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German Pages [256] Year 2016
mode global Band 1 Herausgegeben von Burcu Dogramaci
Hanni Geiger
form follows culture Entgrenzungen im Konzept-Design Hussein Chalayans
BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN · 2016
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
Zugl. Diss. LMU München, 2014 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Hussein Chalayan, Remote Control; Before Minus Now, Frühling/Sommer 2000 (2005 edition), Kleid (Kunstharz, Metall, Baumwolle, Kunststoff), 94 x 55,9 x 24,1 cm, The Metropolitan Museum of Art, The Costume Institute, New York, Inv. Nr.: 2006.251a–c © bpk / The Metropolitan Museum of Art
© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Sophie Reinhardt, Berlin Satz: Punkt für Punkt · Mediendesign, Düsseldorf Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50141-9
Inhalt Vorwort͟7 1. Einleitung͟9 1.1 Fragestellung und Leitgedanke͟11 1.2 Themeneingrenzung und Vorgehensweise͟14 1.3 Forschungsstand͟17 2. Grenzen hinterfragen͟22 2.1 Vereinheitlichung von Vielheit: Erste Material- und Schnittexperimente͟24 2.2 Leben und Arbeit an, mit und jenseits von Grenzen͟26 2.2.1 Zypern–London. Auf der Strecke zu Hause͟26 2.2.2 Ausbildungsjahre im multifacettierten Umfeld Londons͟28 2.3 „Wann ist Mode?“ Ein Blick über die Fachgrenzen͟30 3. Das gezeichnete Kleid. Chalayans (Mode-)Grafiken͟34 3.1 Mode und Zeichnung. Ein kurzer Rückblick͟35 3.2 Das Verhältnis zur Figurine. Spätere Arbeitsskizzen͟36 3.3 Konzeptuelle Zeichnungen͟37 3.4 Multimediale „Grafiken“, heterogene Realitäten͟39 4. Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“͟43 4.1 Abstrahierte Oberflächen, neutralisierte Zuordnungen͟44 4.2 Lebende Stoffe. Die dekonstruierte Textilie͟48 4.3 Harte Hülle, weicher Kern: Der Baustoff von Kleidern͟51 5. Gebaute Anthropologien, erzählende Kleiderarchitekturen͟55 5.1 Das skulpierte Kleid͟55 5.2 „Inbetweenness as togetherness“: Die Grenze als tektonisches Stil- und Bindemittel͟58 5.3 Puristisch-minimalistische Umkehrungen konstruierter kultureller Codes͟62
6. Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien͟67 6.1 Nomadische Möbelkleider für mobile Identitäten͟68 6.2 Verwobene Geografien, enträumlichte Heimat(en)͟72 6.3 „Aber auch der Nomade ist nicht notwendig jemand, der sich bewegt“: Die Wanderschaft von Gedanken͟75 6.4 In der Passage zu Hause oder Ankunft im Transit͟77 7. Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzgängerisches Design͟82 7.1 Kleidung im großstädtischen Raum͟83 7.2 Modenschau, Theater, Performance? Flexible Räume für flexible Passanten͟86 7.2.1 Mode und Bühne – eine „natürliche“ Liaison͟87 7.2.2 Fashion-Performance. Die Bühne einer Gesellschaft im Umbruch͟88 7.3 Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen͟92 7.3.1 Galerie-Shop-Museum͟93 7.3.2 Im Store: Eine Mikrogeografie, viele Heimaten͟95 Tafelteil͟97 8. Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode͟153 8.1 Statische Kleiderbilder im bewegten Welt-Raum͟154 8.1.1 Von der Dokument- zur Kunstfotografie͟154 8.1.2 In Ideen gekleidet. Modebefreite Modefotografie͟157 8.2 Eventräume zwischen Animation und Realfilm͟161 9. Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit͟167 9.1 „Bastard-Ich“: Eine Revision des Kultur-Körpers͟168 9.2 Ideale überdenken. Weiblichkeit auf dem Prüfstand͟173 9.2.1 Von der Muse zur Meinung͟173 9.2.2 Some-Body, No-Body, Whose Body? Vielgesichtige Gendermodelle͟174 9.3 Von toten Menschen und beseelten Kleidern͟179 9.4 Der getunte postmoderne Nomade oder die künstliche Genese einer „besseren Art“͟183 10. Resümee͟191 Anmerkungen͟197 Literaturverzeichnis͟225 Abbildungsnachweis͟247 Personenregister͟251
konnte, ist dem Interesse, der Unterstützung und dem Zuspruch einiger Persönlichkeiten geschuldet. Für die Ermutigung bei der Auswahl des Themas, die Bereitschaft, die Betreuung der Dissertation zu übernehmen und das in die Entwicklung der Arbeit gelegte Vertrauen danke ich Prof. Dr. Burcu Dogramaci. Sie ermöglichte mir überdies eine in die Dissertationsphase fallende Mitwirkung am Forschungs- und
Vorwort Die vorliegende Studie ist die stellenweise
Tagungsprojekt Migration und künstlerische Produktion, das im Jahr 2012 am Center for Advanced Studies der LMU München abgehalten wurde. Die Auseinandersetzung mit aktuellen kulturwissenschaftlichen
überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im
Forschungsansätzen zum Thema Migration eröffnete
November 2013 am Institut für Kunstgeschichte der
mir neue Perspektiven im Hinblick auf eine für diese
Ludwig-Maximilians-Universität München angenom-
Arbeit durchaus notwendige interdisziplinäre Ausein-
men wurde.
andersetzung mit dem um Mobilität und Wanderschaft
Im Fokus der Arbeit steht das von kulturellen
kreisenden künstlerischen Schaffen Chalayans. Auch
Verwebungsprozessen durch Migration beeinflusste
die Möglichkeit, das Manuskript im Böhlau Verlag
transdisziplinäre Schaffen des Designers und Künstler
erscheinen zu lassen, geht auf die freundliche Empfeh-
Hussein Chalayan. Abstrakt formuliert, stellt sie eine
lung von Frau Prof. Dogramaci zurück.
Untersuchung des Austauschprozesses zwischen
Prof. Dr. Hubertus Kohle und der Drittgutachte-
verschiedenen Disziplinen, u.a. der Kulturwissenschaf-
rin Prof. Dr. Fabienne Liptay danke ich für die erstell-
ten, der Kunst und den verschiedenen Designfächern,
ten Gutachten. Für die wertvollen Korrekturen und
in erster Reihe aber der Mode dar. Was in der Praxis
Anmerkungen möchte ich mich bei meiner Lektorin Dr.
spätestens seit den 1990er-Jahren als selbstverständ-
Sophie Reinhardt bedanken. Auf Stephanie Pfeiffer
lich von Künstlern und Designern in ihrer gegenseiti-
gehen mitunter die ersten Überarbeitungen des
gen Austauschnahme gelebt und erarbeitet wurde,
Manuskriptes und Anregungen zurück, die diese Arbeit
fand in der Theorie lange Zeit einen nur mäßigen
sich haben weiterentwickeln lassen. Meine Freundin
Widerhall. Dies mag vor allem dem Feld der Mode
Roza Josifovna begleitete mich tatkräftig und uner-
geschuldet sein, das in den Geisteswissenschaften,
müdlich durch die abschließenden Arbeiten für die
insbesondere aber den Kunstwissenschaften nahezu
Abgabe und für den sich daran anschließenden Druck
klassisch begriffen mit einer Stimmung des „Oberfläch-
der Dissertation. Ihren wohl überlegten stilistischen
lichen“ oder „Unseriösen“ umgeben war. Dass Mode
und inhaltlichen Anmerkungen ist der letzte Schliff der
aber eines (kunst-)wissenschaftlichen Blickes wert ist
Arbeit geschuldet.
und durchaus auch gesellschaftlich relevante Inhalte in
Einen besonderen Dank möchte ich Martin
Form künstlerischer Ausdrucksweisen zu vermitteln
Pleßmann aussprechen, der mich mit viel Geduld bei
vermag, soll diese Arbeit belegen.
den ungezählten Korrekturleserunden, aufbauend und
Dass die Studie in ihrem Gegenstand als Dissertation verfasst und schließlich veröffentlicht werden
mit wichtigen Ratschlägen durch die gesamte Dissertationsphase begleitet hat.
Vorwort
7
tigkeit. Neben dem Entwurf regulärer, tragbarer Kollektionen wendet er seit den frühen 1990er-Jahren eine spartenübergreifende Formensprache für künst lerische Projekte an der Schnittstelle zu Architektur, Industriedesign, Film, Installation, Performance, Skulptur, Anthropologie, Technologie oder Philosophie an. In der Überschreitung von Genregrenzen erinnert seine wie auch die Arbeitsweise einiger weiterer Künstler- und Designerzeitgenossen6 an Forderungen
1. Einleitung
nach einer Vereinigung von Kunst und Leben und der damit einhergehenden Auflösung von Grenzen zwischen „high-“ und „low culture“, wie sie bereits die
„Dinge machen, von denen wir nicht wissen, was
klassische Avantgarde formulierte. Bis zum heutigen
sie sind.“1
Tag hat sich aber dieses nunmehr Tradition gewordene
Seit den späten Achtzigerjahren des 20. Jahr
Postulat der Moderne in der Kunsttheorie, abgesehen
hunderts kann in der Mode, wie auch im Industrie-,
von Ausstellungen und (privaten) Sammlungen, noch
Produkt- oder Grafikdesign, eine verstärkte Annähe-
immer nicht durchgesetzt. Nach wie vor gelten
rung an die Kunst verzeichnet werden. Kleidung sowie
abgesteckte Gattungsfelder als unantastbar, weshalb
andere Erzeugnisse des Alltags erfahren sowohl als
sich die Forschung von jeglichen Formen künstlerisch
„klassische“ Designobjekte als auch als Disziplinen
ausgerichteter Designtätigkeiten immer noch weitest-
übergreifende Werke museale Präsentationen,
gehend fern hält.
erscheinen in Galerien, Publikationen oder Samm
Die Frage „Design oder Kunst?“ ist dabei keine
lungen. Die Kategorisierung der Werke fällt auf-
neue. Ende des 18. Jahrhunderts wird erstmals die
grund der Verwischung der Grenzen zwischen den
freie von der angewandten Kunst kategorial unter-
einzelnen Genres schwer, weshalb sich seit den
schieden.7 Das neu etablierte bürgerliche Selbst- und
1960er-Jahren der aus der Kunst übernommene
Kunstverständnis verlangte nach einer institutionali-
Begriff der „Arbeit“ im Gegensatz zur überkommenen
sierten Kunst jenseits von Kirche, Hof und Kunstaka-
und idealisiert behafteten Bezeichnung „Kunstwerk“
demie.8 In Galerien, Museen, Kunstvereinen, Kunst-
durchgesetzt hat.3 Der Begriff „Arbeit“ steht im
zeitschriften und Kunsthochschulen wurden das
Zusammenhang einer postindustriellen Gesellschaft,
Handwerk, das ursprünglich als „techne“ untrennbar
die die implizierte Tätigkeit immer weniger als bloße
mit Kunst, praktischem Wissen und Tun verbunden
wirtschaftliche Notwendigkeit denn als intrinsisch
war, sowie die angewandte Kunst automatisch
motivierte und identitätsstiftende Haltung begreift.4
ausgeschlossen.9 Vor diesem Hintergrund etabliert sich
Dies führt schließlich dazu, dass „Arbeit“ nicht allein
um 1900 die „[…] Umsetzung gestalterischer Ideen im
ein Tun meint, sondern sich auch als Produkt ver
Rahmen industrieller Produktion […]“, bekannt als
schiedenster Tätigkeiten im Bereich der Kunst
„Design“.10 Im industriellen Wettlauf der europäischen
versteht.5
Großmächte und damit in der Rolle eines wichtigen
2
Auch die Arbeiten des in London lebenden
nationalen Aushängeschildes ging Design Beziehungen
türkisch-zypriotischen (Mode-)Designers Hussein
zu verschiedenen Disziplinen und Kunstsparten ein,
Chalayan sind Zeugnisse einer disziplinären Uneindeu-
was dessen bisherigen Status eines Industriehandwer-
Einleitung
9
kes oder einer „Kleinkunst“11 nachhaltig ändern sollte.
nigte Welt. Die disziplinäre Vereinheitlichung unter
So wandelt sich das seit der ersten Hälfte des 19. Jahr-
dem Vorsatz der Funktionalität sollte dabei Kunst und
hunderts zu erschwinglichen Preisen produzierte, „gut“
Gesellschaft erfassen: Sowohl das serienmäßig
gestaltete Produkt Anfang des 20. Jahrhunderts zu
hergestellte, universal gültige Produkt als auch der
einem erstmals in kunstgewerblichen Museen präsen-
Mensch unterlagen einer Standardisierung.20 Der
tierten Objekt. Mit dem Bauhaus unter der Leitung
gegenständliche wie auch der humane Prototyp sollte
von Walter Gropius erreichen die modernistischen
den Anforderungen einer mechanisch veränderten
spartenübergreifenden Tendenzen im Zeichen einer
Umgebung bestmöglich entsprechen.21
12
demokratischen Einheit aller Künste um 1920 ihren
Neuerungen beeinflussten klassischen Moderne stellt
Architekten, Medien (Zeitschriften) und der Mode
sich in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren
folgt 1929 die erste internationale Ausstellung
ein neues Verhältnis zwischen den Disziplinen ein. Das
modernen Designs im New Yorker Museum of Modern
postmoderne Design setzt im Grunde das Cross-over
Art (MoMA), in der Design als gleichberechtigt neben
der künstlerischen Medien und Genres der Moderne
bildender Kunst präsentiert wird.
fort, allerdings nicht mehr unter der Bedingung,
14
Grundlegend gilt es allerdings festzuhalten, dass
ausschließlich wohlgestaltete und funktionale Indust-
die „totale“, Leben und Kunst umfassende Philosophie
rieprodukte oder tragbare Mode herzustellen.22 Die
der Moderne trotz der disziplinären Vielfalt am
Verschmelzung der unterschiedlichen gestalterischen
Bauhaus stets an der Brauchbarkeit der Designgegen-
Ausdrucksformen gründet auf einem neuen gesell-
stände festhielt. Dabei ging ihre Bestrebung, Design,
schaftlichen Hintergrund und verlangt nach neuen
Kunst und Architektur zusammenzubringen, grund-
Lösungen: Fortschreitende Korruption in Politik und
sätzlich von dem Leitgedanken aus, der Technik zu
Wirtschaft, die Zunahme von Kriminalität und Drogen-
dienen.16 Die Möglichkeiten industrieller Fertigung
sucht, organisiertes Verbrechen, Naturkatastrophen
sollten für das Ziel funktional und formal befriedigen-
oder Umweltverschmutzung stellen die Designer vor
15
der Gestaltung maximal genutzt werden, eine
Probleme der Überproduktion, dürftiger Ressourcen
Forderung, die die Entwürfe im damaligen Fortschritts-
und sozialer Verantwortungslosigkeit.23 Ebenso führen
glauben zu erstrebenswert erachteten, hochwertigen
die Globalisierung und die damit einhergehende
Massenprodukten degradierte und damit keineswegs
zunehmende Mobilität der Erdbevölkerung, aber auch
zweckbefreit beließ. „Form follows function“, diese
die Auflösung von Grenzen sowie Kriege, Exil, Heimat-
Prämisse des dem Bauhaus 1896 vorausgehenden
verlust oder die Erfahrung der Fremde zu einer
Hauptvertreters der Chicago School, Louis Sullivan,
grundsätzlichen Hinterfragung von etablierten
bleibt daher bis in das späte 20. Jahrhundert der
gesellschaftlichen Kategorien.24 Mitsamt der allgemei-
Leitsatz einer optimalen Gestaltung von Designgegen-
nen Beschleunigung, Enträumlichung und Allgegen-
ständen und Bauten im Zusammenspiel mit ihrer
wart mittels grenzüberschreitender Prozesse wie
Funktionalität. Die Form sollte sich auf praktische
Wanderschaft oder die Informationstechnologie
Weise von einer auf äußere Gegebenheiten ausgerich-
weichen alte, einst stabil geglaubte Werte wie Nation,
teten Funktion, ihrem Nutzungszweck, ableiten – was
Kultur und Identität dynamischen, grenzüberschreiten-
17
18
10
Nach den Umwälzungen der durch technische
Höhepunkt. Auf die Verbindungen mit Künstlern, 13
auch umgekehrt galt.19 Sullivans im Übergang zur
den und einem steten Wandel ausgesetzten Existenz-
Moderne formuliertes Gestaltungsprinzip erwies sich
formen – im Grunde eine conditio humana, wie sie
als bestmögliche Lösung für eine industriell beschleu-
bereits seit der Antike existiert.25
Einleitung
Wenn also Systeme und Ordnungen fälschlicher-
Herstellung eines für die Bedürfnisse des Kunden
weise über Jahrhunderte als homogen wahrgenommen
bestmöglich optimierten Gegenstandes, stellt sich das
wurden, stellt sich auch das vermeintlich „praktische“
Konzept in Chalayans Arbeit als Gedanke soziokulturel-
Verhältnis von Form und Funktion im Design als
ler Entgrenzungen dar, die sich in einer künstlerischen,
fraglich dar. Kann es nur eine bestimmte Funktion und
vom klassischen „Zweck“ befreiten Ideengrundlage
davon abgeleitet eine einheitliche, universal gemeinte
eines disziplinäre Grenzen umgehenden Designs
Form geben in Anbetracht einer Kategorien im Allge-
präsentieren. Ganz anders als Le Corbusier in seinem
meinen aufbrechenden sozialen Vielfalt? Wenn
Manifest Vers une architecture 1923 festhält: „[…] ein
Gesellschaften in ihren fixierten Grundannahmen
Stuhl ist kein Kunstwerk, ein Stuhl hat keine Seele
destabilisiert werden und Heterogenität anstelle der
[…]“29, werden Kleider und andere Designgegenstände,
veralteten Einteilungen von Kultur und Identität tritt,
wie Kunst auch, zu Reflexionen und Mittlern gesell-
erweist sich eine allgemein anwendbare „Losung“ als
schaftlich relevanter Gedanken. In Chalayans Fall
unbrauchbar. An die Stelle „bestmögliche[r] Produkte
bedeutet Konzept-Design eine Beschäftigung mit
zum niedrigsten Preis“ tritt ein kritischer, zynischer,
Themen wie Grenzen, Kultur, Identität, Macht(-verlust),
ironischer oder gar humorvoller Ansatz im Design. Die
Zugehörigkeit und Heimat, die in einem Disziplinen
spartenübergreifenden Entwürfe der Postmoderne
entgrenzenden Prozess in Design, Film, Installation,
scheinen intellektuell zu werden – sie bedienen sich an
Skulptur und andere künstlerische Ausdrucksformen
Gedanken und Philosophien, die nicht zwangsläufig in
transponiert werden. In dieser Forschungsarbeit wird
einen einheitlichen und noch dazu funktionierenden
daher eine Untersuchung der zeichnerischen Experi-
26
Gegenstand münden müssen. Die Postmoderne
mente, der verwendeten Materialien und Stoffe, der
erweitert die pluralistische Sprache der künstlerischen
Schnitte und Formen sowie der Räumlichkeit von
Moderne um eine Verabschiedung des gesellschaftli-
Kleidern in Bezug auf den menschlichen Träger sowie
chen Totalitätsgedankens, an dessen Stelle die Freigabe
die Umwelt vorgenommen. Mitsamt der Analyse der
von Verknüpfungen und (widersprüchlichen) Heteroge-
verschiedenen (medialen) Inszenierungsmethoden der
nitäten, irrationale Momente, Re-Semantifizierung oder
„Kleidungsstücke“ und der Körperlichkeit selbst sollen
Disfunktionalisierung treten; es geht nunmehr um
die genannten Untersuchungsaspekte einer Betrach-
einen Gemüts- und Geisteszustand, der in die Arbeiten
tung von Chalayans genreübergreifenden Arbeiten
ausstrahlt.28 Dienstleistung weicht einem nun auch von
unter Berücksichtigung der den Werken vorausgehen-
Designern beanspruchten Schöpfertum ohne Zweck
den und ihnen innewohnenden Ideen um kulturelle
oder der Möglichkeit einer Einordnung.
und Identitäts-Entgrenzungen dienlich sein. „Mode“
27
Diese durchaus anti-modernistische Haltung, in
wird damit im Kontext der vorliegenden Arbeit jenseits
der Mode als Anti-Mode bekannt, wendet – neben den
ihrer reinen Kleidsamkeit wahrgenommen; sie wird zum
insbesondere britischen Industrie- und Produktdesig-
Ausdruck individueller Haltungen – zu einem Kommen-
nern – der aus dem Fach Mode heraus arbeitende
tar, einem Mittler oder Kritiker – gegenüber gesell-
Hussein Chalayan in seinen konzeptuell untermauerten
schaftlichen Zuständen.
Arbeiten an. Hierin liegt auch der Begriff „Konzept-Design“ im Titel dieser Untersuchung als ein mit Gedanken und Konzepten um Systembrüche unterlegtes
1.1 Fragestellung und Leitgedanke Hussein Chalayan beschäftigt sich in seiner
Designvorgehen begründet. Anders als Arbeitskon-
Arbeit besonders mit kulturellen Durchdringungen,
zepte bzw. technische Skizzen oder Ideengerüste zur
Identitätsfragen und Migration, weshalb die folgende
Einleitung
11
Untersuchung von den spezifischen Systembrüchen
Aufgabe ganzer Staatengebilde im 20. Jahrhundert,
der Postmoderne ausgeht, die sich im Bereich der
zunehmender mentaler und/oder physischer Mobilität
überholten Konzepte von Staatsangehörigkeit,
durch Kriege, Reisen oder Arbeits- und Bildungsmigra-
territorialer Zugehörigkeit sowie Kulturen und Identi-
tionen definiert werden kann, stellt sich als Herausfor-
täten bemerkbar gemacht haben. Es bietet sich daher
derung dar. Monica Juneja und Michael Falser bieten
an, diese Forschungsarbeit zunächst mit der grund-
das Konzept der Transkulturalität an, um auf die
sätzlichen Frage zu beginnen, wie sich erzwungene
notwendig gewordene Befreiung von überkommenen
oder freiwillige Bewegung auf künstlerische Produk-
Definitionen von „Kulturen“ als ethnisch, religiös oder
tion auswirken kann.30 Ist eine Korrelation zwischen
nationalstaatlich homogenen Essenzen einzugehen.35
der Erfahrung der Migration, etwa des Grenzübertritts,
Dieser Ansatz macht eine polyvalente und reziproke
des Heimatverlustes, der „Fremde“ oder der Hinterfra-
Bezugsgeschichte von Akteuren, Prozessen und
gung der eigenen Zugehörigkeiten und einem formalen
Phänomenen jenseits der bisher als statisch empfun-
künstlerischen Ausdruck herstellbar?
denen Kulturgrenzen benennbar.36 In Abgrenzung zu
Mieke Bal benannte trefflich mit dem Begriff „migratory aesthetics“ eine Kausalität von Migration
lität, das er erst im Zusammenhang einer modernen,
und den sich in vielfältiger Form manifestierenden
durch Migration und globale Medien geprägten
kulturellen, mitunter künstlerischen Praktiken, was
Gesellschaft in Ablösung eines historisch-nationalen
in weitergedachter Form auch für Design in Rückfüh-
Kulturverständnisses denkt, erkennen Juneja und
rung auf Erfahrungen kultureller Überschreitungen
Falser Bewegung und kulturelle Durchdringung als
geltend gemacht werden könnte. Mit der im Titel
eine menschliche Grundbedingung an, die seit der
dieser Arbeit enthaltenen Formel „form follows
Antike besteht und prozessual, das heißt in steter
culture“ wird daher ein Vorschlag unterbreitet,
Veränderung begriffen ist.37 Chalayans künstlerische
(Mode-)Design generell als „allumfassendes kulturelles
Produktion im Übergang zum 21. Jahrhundert ist
Phänomen“32 zu begreifen.
zuallererst von eben jener Erkenntnis einer schon
31
Wie lässt sich aber „Kultur“ und damit eine
immer im Fluss und von Entgrenzungen begriffenen
charakteristische, auf sie ausgerichtete „Form“
„Kultur“ geprägt; allerdings konnten erst die mediale,
angesichts der Hinterfragung der Bedeutung von
gefühlte Omnipräsenz des Menschen, die Aufgabe des
Heimat, Verwurzelung und Herkunft fassen? Die
Konstruktes Nation und die Zunahmen an physischen
Erkenntnis über Differenzen und Heterogenität als
wie virtuellen Reisen und Migrationen in der Postmo-
Regelfall anstelle von absolutistisch verstandener
derne das öffentliche Bewusstsein auf die Tatsache
kultureller Reinheit und Homogenität macht eine
steter menschlicher Mobilität lenken.
einheitliche Position nicht länger vertretbar. Kultur
12
Wolfgang Welschs Kulturverständnis der Transkultura-
Während das noch im Zeitalter nationaler und
bzw. kulturelle Identitäten werden insbesondere mit
territorialer „Gewissheiten“ über 50 Jahre gültige
der als bewegt und im Wandel begriffenen Umwelt als
„form follows function“ praktische und universale
selbst im Übergang verstanden – als nicht fixiert,
Lösungen versprach, kann den Lebensumständen
sondern instabil und fließend.33 Die Rede ist von einer
pluraler Vernetzungen und verschiedenartigster
im Rahmen sozioökonomisch bedingter Mischungen
Mobilitäten nur schwer eine allgemein gültige und
und Durchdringungen34 eingetretenen Bewusstwer-
einfache Lösung abgewonnen werden. Der überkom-
dung der Inexistenz einer ethnischen, nationalen oder
mene Leitsatz der Moderne, einer Vereinigung von
kulturellen Identität. Wie „Kultur“ spätestens seit der
Kunst und Leben mithilfe einer der Funktion dienli-
Einleitung
chen, ergo praktischen Form nachzukommen, weicht
ist nunmehr einer Trans-Kultur dienlich. Dies kann zum
einem Leitsatz, der einem weitaus komplexeren
einen bedeuten, dass dieser sich ob der Konzeptuali-
Verhältnis von Gestaltung und Gesellschaft gerecht
tät, die die Werke von Grund auf prägt, gänzlich
werden muss. Ausgehend vom (postmodernen)
auflöst oder aber die Funktion im Hinblick auf neue
Verständnis einer dem Menschen zugrundeliegenden
Bedürfnisse, die Migration und stetiger Wechsel mit
Transkulturalität, stellt sich das Vorhaben, eine
sich bringen, umformuliert, gar vervielfacht wird. In
adäquate Form für die Umschreibung bewegter,
beiden Fällen bleibt die Bedeutung des Nutzens oder
vielfältiger Kulturen zu definieren, als unrealistisch dar.
Zwecks für Chalayans Arbeiten irrelevant, wenn von
Können aber transkulturelle Prozesse heterogen
genrefreien Werken ausgegangen wird, die sich nicht
begriffener Kulturen formal umschrieben, gar künst
über die Funktion definieren. Allein das Funktionieren
lerisch erfasst werden? Wie lassen sich Mobilität,
macht aus einem Objekt nicht zwangsläufig einen
Entwurzelung, Verlagerung, Entgrenzung, Mischung
Designgegenstand, wie auch der Verlust von Funktion
oder Uneindeutigkeiten vergegenständlichen bzw.
oder eine Mehrfachfunktionalisierung den Entwurf
„designen“? Welche Gestalt(en) können Mehrfachiden-
nicht zur Kunst proklamieren (müssen).
titäten, plurale Heimaten oder „dritte“, neu formulierte
Das Bestreben dieser Arbeit ist es demnach, die
Lebensformen in einem konzeptuell untermauerten
Konventionen kunsthistorischen Sehens und der
Design annehmen?
klassischen „Einordnung“ in Sparten zugunsten einer
Die folgende Arbeit gründet auf der These, dass
Erweiterung von Einteilungsmustern und des vorherr-
Transkulturalität im Zusammenhang mit transdiszipli-
schenden kunstwissenschaftlichen Kanons in Bezug
närem künstlerischen Schaffen gedacht werden kann.
auf eine alle Bereiche des Lebens erfassenden Ent-
Mit der Prämisse „form follows culture“38 werden
grenzung aufzugeben. Ein verbindendes Denken von
gesellschaftliche Konzepte der Vielfalt und Mobilität
Transkulturalität bzw. Migration40 mit Design und
als werkimmanent verstanden, was für die von der
Kunst(-geschichte) soll neue Perspektiven für alle
entgrenzten Kultur abgeleitete „Form“ ebenfalls eine
Zweige der Gestaltung, ihre Theoretisierung, aber auch
systemische Befreiung implizieren muss. Transkultura-
die verschiedenen Kulturwissenschaften eröffnen. In
lität verstünde sich damit als konzeptueller Motor
diesem Zusammenhang steht auch die Wortwahl
eines Schaffens zwischen verschiedenen künstleri-
„Konzept-Design“ im Titel dieser Arbeit, die auf die
schen Genres und (Design-)Disziplinen, deren Entgren-
scheinbare Paradoxie einer üblicherweise an ein rein
zungsprozess als Lösung für den von kulturellen
künstlerisches Vorgehen geknüpften Ideenlastigkeit im
Durchdringungen geprägten Alltag zu verstehen wäre.
Austausch mit dem grundsätzlich „praktisch“ und sich
Das Präfix „trans“ in seiner grundlegenden Bedeutung
weniger frei artikulierenden Design verweisen soll.
des Übergreifenden, zueinander in Austausch Treten-
Das stets vom Menschen, seiner kulturellen Mannig-
den gilt daher auch für eine künstlerische Auflösung
faltigkeit, Bewegung und Veränderung ausgehende
von Kategorien: „Form follows culture“ bedeutet damit
und damit an den Körper gedanklich und/oder formal
nichts anderes als Transdisziplinarität in logischer
gebundene Design ist ebenso an der Vergegenständli-
Ableitung von Transkulturalität.
chung von Entwürfen beteiligt wie die konzeptuelle,
39
Konzepte von Vielfalt und Entgrenzungen treten
die Werke vom rein Praktikablen und Objekthaften
nun an die Stelle der früher gültigen Prämisse „Funkti-
befreiende Komponente. Dabei löst sich weder die
onalität“ bei der Bestimmung der Form, was auch den
Kunst durch eine Anbindung an das Design auf, noch
Nutzen eines Gegenstandes neu benennt. Der Zweck
wird Design durch eine ihm zugrunde gelegte Ideen-
Einleitung
13
lastigkeit um kulturelle Vielfalt zur absolutierten Kunst:
Grafik, Chemie, Philosophie, Bildhauerei, Anthropolo-
Eine disziplinäre Grenzziehung erweist sich für den
gie, Raum, Film und Technologie. Das Verhältnis von
Ausdruck transkultureller, Pluralität generierender
Stadtraum und Migration wird für eine disziplinüber-
Prozesse als unglaubwürdig.
greifende Mode ebenso ausgelotet, wie im Zuge der
Ebenso sollen mit der Transponierung von
Betrachtung der transdisziplinären Objekte der
Migration in künstlerische Arbeiten, wie jene Chalay-
Veränderung des Menschen unter den Umständen
ans, nicht allein Verluste – der Heimat oder Identität –
eines Lebens in steter Mobilität und Anpassung
impliziert, sondern auch Chancen in Erwägung gezogen
nachgegangen wird. Als eine dem Menschen besonders
werden, wie etwa für die Erschaffung neuer künstleri-
eng verbundene und traditionell als dem Flüchtigen
scher Formen oder gar neuer Identität(en). Migration
und Wechselhaften verschriebene Disziplin begriffen,
wird in Chalayans Arbeit sehr unterschiedlich aufge-
bedient sich Chalayan einer umformulierten, genre-
fasst und meint nicht nur ein Exil, das auf Verfolgung
übergreifenden Mode, die die permanente Transforma-
gründet und eine Rückkehr in die Heimat aus politi-
tion von Identitäten und Zugehörigkeiten ästhetisch42
schen Gründen meist ausschließt.41 Neben der Flucht
umschreibt. Anhand ausgewählter, Gattungen und
aus Zypern berichten die Werke genauso von freiwilli-
Sparten der Kunst, des Designs und anderer Disziplinen
gen Formen der Mobilität, wie sie etwa aus wirtschaft-
entgrenzender Werke sollen im Rahmen dieser Unter-
lichen, beruflichen, künstlerischen und Bildungsgrün-
suchung Chalayans konzeptuell und formal artikulierte
den unternommen werden. Auch das großstädtische,
Vorschläge für eine kulturelle und künstlerische
von alltäglicher Ein- und Auswanderung zeugende
Allgegenwart näher beleuchtet werden.
Milieu sowie technologische Entwicklungen im World Wide Web und in den Medien weisen auf physische wie virtuelle Grenzüberschreitungen. Chalayan macht mit seinen Entwürfen einen spartenübergreifenden
14
1.2 Themeneingrenzung und Vorgehensweise Der These von Migration und Transkulturalität
Vorschlag zum (bestmöglichen) Umgang mit der
als einem Movens für künstlerisches Schaffen an der
Aufhebung von territorialen, sozialen und disziplinären
Grenze zwischen verschiedenen Gattungen und
Grenzen angesichts gesellschaftlicher Mobilisierungen.
Disziplinen folgend, setzt die vorliegende Arbeit den
Seit den frühen Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts
Fokus auf Entwürfe des vor allem als Designer bekann-
sind seine Werke von Anpassungsprozessen und der
ten Hussein Chalayan, die das Fach Mode entgrenzen.
Flexibilität des Menschen in Anbetracht räumlicher,
Neben seiner kommerziellen Arbeit im Rahmen des
kultureller und geistiger Verschiebungen gekennzeich-
eigenen Prêt-à-porter-Labels Chalayan mit der
net. Die eigene Erfahrung von Flucht, die Kriegsrealität
Nebenlinie Grey Line und den verschiedenen Design-
auf dem Balkan, das kulturell pluralistische Klima, das
Engagements für die Unternehmen Asprey, TSE New
er während seiner Studien- und Arbeitszeit im postko-
York, Top Shop, Marks & Spencer, J Brand Jeans, Mavi
lonialen Großbritannien kennenlernt sowie die mit der
Jeans und Puma widmete er sich stets auch Kunstpro-
Globalisierung und der Informationstechnologie
jekten.43 Als Grafiken, Fotografien, Kurzfilme, Installati-
eingetretene allgemeine Beweglichkeit und Überwin-
onen, Skulpturen oder Performances präsentieren sich
dung von Zeit und Raum werden zum konzeptuellen
diese meist als konzeptuell an die Modekollektionen
Träger seiner formal sehr unterschiedlich gefassten
gebundene Arbeiten. Aus einem gedanklichen Impetus
Arbeiten. Seine Beschäftigung mit Migration und
heraus erschafft Chalayan zunächst die künstlerischen
Grenzen führt zu einer Vernetzung von Mode mit
Objekte, aus denen in einem nächsten Schritt ganze
Einleitung
Kollektionen entstehen können. Die monumentalen,
Die Arbeit beginnt in Kapitel 2 mit einem ersten
selten tragbaren Stücke erscheinen dabei meist vor
Versuch, Chalayans genreübergreifendes Schaffen in
oder nach der Präsentation einer Kollektion als die
Verbindung mit kulturellem Grenzgängertum44 zu
Shows einleitende oder abschließende Stücke. Der
denken. Seine Kindheit zwischen verschiedenen
Rest der gezeigten Kollektion präsentiert sich dessen
Heimaten sowie das Leben im von kultureller und
unbeeindruckt stets mit einer ungebrochenen Tragbar-
künstlerischer Vielfalt geprägten Umfeld Londons
keit, perfekten Schnitten und einem hohen ästheti-
dienen als Vorlage für die einleitende Diskussion um
schen Anspruch.
unterschiedliche Grenzen, die sich etwa in territorialer,
Im Hinblick auf die Frage nach den unterschiedli-
kultureller wie auch disziplinärer Form präsentieren.
chen Formen, die aus dem Konzept kultureller Prozes-
Das Fach Mode wird dabei in seiner historisch begrün-
sualität wie Migration und Exil hervorgehen können,
deten Hybridität als besonders experimentierfreudiges
interessieren im Rahmen dieser Untersuchung die von
Medium und damit für Chalayans disziplinäre Kreuzun-
der Kleidsamkeit mehr oder weniger befreiten Arbei-
gen fruchtbares Arbeitsgebiet vorgestellt.
ten, die, ungeachtet ihres potenziellen Bezuges zur
Das Kapitel 3 nähert sich der Modeillustration
jeweiligen Kollektion, als selbstständige Werke
als einem der vielen künstlerischen Ausdrucksmittel in
behandelt werden können. Es wurden Entwürfe
Chalayans Schaffen. Die grundsätzlich als Arbeitsskiz-
herangezogen, die der Verbildlichung der Annahme
zen erstellten Grafiken werden sowohl als modetypi-
einer Korrelation von Transkulturalität und Transdiszip-
sche schematische Figurinen als auch als individuelle
linarität bestmöglich nachkommen. Obgleich im
künstlerische Zeichnungen vorgestellt. Mit ihrer
Grunde alle Entwürfe Chalayans von gesellschaftlichen
auffallend naiven Zeichensprache sowie der multime-
Fragen ausgehen, kann hier nur eine Auswahl von
dialen, auf die Collage und andere Techniken zurück-
Arbeiten vorgenommen werden. Es handelt sich dabei
greifenden Herangehensweise sollen die Letzteren als
um Werke, die Chalayan seit seinem Karrierestart in
konzeptuelle und formale Zeugnisse einer Suche nach
London 1993 als (Mode-)Designer und Künstler bis
pluralistischen Ausdrucksweisen im Umfeld sozioöko-
heute realisiert hat.
nomischer Umwälzungen im London der ausgehenden
Die Vorstellung der Arbeiten folgt dem Ansatz, den inhaltlichen Impetus der Werke an ihre Form zu
1980er-Jahre präsentiert werden. Materialexperimente werden in Kapitel 4 als ein
knüpfen. Auf der Basis einer gleichwertigen Analyse
offenkundig modeentgrenzendes Verfahren darge-
von Form (mit Material) und Idee soll aufgezeigt
stellt, das mithilfe der fachlichen Öffnung eine kultu-
werden, dass kulturelle Grenzerfahrung vergegen-
relle Verortung in der Vielfalt postuliert. So dienen
ständlicht werden und in einer Vielgestalt ästhetischer
ornamentale Abstraktionen in der Textiloberfläche
Sparten Ausdruck finden kann. Da sich die Beschäfti-
einer Neutralisierung äußerlich entzifferbarer Zugehö-
gungsgrundlage mit soziokulturellen Fragen in Chalay-
rigkeiten, wenn es angesichts transkultureller migrato-
ans Œuvre im Laufe der Jahre kaum geändert hat, wird
rischer Prozesse um die Stützung kultureller Pluralität
nicht chronologisch, sondern nach thematischen
geht. Im Anschluss daran stellen sich die alchemisti-
Abschnitten vorgegangen, die der Umschreibung der
schen Stoffdekonstruktionen wie textile Verrottungs-
Beziehung Transkulturalität und Design in Form
prozesse oder (konzeptuelle) Blutexperimente in
unterschiedlicher, stets entgrenzter künstlerischer
Analogie zur Aufgabe sozialer Muster dar. Auch der
Gattungen und Disziplinen wie Architektur, Theater,
Materialursprung und seine Eigenschaften werden für
Film oder Anthropologie dienlich sein sollen.
die Verbildlichung eines Bruches mit abgegrenzten
Einleitung
15
Einheiten eingesetzt. Vormals lediglich dichotomisch
Möbelkleider eine Translozierung der Heimat an neue
zueinander stehende Stoffe, u.a. harte, technische
Orte ermöglichen. Miteinander verwobene, übereinan-
Materialien, gehen mit weichen Stoffen in Form eines
dergeschichtete Kleiderlagen sollen als Metaphern
einheitlichen Entwurfes am menschlichen Körper
kultureller Schichtungen den Gedanken einer Übertra-
einen Dialog ein, wodurch erneut ein kategoriales
gung des Selbst an neue Orte aufgeben und stattdes-
Grenzgängertum formuliert wird.
sen die Permanenz von Vielfalt in ihrer Bindung an den
Die der Transkulturalität und dem steten Identi-
ren. Ebenso wird über unterschiedliche künstlerische
lien bedürfen in ihrer Verarbeitung zu dreidimensiona-
Ausdrucksformen eine gedankliche Migration in
len Kleidungsobjekten einer Prüfung. Das Kapitel 5
Erwägung gezogen, die sich, vom Körper und materiel-
stellt neue Verarbeitungstechniken dieser ungewöhnli-
len Räumen entkoppelt, in Form von Erinnerungen,
chen „Textilien“ vor, die nicht mehr geschneidert,
Vorstellungen oder Imaginationen im Überall manifes-
sondern skulpiert bzw. tektonisch geformt werden.
tieren kann. Auch ein Verweilen in permanenter
Dabei interessiert nicht allein ihre „Architektonik“ als
Mobilität erweist sich als eine der Optionen, dem
vielmehr die Weise, wie der menschliche Körper seine
grenzgängerischen Zustand von Identitäten und
Umgebung aufnimmt und diese in seine ihm nächste
Genres gerecht zu werden. Grundsätzlich soll auf das
Ausweitung – Kleidung – räumlich und ideell transpo-
Aufgeben von Sesshaftigkeit zugunsten einer flexiblen,
niert. Ob sich die Entwürfe als offene, geschlossene
selbstbestimmten Identität hingewiesen und der
oder zerklüftete Objekte präsentieren, grafisch oder
positive Beitrag von Migration zur Bewegung zwi-
skulptural „aufgebaut“, mit oder ohne Träger inszeniert
schen Kulturen wie Disziplinen (an)erkannt werden.
werden, hängt von den komplexen Umweltfaktoren in
In Kapitel 7 stellt sich die Frage nach realen
Bewegung versetzter Gesellschaften ab. So wird u.a.
Inszenierungsräumen, in denen eine Gattungen
die Grenze als tektonisches Stil- und kulturelles
entgrenzende und von Transkulturalität und Mobilität
Bindemittel thematisiert, und architektonisch-gestalte-
berichtende Mode aufgeführt werden kann. Dabei
rische Prinzipien der Geometrie, Farbe und Form
wird der großstädtische Raum als klassischer Ort der
werden als Mittel zur Umkehrung konstruierter
Performativität von Mode aus der Perspektive der
kultureller Codes erkannt.
Postmoderne herangezogen und um den Faktor
Das selbst als „Raum“ agierende Kleid aus
16
menschlichen Körper, unabhängig von Orten, implizie-
tätswechsel dienlichen, modeunabhängigen Materia-
(postkolonialer) kultureller Mischungen, stetiger (Im-)
Kapitel 5 wird in Kapitel 6 verstärkt im Hinblick auf
Migrationen und Bewegungen als Nährboden einer
sein Verhältnis zur Räumlichkeit einer durch Mobilität
zwischen den Sparten immerwährend wechselnden
gekennzeichneten Umgebung betrachtet. Dabei wird
Mode erweitert. In diesem pluralistischen Umfeld
von der grundlegenden Frage ausgegangen, wie der
moderner Metropolen wird die Entstehung spezifi-
Mensch mit seinen Erzeugnissen auf die durch
scher, neuer Bühnen erkannt, die Theater mit Mode
Globalisierung, Technologie und Migration eingeleitete
und Kunst zu konzeptuell aufgeladenen Performances
Auflösung von national abgesteckten Territorien und
verbinden. Betrachtet werden auch die Aufgabe der
Räumen reagiert. Chalayans Kleiderobjekte werden in
musealen Funktion eines allein der Kunst vorbehalte-
Form unterschiedlicher Medien als potenzielle Lösun-
nen Raumes und seine Vermengung mit Boutiquen
gen für eine Umformulierung von Lokalität zugunsten
und Galerien zu untrennbaren Inszenierungsräumen.
von Omnipräsenz herangezogen. So sollen transfor-
Die einst unüberbrückbaren Orte der „high-“ und „low
mierbare, unterschiedlichen Funktionen dienliche
culture“ werden als grenzgängerische Räume erkannt,
Einleitung
die einem vielfältigste Identitäten generierenden
ren. Ob mit technologischen Manipulationen die
multi- und transmedialen Design zum bestmöglichen
Geburt eines neuen, der Vielfalt entgegenkommenden,
Ausdruck verhelfen.
gar „besseren“ Grenzgängers als nunmehr (Über-)
Neben den realen dreidimensionalen Räumen
Menschen proklamiert werden kann, versucht das
werden in Kapitel 8 für die Veranschaulichung von
Kapitel in einem abschließenden Resümee zu beant-
Heterogenität, Migration, Bewegung und Allgegenwär-
worten.
tigkeit durch transdisziplinäre Kleider bzw. Objekte oder Installationen auch die virtuellen Präsentations-
1.3 Forschungsstand
räume der Medien Fotografie, Film und World Wide
Dass er die Grenzen des Faches Mode durch-
Web herangezogen. Den realen Räumen der Mode in
bricht und in seinen Arbeiten Bezüge zu den unter-
ihren Mischformen gleich sollen auch die statischen
schiedlichsten Disziplinen herstellt, stellt das Potenzial
und bewegten zweidimensionalen Darstellungen auf
in Aussicht, Chalayans Arbeiten aus der Perspektive
eine entkategorisierte, mediale Übergänge wagende
verschiedener Wissenschaften zu betrachten. Die
Mode verweisen. Ein besonderes Augenmerk soll der
Forschung scheint sich allerdings der Mode nur sehr
individuellen Inszenierung des Bildes, z.B. durch
vorsichtig zu nähern – zu groß sind noch die Vorbe-
Magazine, zuteilwerden, wodurch die Form sowie die
halte gegenüber einer dem Flüchtigen und Oberfläch
Idee um das gezeigte Kleid oder Objekt manipulierbar
lichen zugeschriebenen Disziplin. So wird Chalayans
werden. Auch Blogs und andere unabhängige digitale
Schaffen aus wissenschaftlicher Perspektive und
Auftritte werden als Darstellungsräume mit demokrati-
insbesondere der kunsthistorischen nur marginal
schem Potenzial erkannt, die, territorial und damit von
behandelt. Grundsätzlich als innovativer und experi-
den wenigen analog-real vorhandenen Modezentren
mentierfreudiger Modedesigner bekannt, erscheinen
unabhängig, die Bedeutung des im Netz allseits
zu seiner Arbeit unzählige (populär-)wissenschaftliche
anwesenden Konsumenten als eines eigenständigen
Zeitschriften- wie auch Online-Artikel und Blog-Ein-
Multiplikators, Kommentators und Wirkungsträgers
träge. Neben Showrückblicken und Präsentationen
auf alle menschlichen, kreativen Erzeugnisse steigern.
einzelner Entwürfe zählen auch Ausstellungsbespre-
Neben der Untersuchung der neuen „Kleider“ zwischen Disziplinen, Gattungen und Medien für einen
chungen dazu. Zu erwähnen sind mehrere Ausstellungskataloge,
optimalen Ausdruck transkultureller Prozesse findet
die den künstlerischen Wert der Werke Chalayans
schließlich in Kapitel 9 die Analyse eines selbst
rückblickend und einen längeren Zeitraum erfassend in
revidierten und angepassten menschlichen Körpers
den Fokus stellen und in dieser Untersuchung als
statt. Die Aussichtslosigkeit, in einer beschleunigten
Hauptquelle für eine intensivere Auseinandersetzung
und durch Exil und Mobilität entlokalisierten Welt
mit dem Designer dienen. Bereits seit 1996 stellt
jemals anzukommen, wird im Hinblick auf geistig und
Chalayan in Gruppenausstellungen aus.45 Seine
körperlich veränderte, an die pluralistische Umgebung
Karriere startete er nur drei Jahre zuvor – als transdis-
angepasste Grenzgänger untersucht. Dabei sollen die
ziplinär arbeitender Absolvent einer künstlerisch
Möglichkeiten ausgelotet werden, den humanen Träger
orientierten Modeschule. Dies geschieht in den
transdisziplinärer (Kleider-)Hüllen im Überall von
1990er-Jahren, zu einer Zeit, als Kleidung vermehrt
Kultur und Ethnie, Geschlechtlichkeit, Generationen-
anfängt, ihren Weg in die großen Museen europäi-
zugehörigkeit oder Haltungen gegenüber Leben und
scher Metropolen zu finden. Eine erste, für die
Tod oder Natürlichkeit und Künstlichkeit zu positionie-
vorliegende Untersuchung bedeutende Erwähnung
Einleitung
17
findet Chalayans Schaffen im Rahmen der 2001
Die Annäherung von Mode und Kunst in Form
konzipierten Kollektivausstellung Radical Fashion der
von Fotografie, Performance, Installation oder Konzept
Modeabteilung des Victoria and Albert Museum in
als Disziplinen übergreifende Medien kommentierte
London.46 Der Frage nach der Radikalität, die ein
außerdem auf interessante Weise die Ausstellung
(Mode-)Projekt als neu und fortschrittlich kennzeich-
Fashination des Moderna Museet in Stockholm
net, widmeten sich im Katalog u.a. die Museologin
2004/05.53 Unter dem Vorbehalt, dass die dort
Judith Clark und die Modehistorikerin Valerie Steele.47
präsentierten Designer54 keineswegs als „Pseu-
Neben den konzeptuell arbeitenden Designern Martin
do-Künstler“, sondern als „moderne“, ergo weitsichtige
Margiela, Alexander McQueen und Helmut Lang
Modedesigner zu verstehen seien,55 wurden ähnlich
wurde auch Chalayan in eine Reihe mit den „Erneue-
konzipierte Arbeiten von Künstlern und Designern in
rern des Universums“ – den Futuristen – gestellt.48 Die
einer direkten Gegenüberstellung präsentiert. Trotz
Arbeit jener als progressiv wahrgenommenen Designer
der Kernaussage, dass sich Mode und Kunst grund-
wurde als wegweisend für ein neues, Disziplinen
sätzlich unterscheiden,56 bezeugten die Exponate eine
entgrenzendes Schaffen der Postmoderne erkannt.
gegenseitige Annäherung beider Disziplinen, was im
Gewisse Parallelen zum Vorgehen der klassischen
Bereich Mode meist über eine Verbindung mit dem
Avantgarden stellt auch die vorliegende Untersuchung
künstlerischen Präsentationsmedium der Fotografie
fest, wenn es u.a. in Kapitel 7 und den darin bespro-
erreicht würde. Das Kapitel 8 dieser Forschungsarbeit
chenen Inszenierungsräumen der Mode um formale
widmet sich neben der Verwendung der Fotografie in
Anleihen einer futuristischen und konstruktivistischen
Chalayans multimedialer Arbeit auch den bewegten
Theaterinszenierung geht.
