelle unter den westdeutschen Hochschulen; vor ihr rangierte lediglich die Universität München mit rund 10.000 Studierenden. Die drittgrößte Universität war Mainz mit rund 6.000 Studenten.130 Die Lage in Bonn entspannte sich jedoch soweit, dass der Immatrikulationsausschuss schließlich 1951 aufgelöst wurde. Die Zahl der Studierenden blieb auch in den folgenden Jahren auf hohem Niveau: 6.668 im Sommersemester 1951, eine Steigerung, die sich mit dem Bevölkerungszuwachs durch Heimatvertriebene und Flüchtlinge erklären lässt,131 vor allem aber der zunehmenden Akademisierung in den Industrieländern entsprach. Als sich im folgenden Jahr eine gewisse Plateaubildung abzuzeichnen schien, wurde dies mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, weil damit der »beinah inflatorische Zulauf«132 beendet schien. 1953 war »ein Jahr ruhiger Entwicklung und angemessenen Fortschritts«, auch wenn das Missverhältnis der Lehrkräfte zur Zahl der Studierenden »besorgniserregend« blieb.133 Die Hoffnung auf eine Entspannung bei den Zulassungen erfüllte sich nicht. Im Sommersemester 1956 überschritt die Zahl der Studierenden die Marke von 8.000. Nahm man die Prognosen der Westdeutschen Rektorenkonferenz ernst, war zu erwarten, dass nicht zuletzt durch die starken Geburtsjahrgänge zu Anfang des Zweiten Weltkrieges, die jetzt ihr Abitur machten, die Zahlen weiter steigen würden. Alle Hoffnungen auf eine Stabilisierung auf hohem Niveau waren hinfällig und Rektor Steudel sprach Ende der 1950er Jahre von einer »ungesunde(n) Akademisierung unserer Gesellschaft«.134 Vom Studium abschrecken ließen sich die Abiturienten dadurch nicht, zumal sich inzwischen die Möglichkeiten verbesserten, zukünftig auf einer der neuen Universitäten auf der »grünen Wiese« zu studieren. Bonn spürte jedoch keine nachlassende Attraktivität. Als die Zahl der Studenten 1960 die 10.000-Grenze überschritten hatte, nutzte Rektor Braubach die Gelegenheit für grundsätzliche Überlegungen. Die »Krise« könne nur in gemeinsamer Arbeit von Regierungen, 129 130 131 132 133 134
Klauser, Bericht 1949/50. Vgl. grundsätzlich Lundgreen, Schulen, S. 63–127; ders., Personal. Vgl. hierzu George, Studieren, S. 150. Richter, Bericht 1951/52. Richter, Bericht 1952/53. Steudel, Bericht 1958/59.
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Parlamenten, Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen »durch geistige Klärung und unter erheblichen materiellen Opfern« überwunden werden.135 Der Trend zur Massenuniversität blieb deutschlandweit ebenso ungebrochen wie die Aufwärtsentwicklung bei der Zahl der in Bonn Immatrikulierten. Sie stieg 1962 auf über 11.750. Besonders stark war der Zuwachs in der Philosophischen Fakultät, deren Studentenzahl inzwischen knapp 4.000 betrug. Am Ende des hier behandelten Zeitabschnitts war die Zahl der Studenten auf über 14.000 angestiegen. Solange das akademische Berufsbild sich nicht dramatisch veränderte und der Wirtschaftsaufschwung anhielt – und dies war in dem hier betrachteten Zeitpunkt durchgehend der Fall – war von Akademikerarbeitslosigkeit noch keine Rede.
Studieren in den Nachkriegsjahren Aus dem ehrlichen Wunsch, aus den erschreckenden Erfahrungen des »Dritten Reiches« für die Zukunft zu lernen, erwuchs an den Universitäten der Wille und Glaube, man könne und müsse sich wieder ganz in Humboldtscher Tradition Forschung und Lehre widmen. Für die Studenten der wieder gegründeten Universitäten und ihre Professoren war diese heute unberechtigterweise naiv erscheinende Hoffnung über alle Fakultätsgrenzen hinweg spürbar – weit mehr als bloße »Erbauung«, sondern vielmehr ein Weg, Deutschland in einem Prozess der Selbsterziehung wieder in die zivilisierte Welt zurückzuführen. Dieser Weg schien auf den ersten Blick beschwerlich zu werden. Karl Barth, der sich im Sommersemester 1946 noch durch Bonner Trümmerwüsten kämpfen musste, beschrieb anschaulich die Zuhörer der Vorlesung an seiner ehemaligen alma mater. Man könne hier : »unmöglich geradlinig nur akademischer Lehrer sein wollen […], sondern muss zu beträchtlichen anderen Teilen eine Art Missionar, Sonntagsschullehrer, Volksredner, Menschenfreund sein. Denn du liebe Zeit, meine Studenten sind zwar alle höchst interessiert und bewegt und schlürfen einem die Worte fast von den Lippen – es wäre ja schon schön, wenn die Schweizer auch ein bisschen begieriger wären, aber das ist nun eben nicht zu verlangen – dafür kann man sich die bildungsmäßigen Voraussetzungen, die sie aus ihren Gefangenenlagern und weiterhin aus ihren Feldzügen in Russland, in der Normandie usw. und noch weiterher aus ihren im N.S. zugebrachten Jugendjahren mitbringen, nicht primitiv genug vorstellen.«136
Obwohl es an Lehrmaterial mangelte, machte die Wissbegier doch manches wett, was hemmend wirkte. Der Historiker Konrad Repgen hat aus der Sicht des 135 Braubach, Bericht 1959/60. 136 Schreiben von Barth an Frey vom 24. 05. 1946, in: Barth, Offene Briefe, S. 67.
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damaligen Bonner Studenten die andere Seite der Beobachtung Barths geschildert: »Wir ließen die Köpfe nicht hängen und wollten vorankommen. Und die Universität als eine Institution, bei der es nicht um intellektuelle Moden oder politische Opportunitäten ging, sondern um solide Argumente, letztlich um Wahrheit, diese Institution erfuhren wir als einen großartigen Ort der Freiheit.«
Dass nun die akademischen Lehrer ganz offen eine auf Nachkontrollierbarkeit bezogene Gedankenführung präsentierten, war »für viele von uns etwas unerhört Neues […]. Wir alle kamen aus dem totalitären Hitler-Deutschland, wo das politische Risiko einer jeden öffentlichen Äußerung vorbedacht sein wollte.«137 Kritischer war Walter Henkels, der 1947 bei den Bonner Studenten Residuen eines »Offiziersbenimms« wahrnahm, »ein gewisses Zeremoniell bei Begrüßung und Verabschiedung vor und nach dem Kolleg – Handschuhe, knappe Verbeugung«. Weil er von Dozenten auf die mangelhaften wissenschaftlichen Vorkenntnisse der Bonner Studenten aufmerksam gemacht worden war, setzte er fragend hinzu: »Diese jungen Männer sind weit marschiert. Haben sie auch weit gedacht? […] Das Studium selbst packen die meisten sehr ernsthaft an, aber das schulmäßige Büffeln macht kein Vergnügen, wenn man vorgestern noch eine Kompanie geführt hat.«138 Heinrich Lützeler lobte hingegen die neue Studentengeneration: »Gewiss zeigten sich besonders bei den Kriegsteilnehmern Wissenslücken. Aber es ergab sich auch, dass die aus langem Soldatendienst Heimgekehrten oft als unschätzbaren Gewinn menschliche Reife mitbrachten, die sie relativ schnell Wissensmängel ausgleichen ließ und eine straffere Durchführung des Studiums ermöglichte«.139 Dass eine gewisse Anleitung der Nachkriegsstudenten notwendig war, war auf Seiten der Universität unbestritten. Eine Überleitungskommission legte im Sommer 1945 eine Denkschrift für Kurse für »aus dem Felde zurückkehrende Studienanwärter« vor. Diese, aber auch die Assistenten, die in der Wehrmacht gedient hatten, sollten nicht benachteiligt werden. Die Frage der Einstufung von »Kriegsabiturienten« (die auf den Schulen Ergänzungskurse mitmachen sollten) beziehungsweise von regulären Abiturienten (die ein bis zwei »Vorsemester« absolvieren sollten), beschäftigte den Verwaltungsrat fortwährend. Der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer wollte die aus der Gefangenschaft zurückkehrenden Studenten möglichst schnell wieder an die Universitäten bringen,
137 Repgen, Dank, S. 44. 138 Henkels, Walter : Bunker und alte Bauernherrlichkeit. Arbeit und Not der Bonner Studenten, in: »Die Zeit« vom 27. 02. 1947. 139 Lützeler, Universität, S. 66.
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denn diese seien, wie er dem Kölner Rektor im Herbst 1945 mitteilte, »viel gefährdeter« als die Gymnasiasten.140 Schon die Bewältigung des täglichen Lebens stellte eine Hürde dar : Wie sollte ein Student in einer halbzerstörten Stadt unterkommen und sich ernähren? Die »Erfahrung existentieller Not« prägte die Jahre des Neuanfangs, in der wahrscheinlich keine andere Studentengeneration »so sehr von Nahrungsmangel, Kleidermangel und Wohnraumnot betroffen« war.141 Die männlichen Studenten hatten anfangs häufig nichts Anderes als ihre Uniform, von der allerdings die Rangzeichen entfernt waren. Es gab kein Radio, es gab, zunächst wenigstens, keinen Strom und abends lernte man bei Kerzenschein. Gewohnt wurde häufig in Sammelunterkünften, in der Mensa gab es das Essen aus dem Blechnapf.142 Wie in anderen Universitätsstädten war in Bonn die Mithilfe beim Wiederaufbau die Voraussetzung zur Immatrikulation. Dieser »Einsatzdienst« erfolgte zum Teil auf den Universitäts-Baustellen. Männliche Studenten wurden, häufig unter Anleitung eines Poliers, zu Handlangerarbeiten und gelegentlich sogar für körperlich strapaziöse Arbeiten wie Holzfällen herangezogen. Bisweilen halfen sie bei der Umgestaltung von Häuserruinen zu behelfsmäßigen Wohnungen für Professoren. Studentinnen arbeiteten als Schreibkräfte in den Instituten und Büros der Verwaltung.143 Auf den Baustellen wurde der Einsatz honoriert, in den Instituten hingegen nicht. Als nach der Währungsreform wieder reguläre Bauarbeiter zur Verfügung standen, wurde diese Praxis abgeschafft. Die Versorgung der Bonner Bevölkerung war, weil die Stadt ganz im Süden der britischen Besatzungszone lag, schlechter als anderswo. Die Ergebnisse einer Bonner Reihenuntersuchung in den Jahren 1946/47 waren erschreckend: Nur jeder siebte Student war normalgewichtig, alle andern in verschiedenen Ausmaßen untergewichtig, jeder Zehnte litt unter hungerbedingten Herzbeschwerden, Mangelerkrankungen wie Tuberkulose waren nicht selten. Unter den Professoren war die Untergewichtigkeit ebenfalls verbreitet, aber immerhin war jeder Dritte von ihnen normalgewichtig. Gesundheitsuntersuchungen für die Studenten des ersten und dritten Semesters wurden in den folgenden Jahren zur Pflicht. Im besonders kalten Winter 1946/47 bot die Hilfe des Auslandes Linderung. Die irische »Speckspende« stellte jedem bedürftigen Studenten zwei Kilogramm Räucherspeck zur Verfügung, für deren gerechte Verteilung eigens ein »Speckkomitee« ins Leben gerufen wurde. Die »Schweizer Spende« stellte den Universitäten in Nordrhein-Westfalen für die Eintopf-Speisung in den Mensen die 140 141 142 143
Zit. nach Heimbüchel, Universität, S. 602. Becker, Zeiten, S. 301. George, Studieren, S. 208–218. Auffenberg, Frank: Erst schuften, dann arbeiten, in: General-Anzeiger (Bonn) vom 29. 04. 2008; Grau, Plaudereien.
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Zutaten, unter anderem 10.000 Kilogramm Bohnen und 10.000 Kilogramm Erbsenmehl.144 Aus den USA, Dänemark und Norwegen wurden weitere Lebensmittel geliefert. Seit dem Sommer 1948 bot die Studentenspeisung des Schwedischen Roten Kreuzes und vom folgenden Wintersemester an die »Hooverspeisung« den Studenten und sogar manchem Dozenten ein günstiges und nahrhaftes Mittagsgericht. Auslandshilfe hatte viele Formen: Kleider, Papier, Bücher und Geräte. Universitäten in England, den USA, Schweden, Italien, Luxemburg und der Schweiz luden zudem zu Studienaufenthalten, zu Ferienkursen und honorierter Ferienarbeit ein. Aber selbst 1949 war der Mangel in Bonn noch groß. Der britische Geistliche Reverend William Hodgins berichtete den Lesern der Zeitschrift »Christian World« über die Lage: »It was while I was waiting to talk with Dr. Klett, the secretary of the Student’s Help Committee, that I saw something of the real tragedy of the present situation. The majority of the students have to receive help. There are problems of accomodation, of clothing and nourishment, which are dark shadows over the paths of learning.«145 Die britische Militärregierung dekretierte, dass zehn Prozent der zur Verfügung stehenden 2.500 Studienplätze kostenfrei für Displaced Persons (DP) zu reservieren waren. Die meisten von ihnen hatten sich zwar bereits in einer Art »Selbst-Repatriierung« (Wolfgang Jacobmeyer) auf eigene Faust in die Heimat durchgeschlagen, aber andere, vor allem aus Mittelost- und Osteuropa, lebten in improvisierten Sammellagern, unter anderem in den Duisdorfer Kasernen an der heutigen Villemombler Straße, aber auch in requirierten Bonner Hotels und Wohnungen.146 Diesen drohte das Schicksal, in einem territorialen und juristischen Niemandsland hin- und hergeschickt zu werden, und manche sahen einen Ausweg in der Immatrikulation an der Universität. Für das erste Semester schrieben sich 175 Polen, Litauer, Letten und Esten sowie einige ukrainische und jugoslawische DPs ein, die meisten für Medizin und natur- und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge.147 Während die Integration dieser ausländischen Studenten ins universitäre Umfeld offenbar recht gut gelang, blieb die Bonner Bevölkerung eher auf Distanz. Die Plünderungen der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden selbst 1948 noch unterschiedslos auf die akademischen DPs übertragen. Als überlegt wurde, ausländische Studenten in der mitten in der Stadt liegenden Ermekeil-Kaserne unterzubringen, brach in der Lokalpresse eine heftige Diskussion los. Ressentimentgeladen beklagte der Stadtrat die »landfremde(n) Nichtstuer«. Als sich der Vorsitzende der demokratischen Hochschulgruppe dem Protest gegen die Ermekeil-Lösung anschloss, musste er sich 144 Vgl. Arens, Speckspende; Schmitz/Haunfelder, Humanität, S. 15–106; Becker, Zeiten, S. 304f.; George, Studieren, S. 208–218. 145 Zit. nach Becker, Zeiten, S. 302. 146 Vgl. Bab, Persons. 147 Vgl. grundlegend Hannemann, Sehr fleißig, S. 273–281.
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harsche Kritik des Education Control Officer gefallen lassen: »The tone of your protest is to me as distasteful as ›Der Stürmer‹.«148 Das »Problem« der DPStudenten blieb bis Anfang der 1950er Jahre virulent. In dem Maß, in dem die alliierten Unterstützungsleistungen zurückgingen, sahen sich viele von ihnen mit ungewisser Zukunft zum Weggang gezwungen, sodass sich die Spur der wenigen in Bonn verbleibenden DP-Studenten in den Akten allmählich verliert.149 Symbolisierte der Weggang ausländischer Studenten, die ja nicht freiwillig nach Bonn gekommen waren, die von der Universitätsleitung immer wieder beklagte »Provinzialisierung«? Der Anteil der nordrhein-westfälischen Studenten stieg seit der Wiedereröffnung bis Mitte der 1950er Jahre von zwei Drittel auf drei Viertel und mit weitem Abstand folgten Studenten aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen – dies wurde bedauert, aber die Gründe blieben im Dunkeln.150 Die Ergebnisse einer Fragebogen-Auswertung aus dem Sommer 1951 zeugten jedoch von einer wachsenden Mobilität. Fast jeder Vierte besuchte inzwischen im Verlauf seines Studiums zwei oder mehrere Universitäten, während der Anteil derjenigen, die im Ausland studiert hatten, mit 72 (ein Semester) und 138 (zwei Semester) fünf Jahre nach Kriegsende noch bescheiden blieb. Die Studentenschaft wurde auch wieder internationaler : Seit 1950, als sich unter den volleingeschriebenen Bonner Hörern 97 Ausländer befanden, verzehnfachte sich die Zahl im Verlauf eines Jahrzehnts. Ausländische Studenten waren zwar gerne gesehen, wie der Rektor 1959 betonte. Man wolle, so fügte er einschränkend hinzu, aber nicht »nur die zweite oder dritte Garnitur« derer erhalten, die in ihrem Heimatland keine Zulassung zum Studium erhielten: »Diese Gruppe belastet den Unterricht und erhöht, wenn sie nach mühsam bestandenem Examen in ihre Heimat zurückgeht, nicht das Ansehen der deutschen Wissenschaft.«151
Die Wohnsituation Obwohl Bonn im Vergleich zu Köln durch den Bombenkrieg weniger zerstört war, blieb die Wohnungsnot erheblich. Zur Linderung wurde der Verwaltungsrat im Sommer 1945 bevollmächtigt, auf eigene Faust Häuser zu mieten. Bereits immatrikulierte Studenten erhielten die ersehnte Zuzugsgenehmigung nach Bonn. Ein Haus in der Koblenzer Straße diente gar als »Studenten-Massenquartier«. Jeder sechste Student lebte in der unmittelbaren Nachkriegszeit in 148 149 150 151
Zit. nach ebd., S. 289. Ebd., S. 297–299. Martini, Bericht 1953/54. Steudel, Bericht 1958/59.
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einer dieser Gemeinschaftsunterkünfte, einige sogar in den leerstehenden Bonner Luftschutzbunkern. Der Publizist Walter Henkels sprach im Februar 1947 mit Blick auf die Lebensbedingungen der hier lebenden »Höhlenmenschen« erschreckt von einem »absoluten Rückfall in die Steinzeit«.152 Neben dem Bunker in der Trierer Straße in Poppelsdorf wurden auch diejenigen in der Theaterstraße und in Beuel genutzt. Die fensterlosen Anlagen verzeichneten zwar häufig Wasser- und Stromsperren, versprachen aber wegen ihrer Wandstärke im Winter Schutz vor der Witterung und waren so beliebt, dass sie selbst noch in den frühen 1960er Jahren als »Wohngemeinschaft Poppelsdorf e. V.« beziehungsweise »Wohngemeinschaft Theaterbunker« Mieter fanden. Die Monatsmiete von 15 DM im Bunker war unschlagbar günstig, wenn man keinen regulären Wohnheimplatz ergattern konnte und nicht auf den teuren freien Markt ausweichen wollte.153
Abb. 24: Karikatur aus der Bonner Universitätszeitung: Student auf Budensuche, 1946/47
Der ohnehin gravierende Wohnungsmangel verschärfte sich, als Bonn Bundeshauptstadt wurde, durch den erheblichen Raumbedarf, den die Bundesbehörden anmeldeten, und durch den Zuzug von Beamten, Angestellten und deren Familien. Der Rektor appellierte angesichts der hohen Mietpreise 1952 an die Bonner, »unseren Studierenden die in 150 Jahren bewährte Hilfsbereitschaft auch weiter zu zeigen.«154 Offensichtlich ohne großen Erfolg, denn die Wohnungsbesitzer vermieteten lieber an die zahlungskräftige Kundschaft der Bundesbediensteten. Der AStA wandte sich 1956 hilferufend an den Rektor,155 dieser veröffentlichte daraufhin einen »Alarmruf in der Tagespresse«. Auf den »Tag X« 152 Henkels, Walter : Bunker und alte Bauernherrlichkeit. Arbeit und Not der Bonner Studenten, in: Die Zeit vom 27. 02. 1947. 153 »Die im Bunker wohnen … Studentenherrlichkeit im trüben Glanz – Den Anschluss verpasst?«, in: Die Zeit vom 04. 05. 1962. Vgl. auch George, Studieren, S. 204–206. 154 Richter, Bericht 1951/52. 155 Protokoll der ordentlichen öffentlichen AStA-Sitzung vom 05. 05. 1956, UAB AStA 81–71.
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der Wiedervereinigung, an dem die Bonner Bundesbauten mit einem Schlag wieder freigegeben würden, wollte man sich nicht verlassen: »Was dringend nötig ist, sind nicht Pläne für eine leider noch nicht abzusehende Zukunft, sondern Sofortmaßnahmen in Gestalt des Baues von weiteren Studentenheimen.«156 Die vom »Wohnungsamt« der Universität verwalteten Studentenwohnheime blieben Mangelware. 1949 gewährte das Land Finanzmittel für den sofortigen Wiederaufbau des Studentenwohnheims in der Lenn8straße, das mit Hilfe einer zusätzlichen 200.000 DM-Spende des amerikanischen Hochkommissars John McCloy gebaut und im Mai 1952 eingeweiht wurde.157 Das nach dem ehemaligen Bonner Rektor und katholischen Moraltheologen Fritz Tillmann benannte vierstöckige Haus erwies sich für den Ansturm der Studenten bald schon als unzureichend. Selbst als 1954 das ebenfalls zentral in der Südstadt gelegene CarlSchurz-Haus in der Kaiserstraße eröffnet wurde, war dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dieses »Kollegienhaus« entstand nach einem damals aktuellen Reformkonzept. In den Zeiten der Massenuniversität und der Anonymisierung sollte mit dieser Unterkunft der Gedanke der universitären Gemeinschaft hochgehalten werden. Das Haus sollte nicht allein Schlafgelegenheit bieten, sondern verfügte, ganz im Geiste des Studium universale über zahlreiche Gemeinschaftsräume für Zusammenkünfte, Vorträge und Diskussionsabende. Dem Konzept, so anregend es in der Theorie sein mochte, war kein durchschlagender Erfolg beschieden. Die Studenten bevorzugten Privatunterkünfte, und auch der VDS konnte sich mit programmgebundenen Wohnheimen und Kolleghäusern niemals wirklich anfreunden.158 Das Rektorat stellte 1964 nüchtern fest, dass die Studenten »nicht auch noch außerhalb der Universität erzogen und beeinflusst werden« wollten: »Es wird für den Bau von ›Studentenhotels‹ plädiert, in denen der Student völlig unabhängig und ohne jede Verpflichtung wohnen kann, in denen seine Intimsphäre, wie man so schön sagt, gewahrt bleibt. Auch diesem Standpunkt kann man Verständnis entgegenbringen. Ich meine, man sollte das eine tun und das andere nicht lassen. Es wird Studenten geben, die ein Wohnheim vorziehen, und es wird Studenten geben, die lieber in einem Studentenhotel wohnen.«159
Im Jahr 1959 wohnten etwa 1.150 Studenten und Studentinnen in Wohnheimen, Stiften und Korporationshäusern. Eine Umfrage des AStA ergab aber immer noch einen Fehlbestand von etwa 1.800 Wohnheimplätzen, zumal die Zahl der ausländischen Studenten inzwischen die Tausendergrenze erreichte. Durch eine 156 157 158 159
Braun, Bericht 1955/56. Einzelheiten bei George, Studieren, S. 207. Freytag-Loringhoven, Kollegienhäuser. Dirscherl, Bericht 1963/64.
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Millionenstiftung der Bayer AG anlässlich des 60. Geburtstags von deren damaligem Vorstandsvorsitzenden Ulrich Haberland konnte 1960 ein weiteres Studentenwohnheim gebaut werden. Haberland hatte bereits zuvor den Wiederaufbau von Studentenhäusern unterstützt und hierfür unter anderem die GEFFRUB aktiviert. Das im Frühjahr 1963 bezogene siebenstöckige UlrichHaberland-Haus in Endenich bot Platz für 100 Studenten und war für Studenten der naturwissenschaftlichen Fächer verkehrsgünstig gelegen. Weitere Entlastung schuf das Studentinnenwohnheim in der Lenn8straße mit 144 Betten und das 1963 im Bonner Norden in Rheinnähe errichtete Studentenwohnheim Am Wichelshof, ein achtstöckiger Betonbau, der hässlich und zweckmäßig zugleich war.
Die soziale Lage der Studenten Vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren die Unterschiede in den Studentengenerationen deutlich erkennbar : Zunächst die große Zahl der eigentlichen Kriegsteilnehmer, die häufig auch eine Zeit der Gefangenschaft erlebt hatten. Von ihr zu trennen war die vergleichsweise kleine Generation der »Flakhelfer«, die den Krieg nur noch am Rande erlebt hatte. Eine dritte Alterskohorte, die der Jahrgänge 1928 bis 1937, war nicht mehr direkt am Krieg beteiligt gewesen. Vor allem bis Anfang der 1950er Jahre war die erste Gruppe deutlich überrepräsentiert; sie stellte in den ersten Semestern sogar knapp 90 Prozent der Studenten.160 Diese Altersschichtung und die »generationsspezifischen Merkmale«,161 geprägt durch dramatisch unterschiedliche Erfahrungen, löste sich erst auf, als die bereits älteren »Kriegskinder« nach einem meist schnellen Studium die Universität wieder verließen. Seit Mitte der 1950er Jahre war diese Sonderentwicklung im Großen und Ganzen beendet. Die zahlreichen »Kriegsversehrten«, die das Bild der Hörsäle noch geprägt hatten,162 verließen die Universität, die sich jetzt wieder verjüngte. In den frühen 1960er Jahren bildete die Universität wieder ein von der Altersstruktur her gesehen vergleichsweise normales Bild junger Menschen: Die Gruppe der 21 bis 31jährigen umfasste bereits seit Mitte der 1950er Jahre wieder mehr als 60 Prozent der Studenten. Erstaunlich konstant blieb über die gesellschaftlichen Zäsuren hinweg die soziale Schichtung. Ein Viertel der Studenten entstammte der mittleren Beamtenschaft, knapp 30 Prozent aller Studenten hatten Väter mit akademischer Bildung, während der Anteil an Arbeiterkindern in der Regel zwischen fünf und 10 Prozent pendelte. 160 George, Studieren, S. 166. 161 Ebd., S. 362. 162 Ebd., S. 166–170.
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Seit der Wiedereröffnung betrug der Anteil der Studentinnen in Bonn zwischen 20 und 25 Prozent. 1950 studierten neben 5.123 Männern 1.431 Frauen, was etwa dem Stand entsprach, der in Bonn vor Kriegsausbruch die Regel gewesen war. Ihr Anteil war damit allerdings immer noch höher als der 15 Prozent betragende Bundesdurchschnitt. Studentinnen der ersten Jahrgänge konzentrierten sich, weil ihre Mitarbeit in den studentischen Gremien häufig noch auf Ablehnung stieß, auf ihre Studienerfolge. Das Rektorat beklagte beispielsweise, dass unter den 24 Mitgliedern des AStA lediglich eine Studentin war.163 Über die Ursachen lässt sich nur spekulieren. Ist die Ansicht einer Göttinger Studentin verallgemeinerungsfähig, die ihre Jahre an der Universität als nicht ganz ernst gemeintes und nicht ganz ernst genommenes »Provisorium« empfand?164 Es war bezeichnend, dass in der Anfangszeit, als die männlichen Studenten in den Bautrupps eingesetzt wurden und nach einer ähnlichen Verwendung für die weiblichen Bewerber gesucht wurde, der Vorschlag gemacht wurde, »Studentinnen als Putzfrauen zu beschäftigen.«165 Es wird aus den Quellen nicht ersichtlich, ob sich die Bonner Studentinnen durch diese geschlechterspezifische und patriarchalische Rollenverteilung zurückgesetzt fühlten oder ob sie das Studium nicht nur als Chance, sondern auch als »umständebedingten Zwang zur Selbständigkeit« empfanden.166 Studieren in Bonn war in den ersten Nachkriegsjahren nicht billig. Bei erstmaliger Immatrikulation waren 1949 pro Semester 30 DM fällig, hinzu kamen die Studiengebühr von 80 DM, gegebenenfalls Kolleggelder (2,50 DM pro Wochenstunde) und Sozialabgaben in Höhe von 27 DM, mit denen die Beiträge für die Akademische Krankenkasse, die Pflichtuntersuchung, Unfallversicherung, Bibliothek, Studentenbücherei, das Akademische Hilfswerk sowie den AStA abgegolten wurden.167 Erst seit Mitte der 1950er Jahren ergänzten staatliche Unterstützungen die Studienfinanzierung, die bis dahin durch universitäre Hilfe zur Selbsthilfe wie den Verein »Studentenwohl« in begrenztem Umfang gewährt wurde. Der im November 1945 wiedergegründete Verein knüpfte an eine Vorgängereinrichtung der Weimarer Republik an. Unter ihrem Leiter, dem Althistoriker und Dekan der Philosophischen Fakultät Friedrich Oertel, wurde dieser Vorgänger des heutigen Studentenwerks für die Nachkriegsverhältnisse unersetzlich.168 163 164 165 166
Richter, Bericht 1951/52. Zit. nach Krönig/Müller, Nachkriegs-Semester, S. 53. Senatsprotokoll vom 23. 05. 1946, UAB, Senat 33–2. Vgl. umfassend George, Studieren, S. 120–130, das Zitat S. 130. Daneben auch Kleinen, Frauenstudium, S. 296. 167 Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1949/50, S. 8; zur materiellen Lage George, Studieren, S. 208–218. 168 George, Studieren, S. 228–234.
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Über 40 Prozent der Studenten konnten ihr Studium nur mittels eines Zuschusses der Eltern finanzieren. Jedem dritten Bonner Student war das Studium nur durch Nebenerwerb möglich. Dass von den Studenten elf Prozent ständig und 47 Prozent gelegentlich arbeiteten, wurde als »durchaus ungesunder Zustand« kritisiert – zu einer Zeit, in der das Studium noch als eine Lebensphase betrachtet wurde, die ganz der Bildung gewidmet sein sollte und nicht als Berufsausbildung verstanden wurde.169 Es sei eine Tragik der Universität, dass sie zum einen der Wissenschaft dienen solle, zum anderen aber auch eine »Stätte für ›Brotstudien‹« sein müsse.170 Die Landesregierung stellte 1949 erhebliche Mittel zur Linderung der studentischen Not bereit. Einer von fünf Studierenden erhielt ganzen oder teilweisen Gebührenerlass; über die Hälfte dieser Antragsteller erhielten außerdem eine Beihilfe von monatlich durchschnittlich 81 DM, ein Betrag, der sich mit längerer Studiendauer noch leicht erhöhte und in den letzten beiden Studiensemestern mit Darlehen gekoppelt war.171 Der Gebührensatz blieb in den 1950er Jahren stabil, lediglich der Sozialbeitrag stieg auf 36 bis 38 DM. Im Jahre 1957 reichten 23 Prozent der Studierenden einen Antrag auf Förderung ein, ein Satz, der seit Jahren mit geringen Schwankungen konstant geblieben war. Weil die Bundesrepublik auf qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs angewiesen war, sollten gerade in der veränderten sozialen Situation der Nachkriegszeit bedürftige Studenten besonders gefördert werden. In Bad Honnef diskutierten 1955 Vertreter von Westdeutscher Rektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz über eine bundeseinheitliche Stipendien- und Darlehensvergabe. Das 1957 daraus entwickelte »Honnefer Modell«, der Vorläufer des BAföG,172 ermöglichte die Förderung durch Gebührenerlass und die Vergabe von Stipendien an geeignete und wirtschaftlich bedürftige Studierende nach dem Subsidiaritätsprinzip. Zwischen 15 und 20 Prozent der Studenten wurden auf diese Weise 1959 mit Beträgen von bis zu 150 DM pro Semestermonat gefördert.173 Hierdurch wurden die Universitäten jedoch durch ein weiteres Prüfungssystem belastet, das nach Ansicht von Kritikern zudem »keine wirkliche Auslese und keine […] Förderung der Hochbegabten« erlaubte.174 Einen Meilenstein stellte im November 1949 die Eröffnung der neuen Mensa in der Nassestraße dar. In diesem Studentenhaus, das neben zwei Sälen sogar über »Clubzimmer« verfügte, wurden fortan täglich 3.000 Essen verteilt.175 Auch 169 170 171 172 173 174 175
Friesenhahn, Bericht 1950/51. Becke-Goehring, Bemerkungen, S. 14–17, Zitat S. 14. Schäfer, Bericht 1956/57. Vgl. Adam, Studienförderung, S. 135–147, bes. S. 142. Goldschmidt, Nachwuchs, S. 21. Becke-Goehring, Bemerkungen, S. 16. George, Studieren, S. 214–218.
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an sogenannte Freitische für bedürftige Studenten war gedacht worden – allerdings unter der strengen Bedingung der Vorlage zweier Gutachten von Dozenten beziehungsweise »Fleißzeugnissen«. Zuschüsse des nordrhein-westfälischen Kultusministeriums verbilligten das Mensa-Essen. Mit dem Preis von 90 Pfennig wurde lediglich der Wareneinsatz bezahlt. Als der Platz nicht mehr ausreichte, stellte 1962 die Landwirtschaftliche Fakultät ein Grundstück für eine neue Mensa in Poppelsdorf zur Verfügung. Ansonsten bot das Studentenhaus weitere Angebote. Hier seien, wie in den Vorlesungsverzeichnissen noch bis in die 1960er Jahre hinein vermerkt war, »für die Studentenschaft eine Badeanstalt mit Dusch- und Baderäumen, eine Schuhmacherei und eine Friseurstube mit Herren- und Damensalon eingerichtet.« Für Studentinnen gab es im Studentinnenwohnheim eine »Nähstube.«176 Auch ein »Studentenarzt« stand den Bonner Studenten in den 1960er Jahren zur Verfügung.
Das Studentische Disziplinarrecht Im Studentischen Disziplinarrecht überschneiden sich »klassische« Universitätsgeschichte, Studentengeschichte im engeren Sinne und die Rechtsgeschichte der frühen Bundesrepublik – es handelte sich um ein »eigentümliches Grenzund Mischgebiet, […] in dem die Ordnungsgewalt der Hochschule auf ihre ›akademischen Bürger‹ und der staatliche Anspruch auf die Regelung besonderer Gerichtsgewalt« unmittelbar ineinander übergingen.177 Die Akademische Gerichtsbarkeit war bereits mit dem Preußischen Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 abgeschafft worden, so dass seit dieser Zeit nur noch ein studentisches Disziplinarrecht galt. Theoretisch bot nach dem Krieg immer noch die vom Reichserziehungsministerium am 1. April 1935 erlassene »Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen« eine Rechtsgrundlage. An dieses Verfahren konnte nach 1945 schon allein deshalb nicht ohne weiteres angeknüpft werden, weil es die Beteiligung von Universitätsinstitutionen vorsah, die ganz den Ideen nationalsozialistischer Hochschulpolitik entsprachen und deshalb nicht fortgeführt wurden. Als 1946 der Diebstahl von Mikroskopen zur Untersuchung stand, entschied sich der Senat dafür, auf das Verfahren vor 1933 zurückzugreifen und selbst als Disziplinargericht zu fungieren.178 Bald zeigte sich, dass auch dieser Rückgriff an praktische Grenzen stieß. Zum 176 Vorlesungsverzeichnis 1960/61, S. 12. 177 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 317f. 178 Protokoll der Senatssitzung vom 04. 07. 1946, in: UAB, Senat 33–2.
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Wintersemester 1947/48 wurde deshalb ein neuer Disziplinarausschuss geschaffen. Er bestand aus einem Universitätslehrer als Ständigem Vorsitzenden, der die »Befähigung zum Richteramt« besitzen sollte, dem Dekan derjenigen Fakultät, der der »Beschuldigte« angehörte sowie einem Studenten als Beisitzer. Berufungsinstanz war der Kultusminister.179 Die Disziplinarstrafen180 ahndeten Verkehrsdelikte wie Trunkenheit am Steuer, aber auch Diebstähle, meistens von Büchern. Gebüßt wurde durch Arbeit während der Semesterferien und Zahlungen an Hilfsorganisationen. Täuschungen bei Klausuren und Abschlussarbeiten hatten häufig den Ausschluss vom Studium in Bonn zur Folge, während bei den schweren Fällen von Zeugnis- und anderen Urkundenfälschungen die Relegation, also der Ausschluss von allen deutschen Hochschulen, als Höchststrafe erfolgte. Es gehörte zu den Besonderheiten des Disziplinarrechts, dass der Täter zusätzlich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Rechenschaft gezogen wurde. In den Delikten spiegelte sich die Not der unmittelbaren Nachkriegszeit: Immer wieder ging es um den Verkauf von gefälschten Lebensmittelmarken oder den Weiterverkauf unberechtigt bezogener Fettmarken. Auch Lebensmittelbeschaffung mittels fingierter Blutspende-Bescheinigungen wurde bestraft oder – was heute kurios erscheinen mag – das Vergehen, einen »Truthuhn aufgefunden und nicht zurückgebracht« zu haben. In der Regel, so stellte der Universitätsrichter in Beantwortung einer Frage des Kultusministeriums im Jahr 1948 fest, handle es sich »um Taten aus Übermut und Trunkenheitsexzesse«. Angesichts der Zeitumstände erkannte er auch Zeichen einer moralischen Verschlechterung bei den Studenten, denn »nicht nur die Zahl, sondern auch die Schwere der Disziplinarverstöße« habe zugenommen. Leider lehre die Erfahrung, »dass auch junge Leute aus guten Häusern und in günstigen Verhältnissen unter den ungünstigen Einflüssen der gegenwärtigen Zeit auf Abwege geraten.«181 1955 hielt die Rechtsabteilung im Kultusministerium den REM-Erlass von 1935 und die Strafordnung für obsolet: Es müsse damit gerechnet werden, dass ein Verwaltungsgericht das gesamte Verfahren für rechtswidrig erkläre, und einer »solchen Gefahr sollte sich die Hochschule nicht aussetzen.«182 Auch das Rektorat hielt es für unabdingbar, »auf diesem Gebiet schleunig eine klare 179 Protokoll der Senatssitzung vom 09. 12. 1948, in: UAB, Senat 33–4; Erlass des Kultusministeriums vom 22. 04. 1948, in: UAB, UR 67–113. 180 Vgl. die Auflistung »Disziplinar-Strafen 1945–1957« vom 24. 10. 1957, in: UAB, UR 67–112 sowie »Erfahrungsaustausch über die Praxis der Disziplinargerichte und das geltende Disziplinarrecht. Zusammenstellung für die Tagung am 2.12.66 (Westdeutsche Rektorenkonferenz)« vom 25. 11. 1966, in: UAB, UR 67–113. 181 Aufzeichnung vom 09. 12. 1948, UAB, UR 67–112. 182 Aufzeichnung des RR Vogtmann vom 12. 12. 1955, LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW457, Nr. 475.
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Rechtsgrundlage« zu schaffen, weil das in Bonn ausgeübte Verfahren »nicht unbedenklich« sei.183 Der Senat billigte 1956 den Rahmenentwurf einer Disziplinarordnung und legte ihn dem Kultusministerium vor. Vorschläge zu einer bundeseinheitlichen Regelung kamen auch aus anderen Universitäten, der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) und aus der Studentenschaft. Am 21. Mai 1960 wurde schließlich eine mit der Musterordnung der WRK abgestimmte neue Bonner Disziplinarordnung vom Kultusministerium des Landes genehmigt. Diese sah einen Disziplinaroberausschuss und das Kultusministerium als Gnadeninstanz vor. Allerdings entsprach diese Novellierung bereits nicht mehr dem Zeitgeist: Wie sehr das studentische Disziplinarrecht ein Relikt vergangener Zeiten war, sollte sich in den heftigen Auseinandersetzungen zwischen Senat und Studentenparlament seit Mitte der 1960er Jahre zeigen.
Studentische Selbstverwaltung Die britische Besatzungsbehörde förderte von Beginn an den Wiederaufbau einer studentischen Selbstverwaltung im Sinn einer Re-education.184 Ihr erster Eindruck war allerdings, wie einer ihrer Offiziere Anfang 1946 dem Senat berichtete, nicht vielversprechend. Es gebe drei Gruppen: Die erste seien die »Suchenden«, die noch keinen politischen Standpunkt gefunden hätten, die zweite seien die leicht Lenkbaren, die dritte und am häufigsten vertreten gewesene Gruppe sei die der »militaristischen, chauvinistischen und nationalsozialistischen« Studenten.185 Für die meisten Studenten der ersten Generation standen das persönliche Fortkommen und der Erfolg im Studium im Vordergrund. Die Notwendigkeit, die Alltagsprobleme zu meistern, aber auch die ungute Erinnerung an die Ideologisierung der Hochschulen im »Dritten Reich« taten ein übriges, um das Interesse an Hochschulpolitik zu dämpfen. Viele Studenten fuhren abends wieder nach Hause, so dass sich eine studentische Gemeinschaft kaum entwickeln konnte. Studentische Initiative zeigte sich am ehesten im 1951 gegründeten Studentenchor, im Studentenorchester und im Studenten-Kabarett. Zum politischen Engagement der Studenten vertrat die Universitätsspitze eine ambivalente Meinung. Einerseits erinnerte sie an die unguten Erfahrungen mit den radikalisierten NS-Studenten. Rektor Konen schärfte den Studenten 1946 ein: »Es gibt nur eine Art von Politik: Dienst an der Wahrheit, der Wissenschaft«.186 Andererseits sollte die akademische Freiheit 183 184 185 186
LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW457, Nr. 475. George, Studieren, S. 274–276. Senatssitzung vom 14. 03. 1946, UAB, Senat 33–2. Zit. nach George, Studieren, S. 305.
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nicht durch apolitisches Abseitsstehen geprägt sein. Zur Abhilfe regte der Senat im Frühjahr 1946 die Gründung eines »Debattierklubs« nach britischem Vorbild an, allerdings ohne Erfolg. Die Geburtsstunde der Bonner Studentenvertretung war der 26. Juni 1946, als der erste gewählte AStA vom Rektor eingeladen und von diesem per Handschlag verpflichtet wurde.187 Kurze Zeit später, im Oktober 1946, wurde ein sozialdemokratischer Studentenkreis gegründet, aus dem später der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) hervorging. Im christlich-konservativen Spektrum bildete sich 1947 der Christlich-Demokratische Hochschulring (CDH), der die zahlenstärkste Gruppe bildete und bald als Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) firmierte, allerdings erst seit 1957 bundesweit unter diesem Namen auftrat. Der CDH blieb mit 85 Mitgliedern die stärkste Bonner Gruppe. Anders als an anderen nordrhein-westfälischen Universitäten, an denen der RCDS seit Anfang der 1960 Jahre den Verlust seiner führenden Position erlebte, konnte dieser in Bonn seine Rolle bis Mitte der 1960er Jahre behaupten.188 Nur etwa ein Drittel der Stärke der christlich-konservativen Studentengruppe hatten der SDS und der 1950 gegründete Liberale Studentenbund Deutschlands.189 Die Wahlbeteiligung und die Mitarbeit im AStA blieben allerdings notorisch gering, was optimistisch als vorübergehendes Problem interpretiert wurde. Es seien wohl »Kinderkrankheiten«, die mit der Zeit überwunden würden, zumal eine studentische Gruppenbildung »langsam in Gang« komme.190 Als die studentischen Gruppierungen jedoch seit Ende der 1950er Jahre unisono in den Chor derjenigen einfielen, die erweiterte studentische Mitspracherechte forderten,191 war das der Universitätsspitze schon wieder zu viel des Engagements. Hohes Ansehen und entsprechenden Zulauf genossen die katholischen und evangelischen Studentengemeinden. Die katholische Studentengemeinde war sogar mit etwa 1.000 Mitgliedern die größte Bonner Vereinigung der frühen Nachkriegszeit.192 Sicherlich war das rheinisch-katholische Milieu – zwei Drittel der Studenten waren katholisch, allerdings mit stetig abnehmender Tendenz193 – dafür mitverantwortlich, dass die konservativen Stimmen auch bei der Studentenvertretung im Vordergrund standen. Eine kommunistische Postille sprach 1947 sogar in offenkundiger Anspielung auf das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 vom Bonner AStA abfällig als einer »Offiziersverschwörung«.194 Im 187 188 189 190 191 192 193 194
Ebd., S. 278. Spix, Elfenbeinturm, S. 187f. George, Studieren, S. 303; ders., Studenten, S. 183. Klauser, Bericht 1949/50. Vgl. DUZ 15 (1960), Heft 7, bes. S. 38–40; Rohstock, Studentenrevolte, S. 174. Bonner Katholische Studentengemeinde, Festschrift, S. 66; George, Studenten, S. 182. George, Studieren, S. 158. Ders., Studenten, S. 180.
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Jahr 1951 gehörten zwei Drittel der Mitglieder des AStA Korporationen an, während unter den Studenten nur ein Drittel korporiert war.195 Mehrmals trat der AStA in den Anfangsjahren aus den unterschiedlichsten Gründen zurück beziehungsweise rekonstituierte sich mit einer komplett neuen personellen Besetzung, sei es wegen interner Streitigkeiten, wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten oder wegen der Meinungsverschiedenheiten in der »Korporationsfrage.« Als ein Zeichen für die fehlende Akzeptanz dieses Gremiums in der ersten Nachkriegsgeneration kann gelten, dass bei den Wahlen im Frühjahr 1947 die Beteiligung lediglich 22 Prozent betrug.196 Sie stieg jedoch kontinuierlich an und betrug im Sommersemester 1952 47,8 Prozent.197 Es war daher wenig verwunderlich, dass das Studentenparlament in den ersten Jahren vom Senat als eine quantit8 n8glig8able angesehen und zeitweise nicht mehr auf seine Sitzungen eingeladen wurde. Im Jahr 1956 – die Wahlbeteiligung hatte sich bei geringer Beteiligung der Studenten an den öffentlichen Sitzungen auf leicht über 40 Prozent eingependelt – umfasste der Bonner AStA ein Sozialreferat, die Auslands- sowie die Pressekommission, ein Kulturreferat, ein Referat für gesamtdeutsche Studentenfragen sowie ein Referat für studentische Vereinigungen.198 Erst mit der Zeit neigte sich die »Inkubationszeit«199 der akademischen Jugend dem Ende zu. Helmut Schelsky machte für die von ihm so bezeichnete »Skeptische Generation« der Jahrgänge zwischen 1920 und 1940 eine elementare Verunsicherung, Desillusionierung und den Rückzug ins Private aus.200 Diese setze auf die Karte der Sicherheit und sei vergleichsweise gleichgültig gegenüber der Vergangenheit – was allerdings weniger Kritiklosigkeit als Freiheit von Ideologie und eine gewisse Lebenstüchtigkeit beschreiben sollte. Sicherlich lässt sich der Pragmatismus vieler aufstiegsorientierter Studenten nicht auf einen vermeintlichen »Leistungsfanatismus« zurückführen, der noch aus der NSVolksgemeinschaft hergerührt und als Ressource für das »Wirtschaftswunder« gedient habe.201 Unabhängig davon, ob man Schelskys Thesen in jedem Punkt folgen möchte,202 traf seine Analyse den Kern der Sache: Die Generation derjenigen Studenten, die als junge Soldaten oder als Flakhelfer den Krieg mitgemacht hatten, waren an den bedeutenden Protestbewegungen der 1950er Jahre – der »Ohne-Mich-Bewegung«, der »Paulskirchen-Bewegung«, der Initiative »Kampf 195 196 197 198 199 200 201 202
Ders., Studieren, S. 324; Statistik des AStA in: UAB AStA 47–38 und 47–39. Senatssitzung vom 22. 05. 1947, UAB, Senat 33–3. George, Studenten, S. 180. Protokoll der ordentlichen öffentlichen AStA-Sitzung vom 05. 05. 1956, UAB AStA 81–71. Kraushaar, Denkmodelle, S. 14. Vgl. Schelsky, Generation. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 214. Vgl. Oehler, Studenten, S. 24. Vgl. Kersting, Generation.
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gegen den »Atomtod« – ebenso wenig prominent vertreten wie bei Gewerkschaftsaktionen. Bezeichnenderweise waren es zwei Bonner Professoren, Wolfgang Paul und Wolfgang Riezler, die im April 1957 zu den Mitunterzeichnern der »Göttinger Erklärung« gegen den Atomtod gehörten. Eine zunehmende Politisierung, bei der Bonn den Trends auf Bundesebene folgte, ließ sich am ehesten im linken Spektrum der Studentenschaft beobachten. Während der Bonner AStA eine zu starke Politisierung der Universität ablehnte,203 forderte der SDS mehr universitäre Debatten, lehnte Wiederbewaffnung, Wehrpflicht und Atomrüstung konsequent ab und geriet dadurch vor allem nach dem Godesberger Programm in einen Gegensatz zur Mutterpartei. Nach dem Unvereinbarkeitsbeschluss von 1961, der die Trennung von SPD und SDS zur Folge hatte, wurde in der sozialdemokratisch orientierten Studentenschaft der im Mai 1960 in Bonn gegründete »Sozialistische Hochschulbund« (SHB) zum studentischen Leitorgan. Dem SDS, der zu einer »relativ unbedeutenden Splittergruppe« herabsank,204 wurde vom Bonner Senat im Januar 1961 die Lizenz verweigert; sein Vorstand sollte erklären, ob er noch »auf dem Boden des Rechtsstaates« stehe. Bei Krawallen am 18. Februar 1961 auf einer Demonstration arabischer und afrikanischer Studenten aus Anlass der Ermordung des kongolesischen Ministerpräsidenten Patrice Lumumba, bei der es zu einem Sitzstreik und zum Einsatz von Wasserwerfern kam, waren Rufe wie »Es lebe die DDR!« zu hören. Der AStA-Vertreter erklärte im Senat, der SDS werde zentral gesteuert und zeige nicht seinen wahren Charakter.205 Die Bonner Studentenzeitschrift »akut« kommentierte: »Das hatte die rheinische Übergangshauptstadt denn doch noch nicht erlebt! Eine linksradikale Studentendemonstration? Drohungen und Schmährufe vor den Toren Rhöndorfs? Die bundesdörfliche Bevölkerung war tief empört. Biedere Bürger und Familienväter entdeckten spontan ihr Staatsbewusstsein, stellten sich zornbebend an den Straßenrand und riefen den farbigen Demonstranten zu: ›Gehen Sie doch nach Moskau!‹«206
Politisierung und Entfremdung Es waren dies Vorboten einer wachsenden Entfremdung zwischen Universitätsspitze und einem Teil der Studentenschaft. Ein frühes Indiz für Missverständnisse und eine gegenseitige Sprach- und Verständnislosigkeit waren die Bonner Vorgänge im Umfeld der »Doppelkrise« des Jahres 1956, der Nieder203 204 205 206
Ebd., S. 612. Vgl. George, Studieren, S. 355. Rohwedder, SDS-Hochschuldenkschrift, S. 162. Vgl. Albrecht, Studentenbund, S. 373–383. Protokoll in: UAB, Senat 33–17. »Afrika in Bonn«. Akut vom Mai 1961, S. 6.
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schlagung des ungarischen Aufstands durch die Sowjetunion und der britischfranzösisch-israelischen Intervention am Suezkanal. Während der AStA am 3./ 4. November überlegte, wie auf die Ereignisse reagiert werden sollte, bat unabhängig davon eine Studentengruppe Rektor Karl Theodor Schäfer am 4. November, auf einer Kundgebung nach einem Schweigemarsch zu sprechen. Der Rektor hielt es jedoch für eindrucksvoller, »wenn die Studenten allein handelten.«207 Den Vorschlag, den evangelischen Theologen Helmut Gollwitzer, den Nachfolger Karl Barths, zu gewinnen, lehnte er ab. Gollwitzers »politisches Hervortreten« habe ihm »neben Anhängern auch Gegner geschaffen« und es sei unzweckmäßig, »Teilen der Studentenschaft den Entschluss der Teilnahme an einer Kundgebung zu erschweren.«208 Schließlich einigte man sich auf Theodor Litt als Redner. Als am 5. November die Plakate für die Kundgebung vorgelegt wurden, wich der Wortlaut von dem ab, was der Rektor als vereinbart in Erinnerung hatte. Es war zwar die Rede davon, dass der »Freiheitskampf des ungarischen Volkes […] in Blut und Phosphor erstickt« worden sei, aber es fand sich daneben ein Passus zu den Vorgängen in Ägypten, über die man »bestürzt und beschämt« sei.209 In der Aufnahme dieses Einschubs sah der Rektor einen »Vertrauensbruch«210 und untersagte die Plakatierung an der Universität. Die Hintergründe ließen sich auch später nicht klären. In den fraglichen Tagen trat ein neuer AStA sein Amt an, dem möglicherweise die getroffenen Abmachungen noch nicht bekannt waren. Einigkeit herrschte rückblickend nur darüber, dass es ein »nicht mehr aufzuklärendes Durcheinander« gegeben habe.211 Während am 5. November etwa 500 vorwiegend arabische Studenten in der Bonner Innenstadt gegen das britisch-französische Vorgehen in Ägypten protestierten, war die Beteiligung am Schweigemarsch am 6. November, angeführt von Litt und dem AStA-Vorsitzenden, dem Medizinstudenten Hubertus Lehnert, um ein Vielfaches höher : Vor 30.000 Teilnehmern hielt Litt auf dem Kaiserplatz während der Schlusskundgebung eine kurze Ansprache, in der er jedoch ausschließlich auf die Aggression der UdSSR in Ungarn einging. Am Schluss forderten einige enttäuschte Demonstranten: »Ein Wort zu Ägypten!« Ob dies auch die Ansicht der Mehrheit war, lässt sich kaum feststellen. Litt ließ sich auf die Zwischenrufe jedenfalls nicht ein. Der enttäuschte AStA verfasste eine Presse207 Niederschrift über die Sitzung des Senats am 22. 11. 1956, UAB, Senat 33–12. 208 Die Nicht-Nominierung von Gollwitzer hatte ein Nachspiel: Auf der Senatssitzung vom 24. 01. 1957 kam es deswegen zu einem Wortgeplänkel zwischen den beiden Theologen Schäfer und Gollwitzer. Vgl. die Niederschrift über die Sitzung des Senats am 24. 01. 1957, UAB 33–13. 209 »Ungarn-Ägypten«, in: Spuren. Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 9 vom 20. 11. 1956. 210 Niederschrift über die Sitzung des Senats am 22. 11. 1956, UAB, Senat 33–12. 211 Niederschrift über die Sitzung des Senats am 22. 11. 1956, UAB, Senat 33–12.
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erklärung und schrieb an den Rektor : »Wir haben bei der Kundgebung vergeblich auf ein Wort des Bedauerns über den Krieg im Nahen Osten gewartet. Als Bürger der Universität sind wir der akademischen Freiheit verpflichtet und so können wir nicht umhin, die Gewaltanwendung in Ägypten genauso zu verurteilen wie die Gewalttat in Ungarn. Das Recht ist unteilbar.«212 Im Senat wurde am 22. November der Eindruck eines »Risses zwischen Lehrkörper und Studenten« bedauert und davor gewarnt, das Vertrauen der Studenten zu verlieren.213 Ob die Linie des AStA überhaupt der Mehrheitsmeinung der Studierenden entsprach, war umstritten. Zu einer anberaumten Vollversammlung fanden sich lediglich 56 Teilnehmer ein, ein klägliches Häuflein angesichts von inzwischen fast 7.500 Bonner Studenten. Der Konflikt verschärfte sich aber noch, als Rektor Schäfer auf einer AStA-Sitzung am 27. November ins Grundsätzliche ging. Als Kapazität auf dem Gebiet der universitären Verfassung berief er sich zunächst auf Rechtsfragen und bestand darauf, dass der Senat »in allen die Universität betreffenden Fragen die oberste Instanz« sei. Der AStA habe »nicht die Interessen der einzelnen Studenten, sondern nur das Interesse der verfassten Studentenschaft zu vertreten«. Die Ablehnung eines allgemeinpolitischen Mandats der Studentenschaft zeigte sich darin, dass sich Schäfer paradoxerweise juristisch auf die Seite des sowjetischen Botschafters Andrej Smirnow stellte, der eine studentische Petition über die Gewalt in Ungarn nicht entgegengenommen hatte: Smirnow habe »vollkommen korrekt gehandelt«, während der AStA-Beschluss »völlig daneben« sei und es sich bei der Petition um eine der »abstrusen Ideen« des AStA handle: »Wenn irgendwelche Studenten einer Botschaft eine Entschließung überreichen wollten, so sei das ihre private Angelegenheit, der AStA aber habe dazu kein Recht. Er überschreite damit seine Zuständigkeit und handle gegen die Verfassung von Universität und Studentenschaft, wenn er mit der Botschaft einer ausländischen Macht in diplomatische Beziehungen träte.« Der Rundumschlag wurde ergänzt durch die Kritik an »rüpelhaften Briefen«, die Litt nach seiner Rede erhalten hatte. Der Rektor zog sogar eine Linie zur NS-Herrschaft, weil in dieser Zeit Litt Rektor der Universität Leipzig gewesen war und nun ungute Erinnerungen an radikalisierte Studenten habe. Ihm drängten sich »in beängstigender Weise« Parallelen auf. Wie damals, so referierte der Rektor den Eindruck Litts, »steuere auch die heutige Jugend einer bedenklichen Entwicklung zu.« Die recht paternalistischen Ermahnungen fanden damit aber noch kein Ende: »Überall wisse man, dass der AStA aus leicht lenkbaren jungen Leuten bestehe. Und wenn auch die heutigen Studenten daran unbeteiligt gewesen seien, so sei doch anderwärts noch nicht vergessen, dass 212 »Ungarn-Ägypten«, in: Spuren. Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 9 vom 20. 11. 1956. 213 Niederschrift über die Sitzung des Senats am 22. 11. 1956, UAB, Senat 33–12.
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zwei Jahrzehnte zuvor auch Bonner Studenten mit dem Rektor auf öffentlichem Platz wenigstens Bücher derer verbrannt haben, die später von anderen Deutschen vergast oder sonstwie umgebracht worden seien.«214 Letztlich war der Vorgang – jenseits aller Kommunikationsdefizite – nicht nur ein Indiz für die Nervosität in der heißen Phase des Kalten Kriegs, in der Kritik am Verhalten der westlichen Verbündeten unerwünscht war, sondern auch ein Zeichen eines zunehmenden Misstrauens zwischen Rektorat und Studenten. Das Rektorat hielt an der Idee einer Universität fest, in der die Tagespolitik keine Rolle spielen sollte. Wäre es nicht angemessener gewesen, die Anliegen der Studenten stärker zu berücksichtigen? Diese beharrten auf dem Recht, sich als mündige Bürger politisch äußern zu dürfen – ein Wertewandel, der universitäres Milieu wie Gesamtgesellschaft erfasste. Ende Dezember 1956 bekräftigte der Senat angesichts des Vorgehens in Ungarn seine Haltung, gegenwärtig keine offiziellen Einladungen von sowjetischen Institutionen anzunehmen.215 Es wurden 46 ungarische Studenten als Flüchtlinge in Studentenheimen untergebracht und ein »Ungarnhilfsfonds« eingerichtet. Anlässlich der Hinrichtung der ungarischen Aufständischen Imre Nagy und P#l Mal8ter im Juni 1958 baten diese Studenten um die Genehmigung für einen Schweigemarsch zur sowjetischen Botschaft in Rolandseck. Der AStA kündigte den Schweigemarsch in den Vorlesungen an, stellte die eigene Lautsprecheranlage zur Verfügung und entsandte eine Beobachter-Delegation. Schließlich demonstrierten etwa 350 Ungarn und 150 Deutsche vor dem Gebäude. Als Steine flogen, beendete Bereitschaftspolizei mit Gummiknüppeln nach einer Straßenschlacht die Demonstration, die mit sieben Verletzten und 24 Verhaftungen endete. Der »Spiegel«, der ein Jahrzehnt später für studentische Provokationen ein ganz anderes Verständnis zeigte, stellte sich auf die Seite der Staatsräson: Es sei nicht das erste Mal, dass der Bonner AStA »studentischen Ulk mit ernster Politik« verwechselt habe.216
214 Protokoll der AStA-Sitzung vom 27. 11. 1956, UAB, AStA 81–253. Zum Teil auch abgedruckt in »Ungarn-Ägypten«, in: Spuren. Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 10 vom 31. 12. 1956. Schäfer verteidigte auch später seinen Kurs: »In den Tagen politischer Hochspannung im November 1956 habe ich es für die erste Pflicht des Rektors gehalten, die Universität der Bundeshauptstadt vor Verwicklungen zu bewahren, die inneren Zwiespalt oder Minderung ihres Ansehens hätten zur Folge haben können.« Er habe bei »Gefahr im Verzuge« rechtmäßige Maßnahmen getroffen, für die er allein dem Senat Rechenschaft schuldig sei. Der Eindruck des AStA, er wolle dessen legitime Rechte verkürzen, sei »grundlos«. Schäfer, Bericht 1956/57. 215 Protokoll in: UAB, Senat 33–12. 216 »Adenauer. Mohikaners Wandlung«, in: Der Spiegel vom 02. 07. 1958, S. 15.
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Streitigkeiten um die Mitbestimmung Das Verhältnis zwischen Universitätsspitze und verfasster Studentenschaft änderte sich zwar je nach Zusammensetzung des AStA, aber die politischen Bruchstellen wurden nach einer jahrelangen Latenzphase gegen Ende der 1950er Jahre immer deutlicher. Die im Verband Deutscher Studentenverbände (VDS) als Dachverband zusammengeschlossenen ASten verstanden sich zunächst als eine politisch neutrale Interessenvertretung und hielten sich in gewissem Maß auch aus hochschulpolitischen Angelegenheiten heraus.217 Als der Vorstand des VDS im Juni 1956 eine Presseerklärung gegen die Wiederbewaffnung herausgab, bestritt der AStA der Universität Bonn dem Verband beispielsweise das Recht, im Namen seiner Mitglieder Stellungnahmen zu politischen Fragen abzugeben.218 Mit der Zeit gab der VDS seine Zurückhaltung auf. Eine erweiterte studentische Mitbestimmung und der »Abschied vom Elfenbeinturm« waren Hauptforderungen der Studententage in Karlsruhe 1958 und in Berlin 1960.219 Die Rektorate, so der Tenor der Studenten, gäben zwar Lippenbekenntnisse ab, aber im Universitätsalltag werde eine Mitsprache durch »eine Art Ehrgeiz der Universitätsbehörden« verhindert. Letztlich herrsche die Devise, »sich von den Studenten doch nichts sagen zu lassen.«220 Der Bonner AStA folgte mittlerweile der Linie des Dachverbandes und bat im Februar 1959 den Kultusminister um das Mitbestimmungsrecht an der Gesamtverwaltung der Universität – was Sitz und Stimme in Senat und Fakultäten mit sich gebracht hätte, aber vom Senat konsequent abgelehnt wurde. Eine zugesagte Beteiligung des AStA an der Kommissionsarbeit reichte diesem nicht aus: In seiner gegenwärtigen Form, so der Sprecher, sei der AStA nur »eine Art von Fortsetzung der Schüler-Mitverwaltung.«221 Hinweise des Rektors über eine im allgemeinen erfreuliche Zusammenarbeit mit dem AStA waren daher nur die halbe Wahrheit. Ein offener Tag, an dem der Rektor einmal im Monat dem AStA für Fragen zur Verfügung stand, stellte wenig mehr als Kosmetik dar. Die im November 1959 vom Senat beschlossenen Grundsätze über den AStA gewährten diesem nur begrenzte Rechte: Er sollte Mittel des Landesjugendplans erhalten, durfte am Schwarzen Brett gemäß der Aushangordnung Ankündigungen anschlagen und auf Antrag die Hörsäle gebührenfrei benutzen. Im Januar 1960 kam es über die Frage der Beteiligung des AStA an der akademischen Selbstverwaltung zu einem öffentlichkeitswirksamen Bruch, nach Ansicht des amtierenden 217 Vgl. Rohwedder, Krieg. 218 Vgl. Spuren. Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 7 vom 20. 07. 1956. 219 Rohwedder, SDS-Hochschuldenkschrift, bes. S. 162–169; vgl. Bavaj/Geppert, Hochschullehrer, S. 133–145, bes. S. 138. 220 Rösemann, Beteiligung, S. 21. 221 Protokolle in: UAB, Senat 33–15.
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Rektors Braubach »auf Grund von überraschend und ungestüm vorgetragenen Forderungen« des AStA.222 Allerdings gab es im Lehrkörper durchaus unterschiedliche Auffassungen. Braubach schlug im Zuge der Besprechungen über den Universitätssatzungsentwurf vor, den Studenten »Sitz und Stimme in den akademischen Gremien zu verleihen, wie es bereits bei vielen anderen Hochschulen der Fall sei. Die Universität vergebe sich dadurch nichts.« Auch der Bundespräsident habe sich schließlich kürzlich für eine angemessene Berücksichtigung der Studentenschaft in der Selbstverwaltung ausgesprochen. Die Gründe für diese Großzügigkeit lieferte Braubach sofort nach: »Die Stimmen der AStA-Vertreter fielen nicht ins Gewicht.« Der ehemalige Rektor Schäfer interpretierte diese Haltung Braubachs allerdings als ein »Zurückweichen«, denn der AStA werde nur von einem Fünftel der Studenten gewählt und sei daher »von den Zufälligkeiten einer aktiven Minderheit« abhängig. AStA-Vertreter dürften, so lautete sein Argument, nicht leichtfertig nach oft nur ein oder zwei Semestern Hochschulzugehörigkeit in akademische Gremien kommen, in die Lehrstuhlinhaber erst nach vielen Jahren aufgenommen würden: Nach den Bonner Erfahrungen seien die Studenten gar nicht wirklich an einer Mitwirkung in studentischen Angelegenheiten interessiert. Sie wollten »nur dabei sein und hören, was bei den Professoren los sei.« Auch der designierte Kanzler von Medem sekundierte Schäfer in seinen Bedenken gegen die »Ausweitungstendenzen« des AStA. Minister Schütz, der selbst zwei Semester AStA-Vorsitzender gewesen war, wollte nur ein Mitspracherecht, aber kein Entscheidungsrecht zubilligen. Die Studenten beanspruchten Zuständigkeiten, »die sie mit ihrer Substanz nicht ausfüllen« könnten. Diese grundsätzlichen Bedenken mündeten im Vorschlag, in den Paragraph 78 der Satzung folgenden Absatz 4 einzufügen: »Zur Beratung studentischer Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung werden die Vertreter des leitenden Organs der studentischen Selbstverwaltung zu Sitzungen des Senats, seiner Kommissionen und der Fakultäten mit beratender Stimme zugezogen. Das leitende Organ der studentischen Selbstverwaltung ist berechtigt, die Aufnahme eines Gegenstandes in die Tagesordnung des Senats, seiner Kommissionen und der Fakultäten zu verlangen.« Im Kultusministerium gab es keine Einwände.223 Im Herbst 1960 prognostizierte Rektor Braubach, dass an der Universität trotz aller momentanen Beruhigung auch in Zukunft mit studentischen Forderungen zu rechnen sei, »deren Erfüllung auch in ihrem eigenen Interesse nicht möglich ist.«224 Wie Recht er damit hatte, zeigte sich bald. Der Senat beschloss Ende 222 Braubach, Bericht 1959/60. 223 Alle Zitate aus: Besprechung des Satzungsentwurfes am 26. 02. 1960, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 453. 224 Braubach, Bericht, S. 28.
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Januar 1961, nur mit einem neuen AStA das Gespräch über die Mitbestimmung »offen zu halten«. Er hielt an der Formulierung des Satzungsentwurfs zur Universitätsverfassung fest, denn diese gebe den Rahmen für ein »sinnvolles, nützliches und angemessenes Mitwirkungsrecht«. Ein Stimmrecht sei »unter den gegenwärtigen ultimativen Forderungen des AStA nicht möglich. Falls der gegenwärtige AStA nicht zurücktrete, sollten die Beziehungen zu diesem auf ein Minimum« beschränkt werden.225 Zwar hielt der Rektor die Beziehungen zum AStA 1962 für »besonders gut« und griff dessen Anregung auf, in einem kleinen Kreis von Bonner Professoren und Studenten die Fragen der Hochschulorganisation zu besprechen. Der Rektor empfand es als »besonders erfreulich«, dass der AStA keine Rechtsstellung neben oder außerhalb der Universität anstrebte, »sondern auch in Zukunft ein Glied der Gesamt-Universität bleiben« wollte.226 Aber inzwischen wurden von beiden Seiten Rechtsgutachten eingeholt, was alle Debatten überschattete. Ein vom VDS 1962 in Auftrag gegebenes Gutachten enthielt neben der Forderung nach einem allgemeinpolitischen Mandat auch den Gedanken der »Drittelparität« in den akademischen Gremien.227 Die Universität konterte mit mehreren Gutachten, unter anderem aus der Feder des versierten Staats- und Kirchenrechtlers Ulrich Scheuner, der in seiner Expertise zu dem vernichtenden Urteil kam, dass eine eigene Rechtsfähigkeit der Studentenschaft zur Desintegration führe. Der Senat beharrte daher darauf, dass die Rechte der Studentenschaft »nicht weiter reichen können als die der Universität selbst.« Wenn die Studentenschaft das Recht der Selbsthilfe für sich in Anspruch nehme, könne es sich nach geltendem Recht, anders als der VDS behaupte, nicht um eine universitätsfremde Angelegenheit handeln: »Die Studentenschaft ist ein verfassungsmäßiges Glied der Universität ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Die von der Studentenschaft angestrebte Verleihung des Status einer Körperschaft eigenen Rechtes erscheint weder notwendig noch wünschenswert.«228 Die Satzung der Studentenschaft wurde schließlich vom Senat im Dezember 1963 verabschiedet und im November 1964 von der Studenten-Vollversammlung angenommen. Oberstes Organ der Studentenschaft war fortan das jährlich zu wählende und aus mindestens fünfzig Mitgliedern bestehende Studentenparlament. Dieses wählte den AStA-Vorsitzenden und bestellte auf dessen Vorschlag die »Referenten«, die jedoch nicht Parlamentsmitglieder sein mussten. Die fachlichen Belange der Studenten wurden durch die Fachschaften vertreten. Die Zukunft dieser Abmachungen war ungewiss, denn der Machtkampf zwischen 225 Protokoll in: UAB, Senat 33–16. 226 Niehaus, Bericht 1961/62. 227 Vgl. zum Gutachten und der Debatte vor allem Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 391f. 228 Welzel, Bericht 1962/63.
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dem VDS, dem nicht länger »überparteilich« denkenden Studentenparlament und den Rektoraten ging weiter.229
Die Wiederbegründung der Studentenverbindungen und der »Bonner Farbenstreit« Korporationen hatten seit dem 19. Jahrhundert das Leben der Universitäten in mannigfacher Weise mitbestimmt. Die »Fragen und Fragwürdigkeiten«230 dieser vielgestaltigen Organisationen, die durch ein Lebensbundprinzip gekennzeichnet, aber ansonsten kaum unter einen Hut zu bringen waren, wirbelten nicht nur an der Universität Bonn nach 1945 viel Staub auf.231 Die britischen Militärbehörden untersagten zunächst im August 1945 ihre Wiederzulassung, weil ihnen diese Form akademischen Lebens suspekt war und sie ihnen vor dem Hintergrund der NS-Herrschaft als ein rückwärtsgewandter Verstoß gegen den common sense erschien. In bisweilen etwas zu holzschnittartigen Beschreibungen des Korporationswesens, das im »Dritten Reich« einen windungsreichen Prozess der Gleichschaltung und Selbstgleichschaltung mitgemacht hatte, wurde den Studentenverbindungen nun per se eine Mitverantwortung für den Aufstieg Hitlers gegeben.232 Ende 1947 legte der Senat fest, dass grundsätzlich alle Studentenvereinigungen exakte Mitgliederlisten und Meldungen zu Vorstandsänderungen einreichen mussten, um eine Lizenz zu erhalten. Zur Überprüfung wurde ein eigener Ausschuss gebildet.233 Trotz des Verbots ließen sich die Traditionen des Farbentragens und des Mensur-Fechtens – dieses wurde beispielsweise von den katholischen Verbindungen grundsätzlich abgelehnt – jedoch nicht auf Dauer unterbinden. Viele Korporationen reorganisierten sich unter Tarnbezeichnungen.234 Zudem waren zahlreiche Bonner Professoren als »Alte Herren« in den Verbindungen engagiert, die zudem noch über zahlreiche Korporationshäuser verfügten, was angesichts des knappen Wohnraums verlockend wirkte. Wie stark die Korporationen im akademischen Milieu verankert waren, lässt sich daran erkennen, dass knapp ein Drittel der Bonner Studenten zu Anfang der 1950er Jahre einer Verbindung angehörten.235 Ende 1949 bekräftigte der Senat noch einmal die Auffassung, dass »unzeitgemäße Erscheinungen der alten Korporationen, wie die Bestimmungsmensur 229 230 231 232 233 234 235
Rohwedder, SDS-Hochschuldenkschrift, S. 169. Martini, Bericht 1953/54. George, Studieren, S. 311–324. Ebd., S. 314. Senatssitzung vom 20. 11. 1947, UAB, Senat 33–3. George, Studieren, S. 316f. Ebd., S. 324.
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und das Tragen von Farben« nicht wieder aufgenommen und Studierende, die dagegen verstießen, vom Studium ausgeschlossen werden sollten.236 In Bonn hielt man auch in den folgenden Jahren noch »unbedingt« am Mensurverbot und dem Verbot des Tragens von Band und Mütze in der Öffentlichkeit fest.237 Dies stand ganz im Einklang mit der »Tübinger Erklärung« der WRK, die im Oktober 1949 beschlossen hatte, dass in »den kommenden studentischen Gemeinschaften […] kein Platz mehr […] für die Veranstaltungen von Mensuren, die Behauptung und Herausstellung eines besonderen studentischen Ehrbegriffs, die Abhaltung geistloser und lärmender Massengelage, die Ausübung einer unfreiheitlichen Vereinsdisziplin und das öffentliche Tragen von Farben« sein dürfe.238 Aber angesichts des offenbar nicht zu unterdrückenden Wiederauflebens der Korporationsidee in ganz Westdeutschland239 und der nun bewusst eingesetzten Regelverletzungen wollte die Universität nicht allein mit Verboten reagieren. Der Senat wollte die Studentenschaft nicht als gleichsam amorphe und anonyme Masse behandeln, hielt die Idee einer wie auch immer zu findenden selbstbestimmten »studentischen Gemeinschaft« grundsätzlich für plausibel und nahm an, dass angesichts der internen Debatten zwischen Traditionalisten und Erneuerern im Verbindungswesen deren Selbstverständnis noch einem Findungsprozess unterliege. Der Senat unterschätzte in seinem verständlichen Wunsch, jegliches nationalistisches Bestreben von Anfang an zu unterbinden, die Beharrungskräfte studentischer Traditionen. Die Verbindungsstudenten beriefen sich auf demokratische Prinzipien und waren nicht bereit, bedingungslos einen Ukas der Universitätsspitze zu akzeptieren. Als sich bei der Fronleichnamsprozession 1951 sechs katholische Studentenverbindungen öffentlich in Couleur zeigten,240 kam es zu vehementen Debatten. Max Braubach empfahl ein konsequentes Vorgehen gegen die Korporationen: »Besser untergehen als nachgeben«, lautete seine Devise.241 Der Senat entzog den Verbindungen die Lizenz als studentischer Vereinigung, was eine Klage der Betroffenen vor dem Landesverwaltungsgericht Köln nach sich zog. Während in Bonn immer wieder vom Farbentragen berichtet wurde, so etwa bei einer Gedächtnisfeier zum Tod von Professor Tillmann, zu der die Verbindungen »plenis coloribus« erschienen,242 blieb die Angelegenheit 236 237 238 239 240
Senatssitzung vom 22. 12. 1949, UAB, Senat 33–5. Senatssitzung vom 21. 07. 1951, UAB, Senat 33–7. Westdeutsche Rektorenkonferenz, Dokumente, S. 39. Kleifeld, Hochschulpolitik, S. 129–145, hier S. 135. Zum Vorgang im einzelnen George, Studieren, S. 321. Daneben Katholische Deutsche Studentenverbindung zu Bonn im Cartellverband der katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV). Zettel/Hauschild, Ascania, S. 113f. 241 Senatssitzung vom 29. 05. 19952, UAB, Senat 33–8. 242 Senatssitzung vom 18. 06. 1953, UAB, Senat 33–9.
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vorerst in der juristischen Schwebe, zumal auch in anderen Universitätsstädten die Rechte der Korporationen inzwischen eine Sache der Gerichte waren. Unter Rektor Martini, selbst Mitglied einer farbentragenden CV-Verbindung, wurde 1953 ein fragiler Modus vivendi gefunden. Farbentragen sollte zu besonderen Anlässen, etwa dem Stiftungsfest, Beerdigungen, Gottesdiensten und an Fronleichnam erlaubt und ansonsten genehmigungspflichtig sein. Während einige Professoren den »Mangel an fortschrittlichem Geist« beklagten und darauf beharrten, die Universität müsse unabhängig vom Ausgang des Prozesses das Farbentragen ablehnen, ging der Pessimist Friesenhahn, der Mitglied einer nicht-farbentragenden KV-Verbindung war, noch einen Schritt weiter. Die bislang einheitliche Haltung dürfe nicht aufgegeben werden, weil sonst der Eindruck entstehe, man gäbe um des lieben Friedens willen alle früheren Entscheidungen preis. Er prophezeite, dass als nächstes die schlagenden Verbindungen auf den Plan treten würden. Martini sah die Sache gelassener. Man habe befürchtet, »dass nach dem Tage seines Amtsantritts Bonn in Farben schwimme. Nichts dergleichen sei eingetreten.«243 Der Rechtsstreit endete erst vor dem Oberverwaltungsgericht Münster, das im Januar 1954 die Rechtmäßigkeit des öffentlichen Couleur-Tragens als »akademisches Gewohnheitsrecht« bestätigte. Der Senat schloss daraufhin mit den farbentragenden Verbindungen eine Art Waffenstillstandsabkommen, lehnte die Mensur aber weiterhin grundsätzlich ab. Querelen blieben dennoch nicht aus. Als 1955 Rektor Burckhardt Helferich die Chargierten der Verbindung Staufia feierlich empfing, beschwerten sich die Nachkriegsrektoren Noth, Klauser, Friesenhahn und Richter, weil die Staufia sich in den Vorjahren »schroff gegen Rektor und Senat gestellt« hatte. Sie fühlten sich »durch diesen Schritt auch persönlich verletzt. Wir möchten hoffen, dass Rektor und Senat in Zukunft bei derartigen Entschließungen mehr Rücksicht auf das Ansehen der akademischen Selbstverwaltung nehmen und ihre Vorgänger so wenig in der Öffentlichkeit brüskieren, wie sie selbst von ihren Nachfolgern brüskiert zu werden wünschen.«244 Nach einer längeren Aussprache beschloss der Senat im August 1955, das Farbentragen auf dem Universitätsgelände zu genehmigen.245 Im Mai 1956 wurde das vorgesehene Anerkennungsverfahren ausgesetzt, um das Urteil im Rechtsstreit der farbentragenden Verbindungen gegen die Universität Freiburg abzuwarten. In dieser Phase der rechtlichen Unsicherheit blieben die Fronten verhärtet. Zur Zehn-Jahresfeier der Katholischen Hochschulgemeine (KHG) erschienen im Januar 1957 farbentragende katholische Studentenverbindungen in Couleur. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungs243 Senatssitzung vom 05. 11. 1953, UAB Senat 33–9. 244 Noth, Klauser, Friesenhahn und Richter an Helferich vom 12. 07. 1955, UAB, Senat 33–11. 245 Protokoll in: UAB, Senat 33–11.
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Abb. 25: Karl Dietrich Bracher, Zeitgeschichte, Wissenschaft von der Politik
gerichts vom 16. Mai 1958 über die farbentragenden Verbindungen waren die Korporationen de facto anerkannt. Die Renaissance der Korporationen war jedoch nur von kurzer Dauer. Generationswechsel und gesellschaftlicher Wertewandel führten schließlich dazu, dass sich in den 1960er Jahren ganz andere Konfliktlinien zwischen Senat und Studentenschaft abzeichneten.
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Universität und Öffentlichkeit Die Universität in der Bundeshauptstadt Die Beziehungen der Universität zum Ausland standen nach 1945 zunächst noch unter dem Eindruck der NS-Herrschaft. Internationale Kontakte waren nach 1933, wenn es sich nicht um Verbündete, Kollaborationsregimes oder um neutrale Staaten gehandelt hatte, abgeschnitten worden, und das Vertrauen musste erst mühsam wiedergewonnen werden. Seit 1946 begann ein behutsames Anknüpfen an die Traditionen von vor 1933, mit »Internationalen Ferienkursen«, einem zunächst mit britischen Studenten durchgeführten Studentenaustausch, schließlich der Schaffung einer offiziellen »Akademischen Auslandsstelle« im Dezember 1948, einem »Akademischen Auslandsamt« im Jahr 1950246 und einem AStA-Auslandsreferat beziehungsweise einer Auslandskommission. Patenschaften, vor allem nach Oxford, deren Universität schon im Sommer 1947 auf Bonn zukam, ergänzten das Bild einer allmählichen Normalisierung.247 Die Wahl Bonns zum Sitz der Bundesregierung brachte weitere Vorteile. Die Entscheidung fiel nicht aufgrund der akademischen Traditionen Bonns, wurde aber gerade von ausländischen Stimmen begrüßt. Bonn sei eine »ruhige Universitätsstadt mit einem ausgesprochenen geistigen Fluidum«, meinte beispielsweise der schweizerische Generalkonsul Franz-Rudolf von Weiss.248 Das verbreitete Image, Forschung und Lehre in einer verschlafenen Provinzstadt zu betreiben, die vor allem für wohlhabende Rentner attraktiv sei, hatte die Universität seit jeher wenig berührt. Die deutsche Wissenschaftslandschaft zeichnete sich ja gerade dadurch aus, dass jenseits der Metropolen und Machtzentren Städte wie Tübingen, Göttingen, Jena und Münster wissenschaftlich aufgeblüht waren. Auch Rektor Friesenhahn sah die positiven Seiten. Das Gesicht der Stadt sei bislang wesentlich durch die Universität geprägt und Bonn »in erster Linie Universitätsstadt« gewesen. Obwohl es inzwischen auch vorläufige Bundeshauptstadt sei und die Universität mit den Bundesbehörden »recht freundschaftliche Beziehungen« aufgenommen habe, sei der »Charakter Bonns als Universitätsstadt noch nicht verwischt«.249 Über Bonn, so formulierte es Rektor Richter 1953, liege »auch noch etwas von dem Zauber der kleinen deutschen Universitätsstadt.«250 Der enorme Raumbedarf der Bundesbehörden und die Zunahme der Beamten 246 247 248 249
Holle, Auslandsamt, S. 64–66. George, Studieren, S. 255–271. Zit. nach Schmitz/Haunfelder, Humanität, S. 292. Chronik 1950/51, Ansprache des Rektors Prof. Dr. Ernst Friesenhahn bei der Feier zur Einweihung des wiederaufgebauten Hofgartenflügels des Universitäts-Hauptgebäudes am 30. 06. 1951. 250 Richter, Bericht 1952/53.
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und Angestellten, die sich im »Provisorium« einrichteten, ließ bald jedoch die Sorge aufkommen, dass der Bund Universitätsgebäude beanspruchen werde. Faktisch wurden die eingeforderten Zusicherungen der Landesregierung, des Technischen Büros der Bundeshauptstadt und der Bonner Stadtverwaltung jedoch stets eingehalten – und auch die seit 1948 immer wieder befürchtete Beschlagnahme des Poppelsdorfer Schlosses und des in seiner Einzigartigkeit als unverzichtbar angesehenen Botanischen Gartens blieb aus. Allerdings musste der große Hörsaal an der Westseite des Poppelsdorfer Schlosses bei Bedarf auch für Bundeszwecke zur Verfügung stehen. Die ersten Auslandskontakte hatten eher humanitären als wissenschaftlichen Charakter. Häufig boten persönliche Verbindungen aus der Zeit vor 1933 den konkreten Anlass für diese Initiativen. Allerdings war die 1948 geschaffene »Akademische Auslandstelle«, die im Englischen Seminar im Hauptgebäude untergebracht war, bereits ein Zeichen für eine verstärkte internationale Ausrichtung. Die britische Besatzungsbehörde berief Gelehrte aus England und den USA zu Gastvorlesungen, 1948 nahm die kalifornische Universität Redlands eine Patenschaft mit Bonn auf, 1953 folgte Madison/Wisconsin.251 Ende der 1940er Jahre luden kirchliche Organisationen wie die Quäker deutsche Studenten in die USA ein. Deren Erfahrungsberichte ließen erkennen, wie sinnvoll es war, die Universitäten zum Ausland hin zu öffnen. In der Zeit der Wiedereröffnung war das Zusammenwirken von Stadt und Universität unabdingbar. Die Reorganisation zwang zur Kooperation. Erst als sich die längerfristige Teilung Deutschlands abzeichnete, wurden Risse in der Zweckpartnerschaft sichtbar.252 1948 beklagte die Universität, es gelinge häufig nicht, bedeutende Gelehrte für Bonn zu gewinnen, weil Wohnungen und Institutsräume fehlten: »Wir müssen befürchten, dass der große Raumbedarf der Bundeshauptstadt nicht nur die letzten Möglichkeiten nimmt, Wohnraum für Mitglieder des Lehrkörpers zu schaffen, sondern, dass angesichts der Neubauvorhaben auch die Wiederherstellung der Universitäts-Einrichtungen zurückgestellt werden muss.«253 Im Selbstverständnis der Universität Bonn war die alma mater mit einer gewissen Anständigkeit durch die geistigen Wirren der NS-Zeit gekommen. Umso mehr sollte gerade in den schwierigen Wiederaufbaujahren das Bild einer ehrwürdigen Institution ausgeschmückt werden. Wie auch anderenorts ging es darum, »die Universität als Ort glanzvoller Wissenschaftlichkeit, erhabenen Geistes und elitärer Überlegenheit« erscheinen zu lassen.254 Daher waren Anlässe 251 252 253 254
George, Studieren, S. 267; Holle, Auslandsamt, S. 73. Vgl. grundsätzlich Höroldt, Stadt. Erklärung des Senats vom 10. 02. 1949, UAB, Senat 33–5. Hammerstein, Goethe-Universität Bd. II, S. 428.
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wie die Rektoratsübergabe, die Eröffnung des Akademischen Jahres, Immatrikulationsfeiern und das seit 1949 veranstaltete Sommerfest im Hofgarten und auf dem Kaiserplatz Gelegenheiten der Selbstinszenierung, die häufig nach einem festen Ritual abliefen. Der Einzug des Rektors, der Ordinarien und des übrigen Lehrkörpers verlief streng nach Vorschrift und der feierliche Charakter der Vorgänge wurde dadurch unterstrichen, dass auch die Studenten in Anzug und Krawatte und die Studentinnen im Kleid erschienen. Ob dies der »legitimen öffentlichen Präsentation« einer wichtigen Institution diente, oder – wie für die Universität Frankfurt festgestellt worden ist – »zunehmend zu gespreizter Selbstdarstellung« gerann,255 muss an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Seit 1950 wurde nach jahrelanger Unterbrechung erstmals wieder die gesamte Dozentenschaft zu einem fakultätsübergreifenden »Festabend« eingeladen. Auf ein Rheinfeuerwerk wurde auf Wunsch der Studentenschaft verzichtet – dafür bildete ein Fackelzug zum Rhein einen »erhebenden Abschluss der Feier«.256 Aber offenbar wurde in Bonn schon bald nach 1945 die Selbstverständlichkeit der Außen- und Innenrepräsentation mit Zweifeln versehen. Beispielsweise wurde bereits Anfang der 1950er Jahre der Frage Aufmerksamkeit geschenkt, wie der »Universitätsfremdheit, wenn nicht gar gelegentlich -feindschaft« entgegengewirkt werden konnte.257 Wenig später beklagte der Rektor, dass man von der großen Mehrzahl der Studenten außerhalb der Hörsäle »so gut wie nichts« wisse; das Beispiel der angelsächsischen Hochschulen hielt man zwar nicht für das »alleinseligmachende«, aber dennoch »für eines der besten Beispiele akademischer Erziehungsmöglichkeiten, die es gibt.«258 Eine große Universität wie die Bonner laufe Gefahr, »den inneren Zusammenhang zu verlieren und sich in eine große Zahl von Institutsgemeinschaften aufzulösen.«259 Das »bloße Zusammensein von Professoren und Studenten in Hörsälen und Instituten« ergebe noch keine wirkliche civitas academica: »Eine Gemeinschaft bildet die Universität erst dann, wenn Professoren und Studenten über die Enge der Fächer und Fachinteressen, der Institutsgruppen und Fakultäten hinweg das Ganze sehen, mit verständnisvoller Aufgeschlossenheit die Arbeit der anderen verfolgen und sich als Glieder des lebendigen Corpus academicum empfinden.«260 Im Rahmen von »Universitätswochen«, die von der WRK angeregt worden waren, wurde in ganz Nordrhein-Westfalen als dem Haupteinzugsgebiet der Universität Bonn seit Anfang der 1950er Jahre öffentliche Werbung gemacht.
255 256 257 258 259 260
Ebd., S. 429. Friesenhahn, Bericht 1950/51. Ebd. Martini, Bericht 1953/54. Klauser, Bericht 1948/49. Klauser, Bericht 1949/50.
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Orte wie Mülheim an der Ruhr und Remscheid waren universitätsfern genug, um dort die Ergebnisse der Bonner Forschungen exemplarisch zu präsentieren. Das Flair der provisorischen Hauptstadt wollte genutzt werden. Insofern war es naheliegend, die Werbung für »Made in Germany« mit einem Reputationsgewinn auf wissenschaftlicher Ebene zu verbinden. Die Symbiose zwischen der Bonner »hohen Politik« und der Universität wurde daher Teil des Erfolgsprojekts, das sich bis Mitte der 1960er Jahre zunehmend perfektionierte. 1949 wurde Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard Honorarprofessor. Bundespräsident Theodor Heuss nahm im selben Jahr an verschiedenen Veranstaltungen der Universität teil und sprach im Wintersemester 1949/50 in einer Vorlesung zu Professoren und Studenten. Heuss, dem Bildungsfragen schon immer am Herzen gelegen hatten und der in den 1920er Jahren ein Motor für die Gründung der Berliner »Hochschule für Politik« gewesen war, pflegte ohnehin ein enges Verhältnis zur Bonner Geisteswelt. Im Nebenberuf gleichsam »Bundeskultusminister«, ein Amt, das es gar nicht gab,261 fühlte er sich den liberalen Erziehungsmaximen der Universität verbunden, obwohl ihm als Schwaben die rheinische Mentalität eher fremd war. Eine gewisse Staatsverbundenheit zeigte die Universität mit dem Fackelzug zur Wiederwahl von Heuss als Bundespräsident im Juli 1955, eine Veranstaltung, die auf Anregungen des Allgemeinen Studentenausschusses und einiger Korporationen zurückging. Es war weit mehr als eine symbolische Geste, dass ihm die Universität im September 1959 die Ehrensenatorenwürde verlieh. Bundeskanzler Konrad Adenauer, den gestandenen Hitlergegnern wie Konen, Martini und Lützeler eng verbunden, hielt wiederholt Vorträge, wohnte den Feiern zur Eröffnung der ersten neuen Universitätskliniken bei, und war, häufig gemeinsam mit Theodor Heuss, bei anderen Festakten zugegen.262 Die Wahl Bonns zur Bundeshauptstadt brachte aber auch einen erheblichen Internationalisierungsschub. Die Anbindung an Politik und Diplomatie führte dazu, dass ausländische Staatsmänner im Rahmen protokollarischer Pflichtvisiten als Redner und Gäste in die Universität kamen. Zum Wirtschaftswunder gehörte es, die Rückkehr Westdeutschlands in den Kreis der zivilisierten Nationen dadurch zu demonstrieren, dass die akademische Welt – einst das Aushängeschild und wissenschaftlicher Exportartikel zugleich – wieder in ihre traditionellen Bahnen zurückgekehrt war. Es lag angesichts der Westbindung nahe, dort anzuknüpfen, wo ein Bezug zu den vielbeschworenen »abendländischen« Traditionen gegeben war. Der französische Außenminister Robert Schuman, der in Bonn seine juristischen Studien begonnen hatte, stattete 1950 der Universität seinen Besuch ab. Der französische Hochkommissar Andr8 261 Führ, Bildungsgeschichte, S. 9. 262 Mensing, Adenauer, S. 299–320, bes. S. 302f. und 314.
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FranÅois-Poncet hielt am 11. Oktober 1950 einen Vortrag über den Beitrag der Jugend zur Erneuerung Europas. Im Rahmen der Aussöhnung mit dem ehemaligen »Erzfeind« Frankreich wurden Stipendien für Studenten aus Caen gewährt und seit dem Frühjahr 1957 »Freundschaftsbeziehungen« zur Universität Toulouse angebahnt sowie Gastdozenten im Rahmen des Kulturaustausches nach Bonn eingeladen. Auf eine Universitätswoche im Mai 1958 folgten Gegeneinladungen; im Sommersemester 1960 kam eine Delegation von zehn Professoren mit ihren Studenten für eine Woche nach Bonn. 1963 übergab der französische Botschafter Roland de Margerie der Universität Bonn das Institut FranÅais als Französisches Kulturinstitut. Während weitere, über das Akademische Auslandsamt organisierte Partnerschaften mit den USA, Spanien, Italien, der Schweiz, Dänemark und anderen westeuropäischen Staaten263 diese Bemühungen untermauerten, blieben die wissenschaftlichen Kontakte über den Eisernen Vorhang hinweg komplizierter, weil sie den Zwängen des Ost-West-Konflikts unterlagen.264 Nachdem einige Studenten versucht hatten, Kontakte mit Kommilitonen in der DDR aufzunehmen, war dies jedoch, wie der Rektor ausführte, »durch die bekannten Maßnahmen der Zone vereitelt« worden. Mit dem ideologischen Gegner ging die Universität Bonn nicht zimperlich um. Als eine Gruppe »aus der Zone eingeschleuster studentischer Agitatoren« bei den Teilnehmern des »Internationalen Ferienkurses« »Propaganda gegen die Bundesrepublik« betreiben wollten, wurde dies »alsbald unterbunden«.265 Als die Professoren Braun und Kleemann 1956 in die Sowjetunion eingeladen wurden, sah sich der Senat zu einer grundsätzlichen Bewertung aufgefordert, zumal die Einladung in die Zeit fiel, in der die KPdSU-Führung die brutale militärische Erstickung der ungarischen Befreiungsbewegung angeordnet hatte; eine salomonische Lösung wurde dadurch gefunden, dass die Besuche als »Privateinladungen« gewertet wurden und daher keinerlei Verpflichtung für den Rektor, den Senat und die Fakultäten darstellten. Für zahlreiche Staatsbesuche diente die Universität Bonn als Programmpunkt, was insofern nahelag, als die Wege zwischen dem Hauptgebäude und den Ministerien ebenso kurz waren wie diejenigen zur »Diplomatenrennbahn«, dem Teil der Bundesstraße B 9, der Richtung Regierungsviertel führte. Die Besucher – zu den prominentesten gehörten 1954 der äthiopische Kaiser Haile Selassie und 1965 die britische Königin Elisabeth II. – verbanden ihre Besuche in der Regel mit einem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Bonn; auch hier war es praktisch, dass das Rathaus nur einen Steinwurf entfernt lag. Die »Sonderstellung« als Sitz 263 Holle, Auslandsamt, S. 73. 264 Vgl. Niederhut, Wissenschaftsaustausch. 265 Schäfer, Bericht 1956/57.
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der Bundesregierung führte 1956 zur Einführung eines offiziellen Empfanges für die Diplomatischen Missionen, der vom Auswärtigen Amt bezuschusst wurde, und an dem im Februar 1960 sogar der Bundespräsident teilnahm. Bald wurde dem Senat die Anwesenheit der Diplomaten aber zu viel. Im Mai 1960 wurde beschlossen, zukünftig den Studenten mehr Platz einzuräumen und Diplomaten nur noch »mit einem Vertreter ohne Dame« zu berücksichtigen. Im Juni 1961 kritisierte der Senat sogar die Teilnahme des Bundestagspräsidenten am Sommerfest der Universität. Der Teilnehmerkreis sollte zukünftig auf Universitätsangehörige, Bürger der Stadt und »Bundes-Bonner« beschränkt werden, womit offensichtlich die zahlreichen Beamten, nicht aber die Politiker gemeint waren.
Abb. 26: Besuch des äthiopischen Kaisers Haile Selassie an der Universität Bonn, daneben Rektor Burkhardt Helferich (li.), Bundespräsident Theodor Heuss und der Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät, Hilmar Wendt, 1954
Vor der Freitreppe des Akademischen Kunstmuseums an der Hofgartenwiese weihte der Bundespräsident im Juni 1964 unter Beteiligung von Konrad Adenauer, Willy Brandt, Oberbürgermeister Wilhelm Daniels und zahlreichen Gästen ein bereits seit längerem geplantes Ehrenmal ein.266 Das Kreuz mit Gedenkplatte und der Inschrift »Den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft« diente fortan als zentraler Ort für offizielle Totengedenkakte der Bundesrepu-
266 Berichterstattung der Studentischen Zeitschrift »Civis« über das Ehrenmal in der Senatssitzung vom 07. 02. 1963, UAB, Senat 33–19. Daneben General-Anzeiger vom 17. 06. 1964.
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blik, an dem zahlreiche Staatsoberhäupter während ihrer Besuche Kränze niederlegten. Die Internationalisierung wurde weiter vorangetrieben. Gemeinsam mit der Universität Köln sollte auf Anregung des Auswärtigen Amtes die Universität eines Entwicklungslandes »systematisch mit deutschen Professoren und Dozenten« ausgestattet werden. Den Anfang machte die Universität der afghanischen Hauptstadt Kabul, wo der Bonner Geographie-Professor Hahn bereits drei Jahre tätig gewesen war. Die Universität Köln war für die Wirtschaftswissenschaften vorgesehen, während Bonn für die Naturwissenschaften zuständig sein sollte. Man verstand dies »als höchste Ebene einer auf lange Sicht berechneten Bildungshilfe.«267 Der Partnerschaftsvertrag mit der Universität Kabul wurde zwar im März 1962 unterzeichnet, beim Aufbau der Kooperation waren jedoch »sehr große Schwierigkeiten« zu überwinden,268 die sogar zu Überlegungen führten, das Abkommen ganz zu kündigen.269 Das Auswärtige Amt stellte in Finanzangelegenheiten bürokratische Hürden auf und verweigerte 1964 zeitweilig bereits genehmigte Sachmittel im Betrag von etwa 300.000 DM, so dass der Rektor Bundeskanzler Erhard um Hilfe bitten musste. Im Jahr 1960 wünschte das Ökumenische Patriarchat von Istanbul, engere Verbindungen zur Universität aufzunehmen. Im folgenden Jahr ging Bonn eine Partnerschaft mit der Waseda-Universität in Tokio inklusive einer Austauschprofessur ein. 1962/63 wurden eine Partnerschaft und der Austausch von Wissenschaftlern mit der Universität in Santa Maria in Brasilien (Rio Grande do Sul) initiiert, um die Ausbildung von Fachkräften und den Ausbau der Forschungseinrichtungen für tropische Landwirtschaft zu fördern.
Bonner Hochschulpolitik im Zeichen der Expansion Reform oder Restauration? An ständige Reformen waren die deutschen Universitäten seit Jahrhunderten gewöhnt.270 Inhaltlich blieben zwar nach 1945 in fast allen Disziplinen der Wissenschaftslandschaft die Methoden, Schulen und Denkrichtungen aus der Zeit der Weimarer Republik vorherrschend beziehungsweise wurden manche der seit 1933 abgebrochenen Traditionen bewusst wieder aufgenommen. Die Universitäten waren aber gleichzeitig unverkennbar von einem Geist des Aufbruchs und Neuanfangs geprägt. 267 268 269 270
Troll, Bericht 1960/61. Welzel, Bericht 1962/63. Protokoll der Senatssitzung vom 28. 02. 1963, UAB, Senat 33–19. Vgl. die Beiträge in Pöppinghege/Klenke, Hochschulreformen.
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Nach dem Ende des »Dritten Reiches« versuchten zunächst die jeweiligen Besatzungsmächte, im Hochschulwesen ihre spezifischen bildungspolitischen Vorstellungen durchzusetzen, Die Briten schufen im März 1946 das Amt des University Education Control Officer (ECO).271 Diese als agents de liaison dienenden Offiziere versahen ihre Dienstzeit in der Regel zu kurz, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, aber sie trugen zu einem verständnisvolleren Miteinander bei. Viele dieser Amtsträger kannten die deutsche Universitätslandschaft, hatten Respekt vor ihrer geistigen Leistungskraft, sahen jedoch auch strukturellen Reformbedarf. Einer dieser Beamten hat rückblickend festgehalten: »All in all this was a system of great, even of ruthless, efficiency for the furtherance of research. As an institution for the provision of higher education for those who could benefit by it in the twentieth-century democracy it was less obviously qualified.«272 Nach Olaf Brann und Robert Pender, die beide nur wenige Monate im Amt waren, fungierte von September 1946 bis Oktober 1947 der schottische Pfarrer Ronald Gregor Smith als ECO. Er hatte unter anderem Texte von Martin Buber und Karl Barth ins Englische übertragen und zeigte vergleichsweise großes Verständnis für die Nöte der wiedereröffneten Bonner Universität.273 Sieht man einmal von der weiter oben erwähnten Episode über das Immatrikulationsverfahren ab, das 1947 den Rücktritt des Rektors zur Folge hatte, wurde der ECO immer stärker zu einer eher formalen Instanz, die den Besatzungscharakter kaum noch verriet und bald sogar als »verständiger Freund und Helfer« gewürdigt wurde.274 Die Wertschätzung beruhte auf Gegenseitigkeit. Eine junge Britin, die als stellvertretender University Control Officer 1950 von Göttingen nach Bonn versetzt wurde, war nicht nur von der lieblichen Rheingegend angetan: »The Rhinelanders seemed to be more relaxed in their outlook on life than were the many Prussians living in Göttingen.«275 Als die Bildungsverantwortung von den Besatzungsmächten auf die deutschen Länder überging, beharrten die Universitäten durchaus selbstbewusst auf ihren angestammten Rechten, ganz im Sinne der Devise Karl Jaspers, der die Universität als »geistige Springfeder der kommenden Demokratie« verstand.276 Es konnte nicht ausbleiben, dass das Anknüpfen an das Bewährte Kritik hervorrufen musste. Der »Restaurationsvorwurf« wurde öffentlichkeitswirksam vom Publizisten Walter Dirks 1950 erhoben. Die Universitäten seien geprägt von Reformverweigerung, mangelnder Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit und ausgebliebener Fundamentalerneuerung, mit anderen 271 272 273 274 275 276
Eine konzise Darstellung bei George, Studieren, S. 55–62. Mark, Universities, S. 75. Vgl. Kinzig, Wort Gottes, S. 40f. Friesenhahn, Bericht 1950/51. Dundas-Grant, Erfahrungsbericht, S. 118. Jaspers, Die Verantwortlichkeit der Universitäten, in: Die neue Zeitung vom 16. 05. 1947.
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Worten: das, was heute bisweilen als »intellektuelle Fluchten« oder »Strategien semantischer Umbauten« bezeichnet wird.277 Der Vorwurf einer Reformverweigerung ist jedoch ein Pauschalurteil, das die angemessene Beurteilung der Entwicklung jener Jahre verstellt.278 In Anknüpfung an die Universitätstraditionen der Weimarer Republik und angeregt durch die Besatzungsmächte entwickelten sich ertragreiche und intensive Debatten, die durch die Marburger Hochschulgespräche (1946–1949)279 und die Schwalbacher Richtlinien zur Reform der Hochschulverfassungen (1947)280 weiterentwickelt wurden. Unabhängig von aller kritischen Selbstreflexion war der Grundtenor optimistisch, reformorientiert und selbstbewusst. Im sogenannten »Blauen Gutachten«, erstellt vom Studienausschuss für Hochschulreform der WRK im Jahr 1948, war zu lesen, die Hochschulen seien »Träger einer alten und im Kern gesunden Tradition«.281 Um den in der NS-Zeit entstandenen Rückstand in einer immer stärker internationalisierten Wissenschaftslandschaft, der vor allem in der Medizin und den Naturwissenschaften zu beobachten war, wieder aufholen zu können,282 wurde im Januar 1949 die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft gegründet. Die im April 1949 aus der Taufe gehobene Westdeutsche Rektorenkonferenz diente zudem als Organ »sowohl der internen Koordination als auch der Artikulation gemeinsamer Anliegen gegenüber der Öffentlichkeit«.283 Gemeinsam mit der im Juli 1948 als Organ der staatlichen Hochschulverwaltung gegründeten Kultusministerkonferenz sowie dem gemeinsam von Bund und Ländern 1957 gegründeten Wissenschaftsrat, der am 6. Februar 1958 erstmals zusammentrat und bald schon der WRK den Wind aus den Segeln nahm,284 verhandelten nun zahlreiche Gremien über die Zukunft der Universitäten. Dies war jedoch ein zweischneidiges Schwert, denn damit öffneten sich zugleich wieder die Tore für eine mögliche Vereinnahmung und Instrumentalisierung der Universitäten. Bestand nicht die Gefahr, der 1945 mühsam wiedererrungenen Wertfreiheit der Wissenschaft erneut beraubt zu werden? Dass »die führenden Kreise der Universität keineswegs nur an Restauration dachten«, wie der Freiburger Mediävist Gerd Tellenbach für die westdeutsche Universitätslandschaft ausgeführt hat, galt auch für Bonn.285 Die erste Studen277 Bruch, Kommentar, S. 285. 278 Führ, Bildungsgeschichte, S. 11; ähnlich Hammerstein, Goethe-Universität, Bd. I, S. 581. Die Gegenposition bei von Friedeburg, Bildungsreform, S. 282. 279 Westdeutsche Rektorenkonferenz, Dokumente, S. 259–262. 280 Ebd., S. 262–288. 281 Gutachten zur Hochschulreform, Hamburg 1948, in: ebd., S. 289–368, hier S. 291. 282 Szöllösi-Janze, Wissensgesellschaft, S. 277–313, hier bes. S. 311. 283 Oehler, Hochschulentwicklung, S. 413. 284 Bartz, Wissenschaftsrat. 285 Tellenbach, Zeitgeschichte, S. 127.