Bildern in Form von animierten und Realfilmen oder von Präsentationen im World Wide Web über Interne-
Die Utrechter Kollektivausstellung Woman by
tauftritte und Blogs.
thematisierte zwei Jahre nach Radical Fashion die Konstruktion des weiblichen Ideals aus der Perspek-
demzufolge Transkulturalität als Movens eines künstle-
Teunissen erkannte in Bezug auf Chalayans Arbeit den
rischen Schaffens zwischen verschiedenen Disziplinen
menschlichen Körper als eine verschiedenen Design-
in steter Transition begriffen wird, ist, abgesehen von
disziplinen dienliche Konstruktionsbasis. Nur das
den Gruppenschauen, der ersten großen Einzelausstel-
räumliche Verhältnis zum Menschen unterscheidet die
lung Chalayans im Groninger Museum in den Nieder-
Mode vom Industriedesign und von der Architektur,
landen eine größere Bedeutung beizumessen. Im Jahr
wodurch der Körper in Chalayans Arbeit als Basis
2005 initiierte der Museumdirektor Kees van Twist
transdisziplinären Schaffens erkannt wird.51 Der
eine Retrospektive zum zehnjährigen Schaffensjubi-
Katalog geht allerdings allein von der Physis des
läum des Designers und brachte im ausstellungsbeglei-
Körpers aus und wirft nur insofern einen Blick auf z.B.
tenden Katalog mit dem Titel Hussein Chalayan Texte
kulturelle oder migrationsbedingte Prägungen, als
vierer namhafter Autoren zusammen.57 Die Beiträge
50
Chalayan von Teunissen als „non-western designer“
18
Für den Leitgedanken dieser Dissertation,
tive von Modedesignern.49 Die Modetheoretikerin José
52
von Caroline Evans, Bradley Quinn, Ted Polhemus und
bezeichnet wird. Angesichts der in London vollzogenen
Suzy Menkes thematisieren überzeugend Chalayans
Ausbildung, dem bis heute aktuellen Schaffen in
zwischen Kunst, Design, Architektur und anderen
Großbritannien sowie der allen Arbeiten enthaltenen
Disziplinen angesiedeltes Schaffen, das mit einem
Programmatik nationalen und disziplinären Grenzgän-
ausgeprägten soziopolitischen Interesse in Verbindung
gertums verwundert diese Aussage.
gebracht wird.58 Van Twist erkennt in Chalayan einen
Einleitung
Künstler, der vorzeitig gesellschaftliche Krisen erkenne
Architektur, an die neuen Erfordernisse an.66 Dennoch
und sie in konzeptueller Art und Weise in seine Werke
wird erst im Aufsatz von Evans für den Groninger
integriere.59 Der für die vorliegende Forschungsarbeit
Katalog das Grenzgängertum in Form von Migration,
ausschlaggebende Aufsatz des Groninger Museumska-
Exil oder einem Leben zwischen den Ländern mit
taloges geht auf Evans zurück. Die langjährige Dozen-
großstädtischem, urbanem Nomadismus gleichge-
tin für Modegeschichte am renommierten Central
setzt.67 Vorliegende Forschungsarbeit berücksichtigt
Saint Martins College of Art and Design in London, an
beide dieser Mobilitäts-Konzepte – Migration zwi-
dem auch Chalayan studierte, äußert in ihrem achtsei-
schen Ländern und innerhalb von Städten –, mit der
tigen Aufsatz No Man’s Land Gedanken, die als theore-
das in Bewegung gesetzte (moderne) Subjekt samt
tischer Ausgangspunkt der in Kapitel 1.1 formulierten
seiner „Kleidung“ in einen Zustand der permanenten
These verstanden werden können.60 Sie erkennt in
Anpassung und Transformation zwischen den Gattun-
Berufung auf den Philosophen Martin Heidegger die
gen gerät.
ephemere Verbindung zwischen kulturellem Grenzgän-
Der Künstler als stetig „Reisender“ und damit
gertum, der Heimatlosigkeit, des kriegsbedingten oder
Grenzgänger per se wird im Vorwort des Kataloges zur
auch durch Umbrüche moderner Zeiten verursachten
2008 von der Hochschule für Bildende Künste
permanenten Reisezustandes und Chalayans sich
Dresden gezeigten Ausstellung Überall ist es besser, wo
zwischen den Disziplinen bewegenden und transfor-
wir nicht sind thematisiert.68 In Chalayans Kurzfilm
mierenden Entwürfen. In Anlehnung an den französi-
Place to Passage wird das kulturell und künstlerisch
schen Akademiker Gilles Lipovetsky führt sie den
grenzüberschreitende Moment erkannt, das sich in
ästhetischen, hin zum Technischen orientierten
Form einer Metapher, aber auch im physischen
Wandel in den Werken Chalayans auf die Formung
Zustand der Reise vollzieht,69 was Kapitel 6 dieser
einer physiologisch flexiblen Identität zurück.62 Diese
Arbeit tiefergehend untersucht und um die Feststel-
sieht sie in einer „fashionable person“ inkorporiert,
lung einer Omnipräsenz erweitert. Utopisch erscheint
einer Person ohne tiefere Bindungen, die auf eine
allerdings Natalja Schweizers im Ausstellungskatalog
Gesellschaft voller schnelllebiger Übergänge mit einer
formulierte Interpretation der Haltung Chalayans
eigenen Transformation und Anpassung des Selbst
gegenüber der Globalisierung als einer „[…] Chance für
reagiert. Bereits 2003 nimmt Evans in ihrer Abhand-
eine neue, weltübergreifende Kultur, zu der sich alle
lung Fashion at the edge: spectacle, modernity & death-
Bevölkerungs- und Religionsgruppen zugehörig fühlen
liness die Idee der Anpassung des Menschen an
können.“70 Vielmehr begreift die hier vorgenommene
modernes, urbanes Leben vorweg. Die Verwischung
Untersuchung die in den Werken Chalayans einge-
der Grenzen zwischen Kleid und Kunst, Technologie
schriebene Position gegenüber kulturellen Entgren-
oder Architektur setzt sie mit Kooperationen in Verbin-
zungen, die durch verschiedene Arten von Migrationen
dung, die Chalayan u.a. mit Fotografen, Industrie- und
und Bewegungen eintreten, als ein Potenzial, kulturelle
Produktdesignern, Architekten sowie Filmemachern
Vielfalt und nicht Einheitlichkeit (künstlerisch) zu
unternimmt, denen auch im Rahmen der vorliegen-
generieren.
61
63
64
65
den Untersuchung nachgegangen wird. Dem Men-
Ein größeres Ausstellungsprojekt nach Chalayans
schen folgend, passt sich auch die Kleidung des
erster Retrospektive in Groningen stellt eine Wander-
21. Jahrhunderts als „[…] flexible membranes that
ausstellung dar, die auf sein fünfzehnjähriges Schaffen
respond to their environment […]“, mit einer Funktio-
bis 2010 zurückblickt. Die Werke wurden in den
nalität jenseits der Grenzen von Kleidung oder
Städten London, Tokio und Istanbul gezeigt, und zu
Einleitung
19
den letzten beiden Ausstellungsorten erschienen
Auftrag von Hussein Chalayan konzipiert und realisiert
formal ähnlich konzipierte Kataloge mit nahezu den
wurde. Dass Verfasser aus dem Umfeld des Kurators
gleichen Exponaten und Texten.71 Neues erfährt man
oder des Künstlers selbst um Texte gebeten werden,
nach dem Katalog des Groninger Museums durch die
ist keine Seltenheit. Fraglich erscheint angesichts
kurze Werkvorstellung und -beschreibung seit 2005
dieser publizistischen Schlüsselfunktion des Designers,
nicht, wobei ein Schwerpunkt sichtbar auf der seit
inwieweit die oftmals reproduzierten Inhalte als
dem Übergang zum 21. Jahrhundert zunehmenden
kritisch eingeordnet werden können. Dies trifft in
Techniklastigkeit in Chalayans Œuvre gelegt wurde.
ähnlicher Weise auf die meisten der zuvor genannten
Zuletzt ist im Jahr 2011 ein breit angelegter Bildband des Rizzoli Verlages in New York erschie-
Eine gewisse Ausnahme stellt hier der Groninger
nen.72 Als Begleitband zur Ausstellung Hussein
Katalog dar. Mit ihrem überwiegend modetheoretischen,
Chalayan, récits de mode im Pariser Museum Les Arts
aber auch kunsthistorischen und anthropologischen
Décoratifs stellt er ein erstes Übersichtswerk zum
Hintergrund74 nehmen die Verfasser der Aufsätze –
Gesamtschaffen Chalayans dar. Das geschieht im
offenbar dem Ausstellungskonzept folgend – eine für die
Wesentlichen über die hochqualitativen Bilder auf
Annäherung an Chalayans Arbeit notwendige Diszi
insgesamt 272 Seiten mit zahlreichen neuen, noch nie
plinen übergreifende Sichtweise ein. Dennoch ist eine
veröffentlichten Einsichten in Arbeitsprozesse, in
tiefergehende Analyse von Chalayans Œuvre mithilfe
erster Linie durch abgedruckte Zeichnungen. Auch hier
der darin nur am Rande skizzierten Sozialwissenschaf-
wurden wie in allen bisherigen Katalogen und Schrif-
ten, Philosophie, Kulturanthropologie, der verschiede-
ten, abgesehen von Pamela Golbin als Kuratorin des
nen Designdisziplinen wie Architektur, Industrie- oder
Museums Les Arts Décoratifs, Dozenten der Modege-
Produktdesign sowie insbesondere die Situierung
schichte, Moderedakteure, -journalisten und -autoren
Chalayans in der Kunstgeschichte noch zu leisten.
um Texte gebeten. In ihren Aufsätzen gehen sie in
Eine wichtige Quelle neben den publizierten
größeren Themenblöcken Fragen der „Metamorphose“,
Herausgeberschaften stellt, insbesondere für den
„Transzendenz“, „Geschwindigkeit und Bewegung“,
Bezug von Foto- und Filmmaterial, Hussein Chalayans
„Blinden Punkten“, „Migration“, „Entkörperlichung“ und
eigene Webseite dar, die jedoch laufenden Verände-
„neuen Anthropologien“ nach. Neue Erkenntnisse
rungen unterliegt. Momentan wird unter www.
unterbreiten die Aufsätze und die die Bilder begleiten-
chalayan.com die Startseite mit einer sich automatisch
den Texte allerdings nicht. Inwieweit die inhaltlichen
abspielenden Videoaufnahme zur letzten Modenschau
Abhandlungen von den jeweiligen Autoren des Buches
eröffnet. Im Menü bietet sich u.a. die Möglichkeit, zum
abhängen, zeigt ein Blick auf deren Namen. Keiner der
„Shop“ zu wechseln oder unter „Collections“ die
Verfasser entstammt einem kunstwissenschaftlichen
letzten beiden Kollektionen zu begutachten. Unter
Hintergrund. Dieses Missverhältnis ist ein sichtbares
„Chalayan Projects“ werden u.a. die als „Art Projects“
Zeichen dafür, dass seitens der Kunsttheorie Nachhol-
gehandelten Film- und Installationsarbeiten in einzel-
bedarf für die Initiierung eines Dialoges zwischen
nen Fotografien präsentiert. Auch ein aktiver Blog
Modedesign und Kunst besteht. So verzeichnet Clark,
findet sich auf der Seite. Neben dieser existiert zurzeit
bereits als Kuratorin der hier erwähnten Kollektivaus-
auch noch eine zweite, provisorische Webseite mit
stellung Radical Fashion im Victoria and Albert Mu-
dem Namen www.husseinchalayan.com, die sich
seum bekannt, die meisten Beiträge. Nicht unwesent-
jedoch als veraltete Materialquelle herausstellt. Hier
lich ist auch die Tatsache, dass das Buch mit bzw. im
sind keine aktuellen Kollektionen zu finden, der Stand
73
20
Ausstellungskataloge und Beiträge zu.
Einleitung
der „Current Collection“ beläuft sich auf die längst
fashion. About design and meaning aus dem Jahr 2006,
vergangene Frühling/Sommer-Kollektion 2012. Dafür
in dem namhafte Theoretiker u.a. der Ähnlichkeit
sind aber fast alle älteren Showaufnahmen abrufbar,
zwischen Mode und Performance oder der Ver-
auf die die vorliegende Forschungsarbeit in den
bindung zwischen Mode und Globalisierung nach
verschiedenen Werkanalysen zurückgreift.
gehen.78 Obgleich die Konstatierung der Abhängigkeit
Von den Werken, die sich nur am Rande oder gar
vielfältiger künstlerischer Ausdrucksformen von
nicht mit Chalayan beschäftigen, aber dennoch für die
kulturellen Entgrenzungsprozessen ausbleibt, stellen
Betrachtung des Einflusses von Fragen nach Trans
sich insbesondere diese zwei Themen des Bandes für
kulturalität, Identität und Migration auf ein designent
die Untersuchung einer Chalayans Arbeiten immanen-
grenzendes Schaffen von Bedeutung sind, seien die
ten Verbindung zwischen Transdisziplinarität und
folgenden erwähnt: Lost & Found: Lust und Verlust.
Transkulturalität u.a. für Kapitel 4 als bereichernd
Kritische Stimmen im britischen Design heute (1999) stellt
dar.79
38 Designer vor, die in den 1980er- und 1990er-Jahren
Ingrid Loscheks 2007 erschienenes Wann ist
begonnen haben, ein anti-modernistisch verstandenes
Mode? Strukturen, Strategien und Innovationen zählt
Grafik-, Industrie- und Modedesign zu vertreten, das
darüber hinaus zu den Grundinstrumenten einer
sich von der Unterordnung der Form gegenüber der
intensiven Beschäftigung mit Mode als einem gesell-
Funktion gelöst hat. Auch Chalayan wird im Katalog-
schaftlichen System.80 Es sei an dieser Stelle erwähnt
teil wie in einem Textbeitrag von Evans zu jenen
als hilfreiche Abhandlung für die Untersuchung einer
britischen Designern gezählt, die die reine Brauchbar-
postmodernen Mode, wie sie auch Chalayans Ent-
keit und Massenproduktion ihrer Entwürfe durch einen
würfe hinsichtlich der Strategien und Strukturen ihrer
transdisziplinären und kritischen Ansatz in Bezug auf
pluralistischen Bezüge zu anderen Disziplinen darstel-
gesellschaftliche Prozesse ersetzt haben.
len. Auch Gertrud Lehnerts Beschäftigung mit den
75
76
Bradley Quinns Techno Fashion von 2002 handelt
Räumen der Mode aus dem Jahr 2012 ist hier als
von einer zeitgenössischen Mode, die sich traditioneller
nützliche Stütze für die Erforschung von Chalayans
Verarbeitungs- und Entwurfsmethoden entledigt, um
Wahrnehmung der Kleidung als eigenständigen
stattdessen die Möglichkeiten der Technologie für
Räumen, ihrer raumbildenden Aktivität durch gesell-
die Ausbildung einer High-Tech-Couture zu nutzen.
schaftliche Prozesse wie auch ihrer Räumlichkeit im
77
Chalayans Herangehensweise an Technologie wird von
Hinblick auf die verschiedenen Präsentationsmöglich-
Quinn mit kulturellen Phänomenen, Traditionen, Zuge
keiten zu nennen.81 In den Kapiteln 5, 6 und 7 wird,
hörigkeiten und Nationen in Zusammenhang gestellt.
dem Leitgedanken dieser Forschungsarbeit gemäß,
Auch erkennt er bei allen vorgestellten Designern einen
den drei „Mode-Räumen“ in Bezug auf kulturell
Vorschlag für die Erschaffung eines neuen Körpers, der
formierte, tradierte und entgrenzte geografische wie
sich aus der Verschmelzung von Mode und Technologie
soziale Räume und deren Wirkung auf überschnei-
in Form von „hyper-breeds“ und „cyborgs“ ergibt. Die
dende künstlerische Schaffensprozesse nachgegangen.
vorliegende Arbeit geht in Kapitel 9 ausführlicher auf die
Etablierte Kulturtheorien einiger wichtiger Forscher,
Chancen ein, die eine aus soziokultureller Beschäftigung
auf die sich diese Arbeit in ihrer starken Bezugsset-
heraus gewonnene disziplinäre Entgrenzung für die
zung zwischen transkulturellen Prozessen und spar-
Erschaffung eines „neuen Menschen“ bedeuten kann.
tenunabhängigem künstlerischen Schaffen notwen
Hervorzuheben ist überdies Nanda van den Bergs und Jan Brands Sammelband The power of
digerweise stützt, werden an den entsprechenden Stellen im Text hervorgehoben.
Einleitung
21
„hyperspace“, „ethnoscapes“, „translocality“, „the local-global interplay“, „Entterritorialisierung“ oder „Glokalisierung“ sind nur einige der Bezeichnungen, die allesamt einen neuen Zustand suggerieren.83 Mit der Ent-Lokalisierung wird auch die Opposition von Heimat und Fremde im Hinblick auf wachsende Mobilität und Vernetzung hin infrage gestellt.84 Demnach sind und waren Räume nie eine fixierte Einheit im Sinne eines
2. Grenzen hinterfragen Wie in der Einleitung angekündigt, stellt sich
erzeugt und mit Bedeutung versehen, die ihrerseits Bedeutungen […] evozieren.“85 Im Wesentlichen sind sie damit „[…] als Produkt und Voraussetzung sozialer
diese Arbeit zur Aufgabe, Hussein Chalayans zwischen
Beziehungen […]“ zu verstehen.86 Das ausgehende
verschiedenen künstlerischen Gattungen und Diszipli-
20. Jahrhundert wie die Gegenwart stehen allerdings –
nen angesiedeltes Schaffen im Zusammenhang mit
neben der ökonomisch bedingten „Weltverschmel-
transkulturellem Gedankengut zu betrachten. Ent
zung“ – auch für Kriege, Diktaturen, Repressionen,
grenzung verweist allerdings stets auf die gleichzeitige
ökologische Katastrophen und wirtschaftliche Not, die
Existenz von Abgrenzungen: Eine Position zwischen
Wanderungswellen über diskursive wie physisch
Sparten des Ästhetischen oder Kulturellen bedeutet
existente Staatsgrenzen hinweg auslösen. Die jüngsten
nämlich eine Überschreitung von bisherigen Katego-
Berichte über syrische und afrikanische Flüchtlinge, die
rien und deren Schranken. Doch welche Rolle nimmt
ihre von Bürgerkriegen gezeichneten Heimatländer für
die Grenze in einem (Mode-)Design ein, das von einer
ein besseres, sicheres Leben in Europa verlassen,
Hinterfragung derselbigen ausgeht?
machen die Aktualität und Infragestellung politischer
Hussein Chalayan ist ein in London ansässiger,
Absperrungen offenkundig. Obgleich der Begriff
türkisch-zypriotischer Designer. Bereits seine Zuge
„Migration“ soziologisch gesehen eine politisch unab-
hörigkeit zu mehreren Nationen fragt nach der
hängige Wanderung von einem Ort zum anderen mit
geopolitischen Realität von Grenzen. In Zeiten fort-
dem Ziel eines kurz- oder langfristigen Aufenthaltes
schreitender Globalisierung und der Auflösung
meint und damit allgemein auf Mobilität verweist, wie
territorialer Barrieren scheint sie aber zunehmend an
sie auch Reisende, Touristen oder Global Player
Bedeutung zu verlieren. Angesichts eines schon immer
praktizieren, wird dieser überwiegend verwendet, um
stattfindenden Austausches von Waren, Menschen,
den Grenz-Übertritt von Nicht-Staatsangehörigen zu
Ideen und des im 20. Jahrhundert hinzugekommenen
umschreiben.87 Und dies meint insbesondere die illegale
Konsums grenzüberschreitender elektronischer sowie
Einreise, die in Deutschland nach wie vor als ein zu
digitaler (Massen-)Medien in der Postmoderne können
sanktionierender Tatbestand gilt. So sollen die Flücht-
homogene, territorial fixierte Kulturen nicht mehr als
linge, die in die Europäische Union kommen, Schutz
maßgebende Gesellschaftsbilder verstanden werden.
erhalten, sie dürfen aber nicht selbst den Aufenthalts-
Mit der sozialräumlichen Rekonfiguration des globalen
staat für das Asylantragsverfahren wählen.88 Trotz
Kapitalismus wurden die bekannten Etikettierungen
trans- und postnationaler Tendenzen in der EU wird
„lokal“, „regional“, „national“ verstärkt hinterfragt und
allzu deutlich, dass die staatliche Souveränität weiterhin
durch neue Raumbegriffe ersetzt. „Space of flows“,
mittels Grenzen verteidigt wird.89
82
22
abgegrenzten Behältnisses, sondern „[…] werden
Grenzen hinterfragen
Dabei erscheint irrelevant, ob die Grenzen
und Exilerfahrungen? Verortungen jenseits fixierter
materieller oder ideeller Natur sind. Auch sozial
Einheiten im „Dazwischen“ oder „In-between“93, wie
konstruierte Absperrungen formen Gesellschaften und
Homi K. Bhabha sie prominent definiert, gehen ihrer
deren Selbstverständnis. Thomas H. Macho bemerkt
Etymologie entsprechend grundsätzlich von mindes-
hierzu richtig: „Denn jede Flucht setzt Grenzen voraus:
tens zwei Komponenten, Räumen oder Zugehörigkei-
verdinglichte, beschreibbare, ‚objektive‘ Zäune. Die
ten aus, die überwiegend als binär oder gar konträr
Grenze zwischen Drinnen und Draußen, Kosmos und
zueinander wahrgenommen werden. Grenze fungiert
Chaos, Heimat und Fremde, mußte in Köpfen und
damit als eine Position zwischen Positionen nur unter
Landschaften gezogen werden, bevor die erste
der Voraussetzung einer Anerkennung von Differen-
Verbannung verhängt werden konnte […].“ Grenze
zen. Wie Bhabha vorschlägt, ist allerdings das „An-
kann ihre Gestalt verändern und als Teil alltäglicher
dere“, das sich hinter einer Grenze Auftuende, nicht
Umgangsweisen, etwa in Form von Überwachungs-
zwangsläufig different im Sinne einer Opposition.94
technologien, unsichtbar und gleichzeitig allgegenwär-
Vielmehr handele es sich um „[…] ein komplexes,
tig sein.91 Außerdem betrifft Migration, egal ob es sich
fortlaufendes Verhandeln, welches versucht, kulturelle
um Flüchtlinge, Vertriebene oder freiwillig „Wan-
Hybriditäten zu autorisieren, die in Augenblicken
dernde“ handelt, immer auch die „Sesshaften“. Wenn-
historischen Wandels aufkommen.“95
90
gleich sie selbst nicht migrieren – über die Medien
Demgemäß fungiert das Grenzgängermodell, wie
oder Erfahrungen aus dem unmittelbaren Lebensum-
es in dieser Arbeit nicht allein migrierende Menschen,
feld erfahren sie ebenso die Realität von Grenzüber-
sondern insbesondere auch künstlerische Aktivitäten
schreitungen, nur auf eine indirekte Art und Weise.
meint, nicht in der Rolle eines reinen Überschreitens
So geht die Auflösung einer politischen Grenze nicht
geopolitischer Grenzen, um sich zeitweise der einen
zwangsläufig mit der Vorstellung von der Aufgabe
oder anderen Seite zuzuwenden. Vielmehr versteht
sozial konstruierter Barrieren einher, wie sie für die
sich Grenzgängertum als besondere Fähigkeit, ver-
Theorien der Postmoderne kennzeichnend sind. Ob
schiedene Zuordnungen, auch Gegensätze, miteinander
physisch oder systemisch existent – Grenzen in Form
zu verbinden. Der Akt des Überschreitens wird dabei
von Einteilungen, Hierarchien oder Kategorien
offener formuliert. Im Sinne einer Umwanderung kann
bestimmen das gesamte Funktionieren von Gesell-
Grenzgängertum eine Bewegung entlang von Grenzen
schaften und damit den Alltag eines jeden Einzelnen,
mit der Aussicht auf grenzübergreifende Aktivitäten
weshalb sie keineswegs negierbar sind.
implizieren. Der Ausgangspunkt liegt nicht auf einer der
Die Migrationserfahrung markiert in den
beiden Seiten hinter der Grenze, sondern an einem
Biografien der Betroffenen, unabhängig vom Auslöser
eigens definierten Ort, der sich nicht zwangsläufig im
ihrer Bewegung und der Art der Grenze, die über-
Territorialen, sondern auch im Imaginären – etwa an
schritten wird, einen Wendepunkt.92 Ob diese Erfah-
der Grenze selbst – manifestieren kann. Bhabhas Logik
rungen eher positiv konnotiert werden oder sich
folgend würde damit eine „Arbeit an der Grenze“
hauptsächlich aus den Folgen des Verlustes vertrauter
möglich, welche die Zwischenräume nicht auseinander-
Umgebungen speisen, spielt für ihren häufig von
zerrt, sondern sich stattdessen auf den gegenseitigen
außen auferlegten Status eines „Grenzgängers“
Austausch fokussiert.96 Der Akteur besäße die Freiheit,
zunächst keine Rolle. Doch was genau impliziert der
aus der Position eines auf ein Miteinander ausgerichte-
auf mindestens zwei sich gegenüberstehende Seiten
ten „Dazwischens“ heraus zu handeln. Der einschrän-
verweisende Begriff – im Rahmen globaler Fusionen
kende Aspekt von Grenzen wird infrage gestellt und
Grenzen hinterfragen
23
kulturellen und sozialen Ordnungen oder Kategorien im
2.1 Vereinheitlichung von Vielheit: Erste Material- und Schnittexperimente
Grenzgänger selbst vollziehen. Als Bindeglied zwischen
„You can say that the boundaries are obsolete
der vermeintlichen Polarität von Kulturen, Nationen,
now; it is about ideas and proposals which
Territorien, Disziplinen und Gattungen kann er selbst,
themselves do not need pigeonholing.“98
geht schließlich mit Entgrenzungsprozessen einher. Damit kann sich die Verschränkung von Räumen,
wie seine (künstlerischen) Erzeugnisse auch, zum Ort der Vereinheitlichung von Vielheit werden. Grenze kann demgemäß anstelle eines irritieren-
Jahr 199399 zeichnet sich für Hussein Chalayan früh
den Zwischendaseins einen Ort von Handlungen,
eine Karriere als Designer mit bekennender Affinität
Produktivität, Überlappungen und Austausch meinen.
für transdisziplinäres Arbeiten ab. The Tangent Flows ist
Entgegen Edward Saids „essential sadness“-Auffas-
der ungewöhnliche Titel dieser Arbeit, die sich aus
sung97 von Exilanten als Verlierern erzwungener
verschlissenen und braun verfärbten Kleidungsstücken
Mobilitäten fragt diese Arbeit daher nach Möglichkei-
zusammensetzt (Abb. 1).100 Chalayan vergräbt dazu
ten, Exil und Wanderschaft als kreativen Impetus für
Baumwollkleider mit Eisenspänen im Garten eines
künstlerisches Arbeiten zu begreifen. Gerade bei
Freundes, um sie nach Monaten wieder auszugra-
Künstlern versteht sich das Leben und Arbeiten
ben.101 Unter der Erde bedingen chemische Reaktio-
jenseits von nationalen Grenzen als eine historische
nen eine Verfremdung der Kleideroberflächen.102 Der
Tatsache. Doch wie Grenzerfahrungen mit der Auflö-
vormals feine Baumwollstoff erhält einen rauen,
sung ästhetischer Sparten einhergehen können, wird
braun-gelblich patinierten Überzug mit stellenweise
diese Forschungsarbeit am Beispiel von Hussein
groben und für den leichten Stoff schwerfällig anmu-
Chalayans Schaffen thematisieren.
tenden Rosttrauben. Eine Infragestellung klassischer
So geht das folgende Kapitel von einem Grenz-
modischer Materialkomposition und -kombination
gängertum aus, das sich bereits in den ersten Arbeiten
scheint durch die Verschmelzung von Baumwolle und
des Designers über den Identitäts-Aspekt hinaus in
Eisen in Gegenüberstellung zur nackten Haut der
Form einer disziplinären Umwanderung von Mode
Trägerin unverkennbar.
ankündigt. Im darauffolgenden Schritt wird Chalayans
24
Mit der Abschlusskollektion am Londoner Central Saint Martins College of Art and Design im
Chalayans Entgrenzungen des Faches Mode
eigener Exilhintergrund und die Erfahrung mit nationa-
enden nicht allein mit materialkundlichen Erforschun-
len Grenzen in Bezug zu seiner sich bereits im Studium
gen. Wie einem weiteren Entwurf der „fließenden
abzeichnenden Ästhetik miteinander verwobener
Tangente“ zu entnehmen ist, widmet er sich mit
Polaritäten gebracht. Chalayans frühe künstlerische
Genauigkeit ungewöhnlichen, von der Mathematik und
Dokumente einer Entgrenzung von Mode gehen der
Geometrie beeinflussten Schnittformen (Abb. 2).
abschließenden Betrachtung voraus, die auf den
Verfremdet er einerseits die Stofflichkeit der Baum-
Aspekt einer historisch begründeten Verschränkung
wollkleider, ohne deren akkurate, klassische Schnitte
von Mode mit anderen Disziplinen verweist. Damit soll
aufzugeben, weisen andererseits vereinzelte Entwürfe
sie als ein per se multifacettiertes Fach vorgestellt
in Chalayans Abschlusskollektion eine gegenläufige
werden, das spätestens seit dem frühen 20. Jahrhun-
Vorgehensweise auf. So fertigt er seine „Tangentenrö-
dert stets grenzübergreifend agierte und sich damit als
cke“ aus dem traditionellen und nicht weiter bearbei-
exemplarisches Medium für Chalayans Interesse an der
teten, blau gefärbten Modematerial Denim und
Vernetzung von Kultur und Design über Kunst anbietet.
verformt dafür gänzlich ihren Schnitt (vgl. Abb. 2).
Grenzen hinterfragen
Dementsprechend trägt eines der Models ein dreieckiges, scharfkantiges, rockähnliches Objekt.
103
Aus der
gewählten Profilansicht auf dem Foto werden Ideen der Geometrie in der klaren, gradlinigen Form des
und andererseits über belassene Modestoffe in experimentellen Formen artikuliert, zählt ferner zu diesen geradezu formelartig verwendeten Oppositionen. Auch leitmotivisch scheint sich diese Formel
bodenlangen „Gebildes“ besonders ersichtlich. Eine
durchzusetzen. In der folgenden Kollektion Cartesia,
Tangente ist in der Geometrie eine Gerade, die eine
der kommerziellen Umsetzung der Abschlusskollektion
gegebene Kurve in einem bestimmten Punkt berührt,
für den Herbst/Winter 1994, entwickelt Chalayan die
der gleichzeitig die beste lineare Annäherung für die
Grundideen von The Tangent Flows weiter.104 Die
Kurve darstellt. Womöglich versteht sich hierbei der
Entwürfe mit dem für sich sprechenden Titel sind wie
stellenweise organisch runde weibliche Modelkörper –
ihre Vorgängerarbeiten von der Idee des dualistisch
die Hüfte etwa – in geometrischer Sprache gespro-
orientierten kartesischen Weltbildes getragen, das
chen als Kurve in Opposition zur Tangente als der
eine rational-methodische Trennung von Körper und
längsten Gerade des Rockobjektes. Überdies wird die
Seele, ergo Materie und Geist, beschwört.105 Auch in
tektonische Wirkung des Entwurfes mithilfe eines in
der Mathematik steht der Kartesianismus für ein
den Stoff eingenähten gradlinigen Stabs verstärkt.
Koordinatensystem, das aus zwei senkrecht zueinan-
Wie ein zeltartiges Dreieck steht der Rock dank des an
der gestellten Achsen besteht und damit zwei Systeme
der Hüfte befestigten stockähnlichen Gegenstandes
in Gegenüberstellung symbolisiert. In The Tangent
vom Körper ab und erinnert damit vielmehr an ein
Flows setzt Chalayan diesem westlichen Diskurs der
gestütztes Bauelement als an ein modisches Klei-
Dichotomisierung ostasiatische Philosophien von einer
dungsstück. Mit Schnittexperimenten dieser Art
materiellen und geistigen Ganzheitlichkeit entgegen
zeichnet sich jenseits der Verfremdung von Materialien
und verwebt sie anfangs in die Geschichte eines
ein weiterer Bruch mit dem traditionellen Fach Mode
gegenseitigen Kampfes.106 Mit der „Auferstehung“ des
und die Überschreitung seiner Grenzen gar zur
in Legierung mit dem Eisen verwachsenen Kleides wird
Architektur hin ab.
aber die Überwindung seiner entgegengesetzten
Ein genauerer Blick auf die Inszenierungsmetho-
stofflichen Beschaffenheit kommuniziert. Wie sich
den hinter den formal geäußerten Infragestellungen
nämlich unter der Erde die divergenten Materialien zu
fachlicher Grenzen, lässt die für Chalayans Gesamt-
einer Einheit in Form eines rostigen Antlitzes verbin-
werk spezifische Anwendung einer Gegenüberstellung
den, vollzieht sich nach der Ausgrabung auch eine
von Differenzen erkennen. Wie bereits aufgezeigt
symbolische Verschmelzung von Materie und Geist –
bedient er sich dieser einerseits stilistisch, indem er
des Westens und des Ostens. Die einstigen „Widersa-
zarte, tragbare Stoffe gegen verrottete, grobflächige
cher“ scheinen im Kleid zusammengefunden zu haben.
Materialien eintauscht, um diese wiederum dem
Denkt man das kartesische Weltbild weiter, wird,
weichen und warmen menschlichen Körper entgegen-
abgesehen von der fragwürdigen Übertragung mathe-
zustellen (vgl. Abb. 1). In der Schnittführung lässt
matischer Konzepte auf das Leben von Menschen,
Chalayan andererseits die von der Mathematik in-
ersichtlich, dass auch Koordinatensysteme die Ebene
spirierten Formen gegen den Körper arbeiten: Geo
der Zweidimensionalität verlassen, wenn mindestens
metrisches wird Organisch-Fließendem oder Starres
eine dritte, beide Wertebereiche verbindende Achse
Beweglichem entgegengesetzt (vgl. Abb. 2). Das Spiel
hinzukommt und damit das Oppositionsgefüge
von Umkehrungen, einerseits über manipulierte
zerbricht. Gerade dank der kontrastierenden Materia-
Materialien in unveränderten, klassischen Schnitten
lien oder der Materialien und Schnitte, die in einem
Vereinheitlichung von Vielheit
25
Entwurf zusammenfinden, wird der Dialog zwischen
frönen aber keineswegs der Passform oder Zierde
ihnen erkennbar. Es entsteht ein Austausch, eine neue,
allein, wenn sie sich – der Kunst gleich – das Recht
dritte Form oder gar dritte Achse, wie sie das Rostkleid
herausnehmen, mithilfe verschiedener Medien und
als Amalgam von Textil und Eisen unter der Erde
Gattungen die Gesellschaft (kritisch) zu kommentieren.
aufweist. Womöglich kommt gerade im „Gespräch“
Damit erheben sie den Anspruch, in Anlehnung an
zwischen den verschiedenen formalen Ansätzen auch
eine dem Körper besonders verbundene, im weitesten
die mit Gegensätzen spielende Grundidee in Chalay-
Sinne „kleidende“ Kunst, auch eng an den Menschen,
ans Kleidern zum Ausdruck, die sich spätestens damit
seine Erfahrungen und Einstellungen geknüpft zu
nicht mehr als bloße Kleidungsstücke artikulieren. Im
werden. Wenn Chalayan in The Tangent Flows ostasia
Sinne eines Grenzgängertums, in dem sich aus der
tische Philosophien den westlichen entgegensetzt,
Verbindung mindestens zweier Elemente eine neue,
dabei Leben und Tod austauscht, um sie schließlich in
heterogene Realität verwirklicht, können bereits
einer neuen, eigenen Form eines verrotteten Kleides
Chalayans erste Entwürfe als Brückenschlag zwischen
aufleben zu lassen, fungiert der Mensch nicht nur als
vermeintlich abgegrenzten Gattungen und Vorgehens-
Träger von Kleidung, sondern auch als Botschafter für
weisen verstanden werden.
gesellschaftliche, gar politische Aussagen. Ohne die
Der Verbindung differierender Materialien,
Einbettung von Kleidung in das Leben im Allgemeinen
Schnitte und Sujets im Entwurf folgt eine ebenso
würden die Arbeiten Chalayans nur schwer nachvoll-
zwischen den Medien wechselnde Präsentation der
ziehbar sein. Mit der Dekonstruktion der Mode in ihrer
Arbeiten, ausgehend von collagierten Zeichnungen,
klassischen Bedeutung und der Einwanderung von
über auf Fotografien festgehaltenem Bildtheater
Ideen in Designgegenstände offenbaren sich Über-
bestehend aus Tanzsequenzen, Bücherausschnitten,
schreitungen von sowohl sozialen als auch fachlichen
Ver- und Ausgrabungsmotiven bis hin zur performati-
Grenzen, die im Folgenden als grundlegender Impetus
ven Modenschau architektonisch anmutender Ent-
mithin in Chalayans Erfahrungen mit Exil zu suchen
würfe (Abb. 3). Damit setzt Chalayan früh auf Darstel-
sind. Mit einem Einblick in Chalayans Jugend auf der
lungsmodi, die in ihrer disziplinären Entgrenzung
geteilten Insel Zypern sowie das Umfeld eines postko-
sowohl den experimentellen Formen als auch den
lonialen und von historisch bedingter künstlerischer
komplexen, Vielfalt generierenden Ideen hinter den
Pluralität geprägten Londons, wird der Versuch
Entwürfen gerecht zu werden scheinen.
unternommen, Chalayans an der Verwebung von Vielfalt interessierte Arbeiten in Verknüpfung zu
2.2 Leben und Arbeit an, mit und jenseits von Grenzen
einem zwischen den Grenzen von Ländern, Kulturen
Wie bereits Chalayans Diplomkollektion ange-
Denken zu lesen.
und künstlerischen Zugehörigkeiten angesiedelten
kündigt hatte, leben alle seine künstlerischen Arbeiten
26
nicht von der Form allein. Ihrer meist schlichten,
2 . 2 . 1 Zype rn– London. Auf de r Strecke
manchmal sogar strengen Form gehen komplexe Ideen
zu Ha use
voraus, die sozial und gesellschaftlich verankert sind.
Hussein Chalayan wächst mit dem Wissen um
Das Wissen um Konzepte, die die Arbeiten durchweg
politische Grenzen und der Allgegenwart sich gegen-
vermitteln, erschwert eine Betrachtung der Kleider
überstehender Dualitäten auf. Er kommt 1970 im
oder Objekte als reine Produkte mit Nutzfaktor. Zwar
türkischen Teil von Nikosia, der zwischen Griechen
artikulieren sie sich aus dem Bereich der Mode heraus,
und Türken geteilten Hauptstadt Zyperns, zur Welt.107
Grenzen hinterfragen
Die Insel ist zu jener Zeit, ganz zu schweigen von ihrer
Nation, Kultur oder in letzter Instanz der (politisch
seit der Antike andauernden Zerrissenheit zwischen
konstruierten) Identität als „reine“, abgeschlossene
verschiedenen Besatzern,108 ein von politischen
Formationen in ihrer institutionalisierten Selbstver-
Turbulenzen geprägtes Land. Nachdem Zypern 1960
ständlichkeit ins Wanken geraten. Gleichzeitig aber
die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherr-
lassen sich Dichotomien im Grenzdiskurs nicht
schaft erlangt, nehmen die Spannungen zwischen den
ausklammern; wie in Kapitel 2 eingangs angesprochen,
beiden Volksgruppen zu, bis es 1963 zu Vertreibungen
bedeutet Grenze immer eine Gegenüberstellung von
und Zwangsumsiedlungen zwischen griechischen und
Identität und Alterität. Die Frage, die sich dabei stellt,
türkischen Zyprioten kommt.109 Die Insel erfährt durch
ist, wie mit diesen Differenzen bei der eigenen
die darauffolgende ökonomische Krise in den 1960er-
Identitätskonstruktion umgegangen wird.
und 1970er-Jahren Massenmigrationen nach Grie-
Bereits 1971, ein Jahr nach seiner Geburt, verlässt
chenland, Großbritannien, Australien, in die Vereinig-
Chalayan mit seinen Eltern die Insel Zypern aufgrund
ten Staaten oder nach Südafrika.110 Zeitgleich kommt
der zunehmenden Unruhen, um bis 1975 in Großbri
es zu Immigrationen von Menschen aus Osteuropa
tannien zu leben.115 Nach der Trennung der Eltern kehrt
und später gar aus Spanien, Ägypten oder Südostasien,
er im Alter von fünf Jahren mit seiner Mutter nach
wodurch die Insel zum Transit- und Zielland vieler
Zypern zurück, um schließlich erneut, achtjährig, nach
anderer Migranten wird.
111
Der Alltag mit einer starken
England auf ein Internat geschickt zu werden, von dem
Aus- und Einwanderungsmobilität formt die Insel zu
er aber bereits nach einem Jahr heimkehrt.116 Damit
einem einzigartigen kulturellen Schmelztiegel.
beginnt für Chalayan eine nicht enden wollende
Chalayan wächst mit dem Kriegsalltag und der
Odyssee von Schulwechseln in beiden Ländern, die sich
Wanderschaft der Menschen auf, scheint jedoch als
bis zu seinem Studienbeginn in England 1989 fortset-
Kind grundsätzlich fasziniert von der Grenze, die seine
zen wird.117 Die Oszillation zwischen den Zugehörigkei-
Heimatstadt Nikosia in zwei Hälften teilt: den von den
ten – der Mutter und dem Vater, London und Zypern,
türkischen Besatzern geprägten muslimischen Norden
der christlichen und muslimischen Welt, dem Westen
und den christlich-orthodoxen, griechischen Süden.
und dem Osten – sucht er mit häufigen Flügen zu
Die Grenze versteht er als trennendes, aber auch
überwinden. Chalayan selbst beschreibt die stetigen
gleichzeitig bindendes Glied zwischen zwei Welten,
Reisen zwischen Zypern und London als zunächst
das die Neugierde nur weiter entfacht und Fragen
schmerzvolle Erfahrungen der sich immer wiederholen-
danach, was auf der anderen Seite passiert, aufwirft.112
den Trennungen.118 So wird er die Internatszeit im
So kann er sich, der zerstörerischen Macht des Krieges
Kindesalter fernab seiner Mutter und der vertrauten
zum Trotz, für die Zusammenhänge zwischen entge-
Umgebung später mit einem Aufenthalt im Gefängnis
gengesetzten Polen begeistern.
113
Schon Georg
vergleichen.119 Wie aber auch die Grenze nicht allein
Simmel verstand im Jahr 1903 unter einer Grenze
auf Dichotomien reduziert werden kann, schienen
einen Spannungszustand von Defensive und Offen-
dieselben, anfangs als Verlust empfundenen Reisen für
sive, in dem beides latent ruhe,
114
wodurch, weiterge-
Chalayan auch das Potenzial von Entdeckungen für das
dacht, Nähe und Distanz zusammenrücken, miteinan-
eigene Identitätsempfinden bereitzuhalten.120 Die
der in Verbindung treten und schließlich nicht mehr
etlichen Flüge, die Chalayan auf sich nimmt, um seine
ohne einander existieren können. Eine Grenze verbild-
verschiedenen Heimaten zu besuchen, sowie die
licht wie nirgendwo sonst den permanenten Austausch
grundsätzliche Faszination für Grenzen als Orte
von Menschen, womit in der Konsequenz Begriffe der
permanenten Austausches müssen ein Selbstbild
Leben und Arbeit an, mit und jenseits von Grenzen
27
geformt haben, das als „plurale tantum“ zu verstehen ist
einem Leben auf der Strecke zwischen zwei Heimaten
und andere Identitäten voraussetzt: „Ohne Vielheit
und damit verschiedenen Zugehörigkeiten zu suchen
keine Einheit, ohne Andersart keine Eigenart.“121 Mit der
ist. Die genreübergreifende Formensprache gilt es
Umformung des türkischen Namens Hüseyin Çağlayan
aber, insbesondere im Hinblick auf die besonders
in die westliche Schreibung Hussein Chalayan
122
wird
experimentellen frühen Arbeiten, auch im Zusammen-
die grenzgängerische Aktivität einer mindestens
hang mit Chalayans Lebensmittelpunkt London bzw.
doppelten Identität bekräftigt. Roland Barthes spricht
Großbritannien zu lesen; immerhin verbringt er dort
im Zusammenhang mit der Rhetorik der Mode vom
seine gesamte Studien- und spätere Arbeitszeit bis
Spiel mit den Namen im Dienste stetig wechselnder
zum heutigen Tag.
Identitäten, wodurch ein doppeltes Postulat erfüllt
Chalayan wird sich trotz der anfänglich erfahre-
werde, Individualität und Vielheit zugleich leben zu
nen Fremdenfeindlichkeit und der räumlichen Entfer-
können.123 Für Édouard Glissant ist ein neuer Name wie
nung zu seiner Mutter, die er, nach dem frühen Leben
„[…] der Anfang einer Identität oder der Beginn ihrer
„auf der Strecke“ zwischen seinen zwei Heimaten, mit
Zerstreuung […]“124, womit das Potenzial ihrer Wechsel-
dem gänzlichen Umzug nach England zu Studienzwe-
haftigkeit und Pluralität impliziert wird. Das Spiel mit
cken erlebt, grundsätzlich für ein Plädoyer für die
der Konstruktion des eigenen Selbst kann demnach,
Offenheit und Toleranz der englischen Gesellschaft128
fernab pathologischer Definitionen eines Lebens
entscheiden und in Interviews wiederholt auf den
zwischen den Welten,125 auch als kreativer, schöpferi-
Chancenreichtum, den das Land scheinbar jedem
scher Impulsgeber für den künstlerischen Schaffenspro-
Einwanderer bietet, verweisen.129 Das „New York
zess verstanden werden. Was sich also in den ersten
Europas“ mit seiner spezifischen „angelsächsischen
Entwürfen der Abschlusskollektion als eine ästhetisch
Akzeptanz“ sowie dem kolonialen Erbe, das sich bis
formulierte Verwebung von Differenzen in einem
heute über konstante, aktiv erlebbare Immigration und
disziplinär und kulturell heterogenen „Design“ ankün-
nationale Vielfalt bemerkbar macht, setzt er in Verbin-
digt, mutet so an, mithin von einem Denken im „Dazwi-
dung zu einem für Großbritannien charakteristischen
schen“ beeinflusst worden zu sein. Ein Grenzgänger wie
kunstübergreifenden Umfeld, das ihn während seines
Chalayan scheint demnach „[…] eine disharmonische
Studiums Anfang der 1990er-Jahre umgibt.130 Die
Ordnung ästhetisch produktiv […]“126 werden zu lassen.
Mode der Zeit entwickelte sich parallel zu einer alle
Das „Sowohl-als-Auch“127 kann dabei zu einem frucht-
Gattungen vereinenden Kultur, entstanden aus Quer-
baren, künstlerisch produktiven Raum werden, in dem
verbindungen mit der Musikszene, den Massenmedien,
nicht nur Aussagen über homogene geo-politische und
dem Industriedesign und der damals schockierenden
kulturelle Zugehörigkeiten formuliert werden, sondern
Brit-Art-Gruppierung.131 Das Ergebnis war eine neue
auch eine neue Formensprache der Überschreitung
visuelle Sprache alternierender künstlerischer Sparten
ästhetischer Kategorien herbeigeführt wird.
mit erkennbarem Verweis auf eine gegenseitige Beeinflussung.132 Es mag daher wenig verwundern,
28
2 . 2.2 Au s bi l d u n gs j a h re i m
dass die britische Mode – damals wie heute – eher für
mu l ti f a cetti er ten Umfel d Lo n d ons
ihren künstlerischen Ansatz als die notwendige
Wie vorausgehend angedeutet, kündigt sich be-
Industrie bekannt ist.133 Der Ursprung dieser Situation
reits in den ersten Entwürfen sowohl eine ideell wie
liegt allerdings in der Nachkriegszeit begründet, als die
ästhetisch formulierte Entgrenzung an, deren Ursprung
historisch aus der Manufaktur entstandene Textilindus-
in Chalayans Erfahrungen mit nationalen Grenzen und
trie in eine wirtschaftliche Krise gerät und sich nicht
Grenzen hinterfragen
mehr erholt. Daher mangelt es auch an britischen
Empire) für sein Verdienst um die britische Modeindus-
Designern, die mit den renommierten französischen
trie verliehen wurde.137 Seine Designtätigkeit für das
Couturiers, dem amerikanischen Look oder dem neuen
traditionelle englische Unternehmen Asprey mag
italienischen Glamour hätten konkurrieren können.
ebendieser britischen Liebe für die Verbindung von
Gleichzeitig schien diese Krisensituation zum Aus-
Geschichte und Zukunft entsprungen sein, wenn er
gangspunkt für eine neue, von der Großstadt, den
bezüglich seines Engagements konstatiert: „We [das
Clubs und der Straße inspirierte Jugendkultur zu
Unternehmen; Verf.] want to be loyal to the heritage
werden, die ein regelrechtes „Feuerwerk der Kreativi-
but modern.“138 Tradition und Moderne gehen in
tät“ erlebte. So entstand im „Swinging London“ der
Großbritannien Hand in Hand und schließen sich
1960er-Jahre eine bis heute spezifische britische
gegenseitig nicht aus.139 Gerade die Arbeit mit Umkeh-
Mode, die, aufgrund der geringen Aussichten von
rungen festgeschriebener Bedeutungen sowie die
Designern auf eine Stelle in einer großen Markenfirma,
Vermischung verschiedener, oftmals in Opposition
eine eigene, kommerziell unabhängige Sprache
zueinanderstehender Ideen aus Gesellschaft, Ge-
entwickelte.134 Diese fand Ende der 1970er- und
schichte, Kultur und anderen Bereichen ist kennzeich-
Anfang der 1980er-Jahre eine Spezifizierung in Form
nend für das Londoner Design, worin sich wiederum
der einzigartigen Vereinheitlichung von Gegensätzen
„[...] die widersprüchliche Vitalität der Stadt selbst
britischer Tradition und der Straßenkultur: „Punk und
widerspiegelt.“140
Prunk“ war das von Peter York benannte Stichwort für
So scheint es u.a. das aus Widersprüchen
den nunmehr klassisch gewordenen Trend.135 Die Mode
bestehende London selbst zu sein, das eine sehr
Großbritanniens war allerdings nicht nur am Stil der
spezifische Freiheit des künstlerischen Ausdruckes, des
Straße, der Popmusik oder der Kunst interessiert,
Realitätssinnes und der Ehrlichkeit in den Künsten bis
sondern gab eine Vielzahl an ineinandergreifenden
heute gefördert hat.141 In dieser facettenreichen
Einflüssen preis. Sie wurde zu einem Träger politischer
Umgebung entstanden spezifische Kunst-Colleges, die
Aussagen, zum Ausdruck kultureller Vielfalt und
mehr als alle anderen Institutionen zum Ineinandergrei-
gesellschaftlicher Komplexität. Die in Kapitel 2.1 an
fen von verschiedenen Disziplinen und Strömungen
Chalayans ersten Arbeiten einleitend besprochene
führten und sich damit zu wichtigen Erziehungsstätten
Vereinheitlichung von entgegengesetzten Eigenschaf-
angehender Kreativer entwickelten.142 Zwei Londoner
ten in Material, Schnitt und Sujet weist eine Verwandt-
Colleges gelten heute als die besten und renommier-
schaft zum Umgang der britischen Mode mit der
testen britischen Ausbildungsstätten für Modedesign:
entgrenzenden Verschmelzung von Oppositionen wie
das Royal College of Art (RCA) unter der Leitung von
Monarchie und Straße, Kunst und Design, Politik und
Wendy Dagworthy und das Central Saint Martins
Trend auf. So gehört zum widersprüchlichen Charakter
College of Art and Design unter der Leitung von Jeremy
der britischen Identität auch das Bedürfnis, zum
Till.143 Als Chalayan 1989 im Alter von 19 Jahren sein
Establishment zu gehören, weshalb wie nirgendwo
Studium am Central Saint Martins College of Art and
sonst Popsänger, Musiker oder Architekten geadelt
Design beginnt, ist die Hochschule gerade aus einer
werden.136 Dies berücksichtigend, erstaunt wenig, dass
Verbindung zweier älterer Kunstcolleges hervorgegan-
einem gesellschaftlichen und disziplinären Grenzen
gen, dem 1896 gegründeten Central School of Arts &
entsagenden Designer wie Chalayan neben anderen
Crafts sowie dem Saint Martin’s School of Art von
Auszeichnungen im Jahr 2006 von der britischen Krone
1854.144 Mit dieser Verbindung tritt das Central Saint
der Titel MBE (Member of the Order of the British
Martins College of Art and Design das Erbe der Saint
Leben und Arbeit an, mit und jenseits von Grenzen
29
Martin’s School of Art an, der in den 1960er- und
umfassendes Design.154 Sie stellten einen Wandel fest,
1970er-Jahren bedeutendsten Kunstschule Eng-
der Design jenseits seiner Zweckmäßigkeit wahrnahm
lands.145 Zu jener Zeit entdeckt Großbritannien, dass zu
und eine „universale Lösung“ für eine Welt, die
den Beatles und zum Beat-Boom nicht nur Musik,
Grenzen und Nationen immer weniger anerkannte,
sondern Plattencover, Poster sowie Kleider zählen.
146
Mode, in Verbindung mit anderen Kunstrichtungen,
rat“ degradiertes Objekt oder „[…] ein Ding [, das;
kam damit eine wichtige Rolle zu, die sich nicht
Verf.] nur gut gemacht und zweckmäßig ist […]“156
unwesentlich auch aus der damaligen Lage des
etwa würde nicht von einer dem Alltag eingeschriebe-
Colleges in der Denmark Street, eines Shopping-Para-
nen postkolonialen Realität oder den anhaltenden
dieses für Musikinstrumente, herausbildete.
147
Das
Migrationen berichten können. Die neuen Entwürfe
Central School of Arts & Crafts etablierte sich damit
wurden von jenen Kreativen in Relation zum Zustand
nachhaltig für viele Musiker und Künstler zum „Nabel
einer in allen Bereichen entgrenzten Gesellschaft
der Popkultur“, einem wichtigen Treffpunkt und Ort
gebracht und in Beziehung zu den unterschiedlichsten
des künstlerischen Austausches.148 Diese sich – u.a.
Disziplinen und Lebensbereichen gesetzt: Design
aufgrund mangelnder Industrie – vornehmlich aus der
verband sich ebenso mit Kunst wie mit Musik, Archi-
Kunst und weniger aus dem Handwerk speisende
tektur, Essen, Nachtklubleben oder Marketing.157
Tradition prägte das daraus entwachsene Central Saint
Auch Chalayan kann zweifelsohne zu jenen
Martins College of Art and Design, das in der Ausbil-
Designern gezählt werden, die in diesem Umfeld sozial
dung mehr auf Kreativität als auf spezifische, in der
wie fachlich widersprüchlicher Durchdringungen im
Manufaktur benötigte Fähigkeiten setzte.
149
Das Nähen
und Schnittmusterzeichnen beschränkte sich auf nur zwei Wochen zu Beginn der Kurse.
150
Danach blieb den
Zeichen eines disziplinübergreifenden, nicht mehr zwangsläufig „funktionierenden“ Designs arbeiten. Dass es sich allerdings bei diesem transdisziplinären
Studenten eine freie Wahl an verschiedenen Kunstrich-
Ansatz in der Mode nicht allein um ein historisches
tungen: Design, Skulptur, Malerei, Performance.151
oder zeitgenössisches britisches Phänomen handelt,
Diese spezifische interdisziplinäre Atmosphäre, wie sie heute am Central Saint Martins College of Art and Design nicht mehr zu finden ist,
152
umgab auch
sondern auch im Zusammenhang mit der Geschichte des Faches Mode gedacht werden sollte, wird im Folgenden anhand eines Rückblickes auf das Verhältnis
den Studenten Chalayan. Sein Ansatz, das Fach Design
von Mode, Kunst und anderen Disziplinen seit dem
müsse kritisch diskutiert werden – auch im Rahmen
frühen 20. Jahrhundert aufgezeigt.
von Kunst –
153
kann, abgesehen vom Einfluss des
leges, mit einer allgemeinen Bewegung im britischen
2.3 „Wann ist Mode?“ 158 Ein Blick über die Fachgrenzen
Design der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts in
„There are people who use clothing as a medium,
Verbindung gebracht werden. Geprägt vom kommerzi-
as a means to express themselves, and perfor-
ellen Kalkül und der sozialen Kälte der Jahrzehnte des
mance and everything. But I wouldn’t call that
„Thatcherismus“ sowie ihrer geschäftlichen und
fashion, I’d call it clothing.“159
damals in alle disziplinäre Richtungen offenen Col-
gesellschaftlichen Benachteiligung durch die schlechte
30
nicht mehr als zeitgemäß empfand.155 Ein zum „Appa-
Warum bedient sich Hussein Chalayan der
Auftragslage nach der Wirtschaftskrise von 1989,
Disziplin Mode, um Kunst zu machen? Betrachtet man
plädierten die jungen Grafik-, Produkt-, Industrie- und
Kleidung schlichtweg als nur einen der zahlreichen
Modedesigner für ein neues, Formen und Ideen
Kanäle, die eingesetzt werden, um Ideen einen
Grenzen hinterfragen
Ausdruck zu verleihen, erscheint diese Frage überflüssig.
160
Schließlich handhaben es bildende Künstler
Im Rahmen dieser Untersuchung interessiert weniger, wo die Trennlinie zwischen Kleidung, Mo-
nicht anders, wenn sie sich des Pinsels, der Leinwand,
de(-Design), Kunst, angewandter Kunst oder anderen
der Bronze, des Hammers und anderer Utensilien,
Disziplinen liegt oder wie sie bestimmt wird. Vielmehr
Geräte und Mittel bedienen.
161
Mode wird dabei in der
stellt sich die Frage nach deren Interdependenzen und
Gesamtheit ihrer Bestandteile bzw. Materialien – der
damit ihrer Entgrenzung von festgefahrenen Definiti-
Kleidung, dem Körper, der Präsentationsform – zu
onsschemata im Zusammenhang mit tiefgreifenden
einem Medium162 im Sinne eines Ideenmittlers, der
gesellschaftlichen Veränderungen. Die grundlegende
Gedanken schlichtweg eine Form verleiht. Es geht
Ausgangsposition stellt die Beobachtung dar, dass ein
dabei um ästhetische Entwicklungen in Verbindung mit
den Körper physisch und ideell berührendes Kleid,
unseren Sehgewohnheiten, nicht anders als in der
betrachtet als künstlerisches Ausdrucksmittel, nie
bildenden Kunst.
allein auf seine ästhetische Wirkung begrenzt werden
163
Und dennoch: Die Frage, ob diese Form, die sich
kann.170 Berühmt ist in diesem Zusammenhang
u.a. über Mode präsentiert, auch Kunst sein kann, wurde
Barthes’ Theorie von der Mode als einem semiotischen
zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Zusam-
Zeichen jenseits ihrer Objekt- und Funktionshaftigkeit,
menhängen von beiden Seiten – Mode wie Kunst –
wodurch sie als Sprachrohr kultureller Ideen, Prägun-
immer wieder gestellt und rege diskutiert.
gen oder Einschreibungen agiert171 – als Medium
164
Das meist
hinterfragte Kriterium stellte dabei die Funktionalität
sozusagen. Da sich auch die Kunst in ihrer Kommuni-
der Mode bzw. der Kunst dar. Grundlegend wird der
kation mit dem Betrachter derselben konzeptbehafte-
sogenannten freien Kunst, also der bildenden im
ten „Sprache“ bedient, kann das Verständnis von Mode
Unterschied zur angewandten Kunst (wie z.B. Mode),
als künstlerischem Ausdrucksmittel keineswegs als
eine Zweckfreiheit unterstellt.
165
Ingrid Loschek verweist
ungewöhnlich oder neu erachtet werden. Der Sprung
in diesem Zusammenhang auf die folgende, weit verbrei-
von der im 17., 18. und dem von der Haute Couture
tete, falsche Schlussfolgerung: Mode sei nur dann
geprägten späten 19. Jahrhundert als frivol, oberfläch-
Kunst, wenn sie nicht an einen Zweck gebunden ist.
166
lich und vergänglich erachteten Disziplin172 hin zu
Dabei erscheint die „freie“ Kunst in ihrer Freiheit
einem Einsatz von Mode, die zeitlose komplexe, von
fragwürdig, dient doch jeder künstlerische Ausdruck –
territorialen, kulturellen, gesamtgesellschaftlichen
Musik, Malerei, Theater, Literatur und Weiteres – u.a.
Brüchen gespeiste Ideen in Verbindung mit Industrie-
dem Zweck der Repräsentation, der Dekoration oder der
design, Architektur, Performance, Installationen, Film
Kommunikation.
167
Mehr noch: „[…] erst durch Anwen-
und anderen Medien anschaulich macht, ist gesell-
dung lässt sich das ästhetische Potenzial […] in kulturelle
schaftlich begründet und eng an die Demokratisie-
Prozesse überführen, so dass sich ihre [der Kunst; Verf.]
rung173 der Mode geknüpft.
gesellschaftliche Funktion und ihr individueller Wert
Bereits die Entstehung der Mode im verbürger-
das heißt Sinn verwirklichen können.“168 Auch für die
lichten 19. Jahrhundert174 zeugt von ihrem Entgren-
Rezeption der bildenden Kunst bedarf es also des
zungscharakter als Folge gesellschaftlicher Umbrüche.
Handelns, womit ihre Nützlichkeit und ein gewisser
Die zu einer eigenen sozialen Klasse avancierten
Warencharakter bestätigt wären.
169
Damit wären alle
Bürger zelebrierten ihre Unverwechselbarkeit durch
Künste als gewissermaßen „angewandt“ zu verstehen,
Mode bzw. die im späteren Verlauf zur Kunst tendie-
woraus folgt, dass jeglicher Hierarchisierung ohnehin die
rende Haute Couture.175 Der innovative, im heutigen
Grundlage entzogen wäre.
Sinne erste Designer Charles Frederic Worth verstand
„Wann ist Mode?“ Ein Blick über die Fachgrenze
31
es, sich selbst durch eine aggressive Selbstinszenie-
auf paradoxe Weise den modischen Exklusivitätsanspruch zu kritisieren.186 Ebenso handhabt es die
rung zu einem künstlerischen Genius und damit einhergehend die Schneiderei zur Kunst zu erheben.
176
die Kultur der Straße gebundenen Konsumkritik, indem
überschritt das Modehandwerk, indem er sich nicht
sie sich der Überschneidung von Mode mit (Punk-)
nur mit Künstlern und Grafikern umgab und ihre
Musik, Graffiti oder alternativen Lebensformen
Werke sammelte, sondern diese für die Arbeit an
bedient.187 Die ursprüngliche gegenseitige Ablehnung
seinen eigenen Entwürfen engagierte.
177
Dazu zählte
u.a. der Maler Henri Matisse, der Muster für Poirets Stoffe entwarf.
178
Poirets Gepflogenheit, die Kreatio-
nen wie Kunstwerke zu betiteln, verstärkte den
zwischen Punk und den Galerien, Museen und Boutiquen wandelt sich letztlich in den 1980er-Jahren zu einer Vereinnahmung des Punk durch den Kunst- und Kulturbetrieb.188
Exklusivitätscharakter seiner Kleider und wurde in den
Gerade das Paradoxe, die Verschmelzung
1950er-Jahren von Christian Dior erneut als Inszenie-
scheinbar oppositioneller Haltungen in der Mode ist
rungsstrategie eingesetzt.179
ein gängiges Prinzip, das sich als Folge der veränderten
Die im 19. Jahrhundert noch undenkbare
Lebensgewohnheiten in einer industrialisierten
Verbindung vom zur Kunst erhobenen Schneiderhandwerk und dem Kommerz
180
begann ihren Siegeszug zu
Moderne ankündigt, um schließlich zur Prämisse des postmodernen Zeitalters zu werden.189 Gängige Codes
Beginn des 20. Jahrhunderts, als die sich rasch entwi-
und Kanons werden in Form einer mit der Kunst
ckelnde Industrie den schier unbegrenzten Markt der
verbündeten Anti-Mode immer wieder neu hinterfragt
Mittelklassekonsumenten für sich entdeckte.
181
Soziale,
und gebrochen, um letztlich mit dem Übergang zum
technologische und wirtschaftliche Faktoren bestimm-
Mainstream den widersprüchlichen Kreislauf der Mode
ten die Demokratisierung der Mode von einer elitären
zu schließen.190 Global und lokal, Natürlichkeit und
zu einer breit gefächerten Klientel.
182
Das weiterhin
Künstlichkeit, „high-“ und „low culture“, Kunst und
angewendete Prinzip disziplinärer Überschneidungen
Kommerz, Anfang und Ende: Die spezifische Vernet-
diente dann allerdings nicht mehr der Glorifizierung
zung von Doppeldeutigkeiten, gar oppositioneller
einer künstlerischen, einem kleinen Konsumentenkreis
Kennzeichen, wie sie in Kapitel 2.1 und 2.2 in Chalay-
vorbehaltenen Haute Couture. Sowohl die Künstler der
ans ersten Arbeiten erkannt und in Zusammenhang
Avantgarde als auch die Designer setzten Mode nun als
mit einer nationalen und disziplinären Grenzerfahrung
Vehikel für sozialen und politischen Protest an elitären
gebracht wurden, sind der Postmoderne entlehnt, die
Praktiken ein.
183
Die russischen Konstruktivisten
sich von einem soziokulturellen, aber auch einem
proklamierten eine nicht nur künstlerisch, sondern
künstlerischen Pluralismus nährt.191 Für die Mode im
auch funktional und komfortabel durchdachte Kleidung
Übergang zum 21. Jahrhundert, wie sie Chalayan im
für die in den Großstädten mit moderner Technik
Londoner Umfeld wirtschaftlicher Krisen, der Vermen-
arbeitende Arbeiterklasse.184 Auch die Futuristen
gung mit Subkulturen sowie kulturellen und disziplinä-
begründeten in ihren Manifesten Utopien einer Mode,
ren Überschneidungen erlebt, bedeutet dieser An-
die wie Architektur oder Musik selbstverständlich als
spruch auf Vielfalt oder etwa Kontradiktionen, das
Kunst verstanden werden sollte.
32
anfangs provozierende Punk-Bewegung mit ihrer an
Auch die ihm nachfolgende Design-Größe Paul Poiret
185
Die Designerin Elsa
Design umzuformulieren. Angesichts des Verlustes von
Schiaparelli bediente sich der in den 1930er-Jahren
„Einheiten“ in allen Bereichen des Lebens, werden
aufkeimenden surrealistischen Kunst Salvador Dalís,
vermeintlich einfache und praktische Lösungen
um mit der Verschmelzung von Modedesign und Kunst
unbrauchbar.192 Die Anforderung der Avantgarde,
Grenzen hinterfragen
Leben und Kunst über die Vermengung künstlerischer
Ideen. Über Gertrud Lehnerts Wahrnehmung von
steigert sich
Mode als einem – im Rahmen von lustvollen oder
Ausdrucksweisen zusammenzubringen,
193
in der Postmoderne zu einer Kultur der Ideen – das
ironischen Gesellschaftskommentaren – „wesentli-
(Mode-)Design wird konzeptuell und erreicht, im
che[n] Moment unseres kulturellen Gedächtnisses“196
Hinblick auf seinen klassischen Zweckverlust, einen
hinausgehend, sieht diese Forschungsarbeit in einer
gar geistigen, philosophischen Zustand. Konzepte
mit anderen Disziplinen verschränkten Mode der
bleiben damit kein alleiniges Merkmal von Kunst,
Postmoderne das Potenzial, ernst gemeinte Beiträge,
sondern kennzeichnen ein Design, das auf kritische
etwa zu Transkulturalität, Vertreibungen oder Flucht,
Weise sowohl historische als auch zeitgenössische
beizusteuern.
gesellschaftliche Phänomene aufgreift und in ein
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden die
nicht mehr zwangsläufig funktionales Design trans
verschiedenen Ausdrucks- und Vorgehensweisen
poniert.194 Wie einst Künstler agieren nun Designer
Hussein Chalayans ausgehend vom Gedanken kultu-
als „Kommunikatoren“. Dass zwischen Kleidung und
reller und damit in weiterer Ableitung auch disziplinä-
Körper ein besonders intimes Verhältnis herrscht,
rer Transgressionen näher analysiert. Es werden die
das trotz einer gewissen Nähe zum Menschen und
unterschiedlichen Materialien, Strukturen, Methoden
damit der Gesellschaft195 weder Architektur noch
und Medien aufgedeckt, die Chalayan innerhalb und
Industrie- oder Produktdesign in solcher Innigkeit
außerhalb der Mode einsetzt, um kulturelles Grenz-
kennen, rechtfertigt eine seitens der Postmoderne
gängertum narrativ wie formal in ein künstlerisches
besonders der Mode zugewiesene Mittlerrolle von
Grenzgängertum zu überführen.
„Wann ist Mode?“ Ein Blick über die Fachgrenze
33
ten Begriffes von Mode, Kunst und Illustration schwierig. Insbesondere, wenn sie zum Schaffen jener Künstlerpersönlichkeiten zählt, die systematisch an und mit Brüchen von Grenzen zwischen Disziplinen arbeiten. So finden sich neben anderen Ausdrucksmitteln
3. Das gezeichnete Kleid. Chalayans (Mode-)Grafiken „Eine Modeillustration in ihrer einfachsten Form
Designers Hussein Chalayan auch Zeichnungen. Anders aber als bei Modezeichnern, die im Auftrag der Pressegrafik bildnerische Interpretationen bestehender Kollektionen anfertigen, verstehen sich Chalayans Zeichnungen grundsätzlich als Arbeitsschritte im
ist die Darstellung von Kleidungsstücken an einem
Prozess der Entstehung einer Kollektion. Als Mode-
Modell. Ihr ursprünglicher Zweck bestand darin,
schöpfer fertigt er Skizzen, die dem dreidimensionalen
wiederzugeben, wie ein Kleidungsstück beim Tragen
Entwurf vorausgehen und prinzipiell Studien zu
aussehen würde, und zwar so nah an der Realität wie
entstehenden Produkten darstellen. Aber genauso
möglich.“
197
Ob Modeillustration, Modezeichnung,
wie beim beauftragten Illustrator spielen auch die
Modegrafik oder Modeskizze: Eine genaue Definition
Subjektivität und eine persönliche Meinung in den
des Genres gestaltet sich bis heute als besonders
Zeichnungen des (Mode-)Designers eine Rolle,202
schwierig.
198
Die Grenzen zwischen freier und ange-
wenn sie, obgleich unabhängig von der Presse, mit
wandter Kunst oszillieren in diesem Bereich199 sehr
einem individuellen Ausdruck in die Nähe freier
stark, insbesondere wenn sich bildende Künstler
künstlerischer Positionen treten können. Werden
sowohl ausgewiesener Kunstgattungen wie der
Chalayans Zeichnungen von ihrer ausschließlichen
Malerei als auch der Modegrafik bedienen.200 Ob eine
Rolle als Vorläufer von Kollektionen oder künstleri-
Modezeichnung als Kunst deklariert wird, steht immer
schen Arbeiten gelöst, können sie als selbstständige
in Abhängigkeit zu ihrer Entstehungszeit und den
Kunstwerke in zweidimensionaler Form betrachtet
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Insbesondere
werden.
die Modeillustration des späten 20. und frühen
34
im Œuvre des multi- oder transmedial201 arbeitenden
Ein kurzer historischer Rückblick zur Entwick-
21. Jahrhunderts erschwert mit ihrer disziplinübergrei-
lung von pressegebundenen und von freien Mode
fenden Herangehensweise eine eindeutige Zuordnung.
illustrationen bis heute soll die Abhängigkeit ihres
Designer, Illustratoren und Künstler bedienen sich
stilistischen Ausdruckes und ihrer (künstlerischen)
längst nicht mehr nur eines Mediums. Auch die
Originalität von den jeweiligen zeitgenössischen
ursprünglich geforderte Realitätsnähe der abgebilde-
technologischen Voraussetzungen verdeutlichen.
ten Kleidung wird in der zeitgenössischen Pressegrafik
Im nachfolgenden Punkt werden insbesondere die
nicht immer verfolgt und zielt auf weitaus persönli-
frühen Zeichnungen Chalayans als personalisierte,
chere Interpretationen des Gesehenen ab, um sich u.a.
konzeptuell und medial hybride Reaktionen auf die
gegenüber der scheinbar objektiven Fotografie zu
massenhafte Verbreitung digitaler Skizzen im Rahmen
behaupten. Eine Definition der Modezeichnung als
eines ökonomisch, künstlerisch, technisch und sozio-
wirklichkeitsgetreue Abbildung von Kleidung in ihrer
kulturell bewegten Großbritanniens des ausgehenden
Umgebung wird demnach angesichts des weit gefass-
20. Jahrhunderts präsentiert.
Das gezeichnete Kleid. Chalayans (Mode-)Grafiken
3.1 Mode und Zeichnung. Ein kurzer Rückblick
als handkolorierte Einzelblätter dem Textteil einer
Dass (Mode-)Design und Kunst spätestens seit
Modes, einem „[…] Denkmal der vielgestaltigen Mode
Zeitschrift,209 wie der damals populären Galerie des
dem frühen 20. Jahrhundert ein enges Verhältnis
des Louis-Seize-Stils mit ihrem Stoffreichtum, ihrer
zueinander pflegten, wurde bereits in Kapitel 2.3 be-
Farbigkeit und Putzfreude […]“210, beigefügt wurden.
sprochen. Mit der Modeillustration als einem traditio-
Mit den Journal des gens du monde und La mode bilden
nell zwischen dem tragbaren Produkt und der das
sich im 19. Jahrhundert weitere Pariser „Modenzeitun-
Kleid illustrierenden Zeichnung angesiedelten Medium
gen“ heraus, die dem immer größeren Bedarf an
verhält es sich ähnlich. Wolfgang Bruhn führt 1926 im
Informationen für eine breite bürgerliche Schicht der
damals renommierten Kunstblatt Kunst und Künstler
industrialisierten Großstädte nachkommen sollten.211
die ersten „Modenbilder“ auf Künstler zurück, die sich
Mit dem technischen Übergang vom Kupferstich zum
„[…] bald aus Freude an ihrer allgemeinen modischen
kostengünstigen Holzstich konnten nicht nur erstmals
Umgebung, bald aus Interesse an einer bestimmten
Text und Bild gemeinsam abgebildet, sondern Zeit-
Kleidform […]“ der Modezeichnung hingaben.203 Seit der
schriften massenhaft produziert werden, was auch den
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts schufen Künstler
Bedarf an Illustratoren steigerte.212 Dies machte sich
wie Antonio Pisanello und im weiteren Verlauf Albrecht
jedoch in einem Verfall der Qualität der nun routinier-
Dürer, Hans Holbein d.J. oder Jean-Étienne Liotard im
ten, „blutleere[n] und stillose[n]“ Zeichnungen bemerk-
Rokoko Modezeichnungen,204 die abgesehen vom
bar.213 Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg stellte sich
Interesse an einer naturgetreuen Darstellung von
eine künstlerische Aufwertung der Modezeichnung
Stoffen, Faltenwürfen und Draperien
ein.214 Neue, künstlerisch ausgestattete Modezeit-
205
auch der
Repräsentanz der abgebildeten Menschen in ihren Prachtroben dienten.
206
Die gleiche Leidenschaft, mit
schriften, Almanache, lithografische Folgen mit einer schlichteren, von Details befreiten Sprache belebten
der sich eine Kunstzeitschrift wie Kunst und Künstler der
die verstaubte und überladene Grafik des späten
Gebrauchsgrafik widmete und mit Bruhn einen Aufruf
19. Jahrhunderts.215 Zu den Erneuerern der nun auf
nach „künstlerisch gesteigert[en]“ Modezeichnungen
eine Gesamtkomposition bedachten, silhouettenhaften
startete,207 galt allerdings nicht für jede Epoche. Bruhn
Modeillustration zählt der erste auch so bezeichnete
schreibt aus der Perspektive der fortschrittlichen und
Modedesigner Poiret.216 Für die Illustration seiner
zukunftsbejahenden 1920er-Jahre, die von einer
orientalisch wirkenden, von den Ballets Russes
intensiven Verbindung von Mode und Kunst gekenn-
inspirierten Kleidung beauftragte er Künstler wie Paul
zeichnet waren. Ob sich eine Grafik als solides Hand-
Iribe, George Barbier und Georges Lepape.217 Seine
werk oder künstlerische Gestaltung präsentierte, stand
bahnbrechende Konzentration auf eine ästhetische
im Zusammenhang mit den sozioökonomischen
Gesamtwirkung fand sich zeitgleich auch in der
Entwicklungen, zu denen insbesondere technische
Philosophie der Wiener Werkstätte, die sich mit einer
Neuerungen zählten. Für die Modegrafik bedeuteten
nostalgischen Haltung gegenüber Vergangenem einer
die technologischen Fortschritte ein bis heute anhalten-
Reformierung aller Künste verschrieb und die Grenzen
des symbiotisches Verhältnis zu Medien wie Zeitungen
zwischen freier und angewandter Kunst aufheben
und Zeitschriften sowie eine nachhaltige Beeinflussung
wollte.218 Von ähnlichen Prinzipien ausgehend, aber
ihres Erscheinungsbildes und ihrer Perzeption.
mit einer offenkundigen Umarmung von Fortschritt
208
Das Aufkommen der Pressegrafik im 18. Jahrhundert ist an sogenannte Modekupfer geknüpft, die
und Moderne, schufen auch avantgardistische Künstler wie die Futuristen oder die Konstruktivisten Mode
Mode und Zeichnung. Ein kurzer Rückblick
35
mit den dazugehörigen Illustrationen.219 In der Kleidung und den ihnen vorausgehenden Entwürfen auf Papier manifestierten sich ihre Philosophien von einer
Wie sich eine klassische Planung und Konzeption von Kollektionen anhand von Modeskizzen darstellen
Verbindung des Lebens mit der Kunst. Mit der Etablierung der Modefotografie in den
lässt, zeigt ein zeichnerischer Auszug aus einer der jünge-
1930er-Jahren als dem neuen Medium eleganter
ren Kollektionen wie Sakoku (Frühling/Sommer 2011)
Darstellung machte sich eine weitere große Verän
(Abb. 4). Chalayan benutzt hier, wie die meisten Desig-
derung bemerkbar: Die Modeillustration stand fortan
ner, als Basis für seine vielen Entwürfe eine Figurine227,
in einer Konkurrenz zur Modefotografie, die nun die
die von Bild zu Bild – außer minimalen Variationen im
Cover der Vogue zierte.
220
Mit der fortschreitenden
Entwicklung der Technik sank die Popularität der Zeichnungen weiter.
221
Bereich der Hände – grundsätzlich gleich bleibt. Was sich ändert, sind die darauf projizierten Kleidungsstücke
Die Bemühungen einiger
in verschiedenen Formen und Farben. Die Figurine in
Künstler wie Antonio Lopez oder Stephen Stipelman
ihrer leichten Bleistiftzeichnung hält sich allerdings
hielten die Illustration noch eine Zeit lang am Leben,
immer im Hintergrund: Ein Grundsatz modegrafischer
was in den 1980er-Jahren zu ihrem kurzzeitigen
Gestaltung, der der mit stärkeren Konturen und Farb-
Revival führte.222 Am Ende des Jahrzehnts geriet die
nuancen gestalteten Kleidung optischen Vorrang
Modeillustration jedoch in den Ruf eines elitären
verleiht. Die zeichnerische Sprache ist sehr sauber,
„Zuviels“, was den gleichzeitigen Anfang der digitalen
deutlich und detailarm, was das notwendige Erkennen
Modeillustration, wie sie massenhaft in den Neunzi-
der Schnitte für die im weiteren Schritt damit arbeiten-
gerjahren Einzug hielt, markiert.
223
Als preisgünstigere,
den Modellmacher erleichtert. Ähnlich verhalten sich die
leistungsfähigere Kunstform bot die Technologie
Entwürfe für Airborne (Herbst/Winter 2007), wenn die
Illustratoren neue gestalterische Experimentiermög-
Figurine als unauffälliger, schlichter Träger für Kleidung
lichkeiten. Jason Brooks setzte in der digitalen Mode
in Bleistift nachgezeichnet wird (Abb. 5). Einen Zusatz
illustration neue Impulse, indem er Freihandzeichnen
stellen die verschiedenen, seitlich aufgeführten Anmer-
mit computergenerierter Vektorgrafik kombinierte,
kungen für die Umschreibung von Details hinsichtlich
„[…] sodass ein frischer, flotter Illustrationsstil ent-
Materialverwendung, Farbe und Form dar, eine ebenfalls
stand, der in den 1990er-Jahren zum Kult wurde.“
für den weiteren Herstellungsprozess von Kleidung
224
Das Verhältnis der Fotografie zur sowohl massenhaft produzierten digitalen als auch zur damals
übliche, deskriptive Zeichenmethode. Eine etwas expressivere Variante von Illustratio-
selteneren Freihand-Modezeichnung gestaltete sich
nen für eine Kollektion findet sich in Grains and Steel
zunehmend als ungleich, mit einem bis heute deutli-
(Herbst/Winter 2008). Hier ist die Figurine ebenso
chen Vorsprung für die Fotografie.
225
Doch ist es
Grundlage der Zeichnungen, doch ist die verwendete
womöglich eben jenes Ungleichgewicht, das eine
Handschrift freier und persönlicher (Abb. 6). Die
stete Weiterentwicklung der Illustration ermög-
Figurine bildet im Gegensatz zu Sakoku eine zeichneri-
lichte.
36
3.2 Das Verhältnis zur Figurine. Spätere Arbeitsskizzen
226
Dieser kreative Ansatz, der dem Zeichner
sche Einheit mit der Kleidung. Dies mag einerseits auf
Persönlichkeit und Originalität abverlangt, um seine
die Technik des Filzstiftes als einziges grafisches
Werke von den Massen an gebrauchsgrafischen
Mittel, das keine Farbflächen bildet, zurückzuführen
Imitaten abzuheben, spielt auch in Chalayans Illustra
sein. Zum anderen setzen sich die Entwürfe trotz ihres
tionen der 1990er- und frühen 2000er-Jahre eine
zurückgenommenen schablonenhaften Trägers nicht
tragende Rolle.
ab, weil der Schriftzug in seiner Stärke sowohl für die
Das gezeichnete Kleid. Chalayans (Mode-)Grafiken
Figurine als auch für die Kleidung konstant bleibt. Die
verwendete Adressbuch Ideen, Beobachtungen und
Gesichter erscheinen grundsätzlich leer, was im
Gedanken des Momentes,228 wie es auch Skizzenblö-
Vergleich zu Sakoku und Airborne, die zwar Augen,
cke für klassische, künstlerische Studien tun. Gerade
Nasen und Münder aufweisen – allerdings eher eine
weil sie „nur“ Vorstudien sind und noch nicht der
kopierte Schablone als Persönlichkeit abbildend – kei-
Produktion selbst dienen, enthalten die ohne komposi-
nen wesentlichen Unterschied ausmacht. Die Befrei-
torischen Anspruch festgehaltenen Gedankenströme
ung der Gesichter von jeglichen anatomischen Refe-
im Kontext der Modedisziplin einen besonders
renzen lenkt den Fokus verstärkt auf die expressive
individuellen Charakter – den Fingerabdruck des
Zeichensprache und den allein durch das Linienspiel
Zeichners,229 wie er im späteren Herstellungsprozess,
verwirklichten klaren, grafischen Ausdruck.
übertragen auf Modellskizzen, grundsätzlich verloren-
Den Charakter einer Arbeitsskizze, wie sie als
geht. So verzichtet Chalayan auf die schablonenhafte
erster zeichnerischer Impuls oder Studie noch nicht für
Figurine zugunsten eines freieren, künstlerischen
die Modellmacher in deutlich lesbarer Form gedacht
Ausdruckes, was sich besonders in den frühen Zeich-
ist, tragen die Entwürfe für Medea (Frühling/Sommer
nungen als eine noch stärkere Unabhängigkeit von der
2002) (Abb. 7). Im Gegensatz zu den für die Mode
klassisch begriffenen Modezeichnung artikuliert.
üblichen schablonenhaften Zeichnungen bedient sich diese keiner prototypischen, gleich bleibenden Figurine. Die bestimmten, mit festem Druck hinterlas-
3.3 Konzeptuelle Zeichnungen Die Grafiken für Blindscape (Frühling/Sommer
senen Grafitspuren des Bleistiftes beschreiben
2005) können auf den ersten Blick nicht als eine
verschiedene, nebeneinander und sich auseinander
skizzierte Kollektion gelesen werden (Abb. 8). Auf
heraus entwickelnde Entwürfe. Das Augenmerk liegt
einfachen Papierstücken, die mit Klammern an einem
aber trotz des Verzichtes auf eine Körpervorlage
Hintergrund befestigt sind, erscheinen zwei schlichte
offenbar weiterhin auf den komplexen, im Schnitt
Bleistiftzeichnungen. Mit einer einzigen Bewegung
dekonstruierten Kleidungsstücken. Die Betonung
kennzeichnen die vom Andruck dunklen Linien ein
bestimmter Stellen erfolgt durch einen stärkeren
Kleidungsstück. Dass es sich um einen Pullover
Druck oder ein energisches, rasch erfolgtes Ausfüllen
handelt, wird abgesehen von der Überschrift „Jumper“
kleinerer Flächen. Die Überlappungen der Linien und
im linken Bild aus den zu jeder Seite herabhängenden,
die Vielzahl an Schraffuren führen jedoch gleichzeitig
unterschiedlich breiten Ärmeln ersichtlich. Der
zu einer gewissen Uneindeutigkeit der abgebildeten
Ausschnitt mit vage entzifferbarem Kragen ist offenbar
Kleidungsstücke. Die wenigen dargestellten Köpfe sind
zur Seite gerutscht. Beide Abbildungen sind sich sehr
von Haaren oder Mündern befreit. Allein die Augen
ähnlich, doch unterscheidet sie ein grundlegendes
oder die Nasen finden eine geringe Beachtung und
Merkmal: Die linke Zeichnung wirkt undeutlicher, da
sind stellenweise individualisiert. Ohne Gliedmaßen
mit stärkeren Verschiebungen versehen. Erst mithilfe
schweben die Kopf-Kleider geistergleich im Raum des
des rechten Bildes wird der optische Mangel des
linierten Blattes eines Adressbuches. Die Verwendung
linken, vermutlich zuerst gezeichneten aufgehoben
dieses persönlichen, an ein Tagebuch erinnernden
und der Gegenstand erkennbar. Der Unterschied
Gegenstandes, aus dem die Blätter offenbar nicht
erklärt sich aus Chalayans konzeptueller Vorgehens-
entnommen werden, entfernt die Skizzen von klassi-
weise. Ausgehend von der Idee, die eigene Umgebung
schen, für die Produktion vorgesehenen Modeentwür-
aus dem „Augenwinkel“ einer blinden Person zu
fen. Als Skizzenbuch verwahrt das von Chalayan
betrachten, verband er sich die Augen und zeichnete
Konzeptuelle Zeichnungen
37
den ersten Teil der Kollektion als Grundformen von Kleidungsstücken in vereinfachter Form.
230
Es ist
stellenweise treten beschreibende Details um die
anzunehmen, dass es in einem nächsten Schritt zur
Hälse oder an anderer Stelle um die Armsäume auf.
Erfassung dieser Grundformen kam, im Zuge dessen
Das deutlich ausformulierte Gesicht steht eindeutig im
sie von einer eher abstrakten zu einer eher gegen-
Kontrast zur auf ein Minimum reduziert wiedergege-
ständlichen Form wechselten. Deutlicher wird dieser
benen Kleidung. Insbesondere die detailgetreu
Prozess an einem weiteren Paar solcher auseinander
gezeichnete Augenpartie verleiht dem Blick eine
heraus entwickelten Skizzen (Abb. 9). Hier differiert
gewisse Dominanz und individualisiert ihn. In Gegen-
die Ausgangszeichnung (links) mit ihren unterbroche-
überstellung zum abstrahierten Kleidungsstück lässt
nen Linien ohne erkennbaren figurativen Ansatz
das Gesicht sogar eine Persönlichkeit erahnen. Die
stärker von der überarbeiteten Skizze (rechts). Nun
Umkehrung des Modeprinzips, wie es Chalayan in
sauberer, durchdachter und mit den quer verlaufenden
schulischer Manier in den späten Kollektionen wie
Linien in der Mitte sowie den den linken „Saum“
Sakoku oder Airborne (vgl. Abb. 4, Abb. 5) anwendet,
wiederholenden Streifen werden sie zur Basis für
verbindet sich in Analogie zu Blindscape mit der Idee
Modeskizzen, die in den nächsten Schritten modell-
einer Kleidung, die in Beziehung zur Religion tritt,
technisch adaptiert werden.
indem einzelne, mit Aberglauben besetzte Entwürfe
Dieser bewusste Verzicht auf eine intendiert
designt werden, die den gläubigen Träger vor negati-
„kunsthafte“ zeichnerische Qualität mit raschen,
ven Einflüssen schützen sollen.231 Diese soziokulturel-
bestimmt gesetzten Strichen zugunsten einer fast
len Konzepte finden sich in einer auf das zunehmend
naiven, unsicheren grafischen Sprache entlarvt eine
digitale Design der späten 1980er- und frühen
Dominanz von Ideen gegenüber der Erscheinung. In
1990er-Jahre reagierenden grafischen Sprache wieder.
der weiter zurückliegenden Kollektion Scent of
Obwohl die naive, fast kindliche Handschrift im
Tempests (Herbst/Winter 1995) werden Designformeln
Vergleich zu den späteren expressiv und schnell
im Bild, wie sie Architekten, Produkt- oder Kommuni-
gezeichneten Skizzen stilistisch rückläufig erscheinen
kationsdesigner sowie der klassische, zeichnerische
mag, rückt gerade die sehr bedacht gesetzte Linie –
Modeentwurf als rasch, aber „schön“ skizzierte
mitsamt den ihr zuvorkommenden Ideen – Chalayans
Gedanken auf Papier kennen, abermals negiert
frühe Arbeiten in die Nähe einer mit Konzepten
(Abb. 10). Jeder einzelne der sichtbar verlangsamten
arbeitenden Generation an Zeichnern. Der Mangel an
Striche ist gut durchdacht und nicht zufällig gesetzt.
Aufträgen und Diskursen rund um künstlerische
Die nun im Bereich von Augen, Nase und Mund näher
Grafiken, die sich in ihrer Konkurrenz zu Fotos und den
umschriebenen Gesichter sind weitaus personalisierter
alle Bereiche der Öffentlichkeit überflutenden dekora-
als alle späteren, anonymisierten Figurinen. Das sich
tiven Illustrationen behaupten mussten, führte zu
farblich vom Rest der Zeichnung abhebende Blau des
einer Neudefinition der Illustration, die sich zunächst
zusätzlich zum Bleistift verwendeten Kugelschreibers
in Großbritannien bemerkbar machte.232
vertieft den ohnehin ernsten, etwas düsteren Blick.
38
Scent of Tempests erstmals eine Nebenrolle. Nur
Aude Van Ryn zählt zu jenen britischen Illustra-
Der dunkle, einzelne Strähnen hervorhebende Haaran-
toren, die auf die technischen Neuerungen im Design
satz umrahmt das genau gezeichnete Gesicht und hebt
mit einer schlichten grafischen Sprache, frei von
es vom Rest der allein aus vorsichtig angedeuteten
digitalen Anleihen und von Fotografie, reagieren. In
Konturen bestehenden Gestalt ab. Im Gegensatz zu
ihren neben den Auftragsillustrationen erstellten
den bisher vorgestellten Skizzen spielt die Kleidung in
eigenen Zeichnungen233 arbeitet sie sowohl nach
Das gezeichnete Kleid. Chalayans (Mode-)Grafiken
„sauberen“ Designprinzipien als auch in einer von
„gráphein“ (schreiben, zeichnen) finden das Bild und
eindeutigen formalen oder inhaltlichen Zuweisungen
die Grafik zu ihrer ursprünglichsten Aufgabe zurück,
losgelösten Art und Weise. Mit den einfachen stilisti-
nämlich zu be-schreiben, zu be-zeichnen, und dies
schen Mitteln eines streckenweise nervösen, unruhi-
betrifft sowohl das Individuum als auch alles den
gen Striches präsentieren sich jene „freien“ Arbeiten
Menschen Umgebende.237 Dieser Etymologie zufolge
dem Glanz und der Sterilität des klassischen Grafikde-
ist das Konzept ein dem Bild immanenter Bestandteil.
signs gegenüber abweisend (Abb. 11). Stellt man
Die Frage nach der Objektivität des Abgebildeten im
Chalayans ebenfalls nicht für die Veröffentlichung
Konkurrenzkampf der Fotografie gegen handgefertigte
gedachte Arbeitsskizzen der Kollektion Between
Zeichnungen wird im Zuge der technologischen
(Frühling/Sommer 1998) jenen Van Ryns gegenüber,
Umwälzungen neu gestellt. Gerade die einfach und
kann eine Ähnlichkeit in ihrer gewissermaßen naiven,
überzeugend digital manipulierten Bilder lassen an der
stellenweise zögernden Vorgehensweise und dennoch
Prämisse einer „nie lügenden Kamera“ zweifeln.238
bedachten Strichsetzung festgestellt werden (Abb. 12).