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tengeneration, geprägt durch die Kriegsteilnahme, war allein schon aufgrund ihres vergleichsweise hohen Alters in erster Linie an einem Abschluss interessiert, um möglichst schnell in Brot und Arbeit zu kommen. Ihre Dozenten waren im Alltag der »Trümmergesellschaft« ebenfalls noch kaum in der Lage, systematisch an Reformen zu denken. Es ging um »Fragen der nackten Lebensführung und Alltagsbewältigung«.286 Erst als diese Sorgen nachließen, konnte stärker über die Universität der Zukunft und eine Reform der Wissenschaftslandschaft nachgedacht werden, was auch dadurch erleichtert wurde, dass eine neue Studentengeneration, die nach einer sinnstiftenden Orientierung suchte, inzwischen die Hörsäle, Seminare und Praktika füllte. Der Rektor betonte 1951, dass in den Jahren der Weimarer Republik »besonders in traditionsverhärteten Geistern« Widerstände gegen Reformen bestanden hätten, nun aber in der Bundesrepublik der »Wunsch nach Reformen viel klarer« hervortrete.287 In diesen Bonner Debattenbeiträgen bestätigt sich einmal mehr die inzwischen vielfach auch aus den Quellen nachgewiesene Tatsache, dass die Hochschulreformpolitik »in ihren wirksamen Anfängen mindestens zehn Jahre älter« war als die Protestbewegung der 68er.288 Wenig verwunderlich war die Bonner Bezugnahme auf die kritische Analyse des spanischen Philosophen Jos8 Ortega y Gasset, die dieser 1952 in einer Schrift über »Schuld und Schuldigkeit der Universität« veröffentlichte: Bildung sei alles das, was den Menschen vor dem Schiffbruch des Lebens rette und ihm ermögliche, das Leben nicht zur sinnlosen Tragödie werden zu lassen. Obwohl er vier Fünftel seiner geistigen Habe Deutschland verdanke und die Überlegenheit der deutschen Wissenschaft anerkenne, fehle es der deutschen Universität an »Welthaltigkeit«.289 So wie Ortega y Gasset, dem der »Aufstieg der Massen« höchst suspekt war, wünschte der Rektor, »dass an den Universitäten neben den Wissenschaften ein Repertoire der Überzeugungen seinen Platz habe, von denen unsere menschliche Existenz gelenkt wird. So, und nur so, werde ein neues Barbarentum, die Barbarei des Spezialistentums«, verhindert.290 Der Hinweis auf das verachtete »Spezialistentum« war nicht nur eine Abrechnung mit der verengten Ideologie der »braunen Revolution«, sondern zugleich eine Stellungnahme gegen eine überzogene Ausweitung der Universitäten, ein Statement gegen die Forderung nach einem Praxisbezug der Wissenschaft und die Herabwürdigung der Universität zu einem hektischen Massenbetrieb. Die Bonner Warnung vor kopflosen Reformen nahm die Auseinandersetzung vorweg, die
286 287 288 289 290
Wissel, Hochschule, S. 99f. Richter, Bericht 1951/52. Lübbe, Freiheit, S. 112. Ortega y Gasset, Schuld. Richter, Bericht 1951/52.
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der reformbegeisterte Hermann Heimpel als Präsident der WRK kurz darauf mit Ortega y Gasset ausfocht.291 Letztlich vertraute man in Bonn auf die eigenen Kräfte, beharrte auf Max Webers Diktum vom »inneren Berufe zur Wissenschaft« und stellte zudem fest, dass gerade amerikanische Kollegen immer wieder die spezifische Verbindung von Forschung und Lehre als nachahmenswert empfahlen. Bonn behielt das amerikanische Modell als Referenzgröße im Auge – ganz im Einklang mit den anderen westdeutschen Universitäten, deren Rektoren lediglich eine »notwendige Anpassung« und eine organische Fortentwicklung, nicht jedoch einen radikalen Traditionsbruch wollten.292 Eine weitere Herausforderung stellte die Konkurrenz zwischen zweckfreier und zweckgebundener Forschung dar. 1953 wurde beklagt, dass Gelder immer stärker an industrielle Forschungsinstitute vergeben würden: »Ließe man die Universitätsinstitute zugunsten reiner Forschungsinstitute darben, dann würden sie mehr und mehr in die Lage gedrängt, der Lehre stärker zu dienen als der Forschung. Dann wäre die Einheit von Forschung und Lehre gefährdet, mit der unsere Universitäten stehen und fallen. Wir hoffen, dass auch die deutsche Forschungsgemeinschaft diese Problematik im Auge behalten wird.«293
In den Spalten der Fachzeitschriften wurden heftige Diskussionen über die »Wirkungen massenstaatlicher und sozialstaatlicher Tendenzen auf das Hochschulwesen« geführt.294 Das vom Wissenschaftsrat im November 1960 nach dreijähriger Vorarbeit der Öffentlichkeit übergebene Gutachten zur Reorganisation der deutschen Hochschulen und die dort ausgesprochenen Empfehlungen waren in ihrer Wirkung kaum zu überschätzen. Die bauliche Erweiterung der Hochschulen, die Vermehrung der Professorenstellen und die Gründung von gleich drei neuen Volluniversitäten gehörten zu den Kernforderungen. Das vorgeschlagene Expansionsprogramm sollte bundesweit die Zahl der Lehrstühle um 1.200 erhöhen, was einer Ausweitung um 40 Prozent entsprach. Zudem sollten die Lehrstühle weiterhin den eigentlichen Kern der Universität darstellen.295 Im Einvernehmen zwischen Bund, Ländern und den Universitäten stellten diese Vorschläge eine behutsame Antwort auf die Überbürdung der Universitäten dar und ließen noch den Geist Humboldts spüren. Allerdings zeigten die viel zu konservativen Prognosen zur weiteren Entwicklung der Studentenzahlen, dass die Reformvorschläge selbst bald wieder reformbedürftig sein würden. 291 Vgl. Heimpel, Schuld. 292 Zit. nach Jarausch, Amerika (hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/id=204& type=dis kussionen; zuletzt abgerufen am 01. 12. 2017. 293 Richter, Bericht 1952/53. 294 Fischer, Wirkungen. 295 Wissenschaftsrat, Empfehlungen. Zur Einordung Bartz, Universitätsleitbilder.
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Wenig später, im Februar 1962, legte die Kultusministerkonferenz eine OECDStudie vor und interpretierte die Ergebnisse dahingehend, dass der »Zugang zu Bildung und Erziehung […] in zunehmendem Maße als ein Grundrecht aufgefasst« werde.296 Weil diese Tendenzen jetzt von der Politik aufgenommen wurden, waren diese Jahre »die eigentliche Geburtsstunde der Hochschulpolitik«.297 Die Universität Bonn profitierte zunächst vom Optimismus, der im Zeichen des Wirtschaftswunders im Bildungsbereich zu einer wahren Planungseuphorie mutierte. Dass Universitäten Orte der Kontemplation seien und nicht dem politischen Tagesgeschäft folgen sollten, galt manchen Landespolitikern nur als weiterer Beweis, dass die Universitäten im Elfenbeinturm säßen beziehungsweise in »Humboldtschen Gefilden« schwebten.298 Neben das Ministerium in Düsseldorf traten die neuen staatsnahen Bildungsforschungsinstitute, die als der »verlängerte Arm der Kultusministerien« auf dem heiß umkämpften Erziehungssektor mitmischten.299 Durch die fortwährenden Neugliederungen entstand eine neue Unruhe und Unübersichtlichkeit der Hochschullandschaft, die das bisherige Gleichgewicht der selbstverwalteten Universitäten aus der Balance brachte. Ende Juli 1962 berief der Senat einen »Hochschulpolitischen Klärungsausschuss«, der sich mit den anliegenden Reformfragen auseinandersetzen sollte. Waren die Universitäten in ihren Reformen auf halber Strecke stehengeblieben? Dem aus dem Exil zurückgekehrten Eric Voegelin erschienen die Veränderungen als ein »schneckenhaftes Schleichen«.300 Rudolf Sieverts, der Präsident der WRK, stellte 1964 kurz und bündig fest, »das ganze Unterrichtswesen in den deutschen Universitäten sei chaotisch.«301 Die Reformforderungen beschäftigten die Universitätsspitze in den folgenden Monaten unentwegt, weil nun die Politik das Thema für sich entdeckt hatte. Scharfzüngig nahm Franz Josef Strauß im Bundestag diese Tendenz auf die Schippe: »Man trägt dieses Jahr Hochschulreform«, so stellte er 1964 fest.302 Aktuelle Tendenzen der Lehrerausbildung beschäftigten notgedrungen auch die Universitäten. Bonn hatte traditionell die Ausbildung der Gymnasiallehrer bevorzugt – diese sollten, im Vergleich zu anderen Pädagogen wissenschaftlich an Universitäten ausgebildet – die Schüler adäquat zum Abitur als Voraussetzung eines Hochschulstudiums führen. Das an der Universität erworbene Fachwissen schloss in Verbindung mit dem obligatorischen Referendariat nach den Bonner Erfahrungen die pädago296 297 298 299 300 301 302
Hierzu Führ, Bildungsgeschichte, S. 15. Rohstock, Ordinarienuniversität, S. 121; vgl. Rudloff, Hochschulreform; Mälzer, Chance. Einige sprechende Beispiele in Bartz, Expansion, S. 157. Rudloff, Kultusministerien. Voegelin, Universität, 280. Zit. nach Rudloff, Studienreform, S. 195. Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte, 4. Wahlperiode, 118. Sitzung vom 4. März 1964, S. 5471.
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gische Kompetenz ein. Die in den 1950er Jahren einsetzenden Diskussionen um Forschungsbezug, Professionalisierung, Stufenlehrerausbildung und der Trend zu einer »stärker sozialwissenschaftlichen Reflexion der Lehrerrolle« führte zu entsprechenden Umstrukturierungen und dem Ausbau von »Pädagogischen Hochschulen«, was in Bonn schon deshalb mit einem gewissen Unbehagen zur Kenntnis genommen wurde, weil zu befürchten war, dass diese Einrichtungen über kurz oder lang mit den Universitäten rechtlich gleichgestellt werden und alle Lehramtsstudiengänge an sich ziehen würden. Im Juli 1963 bildete ein Entwurf eines Gesetzes der SPD zur Integration der Lehrerausbildungsgänge an den Universitäten den konkreten Anlass zu Bonner Diskussionen, in denen spätere Debatten zur Integration der Pädagogischen Hochschule bereits präfiguriert waren. Es sei, so der Rektor, »einfach paradox, dass man zur gleichen Zeit, zu der man die Pädagogischen Hochschulen auch als Forschungsstätten installieren will, den traditionellen wissenschaftlichen Hochschulen die Forschung erschwert oder gar unmöglich macht.«303
Studium generale oder Studium universale? Nachdem der materielle Wiederaufbau in Gang gekommen war, traten in den frühen 1950er Jahren die Überlegungen eines »geistigen und seelischen Wiederaufbaus« stärker ins Zentrum. Es ist heute kaum noch vorstellbar, in welchem Ausmaß besonders die Vision eines Studium generale als leuchtendes Zukunftsmodell erschien.304 Die Vorstellung eines allgemeinbildenden und interdisziplinär ausgerichteten Studiums, oft angelehnt an angelsächsische Hochschulvorstellungen, weiterentwickelt unter anderem auf den Weilburger Arbeitstagungen 1951, war ubiquitär. Sogar eine eigene Zeitschrift propagierte diese Konzeption einer »Menschenerziehung«, die weltanschauliche und moralische Aspekte umfassen und ganzheitlich vor den Gefahren der Diktatur und Barbarei immunisieren sollte – ein hehrer Anspruch, der jedoch nicht leicht einzulösen war, zumal trotz aller Begeisterung jeder unter dem Konzept etwas anderes verstehen konnte. Ungewiss blieb, ob das Studium generale nun »eine Art enzyklopädischer Addition wichtiger Ergebnisse der Fachwissenschaften, eine Art neuer wissenschaftlicher Weltsicht oder das Auffinden gemeinsamer wissenschaftsmethodischer und erkenntnistheoretischer Grundlagen«305 sein sollte. In Bonn präferierte man von vorneherein eher ein Studium universale. Keineswegs sollte am naiven Ideal festgehalten werden, dass Bildung an und für sich 303 Dirscherl, Bericht 1963/64. 304 Rudloff, Gründerjahre; Papenkort, Studium generale, S. 253f. 305 Oehler, Hochschulentwicklung, S. 421.
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schon ein Garant für eine angemessene Persönlichkeitsentwicklung sei. Auch für die akademische Elite, so war nach den Erfahrungen der NS-Zeit offenkundig, galt die Feststellung Friedrich Nietzsches, dass »Vieles Wissen und Gelernthaben […] weder ein notwendiges Mittel der Kultur noch ein Zeichen derselben« ist und »sich nötigenfalls auf das beste mit dem Gegensatze der Kultur, der Barbarei« verträgt.306 Aber mit dilettierenden Tutoren oder dem Modell des »Studienprofessors«, das im bereits erwähnten »Blauen Gutachten« zur Studienreform 1948 als »segensreich« vorgeschlagen wurde,307 wollte man in Bonn nichts zu tun haben. Im Jahr 1949 wurde stattdessen die fächerübergreifende Vorlesungsreihe Universitas eingerichtet, um jeweils an den Mittwochnachmittagen die Probleme und Methoden der verschiedenen Forschungsgebiete kennenzulernen – ein spezifischer Bonner Weg, um dem im Blauen Gutachten gegebenen Empfehlungen »unter dem nicht ganz zutreffenden Stichwort ›studium generale‹« etwas entgegenzusetzen.308 Während die Rektorenkonferenz die Fragen von »Universität und Öffentlichkeit« und Studium generale zum Gegenstand ihrer Beratungen machte, lehnte die Universität Bonn ein dem Fachstudium vorzuschaltendes Studium generale von Anfang an ab: Die Aufgabe, das »Verständnis der Welt« und das gesellschaftliche »Bewusstsein der Verantwortung für die unveräußerlichen Güter der abendländischen Kultur zu wecken«, müsse in der Oberstufe der höheren Schulen gelöst werden. Der Ausdruck Studium generale missverstehe den Namen der mittelalterlichen Universität, sei mit der neuzeitlichen Universitas litterarum keineswegs gleichzusetzen und besage gar nichts über die Zahl der an ihr vertretenen Fakultäten und Disziplinen. Das Bonner Studium universale wollte weder mit dem Gymnasium noch mit dem Fachstudium konkurrieren: »Sein Gegenstand sind die Grundfragen aller Wissenschaftsgebiete, die den Zusammenhang der Wissenschaften untereinander, ihre philosophisch-methodischen Grundlagen und ihren menschlichen Kern erkennen lassen. Außerdem sucht es durch Heranziehung von Männern des öffentlichen Lebens, durch Arbeitsgemeinschaften, Tagungen und Studienfahrten zur fruchtbaren Wechselwirkung zwischen Universität und öffentlichem Leben beizutragen.« Hierzu sollten die schon immer üblichen Vorlesungen für Hörer aller Fakultäten ebenso gehören wie der erstmals im Sommersemester 1952 abgehaltene dies academicus. Bonn hielt daher am Begriff der universitas als der traditionellen Bezeichnung der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden fest. Es sei nicht Aufgabe der
306 Nietzsche, Betrachtungen, S. 140. 307 Westdeutsche Rektorenkonferenz, Dokumente, S. 314. 308 Klauser, Bericht 1948/49.
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Universität, das nachzuholen, was die Oberschulen versäumt hätten.309 Aus diesem Bekenntnis zu einem Elitebewusstsein erklärt sich auch die Klage über noch viel zu viele »ungeeignete« Studenten. Es sollte zwar keine »Barriere« vor der Zulassung eingerichtet werden, zumal »die wirklich entscheidenden Kriterien für die Auswahl fehlen, die es erlauben würden, in diesem Augenblick schon über ein Lebensschicksal zu entscheiden.« Aber um so schärfer wurde »die Auslese während des Studiums und im Examen« gefordert, damit wirklich nur die Befähigten an der Universität Bonn ein Abschlusszeugnis erhielten.310 Schon bei Wiedereröffnung der Universität beklagte die Universitätsspitze zu hohe Gebühren und prognostizierte, dass die Gewerkschaften die gänzliche Streichung der Kolleggelder verlangen würden. Dabei gab es durchaus Schnittmengen bei gewerkschaftlichen und universitären Wünschen. Auf einer 1946 durchgeführten gemeinsamen Tagung in Bünde wurden Fragen eines angemessenen Stipendiensystems diskutiert. Die Gewerkschaften beklagten, dass das Abitur als einziges Zulassungskriterium die größere Durchlässigkeit des Bildungssystems verhindere und forderten die Universität als »Volksbildungsstätte«. Sie konstatierten Hochmut, Arroganz und eine »Art zünftlerischer Erstarrung«, wollten jedoch durch Veränderungen gerade das humanistische Ideal der Universität bewahren: Diese dürfe sich nicht auf praktische Zwecke ausrichten, was den Handelshochschulen, Technischen Hochschulen und landwirtschaftlichen Akademien überlassen bleiben solle. Die Universität habe sich dem ursprünglichen Charakter der universitas entkleidet, habe sich immer mehr den Fachhochschulen angeglichen und eine entsprechende studentische Klientel herangezogen: »Von wissenschaftlichem Erkenntnisdrang und dem Suchen nach Wahrheit ist bei solchen Studierenden nicht mehr die Spur vorhanden. […] Das Bildungsniveau solcher Akademiker ist dementsprechend niedrig. Die Züchtung geistiger Mittelmäßigkeit ist ein Verrat am wahren Ziel und Wesen der Universität«.311 Ein erstaunliches Plädoyer von gewerkschaftlicher Warte, das den Idealvorstellungen der Bonner Universitätsspitze recht nahe kam! Mit ihrem Beharren auf den Idealen einer abendländischen Bildungswelt hatte die Universität Bonn nicht nur bei den Gewerkschaften Mitstreiter. Diese wurden auch in der rheinischen Nachbarstadt Köln verfochten.312 Mit der Berufsausbildung sollte sich, anders als dies manche Verfechter einer »neuen Universität« vorstellten, die alma mater nicht beschäftigen. Die Universität sollte nicht in erster Linie anwendungs- und praxisbezogen arbeiten, sondern vielmehr ihren Charakter als wissenschaftliche Institution wahren – so lautete das 309 310 311 312
Vgl. George, Studieren, S. 254. Friesenhahn, Bericht 1950/51. Theunert, Universität. Heimbüchel, Universität, S. 603–614.
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mehrheitsfähige Mantra der Bonner Universität. Deutlich stand dabei das Ideal der humanistischen Gelehrtentradition im Vordergrund. Der Rückgriff auf reformpädagogische und neuhumanistische Erziehungsaufgaben, für die in Bonn Theodor Litt stand, erklärt sich nicht zuletzt aus der Erkenntnis, dass der Nationalsozialismus die Universitäten als Bildungsinstitution bedroht hatte und dem sie in ihrer Machtlosigkeit nichts hatten entgegensetzen können. Selbstkritisch und zweifelnd wurde im Rektorat jedoch zunehmend gefragt, ob es die universitas litterarum überhaupt noch gebe. In Bonn konstatierte man eine »Krisis der Universität«, die aber auch in Großbritannien und den USA erkennbar sei: »Wo immer man mit Kollegen aus dem Ausland zusammentrifft, da spürt man, dass sie von den gleichen Problemen bedrängt sind, die auch uns bewegen.«313 Auf Kritik reagierte die Universitätsspitze allerdings nervös. Im Mai 1951 erschien in der »Welt« eine Glosse, in der der Leiter der Erziehungsund Kulturabteilung bei der amerikanischen Hohen Kommission Gründe für die Missachtung dringender universitärer Probleme aufzählte: »Konservative Haltung, mangelnden Kontakt mit der Öffentlichkeit, Überspezialisierung und Mangel an Allgemeinbildung.« Er verwies auf den Bericht der von der britischen Militärregierung eingesetzten Hochschulreform-Kommission. Deren Vorschläge zur Überbrückung der Kluft zwischen Universität und Öffentlichkeit würden »in einer Art Verschwörung des Totschweigens« ignoriert. Der Verfasser schloss mit der Bemerkung: »Oder sollte man etwa im Kreise der alma mater der Ansicht sein, dass die Abkapselung von der profanen Welt die einzig richtige Antwort auf die Zeitprobleme ist?«314 Rektor Friesenhahn antwortete scharf auf die Vorwürfe. Der »wunde Punkt« betreffe zunächst nicht nur die deutschen Universitäten und es sei unzutreffend, dass man die Augen vor den Problemen verschlösse. Aber das Allheilmittel bestehe nicht darin, die Universitätsverwaltungen in einer Weise umzugestalten, dass »universitätsfremde Persönlichkeiten« darin eine maßgebende Rolle erhielten. Man könne nicht erwarten, dass Bonn die Empfehlungen der Hochschulreform-Kommission als der Weisheit letzten Schluss hinnehme. Zum wiederholten Mal verwies er auf die Autonomie des voraussetzungslosen wissenschaftlichen Arbeitens: »Auch der einsame zeitlose Forscher, der sein Leben einem abseitigen Fach gewidmet hat, gehört zu uns und darf in unserem Konzert nicht fehlen. Vielen von uns aber täte es vielleicht gut, wenn sie sich etwas mehr von der ›profanen Welt abkapseln‹ könnten, denn ich möchte geradezu sagen, dass viele von uns von den Aufgaben des Tages in 313 Chronik 1950/51, Ansprache des Rektors Prof. Dr. Ernst Friesenhahn bei der Feier zur Einweihung des wiederaufgebauten Hofgartenflügels des Universitäts-Hauptgebäudes am 30. 06. 1951. 314 »Schweigende Mehrheit«, in: Die Welt vom 18. 05. 1951.
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einer Art und Weise bedrängt werden, dass wir fast in der Gefahr sind, unsere Forschungsaufgaben nicht mehr erfüllen zu können.«315
Anders als der Göttinger Historiker Heimpel, der einen wirklichen Neuanfang vermisste,316 beharrte die Bonner Universitätsspitze auf dem Fortleben des Studium universale.317 Sie behielt langfristig Recht. Das gutgemeinte Experiment des studium generale vermittelte zwar »geistig aufregende Bildungserlebnisse«, als »Allheilmittel gegen die Unzulänglichkeiten der Spezialisten-Universität« war ihm jedoch keine Zukunft beschieden.318 Sein Scheitern bedeutete jedoch nicht, dass die Idee in Bonn wirkungslos verpufft wäre. 1951 wurde die Frage erörtert, »wie die Wissenschaft von der Politik stärker an der Universität gepflegt werden« könnte.319 Die Universitätsgremien wollten als Bonner Antwort auf die abgelehnte Idee des Studium generale einen Lehrstuhl für Politische Wissenschaften schaffen, der zukünftig »der Kern aller politischen Bildungsarbeit« sein und den Wert des Studium universale bezeugen sollte.320 Die im Senat im Januar 1956 angeregte Einrichtung zog sich jedoch noch lange hin.321 Als schließlich Karl Dietrich Bracher 1959 der erste Vertreter des neuen Faches wurde, war eine junge und zugleich bereits lebenserfahrene Gelehrtenpersönlichkeit gewonnen worden, deren Standardwerke zum Niedergang der Weimarer Republik und zum »Dritten Reich« auch im 21. Jahrhundert nichts an Aktualität verloren haben.322 Er gehörte einer neuen Professorengeneration an, die der Universität eine neue Richtung gaben, welche mit den ursprünglichen Motiven zur Schaffung des Lehrstuhls nur noch bedingt zu tun hatte.
Wachsender Reformdruck Die steigenden Studentenzahlen blieben in Bonn ein Dauerthema. Die von Friedrich Paulsen schon 1906 beobachtete »Demokratisierung der Bildung« setze sich ungebremst fort, führte »zur größten Expansion der Sekundar- und 315 Chronik 1950/51, Ansprache des Rektors Prof. Dr. Ernst Friesenhahn bei der Feier zur Einweihung des wiederaufgebauten Hofgartenflügels des Universitäts-Hauptgebäudes am 30. 06. 1951. 316 Sarkastisch bemerkte dieser, dass die Universitäten weitermachten wie bisher und verwies auf seinen Göttinger Historikerkollegen Karl Brandi, der im Wintersemester 1944 über »Mittelalter I« las und dieser Vorlesung im Wintersemester 1945/46 »Mittelalter II« folgen ließ. Vgl. Heimpel, Neubeginn, S. 23. Zur Einordnung Schulze, Neubeginn, S. 1–37, hier besonders S. 16. 317 Braun, Bericht 1955/56. 318 Krönig/Müller, Nachkriegs-Semester, S. 202. 319 Friesenhahn, Bericht 1950/51. 320 Braun, Bericht 1955/56. 321 Protokoll in: UAB, Senat 33–12. 322 Vgl. Quadbeck, Bracher.
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Hochschulen in der deutschen Bildungsgeschichte« und »warf alle Planungen über den Haufen«.323 Die immer wieder gebetsmühlenartig geäußerten Hoffnungen auf ein Ende des Ansturms mussten begraben werden, so dass an Restrukturierungen kein Weg vorbei führte.324 Die Professoren fanden immer seltener persönlichen Kontakt zu ihren Hörern. Wenn das 1948 vorgelegte »Gutachten zur Hochschulreform« in Bonn Zustimmung fand, dann in dem nachdrücklichen Hinweis auf das »schreiende Missverhältnis zwischen Dozenten- und Studentenzahl«. Ausdrücklich forderte Bonn eine »erhebliche Verstärkung des Lehrkörpers«.325 Von der Idealvorstellung, in den Seminarübungen und Praktika mit höchstens 20 Studenten zu arbeiten, war Bonn meilenweit entfernt. Dies erschien um so bedenklicher, als die Universität »über die Vermittlung von Wissen und Können hinaus auch erzieherisch und charakterbildend auf die akademische Jugend einwirken« sollte.326 Die fortwährend erhöhten »Bedarfsprognosen« korrespondierten mit dem in Bonn beobachteten Zustrom. Die Bonner Überlegungen entsprachen dem, was der britische Wissenschaftler und Schriftsteller Kingsley Amis angesichts der Ausweitung und »Demokratisierung« des Universitätssystems inzwischen prophezeite: »More will mean worse.«327 Zusätzliche Lehrstühle blieben eine Dauerforderung. Beunruhigt nahm man daher zur Kenntnis, dass der Finanzminister in seiner Haushaltsrede im Januar 1956 eine »Verstärkung des wissenschaftlichen und technischen Personals, eine Erhöhung der Lehr- und Forschungsmittel und eine Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten grundsätzlich für wichtiger« erklärt hatte als eine Vermehrung der Lehrstühle. Die Schaffung neuer Universitäten als Ausweg aus der Misere fand in Bonn zunächst keine Zustimmung. Stattdessen sollten »alle verfügbaren Mittel zur besseren Ausstattung unserer im Lande vorhandenen Hochschulen aufgewandt werden.«328 Der Zustrom von Studenten bewirkte – abgesehen von der allseits beklagten Anonymisierung – die Überfüllung von Hörsälen, Seminaren und Laboratorien, so dass die gerade neugeschaffenen Gebäude bald wieder zu klein waren. All dies zwinge dazu, so klagte Rektor Steudel 1959, »bei den traditionellen Formen des Unterrichts« zu bleiben: »Es wird ein Privileg der Universitäten mit kleinen Studentenzahlen werden, neue Methoden des Unterrichts zu entwickeln. […] Der Massenandrang derer, die von einem Studium nur Drill und fachliche Ausbildung als Voraussetzung schnellen beruflichen Aufstiegs wollen, lähmt die schönste Aufgabe der Universität, die Aufgabe, eine Elite zu 323 324 325 326 327 328
Führ, Bildungsgeschichte, S. 2. Oehler, Hochschulentwicklung, S. 414. Klauser, Bericht 1948/49. Klauser, Bericht 1949/50. Amis, Voices, S. 9. Braun, Bericht 1955/56.
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bilden, die sich durch Sachwissen und Kenntnis aller menschlicher Bezüge ihres Faches auszeichnet und bereit ist, dienende Verantwortung in ihrem Wirkungsfeld zu übernehmen.«329
Angesichts der Rückzugsgefechte, die im Zusammenhang des Zustroms von Studenten ausgetragen wurden, fürchtete die Universität Bonn, dass die Politik nun doch wieder, um die »Studentenschwemme« und die inzwischen signifikant längere Studiendauer zu regulieren, in die Universitäten hineinregieren und die mühsam errungene Autonomie gleichsam durch die Hintertür wieder kassieren würde. »Viele Sachverständige und noch mehr Unsachverständige«, so klagte Rektor Dirscherl im Jahr 1964, seien mit dieser Materie beschäftigt, häufig genug jedoch »ohne genaue Kenntnisse von der komplexen Struktur einer Hochschule.«330 Die Studienzeitverkürzung dürfe, wenn die Qualität gewahrt werden solle, keinesfalls für Fächer wie die Medizin gelten, wo die Ausbildungszeit seit langem unverändert geblieben war. Das Hauptproblem, so die Bonner Ansicht, bleibe die Überfüllung. Es erschien unverständlich, dass diese beklagt werde und man gleichzeitig überlege, »wie man es erreichen könnte, mehr Schüler auf die höheren Schulen und anschließend auf die Hochschulen zu bringen, um dem steigenden Bedarf an Akademikern gerecht zu werden.«331 Anders als noch in den 1950er Jahren, als Bonn Universitätsneugründungen abgelehnt hatte, wurde inzwischen ein vorsichtiger Kurswechsel eingeleitet. Das wirksamste Mittel, der in ministeriellen Denkschriften beklagten »Überfüllung der Hochschulen«332 zu begegnen, wurde jetzt in Neugründungen gesehen, zumal Nordrhein-Westfalen auf diesem Gebiet als führend galt. Rektor Dirscherl verwies 1964 auf die drei Jahre zuvor gegründete Universität Bochum, die 1963 zum Universitätsklinikum Essen umgewandelten Städtischen Krankenanstalten und die sich seit 1963 in der Planungsphase befindliche TH Dortmund – allerdings vergaß er nicht hinzuzufügen, dass es den Erfolg dieser Neugründungen abzuwarten gelte. Ermutigend erschien immerhin, dass die Europäische Rektorenkonferenz im September 1964 in Göttingen beschlossen hatte, an der Einheit von Lehre und Forschung als Grundlage der Universität festzuhalten: »Dies ist das alte Humboldtsche Ideal, das wir gegen Angriffe jeder Art verteidigen müssen. Unterricht und Forschung befruchten sich gegenseitig. Eine wesentliche Verkürzung der unterrichtsfreien Zeit würde zum Erliegen der Forschung an den Hochschulen führen, würde die Hochschulen zu reinen Unterrichtsanstalten degradieren.«333 329 330 331 332 333
Steudel, Bericht 1958/59. Dirscherl, Bericht 1963/64. Ebd. Vgl. hierzu Rudloff, Studienreform, S. 188. Dirscherl, Bericht 1963/64.
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Humboldt blieb also nach wie vor der gemeinsame Nenner. Darauf, dass »Wissenschaft per se bilde und zudem die beste akademische Berufsbildung darstelle, da sie Problemlösungsansätze vermittle und auf spätere, jetzt noch unabsehbare Veränderungen vorbereite«,334 konnte man sich in Bonn immer noch verständigen, selbst wenn der Universitätsalltag dem Idealbild widersprach. Der »Humboldt-Mythos in der (bundesdeutschen) Wissenschaftspolitik«335 blieb im hier betrachteten Zeitraum lebendig, obwohl selbst ein Anhänger der Untrennbarkeit von Forschung und Lehre wie Helmut Schelsky kritisch bemerkte, die Universitäten hätten diesen inzwischen »sozusagen in den Rang eines Kirchenvaters« erhoben.336
Der »Fall Petri« Die Vergangenheit wollte ansonsten nicht vergehen. 1954 fand eine Gedenkfeier für die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 statt, bei der Max Braubach an die Vorgänge im Berliner Bendlerblock erinnerte – zu einer Zeit, zu der noch fast ein Drittel aller Westdeutschen die Männer des Widerstands eher als »Verräter« denn als »Patrioten« ansah. Wenig später, am Jahresende 1955, beschäftigte den Senat der »Fall Petri« – eine Stellungnahme des Jurastudenten Klaus Petri in der Novemberausgabe des studentischen Nachrichtenblatts.337 Petri schmähte nicht nur die – von Braubach zuvor gewürdigten – Männer des Widerstands vom 20. Juli 1944, sondern verharmloste auch die Konzentrationslager : Er sei der Meinung, dass diese »trotz vieler Fehlurteile – als politische Maßnahme jedenfalls in der Anlage am Platze waren.« Der zuständige Redakteur ließ zwar dem Leserbrief eine eindeutig ablehnende Antwort folgen, der Diskussionsbeitrag wurde jedoch prominent und unredigiert auf den ersten Seiten platziert. Es entwickelte sich eine lebhafte Debatte: Ein von Petri zunächst angegriffener Autor plädierte für das Recht auf freie Meinungsäußerung: »Gewiss, ja doch, mir ist bekannt, dass sich die Weimarer Toleranz bitter gerächt hat. Ich bejahe auch einen Verfassungsschutz. Ich bin auch der Meinung, dass man Herrn Petri sehr wohl im Auge behalten sollte bei seiner ferneren Entwicklung. Aber seine Meinung, zum Donnerwetter, darf dieser Petri doch im Rahmen einer von mir herausgeforderten Diskussion sagen! Endlich ist es einmal gelungen, einen Vertreter dieser Restaurateure und Reaktionäre aus der Anonymität ins Rampenlicht der Öf334 Paletschek, Universitätsgeschichte, S. 180. 335 Bartz, Universitätsleitbilder, S. 100. Vgl. Langewiesche, Mythos; Paletschek, Erfindung; Bruch, Abschied. 336 Schelsky, Universitätsidee, S. 152. 337 Klaus Petri, »Eine Antwort an Herrn Revermann«, in: »Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 9 , 7. Jahrgang vom 20. 11. 1955, S. 1–3, Zitat S. 1.
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fentlichkeit zu luchsen. Schon will man ihn mit Staatsgewalt mundtot machen. Lasst ihn reden, lasst ihn ausreden, und versucht ihn mit Argumenten zu überzeugen.«338
Auch Alfred Grosser sprach sich dafür aus, Stimmen wie diejenige Petris zu Wort kommen zu lassen, denn es sei eine »Vogelstraußpolitik, diese doch bestehende Tendenz totzuschweigen.«339 Hierfür war allerdings das Medienecho bis hin zu ausländischen Nachrichtenbüros seit Ende November bereits zu groß geworden. Die FAZ berichtete am 2. Dezember 1955 von Ermittlungen des politischen Kommissariats des Bonner Polizeipräsidiums, das Bundesinnenministerium nahm sich ebenfalls des Falles an, Konrad Adenauer äußerte sich empört und das studentische Nachrichtenblatt wurde mit einer Flut von kritischen Leserbriefen überschwemmt. Petri ersuchte um Exmatrikulation und bedauerte in einer Erklärung seine Äußerungen. Der AStA missbilligte den Abdruck mit 13 gegen sieben Stimmen,340 beharrte jedoch darauf, man müsse im Rahmen einer studentischen Auseinandersetzung »auch extremen Einzelgängern das Wort geben«.341 Weil die Staatsanwaltschaft keinen Handlungsbedarf erkannte, sahen Universitätsrichter und Senats-Ausschuss keine rechtliche Grundlage für ein Disziplinarverfahren. Man hielt die Haltung des AStA jedoch für unangemessen und strich im Nachrichtenblatt den Zusatz »herausgegeben unter Zustimmung des Senats.«342 Als der Pulverdampf verflogen war, bot sich die Gelegenheit für eine abgewogene Rückschau: Dem Aufsatz sei zwar vielleicht zu viel Bedeutung beigemessen worden, aber es sei dennoch nötig, »in unserer heranwachsenden Jugend die Schrecken eines vergangenen Regimes lebendig zu erhalten.«343 Die Universitätsspitze wollte einer Renaissance nationalsozialistischen Gedankenguts nicht durch die Berufung auf das Recht der Meinungsfreiheit Vorschub leisten.
338 Klaus Revermann, Zehn Jahre danach: Leben wir in der Demokratie?, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 10, 7. Jahrgang vom 20. 12. 1955, S. 1–3, Zitat S. 1f.. Ursprünglicher Anlass für die Zuschrift Petris war der kulturkritische Artikel von Klaus Revermann, Zehn Jahre danach: Leben wir für die Demokratie? Eine unpopuläre Betrachtung zur bundesdeutschen Nachkriegsentwicklung, in: Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 8 , 7. Jahrgang vom 15. 10. 1955, S. 3–6. 339 Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 10, 7. Jahrgang vom 20. 12. 1955, S. 5. 340 Protokoll der ordentlichen öffentlichen AStA-Sitzung vom 06. 12. 1955, UAB AStA 81–71. 341 Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft Nr. 9 , 7. Jahrgang vom 20. 12. 1955, S. 9. 342 Protokoll in: UAB, Senat 33–11 und 33–12. Vgl. auch Protokoll der ordentlichen öffentlichen AStA-Sitzung vom 10. 01. 1956, UAB AStA 81–71. 343 Braun, Bericht 1955/56.
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Vergangenheitsbewältigung: Der »Fall Moser« Die Gründe, die seit den späten 1950er Jahren zu einer neuen Beschäftigung mit der nationalsozialistischen Zeit an der Universität Bonn führten, sind vielfältig, und dennoch mit denen vergleichbar, die für zahlreiche andere Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen gelten.344 Die erste Studentengeneration nach 1945, die »Drittes Reich« und Zweiten Weltkrieg aus eigener Erfahrung kannte, war häufig noch nationalistisch eingestellt. Sie hatte nicht gewagt, die häufig selbst erlebten Zwangslagen ihren Professoren vorzuwerfen, und sie war in erster Linie bestrebt gewesen, das Studium schnell zu absolvieren. Eineinhalb Jahrzehnte später war die Bundesrepublik hingegen bereits ein geistig und materiell gefestigter Staat, der inzwischen auch über einige grundlegende wissenschaftliche Studien über die nationalsozialistische Herrschaft verfügte, eine unerlässliche Voraussetzung für eine kritische Analyse und Selbstbefragung. Dies war in der Regel ein schmerzhafter Prozess, der kaum verheilt geglaubte Wunden wieder aufriss, zumal universitäre Personalfragen bislang als »streng zu hütende Arcana« galten.345 Für die Universität Bonn lässt sich die Genese dieses – bis in die Öffentlichkeit ausstrahlenden – Zwiespalts recht genau datieren. Der Literaturkritiker Walter Boehlich, 1947 bis 1951 Bonner Assistent von Ernst Robert Curtius, veröffentlichte in der »Zeit« im Oktober 1964 einen Artikel mit heftigen Attacken gegen den soeben gewählten Rektor, den Germanisten Hugo Moser.346 Im Zentrum standen Ausführungen, die Moser in einem 1935 veröffentlichten Artikel in »Der deutsche Erzieher«, einem Organ des NS-Lehrerbundes Württemberg-Hohenzollern, gemacht hatte, daneben Zitate aus dem von Moser mitherausgegebenen Werk »Lieder unseres Volkes«. Moser, so das Urteil Boehlichs nach der Lektüre, sei für das höchste Amt einer Universität ungeeignet.347 Hieraus erwuchs ein handfester Skandal, der sich schließlich über den Fall Moser hinaus zum »Fall Thomas Mann« ausweitete und eine Grundsatzdiskussion auslöste. Die sich attackiert fühlende Universität begann umgehend mit einer internen Nachprüfung der Angelegenheit. Die hierfür eingesetzte Kommission entlastete den Rektor. Die Vorwürfe seien anonym bereits zuvor einigen Dekanen zugespielt worden. Zudem schloss man sich der Beurteilung der Spruchkammer der 344 Zu der einsetzenden Beschäftigung an den Universitäten vgl. die Beiträge der Ringvorlesungen in Tübingen 1963/64, Berlin und München 1966: Flitner, Geistesleben; Kuhn, Universität; Abendroth, Nationalsozialismus. Zur Einordnung Lammers, Auseinandersetzungen, und die weiterführenden Literaturhinweise in Sparing/Woelk, Forschungsergebnisse, S. 16–18. 345 Hammerstein, Goethe-Universität, Bd. II, S. 422f. 346 Vgl. In memoriam Hugo Moser. 347 Walter Boehlich, Der neue Bonner Rektor, in: »Die Zeit« vom 23. 10. 1964.
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Abb. 27: Hugo Moser, Germanistik
Universität Tübingen an, die 1948 festgestellt hatte, dass Moser »nach Kräften Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistet« habe. Die Ablehnung der immer stärker werdenden Tendenz, Werte der bundesrepublikanischen Demokratie kurzerhand auf frühere Zeitepochen zurückzuprojizieren, wurde ebenso angedeutet wie das Unverständnis darüber, dass es immer schwieriger war zu vermitteln, welchen Zwangslagen auch Akademiker unter den Bedingungen einer totalitären Diktatur ausgesetzt gewesen waren. Mit den besseren Sachargumenten, aber auch einer gewissen Überheblichkeit glaubten die »Honoratioren«, es allein schon aufgrund ihrer Quellenkenntnis und ihres Erfahrungsschatzes besser zu wissen. Der inkriminierte Artikel Mosers sei, so die Kommission, nicht zu beanstanden: Die zeitbedingte Diktion gehe
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»über das Maß des damals Üblichen und zur Abwehr politischer Verdächtigungen mitunter sogar Notwendigen« nicht hinaus. Die Anschuldigungen seien entweder »völlig gegenstandslos«, »beträchtlich aufgebauscht« oder ohne nähere Kenntnis der Umstände erhoben worden. Auf einem Nebenkriegsschauplatz wehrte sich die Kommission – die von ihren Gegnern in der »Zeit«, sicherlich nicht ganz ohne Hintergedanken, als »Sonderkommission« bezeichnet wurde – gegen den von Boehlich gleichsam en passant eingeflochtenen Vorwurf, die Universität Bonn habe sich bislang nicht mit der Aberkennung der Ehrendoktorwürde Thomas Manns beschäftigt. Dieser Vorgang, so lautete die Erklärung, die unter anderem von den ehemaligen Rektoren Friesenhahn, Braubach, Schäfer und Welzel mitgetragen wurde, sei kein »Akt freier Selbstentscheidung der Fakultät und Selbstverwaltung der Universität« gewesen.348 Die Rüge fiel wohl deshalb so scharf aus, weil die Universität Bonn glaubte, gerade den »Fall Thomas Mann« besonders gründlich »aufgearbeitet« zu haben. Die Hintergründe des beschämenden Vorgangs des Jahres 1936 werden an anderer Stelle geschildert. Aber der Verwaltungsrat hatte sich tatsächlich bereits am 7. Juni 1945 mit dem Thema Thomas Mann beschäftigt. War es angemessen, so lautete die heikle Frage, dem Nobelpreisträger zu dessen 70. Geburtstag zu gratulieren? Ein schon vorbereiteter »Glückwunsch« wurde nicht abgeschickt und vielmehr »eine Klarstellung und Regelung des Dr.-Problems zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht« genommen. Thomas Mann hatte dann am 28. Januar 1947 seine Ehrendoktorwürde mit einem ausführlichen Dankschreiben an die Philosophische Fakultät wieder angenommen. Boehlich, so lautete das Fazit der Kommission, habe schlampig recherchiert, denn viele Frage, die er aufgeworfen habe, seien längst aufgeklärt. Boehlich replizierte in der »Zeit« vom 6. November 1964 und verwahrte sich gegen den Vorwurf, »nicht verantwortungsbewusst« vorgegangen zu sein, verwies hilfsweise auf die Diktion in neueren Veröffentlichungen Mosers und fragte, ob die Gremien der Universität zur Ideologiekritik unfähig seien: »Hat keines ihrer Mitglieder bemerkt, welches Geschichtsbild sie verraten?« Er habe nicht dagegen protestiert, dass Moser habilitiert worden sei, »sondern dass er zum Rektor gewählt worden ist. Das scheint mir ein Unterschied.« Moser wüsste besser als jeder andere, wozu er unter Hitler seinen Namen hergegeben habe: »Niemand hat ihn in seiner Tätigkeit gestört, solange er Professor war, aber er musste damit rechnen, dass man sich seiner Vergangenheit erinnern würde, sobald er das höchste Amt einer Universität annahm. Das war sein persönliches Risiko. […] Der Streit um den Bonner Rektor hat noch einen anderen Aspekt. Er wird geführt zwischen einem einzelnen und einer Institution. […] Weil die Gesellschaft versagt hat, gibt es bei 348 Die Erklärung ist abgedruckt unter dem Titel »Grundlos« in der »Zeit« vom 06. 11. 1964.
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uns angebliche Verleumder, Störenfriede, Anschuldiger. Sie stehen fast immer außerhalb der Institutionen, gehören den Institutionen kaum je selbst an. Das ist sehr deutsch, aber es ist unheilvoll. Auch in Bonn dürfte es Ordinarien geben, die die Wahl Hugo Mosers, die Erklärung der Universität Bonn und die Stellungnahme der Sonderkommission nicht billigen, aber sie schweigen, Gefangene einer Institution, die sich selbst aufgegeben hat und auf eine Zukunft hofft, die durch ihr Verschulden nicht kommt.«349
Die Annahme Boehlichs, er stehe ganz allein, traf nicht zu, denn nun stellte sich heraus, dass die Kommissionsmeinung keineswegs communis opinio war. Der sich hieraus entwickelnde vielschichtige Konflikt machte eine einvernehmliche Lösung schwierig, wenn nicht unmöglich. Die Ära Adenauer, deren Ende manche herbeigesehnt hatten, war inzwischen Vergangenheit. Diejenigen, die das »Dritte Reich« erlebt hatten, standen jetzt bisweilen in einer gemeinsamen Linie mit denen, die das »Dritte Reich« erlitten hatten; es stand zugleich eine neue Generation von Universitätslehrern gegen die etablierte ältere Kohorte von Ordinarien. In Bonn, wo man sich viel darauf zugutegehalten hatte, anständiger als andere auf die Herausforderungen des »Dritten Reiches« reagiert zu haben, ließ sich der aufkommende Widerspruch nicht mehr kanalisieren – die Vehemenz, mit der sich der überwiegende Teil von Senat und Fakultäten um den angegriffenen Rektor scharte, hatte daher auch mit dem bisherigen Selbstverständnis zu tun. Die rheinisch-konservative, geradezu »katholisch-abendländische Gesinnung« formierte sich gegen eine Richtung, die kulturprotestantisch und vereinzelt sozialdemokratisch dachte.350 Kommission und Universitätsmehrheit stützten sich auf Recherchen und Erkenntnisse des Historikers Paul Egon Hübinger, der als späte Frucht der Auseinandersetzung, als sich »der Pulverdampf der Fakultätskämpfe verzogen hatte«,351 eine umfassende und grundlegende Studie zum »Fall Thomas Mann« vorlegte.352 Hübinger, der nicht auf der Seite der »braunen Revolution« gestanden hatte, kritisierte jene, die – gleichsam aus dem bequemen Lehnstuhl im Elfenbeinturm heraus – glaubten, als moralische Instanz Verdammungsurteile auszusprechen zu dürfen. Während die Kommission die Angelegenheit von streng wissenschaftlicher und quellenorientierter Warte beurteilte, stellte die Gegenseite eher moralisch-politische Aspekte in den Vordergrund. Diese von der Tendenz her jüngeren Hochschullehrer waren weniger bereit, das zu akzeptieren, was den Miterlebenden oft als 349 350 351 352
Walter Boehlich, Antwort, in: »Die Zeit« vom 06. 11. 1964. Pape, Skalweit, S. 134. Ebd., S. 135. Hübinger, Thomas Mann. Vgl. auch Matthias Pape, Thomas Mann und der Fall der Universität Bonn, in: FAZ vom 15. 12. 2007; einige Aspekte auch in Rossade, von Wiese, S. 125–128 sowie die Sonderausgabe 1964 von »akut. Das Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft«.
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das »Diabolische« der Zeit von 1933 bis 1945 erschienen war. Während die Kommission der Ansicht war, eigentlich sei alles zu Hitler längst gesagt, waren ihre Opponenten ganz anderer Ansicht. Eine gewisse Professoreneitelkeit und Übellaunigkeit, bisweilen auch die Missgunst, die dem akademischen Milieu seit jeher nicht fremd sind, verschärften den Konflikt noch. In manchen Kommentaren wurden bereits die schnellen und eindimensionalen Urteile der 1968er-Zeit sichtbar, wenn auch der pauschale »Faschismus-Verdacht« fehlte, unter den kurze Zeit später eine ganze Generation der Universitätslehrer gestellt wurde. Das wechselseitige Unverständnis und die Sprachlosigkeit, die das Signum des »Falls Moser« war, trug dazu bei, die Wertewelt der bisherigen Ordinarienuniversität immer stärker in Frage zu stellen. Der Romanist Harri Meier353 hegte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vertrauenserklärung für Moser, zunächst in einem Leserbrief im »Bonner GeneralAnzeiger« und anschließend in der »Zeit«.354 Weil an der Bonner Erklärung, so lautete sein Vorwurf, die beschlussfähigen verfassungsmäßigen Organe der Universität nicht mitgewirkt hatten, sei sie nicht verbindlich: Der Verweis auf die »zeitbedingte Diktion« öffne »der Exkulpierung aller möglichen intellektuellen Vergehen von Wissenschaftlern in der Nazizeit Tür und Tor«. Dies werde denjenigen Kollegen nicht gerecht, die nach 1933 emigrieren mussten und nun »im Vertrauen auf eine klare Distanzierung der heutigen deutschen Universität von der Zeit vor 1945« zurückgekehrt seien. Die Exkulpation sei gerade in Bonn nicht angebracht, »wenn wir mit akademischen Veranstaltungen etwa über den Widerstand gegen Hitler, über den 20. Juli oder mit einer Vortragsreihe über das Deutschtum in Brasilien, wie sie unser Romanisches Seminar im vergangenen Semester mit einem Toulouser Gastprofessor durchgeführt hat, nicht unglaubwürdig werden wollen.« Der Senat verabschiedete Mitte November nach einer Sondersitzung eine Kompromisserklärung: Wie alle anderen Institutionen sei auch die Universität Bonn und die Mehrzahl der älteren Mitglieder ihres Lehrkörpers in die Verhältnisse zwischen 1933 und 1945 »auf verschiedene Weise verstrickt gewesen«, man sei daher bereit, sich begründeter öffentlicher Kritik zu stellen. Eine Ehrenerklärung für Moser wurde mit dem Hinweis verwoben, dass nichts von dem, was geschehen war oder unterlassen wurde, »beschönigt oder vertuscht, verschwiegen oder gar abgestritten« werden solle.355 Die Debatte wurde ins Grundsätzliche überführt. Der streitbare Germanist Richard Alewyn legte nach: »Wieder einmal ist es geschehen, dass eine deutsche Universität, von einem grellen Scheinwerfer getroffen, sich indigniert abwandte 353 In memoriam Harri Meier. 354 General-Anzeiger (Bonn) vom 31. 10. 1964; Die Zeit vom 06. 11. 1964. 355 Protokoll in: UAB, Senat 33–20.
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und, als sie die Augen wieder öffnete, sich im Zwielicht befand.« Der relativ harmlose »Fall Moser« sei unversehens zu einem ungleich ernsteren »Fall Universität Bonn« geworden: »Und es ging in Wahrheit nicht mehr um die politische Haltung der Universität in der Vergangenheit, sondern um ihre Glaubwürdigkeit heute.« Erst durch die Kompromisserklärung, der die meisten »Dissidenten« zustimmen konnten, sei der Konflikt entschärft: »Zurückgeblieben ist auf allen Seiten ein Unbehagen, das sich nicht so schnell beschwichtigen lassen wird. Musste das sein? Wie konnte es überhaupt so weit kommen? […] Warum musste erst das Ansehen, nicht nur des Rektors sondern der ganzen Universität, Schaden nehmen? Ist nicht doch etwas daran, hört man sagen, dass unter ihrem schwarz rot goldenen Mäntelchen die deutsche Universität so braun ist wie je? […] Dem Außenstehenden ist nicht zu verübeln, wenn er Unrat wittert.«
Es gebe, auch wenn »dieser oder jener seine Diktion noch nicht von dem einmal angelernten Jargon gesäubert« habe, keinen Zweifel, dass die Universität Bonn von ihrer Vergangenheit abgerückt sei: »Da sind diejenigen, die selbst etwas zu verbergen haben, woran sie sich ungern erinnert sehen. Da sind diejenigen, die zwar ihre kompromittierte Vergangenheit nicht ableugnen, aber eben darum sich nicht befugt fühlen, einen Stein auf einen anderen zu werfen. Da sind diejenigen, die sich zwar selbst nichts vorzuwerfen haben, die sich aber aus Großmut vor die Belasteten stellen zu müssen glauben. Da sind diejenigen, die sich zwar selbst nichts vorzuwerfen gehören, die aber den Vorwurf unsachlicher Motive scheuen. Da sind diejenigen, die meinen, es sei unter der Würde der Universität, auf Attacken zu reagieren, besonders, wenn sie ›von der Gasse‹ kommen. Da sind diejenigen, die […] glauben, die Korporation nach außen gegen Vorwürfe schützen zu müssen, auch wo sie diese unter vier Augen als berechtigt anerkennen. Da sind diejenigen, die um ihre persönliche Position oder die einer Gruppierung bangen. Und da sind schließlich die nichts als Ungeschickten oder Friedfertigen. Keines dieser Motive ist ein eigentlich politisches, manche sind ehrenwert, viele sind menschlich verständlich, alle sind sie beunruhigend.356
Infrastruktur Der Wiederaufbau In der deutschen »Trümmergesellschaft« mussten, um einen geregelten Universitätsbetrieb zu ermöglichen, zunächst einmal die zerstörten Bauwerke wieder instand gesetzt werden. In Aachen waren fast 70 Prozent der Gebäude unbenutzbar, in Münster und Bonn traf dies auf etwa zwei Drittel der Hörsäle 356 »Die Universität Bonn und ihr neuer Rektor«, in: »Die Zeit« vom 27. 11. 1964.
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und Seminarräume zu. Vor allem die Suche nach geeigneten Hörsälen gestaltete sich schwierig, so dass anfangs manche Veranstaltungen »privatissime« in den kargen Räumlichkeiten der Dozenten stattfanden. Dass der Althistoriker Friedrich Oertel die von ihm gemietete ehemalige Fabrikantenvilla für Veranstaltungen zur Verfügung stellte, war ein Ausnahmefall. So luxuriös wie in diesen liebevoll »Die Vereinigten Oertel-Werke« genannten Räumlichkeiten war es sonst nirgends.357 Heinrich Lützeler, der ebenfalls seine eigene Wohnung zur Verfügung stellte, war als Mitglied der »Bau- und Grundstückskommission« ein Glücksfall für den Wiederaufbau. In kongenialer Zusammenarbeit mit dem mittels eines Privatvertrags engagierten Baurat Bernhard Gelderblom, der über eine jahrzehntelange Erfahrung in der Verwaltung der Bonner Universitätsliegenschaften verfügte, ermöglichte der Kunsthistoriker Bauvorhaben, die manchem Planungsideologen die Haare zu Berge stehen ließen, aber als »rheinische Lösungen« für unbürokratische Abhilfe sorgten. Während die Anliegen der Naturwissenschaftlichen Fakultät vorerst zurückgestellt wurden, wurde der Bau neuer Kliniken mit Nachdruck betrieben. Schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Einigkeit darüber bestanden, dass Neubauten für die veralteten Klinikgebäude dringend erforderlich waren. Nach der Freigabe des Geländes der ehemaligen Flakkaserne auf dem Venusberg durch die Besatzungsmacht überwies die Landesregierung der Universität die notwendigen Gelder. Zunächst wurden die medizinische und die chirurgische Klinik auf den Venusberg verlegt und nahmen im November 1946 den Betrieb auf, während Poliklinik, Zahn- und Kinderklinik »im Tal« blieben.358 Im November 1949 wurden das Tuberkulosekrankenhaus und die Chirurgische Klinik samt einer Reihe von Nebengebäuden bezogen. Im Februar 1950 war der erste Abschnitt der Kinderklinik an der Koblenzer Straße bezugsfertig. Dramatisch war die Situation beim stark zerstörten Hauptgebäude. Erst 1949 wurde hier der Wiederaufbau des Hörsaals X, des Nordostturms und des anschließenden Teiles des Nordflügels abgeschlossen, während der Flügel zwischen Nordostturm und Schlosskirche sowie der Trakt zwischen Südostturm und Stockentor noch im Rohbau waren. Die Ruine der großen Aula wurde mit einem Dach versehen und der Wiederaufbau des Hofgartenflügels eingeleitet. 1950 konnten Rektorat und Hauptverwaltung ihre Notquartiere räumen und in den Flügel am Stockentor einziehen, der den Übergang vom Hauptquadrum zum Rheinflügel bildet. Das Obergeschoss mit Rektorat war jetzt über eine am Stockentor ansetzende neue Treppe zugänglich. Das Rektorzimmer war repräsentativ an der Ecke des Querflügels gelegen; durch seine Fenster schaute man südwärts auf den Hofgarten, westwärts auf den großen Hofgartenflügel des 357 Van Rey, Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 40. 358 Vgl. Steudel, Universitäts-Poliklinik, S. 30.
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Abb. 28: Der eingerüstete Südost-Turm des Hauptgebäudes, 1950
Schlosses und auf den Kreuzberg. Die Zweige der Verwaltung mit starkem Publikumsverkehr erhielten Räume im Erdgeschoss zugewiesen. Die wiederhergestellte große Treppe beim Südostturm schuf eine Verbindung zur kleinen Aula im zweiten Turmgeschoß. Weil beim Bombardement 1944 die Innendekoration zerstört worden war, stellten die staatliche Denkmalverwaltung und das Bonner Landesmuseum Bilder als Leihgabe zur Verfügung. Der Trakt zwischen den beiden Osttürmen des Schlosses war bald bis auf die Schlosskapelle wiederhergestellt und der Hofgartenflügel 1951 vollendet. Auf die Wiederaufbringung der 1777 zerstörten Attika, für die sich der Provinzialkonservator Graf WolffMetternich nachdrücklich einsetzte, wurde aus Kostengründen verzichtet. Der Teil des Rheinflügels unmittelbar neben dem Stockentor wurde 1951 bezogen. Während der anschließende Abschnitt zu beiden Seiten des Koblenzer Tores zunächst noch in seinem ruinenhaften Zustand belassen werden musste, wurde der Alte Zoll nach Beseitigung der Umfriedigungen völlig erneuert. Das wider-
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aufgebaute Lenn8haus zwischen Altem Zoll und Rheinflügel fungierte als »Kanzlerwohnung«. Für die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät gab es jahrelang nur Provisorien. Als vorteilhaftester Übergangsstandort wurden 1945 zwei Etagen im Otto-Kühne-Pädagogium in Bad Godesberg auserkoren. Die »Villa Leser« wiederum diente als Bibliothek und nahm zudem die Abteilung Strafvollzug, Internationales Recht sowie das Prüfungsamt auf. Ab dem Sommersemester 1951 war das unerfreuliche Exil in Bad Godesberg beendet und die Juristen bezogen wieder den Hofgartenflügel des Hauptgebäudes.359 Die Wiederherstellung des Poppelsdorfer Schlosses stellte ein architektonisches Problem dar. Der Raumbedarf des dortigen Mineralogischen und Zoologischen Instituts führte zu Forderungen, den Ostflügel durch Aufstockung zu vergrößern. Einige Sachverständige waren der Meinung, jede Erhöhung der Bauglieder zwischen den Pavillons werde den Rhythmus der Fassade zerstören. Andere hielten ein Mansarddach für baugeschichtlich und ästhetisch unbedenklich. Nach gründlichen Überlegungen entschied man sich für die Mansardenlösung – Anlass genug für den Rektor, Kritik zurückweisen: »Es wird manchmal mit dem leisen Ton des Vorwurfs von dem vielen Geld gesprochen, dass das Land für den Wiederaufbau der Hochschulen und vor allem für Bonn eingesetzt habe. Hat man dabei vergessen, welches Geld Rüstungen verschlingen und was allein ein Panzer kostet? Um wieviel segensreicher ist es doch für unser Volk und für die Menschheit, Geld für die Wissenschaft zu investieren!«360 Während das Mineralogische Institut und das Zoologische Institut 1952 einziehen konnten, blieb der Trakt an der Poppelsdorfer Seite vorerst eine Baustelle. Die kranken Ulmen auf dem Schlossvorplatz wurden gefällt. Dadurch konnte der Platz völlig neu gestaltet werden, ohne die Schlossfassade durch Baumreihen zu verdecken. Die Wiederherstellung des Physiologischen und des PhysiologischChemischen Instituts in der Nussallee wurde 1950 abgeschlossen.361 Am 30. Juni 1951 wurde der Hofgartenflügel des Hauptgebäudes in Anwesenheit von Bundespräsident Theodor Heuss und Kultusministerin Christine Teusch feierlich eingeweiht – mit dieser symbolischen Handlung wurde gleichsam der bauliche Wiederaufbau abgeschlossen. Die »vier Türme der Universität« prägten fortan wieder das Stadtbild: »Rathaus, Münsterkirche und Schloss stehen im Mittelpunkt der Stadt, bilden die Herzkammer, durch die das Blut dieser Stadt pulst und sie versinnbildlichen zugleich den Dreiklang von Bürgerschaft, Religion und Wissenschaft. »362 359 360 361 362
Vgl. auch Kleinheyer, Fakultät, S. 245–252, bes. S. 245f. Friesenhahn, Bericht 1950/51. Klauser, Bericht 1949/50. Chronik 1950/51, Ansprache des Rektors Prof. Dr. Ernst Friesenhahn bei der Feier zur
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Das Ende der baulichen Provisorien Im Hauptgebäude standen 1951 acht weitere dringend benötigte Hörsäle zur Verfügung. Beim Wiederaufbau des westlichen Koblenzer Tor-Flügels wurde im Erdgeschoß ein weiterer Hörsaal mit 420 Plätzen eingebaut und im Obergeschoß Institute und Seminare untergebracht. Auch das Romanische und das Germanistische Seminar bezogen ihre Räumlichkeiten. Die Kriegsschäden des Akademischen Kunstmuseums waren inzwischen beseitigt. 1955 wurden weitere Grundstücke in der Nähe des Universitätshauptgebäudes erworben, nachdem sich Stadt und Universität als »konkurrierende Partner« friedlich geeinigt hatten. Die Stadtverwaltung hatte eigene Verkehrspläne, die dem Interesse der Universität entgegenstanden, denn die innerstädtischen Universitätseinrichtungen bildeten bekanntlich einen langen Querriegel, der sich an der Südseite der Altstadt vom Venusberg bis zum Rhein hinzog. Die Universität wandte sich 1950 vor allem gegen den Plan, eine neue OberleitungsBuslinie direkt am Universitätshauptgebäude vorbeizuführen und konnte dies verhindern.363 Beim Wiederaufbau des Ostflügels floss hingegen ein Wermutstropfen: Nach langen Auseinandersetzungen musste die Einwilligung zu einer zweiten Wagendurchfahrt neben dem Koblenzer Tor gegeben werden, um dem Bonner Verkehrsinfarkt zu entgehen. Der Schritt fiel schwer, wie der Rektor 1955 ausführte: »Trotzdem wird der Liebhaber des Koblenzer Tores, das doch einer der nicht sehr zahlreichen architektonischen Edelsteine der Stadt Bonn ist, mit uns bedauern, dass das Tor nicht unangetastet bleiben konnte; man wird mit uns hoffen, dass die Öffnung nach Schaffung besserer Durchgangsstraßen bald wieder geschlossen werden kann.«364
Im Frühjahr 1953 bezog das Historische Seminar die bisherigen Räume des Kunsthistorischen Instituts, das bereits in den Kaiserplatzflügel umgezogen war. Ins Erdgeschoß zogen dort das Englische Seminar und die Studentenbücherei, die lange Jahre notdürftig außerhalb der Universität untergebracht worden war. Nun waren auch die neugeschaffenen Innenhöfe des Hauptgebäudes nutzbar. Außerdem standen mit dem Hörsaal I jetzt 360 weitere dringend benötigte Plätze zur Verfügung. Anfang 1955 wurden im Hauptgebäude neben zwei großen Hörsälen die Räume des Instituts für Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften neu bezogen. Im Ostflügel erhielten die bisher ziemlich stiefmütterlich behandelten »Leibesübungen« ein vorläufiges Domizil. Die Wiederherstellung der Schlosskirche ließ hingegen noch lange auf sich Einweihung des wiederaufgebauten Hofgartenflügels des Universitäts-Hauptgebäudes am 30. 06. 1951. 363 Klauser, Bericht 1949/50. 364 Braun, Bericht 1955/56. Vgl. Knopp, Koblenzer Tor.
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warten. Differenzen zwischen der Fakultät und den Evangelischen Gemeinden über das Nutznießungsrecht für die Schlosskirche wurden zudem erst Anfang 1957 durch einen Kompromiss beigelegt. Im Juni 1957 wurde der erste Gottesdienst in der wiederhergestellten Kirche gehalten. Auf eine 1952 erfolgte Initiative des Rektors hin hatte die Landesregierung gleichzeitig mit der Bereitstellung der Mittel für die Wiederherstellung der Schlosskirche im Haushaltsplan auch Mittel für die Wiederherstellung der staatseigenen, ehemals dem Jesuitenorden gehörenden Namen-Jesu-Kirche in der Bonngasse vorgesehen. Damit stand der Katholisch-Theologischen Fakultät ein »dem Staate gehörigen und deshalb von der wechselnden Gunst von Pfarrern und Kirchenvorständen unabhängiger Raum für ihre Gottesdienste« zur Verfügung.365 Seit dem Jahre 1828 hatte sich die Fakultät bei den preußischen Regierungen wiederholt vergeblich darum bemüht. Auch in Poppelsdorf ging es voran, zumal die Universität 1955 ein »Kerngrundstück« in Endenich erwarb. Das Botanische Institut zog in den rückwärtigen Anbau an der Nussallee ein. 1955/56 wurden schließlich nicht weniger als neun Institutsneubauten fertiggestellt beziehungsweise eingeweiht: das Institut für Angewandte Mathematik, das Pharmakognostische Institut, das Institut für Tierzucht und Tierfütterung, das Institut für Agrarpolitik und Marktforschung, das Gebäude für Physikalische Chemie, theoretische Physik und Mathematik, zudem der Neubau des 1951 gegründeten Instituts für Obstbaukunde, die Neurochirurgische Klinik und das Pharmazeutische Institut. Ebenfalls eingeweiht wurde der Neubau des »Astropeilers« auf dem Stockert bei Bad Münstereifel und das Observatorium der Sternwarte auf dem Hohen List bei Daun in der Eifel. Das Institut für Röntgenforschung kehrte 1955 von Mülheim an der Ruhr nach Bonn zurück und erhielt im Gebäude der neuen Augenklinik eine provisorische Unterkunft. Das seit 1954 geplante Institut für Strahlen- und Kernphysik sollte zudem der Universität ermöglichen, »an diesem neuen schwerwiegenden Problem mitzuarbeiten.«366 Im Mai 1957 wurde ihm ein Synchro-Zyklotron übergeben, der erste Teilchenbeschleuniger seiner Art in der Bundesrepublik. Auf dem Venusberg wurde 1952 mit dem Bau der Augenklinik auf dem ehemaligen Exerzierplatz begonnen und das Pathologische Institut wurde im Anschluss an das Hygiene-Institut 1954 bezugsfertig. Nicht anders war es bei der Frauenklinik. 1954 wurde ein Schwesternhaus bezogen, ebenso die Hals-NasenOhren-Klinik mit einem Hörsaal, der auch der Augenklinik diente. Umbauarbeiten für das Medizinisch-Historische Institut und ein Institut für Neuropa-
365 Schäfer, Bericht 1956/57. 366 Helferich, Bericht 1954/55.
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thologie erfolgten ebenso wie der Neubau der Hautklinik auf dem Venusberg, die Ende 1955 bezogen wurde. Das fast 100 Jahre alte Chemische Institut benötigte Ende der 1950er Jahre dringend neue Laboratorien. Die Chirurgische Klinik wurde mit einem Hangflügel und im Südflügel erweitert. Die Zahnklinik war bekanntlich 1946 zunächst in gemieteten Häusern an der Koblenzer Straße untergekommen und ein Neubau seit mehreren Jahren in Planung. Diese neue Zahnpoliklinik an der heutigen Welschnonnenstraße war 1959 bezugsfertig und richtete auf ihrem Gelände auch ein Schwesternhaus ein. Im gleichen Jahr wurde am Stiftsplatz der Grundstein für das Institut für Gerichtliche Medizin gelegt. Im Jahr 1960 begannen die Planungen für das damals noch als »sogenanntes« Juridicum bezeichnete Gebäude für alle Disziplinen der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät.367 An der Koblenzer Straße wurde dort, wo bisher das Familienministerium seinen Sitz gehabt hatte, 1959 ein Hausgrundstück erworben, in den folgenden Monaten zur Arrondierung des Baugeländes weitere Grundstücke zwischen Koblenzer- und Lenn8straße, besonders das »Haus Baden«. Die Grundsteinlegung erfolgte im Oktober 1963; man ging zwar zunächst zuversichtlich davon aus, es im Sommer 1966 beziehen zu können, aber daraus wurde schließlich doch erst der November 1967.368 Im Jahr 1962 wurden die Neubauten des 1950 gegründeten Instituts für Photogrammetrie an der Nussallee fertiggestellt und weitere dringende Neubauten begonnen. Dazu gehörten das Infektionshaus der Kinderklinik, das Institut für Geodäsie und – als erster Institutsbau auf dem Immenburggelände – das Institut für Parasitologie. Sorgen bereitete noch geraume Zeit die räumliche Situation der Landwirtschaftlichen Fakultät, weil mit der »Verpflanzung« ihrer Institute in neue Gebäude logistische Probleme entstanden waren. Diese waren gelindert, als das Land Nordrhein-Westfalen der Fakultät 1961 die letzte ehemalige preußische Domäne Klein-Altendorf bei Meckenheim mit 125 Hektar Nutzfläche übereignete.
Die Universitätsbibliothek Ein Dauerbrenner blieb die Situation der Universitätsbibliothek, deren Bestände im Ostflügel des Hauptgebäudes untergebracht und im Krieg in alle Winde 367 Siehe hierzu näher den Beitrag von Mathias Schmoeckel im Kapitel zur Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Band 3 dieser Festschrift. 368 Plöger, Juridicum; dies., Funktionalität.
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verstreut worden waren.369 Mitte April 1945 wurden die Auslagerungsorte besichtigt und eine Bestandsaufnahme gemacht. Der umfangreichste Bestand, darunter wertvolle Drucke, Handschriften und Inkunabeln, war im Hotel »Start und Ziel« am Nürburgring deponiert, weitere, zum Teil beschädigte Bücher in angemieteten Landhäusern in der Eifel. Im Mai 1945 erhielt die Militärregierung einen detaillierten Plan zur »Rückführung, Sicherung und Aufstellung der Bücher.«370 Als vorübergehendes Quartier wurde der sogenannte »Gronau-Bunker« an der Görresstraße ausgewählt. Die Rückführung aus der Eifel war nicht einfach, denn die Fuhrunternehmer befürchteten die Beschlagnahme ihrer Möbelwagen. Erst eine Intervention des Rektors erwirkte ein französisches LaissezPasser. Bis zum Herbst 1947 waren alle geretteten Bestände wieder in Bonn.371 Die Studenten verfügten bereits seit der Wiedereröffnung über 60 provisorische Arbeitsplätze in der unversehrt gebliebenen Landwirtschaftlichen Abteilung in Poppelsdorf. Trotz des Mangels an Magazinfläche standen 130.000 Bände für Lehrzwecke zur Verfügung. Die Bibliotheksverwaltung räumte im September 1949 ihre Notunterkünfte in den Gebäuden der Landwirtschaftlichen Fakultät und bezog behelfsmäßig das Gebäude der ehemaligen Filiale des A. Schaafhausenschen Bankvereins gegenüber dem Hauptgebäude. Neubaupläne für eine zentrale Universitätsbibliothek gab es seit 1950, deren Entwürfe sich bald auf das Territorium an der Koblenzer Straße, der heutigen Adenauerallee, in der Höhe der »Lese« konzentrierten. Allerdings blieben die Planungen bis 1955 nur auf dem Reißbrett, was der Rektor als »katastrophal« bezeichnete.372 Am 6. März 1957 begannen die Ausschachtungsarbeiten für den Neubau am Rheinufer neben dem Beethovengymnasium. Danach ging der von dem deutsch-französischen Architektenteam Fritz Bornemann und Pierre Vago im Stil der Nachkriegsmoderne entworfene Bau zügig voran, bis 1960 das neue Gebäude eingeweiht werden konnte.373 ***
Es ist aus gutem Grund aus der Mode gekommen, »Erfolgsgeschichten« zu schreiben und selbst Jubiläumsschriften sehen inzwischen davon ab, die zu Ehrenden, seien es Personen, Privatunternehmen oder öffentlich-rechtliche Institutionen, über den grünen Klee zu loben. Die Geschichte der Universität Bonn in den Jahren von 1945 bis 1965 darf dennoch eine Erfolgsgeschichte genannt werden. Der Aufstieg aus Ruinen, die gelungene Behauptung der 369 Vgl. Herkenhoff, Wiederaufbau; Schürfeld, Universitätsbibliothek; Mummendey, Bibliothekare; Vogt, Geschichte. 370 Herkenhoff, Wiederaufbau, S. 326. 371 Ebd., S. 327f. 372 Helferich, Bericht 1954/55. 373 Vgl. Burr, Neubau; Schürfeld, Universitätsbibliothek; Vogt, Geschichte.
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Abb. 29: Der Neubau des Gebäudes der Bonner Universitätsbibliothek
Selbstverwaltung und politischen Autonomie, das Wiederaufblühen von Forschung und Lehre, selbst die beängstigende Expansion, die an der Zahl der Studenten wie an der Menge der zu verwaltenden Gebäude und Liegenschaften abzulesen war – dies waren Indizien dafür, dass die Universität Bonn sich in den ersten 20 Jahren der wiedergefundenen Demokratie selbstbewusst entwickeln konnte. Natürlich, auch hier gab es die überall anzutreffende »Krisenrhetorik«374 als Reaktion auf überfüllte Seminare und bürokratische Zumutungen sowie eine gesellschaftliche Entwicklung, in der das Studium nicht mehr als ein Privileg, sondern als ein Recht empfunden wurde, mit allen Konsequenzen, die dies für eine Universität haben musste. Aber diese Herausforderungen wurden gemeistert. Es war eine Universität, die – vor allem im Rückblick – sicherlich in manchem antiquiert erscheint, aber durch eine intensive Zusammenarbeit von Professoren und Studenten gekennzeichnet war. Und es war eine Universität, die – im besten Sinn des Wortes – noch in sich ruhte, die nicht geradezu besinnungslos von einer Reform zur nächsten gehetzt wurde. Zu den zentralen Aufgaben des Historikers gehört die Kritik, und er darf irgendwelchen »Erfolgsgeschichten« nicht ohne Überprüfung der Quellen und Literatur glauben. Aber nach Jahren unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen verstand sich die Universität Bonn als Teil der bundesdeutschen Wis374 Paletschek, Universitätsgeschichte, S. 184.
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sensgemeinschaft und betrieb im Selbstverständnis von »Einsamkeit und Freiheit«375 Forschung und Lehre als ihr Lebensprinzip. Letztlich war die Universität Bonn im Zeitraum zwischen 1945 und den frühen 1960er Jahren in der Lage, sich aus eigener Kraft heraus selbst zu reorganisieren. Der universitären Lehre und Forschung war ein Erfolg beschieden, der im wahrsten Sinne des Wortes außerordentlich war. Nach der ideologischen Katastrophe des »Dritten Reiches« und den dramatischen mentalen und materiellen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges gelang es in kurzer Zeit, ein funktionierendes Universitätssystem wiederherzustellen, das auf der Grundlage der Freiheit der Wissenschaft agierte und seinen Anteil am geistigen und wirtschaftlichen Erfolg der Demokratie in der Bundesrepublik hatte. Dieser Erfolg war möglich, weil die Universität in ihrer Gesamtstruktur gerade nicht radikal verändert wurde, sondern sich am Bewährten orientierte. Die später so oft gescholtene »Ordinarienuniversität« wurde, trotz aller Unvollkommenheiten und Veränderungsbedürftigkeit, noch als unverzichtbar geschätzt. Wachsende Studentenzahlen waren Ausdruck dieses Erfolgs und stellten die Universität gleichzeitig vor eine Herausforderung, der sie nicht alleine Herr werden konnte. Es waren schließlich Bund und Länder, die die Rahmenbedingungen wieder änderten und mit dem Hochschulrahmengesetz und dem System der »Gruppenuniversität« in den 1970er Jahren umstrittene und instabile Konstruktionen schufen, die schon nach kürzester Zeit erneut reformbedürftig waren.
375 Schelsky, Einsamkeit.
Christian Hillgruber
Studentenproteste und Hochschulreform (1965–1991)
Die Zeit der permanenten Hochschulreform Die 1960er Jahre: Bildungsreform und Studentenbewegung Die Bildungsreformdebatte an der Bonner Universität Der »Fall Ruff« Reformforderungen der Studentenschaft Eskalation in der Frage des allgemeinpolitischen Mandats Die Frage der studentischen Mitwirkung in der akademischen Selbstverwaltung Politisierung und Radikalisierung Die Studentenproteste des Jahres 1968 Die gescheiterte Reform des Disziplinarrechts Die Haltung der Studentenschaft – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Die Verfassungsreform von 1968 Der Beginn der Hochschulreformzeit Das neue Hochschulrecht Das Scheitern des Verfassungsprojekts 1972 Die Amtsführung zweier Rektoren zu Beginn der 1970er Jahre im Vergleich Der Kampf um die Strukturreformen Die neue Lage nach dem Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts 1973 und der Weg zum neuen nordrhein-westfälischen Hochschulrecht 1980 Die Integration der Abteilung Bonn der pädagogischen Hochschule in die Universität Die Fortsetzung der »negativen Hochschulpolitik« (1980–1986) Die lange letzte Etappe auf dem Weg zur Universitätsverfassung (1984–1991) Die permanente Studienreform in den 1970er Jahren Studentenboom und Sparzwänge: Probleme der Massenuniversität Studenten Die soziale Lage der Studenten Formen studentischen Protests nach 1968: Vorlesungssprengungen, Sachbeschädigung, Hausbesetzungen Der Streit um die Nutzung der Hofgartenwiese Universitäre Infrastruktur in Zeiten des Mangels Einblicke in die bauliche Entwicklung Die Zentralbibliothek der Landbauwissenschaften in Poppelsdorf Studentenwohnheime Der Universitätsclub Technische Innovationen Das Hochschulrechenzentrum
294 294 294 297 299 302 305 307 312 321 326 328 333 333 335 341 348 348 354 356 365 369 372 380 380 382 393 399 399 402 402 403 403 404
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Die Zeit der permanenten Hochschulreform Die 1960er Jahre: Bildungsreform und Studentenbewegung Die Bildungsreformdebatte an der Bonner Universität Mit der Veröffentlichung von Georg Pichts Kassandraruf »Die deutsche Bildungskatastrophe«1 1964 in der Wochenzeitung »Christ und Welt« erreichte die Debatte um die Reform des westdeutschen Bildungswesens eine neue Qualität.2 Das öffentliche Interesse stieg deutlich an und der Ruf nach tiefgreifenden Veränderungen im gesamten Bildungsbereich wurde immer lauter. Zwei Grundpositionen haben die öffentliche Reformdebatte bestimmt. Einmal die bereits erwähnte Diagnose Pichts, wonach ein Bildungsnotstand herrsche und dieser auch zu einem wirtschaftlichen Notstand führen werde, wenn nicht grundlegend umgesteuert werde.3 Zum anderen die Position von Ralf Dahrendorf, die er in seiner Schrift mit dem programmatischen Titel »Bildung ist Bürgerrecht«4 dargelegt hat. Wenn Westdeutschland seinen Wohlstand erhalten und ausbauen wolle, so Picht, brauche das Land doppelt so viele Abiturienten und dafür mehr Lehrer, für deren Ausbildung die Hochschulen zuständig waren. Seine Bestandsaufnahme war schonungslos und alarmierend: »Die wirtschaftliche und politische Führungsschicht, die das sogenannte Wirtschaftswunder ermöglicht hat, ist vor dem Ersten Weltkrieg in die Schule gegangen; die Kräfte, die heute Wirtschaft und Gesellschaft tragen, verdanken ihre geistige Formung den Schulen und Universitäten der Weimarer Zeit. Jetzt aber ist das Kapital verbraucht.«5 Dahrendorf ging davon aus, dass »die Modernisierung der Gesellschaft, die Herauslösung der Menschen aus ihren ungefragten Bindungen und Befreiung zur Möglichkeit, ihre Rechte auch wahrzunehmen, […] in Deutschland noch immer sehr unvollkommen verwirklicht«6 sei. Um diesen Rückstand an Mo1 Picht, Bildungskatastrophe. 2 Während für die Geschichte der Universität Bonn bis 1968 einige wichtige Studien vorliegen, steht die Erforschung der folgenden Jahrzehnte der Universitätsgeschichte erst am Anfang. Die Überlieferung ist umfangreich und muss teilweise noch erschlossen werden. Die vorliegende Darstellung stützt sich vor allem auf Quellen aus dem Bonner Universitätsarchiv und anderen einschlägigen Archiven. Vgl. zur Geschichte anderer westdeutscher Universitäten im selben Zeitraum u. a. die Neuveröffentlichungen der letzten Jahre von: Hammerstein, GoetheUniversität, Bd. II und Bd. III; Plassmann/Süssmuth, Heinrich-Heine-Universität; Bichow, Universität Kiel. Zur Forschungsperspektive siehe Paletschek, Universitätsgeschichte, S. 169– 189. 3 Picht, Bildungskatastrophe, S. 17. 4 Dahrendorf, Bildung. 5 Picht, Bildungskatastrophe, S. 16. 6 Dahrendorf, Bildung, S. 24.
Studentenproteste und Hochschulreform (1965–1991)
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dernität aufzuholen, seien strukturelle Reformen im Bildungsbereich unumgänglich. Die Universität müsse zu einer »differenzierten Gesamthochschule (multiversity)«7 werden, Aufgabe der Hochschulen sei es »möglichst viele Studenten möglichst rasch zu möglichst qualifizierten Abschlüssen [zu] führen.«8 Was der zunehmende Reformdruck für die Universität Bonn bedeutete, hatte Rektor Hugo Moser in seinem Bericht über das akademische Jahr 1964/65 zum Ausdruck gebracht: »Längst ist die Universität nicht mehr das Lieblingskind der öffentlichen Meinung, sondern eher ihr Prügelknabe.« Aber er fügte auch an: »Wir sind optimistisch genug zu glauben, daß Reformen durch die Universität selbst durchgeführt werden können. Der Weg dazu ist schon seit längerem beschritten […]. Eine permanente Reform hat begonnen […].«9 Im Februar 1965 wurde eine Kommission für hochschulpolitische Fragen eingerichtet, deren Aufgabe es angesichts einer aus Sicht des Senats »oft unzulängliche[n] Unterrichtung der Öffentlichkeit über Universitätsangelegenheiten« zunächst nur sein sollte, »hochschulpolitische Stellungnahmen für den Senat vorzubereiten und daneben die notwendige Verbindung zur WRK zu schaffen«, während der AStA die Einrichtung einer Studienreformkommission wünschte.10 Schließlich sollte die Kommission »auch grundsätzliche Probleme der Studienreform […] erörtern und dem Senat Vorschläge für die Durchführung von Reformmaßnahmen […] machen.«11 Sie beschloss, zunächst über das hessische Hochschulgesetz zu beraten, »an Hand dessen alle aktuellen Probleme der Hochschulorganisation diskutiert werden können, um etwaige Vorschläge und Anregungen für den Senat zu geben«.12 Spätestens mit der 1965 vom Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) organisierten und zentral in Bonn veranstalteten »Aktion 1. Juli – Bildungsnotstand in Deutschland« erweiterte sich die vor Ort anfangs gegenständlich eng begrenzte, inneruniversitäre Diskussion zu einer allgemeinen bildungspolitischen und im Gefolge auch gesellschaftspolitischen Diskussion. Der an dieser Aktion geübten Kritik, dass die verfassten Studentenschaften nicht »zu einer über den Bereich der Hochschule hinausgehenden Aktion legitimiert seien«, wurde entgegengehalten, »dass die Probleme der Hochschule nicht getrennt von den Problemen des übrigen Bildungswesens betrachtet werden können, da zwischen beiden ein Sachzusammenhang besteht; ebenso wie die Bildungsfragen nicht losgelöst von der Gesamtentwicklung der Gesellschaft gesehen werden
7 8 9 10 11 12
Ebd., S. 122. Ebd., S. 114. Moser, Bericht, S. 18. Protokoll der Senatssitzung vom 25. 02. 1965, in: UAB, Senat 33–21. Moser, Bericht, S. 18. Protokoll der Senatssitzung vom 24. 06. 1965, TOP 11, in: UAB, Senat 33–21.
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Christian Hillgruber
können«.13 Eine stärkere Beteiligung der Studenten an Hochschul(planungs)entscheidungen galt vielen bereits als Gebot der Stunde, deren Nichteinbeziehung als »unbegreiflich«.14 Die Botschaft fiel durchaus auf fruchtbaren Boden. Die Chancen für eine Veränderung im Wege der Kooperation und des Konsenses standen in Bonn nicht vornherein schlecht. Rektor Moser hatte sich bereitgefunden, bei der studentischen Kundgebung am 1. Juli 1965 auf dem Münsterplatz zu sprechen, und der AStA-Vorsitzende hatte sich für seine Rede und die »damit bekundete Solidarität mit uns und unseren Problemen« bedankt: »Mögen unsere gemeinsamen Anstrengungen bald zu weiteren positiven Ergebnissen in Wissenschaft, Forschung und Erziehung führen«.15 Der Rektor designatus für das akademische Jahr 1965/66, Professor Wilhelm Groth, erklärte ganz in diesem Sinne in einem Interview mit der Bonner Studentenzeitung »akut«, »es sei eines seiner wichtigsten Anliegen und eine vordringliche Aufgabe, alle diese Reformvorstellungen zusammen mit der Studentenschaft zu entwickeln, wie das ja auch in Bonn in den letzten Jahren schon geschehen sei. Nur durch eine Zusammenarbeit von Professoren und Studenten könnten die Probleme der Universität in der rechten Weise gelöst und eine Beeinflussung der Universität von außen, soweit sie ihr schädlich werden könnte, abgewehrt werden«.16 Zwischen Studenten, Politik und Hochschulen umstrittenstes Thema der Hochschulreform war in diesen Jahren die Frage der Studienzeitverkürzung durch eine von der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) vorgeschlagene »Immatrikulation auf Zeit«. Aus Sicht etwa des Bundestagsabgeordneten und Bildungspolitikers Hans Dichgans (CDU) war das deutsche Bildungssystem »kein Hochsprungwettbewerb, nicht einmal ein Marathonlauf, sondern eher ein Dauersitzwettbewerb.«17 Die von der WRK als Mittel gegen überlange Studienzeiten empfohlene befristete Immatrikulation mit Zwangsexmatrikulation nach der Mindeststudienzeit plus zwei Semestern wurde vom VDS und auch dem Bonner AStA als Versuch gewertet, der Diskussion um die notwendigen Reformen »durch un-
13 Ignaz Bender, Warum demonstrieren? Aktion 1. Juli – Bildungsnotstand in Deutschland, in: Akut 18 (Mai 1965), S. 8. 14 Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 09. 05. 1965, zit. nach: Hermann Brammerts, Aktion 1. Juli. Drängt die politische Situation zur reinen Interessenpolitik, in: Akut 19 (Juni 1965), S. 5. 15 Dankesschreiben des AStA-Vorsitzenden Friedrich W. Funk an Rektor Moser vom 02. 07. 1965, in: UAB, AStA 81–37. 16 Auch samstags Hauptvorlesungen… akut-Interview mit dem Rektor designatus, Professor Dr. Wilhelm Groth, in: Akut 20 (Juli 1965), S. 10. 17 Zit. nach: Zwangsexmatrikulation oder: Die Dummen werden die Ersten sein, in: Akut 21, (November 1965), S. 12.
Studentenproteste und Hochschulreform (1965–1991)
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durchdachte Verwaltungsvorschriften« auszuweichen.18 Der AStA-Vorsitzende erklärte im Juli 1965 zunächst, die Studentenschaft sei im Prinzip für eine befristete Immatrikulation,19 machte den Senat dann im Dezember 1965 jedoch darauf aufmerksam, dass das Studentenparlament entsprechende Pläne ablehne und stattdessen »klare Studienpläne mit Zwischenprüfungen« wünsche.20 Dessen ungeachtet beschloss der Senat der Universität eine von der Verfassungskommission vorgeschlagene, entsprechende Änderung des § 28 der Universitätsverfassung.21 Zugleich erneuerte der AStA 1966 seine Bitte, – ihn wie bei den Senatssitzungen bereits üblich – auch zu den Fakultätssitzungen einzuladen, mit ihm die studentischen Angelegenheiten zu besprechen und ihn hinsichtlich der übrigen Tagesordnungspunkte zu informieren. Der Rektor bat die Dekane dringend, »ebenfalls den Wunsch der Studentenschaft im Interesse einer vertrauensvollen Zusammenarbeit ernst zu nehmen«.22
Der »Fall Ruff« Im Dezember 1965 berichtete »akut« über »Unterdruckexperimente in Dachau. Zu den Angriffen gegen Professor Ruff«. Siegfried Ruff war außerordentlicher Professor an der Universität und Direktor des Instituts für Flugmedizin; er hatte einige seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse durch von ihm ausgewertete, vermutlich auch angeregte Menschenexperimente im KZ Dachau erlangt. Im Nürnberger Ärzteprozess 1947 frei gesprochen, hielt sich Ruff auch moralisch für unschuldig und zeigte sich ohne Reue. Die Universität hatte sich mit dem Fall bereits 1961 befasst, nachdem Ende 1960 in der Presse und in einer Eingabe der Lagergemeinschaft schwerwiegende Vorwürfe gegen Ruff erhoben worden waren, die sich auf die Veröffentlichung »Medizin ohne Menschlichkeit«23 stützten. Die Medizinische Fakultät nahm daraufhin durch eine vierköpfige Kommission eine eingehende Prüfung anhand dieser Schrift und den Nürnberger Gerichtsakten vor. Sie kam nach einjährigen Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass eine Entziehung der venia legendi nach der Habilitationsordnung der Fakultät nicht möglich sei.24 Nachdem 1965 erneut Vorwürfe erhoben worden waren, sahen sich Rektor 18 19 20 21 22 23 24
Siehe dazu ebd. aber auch ebd., S. 12f. den »Versuch einer Entgegnung«. Protokoll der Senatssitzung vom 29. 07. 1965, in: UAB, Senat 33–21. Protokoll der Senatssitzung vom 02. 12. 1965, in: UAB, Senat 33–21. Protokoll der Senatssitzung vom 13. 01. 1966, TOP 4, in: UAB, Senat 33–22. Protokoll der Senatssitzung vom 01. 12. 1966, in: UAB, Senat 33–22. Vgl. Mitscherlich/Mielke, Medizin. Das 24-seitige Gutachten ist als Anlage dem Protokoll der Senatssitzung vom 13. 01. 1966 beigefügt, in: UAB, Senat 33–22.
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Abb. 30: Die Bonner Venia Legendi für Siegfried Ruff, Medizin
und Senat genötigt, den Fall unter Auswertung allen erreichbaren Materials noch einmal zu überprüfen. Damit wurde die Medizinische Fakultät erneut beauftragt. Eine vom Senat eingesetzte Kommission unter Mitwirkung von Rektor und Prorektor sollte anschließend für den Senat eine Stellungnahme ausarbeiten.25 Rektor und Senat waren sich darüber im Klaren, »daß man den Fall Ruff nicht nur nach der rein juristischen Seite beurteilen dürfe. Die Öffentlichkeit erwarte vor allem eine Stellungnahme der Universität zu der Frage, warum sie einen Professor in ihrem Lehrkörper führt, dessen ethisches Verhalten zumindest nicht den Vorstellungen entspricht, die man gemeinhin von einem Arzt hat«. Die Universität war sich mithin der Brisanz des Falles und seiner ethischen Dimension durchaus bewusst. Als sich der Zweitbericht der Medizinischen Fa25 Protokoll der Senatssitzung vom 02. 12. 1965, in: UAB, Senat 33–21.
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kultät verzögerte, verwies der Rektor darauf, dass die Öffentlichkeit ebenso wie das Kultusministerium eine Stellungnahme der Universität erwarte, und der Senat sah sich zu folgendem Beschluss veranlasst: »Der Senat bekennt sich zu der Auffassung, daß Versuche an KZ-Häftlingen unter keinen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden können. Die Entscheidung, in den Lehrkörper einen Forscher aufzunehmen, der sich an solchen Versuchen beteiligt hat, war nicht richtig. Durch diese Stellungnahme wird die Frage einer persönlichen Schuld des betreffenden Herrn nicht berührt.« Dieser Beschluss wurde aber nur der Medizinischen Fakultät mitgeteilt, mit der Bitte, noch einmal sofort über die Angelegenheit zu beraten.26 Nachdem die Erklärung der Medizinischen Fakultät vom 25. Februar 1966 vorlag, entschied der Senat auf einer Sondersitzung am 3. März 1966 im Hinblick auf die von Professor Ruff mittlerweile auf Druck erklärte Bereitschaft, seine Lehrtätigkeit einschließlich der Betreuung der Doktoranden ab Sommersemester 1966 einzustellen, sich einer Stellungnahme zu enthalten. Das war zweifelsohne ein gravierender Fehler, weil dadurch der – falsche – Eindruck entstehen konnte, und für die über die Interna nicht informierte Öffentlichkeit entstehen musste, als habe die Universität nicht die Kraft, sich von den menschenverachtenden medizinischen Experimenten eines ihrer Dozenten klar und unmissverständlich zu distanzieren. Dadurch verstärkte sich der Eindruck einer angeblich fehlenden Bereitschaft, sich mit schwerwiegenden Belastungen aus der NS-Zeit selbstkritisch auseinanderzusetzen.
Reformforderungen der Studentenschaft Die Bonner Studentenvertreter nutzten in den folgenden Jahren die Diskussionen über die Zukunft der Universität, um weitergehende Reformen vorzuschlagen und deren Umsetzung zu fordern. Schon 1966 deutete sich an, dass die Frage des Disziplinarrechts neben der Erweiterung der studentischen Mitwirkung an der akademischen Selbstverwaltung zu einem entscheidenden Streitpunkt zwischen Studenten- und Professorenschaft werden könnte. Der neu gewählte AStA unter seiner Vorsitzenden Madeleine Hackspiel27 erklärte seine Absicht, aus grundsätzlichen Erwägungen keine Vertreter mehr in den Disziplinarausschuss und den Disziplinaroberausschuss zu entsenden, sofern der Student bereits durch ein gerichtliches Verfahren bestraft worden sei, und fasste seine Haltung im Senat folgendermaßen zusammen: »Der AStA lehnt den besonderen Ehrbegriff eines akademischen Bürgers ab.«28 Der Senat nahm diese 26 Protokoll der Senatssitzung vom 24. 02. 1966, TOP 17, in: UAB, Senat 33–22. 27 Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 08. 02. 1966, TOP 3, in: UAB, AStA 81–86. 28 Protokoll der Senatssitzung vom 01. 12. 1966, TOP 3d, in: UAB, Senat 33–22.
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Auffassung zur Kenntnis und wies den AStA darauf hin, »daß die Studenten auf diese Weise zu reinen Anstaltsnutzern werden«. Der Rektor betonte die Notwendigkeit, »mit der Studentenschaft Gespräche zu führen über den Sinn der Korporation der Universität und der Studentenschaft und ihrer Beteiligung an den Rechten und Pflichten der akademischen Körperschaft«.29 Der AStA aber betrachtete das Disziplinarrecht insgesamt als überholt und sah darin eine Verletzung der Grundrechte der Studenten.30 Im Anschluss an einen entsprechenden Beschluss des Studentenparlaments der RWTH Aachen vom 30. November 196631 hatte es auch das Bonner Studentenparlament mit neun gegen sieben Stimmen bei einigen Enthaltungen abgelehnt, studentische Vertreter in die Disziplinarausschüsse zu entsenden: »Da die derzeit gültige Disziplinarordnung rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht gerecht wird, sieht sich die Studentenschaft außerstande, an Verfahren auf der Grundlage dieser Disziplinarordnung mitzuwirken.«32 Im Einzelnen rügte die Studentenschaft das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage, eine Beschränkung der Grundrechte, die über die sich aus dem Hochschulzweck zwingenden Erfordernisse hinausgehe sowie das damit verbundene Sonderrecht gegen die Gruppe der Studenten. Im Übrigen müssten die Entscheide verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegen.33 Im Rückblick erscheinen diese Rügen mehr als berechtigt. Aber damals war noch die Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis juristisch herrschend und die volle Grundrechtsgeltung in engeren Beziehungen des Bürgers zur Staatsgewalt, und damit auch im Sonderstatus des Studenten gegenüber seiner als öffentlichrechtliche Körperschaft und Anstalt verfassten Universität, noch nicht anerkannt.34 Zudem rückte auch und vor allem die Frage des allgemeinpolitischen Mandats der verfassten Studentenschaft in den Fokus, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Bildung der Großen Koalition.35 Der für das politische Mandat streitende Student Volker Rhode formulierte programmatisch: 29 30 31 32
Ebd. Der neue AStA. Aktivitäten, Programme, Arbeitsbereiche, in: Akut 25 (Mai 1966), S. 9f. Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 485. Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 07. 12. 1966, TOP 5, in: UAB, AStA 81–84. 33 Siehe auch Protokoll der außerordentlichen Sitzung des Studentenparlaments vom 28. 02. 1967, TOP 5c, in: UAB, AStA 81–88. 34 Bahnbrechend wirkte insoweit erst die sog. Strafgefangenen-Entscheidung des BVerfG von 1972; siehe BVerfGE 33, 1, 10–12. 35 Vgl. Schreiben von Peter Gutjahr-Löser, Referent für Hochschul- und Fachschaftsfragen im AStA an den Rektor Prof. Dr. Gassner vom 02. 12. 1966, in: UAB, AStA 81–37, der sich auf einen Antrag des Studentenparlamentsmitglieds Volker Rohde bezieht, dessen in der Sitzung des Studentenparlaments vom 01. 12. 1966 abgegebene persönliche Erklärung zur an diesem Tag geschlossenen Großen Koalition abgedruckt ist im Sitzungsprotokoll, in: UAB, AStA 81–84.
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»Wer […] auf das politische Mandat verzichtet, macht sich zum Sachwalter der Autorität, akzeptiert das ihm zugewiesene Ghetto und bietet der Gesellschaft die Möglichkeit, die Universität nach Belieben zu manipulieren. Mit dem Lockruf, nur und ausschließlich die Interessen der Studenten vertreten zu wollen, ziehen diese trojanischen Pferde als fünfte Kolonne der Obrigkeit in die studentischen Selbstverwaltungen ein, wo sie mit Bienenfleiß alles verwalten, ohne etwas zu ändern. Denn zu einem Umbruch braucht es mehr als universitätsinternes Reservatsdenken. Die Studentenschaft braucht Vertreter, die fordern, keine dienenden. Sie braucht Leute mit einer Konzeption, die sie gegen den Widerstand der herrschenden Kräfte durchzusetzen bereit sind; keine Verwalter, die ohne ihren Posten nicht nur ohne Hosen, sondern schlicht nackt dastehen.«36
In ihrer Rede anlässlich der Immatrikulation zu Beginn des Wintersemesters 1966/67 führte die AStA-Vorsitzende Hackspiel aus, keiner werde bezweifeln, »daß neben der Studienreform eine Umstrukturierung der gesamten Hochschulen notwendig ist. […] Die moderne Gesellschaft hat einen wesentlich größeren Bedarf an Akademikern, d. h. sie benötigt auch den durchschnittlich Begabten. Um ihren Anforderungen einerseits und dem Massenandrang von Studenten andererseits gerecht zu werden, muß die Universität allen Studenten die Möglichkeit zu einem entsprechenden Studienabschluß geben. Sie ist nun einmal nicht mehr nur die Stätte reiner Bildung im Humboldt’schen Sinne, sondern auch der berufsbezogenen Ausbildung geworden. Deshalb sollte sie versuchen, ohne jenes überholte akademische Standesethos, ihren Aufgaben als Teil der Gesellschaft gerecht zu werden.«
Sie gab der Hoffnung Ausdruck, dass sich Professoren und Studenten um eine gemeinsame Lösung aller sich aus dem größeren Lehrbetrieb ergebenden Probleme bemühen würden.37 Ungeachtet dieser ersten Anzeichen eines nicht unerheblichen Konfliktpotentials verliefen das Jahr 1966 und das erste Vierteljahr 1967 an der Universität noch unaufgeregt und recht ruhig. In ihrem Ende Januar 1967 gehaltenen Bericht über die Legislaturperiode 1966/67 berichtete die AStAVorsitzende Hackspiel, dass die Aktivitäten des AStA auf wenig Resonanz bei den Studenten stießen. Das umstrittene allgemeinpolitische Mandat sollte durch eine Satzungsänderung einer Klärung zugeführt werden, die Frage des Disziplinarrechts noch einmal eingehend im Studentenparlament diskutiert werden. Das von einzelnen Studentengruppen ins Spiel gebrachte Instrument der Vorlesungskritik wurde von den Fachschaften mit Ausnahme der germanistischen nicht aufgegriffen.38 Im März 1967 legte der Bonner AStA eine sogenannte Negativ-Dokumentation vor, in der die angesichts der stetig wachsenden Zahl von Studenten immer prekärer werdenden Studienbedingungen und die soziale Lage der Studenten 36 Volker Rohde, Die Nackten und die Roten, in: Akut Nr. 29/30, Dez./Jan. 1966/67, S. 31. 37 Rede der AStA-Vorsitzenden Hackspiel vom 22. bzw. 24. 11. 1966, in: UAB, AStA 81–95. 38 Bericht der AStA-Vorsitzenden der Leg.-Periode 1966/67, in: UAB, AStA, 81–88.
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kritisch analysiert und dringender Änderungsbedarf dargelegt wurde, ohne dass Massenproteste dagegen organisiert worden wären; es hieß lediglich: »Die Studentenschaft warnt und fordert.«39 Eskalation in der Frage des allgemeinpolitischen Mandats Die Auseinandersetzung mit der Universitätsspitze in Sachen allgemeinpolitisches Mandat eskalierte im Fall Klara Marie Faßbinder, einer Aktivistin der Frauen- und Friedensbewegung, die bis zur Suspendierung 1953 aufgrund von Sympathiebekundungen für die Sowjetunion als Professorin für Geschichtspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Bonn tätig gewesen war, und der wegen ihrer Verdienste um die Übersetzungen des Werkes Paul Claudels durch den Präsidenten der französischen Republik der Orden Palmes Acad8miques verliehen werden sollte. Bundespräsident Lübke, zugleich Ehrensenator der Universität Bonn, verweigerte 1966 die für die Annahme des Ordens erforderliche Genehmigung nach § 5 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26. Juli 1957.40 Das Bonner Studentenparlament protestierte gegen diese Entscheidung ebenso wie andere Institutionen, und forderte entsprechendes Engagement von Seiten der Universitätsleitung und des Senats.41 Der Rektor bemühte sich um eine »allseits befriedigende Lösung des Falles Faßbinder« und versuchte offenbar inoffiziell, auf eine Revision der Entscheidung des Bundespräsidenten hinzuwirken. Der AStA, vom Rektor darüber vertraulich in Kenntnis gesetzt, plante nun, Frau Faßbinder, die mittlerweile bei der Deutschen Friedensunion (DFU) engagiert war, zu einem einleitenden Vortrag einer Veranstaltungsreihe über die DDR »Aus der Sicht der DDR« einzuladen. Dafür erbat er beim Rektor um Überlassung eines Hörsaals, was dieser verweigerte, weil er ebenso wie der Senat darin eine unzulässige »Sympathiekundgebung« zugunsten der Referentin und eine Brüskierung des Bundespräsidenten erblickte. Infolge dessen nahm das bis dahin bestehende Vertrauensverhältnis zwischen Universitätsspitze und verfasster Studentenschaft schweren Schaden. Während sich der AStA in seiner politischen Arbeit beeinträchtigt und »jede politische Aktivität im Kleinen erstickt« sah,42 sich unter Druck gesetzt 39 Negativ-Dokumentation, S. 5. 40 BGBl. I S. 844. 41 Siehe auch Protokoll der außerordentlichen Sitzung des Studentenparlaments vom 28. 02. 1967, TOP 6, in: UAB, AStA 81–88. 42 Programmatische Erklärung des Neuen AStA unter dem Vorsitz von Bernhelm Booß vom 03. 05. 1967, in: UAB, Senat 33–23. Siehe auch die Äußerung des AStA-Referenten für politische Bildung Volker Rohde in der Senatssitzung (ebd.), so werde »das Referat für politische Bildung überflüssig, das jahrelang – auch vom Rektorat unterstützt – politische Veranstaltungen durchführen konnte, solange sich die Veranstaltungen im Rahmen der herrschenden Meinung hielten. Jetzt, wo politische Außenseiter zu Wort kommen sollen, werden die Ver-
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fühlte43 und »einen neuen Fall Kuby«44 witterte, fühlte sich der Rektor vom AStA hintergangen und wegen angeblicher Verletzung der Meinungsfreiheit der Studenten demagogisch angegriffen. Dass es nun – unabhängig vom Anlassfall – um eine grundsätzliche Kontroverse ging, zeigte sich, als der AStA nach dem Militärputsch in Griechenland die Überlassung eines Hörsaals für eine »Solidaritätskundgebung Griechenlands« beantragte, was das Rektorat mit der fragwürdigen Begründung ablehnte, die Veranstaltung wolle »zur Innenpolitik eines fremden Staates Stellung nehmen, mit dem die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält. Sie könnte, wenn sie in der Universität stattfindet, als Einmischung der Universität in Angelegenheiten angesehen werden, die nicht zu ihren verfassungsmäßigen Aufgaben gehören«.45 Auch wenn der Rektor bereit war, die Mensa für die Kundgebung zu überlassen und das Studentenwerk entsprechend zu instruieren, so war der amtierende AStA damit doch nicht zufrieden zu stellen. Der Senat schlug sich nach eingehender Beratung auf die Seite des Rektors und betonte, dass der AStA als Zwangskörperschaft nicht dazu legitimiert sei, politische Meinungen zu artikulieren, sondern sich kraft seines Amtes nur mit Dingen befassen dürfe, die gemeinsame studentische Angelegenheiten beträfen.46 Der AStA schaltete im Fall Faßbinder das Ministerium als Rechtsaufsicht ein47 und rief das Verwaltungsgericht Köln an, das indes mit Eilentscheidung
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anstaltungen verboten, und man nimmt den Studenten die Möglichkeit, sich außerhalb des Meinungsmonopols der Regierenden selbst eine Meinung zu bilden.« Bundespräsident Heinrich Lübke hatte nach einer Meldung des Handelsblatts vom 27. 04. 1967 den Rektor der Bonner Universität, Professor Dr.-Ing. Edmund Gassner, wissen lassen, er werde die ihm verliehene Würde eines Ehrensenators der Universität niederlegen, falls Frau Professor Klara Marie Faßbinder auf Einladung des Bonner Allgemeinen Studentenausschusses in den Räumen der Universität einen Vortrag halten werde. Allerdings bestritt der Rektor in einer Erklärung vom 06. 05. ausdrücklich die Richtigkeit der »Behauptung, daß der Bundespräsident in irgendeiner Weise Einfluß auf diese Entscheidung zu nehmen versucht habe«, in: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Nachrichtenblatt, Nr. 82 vom 15. 05. 1967. Schreiben des AStA-Vorsitzenden Bernhelm Booß an die Senatoren vom 21. 04. 1967, Anlage 3 zur Chronologie des Rektors im Fall Faßbinder vom 03. 05. 1967, in: UAB, Senat 33–23. Gegen den Journalisten und Publizisten Erich Kuby hatte der Rektor der FU Berlin im Sommersemester 1965 ein Redeverbot verhängt, nachdem sich dieser sieben Jahre zuvor kritisch zum Namen »Freie Universität« geäußert hatte. Kuby durfte deshalb der Einladung des AStA zu einer Podiumsdiskussion nicht folgen, was zu massiven Protesten der Studentenschaft führte. Schreiben des Rektors zur Griechenlandaktion des AStA vom 03. 05. 1967, in: UAB, Senat 33–23. Außerordentliche Senatssitzung vom 03. 05. 1967, in: UAB, Senat 33–23. Siehe ferner die vom Senat in dieser Sitzung verabschiedete Erklärung, in: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Nachrichtenblatt, Nr. 82 vom 15. 05. 1967. Schreiben des AStA-Vorsitzenden Bernhelm Booß an den Kultusminister über den Rektor der Universität vom 06. 05. 1967, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 467. Der
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Abb. 31: Klara Marie Faßbinder
vom 6. Mai die Rechtsauffassung von Rektor und Senat bestätigte, und im vorliegenden Fall in der geplanten Veranstaltung eine danach unzulässige politische Betätigung sah.48 Der AStA-Vorsitzende Booß war am 3. Mai 1967 bereits mit einer programmatischen Erklärung hervorgetreten, in der betont wurde, dass Hochschul- und Bildungspolitik nicht isoliert von politischen und gesellschaftlichen EntwickRektor sah sich daraufhin seinerseits zu einem Schreiben an den Minister veranlasst, in dem er darum bat, ihm »die Möglichkeit zu geben, Ihnen die Angelegenheit umgehend auch mündlich vortragen zu können. Es dürfte nicht nur im Interesse der Universität, sondern auch der Landesregierung liegen, rechtzeitig gewissen Tendenzen entgegenzutreten, die die freiheitlich demokratische Grundordnung der Universität und ihrer Studentenschaft gefährden«; in: ebd. 48 Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 467.
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lungen gesehen werden könnten und die Studentenschaft daher »über den hochschul- und bildungspolitischen Bereich hinaus zu verantwortlichem politischen Handeln verpflichtet« sei. Als er außerdem noch die angeblich autoritäre Struktur der Universität beklagte und den Studenten unterwürfiges Verhalten vorwarf,49 blieb ihm nur noch der Rücktritt.50 Der Senat sah sich nach eigener Einschätzung »der bisher in Bonn unbekannten Lage gegenüber, daß der inzwischen zurückgetretene ASTA, wie seine am gleichen Tage abgegebene ›Programmatische Erklärung‹ […] ausweist, sich offenbar eine radikale Verschärfung des seit vielen Jahren traditionell guten Verhältnisses zwischen der Studentenschaft und ihrer Universität zum Ziel gesetzt hat, die unter Berufung auf sein angeblich ›politisches Mandat‹ mit Hilfe hier bisher nicht üblicher demagogischer Methoden betrieben wird«.51 Immerhin kam es nach dem Rücktritt des AStA unter Bernhelm Booß zu einer jedenfalls in der Form deutlich maßvolleren und zur Kooperation mit der Universitätsleitung und dem Senat prinzipiell bereiten Politik des am 9. Mai 1967 gewählten neuen AStA unter seinem Vorsitzenden Rudolf Pörtner.52 Allerdings nahmen dessen Wahl 19 linke Mitglieder des Studentenparlaments zum Anlass, aus dem Studentenparlament auszuziehen und eine »Organisation ins Leben zu rufen, die konsequent für die studentischen Interessen als eine Art studentische Gewerkschaft eintritt. (Unabhängige Studentenaktion, USTA)«.53 Die Frage des Stimmrechts der Studentenschaft im Senat und in den Fakultäten, das heißt der mitbestimmenden Mitwirkung der Studentenschaft an der akademischen Selbstverwaltung, blieb unter dem neuen AStA ebenso auf der Tagesordnung wie die Reform des Disziplinarrechts.54 Die Frage der studentischen Mitwirkung in der akademischen Selbstverwaltung Die im März 1967 vom Senat eingesetzte Kommission für hochschulpolitische Fragen zur Beratung von entsprechenden Anträgen des Studentenparlaments legte bereits am 26. Juli 1967 eine Stellungnahme vor, in der sie sich für eine Änderung des § 79 Abs. 4 der Universitätsverfassung vom 27. Juni 1960 im Sinne einer stimmberechtigten Mitwirkung von Vertretern der Studentenschaft im 49 Programmatische Erklärung des Neuen AStA vom 03. 05. 1967. 50 Rücktrittserklärung, in: UAB, AStA 81–88. 51 So der Rektor in einem Schreiben an den Kultusminister vom 08. 05. 1967, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 467. 52 Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 09. 05. 1967, in: UAB, AStA 81–88. 53 Aufruf zur Gründungsversammlung der UStA am Mittwoch, den 24. Mai 1967, um 20 Uhr im Hörsaal VIII der Universität (ohne Datum), Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 467. 54 Unterredung des Rektors mit dem AStA-Vorsitzenden und einigen Referenten, Aktenvermerk, in: UAB, AStA 81–37.
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Senat und den Fakultäten aussprach. Zur Begründung wurde auf den Körperschaftsstatus der Universität verwiesen, die eine – wenn auch nicht egalitäre, sondern nach Ausmaß und Dauer der Mitarbeit und Verantwortung abgestufte – Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden (§ 1 Abs. 2 S. 2 Universitätsverfassung) konstituiere, der auch die Studierenden als Mitglieder angehören: »Von diesem Grundprinzip des geltenden Verfassungsrechts der Bonner Universität aus erscheint es uns nicht folgerichtig, Mitwirkungsrechte studentischer Vertreter lediglich als ein Recht auf Anhörung auszugestalten.« Es gelte das Bewusstsein der Mitverantwortung und der Mitträgerschaft bei den Studierenden zu stärken. »Die Universitäten dürfen, wenn sie sich nicht von außen kommenden Einflüssen beugen wollen, ihr Recht zur Selbstverwaltung nicht als ein ausschließliches Recht der Hochschullehrer auffassen, sondern sollten seine breitere Fundierung durch eine Beteiligung der heranwachsenden Generation von Akademikern erstreben. Der rasche Wechsel der Studierenden und ihre starke Fluktuation bedrohen, wenn man studentischen Vertretern weitergehende Mitwirkungsrechte als bisher gewährt, keineswegs die Tradition und Stetigkeit, sondern versprechen eine belebende Wirkung«.55 Diese auf die körperschaftliche, die Studenten als Mitglieder einschließende Struktur der Universität abstellende Begründung versuchte die geplante Veränderung als mit der Tradition in Einklang stehend auszuweisen, und sollte damit vermutlich die konservativen Kräfte überzeugen, musste allerdings die Frage provozieren, warum den Studierenden diese vermeintlich organische Anpassung ihrer Mitwirkungsrechte in der universitären Selbstverwaltung so lange vorenthalten worden war. Der Senat beschloss am 27. Juli 1967, dass im September die Verfassungskommission, erweitert durch einige vom Rektor zu benennende Mitglieder der Kommission für hochschulpolitische Fragen und durch Studenten, über die Empfehlungen beraten und wenn möglich Beschlüsse vorbereiten sollte, damit im Laufe des Wintersemesters 1967/68 die notwendigen Entscheidungen getroffen und die Verfassungsänderungen in den Fakultäten, im Senat und im Großen Senat beschlossen werden könnten.56 Diese Sonderkommission des Senats für die Reform der Mitwirkungsrechte in den akademischen Selbstverwaltungsgremien erarbeitete Vorschläge für eine 55 Stellungnahme der Kommission für hochschulpolitische Fragen zu den mit einer Änderung des § 79 der Universitätsverfassung zusammenhängenden Fragen vom 26. 07. 1967, in: UAB, Senat 143–2. Siehe ferner die Ergänzenden Bemerkungen zu der Stellungnahme der hochschulpolitischen Kommission vom 26. 07. 1967 betr. die Änderung des § 79 der Universitätsverfassung von Prof. Dr. Ballerstedt vom 25. 08. 1967, in: UAB, Senat 16–8 sowie – kritisch zur theoretischen Überhöhung der Befriedigung praktischen Reformbedarfs – von Prof. Dr. Ulrich Scheuner vom 28. 08. 1967, in: UAB, Senat 16–8. 56 Protokoll der Senatssitzung vom 27. 07. 1967, TOP 5, in: UAB, Senat 143–2.
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stärkere Beteiligung der Nichthabilitierten, Assistenten und Studenten in den universitären Selbstverwaltungsorganen (Senat und Fakultätsräten). Dabei zeichneten sich für den Senat die Ergänzung um drei Vertreter der Studierenden, zwei Vertreter der Assistenten, drei Vertreter der Nichtordinarien sowie einen Vertreter der nichthabilitierten wissenschaftlichen Beamten und Angestellten, jeweils mit vollem Stimmrecht, ab; die Forderung nach einer paritätischen Mitbestimmung wurde in Bonn anfänglich noch nicht erhoben. Die Gegenstände der Mitbestimmung sollten positiv festgelegt oder – durch Benennung der nicht mitbestimmungsfähigen Angelegenheiten – negativ abgegrenzt werden. Auch das Disziplinarrecht sollte nach dem Willen des Senats einer Überprüfung unterzogen werden. Das Studentenparlament erklärte sich daraufhin bereit, wieder studentische Vertreter in die Disziplinarausschüsse zu entsenden, allerdings unter der Voraussetzung, dass »die Rechtsgrundlage der Disziplinargerichtsbarkeit der Universität gegen Studenten durch einen Sonderausschuß, in dem die Studenten angemessen vertreten sind«,57 geprüft werde. Politisierung und Radikalisierung Der Besuch des persischen Schahs in der Bundesrepublik und der gewaltsame Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 in Berlin bedeuteten auch für Bonn einen Einschnitt. Die Kritik begann sich teilweise zu radikalisieren, weil der Eindruck entstand, eine anders als die herrschende Mehrheit denkende Minderheit werde nicht anerkannt, sondern auch gewaltsam verfolgt. Insoweit zeigten sich selbst besonnene Zeitgenossen wie Karl Dietrich Bracher alarmiert und um die Zukunft der zweiten deutschen Demokratie ernsthaft besorgt.58 In Bonn kam es am 29. Mai 1967 zu Protesten gegen den Staatsbesuch. Dabei wurden Studenten von Polizei umringt, ins Präsidium verbracht, mehrere Stunden lang festgehalten und verhört. Das überharte Durchgreifen veranlasste Rektor und Senat zu einem scharfen Protest. Rektor Gassner schrieb das Nachfolgende an den NRW-Innenminister : »Ich bemerke vorweg, daß wir uns – in völliger Übereinstimmung mit dem Allgemeinen Studentenausschuß – keinesfalls gegen polizeiliche Maßnahmen wenden, die wegen rechtswidriger Handlungen einzelner Studenten während des Bonner Aufenthalts des persischen Kaiserpaares ergriffen werden mußten; derartige Handlungen mißbilligen und bedauern wir. Die Universität als Körperschaft der Lehrenden und Lernenden wird aber empfindlich getroffen, wenn eine größere Anzahl ihrer Mitglieder ohne zwingenden Grund durch Polizeikräfte in ihrer Freiheit beschränkt werden. […] 57 Ebd., TOP 8. 58 Siehe die Rede Brachers, gehalten auf der akademischen Trauerfeier des Bonner AStA für Benno Ohnesorg am 09. 06. 1967, abgedruckt in: AStA-Info 4 (Extraausgabe vom 20. 06. 1967), S. 13–16.
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Neben den hervorgehobenen polizeirechtlichen Bedenken muß die Universität, wie eingangs bemerkt, auch auf den staatspolitischen Schaden aufmerksam machen, den das zu weitgehende und ungewöhnlich harte Vorgehen der Polizei zu stiften geeignet war. Der Eingriff richtete sich nur gegen Studenten, und zwar auf einem Universitätsgelände, wo es ihr gutes Recht ist, sich gruppenweise aufzuhalten. Daß dies von der Studentenschaft insgesamt als Affront verstanden werden mußte, insbesondere auch von denjenigen, die politisch gemäßigt oder indifferent sind, war leicht vorauszusehen. Das Einsperren in einen Polizeikordon, der diskriminierende Abtransport im Polizeiwagen, das stundenlange Festhalten auf dem Polizeipräsidium mußte namentlich diejenigen Studenten in ihrem Selbstgefühl und Freiheitsbewußtsein treffen, die – wie die erdrückende Mehrzahl der Betroffenen – mit etwaigen strafbaren Handlungen nichts zu tun hatten. Als besonders schwerwiegenden Eingriff mußten die Studenten naturgemäß die Verhöre über ihre Zugehörigkeit zu politischen Gruppen und über ihre politische Einstellung empfinden.«59
Die Polizei war mit dem für sie neuen Phänomen größerer Demonstrationen anfänglich offensichtlich überfordert, Deeskalationsstrategien waren noch nicht entwickelt. Der unverhältnismäßige Polizeieinsatz aber hatte Folgen: Das Misstrauen der Studenten gegenüber der Polizei saß fortan tief. Es reichte über politische Grenzen hinweg und erklärt auch, warum im Laufe des Jahres 1968 der Einsatz von Polizisten auf Universitätsgelände empörte Reaktionen von Seiten nicht-radikaler Studenten hervorrief und zu einer gewissen Solidarisierung innerhalb der Studentenschaft führte. Der Rektor diagnostizierte, in der studentischen Jugend habe sich »eine Unruhe vielfältiger Art breit gemacht«. Es gebe »gewisse Studentengruppen, die sich zu einer außerparlamentarischen Opposition verpflichtet fühlen. Sie leben von der Behauptung, nonkonformistische Minderheiten würden bei uns niedergehalten! Autoritäre Obrigkeitsstaatsmethoden unter der Maske einer Formaldemokratie setzten sich mehr und mehr durch. Studenten reagieren auf tatsächliche und vermeintliche Freiheitsbeschränkungen heftiger als andere Gruppen. Solchen Auseinandersetzungen muss man geöffnet bleiben, und man muss hierzu sachliche Diskussionen ermöglichen. Diese Affekte werden von gewissen Extremisten aber gerne benutzt, um Darstellungen zu verbreiten, nach der die heutige Universität total verzopft, ihre Amtsträger traditionalistisch verhärtet und bar jeder sozialen Einstimmung nur noch Privilegien hüteten, um ihre Machtpositionen den geplagten Studentenmassen gegenüber auszuspielen. Eine hektische Plakatiererei, Flugblattaktionen und sonstige spektakuläre Unternehmen dienen der Pflege solcher Antiaffekte, wobei sachlich berechtigte Beanstandungen, Wünsche und Vorschläge mit Halbwahrheiten, Verdrehungen, Lügen und persönlichen Verunglimpfungen sich mischen und ein Stil sich kundtut, der bisher im akademischen Raum nicht üblich war.«
59 Siehe Schreiben des Rektors an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen vom 09. 06. 1967, in dem der Rektor das Vorgehen der Polizei missbilligt, in: UAB, Senat 143–1.
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Gewisse Gruppen versuchten, »eine radikale Verschärfung des seit vielen Jahren traditionell guten Verhältnisses zwischen der Studentenschaft und ihrer Universität herbeizuführen und unter Berufung auf ein angebliches politisches Mandat mit Hilfe hier bisher nicht üblicher demagogischer Methoden hochzuspielen«. Es bestehe die Gefahr, dass destruktive Kräfte an den Grundlagen von Staats- und Universitätsverfassung und an der Freiheit der Lehre rüttelten.60 Gegen Ende des Jahres 1967 gewann der Senat die Überzeugung, dass es der Studentengewerkschaft und bestimmten Studentengruppen »nicht um eine sachlich sinnvolle Reform der Universität, sondern um eine revolutionäre Veränderung um jeden Preis geht«. Den Hintergrund bildeten erste Vorlesungsstörungen und der von der Studentengewerkschaft inszenierte »Anti-Dies« am 6. Dezember 1967 mit Rudi Dutschke als Hauptredner und bis zu 2.000 studentischen Zuhörern.61 Die Universität sah aber selbst kaum Möglichkeiten, diesen Eigenmächtigkeiten Einhalt zu gebieten, nachdem Rückfragen beim Kultusministerium und der Polizei ergeben hatten, »daß eine harte Auseinandersetzung mit den Studenten soweit wie irgend möglich vermieden werden solle«,62 offenbar eine Reaktion auf den unverhältnismäßigen Polizeieinsatz im Zusammenhang mit den Anti-Schah-Demonstrationen Anfang Mai 1967. Die objektive Schwierigkeit der Lage bestand nach Einschätzung des Rektors darin, daß einerseits »sich die Studenten mit Recht gegen Mißstände in Universität, Staat und Gesellschaft auflehnen und Reformen fordern; andererseits […] es sich um Störungen [handle], die bewußt auf einen totalen Umsturz zielen. In der studentischen Protestkundgebung verbänden sich beide Aspekte miteinander«.63 Umgekehrt fühlten sich viele Studierende, auch gemäßigte, in ihrer Kritik nicht hinreichend ernst genommen: »Unsere Kritik ist zu begründet, um als pubertär abgetan zu werden. Wer das Geschick seines Volkes mitzugestalten berechtigt ist, der hat das Recht, seine eigenen Angelegenheiten mitzubestimmen.«64 Der AStA unter Führung Pörtners versuchte, einen Mittelweg zu gehen und setzte auf Reform statt Revolte, kritisierte mangelnde Reformbereitschaft des universitären Establishments ebenso wie die auf Krawall und Provokation setzenden Methoden der Studentengewerkschaft und des SDS.65 Zu Beginn des Wintersemesters 1967/68 begann die Studentengewerkschaft 60 Ebd. 61 Siehe dazu auch den Offenen Brief des Rektors an die Studenten vom 06. 12. 1967, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 467. 62 Protokoll der wegen des geplanten Anti-Dies abgehaltenen Sondersitzung des Senats vom 05. 12. 1967, in: UAB, Senat, 143–5. 63 Protokoll der Senatssitzung vom 14. 12. 1967, TOP 2, in: UAB, Senat, 143–7. 64 Wolfgang Reeder, Aufstand oder sitzenbleiben?, in: AStA-Info 15 (02. 11. 1967), S. 1. 65 Vgl. Wolfgang Reeder, Alternative?, in: AStA-Info 21 (08. 12. 1967); Leitartikel in: AStA-Info 22 (12. 12. 1967).
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Abb. 32: Rudi Dutschke im Universitäts-Hauptgebäude am 6. Dezember 1967
mit der an der Universität Bonn bis dahin noch nicht praktizierten Aktionsform »permanenter Vorlesungskritik«.66 Gegenstand und Zielscheibe war die vom Osteuropa-Historiker Horst Jablonowski gehaltene Vorlesung über die Geschichte der Sowjetunion von 1917 bis 1939, die mit permanenten »Fragen«, Zwischenrufen, Unmutsäußerungen wie Füßescharren und Gelächter sowie schriftlichen Vorlesungskritiken »begleitet«, das heißt sabotiert werden sollte.67 Einige Studenten, marxistisch-leninistisch geschult, sahen die »ruhmreiche« Sowjetunion durch Jablonowski ideologisch verunglimpft.68 Die Studentengewerkschaft bestand angesichts der vermeintlichen »professoralen Unfähigkeit, revolutionäre Vorgänge zu begreifen«,69 auf vorlesungsbegleitender Kritik in Permanenz. Weil sie den Anschein erwecken konnte, ein damals noch keines66 Die sogenannte Vorlesungskritik war zuvor schon Gegenstand von Abhandlungen in der Studentenzeitschrift »akut« gewesen; siehe Hans Günter Jürgensmeier, Angriff auf heilige Kühe?, in: Akut 33 (Juni 1967), S. 16; Wilfried v. Bredow, Studentische Anmaßung, in: Akut 35 (Oktober 1967), S. 4f. 67 Ausführliche Darstellung bei Bothien, Protest, S. 73–80, der »beiden Seiten« »rigides Denken« vorwirft (S. 74) und die schroff ablehnende Reaktion des Professors für »unverständlich« erklärt (S. 79). Ebenso in der Bewertung »›Jablonowski und die Ordnung‹ o d e r ›Studentengewerkschaft ohne Fehl und Tadel‹«, in: AStA-Info 14 (25. 10. 1967). 68 Die Studentengewerkschaft sprach in einem Flugblatt (»Vorlesungsnachrichten 1« vom 17. 10. 1967) von »einer kaum übersehbaren Fülle von Verleumdungen« der Sowjetunion, vgl., UAB, AStA 81–170. 69 Ebd.
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wegs allgemein anerkanntes Fragerecht der Studenten gegenüber dem Dozenten einer Vorlesung erkämpfen zu wollen, fand die Aktion unter den Studenten auch durchaus Unterstützer. Das Studentenparlament befürwortete grundsätzlich die Einführung einer öffentlichen Kritik an Lehrveranstaltungen als einen Beitrag zur Studienreform. »Jede Kritik an Lehrveranstaltungen ist zugleich Ausdruck des Anspruches an die Universität, endlich ihre Institutionen sinngemäß zu demokratisieren und des Anspruchs an die Studenten, aus der Haltung bloßer Rezeptivität zu öffentlicher kritischer Stellungnahme überzugehen. Die Vorlesungskritik muß als Moment eines allgemeinen Stilwandels an der Universität verstanden werden«, aber auch »die selbstverständlichen formalen Grenzen kritischer Meinungsäußerung einhalten«.70 Die Studentengewerkschafter aber hatten in Wirklichkeit gar keine Fragen an den Dozenten, sondern festgefügte, den Jablonowskischen entgegengesetzte Ansichten über den Ausbruch der Oktoberrevolution und die Geschichte der Sowjetunion, die sie propagandistisch in der Protestform ihrer »Vorlesungskritik« artikulierten. Die Fragen, die sie stellten, waren daher nur rhetorischsuggestive Fragen, die provozieren sollten.71 Jablonowski war indes nicht bereit, sich darauf einzulassen und während der Vorlesung solche Fragen zuzulassen und zu beantworten. Vermittlungsbemühungen des AStA, die darauf zielten, das berechtigte Anliegen der Studenten, Lehrveranstaltungen in Form und Inhalt zu kritisieren, ins rechte Verhältnis zum Recht des Dozenten zu setzen, seine wissenschaftlichen Theorien ungehindert vorzutragen, scheiterten. Jablonowski, der sich nicht verbiegen lassen wollte, aber immerhin ein ergänzendes Kolloquium angeboten hatte, in dem er Fragen beantworten wollte, brach die Vorlesung schließlich ab.72 Sie wurde, auf Wunsch einer Mehrheit der Studenten, die sich von den Aktionen der Studentengewerkschaft ebenso wie die Fachschaft Geschichte distanzierten,73 als Privatissimum fortgesetzt.74 Die Professoren der 70 Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 15. 11. 1967, TOP 15, S. 4f., in: UAB, AStA 81–87. 71 Mit Recht betonte der RCDS in einem Flugblatt: »Jeder Vertreter einer kritischen Wissenschaft wird für ein ›permanentes Fragen‹ und In-Frage-Stellen eintreten – gegen Dogmatismus und problemlosen Positivismus. Es kommt aber alles darauf an, aus welchem Grunde, mit welcher sachlichen Vollmacht und welcher Absicht in Lehrveranstaltungen gefragt wird. Wenn Grund, Vollmacht und Ziel ausschließlich die politische Aktion sind, so hört das Fragen auf, wissenschaftlich zu sein. Es nähert sich dem bewusst parteilichen Verhalten totalitärer Ideologie und ist das Ende der Freiheit von Forschung und Lehre«, in: UAB, AStA 81–170. Von der Dollen, 1968, S. 218, spricht von einem Exempel dafür, dass und wie »die kommunistisch infiltrierte Linke Lehrveranstaltungen der ideologischen Kontrolle unterwerfen wollte und vor Terrorisierung von akademischen Lehrern wie Studierwilligen nicht zurückschreckte«. 72 Protokoll der Senatssitzung vom 07. 12. 1967, TOP 2d, S. 3, in: UAB, Senat 143–6. 73 Vgl. den mit 21 Stimmen bei einer Enthaltung angenommenen Beschluss Nr. 106 des Studentenparlaments vom 15. 11. 1967, in: UAB, AStA 81–87: »Das SP ist der Auffassung, daß die
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Geschichtswissenschaft erklärten sich mit Jablonowski solidarisch und drückten die Hoffnung aus, »dass die Methoden, die schon einmal mit verhängnisvollem Ergebnis von deutschen Studenten gegen akademische Lehrer und die Freiheit der Lehre praktiziert worden sind, an unserer Universität nicht heimisch werden.«75 »Unter Zurückstellung erheblicher Bedenken« beschloss der Senat, auf die seit Beginn des Wintersemesters 1967/68 erfolgten »schweren Verstöße gegen die Ordnung der Universität« vorerst nicht mit verwaltungs-, disziplinar- und strafrechtlichen Maßnahmen gegen die daran beteiligten Einzelpersonen und studentischen Gruppen zu reagieren. Man war sich darüber im Klaren, dass die rechtlichen Instrumente weithin stumpf waren,76 und erhoffte sich eine Beruhigung der Lage durch eine Verbesserung und Intensivierung der Informationspolitik; außerdem suchte man die regelmäßige Aussprache mit den Studenten.77 Tatsächlich fand im Dezember 1967 eine offene Diskussion mit dem Rektor über grundsätzliche Fragen der Mitbestimmung der Studenten und Assistenten sowie über Inhalt, Zweck und Ausmaß insbesondere studentischer Mitwirkung, statt.78 Die Studentenproteste des Jahres 1968 1968 spitzten sich auch an der Universität Bonn die Auseinandersetzungen zwischen der Universitätsleitung und radikalen Teilen der Studentenschaft zu, wobei es auch zu gewaltsamen Ausschreitungen kam.79 Ende Januar/Anfang Februar 1968 veranstaltete der SDS anlässlich des 35. Jahrestags der nationalsozialistischen Machtergreifung eine »antifaschistische Woche«, in der Bundespräsident Lübke vorgeworfen wurde, am Bau von KZBaracken beteiligt gewesen zu sein, was dieser bestritt. Als vermeintlicher Beweis wurde Lübkes Paraphe auf Bauplänen angeführt; die aus der DDR stammenden Dokumente dürften nach heutigem Erkenntnisstand von der Stasi gefälscht
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Maßnahmen und Methoden der Studentengewerkschaft in der Vorlesung von Prof. Jablonowski nicht die Bezeichnung ›Vorlesungskritik‹ verdienen. […] Das SP verurteilt diesen Versuch einer Politisierung der Wissenschaft.« Siehe Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät vom 13. 12. 1967, S. 5, in: UAB, PF 138–193. Professoren-Flugblatt vom 06. 12. 1967, zitiert nach: Dohms/Paul, Studentenbewegung, S. 71 m. Fn. 43. Vgl. die »Rechtliche Würdigung von gezielten Kollegstörungen sowie von Vorgängen wie am ›Anti-Dies‹ durch den Strafrechtler Kaufmann, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 14. 12. 1967, TOP 2, in: UAB, Senat, 143–7. Siehe auch bereits das Protokoll der Senatssitzung vom 02. 11. 1967, S. 1–3, in: UAB, Senat, 143–3. Protokoll der Senatssitzung vom 14. 12. 1967, TOP 3, 5 u. 6, in: UAB, Senat, 143–7. Siehe Einladungsflugblatt des AStA vom 18.12.67, in: UAB, AStA 81–163. Siehe auch Hillgruber, Studentenrevolte, S. 189–215 mit weiteren Literaturnachweisen.
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gewesen sein.80 Damit begann die Kampagne des SDS gegen den von ihnen sogenannten »KZ-Baumeister Lübke«.81 Der Senat wurde aufgefordert, dem dadurch angeblich untragbar gewordenen Lübke die verliehene Ehrensenatorwürde abzuerkennen.82 Um ein Gespräch mit dem Rektor in dieser Angelegenheit zu erzwingen, betraten SDS-Mitglieder und Sympathisanten am 6. Februar 1968, darunter Glen Pate (»Ich legte meine Stiefel auf den Schreibtisch des Rektors«)83 eigenmächtig das Dienstzimmer des Rektors und setzten im dort offen ausliegenden Gästebuch der Universität unter den Namenszug des Ehrensenators Lübke die – wie sie es nannten – »korrekte Berufsbezeichnung ›KZBaumeister‹«.84 Die Universitätsleitung stellte Strafantrag wegen schweren Hausfriedensbruchs. Am darauffolgenden Tag – der Rektor hatte den SDS von einem Informationsgespräch mit Vertretern der Studentenschaft über die gegen Lübke erhobenen Vorwürfe wegen der Vorfälle am Vortag ausgeladen – wollten sich dessen Anhänger während des Gesprächs erneut gewaltsam Zugang zum Rektorat verschaffen (Go-In), was die Polizei zu verhindern suchte. Das anschließende Sit-In löste sie durch Wegtragen der blockierenden, »We shall overcome« und »Auferstanden aus Ruinen« singenden Studenten auf. Der AStA-Vorsitzende Peter Schon kritisierte, dass »Rektor und Senat sich weigerten, über die Aberkennung der Ehrensenatorwürde Lübkes zu diskutieren, dagegen bereit waren, über die Aberkennung der Immatrikulation derjenigen Studenten zu verhandeln, die über Lübke zu diskutieren verlangen«.85 Vom SDS wurde der Polizeieinsatz sogleich als »Polizei-Terror in der Uni« perhorresziert und der Rektor als »Notstandsknecht« diffamiert.86 Auf die Mauer des Hauptgebäudes wurden Sprüche wie »Schneemelcher läßt den Notstand proben«, »Schneemel80 So die ehemaligen Mitarbeiter der Abteilung IX des Ministeriums der Staatssicherheit Bohnsack/Brehmer, Irreführung, S. 59f.; so auch Morsey, Lübke, S. 510 Anm. 29. Siehe ferner Knabe, Republik, S. 121–123. Wagner, Der Fall Lübke, in: Die Zeit vom 19. 07. 2007, der im Übrigen zu folgender Gesamteinschätzung kommt: »Lübke war sicherlich kein Kriegsverbrecher. Vor dem Hintergrund seiner Tätigkeit in Peenemünde und im Jägerstab erscheint der spätere Bundespräsident aber als einer der vielen vermeintlich technokratischen Ingenieure und Verwaltungsfachleute, die ihre Kenntnisse in den Dienst des Systems gestellt und dabei die dehnbare Trennlinie zwischen Mitwisser- und Mittäterschaft überschritten haben, ohne selbst überzeugte Nationalsozialisten gewesen zu sein.« 81 Ausführliche Schilderung der nachfolgend angeführten Ereignisse bei Bothien, Protest, S. 20–27. 82 Protokoll der Senatssitzung vom 15. 02. 1968, Top 4a, S. 3f., in: UAB, Senat, 143–9. 83 Feh8r/Prante, Oase. 84 Pauly, Klimawechsel. Siehe dazu auch Aktenvermerk Gruppenleiter II B im Kultusministerium vom 07. 02. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 467. 85 Zit. nach Feh8r/Prant, Oase. 86 Siehe dazu die Meldung des Polizeipräsidenten an das Innenministerium, das LKA, den Regierungspräsidenten und das BKA, Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 428.
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Abb. 33: Auszug aus dem Goldenen Buch der Universität Bonn
cher – Nazifreund«, »Uni für Studenten gesperrt, Polizei studiert«, »Polizeischule hier« gepinselt.87 Dieser erste Polizeieinsatz in der Universität seit 1945 stieß ungeachtet des ihn auslösenden rechtswidrigen Verhaltens von linksradikalen Studenten auch bei anfangs gemäßigteren Studenten auf Ablehnung: »Dieser Polizeieinsatz, den fand ich unmöglich, unnötig und unklug. Die Sache eskalierte und gab Leuten, die wir nicht so gerne mochten, Auftrieb. Der Polizeieinsatz spielte bei mir eine wichtige Rolle, mich weiter nach links zu bewegen.«88 Gegen die als Rädelsführer der »Belagerung« angesehenen SDS-Aktivisten Hannes Heer und Glen Pate wurden Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Relegation eingeleitet,89 die später aber wieder eingestellt wurden. Der Rektor Schneemelcher bezeichnete in einer Rede, die er am 13. Februar 1968 von der Brüstung unter der Regina Pacis herab zu zweitausend Studierenden auf der Hofgartenseite hielt, das Vorgehen der kleinen radikalen Studentengruppen als »Terror«; er werde das Recht auf freie öffentliche Meinungsäußerung achten,
87 Feh8r/Prante, Oase. 88 Interview mit dem Zeitzeugen Eckehart Ehrenberg, in: Bothien, Protest, S. 97. 89 Universitätsrat Prof. von Weber ordnete für die beiden Studenten nach § 11 Abs. 2 der Disziplinarordnung das Ruhen der akademischen Rechte an und legte dem Disziplinarausschuss Anschuldigungsschriften nach § 11 Abs. 4 vor; siehe Schreiben des Rektors an den Kultusminister vom 19. 03. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482.
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aber Gewaltakte und Rechtsbrüche nicht dulden.90 »Für die Universität ergibt sich daraus die Forderung, die Freiheit von Lehre und Forschung, die Freiheit geistiger Auseinandersetzungen und die Freiheit des einzelnen gegenüber Pressionsversuchen einzelner Gruppen zu wahren«.91 Nach dem Anschlag auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 versammelten sich wenige Tage später, am 16. April 1968 um 14 Uhr 600 Studierende zu einer Protestversammlung im Arkadenhof und zogen anschließend als Spontandemonstration durch die Bonner Innenstadt.92 Der Rektor verurteilte in einer Erklärung das Attentat als »gemeines Verbrechen« und »politischen Mord«, rief aber gleichzeitig die Studenten zur Besonnenheit und zu politischer Vernunft auf.93 In der Professorenschaft wurde die Auffassung vertreten, die studentischen Unruhen seien ernst zu nehmen und entsprängen nicht einer Lust am Randalieren. Folgende Ursachen seien hierfür entscheidend: »1. Objektive Mißstände im Hochschulbereich, z. B. schwierige Studienverhältnisse in Massenfächern. 2. Politisierung der Studenten verbunden mit Generationsproblemen; Auffassung der Studenten, die ältere Generation habe politisch versagt. 3. Bestreben des SDS, eine Politisierung der Universität zum Zweck der Änderung der Gesellschaft zu erreichen.«94 Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, »daß studentische Aktionen nach Ursache, Ziel und Umfang unterschiedlich zu bewerten seien und dementsprechend auch Maßnahmen unterschiedlicher Art erforderlich machen würden.« Andererseits wurde die Entwicklung auch mit wachsender Sorge betrachtet, weil sie »die Beschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre und damit eine Verkümmerung der Wissenschaft selbst zur Folge« habe. Diese ernste Sorge fand im Marburger Manifest zur Politisierung und sogenannten Demokratisierung der Hochschulen ihren beredten Ausdruck. In dem auch von zahlreichen Bonner Professoren unterzeichneten Dokument wurde »die Gefahr« beschworen, »die das Wesen der deutschen Hochschule bedroht […]. Sie liegt in der eingetretenen Vermischung des Gedankenguts der Hochschulreform mit dem eines gesellschaftlichen Umsturzes insgesamt, wie er von radikalen Gruppen beabsichtigt wird.«95 Gegenüber den Provokationen linksextremer Studenten blieb die Universität allerdings letztlich hilflos.96 90 91 92 93 94
Schneemelcher, Rede, S. 4. Ders., Bericht, S. 11. Feh8r/Prante, Oase. Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 15. 02. 1968, in: UAB, Senat, 143–9. So der Strafrechtler Armin Kaufmann, siehe Besprechung betreffend Maßnahmen gegen studentische Ausschreitungen innerhalb und außerhalb der Universitäten mit Vertretern des Innenministeriums, Justizministeriums, Kultusministeriums, der Staatskanzler und Prof. Dr. Kaufmann (Univ. Bonn) vom 05. 04. 1968, Auszug aus dem Aktenvermerk vom 23. 04. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 458. 95 Das Marburger Manifest vom 17. 04. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 353
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Das zeigte sich erneut bei der im Mai 1968 anstehenden Neuwahl des Dekans der Philosophischen Fakultät,97 als die Studenten eine öffentliche Vorstellung der Kandidaten und eine Beteiligung von studentischen Vertretern verlangten, was der amtierende Dekan mit der Begründung ablehnte, die Wahl des Dekans sei keine studentische Angelegenheit. Die vorgesehene Wahl von Rudolf Schützeichel, einem entschiedenen Gegner der sogenannten Demokratisierung der Hochschule, wurde von einigen links dominierten Fachschaften als »Provokation« angesehen. Daraufhin wollten einige Studenten den Zugang zur Fakultätssitzung erzwingen, was indes nicht gelang; doch wurden die Fakultätsmitglieder durch ein Sit-In und ein Verbarrikadieren der Türen am Verlassen des Fakultätssitzungszimmers auf regulärem Weg gehindert. Es kam zu Sachbeschädigungen, ein Fakultätsmitglied wurde tätlich angegriffen.98 Die Dekanswahl musste jedoch, weil Schützeichel wegen eines Rufes nach Münster nicht annahm und auch der Psychologe Hans Thomae, auf den beim zweiten Anlauf die Wahl gefallen war, sie wegen der Nichtbeteiligung studentischer Vertreter nicht angenommen hatte, ein drittes Mal durchgeführt werden. Die Fakultät erlaubte dieses Mal zwei studentischen Vertretern die Anwesenheit.99 Das genügte indes einigen linksradikalen Studenten, die einem Aufruf des SDS zu politischer Aktion gefolgt waren, nicht. Sie machten ihre Androhung eines »eindringlichen Go-In« wahr, zerschlugen die Fensterscheiben des Sitzungszimmers und stiegen ein.100 Erneut erstattete die Universität Strafanzeige, dies-
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Nr. 88. Zu den Bonner Unterzeichnern gehörten unter anderem: Edmund Gassner, Herwig Hamperl, Paul Egon Hübinger, Hubert Jedin, Horst Jablonowski, Günther Jungbluth, Heinrich Lützeler, Gustav Mensching, Heinrich Puff, Konrad Repgen, Hans-Joachim Rothert, Karl Theodor Schäfer, Hatto Schmitt, Rudolf Schützeichel, Johannes Straub, Hans Welzel, Benno von Wiese, Herbert Zachert und Felix Zymalkowski. Der Dekan der Philosophischen Fakultät sah sich im Dezember 1968 gezwungen, eine Fakultätssitzung abzusagen und erklärte, »dass ich […] auch in Zukunft nicht dazu bereit sein werde, eine Sitzung unter Umständen einzuberufen und abzuhalten, die eine Nötigung der Fakultät bedeuten«, Brief des Dekans Lützeler an die Mitglieder der Engeren Fakultät vom 16. 12. 1968, in: UAB, PF 138–194. Zu den Vorgängen vgl. Bothien, Protest, S. 89–91; Dohms/Paul, Studentenbewegung, S. 72f. sowie das Protokoll der Fakultätssitzung vom 22. 05. 1968, TOP 5, in: UAB, PF 138–194. Bericht des Dekans an den Rektor über die Sitzung der Philosophischen Fakultät am 22. 05. 1968 vom 24. 05. 1968 sowie Bericht des Dekans an den Rektor über die Sitzung der Philosophischen Fakultät am 22. 05. 1968 vom 05. 06. 1968, Anlagen zum Protokoll der Fakultätssitzung vom 22. 05. 1968, in: UAB, PF 138–194. Protokoll der Fakultätssitzung vom 19. 06. 1968, in: UAB, PF 138–194. Bothien, Protest, S. 90. Zu den Vorgängen siehe auch das Protokoll der Fakultätssitzung vom 26. 06. 1968, in: UAB, PF 138–194. Siehe auch den Bericht des AStA-Vorsitzenden Peter Schon, Das Spiel mit der Wahrheit, in: AStA-Info 15 (01. 07. 1968), S. 1f.
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mal wegen Land- und Hausfriedensbruchs sowie Nötigung und Sachbeschädigung.101 Die offiziellen Feierlichkeiten zum 150jährigen Bestehen der Universität nutzte die Studentengewerkschaft erneut zum medienwirksamen Protest. Sie organisierte nach dem Militärputsch in Griechenland und der Machtübernahme durch ein Obristenregime wegen der Einladung der regimetreuen Rektoren der Universitäten Athen und Thessaloniki102 zu einem Empfang auswärtiger Gäste am 10. Juli 1968 ein Sit-In, das zum Spießrutenlaufen für die Ehrengäste werden sollte, denen die Polizei mühsam eine Gasse bahnen musste. Fensterscheiben wurden eingeworfen, die Tür zum Festsaal eingerammt. Nur ein massiver Polizeieinsatz verhinderte ein Eindringen der Störer, für den SDS nur ein weiterer Beleg für die vermeintliche Selbstentlarvung des »westdeutschen Polizeistaates«.103 Der offiziellen Festschrift der Universität wurde von Seiten der Studentengewerkschaft eine Alternative entgegengesetzt: Die »Gegenschrift«, deren Einband neben dem Universitätssiegel auch das Bayer-Kreuz zierte,104 trug den seine marxistische Grundausrichtung bereits unzweideutig zum Ausdruck bringenden, programmatischen Titel »150 Jahre Klassenuniversität. Reaktionäre Herrschaft und demokratischer Widerstand am Beispiel der Universität Bonn«. Politischer Höhepunkt der Protestbewegung waren die Demonstrationen gegen die geplante Notstandsverfassung. Sie wurde von der radikalen Linken als Versuch gedeutet, auf legalem Wege die Demokratie in eine Notstandsdiktatur zu überführen. Die Notstandsgesetzgebung – man sprach nur von den »NS-Gesetzen« – wurde allen Ernstes mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gleichgesetzt.105 Diese Einschätzung war zwar völlig abwegig,106 fand aber gleichwohl 101 Die Strafverfahren sollten schließlich aufgrund des Amnestiegesetzes von 1970 eingestellt werden. 102 Zur Kritik siehe Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 26. 06. 1968, Antrag II o.ö./7, in: UAB, AStA 81–90; Protokoll der Senatssitzung vom 27. 06. 1968, TOP 7, S. 4, in: UAB, Senat 143–13. 103 Man wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates einmischen, mit dem die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhalte. Mit dieser Begründung hatte das Rektorat der Universität es am 03. 05. 1967 abgelehnt, dem AStA wie gewünscht einen Raum für eine Diskussion zum Thema »Diktatur in Griechenland« zu gewähren; siehe Verlautbarung des Rektorats zur »Griechenlandaktion des AStA« vom 03. 05. 1967, in: UAB, Senat 33–23. Dazu angesichts der noch ungesicherten Stellung der Bundesrepublik im Konzert der westlichen Mächte verständnisvoll Aly, Kampf, S. 62. 104 Die einzige personelle Verbindung zum Bayer-Konzern bestand damals in der Person des Direktors der Bayer-Werke in Leverkusen, Professor Dr. Hansen, in seiner Eigenschaft als Ehrensenator der Universität. Im Übrigen war die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn, GEFFRUB im Jahr 1917 unter der Ägide von Carl Duisberg, dem ehemaligen Generaldirektor von Bayer und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der I.G. Farbenindustrie AG gegründet worden. 105 Das »Kuratorium: Notstand der Demokratie« behauptete, die Notstandsgesetzgebung solle
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eine beachtliche Gefolgschaft. Am 11. Mai 1968 demonstrierten nach einem Sternmarsch im Bonner Hofgarten 50.000 Menschen, darunter viele Studenten, friedlich gegen die bevorstehende Verabschiedung der Notstandsverfassung.107 Durch den Protest ließen sich die Politiker der Großen Koalition, die sich auf die Notstandsgesetzgebung verständigt hatten, aber nicht beirren. Radikale Kräfte wollten deshalb »den Druck« erhöhen.108 Linksradikale Studenten riefen in Bonn zum organisierten »Widerstand« auf; dabei sollte die Universität zum »Agitationszentrum Nummer eins« werden.109 Für den 15. Mai 1968, den Tag der zweiten Lesung im Bundestag, wurde ein »Vorlesungsstreik« organisiert:110 Studenten blockierten sitzend die Eingänge zum Hauptgebäude; studierwillige Studenten ließ man indes noch passieren. Soweit Vorlesungen stattfanden, wurden sie teilweise zu Diskussionsforen umfunktioniert. Am 27. Mai 1968 besetzten 20 Studenten den Hörsaal I und hielten ihn mehrere Tage lang besetzt. Auf diese Weise sollten Professoren und Studenten zu »Zwangsdiskussionen« über die Notstandsgesetzgebung genötigt werden, eine Art von politischer Geiselnahme. Am 30. Mai 1968, dem Tag der Abstimmung im Deutschen Bundestag, sollte der Vorlesungsbetrieb völlig lahmgelegt und zu diesem Zweck die Universität »dicht« gemacht werden. Tatsächlich wurden in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai die Eingänge verbarrikadiert und mithilfe von Gerät, das von Baustellen entwendet worden war, unpassierbar gemacht. Die Hausmeister konnten die Barrikaden allerdings noch rechtzeitig vor Vorlesungsbeginn entfernen und die Zugänge wieder öffnen.
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dazu dienen, »1. im Falle innerer Krisen die Lohnabhängigen zu disziplinieren, 2.) jede manifeste Oppositionsbewegung auszuschalten, 3.) die gesamte Bevölkerung durch paramilitärische Gleichschaltung nach Gefolgschaftsprinzip in allen gesellschaftlichen Bereichen für die Ziele der Herrschenden zu mobilisieren«; zitiert nach Bothien, Protest, S. 52. Wenn es an der Notstandsverfassung (Art. 115a ff. GG) etwas zu kritisieren gibt, dann ist es allenfalls ihr rechtsstaatlicher Perfektionismus, der zweifeln lässt, ob sich mit ihrer Hilfe ein wirklicher Notstand bewältigen ließe. Im Übrigen hätte ein Verzicht auf die Notstandsverfassung bedeutet, dass die insoweit bis dahin noch bestehenden alliierten Vorbehaltsrechte, die den Alliierten praktisch plein pouvoir gaben, fortgegolten hätten – keine erstrebenswerte Alternative. Vgl. allgemein Schneider, Demokratie. Siehe dazu auch Aly, Kampf, S. 121: SDS-Funktionäre kritisierten den friedlichen Verlauf als Rückschritt in die »Zeit vor Ostern«, das heißt vor den gewalttätigen Osterunruhen in Berlin, Hamburg, Frankfurt und München. Vgl. dazu Bothien, Protest, S. 59f. Dazu hatten neben linken bis linksradikalen Studentengruppen auch vier Professoren (Jakob Barion, Hans-Georg Geyer, Hans Rothe, Gerd Wolandt), und Assistenten mit der Begründung aufgerufen, die Notstandsgesetze stellten »eine außerordentliche Gefährdung der Demokratie« dar; siehe Aufruf, in: UAB, AStA 81–175. Beim Sternmarsch gegen die Notstandsgesetze hielt der evangelische Theologe Walter Kreck eine Rede, in der er es für notwendig erklärte zu begreifen, welche Chance dem deutschen Volk aus dem Aufbruch einer kritischen und engagierten Jugend erwachse, siehe UAB, AStA 81–197.
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Nachdem es im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen die Notstandsgesetzgebung im Mai 1968 zur Besetzung von Hörsälen im Hauptgebäude gekommen war, und man sich mangels polizeilichen Einschreitens der Gewalt hatte beugen müssen,111 wandte sich der Rektor hilfesuchend an den Kultusminister, den er dringlich ersuchte, »bei dem Herrn Innenminister zu erwirken, daß der Universität der erforderliche Polizeischutz gewährt wird, wann immer er benötigt wird. Für den Fall, daß die staatlichen Sicherheitsorgane den Schutz wieder verweigern, werden Rektor und Dekane sich nicht mehr in der Lage sehen, die Verantwortung ihres Amtes weiterhin zu tragen.«112 Im Vorfeld der anstehenden Rektorwahl erklärte das Studentenparlament die bisher geübte Praxis, den Rektor der Reihe nach aus den verschiedenen Fakultäten zu wählen, für nicht mehr zeitgemäß. Man verlangte eine Beteiligung der Studenten, die durch den Rektor schließlich – als Mitglieder der Universität – ebenfalls repräsentiert würden. Der AStA beraumte für den 21. Juni 1968 eine öffentliche Befragung der Rektorkandidaten durch die Studenten an,113 an der die jungen Professoren Siegfried Penselin und Heinrich Carl Weltzien teilnahmen, der Karl Josef Partsch jedoch mit der Begründung fernblieb: »Ich kann mich doch nicht mit den Kandidaten des Kritischen Forums vorstellen. Sie verstehen, dadurch würde der Anspruch der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät auf Nominierung des Rektorkandidaten angetastet.« Daraufhin wurde in einem Flugblatt des SDS vom 24. Juni 1968 zum Sit-In aufgerufen, um die verweigerte Diskussion mit dem Kandidaten der Universität zu erzwingen. Am 24. Juni 1968 wurde der Jurist Partsch schließlich »unter zum Teil tumultartigen Umständen«114 zum Rektor für das akademische Jahr 1968/69 gewählt. Der SDS ließ daraufhin verlautbaren: »Die am 24. Juni 1968 anläßlich der Rektorwahl in der Vorhalle zum Hörsaal XVII versammelten Studenten stellen mit Betroffenheit fest, daß die Einsicht in die Lage unserer Universität, in ihre Probleme und die Methoden zu ihrer Lösung bei den offiziellen Vertretern der Universität, den Mitgliedern des Großen Senats, noch immer nicht soweit gediehen ist, daß nämlich der erste Schritt zur Hochschulreform die rationale Diskussion der anstehenden Probleme ist. Wir Studenten stellen fest, daß der Große Senat länger als eine Stunde über die Zulassung von 20 studentischen ›Zuschauern‹ (!) diskutierte, zu einer Diskussion der Kandidaten aber nicht bereit war. […] Wir Studenten erkennen die Wahl nicht an.«115
111 Siehe dazu auch den Artikel des AStA-Vorsitzenden Peter Schon, »… sich der Gewalt beugen…«, in: AStA-Info 10 (30. 05. 1968). 112 Schreiben des Rektors Schneemelcher an den Kultusminister vom 30. 05. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 458. 113 Vgl. AStA-Info, Sondernummer vom 21. 06. 1968, in: UAB, AStA 81–163. 114 Siehe AStA-Info 15 (01. 07. 1968), S. 2f. 115 Feh8r/Prante, Oase.
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Diese Kritik beschränkte sich nicht auf den SDS. Auch der AStA-Vorsitzende betonte bei seiner Rede anlässlich der 150-Jahrfeier der Universität bei dem Festakt in der Beethovenhalle am 11. Juli 1968, »daß die Studenten das Vertrauen auf Reformen verloren haben, daß sie zu verschärften Methoden gegriffen haben und greifen werden, um ihre Universität neu zu gestalten.«116 Am 18. Oktober 1968 fand unter erstmaligem Verzicht auf den der Tradition entsprechenden Aufzug der Professoren in Talaren in schlichter Form die Übergabe des Rektorats von Schneemelcher an Partsch statt. Gegen Ende des Jahres 1968 trat eine gewisse Beruhigung der Lage ein; der Kanzler Eberhard Freiherr von Medem konstatierte: »Nach den Aggressionshandlungen linksradikaler Studentengruppen, die sich im Wintersemester 1967/68 und im Sommersemester 1968 in Bonn ereigneten […], ist die Lage an der Universität Bonn zur Zeit ruhig. Dies hängt vermutlich damit zusammen, daß die aktivistischen Gruppen sich angesichts der entschlossenen Abwehr der Universitätsorgane einer steigenden Isolierung gegenübersahen. Der zur Zeit im Amt befindliche ASTA, der mehrheitlich vom RCDS getragen wird, bemüht sich wie sein Vorgänger um ein loyales Verhältnis zu den Universitätsorganen, vertritt jedoch zum Teil auch Forderungen, die von den Gruppen der sogenannten APO gestellt werden, insbesondere die auf »Demokratisierung« und »Öffentlichkeit« der Entscheidungen aller Universitätsorgane.«117
Im Zusammenhang mit der geplanten Einführung einer Zwischenprüfung und der von studentischer Seite erhobenen Forderung nach der Öffentlichkeit sämtlicher universitärer Gremien unabhängig von ihren jeweiligen Beratungsgegenständen zeichnete sich aber bereits wieder »die Tendenz zu einer erneuten Verschärfung der Lage ab«.118 Die Universitäten sahen sich zunehmend Forderungen gegenüber, die auf eine grundlegende Umgestaltung der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung zielten: »Daß die Universität als Ort der Auseinandersetzung gewählt wird, verdankt sie der mit der Freiheit der Wissenschaft verbundenen Verletzlichkeit der Institution Hochschule und der Erwartung, daß eine aus der Universität in die Gesellschaft getragene politische Forderung an der Autorität teilnehmen werde, die die Wissenschaft in unserer Gesellschaft genießt. Ziel der Auseinandersetzung in der Universität ist somit die Usurpation wissenschaftlicher Autorität für politische Forderungen. […] Der Universität fällt damit als Institution eine Aufgabe zu, für deren Bewältigung ihr die institutionellen Voraussetzungen ebenso fehlen wie die politischen. […] Die Universität ist weder, wie mancher Politiker zu glauben scheint, eine gesellschaftliche Isolierstation für Revolutionäre, noch ist sie Brückenkopf der Revolution, als der sie von einigen Studenten116 Abgedruckt in: AStA-Info, Sondernummer vom 16. 07. 1968, S. 1–4, Zitat S. 3. 117 Schreiben an den Kultusminister vom 10. 12. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 459. 118 Ebd.
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schaften und politischen Studentengruppen gesehen wird. Wer sie in diese Funktion drängt, mißbraucht ihre Autonomie und zerstört die Fähigkeit der Hochschule, ihren wissenschaftlichen Auftrag zum Wohle der Allgemeinheit zu erfüllen.«119
Die Universitäten beklagten sich über nur schleppende polizeiliche Hilfe und eine Zögerlichkeit auch der Strafverfolgungsorgane; sie fühlten sich von der Politik im Stich gelassen. In einer Besprechung mit den Rektoren der wissenschaftlichen Hochschulen des Landes erklärte Ministerpräsident Kühn am 13. Januar 1969, »er sei nicht gewillt, einen Cohn-Bendit zu tolerieren, um einen deutschen 20. Mai hervorzubringen mit der Folge eines deutlichen Rechts-Rucks bei den nächsten Wahlen. Das französische Beispiel solle allen warnend vor Augen stehen.«120 Die gescheiterte Reform des Disziplinarrechts Auch die von der Disziplinarrechtskommission entworfene Verhaltensordnung,121 die die geltende Disziplinarordnung ablösen sollte, wurde vom Senat im Februar 1968 in ihren Grundzügen zustimmend zur Kenntnis genommen.122 Die von der Studentenschaft geforderte Beschränkung der Disziplinargewalt auf Verstöße gegen die innere Ordnung der Universität erfolgte dabei nicht: »Die Universität kann […] nicht darauf verzichten, Elemente von der Universität fernzuhalten, deren Verhalten außerhalb der Universität unerträglich ist«. Erst, wenn die wünschenswerte Möglichkeit der Exmatrikulation auf dem Verwaltungswege geschaffen sei, könne die geforderte Beschränkung erfolgen.123 Der Große Senat verabschiedete am 4. Juli 1968 eine Änderung der §§ 27–29 der Universitätsverfassung, um das Disziplinarrecht nach Maßgabe der bisherigen Disziplinarordnung vom 12. März 1960124 durch ein neues Ordnungsrecht (Hochschulordnung) ersetzen zu können.125 Die neue Hochschulordnung126 119 Schreiben des Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz, Prof. Dr. Karl Josef Partsch (Universität Bonn) an den Ministerpräsidenten vom 06. 01. 1969, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 459. 120 Gesprächsprotokoll, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 459. 121 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 15. 02. 1968, in: UAB, Senat, 143–9. Siehe auch die Erläuterungen von Prof. Dr. Jürgen Salzwedel, Zur Reform des Disziplinarrechts, in: BUN 2 (01. 02. 1968), S. 1f. 122 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 15. 02. 1968, TOP 8, in: UAB, Senat, 143–9. 123 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 15. 02. 1968, in: UAB, Senat, 143–9. 124 In: UAB, UR 67–109. 125 Siehe »Grundsatzdebatte des Großen Senats über Verfassungsreform«, in: BUN 15 (12. 07. 1968), S. 2 sowie Vorlage des Senats vom 20. 06. 1968 für die Änderung der Verfassung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in: UAB, Senat 16–9. 126 Abgedruckt in: BUN 17 (04. 10. 1968), S. 2f.; ein Muster einer Hochschulordnung war durch das Kultusministerium zwecks Ablösung des überkommenen Disziplinarrechts mit Runderlass vom 11. 06. 1968 übersandt worden; Kopie des Entwurfs in: LAV NRW, Abt.
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wurde schließlich vom Senat gemäß § 29 Abs. 3 der Universitätsverfassung im Juli 1968 im schriftlichen Umlaufverfahren und nach ministerieller Beanstandung wegen Abweichungen vom Musterentwurf127 am 5. September 1968 endgültig verabschiedet.128 Sie schuf nun tatsächlich ein »rein verwaltungsrechtlich orientiertes Ordnungsrecht«, das allein der Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Universitätsbetriebs diente, und »die Anstaltsgewalt (das Hausrecht), die der Rektor gemäß den geltenden Hochschulverfassungen für den Staat als Träger der Hochschule ausübt«, konkretisierte.129 Als einzige Rechtsfolgen von Ordnungsverstößen waren der befristete Ausschluss von Hochschuleinrichtungen oder -veranstaltungen, der Widerruf der Immatrikulation sowie die Androhung dieser Maßnahmen vorgesehen. Einziges Entscheidungsorgan war der Rektor als Träger der Disziplinargewalt, eine Reaktion auf die Weigerung der Studentenschaft, unter dem alten Disziplinarrecht an der Ausübung der Disziplinargerichtsbarkeit weiter mitzuwirken.130 Mit der im Februar 1968 getroffenen Entscheidung des Studentenparlaments, die studentischen Beisitzer aus dem Disziplinarausschuss zurückzuziehen,131 war dieses Gremium nämlich funktionsunfähig geworden,132 »da ohne Mitwirkung der studentischen Beisitzer getroffene Entscheidungen wegen nichtord-
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Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 485. Daraufhin hatte der Senat eine Kommission mit der Erarbeitung einer eigenen Hochschulordnung nach diesem Muster beauftragt; siehe Protokoll der Sondersitzung vom 20. 06. 1968, in: UAB, 143–12. Erlass des Kultusministers vom 29. 07. 1968, in: UAB, Senat, 143–14. Protokoll der Senatssitzung vom 06. 09. 1968, in: UAB, Senat, 143–15. Die Genehmigung der Hochschulordnung und der Verfassungsänderungen durch den Kultusminister erfolgte am 17. 09. 1968, Abschrift in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482. Siehe dazu den Antwortbrief des Ministerialdirigenten Vogtmann von der Hochschulabteilung des Kultusministeriums an den Leiter der Landes- und Stadt-Bibliothek Düsseldorf vom 04. 12. 1968, Entwurf in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482. Siehe dazu auch »Studentisches Disziplinarrecht wird durch Ordnungsrecht abgelöst«, in: BUN 17 (04. 10. 1968), S. 1f. Siehe Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 15. 02. 1968, in: UAB, AStA, 81–91; Schreiben des AStA-Vorsitzenden Pörtner an den Rektor Schneemelcher vom 07. 03. 1968, in dem dieser seinen Rücktritt aus dem Disziplinarausschuss erklärt, Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482; Protokoll der Senatssitzung vom 25. 04. 1968, in: UAB, Senat, 143–10. Siehe dazu das Schreiben des Rektors an den Kultusminister vom 19. 03. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482: »Die Universität Bonn kann die Disziplinargerichtsbarkeit nach der mit Erlass vom 21. Mai 1960 genehmigten Disziplinarordnung nicht mehr ausüben, weil die Studentenvertreter im Disziplinarausschuss nicht mehr mitwirken wollen.« Ebd. auch die Anschuldigungsschriften des Universitätsrats von Weber gegen die Studenten Heer und Pate, die für die Rektoratsbesetzung und den Eintrag im Ehrenbuch der Universität am 06. 02. 1968 verantwortlich gemacht wurden. Der für die Entscheidung über die vom Universitätsrat getroffene Maßnahme zuständige Disziplinarausschuss unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Flume war mangels studentischen Beisitzers nicht entscheidungsfähig.
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nungsgemäßer Besetzung eines Kollegialorgans nichtig sind.« Der Rektor wurde aufgefordert, von seinen rechtsaufsichtlichen Befugnissen Gebrauch zu machen: »Kommt die Studentenschaft ihrer Verpflichtung gemäß §§ 7 und 8 der Disziplinarordnung – Unterbreitung von Vorschlägen für die Besetzung der Disziplinarausschüsse mit studentischen Beisitzern – nicht nach, stehen dem Rektor die Mittel der Aufsichtsführung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts zu Gebote. Als äußerstes Mittel käme nach Androhung unter Fristsetzung die Ersetzung des Vorschlages des Allgemeinen Studentenausschusses durch den Rektor (Selbsteintritt) in Betracht. Da der Rektor gleichzeitig auch für die Ernennung der Studentenbeisitzer in den Disziplinarausschüssen zuständig ist, führt die Anwendung dieses Aufsichtsmittels in der praktischen Konsequenz dazu, daß der Rektor die studentischen Beisitzer ernennen kann, ohne daß es eines Vorschlages bedarf.« Sollte eine ordnungsgemäße Besetzung der Disziplinarausschüsse gleichwohl nicht erreichbar sein, weil kein Student zur Mitwirkung bereit ist, »wäre zu prüfen, ob der Kultusminister im Aufsichtswege die Besetzung der Disziplinarausschüsse mit Nichtstudenten anordnen soll.«133
Nachdem alle Bemühungen des Rektors, Studenten für die Tätigkeit als Beisitzer im Disziplinarausschuss zu gewinnen, ergebnislos verlaufen waren, bat dieser das Kultusministerium um Bestellung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Alphons Kugelmeier, der dem Beirat der Universität und dem Vorstand des Studentenwerks angehörte, zum Beisitzer für den Disziplinarausschuss.134 Das Studentenparlament reagierte darauf mit Empörung und scharfem Protest und drohte unverhohlen, man werde alle Sitzungen des Disziplinarausschusses, die vor der gerichtlichen Klärung der studentischen Einwände stattfinden, mit den geeigneten Mitteln zu verhindern suchen.«135 Dessen ungeachtet bestellte der Kultusminister Rechtsanwalt Kugelmeier ; er wurde »beauftragt, die Aufgaben des Studentenbeisitzers so lange wahrzunehmen, bis die Mitwirkung eines gemäß § 7 Abs. 3 der Disziplinarordnung ernannten Studenten als Studentenbeisitzer im Disziplinarausschuß gesichert ist, […] längstens für die Dauer eines Jahres«.136 Damit konnten die Disziplinarverfahren nun ihren Fortgang nehmen. Mit der kurz darauf beschlossenen neuen Hochschulordnung erledigte sich indes das alte Disziplinarrecht. Die Problematik des überkommenen Disziplinarrechts verband sich in der Person des auch nach seiner Emeritierung 1961 weiterhin amtierenden Uni133 Erlass des Kultusministers vom 26. 03. 1968, Kopie des Entwurfs in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482. 134 Schreiben des Rektors an den Kultusminister vom 24. 05. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482. 135 AStA-Info 13 (18. 06. 1968). Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 11.6.68, in: UAB, AStA 81–90. 136 Schreiben des Kultusministers vom 31. 05. 1968, Abschrift in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 482.
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versitätsrichters Hellmuth von Weber mit Nachfragen nach der unbewältigten NS-Vergangenheit nicht weniger Ordinarien, wobei der Fall von Weber alles andere als eindeutig war. Von Weber hatte 1933 im Reichstagsbrandprozess gegutachtet137 und sich dabei für eine – strafprozeßrechtskonforme – Abkürzung des Verfahrens ausgesprochen sowie die Auffassung vertreten, dass eine rückwirkende Erhöhung des Strafrahmens für Brandstiftung nach § 5 der Reichstagstagsbrandverordnung nicht gegen den Grundsatz nulla poena sine lege verstoße, wie ihn Art. 116 WRV statuierte. Darüber konnte man damals wissenschaftlich streiten; die Qualität des kurz gehaltenen Gutachtens wird unterschiedlich bewertet.138 Von Weber hatte immerhin die Einsetzung eines von den Nationalsozialisten gewünschten Ausnahmegerichts, das an die Stelle des zuständigen, noch rechtsstaatlich gesonnenen Reichsgerichts treten sollte, als verfassungswidrig (Art. 105 WRV) abgelehnt. Eine vom Senat der Universität eingesetzte Kommission gelangte zu der Feststellung, dass aufgrund des Gutachtens und anderer vorliegender Schriftstücke kein Vorwurf nationalsozialistischer Betätigung und Gesinnung gegen von Weber erhoben werden [könne]«.139 Aber natürlich hatte von Weber damit objektiv betrachtet – das ist nicht zu leugnen – einen Beitrag zur Rechtfertigung der Verhängung der Todesstrafe gegen van der Lubbe geleistet,140 und genau dies machten ihm nicht nur linksradikale Studenten, sondern auch linksliberale Professoren und Assistenten zum Vorwurf: »Dass man sowohl von seiten Herrn v. Webers wie seitens der Kommission diese faktische Beihilfe zur Durchsetzung nationalsozialistischer Tyrannei nicht als solche zu erkennen vermag und diesen Vorgang konstatieren kann, ohne sich jedenfalls heute davon zu distanzieren, erfüllt uns mit tiefer Besorgnis.«141 Wie diese Vorgänge studentischerseits wahrgenommen wurden, verdeutlicht die folgende Stellungnahme, die eine verbreitete Einschätzung wiedergibt: »Es gab eben bestimmte Dinge, über die man sich einig war : Ob das der Vietnamkrieg war, die unsäglichen Reaktionen der Bonner Universitätsverwaltung und -oberen auf 137 BA Koblenz, R 43 II/1514, abgedruckt in: Seebode, Rückwirkung. 138 Eingehende und abgewogene juristische Würdigung des Gutachtens anhand des zeitgenössischen Rechtsmaßstabs ebd., S. 435–440. 139 Vgl. die Stellungnahme der Senatskommission zu den Vorwürfen gegen Prof. von Weber, abgedruckt in: BUN 6 (01. 04. 1968). 140 Bei der Beratung im Reichskabinett wurde das Gutachten durch die gegenteilige Stellungnahme des Staatssekretärs im Reichsjustizministerium Schlegelberger »neutralisiert«, und tatsächlich führte das Gutachten nicht zu der geplanten Notverordnung; vielmehr musste wegen »unüberwindlicher Bedenken« des Reichspräsidenten die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes abgewartet werden, das in Art. 2 der Reichsregierung die Kompetenz auch zum Erlass verfassungsändernder Reichsgesetze einräumte; vgl. Seebode, Rückwirkung, S. 440. Im Ergebnis ebenso – von Weber entlastend – Winter/Stolte, von Weber, S. 588. 141 Zit. nach Bothien, Protest, S. 28 m. Fn. 44.
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Abb. 34: Hellmuth von Weber, Universitätsrat
bestimmte Dinge, die einfach anstanden: Diskussionen über NS-Vergangenheit, studentisches Disziplinarrecht, kurz: Fragen von Ehrlichkeit und Gerechtigkeit. Das politisierte mich und eine ganze Menge anderer Leute, mit denen ich zusammen war. Es war das Kopfschütteln über die Art und Weise, wie auf diese Dinge reagiert wurde. […] Die Professoren hatten zum Teil ihre Karriere im ›Dritten Reich‹ begonnen. Viele verhielten sich abwehrend auf ganz simple Fragen, die gestellt wurden. Sie vertuschten. Und das alles war verbunden mit der Frage nach dem überholten studentischen Disziplinarrecht. Und das wurde dann noch ausgeübt von Repräsentanten wie dem Universitätsrichter Prof. v. Weber, der zum Reichstagsbrand Gutachten geschrieben hatte. Dann wurden diese Leute noch verteidigt und hoch gehalten. Damit machte man sich
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unglaubwürdig. Es wurde eine Amtsautorität vorgespielt, die im Grunde gar nicht mehr vorhanden war […].«142
Den linksradikalen Studenten, die belastendes Material gegen von Weber zusammentrugen – sie hatten es in Jena innerhalb einer Woche erhalten, untrügliches Indiz für eine ausgeprägte Nähe des Bonner SDS zum politischen System der DDR143 – ging es allerdings weniger um Aufklärung als vielmehr darum, von Weber persönlich als nazistisch zu diskreditieren und ihren Kampf gegen das universitäre Disziplinarrecht – es waren gerade zwei Relegationsverfahren gegen SDSler anhängig – zugleich als Kampf gegen die braune Vergangenheit zu verklären. Tatsächlich gab von Weber, vom SDS als »Relegationsrat« verunglimpft, auf, und bat um eine vorzeitige Entbindung von seinen Amtspflichten als Universitätsrat.144 Dass in seiner langen Amtszeit außerordentlich wenige Disziplinarverfahren gegen Studenten durchgeführt worden waren und ihm gemeinhin große Fairness attestiert worden war,145 spielte keine Rolle mehr.
Die Haltung der Studentenschaft – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Der Wunsch nach grundlegenden Veränderungen, nach einer Modernisierung der Universitäten wurde von nahezu allen Studenten geteilt. Doch an der Art und Weise, wie die Reformbestrebungen durchgesetzt werden sollten, mit der Universitätsleitung und der Professorenschaft oder gegen sie, mit oder ohne revolutionäre Ziele und Methoden, schieden sich die Geister. Rektor Schneemelcher hatte schon 1968 zutreffend konstatiert: »Nun, die Studenten gibt es nicht, vielmehr ist die Studentenschaft genauso vielfältig und pluralistisch (wie man heute zu sagen pflegt) wie die übrige Gesellschaft.«146 Tatsächlich begannen sich alsbald auch die gemäßigten Studenten politisch zu organisieren,147 wenn auch der Mobilisierungsgrad geringer blieb.148 Neben dem RCDS sind hier insbesondere die »Aktion 68«, die zum Teil aus Verbindungsstudenten bestand und zeitweise den Ersten Studentenparlaments-Sprecher stellte, und der im April 1968 gegründete »Aktionskreis demokratischer Studenten« (ADSt) zu nennen. Von diesen Studenten ging denn auch die Abwehr des 142 Interview mit dem Zeitzeugen Hartwig Suhrbier, in: ebd., S. 93f. 143 Das räumt auch Bothien ein, vgl. ebd. S. 29. 144 Vgl. Beilage BUN 9 (30. 04. 1968). Siehe auch Protokoll der Senatssitzung vom 25. 04. 1968, TOP 3, S. 2f., in: UAB, Senat 143–10. 145 Vgl. Winter/Stolte, von Weber, S. 601. 146 Schneemelcher, Rede, S. 10. 147 Aufschlussreich die Darstellung von von der Dollen, 1968. 148 Vgl. ebd., S. 220: »Man verstand sich lediglich als Zuschauer, der sich weniger über die Ereignisse aufregte, als mit akademischer Süffisanz über die Verlautbarungen und Maßnahmen von Rektor und Senat räsonierte.«
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vom AStA in Anspruch genommenen allgemeinpolitischen Mandats aus.149 Auf Antrag eines Bonner Studenten entschied die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 11. April 1968), dass der AStA das von ihm in Anspruch genommene allgemeinpolitische Mandat nicht besaß; den Hintergrund bildete eine VietnamResolution der Mitgliederversammlung des VDS im März 1968 in München, der die damals designierten Mitglieder des dann amtierenden AStA Bonn zustimmten.150 In den Jahren 1967 bis 1969 gab es in Bonn eine Mehrheit für die gemäßigten politischen Kräfte im AStA. Das änderte sich aber anschließend; seit Beginn der 1970er Jahre dominierte bei einer gemessen an den heutigen Verhältnissen beachtlichen Wahlbeteiligung von immer noch gut 50 Prozent die extreme Linke (Spartakus und SHB);151 der orthodoxe Flügel des 1970 aufgelösten SDS fand sich vor allem im 1969 gegründeten Marxistischen Studentenbund Spartakus wieder, dessen Bundesvorsitzender in den Jahren 1971 bis 1973 das frühere Bonner SDSMitglied Christoph Strawe war. Angesichts der auch in der Szene verbreiteten Einschätzung, dass »die Zeit der meist abstrakten Mobilisierung gegen Hochschulgesetze und ähnliches vorbei ist«, konzentrierte sie sich auf »konkrete Kleinarbeit in den einzelnen Instituten und Seminaren« sowie in einzelnen Lehrveranstaltungen, um dort, wie es im marxistischen Jargon hieß, durch inhaltliche und methodenkritische Auseinandersetzungen »Formierungstendenzen Widerstand entgegenzusetzen«.152 Es muss daher doch festgehalten werden, dass die linksradikale Szene, deren Mitgliederzahl sehr klein war,153 einen zahlenmäßig beachtlichen Unterstützerund Sympathisantenkreis besaß.154 Die politische Strategie, die linksradikalen 149 Siehe dazu ebd., S. 220, S. 226. 150 Das im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangene Urteil des VG Köln vom 11. 04. 1968, 1 L 90/68, DVB1. 1968, S. 710f. ist auszugsweise abgedruckt in: BUN 10 (20.5.68), S. 1–6. Am 19. 08. 1968 wies das Oberverwaltungsgericht Münster die Berufung der Studentenschaft gegen die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichtes Köln zurück. Auszüge der Berufungsbegründung des AStA in: AStA-Info 13 (18. 06. 1968). 151 Das deckt sich mit den Zahlenverhältnissen an den anderen deutschen Universitäten; vgl. Aly, Kampf, S. 82 m. Fn. 114: »Anfang 1972 stellten die unterschiedlichen linksradikalen Gruppierungen rund 60 Prozent der Mandatsträger in den deutschen Studentenparlamenten, der Ring Christlich-Demokratischer Studenten nur noch 9,6 Prozent. Der Rest der Mandate verteilte sich auf ›sonstige‹, teils ebenfalls linke Gruppierungen.«. 152 Die Studentenschaft, in: Chronik 1669/70, S. 60. 153 Der SDS verfügte selbst in seiner Hochzeit 1968 bundesweit nicht über mehr als 2.500 Mitglieder, im Frühjahr 1967 in Nordrhein-Westfalen über nicht mehr als 100 Mitglieder, im März 1969, als der Zenit bereits überschritten war, über rund 200 bis 220 Mitglieder, davon 50 in Bonn, vgl. Aly, Kampf, S. 80 und siehe Dohms/Paul, Studentenbewegung, S. 34f. 154 Ob diese wirklich »nur aus Neugierde und Freude am Krawall dabei« waren, wie Dohms/ Paul, Studentenbewegung, S. 35 m. Fn 111 behaupten, ob sie von der Persönlichkeit ein-
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Aktivisten von der studentischen Mehrheit zu isolieren, verfing nicht wie gewünscht.155 Dies mag damit zusammenhängen, dass die Forderung nach grundlegenden gesellschaftlichen und universitären Reformen weithin communis opinio unter den Studierenden war156 und die Frage, welche Mittel zur Durchsetzung dieser Forderung eingesetzt werden sollten und durften, ausschließlich gewaltlose oder auch gewaltsame, nur von wenigen als demokratische Schlüsselfrage erkannt,157 von vielen aber als bloße Stilfrage betrachtet worden ist, in der man unterschiedlicher Auffassung sein könne. Wolfgang Breyer, Mitglied im RCDS und AStA-Vorsitzender 1968/69, dürfte für viele sprechen, wenn er rückblickend feststellte: »Da war ein emanzipatorischer Trend drin, über den es keinen Dissens gab. Mit den gemäßigten Linken hatten wir ja große Übereinstimmungen, aber mit dem SDS konnte man keine Übereinstimmungen haben, er wollte ja nicht reformieren […].«158 Der Germanist Benno von Wiese hielt in seinen Erinnerungen fest: »Aber ›linke‹ Studenten waren fast alle; zu den konservativen Positionen der Adenauer-Zeit hatten sie kein Verhältnis mehr.«159 Die Verfassungsreform von 1968 Nachdem 1967 »das gesellschaftliche Bewusstsein der Studierenden von einer Bewegung ergriffen worden [war], deren Tiefe und Heftigkeit kaum zu ahnen war«, stand das Jahr 1968 aus Sicht der Universität im Zeichen der bereits eingeleiteten Reform der Universitätsverfassung, deren Grundlinien im Sinne einer breiteren, Assistenten und Studenten stärker einbeziehenden Selbstverwaltung sich bereits abzeichneten: »Es weht«, wie ein Senatsmitglied schon Mitte 1967 feststellte, »ein frischer Wind«.160 Ungeachtet von Widerständen gegen die Einführung eines Stimmrechts der Studenten in Teilen der Professorenschaft legte
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zelner Extremisten fasziniert waren – dem Bonner Hauptmatador Hannes Heer wird verbreitet eine solche persönliche Anziehungskraft attestiert (vgl. Wiese, Ich erzähle mein Leben, S. 357) – oder ob nicht eben doch eine beträchtliche Anzahl von Studenten linksextremistische Ansichten teilte, ist fraglich. Siehe dazu Aly, Kampf, S. 80. Vgl. Interview mit dem Zeitzeugen Jürgen Rosorius, seinerzeit RCDS und AStA-Vorsitzender 1969/70, in: Bothien, Protest, S. 126: »Ich habe die ganze Ordinarienuniversität für völlig überholt gehalten. Das ganze System. […] Wir waren uns ja in der Analyse ja weitgehend einig […].« Beispielhaft dafür Peter Gutjahr-Löser, Interview, in: ebd., S. 100: »Der Versuch, Gerechtigkeit auf dem direkten Weg herzustellen. Das war im Grunde der Kern meiner Auseinandersetzung mit den linken Studenten. Es ging immer um diese Frage: Wie hat die politische Auseinandersetzung stattzufinden.« Interview mit dem Zeitzeugen Wolfgang Breyer, in: ebd., S. 103. Wiese, Leben, S. 356. Ballerstedt, Reform, S.1f.
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die Verfassungsreformkommission dem Senat am 15. Februar 1968 den von ihr unter Hinzuziehung von Vertretern der Assistenten und Studierenden erarbeiteten Verfassungsrevisionsentwurf vom 12. Februar 1968161 vor.162 Gegen die Stimmen der Vertreter der Philosophischen Fakultät billigte der Senat die Grundgedanken des Entwurfs, über die im Sommersemester 1968 entschieden werden sollte. Die durch den künftigen Vorsitzenden des AStA vertretene Studentenschaft forderte indes weitergehende Reformen im Sinne einer »Drittelparität«,163 was die Ordinarien und Assistenten ablehnten: »Aus der Mitgliedschaft in der Universität folgt allerdings nicht das Recht auf gleiche Mitwirkung aller an der Selbstverwaltung. Die Universität ist keine Demokratie, wie das Schlagwort ›Demokratisierung‹ suggerieren will.« Daraus folgte »die Ablehnung einer gruppenparitätischen Beteiligung, die im Übrigen mehr mit ständischem als demokratischem Denken zu tun hat«.164 Die Verfassungsreform war jedoch auch in ihrer gemäßigten Form durchaus umstritten. Einige Professoren kritisierten sie als verfehlten Mittelweg, der die Universität und ihre Autonomie zerstören müsse: »Wer einerseits davon überzeugt ist, dass Assistenten und Studenten besser als die Hochschullehrer wissen, welche Reformen im Hochschulbereich notwendig und möglich sind, andererseits davon, daß diese nur gegen mangelnde Einsicht und mangelnden guten Willen der Mehrheit des Lehrkörpers durchsetzbar sind, muss Assistenten und Studenten mit so viel Stimmrechten ausstatten, daß sie Beschlüsse auch gegen den gesamten Lehrkörper durchsetzen können. Da diese aber ohne den Lehrkörper nicht durchführbar sind, wird die akademische Selbstverwaltung dann lahmgelegt sein. Der Staat, der die Ausbildung der von ihm und der Gesellschaft benötigten Funktionäre unter allen Umständen sicherstellen muß, wird sich genötigt sehen, der akademischen Selbstverwaltung ein Ende und die Universitäten zu reinen Staatsanstalten zu machen, dann aber bei der heute weit stärkeren Abhängigkeit von Forschung und Lehre von materiellen Voraussetzungen weit durchgreifender als zur Zeit des Absolutismus.«
Die Mehrheit der Kommission gehe soweit nicht, sondern lasse Assistenten und Studenten, wenn auch nun mit Stimmrecht ausgestattet, 161 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 15. 02. 1968, TOP 6, in: UAB, Senat, 143–9. Siehe ferner die Erläuterungen des stellvertretenden Vorsitzenden der VerfassungsreformKommission Prof. Dr. Ballerstedt zum Entwurf einer Änderung der Universitätsverfassung vom 01. 03. 1968, in: UAB, Senat, 16–9, insbes. S. 3–5 unter II. 162 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 15. 02. 1968, TOP 6, S. 4–6 in: UAB, Senat, 143–9. 163 Rede des AStA-Vorsitzenden Wolfgang Breyer bei den Immatrikulationsfeierlichkeiten im WS 1968/69, in: BUN 20 (30. 11. 1968), S. 2. 164 Assessor Dr. Hans Meyer, Zum Stand der Verfassungsreform, in: BUN 7 (10. 04. 1968), S. 2. Entschiedene Ablehnung der Drittelparität auch durch den DHV, siehe Erklärung des Präsidiums vom 27. 04. 1968, abgedruckt in: BUN 11 (27. 05. 1968), S. 1–7, S. 4: »indiskutabel«.
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»in hoffnungsloser Minderheit. Das […] auf die Wertlosigkeit dieses Stimmrechts entgegengehaltene Argument, es müsse ein Ventil geschaffen werden, kann ich nicht ernst nehmen. Soweit vorhandene Unruhe unter Assistenten und Studenten durch Mißstände hervorgerufen ist, bedarf es nicht eines Ventils, sondern der Abhilfe. Die professionellen Anheizer aber werden über die Idee eines Ventils nur lachen.«165
Die vor allem in der Philosophischen Fakultät bestehenden Vorbehalte beruhten nicht zuletzt auf den im Wintersemester 1967/68 gemachten Erfahrungen, die als massive Nötigung(-sversuche) durch bestimmte Studenten und Studentengruppen empfunden wurden.166 Aufgrund der vom Rektor vorgeschlagenen Einbeziehung von zwischenzeitlich getroffenen Beschlüssen der Kultusministerkonferenz für ein modernes Hochschulrecht und für die strukturelle Neuordnung vom 10. April 1968 sowie der Reformvorschläge der Landesrektorenkonferenz vom 19./20. April 1968 in die Überlegungen zu einer Verfassungsreform der Universität Bonn,167 verzögerte sich deren Umsetzung. Der Senat setzte am 25. April 1968 eine zweite Verfassungsreformkommission ein, die prüfen sollte, wie die Empfehlungen der KMK, der Westdeutschen Rektorenkonferenz und der Landesrektorenkonferenz zur Umgestaltung der Hochschulselbstverwaltung in die Überlegungen zur Reform der Bonner Universitätsverfassung einbezogen werden könnten. In einer Godesberger Erklärung zur Hochschulreform verlautbarten Anfang Januar 1968 26 Rektoren, dass sie nicht gewillt waren, auf Provokationen bestimmter studentischer Kreise mit Repressionen zu antworten. Sie warnten aber ausdrücklich vor der Gefahr, dass es den Provokateuren, die auf »die Einleitung des gesellschaftlichen Umsturzes durch Lähmung des Universitätsbetriebs, Vernichtung der Freiheit von Forschung und Lehre, Zerstörung von Kooperationsorganen und rechtsstaatlichen Normen, Ersatz von Leistungsqualifikationen durch egalitäre Plebiszite« zielten, gelinge könne, »die Universität einem politischen Rätesystem zu unterwerfen«. Damit war die umstrittene Drittelparität gemeint, die die Rektoren scharf ablehnten: »Der Versuch, in der 2. Hälfte 165 Sondervotum des Professors Dr. Karl Theodor Schäfer zu dem Kommissionsvorschlag auf Änderung der Universitätsverfassung vom 12. 02. 1968, in: UAB, Senat, 16–8, S. 2f., auszugsweise veröffentlicht in: BUN 9 (30. 04. 1968), S. 9–11. Schäfer schied nach Inkrafttreten der Änderung der Universitätsverfassung am 01. 02. 1969 in einem Akt des Protestes aus der Verfassungskommission aus; siehe Schreiben an den Rektor vom 04. 02. 1969, in: UAB, Senat 16–9. 166 Siehe dazu das Schreiben des Dekans der Philosophischen Fakultät an den Rektor vom 19. 02. 1968, in: UAB, Senat 16–9, S. 3: »Die Philosophische Fakultät verfolgt bei ihren Bestrebungen den Grundgedanken, die bestehende Universitätsverfassung gelten zu lassen, wo sie sich bewährt hat. Das große Wiederaufbauwerk der Bonner Universität nach 1945, ihr imponierender Ausbau bis heute und die Vielzahl stetig durchgeführter Reformen sind auch unter dem Schutz der bestehenden Universitätsverfassung verwirklicht worden.« 167 Protokoll der Senatssitzung vom 25. 04. 1968, TOP 5, in: UAB, Senat 143–10.
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des 20. Jahrhunderts sich die Reform der Universitäten von der Einführung der Klassenrepräsentation zu versprechen, ist anachronistisch.«168 Umgekehrt beharrte das Studentenparlament auf seiner Sitzung vom 9. Juli 1968 auf eben dieser Drittelparität: »Die Studentenschaft sieht in der Umwandlung des Großen Senates in ein Universitätsparlament unter quantitativ befriedigender Beteiligung aller Gruppen von Universitätsmitgliedern die Voraussetzung für weitere Reformen. Die Studentenschaft stellt fest, daß auf eine solche Reform der Universität aus sich heraus freilich kaum noch Aussicht besteht. Falls nicht vor Beginn des Wintersemesters der Große Senat reformiert wird, verzichtet die Studentenschaft auf ihre weitere Teilnahme an Verfassungsreformkommissionen der Universität und wird alle Anstrengungen auf ein Hochschulgesetz konzentrieren.«169
Die Bonner Studentenschaft werde in der neuen Verfassungs-Reformkommission des Akademischen Senats künftig nur dann mitarbeiten, wenn sie drittelparitätisch besetzt und die Reform des Großen Senats vorgezogen werde. In der Vorlage des Senats an den Großen Senat vom 12. September 1968 zur Änderung der Universitätsverfassung war der Stimmenanteil der Assistenten und Studenten im Großen Senat reduziert und zugleich die für Verfassungsänderungen erforderliche Mehrheit auf zwei Drittel der Anwesenden erhöht worden, was der Professorenschaft eine Vetoposition verschaffte. Der Ferienausschuss des Studentenparlaments kritisierte dies scharf;170 die Vorschrift wurde schließlich fallengelassen. Am 26. Oktober 1968 beschloss der Große Senat die Verfassungsänderung, die mit Wirkung zum 1. Februar 1969 in Kraft trat. Dadurch wurde der Senat auf 28 Mitglieder erweitert; ihm gehören danach 18 Lehrstuhlinhaber, vier Nichtordinarien, drei Studenten und drei Assistenten an. Der Große Senat, für die Rektorwahl und Verfassungsänderungen zuständig, wurde auf 450 Mitglieder erweitert, darunter je 60 Assistenten und Studenten. Mit Blick auf diese kaum arbeitsfähige Größe wurde mit dem vorbereitenden Plenarausschuss, der Vorlagen für Verfassungsänderungen erarbeiten sollte, über die dann im Großen Senat ohne Abänderungsmöglichkeit zu entscheiden war, ein neues Organ geschaffen, in dem 29 Ordinarien, elf Nichtordinarien sowie je neun Assistenten und Studenten vertreten waren. Beschlüsse wurden
168 Erklärung des Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz Rüegg »zur Motivation der ›Godesberger Rektorenerklärung‹ und deren Verhältnis zur Westdeutschen Rektorenkonferenz« vom 07. 01. 1968, Kopie in: UAB, Senat 143–9. 169 Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 09. 07. 1968, in: UAB, AStA 81–90. 170 Protokoll der Sitzung des Ferienausschusses des SP vom 24. 09. 1968, in: UAB, AStA 81–81. Siehe auch Wolfgang Breyer, Studentische Mitbestimmung: Zaghafter Anfang, in: AStAInfo 21 (15. 10. 1968), S. 1f.
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mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder gefasst.171 Nach einer Übergangsregelung konnten die Vertreter der wissenschaftlichen Mitarbeiter und der Studenten sofort – noch vor der ministeriellen Genehmigung der Verfassungsänderung – zu den Sitzungen der akademischen Gremien hinzugezogen werden.172 Das Studentenparlament protestierte allerdings gegen die vorgesehene neue Bestimmung des § 5 Abs. 4 der Universitätsverfassung als »gegen die Studentenvertretung gerichtet«, die den Ausschluss eines Gremienmitglieds von bis zu fünf Fakultäts- beziehungsweise Senatssitzungen wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht oder wegen eines ungebührlichen, den Gang der Verhandlungen grob störenden Verhaltens mit Zweidrittelmehrheit der Anwesenden ohne Eintritt einer Stellvertretung vorsah.173 Dies bedeute »den Versuch der Ausschaltung der notwendigen, studentischen Kritik.« Erfahrungsgemäß werde nämlich von den Professoren »das Verlangen der Studenten nach gründlicher Diskussion und Kritik an ihren Maßnahmen als ungebührliches und störendes Verhalten aufgefaßt.«174 Nach der Verfassungsreform hatten Vertreter der Nichtordinarien, Assistenten und Studenten das Stimmrecht im Senat sowie in den Fakultäten und waren an den Senatskommissionen beteiligt. Lediglich bei »Beratung und Beschlußfassung über persönliche Angelegenheiten der Universitätslehrer, der wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Universität« (§ 68 Abs. 1 Universitätsverfassung) und Habilitationen, Promotionen und akademischen Prüfungen durften die studentischen Gremienvertreter nicht mitwirken. Die Änderung der Universitätsverfassung mit einer Stärkung der Mitspracherechte von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden demonstrierte, dass eine deutliche Mehrheit unter den Professoren zu einer grundlegenden Reform der Universitätsstrukturen durchaus bereit war. Die vom SDS betriebene polemische, binäre Entgegensetzung der angeblich von ihr repräsentierten »Kräfte des Fortschritts« mit den »reaktionären« Ordinarien, deren Macht es zu brechen galt, hatte mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Die 171 Siehe dazu Artikel »Verfassungsänderung: Trotz allem ein Erfolg«, in: AStA-Info 23 (23. 10. 1968), S. 1–3. 172 Protokoll der Senatssitzung vom 31. 10. 1968, in: UAB, Senat, 143–16. 173 Dieser Bestimmung versagte der Kultusminister mit Erlass vom 13. 12. 1968 die staatliche Anerkennung. Anhang I zur Verfassung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 27. 06. 1960 (ABl. d. KM. NW. 1960 S. 168), geändert auf Grund der Beschlüsse des Großen Senats vom 27. 06. 1966 (ABl. d. KM. NW. 1966 S. 284), 04. 07. 1968 (ABl. d. KM. NW. 1968 S. 285) und 26. 10. 1968 (ABl. d. KM. NW. 1969 S. 34), Bonn 1969. Der AStA hatte beim Kultusministerium interveniert; siehe Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 19. 11. 1968, in: UAB, AStA 81–92 sowie Schreiben des AStA-Vorsitzenden Breyer an Kultusminister Holthoff, betr. Änderungen der Universitätsverfassung nach den Beschlüssen des Großen Senats vom 14. und 26. 10. 1968, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 457. 174 Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 19. 11. 1968, in: UAB, AStA 81–92.
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Universität Bonn hatte sich damit als durchaus reformfähig erwiesen und binnen eineinhalb Jahren seit Einsetzung der Kommission für eine Verfassungsänderung die bloße Mitwirkung der Studenten bei ihren eigenen Angelegenheiten zu einer umfassenden und stimmberechtigen Teilhabe von Studenten und Assistenten an der gesamten universitären Selbstverwaltung sowohl auf der Fakultätsals auch der zentralen Ebene umgestaltet. Diese Fähigkeit zur strukturellen Reform wurde von den gemäßigten Studenten durchaus anerkannt. Es gab, wie sich herausstellte, eben keine geschlossene Front der Ordinarien gegen ihre partielle Entmachtung.
Der Beginn der Hochschulreformzeit Das neue Hochschulrecht Die Universität Bonn sah sich wie alle nordrhein-westfälischen Universitäten alsbald mit einem im Kultusministerium erarbeiteten Referentenentwurf für ein Hochschulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. März 1969175 konfrontiert, der am 22. April 1969 zur Ersten Lesung im Landtag anstand. Der Senat sah durch diesen Entwurf, der an der Spitze der Universität an die Stelle des Rektors einen Präsidenten setzen wollte, der durch den Konvent gewählt und von der Landesregierung ernannt werden sollte, das in der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen garantierte Recht der Universitäten auf Autonomie und Selbstverwaltung »in entscheidenden Punkten verletzt«.176 Kritisiert wurde insbesondere die Isolierung des Senats von den Fachbereichen; der Gesetzentwurf sehe kein Organ vor, das den Fachbereich mit der reorganisierten Hochschulspitze verbinde.177 Außerdem sei nicht sichergestellt, dass die wichtigsten Fachbereiche im Senat vertreten seien, was aber für dessen Funktionsfähigkeit als Bindeglied zwischen Universitätsleitung und der unteren Ebene der Fachbereiche notwendig sei. Zudem seien im Fachbereichsrat, dem allgemein zuständigen Entscheidungsorgan der künftigen Fachbereiche »für keinen Entscheidungsgegenstand (zum Beispiel Habilitation) Qualifikationsmerkmale für die stimmberechtigte Mitwirkung vorgesehen«.178 In der von der ad-hoc-Kommission für Verfassungsreform entworfenen 175 LT-Drucks. 6/1171. 176 Protokoll der Senatssitzung vom 21. 11. 1968, in: UAB, Senat, 143–18. Siehe auch das Schreiben des AStA-Vorsitzenden Breyer an Kultusminister Holthoff vom 04. 12. 1968, in dem darum gebeten wurde, die fragliche Vorschrift nicht zu genehmigen, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 457. 177 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 02. 04. 1969, in: UAB Senat, 143–24. 178 Ebd.
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Stellungnahme des Senats wurde dem Hochschulgesetzentwurf der Landesregierung vorgehalten, er vernachlässige die Notwendigkeit der Gewährleistung des Sachverstandes der zur Entscheidung in Fragen der akademischen Selbstverwaltung bestimmten Gremien ebenso wie die erforderliche Integration der verschiedenen Disziplinen zur universitären Einheit, die nur über einen entsprechend zusammengesetzten Senat erfolgen könne.179 Man beanstandete ferner die -akademischer Selbstverwaltung keinen Entfaltungsraum lassende – Dichte der geplanten Regelungen und eine substantielle Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Lehre sowie eine nicht ausreichende Repräsentanz der Hochschullehrer. Der Senat befürwortete außerdem eine kollegiale Universitätsspitze, bestehend aus Rektor, Prorektoren und Kanzler sowie etwas kürzeren Amtszeiten (vier Jahre) gegenüber dem im Gesetzentwurf vorgesehenen, auf sechs Jahre zu wählenden Universitätspräsidenten; die Hochschulspitze müsse zudem – wenn auch nur mit Zweidrittelmehrheit des Wahlorgans Konvent – abwählbar sein. Den Hochschulen sollte im Übrigen weitgehender Spielraum für die Organisation und Kompetenzverteilung der Fachbereiche überlassen bleiben. Der AStA forderte die volle Erhaltung der Autonomie der Hochschule und die Stärkung ihrer Selbstverwaltungskompetenzen im Finanzbereich, ferner eine »Demokratisierung« der inneren Struktur der Universität durch »Bindung der Universitätsspitzen an die Beschlüsse und die Kontrolle kollegialer Selbstverwaltungsorgane«, eine »aufgabengerechte Beteiligung von Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten in den Universitätsgremien, drittelparitätische Beteiligung an den allgemeinen Kollegialorganen auf Fachebene und zentraler Ebene« sowie eine »Neugliederung des Lehrkörpers im Sinne kollegialer Verantwortung in Forschung und Lehre« unter Aufgabe des Ordinarienprinzips.180 Ferner forderte die Studentenschaft die Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit als Teilkörperschaft der Hochschule mit dem Recht der Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten. Als Zeichen der entschiedenen Ablehnung des Gesetzentwurfs beschloss das Studentenparlament, einen freiwilligen (Vorlesungs-)«Warnstreik« in der Zeit vom 16. bis 21. Juni 1969 durchzuführen. Der nach Anhörung vor dem Kulturausschuss des Landtags am 2. Oktober 1969 neugefasste Entwurf des Hochschulgesetzes vom 27. Oktober 1969 fand nunmehr die grundsätzliche Zustimmung des Senats. In einer Ende November 1969 beschlossenen Stellungnahme wurde anerkannt, dass der neue Entwurf »sehr weitgehend den Vorschlägen gefolgt ist, welche die Hochschulen bei den Anhörungen […] geäußert haben. […] Insbesondere ist erfreulich, daß der Entwurf die innere Ordnung der Hochschulen diesen selbst freigibt, daß er einen 179 Stellungnahme des Senats vom 25. 06. 1969, in: UAB, Senat 143–27. 180 Siehe »Hochschul-Essentials des AStA, in: AStA-Info 7 (13. 02. 1969), S. 3.
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wesentlichen Beitrag zur Studienreform – über die Verfassungsreform hinaus – leistet und daß schließlich dem Problem der Finanzierung und des Haushaltswesens verstärkte Beachtung geschenkt wird«.181 Tatsächlich ermöglichte der neue Entwurf statt der Präsidentenlösung auch die Beibehaltung einer kollegialen Universitätsspitze mit einem Rektorat. Im Detail übte der Senat aber weiterhin erhebliche und umfangreiche Kritik. Dabei machte er sich in einer Stellungnahme insbesondere für eine Stärkung der Kompetenzen des Senats sowohl in seiner Organisationsgewalt und seiner Kontrollfunktion gegenüber der Universitätsleitung als auch in seiner Rechtsetzungsbefugnis durch Ausübung des Satzungsrechts stark. Er sollte auch an wichtigen Personalentscheidungen zu beteiligen sein und im Bereich von Forschung und Lehre in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, die über den Aufgabenbereich einzelner Fachbereiche hinausgehen, koordinieren.182 Dagegen wollte der Senat die Zuständigkeit des Konvents auf grundlegende Entscheidungen wie die Beschlussfassung über die Hochschulsatzung oder die Wahl des Rektors/Präsidenten begrenzt wissen. Bedenken gegen die Festlegung einer Drittelparität für die Selbstverwaltungsorgane der Universität, wie sie unter anderem von den Kanzlern der Universitäten gegenüber dem Kultusministerium nachdrücklich geltend gemacht wurden183 – an die Stelle einer solchen »quantitativen Repräsentation« sollte aus ihrer Sicht eine »qualitative« treten –, hatten teilweise Erfolg. Lediglich für den Satzungskonvent wurde im Hochschulgesetz eine bestimmte zahlenmäßige Zusammensetzung vorgeschrieben;184 die Entscheidung über die Annahme der Hochschulsatzung bedurfte danach allerdings einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Satzungskonvents.185
Das Scheitern des Verfassungsprojekts 1972 Bereits am 8. Mai 1969 erhielt eine aus Hochschullehrern, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten zusammengesetzte Ad-hoc-Kommission186 den 181 Stellungnahme des Senats der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität Bonn zum Entwurf eines Hochschulgesetzes für Nordrhein-Westfalen (beschlossen am 20. und 27. 11. 1969), in: UAB, Senat 143–32. 182 Ebd., S. 15–17. 183 Protokoll der Tagung der Kanzler vom 02. 12. 1969, in: UAB, UV 5–11. 184 Siehe § 52 Abs. 1 HSchG NRW 1970: »Die nach diesem Gesetz zu erlassende Hochschulsatzung wird von einem Satzungskonvent beschlossen, dem Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studenten und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter im Verhältnis vier zu zwei zu drei zu eins angehören.« 185 § 52 Abs. 5 HSchG NRW 1970. 186 Einsetzungsbeschluss des Senats, Protokoll der Senatssitzung vom 08. 05. 1969, TOP 10, S. 7, in: UAB, Senat 143–25.
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Auftrag, eine grundlegende Reform der Universitätsverfassung vorzubereiten und eine neue Universitätsverfassung auszuarbeiten, ohne die Verabschiedung des Hochschulgesetzes abzuwarten.187 Der Ad-hoc-Ausschuss erarbeitete eine Vorlage, die im September die Zustimmung des Senates fand und sodann an den Vorbereitenden Plenarausschuss des Großen Senats zur Befassung weitergeleitet wurde, der nach § 99 der 1968 geänderten Universitätsverfassung von 1960 für die Ausarbeitung von Verfassungsänderungen zuständig war.188 Der Entwurf der neuen Universitätsverfassung, der sich in den Grundzügen am Gründungsakt der Universität Bielefeld orientierte, und diesen den Bedürfnissen einer alteingesessenen Universität wie der Bonner anzupassen versuchte, sah grundlegende Änderungen der Universitätsstruktur vor. So sollten als neue untere Organisationseinheiten der Lehre und Forschung an Stelle der bisherigen sieben Fakultäten etwa 18 Fachbereiche treten. Ein kleinerer Senat sollte die mit größeren Kompetenzen ausgestattete Leitungsspitze der Universität – ein kollegiales Rektorat, bestehend aus einem auf vier Jahre gewählten Rektor und drei Prorektoren – kontrollieren.189 Nach Verabschiedung des neuen Hochschulgesetzes durch den Landtag am 7. April 1970190 vertrat die Universitätsspitze die Ansicht, dass wesentliche Teile des bereits erarbeiteten Verfassungsentwurfes bestehen bleiben könnten. Das Hochschulgesetz sah einen Satzungskonvent (mit einem Verhältnis der Stimmberechtigung der vier Gruppen von 4:2:3:1) vor, der aus Sicht der Universität den bisherigen Verfassungsentwurf als Grundlage für die Anpassung der neuen Verfassung an das Hochschulgesetz nehmen könne. Zunächst musste aber eine Wahlordnung für den Satzungskonvent erlassen und ihm eine Satzungskommission vorgeschaltet werden, die aus »je 3 Hochschullehrern, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten, die von den jeweiligen Gruppen des Großen Senats zu wählen seien, und einem nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter, der vom Personalrat zu wählen sei«, bestehen sollte. Das Gesetz setzte eine Frist von zwei Jahren fest, innerhalb derer die neue Verfassung beschlossen werden musste.191 Die nach § 52 Abs. 7 des HSchG NRW drittelparitätisch unter zusätzlicher Mitwirkung eines Vertreters der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter zusammengesetzte zehnköpfige Satzungskommission konstituierte sich unter Vorsitz des Assistenten Dr. iur. Hans Meyer am 8. Juli 1970.192 Sie beschloss einstimmig, den Entwurf einer Universitätsverfassung als Arbeitsgrundlage zu verwenden, 187 188 189 190 191 192
Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 28. 06. 1969, TOP 2, S. 3, in: UAB, Senat 143–28. Siehe Partsch, Bericht, S. 12. Ebd., S. 12f. GVBl. NRW 1970, S. 254. Protokoll der Senatssitzung vom 19. 03. 1970, in: UAB, Senat 143–38. Protokoll der konstituierenden Sitzung der Satzungskommission vom 08. 06. 1970, in: UAB, Senat 16–61.
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den der Plenarausschuss auf Vorlage des Senats erarbeitet hatte.193 Die Satzungskommission verständigte sich mehrheitlich in erster Lesung auf einen eigenen Entwurf einer neuen Universitätsverfassung.194 Zentraler Diskussionsund Streitpunkt war die Frage der Paritäten. Nach langen Debatten und vielen Abstimmungen entschied sich die Satzungskommission für die Grundparität im Fachbereich von 2 (Hochschullehrer) zu 1 (wissenschaftliche Mitarbeiter) zu 1 (Studenten) zuzüglich nichtwissenschaftlicher Vertreter. Die Parität im Konvent sollte nach dem Entwurf 3:2:2:2 betragen, wobei sichergestellt werden sollte, dass diese Parität nicht durch Verfassungsänderungen in die unteren Gremien durchschlagen konnte.195 Die abschließende Lesung in der Satzungskommission am 20. und 22. September 1971 brachte keine grundlegenden Veränderungen mit sich;196 diese Fassung des Verfassungsentwurfs bildete die Vorlage für den Satzungskonvent gemäß § 52 Abs. 8 HSchG NRW. Im Vorfeld der vom 15. bis 30. Juni 1971 stattfindenden Wahlen zum Satzungskonvent formierten sich die verschiedenen hochschulpolitischen Lager. In der Gruppe der Hochschullehrer kandidierte die Liste »Konstruktive Reform« (Liste 2) gegen die Liste »Arbeitsfähige Universität« (Liste 1). Die erstgenannte Liste war zu Kompromissen insbesondere in Fragen der Parität bereit. Als Kompromisslösung hielten ihre Mitglieder eine Grundparität von 2 (Hochschullehrer) zu 1 (wissenschaftliche Mitarbeiter) zu 1 (Studenten) zu 0,5 (nichtwissenschaftliche Mitarbeiter) für akzeptabel, um eine Lösung zu erreichen, die die Zustimmung aller Hochschulgruppen würde finden können. Im Vetorecht der Mehrheit der Hochschullehrer nach § 26 Abs. 3 HSchG NRW bei Professorenstellenbesetzungen sowie Forschungsvorhaben und deren Finanzierung erblickten sie darüber hinaus eine ausreichende Sicherung.197 Hingegen forderte die Liste »Arbeitsfähige Universität« die »Einrichtung solcher Organisationsformen und Verfahrensweisen, die in Anlehnung an den Entwurf der Satzungskommission eine sinnvolle Zuordnung von Selbstverwaltung, Forschung, Lehre und Studium sichern« würde. Ihre Mitglieder lehnten entschieden jede Form von Hochschulgremien ab, in denen die Gesamtheit der Hochschullehrer überstimmt werden konnte, wie dies nach der Beschlussfassung der Sat-
193 Protokoll der Senatssitzung vom 25. 06. 1970, TOP 2, S. 2, in: UAB, Senat 143–43. Der Entwurf ist abgedruckt in: Materialien zur Verfassungsreform I, Bonn 1970. Der Plenarausschuss hatte auch die Wahlordnung für den Satzungskonvent ausgearbeitet. 194 Abgedruckt in: Materialien zur Verfassungsreform II, Bonn 1971. 195 Materialien zur Verfassungsreform II, Bonn 1971, S. 2. 196 Siehe Materialien zur Verfassungsreform III, Bonn 1971. 197 Siehe Grundprinzipien der neuen Universitätsverfassung der Liste »Konstruktive Reform«, in: UAB, Senat 16–26.