Im Zeitalter der „digitalen Demokratie“ können sowohl
Obwohl Chalayan in seinen Zeichnungen etwas
die bisher als subjektiv geltenden Zeichnungen wie
sauberer vorgeht, macht sich in beiden Darstellungen
auch die vermeintlich objektive Fotografie als gleicher-
ein Verzicht auf die für klassische Illustrationen (der
maßen glaub- oder unglaubwürdig verstanden wer-
Mode oder Grafik) kennzeichnende Ästhetisierung ins
den.239 Allerdings lässt die besonders intensive Ausein-
„Gefällige“ bemerkbar. Die Körper sind Kästen, die
andersetzung mit der „Realität“ über einzelne, von Hand
Formen nicht schmeichelnd, der Ausdruck keinesfalls
gefertigte Striche die Zeichnung als ein dem Künstler
modisch-kokett. Die Faszination für die „entkörper-
körperlich und geistig näheres Medium erscheinen,
lichte“, unbetonte Figur entlarvt ein soziales Bewusst-
was der Umschreibung komplexer gesellschaftlicher
sein – die Beschäftigung mit der gesamten Mensch-
Vorgänge womöglich gerechter wird als eine bereits
heit. Anstelle der überwiegend fröhlichen, satirischen
räumlich und physisch vom Motiv entfernte Moment-
Studien der Mode in ihrem idiosynkratischen Umfeld
aufnahme mit der Kamera.
steht nun eher Nachdenkliches.
234
Als ehemalige Studentin des Royal College of
Dass Entgrenzungen in verschiedenen Bereichen des Alltags allerdings auch weitere, medial und
Art und des Central Saint Martins College of Art and
technisch sehr unterschiedliche zeichnerische Arti
Design235 erfuhr Van Ryn ebenso wie Chalayan die
kulationen hervorbringen können, die sich nicht allein
gleiche soziokulturelle Vielfalt, die wirtschaftlichen
einer grafisch schlichten Sprache bei der Illustrierung
Probleme sowie die auf der Straße und in den Akade-
komplexer Gesellschaftsprozesse bedienen, soll im
mien geförderte Entgrenzung der Disziplinen. Jene
Folgenden aufgezeigt werden.
Konzepte um die Stellung des Individuums in einer sich neu konstituierenden Gesellschaft bei Van Ryn finden sich bei Chalayan u.a. in seiner Obsession für religiös determinierte Territorien und deren letztlicher Auflö-
3.4 Multimediale „Grafiken“, heterogene Realitäten Als Chalayan 1993 das Central Saint Martins
sung in der Kollektion Between236 wieder. Die Aufladung
College of Art and Design besucht, ist er keineswegs
von Bildern mit gedanklichen Konstrukten zeugt von
einer rein an die Mode gebundenen Studienrichtung
einer Rückbesinnung der Illustration auf ihre eigentliche
verpflichtet. In den verschiedenen Kursen darf und
Bedeutung. Aus ihrer Herleitung vom Englischen „to
soll eine Vielzahl an künstlerischen Gattungen und
picture“ (abbilden, darstellen) oder dem Griechischen
Ausdrucksweisen die Arbeiten der angehenden
Multimediale „Grafiken“, heterogene Realitäten
39
Designer und Künstler beeinflussen. Chalayans in
arbeitet zu jener Zeit mit der Technik der Collage, z.B.
Kapitel 2.1 beschriebene Abschlusskollektion The
in The Tangent Flows integriert als technischer Zusatz in
Tangent Flows (1993) verkörpert mit ihren Überschrei-
seinen Grafiken. Dabei bildet der aus mindestens zwei
tungen in Material, Schnitt, Konzept und Präsentation
miteinander verklebten Papierausschnitten beste-
all jene heterogenen Tendenzen des damaligen
hende Untergrund die Basis für eine zeichnerische
Studienganges. So sind auch die Zeichnungen zur
Ausarbeitung mit blauem Kugelschreiber. Entweder
Kollektion von einer Verwendung verschiedener
werden die Papierelemente rechtwinklig als einfache
Techniken gekennzeichnet, was den Gedanken einer
Verlängerungen eines scheinbar fehlenden Teils in der
pluralen Ausdrucksweise stützt. Anstelle des in The
Länge oder Breite hinzugefügt (vgl. Abb. 13), oder sie
Scent of Tempests und Between hauptsächlich verwen-
gestalten sich als ausgerissene, auf den Untergrund
deten Bleistiftes (vgl. Abb. 10, Abb. 12) umreißt in den
der Grafik angebrachte und die Figur umspielende
Grafiken zu The Tangent Flows ausschließlich der aus
Fetzen (Abb. 14). Mit stark verdünnter Tusche bepin-
seinem ursprünglichen, an das Schreiben geknüpften
selt Chalayan die blau konturierten Kleidungsstücke
Kontext entrissene, blaue Kugelschreiber die schlich-
und wandert stellenweise darüber hinaus, was das
ten, vereinfachten und detailarmen Formen der
befeuchtete Papier verformt, ihm den Halt nimmt. Mit
Kleidungsstücke (Abb. 13). Durch die dunklen Markie-
den Händen oder einem weichen Gegenstand scheint
rungen wirkt die Augenpartie des abgebildeten
anschließend die befeuchtete Papieroberfläche
Frauengesichtes noch ernster und nachdenklicher als
gerieben worden zu sein; ein leichter Pillingeffekt
in den späteren Kollektionen; die Haare bilden einen
kennzeichnet die stärker behandelten Stellen.
stark zum hellen Gesicht kontrastierenden Hinter-
fernab jeder Figuration und lassen sich kaum als
Figur zusätzlich durch die zur Faust geballten und
Modeillustrationen bezeichnen (Abb. 15). Die Arbeit mit
verschränkten Hände, wodurch eine gewisse Unsi-
verschiedenen Medien und Techniken äußert sich in
cherheit vermittelt wird.
Form abstrakter, großflächig meist in Weiß-, Ocker- und
Doch nicht allein eine figurativ ausgedrückte
Erdtönen gehaltener Flächen. Verschiedene kunststof-
Konzeptlastigkeit umschreibt zeichnerisch die Verän-
fähnliche Materialfetzen überlagern die darunterliegen-
derungen jener wirtschaftlich und kulturell im Wandel
den, grob in rechtwinkligen Formen gemalten Farbla-
begriffenen Zeit.240 Das hohe Maß an Kreativität, wie
gen. Ein grafischer Zusatz findet sich in Form eines
es seit den späten 1980er-Jahren mit dem Ende der
nachträglich auf der getrockneten Basis gezeichneten
glänzenden Yuppie-Ära
241
und der Allgegenwart von
oder aus haarähnlichem Material angebrachten Linien-
Unruhen, Kriegen und hoher Arbeitslosigkeit von der
gewirrs. Stellt man diese Arbeiten denjenigen des
neuen Designergeneration abverlangt wurde, äußert
bereits einige Jahre vor Chalayan mit Illustrationen
sich in einer individualistischen, introspektiven
arbeitenden Russell Mills gegenüber, wird eine gewisse
Herangehensweise an die Illustration.242 Neben den
Übereinstimmung deutlich (Abb. 16). Mit der ebenfalls
sauberen, figurativen Grafiken spielen abstrakte, von
verwendeten Collage-Technik in warmen Erdtönen, der
Verzerrungen und surrealistischen Bezügen gespeiste
abstrakten Art Bildflächen farblich und materiell zu
Dabei wird die Collage
unterteilen, Oberflächentexturen zu behandeln, mit
Arbeiten eine wichtige Rolle.
243
zu einer weit verbreiteten Technik und zeugt von der
Materialien chemisch zu experimentieren und damit auf
damaligen Faszination für aufgefundene Objekte und
Verwesungsprozesse anzuspielen, beschreibt Mills eine
ihre Wiederverwertung im Bild.
40
Chalayans Grafiken von 1992 bewegen sich
grund. Den beklemmenden Eindruck vermittelt die
244
Auch Chalayan
Das gezeichnete Kleid. Chalayans (Mode-)Grafiken
neben der Tendenz zur Figuration für die späten
1980er- und frühen 1990er-Jahre zeitgemäße, individu-
designt.249 Unabhängig davon, ob er für Plattencover,
elle Interpretation der Realität.245 Wie Van Ryn ist auch
Bücher, Zeitschriften beauftragt wird oder selbstständig
er ein Abgänger des Londoner Royal College of Art, wo
tätig ist, stets charakterisiert seine Illustrationen eine
er Mitte der 1970er-Jahre246 die charakteristische
Faszination für die Variabilität der jeweils verwendeten
Zweigleisigkeit von Punk und Prunk oder Moderne und
Disziplinen, Materialien, Techniken und den changieren-
Monarchie erlebt haben wird. Seine „Illustrationen“ sind
den, nie konstanten Ausdruck.250
von einer Vielfalt an Einflüssen und Techniken geprägt,
Diese grenzüberschreitende gestalterische
wie sie in den 1950er-Jahren bereits Robert Rauschen-
Aktivität, wie sie Chalayan bis heute praktiziert, wirkt
bergs fast dreidimensionale Arbeiten als Mix aus
im Rahmen einer überwiegend an puristische Design-
Malerei, Grafik, Collage und Assemblage in Anlehnung
formeln gebundenen Design- und Illustrationspraxis in
an Kurt Schwitters’ surrealistische Werke kennzeichnen
technischer Hinsicht paradox. Wissend, dass die
(Abb. 17).
247
Bereits die in warmen Braun-, Rot- und
Arbeiten von Illustratoren letztendlich fast ausschließ-
Gelbtönen gehaltenen Farbflächen und ihre horizontal
lich als flache, gedruckte Bilder rezipiert werden,251 wie
und vertikal verlaufende Anordnung im Bild in klaren
es generell bei Fotografien oder digitalen Zeichnungen
sowie verschwimmenden rechteckigen Formationen in
der Fall ist, widmen sich Mills und etwas später
Rauschenbergs Rebus (1955) lassen eine formale
Chalayan auch mit besonderer Sorgfalt den physischen
Verwandtschaft zu Mills und in weiterer Abfolge
Eigenschaften ihrer fast skulpturalen, raumgreifenden
Chalayans Arbeiten erahnen. Auch die weißen, die
Werke. Die Hinterfragung etablierter Konventionen
dunklere geometrische Komposition in der Bildmitte
und Vorgehensweisen im Schaffensprozess steht für
umrahmenden Farbflächen sowie die lasierende Technik
beide Designer und Künstler im Zusammenhang einer
des Farbauftrags in Chalayans studentischer Arbeit
an gesellschaftliche und technische Umwälzungen
ähneln dem malerischen Vorgehen in Rebus. Eine
geknüpften Zeit, die mit einer Veränderung der
weitere Parallele ergibt sich aus der Übernahme
Kunstherstellung und -wahrnehmung einhergeht. Der
verschiedener aufgefundener Materialien als Teile der
Masse an digitalen Zeichnungen und auf Hochglanz
realen Welt in die Kunst, die sowohl Mills, wie etwas
bearbeiteten, grundsätzlich als Reproduktionen
später Chalayan, in Anlehnung an die Objektkunst, die
existenten Fotografien252 widersprechen die manuell
Materialkunst und an Dada vornehmen; damit scheinen
und mit großer Sorgfalt collagierten Werke. Die
sie dem Aufruf Rauschenbergs, und in weiterem
reliefartigen Oberflächen, wie sie für ausgestellte
Rückblick auch jenem der Moderne nach einer
Kunstwerke kennzeichnend sind, werden nun einer
Kunst-Leben-Gleichung
248
Folge zu leisten. Die ange-
üblicherweise digital aufbereiteten und unendlich
strebte Vereinigung der Wirklichkeit des Lebens mit
reproduzierbaren Pressegrafik zugestanden. Die
jener der Kunst handhaben alle genannten Künstler
tatsächlich im Original existenten Unikate erheben mit
allerdings nicht nur hinsichtlich einer Überschreitung
ihrer in die haptische Qualität eingearbeiteten Individu-
der künstlerischen Gattungen, sondern auch der
alität einen Anspruch auf künstlerische Einzigartigkeit
Disziplinen. Während Rauschenberg sich neben der
und Originalität. Walter Benjamin würde diesem Ansatz
bildenden Kunst als Bühnenbildner, Fotograf, Choreo-
vermutlich widersprechen, verlieren doch alle tech-
graf, Set Designer, Bühnendarsteller oder gar Kompo-
nisch vervielfältigten Werke ihre ursprüngliche, nur
nist betätigte, setzt Mills seine künstlerischen Illustrati-
dem Original anhaftende Aura.253 In der Abhandlung
onen häufig in einen Kontext mit Musik, indem er
Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reprodu-
sowohl selbst als Musiker arbeitet als auch Musikcover
zierbarkeit (1936) erkennt Benjamin, dass die technisch
Multimediale „Grafiken“, heterogene Realitäten
41
bedingte Entfremdung der Arbeiten aus ihrem ur-
42
Insbesondere wenn Auratisierung der einst dem
sprünglichen Kontext heraus – ihrer Tradition und
Dekorativen verpflichteten, nunmehr aber abstrakten, im
Geschichte bzw. der Existenz an einem bestimmten
Ausdruck düsteren (Mode-)Illustrationen als Verweis auf
Ort zu einer bestimmten Zeit – die Kunstwerke
ihren konzeptuellen Gehalt verstanden wird. In Reminis-
entmystifiziert, ja sie entleert.
zenz an die massenhaft hergestellten und verbreiteten
254
Chalayans Grafiken
müssen allerdings im Zusammenhang mit der weiteren
Modeholzschnitte des späten 19. Jahrhunderts und
Entwicklung der technischen Reproduktionsmöglich-
Modefotografien der 1930er-Jahre mündet die Übersät-
keiten in der Postmoderne betrachtet werden. Die an
tigung mit der glatten Perfektion einander identischer,
unterschiedlichen Orten mögliche, zeitgleiche Erleb-
künstlerisch wertloser computergenerierter Illustratio-
barkeit von nunmehr digitalisierten Kunstwerken durch
nen der frühen Postmoderne255 in einem Mode entgren-
das World Wide Web, den Cyberspace oder das
zenden Innovationsaufruf. Das technisch, aber vor allem
Fernsehen bedeuten nicht nur eine Verfremdung der
auch kulturell und sozial veränderte, sich gegen Univer-
abgebildeten Kunst, sondern der gesamten Realität –
salismen aussprechende Umfeld einer Gesellschaft im
alles wird virtuell wiedergegeben und mannigfaltig
Übergang zum dritten Jahrtausend generiert ebenfalls
reproduziert. Mit dem gesteigerten Bedürfnis an
neue, heterogene Bildherstellungsprozesse. Mit dem
Illustrationen in Werbung, Mode und Design wurden
Anspruch an eine im Original vorhandene, dem Cover
digitale Zeichnungen schnell und günstig hergestellt,
oder der Fotoabbildung vorausgehende, greifbare, gar
was einen Verlust persönlicher Charakteristika des
dreidimensionale Illustration mit von einer Grundidee
Zeichners im Bild implizierte. Chalayan entschied sich
getragenen und von unterschiedlichen Grenzüberschrei-
offenbar für eine seiner Zeit gegenläufige Richtung.
tungen zeugenden Tiefe wird dieses grafische Genre neu
Obgleich in letzter Instanz abfotografiert und durch
formuliert. Jede beliebige Ausdrucksform scheint dabei
verschiedene Medien zweidimensional konsumierbar,
unter einer bestimmten Prämisse akzeptabel: „[…] to
wird in Chalayans Grafiken der Bruch mit den ästheti-
picture a set of ideas, rather than merely make beautiful
schen Konventionen seiner Zeit überdeutlich. Die
marks.“256 Nicht mehr die Gesamtwirkung einer dekora-
technisch vielfältigen, dreidimensionalen Arbeiten sind
tiv-ästhetisierten Modelinie in einer idealisierten
inmitten des Digitalisierungshypes als Rückkehr zur
Umgebung257 ist von Bedeutung, sondern die Unsicher-
Analogie und damit als ein Plädoyer für Originalität zu
heiten einer sozioökonomisch bewegten Gesellschaft,
lesen. Wenn überdies die Fotografie ebenfalls als ein
wie etwa Großbritannien im späten 20. Jahrhundert. In
durchaus kritisches Medium aufgefasst wird, mithilfe
individueller Zeichensprache und damit origineller Weise,
dessen bzw. der Kameralinse die handgearbeitete
„Realität“ zu begreifen und umzusetzen, interpretieren
Oberfläche zusätzlich personalisiert, also gewisserma-
Chalayans Illustrationen zwischen künstlerischen
ßen manipuliert wird, relativiert sich die anfängliche
Gattungen die von nationalen sowie gestalterischen
Paradoxie einer collagierten, multimedialen und
Zugehörigkeiten befreite Welt. Allein die Beschreibung
zugleich mit der Pressegrafik kompatiblen „Illustration“
kreativer Prozesse als „Illustration“, „Kunst“ oder „Kunst-
aus dem Bereich der Mode. Die Fotografie würde, vom
handwerk“ erscheint längst nicht zeitgemäß258 in einer
Künstler des „Originals“ eigens zur Verfremdung der
Kunst, Musik, Design sowie Gesellschaften entgrenzen-
manuellen Arbeit eingesetzt, als Teil des Gesamtkunst-
den Umgebung. Mode und die dazugehörige Grafik
werkes verstanden. In der Postmoderne scheint die
werden daher von Chalayan neben der Fotografie, dem
Benjamin’sche „Aura“ neu konzipiert zu werden und
Grafikdesign, der Malerei und Collage als nur einige der
auch für digitalisierte künstlerische Arbeiten denkbar.
zahlreichen Ausdrucksmittel begriffen.
Das gezeichnete Kleid. Chalayans (Mode-)Grafiken
Verbindung zur Kunst.263 So bildeten sich mit der industriellen Revolution Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere in Großbritannien zahlreiche Designschulen mit dem Ziel, die Industrie durch den Einsatz von Künstlern zu beleben.264 Die „Verbrüderung“ von Technik mit Ästhetik sollte der Qualität der kommerziellen Textilien zugutekommen.265 Textil
4. Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
manufakturen beauftragten Künstler wie Sonia Delaunay, Matisse, das Bauhaus, die Wiener Werkstätte oder die Omega Workshops und das Silver Studio in London.266
In ihrem Essay Die Sprache vom Ich beschreibt
Auch Chalayans Ausbildung am Central Saint
Dorothea Mink in Berufung auf Jean-Paul Sartre
Martins College of Art and Design steht in der Tra
die „zweite Haut“ als einen Seelen-Ausdruck, der
dition von Kollaborationen zwischen der Textilindus-
mehr über den Menschen zu verraten vermag,
trie und Künstlern, was sich in der genreüber
„[…] als alle Hilfsmittel zur modischen Gestaltung
greifenden Lehre bis in die 1990er-Jahre sowie in
verdecken […].“
259
Bereits mit den von einer Grund-
Konsequenz in Chalayans eigenem Schaffen bemerk-
idee geprägten experimentellen Arbeiten seiner
bar machte. Während allerdings die Disziplinen
Abschlusskollektion von 1993 und den multimedia-
vernetzende Textilgestaltung der Moderne einem
len Zeichnungen zeigt sich Chalayans Interesse am
wirtschaftlichen Konkurrenzkampf zwischen den
gesamten Menschen: dessen Körper, aber auch an
industrialisierten Ländern entsprungen ist, finden sich
dem, was er von seinem Lebensumfeld zu berichten
besonders die britischen Modestoffe der Postmoderne
hat. Die Kleidung, die den Menschen im Alltag mehr
einem textilindustriellen Vakuum ausgesetzt. Dieser
als alle anderen Designgegenstände in einem beson-
mangelnde Produktionshintergund und der Einfluss
ders intimen Verhältnis Raum, Ort und Zeit über
postkolonialer sozialer Umstellungen mit alltäglichen
greifend begleitet, erhält spätestens seit dem 18. Jahr-
Migrationen lässt Designer mit herkömmlichen Stoffen
hundert die Rolle einer „zweiten Haut“.
260
Als
experimentieren. Konzeptuell werden die Stoffent-
Erweiterungen des Körpers261 agieren Stoffe in der
würfe mit Themen wie Globalisierung, Ein- und Aus-
Mode demnach als Ausdruck seiner Materialität sowie
wanderung sowie informationstechnologischen
als Mittler seiner Einstellungen. Ob – mit Sartres
„Wanderschaften“ unterlegt. Materialität wird dabei
Worten – erst die den Körper verhüllenden Stoffe
in Verbindung mit Ideen innerhalb des textilen Bot-
den wahren Ausdruck von Persönlichkeit über-
schafters von Persönlichkeit – der „zweiten Haut“ –
brach-ten oder diese Rolle eher dem nackten Leib
neu verhandelt. Ist die Textilie gewebt oder besteht
zukam, wechselte im Laufe der Jahrhunderte immer
sie aus nicht gewebtem Werkstoff, was bedeuten ihre
wieder.
262
Ebenso gestaltete sich die Beschaffenheit
Griffigkeit, Handsamkeit, Farben, Muster oder die
der Stoffe in ihrer Materialität und Oberflächen
Zusammensetzung des Stoffes als einer nach außen
gestaltung in Abhängigkeit von zeitlich und sozial
kommunizierten Identität, wenn diese in einer post
bedingten Veränderungen. Die Art der Behandlung
nationalen, Kategorien entsagenden Gesellschaft des
oder gar der Misshandlung von Stoffen steht dabei
21. Jahrhunderts nicht mehr eindeutig zu bestimmen
ebenso wie die Modezeichnung in enger traditioneller
ist?
Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
43
4.1 Abstrahierte Oberfläc hen, neutralisierte Zuordnungen
lichen Vernetzung sind Textilien als Produkte weltweit
Für die Show zur Herbst/Winter-Kollektion
trächtig geblieben. Die Haute Couture lässt aus Italien
Ambimorphous von 2002 schickt Chalayan vor der
Seide kommen und vor Ort Stoffe bedrucken, während
Präsentation der eigentlichen Kollektion insgesamt
aus Japan die High-Tech-Stoffe und Textilappreturen274
fünf Models auf eine diffus ausgeleuchtete Bühne
stammen oder in Großbritannien die traditionelle
(Abb. 18).
267
Wie sich die Frauen nacheinander in einer
Kammgarnwolle, der schottische Tartan sowie Tweed
Reihe aufstellen, wird ein Wandel des eingangs rein
hergestellt werden.275 Trotz traditionell starker Vertre-
traditionellen türkischen Kostümes durch die stete
tung durch Wollstoffe auf dem Weltmarkt bedeutete
Hinzunahme schwarzer Kleidungselemente ersichtlich,
der Einbruch der einst mächtigen Textilindustrie
um schließlich mit dem letzten Modell in einem
Großbritanniens für das Land ein seit dem Zweiten
vollkommen schlichten, modernen schwarzen Mantel
Weltkrieg anhaltendes Missverhältnis von Design und
zu münden. Was zuerst auffällt, ist die sehr reiche
Herstellung.276 Nicht nur, dass britische Designer das
Verzierung des ersten Kostümes durch mit Leder und
Land aufgrund fehlender Unternehmen zwangsläufig
Seide kombinierte Stickereien.
268
Die opulente Orna-
verließen; sie waren und sind bis heute im Rahmen der
mentik, Metallverzierungen und in prachtvollen
Arbeit an eigenen Kollektionen – abgesehen von
Farbstreifen gewebte Stoffe269 im Kontrast zum immer
Wolle oder Leinen – auf den Bezug von Stoffen aus
wieder aufblitzenden Schwarz sind mit Sorgfalt
dem Ausland angewiesen.277 Wie seine Kollegen, die
gearbeitet und verraten trotz der verschobenen
selbst zwischen 60 und 90 Prozent der Stoffe über-
Schnitte und herabhängender, mit verschiedenem
wiegend in Frankreich, Italien, Spanien, Japan oder
Zierrat versehener Säume eine große Detailliebe. Doch
Deutschland in Auftrag geben,278 arbeitet auch
was bedeuten Anleihen aus einem Fundus ethnischer
Chalayan überwiegend mit „internationalen“ Texti-
Folklore für die Mode des globalen Zeitalters?
lien – britische setzt er kaum ein.279
Dass Mode mitsamt ihrer Stoffe schon immer
Neben den „gewanderten“ und damit trans
grenzübergreifend und damit transnational agierte, ist
national aktiven Stoffen ist im historischen Rückblick
historisch begründet und eng an Handel und wirt-
in Europa auch eine auf die Textiloberflächen in Form
schaftliche Eroberungen geknüpft.
270
Seide wurde über
von Mustern und Ornamenten eingeschriebene
die Seidenstraße nach Europa gebracht, aus dem
„Einwanderung“ weltweiter Kulturanleihen zu beob-
Orient kamen Schnabelschuhe und Hennin in die
achten. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise
burgundische Mode; aus Indien fanden im 18. Jahr-
Poirets Design des frühen 20. Jahrhunderts zu lesen,
hundert Chintze und Kaschmirschal den Weg nach
das sich von den orientalistisch-eklektizistischen
Europa, außerdem Zobel aus Russland und Perlen aus
Kostümen, insbesondere von Serge Diaghilevs Ballets
Japan.271 Mit jeder Grenzüberschreitung wurde das
Russes, inspirieren ließ.280 Die mit fantasievollen
eingeführte Exotische, Fremde, Unbekannte und
Folklore-Mustern bedruckten, in starken Farben
Entlegene zur Ressource des Neuen.
44
agierender textilindustrieller Spezialisten prestige-
272
Im Zuge
gearbeiteten Kostüme von Diaghilevs russischer
politischer, ökonomischer, kultureller und religiöser
Tanzkompanie standen seit der Pariser Uraufführung
Vereinnahmungen signalisierte das „Seltene“ und
im Jahr 1909 für eine alle Lebensbereiche überrollende
schwer zu beschaffende Luxusgut273 immer eine
Exotizismus- bzw. Orientalismushysterie,281 die sowohl
gewisse Privilegierung und Vormachtstellung. Bis
die Kunst als auch die Mode revolutionierte. So waren
heute, und insbesondere mit der globalen wirtschaft
nicht nur Poirets Stoffmuster von orientalischen
Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
ornamentalen Anleihen geprägt; auch die Schnitte
schen Prinzessin in die europäische Zivilisation mittels
bedienten sich schlichter, vom japanischen Kimono
einer Dampflok. Navaho-Stoffe und Federschmuck
abgeleiteter Formen und widersprachen den bis dahin
verbinden sich im Laufe der glamourösen Präsentation
im Westen geläufigen Krinolinen.282 Ähnliche Hybrid-
mit westlichen Krinolinenkleidern und europäischer
formen eines modisch ausgedrückten kulturellen
Huttracht. Auch das Ambiente der Show ist ein
Pluralismus kennzeichnen auch die Trends der folgen-
Potpourri an Referenzen: Importierter Sand, Palmen,
den Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Yves Saint
Reisekoffer, Gewürzplatten, drapierte Textilien, Tee
Laurent definierte 1976 den sogenannten „Folklo-
und Süßigkeiten erinnern im Zusammenhang mit dem
re-Look“,283 der als Hommage an entfernte Länder und
Zug an den Orient-Express – ein Symbol für Luxusrei-
Kulturen in Form hybrider ethnischer Anspielungen
sen auf der Strecke Paris-Istanbul seit dem späten
zum festen Bestandteil der Mode der 1980er- und
19. Jahrhundert bis zu seiner letzten Fahrt 2009. Die
1990er-Jahre avancierte. Im Zuge einer erneuten
Inszenierung von Exotik als exklusivem Konsumgut
Exotizismuswelle im „Global Village“, mit zunehmen-
lässt die verspielten Kleider unweigerlich an die
den Verflechtungen zwischen den entlegensten
Geschichte westlicher Überlegenheit und ihrer
Erdteilen, bildete sich ein ethnisches Mode-Panopti-
kolonialen, politischen wie ökonomischen, Exzesse
kum heraus, das von „Black Chic“ über „Buddha-Kol-
denken. Nichteuropäische Kulturen werden auf einen
lektionen“ oder den von dem Roman Die Geisha
ethnischen Fantasie-Basar, ein neo-koloniales, imperi-
(1997)284 inspirierten asiatischen Modeadaptionen mit
ales Spektakel reduziert. Gallianos Modelle präsentie-
Blick auf den erstarkten asiatischen Markt bis hin zum
ren sich im Rahmen der elegant-theatralischen
„Bohemian Chic“ – einem Durcheinander kultureller
Modenschau als eine beliebige Ansammlung unter-
Referenzen im Hippie-Stil – reichte.285 Auch die
schiedlichster ethnischer Elemente. Das Interesse an
Dior-Retrospektive im Moskauer Puschkin-Museum im
der hinter den Mustern und Farben stehenden Kultur
Jahr 2011 stellte eine „tour du monde“, eine Reise
bleibt oberflächlich, beschränkt auf den formalen
durch vier Erdteile vor, die folkloristische Anstöße für
Aspekt der ästhetisch auf das westliche Modever-
Couture-Ereignisse wie das „China-Défilé“ und die
ständnis umgemünzten Ornamente und Schnitte,
„Altägyptische Kollektion“ ergab.286 Als Beispiel einer
einen insbesondere im Westen konsumierbaren,
auf die Spitze getriebenen Ansammlung ethnischer
kommerziellen Stil kultureller Vielfalt artikulierend.
und historischer Sensibilitäten in Form eines vornehm-
Doch kann es sich bei „Kultur-Zitaten“ durch
lich westlich konsumierbaren, kommerziellen Stils
Mode auch um ernst gemeinte Kommentare zum
dienen besonders John Gallianos Entwürfe der späten
Zustand der Gesellschaft, etwa der Tendenz zur
1990er-Jahre. Die – für Dior geschaffenen – mit
globalen Homogenisierung und damit Verwischung
afro-karibischen, Navaho-indianischen und burmesi-
kultureller Andersheit handeln? Wie bereits mit dem
schen Anleihen überladenen Kollektionen basieren auf
internationalen Textilhandel und der Beschäftigung mit
einer theatralischen Inszenierung, Karikierung und
verschiedenen Kulturen in Oberfläche und Kleidungs-
Trivialisierung von Kulturen und Epochen.
form angedeutet, verweist auch Ted Polhemus in
287
Beispielhaft sei dafür die Herbst/Winter-Kollek-
seinem Essay What to wear in the global village auf die
tion 1998 herausgegriffen, auch unter dem Titel Die
Macht der Mode als einer von allen Industrien am
Geschichte von Prinzessin Pocahontas bekannt.288 Im
stärksten an Kulturen geknüpften und damit stets
Rahmen einer aufwendigen Show inszenierte Galliano
übergreifend agierenden Disziplin.289 Was früher die
eine fantastische Zeit- und Kulturreise der indiani-
Eigendefinition durch Klasse, Religion, Rasse oder
Abstrahierte Oberflächen, neutralisierte Zuordnungen
45
Ethnie war, ist in der Postmoderne einer „gefühlten“ Identität gewichen.
290
Einstellungen, Visionen, Philoso-
als reinem Oberflächeninstrument? Chalayan schlägt
phien, Träume und Wünsche werden hauptsächlich
hierzu die Methode des Morphings bzw. „Wandels“
durch Kleidung artikuliert, was im Marketing als
vor, eine auf den ersten Blick im Modedesign gängige
„Lifestyle“ bzw. Lebens- und Modestil zu einer neuen,
Verschmelzung ausgewählter Folkloreelemente mit
Nationen und Länder übergreifenden und damit
westlichen Kleidungsstücken, wie sie auch Ambimor-
natürlich besonders lukrativen, neuartigen Selbstbe-
phous aufweist. Jene Zustände zwischen den benenn-
stimmung von Identität stilisiert wurde.291 Diese
baren Zuordnungen – des Westens und des Ostens –
westliche Eigenbestimmung von Persönlichkeit aus
könnten dabei mit der üblichen Interpretation eines
einem Mix verschiedener „exotischer“ Muster, Orna-
Plädoyers für Vielfalt im Rahmen globaler Homogeni-
mente und Stickereien ging allerdings, abgesehen von
sierungstendenzen gelesen werden, wenngleich es
wirtschaftlichem Profit, höchstens mit einer seit
sich dabei um ein für die alles unifizierende Modein-
Jahrhunderten aufkeimenden Sehnsucht oder Faszina-
dustrie paradoxerweise widersprüchliches Vorgehen
tion für „ferne Länder“ und damit einer begrenzten
handelt. Chalayans Arbeitsprinzip zeigt allerdings
Form von „Anerkennung“ außereuropäischer Kulturen
große Unterschiede zur gängigen „Ethno-Mode“ auf.
einher. Die Geschichte der Inszenierung von hawaiiani-
Für die Darstellung kultureller Pluralität über Kleidung
schen Drucken, Nehru-Jacken oder Batik in westlicher
wählt er eine weitestgehend konzeptuelle und abs-
Kleidung ist bis ins 21. Jahrhundert durchweg eine
trakte Vorgehensweise. Dies macht sich insbesondere
Geschichte des Monopols bzw. der Monokulturalität
darin bemerkbar, dass er gemorphte wie unveränderte
europäischer Modehauptstädte wie Paris und später
ethnische Schnitte und Ornamente nur in der Eröff-
New York, Mailand oder London gewesen.292 Um eine
nung und dem Finale der Show einsetzt, während der
Gleichstellung und eine Teilhabe nichteuropäischer
Rest der Präsentation der tatsächlich tragbaren
Länder am Profit der Modeindustrie ging es nie.293 Im
Modelle ohne äußerlich erkennbare ethnische Refe-
Gegenteil: Mit der „Ethno-Mode“ wurden abermals die
renzen auskommt, die Wirkung der einleitenden und
westliche Macht und Überlegenheit zelebriert; ob
abschließenden Modelle hervorhebend.
Kulturen durch die in Kleidung übernommenen
Zunächst wird zu Beginn der Ambimorphous-
Folkloreanleihen zeitweise „modern“ wurden, lag allein
Schau das originale türkische Kostüm in seiner noch
in den Händen europäischer „Modediktatoren“.294 Mit
„unverfälschten“, „ungemischten“ Form gezeigt (vgl.
dem Urteil „passé“ endete nach meist kurzer Zeit die
Abb. 18). Die Darstellung ist gewissermaßen ein
anfängliche Begeisterung
295
sowie das Interesse am
Kulturschock: Die Bühne, das Pariser Musikzentrum
„Anderen“ und schließlich seine kurzzeitige Existenz in
Cité de la Musique297, ein Museum überwiegend
den westlichen Köpfen. Gerda Buxbaum bringt dieses
westlicher Musikkultur, betritt eine bis ins kleinste
imperial bestimmte Missverhältnis treffend auf den
Detail ostanatolisch298 gekleidete Frau. Wie sich das
Punkt, wenn sie 1999 – in einer von ethnischen
Kostüm in seiner folkloristischen Opulenz und Überla-
Trivialisierungen in der Mode, wie jener Gallianos,
dung präsentiert, wird es weniger dazu gedacht sein,
bestimmten Zeit – behauptet: „As interpreted by
der westlichen Trägerin und ihrer modernen Garde-
fashion, the ethnic look represents entertainment, not
robe zu schmeicheln. Dass den Modellen nichts
an attitude to life and certainly not the Zeitgeist.“296
Humorvolles, Karikierendes, Spielerisches oder
Doch wie können Stoffe in der Mode tatsächlich Grenzen überwinden – jenseits des Textilhandels und
46
(wirtschaftlichen) Interesses an ethnischer Dekoration
Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
wenigstens „Leichtes“ anhaftet, drückt ein Verständnis für den Hintergrund der Kleidung aus, die offensicht-
lich keine Mode ist. Die schlichte, mit metallischen,
Als Metaphern für den Bruch mit jeglicher Form
grafisch strengen Formen ausgestattete und mit
von Uniformierung kennzeichnen die verfremdeten
experimentellen Klängen beschallte Bühne unter-
„Kostüme“ des Ostens und Westens einen auf Gleich-
streicht eine abgeklärte Haltung. Mit stets ernsthaften,
wertigkeit angelegten Zwischenweg. Interessant ist in
zum Publikum gerichteten starren Blicken „beladen“
dieser Hinsicht die Inszenierung des Morphs von
die jungen Frauen die westlichen Modelle mit einer
Stoffoberflächen und kulturellen Zugehörigkeiten in
bedrückenden Atmosphäre; Oberfläche und „Putz“
stetiger Transzendenz, ohne Anfang und Ende,
weichen den tieferliegenden Bedeutungsschichten in
richtungswechselnd, in einer Reihe, zur gleichen Zeit,
der Kleidung.
symbolisch Länder, Grenzen und Nationen übergrei-
So unterstreicht die Silbe „ambi“ in Ambimor-
fend. Simmel formulierte bereits 1908 den Gedanken
phous die sich auf der Bühne manifestierende rich-
der Konstruktion der Figur des Fremden durch sein
tungswechselnde Transformation: Der einleitende
räumliches Verhältnis zu Anderen.299 Erst durch seine
östlich-westliche Kleiderwandel geht einer sukzessi-
Nähe zu Mitgliedern einer Gemeinschaft werde er zum
ven, in Etappen dargestellten Mutation des schwarzen
„Fremden“ und gerade damit auch zugleich zum Teil
Kleidungsstückes am Ende der Show voraus. Das
der Gruppe.300 Chalayan scheint diese Idee im Rahmen
ehemals schlichte schwarze Kleid wird im Finale zum
von Globalisierung und den verschiedenen Arten von
reich verzierten Folklorekostüm, welches schließlich
Migrationen zu verbildlichen, indem er den simultan
allein auf der Bühne übrig bleibt. Der schrittweise zu
stattfindenden Wandel ursprünglich geografisch vonei-
verfolgende Übergang eines Modells zum nächsten
nander weit entfernter, gar oppositioneller Zugehörig-
entspricht unmissverständlich einer Offenlegung
keiten in einen gemeinsamen Kontext – auf eine
kultureller Verwebungsprozesse. Der im Titel und in der
Bühne – bringt. Das Moment der Gleichwertigkeit
Darstellung selbst angedeutete Richtungswechsel lässt
durch die Gleichzeitigkeit miteinander interagierender
darüber hinaus die Synthese von Kulturen als einen
und ästhetisch in ihrer Entwicklung aufeinander
anhaltenden, nie endenden Prozess denken, eine im
bezugnehmender Modelle in einer Reihung ist unver-
Kontinuum begriffene Transkultur. Die gemorphten, im
kennbar. Die zu Showbeginn und -ende angedeuteten
ewigen Übergang begriffenen Modelle – Repräsentan-
unendlichen Mutationen von Stoffoberflächen und die
ten allgemeiner sozialer Verflechtungsprozesse – füh-
damit metaphorisch gemeinte Identitätsverfremdung
ren vor allem die sich als abgeschlossen deklarierenden
erwächst zu einer Nivellierung bestehender Machtver-
Gesellschaften ad absurdum. In der Performance
hältnisse – des Westens gegenüber dem Osten
stehen dafür symbolisch die als Uniformen wahrge-
etwa – und lässt sie anzweifeln. Chalayan beschreibt
nommenen Kleider des Westens und Ostens, das
die Idee hinter der Kollektion als Spiel der Umkehrung
„kleine Schwarze“ und die den Orient repräsentierende
von Macht und Machtlosigkeit, wie sie in Kriegszeiten
Tracht auf der anderen Seite. Mit der sukzessiven
kennzeichnend ist.301 Dass er selbst kriegserfahren ist
Abstrahierung der Modelle durch stets neue kulturelle
und ein Leben im kulturellen und disziplinären „Dazwi-
Anleihen – hier über die Hinzu- oder Wegnahme von
schen“ kennt, mag den besonderen Zugang zur Mode
Farben und Formen dargestellt – stellen sich auch die
jenseits ihrer Oberflächlichkeit ausgemacht haben.
als „rein“ empfundenen Uniformen bzw. Kulturen als
Auch die durchweg leitmotivische soziopoliti-
bloße Etappen einer kontinuierlichen Transformation
sche Untermalung der eher im Kunstbetrieb angesie-
dar. Überdies bleiben sie unbenennbar, da keine
delten Performances beschreibt einen respektvollen
Einordnung in bestehende Strukturen möglich ist.
Umgang mit kultureller Differenz und Vielfalt. Die
Abstrahierte Oberflächen, neutralisierte Zuordnungen
47
Abstrahierung kultureller Uniformität, wie es die
Was sich dahinter verbarg, waren zusammen mit der
stellenweise zunehmenden schwarzen und damit
Textildesignerin Wakako Kishimoto erstellte, zunächst
potenziell entleerten, von etablierten Kennzeichen
deutlich entzifferbare Blumenzeichnungen, die
befreiten Flächen beschreiben sowie in umgekehrter
anschließend per Computer zu einem abstrakten
Manier die Verfremdung des okzidentalen schwarzen
Textilmuster verfremdet worden waren.304 Auch die
Mantels durch bunte, ethnische Stoffelemente
Folgelinie Panoramic (Herbst/Winter 1998) baut auf
eröffnet das „Dazwischen“ als Möglichkeit einer
dieser Vorgehensweise, Bilder oder Muster auf Stoffen
neuen, pluralen Individuation. Obgleich in den Morphs
unkenntlich zu gestalten, auf (Abb. 20). Eine realisti-
die einzelnen kulturellen Puzzleteile gelegentlich noch
sche Abbildung, hier in Form einer Fotografie mit dem
entziffert werden können, sind die Stadien der Ver-
Motiv einer spezifischen geografischen Umgebung mit
schmelzung unterschiedlicher ethnischen Elemente in
bläulich-weißem alpinen Panorama, charakteristischer
den Kleidungsstücken zuerst namenlos, unbekannt.
Seekulisse und dunkelgrünen Nadelwäldern, geht dem
Dass allerdings der hybride Zustand einer neuen
Abstrahierungsprozess voraus. Chris Levine liefert
Zuordnung – zwischen den Zuordnungen – selbst zu
hierfür das Landschaftsbild,305 das für die Kollektion
einer eigenen Kategorie erwachsen und damit wiede-
nicht in seiner naturalistischen Form übernommen
rum in Abgrenzung zu anderen Zugehörigkeiten treten
wird, sondern wie in Nothing, Interscope eine digitale
kann, bestätigt die grundlegende Funktion von Mode,
Verfremdung erfährt. Ähnliches geschieht im „Dazwi-
eine Individualität aus der Paradoxie des Bedürfnisses
schen“ von Ambimorphous, als Chalayan die Textilober-
nach Distinktion durch die Orientierung am Universa-
flächen beider kultureller Leihgeber durch die Hinzu-
len heraus zu definieren.
302
Oder anders formuliert:
nahme oder in gegenläufiger Manier die Entnahme von
Die durch Mode gewonnene Individualität vermittelt
Stoffelementen aufbricht; allerdings bleiben dort ihre
stets eine soziale Zugehörigkeit und ist nie genuines
ethnischen Einschreibungen weitestgehend im
Kennzeichen einer Einzelperson.303 Damit stünden
Einzelnen entzifferbar. Die grafisch aufgebrochenen,
auch solche, aus Pluralität hervorgegangenen Verbin-
stilisierten und abstrahierten Oberflächen in Nothing,
dungen letztlich als homogene Einheiten da. Im
Interscope und später in Panoramic lassen nicht mehr
Hinblick auf die offengelegte Verschmelzung verschie-
im Geringsten Andeutungen eingeschriebener eth-
dener Ethnien in Ambimorphous bedeutet dies aller-
nisch-kultureller Markierungen zu. Gemäß Chalayans
dings zugleich auch, dass jahrhundertelang gewach-
Intention „[…] to create a new uniform that couldn’t be
sene, sich als „authentisch“ und damit homogen
described […]“306 sind die heterogenen Kulturanleihen
deklarierende Kulturen und Nationen selbst ebenfalls
camoufliert – nicht äußerlich ablesbar. Die „Zwischen-
ein Produkt sozialer Verschmelzungen sind, womit
zugehörigkeit“ wandert von ihrer optischen Mannigfal-
wiederum im Allgemeinen die Absurdität der Reinheit
tigkeit hin zu einem gedanklich formulierten Morph
proklamiert würde.
und Kategorienbruch.
Eine Steigerung in der Relativierung kultureller Determinierungen vermittelt die Frühling/Sommer- Kollektion 1996 mit dem Titel Nothing, Interscope (Abb. 19). Von den schlichten weißen T-Shirts und
48
4.2 Lebende Stoffe. Die dekonstruierte Textilie Dass Chalayan nicht allein an einer Umformu
Kleidern der Models hoben sich verpixelte Muster ab,
lierung des ästhetischen Gehaltes von (Stoff-)Ober
die aus aneinander angeordneten rechteckigen
flächen interessiert ist, belegen bereits die konstant in
Elementen in Blau-, Gelb- und Rottönen bestanden.
alle Arbeiten verwobenen gesellschaftsrelevanten
Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
Chiffren. Im Zusammenhang mit einem postmodernen
Erde, Eisenspänen, diversen Insekten und chemischen
Diskurs interessiert jedoch jenseits der Abstraktion
Prozessen entlarvt allerdings zugleich eine Absage an
von Stoffmustern zugunsten einer äußerlichen
die „perfekte“ Optik klassisch begriffenenen Designs.
Unlesbarkeit von Identitätskonstruktion(en) auch die
Neben der Befreiung traditioneller Modestoffe
Materialität bzw. die Zusammensetzung der „zweiten
von ihrer Funktion wird damit auch die sie zierende
Haut“. Welche „Stoffe“ können in einem Mode ent-
Ästhetik – der Grundpfeiler des herkömmlichen
grenzenden Schaffen angewendet werden, um die
Modeverständnisses – infrage gestellt. Die Verwandt-
Beschaffenheit des von rasanten wirtschaftlichen und
schaft von Chalayans chemisch-biologisch behandelten
technologischen Veränderungen, Migrationen, kultu-
Textilien mit den frühen, mit Liebe für die Oberfläche
rellen Verwischungen geprägten und vom steten
gearbeiteten und sich zugleich dekorativen Zwecken
Modewechsel betroffenen Menschen zu beschreiben?
verwehrenden abstrakten Collage-Grafiken (vgl.
Bereits die ersten Experimente mit vergrabenen,
Abb. 15), bringt sie einer seit den 1980er-Jahren das
unter der Erde verrotteten Baumwollstoffen in The
Modesystem kontaminierenden Bewegung näher. Die
Tangent Flows (1993) brachten Chalayans Hinterfra-
in Paris ansässigen japanischen Designer Rei Kawakubo
gung der Zusammensetzung traditioneller Modetex
und Yohji Yamamoto erklärten sich zum Ziel, etablierte
tilien zum Ausdruck.307 In der Folgekollektion Cartesia
Design-Modi zu unterlaufen.311 Diesen Erneuerungs-
(1994) setzt Chalayan auf Seide, eine noch feinere
tendenzen gehen tiefgreifende Veränderungen in der
natürliche Textilie, die in ähnlicher Manier mit Eisen
Mode seit den 1970er-Jahren voraus, als die 100-jäh-
spänen vergraben wird, um nach Monaten wieder der
rige Haute-Couture-Ära – eine allein vom Primat der
Erde entnommen zu werden (Abb. 21).