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zungskommission in Konvent, Senat und in den künftigen Fachbereichskonferenzen möglich sein sollte.198 Bei den Wahlen zum Satzungskonvent wurde eine für deutsche Universitätsverhältnisse bisher noch nicht dagewesene hohe Wahlbeteiligung erzielt. Im Einzelnen erreichten die vier an der Universität abstimmungsberechtigten Gruppen folgende Wahlbeteiligung: Hochschullehrer 92 Prozent, wissenschaftliche Mitarbeiter 61 Prozent, Studenten 72 Prozent und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter 51 Prozent.199 Bei der Wahl errangen die gemäßigten Studentengruppen (der Liberale Hochschulbund, der RCDS und die Aktion »Demokratische Mitte«) zusammen 16 Sitze. SHB und Spartakus, die auf einer gemeinsamen Liste kandidierten, kamen dagegen nur auf acht Sitze. Die konstituierende Sitzung des Satzungskonvents mit seinen 80 Mitgliedern (32 Hochschullehrer, 16 Assistenten, 24 Studenten und acht nichtwissenschaftliche Mitarbeiter) erfolgte am 11. Oktober 1971. Zum Vorsitzenden wurde der Privatdozent Dr. iur. Hans Meyer gewählt. Der Satzungskonvent machte den Entwurf der Satzungskommission zur Grundlage seiner eigenen Beratungen. Im November 1971 wurden mehrere öffentliche Sitzungen des Konvents vom MSBSpartakus, SHB und »Roten Zellen« unter Beteiligung des AStA-Vorsitzenden gesprengt.200 Der Konvent tagte daraufhin zunächst nichtöffentlich;201 der Rektor ergriff Ordnungsmaßnahmen gegen die Störer nach der Hochschulordnung vom 5. September 1968. Im März 1972 legte der Satzungskonvent nach 29 Sitzungen und eingehenden Beratungen den Mitgliedern der Universität und der Öffentlichkeit einen Entwurf einer neuen Verfassung für die Universität Bonn vor, der in der zentralen und umstrittenen Frage der Paritäten weitgehend dem Entwurf der Satzungskommission folgte, aber keinen Sicherungsklausel mehr enthielt, die verhindert hätte, dass die für den Konvent geltende, für die Gruppe der Hochschullehrer (mit einem bloßen Drittel der Mitglieder) ungünstige Parität nicht durch (mit Zweidrittelmehrheit mögliche) Verfassungsänderungen in die unteren Gremien 198 Wahlvorschläge und Grundsätze der Liste 1 der Hochschullehrer »Arbeitsfähige Universität«, in: UAB, Senat 16–28. 199 Siehe BUN 69 (09. 07. 1971). 200 Siehe BUN, Extrablätter vom 8. und 18.11.71. Siehe ferner die Protokolle der 8. und 9. Sitzung des Satzungskonvents vom 06. und 08. 11. 1971, in: UAB, Senat 16–25 sowie Vorlage für Staatssekretär Dr. Schnoor im Ministerium für Wissenschaft und Forschung betreffend Störungen der Sitzungen des Satzungskonvents, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 495. Siehe zu den Hintergründen – drohender Einflussverlust der radikalen studentischen Kräfte durch die Briefwahl und die geplante Neuorganisation der Bestimmung der Mitglieder des Fachschaftsrates – auch die Anlage: »Bericht über Störungen des Satzungskonvents der Universität Bonn durch linksradikale Kräfte«, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 477. 201 Protokolle der 10. und 12. Sitzung des Satzungskonvents vom 15. 11. und 17. 11. 1971, in: UAB, Senat 16–25.
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erstreckt wurde.202 Dieser Umstand führte zu erheblichen Spannungen. Die Regelungen über die Zusammensetzung der Fachbereichskonferenzen, des künftig wichtigsten Organs auf Fachbereichsebene und des Konvents, des für die Wahl des Rektors und für Verfassungsänderungen zuständigen Organs, stießen auch bei der zu weitgehenden Zugeständnissen an die anderen Hochschulgruppen grundsätzlich bereiten Liste zwei der Hochschullehrer auf Ablehnung; sie sah dadurch das ganze Reformwerk gefährdet.203 Während der abschließenden Lesung gab diese Liste eine Presseerklärung ab, in der es unter anderem hieß: »Die Art und Weise, in der die Entscheidungen über die künftigen Fachbereichskonferenzen und den Konvent gefällt worden sind, haben verdeutlicht, dass der zu einer sinnvollen Reform erforderliche Wille zur Zusammenarbeit zwischen den Gruppen aller Universitätsangehörigen kaum noch vorhanden ist. Zum ersten Mal haben alle anderen Gruppen in entscheidenden Fragen geschlossen gegen alle Hochschullehrer gestimmt mit dem Ergebnis, daß u. a. in Zukunft ohne die Zustimmung eines einzigen Hochschullehrers, allein durch das Votum der Mitarbeiter und Studenten, die Satzung jederzeit geändert werden kann«.204
Die Liste sah sich daher nicht mehr in der Lage, der neuen Verfassung zuzustimmen. In der Schlussabstimmung am 16. Juni 1972 fiel der Entwurf bei 28 Ja-, 50 Neinstimmen und einer Enthaltung durch.205 Ein – verfahrensrechtlich umstrittener – Versuch, in einer weiteren, am 24. Juni 1972 anberaumten Sitzung des Satzungskonvents doch noch eine Kompromisslösung zustande zu bringen, scheiterte: Mit einem Abstimmungsergebnis von 41 Ja- zu 22 Neinstimmen bei einer Enthaltung wurde die gemäß § 52 Abs. 5 HSchG NRW erforderliche Zweidrittelmehrheit (unter den Mitgliedern) deutlich verfehlt.206 Das Wissenschaftsministerium hatte verlauten lassen, dass der Minister von seinem Recht auf Ersatzvornahme (Oktroi) Gebrauch machen werde, wenn der Satzungskonvent nicht in der Lage sei, eine Verfassung zu verabschieden.207 Der Vorsitzende erstattete dem Wissenschaftsminister über das Ergebnis der Beratungen des Satzungskonvents Bericht; es sei jetzt nach allgemeiner Meinung im Satzungskonvent Sache des Ministers, »dem Hochschulgesetz Genüge zu tun und der Bonner Universität eine neue Verfassung im Wege der Ersatzvornahme zu geben«.208 In seinem Bericht machte der Vorsit202 Materialien zur Verfassungsreform IV, Bonn 1972. 203 Siehe dazu das Protokoll der 38. Sitzung des Satzungskonvents vom 08. 06. 1972, in: UAB, Senat 16–25. 204 Presseerklärung vom 08. 06. 1972, in: UAB, Senat 16–26. 205 Protokoll der 42. Sitzung des Satzungskonvents vom 16. 06. 1972, in: UAB, Senat 16–25. 206 Protokoll der 43. Sitzung des Satzungskonvents vom 24. 06. 1972, in: UAB, Senat 16–25. 207 Siehe eine entsprechende Mitteilung des Vorsitzenden des Satzungskonvents in der 43. Sitzung des Satzungskonvents vom 24. 06. 1972, in: UAB, Senat 16–25. 208 Brief vom 07. 07. 1972 nebst Bericht über die Arbeit des Satzungskonvents, in: UAB, Senat 16–31. Während der Rektor die Auffassung vertrat, dass der Satzungskonvent nur über ihn
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zende die von ihm so bezeichneten »beiden Flügelgruppen« (gemeint waren: die konservativere Liste 1 der Gruppe der Hochschullehrer und die Listen 1 und 2 der Studenten) wegen ihrer Kompromisslosigkeit für das Scheitern verantwortlich.209 In Wahrheit waren die Differenzen, namentlich hinsichtlich der Regelung der Beteiligungsverhältnisse in den einzelnen universitären Selbstverwaltungsorganen auf der zentralen Ebene wie der unteren Fachbereichsebene, aber auch hinsichtlich des Studentenschaftsrechts, unüberbrückbar.210 Zwar war in Bonn zu keinem Zeitpunkt an eine Auflösung der verfassten Studentenschaft gedacht worden, obwohl dies § 24 Abs. 5 HSchG NRW ermöglicht hätte, der nur optional eine körperschaftlich organisierte Studentenschaft zum Zweck der Mitwirkung an der Selbstverwaltung vorsah. Die radikalen linken Studenten bestanden aber auf der Fortsetzung der sogenannten Vollversammlungspraxis, das heißt der Wahl der Fachschaftsvertreter auf Versammlungen der Studenten. Die Mehrheit des Satzungskonvents lehnte dies ab, weil sich in aller Regel nur kleine (radikale) Minderheiten auf diesen Versammlungen einfanden und diese dann dominierten. Der Verfassungsentwurf sah daher vor, dass der Fachschaftsrat sich aus den in die Fachbereichskonferenz gewählten Studenten und ihren Stellvertretern zusammensetzen solle (§ 31 Abs. 3 des Entwurfs). Während die gemäßigten Studentenvertreter im Satzungskonvent diese Regelung mittrugen und befürworteten, forderten die Vertreter der linken studentischen Listen eine Trennung der Fachschaftsarbeit von der Vertretung in der Fachbereichskonferenz (sogenannte Zweigleisigkeit) mit der Begründung, dass »Gremienpolitik und Politik studentischer Interessenvertretung zwei verschiedene Dinge seien und weil durch die im eingleisigen Modell vorgesehene Briefwahl auch die politisch völlig Uninteressierten Einfluss gewännen [sic!]«.211 mit dem Ministerium in Verhandlungen treten könne, reklamierte der Vorsitzende des Satzungskonvents ein Eigenrecht desselben, eine Rechtsauffassung, der das Ministerium aber entgegentrat; siehe Vermerk für den Staatssekretär vom 01. 08. 1972, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 406. 209 Bericht über die Arbeit des Satzungskonvents, S. 7, in: UAB, Senat 16–31. Ähnliche Bewertung bei Wehrs, Protest, S. 309: »Welche absurden Folgen es haben konnte, wenn sich ›linkes‹ Studentenlager und ›rechte‹ Professoren beidseitig im Grabenkampf einrichteten, war an der Universität Bonn im Juni 1972 zu erleben, als im Satzungskonvent ein mühsam ausgehandelter Entwurf zur Universitätssatzung an der gemeinsamen Ablehnung von Spartakus/SHB-Studenten und BFW-VFH-Professoren scheiterte. Der Zeithistoriker Karl Dietrich Bracher kommentierte sarkastisch: ›Es ist wie in Weimar, die Extreme halten zusammen‹.« Diese Bewertung lässt aber die sachlichen Gründe für die jeweils eingenommenen Positionen außer Betracht. 210 Zu den Kritikpunkten der konservativen Professorenschaft – dazu zählte auch der Umstand, dass nicht mehr alle Hochschullehrer geborene Mitglieder in den Fachbereichskonferenzen sein sollten – siehe das Schreiben des »Bund Freiheit der Wissenschaft Sektion Bonn e. V.« an die Hochschullehrer der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 31. 01. 1972, Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 406. 211 Bericht über die Arbeit des Satzungskonvents, S. 3f., in: UAB, Senat 16–31.
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Die Amtsführung zweier Rektoren zu Beginn der 1970er Jahre im Vergleich So wenig die 68er-Studenten eine einheitliche Formation bildeten, so wenig taten es auch die Professoren. Für die Bonner Universität gilt wie für alle anderen deutschen Universitäten, dass die Reaktionen auf die studentischen Unruhen innerhalb der Hochschullehrerschaft höchst unterschiedlich ausfielen. Sie reichten von strikter Ablehnung über eine (anfängliche) Gesprächsbereitschaft bis hin zu offener Sympathie. Man kann drei idealtypische Reaktionen feststellen, wobei die Grenzen durchaus fließend sind: »Ein Kreis, meist älterer, dezidiert konservativer Ordinarien stand den Aktionen der radikalen Studenten offen ablehnend gegenüber. Ihre Reaktionen geben ein beredtes Zeugnis sowohl der Hilflosigkeit als auch von einer erstaunlichen Unflexibilität im Umgang mit der jüngeren Generation. In den sich wandelnden Umgangsformen, insbesondere in dem neuen, ›unhöflichen‹ Auftreten der jungen Menschen in den Lehrveranstaltungen, sahen diese Professoren oftmals eine unangemessene Respektlosigkeit und nicht selten sogar eine persönliche Beleidigung. […] Eine zweite Gruppe liberal-konservativer Hochschullehrer hatte anfänglich durchaus Sympathien für das Aufbegehren der Studenten. Die Vertreter dieser Gruppe können zumindest teilweise der Generation ›45er‹[…] zugeordnet werden. Die schnelle Radikalisierung der Studenten führte aber dazu, dass sie sich bald ebenso vehement gegen die Aktionen der linken Aktivisten wandten wie die Gruppe der konservativen Ordinarien. […] Es waren nicht zuletzt eben jene harschen Reaktionen eines großen Teils der Hochschullehrerschaft, die innerhalb einer dritten Gruppe zu einer Solidarisierung linksliberaler Lehrender mit den Studenten führten.«212
Als Konsequenz dessen gründete sich beispielsweise in Bonn 1968 der Gesprächs- und Diskussionskreis »Kritisches Forum für Hochschulpolitik«, in dem sich eine kleine Gruppe von sympathisierenden Professoren mit links orientierten Assistenten und Studenten in dem Bestreben austauschte, »die Aufgabe, die Struktur, die Autonomie und die Verantwortung der Universität in der veränderten gesellschaftlichen Situation neu zu durchdenken« und auf Veränderungen hinzuwirken, »die eine sachgemäße, auf Mitverantwortung begründete Mitarbeit und Mitentscheidung aller Glieder der Universität in der akademischen Selbstverwaltung ermöglicht und die die Offenheit aller Akte dieser Selbstverwaltung gewährleistet«.213 Angesichts der Binnenpluralität in der Gruppe der Hochschullehrer und eines bloß einjährigen Rektorats kann es nicht überraschen, dass die Universität nicht zu einer einheitlichen Linie in der Reaktion auf die Störungen und Provokationen der linksradikalen Studenten fand. Sie schwankte zwischen Nachsich212 Rohstock, Ordinarienuniversität, S. 199–207. 213 Grundsatzerklärung der Gründungsversammlung, abgedruckt in: BUN 13 (21. 06. 1968), S. 2.
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tigkeit und Härte und wechselte ihren Kurs mit jedem neuen akademischen Jahr. Dies lässt sich an der Amtsführung zweier Rektoren exemplifizieren. Der Strafrechtler Gerald Grünwald, ein linksliberaler, unkonventioneller Geist, zeigte offen Sympathie mit den Grundforderungen nach einer »Demokratisierung« der Hochschulen mit der knappen, etwas kryptischen Begründung, dass »die Hochschule für die Gesellschaft da ist«.214 Symptomatisch war seine Kritik an der unter auswärtigen Hochschullehrern üblichen Formulierung, dass in Bonn – anders als in Berlin oder Frankfurt – ja wohl »alles ruhig« sei.215 »Das ist dann immer positiv gemeint, aber ich muss gestehen, dass ich es nicht gern höre – denn es klingt so, als gebe es bei uns keine Bewegung, keine Auseinandersetzung«. Angesichts seiner dominanten Reformeuphorie maß er Rechtsverstößen wie Vorlesungsstörungen oder -sprengungen keine allzu große Bedeutung bei; er bezeichnete sie als »begrenzte Regelverletzungen«, für die er angesichts der Unterrepräsentanz der Studenten in den universitären Gremien durchaus Verständnis aufbrachte: »Angesichts dieser schwächeren Position liegt der Gedanke für sie nicht fern, hieraus eine Legitimation für Regelverletzungen abzuleiten – etwa dann, wenn sie mit einem Antrag nur knapp eben wegen der Zusammensetzung unterlegen sind«. Grünwald nahm für sich in Anspruch, sich bei seiner Amtsführung »um dieselbe Offenheit für Argumente, gleichviel von welcher Seite sie kommen, bemüht« zu haben – »darum, niemanden und keine Gruppe als Gegner zu behandeln«.216 Nach seiner Wahl zum Rektor, die er vor allem den Assistenten und Studenten verdankte – aus dem Kreis der Hochschullehrer erhielt er nur relativ wenig Unterstützung – gab er dem »General-Anzeiger« am 5. Juni 1970 ein Interview, in dem er erklärte, er »werde auch nicht die Interessen der Professoren vertreten. Aufgabe gerade des Rektors ist es, Vertreter aller Gruppen zu sein.« Er räumte unumwunden ein, »progressistisch, reformfreudig« zu sein. Er erachtete die anstehenden Hochschulstrukturreformen als notwendig und bejahte sie.217 In der Amtszeit von Grünwald kam es immer wieder zu Streitigkeiten über seine Amtsführung mit Mitgliedern der Philosophischen Fakultät, die sich in ihren Auseinandersetzungen mit radikalen Studenten nicht ausreichend unterstützt fühlten, teilweise sogar der Auffassung waren, der Rektor falle ihnen in den Rücken.218 Der Rektor wurde kritisiert, weil er einem Studenten die Kosten eines von ihm verlorenen Gerichtsverfahrens aus dem universitären Hilfsfonds wegen 214 215 216 217 218
Zu seiner Sympathie gegenüber der Studentenbewegung siehe Puppe, Grünwald, S. 277. Vgl. Grünwald, Bericht, S. 13. Ebd., S. 13f. Interview mit Rektor Prof. Grünwald, in: General-Anzeiger vom 05. 06. 1970. Siehe Protokolle der Senatssitzungen vom 12. 11. 1970, TOP 10, S. 10f., in: UAB, Senat 143–46; vom 26. 11. 1970, S. 1, in: UAB, Senat 143–47; vom 17. 12. 1970, TOP 2, S. 1f., in: UAB, Senat 143–48.
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seiner finanziellen Hilfsbedürftigkeit erstatten wollte. Die vom Rektor dafür angegebene Begründung, »hochschulpolitische Erwägungen vermeiden« zu wollen, enthalte selbst eine hochschulpolitische Entscheidung, »da sie unverantwortliche Handlungen der Vergangenheit zu decken geeignet ist und da durch sie für die Zukunft eine unbegründete Prozessierlust gegen Hochschullehrer unter dem Schein des Rechts abgeschirmt werden kann«.219 Zahlreiche Hochschullehrer forderten, dass Rechtsbrüchen entschiedener auch mit rechtlichen Maßnahmen begegnet werden müsste, was Grünwald überwiegend ablehnte.
Abb. 35: Gerald Grünwald, Jura
Die Kandidatur des Althistorikers Hatto Schmitt, eines engagierten Mitglieds im »Bund Freiheit der Wissenschaft« für das Rektoramt im akademischen Jahr 219 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 26. 11. 1970, S. 1, in: UAB, Senat 143–47.
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Abb. 36: Hatto H. Schmitt, Alte Geschichte
1971/72 deuteten die linksextremen Kräfte im Studentenparlament als Affront, nämlich »als einen weiteren Versuch der Rechtskräfte an der Bonner Uni ihren antidemokratischen Einfluß zu erweitern«.220 Die Studenten sollten mobilisiert werden, um die Wahl Schmitts zu verhindern. Das gelang nicht. Anlässlich der Rektoratsübergabe am 18. Oktober 1971 sprach der AStA in einer Presseerklärung von der »Übernahme des Rektoramts durch den reaktionären Kampfbund ›Freiheit der Wissenschaft‹«.221 Schmitt grenzte sich von seinem Amtsvorgänger mit der Bemerkung ab, er sei nicht gewillt, Rechtsbrüche in opportunistischer Weise zu dulden.222 Er sprach sich auch entschieden gegen das Schlagwort von der »Demokratisierung der 220 Protokoll der Sitzung des Studentenparlaments vom 04. 05. 1971, in: UAB, AStA 81–89. 221 Presseerklärung des AStA vom 18. 10. 1971, in: UAB, AStA 81–164. 222 Zit. nach ebd.
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Hochschule« aus: »In Bereichen, in denen die Beteiligten nach Funktion, Ausbildung, Erfahrung ungleich sind, läßt sich das demokratische Prinzip gar nicht oder nur bedingt anwenden«.223 Die Ansicht seines Amtsvorgängers, der zufolge der Universität eine gesellschaftskritische Funktion zukomme, erklärte er für »verschwommen«. Eine solche Funktion könne nur der einzelne Wissenschaftler ausüben, aber nicht die Institution als Ganzes und solche. Außerdem diene dieses Schlagwort in der aktuellen Situation als Scheinrechtfertigung der Zurückdrängung des Qualitätsmerkmals wissenschaftlicher Leistung gegenüber politischer Gesinnungstüchtigkeit. Schmitts Kurs, Rechtsbrüche keinesfalls zu akzeptieren, sondern entschieden zu beantworten, wurde von den linksradikalen Kräften unter den Studierenden als Kampfansage verstanden, so dass es zu einer permanenten Konfrontation kam.224 Sie gipfelte in einem Ordnungsverfahren gegen den AStA-Vorsitzenden Thi8e.225 Er wurde – nach vorheriger Androhung dieser Maßnahme – wegen Vorlesungsstörungen und tätlichen Angriffen für das Sommersemester 1972 zwangsexmatrikuliert. Der Rektor ordnete zugleich die sofortige Vollziehung dieser Ordnungsmaßnahme an und erteilte Thi8e außerdem ein Hausverbot.226 Ein weiterer Student wurde relegiert. Das Verwaltungsgericht bestätigte in beiden Fällen die Ordnungsmaßnahmen des Rektors.227 Das Oberverwaltungsgericht NRW hob lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Immatrikulationswiderrufs mit Beschluss vom 19. Juni 1972 auf, weil es das verhängte einsemestrige Hausverbot zur Wahrung der universitären Ordnung für ausreichend erachtete. Im Übrigen bekräftigte das Gericht das Recht und die Pflicht des Rektors, für die Einhaltung der Rechtsordnung innerhalb der Hochschule, gegebenenfalls auch mit generellen Hausverboten und Exmatrikulationen, zu sorgen.228 Ein Interview mit dem »General-Anzeiger« vom 23. Februar 1972 sorgte für einen Eklat. Schmitt äußerte darin: »Bei der Besetzung von Stellen unterhalb der Hochschullehrerebene, also etwa von Assistenten- und Tutorenstellen hingegen, scheint in manchen Instituten der Gesichtspunkt der einschlägigen politischen Zuverlässigkeit schon eine große Rolle zu
223 »Universität als Ausbildungsstätte kann nicht Ort politischer Auseinandersetzung sein«, General-Anzeiger-Interview mit Rektor Prof. Hatto Schmitt vom 23. 02. 1972, S. 10. 224 Siehe dafür beispielhaft das Flugblatt des Rektors »An die Studierenden der Universität Bonn« von Anfang Februar 1972, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 495. 225 Siehe dazu den Bericht der Kölnischen Rundschau vom 24. 02. 1972, »Uni-Rektor contra AStA-Chef«. 226 Siehe FAZ vom 18. 04. 1972, »AStA-Chef Thi8e von der Universität Bonn verwiesen«. 227 Protokoll der Senatssitzung vom 04. 05. 1972, TOP 11, in: UAB, Senat 161–5. 228 Schmitt, Bericht, S. 17.
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spielen. Des öfteren beugen sich die Institutsdirektoren den Wünschen von verfassungsmäßig nicht abgesicherten Institutsgremien«.229
Sein Amtsvorgänger und Prorektor Grünwald fühlte sich offenbar angesprochen und reagierte empört: »Diese Behauptungen müssen entweder konkretisiert – indem die einzelnen Fälle dargestellt werden – oder aber zurückgenommen werden. Es geht nicht an, daß durch Ihre unspezifizierten Äußerungen jeder Institutsdirektor dem Verdacht der Pflichtwidrigkeit ausgesetzt wird«.230 Das Interview wurde zum Gegenstand der darauffolgenden Senatssitzung,231 in welcher Schmitt seine Aussage mit einem Fall der Besetzung einer Tutorenstelle im Seminar für Politische Wissenschaft rechtfertigte. Der AStA gab dazu eine Dokumentation heraus, die beweisen sollte, dass die Vorwürfe politisch orientierter Auswahl nicht zutrafen. Tatsächlich machte die Dokumentation deutlich, dass der Institutsdirektor unter dem Druck einer Vorentscheidung durch den »Seminarrat«, ein »von den Institutsangehörigen – und zwar allen – selbst eingerichtetes Organ, das die Demokratisierung auf Institutsebene darstellen sollte«,232 stand und handelte. Die Qualität des fraglichen Tutors bestand nach Angaben des geschäftsführenden Direktors des Seminars vor allem in seiner aktiven Mitarbeit in der Fachschaft: »[D]ie Direktion des Hauses schätzt ihn als Sprecher der Studenten und ist der Meinung, daß [er] gerade als Tutor konstruktive Arbeit leisten kann«.233 Gegen den Studenten schwebte ein Ordnungsverfahren. Die »Aktion Demokratische Mitte« in der Fachschaft Politische Wissenschaft wandte sich gegen die Stellenbesetzung, weil der Betreffende ein Anfangssemester war und keine guten Studienleistungen erbracht hatte. Hier rangiere »linke Gesinnungstüchtigkeit vor fachlicher Qualifikation«. Ungeachtet der Rechtslage liege das Vorschlagsrecht hinsichtlich der Tutorenstellenbesetzung mittlerweile faktisch beim selbsternannten Seminarrat.234 Als der Rektor zunächst vor allem mit Blick auf das Ordnungsverfahren, das wegen mehrfacher Vorlesungs- und Übungsstörungen eingeleitet worden war,
229 Interview mit dem General-Anzeiger. Vorher hatte der Rektor bereits der Kölnischen Rundschau ein Interview mit ähnlichem Tenor gegeben, siehe »Warnung vor dem linken Marsch«, in: Kölnische Rundschau vom 22. 12. 1971. Zur Reaktion des Vorsitzenden des Satzungskonvents mit Blick auf den vom Rektor befürchteten enormen Aufwand für Gremiensitzungen siehe Protokoll der 29. Sitzung vom 23. 02. 1972, in: UAB, Senat 16–25. 230 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 14. 03. 1972, in: UAB, Senat 161–3. 231 Zur Diskussion siehe das Protokoll der Senatssitzung vom 14. 03. 1972, in: UAB, Senat 161–3. 232 AStA der Universität Bonn, »Der betrogene Senat«. Dokumentation einer »Rechtsbeugung bei der Besetzung einer Stelle« oder die Methoden des Rector Magnificus H.H. Schmitt (BFdW), April 1972, Kopie in: UAB, Senat 161–4. 233 Ebd., Dokument Nr. 5. 234 Ebd., Dokument Nr. 6.
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dem Einstellungsantrag nicht entsprechen wollte,235 führte der Geschäftsführende Direktor zur weiteren Begründung des aufrecht erhaltenen Antrags an, der ins Auge gefasste Kandidat habe sich »im Rahmen der Fachschaft um die Ausarbeitung und Praktizierung neuer didaktischer Modelle und der Seminarratssatzung (sic!) sehr verdient gemacht«, »konstruktiv mit der Leitung des Seminars für Politische Wissenschaft zusammengearbeitet und zudem achtbare wissenschaftliche Leistungen erbracht. […] Ich bin mir darüber im klaren, daß bei strenger Auslegung der Vorschriften die Einstellung von Herrn […] als Tutor abgelehnt werden könnte. Ich bitte jedoch zu bedenken, dass Herr […] von unserem Seminarrat in einer ordentlichen Abstimmung als für den Posten eines Tutors qualifiziert befunden wurde. Der Seminarrat steht zu diesem Entschluß, und auch ich fühle mich diesem Abstimmungsergebnis gegenüber verpflichtet«.236
Der Student distanzierte sich von seinen Störaktionen nicht, sondern hielt diese in einem Schreiben an den Rektor vielmehr nach wie vor »für richtig«,237 was nach Ansicht des Kanzlers weiterhin zu Bedenken Anlass gab.238 Nach einer Aussprache des Geschäftsführenden Direktors und des Kandidaten mit dem Rektor und nochmaliger pauschaler Bestätigung seiner Qualifikation durch den Geschäftsführenden Direktor239 wurde die Person schließlich eingestellt.240 Am Ende seiner Amtszeit resümierte Schmitt, dass die Verfassungsarbeit am »unaufhebbaren Dissens: in der Frage der künftigen Organisation der Studentenschaft und der Fragen der Paritäten in den Gremien« gescheitert sei.241 Den Einsatz von Ordnungsmitteln als ultima ratio gegen renitente studentische Störer und Krawallmacher rechtfertigte Schmitt damit, dass das Recht dem Unrecht nicht weichen dürfe: »Wenn ein Hochschullehrer zu den Ordnungsverfahren bemerkt hat, man könne politische Konflikte nicht mit rechtlichen Mitteln lösen, so muß ich dem entgegenhalten, daß man politische Konflikte gewiss nicht mit den Mitteln des Unrechts lösen kann. Das höchste Gericht des Landes NRW ist offenbar der gleichen Meinung; und alles deutet darauf hin, daß der größte Teil der Hochschulangehörigen aus allen Gruppen diese Meinung teilt.« Tatsächlich hielt Schmitt es sich – in deutlicher Abgrenzung zu seinem Vorgänger – auch zugute, dass die Universität unter seiner Führung massive Vorlesungsstörungen »offengelegt und nicht etwa, wie früher gelegentlich, zu 235 236 237 238 239
Ebd., Dokument Nr. 7. Ebd., Dokument Nr. 8. Ebd., Dokument Nr. 9. Ebd., Dokument Nr. 11. Ebd., Dokument Nr. 12, nach der Einstellung ergänzt in einem Schreiben an den Stellvertreter des Kanzlers vom 19. 01. 1970, in: ebd., Dokument Nr. 15. 240 Vermerk des Kanzlers vom 20. 11. 1969 über eine Besprechung am 14. 10. 1969, AStA-Dokumentation vom 20. 04. 1972, ebd., Dokument Nr. 3. 241 Schmitt, Bericht, S. 15f.
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vertuschen versucht hat«.242 Die getroffenen und verwaltungsgerichtlich weitgehend bestätigten Ordnungsmaßnahmen hätten sich als geeignet erwiesen, geordnete Verhältnisse an der Universität zu wahren, oder, wenn sie bereits gestört waren, wiederherzustellen. Schon eine Störung einer Lehrveranstaltung sei, so Schmitt, »eine zuviel«, und »eine grobe Verletzung des Rechts auf Freiheit der Lehre des Dozenten und des Rechts auf Studium seiner Hörer« und dürfe daher »nicht durch den Hinweis auf 100 oder 1000 andere, ungestörte Stunden verharmlost werden«.243 Die Wahl seines Nachfolgers, des evangelischen Theologen Hans-Joachim Rothert, galt als Erfolg Schmitts und des reformkritischen Lagers unter den Hochschullehrern an der Universität Bonn, die als eine Hochburg des diese Haltung repräsentierenden Bundes Freiheit der Wissenschaft galt.244 Rothert hatte versprochen, den Kurs Schmitt fortzusetzen, »während der Gegenkandidat ankündigte, zu der ausgleichenden Linie des Rektorats Grünwald zurückkehren zu wollen«.245
Der Kampf um die Strukturreformen Die neue Lage nach dem Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts 1973 und der Weg zum neuen nordrhein-westfälischen Hochschulrecht 1980 Mit dem Scheitern der Verfassung von 1972 begann eine neue Phase in der Nachkriegsgeschichte der Universität. Sah es zunächst noch nach einem alsbald ergehenden Oktroi des Ministeriums aus, so stellte sich nach einigen Monaten heraus, dass damit nicht zu rechnen war. In einer Besprechung mit dem Rektor und dem Präsidium des Satzungskonvents der Universität Bonn am 7. Februar 1973 gab der Vertreter des Ministeriums zu verstehen, dass sein Haus, »bevor es Schritte zur Ersatzvornahme unternehmen sollte, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das niedersächsische Vorschaltgesetz ab[zu]warten« gedenke, die für Ende Mai 1973 erwartet wurde.246 Dessen ungeachtet fand eine Woche später eine Anhörung der verschiedenen Hochschulgruppen zur bisherigen Arbeit des Satzungskonvents statt,247 die »eine recht differenzierte 242 243 244 245 246
Ebd., S. 17. Ebd., S. 20. Siehe dazu Wehrs, Protest, S. 308–310. Ebd., S. 309. Auszug aus dem Aktenvermerk vom 07. 02. 1973, S. 1, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1243 Nr. 407. 247 Siehe dazu das Einladungsschreiben des Ministers für Wissenschaft und Forschung an den Vorsitzenden des Satzungskonvents vom 16. 01. 1973, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 25. 01. 1973, in: UAB, Senat 161–16.
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Frontenstellung« in den verschiedenen streitigen Fragen ergab, zu denen neben den Paritäten und der Studentenschaft nebst Wahlrecht auch die Fragen der Hochschul- und Fachbereichsleitung sowie der Fachbereichsstruktur, die Drittmittelforschung und die Verfahrensöffentlichkeit gehörten.248 Hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise waren sich alle Hochschulgruppen darin einig, dass der Satzungskonvent nicht in der Lage sein werde, eine Verfassung zu verabschieden: »Eine Rückgabe des Satzungsentwurfes an den Satzungskonvent nach Überarbeitung durch den Minister wurde als aussichtslos angesehen. Man erwartet den Oktroi.«249 Doch dieser blieb aus, weil das Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1973 (BVerfGE 35, 79) unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer der Neuorganisation der Hochschule Grenzen setzte. Das Ministerium sah sich zu dem Eingeständnis genötigt, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Niedersächsischen Vorschaltgesetz vom 29. Mai 1973 »für die Arbeit an der Reform des Hochschulrechts eine Zäsur gebracht« habe.250 »Vielmehr hat nun der Gesetzgeber unverzüglich das Hochschulrecht den neuen verfassungsrechtlichen Erkenntnissen anzupassen und dabei auch die Vorgaben festzulegen, die für die neuen, verfassungskonformen Hochschulsatzungen unerlässlich sind«.251 Welchen Weg der Gesetzgeber für die Anpassung des geltenden Satzungsrechts an das neue Hochschulrecht wählen würde, war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Ende 1973 teilt der Rektor dem Senat mit, dass »von Seiten des Wissenschaftsministeriums mit Hochdruck an der Novellierung des Hochschulgesetzes des Landes NRW gearbeitet werde«.252 Anfang Januar 1974 legte Wissenschaftsminister Rau den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes vor, in dem unter anderem die umstrittene Zusammensetzung der Hochschulgremien in Anpassung an die verfassungsgerichtlichen Vorgaben neu geordnet wurde. Dementsprechend sollten die Hochschullehrer in allen Organen der Hochschule mit Ausnahme des Konvents mindestens die Hälfte aller Sitze erhalten. In allen Angelegenheiten, in denen unmittelbar über Fragen der Forschung oder der Berufung von Hochschullehrern entschieden wurde, sollten die Hochschullehrer künftig über die 248 Anhörung verschiedener im Satzungskonvent vertretener Gruppen (Listen) im Ministerium. Aktenvermerk Gruppe I B 1 vom 16. 02. 1973 , betr.: Auswertung der Anhörung Bonn, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 1243, Nr. 407. 249 Ebd. 250 Schreiben des Ministers vom 05. 10. 1973 an die Vorsitzenden der Satzungskonvente über die Rektoren, Runderlaß des Ministers zum Verfahren nach §52 HSchG, in: UAB, Senat 161–27. 251 Ebd. 252 Protokoll der Senatssitzung vom 06. 12. 1973, TOP 5, S. 2, in: UAB, Senat 161–29.
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Mehrheit der Stimmen verfügen. Mit der Novelle zum Hochschulgesetz wollte die Landesregierung auch die notwendige Satzungsreform an den Hochschulen beschleunigen. Der Gesetzentwurf sah daher die Vorlage eines ministeriellen Musters für die Hochschulsatzungen vor, auf deren Grundlage jede Hochschule ihre Satzung erarbeiten sollte. Die bisherigen Satzungskonvente wurden aufgelöst.253 Zu der eigentlich erwarteten raschen Novellierung des Hochschulgesetzes kam es aber nicht, weil im Kulturausschuss des Landtages keine Einigung erzielt werden konnte. Eine zweite Lesung des Gesetzentwurfs wurde erst für Februar 1975 erwartet. Der Rektor berichtete dem Senat Ende 1974, dass sich die Verabschiedung einer Mustersatzung verzögern würde.254 Am 15. Januar 1975 teilt er dem Senat mit, »daß die Novellierung des Landeshochschulgesetzes jetzt [vor der Landtagswahl am 4. Mai 1975] nicht mehr erfolge«.255 Nach dem Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes am 30. Januar 1976 bedurfte es außerdem der Anpassung des Landeshochschulgesetzes an die bundesrechtlichen Rahmenvorgaben. Eine Dienstbesprechung des Rektors beim Minister für Wissenschaft und Forschung im Dezember 1976, bei der unter anderem der weitere Verlauf der Hochschulgesetzgebung des Landes NRW besprochen wurde, ergab, dass eine neue Verfassung nicht vor 1980 in Kraft treten würde.256 Die Universität Bonn lehnte es ab, »schon jetzt den Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes entsprechende Studienordnungen aufzustellen, weil sie der Umsetzung des Hochschulrahmengesetzes in das Hochschulgesetz des Landes NW nicht vorgreifen will«.257 In der Universität herrschte jedenfalls auf Seiten der Hochschullehrer nach wie vor Skepsis gegenüber dem durch das sozialliberale Hochschulrahmengesetz für alle Hochschulen als Strukturprinzip gesetzmäßig verankerten Prinzip der »Gruppenuniversität«; man befürchtete nach den Erfahrungen der Post-1968er-Zeit eine politische Polarisierung, »die Gefahr nämlich, bei Entscheidungsfindungen innerhalb der verschiedenen Universitätsgremien dem Konflikt näher zu sein als dem Konsensus«.258 Zweifelsohne war nun hinsichtlich der Hochschulgesetzgebung eine kurze Atempause eingetreten, die der Universität nicht ungelegen kam, waren doch viele Reformvorstellungen der vergangenen Jahre nicht nach dem Geschmack 253 254 255 256 257
BUN 93 (23. 01. 1974). Protokoll der Senatssitzung vom 14. 11. 1974, TOP 5, S. 5, in: UAB, Senat 161–39. Protokoll der Senatssitzung vom 16. 01. 1975, TOP 6, S. 3, in: UAB, Senat 161–41. Protokoll der Senatssitzung vom 09. 12. 1976, TOP 5, S. 7, in: UAB, Senat 161–55. Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 09. 12. 1976, TOP 6, S. 9–12 und Anlage – Stellungnahme des Senats zum Entwurf von Empfehlungen zur Erstellung von Studienordnungen (Mai 1976) der Gemeinsamen Kommission der Studienreformkommissionen, in: UAB, Senat 161–55. 258 Egli, Bericht 1975/76, S. 67f.
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der Mehrheit ihrer Entscheidungsträger gewesen. Aber nicht alle Universitätsangehörigen waren zufrieden. Im Januar 1976 lehnte der Senat studentische Forderungen, »die Sitzverteilung in den Engeren Fakultäten (EF) in Richtung auf verstärkte studentische Mitwirkungsmöglichkeiten im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 1973 und den Anforderungen des neuen Hochschulrahmengesetzes vom Dezember 1975 neu festzulegen« und den Engeren Fakultäten zu empfehlen, übergangsweise »die stellvertretenden studentischen Mitglieder mit Rede- und Antragsrecht zu allen Engeren Fakultätssitzungen hinzuziehen«, mit der Begründung ab, dass ein »diesbezügliches Recht aus dem Hochschulrahmengesetz oder dem Landeshochschulgesetz nicht herzuleiten sei«.259 Ein studentischer Wahlsenator gab daraufhin eine persönliche Erklärung zu Protokoll, in der er dem Senat vorwarf, auf den verkrusteten Strukturen der alten Universitätsverfassung zu verharren; das Bekenntnis zu wirkungsvoller Teilhabe der Studenten sei offensichtlich nicht mehr »als eine rhetorische Pflichtübung, mit der die totale Vermachtung der Selbstverwaltungsgremien, die von den Hochschullehrern längst vollzogen ist, verbrämt wird«.260 Einen durch Indiskretion bekannt gewordenen Vorentwurf zu einem Referentenentwurf für ein neues Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes nahm der Senat im Mai 1977 zum Anlass, grundsätzlich »die für die Aufrechterhaltung freier Forschung und Lehre unerläßlichen Lebensgrundlagen einer Universität hervorzuheben und an die im Lande Nordrhein-Westfalen politisch Verantwortlichen zu appellieren, bei allen für notwendig oder zweckmäßig gehaltenen Veränderungen des Hochschulwesens [bestimmte] Lebensgrundlagen zu berücksichtigen und zu wahren«, nämlich dass »ein Hochschulgesetz Ausführungsgesetz zu Art. 5 Abs. 3 GG sei, die Fehlbarkeit auch des Staates einkalkulieren und einer Verschulung der Universitäten widerstehen muss«. Das Hochschulgesetz müsse im Ganzen ein Gesetz zur Gewährleistung freier Forschung und Lehre bleiben; die Vermehrung staatlicher Aufsichts- und Leitungsbefugnisse auf Kosten der Hochschulautonomie sei in mindestens dem gleichen Maße mit dem Risiko möglichen Missbrauchs belastet wie die akademische Freiheit. Schließlich gelte es in den verschiedenen wissenschaftlichen Hochschulen »möglichst viele geistige Freiräume aufrechtzuerhalten, in denen eine Chance für kritische Vernunft und geistigen Fortschritt bewahrt bleibt«.261 Im Zusammenhang mit einem Änderungsentwurf des Lehrerausbildungs259 Protokoll der Senatssitzung vom 22. 01. 1976, TOP 11, S.9f., in: UAB, Senat 161–49. 260 Persönliche Erklärung des studentischen Wahlsenators Ekkehart Hasselsweiler zu Protokoll, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 22. 01. 1976, TOP 11, S. 9f., in: UAB, Senat 161–49. 261 Stellungnahme des Senats vom 26. 05. 1977 zur Hochschulgesetzgebung in NordrheinWestfalen, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 26. 05. 1977, in: UAB, Senat 161–59.
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gesetzes verwahrte sich die Universität Anfang 1977 gegen »den zwangsweisen Einsatz hochschulfremder Lehrkräfte«: Dem Gesetzgeber sei es verwehrt, »die Beurteilung der Fakultäten und Fachbereiche, ob eine nicht hochschulangehörige Lehrkraft für die Wahrnehmung von Lehrveranstaltungen von Fall zu Fall geeignet ist oder nicht, an sich zu reißen oder sie durch generell abstrakte Regelung einer universitätsfremden Subsumption von Aufsichtsbehörden und Verwaltungsgerichten zu unterwerfen«.262 Mit dem Referentenentwurf zur Änderung des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes vom Oktober 1977 nahm die Hochschulreformdebatte erneut Fahrt auf. In einer einstimmigen, von allen Gruppen der Universität getragenen Stellungnahme wurde der Referentenwurf als Versuch gewertet, nicht nur »die durch das HRG vorgesehene Gruppenuniversität organisatorisch auszugestalten, sondern überdies die Universitäten zu entmündigen und unter staatliche Vormundschaft zu stellen«. Der Senat hatte »keinen Zweifel, daß ein LHG in der vorgesehenen Fassung nicht nur die inneren Konflikte in der Universität institutionalisieren und um ein Vielfaches vermehren sowie eine unvertretbare zusätzliche Bindung und Aufzehrung von Kräften der Forschung und Lehre für Verwaltungsaufgaben bewirken, sondern auch die Universitäten weit unter ihren Standard von Forschung und Lehre absinken lassen, sie damit also im Kern ihrer Funktion und Existenz treffen würde«.
Der Referentenwurf zum Landeshochschulgesetz sei »offenkundig darauf angelegt, die Hochschulautonomie zu zerstören, die Partnerschaft zwischen Staat und Universitäten zu beseitigen und durch einen einseitigen ministeriellen Dirigismus zu ersetzen«. Die damit verbundene fundamentale Wende in der deutschen Universitätsgeschichte lasse in ihrem Gewicht und in ihren Auswirkungen »den Wandel von der sog. Ordinarienuniversität zur sog. Gruppenuniversität als belanglose Organisationskorrektur erscheinen«. Lehr- und Lernfreiheit würden beseitigt und durch ein nahezu perfektes System staatlicher Reglementierung ersetzt.263 Der Rektor äußerte sich scharf: »Der Entwurf zeigt das (gestörte) Verhältnis zwischen Referenten und Hochschule«.264 Der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde von der Senatskommission nicht besser beurteilt.265 Die vorgesehene Verordnung über die Lehrverpflich262 Stellungnahme des Senats zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des LABG vom 13. 01. 1977, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 13. 01. 1977, TOP 9, S.12, in: UAB, Senat 161–60. 263 Stellungnahme des Senats zum Referentenentwurf eines Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom Oktober 1977 beschlossen am 09. 02. 1978, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 09. 02. 1978, in: UAB, Senat 161–64, Zitate S. 2, S. 3 und S. 5. 264 Heupel, Bericht 1977/78, S. 120. Siehe auch ders., Bericht 1978/79, S. 140. 265 Kommissionsbericht betr. Regierungsentwurf eines Landeshochschulgesetzes, erstattet von
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tung an den wissenschaftlichen Hochschulen und Fachhochschulen fügte sich nach Ansicht des Senats in das von der Landesregierung offenbar verfolgte Schema ins Detail gehender, kleinlicher Regelungen, die von einem gewissen Misstrauen gegenüber der Wirksamkeit akademischer Selbstverwaltung zeugten.266 Die Universität Bonn leitete dem zuständigen Landtagsausschuss für Wissenschaft und Forschung eine ausführliche Stellungnahme zu den einzelnen Bestimmungen des Regierungsentwurfs zum Landeshochschulgesetz zu, die mit den Universitäten Münster, Bielefeld und Bochum abgestimmte und begründete Änderungsvorschläge beinhaltete und auf den bisherigen Stellungnahmen der Bonner Universität beruhte.267 Am 8. November 1979 verabschiedete der Landtag schließlich das Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes.268 Der Rektor der Universität nahm dies zum Anlass, seine Sorge um die Qualität und Innovationsfähigkeit von Forschung und Lehre sowie vor allem über die Verschlechterung der Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses zum Ausdruck zu bringen, soweit für diesen keine Möglichkeit der Überleitung in die neue Personalstruktur vorgesehen war.269 Er hielt dies auch mit Blick auf den zu erwartenden Zustrom der geburtenstarken Jahrgänge an die Universitäten für eine »hochschulpolitische Fehlentscheidung von ungeheurer Tragweite«.270 Der Senat schloss sich der Stellungnahme des Rektors an.271 Im Rückblick erschienen der Universität Bonn die zehn Jahre, die zwischen dem ersten Hochschulgesetz neuer Prägung 1970 und dem WissHG 1980 lagen und in denen sie auf der Basis der alten Verfassung weiter agiert hatte, »als Gewinn hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Universität und der wissenschaftlichen Leistung. Diese 10 Jahre gaben genug Raum für die nüchterne Beobachtung der Entwicklung anderswo und für Korrekturvorstellungen. Leider ist kaum etwas davon in die Neufassung des Gesetzes von 1980 eingegangen. Nun müssen auch die letzten Universitäten alter Ordnung wie Köln und Bonn, die hinsichtlich der Studen-
266 267 268 269 270 271
Prof. Dr. Fritz Ossenbühl vom 06. 02. 1979, Anlage zu Top 8 des Protokolls der Senatssitzung vom 09. 02. 1979, in: UAB, Senat 161–71. Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 02. 11. 1978, in: UAB, Senat 161–68. Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 28. 06. 1979, TOP 5, S. 15–17 in: UAB, Senat 161–74. Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (WissHG) vom 08. 11. 1979, GVBl. NRW 1979, S. 926. Zur Überleitungsproblematik siehe auch das Protokoll der Sitzung der Philosophischen Fakultät vom 19. 12. 1979, TOP 2, in: UAB, PF 190–116. Schreiben des Rektors vom 08. 11. 1979 zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses nach Verabschiedung des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, in: UAB, Senat 161–75. Anlage zum Schreiben des Rektors vom 08. 11. 1979 in: UAB, Senat 161–75.
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tennachfrage und ihrer wissenschaftlichen Profilierung mit an der Spitze stehen, ihre bewährte Verfassung aufgeben.«272
Die Integration der Abteilung Bonn der Pädagogischen Hochschule in die Universität Seit Anfang der 1970er Jahre verfolgte die Landesregierung Pläne zur Errichtung von Gesamthochschulen, nach denen die alten Universitäten, Pädagogischen Hochschulen (PH) und Fachhochschulen als (Unter-)Abteilungen in die neue Organisationsform integrierter Gesamthochschulen aufgehen sollten. Zur Vorbereitung sollten die Hochschuleinrichtungen an den bestehenden Universitätsstandorten zu acht Gesamthochschulen zusammengefasst werden, die Universität Bonn mit der Abteilung Bonn der PH Rheinland.273 Im Jahr 1977 lehnten die Philosophische Fakultät und der Senat der Universität die geplante, mit einem Vorschaltgesetz umzusetzende Vollintegration der Pädagogischen Hochschule in die Universität, namentlich die Eingliederung Fach für Fach, wegen der damit verbundenen organisatorischen Schwierigkeiten, Problemen bei der Lehrerbildung, negativen Auswirkungen auf das Kooptationsrecht der Universitäten, Schmälerung der beruflichen Chancen der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Assistenten und einer drohenden Verschlechterung der Studiensituation an den Universitäten ab. Die Stellungnahmen betonten die Unterschiedlichkeit der Funktionen und Qualifikationen in beiden Einrichtungen.274 Dies dürfte letztlich der entscheidende Grund für die ablehnende Haltung gewesen sein. In einer detaillierten Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes über die Zusammenfassung der Pädagogischen Hochschulen mit den anderen wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom Oktober 1977 verwahrte sich der Senat erneut gegen eine »Zwangseingliederung der Hochschullehrer der Pädagogischen Hochschulen in die Fachbereiche der Universitäten«, insbesondere die Zuordnung eines PH-Professors, der die Didaktik eines Faches vertritt, zu dem entsprechenden fachwissenschaftlichen Fachbereich; er kritisierte dies scharf als eine Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Identität der betroffenen Fachbereiche, die »ohne Beispiel in der neueren Uni272 Besch, Bericht 1981/82, S. 9. 273 Der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW, Thesen zur Planung und Errichtung von Gesamthochschulen vom 28. 04. 1971, Kopie in: UAB, Senat 143–57. 274 Stellungnahme der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zur Absicht der Regierungskoalition und der Landesregierung, die Pädagogischen Hochschulen aufzulösen, in: UAB, PF 190–110. Stellungnahme des Senats der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zur Absicht der Landesregierung, die Pädagogischen Hochschulen aufzulösen, Anlage zur Senatssitzung vom 03. 11. 1977, TOP 8, S. 15, in: UAB, Senat 161–61. Siehe auch Leis, Bericht 1976/77, S. 93f.
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versitätsgeschichte« sei, und bewertete diese als Verletzung der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit und der landesverfassungsrechtlich gewährleisteten akademischen Selbstverwaltung. Nach seiner Auffassung kam nur eine geschlossene Übernahme der PH-Hochschullehrer in einem neu zu bildenden pädagogischen Fachbereich in Betracht.275 Die gesamte Universität, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten eingeschlossen, bekundete ihre Entschlossenheit, »gegen die Verletzung der Hochschulautonomie in einem Zusammenführungsgesetz oder in den daraufhin zu erlassenden Rechtsverordnungen Verfassungsbeschwerde zu erheben« beziehungsweise gegen die Versetzung der Professoren der PH an die betroffenen Fakultäten das Verwaltungsgericht anzurufen mit dem Ziel einer Vorlage an den Landesverfassungsgerichtshof zwecks Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 16 der Landesverfassung.276 In einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 12. Juni 1978 bekräftigte die Universität ihre bereits gegen den Referentenentwurf erhobene, aber unberücksichtigt gebliebene Kritik; es drohe »eine Verschiebung des Wissenschaftsbegriffs in Richtung auf Vermittlung und Didaktisierung«.277 Doch in diesem Punkt gab die Landesregierung nicht nach. Das am 19. Dezember 1978 vom Landtag verabschiedete und am 29. Dezember 1978 verkündete »Gesetz über die Zusammenführung der Pädagogischen Hochschulen mit den anderen Wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen« ordnete die Fusion auf der Basis der von der Universität Bonn abgelehnten Fach-zu-Fach-Zuordnung an.278 Am 8. Februar 1979 beschloss daraufhin der Senat bei einer Stimmenthaltung, »daß die Universität zur Verteidigung ihrer Rechte, die durch den Erlaß des Gesetzes über die Zusammenführung der Pädagogischen Hochschulen mit den übrigen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen und durch die Verwirklichung dieses Gesetzes zu treffenden Maßnahmen bedroht sind, geeignete Rechtsmittel ergreift«.279 Die Fakultäten weigerten sich, Vertreter in die Gemeinsame Organisationskommissionen gemäß § 9 des Gesetzes zu entsenden. Am 23. März 1979 erhoben 82 der 95 Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion, vertreten durch die Bonner Staatsrechtler Fritz Ossenbühl und Jürgen Salzwedel, Normenkontrollklage gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof NRW280 ; sie wandten sich dabei vor allem gegen die Zwangseingliederung der Hochschullehrer der Pädagogischen Hochschulen in die Fakultäten und Fach275 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 12. 01. 1978, TOP 9, S. 4, S. 9, S. 13, in: UAB, Senat 161–63. 276 Ebd., S. 16. 277 Protokoll zur Senatssitzung vom 01. 06. 1978, in: UAB, Senat 161–67. 278 GVBl. NRW 1978, S. 650. 279 Protokoll der Senatssitzung vom 08. 02. 1979, TOP 7, S. 11–17, in: UAB, Senat 161–71. 280 Aktenzeichen: VerfGH 2/79.
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bereiche der aufnehmenden Universitäten und Gesamthochschulen. Ossenbühl und Salzwedel rügten insbesondere einen Verstoß gegen das Übermaßverbot, weil das erstrebte Ziel der Zusammenführung für die Universitäten schonender durch Übernahme der Pädagogischen Hochschulen als selbständige Untergliederungen hätte erreicht werden können.281 Das Ministerium beharrte dessen ungeachtet darauf, dass das Gesetz in jedem Fall unverzüglich umgesetzt werden müsse, insbesondere die Gemeinsamen Organisationskommissionen unverzüglich durch Wahl gebildet werden müssten,282 was an der Universität Bonn in der Hochschullehrergruppe jedoch nicht geschah.283 Am 20. Oktober 1979 beschloss der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, den Vollzug des Gesetzes über die Zusammenführung der Pädagogischen Hochschulen mit den anderen wissenschaftlichen Hochschulen des Landes auszusetzen.284 In seiner Sitzung vom 28. Januar 1980 beschloss der Landtag dann doch noch eine Änderung des Gesetzes über die Zusammenführung der Pädagogischen Hochschulen mit den wissenschaftlichen Hochschulen des Landes, die den Hochschulen im Wege eines Kompromisses bei ihrer künftigen Organisationsstruktur »mehr Spielraum« eröffnete. Neben der bisher ausschließlich möglichen »Fach-zu-Fach-Integration« waren jetzt auch andere Integrationsmodelle möglich.285 Die lange aufrecht erhaltene Abwehrhaltung der Bonner Universität hatte sich damit ausgezahlt. Sie beschloss, die Pädagogische Hochschule Rheinland, Abteilung Bonn, gemäß § 19a PH-Int.G als achte Fakultät einzugliedern,286 und zwar unter dem Namen »Pädagogische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn«.287 Diese Maßnahme wurde zum 1. April 1980 wirksam.
Die Fortsetzung der »negativen Hochschulpolitik« (1980–1986) Hinsichtlich der Universitätsverfassung stellte sich die Universität Bonn 1980 unter Berufung auf die §§ 131, 133 des neu erlassenen WissHG – ebenso wie alle 281 »Ein Gesetz, das keiner will.«, BUN 132 (April/Mai 1979), S. 4. 282 Dienstbesprechung mit den Abteilungsdekanen der Pädagogischen Hochschulen und den Rektoren bzw. ihren Vertretern der Universitäten Aachen, Bonn, Düsseldorf und Köln im Wissenschaftsministerium vom 23. 02. 1979, Auszug aus dem Ergebnisvermerk, Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 935, Nr. 16. Dienstbesprechung mit den Rektoren und Kanzlern der wissenschaftlichen Hochschulen im Ministerium für Wissenschaft und Forschung vom 11.5.79, Auszug aus dem Ergebnisprotokoll vom 18. 05. 1979, Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 935, Nr. 15. 283 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 26. 04. 1979, TOP 8, S. 12–17, in: UAB, Senat 161–72. 284 Beglaubigte Abschrift des Beschlusses in: UAB, Senat 161–75. 285 GVBl. NRW 1980, S. 84f. 286 Protokoll der Senatssitzung vom 07. 02. 1980, TOP 6, S. 15f., in: UAB, Senat 161–78. 287 Protokoll der Senatssitzung vom 17. 04. 1980, TOP 7, S. 17, in: UAB, Senat 161–79.
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anderen Universitäten des Landes – auf den Standpunkt, dass »die bisher bestehenden Organe alten Rechts bis zum Inkrafttreten der Grundordnung und der Konstituierung neuer Organe, wie sie das WissHG vorsieht, in der Zusammensetzung und mit den Verfahrensordnungen des alten Rechts fortbestehen. Ausnahmen gibt es nur dort, wo das WissHG für bestimmte Aufgaben ausdrücklich neue Organe neben die fortbestehenden alten Organe setzt. Diese neuen Organe werden dann durch Gruppenwahl oder von den bisherigen alten Organen gebildet.«288 Die Rechtsauffassung des Ministeriums ging dagegen dahin, dass bis zur Genehmigung der auf der Grundlage des WissHG zu erarbeitenden Grundordnung zwar die alten Organe mit den alten Verfahrensordnungen, allerdings unter Einbeziehung gesetzlich übergeleiteter Professoren (§ 119 WissHG), also verändert zusammengesetzt, weiterbestünden.289 Die Fakultäten bekundeten die Absicht, als Einheiten erhalten zu bleiben und sich lediglich in »Fachbereiche« umzubenennen.290 Das WissHG (§ 132) machte die Anpassung sämtlicher Hochschulprüfungs- und Studienordnungen an die neue hochschulrechtliche Lage notwendig. Sie beschäftigte die Universität Bonn ebenso intensiv wie die Erstellung eines neuen Organisationsplans über Anzahl und Ausrichtung der Fachbereiche (§ 129 WissHG). Während die bisherigen Fakultäten in ihrer bisherigen Zusammensetzung als Fachbereiche fortbestehen wollten, sprach sich die Pädagogische Fakultät dafür aus, ihre bisherigen Institute als selbständige Einheit den anderen Fakultäten einzugliedern, da sie nach der gegenwärtigen Entwicklung »mit ihrer bisherigen unveränderten Aufgabenbestimmung nicht weiter bestehen könne«.291 Nach Inkrafttreten des Gesetzes begann die Universität Bonn – in Umsetzung der Einführung der neuen Personalstruktur – mit der Übernahme des wissenschaftlichen Personals auf Professorenstellen gemäß § 120f. WissHG und bildete Übernahmekommissionen.292 Der Senat der Universität beschloss gleichzeitig einen Organisationsplan, in dem sämtliche bisherigen Fakultäten – einschließlich der Pädagogischen Fakultät – als einheitliche Fachbereiche in ihrer bisherigen Zusammensetzung fungierten. Das für die bisherige Pädagogische Fakultät aus dem Kreis der Wissenschaftlichen Mitarbeiter vorgeschlagene »Modell einer fachbereichsbezogenen additiven Integration, die innerhalb der einzelnen Fachbereiche das Fortbestehen der wissenschaftlichen Einrichtungen der jetzigen Pädagogischen Fakultät in selbständiger Form ermöglicht«, wurde abge288 Protokoll der Senatssitzung vom 17. 01. 1980, TOP 6, S. 8, in: UAB, Senat 161–71. 289 Vgl. Protokoll der Senatssitzung vom 07. 02. 1980, TOP 6, S. 12f., in: UAB, Senat 161–78. 290 Vgl. Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät vom 09. 01. 1980, TOP 3, S. 4 in: UAB, PF 190–117. 291 Protokoll der Senatssitzung vom 11. 12. 1980, TOP 7, S. 9–11, in: UAB, Senat 161–84. 292 Protokoll der Senatssitzung vom 17. 01. 1980, TOP 6, S. 9, in: UAB, Senat 161–77; siehe auch Krümmel, Bericht 1979/80, S. 165f.
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lehnt.293 Doch der Minister verweigerte die Genehmigung des vorgelegten Organisationsplans wegen Nichtberücksichtigung des Prinzips der Fach-zu-FachZuordnung. Nach § 19a des Zusammenführungsgesetzes durften Abteilungen der früheren Pädagogischen Hochschulen lediglich übergangsweise, längstens bis zum Wirksamwerden des Organisationsplans, fortbestehen. Ungeachtet dessen hatte die Zuordnung des wissenschaftlichen Personals der ehemaligen Pädagogischen Hochschulen zu einem Fachbereich zu erfolgen, dem das Fach zuzurechnen sei, das dieses Personal vertrete. Aus Sicht des Ministeriums war die Didaktik eines Faches der entsprechenden Fachwissenschaft zuzuordnen, da die Lehrerausbildung nicht in unterschiedlichen Fachbereichen der Hochschule stattfinden dürfe. Eine unveränderte Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes war daher nicht vertretbar. Das Ministerium äußerte darüber hinaus Bedenken gegen die Größe der unverändert fortbestehenden Fachbereiche unter dem Gesichtspunkt einer im Übrigen unveränderten Organisationsstruktur.294 Der Rektor führte in seinem Antwortschreiben aus, die Universität teile weder die Rechtsauffassung des Ministeriums noch die gegen die Größe der vorgesehenen Fachbereiche erhobenen Bedenken.295 Er sah daher »auch keine Veranlassung, insoweit erneut in das Verfahren einzutreten«. Allerdings wurde die Notwendigkeit anerkannt, zu Fragen der vom Minister für Wissenschaft und Forschung geforderten, stärkeren Koordinierung im Bereich der Lehramtsstudiengänge Stellung zu nehmen, weil anderenfalls rechtsaufsichtliche Maßnahmen drohten.296 Das Wissenschaftsministerium genehmigte schließlich am 29. April 1982 (gemäß § 129 Abs. 1 i. V. m. § 108 Abs. 1 S. 1 WissHG) unter Zurückstellung von Bedenken gegen die Größe der unverändert fortbestehenden Fachbereiche im Hinblick auf die angemessene Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben und unter einigen, in ihrer Bedeutung unklaren Vorbehalten den von der Universität Bonn vorgelegten Organisationsplan. Der Senat ermächtigte daraufhin den Rektor, der als Nichtgenehmigung des Organisationsplans angesehenen eingeschränkten Genehmigung durch den Minister zu widersprechen.297 Der Minister
293 Protokoll der Senatssitzung vom 15. 01. 1980, TOP 8, S. 22–24., in: UAB, Senat 161–85; Protokoll der Senatssitzung vom 12. 02. 1981, TOP 7, S. 22, in: UAB, Senat 161–86. 294 Erlaß des Ministers vom 11. 06. 1981, mit dem die Genehmigung des vorgelegten Organisationsplans versagt wird, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 05. 11. 1981, in: UAB, Senat 161–91. 295 Schreiben des Rektors vom 31. 07. 1981, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 16. 07. 1981, in: UAB, Senat 161–89. Siehe auch Krümmel, Bericht 1980/81, S. 181f. 296 Siehe dazu auch Protokoll der Senatssitzung vom 05. 11. 1981, TOP 12, S. 19, in: UAB, Senat 161–91. 297 Protokoll der Senatssitzung vom 24. 06. 1982, TOP 9, S.18f., in: UAB, Senat 161–96. Siehe ferner das in Vollzug dieser Senatsentscheidung vom Rektor verfasste Schreiben an den
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wies die Gegenvorstellungen der Universität mit einem mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Erlass vom 4. August 1982 im Wesentlichen zurück. Dagegen erhob die Universität Klage, die sie mit einer Verletzung der verfahrensrechtlichen Treuepflicht begründete, weil durch den Eingang des Erlasses in der vorlesungsfreien Zeit der Senat als das für das Satzungsverfahren zuständige Organ an einer Willensbildung in dieser Angelegenheit gehindert worden sei.298 Der Streit endete mit einem Kompromiss, indem das Ministerium seine Vorbehalte teilweise zurücknahm, während der Senat in seiner Sitzung vom 11. November 1982 »aufgrund der nunmehr vorliegenden Erlasse den Organisationsplan mit den vom Minister vorgegebenen Maßgaben« beschloss.299 Das Ministerium verlangte außerdem die Vorlage einer Wahlordnung und vorläufigen Verfahrensordnung für den mit der Aufgabe der Verabschiedung einer neuen Grundordnung betrauten Konvent gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 WissHG bis zum 1. Juli 1982;300 nach Auffassung des Rektors musste zunächst die Zuordnung der habilitierten wissenschaftlichen Mitarbeiter gemäß § 126 Abs. 2 WissHG abgewartet werden; auch die Zuordnung der Studienprofessoren zu einer der im Hochschulgesetz vorgesehenen Gruppen stand noch aus.301 Die Universität sah sich schließlich nicht in der Lage, die vorläufige Wahlordnung und die Verfahrensordnung für den neu zu bildenden Konvent bis zum Ablauf der gesetzten Frist vorzulegen.302 Mit Erlass vom 6. August 1982303 wies der Minister die vorgetragenen Gründe zurück und nahm die Fristversäumung zum Anlass, unter erneuter Fristsetzung bis zum 10. Oktober 1982 die Wahlordnung anzufordern und für den Fall nicht fristgemäßer Vorlage die Ersatzvornahme anzudrohen. Die Universität erhob gegen diesen Erlass ebenfalls Klage, um eine angemessene Beratungszeit für die Vorlage dieser Wahlordnung sicherzustel-
298 299 300
301 302 303
Minister betreffend Gegenvorstellungen der Universität zum Organisationsplan vom 05. 07. 1982, Anlage zur Sitzung des Senats vom 15. 07. 1982, in: UAB, Senat 161–97. Klageschrift vom 06. 09. 1982. Anlage zu Top 7 der Senatssitzung vom 11. 11. 1982, in: UAB, Senat 161–98. Protokoll der Senatssitzung vom 11. 11. 1982, TOP 7, S. 16f., in: UAB, Senat 161–98. Erlass vom 05. 05. 1982, in dem er vom Minister aufgefordert wird, bis 1. Juli 1982 die Wahlordnung für den Konvent gemäß § 130 zur Genehmigung vorzulegen sowie die vorläufige Verfahrensordnung des Konvents anzuzeigen. Siehe auch Schreiben des Rektors an den Minister betr. Erlaß der vorläufigen Wahlordnung für den Konvent vom 05. 07. 1982, Kopie in: UAB, Senat 161–97. Siehe Protokolle der Senatssitzungen vom 13. 05. 1982, TOP 7, S. 22f., in: UAB, Senat 161–95 und vom 24. 06. 1982 TOP 8, S.15, in: UAB, Senat 161–96. Schreiben des Rektors an den Minister betr. Erlaß der vorläufigen Wahlordnung für den Konvent vom 05. 07. 1982, Kopie in: UAB, Senat 161–97. Unter Az. III C 4–7640/041. Siehe Klage der Universität Bonn gegen den Wissenschaftsminister vor dem Verwaltungsgericht Köln vom 06. 09. 1982 wegen Aufhebung eines Verwaltungsaktes (Termin für Vorlage der Wahlordnung), Kopie in: UAB, Senat 161–98.
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len.304 Nach Zustellung der Klage erfolgten Verhandlungen mit dem Ministerium. Mit Erlass vom 12. Oktober 1982 wurde der Universität Bonn für die Vorlage der Wahlordnung eine erweiterte Frist bis zum 28. Februar 1983 eingeräumt, um die Universität klaglos zu stellen. Tatsächlich wurde die Klage in der Hauptsache für erledigt erklärt.305 Die Universität legte schließlich die erarbeitete vorläufige Wahlordnung für den Konvent am 23. Februar 1983 vor. Die Wahlordnung wurde dabei so ausgestaltet, dass die verschiedenen Fächer repräsentiert waren, eine Persönlichkeitswahl stattfinden konnte sowie durch Sicherung einer Mindestbeteiligung an der Wahl (Quorum) verhindert werden sollte, dass Zufallsergebnisse oder extremistische Gruppen den Ausschlag geben konnten.306 Die vorgelegte Wahlordnung wurde ministeriell mit Erlass vom 9. Mai 1983 mit gewissen Maßgaben genehmigt, was die Universität aber als Ablehnung der eingereichten Wahlordnung begriff.307 Wegen eines Streits über die Zuordnung von Habilitierten, die noch keine Professur innehatten, zur Gruppe der Professoren oder der Wissenschaftlichen Mitarbeiter, bei der das Korporationsrecht gegen das Dienstrecht stand, verzögerte sich der Vollzug weiter.308 Im Juli 1983 hielt Prorektor Krümmel eine vielbeachtete Rede »Über positive und negative Hochschulpolitik«, in der er resümierend beklagte, dass »wir auf dem Felde der ›großen‹ Hochschulpolitik gegenüber Land und Bund seit Jahren dazu gezwungen sind, negative Hochschulpolitik zu betreiben. Negative Hochschulpolitik als eine Politik des Vereitelns und Entschärfens von ›Problemlösungen‹, von denen wir glauben, daß sie sachlich falsch sind. Das ist ein gravierender Zustand. Der Mensch lebt nicht auf die Dauer unbeschädigt in der Negation. Dauernde Negation ist depravierend. Wenn wir seit Jahren gezwungen sind, negativ zu reagieren, abzuwehren, zu mahnen, unser Recht zu erstreiten, so sind wir in Gefahr zu vergessen, daß es unsere eigentliche Aufgabe ist, positive Hochschulpolitik zu betreiben«.
In diesem Zusammenhang betonte Krümmel die positiven universitären Aufgaben von Wissenschaftspflege und Wissenschaftsförderung.309 Ungeachtet dieser nachdenklichen Töne setzte sich die Auseinandersetzung mit dem Ministerium über die vorläufige Wahlordnung für den Konvent 1984 fort. Zwar wurde im Landtag im Sommer 1984 eine Novellierung des WissHG beschlos304 Klageschrift vom 06. 09. 1982, Anlage zu Top 6 der Senatssitzung vom 11. 11. 1982, in: UAB, Senat 161–98. 305 Protokoll der Senatssitzung vom 11. 11. 1982, TOP 6, S. 7f., in: UAB, Senat 161–98. 306 Siehe Besch, Bericht 1982/83, S. 75f. 307 Protokoll der Senatssitzung vom 09. 06. 1983, TOP 6, S. 11, in: UAB, Senat 161–104. 308 Siehe Besch, Bericht 1982/83, S. 76. Die endgültige Genehmigung der Wahlordnung erfolgte aus Sicht des Ministeriums spätestens mit Erlass vom 28. 06. 1984; siehe dazu Protokoll der Senatssitzung vom 05. 07. 1984, in: UAB, Senat 161–111. Zur gegenteiligen Rechtsauffassung der Universität siehe Böckle, Bericht 1983/84, S. 10. 309 BUN 150 (Juli 1983), S. 8f.
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sen,310 durch die § 126 Abs. 2 WissHG so modifiziert wurde, dass die Wahlordnung der Bonner Universität auch in diesem Punkt genehmigt werden konnte. Doch auch die Neufassung des § 126 Abs. 2 WissHG schuf Probleme. Der Rektor beharrte gegenüber dem Ministerium hinsichtlich der Zuordnung zur Gruppe der Professoren auf dem vom BVerfG entwickelten materiellen Hochschullehrerbegriff311 – auch auf die Gefahr eines ministeriellen Oktroi hin.312 Die Übergangsfrist blieb gemäß Art. I Nr. 6 des Änderungsgesetzes (neu eingefügter § 133 Abs. 2 S. 3 WissHG) i. V. m. Art. III Nr. 2 des Änderungsgesetzes auch nach der Novelle auf zwei Jahre festgesetzt; bis zu deren Ablauf am 11. Juli 1986 musste eine neue Grundordnung eingeführt sein. Danach traten alte Hochschulverfassungen wie die Bonner, soweit sie dem Gesetz widersprachen, außer Kraft.313 Deshalb machte der Minister für Wissenschaft und Forschung Druck. Er wollte durch Erlass vom 22. Januar 1985 mittels einer Ersatzvornahme die vorgelegte Wahlordnung in der von ihm gewünschten Fassung in Kraft setzen. Der Rektor erhob für die Universität gegen diesen Erlass erneut Klage und stellte beim Verwaltungsgericht gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Erlasses Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.314 Der Minister erklärte daraufhin den vorläufigen Verzicht auf Zwangsmaßnahmen zur Durchführung einer Wahl und strebte eine Wahl zu Beginn des Wintersemesters 1985/86 an.315 Danach zeichnete sich bereits ab, dass der zu wählende Konvent voraussichtlich bis zum Stichtag (11. Juli 1986) die neue Grundordnung nicht verabschiedet haben würde, nicht zuletzt auch mit Blick darauf, dass die Grundordnung die zwischenzeitlichen Änderungen des Hochschulrahmengesetzes der neuen christlich-liberalen Koalition auf Bundesebene berücksichtigen musste.316 Ein vom Verwaltungsgericht unterbreiteter Vergleichsvorschlag317 wurde vom Senat der Universität abgelehnt, weil er die Streitfrage nicht löste, sondern auf 310 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (WissHG) und des Gesetzes über die Fachhochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen (Fachhochschulgesetz – FHG) vom 26. 06. 1984, GVBl. NRW 1984, S. 366. 311 Geprägt durch die vier Hauptgesichtspunkte besonderer Qualifikation, herausgehobener Funktion in Forschung und Lehre, wissenschaftlicher Verantwortlichkeit und intensiver Betroffenheit durch Entscheidungen der Hochschulorgane Vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung in BVerfGE 61, 210, 240f. 312 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 08. 11. 1984, TOP 8, S. 13f., in: UAB, Senat 161–112. 313 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 07. 06. 1984, TOP 6, S. 8f., in: UAB, Senat 161–110. 314 Protokoll der Senatssitzung vom 25. 04. 1985, TOP 6, S. 8, in: UAB, Senat 161–117. 315 Protokoll der Senatssitzung vom 23. 05. 1985, TOP 6, S. 7, in: UAB, Senat 161–118. 316 Protokoll der Senatssitzung vom 04. 07. 1985, TOP 6, S. 11f. in: UAB, Senat 161–119. 317 Schreiben der Rechtsanwälte Redeker und Partner an den Rektor betreffend Vergleichsvorschlag des VG Köln vom 06. 09. 1985, Anlage zum Protokoll der Sondersitzung des Senats vom 14. 10. 1985, in: UAB, Senat 161–120.
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Einzelfallentscheidungen bei der Bildung der Gruppen der Professoren und der wissenschaftlichen Mitarbeiter verlagerte. Die Universität bestand darauf, dass sichergestellt wurde, dass alle habilitierten Mitglieder der Universität unabhängig von ihrer dienstrechtlichen Stellung nach dem neuen Dienstrecht von 1980 in der Gruppe der Professoren wählten, die hauptberuflich im Dienst der Universität standen und die Aufgaben selbständiger wissenschaftlicher Forschung und Lehre wahrnahmen.318 Doch diesmal unterlag die Universität vor dem Verwaltungsgericht.319 Mit Erlass vom 23. Oktober 1985 verlangte der Minister nunmehr unverzüglich die Veröffentlichung der vorläufigen Wahlordnung sowie die Festsetzung des Wahltermins und den Fortgang des weiteren Wahlverfahrens. Der Rektor lehnte dies jedoch ab und wies den Minister auf die nach wie vor bestehenden rechtlichen Bedenken hin. Zugleich wurde Beschwerde gegen die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt.320 Ende November 1985 einigte man sich mit dem Ministerium auf eine Veröffentlichung der Wahlordnung mit einer die Rechtsansicht der Universität darlegenden Vorbemerkung und Fußnote. Mit Blick auf die im Januar 1986 anstehende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts wurden jedoch mit Einverständnis des Ministeriums vorläufig keine weiteren Maßnahmen zur Durchführung der Wahl zum Konvent durchgeführt.321 Gleichzeitig stellte sich das Ministerium aber auf den Rechtsstandpunkt, dass nach dem Stichtag am 11. Juli 1986 bei Fehlen einer vom Konvent erlassenen Grundordnung die Organe alten Rechts der Universität von Rechts wegen nicht mehr länger bestünden. Als Alternativen kamen danach nur noch entweder der Oktroi einer auf das Notwendigste begrenzten Grundordnung und die Einsetzung eines Staatskommissars oder die vorherige gesetzeskonforme Anpassung der Universitätsverfassung von 1960/68 durch die noch bestehenden Organe, gewissermaßen im Vorgriff auf die neue Grundordnung, in Betracht. Darauf aber wollte sich die Universität nicht einlassen.322 Gegen einen entsprechenden Erlass mit Rechtsmittelbelehrung vom 2. Dezember 1985 klagte die Universität erneut.323 Als das Oberverwaltungsgericht in Münster die Beschwerde der Universität gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Anordnung 318 Vgl. Protokoll der Sondersitzung des Senats vom 14. 10. 1985, in: UAB, Senat 161–120. Siehe ferner Böckle, Bericht 1984/85, S. 73f. 319 Das VG Köln wies durch Urteil vom 17. Oktober 1985 die Klage der Universität ab und lehnte durch Beschluss vom 18. Oktober auch den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Erlasses des Ministers ab; siehe Protokoll der Senatssitzung vom 07. 11. 1985, TOP 7, S. 9, in: UAB, Senat 161–121. 320 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 07. 11. 1985, TOP 7, S. 9, in: UAB, Senat 161–121. 321 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 12. 12. 1985, TOP 6, S. 7–9, in: UAB, Senat 161–122. 322 Ebd. 323 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 16. 01. 1986, TOP 6, S. 7, in: UAB, Senat 161–123.
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der sofortigen Vollziehung der vorläufigen Wahlordnung am 16. Januar 1986 zurückwies,324 wurde die Wahl auf dieser Grundlage unverzüglich vorbereitet. Mit dem Ministerium konnte noch im Februar 1986 Einvernehmen darüber erzielt werden, nach Möglichkeit ohne eine oktroyierte Zwischenverfassung und Wahlordnung auf dem vom Gesetz vorgeschriebenen Weg von der geltenden Verfassung der Universität Bonn auf eine neue Grundordnung überzugehen. Voraussetzung dafür war allerdings, dass der Konvent sich nach seiner Wahl im Sommersemester noch vor dem 11. Juli 1986, dem Datum, an dem der Übergang zur neuen Universitätsverfassung eigentlich hätte abgeschlossen sein sollen, zumindest konstituierte und mit den Beratungen über einen bis dahin vom Senat verabschiedeten Vorschlag einer neuen Grundordnung begann. Unter diesen Umständen beabsichtigte das Ministerium, nicht auf einer sofortigen Vollziehung der Oktroiandrohung zu bestehen, sondern war bereit, die zu diesem Zeitpunkt amtierenden Organe in ihrer Amtszeit zu verlängern.325 Bei ihrem Besuch an der Universität Bonn am 5. Mai 1986 machte Ministerin Brunn deutlich, dass das alte Universitätsrecht im Juli 1986 endgültig auslaufe; sie unterstellte aber, »daß auch die Universität Bonn zur Rechtsgemeinschaft des Landes NRW gehöre und dies auch effektiv zu realisieren sei«, und ging daher davon aus, »daß [die] Universität Bonn bis zum Herbst 1987 ihre Verfassung an das geltende Recht angepasst habe«.326 Anfang Juni 1986 wurde die Konventswahl schließlich durchgeführt, am 8. Juli 1986 fand die konstituierende Sitzung des satzungsgebenden Konvents statt. Schon 1985 war eine HRG-Novelle in Kraft getreten, die eine Stärkung der Professorenschaft in den Hochschulgremien anstrebte, und nun der Umsetzung durch das Land NRW harrte; der Referentenentwurf des Hochschulministeriums lag im April 1986 bereits vor. Im Gespräch mit dem Ministerium wurde daher von universitärer Seite »die Zweckmäßigkeit der Umorganisation nach dem WissHG« in Frage gestellt, »wenn sofort anschließend wieder eine weitere Umorganisation in die Strukturen des geänderten Hochschulrahmengesetzes erfolgen müsse«.327 Doch auf diese Argumentation wollte sich das Land nach einer so langen Wartezeit nicht einlassen. Die Ministerin räumte zwar ein, »daß sicherlich die Aufeinanderfolge von Umsetzungen des WissHG alter Fassung und Umsetzung des Hochschulrahmengesetzes neuer Fassung nicht glücklich sei, sie hielte 324 Aufgrund einer Gesamtabwägung entschied das Gericht, dass die Bildung eines Konvents gegenüber einer Klärung der von der Universität angegriffenen Maßgaben des Ministeriums Vorrang habe; siehe Fleischhauer, Bericht 1985/86, S. 9. 325 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 13. 02. 1986, TOP 6, S. 10f., in: UAB, Senat 161–124. Vgl. dazu Fleischhauer, Bericht 1985/86, S. 9. 326 Vermerk der Abt. 1.1 über den Besuch von Frau Ministerin Anke Brunn am 05. 05. 1986, hier : Gespräch mit den Senatsmitgliedern im Senatssaal, S.10, in: UAB, Senat 161–127. 327 Ebd., S. 10f.
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es aber für politisch nicht zuträglich, wenn der am längsten mit den Umsetzungsmaßnahmen wartenden Hochschule auch noch eine zusätzliche Wartezeit eingeräumt werde. […] Das Hochschulrahmengesetz werde zwar mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung in NRW umgesetzt, die Landesregierung könne sich aber nicht aus der Verantwortung für die Durchsetzung des Landesrechts stehlen.«328
Unausgeräumt blieb auch der Dissens in der Frage des Fortbestands der alten Universitätsorgane nach Ablauf der Frist für die Schaffung einer neuen Grundordnung am 11. Juli 1986. Nach Rechtsauffassung der Universität Bonn blieben in der Zeit ab 11. Juli 1986 die bestehenden Organe und Gremien (Rektor, Senat, Dekane, Fakultäten) nach § 131 Abs. 2 WissHG im Amt. Eine Neuwahl nach dem alten Recht konnte bei Dekanen und Wahlsenatoren allerdings wohl nicht mehr erfolgen; hier müsse auf Amtsvorgänger beziehungsweise Vertreter zurückgegriffen werden. Dagegen stand das Ministerium auf dem Standpunkt, dass ab dem 11. Juli 1986 sämtliche Organe und Gremien der Universität wegfallen würden. Das Ministerium beabsichtigte daher, den Rektor als Beauftragten nach § 106 Abs. 3 S. 2 WissHG einzusetzen, und ihm die Aufgaben des Rektors, des Rektorats, des Senats, der Dekane und der Fakultäten zu übertragen; die Gremien könnten lediglich in beratender Funktion weiter bestehen.329 Für die Universität war diese Zwischenlösung mit einem omnipotenten Rektor ebenso unannehmbar wie eine zusätzliche Beauftragung der Dekane mit deren Aufgaben und denen der Fakultäten. Dessen ungeachtet ergingen am 9. Juli 1986 ministerielle Erlasse in diesem Sinne: »Für den Fall, dass sich die gewählten Vertreter der Universität weigern würden, die als kleineren Eingriff angesehene Beauftragung anzunehmen, müssten Personen von außerhalb, also echte Staatskommissare, bestellt werden.«330 Angesichts der Nachteile, die der Universität durch Beauftragung von Außenstehenden entstehen konnten, nahmen der Rektor und die Dekane, unbeschadet ihrer abweichenden Rechtsauffassung, die Beauftragung an. Der Senat fasste daraufhin den Beschluss, die Rechtsauffassung des Ministeriums, dass der Senat nach dem 10. Juli 1986 nicht mehr existierte, »zum gerichtlichen Austrag zu bringen«.331 Zwei Tage später erhoben der Prorektor für die Universität und die Prodekane von sieben der acht Fakultäten Anfechtungsklage gegen die Erlasse und stellten zugleich Antrag auf Aussetzung des vom Ministerium angeordneten Sofortvollzugs.332 Im November 1986 erledigten sich die Anträge auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Aufsichtsmaßnahmen des Ministeriums aufgrund eines vom 328 Protokoll der Senatssitzung vom 02. 05. 1986, S. 12, in: UAB, Senat 161–127. 329 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 26. 06. 1986, TOP 5, S. 7, in: UAB, Senat 161–131; Protokoll der Senatssitzung vom 10. 07. 1986, TOP 6, S. 13–15, in: UAB, Senat 161–132. 330 Protokoll der Senatssitzung vom 10. 07. 1986, TOP 6, S. 14, in: UAB, Senat 161–132. 331 Ebd., S. 16. 332 Siehe hierzu allgemein auch Fleischhauer, Bericht 1985/86, S. 10.
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Verwaltungsgericht Köln vorgeschlagenen und von den Beteiligten angenommenen Vergleichs. Danach einigten sich die Beteiligten unbeschadet ihrer unterschiedlichen Rechtsauffassungen darauf, dass die am Stichtag des 11. Juli 1986 bestehenden Organe der Universität (Rektor, Senat und die sonstigen zentralen Organe sowie die Organe der Fakultäten) bis zur Konstituierung der nach Maßgabe des neuen Rechts zu wählenden Organe ihre bisherigen Funktionen weiter ausübten. Das Ministerium verzichtete darauf, aus den Vollziehungsanordnungen vom 18. August 1986 im Verhältnis zur Universität rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Außerdem durften die Fakultäten die ihnen nach dem gemäß § 133 WissHG fortgeltenden Universitätsrecht zustehenden Aufgaben (insbesondere Berufungen, Habilitationen, Promotionen und sonstige akademische Prüfungen) weiter wahrnehmen. Es handelte sich um einen modus vivendi, mit dem die Universität gut leben konnte. Insbesondere wurde anerkannt, dass das unterhalb der Verfassung vorhandene Universitätsrecht, auch das ungeschriebene (beispielsweise Verfahrensregelungen), weiter galt. Im Übrigen wurde für das Verfahren in der Hauptsache das Ruhen vereinbart.333 Die lange letzte Etappe auf dem Weg zur neuen Universitätsverfassung (1984–1991) Am 17. Januar 1985 setzte der Senat eine Kommission zur Vorbereitung eines Vorschlags für eine neue, die Verfassung von 1960/68 ablösende Grundordnung ein.334 In vier Sondersitzungen beriet der Senat über die von der Grundordnungskommission erarbeitete und am 26. Februar 1986 beschlossene Senatsvorlage einer neuen Verfassung an den Konvent.335 In der Schlussabstimmung über die Senatsvorlage wurde diese ohne Gegenstimme angenommen; die Wahlsenatoren der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Studenten nahmen an dieser Abstimmung nicht teil, weil nach ihrer Auffassung »der im Senat erarbeitete Grundordnungsentwurf in wesentlichen Punkten allein die Vorstellungen der Gruppe der Professoren durchsetzt«.336 Der Konvent arbeitete sodann in erster Lesung einen von der Senatsvorlage sich deutlich unterscheidenden Satzungsentwurf aus. Mit Blick auf die bevorstehende Anpassung des WissHG an die geänderten Vorgaben des HRG und das mit dem Ministerium erzielte Einvernehmen darüber, dass die Universität Bonn ihrer Grundordnung die für die Novellierung des WissHG vorgesehene Fassung zugrunde legen sollte, damit die Verfassung der Universität sogleich nach dem 333 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 06. 11. 1986, S. 1f., in: UAB, Senat 161–133. 334 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 17. 01. 1985, TOP 7, S. 8f., in: UAB, Senat 161–115. 335 Siehe Protokolle der Senatssitzzungen vom 29. 04., 02. 05., 26. und 27. 05. 1986, in: UAB, Senat 161–126 bis 129. 336 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 26. 06. 1986, TOP 7, S. 11f., in: UAB, Senat 161–131.
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Inkrafttreten des Anpassungsgesetzes genehmigt werden konnte und noch im Wintersemester 1987/88 Wahlen zu den neuen Gremien stattfinden und diese sich im Sommersemester 1988 konstituieren konnten, sowie angesichts des Umstandes, dass der Gesetzesentwurf der Landesregierung wesentliche Konfliktpunkte zwischen Senat und Konvent durch klare Regelungen beseitigte, wurde die ad-hoc-Kommission des Senats mit der Aufgabe reaktiviert, den Regierungsentwurf des Änderungsgesetzes zum WissHG in die vorliegenden Entwürfe von Senat und Konvent einzuarbeiten.337 Am 20. Oktober 1987 verabschiedete der Landtag das Änderungsgesetz zum WissHG.338 Es enthielt nunmehr wesentliche Elemente der Verfassung einer – durch die Vorgaben des HRG allerdings zugunsten der Einwirkungsmöglichkeiten der Professorenschaft – »abgemilderten« Gruppenuniversität und wurde für die Universität Bonn (wie auch die Universität Köln) insoweit unmittelbar wirksam (vgl. § 129 S. 3 WissHG).339 Aufgrund des Änderungsgesetzes konnte allerdings der auf der Grundlage des nunmehr gestrichenen § 130 WissHG a. F. gebildete Satzungskonvent nur noch bis zum 21. November 1987 seine Aufgaben wahrnehmen;340 der Bonner Konvent stellte daraufhin seine Arbeit Anfang November 1987 ein.341 Für die Wahl des ersten Senats aufgrund der Novelle zum WissHG beschloß der Senat, von der der Hochschule in § 21 Abs. 3 Satz 2 WissHG eingeräumten Möglichkeit der Verdoppelung der Zahl der Vertreter der Gruppen Gebrauch zu machen. Dagegen wurde für die Zusammensetzung des Konvents die gesetzliche Regelgröße (§ 23 Abs. 2 S. 1 WissHG) zugrunde gelegt.342 Nach der Neuwahl von Konvent und Senat im Wintersemester 1987/88 beschloss der Senat in der Verfassungsfrage, eine Kommission zu bilden, die zu Beginn des Wintersemesters 1988/89 mit Vorarbeiten für einen Senatsvorschlag einer neuen, vom Konvent zu verabschiedenden Grundordnung begann.343 Schon im Juni wurde der amtierende Rektor Fleischhauer vom Konvent auf Vorschlag des Senats für eine Amtszeit von vier Jahren wiedergewählt.344 In ihrer Rede bei der Eröffnung des 337 Protokoll der Senatssitzung vom 19. 03. 1987, TOP 5, S. 9f., in: UAB, Senat 161–137. Siehe auch Protokoll der Senatssitzung vom 04. 06. 1987, TOP 7, S. 9–11, in: UAB, Senat 161–139. 338 Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen und des Fachhochschulgesetzes sowie Gesetz über die Kunsthochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 20. 10. 1987, in: GVBl. NRW 1987, S. 366. 339 Siehe dazu Fleischhauer, Bericht 1986/87, S. 120. 340 Das Vierte Änderungsgesetz trat am 22. 11. 1987 in Kraft (siehe Art. XVI). 341 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 05. 11. 1987, TOP 7, S. 9f., in: UAB, Senat 161–142. 342 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 12. 11. 1987 (Sondersitzungen zu den Wahlordnungen), S. 3–5., in: UAB, Senat 161–143; Protokoll der Senatssitzung vom 23. 11. 1987, TOP 1, S. 2, in: UAB, Senat 161–144. 343 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 14. 07. 1988, Teil B, TOP 7, S. 10, in: UAB, Senat 161–153. 344 Siehe dazu Fleischhauer, Bericht 1987/88, S. 254f.
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Akademischen Jahres 1988/89 am 18. Oktober 1988 stellte die Ministerin für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Anke Brunn, mit Genugtuung fest, »daß die Universität Bonn ihre organisatorischen Strukturen nun an die neue Hochschulgesetzgebung angepaßt hat. Sie wissen, genauso wie ich, daß dem lange Jahre des Zögerns, des Streits und der Klage vorausgegangen sind. Ich begrüße es deshalb außerordentlich, daß die innerkorporative Veränderung nun so erstaunlich schnell in Gang gekommen ist. Heute verfügt die Universität über nach neuem Recht gewählte Organe und kann auch einen nach neuem Recht gewählten Rektor ihr eigen nennen. Vor einigen Wochen habe ich ihren alten und neuen Rektor in einer Person sowohl verabschieden, als auch im Amt begrüßen dürfen. […] Was an Umsetzung des neuen Rechts noch fehlt – die Grundordnung und die Neuordnung der Institutsebene – das wird, dessen bin ich sicher, die Universität Bonn in absehbarer Zeit erbringen.«345
Anfang 1989 legte die ad-hoc-Kommission ihren Entwurf einer Senatsvorlage für die neue Grundordnung vor,346 der sodann im Sommersemester 1989 im Senat beraten und am 26. Mai 1989 verabschiedet wurde. Dabei wurde vereinzelt kritisiert, »daß der von der Senatskommission vorgelegte Satzungsentwurf weitestgehend ein ›Abklatsch‹ von Vorschriften aus dem Gesetz über die Wissenschaftlichen Hochschulen darstellt. Die ›Abschreiberei‹ von Texten des Gesetzes sei überflüssig und für die Universität unwürdig. Man solle sich auf die Dinge beschränken, für die das Gesetz den Universitäten überhaupt noch einen Regelungsspielraum überlasse.«347 Es setzte sich jedoch die Auffassung durch, dass die zu schaffende Verfassung aus sich heraus verständlich sein sollte, was die wiederholende Aufnahme zahlreicher Gesetzesbestimmungen notwendig machte. In der Schlussabstimmung fand der Verfassungsentwurf im Senat die Zustimmung der Mehrheit seiner Mitglieder (13 Ja-, neun Nein-Stimmen, eine Enthaltung). Die Senatoren der wissenschaftlichen Mitarbeiter lehnten den Entwurf ab, weil in den Senatsberatungen vorgenommene Änderungen betreffend die Einführung einer Fakultätsversammlung, die Habilitation und die Institutsvorstände »ausschließlich im Interesse und durch die Stimmen der Professoren [erfolgten] und […] am Willen zur Umwandlung in eine Gruppenuniversität im Sinne des Gesetzes zutiefst zweifeln [lassen]«.348 Die Nichtbeteiligung an den Institutsvorständen war auch für die Senatoren der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter Grund der Ablehnung des Entwurfs. Eine 345 Redekonzept in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 683, Nr. 45; handschriftliche Anmerkung der Ministerin: »Ich rede frei, deshalb keine Änderung an dem im Prinzip stimmigen aber etwas zu unterwürfigen Grundkonzept.« 346 Protokoll der Senatssitzung vom 09. 02. 1989, Teil B, TOP 7, S. 9, in: UAB, Senat 161–158. 347 Protokoll der Senatssitzung vom 20. 04. 1989, S. 5, in: UAB, Senat 161–159. 348 Protokoll der Senatssitzung vom 08. 06. 1989, TOP Schlussabstimmung über den Verfassungsentwurf des Senates, S. 1, in: UAB, Senat 161–164.
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studentische Senatorin lehnte den Verfassungsentwurf »im Namen der Studentinnen und in Absprache mit der Frauen-Vollversammlung vom 1. Juni 1989 ab […], weil § 31 [Regelung über die Frauenbeauftragte] sich in skandalöser Weise über die berechtigten Interessen der Frauen an der Universität hinwegsetzt«.349 Nach der ersten Lesung des Verfassungsentwurfs durch den Konvent schloss sich eine zweite Lesung im Senat an. Dabei war eine der am heftigsten diskutierten Streitfragen »die Frage der angemessenen Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts in den Formulierungen der Verfassung«. Es wurden verschiedene Alternativen diskutiert: »durchgängige Doppelformulierung, Doppelformulierung bei der Bezeichnung von Personen, aber nicht bei der Bezeichnung von Ämtern, und Formulierung einer Präambel«.350 Doch in der zweiten Lesung des Senats setzte sich die insbesondere von Studenten- und Mitarbeiterseite vehement geforderte Lösung, durchgehend, das heißt auch für die Funktionsbezeichnungen (§ 5 Abs. 3 der Verfassung) die männliche und weibliche Personenbezeichnung zu verwenden, durch (zwölf Befürwortungen, fünf Gegenstimmen, drei Enthaltungen).351 Man wollte »in empfindlichen Bereichen« nun »auch in der Sprache vorsichtig« sein; eine sprachliche Gleichstellungsklausel ausschließlich in einer vorangestellten Präambel wurde überwiegend als »eine heute nicht mehr angängige Nulllösung« erachtet.352 Es folgte eine zweite Lesung durch den Konvent; die Entwurfsfassung war nun »im Sinne der angemessenen Position der Frauen sprachlich bearbeitet«.353 Der Senat verabschiedete den Verfassungsentwurf schließlich nach dritter Lesung am 18. Januar 1990.354 Am 5. Februar 1990 fand die Schlussabstimmung im Konvent statt, und der Verfassungsentwurf wurde dort mit 32 Ja-Stimmen, neun Gegenstimmen und einer ungültigen Stimme – und damit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – angenommen. Die neue Universitätsverfassung wurde anschließend dem Ministerium zur Genehmigung vorgelegt.355 Diese 349 Ebd., S. 2. 350 Protokoll der Senatssitzung vom 30. 11. 1989, TOP 6, S. 15, in: UAB, Senat 219–1. 351 Siehe dazu Protokoll der Senatssitzung vom 07. 12. 1989, TOP Fortsetzung der 2. Lesung des Verfassungsentwurfes, S. 6f. 352 Ebd. 353 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 11. 01. 1990, in: UAB, Senat 219–3. 354 Protokoll der Senatssitzung vom 18. 01. 1990, TOP 3. Lesung des Verfassungsentwurfes, in: UAB, Senat 219–4. Noch einmal kommt die »geschlechtergerechte Sprache« zur Diskussion (S. 6f.): In die Übergangsbestimmungen wird als letzter Paragraph (§ 84) folgende Bestimmung aufgenommen: »In dieser Verfassung werden, wo immer es möglich ist, geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet. Verbleibende männliche Formen gelten jeweils für beide Geschlechter, sofern nichts anderes vermerkt ist. Es wird erwartet, daß Senat und Konvent die Verfassung in einer der Stellung der Frau gerecht werdende sprachliche Form bringen.« 355 Protokoll der Senatssitzung vom 08. 02. 1990, Teil B, TOP 4, S. 4, in: UAB, Senat 219–6.
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erfolgte durch ministeriellen Erlass vom 17. August 1990 mit gewissen Maßgaben,356 denen sich Senat und Konvent weitgehend fügten.357 Am 15. Mai 1991 wurde die neue Verfassung der Universität Bonn im Gemeinsamen Amtsblatt des Kultusministeriums und des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung veröffentlicht358 und trat am folgenden Tag in Kraft.359 Die Institute, Seminare und sonstigen wissenschaftlichen und zentralen Einrichtungen wurden mit Genehmigung des Ministeriums gemäß § 54 Abs. 3 i. V. m. § 82 Abs. 2 der Universitätsverfassung übergeleitet; die Mitglieder der Gruppe der Professoren den Einrichtungen zugeordnet.360 Damit war der lange Weg zu einer neuen Universitätsverfassung an sein Ende gekommen.
Die permanente Studienreform in den 1970er Jahren Zum Reformalltag an der Universität Bonn gehörten auch Diskussionen über die organisatorische und inhaltliche Ausgestaltung des Studiums, insbesondere in der Philosophischen Fakultät. Im Jahr 1968 wurde die geplante Zwischenprüfungsordnung361 zum Zankapfel zwischen Fakultät und Studentenschaft. Die neue, obligatorische Zwischenprüfung sah die Zwangsexmatrikulation bei wiederholtem Nichtbestehen vor. Nach Auffassung der Studentenvertreter verstieß die Ordnung damit gegen das Recht der freien Berufsausübung.362 1973 wurden zahlreiche neue Studien- und Prüfungsordnungen, vor allem für die Lehramtsfächer beraten und beschlossen.363 Daraufhin forderte ein Teil der Studentenschaft, Mitglieder des Kommunistischen Studentenverbandes (KSV) und des Sozialistischen Hochschulbundes (SHB), ultimativ eine »grundsätzliche Diskussion der Erarbeitung und Verabschiedung von Studienordnungen in der Philosophischen Fakultät« sowie »die öffentliche Diskussion der Studienord356 Protokoll der Senatssitzung vom 11. 10. 1990, TOP »Maßgabenerlaß zur Genehmigung der Verfassung«, in: UAB, Senat 219–10. 357 Ebd., siehe auch Protokoll der Senatssitzung vom 25. 10. 1990, TOP 5 Verfassung, S. 9–11, in: UAB, Senat 219–11. 358 Gemeinsames Amtsblatt des Kultusministeriums und des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes NW II 1991, S. 114–125. 359 Fleischhauer, Bericht 1990/91, S. 11f. 360 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 08. 02. 1991, TOP 3.1 Überleitung der Institute, Seminare und sonstigen Einrichtungen, S. 2f., in: UAB, Senat 219–14. 361 Abgedruckt in: Phil.Fak. Info vom 29. 11. 1968. 362 In Flugblättern vom 03. 12. 1968 hieß es: »Die Kasernenordnung muß vom Tisch! …Unter dem Vorwand der Rationalisierung des Studiums werden die Reste der Autonomie der Universität beseitigt, soll die monopolistische Planung mit größtmöglicher Effizienz durchgeführt werden…Unsere Antwort darauf kann nur lauten: Kampf dieser Zwischenprüfung!«, zit. nach: Feh8r/Prante, Oase. 363 Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät vom 06. 07. 1973, S. 2f., in: UAB, PF 190–46.
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nungen der einzelnen Fachbereiche« und ihre Beteiligung an der Ausarbeitung der Ordnungen in drittelparitätisch besetzten Kommissionen unter Einbeziehung der Öffentlichkeit.« Als ihren Forderungen nicht entsprochen wurde, drangen Studierende in den Sitzungssaal der Fakultät ein, um gewaltsam Öffentlichkeit herzustellen, und sprengten so die Fakultätssitzung.364 Der Rektor nahm Zuflucht zu einem Stoßgebet: »Wenn es doch gelänge, unsere hochschulpolitischen studentischen Gruppen davon zu überzeugen, daß kein Hochschullehrer Freude an zitternden, unter Examensdruck leidenden und ergo schier denkunfähigen Studenten hat! Dann wäre, wie man so sagt, der halbe Krieg gewonnen, die Bahn frei für vernünftige Überlegungen und sachbezogene Argumente«.365 Die Fronten verliefen ansonsten in den gewohnten Bahnen: Universität versus Ministerium. Ein Erlass des Ministers für Wissenschaft und Forschung vom 17. Oktober 1973 über Grundsätze und Empfehlungen zur Bildung von Studienreformkommissionen gemäß § 2 des Gesetzes über die Errichtung und Entwicklung von Gesamthochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen (GHEG) vom 18. Mai 1972366 mit der Aufforderung zu kurzfristiger Stellungnahme stieß im Senat auf Kritik: »Die mit den Grundsätzen und Empfehlungen aufgeworfenen Fragen sind so schwierig und vielschichtig, daß eine sachlich fundierte Stellungnahme nur nach eingehender Erörterung in den akademischen Gremien erarbeitet werden kann. Bei aller Einsicht in die Notwendigkeit und Dringlichkeit von Studienreformmaßnahmen sollte vermieden werden, daß unter Zeitdruck Entscheidungen getroffen werden, deren Tragweite nicht übersehen werden kann und die unter Umständen der Sache nicht dienlich sind«.367 Nach § 2 Abs. 1 GHEG sollten die Studienreformkommissionen Studienziele, Studieninhalte, Studienordnungen und Prüfungsordnungen überprüfen und 364 Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät vom 14. 11. 1973, in: UAB, PF 190–66. Wegen der Beteiligung eines studentischen Senatsmitglieds an der Sprengung der ordentlichen Sitzung der Philosophischen Fakultät am 14. 11. 1973 befasste sich auch der Senat mit diesem Vorgang; siehe Protokoll der Senatssitzung vom 15. 11. 1973, TOP 5e, S. 5, in: UAB, Senat 161–28. Siehe ferner Dienstbesprechung mit den Rektoren und leitenden Verwaltungsbeamten der wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der Gesamthochschulen und der Fachhochschulen des Landes vom 03. 12. 1973, S. 3f., in: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 1243, Nr. 2. Zu weiteren Vorfällen in diesem Zeitraum siehe ein von Hatto H. Schmitt für den Bund Freiheit der Wissenschaft verantwortetes Flugblatt »Kommunistischer Terror an den Universitäten«, Protokoll der Senatssitzung vom 06. 12. 1973, Anlage zu Top 5c, S. 4, in: UAB, Senat 161–29, mit dem offenbar auf eine gegenläufige Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung »Kein Terror an den nordrhein-westfälischen Hochschulen« vom 03. 12. 1973, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 372, Nr. 670 reagiert wurde. 365 Rothert, Bericht 1972/73 und 1973/74, S. 16. 366 GVBl. NRW 1972, S. 134–141. 367 Protokoll der Senatssitzung vom 25. 10. 1973, TOP 5a, S. 4f., in: UAB, Senat 161–27.
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entwickeln sowie die Methodik und Organisation von Lehre und Studium sicherstellen. Der Senat kritisierte die einseitige Orientierung der im Erlass enthaltenen Grundsätze und Empfehlungen an Kosten- und Kapazitätserwägungen und den weitgehenden Ausschluss der Hochschulen von der aktiven Mitwirkung an der Vorbereitung der Studienreform, was »zu einem bedenklichen staatlichen Dirigismus führen dürfte.« Darüber hinaus hielt der Senat »eine wissenschaftlich qualifizierte Ausbildung innerhalb der im Erlass vorgesehenen Regelstudienzeit an wissenschaftlichen Hochschulen für nicht möglich«. Eine derartige Begrenzung der Studienzeit berge die Gefahr in sich, »daß zum wissenschaftlichen Grund- und Hauptstudium gehörende Ausbildungsabschnitte in das Aufbaustudium verlagert werden, was zu einer nicht vertretbaren Senkung des Ausbildungsniveaus im Grund- und Hauptstudium führen würde«. Für fragwürdig und mit dem Gedanken der Chancengleichheit unvereinbar erachtete der Senat schließlich, »daß nach den im Erlass entwickelten Vorstellungen der Zugang zum Aufbaustudium, das neben der Herausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses der Vertiefung und Ergänzung des Hauptstudiums dienen soll und damit erst den Zugang zur vertiefenden und ergänzenden wissenschaftlichen Ausbildungsphase eröffnet, nur einem verhältnismäßig kleinen und damit offensichtlich ›privilegierten‹ Kreis von Studierenden offensteht«.368 Die Diskussion darüber sollte sich bekanntlich bei der Einführung der Bachelor-/Masterstruktur der Studiengänge 30 Jahre später wiederholen. Im Juni 1975 nahm der Senat der Universität Bonn kritisch zum Entwurf von »Allgemeinen Bestimmungen für das Aufbaustudium an wissenschaftlichen Hochschulen« der Westdeutschen Rektorenkonferenz Stellung. Er sah dafür bei der gegenwärtig angespannten Haushaltslage und der Überlast keine freien Ausbildungskapazitäten, verwahrte sich aber auch gegen die Ersetzung des bisherigen individuellen Promotionsstudiums durch einen reglementierten Promotionsstudiengang.369 Den im Mai 1976 von der Gemeinsamen Kommission der Studienreformkommissionen vorgelegten »Entwurf von Empfehlungen zur Erstellung von Studienordnungen«370 kritisierte der Senat wegen mangelnder Flexibilität bei der Anpassung der Studienordnungen an veränderte Umstände, wegen angesichts der sozialen Lage der Studenten und schlechter Studienbedingungen unrealistischen Regelstudienzeiten sowie wegen der Abstraktheit festgesetzter 368 Stellungnahme des Senats vom 10. 01. 1974 zu dem Entwurf der Grundsätze und Empfehlungen zur Bildung von Studienreformkommissionen im Lande Nordrhein-Westfalen, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 10. 01. 1974, in: UAB, Senat 161–30. 369 Stellungnahme der Senatskommission für Aufbaustudiengänge, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 12. 06. 1975, TOP 5, S. 5f., in: UAB, Senat 161–45. 370 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 09. 12. 1976, TOP 6, S. 9–12, in: UAB, Senat 161–55.
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Studienziele: »Den Studenten sollte es auch weiterhin möglich sein, die individuellen Studienziele erst im Laufe des Studiums zu konkretisieren und damit die individuellen Fähigkeiten zu entwickeln.«371 Der Dekan der Philosophischen Fakultät, Erich Geißler, wurde im Juni 1976 anlässlich der Feierlichen Promotion noch deutlicher : »[A]ber […] ein solches Studium ist nicht in strengem Sinne planbar. Dafür kann es keine exakt kalkulierbare Zeitdauer und vor allem keine auflistbaren Rentabilitätsrechnungen geben. Ein solches Studium braucht Verzweiflung, Umwege, Wiederholungen. Es kann nicht nach einer Input-OutputRechnung organisiert werden«.372 Zugleich sah sich die Universität mit der Oberstufenreform der Sekundarstufe II konfrontiert. Nach Einschätzung des Senats würden sich die Universitäten infolgedessen »zukünftig mit der Tatsache konfrontiert sehen, daß von einer Gleichartigkeit des Abiturs nicht mehr ausgegangen werden kann. Durch das neue Kurssystem in der Oberstufe wird der Schüler sehr frühzeitig zu Entscheidungen gezwungen, die an sich voraussetzen, daß er klare Vorstellungen über sein späteres Berufsziel hat. Die frühzeitige Entscheidung wird sicherlich in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen notwendige Korrekturmöglichkeiten erfordern, wenn die Chancengleichheit aller Studienanfänger gewahrt bleiben soll. Solche Korrekturmöglichkeiten können von der Universität nur in Gestalt von Propädeutika oder anderen Lehrveranstaltungen angeboten werden, die nicht auch noch innerhalb der […] vorgesehenen Regelstudienzeit durchführbar sind, sondern zwangsläufig zu einer Verlängerung der Studienzeit führen müssen.«373
Diese Beispiele zeigen exemplarisch, dass die Frage nach der Studienreform nicht nebensächlich war, vielmehr ständig in der Diskussion blieb, ohne allerdings jemals einen Abschluss zu finden.
Studentenboom und Sparzwänge: Probleme der Massenuniversität Schon 1966 bat der Rektor die Fakultäten zu prüfen, wie viele Studenten sie im Interesse einer ordnungsgemäßen und sorgfältigen Ausbildung höchstens aufnehmen könnten. Die Gesamtzahl sollte 14.000 nicht überschreiten.374 Angesichts der stetig wachsenden Zahl von Studenten drohten bereits Ende der 1960er Jahre Zulassungsbeschränkungen, die nach Möglichkeit abgewendet werden 371 Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 09. 12. 1976, TOP 6, S. 11f., in: UAB, Senat 161–55. 372 Zit. nach Egli, Bericht 1975/76, S. 69. Kritisch zur vorgesehenen Regelstudienzeit auch Leis, Bericht 1976/77, S. 95. 373 Stellungnahme des Senats vom 10. 01. 1974. 374 Protokoll der Senatssitzung vom 23. 06. 1966, TOP 5, in: UAB, Senat 33–22.
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sollten. In Überstimmung mit der WRK hielt der Senat der Universität Bonn »die Konzentration vorhandener Finanzmittel auf die Beseitigung von Engpässen in einzelnen Fachrichtungen und auf den Aus- und Neubau von Hochschulen für unerläßlich und betont, daß Mittel für das Fernstudium zusätzlich aufzubringen sind«.375 In einer weiteren Sitzung stellte der Senat »mit großer Sorge« fest, dass in immer mehr Studienfächern Zulassungsbeschränkungen eingeführt wurden. Darin sah er »eine bedrohliche Einschränkung des Grundrechts auf freie Wahl von Beruf und Ausbildung«. Der Senat hielt die Einführung eines numerus clausus nur als vorübergehende Notmaßnahme für vertretbar. Eine Steuerung des akademischen Nachwuchses über den numerus clausus lehnte er entschieden ab. Von Bund und Ländern müssten endlich durch zureichende finanzielle Zuwendungen die notwendigen Ausbildungskapazitäten geschaffen werden, damit die Zulassungsbeschränkungen wieder stufenweise abgebaut werden könnten.376 Der Senat bekräftigte diesen Standpunkt in einer Erklärung zum numerus clausus vom 29. Januar 1970 und forderte »an Stelle des bequemen, aber hochschulpolitisch und allgemeinpolitisch unheilvollen Ausweges der Zulassungsbeschränkungen die schnelle und nachhaltige Ausweitung der Ausbildungskapazitäten im Hochschulbereich, die Zulassungsbeschränkungen entbehrlich macht«.377 Im Wintersemester 1972/73 überschritt die Zahl der eingeschriebenen Studenten in Bonn erstmals die Grenze von 20.000.378 Das Auseinanderklaffen der Nachfrage nach Studienplätzen und der tatsächlich vorhandenen Ausbildungskapazität wurde in den folgenden Jahren zu einem immer drängenderen Problem für die Universität Bonn wie für alle anderen Universitäten. Von 52 Studienfächern, die an der Universität Bonn gelehrt wurden, mussten für das Wintersemester 1975/76 bereits 24 einem zentralen Zulassungsverfahren zugeführt werden. Praktisch bedeutete dies, dass circa 90 Prozent der Studierenden von der Zugangsbeschränkung betroffen waren.379 Besonders in der Medizin versuchten viele abgewiesene Studienbewerber einen Studienplatz einzuklagen, anfänglich nicht ohne Erfolg; man sprach scherzhaft von »Gerichtsmedizinern«. Erst 1978 lehnte es das Oberverwaltungsgericht für das Land NRW ab, Studi-
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Protokoll der Senatssitzung vom 30. 10. 1969, TOP 15, S. 8f., in: UAB, Senat 143–30. Protokoll der Senatssitzung vom 26. 11. 1969, TOP 2, S. 1f., in: UAB, Senat 143–32. Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 29. 01. 1970, TOP 4, in: UAB, Senat 143–36. Rothert, Bericht 1972/73 und 1973/74, S. 15. Egli, Bericht 1974/75, S. 43f. Zu den Schwierigkeiten der Kapazitätsberechnung für die Bonner Universität nach der Kapazitätsverordnung von 1974 siehe »Wie gross ist die Kapazität der Bonner Universität?« Ein Gespräch mit Professor Rollnik, Vorsitzender der Kapazitäts-Kommission, in: BUN 113 (Mai 1976), S. 5–7.
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enanfänger über die Zahl der von der ZVS Zugewiesenen hinaus der Universität Bonn zuzuordnen.380 Gleichzeitig verschärfte sich die finanziell angespannte Lage. Die Universität musste ab 1975 aufgrund von ministeriellen Erlassen erheblich sparen.381 Sie sah deshalb den Lehrbetrieb und die Krankenversorgung akut gefährdet. Der Senat erklärte, »daß bei Anwendung dieser Erlasse angesichts der Personalfluktuation im Hochschulbereich der Lehrbetrieb im Wintersemester 1975/76 in dem zu fordernden Umfang mit Sicherheit nicht aufrechterhalten werden kann. Darüber hinaus muß die strikte Anwendung der Bewirtschaftungsmaßnahmen in Kürze zu einem Zusammenbruch der Krankenversorgung innerhalb der Universitätskliniken führen.«382 Es kam aufgrund eines zweiten Sparerlasses vom 1. Juli 1975383 zu massiven Kürzungen von Personal- und Sachausgaben sowie zur Sperrung von Stellen, die im Haushaltsjahr 1976 gestrichen werden sollten.384 Der Senat protestierte »gegen Art und Weise, wie der Sparerlaß zur Umschichtung von Stellen von den alten Universitäten zu den neugegründeten Universitäten und Gesamthochschulen ge- bzw. mißbraucht wird«.385 Der Kanzler sah sich haushaltsrechtlich (§ 34 Abs. 2 S. 2 LHO NRW) genötigt, auch Tutorenstellen in die Sparmaßnahmen einzubeziehen, obwohl dies bei wissenschaftlichen und studentischen »Hilfskräften« ursprünglich vermieden werden sollte. Dies führte zu einer schwerwiegenden Auseinandersetzung mit den Vertretern der Studierenden,386 die in einer Dienstaufsichtsbeschwerde des AStA gegen den Kanzler mündete.387 Der Rektor aber räumte unumwunden ein, »daß wir mit den uns auferlegten Sparmaßnahmen werden leben können«.388 Der Universität blieb keine andere Wahl. Ende 1976 begrüßte die Universität ein Programm der Landesregierung »zur Einführung eines Notzuschlags auf Zeit auf die Ausbildungskapazitäten der Hochschulen des Landes NRW«,389 es sei sachgerecht, »daß dabei die Einsicht Platz gegriffen hat, daß Kapazitätsengpässe nur durch zusätzliches Personal und 380 Siehe Heupel, Bericht 1977/78, S. 118f. 381 Siehe Erlasse des Finanzministers und des Ministers für Wissenschaft und Forschung bezüglich der Bewirtschaftungsmaßnahmen im Haushaltsjahr 1975 (Sparerlass). 382 Protokoll der Senatssitzung vom 12. 06. 1975, TOP 5, S. 5f., in: UAB, Senat 161–45. 383 Z A 2 4031. 384 Protokoll der Senatssitzung vom 10. 07. 1975, TOP 7, S. 6–8, in: UAB, Senat 161–46. Zu den Einzelheiten siehe Niederschrift über die gemeinsame Sitzung der Finanz- und Personalkommission am 09. 07. 1975, in: ebd. 385 Ebd. 386 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 06. 11. 1975, Top 9, S. 14–18, in: UAB, Senat 161–47. 387 Siehe dazu die dienstliche Äußerung des Kanzlers Dr. Wahlers vom 24. 11. 1975, in: UAB, Senat 161–47. 388 Egli, Bericht 1974/75, S. 47. 389 Das Programm »Notzuschlag auf Zeit« ist – nebst Stellungnahmen des Senats und einzelner Fakultäten – abgedruckt in: BUN 117 (Dezember 1976).
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zusätzliche Sachmittel, die auch eine Ausweitung der Raumkapazität zulassen, zu beseitigen sind«.390 Man forderte aber weiterhin strukturelle Verbesserungen; es gelte einer Entwicklung vorzubeugen, »die die wissenschaftlichen Hochschulen zu bloßen Lehranstalten macht«. Zum Wintersemester 1979/80 waren bereits mehr als 30.000 Studenten an der Universität Bonn eingeschrieben.391 Dennoch war »die bevorzugte Wahl der Universität Bonn durch eine Großzahl von Studierenden angesichts der längerfristig erwarteten Abnahme der Zahl der Studierenden in der Bundesrepublik (sic!) für das Ministerium kein hinreichender Grund für einen Kapazitätsaufbau in Bonn«,392 eine im Rückblick kaum nachvollziehbare Fehleinschätzung. An der Situation vor Ort änderte sich wenig; die Zahl der Studierenden stieg weiter und erreichte zum Wintersemester 1982/83 die Marke von 38.000, im Wintersemester 1984/85 überstieg die Zahl erstmals die 40.000er Marke. Die Zahl der in Bonn Studierenden war seitdem wieder leicht rückläufig und belief sich im Wintersemester 1990/91 auf 36.232.393 Die Universität Bonn sah sich 1981 mit weiteren rigiden Sparmaßnahmen der Landesregierung konfrontiert: einer Besetzungssperre, einem Personalstellenabgang und einer Freigabe von zunächst nur 20 Prozent der für das Jahr veranschlagten Sachmittel.394 1982 wurden weitere wissenschaftliche Stellen im Haushalt abgesetzt und die Mittel für Forschung und Lehre in der Titelgruppe 94 weiter gekürzt.395 Im Wintersemester 1981/82 kam es an der Universität Bonn erstmalig insbesondere wegen räumlicher Engpässe zu Beschränkungen bei dem Zugang zu einzelnen Lehrveranstaltungen (sogenannter innerer numerus clausus) in den Fächern Pharmazie, Medizin und auch Jura. Nach Ansicht der Universität beruhte dies darauf, dass »die örtlichen Verhältnisse bei der Kapazitätsfestsetzung nicht genügend berücksichtigt worden« seien.396 Zulassungsbeschränkungen blieben also auch in den 1980er Jahren ein beherrschendes Thema. Im Studienjahr 1983/84 unterlagen neun Fächer dem harten numerus clausus, fünf Fächer fielen unter das örtliche Zulassungsverfahren und vier Fächer waren im landesweiten Verteilungsverfahren. Das letztgenannte Verfahren erwies sich indes als wenig effektiv. Rektor Franz Böckle musste 1984 konstatieren: »Wir haben einen extrem hohen Prozentsatz Studierender, die lieber als Schwarzhörer nach Bonn kommen, anstatt den ihnen
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Protokoll der Senatssitzung vom 14. 11. 1976, TOP 7, S. 13, in: UAB, Senat 161–54. Siehe Heupel, Bericht 1978/79, S. 139. Protokoll der Senatssitzung vom 03. 07. 1980, TOP 6, S. 18, in: UAB, Senat 161–81. Protokoll der Senatssitzung vom 06. 12. 1990, Teil B, TOP 5, S. 9, in: UAB, Senat 219–12. Protokoll der Senatssitzung vom 15. 01. 1981, TOP 7, S. 18–21, in: UAB, Senat 161–85. Krümmel, Bericht 1980/81, S. 184f. Protokoll der Senatssitzung vom 15. 11. 1981, TOP 6, S. 13, in: UAB, Senat 161–91.
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zugeteilten Studienplatz an einem anderen Hochschulort einzunehmen.«397 Die Universität litt hinsichtlich der Studienbedingungen an ihrer hohen Attraktivität. Die Sparzwänge wirkten sich auch auf den akademischen Nachwuchs negativ aus. Die Situation der wissenschaftlichen Mitarbeiter wurde mit Blick auf vom Land verhängte Besetzungs- und Beförderungssperren sowie neuer Regelungen über die Dauer der Beschäftigungsverhältnisse von deren Vertretern seit Beginn der 1980er Jahre als prekär eingestuft.398 Der Senat der Universität entschied sich indes um der Wahrung der wissenschaftlichen Qualität und der Chancen des qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses willen für tendenziell restriktive Vorschläge an das Ministerium zur Übernahme des vorhandenen wissenschaftlichen Personals in Professorenstellen:399 »Die Gesetzesnormen zur Übernahme setzten, indem sie bei allzu vielen falsche Hoffnungen erweckten, die Hochschulorgane einem beträchtlichen Druck aus. Die Versuchung zu einer permissiven Vorschlagspraxis war daher weiter groß. Laxe Maßstäbe wären allerdings den langfristigen wohlverstandenen Interessen der Universität zuwider gelaufen. Ob eine Universität einen Standard halten will, ja ob sie überhaupt einen hat, ob sie strukturelle Ziele hat und die Kraft, sie zu verfolgen, zeigt beispielhaft ihr Verhalten angesichts der zweifelhaften Regeln des Übernahmeverfahrens. Wenn wir alle bereit gestellten, sog. Umwandlungsstellen, die bisher Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter sind, in Stellen für Professoren auf Lebenszeit umwandeln ließen, sperrten wir einem Teil der kommenden Nachwuchsgeneration den Platz für die wissenschaftliche Qualifikation in nicht verantwortbarer Weise und unter Preisgabe der für die Berufung von Professoren bei uns geltenden Anforderungen.«
Wissenschaftsminister Hans Schwier legte angesichts der dramatisch schlechten Haushaltslage des Landes im März 1982 einen Plan zur »Konzentration und Neuordnung von Studienangeboten/Studiengängen an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen« vor und verfügte eine Stellenbesetzung für alle im Plan genannten Fächer.400 Weitere lineare Kürzungen waren aus seiner Sicht den Universitäten nicht mehr zumutbar, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, schwere strukturelle Schäden im Wissenschaftsbereich anzurichten.401 An der
397 Siehe Böckle, Bericht 1983/84, S. 15. 398 Dr. Meyers, Rat der wissenschaftlichen Mitarbeiter, Bestimmungsfaktoren der derzeitigen Lage wissenschaftlicher Assistenten, Aktennotiz des Vorsitzenden des Rates der Wissenschaftlichen Mitarbeiter vom 04. 02. 1981, Anlage zum Protokoll der Sitzung der Philosophischen Fakultät vom 11. 02. 1981, in: UAB, PF 190–121. 399 Krümmel, Bericht 1980/81, S. 182f. 400 Konzentrationspapier des Wissenschaftsministers vom 25. 03. 1982 (I C 1 – 6033) und Ministererlass vom 02. 04. 1982 (Z A 2 – 4030.82). 401 Ansprache von Wissenschaftsminister Schwier bei der Dienstbesprechung mit den Rektoren und Kanzlern der wissenschaftlichen Hochschulen und Fachhochschulen zu den
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Öffnungspolitik wurde dagegen, wenn auch in modifizierter Form, festgehalten. Die Universität Bonn kritisierte insbesondere die Dominanz einer mechanistischen Kapazitätsermittlung bei den Vorgaben des Ministeriums, die ausschließliche Betroffenheit der Nachwuchsstellen, die Ignorierung der steigenden Studentenzahlen und das Ausweichen auf bürokratische Maßnahmen anstelle des Fällens von politischen Entscheidungen.402 Man könne, so der Bonner Rektor, »nicht streichen und gleichzeitig immer mehr Studenten aufnehmen. Die Studien- und Lehrbedingungen werden dann unzumutbar.«403 Die Bonner Universität kritisierte außerdem den vorgesehenen Wegfall des Lehramtsstudiengangs Sekundarstufe I, der die Pädagogische Fakultät, vier Jahre nach der vollzogenen Eingliederung, ihrer Hauptaufgabe beraube sowie die vorgesehene Einstellung der Fächer Ägyptologie und Skandinavistik, für die es angesichts des wissenschaftlichen Renommees und der Nachfrage bei den Studenten keine Rechtfertigung gebe. Der Senat hielt es zudem für außerordentlich fragwürdig, den Stellenbedarf der Großkliniken Aachen, Münster und Düsseldorf durch Stelleneinsparungen einseitig zu Lasten der Hochschulen zu befriedigen.404 Die Aufgabe des Faches Ägyptologie konnte in Gesprächen mit dem Ministerium noch abgewendet werden, ebenso konnte die Skandinavistik schließlich erhalten werden. Das Ministerium verfügte aber entgegen der eindringlichen Bitte des Rektors405 die Aufhebung der Studiengänge für die Sekundarstufe I durch Rechtsverordnung;406 die Pädagogische Fakultät verlor durch ministeriellen Erlass vom 24. September 1982 Stellen und musste gewärtigen, »daß künftig jede freie Stelle eingezogen werden kann.«407 Ende 1983 sah sich die Universität in ihrer von Anfang an geäußerten Befürchtung, dass mithilfe der freigewordenen Mittel der Konzentrationsmaßnahmen im Wesentlichen eine Umverteilung der Stellen alter Hochschulen auf
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Konzentrationsmaßnahmen am 29. 03. 1982, S. 4, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 574, Nr. 134. Siehe dazu: Der Rektor informiert. Betrifft: Plan des Ministers für Wissenschaft und Forschung zur »Konzentration und Neuordnung von Studienangeboten/Studiengängen« vom 25. März 82, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 13. 05. 1982, in: UAB, Senat 161–95. Ebd., S. 3. Senatsstellungnahme zur Konzentration und Neuordnung von Studienangeboten/Studiengängen, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 24. 06. 1982, in: UAB, Senat 161–96. Stellungnahme des Rektors gegenüber dem Ministerium vom 18. 10. 1982 zum Erlaß vom 01. 10. 1982 betr. Konzentration und Neuordnung von Studienangeboten/Studiengängen, Anlage zu TOP 8 des Protokolls der Senatssitzung vom 11. 11. 1982, in: UAB, Senat 161–98. Verordnung zur Sicherung der Aufgaben im Hochschulbereich, erlassen auf der Grundlage der Ermächtigung des § 6a Haushaltsgesetz 1982, die durch das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 1982 vom 19. Oktober 1982 eingeführt wurde, in: GVBl. NRW 1982, S. 628. Protokoll der Senatssitzung vom 11. 11. 1982, TOP 8, S. 18, in: UAB, Senat 161–98.
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neue Hochschulen bewirkt werde, bestätigt. Die Förderung der Spitzenforschung in Lande komme unter dem Gesichtspunkt einer Komplettierung des Ausbildungsangebots der Hochschulen fast ausschließlich den Neugründungen, insbesondere den Gesamthochschulen zugute.408 Nach dem Auslaufen des totalen Einstellungsstopps in den sogenannten Konzentrationsfächern im Juli 1983 galt unverändert für alle frei werdenden Stellen eine Besetzungssperre von einem halben Jahr. Die Universität gewann bei den kontinuierlichen, allmählich an die Substanz gehenden Stellenkürzungen den Eindruck, dabei ebenso wie andere traditionelle Universitäten besonders belastet zu werden: »Da das Ministerium […] entschlossen sei, die Neugründungen weiter auszubauen, bestehe für die großen Universitäten die Gefahr, in Zukunft besondere Einschränkungen auf sich nehmen zu müssen.«409 Man befürchtete, möglicherweise auch wegen des Streits mit dem Ministerium über die Umsetzung des WissHG, benachteiligt zu werden und die Lehramtsausbildung zu verlieren. Der Senat der Universität hielt »eine solche Entwicklung für unvertretbar« und erwartete, dass der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen »diese Besorgnis unverzüglich« zerstreue und zusichere, »daß die Universität Bonn ihren Auftrag für die Lehrerausbildung wie bisher, so auch künftig ohne neue Einschränkungen erfüllen« könne.410 1987 protestierte der Senat anlässlich eines weiteren, durch ministeriellen Erlass vom 13. Dezember 1986 verfügten Abzugs von 22 Stellen »in aller Form gegen die ungerechte Festsetzung der Zahl abzugebender Stellen. […] Der Senat ist der Auffassung, daß bei Sparmaßnahmen rein fiskalischer Art alle Universitäten nach einem einheitlichen Maßstab betroffen sein müssten. Wenn dagegen ungleiche Lasten verteilt werden, müßten die Kriterien nachvollziehbar sein und vorher mit den Universitäten diskutiert und abgestimmt werden«.411 Aufgrund eines Bewirtschaftungserlasses des Ministeriums standen in der Titelgruppe 94 im Haushaltsjahr zunächst nur etwa zwei Drittel der Mittel des Vorjahres zur Verausgabung zur Verfügung. Im Senat wurde die Sorge geäußert, dass schon im Sommersemester 1987 der Forschungs- und Lehrbetrieb nicht mehr ordnungsgemäß aufrechterhalten werden könne.412 Im Akademischen Jahr 1988/89 war der Titelansatz immer noch um mehr als zwei Millionen DM ge-
408 Protokoll der Senatssitzung vom 22. 12. 1983, TOP 6, S. 10f., in: UAB, Senat 161–107. 409 Protokoll der Senatssitzung vom 06. 11. 1986, TOP 2, S. 4, in: UAB, Senat 161–133. 410 Beschluss des Senats auf der Senatssitzung vom 11. 12. 1986, Protokoll, TOP 7, S. 7–10, in: UAB, Senat 161–134. 411 Protokoll der Senatssitzung vom 12. 02. 1987, TOP 7, S. 5, in: UAB, Senat 161–136. 412 Ebd., S. 6f. Siehe ferner Information des Rektors zu Stellenstreichungen und Sparmaßnahmen im Jahre 1987, in: BUN 168 (Januar/Februar 1987), S. 5–7.
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ringer als der Ansatz für 1981.413 Im Jahr 1989 erhielt die Universität Bonn immerhin aus dem Sonderprogramm des Bundes und der Länder »zur Bekämpfung der Überlast« für den Ausbau des Faches Informatik eine Stelle für den wissenschaftlichen und zwölf Stellen für den nichtwissenschaftlichen Bereich.414 Nur mithilfe solcher Sonder- und Strukturprogramme sowie einer weiteren Steigung der Einwerbung von Drittmitteln namentlich in den Naturwissenschaften gelang es, den Forschungs- und Lehrbetrieb der Universität noch aufrechtzuerhalten.415 In den Naturwissenschaften und kleineren kulturwissenschaftlichen Fächern drängte die Landesregierung seit 1987 vor dem Hintergrund der demographisch begründeten, aber letztendlich völlig falschen Erwartung, dass sich die Studentenzahl in den 1990er Jahren gegenüber dem gegenwärtigen Stand insgesamt um 30 Prozent verringern würde, in ihren hochschulpolitischen Planungen auf eine arbeitsteilige Kooperation der Universität Bonn mit der Universität zu Köln. Mit Blick auf die Geräteausstattung für die naturwissenschaftlichen Fächer sah sich das Land aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage, bei 13 Hochschulen jeweils eine Ausstattung auf international höchstem Standard zu erhalten. Bei den kleineren Fächern verneinte sie unter Verweis auf den erwarteten Rückgang bei den Studenten eine die Vorhaltung an allen Hochschulstandorten rechtfertigende Nachfrage.416 In diesem Zusammenhang stand auch ein ministerieller Erlass vom 21. März 1988 »zur aufgabenkritischen Überprüfung des Personalbestandes«.417 Mit Erlass vom 7. November 1988 bestand das Ministerium auf einem mit »Berufseinmündungsschwierigkeiten« von Geisteswissenschaftlern begründeten Abzug von weiteren 36 Stellen vor allem aus den lehramtsrelevanten Fächern wie Germanistik, Anglistik, Erziehungswissenschaften, Philosophie, Romanistik, Geschichte und Klassische Philologie, aber auch um Stellen aus dem Bereich der Slavistik, der Politologie und der Theologien in den Jahren 1989 bis 1991. Die Universität protestierte wegen der dadurch drohenden Verschlechterung der Ausbildungssituation vergeblich gegen diese Maßnahme.418 Bei einigen kleineren Fächern (Kommunikationsforschung/Phonetik, 413 414 415 416
Fleischhauer, Bericht 1989/90, S. 133f. Fleischhauer, Bericht 1988/89, S. 12. Fleischhauer, Bericht 1989/90, S. 134. Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 14. 01. 1988, Teil B, TOP 3, S. 2–7, in: UAB, Senat 161–147. 417 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 15. 04. 1988, Teil B, TOP 2, S. 4, in: UAB, Senat 161–149 I. 418 Protokoll der Senatssitzung vom 27. 10. 1988, Teil B, TOP 5, S. 4f., in: UAB, Senat 161–154; Protokoll der Senatssitzung vom 17. 11. 1988, TOP B 5, S. 4, in: UAB, Senat 161–155. Siehe auch »Stellenstreichungen in den Geisteswissenschaften. Protestaktionen als Antwort auf die Ankündigung aus Düsseldorf«, in: BUN 173 (November/Dezember 1988), S. 6. Siehe dazu auch Fleischhauer, Bericht 1987/88, S. 258–260.
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Byzantinistik, Ägyptologie, Islamwissenschaften/Semistik, Indologie/Modernes Südasien, Ur- und Frühgeschichte, Niederlandistik, Mittellatein und Nordistik) beharrte das Ministerium auf einer Kooperation mit der Universität zu Köln, die aber auf Fach-zu-Fach-Basis erfolgen sollte.419 Im Jahr 1989 entschloss sich die Philosophische Fakultät, unter Einbeziehung jeweils mehrerer Disziplinen, die Nordamerikaforschung und die in Bonn traditionsreiche Forschung über Südasien, insbesondere Indien, zu intensivieren und entsprechende Regionalstudiengänge einzurichten;420 sie wurden 1990 als Magisterstudiengang »Regionalwissenschaften Nordamerika« und als Diplomstudiengang »Regionalwissenschaft Modernes Südostasien« vom Ministerium genehmigt.421 Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät reagierte auf die wissenschaftliche Herausforderung, die in dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes lag, mit dem Zusammenschluss einer Reihe von Fachvertretern zu einem »Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht«, das seine Aufgabe vor allem darin sah, Lehrveranstaltungen und Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet zu koordinieren, einschlägige Forschungsvorhaben junger Wissenschaftler anzuregen und zu fördern, eine Vortragsreihe zu veranstalten und für den erforderlichen Ausbau der Bibliotheksbestände zu sorgen.422 1991 wurde bei dem Zentrum ein Graduiertenkolleg eingerichtet. Die Europäische Kommission finanzierte einen JeanMonnet-Lehrstuhl für Europäisches Wirtschaftsrecht.423
Die Studenten Die soziale Lage der Studenten Die Entwicklung der Studentenzahlen verdeutlicht, dass der Begriff der Massenuniversität kein bloßes Schlagwort war, sondern eine Realität wiedergab, die nicht nur strukturell, organisatorisch und finanziell eine große Belastung für die Universität darstellte, sondern sich auch auf das studentische Leben vor Ort, insbesondere auf die Wohnsituation der Studenten, auswirkte. Auf dem Wohnungsmarkt standen die Studierenden nicht zuletzt in Konkurrenz mit finanzkräftigeren Mietern aus dem Personal der Bundesbehörden. Im Oktober 1969 gab der AStA eine »Erklärung zur Wohnsituation der Bonner
419 420 421 422 423
Protokoll der Senatssitzung vom 17. 05. 1990, Teil B, TOP 4, S. 5f., in: UAB, Senat 219–9. Fleischhauer, Bericht 1988/89, S. 17. Fleischhauer, Bericht 1989/90, S. 130f. Fleischhauer, Bericht 1988/89, S. 18f. Fleischhauer, Bericht 1989/90, S. 130.
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Studierenden« ab.424 Das »Düsseldorfer Programm« forderte für 30 Prozent der Studenten eine Unterbringung in einem Wohnheim. In Bonn standen jedoch nur 8 Prozent Wohnheimplätze für Studenten zur Verfügung. Oberregierungsrat Neukamp berichtete, die Universität könne in Endenich und Poppelsdorf Grundstücke für den Bau von Wohnheimen zur Verfügung stellen. Aus haushaltsrechtlichen Gründen könnten die Grundstücke aber nicht kostenlos dem Studentenwerk überlassen werden. Der Senat befürwortete, dass in dem Gebiet der neu zu errichtenden Institute in Poppelsdorf und Endenich im Einvernehmen mit den betreffenden Fakultäten Wohnheime mit rund 1.000 beziehungsweise 500 Plätzen errichtet werden sollten.425 Das war indes nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Weiterhin kämpften die Studenten mit Wohnungsnot und einer als unbefriedigend angesehenen sozialen Lage angesichts einer als nicht ausreichend erachteten finanziellen Unterstützung durch das BAföG.426 Dabei hatten die Studenten, wie allseits anerkannt wurde, Bonn lebendig erhalten, der Stadt ein bestimmtes Flair gegeben, alte Häuser – wenn auch mitunter durch verbotene Eigenmacht – vor dem Abriss bewahrt und Bonn eine neue Attraktivität verliehen.427 Der Senat zeigte sich 1980 über die Wohnsituation der annähernd 34.000 Studenten, die von studentischer Seite als katastrophal bezeichnet wurde, sehr besorgt. Die Unterbringungsquote in Wohnheimen des Studentenwerks und anderer gemeinnütziger Träger lag unter dem Landesdurchschnitt (11,2 Prozent). Er forderte die Stadt Bonn auf, sich verstärkt bereit zu erklären, geeignete Grundstücke und Gebäude für die studentische Wohnraumversorgung zur Verfügung zu stellen.428 Zur drastischen Kürzung der Bundesmittel für den Hochschul- und Studentenwohnheimbau verfasste der Senat eine Entschließung, in der er diese Maßnahme »angesichts der weiterhin steigenden Studentenzahlen [für] hochschulpolitisch kurzsichtig und widersprüchlich« erklärte.429 Das Vertrauen vieler junger Menschen in den Staat, »der ja gerade die weite Öffnung der Hochschulen als Instrument seiner bildungspolitischen Absichten betrieben hat«, werde »schwer erschüttert«.430 424 Erklärung des AStA zur Wohnsituation der Bonner Studierenden im Oktober 1969, in: UAB, Senat 143–30. 425 Protokoll der Senatssitzung vom 30. 10. 1969, TOP 11, S. 7, in: UAB, Senat 143–30. 426 Besprechung mit den Allgemeinen Studentenausschüssen (ASten) der Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen im Ministerium für Wissenschaft und Forschung am 05. 05. 1980, Protokoll vom 08. 07. 1980, S. 2f., in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 971, Nr. 173; »Bonn, kein Platz für mehr Studenten?«, in: BUN 139 (Oktober 1980). 427 »Bonn, kein Platz für mehr Studenten?«, in: BUN 139 (Oktober 1980). 428 Tischvorlage des Rektors für die Senatssitzung vom 23. 10. 1980, TOP 7c, Protokoll, in: UAB, Senat 161–82. 429 Entschließung des Senats vom 13. 11. 1980 betreffend Streichung von Mitteln für den Hochschulbereich im Bundeshaushalt, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 13. 11. 1980, in: UAB, Senat 161–83. 430 Ebd.
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Die Lage auf dem Wohnungsmarkt blieb während der 1980er Jahre durchgehend angespannt, vor allem für ausländische Studierende und für Studierende mit Familie. Im akademischen Jahr 1988/89 verschärfte sich die Lage durch Zuzug aus dem Ostblock und Flüchtlinge aus der DDR.431
Formen studentischen Protests nach 1968: Vorlesungssprengungen, Sachbeschädigungen, Hausbesetzungen Zeitgleich mit der Wahl des Rektors für das Amtsjahr 1969/70 kam es am 21. Mai 1969 zu gewaltsamen Raumbesetzungen im Rektoratsflügel des Universitätsgebäudes, nachdem ein Antrag des SDS, ihm nachmittags einen Hörsaal für eine eigene Veranstaltung zur Verfügung zu stellen, vom Rektor abgelehnt und durch eine erwirkte einstweilige Verfügung dem SDS die eigenmächtige Nutzung von Universitätsräumen untersagt worden war. Die besetzten Säle wurden von der Polizei unter Einsatz von Schlagstöcken geräumt, die Studenten hinausgedrängt. Die betroffenen Studenten beklagten einen angeblich überharten Einsatz der »prügelnden« Polizei.432 Die Frage nach dem richtigen Vorgehen gegen studentische Provokationen spaltete die Professorenschaft, wie eine Senatssitzung am 8. Mai 1969 verdeutlichte: »Der Senat diskutiert eingehend die Frage nach der Einleitung von Ordnungsmaßnahmen wegen der Störung der Lehrveranstaltungen. Ein Teil der Mitglieder hält in diesem Fall ein Vorgehen für erforderlich. […] Andere Mitglieder befürchten einen Solidarisierungsprozeß unter den Studenten, insbesondere im Hinblick auf das allgemeine Unbehagen über das studentische Ordnungsrecht. Das Nichthandeln fördere den Prozeß der Differenzierung und der Isolierung der Radikalen. Die Aufrechterhaltung eines spannungsfreien Verhältnisses zwischen Studentenschaft und Lehrkörper müsse im Vordergrund stehen. Einige Mitglieder vertreten die Auffassung, daß Maßnahmen jedenfalls nicht ohne die Zustimmung der durch die Störung betroffenen Studenten ergriffen werden sollten. Die überwiegende Meinung der Senatsmitglieder geht dahin, daß es Sache des Rektors sei, die ihm notwendig erscheinenden Maßnahmen zu treffen.«433
431 Fleischhauer, Bericht 1988/89, S. 15. 432 Siehe dazu näher die Ergebnisse eines von Prof. Dr. H.-A. Jacobsen durchgeführten Hearings über die Vorfälle im Rektorat der Universität Bonn am 21. 05. 1969, in: BUN 30 (12. 06. 1969), S. 1–11. Siehe ferner den Bericht des General-Anzeigers vom 22. 05. 1969 »Demonstranten schwangen Stuhlbeine – Polizeibeamte griffen zum Schlagstock«. 433 Protokoll der Sitzung des Senats vom 08. 05. 1969, TOP 5, in: UAB, Senat 143–25. Siehe auch Protokoll der Senatssitzung vom 12. 06. 1969, TOP 4, S. 5f., in: UAB, Senat 143–26.
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Abb. 37: Rektoratsbesetzung
Im Sommersemester 1970 kam es im Zusammenhang mit einer spannungsgeladenen Situation im Romanischen Seminar434 erneut zu massiven Störungen 434 Die Vorgänge sind aus den Akten nur rudimentär rekonstruierbar : Ausgangspunkt bildete offenbar das Scheitern eines Habilitanden, der im Habilitationskolloquium am 08. 11. 1969 »durchfiel«, sich bald darauf aber mit derselben Arbeit in Erlangen habilitieren konnte. Der Habilitand und Teile der Studentenschaft argwöhnten, dass das Scheitern in Bonn auf nichtwissenschaftliche Gründe – das heißt eine politische Ablehnung – zurückzuführen sei. Gegen den Romanisten Harri Meier wurden daraufhin schwere Vorwürfe auch wegen des Versuchs einer politischen Disziplinierung von Studenten erhoben; dem Rektor wurde angeblich belastendes Material vertraulich zugeleitet. Der Rat der wissenschaftlichen Mitarbeiter erhob am 14. 04. 1970 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Prof. Meier, die vom Rektor an den Ministerpräsidenten weitergeleitet wurde; siehe zu den Vorgängen aus Sicht der protestierenden Studentenschaft das Protokoll der Ferienausschusssitzung des SP vom 12. 03. 1970, TOP 3, S. 1f., in: UAB, AStA 81–89. Versuche, durch eine von der Fakultät eingesetzte Kommission unter Leitung von Prof. Jacobsen eine gütliche Einigung mit Vertretern der Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter herbeizuführen, scheiterten (siehe Protokoll der Fakultätssitzung vom 10. 06. 1970, in: UAB, PF 190–15) angesichts deren ultimativer Forderung unter anderem nach einer sofortigen Emeritierung von Meier, »der noch ganz den Methoden der 20er und 30er Jahre dieses Jahrhunderts verhaftet ist« (so AStA Uni Bonn, »Basisgruppe Romanistik«, AStA-Info 7, 15. 04. 1970). Harri Meier wurden bei den massiven Störungen seiner Vorlesungen einmal von einem Studenten ein Schild mit der Aufschrift umgehängt: »Ich bin ein Agent«. Nach Angaben Meiers wurde er auch mit einem um den Hals gelegten Kabel gewürgt; siehe dazu Protokoll der außerordentlichen Sitzung der Philosophischen Fakultät vom 25. 05. 1970, S. 7, in: UAB, PF 138–196. Meier stellte wegen der Vorlesungsstörungen im Mai 1970 schließlich Strafantrag gegen 15 Stu-
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von Lehrveranstaltungen, die abgebrochen werden mussten. Der AStA-Vorsitzende erklärte im Senat, wenn der legale Weg erfolglos sei, müssten durch kämpferische Maßnahmen Strukturveränderungen der Universität erzwungen werden.435 Die Universitätsspitze stellte zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Lehrbetriebs Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen beim Verwaltungsgericht, die sich gegen den AStA, den Fachschaftsvorstand Romanistik und einzelne Studenten richteten.436 Tatsächlich untersagte das Verwaltungsgericht Köln durch einstweilige Anordnung der Fachschaft Romanistik Störungen der Lehrveranstaltungen von Professor Meier.437 Am 6. Juli 1970 wurden Ordnungsmaßnahmen gegen vier Störer erlassen.438 Im Jahr 1971 wurde die Lage an den nordrhein-westfälischen Universitäten auch von Minister Rau zunehmend als bedenklich eingestuft: »Der Einfluß verfassungsfeindlicher Kräfte an den Hochschulen unseres Landes könnte dann, wenn er ungehindert weiter wächst, möglicherweise auf Dauer unsere parlamentarisch-demokratische Grundordnung gefährden. Er wird deshalb einer ständigen Überprüfung und Kontrolle durch die zuständigen Instanzen bedürfen. […] Es kommt hinzu, daß Hochschulleitung und Hochschulverwaltung, die im wesentlichen Gesprächspartner der zuständigen Stellen meines Hauses sind, häufig gerade wegen der besonderen Taktik der extremen Gruppen gar kein vollständiges Bild der Ereignisse erhalten, zum Teil auch gar nicht erhalten wollen. Hier muß der psychologisch sicherlich verständliche Faktor in Rechnung gestellt werden, daß alle universitären Instanzen letztlich im Interesse der Aufrechterhaltung des geordneten Lehrbetriebs immer wieder zu Kompromissen neigen, schon um sich dem andernfalls entstehenden, in Einzelfällen bisweilen unerträglichen physischen und psychischen Druck zu entziehen. […] Es mehren sich die Fälle, in denen die zur Beschlußfassung berufenen Universitätsgremien, wenn sie sich überhaupt über eine Liste einigen, ideologisch fixierte Persönlichkeiten präsentieren. Die Auswirkungen von Berufungen, die häufig
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denten wegen Nötigung (siehe dazu AStA-Info 24, 09. 09. 1970, dort wird Meier als »FeudalFossil« bezeichnet). Die Entscheidung des Ministers über die Dienstaufsichtsbeschwerde – der Minister sah keine Veranlassung für Maßnahmen der Dienstaufsicht – ist abgedruckt in: BUN 72 (15. 10. 1971), S. 7–10. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass Harri Meier gerade zu denjenigen gehört hatte, die sich für eine deutliche Distanzierung von NS-belasteten Kollegen ausgesprochen hatten und damit einen Teil der Kritik der Studentenbewegung vorweggenommen hatten, ohne dass diese davon Notiz genommen hätte. Keipert, In memoriam, S. 11: »Ungewöhnlich genug waren es wenige Jahre später gerade das Romanische Seminar und Harri Meier als einer von dessen Direktoren, auf die sich die Aktivitäten der Studentenbewegung und der Reformeifer einer neuen Assistentengeneration konzentrierten. Nebst Horst Jablonowski, den ich in diesem Zusammenhang gleichfalls nennen möchte, ist in unserer Fakultät vor allem Harri Meier zum Angriffsziel dieses Generationenkonflikts geworden«. Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 12. 05. 1970, TOP 10, S. 5, in: UAB, Senat 143–40. Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 12. 05. 1970, TOP 10, S. 6, in: UAB, Senat 143–40. Weitbrecht, Bericht 1969/70, S. 14. Ebd.
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genug auf den Einfluß extremer Studentengruppen einerseits und die geschilderte Resignation der Hochschullehrer andererseits zurückzuführen sind, können heute noch nicht abgesehen werden. […] In diesen Bereichen droht – auf lange Sicht – die eigentliche Gefahr. Man bedenke: Die den Hochschulen eingeräumten Möglichkeiten der Selbstverwaltung werden mißbraucht durch extreme Kräfte, die zum Teil pausenlos Einfluß nehmen auf nicht etwa nur reaktionäre Wissenschaftler, die nicht bereit sind, sich entsprechend zu verhalten. Man bedenke schließlich den Multiplikationseffekt, den alle Lehrveranstaltungen erbringen. So könnte es geschehen, daß eine Studentengeneration nachwächst, der unsere freiheitliche Ordnung nichts mehr bedeutet, ja, der sie als überholt und in Wirklichkeit völlig unfrei erscheint.«439
Rau schlug vor, als Antwort auf die Herausforderung einen Mittelweg einzuschlagen: »Es scheint so – und dies haben nicht zuletzt die radikalen Studentenbewegungen der Vergangenheit gezeigt – daß es nicht damit getan sein kann, die an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit operierenden bzw. sie überschreitenden, von uns als radikal nicht zuletzt wegen der intoleranten Methoden angesehenen Bestrebungen einfach zu unterbinden, denn damit würden wir gleichzeitig Ansätze für notwendige evolutionäre Prozesse unzulässig unterbinden. […] Es müßte aber möglich sein, unter ganz deutlicher Zurückweisung der auf revolutionäre Veränderung unserer gesellschaftlichen Ordnung abzielenden Bestrebungen den sachlichen Kern des Engagements immer wieder aufzufangen und der Entwicklung unseres freiheitlich-demokratischen Staatswesens nutzbar zu machen. Darüber hinaus aber sollten alle politisch führenden Kräfte unseres Landes jede sich bietende Gelegenheit ausnutzen, um den Kräften in den Hochschulen, – Hochschullehrer, Assistenten und Studenten –, die die freiheitlich demokratische Grundordnung verteidigen, deutlich den Rücken zu stärken.«440
Im Februar 1972 sorgten die »Roten Zellen« mit gewalttätigen Aktionen für tumultartige Vorfälle im Historischen Seminar ; die Polizei musste einschreiten.441 Es folgten Bombendrohungen in der Bonner Universität, die sich glücklicherweise nicht bewahrheiteten.442 Mit brutaler Gewaltanwendung, die in einer
439 Informationen für eine Aussprache über radikale Bestrebungen an Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen im Anschluß an die Kabinettsitzung vom 02. 11. 1971 außerhalb der Tagesordnung, Schreiben des MWF Rau an den Ministerpräsidenten und die Kabinettskollegen vom Oktober 1971, Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 483. 440 Ebd. Übersicht des Rektors über Vorlesungsstörungen im WS 1971/72 und in der ersten Hälfte des SS 1972 im Schreiben des Rektors an den Minister für Wissenschaft und Forschung vom 13. 07. 1972 betreffend Störungen des Vorlesungsbetriebs an den Hochschulen, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 476. 441 Siehe »Rote Zellen sorgten wieder für Tumulte in der Universität«, Bonner Rundschau vom 10. 02. 1972. Zur Reaktion der »Roten Zellen« siehe Wandzeitung vom 22. 03. 1972, Kopie (wohl einer Abschrift) in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 494. 442 Siehe Schreiben des Rektors, Hatto H. Schmitt, an das Ministerium vom 27. 03. 1972, Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 494.
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Massenschlägerei endete, torpedierten die »Roten Zellen« am 25. April 1972 die Fortsetzung einer Veranstaltung des AStA in der Universität.443
Abb. 38: Ausschnitt aus der Studentenzeitung »akut«, 1973
Wegen schweren Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung bei einer Störaktion gegen den Satzungskonvent am 17. November 1971 sowie der Sprengung einer Versammlung des RCDS und der Aktion Demokratische Mitte wurden fünf Studenten im Juli 1972 angeklagt, unter ihnen der linke Studenten-Funktionär Hannes Heer, der mittlerweile bei den »Roten Zellen« aktiv war.444 Sie wurden in erster Instanz vom Bonner Schöffengericht zu Freiheitsstrafen von vier beziehungsweise drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Gegen diese Entscheidung legten alle Verurteilten Berufung ein, über die 1974 vor der IV. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts verhandelt wurde.445 Am 10. April 1973 wurde das Alte Rathaus beim Besuch des Staatspräsidenten 443 »Rote Zellen griffen zur brutalen Gewalt«, Bonner Rundschau vom 26. 04. 1972. 444 »16 Studenten kommen vor Gericht«, General-Anzeiger vom 12. 07. 1972. 445 »Studenten-Prozeß begann ohne Tumult«, General-Anzeiger vom 19. 03. 1974.
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von Südvietnam Nguyen Van Thieu von maoistischen und anarchistischen Demonstranten besetzt und verwüstet.446 Bei Veranstaltungen zum Thema »Rathausbesetzung«, die von dem an der Universität nicht registrierten »Kommunistischen Studentenverband« (KSV)447 als der Studentenorganisation der maoistisch-kommunistischen KPD organisiert wurden, kam es zu schweren, auch tätlichen Auseinandersetzungen mit Verletzten. Der Rektor ließ den eigenmächtig vom KSV in Anspruch genommenen Hörsaal polizeilich räumen448 und stellte Strafantrag. Schließlich sah er sich aus Sicherheitsgründen genötigt, das Universitätsgebäude in der Karwoche an zwei Tagen zu schließen, eine Maßnahme, die er kurz darauf teilweise zurücknahm. Der Rektor forderte alle Hochschulangehörigen auf, ihm »dabei zu helfen, daß an unserer Universität rechtsstaatliche, demokratische Verhältnisse aufrecht erhalten bleiben.« Er werde »auch künftig nicht zulassen, daß eine Minorität die Majorität im Namen der Demokratie terrorisiert.« Der Senat sah sich auf einer vom Rektor einberufenen Sondersitzung veranlasst, darauf hinzuweisen, »daß politische Auseinandersetzungen nur innerhalb der rechtlichen Grenzen und Schranken geführt werden dürfen, die vom KSV und seinen Anhängern gröblich mißachtet und verletzt worden« sind. Der Senat billigte die vom Rektor angesichts dessen getroffenen Maßnahmen449 ebenso wie der Minister.450 Der Verlauf, die Ursachen und die Hintergründe der Ausschreitungen während der Demonstration in Bonn am 10. April 1973 beschäftigten auch den Hauptausschuss und den Ausschuss für Innere Verwaltung des Landtags.451 446 Siehe dazu »Teurer Thieu«, Spiegel 16/1973 vom 16. 04. 1973 (www.spiegel.de/spiegel/print/ d-42645453.html; zuletzt abgerufen am 20. 09. 2014). 447 Zu deren Ausrichtung und Aktivitäten siehe Bericht über »Radikalismus an den Hochschulen NW – WS 1972/73« im MWF (Gruppenleiter III B) vom 25. 05. 1973, S. 24–28, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 486. 448 Siehe dazu auch das Flugblatt des Kommunistischen Studentenverbands, Hochschulleitung Bonn, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 499. 449 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 26. 04. 1973, TOP 1, oder : Bericht des Rektors über die hochschulpolitische Situation und ihren möglichen Konsequenzen, in: UAB, Senat 161–21. Siehe auch Flugblatt des Rektors an alle Hochschulangehörigen und Bekanntmachung des Rektors vom 18. 04. 1974, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 499. 450 Siehe Aktenvermerk für Abteilungsleiter III im MWF, Betr.: Unruhen an den Hochschulen, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 499: »Die Ihnen bekannten Vorgänge an der Universität Bonn führten dazu, daß Herr Staatssekretär Abteilung III anwies, die von Unruhen bedrohten Hochschulen davon zu verständigen, daß das Vorgehen des Rektors anlässlich der dort geschehenen Ausschreitungen hier gebilligt werde, und daß die Hochschulen mit unserer Zustimmung rechnen könnten, wenn sie – um Ausschreitungen zu vermeiden – notfalls ebenfalls Hochschulgebäude räumen oder schließen ließen und ggfs. polizeiliche Hilfe hierfür in Anspruch nähmen.« 451 Gemeinsame Sitzung (nicht öffentlich) des Hauptausschusses und des Ausschusses für Innere Verwaltung des Landtags am 03. 05. 1973, Protokoll, in: LAV NRW, Abt. Rheinland,
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Im Ministerium wurde generell ein Linkstrend in den ASten konstatiert. In Bonn habe »der Positionsverlust linker Gruppen zu stärkeren Aktivitäten außerhalb des Parlaments« wie den Aktionen des KSV im April 1973 geführt.452 Es wurden auch Vorlesungen der Germanisten Pohlmann und Koopmann durch den KSV gestört. Grund war, dass die »Institutsgruppe« Koopmann zu einer Stellungnahme zu dem Antrag hatte veranlassen wollen, Hannes Heer einen einsemestrigen Lehrauftrag mit dem Thema »Arbeiterliteratur in der Weimarer Republik« zu erteilen.453 Das Ministerium sah gegen den Radikalismus linksextremer Studentengruppierungen nur folgende Gegenmaßnahmen als unter Umständen hilfreich an: »Sorgfältige Beobachtung der Entwicklung; Aufklärung der gemäßigten Mehrheit der Studenten; Aktivierung zur Beteiligung an Wahlen; Isolierung des ›harten Kerns‹, der durch sein Vorgehen Systemveränderung bezweckt. Hinsichtlich Beeinträchtigung des Lehr- und Forschungsbetriebs und der Selbstverwaltung: Ergreifen geeigneter Maßnahmen durch Hochschullehrer und Universität, offensive Diskussion, Verwarnung der Störer, Abbruch von Einzelstunden bis hin zum Hausverbot (Zulässigkeit bestätigt durch OVG Münster) und Zwangsexmatrikulation«.
Dabei müsse allerdings stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.454 Bei den Wahlen zum Studentenparlament vom 22. bis 25. Januar 1973 (Wahlbeteiligung: 49,5 Prozent) verlor die bisherige Linkskoalition, die den AStA stellte, die Mehrheit und verfügte nur noch über 30 von 61 Sitzen. Auch die vorzeitig ausgeschriebenen Neuwahlen in der Zeit vom 27. bis 30. November 1973 brachten keine Klärung. Zwar verlor der SHB von bisher 19 Sitzen sechs Mandate, dafür gewannen MSB Spartakus und LHV je zwei Sitze und Institutsgruppen drei Mandate dazu. RCDS und Liberale Aktion konnten ihre Mandate ebenfalls um je zwei auf jeweils 13 erhöhen. Der KSV errang lediglich einen Sitz. Da der KSV mit keiner der sonstigen Gruppen koalierte, standen sich im übrigen »linke« und gemäßigte Gruppen mit jeweils dreißig Mandaten gegenüber. Der bisherige (linksorientierte) AStA blieb im Amt.455 Mitte April 1974 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den gemäßigten Studentengruppen (RCDS und Liberale Aktion) und dem AStA über die Haushaltsführung und das Stimmrecht des AStA auf der Mitgliederversammlung des VDS. Der AStA wi-
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Bestand NW 417, Nr. 499 (ohne 46-seitigen Bericht der Landesregierung, vertrauliche Informationen nicht in das Protokoll aufgenommen). Bericht über »Radikalismus an den Hochschulen NW – WS 1972/73« im MWF (Gruppenleiter III B) vom 25. 05. 1973, S. 22, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 486. Ebd., S. 59. Ebd., S. 80f. Bericht über »Radikalismus an den Hochschulen NW – SS 1974« im MWF (Gruppenleiter III B) vom 04. 06. 1974, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 484.
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dersetzte sich der Forderung der vorgenannten Gruppen nach einer unangekündigten und umfassenden Prüfung des Haushalts. RCDS und Liberale Aktion setzten jedoch beim Rektor eine solche Überprüfung durch. Der RCDS erwirkte außerdem eine einstweilige Anordnung gegen den AStA, in der diesem aufgegeben wurde, sich auf der VDS-Mitgliederversammlung der Stimme zu enthalten.456 Seit 1974 war die Zahl der Vorlesungsstörungen deutlich rückläufig;457 sie fanden aber gelegentlich nach wie vor statt.458 Im Oktober 1975 konnte der Rektor konstatieren, dass »ein sehr positiv zu bewertendes Bestreben, von der Konfrontation zur Kooperation zu gelangen, erkennbar ist«.459 Dass es aber auch danach noch immer verschiedene Formen von Störungen gab, belegt ein Vermerk des Dezernats 1 der Universität »Zu den typischen Störaktionen im Hörschulbereich durch radikale Studentengruppen« vom 9. Februar 1977.460 Zu Beginn des Sommersemesters 1977 kam es zu einem von verschiedenen Fachschaften wegen der anstehenden Hochschulgesetzgebung (Studentenschaftsgesetz,461 Novellierung des Hochschulgesetzes) ausgerufenen, einwöchigen Streik: »Von dem Streik betroffen wurden vornehmlich die Philosophische, die beiden Theologischen und die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät. […] Die Ausfälle an Lehrveranstaltungen wurden von der Universität Bonn mit max. bis zu 50 % angegeben; dafür sind sogenannte ›Rollkommandos‹ verantwortlich, die die Lehrveranstaltungen umfunktionierten und mit dieser Taktik im wesentlichen Erfolg hatten«.
Es wurden auch gezielt Lehrveranstaltungen bestimmter Hochschullehrer gestört.462 Am 29. Juni 1977 wurde an der Universität Bonn ein Flugblatt unter dem Titel »Vom roten Stein der Weisen« (nach einem Lied von Wolf Biermann) verteilt. Herausgeber waren das »Komitee gegen politische Unterdrückung« und der Sozialistische Studentenbund. Darin wurde zur Solidarität mit dem Göttinger AStA wegen dessen Stellungnahme zu der Ermordung des Generalbun-
456 457 458 459 460 461
Ebd. Rothert, Bericht 1972/73 und 1973/74, S. 17. Protokoll der Senatssitzung vom 15. 05. 1975, TOP 10, S. 5, in: UAB, Senat 161–44. Egli, Bericht 1974/75, S. 50. Ablichtung in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 432. Siehe Gesetz zur Änderung des Rechts der Studentenwerke und der Studentenschaften vom 25. 04. 1978, in: GVBl. NRW 1978, S. 180–184. 462 Vorlage für Gruppenleiter I B im MWF vom 25. 05. 1977 betreffend »Streiksituation« an den Hochschulen, S. 2f., in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 501, auch in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 434. Siehe ferner Vorlage für das Referat I B 5 im MWF vom 07. 06. 1977. S. 1f., Betr.: Störungen des Vorlesungsbetriebes; »Streik«-Aktionen in der Zeit vom 16. bis 27. Mai 1977, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 457, Nr. 435. Siehe auch Protokoll der Fakultätssitzung der Philosophischen Fakultät vom 25. 05. 1977, in: UAB, PF 190–80.
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desanwalts Buback aufgerufen.463 Im Anhang zu diesem Flugblatt war der sogenannte Buback-Nachruf abgedruckt. Das Flugblatt enthielt 34 Unterschriften, unter anderem die eines Wissenschaftlichen Rates und Professors aus der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Der Rektor wurde umgehend tätig.464 Eine Gruppe Bonner Studenten wurde schließlich wegen Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland, Volksverhetzung und Billigung einer Straftat angeklagt. Der Bonner Strafrechtler und frühere Rektor Gerald Grünwald verteidigte sie. In seinem Plädoyer, das in der »Monatsschrift für Deutsches Recht« (MDR) veröffentlicht wurde,465 arbeitete Grünwald heraus, dass die Bonner Studenten sich nicht mit einem die Bundesrepublik verunglimpfenden, volksverhetzenden oder eine Straftat billigenden Text identifiziert hätten. Grünwald verlangte, dass die ausdrückliche Distanzierung der Bonner Studenten von dem Text des »Buback-Nachrufs«, die sie in ihrem Flugblatt ausgedrückt hatten, vom Gericht ernst genommen werde.466 Am 29. April 1981 wurde das Haus Kirschallee 5 von Studenten besetzt. Der Rektor setzte den Besetzern eine Frist und drohte für den Fall der Nichträumung Zwangsmaßnahmen an. Er stellte gegenüber dem Senat klar, dass er über den Rechtsstandpunkt der Universität nicht mit sich verhandeln lasse; die Umbaupläne der Universität seien wohl durchdacht. Die studentischen Senatoren machten sich dagegen zu Anwälten der Hausbesetzer und forderten den Rektor auf, von Zwangsmaßnahmen Abstand zu nehmen.467 Darüber kam es zu einem heftigen Streit mit dem Regierungspräsidenten Antwerpes, der sich nach-
463 Generalbundesanwalt Siegfried Buback war am 07. 04. 1977 in Karlsruhe von Mitgliedern der RAF ermordet worden. Etwa drei Wochen nach dem Tod in Karlsruhe erschien in der Studentenzeitung des Göttinger AStA der anonyme »Nachruf« eines »Göttinger Mescalero«, der »nach dem Abschuss von Buback« seine »klammheimliche Freude nicht verhehlen« wollte. Dagegen waren der niedersächsische Wissenschaftsminister und der Göttinger Rektor eingeschritten. 464 Vorlage an den Minister vom 30. 06. 1977, (»wegen Eilbedürftigkeit unmittelbar zugeleitet«), Kopie in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 417, Nr. 503. Protokoll der Senatssitzung vom 07. 07. 1977, TOP 5, S. 10, in: UAB, Senat 161–60. 465 Kurzfassung des Plädoyers in der Berufungsverhandlung vor dem LG Bonn am 16. 06. 1978, in: Kritische Justiz 1978, S. 295–301, abrufbar unter : www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/ 1978/19783Dokumentation_Buback_Nachruf_S_280.pdf (zuletzt abgerufen am 28. 09. 2014). 466 Siehe Puppe, Grünwald, S. 277. Zu den in Bonn und anderorts ergangenen, in der strafrechtlichen Würdigung differierenden Entscheidungen, u. a. des AG Bonn und des LG Bonn als Berufungsinstanz, das drei von zehn Angeklagten freisprach, siehe die Dokumentation in der Kritischen Justiz 1978, S. 280–295, abrufbar unter : www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/ doc/1978/19783Dokumentation_Buback_Nachruf_S_280.pdf (zuletzt abgerufen am 28. 9. 2014). 467 Protokoll der Senatssitzung vom 30. 04. 1981, TOP 6, S. 11, in: UAB, Senat 161–87.
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drücklich gegen die Räumung des Hauses aussprach.468 Der Senat folgte dem Rektor und protestierte »mit Nachdruck dagegen, daß Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rechtsordnung […] vom Regierungspräsidenten in Köln als ›Feldgeschrei eines Professors‹ bezeichnet werden«. Der Senat verwahrte sich »gegen den zunehmend disziplinlosen und rüden Ton«469 und richtete »die Bitte an den Minister für Wissenschaft und Forschung dahin, daß dieser in der Landesregierung darauf hinwirkt, daß der Regierungspräsident in Zukunft Diffamierungen der Organe der Universität Bonn unterläßt.«470 Der Regierungspräsident stellte das Haus, um den Umbau unmöglich zu machen, unter Denkmalschutz. Die von der Universität eingelegte Dienstaufsichtsbeschwerde hatte Erfolg: Der Innenminister missbilligte die Äußerung des Regierungspräsidenten.471 Schließlich wurde in der Kirschallee 5–9 ein Studentenwohnheim mit 47 Wohneinheiten errichtet.472 Die seit Jahren rückläufige Wahlbeteiligung bei den Wahlen zu studentischen Vertretungen, namentlich bei den Fachschaftswahlen, erreichte im Sommersemester 1984 neue Tiefpunkte, die immer drängender die Frage nach der Legitimation der studentischen Interessenvertretung aufwarf: Als krassestes Beispiel führte der Rektor in einer Senatssitzung die Wahl zur Fachschaftsvertretung der Fachschaft Mathematik an, »in der bei 1127 Wahlberechtigten die Wahl mit einem Kostenaufwand von ca. 950 DM durchgeführt wurde. Als Ergebnis hätten ganze sechs von den 1.127 Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben und damit eine 13köpfige Fachschaftsvertretung gewählt. Folge dieser Boykotthaltung von Teilen der Studentenschaft gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Organisationsformen könne nur die Aufforderung an den Gesetzgeber sein, auch in Zukunft ein Mindestquorum für die wirksame Einsetzung von Organen der verfaßten Studentenschaft zu fordern«. Während in der anschließenden Diskussion der Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses die extrem niedrige Wahlbeteiligung damit erklärte, »daß er wie auch weite Teile der Studentenschaft 468 »Regierungspräsident nachdrücklich gegen Räumung der Kirschallee 5«, General-Anzeiger vom 04. 06. 1981. 469 Von Senator Ossenbühl erstellte Tischvorlage für den Senat, Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 04. 06. 1981, TOP 6a, S. 11f., in: UAB, Senat 161–8. 470 Siehe auch Aktenvermerk im Wissenschaftsministerium vom 02. 07. 1981 betreffend Äußerungen des Regierungspräsidenten Dr. Antwerpes im Zusammenhang mit der Hausbesetzung Kirschallee 5 in Bonn, hier : Bericht des Rektors der Universität Bonn vom 4. Juni 1981, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 964, Nr. 32. 471 Siehe Protokoll der Senatssitzung vom 10. 12. 1981, TOP 7, S. 14, in: UAB, Senat 161–92. 472 Rede von Minister Schwier bei der Einweihung des Studentenwohnheims Kirschallee 5 bis 9, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 574, Nr. 114. Dort (S. 3f.) auch die – für die Verlässlichkeit ministeriellen Prognosen prototypisch stehende – Einschätzung: »Den geburtenstarken Jahrgängen, die für das Ansteigen der Studentenzahlen bis Ende der achtziger Jahre sorgen werden, folgen abrupt geburtenschwache Jahrgänge. Dies wird mit Sicherheit zu einem starken Absinken der Studentenzahlen in den neunziger Jahren führen.«
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die gesetzlichen Wahlformalitäten als Überbürokratisierung ablehnten und das erklärte Ziel des Boykotts dieser Wahlen sei, die Wahlbeteiligung geringer als bei Vollversammlungswahlen ausfallen zu lassen«, wurden aus der Mitte des Senats »Zweifel angemeldet, ob der Studentenschaft das Mandat zur Durchführung von Wahlen unter diesen Umständen noch weiter erhalten bleiben kann, wobei dies auch für die Wahlen zu den Akademischen Gremien gelten müsse.«473 Die Frage des allgemeinpolitischen Mandats des AStA wurde im Zuge der Aktivitäten der Friedenbewegung 1983/84 noch einmal zu einem Thema innerhalb der Universität Bonn. Der Rektor beanstandete im August 1983 den Haushalt der verfassten Studentenschaft, »da in ihm Mittel von beträchtlichem Umfang für die sogenannte Friedensarbeit des AStA ausgewiesen und für Kundgebungen bereits teilweise zweckentfremdet worden waren«. Das vom AStA in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit einem Aussetzungsantrag gegen den Sofortvollzug der Beanstandungsverfügung angerufene Verwaltungsgericht bekräftigte seine Rechtsprechung, demzufolge dem AStA kein allgemeinpolitisches Mandat zustehe, und untersagte auf Antrag mehrerer Studenten der Studentenvertretung unter Androhung eines Ordnungsgeldes jede weitere allgemeinpolitische Tätigkeit. Als der AStA dieses Verbot mehrfach missachtete, erwirkten die Studenten die Verhängung eines Gesamtordnungsgeldes von 4.000 DM.474 Neben der Gleichstellung von Frauen wurde Ende der 1980er Jahre an der Bonner Universität auch der Umgang mit Homosexualität erstmals zum Thema. Es kam zu zwei Rechtsstreitigkeiten mit dem AStA: Der einen lag der vom Rektor abgelehnte Antrag auf Vergabe eines Raumes für die Durchführung eines Kabaretts seitens des sogenannten »Autonomen Weiberrates für feministisch-lesbische Provokation« zugrunde. Nach der Ablehnung wurde der Rektor von einer Gruppe von Damen aufgesucht, die, ausgerüstet mit Trillerpfeifen und Plakaten, versuchten, ihre Forderung durchzusetzen. Nach erneuter Ablehnung wurde beim VG Köln ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, der jedoch keinen Erfolg hatte. Einen weiteren Antrag des AStA auf Vergabe der Säulenhalle für die Durchführung einer »Schwulenfete« am dies academicus lehnte der Rektor 1989 ebenfalls ab.475
473 Protokoll der Senatssitzung vom 05. 07. 1984, TOP 7, S. 10, in: UAB, Senat 161–111. Siehe hierzu allgemein auch Böckle, Bericht 1983/84, S. 10. 474 Siehe Böckle, Bericht 1983/84, S. 16f. 475 Protokoll der Senatssitzung vom 30. 11. 1989, Teil B, TOP 4, S. 8, in: UAB, Senat 219–1.
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Der Streit um die Nutzung der Hofgartenwiese Seit 1981 fanden auf der Hofgartenwiese politische Massendemonstrationen statt, an denen regelmäßig mehrere 10.000, im Fall der Friedensbewegung mehrere 100.000 Menschen teilnahmen. Am 10. Juni 1982 demonstrierten dort anlässlich des NATO-Gipfels in Bonn mehr als 400.000 Teilnehmer gegen den NATO-Doppelbeschluss. Gut ein Jahr später nutzte die Friedensbewegung diesen Platz erneut für eine »Volksversammlung für den Frieden«, an der circa 300.000 Personen teilnahmen. Auch die IG-Metall führte dort Großdemonstrationen gegen den Abbau von Arbeitsplätzen (1983) oder für die Einführung der 35Stunden-Woche (1984) durch. Durch die damit einhergehenden Belastungen wurde der Rasen vollständig ramponiert.476 Während kommunalpolitisch teilweise argumentiert wurde, »daß es zu den Pflichten und notwendigen Lasten der Bundeshauptstadt gehöre, Massendemonstrationen und ihre Schäden auf städtebaulich, wohnlich und freizeitgemäß kostbarstem Grund ertragen zu müssen« oder gar die Auffassung vertreten wurde, »daß die Großdemonstrationen auf der Wiese vor der Universität fruchtbare, provozierende Impulse in den Elfenbeinturm der Wissenschaften hineintrage«,477 sah dies die Universität, seit 1818 Eigentümerin des Hofgartens, naturgemäß anders. Tatsächlich hatte sich die Universität in einem Vertrag mit der Stadt Bonn vom 13. Dezember 1895 mit Ergänzungen vom Dezember 1951 und August 1955 bereit erklärt, den Hofgarten, den Kaiserplatz, die Poppelsdorfer Allee, den Alten Zoll sowie den Vorgarten der Universität am Regina-Pacis-Weg zur Nutzung durch die Öffentlichkeit freizugeben;478 die Stadt hatte dafür im Gegenzug die sachgemäße Pflege dieses Geländes übernommen. Die Rechtsnatur dieser Vereinbarung war umstritten, die Universität war immer von einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis ausgegangen und hatte insbesondere zum Schutz ungestörter Forschung und Lehre die Nutzung dieses Geländes von ihrer privatrechtlichen Genehmigung abhängig gemacht. Im Jahr 1979 befasste sich erstmalig das Verwaltungsgericht Köln in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren wegen Genehmigung einer Großdemonstration mit der Rechtslage; in seinem Beschluss vom 8. Oktober 1979 ließ das 476 Siehe dazu Justus Müller Hofstede, Der Bonner Hofgarten: Gelände für Massendemonstrationen oder historisch gestalteter Freizeitraum?, BUN 156 (Oktober 1984), S. 13 (»Die Wiese liegt in der Agonie«). 477 Ebd., S. 14. 478 Das Betreten öffentlicher Rasenflächen war bereits seit 1896 polizeilich verboten und die Einhaltung dieses Verbots wurde bis 1964/65 sogar durch nächtliche Bewachung des Hofgartens durchgesetzt; siehe Protokoll der Senatssitzung vom 20. 12. 1984 (Sondersitzung), S. 2, in: UAB, Senat 161–114.
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Gericht im summarischen Verfahren die Bedeutung des Vertrages von 1895 dahingestellt und gab die Hofgartenwiese für eine Demonstration mit der auf den Einzelfall abstellenden und ein vorläufiges Regelungsbedürfnis bejahenden Begründung frei, dass der Vorlesungsbetrieb der Universität von dieser Demonstration nicht berührt werde.479 Nachdem der Rektor sich im Fall der IG-Metall-Demonstration aufgrund politischen Drucks und ansonsten drohender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung trotz befürchteter Beeinträchtigung des Forschungs- und Lehrbetriebs und entgegen seiner ursprünglichen Absicht genötigt sah, die Genehmigung der Universität zu erteilen;480 beauftragte der Senat 1984 Professor Fritz Ossenbühl, gutachtlich zu klären, »ob durch geeignete Vereinbarungen und Rechtsakte ein rechtlicher Rahmen festgelegt werden kann, der eine Inanspruchnahme des Hofgartens und der Poppelsdorfer Allee für Demonstrationszwecke verhindert oder einschränkt«.481 Das von Ossenbühl erstattete Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass Großdemonstrationen, die den Rasen beschädigten, auf der Hofgartenwiese rechtlich unzulässig waren, alle Benutzungen zu anderen als Erholungszwecken der Zustimmung der Universität als Eigentümerin bedurften, die Nutzungseinräumung von der Zahlung eines Entgelts oder einer angemessenen Kaution für die Behebung möglicher Schäden abhängig gemacht werden konnte und eine Herrichtung der Hofgartenwiese für Großveranstaltungen ebenfalls der Zustimmung der Universität bedurfte.482 Die grundsätzliche Unzulässigkeit von zu Beschädigungen der Rasenfläche führenden Großveranstaltungen ergab sich für Ossenbühl dabei aus § 7 Denkmalschutzgesetz NRW, der den Eigentümern und sonstigen Nutzungsberechtigten aufgab, »ihre Denkmäler instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, soweit ihnen das zumutbar ist«. Tatsächlich waren Hofgarten, Universitätshauptgebäude und Akademisches Kunstmuseum seit Dezember 1983 in die endgültige Denkmalliste der Stadt Bonn eingetragen.483 Nach Einschätzung des Gutachters hatte die Hofgartenwiese nicht den Status einer »öffentlichen Einrichtung« als einer besonderen Sache oder Sachgesamtheit, der im öffentlichen Interesse unterhalten wurde und durch Widmung der allgemeinen Benutzung als öffentlicher Zweck zugänglich gemacht worden sei. 479 Darstellung nach dem Bericht des Rektors in der Senatssitzung vom 07. 06. 1984, Protokoll, TOP 8, S. 13f., in: UAB, Senat 161–110. 480 Ebd. 481 Zit. nach Hofstede, Hofgarten, S. 15. 482 Zusammenfassung des 49-seitigen Gutachtens (IX. Gesamtergebnis), S. 48f., Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 13. 12. 1984, in: UAB, Senat, 161–113. 483 Hofstede, Hofgarten, S. 15.
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Die Hofgartenwiese stand vielmehr nach wie vor unter dem ausschließlichen Regime des Privatrechts, mithin der ausschließlichen Bestimmungs- und Ausschließungsbefugnis der Universität Bonn. Falls man dessen ungeachtet aufgrund der (widerleglichen) Vermutung für die Widmung einer Einrichtung zur öffentlichen Benutzung auch von einer das Privateigentum überlagernden öffentlich-rechtlichen Widmung der Hofgartenwiese ausgehe, würde sich der Widmungszweck aufgrund des nach der Vermutungsregel angenommenen Widmungsaktes jedoch in seiner Reichweite angesichts der Kollision mit dem Eigentumsschutz auf den Erholungszweck beschränken. Alle darüber hinausgehenden Nutzungen seien zustimmungspflichtig; tatsächlich sei in der Praxis bis in die jüngste Zeit auch stets die Zustimmung der Universität eingeholt worden. Bei der Erteilung der Zustimmung sei die Universität an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden. Dagegen sei die Universität nicht aus Art. 8 Abs. 1 GG verpflichtet, universitätseigenes Gelände für Demonstrationszwecke zur Verfügung zu stellen. Der Senat der Universität sah sich nach Vorlage des Gutachtens vor die Entscheidung gestellt, den Willen der Universität als Eigentümerin der Hofgartenwiese über deren zukünftige Nutzung zu bilden und zu artikulieren. Nach ausführlicher Diskussion des Für und Wider beschloss er auf Antrag des Rektors am 20. Dezember 1984, dass im Interesse eines ungestörten Universitätsbetriebs Großveranstaltungen auf der Hofgartenwiese künftig nicht mehr gestattet werden sollten.484 Zwar waren auch die besonderen Bedingungen der Stadt Bonn als Bundeshauptstadt und die bestehende Einbindung der Universität sowie deren Verhältnis zu den Bundesorganen zu berücksichtigen, entscheidend waren aus Sicht des Senats aber letztlich die eigenen Belange der Universität als Eigentümerin, und danach waren Großveranstaltungen auf der Hofgartenwiese »als mit der Eigenart der Universität unvereinbar abzulehnen«.485 Man wollte erreichen, dass der Polizeipräsident zumindest in der Vorlesungszeit Demonstrationen grundsätzlich künftig an andere Orte verweise. Auch der Oberbürgermeister der Stadt Bonn betonte, dass »die Demonstranten keinen festen Anspruch auf den Hofgarten haben«,486 und selbst der Innenminister des Landes schien sich in diese Richtung zu bewegen. Jedenfalls gestattete die Universität seit dem Senatsbeschluss von 1984 ausnahmslos keine Großveranstaltungen auf der Hofgartenwiese mehr. Man verwies auf andere mögliche Demonstrationsorte, namentlich auf die rechtsrheinische Rheinaue. Doch damit war das Thema noch lange nicht ausgestanden. Ein Fall aus dem 484 Protokoll der Senatssitzung vom 20. 12. 1984 (Sondersitzung), S. 4f., in: UAB, Senat 161–114. 485 Ebd. 486 General-Anzeiger vom 15. 09. 1984, zit. nach: Hofstede, Hofgarten, S. 15.
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Jahr 1987487 sollte zu einem langen Rechtsstreit führen, der erst mit einer Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1992 seinen Abschluss finden sollte: Im Oktober 1987 wurde die Universität um Mitteilung gebeten, ob sie bereit sei, auf der Hofgartenwiese eine – vorzugsweise an einem Freitag oder Sonnabend durchzuführende – Großkundgebung mit nicht weniger als 200.000 Teilnehmern zuzulassen; bejahendenfalls sollte eine Angabe von Terminen erfolgen, andernfalls ein rechtsmittelfähiger Bescheid ergehen. Die Universität lehnte die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides ab und verwies auf den ordentlichen Rechtsweg.488 Der verhinderte Veranstalter schlug indes den Verwaltungsrechtsweg ein. Gegen die auf Feststellung, dass die Universität verpflichtet sei, ihr die Hofgartenwiese für Versammlungen mit mehr als 100.000 Teilnehmern zur Verfügung zu stellen beziehungsweise die Nutzung der Wiese für solche Veranstaltungen zu dulden, gerichtete Klage verteidigte sich die Universität mit der Rechtsposition, die schon das Gutachten Ossenbühl eingenommen hatte: Ihr 487 Zu Rechtsstreitigkeiten im Jahr 1985 wegen einer auf der Hofgartenwiese geplanten Kundgebung der Vereinigten Deutschen Studentenschaft am 15. 06. 1985 siehe Protokoll der Senatssitzung vom 04. 07. 1985, TOP 6, S. 11, in: UAB, Senat 161–119 sowie Böckle, Bericht 1983/84, S. 75f. In diesem Fall folgte das Oberverwaltungsgericht für das Land NordrheinWestfalen der Rechtsauffassung der Universität und erklärte die universitäre Verweigerung der Zustimmung zur Durchführung der Kundgebung auf der Hofgartenwiese mit Beschluss vom 14. 06. 1985 für rechtens. Im Jahr 1987 meldete der sogenannte Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung für den 13. 06. 1987 eine Demonstration auf der Hofgartenwiese beim Polizeipräsidenten Bonn an. Aufgrund des Beschlusses des Senats der Universität von 1984 verbot der Polizeipräsident die Demonstration mit Verfügung vom 13. 05. 1987. Diese Verfügung wurde vom Regierungspräsidenten auf Widerspruch des Koordinierungsausschusses aber mit der Begründung aufgehoben, dass die Universität als Eigentümerin der Hofgartenwiese eine befürchtete Beeinträchtigung ihrer privaten Eigentümerrechte selbst zivilgerichtlich abwehren könne und die Polizei dafür aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht zuständig sei. Der Senat bekräftigte seine Position von 1984 und bat den Rektor, für die Universität vor dem Verwaltungsgericht gegen die Aufhebung der polizeilichen Verbotsverfügung durch den Regierungspräsidenten Klage zu erheben und zudem zivilrechtlich den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Veranstalter der Demonstration zu beantragen, siehe Protokoll der Senatssitzung vom 04. 06. 1987, TOP 8, S. 13–15, in: UAB, Senat 161–139. Die Universität obsiegte vor dem VG Köln. Aufgrund der kurzfristig vom Veranstalter mitgeteilten Verdopplung der erwarteten Teilnehmerzahl von 50.000 auf 100.000 entschied das OVG in Münster jedoch im Eilrechtsverfahren gegen die Universität und stellte den Schutz des Eigentums mit Blick auf die Sicherheitslage hintan. Daraufhin nahm der Bonner Polizeipräsident die Universität nach § 6 Polizeigesetz NRW als Nichtstörer zur Duldung der Demonstration in Anspruch, so dass die Demonstration auf der Hofgartenwiese stattfinden konnte. Das zivilgerichtliche Verfahren vor dem Landgericht wurde danach von Seiten der Universität für erledigt erklärt; der Veranstalter widersprach der Erledigungserklärung. Das Landgericht entschied zugunsten der Universität und stellte die Erledigung fest; siehe Protokoll der Senatssitzung vom 16. 07. 1987, TOP 6, S. 11, in: UAB, Senat 161–141. 488 Sachverhaltsschilderung nach BVerwG, Urteil vom 29. 10. 1992 – 7 C 34/91 –, E 91, 135–140.
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Privateigentum an der Hofgartenwiese könne nur im Rahmen einer Widmung, die auch Demonstrationen einschließe, eingeschränkt sein. Eine solche Widmung sei nicht erfolgt. Die Zustimmungen zu früheren Großveranstaltungen seien privatrechtlicher Natur gewesen. Eine Widmung könne allenfalls durch die beigeladene Stadt ausgesprochen worden sein, so dass die Klage gegen die Stadt gerichtet werden müsse. Die Bereitstellung von Gelände für große Demonstrationen sei nicht ihre, sondern Aufgabe der Stadt oder des Landes. Bonn besitze im Übrigen entsprechendes Gelände. Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage mit Urteil vom 14. April 1989 als unbegründet ab, das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 6. September 1991 die dagegen gerichtete Berufung zurück: Die Hofgartenwiese sei weder eine öffentliche Straße noch ein dem öffentlichen Verkehr gewidmeter Platz im Sinne des nordrhein-westfälischen Straßen- und Wegerechts, da es an einer hierauf gerichteten Widmungsverfügung fehle. Seit die Hofgartenwiese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, stehe ihre Nutzung als Liege- und Spielwiese im Vordergrund. Soweit die Klage auf § 18 Abs. 2 GO NW gestützt werde, sei sie schon deshalb nicht begründet, weil der Anspruch auf Benutzung einer öffentlichen Einrichtung nur gegenüber der Gemeinde bestehe, die die Einrichtung geschaffen habe. Eine Verpflichtung der Universität, die Benutzung der Hofgartenwiese für Versammlungen zuzulassen, folge auch nicht aus dem Umstand, dass sie diese Fläche vor dem 20. Dezember 1984 wiederholt für Versammlungen zur Verfügung gestellt habe. Denn mit dem an diesem Tag gefällten Beschluss des Senats der Universität sei eine solche etwaige Eigenschaft jedenfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise wieder entzogen worden, und daran habe sich die Universität seither gehalten. Eine Verpflichtung der Universität, die Hofgartenwiese für Großkundgebungen zur Verfügung zu stellen, ergebe sich auch nicht aus Art. 8 GG. Ob die Beklagte eine »Monopolstellung« besitze, bedürfe keiner Entscheidung. So wenig nämlich den Staat selbst eine öffentlich-rechtliche Pflicht treffe, zur Durchführung von Großkundgebungen geeignete Grundstücke zur Verfügung zu stellen, so wenig treffe sie eine Hochschule. Auch die Revision blieb letztlich erfolglos. Doch das BVerwG lehnte lediglich einen generellen Anspruch potentieller Veranstalter gegen die Universität Bonn auf Durchführung von Großkundgebungen auf der universitätseigenen Hofgartenwiese ab. Als Abwehrrecht gebe Art. 8 GG grundsätzlich keine Leistungsansprüche gegen den Staat und schon gar nicht Ansprüche gegen eine Universität auf Überlassung eines Grundstücks zu Versammlungs- und Demonstrationszwecken. Dem stehe die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, Art. 8 GG gewährleiste den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt und Inhalt der Veranstaltung, nicht entgegen. Denn die Entscheidung über Ort und Zeit der Versammlung setze die rechtliche Verfügungsbefugnis
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über den Versammlungsort voraus; Art. 8 GG begründe also kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht. Das Recht der freien Ortswahl umfasse mit anderen Worten nicht das Recht, fremdes Grundeigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen. Dies gelte grundsätzlich auch für ein Grundstück, das – wie die Hofgartenwiese – nach dem Willen des Trägers als öffentliche Einrichtung der Allgemeinheit nur im Rahmen einer eingeschränkten Zweckbestimmung zur Verfügung stehe. Bereits mit der Schaffung und Unterhaltung einer der Öffentlichkeit ansonsten frei zugänglichen Grünfläche habe die Universität mehr getan, als einer Universität im Rahmen ihrer Gemeinwohlverpflichtung obliege.489 Dies entbinde die Universität aber nicht davon, über einen konkreten Antrag auf Überlassung der Hofgartenwiese nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, sofern diese, was hier zugunsten der Klägerin zu unterstellen sei, von der Beklagten als öffentliche Einrichtung betrieben werde. Sie müsse bei der Entscheidung über einen solchen Antrag auf Erteilung einer Sonderbenutzungserlaubnis das Gewicht des Interesses des Antragstellers an der Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit gebührend berücksichtigen. Unterlasse sie eine solche Abwägung, indem sie sich ohne weitere Begründung auf ihren Beschluss vom 20. Dezember 1984 und den darin festgelegten generellen Ausschluss von Großveranstaltungen berufe, oder verkenne sie die Interessengewichtung, indem sie ohne Prüfung im Einzelfall pauschal auf Störungen ihres Universitätsbetriebs abstelle oder eine etwaige Monopolstellung unberücksichtigt lasse, so werde sie der Bedeutung, die dem Grundrecht der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit im demokratischen Staat nach der Verfassung zukommt, nicht gerecht. Als Konsequenz aus diesem Urteil wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit weiteren Streitigkeiten über die Überlassung der Hofgartenwiese zu Demonstrationszwecken im Einzelfall zu rechnen gewesen. Allein der Umstand, dass Bonn seinen Hauptstadtstatus verlor und Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat ihren Sitz nach Berlin verlegten, dürfte das Problem erledigt haben. Nun wollte in der rheinischen Provinz niemand mehr Großdemonstrationen veranstalten. Die Karawane war weitergezogen.
489 Dies würde heute möglicherweise anders gesehen, sofern man nach dem »Leitbild des öffentlichen Forums« die Verkehrsfläche »Hofgartenwiese« als einen öffentlichen Kommunikationsraum ansieht, der neben dem öffentlichen Straßenraum für die Durchführung von Versammlungen in Anspruch genommen werden kann; siehe dazu näher BVerfGE 128, 226, 251–254 – Fraport AG, Frankfurter Flughafen.
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Universitäre Infrastruktur in Zeiten des Mangels Einblicke in die bauliche Entwicklung Mit den Studentenzahlen wuchs auch der Raumbedarf der Universität. Zugleich mussten die Gebäude in Stand gehalten und – insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern und der Medizin – modernisiert werden, um mit den technischen Entwicklungen Schritt zu halten. Gleichzeitig stand der Universität angesichts der angespannten Haushaltslage des Landes, das zudem erhebliche Mittel für die neugegründeten Hochschulen aufwenden musste, immer weniger Geld für Baumaßnahmen zur Verfügung. Nicht nur mit dem Land wurde verhandelt, die Universität musste ihre Baupläne auch mit der Stadt abstimmen, was nicht selten Spannungen zwischen Stadtverwaltung und alma mater zur Folge hatte. Klagen über zu geringe Baumittel ziehen sich wie ein roter Faden durch die Phase der Universitätsgeschichte von 1965 bis 1991. Schon 1968 schlug Professor Heinrich Lützeler als Vorsitzender der Bau- und Grundstückskommission in den »Bonner Universitäts-Nachrichten« Alarm. Das Jubiläumsjahr der Universität sehe »baulich besonders traurig aus«. Der vorgesehene Etat von 13,8 Millionen Mark sei »angesichts des Nachholbedarfs und der mit Sicherheit zu erwartenden künftigen Anforderungen für eine Universität wie die unsrige zum Sterben zu viel, zum kümmerlichen Fortleben allenfalls ausreichend«. Knapp 20 Jahre später, im Oktober 1989, zog der damalige Rektor Professor Kurt Fleischhauer ein ebenso ernüchterndes Fazit: »Die Aufwendungen, die für Bauunterhaltung und -modernisierung im Gesamtbereich der Universität, d. h. einschließlich der Medizinischen Einrichtungen, zu tätigen wären, sind vom Staatshochbauamt auf mehr als 450 Mio DM, davon 270 Mio DM für die Medizinischen Einrichtungen, geschätzt worden. Gegenüber dieser Summe wirkt der Betrag von 5,8 Mio DM, der im Normalhaushalt jährlich für die Bauunterhaltung zur Verfügung steht, gering, und auch die 14,3 Mio DM, die wir im letzten Jahr aus Sondermitteln zur Verfügung gestellt bekommen haben, reichen bei weitem nicht aus, um den Anfang einer konsequent betriebenen Altbausanierung und -modernisierung zu machen.«
Es würde zu weit führen, die vielen Baumaßnahmen, die trotz knappen Mitteln in diesen Jahrzehnten durchgeführt wurden, im Einzelnen zu verfolgen. Stattdessen sollen einige Projekte exemplarisch herausgegriffen werden. Im Hauptgebäude im ehemals kurfürstlichen Schloss am Hofgarten waren die Raumverhältnisse so beengt, dass schon in den 1950er Jahren mit Plänen für den Neubau eines eigenen Gebäudes für die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät begonnen wurde. Das Juridicum auf dem ehemaligen Gelände des BeethovenGymnasiums in der heutigen Adenauerallee feierte im April 1965 Richtfest und
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Abb. 39: Kurt Fleischhauer, Medizin
konnte der Universität schließlich Ende 1967 offiziell übergeben werden. Es bot allerdings schon bei seiner Fertigstellung nicht allen Instituten ausreichend Platz, weshalb eigentlich als Provisorien gedachte Häuser auf der Adenauerallee und in der Lenn8straße zu Dauerlösungen bis in die Gegenwart wurden.490 Der Exodus aus dem Hauptgebäude setzte sich unter anderem mit der Übersiedelung des Historischen Seminars in das frühere Oberbergamt in der Konviktstraße fort, das die Universität 1970 erworben hatte.491 Eher kurios mutet im Rückblick das Vorhaben des Landes Nordrhein-Westfalen an, der Stadt Bonn das Poppelsdorfer Schloss unentgeltlich zu übereignen. Nachdem die Landesregierung ihre Pläne im November 1969 öffentlich gemacht hatte, stand dieses Vorhaben mehr als ein Jahr im Raum.492 Dann stellte sich 1971 490 Plöger, Juridicum. 491 »Uni bekommt Oberbergamt«, General-Anzeiger vom 28. 01. 1970. 492 Pressemitteilung des Landespresse- und Informationsamtes Nordrhein-Westfalen vom 05. 11. 1969, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, NW 372, Nr. 705.
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heraus, dass sich das Schloss gar nicht im Besitz des Landes befand, sondern der Universität gehörte.493 Da das Chemische Institut in Poppelsdorf nicht ausbaufähig war, wurden schon 1955 erste Überlegungen für einen Neubau angestellt. Nach der Aussonderung ungeeigneter Bauplätze wurde im November 1961 der Beschluss gefasst, den Neubau in Endenich zu errichten. Poppelsdorf kam für die Universität als Ort nicht in Frage, weil sonst die Mathematisch-Naturwissenschaftliche, die Landwirtschaftliche und die Medizinische Fakultät dort keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr gehabt hätten. Im Kultusministerium, das die Pläne zunächst gebilligt hatte, entstanden allerdings Bedenken, die den Beginn der Arbeiten nachhaltig verzögerten.494 Im November 1970 musste der Rektor dem Senat berichten, dass die Kosten von 50 auf 87 Millionen gestiegen seien, was zu Schwierigkeiten mit dem Finanzministerium und einer weiteren Verzögerung geführt habe.495 Als schließlich der Baubeginn für die erste Jahreshälfte 1971 avisiert wurde, zeigte sich der Senat über die weitere Verzögerung verärgert.496 Aus Protest begannen 500 Studenten, Assistenten und Professoren mit symbolischen Spatenstichen gemeinsam den Neubau. Die »Welt« berichtete: »So zogen dann 500 Studenten und Professoren aus Deutschlands ältestem, noch von Benzolring-Entschlüsseler August Kekule gegründeten Chemie-Institut ohne den erbetenen Flankenschutz der Bonner Bundesregierung auf eine Bonner Wiese, um die Düsseldorfer Landesregierung mit 500 Spaten herauszufordern. Nach 16 Jahren Planung und Versprechen mochten sie nicht länger auf ihr neues Institut warten: Sie begannen selbst zu buddeln.«497
Am 8. Dezember 1970 beschloss das Landeskabinett, am 1. März 1971 mit dem Neubau zu beginnen und das Institut »im Vorfertigungssystem als naturwissenschaftliche[n] Typenbau« zu errichten, was eine Verkürzung der Bauzeit ermöglichen sollte.498 Im Wintersemester 1973/74 konnten die letzten Bauarbeiten abgeschlossen werden. Der unter Denkmalschutz stehende Altbau des Chemischen Instituts wurde 1978 für das Geographische Institut vorgesehen und in den folgenden zehn Jahren unter erheblichen Verzögerungen und Kos493 Siehe Ergebnis-Niederschrift über Besprechung im Ministerium für Wissenschaft und Forschung am 08. 03. 1971 und Bericht der Sonderkommission des Senats vom 17. 05. 1971 in: UAB, Senat 143–53. 494 Siehe Protokoll der Sondersitzung der Bau- und Grundstückskommission am 05. 11. 1968, in: UAB, UV 215–15. 495 Protokoll der Senatssitzung vom 12. 11. 1970, TOP 2, S. 4f., in: UAB, Senat 143–46. 496 Protokoll der Senatssitzung vom 26. 11. 1970, TOP 5, S. 3f., in: UAB, Senat 143–47. 497 »Fünfhundert grabende Akademiker bewogen Heinz Kühn zur Eile«, Die Welt vom 27. 11. 1970. 498 Pressemitteilung der Landesregierung vom 08. 12. 1970, in: LAV NRW, Abt. Rheinland, Bestand NW 372, Nr. 706.
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tensteigerungen499 restauriert. Im April 1988 erfolgte schließlich die feierliche Einweihung in Anwesenheit der Wissenschaftsministerin Anke Brunn.500
Die Zentralbibliothek der Landbauwissenschaften in Poppelsdorf Ebenfalls 1978 wurde mit dem Bau der kurz Landbaubibliothek genannten Zentralbibliothek der Landbauwissenschaften, der Naturwissenschaften sowie der vorklinischen Medizin und Zahnmedizin in Poppelsdorf begonnen.501 Diese ursprünglich zur Landwirtschaftlichen Hochschule gehörende Bibliothek war im Wintersemester 1934/35 mit der Eingliederung der Hochschule in die Universität Teil der zentralen Universitätsbibliothek und in den 1950er Jahren zur größten Fachbibliothek in der Bundesrepublik geworden. 1983 wurde der Neubau fertigstellt und der Universität im Januar 1984 offiziell übergeben.502 Im Januar 1987 wurde in der Zentralbibliothek ein Feuer gelegt.503 Der gerade erst fertiggestellte Bau war schwer beschädigt, die Bücher mussten mühsam vom Ruß befreit werden. Weil das Land die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stellte, verzögerte sich die Wiederherstellung der Bibliothek jahrelang. Erst 1989 stand sie wieder voll zur Verfügung.504
Studentenwohnheime Im Jahr 1969 unterhielt das Studentenwerk die älteren Wohnheime TillmannHaus, Carl-Schurz-Haus und das Studentinnenwohnheim Lenn8straße 3 sowie das Studentinnenwohnheim Wichelshof, das Ulrich-Haberland-Haus, das Studentinnenwohnheim in Friesdorf und das im Jahr 1968 eröffnete Theodor-LittHaus505 mit insgesamt 647 Betten.506 Zusammen mit Studentenwohnheimen anderer Träger kam Bonn damit auf knapp 1.200 Bettplätze.507 Schon damals war 499 500 501 502 503 504 505 506 507
Siehe bspw. Besch, Bericht 1982/83, S. 78. Fleischhauer, Bericht 1982/83, S. 256. Heupel, Bericht 1977/78, S. 117. »Ein eigenwilliger und zweckmäßiger Bau. Die Zentralbibliothek der Landbauwissenschaft offiziell übergeben.«, in: BUN 153 (Februar 1984), S. 8f. »Brandstiftung in Zentralbibliothek«, in: BUN 168 (Januar/Februar 1987), S. 9. Fleischhauer, Bericht 1986/87, S. 123f. und ders., Bericht 1989/90, S. 16. Siehe Studentenwerk Bonn, Die finanzielle Situation unserer Wohnheime vom 28. 04. 1969, in: UAB, AStA 81–188. Anlage zur Sitzung des Engeren Vorstands am 21. 02. 1968, in: ebd. Planzahlen für den Bau von Studentenwohnheimen in Bonn 1970–1975 vom 07. 10. 1969, in: ebd.
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trotz des Sieben-Jahres-Plans der Landesregierung508 klar, »daß das derzeitige Bautempo bei weitem nicht [ausreichen würde], den Wohnungsbedarf in absehbarer Zeit zu decken.«509 Mit der Reform des Studentenwerkrechts und der damit einhergehenden Umwandlung des Vereins Studentenwerk Bonn e.V. in eine Anstalt des Öffentlichen Rechts (AöR) zum 1. April 1974 änderte sich das Verhältnis von Universität und Studentenwerk grundlegend, weil das Studentenwerk fortan eine eigene juristische Person und selbstständiger Träger seiner Einrichtungen war.510 Mit den neuen Wohnheimbauten der 1970er und 1980er Jahre begann in Bonn die Phase der Großprojekte für je über 200 Bewohner.511 Aber auch die neu errichteten Studentenwohnheime in Tannenbusch und an der Endenicher Allee konnten die studentische Wohnungsnot nicht entscheidend lindern.512
Der Universitätsclub Nicht nur bei den Studenten herrschte Wohnungsnot. Die Universität hatte zunehmend Schwierigkeiten, die steigende Zahl internationaler Gastwissenschaftler – Anfang der 1980er Jahre knapp einhundert pro Semester – unterzubringen. Deshalb wurde mit Mitteln der Volkswagen-Stiftung, des neugegründeten Universitätsclubs und privater Stifter im Rahmen des IBZ-Programms (Internationales Begegnungszentrum der Wissenschaft) der Alexander-vonHumboldt-Stiftung ein neues Clubhaus der Universität im Garten des ehemaligen Oberbergamtes errichtet, das als Gästehaus, Veranstaltungszentrum und Ort des fakultätsübergreifenden Austausches dienen sollte. Im Juni 1990 bezogen die ersten Gäste das Clubhaus, im Oktober 1990 wurde das Gebäude feierlich eingeweiht. Seitdem wird es vom Universitätsclub Bonn getragen.
Technische Innovationen Zu den bedeutendsten und teuersten Neuanschaffungen der Universität gehörte ein Kernspintomograph, der im akademischen Jahr 1985/86 in Betrieb genommen werden konnte. Rektor Fleischhauer, selbst Mediziner, erwartete durch »die 508 »Millionen für Studentenheime. NRW gibt Sieben-Jahres-Plan bekannt«, Bonner Rundschau vom 11. 02. 1969. 509 Planzahlen. 510 Vgl. dazu die Ausführungen in der Festschrift Studentenwerk Bonn, Zwei-und-90 Jahre, S. 78–80. 511 Zu den Phasen des Wohnheimbaus nach 1945 vgl. ebd. S. 83. 512 So auch die Einschätzung des Studentenwerks, vgl. ebd. S. 85.
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Einführung dieser neuen und zukunftsträchtigen Methode« eine wesentliche Erweiterung der »diagnostischen Möglichkeiten des Universitätsklinikums«. Anders als es die Universität sonst oft erleben musste, sei »hier zum Wohle der Patienten und zum Wohle der Forschung und Lehre schnell und unbürokratisch gehandelt« worden.513 Die Inbetriebnahme der Elektronen-Stretcher-Anlage (ELSA) stellte dem Physikalischen Institut ein Jahr später, im Herbst 1987, eine hochmoderne und in Europa zur damaligen Zeit einmalige Anlage zur Verfügung. Dementsprechend dankbar und froh zeigte sich der Rektor, dass die Bonner Physik im nationalen und internationalen Wettbewerb an vorderer Stelle bleiben werde.514
Das Hochschulrechenzentrum Der Siegeszug des Computers erreichte die Universität in den 1970er Jahren. Am 1. November 1974 entstand aus dem bis dahin von der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) betriebenen Rechenzentrum an der Universität das Regionale Hochschulrechenzentrum (RHRZ).515 Die Anfänge gestalteten sich mitunter holprig, Mittelknappheit und eine angespannte Personallage erschwerten den Start.516 Weil der Bedarf immer weiter stieg und die technische Entwicklung rasant voranschritt, führte dies dazu, dass schon das Jahr 1979 »im Zeichen einer völlig ausgelasteten DV-Anlage, die mit dem nunmehr zwangsläufig erreichten Endausbau den Anforderungen der Universität in keinem Punkt mehr gerecht werden kann«,517 stand. Die folgenden Jahre waren geprägt durch die »prekäre Finanzlage im Bereich der zentralen Datenverarbeitung an der Universität Bonn«,518 erst 1987 zeichnete sich eine Besserung der Situation ab.519 Zu diesem Zeitpunkt war das Hochschulrechenzentrum bereits eine wichtige Stütze der universitären Infrastruktur. Für die ganze Universität galt Anfang der 1990er Jahre mutatis mutandis, was Rektor Fleischhauer im Oktober 1991 vor allem, aber nicht nur in Bezug auf den Bausektor, festgestellt hatte, dass nämlich »trotz allen Engagements der Professoren, der wissenschaftlichen Mitarbeiter und der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter« – und der Studenten – »die Universität schon seit mehreren Jahren 513 514 515 516
Fleischhauer, Bericht 1985/86, S. 13. Fleischhauer, Bericht 1986/87, S. 124. Vgl. Regionales Hochschulrechenzentrum der Universität Bonn, Jahresbericht 1975, S. IIf. Vgl. bspw. Regionales Hochschulrechenzentrum der Universität Bonn, Jahresbericht 1978, S. 5. 517 Regionales Hochschulrechenzentrum der Universität Bonn, Jahresbericht 1979, S. 5f. 518 Regionales Hochschulrechenzentrum der Universität Bonn, Jahresbericht 1986, S. 4. 519 Regionales Hochschulrechenzentrum der Universität Bonn, Jahresbericht 1987, S. 4.
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in einer geradezu besorgniserregenden Weise von ihrer Substanz« gelebt habe. Nicht zuletzt im Hinblick auf die oben skizzierten Entwicklungen in der Hochschulpolitik oder die nach wie vor weit über der Kapazität liegenden Studentenzahlen konnte die Universität trotz aller Bemühungen »mit den auftretenden Schäden schon seit Jahren nicht mehr Schritt« halten. Wie sie reagierte, um »nicht in wenigen Jahren vor völlig unlösbaren Problemen stehen« zu müssen, ist nicht mehr Teil dieses Kapitels der Universitätsgeschichte.520 ***
Zwischen 1965 und 1991 wuchs die Universität Bonn gewissermaßen über sich hinaus. Trotzdem konnte sie gegenüber den Anforderungen einer sich zunehmend als modern verstehenden Gesellschaft, die ihren Ausdruck vor allem in immer neuen Hochschulgesetzen fanden, ihre akademischen Traditionen und gewachsenen Strukturen zumindest teilweise bewahren. Wenn sich politische Hochschulreformen, von denen in Bonn nur wenig Gutes und viel Schlechtes erwartet wurde, auch nicht verhindern ließen, so konnten sie wenigstens verzögert und damit manches Mal letztlich aufgehalten werden – so kann cum grano salis die Bonner Strategie gegenüber der Politik zusammengefasst werden. Die finanziellen Engpässe, mit denen die Universität leben musste, spiegelten vor allem die Schieflage des Landeshaushalts wider, gleichwohl trug ihr Widerstand nicht zum Wohlwollen der Landesregierungen bei. Ein Ende dieser Entwicklungen war 1991 nicht erreicht, vielmehr zeichnete sich bereits ab, dass die Zeit der permanenten Hochschulreform, von der der Bonner Rektor Hugo Moser schon 1965 gesprochen hatte, in Bonn und darüber hinaus unter anderen Vorzeichen ihre Fortsetzung finden und die Gestalt der Universität nachhaltig verändern würde.