308
Der anfäng-
großen Pariser Modeschöpfer bestimmte Zeit – erst-
lich helle Seidenstoff wandelt sich durch die chemische
mals dem Einfluss der Straße weicht.312 Das aggressive,
Reaktion nicht nur farblich; infolge der ungewöhnlichen,
unfertige und zerfetzte Äußere der Londoner Punks
gar kontradiktorischen Amalgamisierung mit Eisenrost
kündigt das Ende der in der französischen Mode über
wird er unbenutzbar, untragbar gemacht. Mit der
Jahrhunderte verbildlichten Macht des höfischen
„Dysfunktionalisierung“ der klassischsten aller Mode-
18. Jahrhunderts an.313 Die Helden der neuen, demo-
textilien durch Verwesung eröffnen sich Parallelen zu
kratischen „Mode nach der Mode“ – Huren, Arbeiter,
künstlerischen Vorgehensweisen, wie sie etwa die aus
Kinder oder auch Entwurzelte und Heimatlose –
den 1960er-Jahren mit Verrottungen und damit
markieren eine erste Welle der von der Philosophie
Zerstörung und Mutation von Materialien arbeitende
Jacques Derridas der 1960er-Jahre abgeleiteten
Kunst Dieter Roths aufweist.
309
Eine besondere Nähe
Dekonstruktion in der Mode.314 Gemäß Derridas Idee,
zeichnet sich zu Dan Dempsters von natürlichen
Strukturen einer überkommenen Kultur aufzulösen,315
Gewalteinwirkungen und anschließenden Zersetzungs-
lehnten die japanischen Designer in Paris gängige
prozessen geformter Arbeit Vorteil ab (Abb. 22).310
Ideen von Schönheit ab und ersetzten sie durch eine
Schöne, glatte, nahezu perfekte Stahlplatten versenkt
Ästhetik der Armut und Hässlichkeit sowie verscho-
er im Meer, um sie später, versehen mit zarten, bräun-
bene, asymmetrische, scheinbar irrational gesetzte
lich-roten Rostmustern auf der Oberfläche, wieder
Schnitte.316 Mit der zweiten Welle des Dekonstruktivis-
hervorzuholen. Auch Chalayans ursprünglich feine
mus in den Neunzigerjahren, angeführt von den
Seidenstoffe weisen trotz ihrer Zerstörung durch
belgischen Designern Ann Demeulemeester, Dries
schwere Rosttrauben eine gewisse, Dempsters Stahl-
Van Noten und insbesondere Martin Margiela, wurden
platten verwandte Eleganz auf; das Zusammenspiel von
die Prämissen der Japaner um eine heftige Kritik an
Lebende Stoffe. Die dekonstruierte Textilie
49
der Konsumkultur erweitert.317 Margiela setzte den
verbundene allgegenwärtige Verdächtigung ausländi-
natürlichen Prozess von Erschaffung und Zerstörung
scher Mitmenschen in Großbritannien tritt die von der
mit dem Zyklus von Kauf und Verwurf in Verbindung,
künstlerischen und filmischen Avantgarde verehrte
indem er 1997 im Rotterdamer Museum Boijmans
britische Schauspielerin Tilda Swinton auf.326 In der
Van Beuningen eine ungewöhnliche Ausstellung von
Hauptrolle einer Wissenschaftlerin filtert sie aus
mit Schimmel, Bakterien und Mikroben besetzten
Blutspuren, die sie in Kleidungsstücken bzw. Textilien
Kleidungsstücken konzipierte (Abb. 23).
318
Der von
heraus (Abb. 24).327 Ihre spezifischen biologischen und
rasch wechselnden, vergänglichen, den Tod kitzelnden
ethnischen Einschreibungen werden aus den Stoffen
Mode „im Zwiesprach [sic] mit der Verwesung“
319
stellt
generiert und in Tabellen zu Herkunft, Region, Alter,
Margiela eine Umkehrung dieses Prinzips entgegen. Es
Gesichtsform oder Augenfarbe aufgeführt.328 Nach
ist paradoxerweise gerade der alchemistische Prozess
und nach rekonstruiert so eine Serie von Animationen
der Zersetzung, der den Textilien neues Leben
Gesichter, Körperteile und Kleidungsstücke, um
schenkt.320 So stehen zeitlich noch vor Margielas von
schließlich das gesamte Individuum in einem Erschei-
Bakterien violett und rötlich zerfressenen Kleidern die
nungsbild nachzuzeichnen.
unter der Erde stattfindenden Reaktionen in Chalayans
Die Reanimationsfantasien durch Blut als
vergrabenen Materialien für einen fortlaufenden
zirkulierende Stellvertretung des Lebens und die damit
Arbeitsprozess. Der verscharrte, ergo „beerdigte“ und
einhergehende Nachbildung ganzer Identitäten
damit auf den ersten Blick symbolisch „tote“ Stoff wird
anhand genetischer Spuren werfen Parallelen zur
mithilfe von Verrottungsprozessen beseelt und be-
britischen Kunst der 1990er-Jahre auf. Die zwei
lebt.321 Noch unter der Erde transformiert und schließ-
gegensätzlichen Pole Ökonomisierung und Politisie-
lich „exhumiert“, kann die verfremdete Seide als lebens-
rung bestimmen seit ca. 1994 eine Kunst, die sich
bejahende, den Tod überwindende Proklamation
zugleich als Instrument sowie Kritikerin einer im
verstanden werden. Margielas wie Chalayans verrot-
Wandel begriffenen Gesellschaft versteht.329 Der
tete Textilien wenden sich deutlich gegen eine auf
Körper und seine Flüssigkeiten330 des in eine Krise
Kurzlebigkeit ausgerichtete Mode
322
und formulieren
geratenen Menschen im Zeitalter einer Grenzen
mit der Konstruktion von Leben in Stoffen gar die
auflösenden Postmoderne verstehen sich dabei als
Definition von Mode als einer in stetem Wandel
Kernthemen der systematisch mit Brüchen arbeiten-
begriffenen Disziplin323 zu einer Gleichsetzung mit
den Kunst. Die vom Sammler Charles Saatchi geförder-
künstlerischem Ewigkeitsanspruch um.
ten Young British Artists (YBAs) stehen mit ihren
Nach den ersten Experimenten mit Verrottungen
Arbeiten stellvertretend für das Ende des einheitlichen
in Form von Design, Kunst und Naturwissenschaften
britischen Volkes mit den einst von Margaret Thatcher
verbindender Methoden auf der Suche nach der
hochgelobten „sterling qualities“.331 Nicht allein die
Zusammensetzung der „zweiten Haut“324, wagt sich
Wirtschaftskrise, den Tod und den Sex machten sie zu
Chalayan 2005 mit dem für den türkischen Pavillon
ihren Themen, sondern auch den Krieg, Migration,
anlässlich der 51. Biennale in Venedig gedrehten
Heimatlosigkeit und postkoloniale, „verschwimmende“
Kurzfilm Absent Presence
50
von Einwanderinnen nach London findet, DNA-Profile
Benjamin beschriebenen, berühmten Parodie von einer
325
gar in die Bereiche der
Identitäten.332 Die nun „bunte Heterogenität“ einer
Anthropologie und Humangenetik, indem er Blut zum
uneinheitlichen Öffentlichkeit verlangte nach ebenso
Thema seiner Arbeit macht. Als eine Art Anklägerin der
vielfältigen, eklektizistischen und untereinander
Paranoia hinsichtlich des Terrorismus und die damit
gekreuzten Gattungen und Disziplinen,333 wie sie in
Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
ähnlicher Form bereits die klassische Moderne kannte.
individueller Artikulationen in Form von sozial definier-
Allerdings gestaltete sich die Suche nach einer nun
ten Uniformierungen tätigt,340 wird dabei dank des
schwer bestimmbaren Individuation als weitaus
Stoffes Blut um einen tatsächlich genuinen Ausdruck
progressiver und aggressiver334 als im frühen 20. Jahr-
einer Einzelperson umgangen. Die aus Blut bestehen-
hundert. Verwesung, Pornografie, politische Aussagen
den „Textilien“ „leben“ demnach nicht nur – sie sind
und Körperflüssigkeiten fanden ihre Verbildlichung an
Repräsentanten des Menschen selbst. Der Bedarf nach
der Grenze zwischen Kunst, Mode und (Natur-)
einer zweiten Haut erscheint fragwürdig angesichts
Wissenschaften. Im Jahr 1991 lässt Marc Quinn für
Fleisch gewordener Stoffe in Anlehnung an eine
Self rund fünf Liter seines eigenen Blutes in mehreren
biologische, „erste“ Haut.
klinischen Selbstversuchen abnehmen, um es darauf-
Chalayan beharrt allerdings nicht allein auf dem
hin als plastisches Selbstporträt in die Form seines
Blut als Träger persönlicher Einschreibungen. Im Film
Kopfes gießen und einfrieren zu lassen (Abb. 25).335
werden die aus den Spuren gewonnenen DNA-Se-
Die an sich formlose Substanz Blut gerinnt zu einem
quenzen auf Kleidungsstücke übertragen, die schließ-
„[…] leibhaftigen Ebenbild des Künstlers […], als sei der
lich einer bunten Geräuschkulisse Londons ausgesetzt
genetische Code des Blutes ausschlaggebend für die
werden.341 Unter dem Einfluss der damit angedeuteten
individuelle Gestalt und führe folglich zu einer unver-
sozialen Prägungen verändern sich die Kleider zuneh-
wechselbaren Physiognomik.“
mend und mutieren zu neuen Formen.342 Quinns
336
Wie Quinn aus Blut anstelle von Marmor, Ton,
„Baustoff“ Blut reichert Chalayan durch die Kompo-
Gips oder anderen klassischen bildhauerischen Materi-
nente gesellschaftlicher Einflüsse an und konstruiert
alien sein Ebenbild erbaut, benutzt Chalayan das mit
damit eine besonders flexible, anpassungsfähige,
Gedanken um spezifische Identitäten besetzte Blut als
sozialisierte „zweite Haut“. Das dekonstruktivistische
oder anstatt von Textilien: Der ursprüngliche Modestoff
Prinzip der Parodierung des Todes durch allgemein
wird zu Körperzellen dekonstruiert.337 Auf fast para-
Leben erschaffende Textilien kann Chalayan nicht nur
doxe Weise befolgt Chalayan mit dem Fleisch gewor-
um die Frage nach einer im Stoff eingeschriebenen
denen Modestoff die konstruktivistische Proklamation:
biologisch heterogenen, sondern insbesondere um
„Es ist an der Zeit, daß die Kunst zum organischen
eine soziokulturell pluralistische Identität im Umfeld
Bestandteil des Lebens wird.“
338
Was Schiaparelli
postkolonialer, migratorischer, auf Anpassung ange-
1938 – in Berufung auf Dalís surrealistische Kunst –
wiesener Identitäten erweitern. Was sich mit der
nur „oberflächlich“, mit den auf ihrem „Tränen“-Kleid
Reduktion und dem Morphing ethnischer Textilmuster
abgedruckten Mustern herausgerissener, roher
und damit der Neutralisierung äußerlich lesbarer kultu-
Fleischfetzen andeutete,339 nimmt Chalayan wörtlich
reller Zugehörigkeiten in Ambimorphous und in
und überzeichnet es sogar. Leben und Kunst vereinen
verpixelter Version in Panoramic andeutet, wird in
sich nicht nur in ihrer äußerlichen Gestaltung, sondern
Absent Presence durch eine konzeptuell in die „Haut“
gehen bis ins „Mark“ der Textilien, der „zweiten Haut“,
eingewebte Kulturenvielfalt weitergedacht.
ins Organische über. Was mit den verrottenden, in modischem Widerspruch allgemein Leben verheißenden Stoffen vorgelegt wird, weitet Chalayan um die Formierung einer spezifischen Individuation anhand
4.3 Harte Hülle, weicher Kern: Der Baustoff von Kleidern Bereits bei seiner Abschlusskollektion und der
einzigartiger genetisch-anthropologischer „Barcodes“
Experimentierfreude mit verrotteten Stoffen und aus
im Blut aus. Die Gruppenzuweisung, die die Mode trotz
Blut erwachsenen (Kleider-)Identitäten zeigt sich
Harte Hülle, weicher Kern
51
Chalayans bewusster Bruch mit den konventionellen
lebensverlängernde Maßnahme im Stoff eine „Verbrü-
Stoffen. Das Interesse an der parodierten Vergänglich-
derung“ mit dem Tod eingehen und damit dem
keit als einer Ablehnung des modischen Konsums, wie
modischen Zwang des Wechsels von Endlichkeit und
es im Vorfeld sowohl Kawakubo und Issey Miyake in
Erneuerung zugunsten einer gänzlichen Ewigkeit
Paris als auch später belgische Designer definierten,
entkommen.
bleibt durchweg ein Kennzeichen von Chalayans Stoffexperimenten. Mit Kleidern aus Zuckerglas, wie er sie im
haltbare Hüllen tarnenden Zuckerglaskleider im Dienste einer Absage an die modische Sterblichkeit wird mit
Frühling/Sommer 2001 präsentiert,343 gehen die
weiteren für die klassische Mode fremden Materialien
Materialerforschungen weiter (Abb. 26). Die schirmar-
vertieft. Der scheinbar widersinnigen Liaison aus
tigen, starren, unbeweglichen Formen evozieren den
verrotteten, dennoch elegant geschnittenen Seidenklei-
Charakter eines nahezu unzerstörbaren Gegenstandes.
dern entsprechend experimentiert Chalayan in der
Dass es sich allerdings um keinen tatsächlich festen
Kollektion Cartesia mit akkurat zu Anzügen verarbeite-
Stoff handelt, wurde deutlich, als sich die Models im
tem Papier (Abb. 27).345 Das in der Diplomkollektion The
Laufe der Performance mit Hämmern die Röcke und
Tangent Flows noch verwendete übliche, nicht reißfeste
Kleider gegenseitig einschlugen, um damit die Illusion
Papier ersetzt er nun durch Tyvek, einen weitaus
von Härte zugunsten ihrer eigentlichen Fragilität zu
robusteren und belastbareren Werkstoff,346 der einmal
entlarven. Diese zerstörerischen Prozesse in Verbin-
mehr die Grenzen kommerziellen Stoffgebrauches in
dung mit den Kleiderstoffen setzten den Gedanken
der Mode hinterfragt. Werden auf der einen Seite die
einer ewig mit dem Tod hadernden Mode fort. Die
klassischen Stoffe Seide und Baumwolle durch Verrot-
lebensverlängernde Maßnahme, wie sie z.B. auch die
tungen unbrauchbar, mutiert andernorts Papier zu
verrottenden Stoffe durchführen, wird hier ebenfalls
einem anwendbaren, tragbaren und vorgeblich unzer-
im Dialog mit der Vergänglichkeit ausgehandelt. Die
störbaren Stoff. Im Gegensatz zu den – trotz materieller
erste Präsentation der Kleider ist zugleich auch die
Kurzlebigkeit – Dauer suggerierenden Zuckerglasklei-
letzte, denn die nicht für die Dauer geschaffenen
dern verweist die Widerstands- und Strapazierfähigkeit
Zuckerglaskleider zersplittern, bevor sie überhaupt
der Tyvek-Anzüge auf einen Ewigkeitsanspruch ohne
zur Mode werden. Paradoxerweise ermöglicht gerade
selbstzerstörerisches Moment.
der fragile Stoff eine Befreiung von der Vergänglich-
52
Die Idee der sich äußerlich als harte und damit
Noch deutlicher formulieren dies die von
keit, indem er vorzeitig zerstört wird. Sowohl das
Chalayan benutzten Materialien, die scheinbar eine
Verrotten traditioneller Modetextilien als auch die
Wanderschaft aus der Industrie hin zur Bekleidung
fragilen Zuckerglaskleider sind auf besonders ironische
vollzogen haben. Die Show zur Kollektion One Hundred
Weise ein Kommentar zu Charles Baudelaires berühm-
and Eleven (Frühling/Sommer 2007) zeigt u.a. ein mit
ter Gleichung vom „Doppelten“ des Schönen als
Swarowski-Kristallen auf metallisch glänzenden
„[…] einem ewigen, unveränderlichen […] und einem
Plättchen besetztes Kleid (Abb. 28).347 Bekannt
relativen, von den Umständen abhängigen Element
wurden diese verdrahteten Kunststoff- und Metall-
[…].“344 Die stete Veränderlichkeit der Mode wird mit
plättchen, als der Architekt Paco Rabanne unter dem
Chalayans textilen Experimenten durch die von ihm
Einfluss des „Space-Age“ ab 1966 anfing, mit Indust-
selbst eingeleitete, vorzeitige Endlichkeit – noch bevor
riematerialien in der Mode zu experimentierten
die Macht der Mode einsetzt – deaktiviert. Die
(Abb. 29).348 Mit einer Zange anstelle von Nadel und
ursprünglich vergängliche Kleidung kann durch diese
Schere „erbaute“ er seine für jene Zeit sehr innovati-
Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
ven Kleider.349 Mit dieser „futuristisch“ empfundenen
Bewegungsmöglichkeit zu kontrollieren. Die Rolle des
Mode der Jugendkultur sollte die Empörung über den
vergänglichen Teils der Mode wird entgegen Baude
sozialen Zustand und die Ablehnung gesellschaftlicher
laires Philosophie nun dem Menschen selbst zuteil. Der
Konventionen, wie sie die als verstaubt empfundene
schwächere, natürliche Stoff „Fleisch“ ist für die
Haute Couture vertrat, vermittelt werden.
350
Die aus
Verwesung prädestiniert, nicht das bisher als vergäng-
der Entdeckung des Weltalls hervorgegangene, alle
lich erachtete Kleidungsstück. Die einstige Modetex
Bereiche des Alltags erfassende Faszination für
tilie wird durch einen starken, alles überdauernden
Science Fiction, hielt so auch in Form ungewöhnlicher
Kunststoff ersetzt, der nicht einmal mehr den Anspruch
Materialien wie Papier, Plastik und Plexiglas Einzug in
erhebt, der menschlichen Beweglichkeit nachgeben zu
das Schneiderhandwerk.
351
In den erneut mit sozio-
wollen. Wenn sich die weißen, glatten, leicht geboge-
ökonomischen Brüchen und Veränderungen in der
nen und mechanisch betriebenen Klappen an der Seite
Mode hadernden 1990er-Jahren ließen sich in ähnli-
und dem hinteren Teil des „Kleides“ in klarer Referenz
cher Weise die avantgardistischen Designer des
zur Luftfahrttechnik356 zu bewegen beginnen, ändert
anbrechenden Millenniums von Werkstoffen aus der
sich der erste Eindruck: Mit der damit vollzogenen
Welt der Technik inspirieren.
352
Eingeschmolzenes
Öffnung quillt sogleich das Futter des Kunststoffpan-
Filmrollenmaterial, Polyesterfilz, teflonbeschichtete
zers hervor und präsentiert sich als schaumiger,
Textilien, wie Plastikfolie wirkende Stoffe und andere
rosafarbener Tüllpetticoat.357 Als eine Art Unterkleid
kennzeichneten allerdings eine tiefer-
lugt er zeitweise unter den ferngesteuerten Klappen
Kunstfasern
353
gehende Erforschung von Kunststoffen, die auch
des Kleides hervor und offenbart die Widersprüchlich-
Resistenz und Dauer implizierten.
keit der Materialien hinsichtlich Konsistenz und
Chalayans aus Kunststoffplättchen durch Ösen
Herkunft. Die Gegenüberstellung von natürlichem,
verbundenes Kleid erreicht zwar nicht die klassischen
organischem, lebendem, weichem Fleisch und künst
Eigenschaften eines anschmiegsamen und vergängli-
lichem, anorganischem, hartem Kunststoffkleid treibt
chen Stoffes wie etwa Baumwolle, doch stellt es sich in
die Widersinnigkeit zusammengebrachter Gegensätze
seiner aus kleinen Bestandteilen zusammengesetzten
auf die Spitze.358 Dass dieses Werk wie auch zahlreiche
Form als durchaus bewegliches Kleiderkonstrukt dar.
weitere Arbeiten in Zusammenarbeit mit dem Produkt-
Anders in Before Minus Now, seiner Frühling/Som-
und Industriedesigner Paul Swan Topen entwickelt
mer-Kollektion aus dem Jahr 2000, in der er ein
wurden, bekräftigt die offensichtliche Intention, Mode fachlich aufzubrechen. Mit der bizarr erscheinenden
gänzlich aus hartem, unbeweglichem Kunstharz und Glasfasern konstruiertes Kleid präsentiert (Abb. 30).
354
Partnerschaft zwischen dem äußerst plakativ und
Die hierfür eingesetzten Materialien werden bevorzugt
ironisch für die Modeindustrie einstehenden rosa Tüll
in der Flugzeugausstattung oder in der Automobil-
und einem in seiner Zusammensetzung und Mechanik
industrie eingesetzt und sind der Mode weitestgehend
der Architektur und Industrie entnommenen Material
unbekannt. Die Gegenüberstellung von weichem,
wird Mode konterkariert – die Begrenzung auf eine
menschlichem Körper und harter, widerstandsfähiger
einzelne D isziplin bewusst unterwandert.
Kunststoffhülle beschreibt eine materiell widersprüch-
Die Vereinigung von Formen und Stoffen, die an
liche Kontrastierung von Organischem versus Künstli-
sich nicht zueinander gehören, und die Ablehnung des
chem.355 Das starre Panzerkleid scheint durch seine
traditionellen Verständnisses von Schönheit prägten
feste Konsistenz nicht nur das menschliche Fleisch zu
bereits die japanischen und belgischen Dekonstrukti-
verschließen und damit in seiner eingeschränkten
visten.359 Chalayans Spiel mit Dichotomien beruht
Harte Hülle, weicher Kern
53
54
allerdings grundsätzlich auf einer gegenseitigen
der Verzicht auf klare folkloristische Hinweise in der
Partnerschaft der zusammengebrachten Materialien.
Textiloberfläche zugunsten eines Morphings bzw.
Deniz Güner und Şölen Kipoz beschreiben Chalayans
einer Mischung ihres Ausdruckes bis hin zur verpixel-
in den Arbeiten angewendete Ambiguität als moder-
ten Unkenntlichkeit in Chalayans Werken markierten
nistischen Ansatz, eine Synthese von Widersprüchen
die Erschaffung einer „dritten“, von der Zweiheit
im Gegensatz zum Vorgehen der puren Sammlung360
losgelösten Form. Mit den Verrottungen, den Blutex-
ohne gegenseitige Bezugnahmen. Auch die der Mode
perimenten und technischen Stoffen als „zweiter
weitestgehend unbekannten steifen oder groben
Haut“ gehen Naturwissenschaft, Architektur und
Stoffe, die Chalayan in klassische Schnitte überträgt,
Technik mit Kleidung, Kunst und Kulturkonzepten eine
erteilen stets eine Absage an die modische Endlichkeit
Überschreitung von Grenzen des Disziplinären wie
unter der Bedingung eines gemeinsamen Dialoges und
auch des Kulturellen ein. Gemäß des hier aufgestellten
Austausches. Das Resultat dieser Vermengung ist aber
und verfolgten Leitsatzes „form follows culture“
kein Schock, sondern eine in ästhetischer Perfektion
fordern die Umstände eines auf Vielfalt angelegten
ausgedrückte Materialsymbiose, eine neue, von
Lebens entsprechend entgrenzende Materialexperi-
Dualitäten losgelöste Form. Dass Dichotomien im
mente als Zugeständnisse an eine fließende Identität.
Bereich des Gesellschaftlichen unangemessen sind,
Glatt polierte, perfekte Designoberflächen gehen
haben bereits Gilles Deleuze und Félix Guattari anhand
demnach selbstverständlich mit den von Verfall,
einer Baum-Metapher Mitte des 20. Jahrhunderts
Fleisch und Blut gekennzeichneten Stoffen einher. Seit
thematisiert.361 Da die hierarchisch klar aufgeteilten
der von Barthes 1985 formulierten Sprache der Mode
Elemente im von ihnen beschriebenen Baummodell
ist zwar das Prinzip einer Mode, die aus ablesbaren
keine Verschiebungen oder Veränderungen der
Zeichen besteht, jene setzt und transportiert, das
Sichtweisen sowie keine Querverbindungen zwischen
gleiche geblieben;364 im Übergang zum dritten Jahrtau-
den „Ästen“ erlauben, scheint diese Weltwahrneh-
send wird allerdings das Medium Mode komplexer und
mung für ein modernes Leben unangebracht.362
um plurale Erscheinungsformen im Dienste eines
Verästelungen und Kreuzungen in Form eines „Rhi-
Grenzgängertums zwischen verschiedenen, Vielfalt
zoms“ (Wurzelgeflechts) entsprechen dabei eher der
generierenden Zugehörigkeiten erweitert. Chalayans
menschlichen Realität zwischen verschiedenen
transdisziplinäre „Mode“ erscheint damit als eine im
Positionen, wie Deleuze und Guattari sie besonders in
formalen Ausdruck grenzenlose Metapher von post-
der postmodernen Wirklichkeit erkennen.363 Bereits
moderner Sozialtheorie.365
Die Beschaffenheit der „zweiten Haut“
tektonisch verarbeiteten Stoffe bedingen ebenfalls neue Gesamtformen.367 Allerdings geht es bei der Betrachtung einer zuweilen „gebauten“ Kleidung – trotz der Bezugnahme von sowohl Mode als auch Architektur auf den Menschen und die damit verfolgten gleichen Zwecke – weniger darum, ob ein Kleid
5. Gebaute Anthro polo g ien, erzählende Kleiderarchitekturen
tatsächlich auch Gebäude sein kann. Vielmehr interes-
Dass Chalayans Arbeiten immer ausgehend vom
die erweiterte private Zone des Körpers, mithin als
siert die Art und Weise, wie der menschliche Körper die ihn umgebende Realität aufnimmt und diese in seine „nächste“ Ausweitung der „zweiten Haut“ in Form von Kleidern transponiert. Die dritte Haut oder
Menschen in Relation zu seiner Umwelt konzipiert
Architektur bekannt, soll sich in strategischer Verknüp-
werden, wurde jenseits einer rein materiellen Absage
fung als Teil der verschiedenen, den Menschen prägen-
an konventionelle Modestoffe mithin durch ihre
den Milieus in die Kleidung einschreiben.368 Als anthro-
soziokulturell begründete Konzepthaftigkeit belegt.
pologische Artefakte sind beide Disziplinen in der
Wie also eine auf Transkulturalität und steten Identi-
Lage, die wichtigen zeitgenössischen kulturellen und
tätswechsel ausgerichtete Umgebung neue Materia-
wirtschaftlichen Zustände, stilistische Präferenzen und
lien für die Mode hervorbringt, so ist auch deren
neueste Entwicklungen widerzuspiegeln.369 Ob sie sich
Verarbeitung zu einem dreidimensionalen, am Körper
als offene, geschlossene oder zerklüftete Objekte
tragbaren Kleidungsobjekt einer Prüfung ausgesetzt.
präsentieren, grafisch oder tektonisch „aufgebaut“, mit
Für Stoffe, die, abgesehen von ihrer Zweidimensionali-
oder ohne Träger inszeniert werden, hängt demnach
tät, alle klassischen Kennzeichen eines weichen, der
von den komplexen Umweltfaktoren einer Gesellschaft
Haut schmeichelnden Baumwoll-, Leinen- oder
ab. Das Zugeständnis an neue Materialien und damit
Seidenstoffes zugunsten verdorbener, aus Blutinfor-
in weiterer Abfolge an veränderte Formen und
mationen bestehender, selbstzerstörerischer oder
Volumina wirft zwangsläufig die Frage nach der
robuster und technischer Kunststoffe aufgegeben
Funktionalität der neuen Kleider-Objekte auf: Bleiben
haben, sind neue Verarbeitungstechniken vonnöten.
die einst identischen Aufgaben von Kleid und Archi-
Die Herstellung von Kleidung durch Schneiden und
tektur – Schutz, Verhüllung, Ästhetik oder soziokultu-
das Zusammenfügen mithilfe einer Nähmaschine
relle Zugehörigkeit370 – erhalten oder werden sie
bleibt im Rahmen einer generellen Hinterfragung der
aufgegeben? Was bedeutet, ausgehend vom Gedanken
Disziplin Design nicht mehr die alleinige Produktions-
sozialer wie disziplinärer Grenzauflösungen, der
möglichkeit. Insbesondere technologisch-wissen-
Verlust eines bestimmten Zwecks für das Fach Mode
schaftliche Entwicklungen haben in der Textilindustrie
und damit die Schwierigkeit medialer Zuordnungen? In
zu einer Übertragung konstruktivistischer Losungen
welcher Beziehung stehen das Konzept und die
einer von Mathematik, Tektonik und Geometrie
Gestaltung in den Entwürfen?
geformten Kunst
366
zu neu interpretierten Formen
einer dekonstruierten Mode der Postmoderne geführt.
5.1 Das skulpierte Kleid
Diese bereits selbst in ihrer Zusammensetzung und
„Konstruktion ist eine moderne Forderung nach
Erscheinung dekonstruierten, mithin skulpierten und
Organisation und zweckbestimmter Nutzung des
Das skulpierte Kleid
55
Materials.“371 Die Forderung Alexander Rodtschenkos
wie er beispielsweise für Berge kennzeichnend ist,375
aus dem Jahr 1921 sollte Sullivans Idee einer sich von
was jenes „rasierte“, tektonisch wirkende Kleid
der Funktion ableitenden Form auch für die Kunst der
wiederum in die Nähe des Faches Geologie rückt. Dass
Moderne charakterisieren. In der Postmoderne stellt
die Kontur eines klassischen Kleides neu interpretiert
sich diese logische und praktische Forderung in neuem
wird, liegt also an äußeren Umständen, die nach einer
Kontext verändert dar. In einem weiteren Entwurf für
Anpassung verlangen. Die als wenig praktisch oder
Before Minus Now (2000) geht Chalayan über die
logisch zu erachtende Kombination von Tüll, Architek-
widersprüchliche Kontrastierung von Stoffen durch die
tur und Geologie kann daher als Zugeständnis an das
Gegenüberstellung von Tüll und Kunstharz hinaus,
21. Jahrhundert verstanden werden, das keinen Wert
indem er ein gänzlich aus rosafarbenen Seidentüllro-
auf eindeutige disziplinäre und soziokulturelle Zugehö-
setten372 gestaltetes, aber nicht als Kleid identifizierba-
rigkeiten legt. In der für die Kollektion Genometrics (Herbst/
res Objekt präsentiert (Abb. 31). Während der zarte, mädchenhafte Stoff unweigerlich an das klassische
Winter 2005) in Anlehnung an den Film Absent
Bild der Modeindustrie erinnert, negiert die kegelar-
Presence (2005) speziell entwickelten Computer-Soft-
tige Form des Kleiderkörpers jegliche Reminiszenzen
ware376 wird der Prozess der Verformung von Kleidung
an eine menschliche, von Rundungen bestimmte Figur.
durch äußere Umstände virtuell in Etappen nachge-
Anders als die revolutionierenden abstrakt-tektoni-
zeichnet (Abb. 33). Die wie im Film mit der DNA von
schen, aber immer weibliche Formen nachahmenden
Londoner Migranten versehenen, als Animationen
Kreationen des amerikanischen Couturiers Charles
präsentierten Kleidungsstücke reagieren mit scheinbar
James der 1950er-Jahre,
373
reißt Chalayan den konven-
stetiger Bewegung und Rotation auf die Geräuschku-
tionellen Stoff und seine konservative modische
lisse der Großstadt London, die den Modellen vorge-
Technik der Verarbeitung zu Rosetten aus ihrem
spielt wird.377 Bestimmte Teile der zeitweise zerklüfte-
Kontext, indem er sie in eine geometrische, optisch
ten Objekte verformen sich bis zur Unkenntlichkeit, um
strenge skulpturale Form überträgt. Trotz des zarten,
schließlich in einer gänzlich neuen, aus den verschiede-
anschmiegsamen Stoffes wirkt das Objekt abgeschlos-
nen Transformationen zusammengesetzten Erschei-
sen, tektonisch, nahezu starr. Der üblicherweise von
nung zu münden. In ihrem miteinander gemorphten
der Taille in Schnitten ansetzende Tüll mit dem Zweck,
Zustand dienen die Modelle als Basis für das Design
die Hüfte zu betonen, verliert seine zierende Funktion,
der gesamten darauf aufbauenden Kollektion.378 Mit der Restrukturierung von Proportionen in
was gleichsam mit dem Verlust der modischen Sil-
56
houette einhergeht. Auch auf das Nähen kann weitest-
Kleidung379 im Dienste einer Anpassung an neue
gehend verzichtet werden, zumal die Struktur des
Lebensumstände wird, wie in bisheriger Art und Weise,
Kleides keine miteinander verbundenen Schnittele-
der traditionellen Mode widersprochen. Die Wahl,
mente aufweist. Die Arbeitsskizzen zum Entwurf
„miteinander konkurrierende“ Stoffe zu verbinden,
beschreiben Chalayans Vorgehen in einer der Mode
sowie modische Stoffe in ganz und gar „unmodischen“,
weitestgehend unbekannten Technik: der Formierung
tektonischen, geradezu unbekannten Formen darzu-
von Tüll durch Rasur374 anstelle von Schere, Nadel und
stellen, verwundert nicht, angesichts der engen
Faden (Abb. 32). Diese damals neuartige Technik
Bindung von dekonstruktivistischer Mode an die
scheint zunächst der Disziplin Architektur entnommen.
Architektur, von der sie sich schließlich ableitet. Die
Chalayan wollte allerdings mit der graduellen Ent-
grundlegende Idee der seit den 1980er-Jahren mit
nahme von Stoff den Effekt von Erosion suggerieren,
Widersprüchen arbeitenden Architektur des Dekon-
Gebaute Anthrop olog ien, erzählende Kleiderarchitekturen
struktivismus war die Verfolgung einer Zersplitterung
die Haut“387 wirkt dieses ebenfalls mit dem Industrie-
des architektonischen Körpers und eine heterogene
designer Topen erstellte,388 harte Objekt wie ein
Neuordnung seiner Bestandteile.
380
Dazu zählt u.a. die
tektonischer Abguss der menschlichen Figur. Aller-
Methode der Verfremdung oder des „Making strange“,
dings verzichtet das umformulierte, ehemalige
um traditionelle Gebäudeproportionen umzukehren,
„Korsett“ in seiner Präsentation als Installation und
zu verdrehen, zu deformieren, um damit schließlich zu
Skulptur in ähnlicher Weise wie die digitalisierten,
neuen visionären Formen zu gelangen.
381
Beide
selbstbewegten, entleerten Jacken der Genomet-
Disziplinen bedienten sich dabei bis dato fremder
rics-Reihe – anders als ihr weicher Opponent in Before
Techniken und Formen,382 wie sie auch Chalayans
Minus Now – weitestgehend auf einen menschlichen
tektonisches Tüllkleid sowie die zersetzten und neu
Träger, von dem es ursprünglich abgeleitet ist. Erneut
zusammengestellten Jacken von Genometrics aufwei-
stellt sich auch hier eine Verbindung zu dekonstrukti-
sen. Die Ausstellung Intimate Architecture. Contempo-
vistischen Methoden der Verformung von Bauelemen-
rary Clothing Design beschrieb 1982 als erste Präsen
ten zu selbstständigen Gestaltungselementen dar, die
tation ihrer Art diese spezifische Befreiung von
auch außerhalb des Architekturkontextes Bestand
disziplinären Konventionen, indem sie auf die formale
haben.389 Dass die Nachbildung von Körpern in Form
Verbindung zwischen Architektur und Modedesign
von modeentfremdeten Skulpturen keine Neuheit ist,
verwies.
383
Diesem Beispiel folgte 2006 die Ausstel-
beweisen Miyakes bereits in den 1980er-Jahren in
lung Skin + Bones. Parallel Practices between Design and
dekonstruktivistischem Geist hergestellte Bustiers.390
Architecture, die jene Gedanken um die in den letzten
Von industriellen Techniken des „Space-Age“ inspiriert,
Jahren des späten 20. und insbesondere des frühen
bediente er sich modeuntauglicher Materialien wie
21. Jahrhunderts intensivierte gegenseitige Beeinflus-
Silikon oder benutzte Metalldrähte für eine skulpturale
sung der beiden Gattungen erweiterte.
Nachzeichnung des Körpers (Abb. 35).391 Wie später
384
Ausgehend von architektonischen (De-)Kon
Chalayan verzichtete auch Miyake auf die Schneider-
struktionsmethoden und geometrischen Silhouetten
technik und Schnittmuster.392 Obgleich das Bustier in
anstelle klassischer Kleiderverarbeitung und Kleider-
seiner Erscheinung deutlichen Bezug zum Menschen
form erlebt die Idee der menschlichen Hülle als einer
nimmt, ist das Objekt in modischer Hinsicht nicht
der Umwelt ausgesetzten zweiten, verformten Haut in
funktional. Gerade die Befreiung vom Körper und die
Chalayans Entwürfen weitere tektonische Formexperi-
damit verbundene Untragbarkeit werden zu künstleri-
mente. Während der abstrakte Tüllberg in Before Minus
scher Kraft und innovativem Impuls.393 Das Kleid wird
Now (vgl. Abb. 31) trotz seiner Weichheit menschliche
aus seinem ursprünglichen Kontext entnommen und
Formen negiert, verfolgen andere Entwürfe ein
ins Museum verfrachtet, wo es als Skulptur ausgestellt
umgekehrtes Vorgehen: In erneut widersinniger
wird.
Verbindung werden in der Kollektion Along False
Mit der Installation zum Film Anaesthetics von
Equator (Herbst/Winter 1995) die weichen, fleischli-
2004 geht Chalayan einen Schritt weiter, indem er auf
chen Konturen des weiblichen Körpers aus dem harten
eine gegenläufige Weise Gattungssprünge vollzieht.
Material Mahagoni385 nachgebaut (Abb. 34). Die mit
Ein im Film tatsächlich getragenes, aus Stoff gefertig-
Metallbeschlägen zusammengehaltene Holzkonstruk-
tes Kleid wird mehr als offensichtlich der Mode
tion386 erinnert trotz ihrer glatt polierten, eleganten
entrissen, indem sich das einst aus zweidimensionalen
Oberfläche nicht mehr zwangsläufig an Mode, auf die
Elementen gefertigte, in Verbindung mit dem Körper
sie sich aber bezieht. Als Fassade oder „Architektur für
dreidimensional entfaltende Stück als gerahmtes „Bild“
Das skulpierte Kleid
57
an der Wand erneut zur Fläche transformiert (Abb. 36).
eigener, von außen betrachteter Identität(en) wahrge-
Die Wandlung von ursprünglich räumlichen, mit
nommen werden: als „Bild“, das sich andere von einem
architektonischen Volumina ausgestatteten Kleidern
machen oder jeder von sich selbst perzipiert. So
zu zweidimensionalen Gegenständen ist eine Praxis,
unbestimmbar diese spartenübergreifende Form der
der sich auch Designer wie Shinichiro Arakawa in Form
abgelegten, von außen betrachteten „zweiten Haut“
von deformierten und auf surreale Weise auf einen
sein mag, so treffend scheint sie sich – wie auch die
Rahmen aufgespannten Kleidungsstücken bedienen,
Kunst selbst – für die Diskussion grundlegender
um Mode zu dekontextualisieren (Abb. 37).394 Zuvor
Fragen hinsichtlich des Lebens und der aus Vielfalt
waren bereits Joseph Beuys’ Filzanzug der 1970er-
bestehenden Kultur zu eignen.
Jahre bzw. seine „Mode als Skulptur“ ebenfalls nicht
5.2 „Inbetweenness as togetherness“ 400: Die Grenze als tektonisches Stil- und Bindemittel
zum Tragen bestimmt, sondern in erster Linie als des Körpers entledigtes Objekt zu verstehen (Abb. 38).
395
Aber anders als die gängige Wahrnehmung von
Im Jahr 1998 präsentierte Chalayan die Frühling/
Kleidung in der Kunst(-theorie) als Geister vergangener Leben ihrer Träger mit stetiger Referenz auf den Tod
396
Werk vorausgeht. In Form von Fotografien hielt er fest,
mationen sowie die animierten und deformierten
wie nackte Models an einem Strand in Dungeness,
Software-Entwürfe mithilfe architektonischer Maß-
Großbritannien, mit der Aufgabe umgingen, mit einem
nahmen zur Kunst überführt und damit von ihrer
Seil und Pfählen ihr „Territorium“ abzustecken
drohenden (modischen) Vergänglichkeit befreit.
(Abb. 39).401 Auf den Schwarz-Weiß-Fotos wirkte das
Die Gleichsetzung mit Kunstobjekten kann
Seil um die jungen Frauen, ebenso wie die sich am
allerdings nicht nur als Loslösung von der kurzlebigen
Horizont von einem Strommasten zum nächsten
Mode verstanden werden. Womöglich führt gerade die
ziehenden und als Echo der konstruierten Grenzen um
Vernetzung von Mode und Architektur im Kontext des
die Mädchen fungierenden Kabel, wie eine einfache
globalen Verlustes bestimmender Kategorien im
grafische Linie. In ihrer Bestimmung, das Äußere von
Kulturellen wie Künstlerischen zu einem neuen, nicht
innen heraus abzuwehren, wird der widersprüchliche
eindeutig benennbaren ästhetischen Ausdruck, der
Charakter der Grenze – titelimmanent im „Dazwi-
sich gleichzeitig als Projektionsfläche für gesellschafts-
schen“ – als einer Bewegung zwischen mindestens
relevante Themen versteht. Chalayans Idee, dass alle
zwei (örtlichen) Positionen durch eine einfache, zum
Objekte, Strukturen und die Architektur Externalisie-
stilistischen Mittel mutierende Schnur plakativ
rungen des Menschen sind,397 kann um Gedanken zur
illustriert. Das Utensil Schnur bzw. die Linie erinnert
kontextualisierten Kleidung erweitert werden: Jene
demnach an nationale Grenzen, die stets von einer
„[…] ist als ein kulturelles Gesamtbild zu verstehen, in
Gegenüberstellung unterschiedlicher Organisations-
dem die Vorstellung von Körper, Geschlecht und
formen ausgehen. Hierzu drängt sich auch der Ge-
Milieu, Zeit und Raum gespeichert und ausgedrückt
danke eines denkbaren Kampfes auf, der mithin
wird. Sie bildet daher ein zentrales Medium für die
Verluste implizieren kann. Chalayans nicht immer
Selbstbetrachtung und Subjektbildung.“
58
Sommer-Kollektion Between, der ein konzeptuelles
werden Chalayans autonome tektonische Kleider-For-
398
Als „zweite
positive Kindheitserinnerungen durch ein Leben an
Haut“ und Träger sozialer Repräsentationen wie auch
und mit der Grenze zwischen den zwei Entitäten
Egokonstruktionen399 kann ein autonomes Kleidungs-
Zyperns,402 scheinen die Faszination für die Kontrastie-
stück – etwa an der Wand hängend – als Spiegelbild
rung von Materialien, Formen, Verarbeitungsmöglich-
Gebaute Anthrop olog ien, erzählende Kleiderarchitekturen
keiten und Konzepten geprägt zu haben. Als türkisch-
erscheinen, stellen sie sich gleichsam als Hindernis,
sprachigem Zyprioten in London wird ihm an einem
Gefängnis oder gar „goldener Käfig“ dar. Das „Dazwi-
englischen Internat die eigene Andersheit in der sich
schen“ in neuer Umgebung wird zum zumindest
selbst sonst als so multikulturell verstehenden Stadt
vorläufigen Zustand einer Handlungsunfähigkeit. Die
Das Umfeld englischer Schulen
Existenz im Unbestimmten, das sich zwangsläufig mit
vor Augen geführt.
403
beschreibt er nachträglich im Vergleich zu jenem
jeder Migration über Grenzen hinweg auftut, versteht
zypriotischer Schulen als weitaus grausamer und
Vilém Flusser als eine anfangs schmerzhafte Situation:
erinnert sich an einen von Demütigungen geprägten
„Wer die Heimat verläßt (aus Zwang oder aus freier
Alltag.404 In diesem Punkt finden sich Parallelen zu
Wahl, und beides ist schwer zu unterscheiden), leidet.
Said, der den Zustand des „between worlds“ als ewiges
Denn tausend Fäden verbinden ihn mit der Heimat,
Dilemma in der eigenen Identitätsfindung wahr-
und wenn diese durchschnitten sind, ist es, als hätte
nimmt.
405
Wie Chalayan erfährt er auf einer elitären
Kolonialschule keine Dazugehörigkeit.
406
Salman
Rushdie, für sein Plädoyer für eine vermischte Gesellschaft bekannt,
407
sieht ebenso seinen persönlichen
ein chirurgischer Eingriff stattgefunden.“411 Das Reißen dieser (Identitäts-)Fäden kann sich, wie Entwürfe zur Kollektion Manifest Destiny (Frühling/Sommer 2003) zeigen, etwa zu einer permanent offenen Wunde412
Erfolg weniger als „[…] Ergebnis des im Traumengland
wandeln – dargestellt als in ein Kleid eingeschnittene
vorherrschenden, berühmten Sinnes für Toleranz und
Öffnungen (Abb. 41). Die herabhängenden Stränge
Fairplay […]“.408 Vielmehr führt er seinen Lebensverlauf
und Fäden entlarven die verschiedenen Lagen der
auf seine Zugehörigkeit zu einer höheren Gesell-
Kleidung – des Inneren, der Haut, der Identitäten –,
schaftsschicht, die helle Haut und den sehr englischen
die mit der klaffenden Öffnung nach außen quellen.
Akzent zurück.409
Das Bild der an Organe und fleischliche Fasern
Das Überschreiten von Grenzen geht immer mit
erinnernden bunten Kleiderfetzen erschrecken,
einer Bewusstwerdung eigener kultureller Prägung
erinnern sie doch an Tod bringende Kriegswunden im
einher, die sich in einer neuen, unvertrauten Umge-
abdominalen Bereich.413 Nicht unwesentlich ist dabei
bung zunächst als Hindernis darstellen kann. Anstelle
die Bedeutung des symbolischen Titels der Arbeit
von Tattoos, die im 20. und 21. Jahrhundert zuneh-
Manifest Destiny: Ausgehend von der Überzeugung der
mend die Hautoberfläche des westlichen Menschen
Amerikaner, im 19. Jahrhundert einer göttlichen,
und damit sein Wesen durch illustrierte Zugehörigkei-
„offensichtlichen Bestimmung“ in ihrer Expansionspoli-
ten markieren, setzt Chalayan in einem Entwurf für
tik zu folgen, untersuchte Chalayan wie es in Kriegs-
Between die „zweite Haut“ – die Kleidung – als
zeiten zu psychologischen und physiologischen
Bilduntergrund für die Einschreibung identitärer
Veränderungen unter der Auferlegung westlicher
Prägungen ein. In Form von gerade und diagonal sich
Doktrinen kommen kann.414
kreuzenden, übereinandergelegten, Wege und Routen
Die mit Brüchen und Zwiespalt verbundene
formierenden Fäden wird eine „Kartografie der
Grenzerfahrung, wie sie Chalayan im geteilten Zypern
Identität“410 beschrieben (Abb. 40). Die filigranen
seit 1974, in der Kindheit zwischen zwei Ländern
Linien umspannen den Oberkörper der dunkel geklei-
sowie während der Ausbildung auf der Strecke
deten Person, trotz ihrer Feinheit die Arme sanft an
zwischen seiner Heimat und dem kulturell vermischten
den Torso fesselnd, seine Bewegungsfreiheit unterbin-
London erlebt hat, lässt auch an den allgemein in
dend. Obgleich die gold schimmernden Stränge edel,
Bewegung versetzten Grenzgänger der Postmoderne
elegant und wertvoll in ihrer (kulturellen) Aufladung
denken. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Chalayans
„Inbetweenness as togetherness“
59
persönliche Geschichte die spezifische Sensibilität für
hen, ein monumental-skulpturales Kollektionsstück
Grenzumwanderungen in seiner Kunst geprägt haben
(Abb. 42). In programmatischem Widerspruch zur
muss; dennoch sind Mobilität und kultureller Fluss
herkömmlichen Textilverarbeitung werden mithilfe
ebenfalls fester Bestandteil allgegenwärtiger moderner
architektonischer Stilmittel die auf der harten Hülle
Lebenszustände
– jenseits von Krieg und Flucht.
415
Konstruktionslinien, von deren Grenzen aus sich eine
heiten über Zugehörigkeit, Heimat oder Verwurzelung
Bewegung vollzieht. Per Fernsteuerung öffnen sich
erschüttern den postmodernen Menschen und es
Elemente des Kleides am Hals, dem rechten
stellt sich eine immer wieder neue Definition von
„Kleidsaum“ und ein von der mittleren „Naht“ links
Identität für den globalisierten Migranten ein. Dass
abgetrennter, sich vertikal nach unten bewegender
Fragmentierung und Zerstreuung des grenzgängeri-
Ausschnitt. Körperpartien, wie Teile des Bauches um
schen Selbst im Zeitalter des Verwurfes politischer
den Nabel und die linke Hüfte, treten zum Vorschein
Absperrungen und steten Waren- und Menschen
und offenbaren die unter dem perfekt glänzenden,
austausches mithin zu einem fruchtbaren Prozess
weißen Panzer hervorlugende weiche, warme Haut.
mutieren können, verdeutlicht das in der Erneuerung
Was sich in Before Minus Now mit der Vereinbarung
von Identitäten schlummernde Potenzial. Die Frage
von konträr zueinander stehenden Materialien und
„Wer bin ich?“ kann im pluralistischen Umfeld sogar
Formen in angedeutetem Dialog ankündigt (vgl.
als Chance verstanden werden, wenn, wie Flusser
Abb. 30), wird mit der Öffnung zur Lücke zu Ende
treffend konstatiert, der schmerzerfüllte Bruch mit der
gedacht. Die Konstruktionslinie kennzeichnet nicht nur
bisherigen Identität als Schmerz einer Entbindung in
eine Grenze zwischen Kleid und Körper, indem sie die
die Freiheit, seine Zugehörigkeiten beliebig zu kon
widersprüchliche Vereinigung von Gegensätzen
struieren, erkannt wird.
thematisiert. Die grafisch als Gerade gemeinte Grenze
416
Die klaffende Wunde
könnte nämlich auch auf den offenen, aufgeschnitte-
wird vielmehr zum Agens der „Eröffnung“ eines beide
nen Bauch einer Gebärenden verweisen – die Geburt
Seiten verbindenden Raumes. Das „Fenster“ in der
würde zugleich als Leid, aber auch als Möglichkeit
zweiten Hautlage erinnert dabei an spätere architekto-
einer körperlichen und geistigen Lösung gelesen.
nische Prinzipien Toyo Itos, der die Fassaden von
Die Existenz der (in diesem Fall körperlichen) Grenze
Gebäuden mit einer grafisch anmutenden
als permanenter Spannungszustand oppositioneller
Glas-Maskierung versah (Abb. 43).418 Die Öffnungen
Haltungen417 kann demnach zu einem herausfor-
ergaben sich aus den diagonal angelegten Streben,
dernden „Ort“ neuer Möglichkeiten werden. Wie die
deren äußerlich wahrnehmbare Risse in der „Haut“ des
Fäden der uns prägenden Identitäten mit der Über-
Gebäudes einen Einblick ins Innere preisgeben. Anders
schreitung des Vertrauten, im mütterlichen Körper
als Glasfassaden, die mit ihrer Durchsichtigkeit ebenso
etwa, reißen und Wunden erzeugen können, können
das üblicherweise Private offenlegen, verstärken die
jene gleichen „Risse“ ebenso Öffnungen zu neuen,
Risse und unregelmäßigen Formen, die sich durch die
möglicherweise Besseres verheißenden Räumen
Konstruktion ergeben, die Wirkung der an wenigen
implizieren.
Stellen konzentrierten Freilegungen. Der Hintergrund
In einem weiteren Kunststoffkleid mit dem Titel
60
angedeuteten, nicht tatsächlich vorhandenen Nähte zu
Lange aufrecht erhaltene Überzeugungen und Sicher-
dieser heute als „modern“ erachteten Überschreitun-
Echoform (Herbst/Winter 1999) realisiert Chalayan
gen in der Architektur liegt in den 1970er-Jahren, als
erneut unter der Prämisse, Experimente in Material
erstmals Vorschläge für eine urbane Verwertbarkeit
und Schnitt in Abhängigkeit von Konzepten einzuge-
von Abfall und damit eines „Nichts“ aufkamen.419
Gebaute Anthrop olog ien, erzählende Kleiderarchitekturen
Gordon Matta-Clark zählt zu jener Generation an
gängen erstreckt, könnte die Lücke als Symbol der
Schaffenden, die Disziplinen übergreifend Interventio-
Befreiung von Kategorien mit gleichzeitiger Proklama-
nen in Form von Ausschnitten, Rissen und Schlitzen an
tion heterogener Einstellungen verstanden werden.
Gebäuden realisierten.420 Mit den „Splittings“ und
Die Öffnung wird demnach nicht nur als stilistisches
„Cuttings“ durch Fassaden, Decken und Böden
Mittel zum Mittler zwischen Stoffen, Konstruktionen
421
entfernte er allerdings nicht nur Gebäudeteile, um das
und Leitideen, sondern übergreifend auch zum
Innere, die „Eingeweide“ der Architektur, freizulegen
Bindeglied zwischen Gattungen und sozialen Posi
(Abb. 44). Im Dienste einer dekonstruktivistischen
tion(en), die keineswegs der einen oder anderen
Zerstörung als positiv intendierte Strategie, richten
Seite zugetan sind, sondern Vorschläge für Individua
Matta-Clarks Freilegungen vielmehr den Blick auf die
litäten in der Pluralität aufwerfen. So wird Rushdie
Befreiung verschiedener Schichten eines einst ge-
trotz migrationsbedingter Verlusterfahrungen in der
schlossenen, unverrückbaren, Stabilität und Ordnung
Bewusstwerdung des eigenen kulturellen Zwiespalts
suggerierenden Systems.422 In ihrer formalen Hand
schließlich die Eröffnung neuer Möglichkeiten erken-
habung von Öffnungen teilen die die Kleider- und
nen.426 Wo sich Said noch zwischen „perpetual
Identitätslagen entlarvenden ovalen Risse und Lücken,
self-invention“ und „constant restlessness“427 bewegt,
wie sie insbesondere die Skizze für Manifest Destiny
argumentiert Rushdie mit einem fruchtbaren Schaf-
formuliert (Abb. 45), ein ähnliches Bedürfnis nach der
fensprozess in Form eines Identitätenwechsels mit
Offenbarung innerer Körper- und Geisteszustände mit.
inbegriffener Mehrfachperspektive.428
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die
Das Handeln an der Grenze könnte sich dem-
Querschnitte nicht nur einen Einblick in die verschie-
nach in der „Öffnung“ eines „In-betweens“ ausdrücken,
denen Ebenen des ehemals geschlossenen Gebäudes,
das nun nicht mehr als eine die Einheit des Staates
sondern gleichzeitig eine neue Aussicht – aus dem
durch Infektion gefährdende Wunde agiert,429 sondern
mehrlagigen Inneren heraus – gewähren. Die Folge ist
eine Neuinterpretation von Identität und Alterität in
eine erweiterte (Multi-)Perspektive auf die mit dem
ihrer Opposition zueinander vorsieht. Begegnungen,
vielschichtigen Innenraum gepaarte Außenwelt. Wird
Konfrontation und Verschränkungen unterschiedlicher
die Öffnung im „Dazwischen“ gar als Metapher für den
Kulturen gehen einen grenzüberschreitenden Prozess
Vielfalt vereinenden Migranten weitergesponnen,
ein, in dem sich Fremdes und Eigenes nicht mehr
bekäme sie die Qualität eines „[…] Fenster[s], durch die
unvereinbar gegenüberstehen.430 Mit der gleichzei
die Einheimischen die Welt [in ihrer Vielschichtigkeit;
tigen Kontradiktion und Verschmelzung von Diffe-
Verf.] sehen können.“
renzen entsteht mit dem „Utensil“ Grenze ein
423
So scheint auch Chalayans Einsatz von Öffnun-
Zwischenraum, der die Qualität eines gar produktiven,
gen nicht einfach einer Freilegung von Körperstellen
schöpferischen, verschiedene Gattungen und Diszi
als erotisierendem Mittel in modischem Sinne424 zu
plinen übergreifenden Raumes erhalten kann. Aus
dienen. Als Lücken in einer ursprünglichen „Einheit“,
gehend von Flussers „Entbindung“ als einem Sinnbild
wie sie beispielsweise gerahmte Bilder plakativ
für die Geburt chancenträchtiger Identitäten lässt
umschreiben, wird der auf die verschiedenen Identi-
sich nun im Hinblick auf deren Erschaffung durch
tätsschichten verweisende, weit geöffnete Riss zur
neuartige Zusammenschlüsse mit Marshall McLuhans
Auflehnung gegen universalistische Prinzipien.
Worten schließen: „Der Bastard oder die Verbindung
Als „no man’s land“425, das sich als unbestimmbares
zweier Medien ist ein Moment der Wahrheit und
Gebiet einige Kilometer vor und nach den Grenzüber-
Erkenntnis, aus dem neue Form entsteht.“431
„Inbetweenness as togetherness“
61
5.3 Puristisch-minimalistische Umkehrungen konstruierter kultureller Codes
Identität und Erscheinung zu erlangen, scheint mit der
Das konzeptuelle Verständnis von Grenzen, die
truktion angelernter soziokultureller Normen gedacht
strategisch angewendeten Negierung etablierter Daseinsformen in einer erweiterten Form der Dekons-
sich zu Rissen oder Lücken transformieren, um die
zu werden. So steuert der Austausch von vollen und
Vielschichtigkeit der verschiedenen Hautlagen preis
leeren Räumen im Zusammenspiel mit Freilegung und
zugeben, kann sich mit weiter ausgedehnten Zwischen-
Kaschierung bestimmter Körperstellen eine program-
räumen zu Fragen nach einer gänzlichen Umkehrung
matische Richtung an. Ausgehend vom Gedanken an
des Selbst steigern. Wie sich Öffnungen zu größeren
räumliche, kulturelle und nationale Grenzen, die den
Ausstülpungen wandeln können, zeigen Arbeiten der
Menschen in seiner Identität und damit in seinem
britischen YBA-Künstlerin Rachel Whiteread.432
Erscheinungsbild prägen, können Offenlegungen in
In Verwandtschaft zu Chalayans Kunstharzkleid aus
Kleidern die jeweiligen gelebten Codes, Normen,
der Show Echoform (vgl. Abb. 42) nimmt sie in Werken
Traditionen und Sozialisierungen nach außen signali-
wie House von 1993 Abgüsse von Häusern, ohne
sieren. Wie viel Haut und welche Körperstellen
jedoch deren äußere Form bzw. die Fassade wiederzu-
freigelegt werden, ist dabei kulturell festgelegt und im
geben (Abb. 46).433 Vielmehr wird der Innenraum
Wertesystem einer Gesellschaft tief verankert. In der
ausgegossen und in seiner Negativform abgebildet.
434
Kollektion Between präsentiert Chalayan zur Shower-
Räume, die herkömmlicherweise ungreifbar und von
öffnung Models mit Gesichtsmasken und/oder in
außen unsichtbar, nur mit Luft und den Gegenständen
traditionellen sowie neu interpretierten Burkas, deren
Whiteread
Längen sich im Verlauf des Defilees von freilegend bis
des Menschen befüllt sind, treten hervor.
435
entwickelt Lücken, die einen begrenzten Blick in die
den Körper gänzlich kaschierend verändern
Intimsphäre menschlichen Lebens und seine Zugehörig-
(Abb. 47).440 Die auf der Bühne vorgeführte sukzessive
keiten bieten, zu völligen Offenbarungen: Leere und
Entwicklung hin zu den schrittweise mehr verhüllen-
zuvor unsichtbare „Seelenzustände“436 transformieren
den Burkas steht für den Einfluss, den die Sozialisie-
sich zu vollen, ergo sichtbaren, nach außen (um-)
rung auf den Menschen und seine daraus hervorge-
gekehrten Identitäten. Wenn Chalayan dem menschli-
henden Erzeugnisse wie etwa Kleidungsstücke ausübt.
chen Körper mit der harten, mit „Fenstern“ konstruier-
Zunächst betritt er nackt bzw. als kulturell noch
ten Hülle gewissermaßen den Innenraum von Automo-
unbeschriebenes Wesen die Welt; im Laufe des
bilen oder Flugzeugen überstülpt,437 verfolgt er in
Lebens aber werden seine Identität und sein Erschei-
ähnlicher Manier eine tektonische Umkehr von negati-
nungsbild durch soziokulturelle Vorgaben geformt.441 Dass modisches Handeln allerdings nicht allein
ven zu positiven Räumen: das Innere wird zum Äußeren, das Private öffentlich. Ähnlich dem Häutungsprinzip
soziales, sondern auch ästhetisches Handeln bedeu-
oder doppelseitiger Kleidung438 bringt Chalayan die
tet,442 beweist die mit großer Sorgfalt um architektoni-
Innenausstattungen von Fahrzeugen nach außen. Die
sche Prinzipien ersonnene Präsentation der dunkel
Umkehrung der Hülle „Haut“ kann sich damit zu einem
gekleideten Frauen in starkem Kontrast zum hellen
Potenzial entwickeln, nicht nur Oberflächen, sondern
Hintergrund. Die starr nebeneinander aufgestellten
mit dem Entschlüpfen aus alten Gewissheiten
439
auch
ganze Identitäten beliebig zu wechseln. Die mit der Grenze angedeutete Möglichkeit, Differenzen zu verbinden und damit eine neue
62
Models erzeugen mit ihrer Choreografie eine grafische Klarheit, die durch ihre Gewandung zusätzlich verstärkt wird. Die stufenartigen, genau abgemessenen Längenunterschiede unter den aufgereihten Burkas
Gebaute Anthrop olog ien, erzählende Kleiderarchitekturen
betonen das Prinzip der Reihung. Mit den gleichmäßi-
schen Architekten Shigeru Ban, der Innenräume durch
gen und etwas starr wirkenden Abständen zwischen
Vorhänge – anstelle von fest gemauerten Wänden –
den angedeuteten Stufen der immer kürzer werdenden
umhüllte, um damit flexible und nach außen physisch
Schnitte wirken die Frauen nahezu wie geometrische,
„transparente“ Trennelemente zu konstruieren
leblose Objekte. Dies gilt, im Umkehrprinzip, auch für
(Abb. 49).445 Seine Referenz auf die japanische Tradi-
die nächste, in Weiß gehaltene Präsentation. In einem
tion eines mit dem Außenraum verwobenen Innen
Negativ-Positiv-Verhältnis zeigt sich eine Reihe an
raumes446 und der damit gleichzeitigen Ablehnung der
gänzlich weiß gekleideten Personen, die sich schemen-
Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem,
haft im Raum verteilen. Wie Schachfiguren nehmen sie
Heimischem und Fremdem steht in paradoxem
in gleichmäßigem Abstand zueinander ihre Positionen
Gegensatz zur Jahrhunderte währenden Abschottung
ein, starr und monumental an Säulen erinnernd. Nicht
Japans. So zeigen sich zwar bei Chalayan die zwei
nur ihre statuenhaften, unbewegten Körper, sondern
Sakoku-Entwürfe mit „geschlossenen Vorhängen“,
auch das Verhüllen selbst erhält hier eine architektoni-
allerdings spielen auch sie – wie in der Kollektion
sche Komponente: Der Schleier der Frauen scheint
Between – mithilfe flexibler, weicher, beweglicher
den mit Vorhängen abgehängten Hintergrund zu
Textilien stets mit der Option einer potenziellen
imitieren und wirkt dabei selbst raumabgrenzend und
Enthüllung. Der Wechsel oppositioneller Farb- und
zugleich -öffnend.
Formkontraste kündigt dabei die Aussicht auf eine
443
Verhüllung und Enthüllung werden damit, abgesehen von ihrer diskursiven Qualität hinsichtlich
Umkehr gültiger Prägungen an. Aus dem Bedürfnis heraus Kontraste und
des kulturellen Gehaltes der an den Islam geknüpften
Umkehrungen deutlich zu verbildlichen, wählt
Schleier oder der als eher westlich rezipierten Nackt-
Chalayan eine nahezu architektonische Formenspra-
heit in Chalayans Arbeit, zu wichtigen stilistischen
che. In vollkommener Reduktion auf Grundformen und
Arbeitsmitteln. So präsentieren sich auch zwei der
Farben erhalten die geometrischen „Objekte“ eine
prägnanteren Entwürfe der Frühling/Sommer-Kollek-
klare Silhouette und heben sich vom Hintergrund stark
tion Sakoku (2011) in der üblichen klaren, sauberen
ab. Chalayans Vorgehen basiert offenbar auf den
grafischen Sprache mit stilistisch auf wesentliche
Prinzipien einer minimalistischen Mode, deren An-
geometrische Formen reduzierten Schnitten (Abb. 48).
fänge im japanischen Design der späten 1980er-
Die Gesichter der in Schwarz-Weiß-Opposition
Jahre447 zu suchen sind. Die historisch begründete
auftretenden Modelle sind mit einfachen, über den
Abschottung und damit stete Oszillation zwischen den
Köpfen wie Tischdecken herabhängenden Tüchern
entgegengesetzten Phänomenen Tradition und
verhüllt, die die Trägerinnen entpersonalisieren, sie zu
Fortschritt, japanisch und westlich brachte eine in
Bauelementen reduzieren. Dass der Titel Sakoku
schlichten Formen und zurückgenommenen Farben
übersetzt „Landesabschließung“ bedeutet, ist auf die
formulierte Dichotomie hervor, die sich auf die
japanische Außenpolitik der Isolation, die bis zur Mitte
dekonstruktivistische Mode auswirken sollte.448 So
des 19. Jahrhunderts praktiziert wurde, zurückzufüh-
formierte sich neben einem „cleanen“, schicken und
ren444 und lässt erneut mit den vorhanggleichen,
praktischen Purismus als Ausdruck luxuriösen Under-
architektonisch angewendeten Verhüllungen an
statements449 auch der durchlöcherte Lumpen-Look
politische Formen von Abgrenzung denken. Die nach
einer Kawakubo und der später daraus in den Neun
außen abgeschlossenen Häupter der Frauen erinnern
zigerjahren abgeleitete Grunge der belgischen Desig-
an das Curtain Wall House (1993‒1995) des japani-
nerin Demeulemeester.450 Chalayans optisch an der
Puristisch-minimalistische Umkehrungen konstruierter kultureller Codes
63
Grenze zwischen dem Purismus und dem Dekonstruk-
ten können, stellt auch die postmoderne dekonstrukti-
tivismus angesiedelter Minimalismus bildet eine
vistische Mode Bezüge zwischen einer komplexen, von
weitere Form der Ablehnung bürgerlicher Modestan-
Gedanken um Migrationen, Zugehörigkeiten, Verluste
dards.451 Die minimalistische Mode beruft sich im
und Chancen getragenen Wirklichkeit und ihren
Allgemeinen auf die Rückführung der Form auf geome-
Entwürfen her. Das Idealbild eines dem „guten
trische Primärstrukturen und den Verzicht auf über-
Geschmack“ verpflichteten, einem bestimmten Zweck
flüssige Referenzen.
452
Chalayans ohne Zierrat insze-
dienenden, aber inhaltlich leeren Designs zwischen
nierte, gradlinige Vorhang-Objekte weisen zwar eine
den beiden Weltkriegen458 stellt sich angesichts
gewisse Ähnlichkeit zu den klassischen Design-Prämis-
komplexer, im Wandel begriffener gesellschaftlicher
sen eines Adolf Loos auf, der im Namen einer moder-
Durchdringungen als unzureichend dar. Ob die Rede
nen, rein der Funktion verpflichteten Architektur
von einer, mehreren oder keinen Funktionen im
jegliche Form von Dekoration und Ornamentik an
Design ist, rückt im Hinblick auf die Gedanken, die
Gebäudefassaden ablehnte.453 Im Gegensatz allerdings
über entsprechende Formen vermittelt werden sollen,
zum rein formalen, der Bauhaus-Ästhetik geschuldeten
in den Hintergrund.
Interesse am Gegenstand, scheint das postmoderne
Aufgabe des postmodernen Designs, zu provozieren,
den Hintergrund der Objekte zu gründen, wie es die
indem es bewusst mehr Fragen aufwirft, als es
Minimal Art der Sechzigerjahre vorformulierte.454
Antworten bietet.459 Dabei nehmen sowohl der
Diese Kunstrichtung reduziert den Entwurf auf ein
Künstler als auch der Designer im Rahmen postmoder-
„Minimum“, indem sie ihn jeglichen schmückenden
ner Grenzdiskussionen die Rolle eines Kommentators
Beiwerkes entledigt, ihn bevorzugt in ein Wechselspiel
gesellschaftlicher Missstände ein.460 Der Designer also
von Positiv- und Negativformen einbringt und somit
als Kulturproduzent, Gesellschaftskritiker,461 politischer
gezielt auf das Verhältnis des Objektes zum Umraum
Aktivist? Konzeptuelles Design scheint sich seit den
verweist.455 So scheint auch Chalayans minimalisti-
späten 1980er-Jahren als Vehikel gesellschaftlicher
scher Umgang mit schlichten Formen und zurückge-
Krisen zu verstehen.462 Allerdings wird dabei, anders
nommenen Nicht-Farben der Entwicklung von Gedan-
als im traditionellen Verständnis konzeptueller Kunst,
ken im Medium (Mode-)Design den nötigen Raum zu
das Objekt und seine ästhetische Präsentation
bieten.
keineswegs aus dem Fokus der Arbeit entlassen. So
Die Funktion wird dabei zweitrangig. Angesichts
64
Wie Bonnie English richtig bemerkt, ist die
minimalistische Modedesign vielmehr auf Ideen um
kommentiert Chalayan gesellschaftliche Bewegungen
der Zunahme gesellschaftskritisch unterlegten Designs
zwar auf eine gewissermaßen poetisch-stimmungs-
seit den 1980er-Jahren wird die Bedeutung der
volle Art, die einen Bezug zur oft puritanisch und
„Nützlichkeit“ neu interpretiert. Gedanken, Ideen und
nüchtern empfundenen gängigen Konzeptkunst
Sehnsüchte durchdringen zunehmend die Entwürfe
erahnen lässt.463 Andererseits wird der Gegenstand in
und erinnern an das Vorgehen der Konzeptkunst der
Chalayans Arbeit nie durch die Idee ersetzt oder
1970er-Jahre, die in ihrer Ableitung von der Minimal
aufgegeben; das materialisierte, in Form gebrachte
Art den Kontext einer Sache456 zum Grundpfeiler ihrer
Objekt bleibt stets Mittelpunkt der Inszenierung.
Kunst erklärte. Abgesehen von ihrer Tendenz zur
Gerade für ein Fach wie (Mode-)Design, das unweiger-
Entpersonalisierung und der Fokussierung auf rein
lich vom Körper als einer dinglichen, greifbaren Vorlage
gedanklich-assoziative Prozesse,457 die eine Einschrän-
(und meist auch einem Träger) für Entwürfe ausgeht,
kung für den künstlerischen Schaffensprozess bedeu-
scheint die Idee der grundsätzlichen Verbindung
Gebaute Anthrop olog ien, erzählende Kleiderarchitekturen
zwischen „Atmosphäre“ und Dingen, Menschen und
im puristisch-tektonischen Design für Between und
ihren Konstellationen, wie sie etwa Gernot Böhme
Sakoku weitergesponnen: Abstraktion statt Ornament,
konstatiert, auf besondere Weise zutreffend.464
Weite statt Kleinteiligkeit, minimalistische Formen für
Mit der überdeutlichen Symmetrie der vollkom-
pluralistische Gedanken. Die architektonische Prä-
und anorga-
misse des anbrechenden 21. Jahrhunderts „more is
menen, weißen, antiseptisch, abstrakt
465
nisch im Raum stehenden Figuren in Between wird an
more“469 kann in Absage an den Klassiker „less is more“
die Paradoxie einer der Natur widersinnigen perfekten
gewissermaßen auch für das (Mode-)Design geltend
Geometrie angespielt (vgl. Abb. 47, Bild unten). Die
gemacht werden: formal zwar oftmals klarer und
„ideale Anordnung“ von Formen,466 über jene mathe-
reduzierter als die postmoderne Architektur, dafür
matisch-genaue ästhetische Formulierung auf der
aber im Wesen und den angewendeten Disziplinen
Bühne artikuliert, verweist nach allen bisher gezeigten
besonders vielfältig.
Arbeiten erneut auf die Absurdität der Dichotomie
Im Zusammenhang eines von allgemeinen Zuord-
und damit des Zufalls, auf einer der beiden Seiten
nungen befreiten Denkens, wie es sich in Chalayans
hinter der Absperrung – der Grenze, des Vorhangs
Experimenten in Mode, Design, Architektur, Kunst und
oder Schleiers – geboren worden zu sein. Die als
verschiedenen Natur- und Geisteswissenschaften
selbstverständlich verstandenen Codes und Regeln
zeigt, muss die Frage danach, ob Design mit einem
wandeln sich zu ihrem Gegenteil um: Die dualistischen
eventuellen Verlust von Nützlichkeit oder Tragbarkeit
östlichen und westlichen Körper-, Geschlechts- und
zur Kunst wird, nicht mehr als grundlegend wichtig
Kleiderstandards werden auf plakativ-ironische Weise
erachtet werden. Dass Einordnungen eine eher
konterkariert. Die paradigmatische Inszenierung der
relative Gültigkeit besitzen und stets fließend sind,
Doppeldeutigkeit weitet den Gedanken des Morphings
zeigt u.a. das japanische Verständnis vom Fach Mode.
oder der Grenze als Bindemittel widerstreitender
Anders als in Europa, wo Kunst die Mode ideell
Materialien und Formen zur Methode der Umkehrung
überragt, nimmt die Mode in Japan die Rolle des
und damit zur Relativierung von Kategorien aus. Wie
eigentlichen gesellschaftlichen Botschafters ein und
Chalayan die Schlichtheit der japanischen Schnitte und
stellt sich damit über die Kunst.470 Die stete Wechsel-
Farben auf die Opulenz traditioneller orientalischer
haftigkeit und potenzielle Umkehr ins Gegenteil
Stoffe und Kleider überträgt, wird eine Loslösung von
kennzeichnet Einteilungen in künstlerischem oder
eindeutig benennbaren Zugehörigkeiten unabwend-
sozialem Kontext, in Abhängigkeit von ihrem soziohis-
bar. Miyake brachte diesen Sachverhalt bereits 1978
torischen Umfeld. Im Rahmen zunehmender gesell-
mit seiner in diversen Kollektionen und in einem Buch
schaftlicher Komplexität steigert sich die traditionelle
enthaltenen Philosophie East meets West zum Aus-
Spannung zwischen Kunst und Kommerz und anderen
druck.
467
Die eigenen verschiedenen Zugehörigkeiten
Dualitäten, der die Mode traditionell unterliegt,471 zu
verstand er als Vorteile, Neues zu kreieren, das „[…]
einer Umgehung von Kategorien. So kann auch die
neither Western nor Japanese but beyond nationality
Demokratisierung der Mode im Übergang zum
[…]“ sei.
468
Dass Vielfalt keineswegs äußerlich fassbar
20. Jahrhundert und später in den disziplinüberschrei-
sein muss, wird ausgehend von der graduellen Reduk-
tenden Sechzigerjahren472 parallel zum demokrati-
tion ethnischer Muster zu abstrahierten kulturellen
schen Gedanken eines „agonalen Pluralismus“ einer
Zuordnungen in den bereits thematisierten Arbeiten
auf Pluralität und Dissens gründenden Gesellschaft473
Ambimorphous (2002), Nothing, Interscope (1996) und
gedacht werden. Die postmoderne Kultur scheint nur
Panoramic (1998) (vgl. Abb. 18, Abb. 19, Abb. 20) auch
deshalb von Grenzen auszugehen, um jene zu übertre-
Puristisch-minimalistische Umkehrungen konstruierter kultureller Codes
65
ten, eine „[…] paradigmatische Operation der ständi-
bare, unklassifizierbare „Neue“ zum Medium Vielfalt
gen Umwertung der Werte […]“ und damit letztlich
generierender Konzepte und der am menschlichen
eine Umdeutung von Einteilungen anzusteuern: „Denn
Körper und seiner Ästhetisierung im sozialen Kontext
die Grenzüberschreitung produziert das Neue als den
interessierte Designer, jenseits seiner Rolle eines
einzig stabilen Wert […].“
474
In puristisch-minimalisti-
scher Designsprache formuliert wird das unbestimm-
66
Kommentators gesellschaftlicher Vorgänge, zum Mediator zwischen Welten, Kulturen und Disziplinen.
Gebaute Anthrop olog ien, erzählende Kleiderarchitekturen
durch materielle Abgrenzungen manifestiert.477 So organisiert der mobile Charakter der Kleidungsform den Raum in einer ganz anderen Weise als die unbeweglich-monumentale Architektur.478 Damit war und
6. Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien In Anlehnung an architektonische Prinzipien der
ist Raum schon immer – im Zusammenhang mit dem Menschen – ein gedachter, gemachter, zugerichteter, angeeigneter oder unter Nutzen- und Nutzungs aspekten dienender Sozialraum; also „[…] eine in und durch menschliche Aktivitäten strukturierte Lage relation von Elementen […]“.479 Verändert sich allerdings die Lage der „Elemente“ stetig, wie sie die transnationalen Lebenswelten von Arbeitsmigranten,
Organisation von Raum leitete das Kapitel 5 das
Organisationen oder die mediale Vernetzung der
Verständnis von Kleidung als raumbildendem Objekt
globalisierten Welt kennzeichnen, wird der Raum als
ein, indem ihre eigene Räumlichkeit – sozusagen die
geografisch-nationale Einheit durch die sozialräumli-
„Mode als Raum“ – betrachtet wurde. Wird das Augen-
che Aktivität der Menschen (zunehmend) ausgewei-
merk etwas genauer auf das Verhältnis von Kleidung
tet.480 Auch die durch Kriege oder andere politische
als untrennbarem Bestandteil des Menschen zu seiner
Auseinandersetzungen erzwungene Migration von
Umgebung und den Austausch mit ihr gelegt, eröffnet
Menschen trug zur veränderten Wahrnehmung von
sich ein weiterer, nicht minder wichtiger Aspekt der
einst vermeintlich dichotom zueinander stehenden
Räumlichkeit von Mode. Mode ist, wie alles menschli-
Räumen wie Heimat oder Fremde bei. Unabhängig
che Handeln, zugleich soziales Handeln, das sich selbst
vom Charakter einer Wanderschaft als erzwungene
als material-räumliches, aber auch sozial raumaneig-
oder freiwillige Mobilität wird eine fixierte Verortung
nendes und raumschaffendes Agieren manifestiert.475
in Verbindung mit der Suche nach den eigenen
Neben der hier bereits genannten „Mode als Raum“
(identitären) Zugehörigkeiten zu einem besonders
erkennt Lehnert in ihrer Abhandlung über die Räume
schwierigen, zugleich für jeden Einzelnen immer
der Mode (2012) unter dem Aspekt der Handlungs-
offenen Vorhaben.481
räume der Mode die sogenannte „raumaneignende
Angesichts der Auflösung geografisch-räum-
Körpertechnik“, der sich die folgende Betrachtung
licher Bindungen und der Vielzahl an Orts- und
anschließen möchte.476
Raumwahrnehmungen bleibt zu fragen, inwiefern mit
Wenn die Rede von Räumen ist, stellt sich
der Sprengung des fest verankerten Zuhauses auch die
zunächst die Frage nach deren Materialität; immerhin
Bedeutung von Räumen im Allgemeinen schwindet.
versteht sich „Raum“ im physikalischen Sinne grund-
Klar ist, dass sich trotz der „Entschachtelung“ und des
sätzlich als Behältnis von Dingen, so wie es einige
Auseinanderfallens von Sozial- und Flächenräumen,
Entwürfe der tektonisch „gebauten“, physisch raumbil-
welche im Konzept des Nationalstaates und der
denden Kleider Chalayans aufweisen. Allerdings
Nationalgesellschaft noch unantastbar erschienen,482
existiert und tauscht sich Mode als räumliches Gebilde
Räume immer wieder neu konstituieren. Ihre Existenz
auch selbst in einem Raum aus, der sich modernen
bleibt – unabhängig von der Raumdefinition – für das
soziologischen und kulturwissenschaftlichen Konzep-
Bedürfnis der Menschen nach der Organisation von
ten zufolge eher durch Dinge und Bewegungen als
Räumen als Bezugspunkten für individuelle oder
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
67
kollektive Identitäten483 weiterhin konstant. In diesem
19. Jahrhunderts verbinden, war nicht immer ein
Sinne konstatierte bereits Clifford Geertz, dass
selbstverständliches. Unsere gesamte Denk- und
„niemand im Allgemeinen“ lebe.484 Ein Ortsbewusst-
Anschauungsweise ist vom Begriff der Bewegung
sein, ein Orientierungssinn, die Produktion von Orten,
geprägt, wie er insbesondere seit dem Mittelalter
also die „senses of place“ gehören grundlegend zur
bekannt ist.487 So galt in diesem politisch chaotischen,
conditio humana.
485
Was sich im Zuge der globalen
von Kriegen gezeichneten Zeitalter ein sesshaftes
Migrationen geändert hat, ist das Konzept von Raum
Wohnen als geradezu unmöglich. Mit dem Bau von
(und Zeit), aber auch das Verständnis vom Menschen
Befestigungen und der immensen Investition in
selbst.486 Eine neue Umgebung verlangt nach Anpas-
Waffen kamen zu den allgemeinen politischen Instabi-
sung und Transformation, weshalb sich in diesen
litäten ökonomische Unsicherheiten hinzu. Dies führte
„neuen“ Raumverhältnissen als logische Konsequenz
dazu, dass gerade Kaufleute und Feudalherren ihre
auch die Suche nach einem „neuen“ Menschen
Habe so weit als möglich mit sich nahmen, wussten sie
anbietet, der sich selbst mitsamt seinen ihn umgeben-
doch nicht, ob sie jemals wieder zurückkehren würden.
den Artefakten auf die neue Situation abstimmt. Dabei
Daraus erklärt sich auch das aus dem französischen
entscheidet der bewegte Mensch, Migrant oder
Wort meuble und dem Sammelbegriff mobilier für
Wanderer in Abhängigkeit von den Möglichkeiten, die
„bewegliche Güter“ herrührende Verständnis für
ihm in einer neuen Umgebung geboten werden, ob er
„Möbel“ als mobile Haushaltsgegenstände. Im Gegen-
seine Exilerfahrungen, jenseits von Verlusten, auch als
satz zu den nichtbeweglichen Gütern, den immeubles
Chance oder kreativen Impuls begreift. So gesehen
oder „Immobilien“, also Häusern, Gebäuden und
könnten künstlerische Formulierungen zum Thema
Ländereien, begleiteten sie ihre Eigentümer auch auf
migratorischer Lebenswelten als Plädoyers für eine
Reisen. Die (neben Kleidung) am engsten mit dem
Befreiung von örtlichen Fixierungen verstanden
Dasein des Menschen verknüpften Gerätschaften
werden. Ob dabei der Rückgriff auf Kleider im Medium
standen demnach für ein transportables, übertrag
Mode für die Umschreibung eines komplexen Alltags
bares Zuhause.
mit permanenter Überschreitung nationaler und
Mit dem Einsatz von Möbeln markiert Chalayans
sozialer Zugehörigkeiten ausreicht und wie der „Ort“
als installative Performance konzipierte Show After-
jener konstanten Bewegung zwischen den Polen
words (Herbst/Winter 2000) den Höhepunkt einer auf
Design und Kunst, auch im Hinblick auf eine poten-
das Industriedesign formal rekurrierenden Phase
zielle Umdeutung von Funktion(en), umgesetzt werden
seines Schaffens (Abb. 50).488 Dass die Möbel in dieser
kann, soll anhand einiger formal und konzeptuell
Arbeit mehr sind als nur schön gestaltete Gegenstände
formulierter Vorschläge Chalayans für eine territoriale
und den Gedanken einer translozierbaren Heimat
und kulturelle Allgegenwärtigkeit näher beleuchtet
thematisieren, wird bereits aus der Art ihrer Präsenta-
werden.
tion deutlich. Auf einer minimalistischen, weiß leuchtenden Bühne zeigt sich eine Fünfzigerjahre-Möbel-
68
6.1 Nomadische Möbelkleider für mobile Identitäten
gruppe, bestehend aus Stühlen und einem runden
Mobilität stellt eine vom Menschen untrenn-
Wandnische stehender bulgarischer Frauenchor490, der
Kaffeetisch.489 Ein hinter einer halb durchsichtigen
bare, historisch tief verwurzelte Lebensform dar.
gleichzeitig auf einem Fernsehmonitor übertragen
Das Konzept von einem festen Zuhause, wie wir es
wird, begleitet mit seinen dissonanten und zugleich
insbesondere mit den romantischen Vorstellungen des
faszinierenden Klängen die in einen wohnzimmerarti-
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
gen Bühnenraum eintretenden Models. Die Frauen
sich durch ein im Inneren befestigtes Gummiband
entfernen die textilen Stuhlbezüge und stülpen sie sich
blitzartig von der Fläche zu einem dreidimensionalen
über. Die bisher graufarbige „Möbelbekleidung“
Körper ausfahren lässt (Abb. 51).493 Wird der Stuhl
transformiert sich zu raffinierten, vielschichtigen und
nicht gebraucht, kann er wieder in seine leichte, flache
farbenfrohen Kleidern, so wie sich zuletzt die Stühle
Form zurückversetzt und mitgetragen werden.
selbst in zusammenklappbare Koffer verwandeln. Auch
Chalayan geht einen Schritt weiter und denkt die
der runde Kaffeetisch mutiert zu einem abstrakten
zusammengelegten Gegenstände zu weiteren „Nutz-
Reifrock aus gestuften Holzschichten, den das letzte
objekten“ um, indem die textilen Bezüge zu tragbaren
Model an seiner Hüfte befestigt. Das Ende des
Kleidern und die Stühle zu Koffern mutieren. Die
Chorgesanges kennzeichnet das Showende: Die
ebenfalls funktionalen, befüllbaren Koffer sind dabei
Models verlassen samt den Koffern und den „Möbel-
weitaus mehr als nur praktische Gegenstände. Als
kleidern“ nacheinander den stillen, leeren und geister-
plakatives Sinnbild für Reisen können sie in spezifi-
haft wirkenden Raum.
scher Form auch auf Flucht und Heimatlosigkeit
Chalayans Inszenierung transportabler Haus-
verweisen. Anders als in zahlreichen Designvorschlä-
haltsgegenstände erinnert an die ursprünglichste aller
gen wird der Koffer in Afterwords neben der mit ihm
Aufgaben von Möbeln: Neben ihrer Funktion als zum
generell angedeuteten menschlichen Mobilität, wie wir
Verweilen einladende Haushaltselemente stehen sie
sie in der Postmoderne erneut erleben, mit Gedanken
für die – scheinbar widersprüchliche – Notwendigkeit
um die Bedürfnisse von Flüchtlingen und Vertriebenen
ihrer gleichermaßen möglichen Mobilität in krisenhaf-
in Kriegszeiten befüllt; in ihrer belastenden Notlage
ten Zeiten. Ihre Zerlegbarkeit betont dabei das
sehen sich jene stets gezwungen, im Exil neben ihrem
„nomadische Wesen“ der auf den ersten flexiblen
eigenen Leben auch einen Teil des Hausstandes zu
Hausstand im Mittelalter zurückgehenden, wandern-
retten.494 Chalayan selbst verweist im Zusammenhang
den Möbel.
mit der Präsentation auf die zeitgleich in den Medien
491
In welchem Zusammenhang ist aber „Krise“ in
kursierenden Berichte und Bilder des Kosovokrieges495
Chalayans mit formvollendeten Kleidern und wunder-
und zieht damit eine deutliche Parallele zu den stets
samen Wandlungen arbeitender Präsentation zu
neuen Krisenherden der Welt. Wird zudem der Titel
denken? Das Zusammenfalten, Zerlegen, Demontieren
der Kollektion Afterwords als das gelesen, was „nach
ist selbstverständlich nicht allein ein der Vergangen-
den Worten“ und damit nach meist erfolglos gebliebe-
heit entlehnter Mechanismus, um Möbel flexibler zu
nen politischen Verhandlungen folgt – Flucht, Vertrei-
gestalten. Auch in der heutigen, von rasanten Entwick-
bung und Exil – wird der Verweis auf Verlustsituatio-
lungen, wirtschaftlichen Krisen und steten Unsicher-
nen verstärkt.496 Nicht unwesentlich mögen auch
heiten geprägten Zeit steht die Flexibilität des Indivi-
Chalayans eigene Kriegs- und Migrationserfahrungen
duums und seiner Ausstattung im Fokus der
für das Konzept hinter der Präsentation gewesen sein.
Industriedesigner, die die Notwendigkeit für effiziente
Wie bereits geschildert, waren die türkisch-griechi-
„flat-pack“-Möbel
492
immer wieder von Neuem erkannt
schen Auseinandersetzungen in den 1970er-Jahren
und umgesetzt haben. Ähnlich handhabt es beispiels-
schließlich der Auslöser für Chalayans frühes Exil aus
weise das Designerduo Nina Farsen und Isabel
dem politisch tief erschütterten Zypern, um noch als
Schöllhammer, wenn es transformierbare Möbel
12-jähriger Junge zu seinem Vater nach Großbritan-
erschafft. Die Designerinnen entwickelten unter dem
nien zu ziehen.497 Nichtsdestotrotz steht die sehr
Titel Meister Eder (2007) einen 16-seitigen Hocker, der
offene Formulierung von Flucht – ohne den Verweis
Nomadische Möbelkleider für mobile Identitäten
69
auf eine einzelne, spezifische Situation – für eine von
Rock- oder Stuhlformen eingefasst. Allerdings führt die
konkreten Nationen unabhängige, aber stets mit
paradoxe Verschmelzung von Schmerz und einem
Unsicherheiten im Allgemeinen verbundene Exilsitua-
eleganten, perfekt „geglätteten“ Äußeren weniger zu
tion.498
einer reinen Verdeckung von Verlusterfahrungen. Das
Die Schönheit und perfektionierte Ästhetik der
physische Auseinandersetzung mit dem Thema
Gezeigten als Referenz auf Ausweglosigkeit oder
Migration einzugehen, indem die von Brüchen gekenn-
Zerstörung. Abgesehen von der etwas klinisch wirken-
zeichneten inneren Zustände in umwandeltem
den Leere und dem bedrückenden, unheimlich klingen-
Zustand körperlich erfahrbar werden. Dass sich die
den Gesang der Frauen bleibt die Bühne von Destruk
repräsentative Form des Designs nicht nur durch seine
tionsanspielungen weitestgehend befreit. Ausgehend
insbesondere für die Mobilität nützliche Flexibilität
vom Gedanken einer gewinnbringenden Erfahrung oder
auszeichnet, sondern darüber hinaus durch Schönheit
eines gar schöpferischen Impulses durch die Neuaus-
besticht, spricht deutlich gegen eine allein als Verlust
richtung von Biografien im Exil, scheinen Inszenierun-
gewertete Exilerfahrung. Anders als eine Wiedergabe
gen dieser Art die Fähigkeit zu besitzen, Schrecken in
von Fluchtrealität in Form makabrer, blutgetränkter
Schönheit oder Fluchtszenen in etwas Sinnliches zu
Bilder erlaubt die Transformation eines konzeptuell in
verwandeln.
499
Doch bleibt eine gewisse Irritation
makellose und durchaus reizvolle Migrationsszenen
angesichts der nahezu makellosen, aber von Tod und
überführten Krieges neben einer Anerkennung von
Verlust berichtenden Szenerie nicht aus. Der Chor –
Zerstörung ebenso eine Aussicht auf die Möglichkeit
tragendes Element der antiken griechischen Tragödie –
zur Regenerierung.
markiert sowohl in seiner Präsenz als auch dem als
In diesem Sinne ist auch Chalayans Koffer zu
Klagelied zu interpretierenden Gesang die Bühne als
verstehen, der entgegen der veralteten Vorstellung
Ort eines sich vollziehenden Trauerspiels oder Unheils.
von Kultur als einem abgeschlossenen Container504 als
Es stellt sich daher die Frage, ob eine in Form schöner
vor allem translozierbare, sich durch beständige
Kleider und Gegenstände geschmackvoll ästhetisie-
Mobilität neu kreierende oder gar Chancen verspre-
rende Herangehensweise an das Thema der Vertreibung
chende Heimat aufgefasst werden kann. Das möblierte
nicht auch Abgründe negiert, die sich in den Biografien
Wohnzimmer als Sinnbild für Familie wird im Koffer
der Betroffenen zwangsläufig auftun.500 So bemerkt
nicht nur mitgetragen, was den gänzlichen Verlust der
Said, dass der Verlust von Heimat im Exil nie zum
Heimat bereits verhindert; durch den Aufbau von
Zustand der Zufriedenheit führen kann.
501
Doch ist bei
Möbeln an einem oder mehreren neuen Orten kann
dergleichen sauberen und abstrakt gestalteten Verlus-
das Zuhause in einer mit den Realität(en) neuer
terzählungen grundsätzlich von einem Ausschluss
Umgebung(en) fusionierten Form wieder aufleben.505
negativer Erfahrungen auszugehen?
Jenes Potenzial flexibler, wandelbarer Möbel für
502
Chalayans Herangehensweise an Schrecken ist ein indirekter, indem jener nicht formal zitiert wird,
70
greifbare Kleid wird vielmehr zur Möglichkeit, eine
Inszenierung erschwert allerdings das Verständnis des
unsichere Zeiten bleibt nicht allein programmatisches Merkmal der Kollektion Afterwords. Erneut in perfekter
sondern als Gedanke die Oberfläche des vermeintlich
Oberflächengestaltung als typisch modischem Vorge-
unseriösen, „schönen“ Faches Mode unterwandert.
hen thematisiert auch die Kollektion Repose (Herbst/
503
Die allen Werken innewohnende Idee der Kontrastie-
Winter 2006) die Flexibilität mobiler Daseinszustände.
rung von scheinbar Unvereinbarem findet sich auch
Während hier die klassisch braunen Samt-Polsterstoff-
hier wieder: Flucht und Angst sind in ansehnliche
bezüge mit Teilen der Sitzpolstergarnitur wie der
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
Nackenlehne in Jacken und Kleiderträger wandern
der Wahrnehmung von Migranten als Verlierern
(Abb. 52), wird in Echoform (1999) die Innenausstat-
äußerer Umstände, wie sie etwa Said prominent
tung von Automobilen und anderen Transportmitteln
verstanden hat, tritt die Kritik an fixierten Kategorien
an den menschlichen Körper angebracht,506 indem sich
entgegen:512 „[…] Das Festhalten […] kann sich sogar
Kopfstützen und Nackenkissen zu Krägen wandeln
definitiv als schädlich erweisen, wenn sich neue
(Abb. 53). Im Unterschied zu Afterwords muss sich der
Möglichkeiten an anderen Orten auftun.“513
Flüchtling allerdings nicht erst ankleiden, seinen
Wenn Gestaltung als Versuch verstanden wird,
Stuhl-Koffer packen, ihn – gar als Last – auf Wander-
eine neue Lebenswirklichkeit jenseits von Kulturpessi-
schaft mit sich führen. Die Artefakte bilden jetzt eine
mismus und Resignation zu erschaffen,514 kann die
Einheit mit dem organischen Körper, fungieren, wie
dem Menschen durch Designobjekte zuteil gewordene
McLuhan es formulieren würde, als seine „Verlänge-
Flexibilität, die Heimat an neue Orte zu transferieren,
rungen“
, als fester Bestandteil seiner Identität. In der
507
als gleichzeitiger Vorschlag für eine ebenfalls bewegte
Kollektion Geotropics (Frühling/Sommer 1999) wird die
und damit weitestgehend selbstbestimmte Identität
jederzeit mögliche, praktisch formulierte Abreise auf
gewertet werden: „Jedes Individuum ist ein dynami-
den Punkt gebracht. Die angedeutete Immobilität
sches Wesen, das bewusst oder unbewusst immer
durch das den Körper umgreifende, an orthopädische
neue kulturelle Zugehörigkeiten annimmt, indem es
Hilfsmittel erinnernde Gerüst, weicht bei genauerem
[…] an immer neuen Kollektiven teilnimmt.“515 Das
Hinsehen dem Eindruck eines weitaus flexibleren
gleiche Verständnis für die Vermeidung fixierter
Gegenstandes, als sich eine Kopfstütze, eine herunter-
örtlicher und identitärer Zuordnungen kann auch in
geklappte Sitzfläche sowie zwei Armlehnen zu erken-
Zusammenhang mit einer Umwanderung von Gattun-
nen geben (Abb. 54).508 Die ungewöhnliche Stuhlkons-
gen und Disziplinen gedacht werden, wie sie etwa
truktion lässt zwar noch ihre ehemalige Sitzfunktion
Robert Fillious berühmtes Projekt La Valise. Research in
erahnen und verweist damit auf das Verweilen an
Dynamics and Comparative Statics (1972‒1973)516
einem Ort. Doch spricht die dem menschlichen Körper,
beschreibt. In seinem nicht zum Tragen bestimmten
ergo dem aufrechten Gang, entlehnte Form grundsätz-
Koffer mit Drahtbügel statt Henkel sah er die Idee der
lich für Mobilität. Der mit Sesshaftigkeit assoziierte
Auflösung der Grenze zwischen Kunst und Leben
Stuhl bricht nicht nur mit der Vorstellung eines
realisiert (Abb. 55).517 Als „,geistiges‘ Mittel einer
verankerten Zuhauses, wie sie territoriale Konzepte
permanenten Bereitschaft zum Aufbruch“ steht der
von Nation und Kultur509 proklamieren. Anstatt einer
Koffer für die Nichtsesshaftigkeit von Ideen, die u.a.