520 Fleischhauer, Bericht 1990/91, S. 17.
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Hochschulen im beschleunigten Wandel der politischen Erwartungen und rechtlichen Rahmenbedingungen Größenwachstum der hochschulischen Bildung Veränderungen des Studienbetriebs Größenwachstum der Universität Bonn Veränderungen der universitären Strukturen im Lichte staatlicher Steuerung Universitas semper reformanda Bundesgesetzliche Einwirkungen Konzentration der Hochschulgesetzgebung auf die Länder Das Hochschullehrerbesoldungsreformgesetz 2002 Entwicklung der Landeshochschulgesetzgebung und -politik im Spiegel der Reaktionen der Universität Bonn Anke Brunn (1985–1998) Gabriele Behler (1998–2002) Hannelore Kraft (2002–2005) Andreas Pinkwart (2005–2010) Svenja Schulze (2010–2017) Vom Wehen des Mantels der Geschichte bis in die Universität als Folge der Wiedervereinigung Die Universität Bonn in der Bundeshauptstadt Die Teilhabe der Universität an den Ausgleichsleistungen Die Universität Bonn als Stätte der Forschung Das Selbstverständnis als Forschungsuniversität Licht und Schatten in der Entwicklung Drittmittelerfolg als Chiffre für Forschungserfolge in hellem Licht Licht und Schatten in den Exzellenzinitiativen Schatten des Wissenschaftsbetrugs über der Universität Die Universität Bonn als Stätte der Lehre Universitäre Lehre unter dem Eindruck der großen Zahlen Auslastung der Fakultäten Universitäre Lehre unter gewandelten Rahmenbedingungen Der Ausgangspunkt einer Universität mit als Subjeken gedachten Studierenden und Lehrenden Staatlicher Gestaltungswille zur Veränderung des Rollenverständnisses Antworten der Universität Traditionell modern!?
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Hochschulen im beschleunigten Wandel der politischen Erwartungen und rechtlichen Rahmenbedingungen1 Größenwachstum der hochschulischen Bildung Die Nachkriegszeit wird von einem permanenten Anstieg der Zahl der Studierenden geprägt. Im Numerus-clausus-Urteil nennt das Bundesverfassungsgericht für den Zeitraum 1952 bis 1967 eine Studierendenzahl von 270.000, was »weit mehr als das Doppelte« der Ausgangszahl für 1952 bedeutete.2 Das Gericht konstatierte dazu lapidar : »Mit dieser Zunahme hielt der Ausbau der Hochschulen nicht Schritt«.3 Letztlich liegt in dieser Differenz zwischen der Zahl der Studierenden und dem Defizit im Hochschulausbau die Rechtfertigung für den numerus clausus. Die Wachstumskurve blieb steil, weil Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine unterdurchschnittliche »Akademisierungsquote« aufwies, also auch eine unterdurchschnittliche Abiturquote – immer gemessen an internationalen Durchschnittszahlen, mit denen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die deutsche Bildungspolitik traktierte. Dahinter stand und steht die Prämisse, dass in einer globalisierten und hochtechnisierten Welt der Erfolg einer Volkswirtschaft auch davon abhängt, einen möglichst hohen Anteil einer Alterskohorte zum Abschluss eines akademischen Studiums zu bringen. In der Tat ist das Größenwachstum auch in der Folgezeit höchst beachtlich gewesen. Zwischen 1980 und 1990 vergrößerte sich das System um die Hälfte; es wuchs von einer Million auf 1,5 Millionen Studierende. Zwischen 1960 und 1980 war auch die Zahl der Hochschulen etwa verdoppelt worden; zu dieser quantitativen Ausweitung der Hochschulen trat seit Anfang der 1970er Dekade die Fachhochschule als neues akademisches Ausbildungsangebot hinzu. 1995 studierten etwa 1,86 Millionen, davon etwa 1,4 Millionen an den Universitäten und 1 Vorbemerkungen: Im Folgenden verwende ich im Interesse der besseren Lesbarkeit keine geschlechtergerechte Sprachform. Natürlich sind mit Professoren auch Professorinnen usw. gemeint. Außerdem verwende ich im Zusammenhang mit Wissenschaftlern der Universität keine wissenschaftliche Grade. Solche sind bei den Benannten selbstverständlich. – Frau Elisabeth Altenweg danke ich sehr dafür, dass sie in der Frühphase des Projekts Dokumente gesichtet und systematisiert hat und mir dadurch den Zugang zum Thema erleichtert hat. Herr Gregor Wiescholek hat seine phänomenalen digitalen Fertigkeiten eingesetzt, um den Beitrag in die rechte Form zu bringen und meine eigene Unzulänglichkeit in diesen Dingen kompensiert. Überdies war er kritischer Leser des Beitrags und erfolgreich auf der Suche nach fehlenden Daten. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Die Datengrundlage hätte auch nicht ohne die Hilfe der Universitätsverwaltung geschaffen werden können, die die gewiss oft nervigen Fragen immer mit entgegenkommender Geduld und Freundlichkeit behandelt hat. 2 BVerfGE 33, S. 303, S. 306f. 3 Ebd., S. 306.
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Pädagogischen Hochschulen,4 die Grenze zu zwei Millionen wurde 2004 überschritten, aktuell (Wintersemester 2015/16) sind 2,76 Millionen Studierende eingeschrieben.5 Dem Größenwachstum der Studierendenzahl folgt kein entsprechendes Wachstum der Finanzierung der Hochschulen. Von 1995 bis 2014 betrug das Größenwachstum an Studierenden etwa 69 Prozent. Die Grundmittelfinanzierung der Hochschulen betrug 1995 rund 16 Milliarden, 2014 waren es 28,6 Milliarden;6 sie hat nur um etwa 57 Prozent zugenommen, ist demnach hinter dem Mengenwachstum der Studierenden zurückgeblieben. Hochschulen müssen also insbesondere ihre Lehraufgaben gegenüber einer wachsenden Zahl mit relativ dazu schrumpfenden Mitteln bei gleichzeitig erheblich gesteigertem administrativem Aufwand (Bologna-Prozess, Drittmitteleinwerbung) bewältigen. Die Lage war und ist zwischen den Ländern, die für die Finanzierung der Grundausstattung nach der im Berichtszeitraum bis 2016 geltenden Verfassungsrechtslage allein zuständig waren (weil dem Bund mit Art 91b a. F. nur die Finanzierung wissenschaftlicher Projekte möglich war, nicht aber eine institutionelle Förderung der Hochschulen), unterschiedlich; finanzkraftschwächere Länder wie Nordrhein-Westfalen bewegen sich bei den Durchschnittsbetrachtungen naturgemäß unterhalb der Null-Linie.
Veränderungen des Studienbetriebs Die Erwartung an das hochschulisch zu erbringende Leistungspaket bleibt allerdings trotz des Finanzierungsdefizits normativ unverändert. Die Aufgabennormen für die Universitäten und Technischen Hochschulen gehen immer noch davon aus, dass sie ihre Studierenden durch Wissenschaft ausbilden; zur Wissenschaft bilden sie selbstverständlich auch aus, aber nur in dem zahlenmäßig relativ schmalen postgradualen Bereich. Das deutsche Modell der Universität hatte zwar im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine erhebliche Sogkraft entfaltet, hat sich aber mit seinem System der Abschlüsse und der relativ großen Studierfreiheit für die Studierenden nicht gemeineuropäisch etabliert. Die Anschlussfähigkeit der Studiengänge war in Europa so wenig wechselseitig gewährleistet wie die Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Für eine Europäische Union, die sich dem Ziel einer »immer engeren Union der Völker Europas«7 verschrieben hat, wäre es 4 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, Deutschland in Zahlen, 2017, S. 113, Tab. 10.14. 5 Quelle: HRK, Statistische Daten zu Studienangeboten an Hochschulen in Deutschland, Statistiken zur Hochschulpolitik 1/2015, S. 22. 6 Quelle: Deutschland in Zahlen, S. 117, Tab. 10.20. 7 So die Präambel zum Vertrag über die Europäische Union.
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folglich nachvollziehbar, wenn diese auf eine gewisse Homogenisierung der Hochschulbildung drängen würde. Dafür sprach und spricht auch, dass die Vergleichbarkeit der Abschlüsse akademischer Ausbildung die berufliche Freizügigkeit in der Union fördert. Auf der anderen Seite gehört die Gestaltung der Bildungsinhalte und Bildungsanforderungen zum nationalstaatlichen Tafelsilber, das sich einer unionalen Vergemeinschaftung entzieht. Die Union darf seit dem Vertrag von Maastricht8 fördernd Geld in die Hand nehmen – auch für die hochschulische Bildung, wie ERASMUS und SOKRATES et cetera zeigen. Solche Fördermaßnahmen – und das ist eine Konstante von Maastricht über Nizza bis Lissabon – sind nur zulässig »unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten«.9 Zwar kennt die Europäische Union mittlerweile umfassende Vorschriften für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen,10 im Übrigen sind ihr aber für die Homogenisierung des Hochschulraumes die Hände gebunden, so dass der Weg zu einer gewissen Gleichrichtung außerhalb des Unionsrechts zu suchen war. Die Bologna-Deklaration der Europäischen Bildungsminister vom 19. Juni 1999 verfolgte als exekutive Absichtserklärung folgende Ziele: – vergleichbare und transparent Abschlüsse mit erläuternden Diploma Supplements in ganz Europa (über den Kreis der EU-Mitglieder hinaus), – ein gestuftes Studiensystem mit einer »arbeitsmarktrelevanten Qualifizierung« nach nicht weniger als sechs Semestern, – die Einführung eines einheitlichen Leistungspunktesystems, – die Förderung der Mobilität der Studierenden und des Lehrpersonals. Der sogenannte Bologna-Prozess mit der Einführung der Bachelor-/Masterstruktur ist, wie auch in den anderen Unterzeichner-Staaten, in Deutschland – durch die Kultusministerkonferenz in Verbindung mit der Hochschulrektorenkonferenz – auf die Agenda der Landeshochschulgesetzgeber gesetzt worden, so dass die Bologna-Deklaration in geltendes Recht überführt worden ist.11
Größenwachstum der Universität Bonn Wenn man einen Blick auf die quantitativen Eckdaten der Universität Bonn wirft, erstaunt angesichts der geschilderten Gesamtentwicklung im Hochschulsektor, 8 Unterzeichnet am 7. Februar 1992, damals Art. 126 und 127 EUV. 9 Art. 165 AEUV in Wortlautkontinuität zu den Vorgängervorschriften. 10 RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen. 11 Siehe dazu z. B. Busch/Unger (Hgg.), Rechtsfragen; Jung/Meyer (Hgg.), Bologna.
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dass 2015 weniger Studenten eingeschrieben waren als in der Periode 1990 bis 2002. Haupthörer 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
0
Grafik 1
Dafür sind zwei Gründe maßgeblich. Zwischenzeitlich (2002) war der Universität die Lehrerbildung »abhanden« gekommen; sie bot keine Studiengänge mehr an, die zu dem Staatsexamen für das Lehramt führten. Das hatte zu einem erheblichen Verlust an Neueinschreibungen geführt. Erst das Rektorat Winiger (2004-2009) hatte die Weichen auf einen Wiedereintritt in eine möglichst qualifizierte Lehrerbildung neu ausgerichtet; unter dem Rektorat Fohrmann (2009-2015) sind neue Lehrerbildungsstudiengänge eingerichtet worden. Der zweite und wesentlichere Grund für die Verminderung der Einschreibungen lag darin, dass die Universität Bonn dem Bologna-Prozess trotz der erkennbaren Vorteile für die Internationalisierung der Studiengänge wegen deren exzessiver Normierung und dem damit verbundenen internen Aufwand und der damit verbundenen Detailüberprüfung der Studiengänge und -module durch Akkreditierungsagenturen kritisch gegenüberstand. Das führte dazu, dass die Studiengänge in Bonn spätest möglich – nach der Gesetzeslage (§ 60 Abs. 5 HG NRW; Wintersemester 2007/08) – umgestellt wurden, während andere Universitäten sehr viel früher neue Studiengänge eingerichtet hatten, was viele Studierende als Vorzug gesehen hatten. Erst 2012 wurde die Zahl von 30.000 wieder überschritten. Hinzu kam noch, dass die Einschreibungsstatistik zwischenzeitlich durch die Einführung von Langzeitstudiengebühren um bloß eingeschriebene Nicht-Studierende entlastet worden war. In der Zeit der Umstellung auf das Modell konsekutiver Abschlüsse ist die Universität Bonn wegen ihrer Entscheidung für einen späten Modellwechsel zeitweilig unterausgelastet gewesen (im
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Wintersemester 2005/06 betrug die Auslastungsquote 83,77 Prozent), nach der Umstellung ist die Auslastungsquote seit dem Wintersemester 2013/14 geringfügig höher als 100 Prozent. Diese Feststellungen sind für die Universität von unmittelbarer ökonomischer Relevanz, weil der Auslastungsgrad einer der Parameter in der leistungsorientierten Mittelverteilung (LOM) des Landes ist. Der Blick auf die Entwicklung der Zahl der Professuren zeigt sehr deutlich, dass sich die Betreuungsrelation zwischen Hochschullehrern und Studierenden kaum verbessert hat. 1990 bis 1994 und 2014 ist die Zahl der Eingeschriebenen etwa gleich hoch. 1990 bis 1994 standen diesen Eingeschriebenen (ohne die Medizinische Fakultät) 450 Professoren gegenüber, 2014 waren es 448,12 wobei sich die reale Lehrbelastung durch die Einführung der BA/MA-Struktur seit 2008 deutlich erhöht hat; in der Lehrverpflichtungsverordnung drückte (und drückt) sich dies indes nicht aus. Professoren (inkl. Lehrstuhlvertreter) 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0
Grafik 2
Auch in der Medizin ist die Zahl der Professuren etwa gleichgeblieben (zwischen 110 und 114). Das Haushaltsvolumen der Universität steigt von Jahr zu Jahr. Wenn man allerdings den Haushaltszuschuss für die Universität um die Drittmittel kürzt, die nicht das Land aufbringt, die die Universität vielmehr in wettbewerblichen Verfahren einwirbt, und den Landeszuschuss für die Medizin herausrechnet, steigt das Haushaltsvolumen von 2005 (261.413 Millionen) bis 2014 (413.088 Millionen) an, also binnen neun Jahren um 51.675 Millionen, was aber nur einer durchschnittlichen Zuwachsrate von 2,18 Prozent entspricht. Hinge-
12 Universität Bonn, Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2014, 2015, S. 69.
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gen hat die Bedeutung der Drittmittel erheblich zugenommen. 2005 trugen sie zum Haushaltsvolumen rund 49 Millionen Euro bei, 2014 schon 110,5 Millionen Euro. Das Drittmittelaufkommen wurde also binnen einer knappen Dekade – in einem allerdings unstetigen Wachstum – mehr als verdoppelt. Das belegt die wachsende Bedeutung der Drittmittel insbesondere für die medizinische und lebenswissenschaftliche wie auch die naturwissenschaftliche Forschung. Aus der staatlichen Grundfinanzierung könnten die Universitäten und Technischen Hochschulen eine international konkurrenzfähige Forschung nicht mehr ermöglichen. In Abhängigkeit vom Drittmittelerfolg ist auch der Sektor des wissenschaftlichen Personals jenseits der Professur bedeutend gewachsen.13 Drittmittelpersonal 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
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Grafik 3
Veränderungen der universitären Strukturen im Lichte staatlicher Steuerung Universitas semper reformanda In der Nachkriegszeit sind die Grundlinien des Verständnisses der Hochschule als Institution bis zum Ende des Jahrhunderts einigermaßen konstant geblieben, während die organisatorischen Grundlagen seit Anfang der 1970er Jahre häufig geändert worden sind. Mit der oben genannten Europäisierung des Studiums und manchen organisationsrechtlichen Veränderungen sind allerdings auch die 13 Die Zahlen beziehen sich auf Vollzeitäquivalente; tatsächlich werden diese Stellen naturgemäß befristet und häufig auch geteilt vergeben.
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Langzeitkonstanten des Verständnisses dessen, was die Universitäten ausmacht, unschärfer geworden.14 Zu den Konstanten gehört: Forschung und Lehre sind gesetzlich der Universität übertragene Aufgaben. Die Bereitstellung von Studienplätzen als Voraussetzung für Studienabschlüsse, die Zugang zu den akademischen Berufen verschaffen, ist auch im 21. Jahrhundert immer noch im Schwerpunkt steuerfinanzierte Staatsaufgabe in staatlichen Einrichtungen. Die Universitäten und Technischen Hochschulen bilden das Personal für die Berufe mit akademischem Abschluss als Zugangsvoraussetzung, wie schon bemerkt, auch in Zeiten der Bologna-Strukturen durch Wissenschaft aus; sie bilden auch den wissenschaftlichen Nachwuchs für das eigene System und für den großen Sektor der außeruniversitären Forschung in Industrie und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zur Wissenschaft aus. Ebenso bleibt es Aufgabe der Universitäten und Technischen Hochschulen durch Forschung einen zentralen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt zu leisten. Auch Hochschulforschung ist ganz wesentlich auf eine Finanzierung durch Steuern angewiesen. Im Grundsatz sind beide Aufgaben nach wie vor von der verklammernden Einsicht getragen, dass die Einheit von Forschung und Lehre gewahrt sein muss, weil die Einheit Erfolgsbedingung für gut ausgebildete Berufsinhaber in akademischen Professionen und für eine hohe Forschungsleistung ist. Jenseits dieses einigermaßen stabilen Konsenses ist die Universität als Institution seit den frühen 1970er Jahren permanent Gegenstand politischer in Organisationsrechtsnormen gegossener gesetzgeberischer Intervention geworden oder von Interventionen mit dem »goldenen Zügel« programmgebundenen Geldes. Die politischen Erwartungen an die Hochschulen gehen nämlich über die genannten konsentierten Annahmen hinaus, weil die Universitäten, wie alle Institutionen, in gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse eingebunden sind. Stichworte sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit: »Öffnung« des Zugangs zu den Hochschulen im Interesse größerer sozialer Durchlässigkeit, Familienfreundlichkeit des Studien- und Wissenschaftsbetriebes, Diversity als Programm, Genderorientierung, Förderung nur der gesellschaftlich nützlichen Forschung, Friedensklauseln et cetera. Überdies werden Universitäten, auch dieses Schicksal teilen sie mit den meisten Institutionen, wenn nicht gerade über ihre Forschungserfolge berichtet wird, häufig negativ-kritisch wahrgenommen. Es sei nur an das Diktum von Dieter Simon, damals Vorsitzender des Wissenschaftsrates, erinnert, das Peter Glotz als kritische Anfrage an das System unter der Überschrift »Im Kern verrottet«,15 gerichtet hatte. Es seien deshalb für das 14 Siehe dazu zuletzt Jürgen Mittelstraß, Die Universität zwischen Weisheit und Management, in: FAZ vom 31. 08. 2016, S. N4. 15 Glotz, Universitäten. Die Funktionsunfähigkeit der Gruppenuniversität ist ihr im Übrigen
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Licht auf die jüngste Geschichte bis zur Gegenwart die Meilensteine der rechtlichen Transformation benannt,16 die zu dem gekennzeichneten Eintrittsbefund der 1990er Jahre geführt hatten, an den die Hochschulgesetzgeber dann vielfältige Reformbestrebungen organisationsrechtlicher Art angeknüpft haben. Die Universitäten hatten sich nach dem Krieg – trotz vielfältiger Reformansätze – in ihrem Traditionsbild erhalten können. Träger der funktionalen Selbstverwaltung, die ihnen in Preußen – das zeigt auch für die »Rhein-Universität« deren Gründungsstatut – zugestanden war, waren allein die Professoren (unter dem seit der Weimarer Republik nicht mehr präzisen Begriff der »Ordinarienuniversität«). Der Staat, auch unter dem Grundgesetz sind es die föderalen Glieder, verzichtete auf eine hochschulgesetzliche Steuerung (von den Gründungsstatuten abgesehen). Dieses Modell blieb leidlich stabil, bis es von der studentischen Unruhe, die mit dem Jahr 1968 konnotiert ist, in Frage gestellt worden ist.17 Unter dem Stichwort der »Demokratisierung der Universität« wurde die funktionale Selbstverwaltung durchgreifend verändert: Es wurden auch die anderen Statusgruppen, also Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung an der Selbstverwaltung auf zentraler (Senat) und dezentraler (Fakultäten) Ebene beteiligt. Dieser Vorgang beruhte konstitutionell notwendig auf parlamentsgesetzlicher Grundlage. Von jetzt an stand die Universität unter dem Signum von Hochschulgesetzen.18 Das bedeutete, dass nunmehr wechselnde parlamentarische Mehrheiten ihre jeweilige Vorstellung vom Bild der Universität verwirklichen konnten, wobei die Gestaltungsfreiheit der Landesgesetzgeber solange stark eingeschränkt war, wie dem Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG zur Regelung der »allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens«19 eröffnet war ; mit dem 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes wurde mit Wirkung zum 1. September 2006 die Rahmenkompetenz gestrichen und das Hochschulorganisationsrecht damit exklusiv in die Hände der Länder zurückgegeben.
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schon als Frage in die Wiege gelegt worden: Siehe Ritter, Kontrolle, S. 69 (109). Siehe auch schon Eschenburg, Demokratisierung; hier zit. nach dem Wiederabdruck in: Ders., Praxis, S. 234 (241): »Wenn man neue Institutionen schafft oder bestehende verändert, muß man deren Organisierbarkeit, Funktionsfähigkeit und Effektivität abwägen. Im Detail steckt der Teufel.« Eine umfassende Geschichte der hochschulpolitischen Entwicklung der jüngeren Vergangenheit bis in die 1990er Jahre findet sich bei Schiedermair, Hochschulwesen, S. 37f. Zu der »Rezeption« in Bonn siehe den Beitrag von Christian Hillgruber in diesem Band. Die Verpflichtung der Länder zu eigener Hochschulgesetzgebung folgte aus dem Hochschulrahmengesetz vom 26. Januar 1976 (BGBl. I, S. 185), dort § 72 Abs. 1 HRG; bis zum 30. Januar 1979 sollten die Länder Hochschulgesetze erlassen; Nordrhein-Westfalen hat sich mit dem Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (WissHG) vom 20. November 1979 (GV. NRW S. 926) sein erstes Hochschulgesetz gegeben. Eingefügt mit Wirkung zum 15. Mai 1969.
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Die »alte« Universität hat ihre verfassungsrechtliche Vorzugsposition, solche Gesetze am Maßstab der Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich (Art. 5 Abs. 3 GG) überprüfen lassen zu können, schon im Ausgangsfall eines ersten Landeshochschulgesetzes genutzt.20 Es ging um das sogenannte Vorschaltgesetz für die Hochschulen des Landes Niedersachsen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Eintritt in die »neue« Welt der partizipativen Gremien und Entscheidungsprozesse mit die Wissenschaft schützenden Randkorrekturen gebilligt. Danach ist den Hochschullehrern in Angelegenheiten, die Forschung und Lehre betreffen, ein Vorzugsstimmrecht einzuräumen.21 Die Hochschulen waren jetzt unter dem Gesichtswinkel funktionaler Selbstverwaltung unter Heranziehung aller Betroffenen – Hochschullehrer,22 wissenschaftliche Mitarbeiter, Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung, Studierende – zu verwalten. Diese Form der Partizipation in der Gruppenuniversität erschwerte die Abstimmungsprozesse. Entsprechend dem Modus der Selbstverwaltung, der in Nordrhein-Westfalen landesverfassungsrechtlich – vorbildlich formuliert23 – garantiert ist, verblieb die Entscheidungsverantwortung wesentlich bei den Kollegialgremien (Fakultätssitzungen, Senat). Entscheidungen waren in diesem System nur gruppenübergreifend kompromissarisch zu finden bei Inhomogenität der Interessen der Akteure. Insbesondere die Vertreter der Allgemeinen Studentenausschüsse im Senat verstanden die Bühne des Senats auch als Vorfeld der Einübung gesamtpolitischer Entscheidungsprozesse. Gruppeninteressen wurden gelegentlich ohne Rücksicht auf das Gesamtinteresse der Universität geltend gemacht. Das Sondervotum der Bundesverfassungsrichter Dr. Helmut Simon und Wiltraud Rupp-von Brünneck, das von Skepsis gegenüber der Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Urteil zum Niedersächsischen Vorschaltgesetz geprägt ist, endete mit dem durchaus prophetischen Satz: »Auch könnte eine derartig weitgehende Einengung seiner Gestaltungsfreiheit den Gesetzgeber zu Auswegen in Richtung auf ein Hochschulmanagement veranlassen und damit den Anfang vom Ende der Hochschulautonomie einleiten«.24 Kurzum: Die Gruppenuniversität galt nach etwa 20 Jahren ihrer Existenz weithin als substanziell gescheitert, wie das oben zitierte Diktum von Dieter 20 BVerfGE 35, 79 – Niedersächsisches Vorschaltgesetz; dazu jetzt aus zeit(rechts)geschichtlicher Sicht: Meinel, Hochschulurteil. 21 BVerfGE 35, 79 Ls. 8 – Niedersächsisches Vorschaltgesetz. 22 Zu den Hochschulen als Erscheinungsformen funktionaler Selbstverwaltung siehe Löwer, Selbstverwaltungsrecht. 23 Art. 16 Abs. 1 LV NRW lautet: Die Universitäten und diejenigen Hochschulen, die ihnen als Stätten der Forschung und der Lehre gleichstehen, haben, unbeschadet der stattlichen Aufsicht, das Recht auf eine ihrem besonderen Charakter entsprechende Selbstverwaltung im Rahmen ihres Gesetzes und ihrer staatlich anerkannten Satzungen. 24 BVerfGE 35, 79, 170 – Niedersächsisches Vorschaltgesetz. Hervorhebung nur hier.
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Simon zeigt. Dass die Zeichen zu Beginn der 1990er Jahre auf Veränderung standen, verdeutlicht symptomatisch 1992 ein Symposium der Hochschulrektorenkonferenz unter dem Titel »Mehr Autonomie für die Hochschulen – Zur Deregulierung im Hochschulrecht des Bundes und der Länder«.25 Zu Beginn der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts kam in Ansehung dieses Befundes ein neuer Ton in die Debatte. Es war wenig vom Humboldt’schen universitären Bildungsideal die Rede, dafür behaupteten Schuldzuweisungen an die Hochschulen wegen der langen Studiendauer, die auf schlechte Lehre und schlechte Studienbedingungen zurückgeführt wurden, das Feld. Es bestand Einigkeit darin, dass der träge Tanker Universität beweglicher werden musste. Schlüsselbegriffe in diesem Prozess waren Professionalisierung, Hierarchisierung, Gewinn an Autonomie, auch an Finanzautonomie, Schwächung des Kollegialprinzips mit korrespondierender Stärkung der Universitätsleitungen (Dekane, Rektorate; Präsidien), Orientierung an der Welt der Unternehmen, Beteiligung von Wirtschaft und Gesellschaft an der Führung der Universität durch Hochschulräte. Das modische Wieselwort der Governance wurde erwartungsreich auch auf die Universitäten gerichtet; sie sollte so auf größtmögliche Effizienz getrimmt werden. Bei aller Berechtigung einer Effizienzkritik, die sich an die entwickelte Gruppenuniversität richtete, liegt in diesem Konzept aus historischer Perspektive ein Kulturbruch, weil das Kollegialprinzip, das die spezifische Erscheinungsform der Universität in Deutschland geprägt hat, als Formprinzip seiner organisatorischen Gestaltungskraft beraubt wird und eine Hierarchisierung der Entscheidungsprozesse angestrebt wurde. Unter anderem darüber wird die Retrospektive zu berichten haben: Wie ist die Universität mit diesem Aufbruch zu neuen Führungsstrukturen umgegangen?
Bundesgesetzliche Einwirkungen Konzentration der Hochschulgesetzgebung auf die Länder Mit der Föderalismusreform II war 2006 die Rahmenkompetenz des Bundes im Hochschulwesen aufgehoben worden. Das fiel dem Bund umso leichter, als er mit der Rahmenkompetenz nach der Verschärfung der Kompetenzausübungsvoraussetzungen durch die Gemeinsame Verfassungskommission 199426 so recht nichts mehr anfangen konnte, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Re25 Hochschulrektorenkonferenz, Dokumente. 26 Nach Art. 75 Abs. 2 i. d. F. 1994–2006 durften Bundesrahmenregelungen »nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten«.
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formen der Bundesministerin Edelgard Bulmahn (Juniorprofessur, Studiengebührenfreiheit, später auch die W-Besoldungsreform) kassiert hatte.27 Das Hochschullehrerbesoldungsreformgesetz 2002 Am 23. Februar 2002 trat die in Kooperation mit der Hochschulrektorenkonferenz unter ihrem Präsidenten Klaus Landfried entwickelte Professorenbesoldungsreform in Kraft, mit der die C-Besoldung in die W-Besoldung umgewandelt wurde. Im Geiste des New Public Management sollte sie in landläufiger Vorstellung »den Professoren Beine machen«. Die Grundbesoldung wurde abgesenkt, das dadurch gewonnene Finanzvolumen sollte in einem neu gestalteten kompetitiven Zulagensystem verteilt werden – für Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge, besondere Leistungsbezüge und Funktionsleistungsbezüge. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes waren – nicht zuletzt wegen der Besoldungsabsenkung – bald in der Welt,28 sie wurden auch (aber erst) 2012 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.29 Solche Verfassungszweifel helfen Behörden nichts, sie müssen das Gesetz anwenden. Die Rektorate Borchard, Winiger und Fohrmann folgten der Linie, dass die universitäre Wissenschaft immer so leistungsfähig ist, wie die Wissenschaftler herausragend sind. Deshalb wurde der besoldungsrechtliche Spielraum vor allem in Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge investiert – und nicht in besondere Leistungsbezüge, die an im Amt erbrachte oder zu erbringende Leistungen (Zielvereinbarungen) anknüpfen. Die Hochschullehrerbesoldung weist seit je erhebliche Spreizungen auf, die durch das Berufungsgeschäft bedingt sind. Die W-Besoldung verzichtete überdies auf die im Rahmen der Kultusministerkonferenz vereinbarte Sperrfrist von vier Jahren, so dass bei einzelnen Kollegen Bleibeverhandlungen in enger Taktfolge zu führen waren. Insofern überrascht es nicht, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über die WBesoldung durch das Bundesverfassungsgericht die Universität Bonn, wie es im Jargon hieß, neun »Staatssekretäre«, also Hochschullehrer mit entsprechender Vergütung, beschäftigte.
27 BVerfGE 111, 226; 112, 226; 130, 263. 28 Detmer, Universitätsprofessoren, Rn. 230. 29 BVerfGE 130, 263.
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Entwicklung der Landeshochschulgesetzgebung und -politik im Spiegel der Reaktionen der Universität Bonn Anke Brunn (1985–1998) Unter Ministerpräsident Johannes Rau war die SPD-Politikerin Anke Brunn30 von 1985 bis 1998 Wissenschaftsministerin. In Nordrhein-Westfalen galt seit dem 1. Januar 1980 das Gesetz über die Wissenschaftlichen Hochschulen. Dieses Gesetz wurde novelliert und am 3. August 1993 als Gesetz über die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen (Universitätsgesetz) neu verkündet.31 Das Gesetz enthielt zwei der damaligen Kritiklage an den Hochschulen entsprechende Reformansätze: Es ermächtigte das zuständige Fachressort dazu, quantitative Eckdaten für Studiengänge festzulegen; Studienvolumina, Studienhöchstdauer und die Zahl der Leistungsnachweise sollte durch Verordnung (Eckdatenverordnung) geregelt werden können. Kernelemente der Regelungen der Studiengänge wurden den Universitäten aus der Hand genommen. Dahinter stand unverkennbar die Diagnose (und Schuldzuweisung an die Hochschulen), die lange Studiendauer und die hohe Abbrecherquote seien auf ihr Schuldkonto zu buchen, weshalb der Staat diese Dinge jetzt selbst in seine regulatorische Hand nehmen müsse. Die chronische Unterfinanzierung der Universitäten und das autonome Studierverhalten kamen politisch als Ursachen der Misere nicht in den Blick. Der damalige Rektor Max G. Huber32 befürchtete, dass das neue Universitätsgesetz das Studium durch Reduzierung auf fachhochschulähnliche Studiengänge entwissenschaftlichen, die Einheit von Forschung und Lehre auflösen und zu einem weiteren Exodus der Forschung aus der Hochschule führen würde. Die ministeriell festgesetzten Eckdaten würden die bestehende Überlastung der Universitäten noch verschärfen. Der Wille der Hochschulen zu nötigen Reformmaßnahmen sei vorhanden, es fehle allein am Willen der Politik, die Universitäten bundesweit aufgabengerecht mit Mitteln auszustatten.33 Diese von den Universitäten in Nordrhein-Westfalen in der Breite geteilte Kritik blieb – aus der Sicht des politischen Betriebs »natürlich« – folgenlos. In einem zweiten Punkt machte sich der mehr »manageriale« Zeitgeist vorsichtig geltend: Die Amtszeiten des Rektorats und der Dekane sollten zukünftig
30 Geb. 1942, Dipl. Volkswirtin, Mitglied des Landtages 1970–2010 (mit einer Berliner Unterbrechung 1981–1985 in der sonst auf das Rheinland bezogenen politischen Karriere). 31 UG NRW, GV. NRW. 1993, 532. 32 1927–2017, Theoretischer Physiker, seit 1983 Direktor des damaligen Instituts für Theoretische Kernphysik (heute: Helmholtz-Institut für Strahlen und Kernphysik); Rektor 1992–1997. 33 Siehe: Huber, Bericht 1992/1993, S. 9 (15f.).
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Abb. 40: Max G. Huber, Physik, Rektor 1992–1996
vier Jahre dauern, die Kompetenzen der Dekane sollten überdies im Sinne einer Steuerungskompetenz vorsichtig ausgebaut werden.34 Rektor Huber hielt der sich damit andeutenden Tendenz – im Ergebnis ebenso erfolglos – zur Professionalisierung der Leitungsebenen entgegen, dass aktive und an der Forschung interessierte Professoren sich künftig nicht mehr für das Amt des Dekans zur Verfügung stellen könnten, ohne ihren »eigentlichen Beruf« entscheidend vernachlässigen zu müssen. Rektor Huber konnte für die Fakultätsleitungen auch keinen Reformbedarf erkennen.35 Die Universität und deren Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät haben sich damals aber nicht nur politisch, sondern im Verbund auch mit an34 Siehe § 27 Abs. 1 S. 7 UG, GV. NRW. 1993, 532: »Sie oder er entscheidet über den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereichs.« S. 8 bestimmte überdies: »Sie oder er wirkt unbeschadet der Aufsichtsrechte des Rektorats daraufhin, dass die Funktionsträgerinnen und Funktionsträger, die Gremien und Einrichtungen des Fachbereichs ihre Aufgaben wahrnehmen und die Mitglieder und Angehörigen des Fachbereichs ihre Pflichten erfüllen.« Solche Kompetenzen des Dekans zur Verfügung über Ressourcen des Fachbereichs und zur Beaufsichtigung auch der Kollegen gingen über die bisherige Rechtsstellung des Dekans als primus inter pares weit hinaus. 35 Huber, Bericht 1992/1993, S. 15f.
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deren nordrhein-westfälischen Universitäten und 501 Hochschullehrern im Wege der Verfassungsbeschwerde gegen die Kompetenz zum Erlass einer Eckdaten-Verordnung und gegen die monokratische Verstärkung des Amtes des Dekans gewehrt. Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind vom Bundesverfassungsgericht in einer – sagen wir : nicht besonders tiefdringenden – Entscheidung zurückgewiesen worden, weil das Gericht die Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit durch die organisatorischen Reformbestimmungen in Richtung Professionalisierung und Hierarchisierung offenbar nicht für tiefdringend gehalten hat.36 An dem Vorgang ist bemerkenswert, dass die Universität und ihre Fakultät meinten, sich juristisch gegen ihre Trägerkörperschaft und gegen den Gesetzgeber zur Wehr setzen zu können. Es ist damals nicht ins Kalkül gezogen worden, ob sie sich damit gegenüber dem Ministerium schaden würde, ob sie etwa mit unfreundlichen hintergründig durch Missfallen geprägten Haushaltsentscheidungen würde rechnen müssen. Im Korsett des titelgebundenen Haushaltes waren solche Reaktionen offenbar nicht zu befürchten, weil sie offenkundig geworden wären. Unter den heutigen Bedingungen des Globalhaushaltes und der Zielvereinbarungen sähe ein Opportunitätskalkül möglicherweise anders aus. Auch die Niederlage in Karlsruhe bewirkte nicht, dass damit die Universität Bonn insgesamt die Neuregelung zur fraglosen Praxis ihrer Selbstverwaltung gemacht hätte. In der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät wurde der Jahres-Dekan und die Berufung des Dekans durch Wahl nach Anciennität schlicht dadurch beibehalten, dass jeder Dekan nach Ablauf eines Jahres »aus – nicht spezifiziertem – wichtigem Grund« zurücktrat. Länger als zwei Jahre amtieren die Dekane dieser Fakultät auch heute nicht, weil die gesetzlich erwartete Professionalisierung durch die vierjährige Amtsdauer tatsächlich in einem Spannungsverhältnis zu den wissenschaftlichen Interessen der Betroffenen steht. Eine Novelle zum Hochschulrahmengesetz, die es den Ländern überließ, Studiengebühren einzuführen, führte in den Kreisen organisierter studentischer Politik zu der Befürchtung, deren Einführung stehe gewissermaßen vor der Tür – ein Eindruck, der vom schlechten Zustand der Anstaltsseite der Universität, auch in Bonn, Rückenwind erhielt. Der Finanzmisere könnte die Politik doch mit der Einführung von Studiengebühren begegnen. Der damalige Bundesbildungsmi36 BVerfGE 93, 85; immerhin enthielt die Entscheidung aber doch einige Mentalreservationen, die den zukünftigen Reformgesetzgebern hätte zu denken geben sollen: »Das Kollegialprinzip ist ungeachtet seiner Bedeutung für die Wahrung der Wissenschaftsfreiheit […] nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlich vorgegeben.« Eine »monokratische Organisation« ist »nicht von vorneherein mit Art. 5 Abs. 3 GG unvereinbar«. Der Hochschullehrer habe keinen Anspruch auf »unbeschränkte Teilhabe an der Leitung der Wissenschaftseinrichtung.«
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nister Dr. Jürgen Rüttgers hatte sich überdies zu dem Diktum verleiten lassen, die »klassische Humboldtuniversität sei tot«37 – und hatte sich damit zusätzlichen Unmut der Studierenden (und auch der Hochschullehrer) zugezogen. Die Republik sah sich – ausgehend von Hessen – mit einer Welle von »Bildungsstreiks« überzogen. Auch in Bonn beschlossen am 20. November 1997 in einer »Vollversammlung« 2.000 Bonner Studierende einen unbefristeten Streik. Die Zugänge zum Hauptgebäude wurden besetzt. Es wurde aber keine Totalblockade praktiziert: Professoren, Personal und Prüflinge durften passieren. Der AStA-Vorsitzende Oliver Schilling, wurde zum Rüttgers-Antipoden, die »klassische Humboldt-Universität sei noch nicht tot«.38 Die Streikenden kritisierten die Studienbedingungen insgesamt (zu große Veranstaltungen, keine Kapazitätsanpassungen an die wachsende Zahl der Studienanfänger, unzureichende Bibliotheksöffnungszeiten, schlechte Buchausstattung, Unterfinanzierung), kurz: sie beschrieben einen Bildungsnotstand. Die Streikenden zeigten sich dabei als durchaus originelle Köpfe. Unter dem Titel »Wischen für Wissen« wuschen Studierende Autoscheiben Bonner Autos, um auf das Schicksal der Absolventen aufmerksam zu machen, die nach dem Studium unter den obwaltenden Bedingungen und nach angedachten Reformen nur noch als Taxifahrer oder Autowäscher würden arbeiten können.39 Da Bonn damals noch Hauptstadt war, war die Stadt auch Protesthauptstadt, so dass auch Ministerin Brunn den Dialog mit den Studierenden in der Aula der Universität suchte. Sie bezeichnete Studiengebühren als »Provokation für alle, die ihre Kinder studieren lassen wollen«.40 Rektor Borchard nahm die Gelegenheit des Festaktes »80 Jahre Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität« zum Anlass, seine Sicht auf den Streik darzulegen. Er zeigte für die Motive der Studierenden durchaus Verständnis, die beklagten Defizite träfen im Übrigen auch die Professoren und Dozenten. Den Streik als Mittel der Zieldurchsetzung lehnte er hingegen ab. Zur Versachlichung der Diskussion kündigte er eine Veranstaltung in der Aula für den 24. November 1997 an.41 Der Protest manifestierte sich zuletzt in einer Demonstration von
37 In der Tat hatte Rüttgers als Bundesbildungsminister die Sorbonne-Erklärung, die die Wendung zu den konsekutiven Studiengängen vorbereitet hatte, unterschrieben, was vielleicht zu dem Diktum vom Tod der Humboldt’schen Universität passt. 2014 hat die Universität Bonn ihn zu ihrem Honorarprofessor ernannt. Zu Rüttgers siehe die Biographie des Bonner Politologen Kronenberg, Rüttgers. 38 An der Bonner Uni wird gestreikt, in: Bonner Rundschau v. 21. November 1997. 39 Bonner Studenten treten in einen unbefristeten Streik, in: Rhein-Sieg-Express vom 27. November 1997. 40 Bund gibt Forderungen der Studenten nach, Streiks an Hochschulen weiten sich aus, in: Bonner General-Anzeiger vom 26. 11. 1997. 41 Siehe dazu Renate Mreschar : »Wir machen einen konstruktiven Streik«, Bonner Studenten
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40.000 Studierenden mit einer Menschenkette bis zum Bundesbildungsministerium,42 so dass der Bund, offenbar um »Druck aus dem Kessel zu nehmen«, anbot, 40 Millionen DM für die Verbesserung insbesondere der Bibliotheksetats zu leisten – unter der Bedingung, dass die Länder sich mit einem gleichen Betrag an der Etataufstockung beteiligten.43 In der letzten Amtsperiode der Ministerin Anke Brunn wurde ein neues Hochschulgesetz partizipativ vorbereitet, das heißt an den Hochschulen des Landes sollten die Gruppen der Gruppenuniversität gemeinschaftlich informell vorgegebene Themen in Anwesenheit von Vertretern des Ministeriums erarbeiten. Der Universität Bonn war das Thema der Gruppenpartizipation, insbesondere das Thema »Paritäten« zugewiesen. Die Erörterungen fanden im Senatssaal statt. Da das Verhältnis in den Kollegialorganen der Universität Bonn schon lange unideologisch entspannt war, wollte sich im Laufe des Vormittags keine Gruppe so recht für veränderte Paritäten stark machen. Das wiederum missfiel dem Referenten des Ministeriums, der den Leiter der Hochschulabteilung begleitete und der deshalb seinen Eindruck vom Verlauf der Veranstaltung dahingehend zusammenfasste, »das laufe doch Sch… hier.« Daraufhin baten die Herren Ministerialbeamten die Vertreter der Studierenden zum Mittagessen an ihren Tisch. Am Nachmittag wurde dann auch der Ruf nach der Viertelparität vorsichtig hörbar.44 Aus dem Projekt einer dem damaligen Zeitgeist so gar nicht entsprechenden Reform in Richtung eines verstärkten Gruppeneinflusses ist denn auch damals nichts mehr geworden, was das Thema aber nicht hat dauerhaft verschwinden lassen. Gabriele Behler (1998–2002) Die Schul- und Bildungspolitikerin Gabriele Behler45 musste die Aufgaben der Schulpolitik und der Wissenschaftspolitik gleichzeitig schultern, wobei ihre Präferenz mehr dem Thema Schule und Bildung galt als Wissenschaft und Forschung, wie damalige Beobachter meinten konstatieren zu können. Die Finanzsituation des Landes Nordrhein-Westfalen ist schon über sehr lange Zeiträume durch eine steigende Neuverschuldung charakterisiert. Nord-
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protestieren gegen Mißstände an der Uni und das neue Hochschulrahmengesetz, in: Bonner General-Anzeiger vom 21. November 1997. 40.000 Studenten protestieren in Bonn, Großdemonstration gegen die Hochschulmisere – Mehrzahl der Länder für Bibliotheken-Hilfe, in: Bonner General-Anzeiger vom 28. November 1997. Bund gibt Forderungen der Studenten nach, Streiks an Hochschulen weiten sich aus, in: Bonner General-Anzeiger vom 26. November 1997. Quelle: Ohrenzeugenschaft des Verfassers dieses Beitrages. Geb. 1951, aus dem westfälischen Landesteil, Mitglied im letzten Kabinett Rau und Schulund Wissenschaftsministerin in den Kabinetten Clement I und II 1989–2002.
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rhein-Westfalen gleicht seinen Haushalt seit langem überproportional hoch durch Kreditaufnahme aus. Die Staatsverschuldung war auch gesamtstaatlich seit der Finanzverfassungsreform 1969, die die Kreditaufnahme (und eigentlich auch der Kredittilgung) als Modus der Konjunktursteuerung etabliert hatte, permanent gestiegen; sie hatte durch die Wiedervereinigung weiter deutlich zugenommen, so dass sie zunehmend kritisch wahrgenommen wurde.46 Überdies limitierte das Recht der Europäischen Gemeinschaft auch schon um die Jahrtausendwende die Neuverschuldung mit der Drei-Prozent-BIP-Grenze.47 Deshalb stellte die Landesregierung unter Ministerpräsident Clement die Zeichen In Richtung einer »Konsolidierung« des Staatshaushaltes, was in die Alltagssprache übersetzt »Sparhaushalt« bedeutete. Auch das an sich unterfinanzierte Hochschulsystem sollte sich durch Minderausgaben im Personalbereich an den Sparmaßnahmen beteiligen. Schon davor waren die Mittel des kameralen Haushaltes für eine langfristige Sparquote eingesetzt worden, indem in NRW im Hochschulbereich über 1.400 Personalstellen mit einem »kw(künftig wegfallend)-Vermerk« versehen worden waren. Daran anknüpfend und die Lage verschärfend, aber auch »strategische Ziele« über den goldenen Zügel konditionierter Transferleistungen verfolgend, schlossen die Landesregierung (Ministerpräsident Clement und die Ressortministerin Behler) mit den nordrheinwestfälischen Universitäten den sogenannten »Qualitätspakt«. Der Pakt verpflichtete dazu, bis zum 31. Dezember 2009 insgesamt 2.000 Stellen einzusparen. Bonn war davon mit einer Quote von 158 Personalstellen betroffen. Begleitet war die Sparverpflichtung von dem Versprechen, die Hälfte des Sparerfolges monetär in einen Innovationsfonds (geplantes Volumen: 100 Millionen Euro) einzuzahlen, dessen Verwendung von einem Expertenrat unter dem Vorsitz des Münsteraner Staatsrechtslehrers, Rektors und langjährigen Vorsitzenden der Hochschulrektorenkonferenz Hans-Uwe Erichsen administriert werden sollte. Das Ziel des Paktes sollte die Sicherung der Qualität und der Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Hochschulen für das nächste Jahrzehnt sein. Deshalb sollte der Expertenrat die Stellenkürzungspläne der Hochschulen begutachten. Als Gegenleistung versprach das Land den Universitäten die Festschreibung der Personal- und Sachmittel auf dem Stand von 1999 und »garantiert« den Hochschulen »Autonomie, eine gesicherte finanzielle Grundlage und Planungssicherheit«.48 Das Rektorat um den Rektor Klaus Borchard, der Max G. Huber 1997 im Amt gefolgt war, verband mit dem Qualitätspakt vom 18. Oktober 2000,49 der im 46 Siehe etwa die Hinweise bei Heun, Art. 115, Rn. 3–5. 47 Heun, Art. 115, R. 6f. 48 Siehe zu den Grundlagen: Institut für Hochschulforschung: www.hof.uni-halle.de/steue rung/zv/nrw.html, (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2017). 49 Siehe zum Folgenden Borchard, Bericht 1999/2000, S. 9f.
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System alsbald als »Qual-Pakt« firmierte, die Chance, überholte Strukturen aufzubrechen, Innovationen und Leistungsträger besser fördern zu können und das Profil der Universität weiter schärfen zu können. Von der Politik wurde ein »Mehr an Autonomie und Eigenverantwortung« gefordert, was im Umkehrschluss ein Weniger an aufsichtlicher ministerieller Steuerung bedeutet hätte. Allerdings war das Verhältnis der Universitäten zum Expertenrat, der Herr der Mittelauskehrung aus dem Innovationsfonds war, offenbar nicht spannungsfrei. Das Ministerium ging deshalb schon mit Erlass vom 25. September 2000 in einigen Fällen zur Durchsetzung des Sparerfolges zur ministeriellen Stellenbewirtschaftung in bestimmten Fächern zurück, was wiederum Rektor Borchard für im Interesse des Studienbetriebs notwendige Stellenbesetzungen in den betroffenen Fächern (Chemie und die beiden Theologien) besorgt machte. Er zitierte den damaligen Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog mit einem Satz aus dessen heute so rubrizierten »Berliner Ruck-Rede«:50 »Wir dürfen es den Finanzministern nicht erlauben, die Diskussion über die Zukunft unseres Bildungssystems mit dem Rotstift zu führen!« Das Rektorat hat die Sparlasten dann an die Fakultäten quotal weitergereicht, die jene Stellen namhaft gemacht haben, die beim wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Personal zukünftig eingespart werden würden. Schon 2003 drohte eine neue Kürzungsauflage – gegen die Zusage des Qualitätspaktes –, weil das Land die Arbeitszeit der Beamten von 38,5 Stunden auf 41 Wochenstunden gesetzlich erhöht hatte, was sich als Einsparlast von weiteren 900 Beamtenstellen im Universitätsbereich niederschlagen sollte. Rektor Borchard stellte dazu einigermaßen lakonisch fest, er kenne keinen Professor, der nur 38,5 Wochenstunden arbeite. Wer 60 Stunden arbeite, schaue einigermaßen verständnislos bei der Mitteilung, seine Arbeitszeit betrage nunmehr 41 Stunden. Hielten sich Hochschullehrer an die gesetzliche Arbeitszeit, wäre der Universitätsbetrieb längst zusammengebrochen.51 Der Protest der Rektoren reichte auch diesmal nicht, um die Landesregierung zum Einlenken zu bringen, so dass die Universität eine zusätzliche Sparauflage in der Größenordnung von 20 Stellen erfüllen musste. Als verlässlicher Vertragspartner hatte sich der Staat also nicht erwiesen. Um die Jahrtausendwende war die Hinwendung zu einer stärker managerialen Führung der Universität parteiübergreifend allfällig geworden. Deshalb erhielt auch Nordrhein-Westfalen ein neues Hochschulgesetz,52 das aber nicht 50 Berliner Rede 1997, Aufbruch ins 21. Jahrhundert, Bundespräsident Herzog, 26. April 1997, Hotel Adlon, Berlin: www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Roman-Herzog/Re den/1997/04/19970426_Rede.html (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2017). 51 Borchard, Bericht 2002/2003, S. 9, 14f. 52 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG vom 14. März 2000 [GV. NRW S.190]).
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jeden zeitgenössisch gehandelten Vorschlag (Reduzierung der Staatsaufsicht zu Gunsten einer Mitsteuerung und Kontrolle durch einen Hochschulrat) aufgriff.53 Neu waren: – Die Hochschulen erhalten ihre Mittel in Form eines Landeszuschusses zur eigenen Bewirtschaftung (»Globalhaushalt«). Die Zuweisung der Haushaltsmittel soll sich nach den Leistungen in Forschung, Lehre, Nachwuchsförderung und Gleichstellung richten (§ 5 HG). – Studiengebühren zu erheben wird gesetzlich ausdrücklich verboten (§ 10 HG) – Die Gruppenuniversität wird beibehalten. Die Stimmverteilung im Senat überlässt das Gesetz ein Stück weit der Grundordnung der Universität. Sie darf es viertelparitätisch ordnen, muss es aber nicht (§ 13 i. V. m. 3 22 Abs. 2 HG). – Die Stellung des Rektorats wird deutlich gestärkt, die des Senats spiegelbildlich geschwächt. Das Rektorat (der Rektor mit seinen Prorektoren, deren Zahl sich nach der Grundordnung richtet, sowie der Kanzler) ist für alles zuständig, soweit keine Zuständigkeit eines anderen Organs begründet ist. Das heißt, die Fülle der Entscheidungsgewalt liegt nicht mehr beim Senat, sondern beim Rektorat. (§ 20 Abs.1 HG). Der Senat ist nur noch Rechtsetzungsorgan und Wahlorgan für den Rektor, am Abschluss der Zielvereinbarung wirkt er beratend mit. Das Rektorat beaufsichtigt auch die anderen Universitätsgremien und Funktionsträger (§ 20 Abs.2 und 3 HG). – Statt einer Rektoratsverfassung kann die Grundordnung sich auch für eine Präsidialverfassung entscheiden. Der Rektor wird im Kreis der an der Hochschule tätigen Professoren gesucht und für vier Jahre gewählt, der Präsident kann auch für acht Jahre »von außen« kommen. – Rektoren oder Präsidenten können ihr Amt nur durch eine Abwahl mit qualifizierter Mehrheit verlieren, wenn zugleich ein neuer Rektor gewählt wird. – Als neues Gremium wird ein Kuratorium eingeführt, das allerdings bloß beratende Funktion hat. Dem Kuratorium sollen Persönlichkeiten aus der Berufspraxis und öffentlichen Leben angehören (§ 24 HG). – Die Rechts- und Fachaufsicht bleibt unverkürzt – unbeschadet der Rektoratsaufsichtsfunktion – beim Land NRW. – Die Steuerungsmöglichkeiten des Landes werden durch das Mittel der Zielvereinbarung intensiviert. Staat und Universität können wechselseitige Ziele und Leistungen vereinbaren. – Das Recht der Hochschulmedizin wird durch die Zuweisung der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts an das Universitätsklinikum geändert. 53 Siehe dazu Lieb (damals zuständiger Staatssekretär)/Goebel (damals im Ministerium mit den Gesetzgebungsarbeiten befasst), Autonomie, S. 205f.
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Das nordrhein-westfälische Modell trennt also Medizinische Fakultät und Klinikum und verpflichtet sie zugleich zur Kooperation (Kooperationsmodell statt Integrationsmodell) Naturgemäß begrüßte die Universität die Grundentscheidung für eine globale Gewährung der Haushaltsmittel, weil damit die Deckungsfähigkeit der Haushaltsmittel für alle Ausgaben ohne die Engführung über Haushaltstitel gegeben war. Es zeigte sich alsbald in dieser Haushaltsführung, dass damit Sparpotentiale gehoben werden konnten, die auch vom Haushaltsgesetzgeber als Überschüsse am Jahresende nicht wieder kassiert wurden. Es kam also nicht mehr zu dem unsinnigen »Dezemberfieber«, das bei der titelgebundenen Haushaltswirtschaft dazu führte, dass alle Haushaltsreste im Dezember noch eilig verausgabt wurden, damit sie nicht an das Land zurückgegeben werden mussten mit der ferneren möglichen Folge, dass der Staatszuschuss im Folgejahr um diesen Sparbeitrag möglicher Weise gekürzt werden würde, weil die Universität ihn offenbar nicht brauche. Die Fakultäten begannen rasch, das Instrument des Globalhaushaltes zu nutzen, um – wie es geläufige Sprechweise war – »Mittel zu schöpfen«, indem freiwerdende Stellen nicht so rasch wie möglich besetzt wurden, sondern mit einem gewissen Zeitverzug, um die Mittel auf den etatmäßig durchfinanzierten Stellen für Zwecke der Verbesserung der Studienbedingungen nutzen zu können. Insgesamt erwies sich der Globalhaushalt als der vielleicht gewichtigste Schritt zur größeren Autonomie der Hochschulen. Die fundamentalen Veränderungen in der Selbstverwaltungsstruktur der Universität adaptierte die nach dem Gesetzeserlass neu zu gestaltende Universitätsverfassung nur im Unvermeidlichen, weil sie als universitäre Satzung den Vorrang des parlamentsbeschlossenen Hochschulgesetzes zu achten hatte.54 Die etwaige Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, die zu behaupten durchaus nicht fernliegend war,55 konnte für die Satzungsarbeit keine Rolle spielen, weil die gesetzesgebundene Behörde vorrangiges Recht zwar auf seine Gültigkeit prüfen darf; sie muss aber auch für verfassungswidrig gehaltenes Recht anwenden. Als durchaus charakteristisch für den Geist und das Selbstverständnis der Universität erschien die Entscheidung für eine Vollverfassung, also eine aus sich heraus vollziehbare Gesamtordnung, die den Blick in das Hochschulgesetz an 54 Verfassung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität vom 11. April 2002, Amtl. Bek., 32 Jh. Nr. 7, vom 17. April 2002. 55 Siehe »zeitgenössisch«: Löwer, Starke Männer, S. 24f.; mit Ergebnissen, wie sie heute der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts in seiner jüngsten Leitentscheidung zur Wissenschaftsfreiheit BVerfGE 136, 338 – Medizinische Hochschule Hannover entsprechen; nach den jetzt entwickelten Maßstäben wäre das Hochschulgesetz 2000 einigermaßen evident verfassungswidrig gewesen. Aber der Konsens über die Reformnotwendigkeiten war so groß, dass solche Einwände politisch kein Gewicht hatten.
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sich entbehrlich macht. Spätere Gesetzgeber sollten diese Form der Selbstverfassung nicht mehr tolerieren und nur noch solche Eigennormen akzeptieren, die Regelungsaufträge aus dem Hochschulgesetz erfüllen.56 Eine solche Vollverfassung erlaubte es, etwas vom Selbstverständnis der Bonner Universität in das Normenwerk einzupflanzen, wenn es etwa in 16 Abs. 2 der Universitätsverfassung 2002 bei den Aufgaben des Rektors heißt: Der Rektor sorgt im Zusammenwirken mit dem Rektorat, dem Senat und den Fakultäten dafür, daß die inneren und äußeren Voraussetzungen für Forschung Lehre und Studium in einer Weise gesichert und enzwickelt werden, die den Aufgaben, der Tradition und der Würde der Universität entspricht.« (§ 16 Abs. 2 S.1 Universitätsverfassung 2002).
Dort, wo die Weichen des Gesetzes optionale Professionalisierungsmechanismen eröffneten, aber auch herkömmliche Strukturen beibehalten werden durften, entschied die Universitätsverfassung sich für die konservative Variante. So kam für die vorbereitende Kommission und den Senat von vorneherein nicht in Betracht, die Option für eine Präsidialverfassung zu nutzen. Der Rektor sollte auch in Zukunft unter den Hochschullehrern der Universität gefunden werden. Die Kontrolle des Rektorats durch den in seinen Zuständigkeiten depossedierten Senat wurde in der Universitätsverfassung geschärft. Das Gesetz erwähnt nur, das Rektorat sei dem Senat auskunftspflichtig und hinsichtlich der Beschlüsse des Senats rechenschaftspflichtig (§ 20 Abs. 1 S. 8 HG 2002). Die Universitätsverfassung wird deutlicher zur Kontrolle: »Der Senat kontrolliert die Amtsführung des Rektorats. Das Rektorat ist dem Senat auskunftspflichtig, insbesondere über die Durchführung der Beschlüsse des Senates, über die Durchführung der Evaluation gemäß § 6 HG und die Zielvereinbarungen gemäß § 9 HG. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf die Tätigkeit in Gremien, denen der Rektor kraft seines Amtes angehört, insbesondere in der Landesrektorenkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz. Der Rektor informiert den Senat insbesondere auch rechtzeitig über anstehende wichtige Entscheidungen in diesem Gremium.« (§ 25 Abs. 4 Universitätsverfassung 2002)
Für die Zusammensetzung des Senats nahm die Universitätsverfassung den Ball des Gesetzes, die Viertelparität einzuführen, nicht auf. Der Senat wurde in §26 Universitätsverfassung mit zwölf Vertretern der Gruppe Professoren, vier Vertretern der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter, drei Vertretern der Gruppe aus Mitarbeitern aus Technik und Verwaltung und vier Vertretern der Gruppe der Studierenden besetzt. Den zwölf Professorenvertretern standen elf Vertreter der anderen Gruppen gegenüber, so dass die Hochschullehrer im Senat 56 S. § 2 Abs. 4 HG 2014: »Die Hochschulen erlassen die […] erforderlichen Ordnungen sowie nach Maßgabe dieses Gesetzes und ausschließlich zur Regelung der dort bestimmten Fälle ihre Grundordnung«.
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stets eine rechnerische Stimmrechtsmehrheit hatten, wenn sie einheitlich abstimmen. Das durch die Entscheidung zum Niedersächsischen Vorschaltgesetz aufgeworfenen Problem, dass die Hochschullehrer in Wissenschaftsangelegenheiten die Mehrheit haben mussten,57 wurde für die Praxis entschärft: Ob etwas wissenschaftlich relevant ist – häufig in Universitäten ein hochstreitig diskutiertes Problem –, brauchte nicht diskutiert zu werden, weil die Hochschullehrermehrheit jedenfalls gegeben ist. Die Neuordnung der Universitätsmedizin58 hat das Rektorat im Grundsätzlichen begrüßt.59 Es war so optimistisch anzunehmen, damit werde eine auch finanzielle Trennung von Forschung und Lehre auf der einen und der Krankenversorgung auf der anderen Seite bewirkt, die auch zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen könne.60 Der Rektor hatte aber auch in diesem Zusammenhang wieder zu betonen, dass die Finanzausstattung des Klinikums »besorgniserregend« sei. Die Einsparungen von circa zehn Prozent in den Jahren 1996 bis 2000 führten zu ernsten internen Verteilungskämpfen. Letztlich begünstigte die Unterfinanzierung der Krankenversorgung deren unzulässige Quersubventionierung durch Forschungsmittel, weil das Patientenwohl ärztlich im Abwägungskonflikt mit anderen Rechtsgütern der Höchstwert ist. Das Kuratorium erwies sich als wenig effektives Gremium, wenn man das Urteil auf die Effizienz einer (Mit-)Steuerung bezieht. Da es nur beratende Funktion hatte, waren die Sitzungen so gestaltet, dass die Universität sich dem Kuratorium mit Forschungsschwerpunkten präsentierte und Entwicklungen der Hochschulpolitik in der Konkretisierung in Richtung auf die Bonner Lage besprach. Unter dem Vorsitz des Baseler evangelischen Theologen und vormaligen Präsidenten der Universität Basel Ulrich Gäbler war regionale und politische Prominenz versammelt, etwa der vormalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und der Bonner Landtagsabgeordnete und CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, vormals auch Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, Helmut Stahl. Letztlich ist ein reines Beratungsgremium ohne Entscheidungskompetenzen insbesondere für die Kuratoriumsmitglieder unbefriedigend –
57 BVerfGE 35, 79 – Niedersächsisches Vorschaltgesetz. 58 Siehe dazu in Band 4 dieser Festschrift den Beitrag von Wolfgang Holzgreve und Walter Bruchhausen zur Entwicklung des Bonner Universitätsklinikums seit dem Jahr 2000. 59 Borchard, Bericht 1999/2000, S. 9–18. 60 Eine funktionierende Trennungsrechnung ist aus der Sicht der Beitragszahler, die nicht die Forschung finanzieren wollen und dürfen, und aus der Sicht der Wissenschaft, die mit dem für sie bestimmten Staatszuschuss nicht die Krankenversorgung finanzieren wollen und dürfen, zwingend geboten. Eine funktionierende Trennungsrechnung ist auch verfassungsrechtlich zum Schutz beider Systeme unerlässlich, wie das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht hat (BVerfGE 136, 338 R. 72 – MHH). Das heißt nicht, dass für die Trennungsrechnung valide Mechanismen existierten. Das Problem ist tatsächlich schwierig.
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wenn die Gespräche dem Rektorat auch durchaus interessante Anregungen vermitteln konnten. Rektor Borchard setzte sich in seiner Rede zum Akademischen Jahr 2002/03 auch mit den universitätspolitischen Erwägungen auseinander, die die Ministerin auf einem außerordentlichen Parteitag der SPD-NRW am 14. Juni 2003 in Bochum vorgetragen hatte. Auf die politische Agenda gesetzt wurde jetzt die Verbreiterung der akademischen Bildung – die Rede war von 40 Prozent eines Jahrgangs. Die Abbrecherquote müsse verringert werden. Die Hochschulbildung solle in Breite und Spitze besser werden; zur Wettbewerbsorientierung nannte die Ministerin etwa Cambridge und Harvard. Weitere Themen waren die Modernisierung der inneren Strukturen der Universität sowie deren Profilierung und leistungsfähige Transfermechanismen zwischen Universität und Wirtschaft. Auch die Bologna-Strukturen warfen ihren Schatten voraus, wenn der erste berufsqualifizierende Abschluss nach drei Jahren regelhaft erreichbar sein sollte. Parallelen zu Harvard konnte Rektor Borchard mit dem Hinweis darauf ridikülisieren, dass der Etat der Universität nur ein Dreiunddreißigstel des Harvard-Haushaltes betrage, in Harvard stünden für die Ausbildung eines Studierenden etwa eine Million Euro zur Verfügung, für einen Bonner Studierenden durchschnittlich 15.800 Euro. Im Übrigen stießen die Vorschläge beim Bonner Rektorat durchaus auf Zustimmung – allerdings verbunden mit der Kritik, dass sie ohne jede monetäre Absicherung geblieben seien. Der Rektor belegte die desaströse Situation der Unterfinanzierung auch mit Vergleichen zu anderen Bundesländern. Die Durchschnittsfinanzierung des Studienplatzes unterschritt den Bundesdurchschnitt um 2.200 Euro und betrug nur die Hälfte des Aufwandes des Landes Baden-Württemberg. Die Korrelation von Lehrenden und Studierenden sei mit einem Verhältnis von 1:70 ein »Trauerspiel«; damit nehme Nordrhein-Westfalen einen hinteren Rangplatz ein. Mittel für Technologieförderung und für Existenzgründungen seien sogar gekürzt worden.61 Die (berechtigten) Jeremiaden über die Unterfinanzierung sind eine Konstante der Hochschulpolitik, die jedes Rektorat wieder zu thematisieren hatte. Nach dem Ende der als Fakultät für Pädagogik geführten vormaligen Pädagogischen Hochschule62 stand nicht fest, ob die Lehrerbildung als Fach an der Universität gehalten werden konnte. Das Rektorat Borchard entwickelte unter der Federführung von Prorektor Herdegen ein Konzept eines konsekutiven Studienganges mit hervorragender fachwissenschaftlicher- und fachdidaktischer Ausbildung. Die Universität war sogar dazu bereit, ohne Inanspruch61 Borchard, Bericht 2002/2003, S. 17f. 62 Siehe zur Aufnahme der aufgelösten Pädagogischen Hochschule den Beitrag von Christian Hillgruber in diesem Band der Festschrift sowie zur Geschichte der Pädagogischen Fakultät den Beitrag von Udo Arnold in Band 4.
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Abb. 41: Klaus Borchard, Städtebau und Siedlungswesen, Rektor 1996–2004
nahme des Landes die notwendigen fachdidaktischen Stellen neu zu schaffen. Im Ergebnis waren diese Bemühungen erfolglos. Der Universität wurde im März 2002 die seit ihrer Gründung von ihr gepflegte Lehrerausbildung gewissermaßen entzogen.63 Nicht nur die Universitätsleitung war über den Entscheid des Kabinetts Clement entrüstet, auch die Studierenden. Sie trugen in einer Prozession durch die Bonner Innenstadt die Lehrerausbildung unter Mitführung entsprechender Symbole zu Grabe. Zugleich zeigt das Beispiel, wie schwerfällig – hier aus rechtsstaatlichen Gründen – Hochschulen in Studienänderungsprozessen reagieren: Erst 2008 konnte der Staatsexamensstudiengang für Lehrer abgeschlossen werden. Im selben Jahr führte das Rektorat Winiger die ersten Gespräche mit dem Schulministerium über eine Reetablierung der Lehramtsstudiengänge in Bonn. Die erste Zielvereinbarung datiert vom 24. April 2002.64 Rektor Borchard war – im Ergebnis erfolgreich – darum bemüht, das Profil der Universität als Forschungsuniversität in der Zielvereinigung zu verankern. § 1 der Zielvereinbarung brachte dies durch eine entsprechende Profilformulierung zum Ausdruck (»international operierende, kooperations- und schwerpunktorientierte For-
63 Siehe Borchard, Bericht 2001/2002, S. 9–14. 64 Vereinbarung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität und des Universitätsklinikums Bonn mit dem Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen v. 24. April 2002.
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schungsuniversität«).65 Die Universität versprach Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Einrichtung von Graduiertenkollegs), einen Ausbau der Biowissenschaften, die Stärkung der Geowissenschaften und die Stärkung der Ethik. Konkrete Ziele wurden insbesondere für die medizinische Forschung vereinbart, aber auch die anderen Fakultäten benannten Schwerpunktentwicklungen und Vorhaben. Was hier vereinbart wurde, waren naturgemäß weithin jene strategischen Pläne, die das Rektorat Borchard ohnehin verfolgte. Aber immerhin gelang es so, das Land zu einem finanziellen Stützungsversprechen zu bewegen, das sich aus jenen Mitteln speisen sollte, die die Sparanstrengungen der Universitäten im Innovationsfonds erbracht hatten oder noch erbringen würden. Für 2002 bis 2004 wurden aus dem Fonds knapp zehn Millionen Euro vereinbart, deren Gewährung allerdings unter Haushaltsvorbehalt stand. Hannelore Kraft (2002–2005) Auch die nachfolgende Ressortministerin Hannelore Kraft66 mochte die inzwischen beobachtbare Regel, dass sich jeder Wissenschaftsminister ein neues Hochschulgesetz gibt, nicht desavouieren. Das sogenannte HochschulreformWeiterentwicklungsgesetz67 war allerdings keine völlige Neuschaffung des Organisationskonzepts, sondern intensive Novellierung des Behler-Gesetzes aus dem Jahr 2000. Dabei kann hier die Inkorporation der Kunsthochschulen, die bislang ein eigenes gesetzliches Organisationsstatut besessen hatten, um die Eigengesetzlichkeit der Kunst zu betonen, in ein für alle Hochschulen geltendes Hochschulgesetz vernachlässigt werden. Für die Universitäten war von besonderer Bedeutung:68 – Die bisher über Fachbereich/Fakultäten gegliederte Binnenorganisation wird in § 25a HG 2004 in dem Sinne geöffnet, dass die Hochschulen die Aufgaben und Befugnisse abweichend vom Grundmuster des Gesetzes in der Grundordnung auf neu gegliederte »Einheiten« übertragen dürfen.
65 Die Rahmenziele in § 2 und der Wille zur Stärkung der Forschungskompetenz in § 3 bekräftigten die Grundaussage. 66 Die 1961 in Mühlheim/Ruhr geb. SPD-Politikerin gehörte dem Landtag seit dem Jahr 2000 an. Im Kabinett Steinbrück war sie Ministerin für Wissenschaft und Forschung (November 2002–Juni 2005), von 2010–2017 Ministerpräsidentin des Landes. 67 Gesetz zur Weiterentwicklung der Hochschulreformen (Hochschulreform-Weiterentwicklungsgesetz – HRWG v. 17. Dezember 2004 GV. NRW. 2004, S. 751. 68 Weniger bedeutsame Details, wie z. B. die Definition der Doktoranden und Doktorandinnen als Gruppe, bleiben außer Betracht.
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– Die Dekane sollen weiter gestärkt werden. Wenn die Grundordnung dies vorsieht, sollen sie in dem Sinne hauptamtlich amtieren, dass ihre Amtspflichten aus dem Hochschullehreramt ruhen. (§ 27 Abs. 4 S. 5–8 HG 2004) – Das Gesetz implementiert die Juniorprofessur als habilitationsersetzende Hochschullehrerqualifikation und ordnet die Juniorprofessoren statusmäßig der Gruppe der Hochschullehrer zu. (§ 49a und b HG 2004)69 – Die gewichtigste Änderung war gewiss die Umstellung der Studiengänge in den Modus des Bologna-Modells von konsekutiven Studiengängen mit den Abschlüssen Bachelor und Master. (§ 84a HG 2004). Zum und ab dem Wintersemester 2007/2008 sollten letztmalig Studienanfänger in die Diplom- und Magisterstudiengänge aufgenommen werden dürfen. Damit war das Zeitfenster markiert, während der die Umstellung gelingen musste. (Art. 13 Nr. 1 HRWG) Die Neuordnungsangebote, die Binnenorganisation zu flexibilisieren, hat das Rektorat Winiger70 nicht aufgegriffen. Zwar ist die Auflösung mancher disziplinärer Grenzen unübersehbar, wie etwa der disziplinübergreifende Terminus der Lebenswissenschaften zeigt; die Universität trägt solchen Entwicklungen durchaus Rechnung, wie etwa das LiMES-Institut71 mit seiner transdisziplinären Ausrichtung oder auch die in der Medizinischen Fakultät angesiedelte biomedizinische und neurowissenschaftliche Technologieplattform LIFE& BRAIN zeigen. Auch ein universitätsweites Bedürfnis, Dekanen eine hauptamtliche Tätigkeit zu ermöglichen, vermochte die Universität nicht zu erkennen, so dass die Grundordnung nicht angepasst wurde. Die neue Form, Hochschullehrernachwuchs über die Juniorprofessur zu gewinnen, setzte keine zentralen universitären Entscheidungen voraus. Die beobachtbaren Reaktionsweisen gingen dahin, dass die mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer und auch die Wirtschaftswissenschaften der Rechtsfigur offener gegenüberstehen als die geisteswissenschaftlichen Disziplinen, die eine größere Wertschätzung der herkömmlichen Qualifikation über ein zweites großes Buch (Habilitationsschrift) entgegenbringen. Die gewichtige Änderung lag in der normativen Vorgabe, die Studiengänge auf Bachelor-/Masterabschlüsse umstellen zu müssen. Das Rektorat bat Pro69 Für die landesrechtliche Geltung der Einführung der Juniorprofessur war unerheblich, dass das Land damit eine Regelung des Hochschulrahmengesetztes umsetzte, für die der Bundesgesetzgeber nicht gesetzgebungskompetent war; die bundesrechtliche Regelung war deshalb verfassungswidrig (BVerfGE 111, 226). 70 Geb. 1943, Schweizer Staatsbürger, Geograph und Klimaforscher, 1988 von der Universität Bern an die Universität Bonn berufen, zuvor Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. 71 Life& Medical Sciences Institute für biomedizinische Grundlagenforschung.
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rektor Hess, Kommunikationswissenschaftler, die Leitung einer Kommission zu übernehmen, die die Weichenstellungen für die neuen Studiengänge entwickeln sollte. Die Neukonstitution der Studiengänge sollte am Ende der Umsetzungsfrist erreicht sein. Das hatte die in der Studierendenstatistik beobachtbaren Konsequenzen.72 In der Tat wurde das Ziel der Umstellung in den Fächern, die keine Staatsexamensfächer sind (Medizin, Pharmazie, die Theologien und die Jurisprudenz waren nicht Gegenstand der Bologna-Reform), fristgerecht erreicht. Heute bietet die Universität 96 BA- und 84 MA-Studiengänge gestuft an. Auch in den Staatsexamensfächern werden zur Sicherung der Attraktivität zum Teil Bachelor- und Masterabschlüsse neben dem Staatsexamensabschluss angeboten,73 um im Kampf um gute Studenten konkurrenzfähig zu bleiben. Schwerpunktbildungen und neue Studienstrukturen wirken sich auf die Fakultäten und Fächer unterschiedlich aus. Große Fachbereiche können flexibler auf strukturelle Veränderungen reagieren, während kleine Fächer teilweise unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sind. Bundesweit sind eine Reihe kleiner Fächer, vorab aus den Kultur- und Geisteswissenschaften, weitgehend unkoordiniert abgeschafft worden. Das Rektorat Winiger bemühte sich, unter der Devise einer »fokussierten Vielfalt«, bedrohte Fächer in größere Strukturen einzubinden oder in interuniversitärer Zusammenarbeit (zum Beispiel mit der Universität Köln) zu sichern. Das damals geltende Hochschulrecht versprach von Bundesrechts74 und von Landesrechts wegen, Studierende nicht mit Studiengebühren zu belasten. Der sprichwörtliche »ewige Student« (teilweise mit mehr als 70 »Studiensemestern«!) war deshalb in den Statistiken der Universitäten eine durchaus relevante Größe. Der Studentenstatus bietet nicht zuletzt einige Incentives (Semesterticket, studentische Krankenversicherung et cetera), ihn »nicht ohne Not« zu verlassen. Nordrhein-Westfalen wollte nach Einführung konsekutiver Studiengänge »einen Anreiz für ein effizientes und zügiges Studium schaffen«.75 Zugleich wuchs die Einsicht, »dass eine unbegrenzte Inanspruchnahme von Hochschulleistungen weder bildungspolitisch zielführend noch finanzpolitisch vertretbar ist.«76 Weiter hieß es in der Gesetzesbegründung: »In Anbetracht der gesamtwirtschaftlichen Situation, der begrenzten Ausbildungskapazitäten und der fi72 Siehe oben Grafik 1. 73 Siehe etwa in den Rechtswissenschaften den Bachelorstudiengang »Law and Economics« und den Masterstudiengang »Deutsches Recht«. 74 Die Verankerung im Hochschulrahmengesetz war zwar verfassungswidrig (BVerfGE 112, 226), was aber nur dazu führte, dass das Land nicht schon bundesrechtlich gehalten war, die Studiengebührenfreiheit einzuführen; kraft eigenen Rechts konnte das Land selbstverständlich gesetzgeberisch tätig werden. 75 Siehe die Gesetzesbegründung zum Studienkonten- und -finanzierungsgesetz – StKFG v. 25. September 2002, LT-Drs.13/3023, S. 19. 76 Gesetzesbegründung zum Studienkonten- und -finanzierungsgesetz – , LT-Drs 13/3023 S. 1.
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nanziellen Belastungen der Hochschulen ist es deshalb gerechtfertigt, die Gebührenfreiheit nicht länger für unbegrenzte Zeit, ausnahmslos für jedes Studium und jeden Personenkreis zu gewährleisten.«77 Zukünftig sollte – vereinfacht gesagt – die Studiengebührenfreiheit für die Regelstudienzeit plus einen Toleranzraum von vier Semestern gelten.78 Das Aufkommen aus diesen Gebühren verblieb bei den Universitäten, die allerdings auch die Lasten für das im Vollzug doch insgesamt komplizierte Gesetz zu tragen hatten. Für die Universität Bonn war der damit verbundene positive Finanzierungseffekt durchaus willkommen. 2006 konnten 3,1 Millionen Euro verbucht werden.79 Überdies musste jeder Langzeitstudent ohne Studienaktivität für sich entscheiden, ob er bei den erhöhten Kosten seine Einschreibung aufrechterhalten sollte. Das hat auch für die Universität Bonn bei der Hörerzahl signifikante Auswirkungen gehabt, wie man an den Zahlen im Wechsel des Jahres 2003 zu 2004 erkennen kann.80
Andreas Pinkwart (2005–2010) Mit dem FDP-Politiker Andreas Pinkwart81 wurde ein auch in Bonn ausgebildeter Hochschullehrer Ressortminister. Er bekräftigte die Regel »Pro Minister ein Hochschulgesetz« nachdrücklich. Mit dem sogenannten »Hochschulfreiheitsgesetz« setzte er einen bedeutenden neuen Akzent in der Hochschulreformdebatte und beendete für Nordrhein-Westfalen (vorübergehend) die Studiengebührenfreiheit. Herkömmlich ist die Rechtsform von Hochschulen dual angelegt: Sie sind einerseits mitgliedschaftlich bestimmte Körperschaften (die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden), andererseits ist sie nutzbare Anstalt, die Personal und Sachen bereithält. Die Selbstverwaltung erfasste bis dahin – und das ist der Punkt, auf den die Pinkwart’sche Reform abzielte – nur die Körperschaftsseite, auf die der Staat nur kraft Rechtsaufsicht einwirken kann, während die An77 Ebd. 78 Siehe das Gesetz zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von Hochschulgebühren (Studienkonten- und -finanzierungsgesetz – StKFG), v. 28. Januar 2003, GV. NRW. S. 36. 79 Siehe Universität Bonn, Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2014, S. 78. 80 Siehe oben Grafik 1. 81 Geb. 1960; wirtschaftswissenschaftliches Studium, Abschluss als Dipl. Volkswirt in Bonn (1987), promoviert in Bonn bei Prof. Horst Albach mit einer betriebswirtschaftlichen Dissertation mit dem Titel »Chaos und Unternehmenskrise« 1991, Hochschullehrer 1994–2003, 2002–2005 Bundestagsabgeordneter, 2005–2011 Landtagsabgeordneter, 2005 stellv. Ministerpräsident und Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie im Kabinett Rüttgers bis Juli 2010. Seit 2017 ist er im Kabinett Laschet Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie.
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staltsseite nicht von der Universität selbstverwaltet wird; sie ist vielmehr für den Staat fachaufsichtlich, also auch durch allfällige Verwaltungsvorschriften, steuerbar. Diese früher bis zu dessen Außerkrafttreten im Hochschulrahmengesetz bundesrechtlich zwingend vorgegebene Rechtsform wählt das in werblicher Gesetzessprache sogenannte »Hochschulfreiheitsgesetz«82 als Anknüpfung für seine Reform.83 – Das HFG erstreckt die Selbstverwaltung gesetzlich – verfassungsrechtlich bleibt nur die körperschaftliche Seite durch Art. 16 Abs. 2 LV geschützt – auch auf die anstaltliche Seite. Der Grund für diese leicht bloß rechtstechnisch erscheinende Änderung ist substantieller Natur: »Ministerielle Detailsteuerung« soll durch eine »größere Eigenverantwortung der Hochschulen abgelöst werden«.84 Das bedingt einen weitgehenden Verzicht auf eine ministerielle Fachaufsicht. »Der Staat zieht sich aus der Detailsteuerung vollständig zurück und kommt seiner Gesamtverantwortung für das Hochschulsystem durch die Vorgabe strategischer Ziele nach.«85 – Damit ist für das Personal auch ein Dienstherren- und ein Arbeitgeberwechsel verbunden; Dienstherr ist nunmehr die Universität als »vollrechtsfähige« juristische Person.86 – Allerdings konnte das Ressortministerium sich in der Frage, ob den Hochschulen auch die funktionsgebundenen Liegenschaften übertragen werden sollten, gegen das Finanzressort nicht durchsetzen. – Das Rektorat soll in Zukunft, wenn die Grundordnung der Universität nichts anderes bestimmt, Präsidium heißen. Ihm gehören der Präsident und das hauptberufliche Mitglied für den Bereich der Wirtschaft und Personalverwaltung an (also der Kanzler) sowie, wenn die Grundordnung es denn so will, weitere hauptberufliche Mitglieder, während der Hochschulrat bestimmt, wie viele nichthauptberufliche Mitglieder dem Präsidium angehören sollen (§15 HFG). Die Position des Präsidenten kann nach Maßgabe der Grundordnung mit der Richtlinienkompetenz, einem Vetorecht oder/und einem Ressortprinzip für die Prorektoren gestärkt werden. Das Präsidium leitet die Hochschule auf der Basis einer Residualkompetenz im Verhältnis zu den anderen Universitätsorganen. 82 83 84 85 86
Vom 31. Oktober 2006, GV. NRW. S. 473. Gesetzentwurf der Landesregierung LT-Drs 14/2063 – Hochschulfreiheitsgesetz (HFG). Gesetzesbegründung, Hochschulfreiheitsgesetz LT-Drs. 14/2036, S. 2. Ebd., S. 132. Der aus der österreichischen Diskussion übernommenen Begriff der »Vollrechtsfähigkeit« ist juristisch nicht präzise, weil juristische Personen immer nur teilrechtsfähig sind, wie schon ein Blick auf die nur eingeschränkte Grundrechtsgeltung für juristische Personen zeigt, siehe Art. 19 Abs. 3 GG.
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– Der Präsident wird vom Hochschulrat gewählt, nachdem die Wahl von einer von Senat und Hochschulrat paritätisch besetzte Findungskommission vorbereitet worden ist. Der Senat hat die Kompetenz, die Wahl zu bestätigen. Bei einem Dissens zwischen Hochschulrat und Senat vermag sich der Hochschulrat mit einem hohen Stimmquorum durchzusetzen. Der Präsident kann extern wie auch intern gesucht werden. – Der Wegfall der staatlichen Fachaufsicht wird durch das neu vorgesehene Organ des Hochschulrates kompensiert. Dem Hochschulrat – aus der Sicht der Gesetzesverfasser »eines der wichtigsten Reformvorhaben, die mit der neuen hochschulischen Kompetenzordnung verbunden sind«87 – wird die Aufgabe übertragen, das Präsidium in Erfüllung des »operativen Geschäfts«88 zu beaufsichtigen. Außerdem werden von ihm strategische Impulse für die künftige Entwicklung der Universität erwartet. Schließlich ist ihm eine »Brückenfunktion« zwischen Hochschule und Gesellschaft zugedacht;89 er soll »Transmissionsriemen«90 für Impulse aus Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung auf das Präsidium sein. Er wählt den Präsidenten und ist gegebenenfalls auch für dessen Abwahl (jeweils im Zusammenwirken mit dem Senat) zuständig. – Der Hochschulrat besteht aus sechs, acht oder zehn Mitgliedern mit einem externen Vorsitzenden; er besteht entweder nur aus Externen oder mindestens zur Hälfte aus Externen; interne Mitglieder können bis zur Hälfte der Mitgliederzahl gewählt werden. – Der Senat bleibt in dem schmalen Kompetenzrahmen, den ihm schon das Vorgängergesetz nur noch zugebilligt hatte. Seine Zuständigkeiten sind abschließend aufgeführt. Danach könnte er beispielsweise nicht mehr an den Berufungsverfahren beteiligt werden. – Die Grundordnung sollte nur noch regeln dürfen, was das Gesetz ihr zur Regelung aufgibt. – Als staatliches Steuerungsinstrument, mit dem auch strategische Landesinteressen verfolgt werden können, wird die Zielvereinbarung etabliert. Der Vereinbarungscharakter ist allerdings schon im Ansatz normativ fragil, weil im Falle des Scheiterns der Verhandlungen das Land eine Rechtsverordnung erlassen kann, die einen Mindestgehalt an Zieldurchsetzung sichert.
87 Gesetzesbegründung, Hochschulfreiheitsgesetz, LT-Drs. 14/2036, S. 149. 88 Ebd. 89 Zu dieser Hochschulratsfunktion allg. siehe Gärditz, Hochschulorganisation, S. 545–550 mit Hinweisen zu den Legitimationsschwächen entscheidungsbefugter Hochschulräte, die mehrheitlich extern besetzt sind. 90 Gesetzesbegründung, Hochschulfreiheitsgesetz, LT-Drs. 14/2036, S. 149.
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Dass die Universität ein Organisationskonzept begrüßte, das einen Globalhaushalt vorsah, der Universität die Dienstherrenfähigkeit zugestand, ihr ein von ministerieller Intervention freies Berufungsrecht übertrug und sie insgesamt von der Fachaufsicht freistellte und nur noch der Rechtsaufsicht unterstellte, lag auf der Hand. Nachdem der Referentenentwurf des Hochschulfreiheitsgesetzes bekannt geworden war, begrüßte der Senat in einer Sondersitzung das Vorhaben im Grundsätzlichen. Nicht frei von Illusionen war indes die positive Würdigung der Zielvereinbarung »auf Augenhöhe« statt ministerieller Fachaufsicht, weil diese »Augenhöhe« gegenüber dem die Mittel allein in der Hand haltenden Staats natürlich nicht besteht. Die Zielvereinbarung als Mittel zeigte gerade, dass der Staat »seiner Natur gemäß« nicht bereit war, sich auf eine einflusslose Position zurückziehen. Wie das Land das neue Steuerungsmittel der Zielvereinbarung nutzen würde, war noch hinter dem Schleier des Nichtwissens verborgen. Die erste Zielvereinbarung in der Ägide Pinkwart ist die am ehesten »auf Augenhöhe« verhandelte gewesen. Die Stellungnahme des Senats widersprach indes dem vorgesehenen Modus der Rektorwahl und Abwahl durch den Hochschulrat. Der Senat hatte offenbar ein gutes Gespür dafür, dass mit dieser Gewichtsverteilung bei der Wahl, die Gewichte zwischen Kollegialprinzip und hierarchischer Steuerung zu seinen Lasten neu verteilt wurden. Langfristig sollte er damit Recht behalten.91 Zuerst musste die Universität sich in den Freiräumen, die ihr das Gesetz zur Selbstorganisation gelassen hatte, selbst finden. Dazu gehörte auch die neue Lage, dass in den Selbstverwaltungsmodus die atypische Einrichtung eines Hochschulrates einzufügen war. Die zum Entwurf der Grundordnung eingesetzte Kommission war gruppenübergreifend der Auffassung, dass die Regelungsspielräume so genutzt werden sollten, dass das Element der Selbstverwaltung so lebendig bleiben sollte, wie dies normativ möglich war. Auch das Rektorat Winiger folgte dieser Linie mit Nachdruck, die dann auch die Billigung des Senats gefunden hat.92 Die Grundordnung 2007 entschied sich – durchaus programmatisch –, die Hochschulleitung als »Rektorat« zu bezeichnen. Die Möglichkeiten, die Rechtsstellung des Rektors durch Mittel wie die Richtlinienkompetenz, ein VetoRecht oder das Ressortprinzip zu stärken, wurden zurückgewiesen, um das Kollegialprinzip mit dem Rektor als primus inter pares zu stärken. Weniger eindeutig war die Position zu der Frage, ob der Hochschulrat rein extern besetzt sein sollte oder ob Stellen im Hochschulrat auch (internen) Mitgliedern oder Angehörigen der Universität vorbehalten bleiben sollten. 91 Siehe später BVerfGE 136, 338 – MHH. 92 Grundordnung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität vom 24. Mai 2007, Amtl. Bek., 37 Jh. Nr. 21 v. 13. August 2007.
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Schließlich setzte sich die Mehrheit mit der Regelung durch, dass drei Stellen intern besetzt werden können. Der Senat wurde mit 12:4:3:4 (Hochschullehrer, wiss. Mitarbeiter, Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung, Studierende) besetzt. Das bündische Prinzip wurde damit beibehalten: Für die Hochschullehrer sind die Fakultäten die Wahlkreise. Die Fakultäten sind mit je zwei Senatoren vertreten, die Theologien mit je einem. Die Senatszusammensetzung reflektiert so das Prinzip des »funktionellen Pluralismus«, den das Bundesverfassungsgericht zukünftig als Modus des Schutzes der Wissenschaftsfreiheit hervorheben wird.93 In Ansehung der Tatsache, dass nur ausdrückliche Regelungsaufträge in der Grundordnung aufgegriffen werden durften, entsprach es einer einigermaßen kühnen Auslegung der Abwahloption – Abwahl bedeutet Vertrauensabhängigkeit, Vertrauen setzt Kontrolle voraus –, in die Grundordnung die aus der parlamentarischen Kontrolle bekannten Kontrollrechte – Zitierrecht mit Interpellationsrecht, Recht zur Anfrage an das Rektorat, Akteneinsichtsrecht, Einsicht in die Rektoratsprotokolle – (erneut) im Verhältnis des Senats zum Rektorat zu normieren.94 Am 1. April 2008 konstituierte sich der erste Hochschulrat der Universität Bonn. Drei Mitglieder waren aus dem Bereich der Wirtschaft gewonnen worden, zwei waren externe Wissenschaftler, zwei waren in wissenschaftlichen Managementfunktionen tätig; drei Hochschullehrer der Universität (eine Literaturwissenschaftlerin, ein Mediziner und ein Rechtswissenschaftler) traten hinzu. Den Vorsitz übernahm der Bonner Unternehmer Dr. Jörg Haas.95 Der Start des Rektorats Winiger mit dem Hochschulrat war gelinde gesagt »holprig«,96 weil die wechselseitigen Rollenerwartungen noch nicht abgestimmt waren. Das Rektorat musste gewissermaßen den normativen Satz verdauen, dass der Hochschulrat seine Aufsichtsbehörde sein sollte, obwohl dieses Rektorat seine Legitimation nicht dem amtierenden Hochschulrat verdankte. Der Hochschulrat wollte rasch »die Ärmel aufkrempeln«, um der Universität den strategischen Weg in die Zukunft zu weisen. Insbesondere die aus Sicht des Rektorats nicht zu übersehende Tendenz der wirtschaftlich erfahrenen Mitglieder des Hochschulrates, sich in gedanklichen Kategorien einer unterneh93 BVerfGE 136, 338 – MHH. 94 Das BVerfG wird später im Zusammenhang mit der kompetenziellen Depossedierung des Senats und der Anreicherung von Entscheidungskompetenzen bei der Hochschulleitung eine Kompensation des Entscheidungs-Kompetenzverlustes über Kontrollrechte postulieren (BVerfGE 136, 338 – MHH). Insofern war die Grundordnung der Universität mit expliziten Kontrollrechten verfassungsmäßiger als das Hochschulgesetz. 95 Geb. 1963, in Trier ausgebildeter und dort promovierter Wirtschaftswissenschaftler, schon in jungen Jahren sehr erfolgreich mit einer Software-Entwicklungsfirma, nach deren Verkauf Gründer und Investor mit bedeutenden Investitionen in der Region und darüber hinaus. 96 Das Folgende beruht auf meinen Erinnerungen als Mitglied im Rektorat Winiger.
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merischen Universität zu bewegen, führte zu sehr reserviertem Verhalten des Rektorats. Es empfand insofern manches Auskunftsverlangen, manches vom Hochschulrat am Rektorat vorbei geführte Gespräch im Inneren der Universität, die Sitzungsteilung in eine Hochschulratssitzung der Hochschulratsmitglieder ohne das Rektorat und einen Sitzungsteil mit dem Rektorat (nach dem Gesetz tagt der Hochschulrat mit dem in der Sitzung anwesenden Rektorat) als Zumutung. Die Frage nach der kompetenziellen Zulässigkeit der Wünsche, die allerdings auch nicht nur als solche formuliert waren, wurde in den Vordergrund gerückt und nicht so sehr die pragmatische Sinnhaftigkeit eines akkordierten Vorgehens. Eine Institution, die ihre Legitimation nicht der Einrichtung verdankt, die sie kontrollieren soll, wird sich häufig schwertun, die Notwendigkeit der Kooperation auf Augenhöhe einzusehen, zumal dann, wenn die Aufsichtsinstanz partiell doch eher der Sphäre der »Laienverwaltung« zuzurechnen ist. Im Jahr 2008 war aber schon die Wahl des neuen Rektors und des Rektorats einzuleiten. Der Bonner Literaturwissenschaftler Jürgen Fohrmann wurde vom Hochschulrat zum Rektor gewählt.97 Die Option, einen Externen zu wählen, war zwar geprüft worden, hatte aber letztlich keinen allenthalben überzeugenden Personalvorschlag generiert. Dabei spielte hintergründig gewiss auch eine Rolle, dass eine externe Besetzung im Senat nicht leicht zu vermitteln gewesen wäre, weil bei allen Statusgruppen die Auffassung verbreitet war, es ließe sich doch gewiss unter rund 500 Bonner Hochschullehrern ein geeigneter Kandidat finden. Das neue Rektorat hat dann die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Hochschulrat gesucht; angesichts der normativen Lage wäre alles andere als eine organfreundliche Kooperation auch unvernünftig gewesen. Beide Leitungsorgane stimmen überdies in dem grundsätzlichen Ziel überein, die ihnen anvertraute Einrichtung vorwärts zu bringen. Die jährlich erstatteten »Berichte über die Arbeit des Hochschulrates« aus den Jahren 2008 bis 2012 lassen erkennen, dass der Hochschulrat jeweils seine gesetzlichen Aufgaben nachgekommen ist, sich aber auch intensiv mit der strategischen Entwicklung, zum Beispiel mit der inhaltlichen Profilbildung (2008), mit Fragen der internen Mittelverteilung (2008), mit der Verwendung der Studienbeiträge (2008, 2009), mit dem Gleichstellungskonzept der Universität (2009, 2011), mit der Wiedereinführung der Lehrerausbildung (2009, 2010, 2011) beschäftigt hat. Die Unentgeltlichkeit des Studiums entspricht deutscher Hochschultradition. Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Studiengebühren war dementsprechend heftig und polemisch. Die politischen Parteien ließen unterschiedliche 97 Jürgen Fohrmann, geb. 1953, in Münster mit dem 1. Staatsexamen in Literaturwissenschaft/ Deutsch und Geschichte ausgebildet, in Bielefeld mit literaturwissenschaftlichen Arbeiten promoviert und habilitiert, Heisenberg-Stipendiat, 1991 Ruf nach Bonn auf den literaturwissenschaftlichen Lehrstuhl, den zuvor Beda Allemann innegehabt hatte.
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Präferenzen erkennen. Es wurde auch das Verfassungs- und Völkerrecht bemüht, die Unzulässigkeit von Studiengebühren zu beweisen,98 was aber vor Gericht scheiterte.99 Entlang der damaligen parteipolitischen Präferenzlinien führten schließlich Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und auch NordrheinWestfalen Studiengebühren, oder, wie es in Nordrhein-Westfalen hieß: »Studienbeiträge«, ein.100 Die Einführung war unter dem Stichwort »Nachlagerung« mit einem sozial ausgestalteten Darlehenssystem gekoppelt, um die Akzeptanzchance bei den Betroffenen (Studierende und die diese finanzierenden Eltern) zu erhöhen. Für ausfallende Darlehensforderungen (der Schuldner erreicht kein Einkommen, das die Darlehensrückzahlung ermöglicht) sollte ein aus den Studienbeiträgen gespeister Ausfallfonds einstehen. Studienbeiträge sollten unter Kontrolle einer Kommission unter externem Vorsitz101 und hälftiger studentischer Beteiligung nur zweckgebunden verausgabt werden dürfen: Sie sollten nur für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingen eingesetzt werden (§ 2 i. V. m. § 11 StBAG). Das Gesetz bescherte den Universitäten des Landes allerdings auch ein Problem, das aus der hochgehaltenen Autonomie resultierte: Ob die Universitäten Studiengebühren erheben wollten, sollten sie selbst entscheiden dürfen. Der Konflikt um die Erhebung von Studiengebühren war damit in die Universitäten verlagert, genauer gesagt, war er zwischen dem Senat und den Studierenden auszutragen, die die Einführung von Studiengebühren an praktisch allen NRWUniversitäten, so auch in Bonn, erwartungsgemäß vehement ablehnten. Der Senat wurde zum wesentlichen Akteur, weil er das Rechtsetzungsorgan in der sich selbst verwaltenden Universität ist und Studiengebühren wegen des Gesetzesvorbehalts nur auf der Ermächtigungsgrundlage des Hochschulgesetzes in Verbindung mit einer universitären Satzung erhoben werden konnten. Eine vom Rektorat mehrheitlich mit Studenten aus den Fachschaftsvertretungen besetzte Kommission, die die Legitimation der Studiengebühren als gegeben nahm, arbeitete in konstruktiver Atmosphäre einen Satzungsentwurf aus, der dem Senat vorgelegt wurde. Die Phase der Entscheidung über die Satzung verlief allerdings turbulent. Für den 27. April 2006 hatte Rektor Winiger 98 Siehe die Hinweise bei Lindner, Rechtsfragen, Rn. 210f. 99 Siehe BVerfGE 112, 226 (245); BayVerfGH, v. 28. Mai 2009, Vf. 4-VII-07 sowie, die Diskussion abschließend BVerwG, v. 29. April 2009 – 6 C 16/08 –, NWVBl. 2009, 429; siehe umfassend zum Thema Studiengebühren die Bonner Dissertation von Weschpfennig, Grenzen. 100 Gesetz zur Erhebung von Studienbeiträgen und Hochschulabgaben (Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz – StBAG, v. 21. März 2006 (GV. NRW. 119). 101 Dafür konnte der in Bonn juristisch ausgebildete und promovierte Ministerialdirektor Dr. Klaus-Dieter Schnapauff gewonnen werden.
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den Entwurf in die Senatssitzung eingebracht. Es war klar, dass die Sitzung von Protest begleitet sein würde. Etwa 500 Studenten hatten sich lautstark im Innenhof versammelt und drängten zum Senatssaal, zu dem sie sich auch gewaltsam Zutritt verschafften – mit nachteiligen Folgen für einen Teil des barocken Stuhlmobiliars. Rektor Winiger gab einem Wortführer Gelegenheit in einer Viertelstunde den Kern des Protestes zu formulieren. Als Rektor Winiger danach das Statement beendete, um mit der Sitzung fortzufahren, weigerten sich die Protestierenden den Senatsaal zu verlassen und weitere Studienbeitragsgegner drangen in den Senatssaal nach, so dass die Senatsmitglieder den Saal verlassen mussten. Die Sitzung war gesprengt.
Abb. 42: Matthias Winiger, Geographie, Rektor 2004–2009
Für den nächsten Versuch in der Sitzung vom 1. Juni 2006 hatte der Staatsschutz dem Rektorat schon angekündigt, dass mit massiven Störungen zu rechnen sei. In der Tat wurde ein Teil der Senatsmitglieder schon am Betreten der Universität gehindert. Ein Hauch von »68« lag in der Luft. Die Sitzung war schon gesprengt, bevor sie begonnen hatte. Rektor und Kanzler hatten vorsorglich mit der Polizei ein Alternativkonzept erarbeitet, für das es nur wenige Wissensträger gab. Den Senatoren und weiteren Rektoratsmitgliedern war gesagt worden, sie möchten
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sich am Nachmittag zu einer bestimmten Uhrzeit zu Hause aufhalten; sie würden dann von Fahrern abgeholt, die ihrerseits das Ziel nicht kennen würden. Die Fahrer würden ins Blaue losfahren und unterwegs Weisung zum Sitzungsort erhalten. Als Sitzungsort war ein ehemaliger NATO-Horchposten in Wachtberg vorgesehen, der nach seiner Außerdienst-Stellung als militärische Einrichtung Sitz der Fraunhofer Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften ist. Die äußere Anmutung mit doppelläufigem Zaun und Stacheldraht ist aber noch durchaus militärisch; sie sollte jetzt dem Schutz des Senats dienen. Die einigermaßen komische Pointe der Geheimhaltungsstrategie war allerdings, dass die studentischen Protestierer und der WDR schon vor Ort waren, als die Senatsmitglieder Wachtberg erreichten. Die Polizei hatte jedoch keine Mühe, die mit Bussen angereisten Studierenden hinter ihrer Absperrung zu halten. Die Satzung wurde in der Sitzung problemlos verabschiedet.102 Die Universität erhob den gesetzlichen Höchstsatz von 500 Euro. Ab 2007 stand dann das Aufkommen aus den Studiengebühren für Verbesserungen der Lehre und der Studienbedingungen zur Verfügung. Das Aufkommen war nicht unerheblich; 2006 bis 2011 sind der Universität 90 Millionen Euro zugeflossen.103 Es konnte deshalb rasch für mehr Lehrkapazität gesorgt werden – insbesondere im Bereich der Tutorien et cetera, die Öffnungszeiten der Bibliotheken konnten deutlich ausgeweitet werden, die Buch- und Medienbestände konnten deutlich aufgeforstet werden. Die Studienbedingungen wurden im Konsens mit den Studierenden insgesamt deutlich verbessert. Alles das traf auch auf die uneingeschränkte Billigung der Politik. Diskussionen gab es um die Abgrenzung dessen, was »Verbesserung der Studienbedingungen« etwa im infrastrukturellen Bereich beinhaltet. So wurde etwa der mit Studiengebühren ermöglichte Neubau eines Seminargebäudes in der Medizinischen Fakultät begrüßt, während eine Grundsanierung der Toilettenanlagen im Hauptgebäude und im Juridicum – beides berüchtigte Fixer-Treffpunkte – von studentischer Seite heftig umstritten und letztlich auf Abraten auch seitens des Ministeriums aus anderen Mitteln zu bewerkstelligen war. Der Universität war allerdings von Anfang an klar, dass Studiengebühren als Institution fragil waren, weil sie auch politisch hochkontrovers waren, hatte doch noch die Bundesministerin Bulmahn ein Studiengebührenverbot, das der Überzeugung ihrer Partei entsprach (letztlich erfolglos, weil verfassungswidrig), in das dann untergegangene Hochschulrahmengesetz eingefügt. Die Folge war, dass Stellenbesetzungen auf Zeit erfolgten, um keine unter Umständen nur schwer zu bewältigende Zukunftslasten zu schaffen. 102 Die hier wiedergegebenen Tatsachen beruhen auf der Erinnerung des Verf. als Rektoratsmitglied und (stimmrechtslosem) Vorsitzenden der Satzungskommission. 103 Universität Bonn, Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2014, S. 78f.
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In den Verhandlungen mit Minister Pinkwart und seinem Haus gab es eine Akzentverschiebung. Während die Vorgängerregierung der Selbstcharakterisierung über das Leitbild der Universität seit der Borchard-Zeit als Forschungsuniversität skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, sie gewissermaßen nur »zähneknirschend« akzeptiert hatte, war es nun kein Problem mehr, das entsprechende Leitbild in die Zielvereinbarung II vom 1. Mai 2005 einzufügen.104 Die Universität verpflichtete sich zur Stärkung der Bio- und Geowissenschaften. Für die Biowissenschaften bedeutete dies in erster Linie eine Stärkung der Entwicklung von LiMES, LIFE& BRAIN, des Bonner Forums Biomedizin (BFB) und der Molekularen Biotechnologie (CEMBIO).105 Für die Zusammenführung der Geowissenschaften wurde ein Prüfauftrag vereinbart, die Erhaltung des Faches Geodäsie wurde versprochen – Maßnahmen, die letztlich zur Gründung des institutionsübergreifenden Geoverbundes ABC/J (Aachen-Bonn-Köln/FZ Jülich) führten. Außerdem verpflichtete sich die Universität zu bestimmten Gender-Maßnahmen. Das Land nutzte die Zielvereinbarung dazu, seinem Auftrag, ein hinreichendes Angebot an Studienplätzen bereitzustellen, indem der Universität aufgegeben wurde, in der Anlage der Vereinbarung festgelegte Normstudienplatzkapazitäten anzubieten. Die Gegenleistung des Landes bestand wiederum aus der Leistung von Mitteln, die dem Innovationsfonds entnommen werden; 9,19 Prozent der im Fonds gesammelten Mittel (etwa 1,8 Millionen) standen für Berufungs- und Bleibeverhandlungen sowie zur Förderung der im Vertrag definierten Exzellenzbereiche (Chemie, Geo- und Umweltwissenschaften, Life and Medical Sciences, Mathematik, Ökonomie und Philosophie) zur Verfügung. Die Ziel- und Leistungsvereinbarung III vom 10. Januar 2007 (ZLV 2007–2010) löste mit wesentlich detailreicherem Inhalt, der hier nicht in allen Einzelheiten wiedergegeben werden kann, die Zielvereinbarung II ab. An der Spitze stand jetzt – »ungeachtet aller noch zu realisierenden Stellenstreichungen«(!) – die Vereinbarung über die Aufnahmekapazität an Erstsemesterplätzen in den Fächergruppen. Als Profilschwerpunkte erschienen jetzt nur noch die Fächerverbünde Mathematik, Physik/Astronomie und Ökonomie sowie die Biowissenschaften und die Philosophie. Für die Mathematik versprach die Universität ein Internationales Mathematik-(Informatik-)Zentrum zu unterstützen und unter anderem den Erwerb und die funktionale Ertüchtigung der Landwirtschaftskammer zu unterstützen (ein Vorhaben, das 2009 erfolgreich abgeschlossen werden konnte). In den Biowissenschaften sollte die Vernetzung 104 §1Abs.1 lautete: »Die Universität Bonn versteht sich als eine international operierende, kooperations- und schwerpunktorientierte Forschungsuniversität. Sie sieht sich der Excellenz in Forschung und Lehre verpflichtet.« 105 Zu Einzelheiten siehe insbesondere die Beiträge zur Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät in Band 4 dieser Festschrift.