Dämonisierung der Mobilität als „Dysfunktion“, wie sie
auch eine Ablehnung von einseitigem Spezialistentum
konservativ orientierte Studien der Geografie und
und damit eine Erweiterung des Kunstbegriffes
Kulturwissenschaften geprägt haben,
510
tritt eine
symbolisiert.518 Was also bei Chalayan zunächst ein
Eigendefinition von Verortung hervor. Der aufklapp-
translozierbarer, physisch einsetzbarer Koffer vermit-
bare, mit dem Körper verwachsene Stuhl erlaubt eine
telt, wenn von transterritorialen, -nationalen und
Relativierung des Begriffes „Zuhause“, indem ein
-kulturellen Identitäten die Rede ist, stellt sich in
„Stück“ der einstigen Heimat immer mitgetragen, an
Analogie zu Fillious genreentgrenzenden Gedanken als
jedem beliebigen Ort aufgestellt und damit zu einem
Utensil zur Umwanderung von Kategorien jeglicher Art
neuen Zuhause gemacht werden kann – bis eine
dar. Wird unter diesem Aspekt gar die Frage nach einer
erneute Wanderschaft ansteht.511 Der Status des
spezifischen Exilästhetik519 gestellt, könnte sie sich,
Mobilen kann sich damit sogar zum Vorteil umkehren;
unter der leitmotivischen Prämisse einer Vermeidung
Nomadische Möbelkleider für mobile Identitäten
71
fixierter örtlicher und kultureller Zuordnungen, in einer
Doch lehren uns die seit Beginn der 1990er-
Erweiterung von Gattungsgrenzen realisiert sehen. Als
Jahre und speziell dem Kulturfestival Nomadologie der
auf Industriedesign rekurrierende, installativ-perfor-
Neunziger (steirischer herbst) entlehnten,526 künstlerisch
mative Modenschauen scheinen Chalayans Entwürfe
formulierten Zugeständnisse an einen postmodernen
tatsächlich eine spezifische ästhetische Sprache zu
Nomadismus, dass Heimat, der als Paradies wahrge-
wählen, wenn der Diskurs um Flucht und Mobilität in
nommene,527 idealisierte, mit konstruiertem nationa-
eine disziplinäre Umwanderung übertragen wird.
lem Stolz besetzte Ort eine historische Fehlentwicklung darstellt. Macho erkennt im Menschen von Grund
6.2 Verwobene Geografien, enträumlichte Heimat(en)
auf vagierende, bewegliche Lebewesen, die, bevor sie
„Um entsetzt zu sein, muß man vorher sitzen.“520
lingsdasein bestritten, stets bereit, davonzulaufen.528
über Millionen Jahre als Nomaden lebten, ein Flücht-
Flussers um die Sesshaftigkeit der Menschen krei-
Flucht stand in diesem Sinne aber vielmehr für
sende Gedanken verweisen im Zusammenhang mit
Freiheit529 und weniger für Leid und Verlust eines
Chalayans mobilen Möbelkonstruktionen auf das an
Ortes oder Raumes, den man gar nicht erst besaß.
einem bestimmten Ort verankerte Zuhause. Denn die
Spätestens seit der Moderne scheint sich die Dichoto-
Mitnahme eines vormals fixierten Hausstandes lässt
mie von Heimat und Fremde angesichts einer neuen
Migration in Verbindung mit der Frage nach einem
Welle erzwungener oder freiwilliger wirtschaftlicher,
„Woraus?“ als diskursiv oder objektiv begrenzten,
politischer, künstlerischer oder touristischer Mobilität
eingeschränkten Raum denken. Flucht, Exil oder
langsam zugunsten eines neu erkannten, positiv
Migration generell ist demnach nur möglich unter der
besetzten Freiheitsgefühls aufzulösen. Wenn Heimat
Voraussetzung des Verlassens eines „Drinnen“, eines
im Zuge der Verabschiedung des Ortes als eines
„Kosmos“, um schließlich „Draußen“, im „Chaos“
521
zu
Information, Erfahrung, Sicherheitsgefühl und Selbst-
Form architektonischer Mauern zu denkenden
verständnis530 nicht mehr lokalisierbar ist, verliert auch
Grenzen, kennzeichnet das Hinter-sich-Lassen eines
die vom territorialen Denken abgeleitete etymologi-
Besitzes, eines materiellen Zuhauses, einer allzu oft
sche Grenzziehung zwischen Flüchtling und Exilant
mit dem Begriff „Heimat“ verwechselten Wohnung.
522
versus Emigrant oder gar Immigrant ihre Gültigkeit.
So verwundert auch nicht die etymologische Ver-
Unabhängig davon, ob es sich wie beim Emigranten
wandtschaft des besonders seit dem 19. Jahrhundert
um einen meist freiwilligen Entschluss handelt, das
in der Romantik im deutschen Sprachraum gebrauch-
Land aus politischen, ökonomischen oder religiösen
ten Wortes „Heimat“ mit dem germanischen Wort
Gründen zu verlassen, oder ob der Staat aktiv durch
„Heim“, das im Althochdeutschen „Haus“ oder „Wohn-
Ausbürgerung, Verbannung oder Verfolgung Exilanten
ort“ bedeutete.523 Heimat stand damit neben einer
des Landes verweist,531 würde eine Aufhebung
bestimmten Zeitlichkeit auch für einen konkreten Ort
örtlicher Bindungen mit einer positiven Umdeutung
der Niederlassung.
72
abgegrenzten Kommunikationssystems als Quelle von
überleben. Gerade das Überschreiten jener, auch in
524
Mit der Definierung des von
der in Bewegung versetzten Betroffenen einhergehen.
außen abgegrenzten, „heimischen“ Innen stand auch
Der Flüchtling würde sich nicht mehr einem Ressenti-
eine klare Gegenüberstellung des positiv besetzten
ment hingeben, sondern sich wie der Emigrant gar
Vertrauten und Bekannten sowie des negativ konno-
über die „verlassene Bedingung“ erheben, indem er
tierten Außenstehenden als des „Unheimlichen“525
aus seiner Empörung heraus selbst zu wählen ver-
oder Fremden fest.
möge, was er behält und was er verwirft.532 Heimat
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
stünde in dieser selbstbestimmten und -befreiten
Während die Übertragung eines einzelnen
Form über einer allein geografisch-territorialen
spezifischen Haushaltsobjektes in den Möbelkleidern
Zugehörigkeit als weitaus offeneres, eigens definiertes
noch auf den Verlust und damit die Anerkennung einer
soziales „Territorium“.
lokalisierbaren Herkunft, mit dem gleichzeitigen
Wie eine dergleichen eigens definierte Heimat
Potenzial, sich an anderer Stelle erneut „niederzulas-
aus verschiedenen Elementen heterogener Einflüsse,
sen“, verweist (vgl. etwa Abb. 50, Abb. 54), schafft die
Einstellungen und Güter zusammengedacht und
Verschmelzung verschiedener Länder in einem
verbildlicht werden kann, zeigt sich in einem weiteren
einzigen Lagenkleid das singuläre Zuhause gänzlich ab.
Entwurf der Kollektion Geotropics. In der Show zur
Der Träger nimmt in seiner Bewegung von Ort zu Ort
Kollektion erscheint eine junge Frau in einem Kleid,
stets neue Elemente auf, die ein neues, plurales, von
das aus vielen Schichten weißen, transparenten Stoffes
„bodenständiger Heimatverbundenheit“ befreites
besteht (Abb. 56). Die sich bei näherem Betrachten als
Objekt-Gebilde erschaffen.
Schnittkonstruktionen erweisenden feinen Stofflagen
Dass Heimat und ihre räumliche Fixierung
suggerieren durch die sichtbaren Überlappungen den
umzudenken sind, beschreibt auch das Teppichdesign,
Prozess der steten Zunahme an Schichten, die an den
das Chalayan mit dem Vorhaben, die Seidenstraße zu
ursprünglich nackten Leib denken lassen, der nun
interpretieren, für die Edition 2013 des Innenausstat-
sukzessive verhüllt wird. Die erste Schicht – die
ters Ruckstuhl fertigte.537 So lässt der überwiegend in
menschliche Haut – wird mit jeder zusätzlichen Lage
Rot gehaltene Teppich Approaching auf den ersten
immer unsichtbarer, was den Gedanken nahelegt, die
Blick einen ornamentalen Rahmen und die Optik eines
Stoffschichten auch als Kulturlagen
533
wahrzunehmen.
traditionellen orientalischen Teppichs erkennen
Wie im Spiel von Verhüllung und Enthüllung der
(Abb. 57).538 Die Überraschung präsentiert sich
Kollektion Between (1998) wird auch hier die Ge-
inmitten des Läufers, auf dem das Motiv einer bekann-
schichte eines ursprünglich bei der Geburt noch
ten Videospielfigur der Space Invaders aus den späten
„reinen“ und nackten, später zunehmend mit sozialen
1970er-Jahren in Neonrosa seinen Platz einnimmt.
Prägungen „belegten“ Körpers erzählt.
534
So können
Obgleich die Kombination von orientalischen Gestal-
die zahlreichen Stofflagen in Geotropics auf eine
tungsaspekten mit Mustern, Motiven und Farben
Umwanderung verschiedener jemals besuchter Orte
moderner westlicher Kultur zunächst befremdlich
und Räume verweisen, wenn man sie als aufgefächerte
erscheinen mag, finden beide auf einer maximal vier
und aufeinandergelegte Reiserouten oder Landkarten
mal drei Meter großen Fläche539 Platz. In einer zweiten
begreift. Ihre Überlagerung kennzeichnet eine Gleich-
Teppichversion mit dem Titel On Its Way wird in einer
zeitigkeit mehrerer potenzieller Heimaten an einem
Screenshot-Optik eine fiktive Route der Seidenstraße
einzigen Ort
– dem menschlichen Körper. Chalayans
535
nachgezeichnet (Abb. 58).540 Die Stadt Chang’An vom
Intention, mit dem Werk eine „Mikrogeografie“ des
oberen Ende der Seidenstraße wird mithilfe der
Körpers zu konstruieren, in der sich verschiedene
eingezeichneten Koordinaten in Form einer manipu-
nationale Kostüme aus unterschiedlichen Zeiten und
lierten Geschichtsschreibung mit der Stadt Istanbul
Orten des 2000-jährigen Abschnitts der Seidenstraße
verbunden, die selbst nie zur Seidenroute zählte.541
von China bis zum Westen vermengen,536 bekräftigt
Der aus der orientalischen Mythologie als fliegendes
das Bild einer vom territorialen Denken befreiten und
Fortbewegungsmittel bekannte, verschiedene Räume
aus miteinander gemorphten Einflüssen und Zugehö-
umwandernde Teppich erhält die Fähigkeit, auf einer
rigkeiten gewachsenen, heterogenen Heimat.
kleinen Fläche die widersinnigsten Vermengungen zu
Verwobene Geografien, enträumlichte Heimat(en)
73
verbildlichen: Die Geschichte der Seidenstraße trifft
für die steten Realitätswechsel die Figur des Nomaden
auf die Computer-Technologie der Neuzeit, der Osten
als einen „[…] weder in Raum noch in Zeit definierba-
auf den Westen, Vergangenheit verschmilzt mit der
ren Menschen, und dies im Gegensatz zum räumlich
(Post-)Moderne. Alles erscheint möglich angesichts
und zeitlich definierten sesshaften Dasein. ‚Definieren‘
einer sich kontinuierlich bewegenden Lebensrealität.
bedeutet selbstredend ‚Grenzen ziehen‘, zum Beispiel
Bei Bedarf und Gelegenheit kann der Teppich gar zum
Mauern.“545 Die an Prozesshaftigkeit geknüpfte
Stillstand kommen, ausgerollt werden und, mit seinen
Ausdehnung von Kulturen im Raum546 bewegte
Vielfalt zitierenden Motiven, Farben und Formen,
schließlich Deleuze und Guattari dazu, eine „Nomado-
selbst zum Ort von Ortspluralitäten – einem Zuhause
logie“ als Gegensatz zu einer Geschichtsschreibung zu
verschiedener Heimaten – werden.
fordern, welche bisher ausschließlich aus der Perspek-
Diese utopische Karte einer flexiblen Definition von Heimat(en) ebenso wie die schichtenweise
schläge für ein deterritorialisiertes und zeitüberwin-
anwachsenden Kleider-„Häute“ äußern mit ihrem
dendes Zuhause könnten in diesem Sinne als eine in
grundsätzlichen Verzicht auf einen lokalisierbaren
Materie überführte Philosophie der „Nomadologie“
„Ursprung“ – eine Heimat oder ein Zuhause – ein
verstanden werden.
Zugeständnis an die eigene Allgegenwart. Die in den
Mit der Unmöglichkeit, Menschen geografisch,
Kulturwissenschaften meist mit Trans-, Pluri- oder
sozial und national zu verorten und damit Kategorisie-
Interlokalität bezeichneten Mobilitäts-, Wanderungs-
rungen durchzuführen, geht auch die Umschreibung
und Wohnphänomene der zwischen mehreren Orten
eines entgrenzenden Denkens und Handelns in der für
stattfindenden Bewegungen postmoderner Indivi-
Chalayan üblichen Transdisziplinarität auf. Ähnlich
duen542 dürften in diesem Fall nun eher einer gänzli-
handelten in den 1960er-Jahren die Künstler der Arte
chen Dislokation
74
tive der Sesshaften erfolgte.547 Chalayans Designvor-
543
oder Deterritorialisierung weichen.
povera, als sie gegen den bestehenden Kunstkanon der
Mit der Fähigkeit, verschiedene örtliche Anwesenhei-
Kulturindustrie kämpften,548 oder die noch älteren
ten in einem Objekt anzusiedeln, stellt sich auch die
Bauhaus-Künstler, darunter die Textilkünstlerinnen
Identität als enträumlicht dar. Wird Kultur der Idee
Gunta Stölzl oder Otti Berger. Im Namen einer
Geertz’ nach als (textiles) „selbstgesponnenes Bedeu-
Gesamtheit von Leben und Kunst widmeten sie sich
tungsgewebe“ verstanden, das verändert werden
modernen, konstruktivistischen, mit volkstümlichen
kann,544 wenn es vom Menschen selbst (u.a. durch
Mustern verwobenen Formen auf Tapisserien und
Migration) weitergesponnen wird, könnte die Unsicht-
Läufern als einigen der vielen unterschiedlichen
barkeit der von zahlreichen weiteren Lagen bedeckten
kunst- und industriehandwerklichen Gattungen der
„ersten“ Gewebe- bzw. Kulturschicht als nicht mehr
Moderne (Abb. 59).549 Chalayan scheint diese ästhe-
eindeutig auf ihren Ursprung zurückzuführende
tisch formulierte Gegenkultur in einen postmodernen,
Identitätslage verstanden werden. Auch die im Teppich
von kulturellen Brüchen gezeichneten informations-
verbildlichte widersinnige Reise spricht von einer
technologischen Kontext computergenerierter Arbei-
Verabschiedung der Reinheit zugunsten einer vom
ten zu übertragen. In den vom Bruch mit der Sesshaf-
territorialen Denken befreiten Identität. Für ein ganz
tigkeit und Heimat berichtenden Werken verbindet
und gar enträumlichtes und zeitentfremdetes Denken
sich die Freiheit kultureller Entwurzelung mit der
scheint sich vielmehr das Konzept einer flexiblen,
Vielfalt künstlerischer Sparten. Eine der Kunst zuge-
anpassungsfähigen nomadischen Identität als ideale
wandte Mode oder, wie hier mit den Teppichen gezeigt,
Lebensform anzubieten. Flusser sieht stellvertretend
mithin auch funktionierendes Design sind damit nur
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
einige der die Wanderschaft zwischen (Identitäts-)
während der Tokugawa-Periode thematisierte, widmet
Zugehörigkeiten dokumentierenden Medien.
sich Chalayan in der folgenden Herbst/Winter-Kollektion 2011 der erneuten Öffnung des Landes gen
6.3 „Aber auch der Nomade ist nicht notwendig jemand, der sich bewegt“ 550: Die Wanderschaft von Gedanken Die seit dem „spatial turn“ zunehmende Enträumlichung zugunsten eines als sozial bzw. kulturell geformt verstandenen Raumes
551
in Verbindung mit der
Westen, versinnbildlicht im Titel Kaikoku oder „Offenes Land“.554 In einem die Kollektion begleitenden Kurzfilm555 tritt ein nacktes Model an das aus goldenen Glasfasern und Polyesterharz erbaute Kleidkonstrukt heran, besteigt es, als würde es sich um ein Reisegefährt handeln, und wird per Fernsteuerung mitsamt der Kleiderschale bewegt (Abb. 60). In seiner fernge-
durch Migrationen beeinflussten Mobilitätsdebatte
steuerten Mechanik und der mit oder im „Kleid“
leitete eine Beschäftigung der Kunst mit Themen
Reisenden, weist es Parallelen zu Jana Sterbaks Kleid
nomadischen, von bestimmten geografischen Knoten-
Remote Control I von 1989 auf (Abb. 61). Alsbald wird
punkten entkoppelten menschlichen Daseins ein. Von
allerdings deutlich, dass Sterbaks im beweglichen
Ortspluralität über transportierbare Wohnungen und
Gerüst enthaltene Frau eine ohnmächtige Rolle
Heimaten bis hin zur Entsagung von räumlichen
einnimmt.556 In der vergitterten, an ein Gefängnis
Bindungen: Dies sind nur einige der utopisch wirken-
erinnernden Krinoline kann sich die Reisende nicht
den Ideen, derer sich auch Chalayan bedient, um
selbstständig bewegen; es ist das Gerüst, das sich
Migration künstlerisch zu thematisieren. Was sich
mechanisch fortbewegt und die Frau mit sich führt.
allerdings bisher als eine grundsätzlich an den mensch-
Das goldene, im mystischen Dunst beleuchtete,
lichen Körper gekoppelte Reise präsentierte – in
scheinbar selbstbewegte Kunstharzkleid Chalayans
Gestalt von Möbelkleidern, am Körper verwobener
hingegen wirkt bereits in seiner Inszenierung als ein
Geografie-Schichten oder Teppichen als denkbaren
optimistischer Botschafter für Grenzüberschreitungen.
Reise-, aber auch für den Körper vorgesehenen
Die das Kleid selbst betretende Frau markiert überdies
Wohn- und Aufenthaltsmedien – stellt sich in einer
eine gewisse Selbstbestimmung, welche bei Sterbak
weitergedachten Form einer vom Körper befreiten
ausbleibt. In einer weiteren Filmsequenz entsteigt das
Wanderschaft dar. Nicht mehr die physische Bewegung
Model sogar dem motorisierten Kleid, welches sich
des Einzelnen erscheint wichtig, sondern die Bewe-
nun als leere Hülle alleine auf die Weiterreise macht.
gung der stets in Veränderung begriffenen Welt
Zugespitzt wird das Dargestellte durch die Loslösung
selbst.
552
Die Umstände einer verstärkten Wahrneh-
kleiner, hell leuchtender Kristallpollen, die sich nahezu
mung von Kriegen, Vertreibungen, aber auch wirt-
magisch, in ihrer Rotation an Miniaturhubschrauber
schaftlichen und sozialen Umwälzungen stellen den
erinnernd, durch die Luft winden und fliegen. Nun-
Betroffenen vor eine große Herausforderung. Will er
mehr ist auch das Kleid immobil, allein die Pollen
nicht „verkommen“, muss er sich der neuen Situation
umwandern die Welt; der erst eingekapselte, dann
(kreativ) annehmen.
553
Die Suche nach alternativen
vom „Korsett“ befreite Leib scheint gar nicht mehr
Orten ist die Folge, doch welche Positionierung ist mit
vonnöten zu sein. Flusser setzte trefflich das Exil mit
der gleichzeitigen Befreiung von geografischer Gebun-
einer erzwungenen Migration aus dem eigenen Körper
denheit und körperlicher Präsenz noch möglich?
gleich: „Als ob er [der Exilant; Verf.] aus seiner Haut
In einer gedanklichen Weiterführung der Kollektion Sakoku (2011), die Japans Abschottung
fahren müßte.“557 Doch stellt sich die Befreiung vom Körper für die Pollen alles andere als Verlust dar. Als
„Aber auch der Nomade ist nicht notwendig jemand, der sich bewegt“
75
Metapher für eine Verbreitung von Ideen und die
Bottari in Ausstellungsräumen, regungslos und
Suche nach einem Neuanfang heben die Samen die
dennoch gleichzeitig mit Aufbruchsstimmung beladen.
Bedeutung und Macht von Gedanken hervor. Befreit
Allein der Gedanke an Bewegung und Ortswechsel,
von einem physischen Körper, der eine territoriale
der den Bündeln innewohnt, impliziert eine imaginäre,
Grenze nicht zu überschreiten vermag, sind die mit
in den Objekten versinnbildlichte Wanderschaft und
Fantasien, Träumen und Wünschen ausgestatteten
erklärt damit den Körper und den ihn umgebenden
Pollen in der Lage, Schranken und Absperrungen
materiellen Raum für gänzlich unnötig: „Heimat gibt es
jeglicher Art zu passieren.
in unserer heutigen Zeit keine wirklich mehr. Heimat
Wie in Kapitel 6.2 bereits erörtert, mindert die
kann heute nur mehr Erinnerung sein.“564 Auch
Loslösung des Menschen von seiner örtlichen Zuord-
Chalayan bedient sich bereits zu Beginn seiner
nung nicht sein Bedürfnis nach Räumen. Mit dem
Laufbahn des Gedankens körperbefreiter Bewegun-
Wissen aber um Räume, die sich durch Bewegung und
gen. Anders als in Kaikoku, wo der Mensch zunächst
Austausch zu sozialen Formationen konstituieren,558
als tatsächlich physisch Reisender inszeniert wird,
muss eine Einschränkung physischer Fortbewegung
bevor sich seine entmaterialisierten Gedanken in Form
nicht die gänzliche Einbuße von Mobilität implizieren,
von Pollen auf eine Grenzen umwandernde Reise
wie das mit Pollen versehene Kleid in Kaikoku in seiner
begeben, verzichtet das Tyvekkleid Airmail Dress
Schlusssequenz gezeigt hat. Rushdie, der selbst mit
(1999) von vornherein auf seinen Träger (Abb. 63). Das
einem Leben im Exil Erfahrung gemacht hat, verhan-
aus reißfestem, synthetischem Papier565 erarbeitete
delt ebenso wenig die Suche nach neuen Orten in
Kleid erinnert in seiner offengelegten, mit Konstruk
Abhängigkeit von rein körperlich vollzogener Bewe-
tionslinien versehenen Erscheinung zunächst an
gung. Vielmehr geht es ihm um die Wanderschaft von
klassische Papierschnitte, wie sie in der Mode verwen-
Gedanken, ein Leben in der Imagination.
559
Jene
det werden. Erst der rot-blau-gestreifte Rahmen
„Länder der Phantasie“ werden zu einem Zufluchtsort
verweist auf einen offenbar ganz anderen Verwen-
von Migranten, in denen ganze Gemeinschaften
dungszweck: Zusammengefaltet und beschrieben566
aufleben können.
560
Aus einer etymologischen Ablei-
Projekt erinnert an die ebenfalls aus Tyvek gefertigte
Wort „Metapher“ heraus erkennt Rushdie die Gemein-
Kollektion Cartesia (1994), deren Idee Chalayan
samkeit von Übertragungsprozessen: Die mit Migra-
eigenen Aussagen zufolge aus dem Einfluss der
tion „übertragenen“ Menschen sind metaphorisch
kartesischen Philosophie auf den Nationalismus und
gesehen in ihrer Substanz ebenso Ideen, die sich zu
die Fragmentierung als einer Essenz politischer
allgegenwärtigen Bildern formen.561
Auseinandersetzungen wie Kriege schöpfte (vgl.
Schon die Konzept- und Performancekünstlerin
Abb. 27).567 Für die im Krieg Verstorbenen und damit
Kimsooja rückte in ihrer Arbeit Deductive Object (1993)
physisch nicht mehr Existenten, bietet Chalayan eine
den Ort des momentanen Aufenthaltes als ein „Noma-
Daseins-Alternative.568 Migration stellt sich hier als
dentum am gleichen Ort“ ins Blickfeld der Kunst.
76
entpuppt sich das Kleid schließlich als Brief. Das
tung des Begriffes „Migration“ aus dem griechischen
562
Sie
Luftpost-Metapher dar: Die Erinnerung an die Verstor-
arbeitet mit koreanischen Bottari – buntfarbigen, mit
benen kann dank eines dem Körper formal entlehnten,
Gepäckbündeln befüllten Stoffen, mit denen sie
aber durch das robuste Herstellungsmaterial des den
bewusst auf das Reisen, aber auch auf Kriege, Flucht
vergänglichen Leib überdauernden „Briefes“ endlos
und Migration verweist (Abb. 62).563 Statt sie tatsäch-
weiter existieren und wandern. Der zwangsläufig einen
lich auf Wanderschaft zu schicken, verweilen die
bestimmten Aufenthaltsort markierende fleischliche
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
Körper wird hier ebenso wie bei Kimsoojas Bottari
losgelösten Verortung, die eine Anwesenheit zwischen
zugunsten allgegenwärtiger, an jedem Ort und zu jeder
den Kulturen sowie Disziplinen ermöglicht. Der gespal-
Zeit auflebender Imaginationen verlassen.
tene, sich selbst und womöglich eine an sich nicht
Die Enträumlichung der Welt durch wandernde
existente Heimat suchende Migrant scheint dabei
Pollen oder die via Luftpost verschickte Erinnerung an
stets von einer Sehnsucht getrieben, die sich auch mit
frühere Zeiten, Orte und Menschen bezeichnet durch
dem Phänomen der Melancholie umschreiben lässt.
die Loslösung von lokaler Erfahrung die Erschaffung
Stephanie Siewert begreift in der „malaise“ oder der
neuer, imaginierter Räume. Jene gedanklichen Räume,
„Melancholie der Diaspora“ allerdings nicht zwangsläu-
die Arjun Appadurai mit dem Konzept der Ethnoscapes
fig eine krankhafte Disposition oder Stimmung,
als fließende, grenzüberwindende, mental konstruierte
sondern ein kulturelles Dispositiv.572 Der „innere Raum
Landschaften beschrieb,
569
zeugen von einer Flexibili-
der Melancholie“ steht als ein Verhandlungsraum da,
tät, Veränderbarkeit und Selbstbestimmung, die reale,
„[…] der über die Auseinandersetzung mit den verlore-
physische Lokalitäten niemals besitzen würden. Die
nen Positionen eine spezifische exilische Erfahrung
Entkoppelung der Imaginationen von ihrem physischen
reproduziert.“573 Diese kann bedeuten, dass sich durch
Dasein verleiht den Betroffenen, trotz des meist mit
den erlebten Verlust eine Sehnsucht nach einem
Verlusten gespeisten Exilalltags, eine gewisse Macht.
„Anderswo“574 einstellen kann – seien dies Erinnerun-
Die durch Kunstobjekte symbolisch verkörperte
gen oder gar Vorstellungen von einer Zukunft an einem
Wanderschaft geistigen Guts erinnert an das große
neuen Ort, zu einer anderen Zeit –, das sich meist als
Potenzial, das Migration in ihrer metaphorischen
Fantasie präsentiert. Und obgleich sich jene Suche
Übertragung und Materialwerdung in Form von
meist imaginativ darstellt, ist sie eine essenziell
Bildern bzw. Objekten bedeuten kann. Obwohl sich
wichtige Triebfeder im Dasein von exilgezeichneten
jene „utopischen“ Gedankenräume im Sinne Michel
Personen. Ob eine Ankunft im (inexistenten?)
Foucaults keineswegs als wirkliche Orte570 darstellen
Wunschort der Vielfalt möglich ist, beantwortet Paolo
und damit für eine gewisse Realitätsflucht der Betrof-
Bianchi, wenn er konstatiert: „[…] die Essenz der
fenen sprechen würden, bedeutet die Fähigkeit, die
Sehnsucht ist das Verlangen – die Ankunft ihr Ende.“575
Welt durch Ideen wahrzunehmen, – in Verbindung mit
Solange die Suche, die Reise anhält, scheint auch jener
einer „Liebe zu den Bildern“
mit Sehnsucht aufgeladene Ort der Übergänge zu
– die Chance, Imagina-
571
tion zu materialisieren. Das Schreiben, die Musik oder die in ihrer Vielfalt mit bildender Kunst, Design und
existieren. Dem Prinzip einer Darstellung von Imaginatio-
Film verschmolzene Mode, wie sie Chalayan erarbei-
nen eines „Dazwischens“ in Form von symbolisch
tet, verstünden sich damit als aus der gedachten
formulierten Bildern und Objekten des Aufbruches,
Unterwanderung national-territorialer Grenzen in die
wie sie etwa die vom Körper unabhängigen Briefklei-
greifbare Realität übertragene Verwebungen kulturel-
der oder die Blüten- bzw. Baumpollen kennzeichneten,
ler und räumlicher Kategorien.
bleibt Chalayan stets treu. Dass er in seinem Œuvre mehr als einmal das Bild von Flugzeugen verwendet,
6.4 In der Passage zu Hause oder Ankunft im Transit
verwundert daher wenig. Seit der frühen Kindheit und
Der Aufenthalt des Migranten in der Welt der
Auseinandersetzungen auf Zypern nahmen seine
insbesondere mit den zunehmenden politischen
Gedanken bezeichnete im vorausgehenden Kapi-
Reisen zwischen Nikosia und London stetig zu, womit
tel sein Bedürfnis nach einer territorial und sozial
das Flugzeug zwangsläufig zu einem wichtigen und
In der Passage zu Hause
77
seine Arbeiten prägenden Reisegefährt wurde. In der
vermögen. In den Wolken mit einer enormen Ge-
Kollektion Before Minus Now (2000) zeigten sich,
schwindigkeit zu reisen bedeutet, eine vom menschli-
neben der anfangs präsentierten Kunstharzkonstruk-
chen Auge aus der Höhe wahrgenommene Auflösung
tion mit mechanisch betriebenen Klappen (vgl.
von Länder- und Stadtformen, womit der Blick von
Abb. 30) zum Abschluss der Modenschau fünf Models
geografisch-nationalen Einteilungen freigestellt wird.
in bunten Kleidern, deren Oberteile mit versetzten und
Physische Barrieren stellen hier kein Hindernis dar.
verstärkten Textilelementen versehen waren (Abb. 64).
Dies scheint das Flugzeug zu einem weitaus interes-
Bei näherem Hinsehen entpuppten sich jene abste-
santeren Reisegefährt und Kunstmotiv zu machen als
henden und in ihrer Farbigkeit verspielt wirkenden
ein Automobil oder einen Zug. In dem vorgeblich
Stoffklappen als Bauteile eines Flugzeuges, stark an
staatenlosen Raum, in dem für die Dauer des Fluges
Tragflächen erinnernd. Die gleiche Faszination für
Abreise und Ankunft zusammenfallen, wird der
Flugzeuge überträgt Chalayan auch in die konzeptuelle
Migrant vor keine Wahl zwischen seinen Polen
Installation Repose (2006), in der ein Flugzeugflügel
gestellt. Dies würde diesen spezifischen Reiseraum zu
oder gar ein ganzes Cockpit aus der Wand hervorzu-
einem erstrebenswerten Ort des Verweilens erklären.
stechen scheinen (Abb. 65). Ein leerer Sitz fand sich
Allerdings ist eben jener Raum zur Durchreise, wie
außerhalb eines zu erwartenden Flugzeuginneren,
auch der Flughafen selbst, sozial keineswegs belebt,
ebenfalls an der Wand befestigt.
frei von Identität, Beziehung und Geschichte, allein
Die Absurdität der Situation einer Flugreise,
halt bestimmt.578 Es stellt sich die Frage, ob jene von
eines deplatzierten Flügels im Ausstellungsraum
Marc Augé als „Nicht-Orte“ bezeichneten Räume des
erinnert an die Macht der Fantasie, Imagination oder
Provisorischen mit Homogenisierungstendenz579
Tagträumerei als Triebfeder einer durch Migration in
vielfältig beschreibbar und damit sozial aktiv werden
Gang gesetzten (mentalen) Reise. Dabei versteht sich
können. Dies würde zunächst eine Umwandlung von
das Flugzeug als Symbol der Entwurzelung und
Nicht-Orten zu „Orten“ voraussetzen, was nur mit
Heimatlosigkeit
576
grundsätzlich als Ort der Fluktua-
einer Transformation von Orten der Transgression zu
tion, ohne tatsächlichen Aufenthalt, wie ihn Hans
Orten eines permanenten Aufenthaltes möglich wäre.
Magnus Enzensberger trefflich im Eisenbahnabteil als
Wie ist dies aber angesichts eines vorhersehbaren
einem Ort, der nur dem Ortwechsel dient, erkennt und
Reiseendes und damit eines im Grunde immer als
mit einem transitorischen Aufenthalt vergleicht.577 In
Durchreise begriffenen Aufenthaltes realisierbar?
seinem Übergang von A nach B und gegebenenfalls
78
von einem zu Zwecken der Reise dienenden Aufent-
ohne tatsächlich im Inneren Platz zu nehmen, oder
Bereits die Verbindung von Körper und Flugzeu-
zurück mit gleichzeitiger Implikation eines Schwebezu-
gelementen in Before Minus Now oder die Widersinnig-
standes im „Dazwischen“ schließt das Flugzeug wie die
keit der Galeriewände durchbrechenden Cockpits und
Eisenbahn einen Aufenthalt in ihren Reiseräumen als
freistehenden Sitzplätze im Galerieraum statt im
tatsächlichen Orten aus. Anders allerdings als die
Flugzeuginneren in Repose widerlegt die Möglichkeit,
Eisenbahn verfügt das Flugzeug in seiner Reisemeta-
ein Reiseabteil zum vorläufigen Aufenthaltsort zu
phorik über einen gewissen Vorteil, der sich in Form
erklären. Der Reisende bestückt sich bzw. das „Kleid“
einer freien, scheinbar grenzüberschreitenden Bewe-
mit scheinbar der Flugtechnik entlehnten Konstrukti-
gung darstellt. Obgleich auch der Luftraum territorial
onselementen, wodurch er entweder selbst zum
abgesteckt ist, kann ein Flugobjekt Grenzen auf eine
Flugobjekt wird oder außerhalb des der Durchreise
ähnliche Weise überschreiten, wie es Gedanken
dienenden Mediums reist. In beiden Fällen spielt sich
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
die (gedachte) Reise nicht am gewöhnlichen Ort der
sich die umwanderten Landschaften und Kulturen
Durchreise, innerhalb des Flugzeuges, ab. Anders geht
unaufhörlich wiederholen. Mit der suggerierten
Chalayan in seinem vierminütigen Kurzfilm Place to
Geschwindigkeit verschmelzen zudem die scheinbar
Passage aus dem Jahr 2003 vor. Zu sehen ist darin eine
kontradiktorischsten und entlegensten Länder und
fliegende Kapsel, die in ihrer Farbigkeit, einer grün-
Zugehörigkeiten. Entfernungen spielen keine Rolle
weißlichen Tönung, an eines der von Flugzeugen
mehr, die gesamte Welt findet sich an einem Ort
inspirierten Entwürfe für Before Minus Now (vgl.
wieder. Angesichts der steten Bewegung des Flug
Abb. 64) erinnert (Abb. 66). Auch die zur Vorderseite
objektes können weder Reisebeginn noch -ende aus-
hin abgerundete Form der Kapsel spricht für eine
gemacht werden. Damit kann die Wandernde, anders
Verwandtschaft mit den bisher thematisierten flugzeu-
als die in Kap. 6.1 und 6.2 vorgestellten, potenziell
gartigen Entwürfen. Chalayan platziert allerdings eine
rastenden, Möbel, Teppiche oder ganze Geografien
Reisende im Inneren des Flugobjektes, wodurch diese
übertragenden Reisenden, dem dauerbewegten
sich eingangs als klassische Passagierin zu erkennen
Objekt nicht entsteigen und bleibt in der Rolle der
gibt. Im weiteren Filmverlauf gelingt ihm aber in Anleh-
Passagierin verhaftet. Mit der auf ewig aufrechterhal-
nung an die vorausgehenden Werkbeispiele die
tenen Reise verliert der Begriff der Passage aus dem
Entledigung der Kapsel von ihrem Status der Vorläufig-
Titel als ein „Ort zur Durchreise“583 seine einstige
keit, wie er üblicherweise an eine Reise geknüpft ist.
Bedeutung eines nicht belebten, temporären Ortes.
Im Film begibt sich die junge Frau in schlicht
Mit der kontinuierlichen Bewegung wird die Passage
geschnittener, weißer Kleidung innerhalb des Flugge-
zum Dauerzustand und damit zwangsläufig zu einem
fährts auf eine virtuelle Wanderschaft von London
Ort der Ankunft, des Verweilens.
nach Istanbul. Die minimalistische Kapsel wandert mit
Nicht also die Negation der üblicherweise im
höchster Geschwindigkeit durch urbane Stadtszene-
Flugzeug stattfindenden Reise, wie Before Minus Now
rien, Seenlandschaften, kreuzt moderne Gebäude und
und Repose gezeigt haben, macht bei Place to Passage
traditionelle Moscheen bis hin zur Ankunft am
einen Nicht-Ort zum Ort, sondern die Überspitzung
Bosporus, von wo aus die Reise in einem Loop erneut
der Bewegung in ihrer Permanenz. Auch etymologisch
startet. Die Verbindung der weit voneinander entfern-
erteilt der Passagier oder Passant in seiner begrifflich
ten Ortschaften und Länder wird zum einen durch die
gefassten Mobilität eine Absage an die Sesshaftig-
Brücke als Bindeglied der Kontinente Asien und
keit,584 wodurch das Bild des Migranten in seiner
Europa suggeriert.580 Womöglich beruht Chalayans
anhaltenden (räumlichen wie ideellen) Transzendenz
selbst proklamierte Faszination für die „bridges
bekräftigt wird. So erkennt Vassilis Tsianos den
between different worlds and disciplines“581 ebenso
Migranten als in einer in der „Mobilität verweilenden
wie Flussers Interesse an „Lücken überspannenden
Ankunft“ verhaftet,585 womit er nie anzukommen
Brücken“ auf einem Daseinsentwurf „zwischen den
scheint, in einem ständigen Moment der Passage
Standorten“,582 der einem Migranten stets innewohnt.
begriffen. Ähnlich wie die Brücke auf einen Übergang
Jene „Lücken“ im „Dazwischen“, wie sie der Bosporus
von Orten und Zugehörigkeiten verweist, überführt
als natürlich gewachsene und politisch gedeutete
die Passage – verbildlicht durch die in Dauerbewegung
Grenze symbolisiert, werden allerdings nicht allein
versetzte Kapsel – einen provisorischen Raum zu
durch die Brücke überwunden, die an sich einen
einem Ort des Aufenthaltes. Gerade jener Aufenthalt
provisorischen Aufenthaltsort repräsentiert. Der
im Raum des Überganges erteilt der Chalayan’schen
Kurzfilm ist eine Endlosschleife, was bedeutet, dass
Passage allerdings eine Funktion jenseits der materiell
In der Passage zu Hause
79
(im städtischen Raum) lokalisierbaren, zeitlich und
ersten Einwohnung des Menschen im Mutterleib.“591 So
räumlich begrenzten Brücken und Gebäudedurch-
scheint die Kapsel in ihrer Form als Ganzkörpersessel
gänge des 19. Jahrhunderts, die etwa Benjamin in
ebenso wenig wie bei den bisherigen Stuhl- und
seinem Passagen-Werk beschreibt.586 Die Gebäude
Flugzeugkonstruktionen eine ersichtliche, äußerlich
räumlich durchkreuzende Passage kann in ihrer Rolle
angebrachte Last zu sein,592 sondern ein harmonischer,
eines Bindegliedes zwischen Ausgangs- und Ankunfts-
mit dem Menschen wie selbstverständlich verwachse-
position eine mentale Verbindung antagonistischer
ner Lebensraum. Der Architekt R. Buckminster Fuller
Haltungen implizieren. Doch hält jene Vernetzung nur
erkannte, abgesehen von der schützenden Funktion,
für die Dauer des Spazierganges. Da dieser grundsätz-
eine Parallele zwischen der „organischen Wohnung“ –
lich an die Architektonik der Passage gebunden ist,
dem Mutterleib – und dem „Raumschiff Erde“, in
kündigt sich mit dem Ende der materiell begrenzten
dessen Sphäre die gesamte Menschheit „Astronaut“
Passage auch das Ende der Position des Durch-Wan-
sei.593 Indem wir Passagiere – anfangs als „Mitreisende“
dernden im „Dazwischen“ von Räumen und Gedanken
im Uterus des mütterlichen Körpers – auf der ewig
an. Auf der anderen „Seite“ angekommen, gibt es keine
mobilen Erde sind,594 ist unser Nomadentum – zwi-
Mehrfachpositionierung mehr.
schen Ländern, Identitäten, Disziplinen – einer urge-
Die Künstlerin und Wissenschaftlerin Trinh T. Minh-ha geht in ihren Arbeiten, abgesehen von einer
Einschreibung entsprungen. Werden also Partikularis-
geografischen, auch auf eine mentale und andauernde
men, Raumteilung und Spezialistentum ausgeklammert
Bewegung zwischen verschiedenen Zugehörigkeiten
und Bewegung sogar als Stabilität begriffen, kann
ein.
587
Im Film Night Passage schickt sie eine junge Frau
auf eine geistige Wanderschaft zwischen Realität und Fiktion.
588
Den Zustand im „Dazwischen“ scheint sie,
Permanenz im Überall weitab von Verlust, Zerrüttung oder Auflösung verstanden werden. Dass dieser Ort des simultanen Mehrfachaufent-
wie Chalayan mit Place to Passage, zur Verortung in der
haltes nicht kategorisierbar sein muss, entspricht nicht
Vielfalt zu nutzen, weder auf der einen noch auf der
nur Fullers Verständnis einer von Einteilungen befrei-
anderen Seite ansässig. Das „Dazwischen“ meint dabei
ten Welt. Moderne Soziologieforschungen haben die
nicht allein eine soziale Komponente, sondern auch die
Kategorien Nation, Gemeinschaft, Ethnie oder Klasse
Überführung unterschiedlicher Grenzerfahrungen in
als grobe Raster erkannt und stattdessen eine „Sozio-
ein Schaffen, das sich weder als Kunst noch als
logie der Zwischenräume“ ins Leben gerufen.595 So ist
Wissenschaft589 bezeichnen lässt.
auch Melancholie mitsamt der Sehnsucht nicht
Diese kulturelle und genrehafte Omnipräsenz, in
zwingend als nostalgisches Festhalten an alten
einem bewegten Zwischendasein verbildlicht, stellt sich
Ordnungen, sondern als gegen-hegemonialer Diskurs
weniger als Dilemma dar, sondern erhält in seiner
zu verstehen.596 Die oftmals mit Einsamkeit und
Permanenz und Dauer einen schützenden, Sicherheit
Heimatlosigkeit verknüpfte Melancholie ergibt sich
bietenden Status. Als Wohnung wahrgenommen, die
vielmehr, wie die in der Stille verhaftete, im Allseits
nach Flusser dem Bedürfnis des Menschen folgend,
anwesende Passagierin im Film andeutet, zwangsläufig
„[…] immer, gleichgültig wo, [zu] wohnen […]“ nötiger
aus der Position einer Erhabenheit über die Be-
als Heimat ist,
80
wachsenen, natürlichen, als unzweifelhaft erachteten
590
kommt der Kapsel gar die Bedeutung
schränktheit der menschlichen Natur heraus.597 Mit
eines „idealen“ Aufenthaltsortes und -raumes zu. Einem
der Akzeptanz, dass Migration als menschliche
Uterus ähnlich, erinnert sie bereits mit ihrer orga-
Grundbedingung körperliche und insbesondere
nisch-elliptischen Form an eine „[…] Nachbildung der
geistige Mobilität bedeutet, kann ein Passagendasein
Das bewohnte Kleid – das bewegte Zuhause. Raumüberwindende Designstrategien
im Überall und Nirgendwo – ohne benennbare
mene Design-Prämisse Sullivans von ihrer Einseitigkeit
Abteilungen – nicht nur anerkannt, sondern als
lösen. Nicht allein die Entledigung von Nutzen stellt
erstrebenswert und damit als Beitrag zu einer Neuan-
sich als Ergebnis der Verbindung von Design und
schauung des „Dazwischens“ erachtet werden.
Kunst dar, sondern sogar eine Vielfach-Funktionalität,
Als Verlängerung des Kleidungsstückes agieren
dargestellt in der Mutation eines Stuhles zu einem
die zunächst am Körper angebrachten Möbel und die
Kleid über den Koffer hin zu einer gänzlich den
mit dem Menschen selbst verwobenen pluralen
Menschen umhüllenden dritten Haut-Heimat. Ein
Heimaten in weiterer Konsequenz als Ganzkörperhül-
Kleid steht damit nicht nur für einzelne Teile eines
len bzw. Wohnungen, die ein ewiges (mentales)
Hausstandes, sondern stellt sich als gesamtes Zu-
Nomadentum in der Allgegenwart ermöglichen. Die
hause, Heimat und Welt im Kleinen dar. In permanen-
zwischen Disziplinen wandelnde Mode Chalayans
ter Bewegung ist das Disziplinen vermengende
scheint sich dabei als ideale Plattform für die reise-
Konstrukt als Stellvertretung jeglicher systemischer
freundlichen, der räumlichen Bedingung entsagenden
Überschneidungen zu verstehen: Transit wird zum
Kleider-Wohnungen zu eignen. Mithilfe der „Verbrüde-
anhaltenden Zustand kultureller und künstlerischer
rung“ mit anderen Disziplinen kann sich die überkom-
Transgressionen.
In der Passage zu Hause
81
Doch wie gestalten sich Schauplätze einer Mode, die repräsentativ den disziplinären Grenzen entsagt und konzeptuell einer permanenten Bewegung zwischen Kulturen und festen Kategorien huldigt –
7. Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenz gängerisches Design Neben einem Raumverständnis im Bereich der
erheben würde, Kleidung allein der Gattung Mode zuschreiben zu wollen? Wie in Kapitel 2.3 gezeigt, liebäugelt die Mode traditionell seit der Entstehung der Haute Couture mit der Kunst, um immer wieder von Neuem ihre eigene Kurzlebigkeit und Oberflächlichkeit zu parodieren. Dass sie sich sowohl auf den Straßen als auch im
Mode, das das Kleidungsstück selbst als ein räumliches
Museum präsentieren kann, beweist die der Disziplin
Gebilde meint,598 kann das Kleid, wie im vorausgehen-
Mode innewohnende Cross-over-Fähigkeit, die von
den Kapitel aufgezeigt, auch als Mittler zwischen
der Forschung längst erkannt wurde.604 Als Produkt
Mensch und Umgebung verstanden werden. Dabei
kulturellen Handelns sind aber nicht nur die Räume
besitzt es die Fähigkeit, soziale Räume unabhängig
der Mode von einer Wandlungsfähigkeit betroffen,
von ihrer Materialität oder Territorialität zu formieren.
sondern ferner Räume im Allgemeinen, geprägt von
Die folgende Untersuchung widmet sich einer dritten
den Menschen, die sie in ihrem Tun und Denken (ver)
Dimension der Räumlichkeit von Mode , die eng an
formen. Insbesondere der „spatial turn“ ebnete das
die Performativität des Genres geknüpft ist. Das Zeigen
Verständnis für einen neuen, von Migrationsprozessen
oder Sich-Zeigen ist ein der Mode immanenter Bestand-
geformten transnationalen, delokalisierten Raum, der
teil, ohne den sie nicht existieren könnte.600 Als visuelles
geografisch-räumlich einem steten Form- und Bedeu-
Phänomen setzt sie auf eine – bevorzugt bewegte –
tungswechsel ausgesetzt ist.605 Jene mit der Postmo-
599
Inszenierung des Körpers mitsamt den Kleidern
601
sowie
die Begegnung von Akteur und Zuschauer bzw. Rezipient
602
und dies alles in einem bestimmten kontextuel-
derne eingetretene Wahrnehmung des Menschen im Kontext seiner von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verschiebungen beeinflussten Umgebung
len Rahmen. Erst mithilfe spezifischer Institutionen bzw.
wirkte sich wiederum auf eine Mode aus, die sich nicht
Räume kann sich ein vorgeführtes Kleidungsstück zur
mehr allein mit der Kunst, sondern mit bis dato
Mode wandeln.
603
Jene können real bzw. materieller
Natur sein und sich als Straße, Show, Store oder
82
womit sie wiederum alles andere als einen Anspruch
atypischen Disziplinen wie Anthropologie, Biologie, Technologie oder Philosophie verband.
Museum bzw. Ausstellungsraum darstellen, der Kleidung
Offensichtlich ist: Ein diskursiv und formal
damit eine dreidimensionale Präsentation ermöglichend.
Heterogenität auf allen Ebenen propagierendes
Bei Bild-Räumen handelt es sich sowohl um die Darstel-
„Design“ benötigt Aufführungsräume, die sich selbst
lung real existierender als auch um virtuelle, computer-
einer gewissen Pluralität und Entgrenzung bedienen.
generierte Räume und Kleidungsstücke in zweidimensi-
Abgeleitet von Bhabhas „Schwellenräumen“ im
onaler statischer oder bewegter Form, wie sie für
Spannungsfeld von Selbst und Andersheit, in denen
Zeitschriften (Fotografien), Filme, Blogs und andere
Diskurs, Verhandlung und Beziehung zwischen den
Internet-Auftritte grundlegend sind. Letzteres wird in
Polen an die Stelle von Abkapselung und Dualismus
Kapitel 8 ausführlicher behandelt.
treten,606 könnten die Differenzen und Kategorien
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
urbane Eliten bis heute die Kleidungskultur nutzen, um
aufbrechenden Aufführungsräume als materiell formulierte „Dritte Räume“
607
wahrgenommen werden.
die Stadt als Ort ihres Interesses und ihrer Macht
„Dieser zwischenräumliche Übergang zwischen festen
sichtbar zu machen.610 Die vestimentäre Darstellung in
Identifikationen eröffnet die Möglichkeit einer kulturel-
urbanem Kontext vermittelte Status, Geschlechter
len Hybridität, in der es einen Platz für Differenz ohne
bilder, soziale und kulturelle Differenzen.611 Später,
eine übernommene oder verordnete Hierarchie gibt.“
im 19. Jahrhundert, begibt sich Baudelaires Passantin
608
Ob die folgenden drei für die Mode konstitutiven,
im über den großstädtischen Menschen sinnenden
realen Präsentationsräume die Qualität eines „dritten“,
Gedichtband Les Fleurs du Mal auf den Pariser Boule-
entgrenzenden Raumes für eine mit Kategorien jeg-
vard,612 der sich im Zweiten Kaiserreich zu einem
licher Art brechenden Mode besitzen, soll im Folgenden
beliebten Ort des Sensationellen, Neuen und auch des
diskutiert werden. Der großstädtische Raum als tradi-
Müßiggangs entwickelt hat.613 Die Metropole wird zum
tioneller Vorführungsraum des bürgerlichen, mode
Foyer und zur Bühne der Gesellschaft, die jenen Raum
bewussten Flaneurs wird im heutigen, erweiterten
nutzt, um ein lustvolles Theater der Mode zu inszenie-
Kontext eines Schmelztiegels von Kulturen und
ren.614 Auch Benjamins, auf Baudelaires Großstadtbild
verschiedenen disziplinären Zugehörigkeiten betrach-
gründendes Konzept des in den Arkaden flanierenden
tet. Als ein für die Mode wichtiger übergreifender
Passanten des 19. Jahrhunderts nährt sich von der
Aufführungsraum spielt die Metropole eine grundle-
Idee eines Raumes, der sich exponiert, um von seinem
gende Rolle für alle im Kapitel genannten Schauplätze.
modebewussten Nutzer begangen zu werden.615 Mode
So muss die theatral-performative Modenschau als
wird damit in eine enge Beziehung zum umgebenden
weiterer Raum im Zusammenhang mit einer Bühne im
architektonischen Raum gestellt, und der städtische
postmodern urbanen Kontext diskutiert werden.
Boulevard avanciert zum Umschlagplatz modischer
Schließlich stellt sich der Design-Store als Terrain
und kultureller Produktionen.616
unerwarteter Transgressionen dar, in dem mit musea-
Abgesehen von der Repräsentationsfunktion
len Präsentationsvorgängen eine im Raum vollzogene
erhalten die Großstädte mit der Industrialisierung und
Wanderschaft zwischen Shop, Galerie, Museum und
dem stets zunehmenden Städtebau ab der zweiten
geografischen Orten beschrieben wird. Nicht außer
Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zusätzliche Rolle.617
Acht geraten darf Chalayans Entscheidung, Kleidung
Als Orte der Produktion, des Handels und des Konsums
innerhalb eines auf wenige Modezentren begrenzten
werden sie, wie für die gesamte Wirtschaft, auch für die
Gewerbes zu präsentieren. Der Widerspruch, ein (kultu-
Herstellung von Mode interessant.618 Dies führt zu einer
relle und nationale) Entgrenzungen propagierendes
verstärkten Verknüpfung von Leben und Arbeit inner-
Design innerhalb der wenigen, nur den größten Städten
halb der Städte, die sich gleichzeitig als Orte des
der Welt vorbehaltenen Bühnen, Ateliers und Shops zu
gesellschaftlichen Aufenthaltes und der Konzeption,
zeigen, soll daher ebenfalls thematisiert werden.
Herstellung, Präsentation sowie des Verkaufes von Kleidung verstehen. Hier liegt auch die allen Schauplät-
7.1 Kleidung im großstädtischen Raum
zen der Mode innewohnende Untrennbarkeit von Mode
Mode und Urbanität stehen seit der Renaissance
Couture benötigten stets die städtische Umgebung zur
und Urbanität zugrunde: Die zentralen Orte der Haute
in einer engen Verbindung zueinander.609 Der städti-
Entfaltung ihres Flairs.619 Zu dieser spezifischen Um-
sche Raum eignete sich bereits damals als Repräsenta-
gebung zählt David Gilbert die Konsumräume, die der
tionsfläche für das visuelle System der Mode, weshalb
Mode im urbanen Kontext entgegenkommende
Kleidung im großstädtischen Raum
83
Performativität, die Wechselhaftigkeit der Moden, die
London erkennt Chalayan seit seinem Studium eben
Stadtgeschichte wie auch die bereits erwähnte Produk-
jene transkulturelle Situation und liest sie als Prädispo-
tion.620 Gerade die für die Qualität maßgebliche End-
sition für eine grundsätzliche Offenheit und Liberalität,
fertigung liegt bis heute immer noch in den Ateliers der
die er des Öfteren in Interviews hervorheben wird.627
einschlägigen Metropolen.
Nicht unwesentlich waren dabei seit den Sechziger
621
Welche Bedeutung der Stadt aber für ein Design zukommt, das im urbanen Entstehungskontext die
Infrastruktur mit verschiedensten Gattungen und
Gefilde der Mode zugunsten einer Verflechtung mit
Disziplinen vermengenden Mode.628 Die nach eigenen
kulturellen Fragen verlassen hat, zeigt sich jenseits
Aussagen „aufregende Zeit“ Chalayans der frühen
ihrer traditionellen Rolle für das Modebusiness. Als
1990er-Jahre ist eine Folge der Popkultur der
Anziehungspunkt eines internationalen künstlerischen
„Swinging Sixties“, einer Gegenkultur, die sich aus der
Austausches, wie er besonders in London durch die
wechselseitigen Befruchtung von Musik, Kunst,
vor dem Nazi-Regime geflohenen Künstler seit den
Industriedesign, Architektur und Mode formierte.629
1930er-Jahren betrieben wurde,622 ist die Metropole
Underground, Rebellion und Ekstase gingen mit
bis heute Treffpunkt der jeweiligen künstlerischen
Tradition und Establishment einher und markieren bis
„Moderne“ sowie ein Ort akkumulierter Kulturenviel-
heute die charakteristische Cross-over-Fähigkeit der
falt. Eine wirtschaftlich, politisch und sozial erschüt-
Stadt.630 Beides, der starke Gattungsaustausch und die
ternde Erfahrung macht die Stadt im Zeitalter der
von verschiedenen Migrationen sowie postkolonialen
Postmoderne, als sie mit der zunehmenden Globali
kulturellen Überschreitungen bestimmte urbane
sierung und den wirtschaftlich und/oder politisch
Umgebung bilden die Grundlage für ein besonderes
begünstigten Wanderungsströmen zum Ort internatio-
Klima, das Reflexionen über Andersartigkeit erlaubt:
naler Investition und Arbeitskraft wird.
623
Das Bild der
Großstadt ist damit schon immer von einem dichten Beieinander soziokultureller Ereignisse und Eindrücke
„London creates the facility in which to reflect on your background from a distance.“631 Welches Bild bei der Hinterfragung des eigenen,
geprägt. Die stete Ein-, aber auch Auswanderung
von konkreten Exilerfahrungen bestimmten Hinter-
macht sich schließlich gerade im urbanen Kontext
grundes im Kontext einer selbst von allgegenwärtigen
durch permanente Umschreibungen, Umbrüche und
Migrationen unterschiedlicher Art gezeichneten
Umformungen in ihrer aktivsten Form bemerkbar, so
Metropole entstehen kann, hat die virtuelle Reise von
auch in den von Chalayan häufig zitierten Städten
London nach Istanbul in einer Kapsel gezeigt (vgl.
Kulturelle Überlagerungen
Abb. 66). Wie in der Stadt fixierte Haltungen und
London und Istanbul.
624
oder eine „Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten“
kulturelle Prägungen durch kontinuierliche gesellschaft-
im Sinne einer simultanen, äußerlich meist unsichtba-
liche Bewegungen steten Neudefinitionen unterworfen
ren Schichtung mehrerer historischer Einschreibungen,
sind, kennzeichnet auch die Kapsel eine klare Ableh-
wie sie Aleida Assmann in ihrem Konzept der Stadt als
nung der Sesshaftigkeit und damit der Dauerhaftigkeit
Palimpsest erkennt,
625
sind die Folge.
Urbanität meint allerdings nicht allein die
fester Gefüge. Als Migration per se632 und damit in Bewegung zwischen Kategorien, kommuniziert
Existenz sozialer und kultureller Vielfalt, sondern auch
sie – wie die Stadt selbst – eine Vereinheitlichung von
deren Miteinander in Form von Toleranz, wirtschaftli-
Gegensätzen: Die Rundreise zwischen Istanbul und
chen Chancen und Kreativität, die nur aus der Dichte
London signalisiert die Möglichkeit scheinbar Isoliertes
und Mischung entstehen können.
84
jahren die Umstände einer sich aufgrund mangelnder
626
Insbesondere in
und Vereinzeltes an einem „Ort“ miteinander zu
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
verbinden. Städte sind demnach die Orte, an denen Verschiedenstes eine Einheit bilden kann.
633
Was die
viktorianischen Reifröcken und der rebellierenden Punkästhetik der 1970er-Jahre thematisiert sie, wie
Metropole mit der Verwebung kultureller und diszipli-
Chalayan auch, bis heute ein kulturelles Bündnis im
närer Widersprüche leistet, verbildlicht sich in der
Kontext der von Differenz zeugenden Stadt London
Umwanderung eben jener Pluralität kommunizierenden
(Abb. 67). Doch ist Chalayans Methode, die Großstadt
Großstädte mithilfe der visuellen Kreuzung von Mode,
als pluralistisches Environment darzustellen, weitaus
Kunst, Anthropologie und Film im Loop.
abstrakter. Ohne die Möglichkeit alle in die Fusion
Begreift man des Weiteren das Kleid, wie im
eingegangenen Einzelelemente, die die Vielfalt der
Rahmen der Arbeit häufiger formuliert, als „bewohnte“
Stadt ausmachen, optisch zu entziffern, wird der
Ausweitung des menschlichen Körpers, kann in der
Entwurf zum Stellvertreter einer alles übergreifenden
Folge auch die Stadt, die postmoderne Megacity, als
Pluralität. Die virtuelle Reise meint damit nicht nur
eine Fortsetzung der „zweiten Haut“ verstanden wer-
eine physische Anhäufung kultureller Puzzleelemente,
den: vom eigenen Körper über Kleidung, Architektur bis
sondern eine mentale Auseinandersetzung mit
hin zu Gemeinden und schließlich der Welt selbst. Der
Grenzüberschreitung, Prozessen der Anpassung, der
„Ort der Heimatlosen“ , in dem Vertriebene, Flücht-
Transkulturalität und der Bildung hybrider, ihrem
linge, Arbeitsmigranten, Künstler und andere „Bewegte“
Ursprung nach nicht entzifferbarer Identitätskonzepte
auf engstem Raum aufeinandertreffen, kann damit –
in einem selbst hybriden Environment. Nicht eine
wie die im „Dazwischen“ reisende Kapsel – zu einem
bestimmte Stadt wie London oder Istanbul ist das
tatsächlichen Zuhause mobiler Identitäten werden,
Thema jener Grenzüberschreitung, sondern die
einem „dritten“ Wohn- und Verhandlungsraum stets
postmoderne, Pluralität fördernde Großstadt im
bewegter, heterogener Positionen.
Allgemeinen.
634
Chalayans visuelles Vorgehen bei der Inszenie-
Das Dilemma, das sich meist aus einer Ansamm-
rung der Stadt und ihrer spezifischen, sie auszeichnen-
lung der in Merkmale aufgelösten, gezählten, in
den Charakteristika ist in seiner offenkundigen
Institutionen überformten, klassifizierten oder struktu-
Konzeptualität und Überschreitung von Genres und
rierten Kultur ergibt, umgeht Chalayan, indem er, wie
Themen ein deutlich anderes, als es von einem
Geertz es vorschlägt, eine „dichte“ Beschreibung von
klassischen modischen Handeln erwartet werden
Kultur wählt.637 Im Gegensatz zu einer „dünnen
würde. Nun genießt aber die britische und insbeson-
Beschreibung“ oder „Datensammlung“638, die sich in
dere die Londoner Mode in ihrer traditionellen
Westwoods physisch sichtbaren Akkumulationen von
Vernetzung mit progressiven, oftmals schockierenden
am Kleid angebrachten Referenzen viktorianischer und
Verfahren der jeweils zeitgenössischen Kunst den Ruf,
anarchistischer Punk-Zugehörigkeiten zeigt, heißt es
äußerst experimentell zu sein.
635
Damit verstünde sich
für das konzeptuelle Vorgehen Chalayans, die komple-
Place to Passage (2003), wie viele Arbeiten Chalayans,
xen, ineinander verwobenen und äußerlich nicht
trotz ihrer installativ-filmischen Natur als ein mit der
immer wahrnehmbaren Vorstellungsstrukturen639 zu
London Fashion Week
636
nicht wirklich brechender
thematisieren. Denn obwohl, wie Assmann mit ihrem
Entwurf. Dennoch: Es ist ein deutlicher formaler und
städtischen Palimpsest-Konzept geschichteter histori-
inhaltlicher Unterschied zu einem Vorgehen zu
scher Einschreibungen konstatierte, „[…] im Stadtraum
beobachten, das auf der anderen Seite beispielsweise
alles gleichzeitig anwesend ist, heißt das jedoch
Londons Modeikone Vivienne Westwood verfolgt. Mit
keineswegs, dass jeweils alle Schichten auch gleich
der Fusion von traditionellen schottischen Karostoffen,
zeitig wahrgenommen werden und im Bewusstsein
Kleidung im großstädtischen Raum
85
kultureller Anleihen und Details in der schlichten,
7.2 Modenschau, Theater, Performance? Flexible Räume für flexible Passanten
weißen Kleidung der Reisenden die Vermittlung einer
Die Modenschau, wie sie heute bekannt ist, ist
präsent sind.“640 Chalayan erreicht aber gerade mithilfe des Verzichtes auf die Hervorhebung einzelner
sujethaften Allgegenwart von Differenzen.
641
Als
entlehnt. Die erste Person, die maßgeblich mit ihrer
Lagen nichts Konkretes, können aber doch alles
flanierenden Erscheinung in der auf Präsentation und
implizieren. Anders als Westwood, die sich eher eines
Wahrnehmung ausgerichteten städtischen Promena-
formalen Nebeneinanders von Kulturen bedient, wenn
de-Architektur eine Zurschaustellung von Mode – im
sie eine aus Anhäufungen konzipierte „multikulturelle“,
heutigen Sinne – vollzog, war der Dandy.644 Sein
urbane Mode vertritt, stellt sich Chalayans Strategie
dunkler, schlichter Anzug verstand sich als Metapher
einer konzeptuellen Vermengung von Zugehörigkeiten
der Modernisierung, Urbanisierung und Anonymisie-
als ein der Großstadt des 21. Jahrhunderts gegenüber
rung um 1800645 und damit schlichtweg als Repräsen-
authentischeres Vorgehen dar. Nicht eine materiell
tation der Metropole selbst. Die Parade der modernen,
gefasste Parallelität von Differenzen, sondern, der
mit kleinen Detailunterschieden versehenen Anzüge
Bedeutung von Transkulturalität entsprechend,642 eine
auf den Boulevards, öffentlichen Plätzen und später in
Beziehung- und Austauschnahme der durch Migratio-
Kaufhäusern, Ateliers und Theatern markierte ein
nen bewegten, sich stets transformierenden und sich
neues Verständnis für eine Mode, die sich als öffentli-
mit immer neuen Quellen vereinenden Kulturen
che Performance an- und darbot.646 Anders als die
erkennt er als diskursiven urbanen Alltag. Dement-
rituellen, über vestimentäre Zeichen vermittelten
sprechend stellt sich eine Mode in Verbindung mit
ständischen Zugehörigkeiten am französischen Hof
kritikfähiger, soziale Aussagen treffender Kunst und
des 18. Jahrhunderts, manifestierte sich über die
anderen Genres als ein der Urbanität zwangsläufig
Zurschaustellung von Kleidung auf der Straße oder in
entsprungenes Vorgehen dar.
den Defilees ein im Umfeld der demokratischen,
Mehr noch: Wie jenes über die Kapsel-Passagierin vermittelte, Kategorien ab- und unterwandernde Design als Abbild einer Vielfalt vernetzenden, zwi-
86
dem „Theater der Straße“ des 19. Jahrhunderts
äußerlich leere Projektionsflächen zitieren die weißen
industrialisierten Metropolen erstmals möglicher Ausdruck von Individualität und Persönlichkeit.647 Die Frage nach der Vermittlung von Identitäten in
schen Zugehörigkeiten bewegten Stadt zu verstehen
und über die Mode ist im Zusammenhang einer Un-
ist, gilt umgekehrt auch die (visuelle) Kultur der
tersuchung von Präsentationsräumen eines Designs,
Metropole als Resultat der sie kreuzenden grenzgän-
das formal und konzeptuell dem Ansatz folgt, allge-
gerischen Passanten. Damit stellt sich ein gewisses
meine Entgrenzungen zu thematisieren, keine unwe-
symbiotisches Gefüge dar, das die Metropole nicht
sentliche. José Teunissen erkennt im Moment der
ohne den zwischen gesellschaftlichen und disziplinä-
Verlagerung des Passanten von der Straße auf den
ren Omnipräsenzen eilenden Großstadtmigranten
Laufsteg bzw. die Bühne das Potenzial, Kleidung als
mitsamt seinen hybriden Erzeugnissen – wie einst den
Vertreter neuer, durch den Couturier artifiziell erschaf-
„modernen“ Flaneur der Jahrhundertwende643– denk-
fener Identitäten zu verstehen.648 So stellt sich die
bar macht. Zugleich Produzent und Produkt einer
Frage, welche Identitäten eine Modenschau jenseits der
spezifischen urbanen Biosphäre ist die Metropole des
Schönheit und des Gefälligen meinen kann, oder welche
21. Jahrhunderts als spartenübergreifende Mode par
Art der Präsentation von „Mode“ notwendig ist, um
excellence begreifbar.
nicht allein Oberfläche, sondern vollständige Identitä-
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
ten im Kontext gesellschaftlicher Destabilisierungen zu
Körper und muss daher mit Volumen gefüllt und im
thematisieren. In weiterer Ableitung vom Gedanken des
besten Fall in Bewegung versetzt sein, will sie den Fall
modernen Passanten, der nicht nur selbst, sondern
und die Proportionen aufzeigen.654 Eine große Rolle
mitsamt der Kleidung und der im 19. Jahrhundert
spielen dabei die Gefühle, die eine solche Präsentation
erklommenen Bühne zu einer Personifizierung der
bei dem Zuschauer erweckt, um zu interessieren. Um
beschleunigten, demokratischen Großstadt wird,
zu elektrisieren, zu berauschen, zu bewegen und damit
beginnt die Suche nach einer spezifischen Modebühne
letztlich den Betrachter (zum Kauf) zu verführen,
der Postmoderne. In den folgenden Kapiteln wird die
bedienten sich Designer schon immer vieler ähnlicher
Art des Steges untersucht, den der zwischen identitären
Methoden wie Regisseure im Theater. Der Laufstegre-
und disziplinären Zugehörigkeiten wandernde postmo-
gisseur Alexandre de Betak, der selbst unzählige von
derne Passant im Kontext einer mobilen, urbanen und
Chalayans Schauen mitgestaltete,655 erkennt gerade in
multireferenziellen Umgebung betritt.
der Live-Präsentation auf der Bühne ein Potenzial, das Publikum direkt, binnen Sekunden, (positiv) zu beein-
7 . 2 . 1 Mo d e u n d Bü h n e – ei n e
flussen. Die britische Modeschöpferin Lady Duff
„n at ü r l i c h e“ L i a i s o n
Gordon zählte mit ihrer Marke Lucile zu den ersten
Den Anfang einer Vermittlung von käuflichen
Designern, die sich der Wirkung einer Schau auf das
Identitätsvisionen liefern die großstädtischen Cou-
Publikum bedienten. Selbst erfahrene Musical- und
ture-Häuser, die ab 1860 erstmals Models einsetzten,
Theaterkostümbildnerin, verwandelte sie 1914 ihren
um ihre neuesten Kreationen an den Kunden zu
Verkaufsraum in ein Minitheater mit Vorhängen und
Bis zu diesem Zeitpunkt erarbeiteten
schickte Models zu passender musikalischer Beglei-
bringen.
649
Schneider und Näherinnen nach den Ideen-, Stoff- und Detailvorgaben ihrer Kunden die Kleider.
650
Mit dem
tung und in eingeübten, künstlichen Posen auf eine darin aufgestellte kleine, speziell ausgeleuchtete
neuen Verständnis von Mode als eigener Kreation von
Bühne (Abb. 68). Mit zunehmender gesellschaftlicher
Designern ging auch das Bedürfnis nach einer passen-
Bedeutung fanden die Modenschauen der 1920er-
deren Präsentationsart einher.
651
Der Brite Worth war
der erste Couturier, der 1858 „bewegte“ Kleidung an Vorführdamen zeigte, doch kann die erste öffentliche
Jahre nicht nur in den Salons der Couturiers, sondern auch in den Theatern selbst statt. Die Form jener seit Luciles Präsentationen
Modenschau mit Models erst auf das Jahr 1910 datiert
klassisch gewordenen, mit theatralen Mitteln arbeiten-
werden, als Poiret seine Präsentation von einem
den Modenschauen, wie den sich bedacht bewegenden,
Reporter und einem Fotografen begleiten ließ.
652
Das
schweigenden, distanzierten Vorführerinnen, und einem
Ziel einer Modenschau war damals wie heute das
Modeschöpfer, der die Kollektion währenddessen
gleiche: die Kleidung über die mit ihr verknüpften
erläutert,656 ist eine der vielen Präsentationsformen im
Philosophien und Imagebilder an die Öffentlichkeit zu
Raum, derer sich auch Chalayan bisweilen in den
bringen bzw. das Marketing ganzer Kollektionen. Dazu
späteren Schaffensjahren bedient. Die Show zur
zählen die Präsentation der neuen Kollektion, die
Kollektion Dolce Far Niente (Frühling/Sommer 2010) ist
mediale Präsenz oder die Bekanntmachung des
als eine Art ironische Reminiszenz an die ersten
eigenen Labels sowie der Verkauf der Kleidung.
653
Der Laufsteg oder die Bühne sind nicht zufällig
Modenschauen zu verstehen, die sich schon früh der Darstellungsmethoden des Theaters bedienten.657
die beliebtesten Präsentationsorte von Kleidung;
Aufgeführt in den Gängen eines Klosters zu Tango- und
immerhin „funktioniert“ diese über den menschlichen
Jazzklängen, mit bedacht fokussierter, diffuser Beleuch-
Modenschau, Theater, Performance?
87
tung des als Straße mit flankierenden Säulen inszenier-
tation der Vorwurf einer allein dem Glanz und der
ten Gangs und schließlich mit dem ebenfalls elegant
Oberfläche dienenden Schau an, was angesichts ihres
gekleideten und frisierten „Master of Ceremonies“658 –
offen erklärten Zieles, eine Kollektion verkaufen zu
als Kommentator agierenden, schauspielernden
wollen, nicht unbedingt verwundert.
Designer – spricht die Darbietung für eine von Theater-
Abgesehen davon, dass auch das Theater an
praktiken inspirierte Modenschau (Abb. 69). Auch Duff
ausverkauften Plätzen interessiert ist und damit nicht
Gordon nutzte die Macht ihrer eigenen Erscheinung,
außerhalb eines gewissen wirtschaftlichen bzw. Kon-
wenn sie während der Vorführungen für Lucile gekonnt
suminteresses agiert, kennzeichnet die frühen Moden-
ihre Mode anpries und als künstlerisches Genie zum
schauen sowie die seit den frühen Neunzigerjahren in
eigentlichen Star ihrer theaterähnlichen Shows
„klassisch“ oder „theatralisch“ unterschiedenen Show
wurde.659 Auf jene ersten traditionellen Schauen anspie-
typen664 eine gewisse Eindeutigkeit in der Vermittlung
lend, präsentierte sich einige Jahre vor Chalayans Dolce
von (Unternehmens-)Philosophien, wie sie vom Theater
far Niente das Künstlerduo Viktor & Rolf in ähnlich
nicht primär angestrebt wird. Auch Chalayans Reminis-
eleganter Erscheinung mit Anzug, glänzendem Haar und
zenzen an die betont klassische Modenschau in Dolce
dünnem Schnurrbart auf der Bühne einer als Tanz-Mu-
Far Niente bedient sich traditioneller modischer Vorge-
sical konzipierten Modenschau. Die auf spektakuläre,
hensweisen, wenn die Kollektion ohne ablenkende
klassische Haute-Couture-Defilees anspielende
Aussagen, klar und deutlich die Gedanken hinter den
Präsentation der Frühling/Sommer-Kollektion 2001
Kleidern vermittelt. Gedanken überliefert selbstver-
spiegelte dabei weitaus direkter wider, was Chalayan
ständlich auch das Theater, aber im Zusammenhang
später auf subtilere Weise vermitteln sollte: eine
einer Schau dient die Vermittlung einfach zu entziffern-
Aufdeckung der intendierten Verführung und Manipula-
der, meist in einem beiliegenden Flyer erklärter Kon-
tion des Konsumenten
660
unter dem Deckmantel
theatralisch inszenierter Illusion. Dabei scheint die Verbindung von Theater und Mode eine selbstverständliche zu sein, denkt man
zepte dem alleinigen Zweck, Begehren zu erwecken, das sich explizit auf die vorgeführten Kleidungsstücke bezieht. Politik oder gesellschaftliche Belange finden in solch einem Rahmen seltener Platz.
grundlegend an die Korrespondenz von Bühne und
88
Laufsteg.661 Gerade in der neueren Zeit bedienen sich
7. 2. 2 Fa shion-Pe rforma nce . Die Bühne
auch Regisseure wie Ariane Mnouchkine oder der
e ine r Ge se llschaf t im Umbruch
amerikanische Theaterkünstler Robert Wilson gerne
Anders sieht es in den 1990er-Jahren aus, als
des Steges anstelle einer Bühne und erinnern damit an
sich in London, weitab vom Glamour und Glanz der
die Theaterarchitektur des japanischen Kabuki-Thea-
Pariser Haute Couture, in einem von wirtschaftlichen
ters, das traditionell schon immer einen Steg für die
Krisen und gesellschaftlichen Problemen gebeutelten
Schauspieler einsetzte.662 Auch die sehr enge Zusam-
Umfeld ein neuer Typus der Modenschau entwickelt.
menarbeit von Theaterleuten und Designern bei der
Nicht die europäische High Society und große Budgets
Vorbereitung einer Schau – man denke an den (Lauf-
bestimmten die Kollektionen und deren Präsentatio-
steg-)Regisseur, den Bühnenbildner, den Licht- und
nen, sondern die Club- und Straßenkultur.665 An einer
Tongestalter, den Besetzungschef (für die Models bzw.
der renommierten Design- und Kunstakademien
die Schauspieler)663 – macht die Frage nach der Grenze
Londons gut ausgebildet, aber ohne weiterführende
zwischen den Disziplinen zu einer eher irrelevanten
Chancen, da so gut wie keine finanzielle Unterstützung
Angelegenheit. Und trotzdem haftet der Modepräsen-
durch die Bekleidungsindustrie möglich war, suchten
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
die Jungdesigner nach eigenen, originellen Wegen, ihre Kollektionen publik zu machen.
666
(Abb. 70). Allein die Dominanz des sterilen Weiß und
Ungewohnt
des kontrastierenden schwarzen Hintergrundes hinter
experimentelle, gar konzeptuelle Modenschauen, die
den Flächen nimmt dem eigentlichen Zweck der
ihren Fokus nicht mehr ausschließlich auf das Design
Aufführung – der Präsentation einer Modekollektion –
zu legen scheinen, sondern – wie in der Konzept-
jeglichen Anreiz, vergnügen zu wollen. Das reduzierte,
kunst – auch auf die dahinter stehenden, meist
bewusst abgekühlte Bühnenbild erinnert an das
gesellschaftlichen Ideen verweisen, boten sich als
Theater der europäischen und russischen Avantgarde,
Lösung an.667 Jene eher modeuntypischen Präsentatio-
dessen Neuerungsgedanke sich durch die Ablehnung
nen gehen, wie Marga van Mechelen feststellt, auf die
von veralteten Spielweisen, falschem Pathos und
Akademie Arnhem in den Niederlanden zurück, die
oberflächlichen, übertriebenen, dem Scheinhaften
bereits um 1967 Modenschauen organisierte, die sich
dienenden, barocken Bühnendekorationen auszeich-
an der Performancekunst jener Zeit orientierten.
668
Die
nete.672 So findet sich in Chalayans zwar betont
Studenten der Akademie bedienten sich modeuntaug-
asymmetrischer, aber gleichsam auch dem Minimalis-
licher Materialien, präsentierten ihre Entwürfe an
mus entlehnter Bühnengestaltung ein gewisser Bezug
ungewöhnlichen Orten im Stil einer Performance und
zu Kasimir Malewitschs Vorhangentwurf für die Oper
kreuzten verschiedene Kunstgattungen miteinander.669
Sieg über die Sonne (1913) (Abb. 71). Ebenfalls mit den
Damit nahmen sie eine von der modernistischen
zwei „Nicht-Farben“ Schwarz und Weiß spielend, in
Kunsttheorie der 1950er- und 1960er-Jahre, die sich
gleicher Weise klar, rein, reduziert und strukturiert,
für die Reinheit und Trennung der Kunstgattungen
bietet sich bei beiden Bühnengestaltungen ausrei-
aussprach, sich offenkundig abwendende Haltung ein
chend Platz für gedankliche, etwa um das Gesell-
und erklärten sich gleichzeitig zu Sympathisanten der
schaftliche kreisende, Projektionen.
Disziplinen übergreifenden klassischen Avantgarde.
670
Die Absage an überdekorierte, dem Glanz und
Jene Art, Mode im Kontext miteinander vernetzter
der Schönheit dienliche Bühnen war eines der Kenn-
Künste zu präsentieren, wird die späteren Generat
zeichen der damaligen Avantgarde als einer „echten“,
ionen von ebenfalls konzeptuell und performativ
die Realität zitierenden Kunst. Ziel war die bedin-
arbeitenden Designern seit den Neunzigerjahren, wie
gungslose Offenlegung jeglicher – sich gewöhnlich
die Niederländer Viktor & Rolf, den Belgier Margiela
hinter den Kulissen abspielender – Verwandlungspro-
oder den selbst im damals schwierigen Umfeld der
zesse auf der Bühne selbst:673 Vor den Augen der
Stadt London arbeitenden Briten Alexander McQueen,
Zuschauer wechselten die Schauspieler ihre Kostüme
prägen.
und wandelten etwa Brotkörbe in Kopfbedeckungen
671
Auch insbesondere Chalayans frühe Moden-
oder herumliegende Stoffe in Umhänge um.674 Auch in
schauen – entstanden im Kontext eines wirtschaftlich,
Chalayans Schau Afterwords findet eine solche Trans-
politisch und sozial im Umbruch begriffenen Lon-
formation statt, wenn Stuhlbezüge zu Kleidern und
dons – weisen eine der Avantgarde in gewisser Art
Stühle zu Koffern mutieren, die inmitten der Show von
verwandte Arbeitsweise auf und sprechen sich
einer Reihe in weiße Overalls gekleideten Helfern von
deutlich gegen klassische Präsentationen aus. So
der Bühne getragen werden – wie die wandelbaren
kommt die Bühne in Afterwords (2000) keineswegs als
Möbel ebenfalls ein durchaus intendierter Teil der
glamourös inszenierter Steg, sondern als kalt beleuch-
Inszenierung (Abb. 72). Dies war nicht das einzige
teter, auf klar strukturierte, gegeneinandergestellte
Mal, dass Chalayan Personen, in ganz und gar unmodi-
geometrische Ebenen reduzierter Raum daher
sche Ganzkörperanzüge gekleidet, auf die Bühne
Modenschau, Theater, Performance?
89
schickt. In Geotropics (1999) stattet er einen ganzen
Moderne, die angesichts der Industrialisierung und der
Chor samt seines Chorleiters mit weißen Overalls aus
damit einhergehenden Entfremdung des Menschen ein
(Abb. 73).
Überleben nur über eine standardisierte äußerliche
Dieser „Tuta“, dem italienischen Wortursprung „tutta“ nach ein den gesamten Körper bedeckender
mehr als einen einheitlichen, die gesamte Gesellschaft
Anzug oder Overall, wie ihn ursprünglich ihre Erfinder,
stellvertretenden Menschentypus. Wie bei Orta kann
die mit der Vergangenheit brechenden Futuristen,
der Overall als eine Reflexion der Gegebenheiten eines
nannten,675 bediente sich auch die russische Avant-
bewegten, urbanen Lebens gelesen werden. Chalayan
garde als einer schlichten, aber aussagekräftigen
weitet aber den Mobilitätsgedanken zu kulturellen
Grundausstattung ihrer Stücke.
676
Der konstruktivisti-
Verwischungen und nationalen Identitätsbrüchen aus.
sche „Schutzanzug“, wie ihn u.a. Rodtschenko in
Die weiße Ganzkörperhülle wird zu einem irritierenden
seinem Kostümentwurf für die Komödie Die Wanze
Kontrast zur Heterogenität der restlichen, sehr
(1929) zeichnerisch festhält (Abb. 74) oder Wsewolod
unterschiedlichen in der Schau vorgeführten Modelle.
Meyerhold in der Inszenierung von Wladimir Maja-
Als konzeptueller Helfer bestärkt die Erscheinung der
kowskis Drama Das Schwitzbad (1930) für die Kostü-
„unbeschriebenen“, ungewöhnlich steril und gegen-
mierung der „Auserwählten“, die mit der Zeitmaschine
ständlich wirkenden Anzüge die Mehrzahl und damit
in eine futuristische Zukunft reisen, verwendet
die Selbstverständlichkeit bzw. den Normalfall von
(Abb. 75), sollte in erster Linie Sicherheit gegen die
Differenz, die immer dort auftritt, wo der Mensch
Ansprüche des Alltags bieten.677 Damit war er aus-
involviert ist.
drücklich an die praktischen Postulate der „Bequem-
Die gewählte Akustik setzt die Irritation, die das
lichkeit und Zweckmäßigkeit“ gebunden und wollte
Bühnenbild mitsamt den weiß gekleideten Personen
sich vom „dekadenten Wunsch nach elitärem Auftre-
übermittelt, fort. So ertönt in Geotropics, seitlich der
ten“ absetzen.678
gewohnt sterilen, aus wenigen weißen Flächen
Fast hundert Jahre später übersetzen Designer
90
Erscheinung gesichert sahen, geht es Chalayan um
bestehenden Bühne, ein mit Funktionskleidung
im Umfeld von Globalisierung, verschiedenen Arten
ausgestatteter Herrenchor mit einem schaurig-
von Migration, postkolonialen Problemen und wirt-
schönen Gesang.680 Auch dem bulgarischen Chor in
schaftlichen Krisen den Overall der Moderne in die
Afterwords681 oder dem Gesang eines Muezzins in
Gegenwart. Auch hier gilt die Prämisse der Aufgabe
Echoform (1999)682 haftet nichts Sinnlich-Verführeri-
reiner Oberflächlichkeit zugunsten tiefergehender
sches oder Poppig-Beschwingtes an, wie es von
Alltagsreflexionen. Die Arbeiten der Künstlerin und
gängigen Modenschauen bekannt ist. Ihre durch halb
Designerin Lucy Orta sind Beispiele für die in die
durchsichtige Planen angedeutete, indirekte Anwe
späten 1990er-Jahre überführten avantgardistischen
senheit in der Schau markiert ihre Bedeutung in der
Overalls, deren „Zweckmäßigkeit“ nunmehr durch
Gestaltung des Dargestellten (Abb. 76). Dem Sound-
neuartige Ausstattungen erreicht wird, die, zumindest
Illustrator Frédéric Sanchez zufolge wird Musik im
symbolisch, ein „Funktionieren“ – das heißt Überle-
Rahmen einer minimalistischen Produktion zu einem
ben – in den globalisierten, urbanen Großstädten des
„[…] virtuellen Element, das zeitliche und räumliche
21. Jahrhunderts sichern sollen.
Vorstellungen erzeugt.“683 Als eigene, sich von der
679
Auch Chalayan
setzt mit den weißen Overalls Verweise auf gesell-
Schlichtheit der Bühne absetzende Komponente
schaftliche Zustände abseits modischen Glanzes und
des Dargebotenen wird die auf ihre Quelle nicht
Glamours. Anders aber als die unifizierenden Tutas der
immer rückführbare Musik zum Berichterstatter eines
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
zwischen Positionen bewegten (Großstadt-)Alltags.
muslimischen Feiern belebte Viertel Londons gelotst, um
Bewusst in den Kontext des Gezeigten gestellt, den
anschließend in der Präsentation zu Between mit dem
konzeptuellen Ansatz der performativen Schau erwei-
Konzept westlicher Nacktheit versus muslimischer
ternd, regt sie den Betrachter zum Nachdenken an.
Verhüllung konfrontiert zu werden – das irritierte und
Bei der intendiert provozierten Irritation, mithilfe von Bühne, der ungewöhnlichen Funktionskleidung, der
beunruhigte die Kritiker.687 Mit Verwirrungsstrategien wie diesen wird die
Musik und der von Flucht, Migration und Mobilität be-
Orientierung der Journalisten und des restlichen
richtenden Performance, spielt letztlich auch das Publi-
Publikums, unabhängig von den visuell höchst an-
kum selbst eine ebenfalls nicht unwesentliche Rolle für
spruchsvollen, aber abstrakt gestalteten Entwürfen,
das Bühnengeschehen. Das „klassische“ Vorgehen der
erschwert. Ähnlich verhält es sich mit der oft verwen-
Aktivierung von Zuschauern, wie sie Happenings und die
deten Reihung von Models, die meist am Anfang und/
Aktionskunst in den 1960er- und 1970er-Jahren
oder zum Finale einer Show zum Einsatz kommt
etablierten und es einmal mehr mit dem Paradigmen-
(Abb. 77).688 Selbst mit Entwürfen oder Objekten
wechsel des programmatisch provozierenden futuristi-
ausgestattet, die sich farblich oder gestalterisch
schen Theaters vergleichbar ist, setzt sich als eine der
deutlich vom Rest der gezeigten Schau abheben und
möglichen Inszenierungsstrategien der Mode der
meist wenig mit den käuflichen Stücken gemein haben,
1990er-Jahre durch.
684
Neben den meist von spektakulä-
wie u.a. das Showfinale zu Panoramic zeigt, erinnern
ren Abschlüssen gekennzeichneten vergnüglichen
sie an Installationen, die bewusst ihre Blicke aufs
Schauen, die das Publikum auf eine eindeutige Weise
Publikum richten. Wie die Performance eine im
informieren, bauen Designer sogenannter, von Ginger
Unterschied zum traditionellen Theater und Tanz das
Gregg Duggan als „Substance“-Schauen bezeichneter,
Publikum aktivierende gestisch-theatrale Aktion
konzeptueller Präsentationen ihre performativen
meint,689 wird der Zuschauer nicht nur involviert,
Darstellungen um abstrakte Ideen auf, die weder auf
indem er sich von den Blicken der Agierenden ange-
eine bestimmte Zeit noch einen genauen Raum verwei-
sprochen fühlt. In der Show zur Kollektion Between,
sen.
685
Die Unmöglichkeit einer Verortung, wie sie auch
gerät der Betrachter durch eine Spiegelung, ausgelöst
Chalayans Modebühne kommuniziert, kann in Relation
durch die an den gen Zuschauerraum gewandten
zum großstädtischen Umfeld im Allgemeinen gesetzt
Modelköpfen angebrachten Spiegelkonstruktionen,
werden, da es prinzipiell für Mischzustände und Unein-
selbst auf die Bühne und wird so Bestandteil des
deutigkeiten steht. Caroline Evans erkennt trefflich in der
Entwurfes sowie der Aufführung (Abb. 78).
Schau Between (1998), die in Londons East End in Brick
Genau jene Verbindung von Leben – das Model
Lane, „[…] einem Hinterland zwischen dem wohlhaben-
auf der Bühne, der Betrachter und die gesellschaftli-
den London […] und dem gräßlichen Optimismus der
chen Gedanken um Entsetzungen, Mobilitäten und
Docklands und des Millennium Dome […]“ stattfand, eine
Zugehörigkeiten – mit den verschiedenen künstleri-
Strategie des titelimmanenten „Dazwischens“686, was
schen Artikulationen auf der Bühne, kennzeichnet
sich auch auf die Mode übertragen lässt, die grundsätz-
Inszenierungsstrategien, wie sie bereits die Avantgarde
lich auf Vielfalt setzt. Dieser komplexe Gedanke einer
aus ihrer Realität im Umbruch heraus formulierte.
Mode, die Pluralität vermitteln möchte, erreichte
Den neuen Umständen folgend werden sie in den
allerdings nicht alle, eindeutige und unmissverständliche
1990er-Jahren in Form von Fashion-Performances,
Couture-Schauen gewohnte Modejournalisten. Vor der
wie jenen Chalayans und seiner Zeitgenossen, fort
Show durch eher unglamouröse, „multikulturelle“, von
gesetzt. Obgleich stets in den konsumorientierten
Modenschau, Theater, Performance?
91
Modemetropolen wie London, Paris, Mailand oder
Einkaufsgalerien bzw. Passagen der industrialisierten,
New York gezeigt, geben sich jene Shows gerne als
von Flaneuren rege frequentierten Boulevards.695 Die
kommerziell unabhängig, was angesichts einer wach-
Verlagerung des Passanten von der urbanen Straße auf
senden Medienresonanz gegenüber Schauen extremer
den Laufsteg der Modenschauen und in die Modebou-
Dramaturgie, wie beispielsweise jener McQueens,
tiquen der Galerien geschah zeitgleich, wurde doch der
widersprüchlich erscheint.690 Abgesehen vom Vorwurf
erste Modesalon, wie ihn u.a. Worth 1858 in Paris
eines gewissen Kalküls hinter den aufwendigen, vom
eröffnete, zugleich für Defilees und den Verkauf von
Konsum bewusst ablenkenden Inszenierungen,691
Kleidung genutzt.696 Mit der Ablösung von Kleidung als
bestand für konzeptuell und performativ arbeitende
tragbarem Mittelpunkt einer Schau in den 1960er-
Designer stets die Gefahr, durch die Konfrontation des
Jahren hin zur Kulmination der Konzentration auf das
Publikums mit abstrakten Darstellungen von gesell-
Spektakel und die Botschaft im Design in den
schaftlichen Zuständen über das Medium Mode in
1990er-Jahren verwandelte sich der Laufsteg zuneh-
ihrem Ruf geschädigt zu werden.692 Objekte und
mend zum Ort künstlerischer Produktion, der, insbe-
Installationen, die auf einer minimalistischen Bühne zu
sondere durch den Einsatz von Filmen, Installationen
dissonanten Klängen Religion oder unantastbar
und Performances, einem musealen Präsentationsraum
geglaubte Ideologien thematisieren, können hitzige
sehr nahe kam.697 Mit der zunehmenden Konzeptuali-
Diskussionen entfachen, die nur der Designer seiner-
sierung der Modenschau veränderte sich die gesamte
seits mit einer die Öffentlichkeit besänftigenden
Wahrnehmung der Disziplin Mode, bis im Übergang
Stellungnahme eindämmen kann.693
zum 21. Jahrhundert Kleidung verstärkt Einzug in die
Die Entscheidung, in einer Umgebung ohne
Museen fand.698 Mit der Ausweitung der Moderäume
Unterstützung für avantgardistische Designideen,
durch die Hinzunahme jener Räume, die traditionell der
Kunst über Kommerz zu stellen und mithilfe konzeptu-
Kunst vorbehalten waren, veränderte auch die Mode-
ell-performativer Bühnenmechanismen auf komplexe
boutique ihr Erscheinungsbild. Jenes letzte Glied der
Ideen aufmerksam zu machen und damit den geschäft-
Modeindustrie wandelte sich von simplen Läden zu
lichen Erfolg zu riskieren,
694
geht auf eine Über
Räumen, deren Gestaltung ausschlaggebend für die
zeugung zurück, Design als Teil des gegenwärtigen,
Erkennbarkeit eines Labels699 wurde. Designer erarbei