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der bekannten Schwerpunkte vorangetrieben werden. Die bestehende AachenKöln-Bonn-Kooperation (ABC-Kooperation) sollte über die bestehenden gemeinsamen Rektoratssitzungen mit Blick auf die Exzellenzinitiative durch gemeinsame Anträge verdichtet werden. Zur Exzellenzinitiative sicherte Rektor Winiger im Vertrag zu, die Universität beteilige sich weiter an allen drei Förderlinien und sie verpflichte sich, bis zu drei Millionen für die Folgefinanzierung nach Auslaufen der Förderperiode (ab 2011) bereitzustellen. So zeichnete sich das Land von vorneherein davon frei, eventuell für finanzielle Unterstützung im Nachlauf der Exzellenzinitiative in Anspruch genommen zu werden. Neuerlich wurden überdies bestimmte Gender-Maßnahmen festgelegt. Das Land vereinbarte mit der Universität (und gleichförmig für alle Universitäten) einen Schlüssel für die leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) für den Leistungswettbewerb zwischen den Hochschulen. Ein Volumen von 355 Millionen Euro für alle Landesuniversitäten sollte wettbewerblich verteilt werden. Parameter waren die Zahl der Absolventen, die Promotionen und die Drittmittel, denen die Gewichtung von 50:10:40 Prozent zugeordnet wurde. Daneben verknüpften die Zuteilungen aus dem Innovationsfonds zur Unterstützung der Forschungsprofile den Drittmittelerfolg bei der DFG mit einer »Preisliste« für die unterschiedlichen Förderformate: Ein Sonderforschungsbereich für die Sprecherhochschule wurde ebenso wie ein Transregio mit 500.000 Euro prämiert, eine Forschergruppe mit 200.000 Euro, ein Graduiertenkolleg mit 300.000 Euro. Die Mittelverteilungsschlüssel wirken sich für die Universität Bonn unterschiedlich aus: Die forschungsorientierten Parameter sind für sie günstig, der Absolventenschlüssel ist tendenziell ungünstig. Der Bemessungsfaktor »Promotionen« ist für eine Volluniversität im Verhältnis zu einer Technischen Hochschule vorteilhaft, weil die Promotionsquote höher ist. Wird auf diesen Schlüssel verzichtet, wie dies das Ministerium tatsächlich später zeitweilig – in Reaktion auf die Welle entdeckter Plagiate – tat, bedeutet dies eine Umschichtung von Mitteln von den Volluniversitäten zu den Technischen Hochschulen mit einem proportional kleineren Output an Promotionen. Dem Gesetz gehorchend, legte das Rektorat Winiger im Zusammenwirken mit dem Senat einen ersten Hochschulentwicklungsplan vor. Ein deutlicher Akzent lag auf dem Selbstbild der Universität. Das Leitbild einer Forschungsuniversität mit den Konsequenzen dieses Selbstbildes für die Lehre wird in Leitsätzen beschrieben. Das Rektorat Fohrmann sollte dieses Leitbild im zweiten Hochschulentwicklungsplan später weiter ausbuchstabieren. Die Fakultäten wurden mit ihren Entwicklungszielen im Rahmen gemeinsamer Ziele dargestellt. Der Hochschulentwicklungsplan adaptierte die Hochschulstandortentwicklungsplanung, die seit 2006 mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb systematisch vorangetrieben worden war, um dem Sanierungsstau und der Raumnot im
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Forschungs- und Lehrbetrieb zu begegnen. Auf der Grundlage einer »Anamnese« des Sanierungsstaus und einer Bedarfsanalyse fokussierte sich das Konzept, das mit dem Land abzustimmen war, vorerst auf den Ausbau des Campus Poppelsdorf als Schwerpunkt der naturwissenschaftlichen Fachbereiche: weitere Ziele waren Neubauten für die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät (ein Projekt, das bis heute nicht in Angriff genommen ist), die Zusammenführung der Lehr und Forschungsstationen der Landwirtschaftlichen Fakultät, der Ersatz für aufzugebende Standorte an der Römerstraße, die Fertigstellung der mehrjährigen Sanierung der Universitäts- und Landesbibliothek und (nicht zuletzt aus Brandschutzgründen) des historischen Hauptgebäudes. Svenja Schulze (2010-2017) Nach der für die CDU/FDP-Koalition verlorenen Landtagswahl übernahm im Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung die SPD-Politikerin Svenja Schulze das Zepter.106 Rasch nach der Wahl wurde als angebliche Äußerung der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kolportiert, die Universitäten müssten wieder »an die Kandare genommen« werden. Es war weiter klar, das hatte die SPD im Wahlkampf versprochen, dass die Studienbeiträge wieder abgeschafft würden und dass es ein durchgreifend novelliertes Hochschulgesetz geben würde. Politik braucht für ihre Gesetzesvorhaben attraktive Namen. Hochschulrechts-Änderungsgesetz ist insofern viel zu bieder, »Hochschulzukunftsgesetz« klingt da schon viel besser – auch wenn alter Wein neu eingefüllt wird. Für das neue Hochschulrecht stellte der Landtag in einer Entschließung fest:107 […]die mit dem Hochschulzukunftsgesetz in das Hochschulgesetz eingeführten neuen staatlichen Steuerungsinstrumente (insbesondere Landeshochschulentwicklungsplan; Hochschulverträge; wissenschaftsadäquates Controlling; Rahmenvorgaben; strategische Budgetierung) (stärken) insgesamt gesehen die demokratisch-staatsrechtliche Legitimation des hochschulischen Haushaltsgeschehens.«108 106 Geb. 1968, Studium mit Magisterabschluss der Germanistik und der Politikwissenschaften, erfahrene Studentenpolitikerin (AStA-Vorsitz), Juso-Vorsitzende, Landtagsabgeordnete 1997–2000 und seit 2004. 107 Entschließungsantrag zum Hochschulzukunftsgesetz, LT-Drs. 16/6751. 108 Hervorhebung nur hier. Zum Landeshochschulentwicklungsplan heißt es im Gesetz (§ 6 Abs. 2): »Zur Steuerung des Hochschulwesens beschließt das Ministerium auf der Grundlage vom Landtag gebilligter Planungsgrundsätze den Landeshochschulentwicklungsplan als Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Landtag und kommt damit der Verantwortung des Landes für ein angemessenes Angebot an Hochschulleistungen nach. Gegenstand des Landeshochschulentwicklungsplanes können insbesondere Planungen betreffend ein überregional abgestimmtes und regional ausgewogenes Leistungsangebot, eine ausgewogene Fächervielfalt, die Studiennachfrage, die Auslastung der Kapazitäten
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Damit war der neue Ton bestimmt: Stärkere Steuerung durch das Land auf der Basis von Landesplanungsentscheidungen, die mittels Hochschulverträgen (vormals Zielvereinbarungen) den Hochschulen notfalls auch oktroyiert werden können (bei mangelnder Einigung droht die vertragsersetzende Rechtsverordnung) sowie eine verdeckte Rücknahme der gesetzlich (nach wie vor) versprochenen Erstreckung der Selbstverwaltung auch auf staatliche Aufgaben durch das Mittel der Rahmenvorgaben (die aber dann in der Praxis doch nicht intensiv genutzt worden sind). In der Gesetzesbegründung hieß es, mit dem Hochschulzukunftsgesetz werde eine neue Governancestruktur geschaffen, die Land und Hochschule wieder stärker zusammenführe.109 Der Bonner Hochschulrat unter seinem neuen Vorsitzenden Prof. Dr. Dieter Engels merkte dazu in einer »Erste(n) Einschätzung des Entwurfs eines Hochschulzukunftsgesetzes (HZG NRW)«,110 die dem Land »ein gewisses Bedürfnis nach Planung und Steuerung« durchaus konzediert, kritisch an: »Aber der Glaube, dass hochschulübergreifende Planung zu besserer Erfüllung der Kernaufgaben der Hochschulen führen werde, ist verfehlt. Gute Ergebnisse in Forschung und Lehre hängen nicht von der Landesplanung, sondern von dem Engagement der Angehörigen der Universität ab, die – so ist das grundgesetzliche Leitbild – über autonom zu gestaltende Freiräume in Forschung und Lehre verfügen müssen. Wissenschaftliche Kreativität lässt sich weder bürokratisch planen noch staatlich verordnen.«
Welche Spielräume für die Governancestruktur gewährte das neue Gesetz der Autonomie der Hochschulen? – Die Grundordnung durfte »nach Maßgabe dieses Gesetzes und ausschließlich zur Regelung der dort bestimmten Fälle« erlassen werden. (§ 2 Abs.4.Satz 1 HG 2014). Es konnten also nur noch Regelungen zu benannten gesetzlichen Vorschriften erlassen werden. – Das Hochschulzukunftsgesetz kehrte zum Rektorat als Regelform der Hochschulleitung zurück, ließ aber der Grundordnung Raum, das Leitungsorgan als Präsidium zu bezeichnen – wobei der Unterschied bloß terminologisch war. Dem Rektor konnten nach wie vor die Richtlinienkompetenz oder ein Veto-Recht in der Grundordnung zugestanden werden, wie das Rektorat auch nach dem Ressortprinzip organisiert werden konnte. sowie Fragen der Forschung sein. Für die Hochschulentwicklungsplanung ist der Landeshochschulentwicklungsplan verbindlich«. Die Vorschrift atmet den Optimismus von Planern, die meinen, die Komplexität, wie sie zum Beispiel aus unkoordinierten Berufswahlund Studienort-Entscheidungen entsteht, planerisch in den Griff bekommen zu können. 109 Begründung des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG) vom 16. September 2014, LT-Drs. 16/1366. 110 Ohne Datum, Anlage zum »Jahresbericht 2015 des Hochschulrates der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität,« dort S. 2.
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– Für die Rektoratszusammensetzung eröffnete das Gesetz einen Spielraum für den Kreis möglicher Amtsinhaber. Ein Prorektor sollte auch aus dem Kreis der Juniorprofessoren oder aus den weiteren Statusgruppen unter Einschluss der Studierenden gewählt werden können. – Die Wahl des Rektors wurde nun einer Hochschulwahlversammlung anvertraut, die als joint committee aus Senat und Hochschulrat konzipiert war. Ein Wahlvorschlag muss die Mehrheit »in beiden Häusern« der Versammlung finden. Das gleiche galt für eine etwaige Abwahl. Vorbereitet wurde die Wahl durch eine Findungskommission. – Das Kompetenzgefüge blieb im Wesentlichen unverändert. Das das Gesetz kennzeichnende Planungsvertrauen zeigte sich auch auf der Mikro-Ebene. Das Rektorat entwirft auf der Basis vom Senat gebilligter Planungsgrundsätze einen Hochschulentwicklungsplan, der allerdings unter ministeriellem Genehmigungsvorbehalt steht und mit dem Landeshochschulentwicklungsplan in Übereinstimmung stehen muss, aber seinerseits in dieser genehmigten Form im Landeshochschulentwicklungsplan berücksichtigt wird.111 – Der Hochschulrat durfte auch weiterhin bis zur Hälfte der Mitglieder intern besetzt werden. Seine Kompetenzen blieben – bis auf die Veränderung bei der Rektorwahl – weitgehend unverändert. Die wirtschaftliche Kontrollfunktion gegenüber dem Rektorat wurde tendenziell verstärkt. – Was die Zusammensetzung von Kollegialgremien (Senat und Fachbereichsräte) betrifft, ging das Gesetz als Grundsatz von der Parität der Gruppen aus (also von der Viertel-Parität), soweit nicht Angelegenheiten in Forschung und Lehre betroffen waren.112 Die Grundordnung konnte von diesem Modell begründet – unter Genehmigungsvorbehalt des Ministeriums – abweichen. – Das Zuständigkeitskonzept des Senats blieb unverändert. An wesentlichen Fragen der Zukunftsgestaltung wurde der Senat nur empfehlend oder beratend beteiligt, zum Beispiel am Abschluss der Hochschulverträge. Auch am Erlass des bindenden Hochschulentwicklungsplans war der Senat nur dadurch beteiligt, dass er die Planungsgrundsätze zu billigen hatte. Das Rektorat war alleiniger Autor des Hochschulentwicklungsplans. Das passive Wahlrecht des Vorsitzes zu regeln, überließ das Gesetz der Grundordnung. Das Hochschulgesetz sah vor, dass die Grundordnung die Berufung eines Hochschullehrers von der »Zustimmung« des Senats abhängig machen darf. 111 Der Bonner Hochschulrat unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dieter Engels hat dazu in der Anlage zu dem »Jahresbericht des Hochschulrates der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität«, S. 3 in einer Fn. angemerkt: »Damit entsteht ein wunderbarer Kreislauf: Der Landeshochschulentwicklungsplan berücksichtigt den Hochschulentwicklungsplan, der aber mit dem Landehochschulentwicklungsplan übereinstimmen muss.« 112 Dieser Vorbehalt ist immer noch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Niedersächsischen Vorschaltgesetz geschuldet, BVerfGE 35, 79 Ls. 8.
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Das Hochschulgesetz in der Fassung des Hochschulzukunftsgesetzes musste von der Universität nunmehr vollzogen werden, obwohl nach Erlass des Urteils zur Medizinischen Hochschule Hannover113 einigermaßen evident war, dass das Gesetz verfassungswidrig war.114 Das Ministerium gab sich gleichwohl gewiss, dass das Hochschulzukunftsgesetz den Anforderungen der Verfassung genüge. Damit ist klar, dass nach dem Regierungswechsel im Frühjahr 2017 zu einer schwarz/gelben Koalition auch die neue Amtsinhaberin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft Isabell Pfeiffer-Poensgen die Traditionslinie fortsetzen wird, dass der Ministerwechsel auch einen Hochschulgesetzwechsel nach sich zieht. Traditionell versucht die Universität herkömmliche Regelungsstrukturen der Kollegialität zu bewahren und erweist sich darin als modern, weil sie damit die Verfassungsrechtslage trifft.115 Das zeigte schon der erste Punkt, die gesetzlich beabsichtigte Engführung der Grundordnungskompetenz. Aus der gesetzlichen Auskunftspflicht des Rektors und aus den Wahl- und Abwahlvorschriften leiteten die vorbereitende Kommission und der Senat – bisher – ab, dass dem Senat die aus der Parlamentspraxis abgeleiteten Kontrollrechte zustehen müssen – obwohl die einschlägigen Gesetzesnormen dem Grundordnungsgeber keinen entsprechenden Regelungsauftrag erteilen. Die Variante, das Rektorat als Präsidium firmieren zu lassen, wurde auch jetzt nicht in Erwägung gezogen. Nach durchaus kontroverser Diskussion wurde dem zukünftigen Rektor Michael Hoch, (damals schon rector electus als Nachfolger von Jürgen Fohrmann), die Möglichkeit eröffnet, die Rektoratsarbeit mit Hilfe der Richtlinienkompetenz zu steuern. Die Möglichkeit, zu einem Ressortprinzip übergehen zu wollen, wurde dem Rektor nicht verschlossen, der Senat behielt sich aber in dieser Frage das letzte Wort vor. Die Grundordnung eröffnete den anderen Statusgruppen (Wiss. Mitarbeiter, Studierende, Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung) das passive Wahlrecht für das Amt eines nichthauptamtlichen Prorektors. Auch ein Juniorprofessor könnte in das Rektorat berufen werden. Für das Wahlgeschehen hat die Grundordnung naturgemäß kaum Spielräume, weil die Wahl einer (parlaments)gesetzlichen Regelung bedarf. Den schmalen Raum in der Frage, wer in der Hochschulwahlversammlung den Vorsitz führen soll, nutzte die Grundordnung für eine kleine Akzentverschiebung hin zum Senat, indem der Se-
113 Urteil v. 24. Juni 2014, BVerfGE 136, 338. 114 Siehe dazu das der Landesrektorenkonferenz erstattete Gutachten von Wolfgang Löwer/ Christian von Coelln/Klaus Ferdinand Gärditz, Verfassungskonformität des Hochschulzukunftsgesetzes vom 16. September 2014, 2017 unv. 115 Siehe die Grundordnung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, v. 11. September 2015, Amtl. Bek., 45. Jg. Nr. 39 v. 17. September 2015.
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natsvorsitzende – und nicht der Hochschulratsvorsitzende – zum Vorsitzenden bestellt wurde. Der Senat hielt für die Besetzung des Hochschulrates nach kontroverser Diskussion über die Alternative, ihn nur extern zu besetzen, an der Lösung fest, ihn mit sieben externen und drei internen Mitgliedern zu besetzen. Auch der Bonner Hochschulrat hat in einem Papier zur Einschätzung der Reform nachdrücklich betont,116 die Mitgliedschaft von Angehörigen der Hochschule, die die Probleme vor Ort bestens kennten und zu ihrer Lösung beitrügen, sei unverzichtbar. Naturgemäß war die Frage der Senatszusammensetzung für den 12:11 (zwölf Hochschullehrer, elf Sitze für die anderen Statusgruppen) zusammengesetzten Senat nicht leicht zu lösen, wenn eine andere Lösung als die Viertel-Parität angestrebt werden sollte, weil die Grundordnung nur mit einem qualifizierten Quorum von zwei Dritteln des Gremiums verabschiedet werden konnte. Ein Kompromiss konnte dadurch erreicht werden, dass der Senatsarbeit Kommissionen vorgeschaltet wurden, die dem Senat zur Vorbereitung einer Entscheidung Vorschläge unterbreiteten; diese Kommissionen erarbeiteten die Vorschläge grundsätzlich in viertelparitätischer Besetzung. Der Senat erhielt so gut vorbereitete Entscheidungsvorschläge. Das Gewicht der Kommissionsvorschläge wurde überdies dadurch erhöht, dass der Senat, wenn er einem Vorschlag nicht folgen mag, diesen mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder zur erneuten Beratung an die Kommission zurückverweisen kann mit der Auflage, dass die Kommission sich mit der Senatsauffassung auseinandersetzen muss, oder der Senat fasst mit mindestens 13 Stimmen einen von der Kommissionsempfehlung abweichenden Beschluss. Das Ministerium hat diese Kommissionslösung genehmigt. Die Senatszuständigkeiten sind für die Grundordnung indispensibel. Die Kontrollkompetenzanreicherung ist oben schon erwähnt. Der Regelungsspielraum für das passive Wahlrecht des Vorsitzenden wurde dahingehend genutzt, dass der Vorsitzende der Gruppe der Hochschullehrer angehören muss. Schlussendlich korrigierte die Grundordnung die, wenn auch gut gemeinte, so doch einigermaßen unsinnige gesetzliche Regelung, dass der Senat einer Berufungsentscheidung »zustimmen« muss. Die rechtlich nicht konditionierte Zustimmung oder Nichtzustimmung zu einer Listenentscheidung eines Fakultätsvorschlages kraft des freien Mandats der Senatsmitglieder vernachlässigte das Fachprinzip, das Berufungsentscheidungen steuern soll, statt über Berufungen aus angemaßtem Fremdwissen zu entscheiden. Die Senatsbefassung stellt für Berufungsentscheidungen Transparenz her, weil die Berufungsent116 Anlage zum »Jahresbericht 2015 des Hochschulrates der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität«, S. 5.
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scheidungen dann vor der Senatsöffentlichkeit erklärt werden müssen. Die fachliche Einschätzung kann der Senat hingegen nicht ersetzen. Deshalb wählte die Grundordnung die Lösung, dass das Rektorat vor einer Berufungsentscheidung das Votum des Senats einholen muss. Wenn das Rektorat vom Votum des Senats abweichen will, muss es die Gründe hierfür schriftlich darlegen. So wird für das Berufungsverfahren in der Kooperation von Fakultäten, Senat und Rektorat ein Stück gesichert, dass Berufungsverfahren nicht in einer Black Box abgewickelt werden. Gesetzlich eingeführte Abgaben können durch Gesetz wieder abgeschafft werden. Die neue Landesregierung musste nach dem Wahlkampf zwei Versprechen erfüllen: Erstens die Abschaffung der Gebühr und zweitens die unübersehbar erreichte Verbesserung der Studienbedingungen nicht zu gefährden, also den Gebührenausfall zu kompensieren. Wiederum kann die Politik ein solches Gesetz nicht als »Gesetz zur Aufhebung der Studienbeitragserhebung« bezeichnen, sondern muss nach ihren kommunikativen Eigengesetzlichkeiten einen positiven Gesetzesnamen suchen. Die Rede ist vom »Gesetz zur Verbesserung der Qualität in Lehre und Studium an nordrhein-westfälischen Hochschulen«.117 Das Land orientierte sich für die Kompensation am tatsächlichen historischen Bestand des Gebührenaufkommens und versprach eine jährliche Kompensation von 249 Millionen Euro, die zweckgebunden für die Qualitätsverbesserung eingesetzt werden müssen. Der Terminus »Qualitätsverbesserungsmittel« ist allerdings insoweit ein Euphemismus, als mit dem Geld nur kurzfristig – bei statischem Bestand der Mittel – der erreichte Stand gesichert werden konnte, weil eine haushaltbezogene Dynamisierung der Mittel nicht versprochen war. Das Geld wurde anteilig auf die Hochschulen verteilt. Für das Winter-Semester 2011/12 wurden erstmals 124,5 Millionen Euro ausgekehrt.118 Der Anteil der Universität belief sich auf 6.995.792 Euro. Damit konnte die Akte Studienbeiträge einstweilen geschlossen werden. Wenn sie erneut auf die Tagesordnung gelangen sollte, wird das Studienbeitragsgesetz wohl nicht mehr Pate stehen; vermutlich wird nur noch über nachgelagerte Studiengebühren diskutiert werden, die an den beruflichen Erfolg des Absolventen anknüpfen. Eigenartiger Weise sind die Langzeitstudiengebühren, die die Ministerin Kraft eingeführt hatte, um die Anreize zu vermindern, im Studentenstatus ohne die Inanspruchnahmen von Studienleistungen zu verharren, nicht wieder eingeführt worden. Die »Ziel- und Leistungsvereinbarung (ZLV) IV« für die Jahre 2012–2013 vom 117 Studiumsqualitätsgesetz vom 1. März 2011, GV. NRW. S. 165 i.V.m der Verordnung zum Studienqualitätsgesetz (Studiumsqualitätsverordnung) v. 6. Juli 2011, GV. NRW. S. 333. 118 Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 21. Juni 2011, Wissenschaftsministerin Schulze: Die Landesregierung hält Wort – das Geld folgt den Studierenden.
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18. Januar 2012 wie auch der Hochschulvertrag 2015–2016 lassen die historische Differenz zwischen der kameralistisch-etatistisch organisierten Hochschule unter staatlicher Aufsicht – ein Modell das bis etwa zum Jahrtausendwechsel Bestand hatte – und der Universität unter dem Steuerungsregime des New Public Management deutlich werden. Im herkömmlichen Modell folgen die Mittel im Wesentlichen dem durch eingerichtete Personalstellen et cetera definierten Bedarf, der in der Lehre durch unter staatlichem Genehmigungsvorbehalt stehende Studiengänge entsteht. Die Auslastung der Studiengänge hat auf die Höhe der Haushaltsmittel keinen unmittelbaren Einfluss. Forschungsschwerpunkte und Profilierungen beruhen auf den Berufungsentscheidungen der Fakultäten, die in Berufungsvereinbarungen monetär – und langfristig verbindlich – hinterlegt werden. Im Steuerungssystem des New Public Management mit dem vermutlich wichtigsten Mittel der »konsensualen Vereinbarung« (Zielvereinbarung, respektive neuerdings Hochschulvertrag) entfaltet das Land – nach Vertragsschluss normativ verbindlichen – Einfluss in einer bis dato nicht gekannten Intensität. Dabei muss man sich zumindest darüber klar sein, dass diese Verträge nicht unter den Gegebenheiten der Parität der Vertragspartner geschlossen werden. Die relative Richtigkeitsgewähr des Vertrages, von der nur unter der Bedingung der Parität ausgegangen werden kann,119 steht diesen Verträgen jedenfalls nicht zur Seite, weil das Land im Falle des Scheiterns der Verhandlungen einseitig regelnd tätig werden kann. Es verwundert deshalb nicht, dass die Zielvereinbarungen in den inhaltlichen Anforderungen in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine zunehmende Regelungsdichte entfaltet haben. Die ZLV 2012-2013 umfasste bereits 39 Seiten, die erste war mit sechs, die zweite mit acht, die dritte mit 21 plus vier Seiten Anlagen ausgekommen. Das Land verlangt in der ZLV sehr präzise, welche Aufnahmekapazität die Universität anzubieten hat – ausgedrückt in der Zahl 4.677 für die gesamte Universität. Wird dieser Wert unterschritten, werden der Universität 20.000 Euro pro nicht besetzten Studienplatz vom Zuschuss für den laufenden Betrieb abgezogen. Es wird eine detailreiche Qualitätsverbesserungsstrategie für die Lehre vereinbart bis in die Einzelheit, dass die Studierendenbefragung »um Paper-Pencil-Befragungen« ergänzt werden muss, weil der elektronische Rücklauf als zu gering eingeschätzt wird. Weitere Themen sind etwa die Einrichtung einer Bonner Zentralstelle für Hochschuldidaktik, der Ausbau des Online-Self-Assessments, die Verbesserung der Betreuungsrelation durch konkret benannte vorgezogene Berufungen, Angebote für »non-traditional-students« (Teilzeitstudiengänge) und anderes mehr. Naturgemäß setzt das meiste 119 Walter Schmidt-Rimpler, Bonner Ordinarius für Bürgerliches und Wirtschaftsrecht seit 1946.
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auf »Ohnehin-Projekten« der Universität auf, der Mitteleinsatz wird aber über den Vertrag verbindlich gemacht. Für die Medizin gibt es einen zusätzlichen Abschnitt mit Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung im Fach Medizin. Im Abschnitt zur Forschung und Entwicklung kann die Universität auf ihre Profilschwerpunkte verweisen; sie verpflichtet sich vertraglich, zum Beispiel NRW-Forschungsschulen mit 100.000 Euro aus Zentralmitteln zu unterstützen sowie die Zahl von DFG-Graduiertenschulen um mindestens zwei zu erhöhen (mehr als eine Bemühenszusage ist hier allerdings nicht möglich). Auch der Umfang der Beteiligung an der Exzellenzinitiative wird vertraglich geregelt. In Bezug auf die Forschung gibt es eine spezielle Vereinbarung für das Fach Medizin. Weiter werden Anstrengungen im Sektor des Wissens- und Technologietransfers vereinbart. Dazu gehören auch Sätze wie: »Die Hochschule wird die aus der Wirtschaft eingeworbenen Drittmittel in Bezug auf das Vorjahresvolumen um 5 % steigern.« Oder im Bereich der Patentanmeldungen: »Die Hochschule steigert die Prioritätsanmeldungen um 5 %«. Das klingt so, als könnte man wissenschaftlichen Ideenreichtum herbeibefehlen. Im Rahmen des Gleichstellungsziels werden für jede Fakultät Zielnormen für die Besetzung mit Frauen der im Vertragszeitraum freiwerdenden Stellen vereinbart. Professuren mit Gender-Denomination werden im Vertrag festgeschrieben (was den betroffenen Fakultäten die Kompetenz entzieht, über die Denomination von Stellen zu verfügen). Die Themenliste ist damit lange nicht erschöpft. Die knappe Übersicht zeigt, dass die Universität dem Land gegenüber eine Fülle von Bindungen übernimmt, die ihr die autonome Neudisposition für die Dauer des Vertrages entzieht. Das Land verspricht auf der Gegenseite nur, was schon aus der Anstaltslast des Landes für seine Hochschulen folgt. In § 3 des Vertrages heißt es dazu nur lapidar : »Das Land NRW stellt eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung der Hochschule nach Maßgabe des Landeshaushalts zur Verfügung. Mit den Mitteln des Haushalts verwirklicht die Universität Bonn die in der Zielvereinbarung getroffenen Vereinbarungen.« Knapp zusammengefasst: Es gibt für die Zielerreichung keinen zusätzlichen Euro aus dem Landeshaushalt. Im »Hochschulvertrag 2015-2016« fand sich die Prioritätenliste der Landespolitik, die auf eine Erhöhung der Erfolgsquote im Studium zielt, sehr deutlich wieder. Es ging um eine gezielte Verbesserung der Betreuungsrelation, die Anpassung von Studien- und Prüfungsleistungen, die Anpassung der Arbeitsbelastung (Workloads), Angebote unterstützender Lehrveranstaltungen außerhalb des curriculums sowie um Angebote zur didaktischen Weiterbildung des Lehrpersonals. Dem Qualitätsmanagement der Lehre wurde eine geradezu »heilsbringende« Wirkung beigemessen. Das zeigte sich auch im Kapitel »Studienerfolg«. Im imperativen Präsens heißt es:
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»Der hochschulweite Studienerfolg in den Bachelor-Studiengängen wird signifikant gesteigert. […] Angesichts der politischen Forderung nach einer Senkung der Abbruchquote um 20 % in der laufenden Legislaturperiode (Koalitionsvertrag) wird bis zum WS 2016/17 eine Reduzierung der jeweils korrespondierenden Schwundquote (Schwundquote = 100 % - Erfolgsquote) von rund 20 % auf Landesebene verfolgt.«
Zum Sektor »Forschung und Entwicklung« enthielt der Vertrag keine eigenständigen Fortentwicklungsideen. Andere Themenfelder wie Gender Mainstreaming, Diversity, Internationalisierung et cetera blieben Konstanten der Vereinbarung. Für die Finanzierung wurde die Klausel aus der Zielvereinbarung IV wiederholt. Die Universität hat zum Hochschulvertrag zum 31. Dezember 2016 einen Abschlussbericht vorgelegt.120 Der Bericht weist nach, dass die Universität die versprochenen Maßnahmen insgesamt durchgeführt hat. Der Leser erfährt allerdings nichts dazu, ob es gelungen ist, die Schwundquote signifikant zu senken. Was Finanzierungsvereinbarungen wirklich wert sind, zeigte ein »multilateraler Vertrag« (Hochschulvereinbarung), den das Land mit seinen Hochschulen als Kollektivvertrag geschlossen hat.121 Basis der Finanzierung der Hochschulen von 2011 bis 2015 war der Haushaltsansatz 2010. Besoldungs- und Tarifanpassungen wurden in jedem Jahr insoweit berücksichtigt, als sie über einen Eigenanteil von 0,8 Prozent hinausgehen. Also: Das Haushaltsvolumen wird jährlich um 0,8 Prozent gemindert, weil die Universität diesen Anteil an Tariferhöhungen aus den vorhandenen Mitteln erwirtschaften muss. Von sonstigem Inflationsausgleich ist erst gar nicht die Rede. Das Versprechen des Landes bestand nun darin, soweit eine Landesregierung dies überhaupt abgeben kann, dass die Hochschulen von sonstigen allfälligen Etatkürzungen verschont bleiben sollen. Beschwichtigend wies der Vertrag darauf hin, dass den Hochschulen die Qualitätsverbesserungsmittel »zusätzlich« zur Verfügung stünden. Das ist nun wieder eine eigenwillige Betrachtung, weil es sich dabei um Kompensationsmittel für ausfallende Studienbeiträge handelt, die erreichte Verbesserungen der Studienbedingungen perpetuieren sollten. Es verwundert deshalb nicht, dass Rektor Hoch in seiner Rede zur Eröffnung des Akademischen Jahres 2015/16 die Grundfinanzierung der Hochschulen als »weiterhin chronisch darbend« beschreiben musste.122 Am 26. Oktober 2016 ist zwischen der Landesregierung und den Hochschulen des Landes die »Hochschulvereinbarung NRW 2021« vereinbart worden, die die Grundfinanzierung der Hochschulen auf der Basis des Haushaltsniveaus 2016 120 Abschlussbericht zum Hochschulvertrag 2015–2016, Stand Dezember 2016. 121 »Hochschulvereinbarung NRW 2015« (Anm. des Verf.: Die Anführungszeichen finden sich im Original) zwischen der Landesregierung und den Hochschulen des Landes vom 5. Juli 2011. 122 Hoch, Ansprache, S. 5.
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verstetigt und insofern verbessert, als die Tarifergebnisse jetzt voll aus dem Landeshaushalt ausgeglichen werden. Die Mittel aus dem Hochschulpakt, mit deren Hilfe der Bund die Überlast der Universitäten moderiert, werden in die Hochschulhaushalte integriert. Die Hochschulen führen 0,9 Prozent ihrer Grundfinanzierungsmittel in einen Zukunftsfonds ab, die das Land gezielt für Projekte an die Hochschulen zurückfließen lassen wird. Ansonsten werden die Themen aus den anderen Vereinbarungen (Senkung der Abbrecherquote, Verbesserungen bei Gleichstellung und Diversity et cetera) global verweisend rezipiert. Seit Februar 2015 kann die Universität den gesetzlich geforderten Hochschulentwicklungsplan vorweisen.123 Schon der schiere Umfang von 76 DIN A4 Druckseiten lässt erahnen, dass der Plan ein umfassendes Kompendium zur Lage der Universität im Jahre 2015 enthält, dass aber gewiss nicht mit planerischen Aussagen in dieser Breite zu rechnen ist. Der Hochschulrat berichtete insoweit auch in seinem Jahresbericht für 2014,124 dass insbesondere die Äußerungen der Fakultäten ursprünglich zu wenige Aussagen über die zukünftige Entwicklung enthielten. Gegliedert ist der Plan in zwei Teile, dessen erster mit »Universität« überschrieben ist und dessen zweiter den Fakultäten gewidmet ist. Das Rektorat Fohrmann nutzte den Hochschulentwicklungsplan (HEP) – insoweit Formulierungen und Ideen des Rektorats Winiger aus dem Hochschulentwicklungsplan 2008 aufgreifend – in beeindruckender Weise zur Reflektion dessen, was die Universität Bonn nach ihrem Selbstverständnis sein will und leisten will.125 Das seit dem Rektorat Borchard durchgehend auch dem Land gegenüber durchgesetzte Profil einer Forschungsuniversität wurde in Leitsätzen ausbuchstabiert, die die Universität als Ort kritischer Reflexion in wissenschaftlicher Freiheit charakterisieren; sie pflegt auf der Basis der Disziplinarität die interdisziplinäre Zusammenarbeit und den internationalen Austausch. Sie ist Forschungsuniversität, die höchsten Qualitätsmaßstäben verpflichtet ist, was die Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis einschließt. Sie ist sich der Bedeutung der Grundlagenforschung als Basis für die anwendungsorientierte und translationale Forschung bewusst. Sie hält das Prinzip wissenschaftlicher Bildung für den Nachwuchs in den akademischen Berufen für zwingend, um die Kompetenz der Absolventen, forschend eigenständige Problemlösungen für neue Fragestellungen erarbeiten zu können, zu ermöglichen. Die Bachelor-Phase bleibt akademisches, also forschungsorientiertes Studium, die Master-Phase ist forschungsgeleitet. Sie verfolgt das Ziel einer »international operierenden« 123 Hochschulentwicklungsplan 2015–2020, 2015. 124 Anlage zum »Jahresbericht 2015 des Hochschulrates der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität«, S. 3 unter 3. und 4. 125 HEP, S. 6–8.
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Forschungsuniversität in allen Handlungsfeldern ebenso, wie sie als »kooperationsorientierte« Forschungsuniversität für tragfähige Kooperationen im gesamten Wissenschaftssektor offen ist. Diese grundsätzlichen Selbstvergewisserungen werden um »Maximen zu Wissenschaft und Forschung« und um »Maximen zu Studium und Lehre« ergänzt. Neben dem Bericht über die Maßnahmen, die die Universität zentral zur Sicherung des Profils der Universität als Forschungsuniversität mit ihren Konsequenzen für die Lehre als der Forschung gleichrangige Aufgabe etabliert hat, enthielt der Abschnitt über Infrastruktur und Ressourcen am ehesten planerische Aussagen. Die Universität wies Anfang 2013 einen strukturellen Fehlbedarf in Höhe von acht Millionen Euro auf,126 ab 2018 muss sie überdies aus der Exzellenzinitiative Folgekosten in Höhe von fünf Millionen Euro stemmen.127 Es liegt auf der Hand, dass zukünftig Lösungen nur über (Teil-)Schließungen von Einrichtungen und auch über Kürzungen im Bereich der Professuren gefunden werden können. Der normativ verbindliche »Landeshochschulentwicklungsplan (LHEP) 2017-2021«128 lässt für den Leser auf 60 Seiten deutlich werden, dass der Wille zur Planung das eine – und eine effektive Planaufstellung das andere ist. Der Plan fußt nicht auf einem bezifferten Finanzvolumen der Zukunft, das bestimmte strategische Ziele unterlegen würde und damit die Universitäten zu einer Zielverfolgung jenseits des Status quo ertüchtigen könnte. Wie auch der Hochschulentwicklungsplan der Universität beschreibt der LHEP den in NordrheinWestfalen erreichten Stand und benennt strategische Handlungsfelder wie die Steigerung des Studienerfolgs, die Digitalisierung der Lehre, den Ausbau der international wettbewerbsfähigen Forschung. Die konkreteste Aussage ist die, dass die Aufnahmekapazität der Fachhochschulen zu der der Universitäten sich zukünftig wie 40:60 verhalten soll. Von einer Verklammerung der universitären Pläne und der Planung auf Landesebene ist schon wegen der ressourcenlosen Abstraktionshöhe nichts erkennbar. Das Rektorat Winiger hielt dafür, dass eine Volluniversität wegen der gesellschaftlich herausragenden Bedeutung, Lehrer qualitätsvoll auszubilden, geradezu verpflichtet sei, Lehramtsstudiengänge anzubieten. Auch der Hochschulrat thematisierte die Sinnhaftigkeit eines solchen Wiedereintritts.129 Erste Gespräche mit dem Schulministerium gaben den Hinweis, dass man die Reetablierung in Bonn besonders begrüßen würde, weil die frühere Lehrerausbildung in Bonn
126 Selbst dieser Fehlbetrag kommt nur zu Stande, wenn Sparmaßnahmen, die zunächst nur temporär greifen sein sollten, verdauert werden; HEP, S. 33f. 127 HEP, S. 33. 128 Der LHEP ist als Anlage der VO über den Landeshochschulentwicklungsplan beigefügt (Landeshochschulentwicklungsplan-Verordnung – LHEPVO NRW, GV. NRW. 2016 S. 872). 129 Siehe die Jahresberichte 2009, 2010 und 2011.
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besonders qualitätsvoll gewesen sei.130 Das Wissenschaftsressort stand dem Projekt eher skeptisch bis ablehnend gegenüber, ohne die Gründe dafür präzise zu benennen. Das Thema »Lehrerausbildung« war schwierig, weil die Universität zwar vielfältige fachwissenschaftliche Ausbildungskompetenz aus ihrem Lehrprogramm nachweisen konnte, aber keine fachdidaktische. Überdies war die Organisation der Lehrerausbildung schwierig, weil eine Fakultätslösung dafür nicht in Frage kommt und das »Andocken« an eine Fakultät – etwa die Philosophische – schwierig ist, weil in die Lehrerausbildung auch alle anderen Fakultäten involviert sind, soweit der Kanon der schulischen Fächer deren Einbeziehung verlangt. Die Fakultäten waren jedenfalls bereit, sich im Rahmen ihrer Kompetenzfelder an der Lehrerausbildung zu beteiligen. Das Rektorat Fohrmann löste das Problem der fachdidaktischen Ausbildung und schuf mit dem Bonner Zentrum für Lehrerbildung (BZL) einen adäquaten Organisationsrahmen. Das Zentrum ist eine rektoratsunmittelbare Einrichtung, die das Studium in den Bildungswissenschaften hinsichtlich der Studienangebote unter Einschluss der Praxiselemente koordiniert, die Prüfungsorganisation sichert, die Studierenden berät und sonstige Querschnittsaufgaben wahrnimmt. Zum Wintersemester 2011/12 konnten die konsekutiven Studiengänge in den Bildungswissenschaften zur qualitätsvollen Lehrerausbildung wiederaufgenommen worden. Für die 2014 beginnende neue fünf-jährige Amtsperiode standen die Mitglieder des ersten Hochschulrates nicht mehr zur Verfügung. Die aus Senatsvertretern, Mitgliedern des bisherigen Hochschulrates und des Ministeriums paritätisch (je zwei Mitglieder) besetzte Findungskommission konnte sich nach dem Gesetz für die externen Mitglieder in einem Spektrum orientieren, das aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft131 und der »organisierten Wahrnehmung der Interessen gesellschaftlich relevanter Gruppen«132 bestand. Die Findungskommission schlug Mitglieder aus den Sektoren Wissenschaft und Kultur unter Betonung auch ökonomischen Sachverstandes vor. Prof. Dr. Dieter Engels, in Bonn ausgebildeter Jurist, war zum Berufungszeitpunkt Präsident des Bundesrechnungshofes, in Speyer lehr- und forschungserfahren als Honorarprofessor, in Bayreuth mit Hochschulratserfahrung versehen; er wurde von den Mitgliedern des Hochschulrates zum Vorsitzenden gewählt. Das Wahlverfahren für den neuen Hochschulrat durch Senat und Ministerium verlief reibungslos; Vorbehalte gegen die Institution waren durch das gute Zusammenwirken des Rektorats 130 Quelle: Zeitzeugenschaft des Verf., der als Prorektor die Gespräche geführt hat. 131 Die Gesetzesbegründung legt Wert darauf, dass der Begriff der Wirtschaft auch die Sozialpartner meine, also insbesondere auch Gewerkschaftsvertreter, LT-Drs. 16/5410 (Zu § 21 Abs. 3). 132 Nach der Gesetzbegründung LT-Drucksache 16/5410 sind damit Vertreter von Nichtregierungsorganisationen gemeint.
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Abb. 43: Jürgen Fohrmann, Germanistik, Rektor 2009–2015
Fohrmann mit dem bisherigen Hochschulrat ausgeräumt. Der Hochschulrat tagte regelhaft zusammen mit dem Rektorat (das ist gesetzlich vorgesehen) und auch dem Senatsvorsitzenden und der Gleichstellungsbeauftragten. Weitere Gäste werden ad hoc hinzugebeten.133 Die vielleicht wichtigste Aufgabe des neuen Hochschulrates war die Wahl eines neuen Rektors. Prof. Dr. Fohrmann stand für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung.134 Natürlich war die Stelle ausgeschrieben worden, so dass 133 Siehe die Jahresberichte 2014 und 2015 des Hochschulrates der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität. 134 Die Gründe für eine solche Entscheidung – vielleicht jenseits persönlicher nicht kommunizierter – finden sich in dem Beitrag von Fohrmann, Stellungswechsel, S. 27f. Dort heißt es nach einer Beschreibung der poly-kontextuellen Kommunikation des Rektorats in Wahr-
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auch eine externe Besetzung möglich gewesen wäre. Die Findungskommission hatte sich auf ein Profil verständigt, das durch vier Kriterien bestimmt war : Der Rektor sollte ein ausgewiesener Wissenschaftler sein, der auf seinem Feld herausragende Leistungen von weltweiter Beachtung erbracht haben soll, der zudem international vernetzt war ; er sollte Managementerfahrung haben und Aspekte der Verbundforschung im Blick haben:135 Damit fiel die Wahl auf den Biologen Prof. Dr. Michael Hoch als 143. Rektor der Universität Bonn.136 Im Jahr 2016 hatten Hochschulrat und Senat die weitere schwierige Aufgabe, für die Universität die Position des Kanzlers neu besetzen zu müssen. Während der gesamten Berichtszeit dieses Abschnitts der Universitätsgeschichte war der Jurist Dr. Reinhardt Lutz137 Kanzler der Universität gewesen. Die Neubesetzung der Kanzlerposition ist heute deshalb kompliziert, weil das Amt keine Lebenszeitstelle mehr ist, sondern eine Verpflichtung für sechs Jahre. Das mindert das Risiko mit Fehlbesetzungen, verkleinert aber auch das Feld qualifizierter Bewerber, weil die Höhe der Vergütung der Kanzlerstelle die limitierte Amtszeit und das Abwahlrisiko nicht reflektiert. Die Findungskommission schlug Holger Gottschalk,138 von Hause aus Diplom-Kaufmann, seit 2012 Kanzler der GoetheUniversität in Frankfurt, zur Wahl als Kanzler vor. Senat und Hochschulrat sind
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nehmung der Leitungsfunktion: »Das alles ist nicht Wissenschaft und setzt häufig auch nur in geringem Maße eine spezifische Wissenschaft voraus, allerdings schon ein persönliches ›Wissensarchiv‹, auf das man zurückgreifen kann, und die Kenntnis universitärer Prozesse und Usancen. Wo es auf Wissenschaft beruhte, wird dieses Archiv während der Hochschulleitungszeit nicht ausgebaut; man agiert aus dem Memoria. Dies führt zu einer allmählichen Entfernung von fachbezogenen, selbsterworbenen wissenschaftlichen Zusammenhängen, eine Entfernung, die man akzeptieren muss – oder aber auch nicht. Wenn nicht, legt das in letzter Konsequenz nahe, die Leitung einer Hochschule aufzugeben.« (S. 29). Jürgen Fohrmann wollte eben »wieder in der Wissenschaft ankommen« (S. 40). So der Hochschulratsvorsitzende Prof. Dr. Engels und der Senatsvorsitzende Prof. Dr. Wernert im Bonner General-Anzeiger : »Michael Hoch: 143. Rektor der Uni Bonn. Ein Querdenker, der gerne kocht und E-Bass spielt«; www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/ stadt-bonn/Ein-Querdenker-der-gerne-kocht-und-E-Bass-spielt-article1517049.html (zuletzt abgerufen am 01. 12. 2017). Michael Hoch, geb. 1961, seit 1999 in Bonn mit der Professur für Molekulare Entwicklungsbiologie, Mitinitiator des Life and Medical Sciences Institute (LiMES), Gründer des Studiengangs Molekulare Biomedizin; LiMES zählt unter anderem die Harvard University zu ihren Kooperationspartnern. Geb. 1950, in Köln ausgebildeter Jurist, bei Karl Heinrich Friauf in Köln im öffentlichen Recht promoviert, danach mit einer Karriere im Wissenschaftsmanagement mit der Erstprägung beim legendären Aachener Kanzler Graf Stenbock-Fermor ; 1991 als stellvertretender Kanzler nach Bonn berufen, 1992 auf »Antrag« des Senats Kanzler dann für ein Vierteljahrhundert. Reinhardt Lutz gehörte von Anfang an zu jenen Kanzlern, die, obgleich noch vom Land bestellt als Sachwalter des Landes, die Sache der Universität ganz zu der ihren gemacht hatten. Geb. 1970, an der Goethe-Universität Frankfurt als Betriebswirt ausgebildet und danach im Hochschulmanagement als Betriebswirt tätig, seit 2012 Kanzler der Goethe Universität.
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dem Vorschlag gerne gefolgt. Damit wird erstmals ein wirtschaftswissenschaftlich – und nicht juristisch – ausgebildeter Kandidat Kanzler der Universität Bonn.
Vom Wehen des Mantels der Geschichte bis in die Universität als Folge der Wiedervereinigung Die Universität Bonn in der Bundeshauptstadt Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn war Universität in der anfänglich provisorisch gedachten Bundeshauptstadt Bonn, nicht Universität der Bundeshauptstadt. Sie hat in der Nachkriegszeit nie institutionelle Beziehungen zu den in Bonn ansässigen Verfassungsorganen unterhalten. Sie hat sich auch nicht zur verlängerten Werkbank des Auswärtigen Amtes durch die Verleihung von Ehrendoktorwürden machen lassen.139 Die Beziehungen zur Regierungsebene waren faktisch informeller Art: Gute Verbindungen etwa der Völkerrechtslehrer zum Auswärtigen Amt,140 kurze Wege für Studentenjobs oder Assistentenstellen oder ganz allgemein für wissenschaftliche Beratungstätigkeit ergaben sich aus der Nähe zum Regierungssitz, nicht aus institutionellen Verbindungen. Deshalb war die im Einigungsvertrag vom 3. Oktober 1990 in Art. 2141 bereits vorgezeichnete gesetzliche Entscheidung, dass das Bonner Provisorium enden solle und Berlin nicht nur Hauptstadt, sondern auch Sitz der Verfassungsorgane Bundestag und Bundesregierung (der Bundesrat sollte seinen Sitz selbst bestimmen dürfen) werden solle, aus historischer Sicht gewissermaßen zwingend – auch wenn die zeitgenössischen betroffenen Akteure das in einer hochemotionalen Debatte kontrovers beurteilt haben. Im sogenannten Berlin/Bonn-Gesetz142 erkannte der Bundestag an, dass Bonn in Wahrnehmung der Aufgaben als
139 Die Problematik der Ehrung ausländischer Staatsoberhäupter zeigte sich geradezu paradigmatisch als auf Antrag der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät 1998 dem damaligen Staatspräsidenten Venezuelas Rafael Caldera (geb. 1916, Präsident 1969–1973 sowie 1994–1999) die Ehrendoktorwürde wegen seines in der Tat hoch beachtlichen arbeitsrechtlichen Lebenswerkes verliehen wurde; bei Gelegenheit seines Staatsbesuchs in Bonn, in Gegenwart von Bundespräsident Herzog. Die Medienöffentlichkeit verwies allerdings darauf, dass die menschenrechtliche Bilanz des Politikers doch nicht so ganz, sagen wir es vorsichtig, »ohne Knitterfalten« geblieben war. 140 Erich Kaufmann, Ulrich Scheuner, Karl Josef Partsch, Christian Tomuschat. 141 Art. 2 EV lautet: »Hauptstadt Deutschlands ist Berlin. Die Frage des Sitzes von Parlament und Regierung wird nach der Herstellung der deutschen Einheit entschieden.« 142 Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur
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provisorische Bundeshauptstadt Wesentliches zum Aufbau und zur Identifikation Nachkriegsdeutschlands geleistet habe. Deshalb solle es eine faire Arbeitsteilung zwischen der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn geben. Zu der Arbeitsteilung gehört unter anderem nach § 1 des Gesetzes der Erhalt und die Förderung politischer Funktionen in den Politikbereichen Bildung und Wissenschaft, Kultur sowie Forschung und Technologie; weiter soll dazu gehören die Entwicklungspolitik wie auch internationale und supranationale Einrichtungen. Diese Arbeitsteilung spiegelt sich dann auch in den Ausgleichsmaßnahmen des Bundes für die Region Bonn (§ 6). Der Ausgleich sollte insbesondere in den Bereichen: Bonn als Wissenschaftsstandort, Bonn als Standort für Entwicklungspolitik sowie internationale und supranationale Einrichtungen wirksam werden.
Die Teilhabe der Universität an den Ausgleichsleistungen In den Rektoraten Fleischhauer und Max Huber143 sind alsbald strategische Überlegungen angestellt worden, mit welchen Konzepten sich die Universität proaktiv in die Diskussion um die Verteilung von Bundesgeld einschalten konnte.144 Im Ursprungsvorschlag sollten zwei Säulen gebildet werden: CAESAR (Center of Advanced European Studies and Research) und CICERO (Center for International Cooperation in Education and Research) waren gewissermaßen als Geschwister konzipiert. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurden die Entwicklungsziele der Universität zum »Wissenschaftsforum Bonn« zusammengefasst. Unter diesem Dach sollte es jetzt drei Säulen geben. Das auch der Technologie zugewandte ZAN (Zentrum für angewandte Wissenschaften), das ZEI (Zentrum für Europäische Integrationsforschung) sowie das ZEF (Zentrum für Entwicklungsforschung). Dieses Gesamtkonzept wurde, versehen mit einem Kostenrahmen von 900 Millionen Euro, als Vorschlag der Universität zur Entwicklung der »Wissenschaftsstadt Bonn« dem Bund (konkret Bundeskanzler Kohl) und der Landesregierung (konkret dem beauftragten Wirtschaftsminister Clement) vorgelegt; es traf dort auf Zustimmung. Es war der damalige Bundeskanzler Kohl, der Vollendung der Einheit Deutschlands (Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 (BGBl. I S. 918). 143 Die folgende Darstellung, die archivalisch nicht leicht nachzuvollziehen ist, beruht auf Erinnerungen von Rektor Huber, die er mir noch kurz vor seinem Tod übermittelt hat. 144 Nach der Einschätzung von Rektor Fleischhauer waren für Bonn mit dem Hauptstadtbeschluss prospektiv erhebliche Nachteile zu erwarten. Die Universität könne in dieser Lage einen Attraktionspunkt für die Ansiedlung neuer Industrie und hochqualifizierte Arbeitsplätze bilden. Siehe Fleischhauer, Bericht 1990/91, S. 9–18.
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in seiner Rede zum 175. Geburtstag der Universität145 das Einverständnis mit Plan und Kosten verkündete. Auch alle anderen Beteiligten (Stadt, Kreise) haben das Ergebnis als zukunftsweisend gewürdigt. Nur das zuständige Bundesfachressort, das BMBF, hatte offenbar eigene Pläne. Aus dem »Zentrum für angewandte Wissenschaften«, also gewissermaßen der Öffnung der Universität hin zu technologischen Fächern, sollte schlussendlich nichts werden, weil das BMBF die Errichtung einer privatrechtlichen Stiftung bevorzugte, die den Namen Caesar erhielt. Das Ziel der Förderung der angewandten Forschung wurde beibehalten. Damit hatte sich das universitäre Gesamtkonzept erledigt. Für die Stiftung Caesar wurde ein architektonisch beachtlicher Neubau in der Rheinaue errichtet mit glänzenden Forschungsmöglichkeiten, allerdings ohne wirklich klares Forschungskonzept. 2003 wurde Caesar eingeweiht, nur fünf Jahre später wurde die Einrichtung evaluiert; dass die Evaluierung nach so kurzer Zeit negativ ausfallen würde, war nicht wirklich eine Überraschung (und lag vielleicht auch im Interesse der die Evaluation anordnenden Stiftungsorgane, weil sie bereits andere Zukunftspläne im Kopf gehabt haben mögen, die dann auch realisiert worden sind). Man traute der Stiftung offenbar eine solitäre Existenz nicht zu. Natürlich hat die Universität sich in dieser Situation versucht ins Spiel zu bringen. Rektor Winiger war aber alsbald klar, dass der Gewinner in dem »Caesar-Spiel« die Max-Planck-Gesellschaft sein würde, der die Stiftung dann auch assoziiert worden ist. Die Universität hat dann noch versucht, eine institutionelle Kooperation für die Forschung zu vereinbaren, ohne dass dies vorerst auf große Resonanz bei dem Verhandlungspartner gestoßen wäre. Natürlich wollte sich die Max-Planck-Gesellschaft die Stiftung von 750 Millionen Euro gerne als Forschungskapital allein einverleiben.146 Da Caesar eine Art MaxPlanck-Institut am Ort darstellt, kooperieren Universität und Caesar natürlich in der Forschung. Zum Beispiel leitet der Bonner Chemiker Michael Famulok dort als Max-Planck-Fellow eine Arbeitsgruppe. Caesar und Universität treffen sich mit ihren Kompetenzen überdies kooperierend in dem 2009 gegründeten Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und in der Exzellenzinitiative. Für Bonn blieb damit das Konzept des ZEI und des ZEF. Der Senat hatte am 4. Mai 1995 einen Gründungsbeschluss für beide Einrichtungen formuliert, der die damals politisch schon im Berlin/Bonn-Gesetz aufscheinenden Themen aufgriff: Interdisziplinäre, international angelegte und kooperierende Integrationsforschung im Zentrum für Europäische Integrationsforschung und das 145 Die Rede ist im Universitäts-Archiv eigenartiger Weise nicht auffindbar. 146 Für diese Verhandlung ist Quelle wiederum das Gedächtnis d. Verf., weil ich sie als Prorektor geführt habe.
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Zentrum für Entwicklungsforschung sollte auf den gleichen Grundvoraussetzungen aufbauend, offen auch für die Kooperation mit in Bonn anzusiedelnden Einrichtungen der Vereinten Nationen, sich in der Entwicklungsforschung im Rahmen des Nord-Süd-Dialogs engagieren. Aus den Ausgleichsmitteln standen damals 120 Millionen Euro zur Verfügung. So welken Blütenträume von 900 Millionen, wie sie für die Universität angedacht waren. Die Förderung stellte sich überdies letztlich nur als Anschubfinanzierung dar, weil für diese Aktivitäten nicht, wie bei Caesar, ein großes Stiftungskapital bereitgestellt wurde, aus dessen Erträgen Forschungsaktivitäten hätten finanziert werden können. Die Universität steht bei diesen Anschubfinanzierungen immer nach Ablauf der Anschubphase vor dem Problem, ob und wie sie die Weiterfinanzierung sicherstellen will, was nach Lage der Dinge immer nur durch Sparen an anderer Stelle möglich ist. Hier schien das Problem dadurch entschärft, dass das Wisssenschaftsressort Rektor Borchard zugesichert hatte, die Finanzierung landesseitig fortzusetzten. Diese Zusage wurde aber nicht eingehalten, was das Rektorat Borchard schon vorsichtig ins Kalkül gezogen hatte und deshalb vorsorglich weitere 50 Stellen (zu den 200 Qualitätspakt-Stellen) eingezogen hatte.147 Letztlich wurde der Universität die Entscheidung bezüglich der Fortführung von ZEI und ZEF gewissermaßen aus der Hand genommen, weil die Zielvereinbarung vom 24. April 2002 in ihrem § 16 der Universität »einvernehmlich« aufgab – wobei natürlich das Rektorat Borchard für die gut funktionierenden, international reputierten Institute nicht ernstlich daran dachte, sie auslaufend zu schließen – ZEF und ZEI nach dem Auslaufen der Bundesfinanzierung mit zusammen 36 Stellen auszustatten. So werden Strukturen, die eigentlich beweglich bleiben müssten, für die Zukunft festgeschrieben. Daneben war als weiterer Strang der Ausgleichsmittel ein Vorhaben unter dem Dach der Fraunhofer-Gesellschaft vorgesehen, in das die Universität Bonn als Kooperationspartner eingebunden werden sollte, das BIT (Bonn-Aachen International Center for Information Technology). Das Projekt BIT wurde mit Stiftungskapital ausgestattet, an dem sich auch das Land Nordrhein-Westfalen beteiligte. Institutionell waren (und sind) die RWTH Aachen, die Universität Bonn und die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligt. Die Geburt erwies sich allerdings nach den Erinnerungen von Rektor Borchard als äußerst schwierig, weil sich das Land und der Bund in ungewöhnlicher (und unangemessener) Intensität um die Stellenbesetzung der zwei vorgesehenen Professuren durch eigene Personalvorschläge »gekümmert« hatten. »Stellenzusagen« außerhalb des Berufungsverfahrens seitens der Ministerien mussten für alle Beteiligten zum Problem werden. Die Lösung des sich anbahnenden Konflikts brachte die Finanzierung: 147 Information von Alt-Rektor Borchard vom 30. August 2017.
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Die Rendite-Berechnung nach dem Stiftungskapital wies aus, dass zwei Professuren nicht finanzierbar waren. Das Wissenschaftsressort des Landes meinte zwar, das sei unerheblich, weil das Projekt doch beschlossenen Sache sei – aber offenbar nicht für den damaligen Finanzminister Steinbrück, der eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung nicht in den Haushaltsplan aufnahm. Das war noch nicht das Ende aller Irrungen und Wirrungen um das BIT, weil das Ministerium nunmehr erklärte, das BIT in Bonn mit der RWTH Aachen verwirklichen zu wollen. Der nötigende Druck hat dann die beiden Hochschulen dazu gebracht, das BIT in gewohntem freundeidgenössischen Geist gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft wissenschaftlich zu verantworten.148
Die Universität Bonn als Stätte der Forschung Das Selbstverständnis als Forschungsuniversität Im Berichtszeitraum haben die Rektorate gegenüber dem Land unisono das ausdifferenziert formulierte Leitbild einer Forschungsuniversität betont. Darin drückt sich keine Geringschätzung der Lehre aus – das vermutete eher die ministerielle Politik –, sondern geradezu im Gegenteil wird auch den Studierenden damit versprochen, dass sie akademisch, also durch Wissenschaft ausgebildet werden, dass dafür geeignete Studierende auch zur Wissenschaft hingeführt werden.149 Dieses Selbstbild wird durch die Mitgliedschaft der Universität bei den »German U 15« – einem Zusammenschluss großer forschungsstarker (Voll-)Universitäten150 zur Vertretung gemeinsamer Interessen – auch für die Öffentlichkeit dokumentiert. Die Mitgliedschaft dort setzt voraus, dass die Universität (1) auf Dauer starke Grundlagenforschung ermöglicht, (2) forschungsorientierte Lehre anbietet und (3) die Aufgabe des Wissenstransfers in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft betreibt. Über die Mitgliedschaft in den U 15 ist die Universität auch Mitglied in dem 2013 gegründeten globalen Netzwerk der »Research Universities International«, in dem etwa 180 leistungsstarke Universitäten weltweit zusammengeschlossen sind. Die Forschungsstärke wird auch international wahrgenommen, wie die Platzierung in dem international beachteten Rankings, unter anderem dem Shanghai-Ranking, mit einer Platzierung in der Regel unter den Top 100 zeigt. Das mag für einen unbefangenen Betrachter nicht sehr eindrucksvoll klingen, 148 Die Informationen dazu verdanke ich Alt-Rektor Borchard d.d. 30. August 2017. 149 Siehe dazu schon die Hinweise im HEP, Fn. 213. 150 Sie ist das Seitenstück zur Interessenvertretung der forschungsstarken Technischen Hochschulen unter dem Logo TU 9.
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muss aber für die Wertschätzung berücksichtigen, dass der Wettbewerbsraum dieser Rankings das Weltwissenschaftssystem ist. Außerdem sind sie »naturwissenschaftslastig«, weil nur englischsprachige Beiträge in »gerankten« Zeitschriften berücksichtigt werden. Der geisteswissenschaftliche Forschungsertrag wird so nur unvollkommen berücksichtigt. Hilfreich für die internationale Sichtbarkeit (mit Relevanz für die Rankings) sind auch Nobelpreise. Nach dem Experimentalphysiker Wolfgang Paul 1968 im Fach Physik wurde 1994 der Wirtschaftswissenschaftler Reinhard Selten151 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Auf dieser Prominenzlinie des Nobelpreises liegt für das Fach Mathematik die Fields-Medaille. Sie wurde dem Bonner Mathematiker Faltings, Honorarprofessor der Universität, Direktor des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn, 1986 mit 36 Jahren verliehen. Zuletzt ist der Katholische Theologe Karl-Heinz Menke mit der höchsten in der Katholischen Theologie erreichbaren wissenschaftlichen Ehrung, dem »Joseph-Ratzinger-Preis 2017«, ausgezeichnet worden. Solche Ehrungen zeigen immerhin auch, dass die Universität Spitzenwissenschaftlern hinreichenden Entfaltungsraum gewährt. Ein guter Indikator für eine erfolgreiche Personalauswahl, die durch Auszeichnungen belegt wird, sind auch die Leibniz-Preise der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den die DFG selbst »als wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland« bezeichnet.152 Ausgezeichnet werden qualitativ herausragende Forscherinnen und Forscher, »die gemessen am Stadium ihres wissenschaftlichen Werdegangs frühzeitig exzellente grundlegende Leistungen in ihren Forschungsgebieten im internationalen und nationalen Rahmen erbracht haben und von denen in Zukunft erwartet werden kann […], dass sie die Forschungslandschaft in Deutschland nachhaltig prägen«, wie dies die Vergabekriterien formulieren. Es können Wissenschaftler vorgeschlagen werden, die an Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen tätig sind, der Auswahlkreis ist also sehr groß. Seit 1985 werden im Durchschnitt etwa zwölf Leibniz-Preise jährlich vergeben. Sie sind mit bis zu 2,5 Millionen Euro jährlich gut dotiert. Die Universität ist hier ungewöhnlich erfolgreich mit 16 Preisen für Bonner Professoren. Sie belegt damit deutschlandweit einen zweiten Platz. Der renommierte Gossen-Preis des Vereins für Socialpolitik, der für empirische und ökonometrische Leistungen in der Volkswirtschaftslehre verliehen wird, ist seit 1997 fünf Bonner Wissenschaftlern des Fachbereichs Volkswirtschaftslehre verliehen worden. Das gleiche gilt für den Max-Planck-Preis (der 151 1930–2016, Professor für Wirtschaftswissenschaften in Bonn seit 1984, 1994 Verleihung des Wirtschafts-Nobelpreises für seine Beiträge zur Spieltheorie (zusammen mit John Harsanyi und John Nash jr.); Ehrensenator der Universität. 152 Siehe hierzu näher : www.dfg.de/gefoerderte_projekte/wissenschaftliche_preise/leibnizpreis/index.html (zuletzt abgerufen am 01. 12. 2017).
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allerdings seit einigen Jahren bei einem weltweiten Kompetitionsfeld nur noch zweifach jährlich vergeben wird, so dass die »Trauben inzwischen sehr hoch hängen«). In Reichweite ist nach Einschätzung der Auguren für 2018 sogar eine weitere Fields-Medaille für den Bonner Mathematiker Olaf Scholze, den 2012 mit 24 Jahren jüngsten an die Universität berufenen Professor, der schon vielfach ausgezeichnet ist, unter anderem mit dem Fermat-Preis. Wenn man die Listen der Preisträger durchmustert, zeigen sich deutliche Schwerpunkte der Forschungsexzellenz: Mathematik, einschließlich der in Bonn methodisch mathematisch orientierten Volkswirtschaftslehre, und die Chemie in ihren Facettierungen; in der Betrachtung des Drittmittelerfolges zeigt auch die Physik eine hohe Leistungsfähigkeit. Sichtbarkeit im Wissenschaftssystem drückt sich auch in der Heranziehung von Universitätsprofessoren in staatliche Entscheidungs- oder Beratungsfunktionen aus. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind hier Berufungen Bonner Professoren als Verfassungsrichter153 oder als Mitglied der Monopolkommission154 oder in bei den Bundesministerien angesiedelten Beiräten155 zu nennen.
Licht und Schatten in der Entwicklung Drittmittelerfolg als Chiffre für Forschungserfolge in hellem Licht Das Drittmittelaufkommen hat sich im Berichtszeitraum mehr als vervierfacht (1992: 37,5 Millionen, 2015: 153,7 Millionen Euro). Es hat sich nach etwa zehn Jahren jeweils verdoppelt.156 Erklärlich ist diese Bilanz allerdings nicht allein aus einer immer erfolgreicheren Antragstellung der Universität Bonn, sondern zunächst aus der Vergrößerung des »Verteilungskuchens an Drittmitteln«. Das zeigt eine bundesweite Drittmitteltabelle mit einer Übersicht der quantitativen Bedeutung der Drittmittel für alle Hochschulen:157 1995 betrug das bundesweite Drittmittelaufkommen 2,1 Milliarden, 2013 bereits 7,1 Milliarden Euro; es war also binnen (knapp) zwei Jahrzehnten um den Faktor 3,4 gewachsen. Am Bei153 Udo Di Fabio als Richter des Bundesverfassungsgerichts, Wolfgang Löwer als Richter des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen, Klaus-Ferdinand Gärditz als Richter am Oberverwaltungsgericht Nordrhein Westfalen. 154 Daniel Zimmer, zeitweise bis zu seinem Rücktritt Vorsitzender der Monopolkommission; Isabel Schnabel (Volkswirtschaftslehre) als Mitglied des Sachverständigenrates für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. 155 Jürgen Salzwedel im Sachverständigenrat für Umweltfragen, Manfred J. Neumann im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wissenschaft und Technologie. 156 Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 87; siehe auch schon oben A III zu den Relationen zwischen Drittmittelaufkommen und der Höhe des Landeszuschusses. 157 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesbericht für Forschung und Innovation 2016, Ergänzungsband 1, Abb. EB I-15 (S. 20).
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spiel der DFG lässt sich die Vergrößerung des »Forschungskuchens« verdeutlichen: 1995 standen der DFG 980 Millionen Euro für die Forschungsförderung zur Verfügung,158 20 Jahre später hat sich die Summe mit 3 Milliarden Euro verdreifacht. Die Frage nach dem Erfolg ist also eher relational im Verhältnis der Konkurrenten um Fördermittel zu stellen. Insofern liegen Zahlen für die kompetitiv wichtigsten Fördermittel vor, die die DFG in den Strukturen ihres wissenschaftsadäquaten, von politischen Vorbindungen freien Verfahrens vergibt. Die Kennzahlen aus dem »DFG-Förderatlas«159 zeigen zunächst ein insgesamt stabiles relationales Bild: Von 1991 bis 1995 nahm die Universität Bonn Rangplatz 15, gemessen an der Fördersumme ein; seitdem schwankt der Rangplatz um Platz zwölf herum. Diese Kenngröße verarbeitet allerdings nicht die Größe der antragstellenden Einrichtungen; als mittelgroße Universität wird die Universität Bonn sich in diesem Ranking kaum wesentlich weiter vorarbeiten können. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Naturwissenschaften für den Zeitraum 2011 bis 2013 mit einem Bewilligungsvolumen von 69,7 Millionen Euro auf Rangplatz eins unter den 40 erfassten antragstellenden Einrichtungen liegen. Damit liegt sie vor der Universität Hamburg und der erheblich größeren Ludwigs-MaximiliansUniversität München.160 Die Geistes- und Sozialwissenschaften nehmen mit 21,8 Millionen Euro Rangplatz 15, die Lebenswissenschaften mit 76,0 Millionen Euro Rangplatz zwölf ein. Wenn man die Aufteilung der Fördermittel auf die Fächer in der beigefügten Grafik (Nr. 4) aus dem Förderatlas der DFG vor Augen hat, sieht man, dass insbesondere die Segmente der Geisteswissenschaften und der Sozial- und Verhaltenswissenschaften relativ schmal sind. Hier machen sich auch die verschiedenen Fächerkulturen bemerkbar. Sehr beachtlich ist auch der Erfolg im Rahmen der kompetitiven Mittelverteilung der Europäischen Union durch den European Research Council, die seit 2007 vergeben werden. Bis 2013 waren Bonner Antragsteller 17 Mal erfolgreich, was einen bundesweiten Rangplatz fünf ergibt. Seitdem sind vier weitere Grants dazugekommen. Im Durchschnitt laufen im Jahr 15 ERC-Projekte nebeneinander.161 Ein Reputationsranking ergibt sich auch aus der Wahl Bonns als zeitweiligem wissenschaftlichen Arbeitsort durch die ausländischen Stipendiaten der Alexander von Humboldt-Stiftung. 182 Gastwissenschaftler hatten Bonn für ihr wissenschaftliches Vorhaben gewählt, was Rangplatz vier von 20 ergibt, wie der 158 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesbericht Forschung und Innovation 2010, Tab. 12 1/3 (S. 444). 159 Zuletzt erschienen 2015 mit Zahlen bis zum Jahr 2013. 160 Die LMU ist die größte deutsche Präsenzuniversität mit 728 Professoren; in Bonn lehren 555 Professoren. 161 Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 15.
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Grafik 4
»Förderatlas der DFG« zeigt. Außerdem hat die Universität bislang vier Humboldt-Professuren eingeworben, die ebenfalls hochkompetitiv vergeben werden, in der Astronomie, in der Physik, in der Philosophie und zuletzt in den Islamwissenschaften. Im Blick auf diese Erfolge verdient allerdings eine Einrichtung einer besonderen Erwähnung. Sie werden zu einem erheblichen Anteil durch das auch in der Exzellenzinitiative erfolgreiche »Hausdorff-Center for Mathematics« getragen. Ob Exzelleninitiative, ERC-Grants, Leibniz-Preise oder andere Förderformate der DFG, die Mathematik steht immer in der vordersten Reihe. Sie kann sich deshalb auch stets der Unterstützung aller Rektorate sicher sein. Es war deshalb auch ein besonderes Anliegen der Universität, dieses Juwel in angemessenem Rahmen unterzubringen, was 2004 mit dem Erwerb des Gebäudes der ehemaligen Landwirtschaftskammer Rheinland in Endenich, das bis 2009 umfangreich saniert worden ist, auch gelungen ist. Die Universität bilanziert ihre Drittmittelerfolge im Hochschulentwicklungsplan für die Gegenwart folgendermaßen:162 – Mathematik: 3 Leibniz-Preisträger, 1 ERC Advanced Grant, 1 Exzellenzcluster, 2 Transregio/Sonderforschungsbereiche, 1 Sofja Kovalevskaja Award – Wirtschaftswissenschaften: 1 Leibniz-Preisträger, 2 ERC Advanced Grants, Beteiligung am Exzellenzcluster Mathematik, 1 Transregio/Sonderforschungsbereich, 1 Graduiertenkolleg
162 Hochschulentwicklungsplan 2015–2020, 2015, S. 9f.
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– Physik/Astronomie: 2 Alexander von Humboldt-Professuren, 2 ERC Advanced Grants, 2 ERC Starting Grants, 2 Sofja Kovalevskaja Awards, 1 ExzellenzGraduiertenschule zusammen mit der Universität Köln, 2 Transregio/Sonderforschungsbereiche, 1 Forschergruppe, 1 BMBF Forschungsschwerpunkt, 1 BMBF Verbundforschungsprojekt – Lebenswissenschaften: 2 Leibniz-Preisträger, 1 ERC Advanced Grant, 3 ERC Consolidator Grants, 1 Sofja Kovalevskaja Award, 1 Exzellenzcluster, 3 Transregio/Sonderforschungsbereiche, 2 Forschergruppen, 3 BMBF Verbundforschungsprojekte – Chemie: 2 Leibniz-Preisträger, 1 ERC Advanced Grant, 1 Sonderforschungsbereich – Pharmaforschung: 1 Graduiertenkolleg, 2 Forschergruppen, 1 BMBF Verbundforschungsprojekt, 1 NRW-Forschungsschule – Philosophie/Ethik: 1 Alexander von Humboldt-Professur, Internationales Zentrum für Philosophie NRW, Erasmus Mundus Joint Doctoral Program – Geowissenschaften: 1 ERC Starting Grant; 1 Transregio/Sonderforschungsbereich, 3 Forschergruppen – Agrar- und Ernährungswissenschaften: 1 Forschergruppe, 1 BMBF Verbundforschungsprojekt, 1 BMBF Kompetenzcluster Ein erheblicher Erfolg in der Akquirierung von Mitteln, der auch der Lehre zu Gute kommt, liegt in der Gewinnung von Stiftungsprofessuren oder von sonst drittmittelfinanzierten Professuren. 15 Stiftungsprofessuren werden gegenwärtig fremdfinanziert; weitere 19 Professuren sind anderweitig drittmittelfinanziert.163 Zuletzt konnte ein von der Krupp-Stiftung finanzierter Alfried-KruppStiftungslehrstuhl für Provenienzforschung als neuer akademischer Disziplin und die bereits erwähnte Alexander-von-Humboldt-Stiftungsprofessur für das Fach Islamwissenschaften gewonnenen werden; für letztere gelang eine international sichtbare Besetzung mit der zuvor in Oxford tätigen Judith Pfeifer. Die eindrucksvolle Reihe der sich in Drittmittelzahlen versinnbildlichenden Forschungserfolge bringt für die Universität allerdings auch ein Problem mit sich, das der Kanzler dieser Epoche, Reinhardt Lutz, mit dem Satz kennzeichnete: »Man kann sich auch zu Tode siegen«. Gemeint ist damit, dass die immer nur auf Zeit finanzierten Projekte (1) regelmäßig nicht ausfinanziert sind und (2) strukturell als Zukunftsbindungen wirken. Bei jeder Verhandlung eines Sonderforschungsbereichs werden an die Universität Anforderungen dessen herangetragen, was universitätsseitig im Bewilligungsfall vorgehalten werden muss, aber tatsächlich nicht vorhanden ist, also aus anderen Mittel erst zu schaffen ist. Außerdem sind die Vorhaben mit den Drittmitteln nicht kosten163 Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 79f.
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deckend ausfinanziert, was unter dem Stichwort Overheads inzwischen immerhin gesehen wird. Mit vielen Drittmittelprofessuren, insbesondere auch den Stiftungsprofessuren, ist die Verpflichtung der Weiterfinanzierung der Professur nach Ablauf der Förderfrist verbunden, da sie regelmäßig nicht mit Stiftungskapital unterlegt sind.164 Der Vorteil der befristeten Unentgeltlichkeit der Professur wird mit langfristiger Bindungsbereitschaft bezahlt. Faktisch tritt ein ähnlicher Effekt ein, wenn mit Exzellenzgeld eine neue oder erweiterte Forschungsstruktur mit neuen Stellen geschaffen wird, die trotz Auslaufens der Förderung existentiell fortbestehen muss – nur dass das Finanzvolumen dafür jetzt intern zu Lasten der Universität als Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden muss, was landläufig als »Sparen« bezeichnet wird. Die Bonner Rektorate haben den Fakultäten im Berichtszeitraum immer die Maxime vermittelt, Wissenschaftlerstellen möglichst hochkarätig zu besetzen. Wenn der/die Beste möglicher Weise gewinnbar ist, soll er/sie auch einen Ruf erhalten. Wenn der/die gewinnbare Spitzenwissenschaftler/in sich in die gegebenen Strukturen nicht passgenau einfügt, werden eben die Strukturen an den Wissenschaftler angepasst. Natürlich kennt dieser Satz in den naturwissenschaftlichen Fächern wegen ihrer apparativen Voraussetzungen auch Grenzen, aber die Maxime trägt dem Faktum Rechnung, dass Spitzenleistungen nicht von Strukturen erbracht werden, sondern von herausragenden Wissenschaftlern.165 Der Hochschulentwicklungsplan bringt die Bonner Sicht auf die Bedeutung der Berufungsverfahren auf die hübsche Formel, »dass jede Berufung dazu führen soll, dass sich die durchschnittliche wissenschaftliche Qualität der entsprechenden Fakultät verbessert.«166 Berufungen sind allerdings nur eingeschränkt Gegenstand der Rektoratspolitik, weil die Auswahl der zu berufenden Personen Fakultätssache ist, nachdem das Rektorat die Ausschreibung einer Stelle genehmigt hat im Sinne seiner strategischen Verantwortung. Zur Qualitätssicherung der Berufungsverfahren hat der Senat zuerst 2009, und dann 2014 neugefasst, eine Berufungsordnung erlassen.167 Sie ist den Prinzipien der Transparenz durch hochschulexterne Mitglieder und einen fa164 Ausnahme ist die Meulenbergh-Stiftung mit dem Forschungsgegenstand des Eigentumsschutzes, die an der Rechts-und Staatswissenschaftlichen Fakultät angesiedelt ist; sie ist mit Stiftungskapital unterlegt. 165 Siehe auch die Maxime des HEP 2015–2020, 2015 unter 1.4.1 zur Korrelation des Ansehens der Universität und der Reputation und Leistungskraft ihrer Wissenschaftler. 166 HEP 2015–2020, 2015, S. 24. Auf das Problem, »daß zweifellos so viele Mittelmäßigkeiten an den Universitäten eine hervorragende Rolle spielen«, hatte schon Max Weber 1919 aufmerksam gemacht. (Weber, Wissenschaft, hier zit. nach dem Wiederabdruck in: Weber, Gesamtausgabe, Abt. I, Bd. 17, S. 71, S. 76, S. 80). Eben gegen solche Tendenz kämpft die Rektoratspolitik gegenüber den Fakultäten an. 167 Neufassung der Ordnung für die Besetzung von Professuren an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn (Berufungsordnung), Amtl. Bek., 44 Jh. Nr. 22 v. 31. Juli 2014.
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kultätsfremden hochschulangehörigen Berufungsbeauftragten des Rektorats sowie die Beteiligung des Senats gekennzeichnet. Das Prinzip, möglichst herausragende Wissenschaftler gewinnen zu sollen, drückt sich darin aus, dass die Suche nach dem geeigneten Kandidaten im dafür geeigneten Fall auch proaktiv – mit Genehmigung des Rektorats – geschehen kann, das heißt, dass die Fakultät auf besonders geeignete Kandidaten mit einem Inaussichtstellen des Rufes zugehen kann. Weil diese Verfahren – gemessen am Standard des öffentlichen Dienstrechts – besondere sind, werden sie zur Transparenzsicherung von einem dafür berufenen Rektoratsausschuss begleitet. Um strategisch bedeutende Berufungs- oder Bleibeverhandlungen wirkungsvoll begleiten zu können, haben die Rektorate dieses Jahrtausends beim Rektor eine sogenannte Leihstellenreserve/Stellenpool eingerichtet, aus der heraus von der berufenden Fakultät nicht darstellbare Personalwünsche erfüllt werden können. Ein selbstverständliches Thema der Berufungsordnung ist auch das Bestreben, mehr Frauen für Professuren gewinnen zu können. Gemessen an dem gesetzlich etablierten Kaskadenmodell ist die Anzahl von 13 Prozent Professorinnen viel zu niedrig, wenn man den Blick auf die Zahl der Promovendinnen und Postdoktorandinnen richtet, die 44 Prozent ausmachen. Der Hochschulvertrag 2015–2016 weist auf das Defizit hin. Die Universität arbeitet daran durch die familienfreundliche Gestaltung des gesamten Universitätsbetriebs; sie ist in diesem Zusammenhang als »Familienfreundliche Hochschule« schon mehrfach zertifiziert worden. Überdies muss eine Verbesserung durch die erfolgreichere Rekrutierung von Frauen in Berufungsverfahren erreicht werden. Drittmittel wachsen nicht auf Bäumen, von denen die Früchte leicht gepflückt werden können. Die Antragstellung von der Themengenerierung über die Formatierung des Projekts bis hin zur Mittel- und Zeitplanung ist nicht etwas, das allein dem »learning by doing« (obwohl in der Wissenschaft zentral wichtige Vorgehensweise) überlassen bleiben sollte. Forschungsförderung ist auch eine universitätsinterne Aufgabe. Die Medizinische Fakultät musste in den frühen 1990er Jahren feststellen, dass ihre wissenschaftliche Leistungsfähigkeit hinter dem zurückblieb, was man von Fakultät und Klinikum billigerweise erwarten konnte. Zu den Remedurmitteln gehörte eine Adaption der Qualitätsmaßstäbe der Berufungspolitik, wie sie in der Universität allgemein galten (zum Beispiel Verzicht auf Hausberufungen) und eine Verbesserung des wissenschaftlichen Niveaus durch ein stärkeres Bemühen um kompetitiv einzuwerbende Drittmittel. Um diesem Prozess eine Grundlage zu geben, begründete die Medizinische Fakultät 1995 zur internen Forschungsförderung ihr BONFOR-Programm, in dessen Rahmen – begutachtet – Anschubfinanzierungen für Projekte insbesondere von Nachwuchswissenschaftlern und für neue Forschungsrichtungen geleistet werden können.
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Diese Sicht importierte der Mediziner Hirner als Prorektor in das Rektorat Borchard. Daraus entstand die Idee, ein universitätsweites Ausschreibungsverfahren zu veranlassen, das etwa zweijährlich dazu aufforderte, Ideenskizzen für Drittmittelprojekte in den Formaten der DFG einzureichen. Eine Jury unter Beteiligung auswärtiger Wissenschaftler bewertete nach einer Begehung der Projekte deren Potential. Eine wertgeschätzte Projektidee erhielt aus Zentralmitteln Unterstützung für Personalmittel, um einen Drittmittelantrag vorbereiten zu können. Adressiert waren damit in erster Linie solche Fächer, die bisher in der Drittmitteleinwerbung weniger routiniert und erfolgreich waren. Inzwischen ist diese interne Forschungsförderung (seit dem Rektorat Fohrmann) formalisierte permanente Aufgabe, die folgende Förderlinien aus Zentralmitteln bei positiver Begutachtung unterstützt: »Förderung von Verbundvorhaben«, »Einstieg in Strukturierte Promotionsprogramme«, »Einstieg in wissenschaftliche Karrieren« (für den wissenschaftlichen Nachwuchs etwa Beihilfen für die Organisation von Tagungen et cetera), »Wilhelmine-Hagen-Stipendien für Postdoktorandinnen«. Erst der hohe Drittmittelfinanzierungsanteil führt dazu, dass die Universität ergänzend zu den durch den Staatszuschuss finanzierten Assistentenstellen in die Breite wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden kann. Dabei darf der berechtigt kritische Blick auf die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses168 unter anderem wegen der Art und Weise, wie gelegentlich mit den Befristungsregeln solcher Arbeitsverhältnisse umgegangen wird (wobei auch hier klar sein muss, dass aus befristeten Drittmitteln keine Arbeitsverhältnisse mit hohem Sozialschutz hervorgehen können), nicht übersehen, dass die Beschäftigungsverhältnisse insbesondere in den mathematisch-naturwissenschaftlichen und in den lebenswissenschaftlichen Fächern nicht alle latent darauf gerichtet sind, Hochschullehrernachwuchs zu gewinnen, sondern junge Leute durch Promotion und eine weitere Post-Doc Phase für solche Stellen außerhalb der Universität – in der Wirtschaft, für den öffentlichen Dienst (»Forschungsanstalten« des Bundes), für die außeruniversitäre Forschung – auszubilden, die eine Qualifikation zur Forschung als Beruf voraussetzen. Aus diesen auch besonders drittmittelstarken Fächern stammen auch die relativ meisten Promotionen, wie die Grafik (Nr. 5) zeigt. In den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern – einschließlich der Agrarwissenschaften mit beispielsweise der Lebensmittelchemie als Studiengang – werden regelmäßig, bezogen auf alle Promotionen in den Fakultäten, etwa die Hälfte aller Promotionen abgeschlossen, die unter anderem der Wirtschaft signalisieren, dass der Promovierte seine Befähigung zu selbständiger wissen168 Siehe dazu die Stellungnahme des Wissenschaftsrates, Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten, Wissenschaftsrat Drs. 4009 – 14 v. 11. Juli 2014.
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Promo!onen in den Studienjahren 2003/04 bis 2013/14 800 700
79 88
600 500
211 220
400
85
300 200
79 231
79
66
64
72
96
234
223
245
91
87
76
178
152
166
189
153
51
62 229
211 207
89
80
93
192
91
57
79
278
280
86
82
175
164
146
170
82
94
92
65
95
80
83
70
70
76
80
03/04
04/05
05/06
06/07
07/08
08/09
09/10
10/11
11/12
12/13
13/14
100 0
156
Katholisch-Theologische Fakultät
Evangelisch-Theologische Fakultät
Rechts- und Staatswissenscha!liche Fakultät
Medizinischem Fakultät
Philosophische Fakultät
Mathema"sch-Naturwissenscha!liche Fakultät
Landwirtscha!liche Fakultät
Grafik 5
schaftlicher Arbeit nachgewiesen hat und in einer Vielzahl von Fällen sehr gute Perspektiven für die zukünftige berufliche Tätigkeit eröffnen. Diese Zahl ist deshalb bemerkenswert, weil der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät nur etwa ein Drittel der Absolventen zuzurechnen sind. Die Zahl der Promotionen wird vom Drittmittelaufkommen mitbestimmt, weil solche Stellen nur besetzbar sind, wenn dem Bewerber die Möglichkeit eröffnet wird, seine wissenschaftliche Kompetenz zu erweisen. Die Promotionsquote erscheint für eine Universität, die ihrem Selbstverständnis nach Forschungsuniversität ist, auch nicht sonderlich hoch, wenn man die Promotionen in der Medizin herausrechnet, die in der Vergangenheit systemisch atypisch gelagert gewesen sind. Unter Herausrechnung der Medizin beträgt die Promotionsquote etwa 13,9 Prozent.169 Auch in der Medizin arbeiten die Fakultäten im Übrigen intensiv an veränderten Profilen und Anforderungen für die medizinische Promotion. In Bonn ist einer der Ausweise für solche Veränderungen das Promotionskolleg »NeuroImmunology«, das bis zu 30 Stipendiaten Gelegenheit gibt, im Rahmen einer Doktorarbeit entsprechende Forschungsfragen zu bearbeiten. Möglich
169 2013/2014 betrug die Gesamtzahl der Promotionen 702, die in der Medizin 164, gesamtuniversitär ohne Medizin waren es also 538, die auf 3856 Absolventen (die Medizin abgezogen) zu beziehen sind; Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 30 und S. 69.
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wird das Promotionskolleg durch eine jährliche Förderung mit 750.000 Euro seitens der Else Kröner-Fresenius-Stiftung. Wie nachstehende Tabelle zeigt,170 gelingt es im Übrigen inzwischen besser, mehr Absolventinnen zur Promotion zu führen. Hilfreich ist hier auch ein seit einer Reihe von Jahren gewährtes Stipendienprogramm für Doktorandinnen. Gesamtuniversitär nähert sich der Anteil der Promotion von Frauen der Hälfte der erfolgreichen Abschlüsse. Die Zahl der Habilitationen bewegt sich durchschnittlich um die Zahl 47 herum.171 Die Zahl belegt, dass die Entscheidung für den Hochschullehrerberuf eine Risikoentscheidung ist, wie ein Blick auf die Emeritierungsdaten, also auf die in Bonn freiwerdenden Stellen zeigt: Von 1990 bis 2015 sind in Bonn im Durchschnitt 16 Hochschullehrer emeritiert worden.172 Ein günstigeres Bild ergibt sich, wenn man auf die Zahl der Berufungen schaut: 2015 hat die Universität 47 Stellen besetzt, denen im selben Jahr 47 Habilitationen gegenüberstanden. Neben die Habilitation als Qualifikation zum Hochschullehrerberuf tritt die von der Universität akzeptierte Juniorprofessur als Qualifikationsformat, von dem bisher insbesondere die Wirtschaftswissenschaften und die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer sowie die Medizin Gebrauch machen. Die Zahlen schwanken etwas: 2015 waren in der Universität insgesamt (unter Einschluss der Medizin) 28 Juniorprofessuren besetzt, 2016 waren es 28 und 2017 weist die Universität (ohne Medizin) 25 Juniorprofessuren aus. Waren die Stellenbesetzungen 2015 mit einem Verhältnis von 24:10 immer noch männlich dominiert, ändert sich dies 2017 mit dem Verhältnis 13:12. Aus Sicht der Universität ist dieses Qualifikationsformat allerdings nur mit einer Tenuretrack-Option sinnvoll, das heißt die Qualifikationsstelle muss mit einer Lebenszeitstelle haushalterisch hinterlegt sein. Die Verteilung unter den Geschlechtern entspricht bisher nicht dem politisch und rechtlich vorgegebenen Kaskadenmodell: Auf der Promotionsstufe sind knapp die Hälfte der Abschlüsse von Frauen erreicht worden, auf der Habilitationsstufe sind es im Jahr 2014/15 nur 36 Prozent, im Jahr zuvor etwa 32 Prozent.173 Da die Entscheidungen für oder gegen eine wissenschaftliche Karriere als Hochschullehrerin individuelle Freiheitsentscheidungen sind (was die Politik bei ihrer Kritik an den Gleichstellungserfolgen überhaupt nicht reflektiert), kann die Universität nur strukturelle Hindernisse beseitigen, um der Freiheitsentscheidung einen hindernisärmeren Raum zu verschaffen. In diesem Sinne sollen die Voraussetzungen für die bessere Vereinbarkeit von Familie und (Qualifika170 171 172 173
Rechenschaftsbericht 2015, S. 30 obere Hälfte. Ebd., S. 27 obere Grafik einschließlich der Erl. Rechts. Ebd., S. 81: 408 Emeritierungen/Pensionierungen 1990–2015. Ebd., S. 27; ibid. 2014, S. 23.
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tions-)Beruf verbessert werden. Entsprechende Maßnahmen sind für alle Dienstnehmerinnen und auch Studentinnen/studentische Eltern in der Vergangenheit bereits erfolgreich eingeleitet worden. Außerdem kann die Universität versuchen, auf gedachte besondere Schwierigkeiten gerade für Wissenschaftlerinnen zu reagieren. Die Gleichstellungsbeauftrage Ursula Mättig entwickelte deshalb mit den Rektoraten Borchard und Winiger seit 2004 das Maria von Linden-Programm, benannt nach der ersten Bonner (Titular-)Professorin.174 Das Maria von Linden-Programm besteht aus mehreren Förderformaten: Es bietet ein Mentoring- und Trainingsprogramm für unterschiedliche Entwicklungsstufen der Nachwuchswissenschaftlerinnen-Karriere (bisher 225 Mentees), ein Stipendium für Privatdozentinnen, die die Grenze der 12-jährigen Beschäftigungsdauer überschritten haben, für weitere zwölf Monate für Bewerbungen um eine Stelle in Höhe von monatlich 2.500 Euro, Habilitandinnen erhalten im prospektiv letzten Jahr der Arbeit an der Habilitationsschrift eine Wissenschaftliche Hilfskraftstelle zur Unterstützung; schließlich gibt es in diesem Rahmen seit 2014 noch das Wilhelmine Hagen-Stipendium,175 das für drei Jahre eine Nachwuchswissenschaftlerin unterstützt, die eine Forschergruppe et cetera eingeworben hat.176 Im Lichte dieser Bemühungen um die Verbesserung der Startbedingungen für Nachwuchswissenschaftlerinnen ist es vielleicht nicht erstaunlich, dass die Universität in den Professorinnenprogrammen I und II des Bundes berücksichtigt worden ist, so dass erstberufene Professorinnen mit 150.000 Euro per annum für fünf Jahre eine Anschubfinanzierung erhalten können. Die Fakultäten sind traditionell die für die Zwecke von Forschung und Lehre maßgeblichen organisatorischen Einheiten. Die akademischen Berufe, für die dort ausgebildet wird, sind disziplinär in den Fakultätsrahmen ausgerichtet. Insofern sind Fakultäten für die Disziplinarität auch dauerhaft unverzichtbar. Die Lösungen vieler wissenschaftlicher Fragestellungen lassen sich aber nicht mehr disziplinär finden, sondern nur noch inter- oder transdisziplinär. Zum Teil findet solche Interdisziplinarität ihre Lösung in einer organisatorischen Verselbständigung, wie sie beim »Life and Medical Sciences Institute« (LiMES) für die Verbindung von Molekularer Biochemie und Medizin gegeben ist, zum überwiegenden Teil findet sie institutionell verfestigt – auf Zeit – in interdiszi174 Maria von Linden 1896–1936, 1895 in Tübingen zur Scientiae Naturalis Doctor graduiert, seit 1899 in Bonn, seit 1902 Mitglied der Leopoldina; zu der Bonner Zeit siehe Flecken, von Linden, S. 253f. 175 Wilhelmine Hagen, 1910–1996, wurde 1943 als erste Frau an der Universität Bonn mit einer numismatischen Arbeit habilitiert. 176 Zum Ganzen siehe die »Dokumentation zur Umsetzung des Gleichstellungskonzepts im Rahmen des Professorinnenprogramms II«, Anhang 20 Hochschulentwicklungsplan Teil III.
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plinären Zentren statt, mit deren Formierung herausragende Forschungsleistungen gefördert werden sollen. Solche Zentren werden naturgemäß nicht von Rektoraten angeordnet, sondern folgen aus der Logik von Fragestellungen und den Möglichkeiten, die eine Volluniversität bietet. Im Jahr 2007 hat das Rektorat Winiger der Zentrenbildung zur Verhinderung eines sich andeutenden Wildwuchses den jetzt verbindlichen Rahmen gegeben.177 Die unter Genehmigungsvorbehalt des Rektorats stehende Zentrenbildung muss materielle Voraussetzungen erfüllen: mindestens zwei Institute oder zwei Lehreinheiten (nicht notwendig aus zwei Fakultäten), herausragender Beitrag zur Profilbildung der Universität im Sinne des Leitbildes, Interdisziplinarität auf der Basis der Disziplinarität178 mit einer gemeinsamen Aufgabenstellung, die herausragende Forschung und Entwicklung induziert; außerdem müssen die Zentren den wissenschaftlichen Nachwuchs organisiert und gezielt fördern. Die drittmittelgeförderten DFG-Formate können wegen der nicht dauerhaften Finanzierung nicht Gegenstand der Zentrenbildung sein. Das gilt nicht für eingeworbene Exzellenzcluster. Für solche Exzellenzcluster hat die DFG Vorgaben für die Bildung von Exzellenzzentren entwickelt.179 Auf dieser Basis bestehen zur Förderung der Verbundforschung folgende Zentren: – Bethe-Zentrum für Theoretische Physik (BCTP) (Theoretische Physik + Mathematik) – Bionikzentrum Bonn (BzBonn) (Math.-Nat. Fak. + Landw.Fak.) – Bonn International Center for Food Chain and Network Research (Math.-Nat. Fak.+ Landw.Fak. + Med.Fak.) – Bonner Asienzentrum (BAZ) (Phil.- Fak. + Math.-Nat. Fak.) – Bonner Mittelalterzentrum (Phil.- Fak. + Kath.-Theol. Fak. + Rechts- u. Staatswiss. Fak.) – Bonner Zentrum für Transkulturelle Narratologie (Phil. Fak.) – Center of Integrated Dairy Research (CIDRe) (Landw. Fak. + Math.- Nat. Fak.) – Centrum für Molekulare Biotechnologie (CEMBIO) (Landw. Fak. + Math.Nat. Fak. + Med. Fak.) – Hausdorff Center for Mathematics (Math.- Nat. Fak.) – Interdisziplinäres Zentrum für Komplexe Systeme (Math.-Nat. Fak. + Med. Fak.) – Internationales Zentrum für Philosophie des Landes NRW (Phil.-Fak.) 177 Siehe »Konzept der Universität Bonn zur Einbindung von Zentren« in ihre (gemeint ist: die Universität Bonn) Organisationsstruktur, 2. Auflage – 7. Mai 2007, Anhang 2 zum Hochschulentwicklungsplan Teil III. 178 Zur Bedeutung der Disziplinarität als Grundlage für interdisziplinäre Fragen siehe schon Weber, Wissenschaft, S. 80. 179 Siehe das »Konzept der Universität Bonn zur Einbindung von Zentren«, 2. Aufl. v. 7. Mai 2007 unter 3.
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– Pharma-Zentrum Bonn (PZB) – Forschungszentrum für innovative Arzneimittel und Pharmakotherapie (Med.- Fak.+ Math.-Nat. Fak.) – Zentrum für Alternskulturen (ZAK) (Phil.-Fak.) – Zentrum für die Antike und ihre Rezeption/Centre for the Classical Tradition (CCT) (Phil.-Fak. + Ev.-Theol. Fak. + Kath.-Theol. Fak.) – Zentrum für Fernerkundung der Landoberfläche (ZFL) (Math.-Nat. Fak. + Landw. Fak.) – Zentrum für Religion und Gesellschaft (ZERG) ( Ev.-Theol. Fak. + Kath.Theol. Fak. + Med. Fak. + Phil. Fak. + Rechts- u. Staatswiss. Fak.) Daneben führt die Grundordnung der Universität zentrale wissenschaftliche Einrichtungen auf, die unmittelbar dem Rektorat zugeordnet sind: – Bonn-Aachen International Center for Information Technology (B-IT). – Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE). (Organisatorisch handelt es sich um eine mit der Universität kooperierende Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften und der Künste NRW; das Referenzzentrum ist in den Rahmen des 1993 auf Initiative der Universitäten Bonn und Essen sowie des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gegründeten Instituts für Wissenschaft und Ethik eingebettet, das 2010 in eine Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der Universität überführt wurde. Gemeinsames Ziel von DZRE und IWE ist es, die ethische Reflexion der Entwicklungen in der Medizin, in den Naturwissenschaften und den Technikwissenschaften zu fördern und die internationale Debatte zu vernetzen.) – Interdisziplinäres Lateinamerika-Zentrum (ILZ). (Im ILZ bündeln die Fächer Rechtswissenschaften, Romanistik, Philosophie, Theorie der Religionen, Botanik und Altamerikanistik ihre spezifischen Interessen mit Richtung auf Lateinamerika.) – Zentrum für Entwicklungsforschung – Das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) ist eine gemeinsame Einrichtung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und der Philosophischen Fakultät Licht und Schatten in den Exzellenzinitiativen Es war die Bundesministerin Edelgard Bulmahn, die 2004 mit der Idee »BrainUp« auf den Plan trat, wettbewerblich »Bundes-Unis« zu ermitteln, die der Bund dann zu Elite-Universitäten ausbauen wollte (was de constitutione lata gar nicht möglich gewesen wäre). Die Ministerin hatte damit den Föderalismus herausgefordert, der dem Bund die Initiative keinesfalls allein überlassen konnte, aber andererseits auf sich abzeichnende Bundesfinanzmittel selbstredend nicht ver-
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zichten wollte. Man kennt die Antwort in solchen Fällen: kooperativer Föderalismus. Für die gemeinsame Projektförderung lieferte Art. 91 b GG a. F. eine Kooperationsgrundlage, mit der die Universitätslandschaft nach dem Maßstab der Exzellenz in eine abgestufte Reputationsordnung gebracht werden sollte. Die Exzellenzinitiative I vom 18. Juli 2005180 sah drei Förderformate vor : Graduiertenschulen (Fördervolumen 1 Millionen Euro per annum), Exzellenzcluster (Fördervolumen 6,5 Millionen Euro per annum) und Zukunftskonzepte mit der Zielkomponente eines »projektbezogenen Ausbaus der universitären Spitzenforschung« (Fördervolumen 21 Millionen Euro per annum). Zukunftskonzeptfähig ist eine Universität nur, wenn sie in den beiden anderen Förderlinien erfolgreich ist. Die Vergabe der Mittel in den Förderlinien folgt auf weiter Strecke Grundsätzen der Wissenschaftsadäquanz, erst auf der letzten Entscheidungsstufe können durch die Mitwirkung der Bundes- und Landesminister politische Erwägungen institutionell Raum finden.181 Eine erste Bewilligungsrunde wurde am 13. Oktober 2006 mit der Bekanntgabe der Ergebnisse beendet. In der ersten Runde war die Universität Bonn mit einer Graduiertenschule – Bonn Graduate School of Economics – und einem Exzellenzcluster in der Mathematik erfolgreich (Hausdorff Center, also zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn), das den Titel trug (und trägt): »Mathematics: Foundations, Modells, Applications«. Auf Grund dieses Ergebnisses, Erfolge in der ersten und zweiten Förderlinie, war die Universität befähigt, sich auch um eine Förderung als sogenannte Exzellenzuniversität zu bewerben. Das Rektorat Winiger hat auch entsprechende Schritte eingeleitet; Bonner Vorschläge vermochten die Gutachter allerdings nicht zu überzeugen. In der zweiten sich anschließenden Bewilligungsrunde 2007, deren Ergebnisse am 19. Oktober 2007 verkündet wurde, war die Universität neuerlich erfolgreich mit einer Graduiertenschule, die gemeinsam mit der Universität zu Köln betrieben wird, der »Bonn-Cologne Graduate School of Physics and Astronomy« (BCGS). Die Exzellenzinitiative ist dann jedenfalls für eine weitere Runde durch eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung vom 4. Juni 2009 verstetigt worden.182 Die »Bonn Graduate School of Economics« konnte sich mit einer erneuten Be180 Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 91 b des Grundgesetzes (Forschungsförderung) über die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen – Exzellenzvereinbarung (ExV) v. 18. Juli 2005, BASnz S. 13347. 181 Eine genaue Beschreibung des Verfahrens findet sich in der Bonner Dissertation von Marzlin, Exzellenzinitiative, S. 16f. 182 Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Art. 91 b Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes über die Fortsetzung der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen – Exzellenzvereinbarung II (ExV II).
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werbung nicht mehr durchsetzen, so dass im Format der Graduiertenschulen nur die BCGS exzellenzgefördert wird. Hingegen konnte sich das Hausdorff Center mit seiner Forschungsstrategie für »Mathematics: Foundations, Models, Applications« erneut qualifizieren. Die DFG schrieb dazu in ihrem Report über die Exzellenzinitiative II: »Mit dem Hausdorff Center for Mathematics baut die Bonner Mathematik ihre Position als führender deutscher Mathematik Standort weiter aus und etabliert sich international als Zentrum ersten Ranges.«183 Aus der Medizinischen Fakultät war ein weiterer Exzellenzcluster-Antrag erfolgreich: »ImmunSensation. Zum Immunosensorischen System«; dieses Thema wird gemeinsam mit der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Caesar bearbeitet. Der Antrag des Rektorats Fohrmann für die dritte Förderlinie wurde nicht berücksichtigt. In der aktuell dritten Runde des Exzellenzwettbewerbs hat die Universität bei der Begutachtung der Voranträge herausragend abgeschnitten. Sie hatte neun Anträge eingereicht, von denen sieben in dem Sinne erfolgreich waren (zwei davon zusammen mit Köln und Aachen), dass für diese Exzellenzcluster Vollanträge eingereicht werden sollen. Damit stehen die Chancen sehr gut, mit mindestens zwei erfolgreichen Vollanträgen zugleich in der dritten Förderlinie für den Status der Exzellenzuniversität antragsberechtigt zu sein.
Abb. 44: Michael Hoch, Molekulare Entwicklungsbiologie, Rektor seit 2015
183 Deutsche Forschungsgemeinschaft, Exzellenzinitiative, S. 76.
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Schatten des Wissenschaftsbetrugs über der Universität Eine etwaige Annahme, wegen des anzunehmenden hohen Ethos der Wissenschaftler sei das Wissenschaftssystem einigermaßen resistent gegen Wissenschaftsbetrug, wäre immer pure Illusion gewesen.184 Auch die Universität Bonn ist im Berichtszeitraum von dieser Erkenntnis nicht verschont geblieben.185 Entdeckungsverfahren für Plagiate in den Geisteswissenschaften sind herkömmlich solche der Wissenschaft selbst: Ein Buch wird rezensiert, der Rezensent zeigt sich irritiert über fehlende Zitate zu ihm schon anderwärts bekannter Texte oder Ideen. Neuerdings kommt der digitale Textvergleich zwischen der zur Prüfung anstehenden Arbeit und dem digitalisierten Textbestand hinzu, wie dies die Internetplattform VroniPlag für die Kontrolle der Arbeiten prominenter Zeitgenossen seit der causa des Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg (2011) perfektioniert hat. – Prof. Dr. Elisabeth Ströker (1928–2000), in Bonn ausgebildet, bei Theodor Litt in Bonn mit einer Arbeit zu Nicolai Hartmann promoviert (egregia), hochrenommierte Husserl-Forscherin an der Universität zu Köln, musste gegen Ende ihrer Hochschullehrerinnen-Karriere erleben, dass ihre Dissertation nach etwa 40 Jahren als ein teilweises Plagiat (zitatlos übernommen waren Texte insbesondere von Ernst Cassirer) bezeichnet wurde – mit einem Beweisantritt durch eine Monographie mit synoptischen Texten aus ihrer Dissertation und aus dem Werk Cassirers. Im Falle der Kassation der Arbeit wäre auch formal ein Lebenswerk zerstört worden.186 Die Fakultät übte ihr Ermessen dahingehend aus, den Doktorgrad nicht zu entziehen. Die Entscheidung ist nicht allenthalben in der scientific community für richtig gehalten worden. – Margarita Mathiopoulos (geb. 1956), in Bonn zur Politikwissenschaftlerin ausgebildet, mit Promotionsstudium in Harvard – einer der Betreuer war Samuel P. Huntington –, wurde bei Karl Dietrich Bracher mit dem Thema (der publizierten Fassung) »Geschichte und Fortschritt im Denken Amerikas. Ein europäisch-amerikanischer Vergleich« summa cum laude promoviert. Die Arbeit wurde ins Englische übersetzt und erschien in einem amerikanischen Verlag mit einem Vorwort von keinem Geringeren als Gordon A. Craig. Im Jahr 1989 wurden erstmals in einer Rezension Übereinstimmungen mit fremden Texten ohne Zitatnachweis gerügt. Die Vorwürfe gegen die schon damals zeitgeschichtlich bekannte Doktorandin waren auch in der Presse 184 Siehe etwa meinen Versuch: Löwer, Regeln. 185 Wenn im Folgenden Namen genannt werden, geschieht dies nur, wenn die Fälle von einem breiten Medieninteresse begleitet worden sind. 186 Der Verf. war Mitglied in dieser Kommission, wie auch in den meisten anderen Fällen.
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aufgegriffen worden. Die von der Fakultät eingesetzte Kommission fand bei dem von ihr angewandten Stichprobenverfahren eine beachtliche Menge an zitatweise nicht nachgewiesenen Fremdtextübernahmen, verneinte aber eine Täuschungsabsicht, eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen später als »materiell-rechtlich evident unzutreffend« bezeichnen sollte.187 Das Verfahren wurde damals eingestellt. Inzwischen machte die ehemalige Doktorandin eine beachtliche Karriere in der Politikberatung; sie ist auch Honorarprofessorin an zwei Hochschulen. 2011 nahm sich die Internetplattform VroniPlag im Rahmen ihres »Untersuchungsprogramms« prominenter Dissertationen der Arbeit mit einem digitalen Textvergleich an und stellte quantitativ das Fünffache des damaligen Stichprobenbefundes an Textübereinstimmungen fest. Wegen der jetzt angenommenen vorsätzlichen Täuschung entzog eine neuerlich eingesetzte Kommission den Doktorgrad. Rechtsschutzverfahren dagegen blieben in allen Instanzen erfolglos.188 – Im Fachbereich Rechtswissenschaften wurde ein Plagiat in der klassischen Methode enttarnt: Ein Autor beschäftigt sich mit dem Problem, das die Dissertation behandelt, und findet in einer etwas »abgelegenen Festschrift« einen früher erschienenen Beitrag mit einer Lösung, die der Autor zitatlos offenkundig abgeschrieben hat. Die Entziehung des Doktorgrades war die zwingende Folge. Der Fall hatte zwei erinnernswerte Arabesken: (1) Der Betroffene wollte den Titelentzug vor seiner Familie geheim halten und bat um die Zustellung an seinen Arbeitgeber. Dieser öffnet allerdings offenbar auch die Post, die den Namen des Mitarbeiters im Adressfeld tragen. Der damit bekannt gewordene Titelentzug führte zum Verlust des Arbeitsplatzes. (2) Im Verfahren hatte der Fachbereich darüber debattiert, wer eigentlich für die Entziehung zuständig sei: die Gesamtheit der Professoren mit dem Fakultätsrat – dafür sprach das Satzungsrecht – oder allein der Fakultätsrat – dafür sprach die gesetzliche Lage. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen belehrte die Fakultät, dass sie sich im Sinne der zweiten Alternative hätte entscheiden müssen, weshalb die Entziehung rechtswidrig sei. Daraufhin wurde der Entziehungsbeschluss rechtsrichtig wiederholt und dem Betroffenen (neuerlich) eröffnet. Dieser nahm die Entscheidung äußerst gelassen auf; sie interessiere ihn nicht, weil er inzwischen an einer niederländischen Fakultät erneut den Grad eines Doktors der Rechte erworben habe.189
187 OVG NRW, v. 10. Dezember 2015 – 19 A 254/13 – Rn. 53. 188 VG Köln, v. 6. Dezember 2012 – 6 K 2684/12 –; OVG NRW, v. 10. Dezember 2015 – 19 A 254/ 13 –; BVerwG, v. 21. Juni 2017 – 6 C 3.16. 189 Dass dieser Doktorgrad in den Niederlanden wiederum mit falschen Angaben erworben sein musste, da das Bonner Entziehungsverfahren doch offenkundig verschwiegen worden
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– VroniPlag machte die Philosophische Fakultät darauf aufmerksam – im Rahmen des »Prominentenchecks« –, dass die politikwissenschaftliche Dissertation des damaligen Mitglieds des Europäischen Parlaments Georgios Chatzimarkakis (*1966) erheblich plagiatorisch sei. Die von der Fakultät eingesetzte Prüfungskommission fand ein Muster vor, das wissenschaftlich nicht hinnehmbar ist: Zwar wurde in der Arbeit hier und dort auf verwendete Literatur hingewiesen, allerdings ohne deutlich zu machen, ob eine fremde These oder Auffassung übernommen wird oder ob der Autor spricht. Insgesamt war der Fremdtext nicht hinreichend gekennzeichnet, so dass der Doktorgrad zu entziehen war. Rechtsmittel dagegen blieben erfolglos; auch aus der Sicht der Gerichtsentscheidungen waren Zweifel an der »Entziehungsreife« nicht im Ansatz gegeben.190 – Nicht nur Doktoranden täuschen: Während des Rektorats Winiger meldete sich eine Magistra der Sprachwissenschaften bei dem Dekan der Philosophischen Fakultät mit dem Hinweis, sie habe sich bibliographisch nochmals für das Thema ihrer schon länger zurückliegenden Magisterarbeit interessiert und sei dabei auf einen Beitrag in einer Festschrift gestoßen, der mit dem Namen Ihres damaligen betreuenden Professors gekennzeichnet gewesen sei: der Beitrag gebe aber nur ihre Magisterarbeit wieder, ohne auf sie als Autorin hinzuweisen. Die sofort aufgenommene Suche nach weiteren so verwerteten Magisterarbeiten ergab ein gleiches Vorgehen in fünf Fällen, die allerdings alle länger als fünf Jahre zurücklagen und disziplinarrechtlich deshalb verjährt waren (es sei denn, man hätte auf Dienstentfernung erkennen wollen, was eher schwierig geworden wäre). Das Rektorat meinte aber, den Fall nicht einfach zu den Akten legen zu können und beschloss, dem betreffenden Hochschullehrer die Prüfungs- und Betreuungsbefugnis zu entziehen und ihm seine Personalstellen zu entziehen, weil es für solches Abschreiben nicht auch noch Personal brauche. »Natürlich« hat der Hochschullehrer dagegen geklagt und natürlich hat er auch gewonnen, weil für die »handgestrickten« Sanktionen jenseits des Disziplinarrechts kein Raum ist.191 Immerhin hat das Rektorat damit auf eine Regelungslücke im Sanktionenrecht bei Täuschungen in der Wissenschaft aufmerksam gemacht. – In den Naturwissenschaften wurden ebenfalls Fälle bekannt. So erschien 1994 in der englischen Version der Zeitschrift »Angewandte Chemie« ein Beitrag des mit einer Arbeit zu diesem Thema promovierten Chemikers Guido Zadel war, interessierte den darauf angesprochenen Dekan der zuständigen Fakultät herzlich wenig. 190 VG Köln, v. 22. März 2012 – 6 K 6097/11; OVG NRW (Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde) v. 24. März 2015 – 19 A 1111/12. 191 VG Köln, v. 19. September 2008 – 3 L 702/08 u. 20. Februar 2009 – 3 K 2663/08; OVG NRW, v. 19. Dezember 2008 – 6 B 1607/08.
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(gemeinsam unter anderem mit seinem Doktorvater als Letztautor) mit dem Titel »Enantioselective Reactions in a Static Magnetic Field«.192 Der Beitrag hatte einen sensationellen Inhalt mit der Qualität, einen Nobelpreis generieren zu können. Zadel hatte links- und rechtsdrehende Moleküle durch sehr starke Magnetfelder geschickt und hatte sie dadurch gleichrichten und sogar vermehren können. Das war bisher niemandem sonst gelungen, es schien ein neuer Zweig der Chemie geboren zu sein, die Magnetchemie. Der Doktorvater hatte sich die »Erfindung« – den Doppelsinn des Wortes würde der Doktorvater demnächst kennenlernen – auch schon patentieren lassen. Nachdem der Beitrag in der »Angewandten Chemie International Edition« publiziert war, begann der in den experimentellen Wissenschaften typische Verifikationsprozess: Weltweit wurde das beschriebene Experiment nachvollzogen. Bei dem Doktorvater gingen vierzehn Schreiben aus der ganzen Welt ein, die alle mit Glückwünschen begannen, aber als Schlusssatz jeweils den Hinweis enthielten, leider sei es nicht gelungen, die Moleküle gleichzurichten oder zu vemehren. Es begann die Fehlersuche, die sich aber als schwierig herausstellte. Bei genauer Analyse der Abläufe ließ sich aber feststellen, dass die Experimente nur gelungen waren, wenn Zadel sie eigenhändig betreut hatte. Wenn die anderen Teammitglieder ohne Zadels Beteiligung die Experimente durchgeführt hatten, waren sie misslungen; waren sie gelungen, konnte jeweils nicht ausgeschlossen werden, dass Zadel jedenfalls Zugriff genommen haben konnte. Die Hypothese war außerordentlich naheliegend, dass Zadel die »Versuchszutaten« so manipuliert hatte, dass das Ergebnis wunschgemäß ausfallen musste. Ein zeugenschaftlicher Beweis lag dafür nicht vor ; das Laborbuch als Beweisgrundlage war selbstverständlich aus dem aufgebrochenen Schreibtisch gestohlen worden (es ist eine Eigentümlichkeit in den Wissenschaftsbetrugsfällen, dass die Laborbücher immer gestohlen werden!).193 Die Kommission hat Zadel dann aufgegeben, einen Versuch mit solchen Gegenständen und Zutaten, die die Fakultät besorgen würde, durchzuführen, wobei er nicht persönlich Hand anlegen dürfe; er werde vielmehr einen geschickten und hochqualifizierten Experimentator dirigierend anweisen. Zadel weigerte sich, an dieser Form der Beweisführung mitzuwirken. Die Kommission nahm unter anderem diese fehlende Mitwirkungsbereitschaft zum Anlass der Ent192 Autoren waren neben Zadel Dipl. Chem. Katja Eisenbraun, Dr. Gerd-Joachim Wolff, Prof. Dr. Eberhard Breitmaier, in: Angewandte Chemie International Edition, Vol. 33 (1994), S. 454–456. 193 Als der Verf. als juristisch beratendes Mitglied der Fakultätskommission der Hohen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät einen Bericht über u. a. die Beweisschwierigkeiten gegeben hatte, führte dies zu dem denkwürdigen Ausspruch eines Kollegen aus den experimentellen Wissenschaften: Er habe es immer gewusst, dass sich Naturwissenschaften und Jurisprudenz »orthogonal« zueinander verhielten.
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ziehung des Doktorgrades, würdigte sie sozusagen wie ein Eingeständnis der Täuschung. Die Entscheidung der Fakultät hat der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle Stand gehalten.194 Aus dem Zeitraum von 30 Jahren konnten jetzt hier sechs Fälle von Täuschungen in der Wissenschaft an der Universität berichtet werden. In 30 Jahren werden ungefähr 1.200 Habilitationen und 21.000 Promotionen vollzogen, was die Zahl der Täuschungen als sehr klein erscheinen lässt. Aber natürlich wäre die Identifikation des Hellfeldes mit dem Dunkelfeld nicht statthaft. Die verborgenen Täuschungen, die nicht aufgefallen sind, kennt niemand. Deshalb ist es für die Selbstbehauptung der Wissenschaft im öffentlichen Diskurs von substantieller Bedeutung, dass die Forschung selbst effektive qualitätssichernde Maßnahmen zur Durchsetzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis ergreift und die Regeldurchsetzung als Leitungsaufgabe begreift. In Deutschland ist diese Erkenntnis skandalgeleitet seit der Jahrtausendwende gewachsen.195 Der Senat der Universität reagierte 2002 mit der Formulierung von Grundsätzen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, mit dem ein Ombudsmann für die Wissenschaft eingerichtet wurde196 und eine Untersuchungskommission für Verdachtsfälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens. 2014 hat der Senat die »Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn« dem state of the art der Regelformulierung und Regeldurchsetzung angepasst. Wesentliches Anliegen ist auch der Schutz der Nachwuchswissenschaftler vor – der Wissenschaft ohnehin inadäquaten – hierarchischen unangemessenen Einwirkungen.
194 VG Köln, v. 28. Februar 2002 – 6 K 921/97 Köln –; OVG NRW, v. 22. Januar 2004 – 19 A 1876/ 02 (Nichtzulassungsbeschwerde). 195 Auslöser war ein Skandal in der Krebsforschung in Ulm (Friedhelm Herrmann/Marion Brach), der die Sensivität für das Thema geweckt hat; siehe etwa Finetti/Himmelrath, Sündenfall; Zylka-Menhorn, »Forschungsbetrug – Fall Herrmann/Brach: Gutachter bestätigen den dringenden Verdacht der Manipulation«, in: Deutsches Ärzteblatt 1997; 94 (42); Die DFG reagierte mit Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis 1998. 196 Erster Amtsinhaber war Kurt Fleischhauer ; ihm folgten Ulrich Pfeifer und Carl-Friedrich Stuckenberg.
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Die Universität Bonn als Stätte der Lehre Universitäre Lehre unter dem Eindruck der großen Zahlen Auslastung der Fakultäten Im Wintersemester 2015/16 waren 35.619 Studierende eingeschrieben.197 Die Universität ist also anders als das Gesamtsystem im Berichtszeitraum nicht mehr gewachsen, wie eingangs verdeutlicht worden ist.198 Die Universität ist durch die zwischenzeitlich niedrigeren Immatrikulationszahlen der Studierenden im Berichtszeitraum nicht immer ausgelastet gewesen, wie die nachstehende Grafik (Nr. 6) zeigt, die die Bonner Auslastungszahlen zu den anderen Landesuniversitäten in Relation setzt.199 Zwar ist der Grad der Auslastung von zwischenzeitlich etwa 77 Prozent 2010/11 auf 101 Prozent 2014/15 gestiegen, belegt damit aber nur den vorletzten Platz unter den nordrhein-westfälischen Universitäten im »Auslastungsranking«. Immerhin ist es der Universität gelungen, die vertraglich mit dem Land (Hochschulvertrag) vereinbarte Zahl an Erstsemesterstudienplätzen zu besetzen, so dass der für den Fall der Zielverfehlung vereinbarte malus in Höhe von 20.000 Euro für jeden nicht besetzten Erstsemesterplatz nicht zum Tragen gekommen ist. Aber eine Auslastung in dem beschriebenen Maß führt naturgemäß auch zu weniger Absolventen, als sie die »LOM-Konkurrenz« in Gestalt der anderen Universitäten zu bieten hat, so dass die Universität Bonn ein strukturelles Finanzierungsdefizit aufweist. Die Fakultäten werden – entsprechend ihrer größeren oder kleineren Fächervielfalt – in sehr unterschiedlichem Maß nachgefragt.200 Fächer mit einem harten numerus clausus oder einem Orts-NC (Medizin und zum Beispiel die Rechtswissenschaften) weisen naturgemäß eine recht konstante Zahl besetzter Studienplätze auf; andere Fakultäten verzeichnen eine wachsende Zahl von Studienbewerbern (Evangelische Theologie, Landwirtschaftliche Fakultät). Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät hat inzwischen zu der traditionell größten Fakultät, der Philosophischen, aufgeschlossen. Die Universität bot 2015/16 insgesamt 96 Bachelorstudiengänge und 84 Masterstudiengänge an sowie die Staatsexamensabschlüsse in Medizin, Jura und Pharmazie. Die große Zahl an BA- und MA-Angeboten, die von den beiden großen Fakultäten maßgeblich getragen werden, folgt schon aus der Zahl, der unter ihrem Dach versammelten Fächer: bei der Philosophischen Fakultät sind es 16, bei der Mathe-
197 198 199 200
Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 37. Siehe oben Grafik 1. Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 66 und S. 67. Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 37 untere Hälfte.
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matisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät 14.201 Durch die Vielzahl der Fächer ist es möglich, auch Abschlüsse in den sogenannten Kleinen Fächern anzubieten, beispielsweise in der Indologie, der Tibetologie, für die es sogar einen MasterAbschluss gibt, oder die Keltologie, für die die Universität Bonn in Deutschland sogar eine Alleinstellung beanspruchen kann. Die Unterauslastung findet einen kleinen Teil der Erklärung schon darin, dass beide Theologien mit einer personell für die Fächer angemessenen Personalausstattung nur 0,62 Prozent (Katholisch-Theologische Fakultät) respektive 1,93 Prozent (Evangelisch-Theologische Fakultät) Studienanfänger zu betreuen haben, was einer Auslastung von 25, respektive 30 Prozent entspricht.202 Zugleich mag in dieser Vielfalt der Fächer auch ein Grund für die unterdurchschnittliche Auslastung zu finden sein. Wenn man die Statistiken für Studienanfänger innerhalb der Fakultäten nach Fächern durchmustert, zeigt sich das Problem: Für die Astronomie findet sich im Wintersemester 2015/16 überhaupt kein Bewerber, im Fach Biologie hingegen 256, in der Chemie 350, in den Geowissenschaften hingegen nur 94. Bezogen auf die Lehrkapazität sind einzelne Fächer deutlich unterausgelastet, andere erreichen ihre Kapazitätserschöpfung, können aber die Unterauslastung anderer Fächer nicht kompensieren. Der gleiche Befund lässt sich auch am Beispiel der Philosophischen Fakultät zeigen, wenn dort in der Klassischen Philologie 19 Neueinschreibungen zu konstatieren sind. Andere Erklärungsmuster könnten darauf Bezug nehmen, dass das Einzugsgebiet der Universität Bonn für den heute sehr verbreiteten Typus des Heimstudenten im Abgleich mit den Ruhrgebiets-Hochschulen dadurch »verengt« ist, dass die in 20 Kilometer Entfernung gelegene rheinische Metropole Köln mit ihrer eigenen Universität den dortigen Markt beherrscht. Schließlich mögen – naturgemäß immer etwas spekulativ – auch Einschätzungen des »Rufes« einer Hochschule als mehr oder weniger anspruchsvoll eine Rolle spielen. Angesichts des Selbstverständnisses der Universität Bonn als Forschungsuniversität könnte es natürlich sein, dass sich mancher erhofft, anderwärts einen weniger steinigen Weg gehen zu müssen. Vom Selbstverständnis her besteht jedenfalls Einigkeit dahingehend, dass das Problem einer relational zu den anderen Landesuniversitäten unterdurchschnittlichen Auslastung, zu hoher Abbrecherquoten und zu geringer Absolventenquoten, gemessen immer an den bloß quantifizierenden Vorstellungen der Hochschulpolitik, nicht durch die Rücknahmen des Anspruchsniveaus gelöst werden soll. Es müssen dafür andere qualitätssichernde Maßnahmen ergriffen werden. Zwei Probleme sind vom Studierverhalten her weitgehend gelöst: der Wunsch 201 Einzelheiten finden sich ebd., S. 32f. 202 Ebd., S. 51 und S. 64.
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nach gleichberechtigter Teilhabe der Geschlechter an akademischen Berufschancen durch die Aufnahme eines Studiums und das Angebot, in das Studium ein Internationalisierungselement einzubauen. Insgesamt studieren mehr Frauen als Männer an der Universität Bonn (rund 20.000 gegen rund 16.000). Das entspricht einem bundesweiten Trend. Von 2000 bis 2015 ist die Zahl der weiblichen Absolventen von 45,6 Prozent auf 51,1 Prozent gestiegen.203 In den Fakultäten sind die Verhältnisse etwas uneinheitlich. In der Katholisch-Theologischen Fakultät überwiegt die Zahl der Männer (plus 36), in der Evangelisch-Theologischen Fakultät überwiegt die Zahl der Frauen (reichlich ein Drittel), die Rechtswissenschaften studieren deutlich mehr Frauen als Männer, in den Wirtschaftswissenschaften dominieren noch die Männer mit einer doppelt so großen Kohorte; die Medizin wird zunehmend weiblich mit der Tendenz zu zwei Drittel/ein Drittel, in der Philosophischen Fakultät sind reichlich doppelt so viele Frauen wie Männer eingeschrieben. In der Landwirtschaftlichen Fakultät studieren um die Hälfte mehr Frauen als Männer. In der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät tendiert das Gesamtergebnis offenbar langfristig auch zu einem ausgeglichenen Verhältnis. Im Wintersemester 2015/16 betrug die Differenz noch 25 Prozent »zu Lasten« des Frauenanteils. Wenn man aber nicht auf die Biologie (deutlich größerer Anteil an Studentinnen) oder die Geographie mit hohem Frauenanteil schaut, sondern auf Mathematik und Physik, zeigt sich ungefähr eine ein Drittel/zwei Drittel-Gesellschaft (bei der Chemie sind die Zahlen etwa hälftig). Insgesamt entspricht auch das dem bundesweiten Trend. Unter den Absolventen der MINTFächer204 waren 2015 circa 29 Prozent weiblich.205 Die Universität Bonn kooperiert weltweit mit 70 Partnerhochschulen auf allen Kontinenten, mit 16 von ihnen bestehen Verträge über eine umfassende Zusammenarbeit in Forschung und Lehre. Im Rahmen des ERASMUS-Programms arbeitet die Universität mit annähernd 300 Hochschulen in 34 europäischen Ländern zusammen. Eine Vielzahl weiterer Kooperationen gibt es auf den Fakultätsebenen. Der Rechenschaftsbericht 2015 geht von über 1.000 Forschungsund Austauschkooperationen aus. Das Rektorat Fohrmann hat in Ansehung des etwas wildwüchsigen Feldes eher die Notwendigkeit gesehen, in diesem Bereich strategische Partnerschaften zu identifizieren, die intensiver gelebt werden können.206 Jedenfalls hat die Universität genügend Kontakte, um Wünschen für ein Auslandsstudium über die Hürden zu helfen. Wem die Zahlen der tatsächlich 203 Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Deutschland in Zahlen 2017, S. 117, Tab. 10.17. 204 Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften/Technik. 205 Institut der deutschen Wirtschaft, Deutschland in Zahlen 2017, S. 115; Zahlenspiegel 2015, S. 36f., Tab. 10.17; die Zahlen zu Bonn stammen aus dem Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2016, S. 36f. 206 Abschlussbericht zum Hochschulvertrag 2015–2016 zum 31. Dezember 2016, S. 14.
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die Option für ein Auslandsstudium Nutzenden zu gering erscheint, wie aus der Tatsache zu schließen ist, dass das Thema immer wieder auf die politische Agenda gerät, ist daran zu erinnern, dass mit einer Vermehrung von Stipendien geholfen werden kann, weil ein Studium im Ausland teuer ist und nicht jeder Wunsch vom DAAD wegen endlicher Mittel erfüllt werden kann und letztlich, dass auch hier die Bewerbung für ein Auslandsstudium auf einer Freiheitsentscheidung beruht. Auch bei gewendeter Blickrichtung – kann die Universität Bonn ausländische Studierende anziehen? – zeigt sich eine weltoffene Universität. 12,7 Prozent der eingeschriebenen Studierenden sind Ausländer, wobei den höchsten Anteil die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät zu verbuchen hat (annähernd 15 Prozent ihrer Studierenden sind Ausländer, bei der Astronomie sind von 137 Studierenden 80 Ausländer [58,39 Prozent]).
Universitäre Lehre unter gewandelten Rahmenbedingungen Der Ausgangspunkt einer Universität mit als Subjekten gedachten Studierenden und Lehrenden Das Gründungsdokument der Rhein-Universität aus dem Jahr 1818207 macht völlig klar, was die primäre Zwecksetzung der Universität ist: Durch universitäre Lehre werden junge Leute befähigt, akademische Berufe in Staat und Gesellschaft wahrzunehmen. Daneben, in der damaligen Prioritätenliste eher danach, trägt der Hochschullehrer zum Wissenschaftsfortschritt bei. Mitten in einer Epoche der Restauration (1830)208 hat der damals schon als Wissenschaftler, Richter und sachverständiger Politikberater arrivierte Friedrich Carl von Savigny in der von Leopold von Ranke herausgegebenen »Historisch-politischen Zeitschrift« 1832 das Selbstbild der deutschen Universität prinzipiell beschrieben.209 Diese Selbstbild ist durch die Zeit bis weit in die Nachkriegsepoche – zugegeben: als idealistische Beschreibung eben des Prinzipiellen – stabil geblieben. Es lohnt sich »zuzuhören«, um zu verstehen, was sich im letzthin verändert hat. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist dadurch charakterisiert, dass die Wissenschaft in ihrem Entwicklungsstand in dem Hochschullehrer sozusagen »personificirt« erscheint. Durch die im Lehrer anschauliche »Genesis des wissenschaftlichen Denkens« »wird in dem Schüler die verwandte geistige Kraft 207 Siehe dazu in Band 1 dieser Festschrift den Beitrag von Heinz Schott. 208 Zu den Zusammenhängen – Stichworte Karlsbader Beschlüsse von 1819, repressives Universitätsgesetz 1819, zur Universitätskontrolle auch die »Zehn Artikeln vom Juli 1832« – siehe Löwer, Freiheit, § 99, Rn. 5f. 209 Vgl. Savigny, Wesen.
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geweckt und zur Reproduction gereizt«.210 Dass mancher Hochschullehrer mehr für einen qualitätvollen Vortrag tun könnte, wusste Savigny sehr wohl,211 hielt das Problem aber für überschätzt, weil es für die Qualität der Lehre darauf ankomme, »dass das Geschäft der wissenschaftlichen Gedankenbildung am sichtbarsten hervortritt«.212 Von der Urteilsfähigkeit der Schüler hielt er übrigens wenig, es sei nämlich nicht zu sagen, »wie oft von dieser Seite der wahre Wert eines Lehrers verkannt wird, vorzüglich durch die Bequemlichkeit der Schüler, und zu ihrem eigenen großen Schaden.« Das Bild des »wahren Lehrers« sei dadurch bestimmt, dass er »den Schülern die wissenschaftliche Aufgabe recht hoch stellt und ihnen jeden, auch den geringen Fortschritt in ihrer Lösung als ein würdiges Ziel ihrer Anstrengung erscheinen läßt, wer sie so zu unermüdeter Forschung anregt, und zu so strengen Forderungen an sich selbst, […], der ist der wahre Lehrer«.213 In einer auch ausländische Universitätssysteme in den Blick nehmenden Betrachtung benannte Savigny die strukturelle Erfolgsvoraussetzung des in Deutschland verfolgten Universitätsmodells: Es sei auf Freiheit gegründet, einerseits auf die Lehrfreiheit (Freiheit der Wahl des Lehrgegenstandes), andererseits auf die Lernfreiheit (Freiheit der Wahl des Lehrers und der Vorlesung).214 So völlig frei war der Student allerdings auch in der damaligen Universität nicht, was keineswegs auf Zustimmung bei Savigny stieß: Er berichtete, dass »dem Schüler eine ansehnliche Zahl« bestimmter Vorlesungen vorgeschrieben werde,215 die er irgendeinmal gehört haben muss, wobei ihm die Wahl des Lehrers, und die Folge und Zusammensetzung der Vorlesungen, völlig überlassen bleibe: »Zum Grunde liegt dabei die an sich lobenswerthe Absicht, die Studierenden durch den Versuch mannigfaltiger Vorlesungen zu einer recht freien, vollständigen Ausbildung zu führen; wo aber diese Absicht zwangsweise, und im Widerspruch mit der eigenen Meinung, durchgesetzt werden soll, da wird Nichts bewirkt als das unedle Spiel, wodurch zum Schein Zeugnisse zusammengebracht werden, um der formellen Vorschrift zu genügen. So wenig kann geistige Mitteilung gedeihen, wenn ihr irgendein äußerer Zwang angelegt wird.«216
210 211 212 213 214 215
Ebd., S. 572f. »Freilich wer Nichts in Anderen erregt, der ist zum Lehrgeschäft untauglich.« Ebd., S. 574. Ebd., S. 575. Ebd., S. 574. Ebd., S. 578. Schon das Gründungsstatut gab der Universität auf, bestimmte Hauptvorlesungen in curricular bestimmter Folge kontinuierlich anzubieten, um, wie man heute sagen würde, die Studierbarkeit des Faches zu gewährleisten. 216 Savigny, Wesen, S. 579.
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Schließlich fragte sich Savigny noch, wie mit der unterschiedlichen intellektuellen Ausstattung der Studierenden umgegangen werden soll. Der Ausgangspunkt ist klar : »Für Diese ist alles bereitet, und wenn sie es nicht mit dem rechten Sinn aufnehmen, so ist alles unnütz.«217 Er ging dabei im Grundsatz von einer Drei-Klassen-Gesellschaft der Begabungen aus und überlegte, an welchem Profil sich die Anforderungen und die Art und Weise der Unterrichtung ausrichten sollten: Die Überlegung, den Maßstab an den Ausgezeichneten auszurichten, »welche durch ihre Natur selbst wieder zur Fortbildung der Wissenschaft berufen sind«, verwarf Savigny mit dem Hinweis, es sei »verwerflich« »nur für den Vortheil der Wenigen zu sorgen«. Wichtiger noch war ihm ein anderes Argument: »Für jene Wenigen hat Gott unmittelbar gesorgt, und sie bedürfen unserer Anstalten nicht.« Am anderen Ende der Skala fanden sich jene, die »sich für jeden lebendigen Unterricht ganz unempfänglich zeigen«, die »nicht gerade unfähig sind, sich einen trivialen Auszug aus der Wissenschaft mechanisch dem Gedächtniß einzuprägen, und später wieder in irgendeinem Lebensberuf auf gleiche mechanische Weise anzuwenden.« An diesem Niveau dürfe der Universitätsunterricht sich nicht ausrichten, »allein für diese Classe sind die Universitäten zu gut, wie auch jeder wissenschaftliche Lebensberuf für sie (solche Studenten) zu gut ist.« Es blieb für die Justierung des Anspruchs jenseits dieser Extreme »der zahlreiche und ehrenwerte Mittelstand, also Diejenigen, die einer höheren Anregung oft bedürftig, aber auch meist empfänglich sind, und deren geistige Leistung eben deßhalb so wichtig und heilsam ist.« »Für diese mit allen Kräften zu sorgen, soll sich jeder Lehrer zur Ehre rechnen, er soll ihnen das Beste was er vermag darbieten.«218 Die Essentialia der Universität in ihrer herkömmlichen Sicht sind hier knapp beschrieben. Die Rollen sind klar bestimmt; Lehrende und Lernende begegnen sich als Subjekte in einem Raum der Freiheit. Die Universität ist ein Angebot, durch Wissenschaft zu einem akademischen Beruf auszubilden. Das gelingt, wenn dem Lehrenden die Freiheit zur Eigengestaltung des Lehrangebots gelassen wird, damit sich wissenschaftliche Individualität als Moment der wissenschaftlichen Produktivität entfalten kann.219 Das gelingt, wenn dem Studierenden die Freiheit gelassen wird, von dem individuell geprägten Angebot ebenso individuell geprägt Gebrauch zu machen oder es zu lassen. Das hat natürlich nicht völlige Bindungslosigkeit zur Folge. Auch in der Savigny’schen Universität schloss naturgemäß eine Prüfung (und sei es die Promotion) zum Nachweis genügender berufsqualifizierender Kenntnisse das Studium ab. 217 Ebd., S. 588. 218 Ebd., S. 590f. 219 Die Paulskirchenverfassung wird die Freiheit von Forschung und Lehre verfassungsrechtlich schützen (§ 152 FRV) wie auch Art 50 PrVU 1850 und damit eine bis heute fortwirkende Tradition begründen; siehe jetzt auch Art.13 der Europäischen Grundrechte Charta.
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Staatlicher Gestaltungswille zur Veränderung des Rollenverständnisses Der Bologna-Prozess mit seiner Feingliederung des Studienplans, die Akkreditierung von Studiengängen zur Sicherung der Studierbarkeit, der konsekutive Wissensnachweis an Stelle eines Schlussexamens, die von der OECD angestoßene Diskussion über die zu niedrige Akademisierungsquote erweisen sich in der Rückschau als konzentrische Wellen, die auf den Punkt zielen, dass die Erfolgsbedingungen für das Studium durch die Universität in dem Sinne gestaltbar sind, dass das Versagen (Studienabbruch) prinzipiell als ihr Versagen erscheint, weil bei genügender »Betreuung« des Studenten der Misserfolg in der großen Zahl der Fälle vermeidbar wäre. Wenn sich das gewünschte Ergebnis des Studienerfolgs nicht einstellt, muss das Angebot modifiziert werden, weil der fehlende Erfolg eine Angebotsschwäche indiziert. In diesem Verständnis liegt der Bruch zum bisherigen Rollenverständnis, in dem vom hochschulreifen Studenten – dieses Attest der Hochschulreife war in Preußen der eigentliche Grund, das Abitur als gymnasialen Schulabschluss einzuführen – erwartet wird, dass er sich im Studium als ein Subjekt bewährt, das seine Autonomie nutzt, um in dem Angebotssystem »Bildung durch Wissenschaft« in einer Schlussprüfung nachzuweisen, dass er für sein Fach die akademische Qualifikation erworben hat. Das »Betreuungsdogma« tritt an die Stelle des »Autonomiedogmas«. Um als Autor nicht missverstanden zu werden: Es geht hier nur um Deskription der großen Linien der Vergangenheit, nicht um die Wertung dieser Verläufe als falsch oder richtig. Dass die Universität sich mit den sozialen Gegebenheiten der Zeit, die durch die Politik mitgestaltet werden, ändern muss, ist unvermeidbar. Nur das wie kann diskutiert werden. Das Prinzip eines weitgehenden staatlichen Respekts vor der Gestaltung der Studieninhalte – der allerdings für die Staatsexamensfächer immer schon stark zurückgenommen war und auch Satzungen über die übrigen Studiengänge standen immer unter staatlichem Genehmigungsvorbehalt (universitär-staatliches Kondominium) – endete mit dem Erlass der Ermächtigungsnorm für eine Eckdatenverordnung. Die verfassungsbeschwerdeführende Fakultät in Bonn zeigte aus historischer Retrospektive ein gutes Gespür dafür, dass mit dem staatlichen Zugriffswillen auf die Studienstruktur eine substanzielle Änderung einhergeht. Der Raum wechselseitiger Freiheit in der Begegnung von Lehrenden und Lernenden soll stärker reguliert werden. Dieses System ministerieller Vorgaben ist im nächsten Schritt mit Einführung des Bologna-Prozesses durch die Akkreditierung von Studiengängen unter Einschluss der Entwicklung von Modulhandbüchern ersetzt worden.220 Jetzt werden, um es mit dem Bundesverfas220 Vgl. § 7 und §7a HG NRW; völlig verschwunden ist die Ermächtigung zum Erlass einer Eckdatenverordnung übrigens nicht, wie § 62 Abs. 8 HG NRW zeigt.
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sungsgericht zu sagen, »Studiengänge mit ihrem inhaltlichen pädagogischen und didaktischen Konzept und der Kompetenz der Lehrenden« extern bewertet.221 Darin sieht das Gericht »einen schwerwiegenden Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit«,222 auch einen Eingriff in die Freiheit der Hochschule, der Fakultäten und der Lehrenden, weil ihnen das Recht genommen wird »über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz des Studiengangs und der Lehrveranstaltung« autonom zu bestimmen. »Die Akkreditierung betrifft unmittelbar Form und Inhalt wissenschaftlicher Lehre«.223 Dass der Student sich das Wissen in einem von ihm selbst nach seinen Präferenzentscheidungen gesteuerten Prozess aneignet und dass diese Selbststeuerung Erfolgsbedingung sein könnte, kommt im gesetzgeberischen Kalkül nicht vor. Die Vokabel »Freiheit« gilt auf beiden Seiten des Ausbildungsverhältnisses nur noch sehr reduziert. Dem Hochschullehrer können nur die eigentlichen Inhaltsaussagen nicht vorgegeben werden – sonst wäre man wieder beim Metternich’schen Lehrbuchzwang, der vorgab, was vor-zulesen sei –, alles andere schon, und der Student hat noch die Freiheit des Fernbleibens, die das nordrhein-westfälische Hochschulrecht sogar rechtlich verdichtet hat in der Gestalt des grundsätzlichen Verbots, hochschulseitig Leistungsnachweise von einer Veranstaltungsteilnahme abhängig zu machen (§ 64 Abs. 2a HG NRW HG NRW).224 Der Grund ist aber weniger, die Lernfreiheit des Studenten zu bekräftigen,225 als der sozialpolitische, Studium und haupt- oder nebenberufliche studentische Tätigkeit erleichtert unter einen Hut bringen zu können oder auch den Verpflichtungen studentischer Eltern mehr Raum zu geben. Die Universität arbeitet auch verstärkt daran, Studiengänge in einer Teilzeitvariante anzubieten, umso mehr Flexibilität für darauf angewiesene Lebensentwürfe zu schaffen. Natürlich hat ein solcher Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik Gründe. Wer eine Homogenisierung der Studienabschlüsse in Europa will, kann nicht ein historisch gewachsenes Modell, das nicht europäisches Gemeingut ist, unverändert bewahren wollen. Wer eine dramatische Ausweitung der Akademisierungsquote anstrebt, muss die Frage nach der Tauglichkeit der Universität mit ihrem herkömmlichen Rollenmodell stellen. Auch der Frage, ob das herkömmliche Modell mit dem paternalistischen Verständnis der Obsorge des Staates für seine Bürger kompatibel ist, kann die Politik nicht ausweichen. Wenn die hohe Akademisierungsquote gemeinwohlgestütztes Staatsziel ist, kann es nicht nur um eine hohe Studienaufnahmequote gehen, sondern auch um eine 221 222 223 224
BVerfGE 141, 143 Rn. 52. Ebd., Rn. 50. Ebd., Rn. 55. Siehe dazu die treffliche Glosse von Jürgen Kaube, Keine Rede von den Studenten, in: FAZ vom 18. Oktober 2014. 225 Siehe dazu die Hinweise bei Löwer, Freiheit, Rn. 67–69.
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hohe Absolventenquote, die sich auf der Basis des herkömmlichen Rollenverständnisses wohl kaum erreichen ließe Die im Landeshaushalt für die Grundfinanzierung der Hochschulen vorgesehenen Mittel werden auf die Hochschulen des Landes, mit einer Differenzierung zwischen Universitäten und Fachhochschulen, mittels eines leistungsbezogenen Schlüssels (Leistungsorientiert Mittelvergabe – LOM) verteilt. Das Modell wird durch gewichtete Indikatoren gestaltet: – Absolventen 45 Prozent – Drittmittel 45 Prozent – Gleichstellung (Professuren) 10 Prozent Dabei verwendet die LOM innerhalb der Absolventenquote einen Veredelungsfaktor : Der Absolvent, der sein Studium innerhalb der Regelstudienzeit abschließt, wird mit dem Faktor 1,5 gewichtet, der Abschluss unter Überschreitung der Regelstudienzeit mit dem Faktor eins. Das staatliche Finanzierungssystem setzt also Anreize für eine hohe Absolventenquote innerhalb der Regelstudienzeit.
Antworten der Universität Die Universität hat den Bologna-Prozess mit der berichteten Zögerlichkeit zum gesetzlichen (End-)Umstellungsdatum mit einem breiten Angebot an Bachelorund Masterstudiengängen umgesetzt, die wiederum eine Fülle von Wahlmöglichkeiten durch die Kombination eines Kernfachs mit Ergänzungsfächern bieten.226 Die Studiengänge sind flächendeckend akkreditiert. Trotz erkennbarer Mängel des vom Akkreditierungsrat viel zu engmaschig konzipierten Prüfrahmens227 hat die Universität die Vorgaben akzeptiert, ohne der Versuch aufzugeben, den Studiengängen ein eigenes Gepräge zu geben. Entsprechend ihrem Selbstverständnis als forschungsgeleitet lehrende Hochschule ist die Quote derjenigen, die einen Masterabschluss anstreben, mit circa 21 Prozent leicht überdurchschnittlich höher als der Bundesdurchschnitt von circa 18,5 Prozent,228 wie die Grafik (Nr. 6) erkennen lässt. 226 Siehe die mit Zahlen unterlegte Übersicht, in: Rechenschaftsbericht und Zahlenspiegel 2015, S. 56–60. 227 Siehe BVerfGE 141, 143. 228 Siehe HRK, Statistische Daten zu Studienangeboten an Hochschulen in Deutschland, Statistiken zur Hochschulpolitik 1/2015, S. 24, Tab. 2.1.3 und Diagramm 2.1.3.
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Wolfgang Löwer Promo"on: 3,42% Master Lehramt: 1,75%
Master Weiterbildung: 1,69%
Kirchliches Examen / Magister Theologiae: 1,64% Staatsexamen: 10,24%
Master: 19,54%
Bachelor Lehramt: 3,75% Bachelor Kernfach: 10,82%
Bachelor Vollstudiengang: 36,42%
Bachelor Haup#ach: 10,74%
Grafik 6 – Fachanfänger nach Abschluss im WiSe 2015/16
Die Erfolgsquote ist in den Masterstudiengängen wegen des Auswahlverfahrens beim Zugang zu den Masterstudiengängen, die eine qualitative Selektion ermöglichen, höher als in den relativ unbeschränkt zugänglichen Bachelorstudiengängen. Circa 61,5 Prozent sind im Wintersemester 2015/16 in Bachelorstudiengängen eingeschrieben, circa 21 Prozent in Masterstudiengängen, wie die Grafik zeigt. Wenn man auf die Absolventen schaut, steuern die BA-Abschlüsse nur circa 46 Prozent der Abschlüsse bei, während die MA-Abschlüsse 25 Prozent ausmachen. Im Bereich der Bachelor-Abschlüsse (wie auch in den Staatsexamensstudiengängen) gibt es also eine nicht unerhebliche Misserfolgsquote. Qualitativ hält die Universität, wie die Maximen zu Studium und Lehre unmissverständlich klarstellen, an dem Prinzip fest, dass der Nachwuchs für die akademischen Berufe durch Wissenschaft ausgebildet wird.229 Sie ist dem Prinzip höchster Qualität in der Lehre verpflichtet, was für die Hochschullehrer bedeutet, dass Lehre und Forschung als gleichgewichtige Aufgaben wahrzunehmen sind. Jeder Hochschullehrer ist Forscher und Lehrer ; Lehrprofessuren soll es grundsätzlich nicht geben. Ziel der Lehre ist die optimale Entfaltung des Leistungspotentials eines jeden Studierenden. Das Studienangebot ist forschungsorientiert mit dem Ziel, die Befähigung zu wissenschaftlichem Denken und Handeln zu vermitteln. Konkret heißt dies, dass in vielen Fächern der Universität, das sogenannte »Flaschenhalsmodell« (80 Prozent Lehrkapazität in die Bachelor-, 20 Prozent in die Masterstudiengänge) deutlich zugunsten der Master-Programme aufgelockert wird. Insofern bleibt die Universität in der Savi229 Dazu und zum Folgenden siehe den Hochschulentwicklungsplan 2015–2020, 2015, S. 7 unter 1.3.
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gny’schen Spur. Konkrete programmatische Konsequenz ist die Grundentscheidung, dass nur Bachelor-Studiengänge angeboten werden, auf denen jedenfalls ein Masterstudiengang konsekutiv aufbaut. Die Universität bleibt im Interesse vielfältiger Bildungsoptionen universitas litterarum. Diese Maximen werden im Handeln der Universität auch ausbuchstabiert:230 Die von Savigny schicksalhaft-resignativ hingenommene, im einzelnen Fall schlechte Vorlesungsqualität betrachtet die Universität als Arbeitsauftrag. Auch der hochschulische Unterricht ist durch Didaktik verbesserungsfähig. Zu diesem Zweck wurde das Bonner Zentrum für Hochschullehre eingerichtet, das seit 2015 unter dem Direktorat des Prorektors für Lehre seine definitive Form erhält.231 Seine Aufgabe ist darauf gerichtet, die Professionalisierung der Hochschullehre zu unterstützen; das Zentrum macht die Hochschuldidaktik zu seinem Thema und unterbreitet entsprechende Qualifizierungsangebote. Als Incentive für gute Lehre werden herausragende Leistungen in der Lehre öffentlichkeitswirksam durch Preise in den Fakultäten und zentral durch die Universität (im Rahmen der Feierlichen Eröffnung des Akademischen Jahres) ausgezeichnet und monetär »unterlegt«. Ein wichtiges Mittel der Qualitätssicherung ist die Evaluation der Lehre. »Pilotfisch« war ein – bis heute beibehaltenes – Projekt der Fachschaft des Rechtswissenschaftlichen Fachbereichs. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es das Projekt »LuLu« (Lehre unter der Lupe), das in einem Pencil-Paper-Verfahren, wie sich heute die Ministerialbürokratie gerne ausdrückt, dem studentischen Hörer das Wort zur Evaluation gibt. Die Ergebnisse werden in einem jedermann zugänglichen Heft (»LuLu«) unter »Nennung von Ross und Reiter« publiziert. Universitätsweit ist die Evaluation in einem elektronischen Verfahren dem 1999 weitsichtig von Georg Rudinger konzipierten Bonner Zentrum für Evaluation und Methoden anvertraut, das als zentrale Betriebseinheit unter der Verantwortung des Rektorats geführt wird. Jährlich wird eine Studierendenbefragung durchgeführt, differenziert nach Studienanfängern der ersten beiden Semester und fortgeschrittenen Studierenden. Ziel ist es, das Studienangebot mit seinem Umfeld auf der Basis der nachgefragten Informationen verbessern zu können. Die Ergebnisse werden – anders als im Projekt »LuLu« – nur aggregiert, also nicht »personenscharf« publiziert. Zwar ist es eine der Maximen des Hochschulentwicklungsplanes, dass Lehre auf dem persönlichen Kontakt von Lehrenden und Lernenden beruht.232 Für die Einübung des wissenschaftlichen Diskurses, für die Demonstration wissenschaftlicher Problemlösung, ist die personale Begegnung von Lehrenden und 230 Siehe zum Folgenden ebd., Kapitel 3, S. 14f. 231 Ebd., Organisations- und Verwaltungsrichtlinie für das Bonner Zentrum für Hochschullehre der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 25. Januar 2015, publiziert als Anhang 4, Teil III. 232 Ebd., Nr. 12 der Maximen zu Studium und Lehre.
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Lernenden nach Auffassung der Universität unverzichtbar.233 Das bedeutet nicht, dass die Chancen einer IT-gestützten Lehre nicht implementiert und genutzt werden. Im Rahmen des »eCampus«234 sind etwa im Sinne einer Ergänzung des Präsenzunterrichts viele Möglichkeiten des Blended Learning geschaffen worden. Auch sonst ist die Universität dem Anspruch verpflichtet, den Erfordernissen einer digitalisierten Wissensgesellschaft kontinuierlich gerecht zu werden. So stehen Katalogschränke, wie sie zum Beispiel in der Universitäts- und Landesbibliothek seit Jahrzehnten Generationen von Wissenschaftlern und Studenten als Informationsmittel dienten, schon längst in elektronischer Form für eine deutlich schnellere und gezielte Suche unter den mittlerweile mehr als 2,2 Millionen Büchern und Zeitschriftenbänden, rund 5.500 Zeitschriften und fast 30.000 lizenzierten elektronischen Zeitschriften im Online-Zugriff zur Verfügung. Letztere führen allerdings zu nicht unerheblichen laufenden finanziellen Ausgaben. Über das Suchportal »bonnus« kann darüber hinaus auf einen Datenindex zugegriffen werden, welcher mehr als eine Milliarde Datensätze wissenschaftlich relevanter Quellen enthält. Berufswahlentscheidungen – und die Wahl des Studienfaches ist Teil dieser Entscheidung – sind Freiheitsentscheidungen, die folglich vom Risiko des Scheiterns begleitet sind. Die Gründe für die Realisation des Risikos sind vielfältig, individuell mindestens unerfreulich und aus politischer Sicht vielfältig unerwünscht. Die Motivationslagen sind im Zweifel vielfältig und auch nicht hinreichend bekannt, um daraus valide Strategieschlussfolgerungen ableiten zu können. Es ist jedenfalls intellektuell unterkomplex, einfach schlechte Lehre und Studienbedingungen dafür verantwortlich zu machen. Es besteht in der Universität außerdem ein Konsens darüber, dass das Absenken der Anforderungen kein akzeptables Mittel ist, um den Studienabbrüchen zu begegnen. Die Studienberatung als wesentlicher Baustein des Betreuungsparadigmas versucht, das Risiko von Fehlentscheidungen zu mindern und auch Studierenden in schwieriger Lage zu helfen. Es geht aber nicht nur um die Perspektive der Vermeidung potentiellen Scheiterns, sondern auch um Maßnahmen, mit denen die Universität in der Region Begabungen entdeckt und an sich bindet. Die Aufgabe beginnt im Verständnis der Universität Bonn schon vor der Studienaufnahme über das Format »Junge Universität«. Dazu gehört die »Kinderuniversität« für Kinder bis zu 13 Jahren, die »Wissenschaftsrallye« für 13 bis 16-Jährige. Für besonders begabte Schüler gibt es das Programm »Fördern, Fordern, Forschen« (FFF), das in den meisten Fächern ein Frühstudium ermöglicht. 233 Ebd., S. 15. 234 Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt der Universitäts- und Landesbibliothek, des Hochschulrechenzentrums und des Bonner Zentrums für Hochschullehre.
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Den einschreibebereiten und den eingeschriebenen Studenten berät die Zentrale Studienberatung in den Phasen vor, während und nach dem Studium. Sie hilft individuell, wie auch mit an Gruppen adressierten Programmen. Vor der Studienaufnahme gibt die Zentrale Studienberatung auf der Basis einer breiten, auch digital bereitgestellten Informationspalette dem Studienbewerber Orientierung durch Beratung, auch über ein Online-Self-Assessment-Programm zur Ermittlung der individuellen Studieneignung. Während des Studiums gehören etwa die Fachstudienberatung mit dem Schwerpunkt auf dem Studienverlauf und der Studienplangestaltung oder die Möglichkeiten der Realisierung eines Auslandsstudiums zu den Tätigkeitsschwerpunkten. Wichtige Adressaten der Beratung sind vor allem auch Studierende, für die zu befürchten ist, dass sie das Studium abbrechen und es folglich zu eruieren gilt, ob der Abbruch in der gegebenen Situation eine vermeidbare oder unvermeidbare Konsequenz ist. Aber auch im Fall der zweiten Alternative versucht die Zentrale Studienberatung durch ihre Vernetzung mit der Arbeitsagentur und dem Sektor der Dualen Ausbildung zu helfen.235 Gerät ein Studierender in eine psychische Krise wegen Prüfungs- oder sonstiger Ängste besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme speziell geschulter psychologischer Beratung. Nach dem Studium hilft die Zentrale Studienberatung mit einem Career Center, das in der Berufeinstiegsphase berät, unter anderem mit Coaching-Angeboten für Bewerbungsgespräche sowie Seminaren zur beruflichen Orientierung und Karriereplanung. In allen Beratungsphasen gilt ein besonderes Augenmerk behinderten Menschen mit dem Ziel, ihnen die gewünschten Studiengänge zumutbar zugänglich zu machen. Das setzt auch eine individualisierte Betrachtung der Studienbedingungen in Ansehung eines bestehenden Handicaps voraus. Hohe studentische Begabungen bemüht sich die Universität frühzeitig zu identifizieren. Dafür hat sie das sogenannte Honors Program entwickelt. Es ist in die Bachelor-Studiengänge integriert. Auf Grund in den ersten beiden Fachsemestern erbrachter herausragender Leistungen benennen die Fakultäten die Kandidaten für das Honors Program. Es geht darum, diese besonders Begabten näher an die Wissenschaft heranzuführen. Deshalb werden ihnen drei Module (mit Leistungspunkten) angeboten, die dieser Funktion entsprechen: Zwei konsekutive Veranstaltungen werden im Modul »Wissenschaftskonzepte und Wissenschaftskulturen« angeboten, ein Honors Seminar (häufig als Sommerschule durchgeführt) und eine Honors lecture von einem herausragenden Bonner Wissenschaftler. In der zweiten Studienphase wird der interdisziplinäre Kontakt mit anderen Fächern nach individueller Absprache mit dem Kandidaten gefördert. Die Universität beteiligt sich über die Universitätsstiftung am von der 235 Siehe insoweit: Kooperationsvertrag der Handwerkskammer zu Köln mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität vom 18. Dezember 2012.
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Bundesregierung als Matching-Finanzierung aus privatem und Steuergeld konzipierten Deutschlandstipendium. Um alles das hat sich die Savigny’sche Universität nicht gekümmert. Die Universität ist heute eben nicht mehr nur eine Lehr- und Forschungsanstalt, sie ist für die Studierenden jenseits der Unterweisung als »helfende Hand« konzipiert. In welcher Intensität diese »helfende Hand« in Anspruch genommen wird, bleibt allerdings (noch) der Initiative des Einzelnen überlassen. Es ist schon fast überflüssig zu sagen, dass der Aufwand für diese Aufgabenerfüllung sich in der Grundfinanzierung der Universität nicht niederschlägt.
Abb. 45: Studierende bei der Absolventenfeier auf der Hofgartenwiese
Es ist eine der Schwächen des deutschen Universitätssystems, dass die Verbindung zwischen der Universität und dem Absolventen nach dessen Abschluss nicht faktisch verstetigt ist – anders als dies im angelsächsischen Raum der Fall ist. Weil das Studium unentgeltlicher Rechtsanspruch gewesen ist, gibt es auch keinen Anlass, sich der Universität verbunden zu fühlen. Dabei wird die Frage, ob später erreichter beruflicher Erfolg, nicht vielleicht doch etwas mit der zuteil gewordenen Ausbildung zu tun haben könnte, doch nicht rundheraus verneint werden können, so dass sich die Anschlussfrage durchaus stellen lässt, ob der erfolgreiche Absolvent seine Universität bei chronisch notleidender Staatsfinanzierung – selbstverständlich als völlig autonome Entscheidung – nicht auch monetär unterstützen könnte. Wenn die Universität die Verbindungen zu den Absolventen aber nicht pflegt – und sie hat sich bis in den Berichtszeitraum
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hinein darum nur kaum gekümmert –,236 wird es eine intensivere intergenerative Verknüpfung auch nicht als Regelfall geben. Die Universität versucht unter anderem mit dem Mittel des Zeremoniellen, das Identifikationspotential am Ende der Ausbildung zu erhöhen. Zu diesen Mitteln gehört das von Prorektor Max Baur im Rektorat Winiger erstmals 2004 angeregte (und konzipierte) Absolventenfest. Dass eine solche eher angelsächsisch anmutende Zeremonie237 sich traditionslos würde etablieren lassen, war alles andere als ein Selbstläufer. Hätte Prorektor Baur für das erste Fest nicht für eine vollständige Sponsoren-Finanzierung gesorgt, hätten dafür Haushaltsmittel herangezogen werden müssen, wodurch der Plan wohl im Senat gescheitert wäre. Inzwischen kann man sagen, dass dieses Fest nebst abendlichem Ball sich fest etabliert hat. Nach Fakultäten getrennt, in Talaren in den Farben ihrer Fakultäten, ziehen die Absolventen unter den Augen ihrer Eltern, Verwandten und Freunden zur Festveranstaltung. Mit Blick auf die beiden anwesenden Generationen der Eltern und der Absolventen ist es nicht ohne historischen Hintersinn, dass die Eltern der Absolventen grosso modo jener Generation angehören, die den »Muff von tausend Jahren unter den Talaren« zum substantiellen Stein des Anstoßes genommen hatte und jetzt mit gerührtem Blick auf die Talare schaut. Ebenso veranstalten die Fakultäten für die im Akademischen Jahr Promovierten eine feierliche Urkundenübergabe. Alles das führt aber noch nicht zu einem dauernden Band des alumnus mit seiner alma mater. Immerhin steht die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn (GEFFRUB), wie sie die längste Zeit ihrer hundertjährigen Existenz hieß, bevor sie in Universitätsgesellschaft umfirmiert worden ist,238 als mitgliedschaftliche Organisation für Freunde der Universität offen, die mit ihren Mitteln die universitäre Arbeit wirkungsvoll unterstützt. Die Bereitschaft zu dauerhafter Selbstverpflichtung qua Mitgliedschaft in einem Verein hat aber gegenwärtig wenig Chancen auf eine große Breitenwirkung. Das Rektorat Borchard hatte deshalb 2001 einen »Alumni-Club« gegründet, der es auch rasch auf 1.200 Mitglieder gebracht hatte; er ist in der Folgezeit mit der Universitätsgesellschaft fusioniert worden. Seit einigen Jahren ist als Bindungselement das AlumniNetzwerk konstituiert worden, das auf rechtlich verfasste mitgliedschaftliche 236 Autobiographisch kann der Verf. beisteuern, dass er von der »Ehrung« seiner Dissertation als herausragende Leistung in dem damaligen Promotionsjahr 1978 nie mehr gesehen hat, als den Überweisungsträger mit 4.000 DM und dem Hinweis »Dissertation«. Mehr Informalität ist nicht denkbar. 237 Siehe Deike Uhtenwoldt, Ein Hoch auf uns. Vorbild Amerika: Die Abschlussfeiern an den Hochschulen werden zum großen Finale. Es kann gar nicht feierlich genug sein – und was gestern als spießig galt, ist heute cool, in: FAZ vom 02./03. 09. 2017, S. C3. 238 Siehe zur GEFFRUB näher den Beitrag von Dominik Geppert in Band 1 sowie den Beitrag von Günther Schulz und David Lanzerath in Band 2 dieser Festschrift.
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Wolfgang Löwer
Strukturen verzichtet, aber alle Absolventen einlädt, sich digital mit der Universität über das Alumni-Netzwerk zu verknüpfen. Das Alumni-Netzwerk will eine lebendige Plattform zum Informationstausch zwischen gegenwärtig Studierenden und Absolventen sein. Die Alumni werden über das universitäre Leben informiert und so eingeladen, den Kontakt zu ihrer Lehrstätte nicht abreißen zu lassen. Schließlich hat die Universität 2009 die Bonner Universitätsstiftung gegründet, die privatem Engagement in der Förderung der universitären Aufgaben einen Rahmen bietet. Unter dem Motto »Menschen fördern. Ideen verwirklichen. Zukunft stiften.« ist sie Dach für gegenwärtig 20 Stiftungsfonds und vier unselbständige Stiftungen sowie zwei Sammlungen. Was gefördert wird bestimmt der dauerhaft wirksame Wille des Stifters.
Traditionell modern!? Ist im Lichte des Berichts der herkömmliche Wahlspruch der Universität auch ein Wahrspruch? In der sprachlichen Fassung der Begegnung der Worte »traditionell« und »modern« ist ersteres nicht bloß epitheton ornans zu letzterem, sondern ein charakterisierendes Moment der angenommenen Modernität, die damit als Wesensmerkmal der Bonner Universität durch die Zeitläufte und als dauernder Auftrag zu verstehen ist. Für die Forschung wird man eine solche Modernität gewiss annehmen können, weil ein erfolgreicher Prozess, mit dem Neues in die Welt gebracht wird, sich nicht aus verstaubten Strukturen ergibt. Insoweit würde schon das Tableau der Namen großer Bonner Forscherpersönlichkeiten die Modernität in der Zeit belegen. Wenn man die Begriffe in ihrer Besonderung nimmt, zeigt sich mit der Evokation der Tradition auch der Wille der Universität, im Bereich der Wissenschaft die identitätsbildende Kraft der Tradition zu bewahren, ohne sich der Modernität zu verschließen, wenn sie die bessere Lösung bietet. Man kann es vielleicht mit einem Diktum des Münchner Politikwissenschaftlers Hans Maier verdeutlichen, der es für ein Charakteristikum der Zeit vor und nach 1968 hält, dass sich vor 1968 die Reform gegenüber dem Bestehenden rechtfertigen musste, nach 1968 das Bestehende. Für die Universität gilt jedoch nach wie vor, dass das Neue im Abgleich mit dem Bisherigen auf seine Tauglichkeit geprüft wird, bevor es adaptiert wird. Die Methodik der Wissenschaft wird für alle forschungs-, lehrund organisatorischen universitären Aufgaben zum Modus der Aufgabenerfüllung. Allerdings hat die Universität im Berichtszeitraum auch erfahren müssen, dass das Recht zur Adaption oder Verwerfung nicht bei normativen Setzungen gilt. Dann hilft oft nur Schadensbegrenzung.
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Abkürzungsverzeichnis
a. F. AAD Abb. ABC/J Abs. ADSt AG ANST AöR APO Art. AStA ASTAG B.W.R. BA BA BAföG BAZ BCGS BCTP BFB BGBl BIP BIT BMBF BONFOR BUN BVerfGE BVerwG BzBonn BZL ca.
alte Fassung Akademischer Austauschdienst Abbildung Forschungsverbund Aachen-Bonn-Köln/Jülich Absatz Aktionskreis Demokratischer Studenten Aktien-Gesellschaft Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen Anstalt des Öffentlichen Rechts Außerparlamentarische Opposition Artikel Allgemeiner Studenten-Ausschuss Allgemeine Studentische Arbeitsgemeinschaft Bonner Waffenring Bachelor Bundesarchiv Bundesausbildungsförderungsgesetz Bonner Asienzentrum Bonn-Cologne Graduate School of Physics and Astronomy Bethe-Zentrum für Theoretische Physik (BCTP) Bonner Forum Biomedizin Bundesgesetzblatt Bruttoinlandsprodukt Bonn-Aachen International Center for Information Technology Bundesministerium für Bildung und Forschung Bonner Forschung Bonner Universitätsnachrichten Bundesverfassungsgerichtentscheid Bundesverwaltungsgericht Bionikzentrum Bonn Bonner Zentrum für Lehrerbildung circa
540 Caesar CCT CDH CDU CEMBIO Cicero CIDRe CV d. h. d. J. DAAD DDP DDR DFG DFU DIN DM DNVP DP Dr. Drs. DRZE DSt DUZ DV DVP DZNE e. V. ECO EF ELSA ERASMUS ERC FAZ FDJ FDP FFF FZ GEFFRUB Gestapo GG GHEG GMD
Abkürzungsverzeichnis
Center for Advanced European Studies and Research Zentrum für die Antike und ihre Rezeption/Centre for the Classical Tradition Christlich-Demokratischer Hochschulring Christlich Demokratische Union Center of Molecular Biotechnology Center for International Cooperation in Education and Research Center of Integrated Dairy Research Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen das heißt des Jahres Deutscher Akademischer Austauschdienst Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Friedensunion Deutsches Institut für Normierung Deutsche Mark Deutsch-Nationale Volkspartei Displaced Person Doktor Drucksache Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften Deutsche Studentenschaft Deutsche Universitätszeitung Datenverarbeitung Deutsche Volkspartei Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen eingetragener Verein University Education Control Officer Engere Fakultät Elektronen-Stretcher-Anlage European Community Action Scheme for the Mobility of University Students European Research Council Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Deutsche Jugend Freie Demokratische Partei »Fördern, Fordern, Forschen« Forschungszentrum Gesellschaft der Freunde und Förderer der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn Geheime Staatspolizei Grundgesetz Gesetz über die Entwicklung von Gesamthochschulen Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung
Abkürzungsverzeichnis
GO GStA PK GVBl h. c. H.d.A. HEP HFG HJ HRG HSchG HstA HwBSozWiss HZG I.B.K. i. V. m. IBZ IfL IG ILZ IWE KHG KMK Kostufra KPD KPdSU KSV KV kw KZ LHEP LHG LHO LHV LiMES LOM LT-Druck LuLu LV m. E. MA MDR MHI MINT Mio. MSB NATO
Gemeindeordnung Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem Gemeinsames Verordnungsblatt honoris causa Hochschulring deutscherr Art) Hochschulentwicklungsplan Hochschulfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen Hitler-Jugend Hochschulrahmengesetz Hochschulgestz Hauptstaatsarchiv Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Hochschulzukunftsgesetz Interessengemeinschaft der Bonner Korporationen in Verbindung mit Informations- und Bildungszentrum Institut für Leibesübungen Industriegewerkschaft Internationales Lateinamerika-Zentrum Institut für Wissenschaft und Ethik Katholische Hochschulgemeinde Kultusministerkonferenz Kommunistische Studentenfraktion Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Kommunistischer Studentenverband Kartell-Verband katholischer Deutscher Studentenvereine künftig wegfallend Konzentrationslager Landeshochschulentwicklungsplan Landeshochschulgesetz Landeshaushaltsordnung Liberaler Hochschulverband Life & Medical Scienes-Institut der Universität Bonn Leistungsorientierte Lohnmittelverteilung Landtags-Drucksachen »Lehre unter der Lupe« Landesverfassung meines Erachtens Master Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinhistorisches Institut Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft/en, Technik Millionen Marxistischer Studentenbund Spartakus North Atlantic Treaty Organization
541
542 NC ND NDW NPD Nr. NRW NS… NSD… NSDAP NSDStB NW OECD p.p. PG PH Post-doc… Prof. PZB R.K.K. RCDS REM RHRZ RM RWTH s. Zt. SA SAG SC SD SDS SHB SPD SS StA Bonn StBAG T4 TH TOP u. a. UA Bonn UdSSR USA USTA usw. V.V.
Abkürzungsverzeichnis
Numerus Clausus Bund Neudeutschland Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaft Nationaldemokratische Partei Deutschlands Nummer Nordrhein-Westfalen Nationalsozialistisch… Nationalsozialistische/r Deutsche/r… Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund Nordrhein Westfalen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung perge, perge Parteigenosse Pädagogische Hochschule Post-Doktorand/en/in… Professor Pharma-Zentrum Bonn Ring Katholischer Korporationen Ring Christlich-Demokratischer Studenten Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung Regionales Hochschulrechenzentrum Reichsmark Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen seinerzeit Sturmabteilung Sozialistische Arbeitsgemeinschaft Senioren-Convent Sicherheitsdienst Sozialistischer Deutscher Studentenbund Sozialistischer Hochschulbund Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutz-Staffel Stadtarchiv Bonn (auch SAG Bponn) Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz Tiergartenstraße 4 (Berliner Sitz der Verwaltungseinheit zur Durchführung des Euthanasie-Programms) Technische Hochschule Tagesordnungspunkt unter anderem Universitätsarchiv Bonn (auch UAB) Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Vereinigte Staaten von Amerika Unabhängige Studentenaktion und so weiter Vertreterversammlung Bonner Korporationen
Abkürzungsverzeichnis
VDH VDS VG WDR WiSe Wiss… WissHG WRK WRV WRWG WS z. B. z. Zt. ZAK ZAN ZEF ZEI ZERG ZFL ZIS ZLV ZRG kan ZVS
543
Verband der Deutschen Hochschulen Verband Deutscher Studentenschaften Verwaltungsgericht Westdeutscher Rundfunk Wintersemester Wissenschaftliche/r… Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes NordrheinWestfalen Westdeutsche Rektorenkonferenz Weimarer Reichsverfassung Hochschulreform-Weiterentwicklungsgesetz Nordrhein-Westfalen Wintersemester zum Beispiel zurzeit Zentrum für Alternskulturen Zentrum für angewandte Wissenschaften Zentrum für Entwicklungsforschung Zentrum für Europäische Integrationsforschung Zentrum für Religion und Gesellschaft Zentrum für Fernerkundung der Landoberfläche Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik Ziel- und Leistungsvereinbarung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, kanonistische Abteilung Zentrale Vergabestelle für Studienplätze
Verzeichnis der Amtsträger
Rektoren der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1918–2018 1918/19 1919/20 1920/21 1921/22 1922/23 1923/24 1924/25 1925/26 1926/27 1927/28 1928/29 1929/30 1930/31 WS 1931 SS 1931/32 1932/33 WS 1933 SS 1933/34 1934/35 WS 1935 SS 1935/36 1936/37 1937/38 1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44 1944/45
Ernst Zitelmann, Rechtswissenschaften Fritz Tillmann, Katholische Theologie Fritz Tillmann, Katholische Theologie Johannes Fitting, Botanik Otto von Franqu8, Gynäkologie Conrad Cichorius, Geschichte Joseph Heimberger, Rechtswissenschaften Adolf Dyroff, Philosophie, Psychologie Johannes Meinhold, Wirtschafts- und Staatswissenschaften Rudolf Meißner, Germanistik Nordische Philologie Arnold Rademacher, Katholische Theologie Heinrich Mathias Konen, Physik Richard Siebeck, Augenheilkunde Heinrich Mathias Konen, Physik Paul Pfeiffer, Chemie Adolf Zycha, Rechtswissenschaften Friedrich Pietrusky, Gerichtliche und soziale Medizin Friedrich Pietrusky, Gerichtliche und soziale Medizin Hans Naumann, Ältere Germanistik Karl Theodor Kipp, Rechtswissenschaften Friedrich Pietrusky, Gerichtliche und soziale Medizin Karl Schmidt, Augenheilkunde Karl Schmidt, Augenheilkunde Karl Schmidt, Augenheilkunde Karl F. Chudoba, Mineralogie Karl F. Chudoba, Mineralogie Karl F. Chudoba, Mineralogie Karl F. Chudoba, Mineralogie Karl F. Chudoba, Mineralogie Karl F. Chudoba, Mineralogie
546 1945 1945/46 1946/47 1947/48 1948 1948/49 1949 1949/50 1950 1950/51 1951/52 1952/53 1953/54 1954/55 1955/56 1956/57 1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62 1962/63 1963/64 1964/65 1965/66 1966/67 1967/68 1968/69 1969/70 1970/71 1971/72 1972/73 1973/74 1974/75 1975/76 1976/77 1977/78 1978/79 1979/80 1980/81 1981/82 1982/83 1983/84 1984/85
Verzeichnis der Amtsträger
Theodor Brinkmann, Landwirtschaftliche Betriebslehre Heinrich Mathias Konen, Physik Heinrich Mathias Konen, Physik Heinrich Mathias Konen, Physik (bis 21. 1. 1948) Martin Noth, Evangelische Theologie (ab 6. 2. 1948 und SS 1948) Theodor Klauser, Katholische Theologie, Christliche Archäologie Theodor Klauser, Katholische Theologie, Christliche Archäologie Theodor Klauser, Katholische Theologie, Christliche Archäologie Theodor Klauser, Katholische Theologie, Christliche Archäologie Ernst Friesenhahn, Rechtswissenschaften Werner Richter, Germanistik Werner Richter, Germanistik Paul Martini, Innere Medizin Burckhardt Helferich, Chemie Hans Braun, Pflanzenkrankheiten Karl Theodor Schäfer, Katholische Theologie Martin Noth, Evangelische Theologie Johannes Steudel, Geschichte Max Braubach, Geschichte Carl Troll, Geographie, Kartographie Heinrich Niehaus, Agrarpolitik, Volkswirtschaftslehre Hans Welzel, Rechtswissenschaften Wilhelm Dirscherl, Chemie Hugo Moser, Ältere Germanistik Wilhelm Groth, Physikalische Chemie Edmund Gassner, Städtebau Wilhelm Schneemelcher, Evangelische Theologie Karl Josef Partsch, Rechtswissenschaften Hans Jörg Weitbrecht, Psychiatrie, Neurologie Gerald Grünwald, Rechtswissenschaften Hatto H. Schmidt, Alte Geschichte Hans-Joachim Rothert, Evangelische Theologie Hans-Joachim Rothert, Evangelische Theologie Hans Egli, Physiologie Hans Egli, Physiologie Rolf Leis, Mathematik Aloys Heupel, Kartographie, Topographie Aloys Heupel, Kartographie, Topographie Hans-Jacob Krümmel, Betriebswirtschaftslehre Hans-Jacob Krümmel, Betriebswirtschaftslehre Werner Besch, Germanistik Werner Besch, Germanistik Franz Böckle, Katholische Theologie Franz Böckle, Katholische Theologie
547
Verzeichnis der Amtsträger
1985/86 1986/87 1987/88 1988/89 1989/90 1990/91 1991/92 1992/93 1993/94 1994/95 1995/96 1996/97 1997/98 1997/99 1999/2000 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/2010 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19
Kurt Fleischhauer, Anatomie Kurt Fleischhauer, Anatomie Kurt Fleischhauer, Anatomie Kurt Fleischhauer, Anatomie Kurt Fleischhauer, Anatomie Kurt Fleischhauer, Anatomie Kurt Fleischhauer, Anatomie Max G. Huber, Physik Max G. Huber, Physik Max G. Huber, Physik Max G. Huber, Physik Klaus Borchard, Städtebau Klaus Borchard, Städtebau Klaus Borchard, Städtebau Klaus Borchard, Städtebau Klaus Borchard, Städtebau Klaus Borchard, Städtebau Klaus Borchard, Städtebau Klaus Borchard, Städtebau Matthias Winiger, Geographie Matthias Winiger, Geographie Matthias Winiger, Geographie Matthias Winiger, Geographie Matthias Winiger, Geographie Jürgen Fohrmann, Germanistik Jürgen Fohrmann, Germanistik Jürgen Fohrmann, Germanistik Jürgen Fohrmann, Germanistik Jürgen Fohrmann, Germanistik Jürgen Fohrmann, Germanistik Michael Hoch, Molekulare Entwicklungsbiologie Michael Hoch, Molekulare Entwicklungsbiologie Michael Hoch, Molekulare Entwicklungsbiologie Michael Hoch, Molekulare Entwicklungsbiologie
Kuratoren der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1818–1944 SS 1919–SS 1929 WS 1929/30–SS 1934 WS 1934/35 SS 1935–WS 1936/37 SS 1937–WS 1938/39 SS 1939–SS 1943
Johannes Norrenberg Alfons Proske Paul Klingelhöfer Julius Bachem Franz Wildt (kommissarisch) Gustav Ehrlicher
548 WS 1943/44–SS 1944 WS 1944/45–WS 1946/47
Verzeichnis der Amtsträger
Joachim Kieckebusch nicht besetzt
Kanzler der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1947–2018 SS 1947–SS 1952 WS 1952/53–WS 1953/54 SS 1954–WS 1960/61 SS 1961–WS 1969/70 SS 1970 WS 1970/71–SS 1992 WS 1992/93–WS 2015/16 SS 2016 WS 2016/17–WS 2018/19
Peter Cremerius nicht besetzt Gottfried Stein von Kaminski Eberhard von Medem nicht besetzt Wilhelm Wahlers Reinhardt Lutz Kristina Friske (kommissarisch) Holger Gottschalk
Universitätsrichter/Universitätsräte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1918–19681 SS 1919–SS 1920 WS 1920/21–WS 1923/24 SS 1924–WS 1927/28 SS 1928–WS 1942/43 SS 1943–WS 1944/45 SS 1945–WS 1945/46 SS 1946–SS 1968
Ferdinand Riefenstahl2 Ludwig Clostermann3 Peter Joseph Arimond4 Franz Wildt Eduard Weber nicht überliefert Hellmuth von Weber5
1 Zusammenstellung aller Daten durch Herrn Thomas Fuchs M.A., dem für die Überlassung herzlich gedankt wird. 2 Ab dem SS 1919 gehört der Universitätsrichter dem Akademischen Senat erstmals nicht mehr als ständiges Mitglied an 3 Aus gesundheitlichen Gründen aus dem Dienst ausgeschieden; ein Ministerialerlass vom 12. Dezember 1923 übertragt die Aufgaben nebenamtlich vom 1. Januar 1924 an Amtsgerichtsrat Peter Joseph Arimond. 4 Ab dem WS 1923/24 trug der Universitätsrichter die Amtsbezeichnung Universitätsrat 5 Als Syndikus wird für das SS 1953 zudem noch der Dozent Joachim Gernhuber aufgeführt. Ab dem WS 1953/54 war Joachim Gernhuber Syndikus, ab dem WS 1955/56 Walther Habscheid, ab dem WS 1957/58 Wilhelm Henrichs.Vom SS 1960 bis zum SS 1972 war Konrad Redeker Syndikus der Universität Bonn. Ihm stand vom SS 1960 bis zum WS 1961/62 Volker Grellert als Assistent zur Verfügung. Im SS 1962 besetzte Sigmar Uhlig diese Stelle, vom WS 1962/63 bis zum WS 1963/64 war Christoph Klose Assistent des Syndikus, vom SS 1964 bis zum SS 1968 übernahm diese Stelle Wolfgang Rüther. Ab dem SS 1968 agierte der Syndikus Konrad Redeker ohne Assistent.
549
Verzeichnis der Amtsträger
WS 1968/69–SS 1972
Stelle des Universitätsrates nicht besetzt (Syndikus: Konrad Redeker).6
Mitglieder des Hochschulrates 2008–2013 – – – – – – – –
Prof. Dr. Jean-Pierre Bourguignon Prof. Dr. Eva Geulen Dr. Jörg Haas (Vorsitzender) Dr. Lothar Harings Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Jansen Prof. Dr. Peter Propping Dr. Georg Schütte (bis Dezember 2009) Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Helmut Schwarz (ab September 2010 als Nachfolger von Dr. Schütte) – Dr. Gabriele Uelsberg – Prof. Dr. Gerhard Wagner – Dr. Monika Wulf-Mathies
2013–2018 – – – – – – – – – – –
Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M. Dorothee Dzwonnek Prof. Dr. Dieter Engels (Vorsitzender) Prof. Dr. Marion Gymnich Ulrike Lubek Prof. Dr. Karl Schellander Ilona Schmiel Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Helmut Schwarz Dr. Katrin Vernau Hermann Ude (bis September 2013) Prof. Dr. Emil Jürgen Zöllner (ab Juli 2014 als Nachfolger von Herrn Ude)
2018–2023 (neue Periode ab dem 05. 02. 2018) – – – – –
Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M. Dorothee Dzwonnek Prof. Dr. Dieter Engels Prof. Dr. Marion Gymnich Dr. Claudia Lücking-Michel
6 Mit Beginn des Wintersemesters wurde die Stelle des Universitätsrates nicht mehr besetzt; die Stelle des Syndikus ist nicht mehr überliefert.
550 – – – – –
Prof. Dr. Karl Schellander Ilona Schmiel Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Helmut Schwarz Dr. Katrin Vernau Prof. Dr. Emil Jürgen Zöllner
Verzeichnis der Amtsträger
Abbildungsnachweis
Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30: Abb. 31: Abb. 32:
Stadtarchiv und wissenschaftliche Stadtbibliothek Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Bonner Mitteilungen Geffrub; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Alex Keller Universitätsarchiv Bonn; Alex Keller Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Scan vom Original Universitätsmuseum Bonn; Scan vom Original Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Christian Brachwitz Universitätsarchiv Bonn; Alex Keller Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Scan vom Original Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Dorothea Bleibtreu Universitätsarchiv Bonn; Wolfgang Klapdor Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Scan vom Original Universitätsarchiv Bonn; Rudolf Becker Stadtarchiv und wissenschaftliche Stadtbibliothek Bonn; Gerhard Munker
552 Abb. 33: Abb. 34: Abb. 35: Abb. 36: Abb. 37: Abb. 38: Abb. 39: Abb. 40: Abb. 41: Abb. 42: Abb. 43: Abb. 44: Abb. 45:
Abbildungsnachweis
Universitätsmuseum Bonn; Volker Lannert Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Chris Preker Universitätsarchiv Bonn; Gerhard Munker Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt Universitätsarchiv Bonn; Urheber unbekannt (T.M.) Universitätsarchiv Bonn; J. H. Darchinger Universitätsarchiv Bonn; Hans Schafgans Universitätsarchiv Bonn; Volker Lannert Universitätsarchiv Bonn; Frank Luerweg Universitätsarchiv Bonn; Frank Homann Universitätsarchiv Bonn; Barbara Frommann Universität Bonn, Hochschulkommunikation; Frank Homann
Personenregister
Abs, Hermann Josef 55 Adenauer, Konrad 77, 232, 249, 260, 262, 277, 281, 328 Albach, Horst 435 Alewyn, Richard 282 Algermissen, Konrad 176 Allemann, Beda 440 Altenstein, Karl Sigmund Franz vom Stein zum 78 Amis, Kingsley 274 Anrich, Ernst 108, 119f., 149, 180 Anrich, Gustav 119 Anschütz, Richard 86 Antropoff, Andreas von 31, 104f., 118, 207 Antwerpes, Franz-Josef 390f. Arimond, August 36, 548 Arndt, Ernst Moritz 17, 185 Aron, Rudolf 162 Bachem, Julius 115, 125, 146f., 547 Bach8r, Franz 133 Barion, Hans 211 Barion, Jakob 318 Barraclough, John A. 204 Barth, Karl 122f., 132, 136, 176, 182, 231f., 247, 264 Baur, Max 499 Becker, Carl Heinrich 18–21, 70f., 85, 98, 108 Becker, Friedrich 205, 210 Becker, Thomas 8, 22, 63, 108, 233f. Becker, Willi-Ferdinand 128, 148 Beckerath, Erwin von 200, 202
Beckerath, Herbert von 214 Beckmann, Friedrich 78 Beethoven, Ludwig van 85 Behler, Gabriele 407, 423f., 432 Behn, Siegfried 78, 205f., 208 Behr, Max 162 Below, Nicolaus von 208, 210 Bergbohm, Karl 11 Bernheim, Fritz 162 Bertram, Ernst 163 Bessey de Boissy, Jacques 81 Biermann, Wolf 389 Bley, Erich 212 Blumenberg, Walter 104, 118 Bockhorn, Karl Hermann 149, 153, 155 Böckle, Franz 360, 362, 375f., 392, 396, 546 Boehlich, Walter 278, 280f. Boelitz, Otto 20, 92 Bohland, Karl 133 Bolsinger, Herbert 137 Booß, Bernhelm 302–305 Borchard, Klaus 157, 418, 422, 424f., 429–432, 444, 455, 463f., 472, 475, 499, 547 Borger, Gustav 135 Börger, Willi 155 Bornemann, Fritz 290 Both, Erich 176 Bourguignon, Jean-Pierre 549 Brach, Marion 484 Bracher, Karl Dietrich 194, 256, 273, 307, 340, 480 Brandt-Schwarze, Ulrike 42
554 Brandi, Karl 273 Brandt, Willy 42, 262 Brann, Olaf 264 Braubach, Max 18, 20, 23, 68, 86, 88, 201, 219, 228–231, 251, 254, 276, 280, 546 Braun, Hans 219, 237, 261, 273f., 277, 287, 546 Brauns, Reinhard 142 Breuer, Peter 131f., 174 Breyer, Wolfgang 328f., 331–333 Brinkmann, Theodor 78, 192, 199–202, 546 Bruck, Eberhard 123 Brüning, Heinrich 31 Brunn, Anke 363, 367, 402, 407, 419, 422f. Buback, Siegfried 390 Buber, Martin 264 Bülbring, Hortense Leonore 176 Bülbring, Karl 176 Bülbring, Maud 176 Bulmahn, Edelgard 418, 443, 477 Busch, Jürgen 410 Busch, Wilhelm 144 Büttner, Wilhelm 145 Caldera, Rafael 460 Cassirer, Ernst 480 Ceelen, Wilhelm 126–128, 145, 171, 176 Chatzimarkakis, Georgios 482 Chudoba, Karl 115, 135f., 142–145, 147f., 161f., 186, 188–191, 199, 207, 545 Cichorius, Conrad 25, 545 Claudel, Paul 302 Clausen, Wilhelm 135 Clausius, Rudolf 84 Clemen, Paul 43, 86, 95, 155, 178 Clement, Wolfgang 423f., 431, 461 Cloos, Hans 200, 202, 213 Clostermann, Ludwig 36, 548 Comberg, Wilhelm 135 Cotte, Robert de 92 Craig, Gordon A. 480 Cramer, Heinrich 118 Cremerius, Peter 224f., 548 Creutz, Walter 171 Crinis, Maximinian de 145f.
Personenregister
Curtius, Ernst Robert 42, 101f., 108, 223, 278 Dahrendorf, Rolf 294 Daniels, Wilhelm 262 Dethloff, Nina 549 Di Fabio, Udo 466 Dibelius, Wilhelm 15 Dichgans, Hans 296 Diester, Helmut 47 Dirks, Walter 264 Dirscherl, Wilhelm 145, 186, 237, 269, 275, 546 Dohna, Alexander zu 108 Dölle, Hans 133 Dreyfuß, Paul 121 Duisberg, Carl 55, 86–88, 317 Dutschke, Rudi 309f., 315 Dyroff, Adolf 11, 14, 17, 22–25, 72, 85, 545 Dzwonnek, Dorothee 549 Ebbecke, Ulrich 145, 186 Ebbinghaus, Gustav 12, 103 Eckert, Christian 77 Eckhardt, Karl August 104, 212 Ehrlicher, Gustav 115, 146–148, 186, 547 Elisabeth II., Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland 261 Enders, Carl 75, 124 Engels, Dieter 447f., 457, 459, 549 Engeroff, Karl 122, 150 Erdmann, Raphael 121 Erhard, Ludwig 216, 260, 263 Erichsen, Hans-Uwe 424 Erman, Wilhelm 41, 43 Erzberger, Matthias 36, 73 Faltings, Gerd 465 Famulok, Michael 462 Faßbinder, Klara Marie 302f., 304 Fitting, Johannes 14, 25, 81, 91, 98, 545 Fleischhauer, Kurt 363f., 366, 369, 379f., 382, 399f., 402–405, 461, 484, 547 Flume, Werner 322
Personenregister
Fohrmann, Jürgen 411, 418, 440, 445, 449, 455, 457–459, 472, 479, 487, 547 FranÅois-Poncet, Andr8 261 Frank, Artur 162 Franqu8, Otto von 14, 25, 95, 168–170, 545 Franzmann, Friedrich 137, 141 Freisler, Roland 130 Frerichs, Georg 67, 133 Friauf, Karl Heinrich 459 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 83 Friesenhahn, Ernst 177, 214, 222, 225–228, 240, 255, 257, 259, 264, 271–273, 280, 286, 546 Fromme, Charlie 183 Fuchs, Gustav 11, 15f., 22, 77, 81, 122 Gäbler, Ulrich 429 Gadamer, Hans-Georg 185 Gärditz, Klaus-Ferdinand 437, 449, 466 Gassner, Edmund 300, 303, 307, 316, 546 Geißler, Erich 372 Gelderblom, Bernhard 92, 284 G8lin, Camille-Marius 13f., 81 Geller, Wilhelm 131 Genscher, Hans-Dietrich 429 Geulen, Eva 549 Geyer, Hans-Georg 318 Gielow, Wilfried 147 Gierlich, Josef 131f. Gies, Ludwig 93 Glees, Paul 139 Glotz, Peter 414 Goebbels, Joseph 119 Goethe, Johann Wolfgang von 85 Goetz, Leopold Karl 80 Gollwitzer, Helmut 247 Göppert, Heinrich 86, 107f., 121 Göring, Hermann 178, 183 Gottschaldt, Kurt 129, 131, 150 Gottschalk, Holger 459, 548 Graf, Willi 178f. Grebe, Leonard 135f. Grimm, Jacob 165 Grimme, Adolf 21
555 Groh8, Josef 130, 155, 185 Grosser, Alfred 277 Groth, Klaus 163 Groth, Wilhelm 296, 546 Gruhle, Hans 214 Grüneberg, Leo 133 Grünhut, Max 121, 214 Grünwald, Gerald 342f., 346, 348, 390, 546 Grütz, Otto 125, 145 Gütt, Arthur 169f. Guttenberg, Karl Theodor zu 480 Gymnich, Marion 549 Haas, Jörg 439, 549 Haberland, Ulrich 88, 238, 402 Hackspiel, Madeleine 299, 301 Haenisch, Konrad 18, 20, 103 Hagemann, Julius 78, 161 Hagen, Louis 88 Hagen, Wilhelmine 29, 472, 475 Hahn, Helmut 263 Haile Selassie, Kaiser von Äthiopien 261f. Hallmann, Hans 180f. Hammerstein, Notker 149, 175, 219, 258, 265, 278, 294, 459 Hamperl, Herwig 141, 316 Haniel, August 86 Haniel, Curt Alfons 86 Hansen, Kurt 317 Harings, Lothar 549 Harth, Gertrud 121, 124 Hartmann, Eduard 125 Hartmann, Nicolai 480 Haupt, Walter 168 Hausdorff, Felix 123, 194, 214 Heer, Hannes 314, 322, 328, 386, 388 Heimberger, Joseph 25, 30, 81, 545 Heimpel, Hermann 140, 267, 273 Heinrich I., ostfränkischer König 85 Heisenberg, Werner 140, 440 Helferich, Burckhardt 255, 262, 288, 290, 546 Helmholtz, Hermann von 84 Henkelmann, Werner 124
556 Henkels, Walter 215f., 232, 236 Henry, Johannes 76 Hentig, Hans von 214 Herdegen, Matthias 430 Herrmann, Friedhelm 88, 484 Herter, Hans 191, 207 Hertz, Heinrich 84 Hertz, Rudolf 124, 214 Herzl, Theodor 176 Herzog, Roman 425, 460 Hess, Wolfgang 36, 127, 422, 434 Heuss, Theodor 198, 260, 262, 286 Heyde, Werner 171 Heyer, Friedrich 205, 213f. Hildebrand, Klaus 157, 195 Himmelmann, Willi 156 Himmler, Heinrich 212 Hindenburg, Paul von 17, 215 Hirner, Andreas 472 Hitler, Adolf 104, 113, 116, 118f., 128, 130, 139, 155, 182, 194f., 207f., 244, 253, 280, 282 Hoch, Michael 449, 454, 459, 479, 547 Hodgins, Reverend William 234 Hoffmann, Adolf 103 Hoffmann, Erich 91, 118, 127, 130, 139 Höpfner, Hans-Paul 98, 103–108, 111–113, 116, 118–121, 123f., 128, 130f., 133, 135f., 138f., 142–144, 146, 148, 150, 152, 155, 171, 175f., 189, 191, 199, 207f., 212 Horst, Friedrich 107 Huber, Max 419f., 424, 461, 547 Hübinger, Paul Egon 116, 135–139, 157, 163–165, 167, 281, 316 Humboldt, Wilhelm von 216, 267, 276, 301, 417, 422 Huntington, Samuel P. 480 Husserl, Edmund 207, 480 Jablonowski, Horst 310–312, 316, 384 Jacobi, Hermann 42 Jacobmeyer, Wolfgang 234 Jacobsen, Werner 121, 382f. Janker, Robert 170, 186 Jansen, Carl 15, 44–46, 135
Personenregister
Jansen, Martin 549 Jarausch, Konrad 49, 54, 65, 267 Jaspers, Karl 264 Jedin, Hubert 212, 316 Jovy, Michael 184 Jungbluth, Günther 316 Justi, Carl 42 Kahle, John H. 124f., 195 Kahle, Marie 124f., 195 Kahle, Paul 107, 124f., 128, 132, 179, 184, 195, 214 Kahle, Wilhelm 124f., 179, 195 Kann, Jacobus H. 176 Kantorowicz, Alfred 75, 108–110, 121, 214 Kappen, Hubert 118 Kater, Michael 55, 100, 111, 126, 156 Kaufmann, Armin 312, 315 Kaufmann, Erich 214, 460 Kaufmann, Leopold 56 Kaupen-Haas, Heidrun 169 Kekul8, August 84 Kern, Fritz 119, 150, 178, 180–182, 184 Kerrl, Hans 184 Kershaw, Ian 195 Kieckebusch, Joachim 115, 146, 148, 188f., 548 Kinkel, Gottfried 42 Kinkel, Johanna 42 Kipp, Karl Theodor 115, 132f., 136, 545 Klapp, Ernst 144, 191 Klauser, Theodor 216, 218, 229f., 244, 255, 259, 270, 274, 286f., 546 Kleemann, Otto 261 Klingelhöfer, Paul 128, 146, 547 Knauer, Hans 139, 147 Koch, Anton 176 Koch, Josef 138 Kohl, Helmut 461 Konen, Heinrich 21f., 25f., 62, 72, 94, 107f., 119, 122, 167, 185, 199, 201f., 205f., 208, 210, 213, 221–225, 243, 260, 545f. König, Hans 103, 121, 183 Koopmann, Helmut 388
Personenregister
Kraft, Hannelore 407, 432, 446, 451 Kreck, Walter 318 Krüger, Paul 42 Krümmel, Hans-Jacob 357f., 360, 375f., 546 Kugelmeier, Alphons 323 Kühn, Heinz 204, 286, 321, 401 Lammers, Aloys 21, 278 Landfried, Klaus 418 Landsberg, Ernst 30, 86 Landsberg, Paul Ludwig 121, 194 Laschet, Armin 435 Last, Samuel 121 Lauscher, Albert 107, 119, 122 Lehnert, Hubertus 247 Lehr, Robert 201, 204 Leser, Paul Theodor 162, 286 Levison, Wilhelm 123, 136, 167, 214 Levy, Kurt 121, 137 Lieb, Fritz 122, 150, 182, 426 Liebenberg, Hans 161 Limbach, Karl 183 Linden, Maria von 475 Litt, Theodor 247f., 272, 402, 480 Löwenstein, Joseph 124 Löwenstein, Otto 120f. Löwenstein, Sally 161 Löwer, Wolfgang 416, 427, 449, 466, 480, 488, 492, 561 Lubbe, Marinus van der 324 Lübke, Heinrich 302f., 312f. Lücking-Michel, Claudia 549 Luchtenberg, Paul 222 Lumumba, Patrice 246 Lüthgen, Eugen 151 Lutz, Reinhardt 459, 469, 548 Lützeler, Heinrich 89f., 92f., 97, 107, 124, 148, 177f., 195, 205f., 213, 232, 260, 284, 316, 399 Maier, Hans 195, 500 Maleter, Pal 249 Mann, Thomas 135–139, 157, 163–167, 278, 280f. Marchesani, Oswald 135
557 Margerie, Roland de 261 Markov, Irene 180, 182–185 Markov, Walter 180–185, 195 Martini, Paul 117, 126f., 131, 143–145, 147, 171, 175–177, 188–190, 192f., 210, 226, 235, 253, 255, 259f., 546 Marx, Wilhelm 17, 85 Mathiopoulos, Margarita 480 Mättig, Ursula 475 McCloy, John 237 Medem, Eberhard von 251, 320, 548 Meier, Harri 282, 383f. Meinhold, Johannes 24f., 545 Meisen, Karl 124, 213 Meißner, Rudolf 25, 72, 85, 99, 101, 545 Menghin, Oswald 131 Menke, Karl-Heinz 465 Mensching, Gustav 316 Menser, Karl 95 Mentzel, Rudolf 160, 189 Menzerath, Paul 33 Meschke, Günter 182–184 Meyer, Alfred 121 Meyer, Corina 410 Meyer, Hans 329, 336, 338 Michels, Peter Franz 161 Mikat, Paul 222 Moser, Hugo 278–283, 295f., 405, 546 Müller, Aloys 124 Müller, Guido 18f., 70f. Müller, Johannes 124, 186 Müller, Klaus-Dieter 199, 239, 273 Müller, Ludwig 212 Müller, Paul 88 Müller-Heß, Viktor 127, 133 Müller-Hill, Benno 171 Müller-Hofstede, Justus 393 Müller-Rolli, Sebastian 53 Mylius, Hermann 92f., 95–97 Nagy, Imre 249 Naumann, Hans 104, 115, 118, 132f., 136, 151, 166, 207, 545 Neumann, Manfred J. 466 Neuß, Wilhelm 22f., 75, 176–178, 200 Neyer, Hanns 155
558 Niebuhr, Barthold Georg 84 Nietzsche, Friedrich 270 Nitsche, Paul 171 Norrenberg, Johannes 21, 26, 38, 72, 95, 547 Noth, Martin 221, 255, 546 Nühsmann, Theodor 125 Nußbaum, Adolf 121 Nussbaum, Felix 124 Obenauer, Karl Justus 136, 165 Oertel, Friedrich 167, 200, 206f., 239, 284 Ohnesorg, Benno 307 Ortega y Gasset, Jos8 266f. Ossenbühl, Fritz 353, 355f., 391, 394, 396 Panse, Friedrich 171, 173, 186 Partsch, Karl Josef 319–321, 336, 460, 546 Pasˇic´, Nikola 180 Pate, Glen 161, 313f., 322, 451 Paul, Bruno 93 Paul, Johann 312, 316, 327 Paul, Wolfgang 246, 465 Paulsen, Friedrich 273 Pender, Robert 264 Penselin, Siegfried 319 Peters, Franz Josef 178, 195 Petri, Klaus 276f. Petter, Kurt 110 Pfeifer, Judith 469 Pfeifer, Ulrich 484 Pfeiffer, Paul 25, 100f., 545 Pfeiffer-Poensgen, Isabell 449 Pfenningsdorf, Emil 118 Pfetsch, Frank 37f. Pflüger, Eduard 84 Philippson, Alfred 125, 213 Philippson, Dora 125 Philippson, Ludwig 125 Picht, Georg 294 Pieck, Wilhelm 183 Pieper, Hermann 162 Pietrusky, Friedrich 108, 118, 126–133, 136, 143–146, 150, 152, 162f., 545 Pinkwart, Andreas 407, 435, 438, 444 Platz, Hermann 176
Personenregister
Poppelreuter, Walter 104f., 118, 120, 128 Pörtner, Rudolf 305, 309, 322 Proell, Friedrich 125 Propping, Peter 549 Proske, Alfons 26, 73, 90, 92, 94, 99, 121, 146, 547 Puff, Heinrich 316 Rademacher, Arnold 25, 97, 99, 110, 545 Ramondt, Marie 29 Ranke, Leopold von 488 Rath, Erich von 41, 176 Rau, Johannes 349, 384f., 419, 423 Redwitz, Erich von 127f., 144f., 147, 170f., 175, 187, 200, 210 Reich-Ranicki, Marcel 166 Reiche, Paul 125 Reinartz, Peter 137 Reiser, Karl August 145 Reiter, Hans 130, 495 Renois, Otto 127 Rentrop, Ernst 122 Repgen, Konrad 231f., 316 Rheinboldt, Heinrich 121 Rhode, Volker 300 Ribbert, Hugo 86 Richter, Werner 21, 198, 214, 218, 230, 236, 239, 255, 257, 266f., 546 Riefenstahl, Ferdinand 36, 548 Riehm, Wolfgang 139, 145 Riezler, Wolfgang 246 Ritschl, Friedrich 23, 84 Ritter, Gerhard 48, 195, 415 Ritterbusch, Paul 142, 144f. Rohdewald, Margarete 217 Römer, Paul 118, 134f. Rosenberg, Alfred 176f., 211 Rothacker, Erich 104–106, 108, 118 Rothe, Hans 29, 52, 54, 67, 217, 318 Rothert, Hans-Joachim 316, 348, 370, 373, 389, 546 Rubensohn, Emanuel 162 Rudinger, Georg 495 Ruff, Siegfried 297–299 Rumpf, Theodor 86 Rupp-von Brünneck, Wiltraud 416
Personenregister
Rust, Bernhard 116, 126, 139, 142, 144, 150, 158 Rüttgers, Jürgen 422, 435 Salomon, Eugen 161 Salomon, Richard 180 Salzwedel, Jürgen 158, 321, 355f., 466 Samel, Paul 125 Savigny, Friedrich Carl von 488–490, 495, 498, 543 Schadow, Hans 182–184 Schäfer, Karl Theodor 20f., 26, 35, 68, 202, 227, 240, 247–249, 251, 261, 280, 288, 316, 330, 546 Schaffnit, Ernst 121 Schellander, Karl 549 Schelsky, Helmut 245, 276, 292 Schemm, Hans 157f. Scheuner, Ulrich 228, 252, 306, 460 Scheurer, Hans 88 Schiedermair, Ludwig 75, 415 Schilling, Oliver 422 Schimmel, Annemarie 217 Schirach, Baldur von 102, 119 Schlegelberger, Franz 324 Schlevogt, Walter 149–151, 153 Schlüter, Wilhelm 176 Schmiel, Ilona 549 Schmidhuber, Karl 126 Schmidt, Hannes 180, 182f. Schmidt, Karl 115, 117, 132, 134–142, 161f., 165, 545 Schmidt, Karl Ludwig 122, 182 Schmidt-Japing, Johann Wilhelm 122 Schmidt-Rimpler, Walter 452 Schmitt, Carl 211 Schmitt, Hatto 316, 344–348, 370, 385 Schmitz-Erpenbach, Otto 148 Schmorell, Alexander 178 Schnabel, Isabel 466 Schnapauff, Klaus-Dieter 441 Schneemelcher, Wilhelm 313–315, 319f., 322, 326, 546 Scholl, Hans 178 Scholze, Olaf 466 Schon, Peter 313, 316, 319
559 Schott, Albert 118, 488 Schrade, Leo 124 Schröder, Gerhard 72 Schütte, Georg 549 Schulemann, Werner 186, 192f. Schulte, Aloys 85f., 138 Schulze, Svenja 273, 407, 446, 451 Schuman, Robert 260 Schütz, Werner 222, 228, 251 Schützeichel, Rudolf 316 Schwartz, Friedrich 162 Schwarz, Helmut 549f. Schwarz, Jürgen 64, 68f. Schwarzer, Aloys 42, 44–46 Schwier, Hans 376, 391 Selten, Reinhard 465 Selter, Hugo 98, 107, 118, 126f., 162f. Siebeck, Richard 25, 101, 545 Siebke, Harald 141, 145, 152, 158, 168f., 193 Sieverts, Rudolf 268 Simon, Dieter 414, 417 Simon, Helmut 416 Simon, Nathan 124 Simon, Paul 176 Smend, Rudolf 19, 105 Smirnow, Andrej 248 Smith, Ronald Gregor 264 Sobotta, Johannes 126, 172–174 Söhngen, Gottlieb 138 Sperber, Alexander 121 Spiethoff, Arthur 62, 79 Spiritus, Wilhelm 12 Stackelberg, Mark von 118 Stahl, Helmut 429 Stapel, Oskar 149, 175 Stauffer, Ethelbert 200 Stein, Johannes 139 Stein von Kamienski, Gottfried 25f., 103, 225f., 548 Steinbrück, Peer 432, 464 Steinmann, Gustav 86 Stenbock-Fermor, Friedrich 459 Stern, Hans 161 Stern, Luise (Liesel) 111, 124
560
Personenregister
Steudel, Johannes 186f., 190f., 230, 235, 274f., 284, 546 Stockhausen, Peter 60, 62, 81, 98f. Stöhr, Philipp 135, 145, 170, 174 Störring, Gustav 207 Straub, Johannes 316 Strauß, Franz Josef 268 Strawe, Christoph 327 Streicher, Julius 157 Strempel, Rudolf 118 Stresemann, Gustav 17, 80, 85, 128 Ströker, Elisabeth 480 Stuckenberg, Carl-Friedrich 484 Sturm, Karl Christian Gottlob 78 Stursberg, Hugo 104, 118 Tackenberg, Kurt 120, 187f., 191 Tellenbach, Gerd 265 Teusch, Christine 222, 226, 286 Thi8e, Ingo 345 Thoma, Richard 108, 144, 161, 548 Thomae, Hans 316 Thyssen, Fritz 13 Tiemann, Friedrich 139, 145, 162 Tillmann, Fritz 13f., 17, 20, 22–25, 60, 62, 68, 79, 83, 91, 98f., 107, 158, 237, 254, 545 Toeplitz, Otto 123 Tomuschat, Christian 460 Toynbee, Anthony 182–184 Toynbee, Arnold J. 182, 184 Uelsberg, Gabriele
549
Vago, Pierre 290 Van Thieu, Nguyen 387 Vernau, Katrin 549 Voegelin, Eric 268 Vormfelde, Karl 125 Wagner, Gerhard 549 Wagner, Robert 64, 139, 313 Waibel, Leo 121, 123
Waldsachs, Hildegard 161 Waldsachs, Reinhold 121 Wallerstein, Otto 161 Wallner, Wolfgang 93, 97 Walzel, Oskar 124 Wampach, Henri-Camille 143, 179 Wanner, Johannes 86 Weber, Hans Emil 107, 476, 548 Weber, Hellmuth von 36, 147, 171, 314, 322, 324–326, 548 Weber, Max 267, 470, 476 Weil, Rudolf 162 Weisenborn, Günter 16, 100 Weisgerber, Leo 79 Weiss, Franz-Rudolf von 257 Weizsäcker, Carl Friedrich von 140 Weltzien, Heinrich Carl 319 Welzel, Hans 220, 252, 263, 280, 316, 546 Wessel, Horst 128 Wieruszowski, Helene 121 Wiese, Benno von 281, 316, 328 Wildt, Franz 36, 148, 547f. Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen 83 Willekens, Werner 195 Winiger, Matthias 411, 418, 431, 433f., 438f., 441f., 445, 455f., 462, 475f., 478, 482, 499, 547 Wirz, Franz 130f. Wizinger, Robert 124 Wolandt, Gerd 318 Wolff-Metternich, Franz 285 Wulff-Matthies, Monika 549 Zacher, Herbert 316 Zadel, Guido 482f. Zimmer, Daniel 58, 466 Zitelmann, Ernst 8–12, 19, 25, 76, 86, 88, 545 Zöllner, Emil Jürgen 549 Zuccali, Enrico 92 Zycha, Adolf 25, 81, 150, 175, 545 Zymalkowski, Felix 316
Autorenverzeichnis
Prof. em. Dr. Günther Schulz war bis 2016 Leiter der Abteilung für Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (VSWG) am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn und ist Vorsitzender des Universitätsclubs Bonn. David Lanzerath, M. A., war im Projekt zur Erstellung der Festschrift zur Geschichte der Universität Bonn 1818–2018 tätig und arbeitet heute als Redakteur für den Deutschen Fußball Bund (DFB) und den Sports-Informations-Dienst (SID). PD Dr. Ralf Forsbach war am Medizinhistorischen Institut der Universität Bonn tätig und ist heute Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Wilhelms-Universität Münster. Prof. Dr. Joachim Scholtyseck ist Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn. Prof. Dr. Christian Hillgruber ist Direktor des Instituts für Kirchenrecht an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. Prof. Dr. Wolfgang Löwer war Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht und Wissenschaftsrecht an der Universität Bonn und ist Präsident der NordrheinWestfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste; von 2006 bis 2014 war er Richter am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen.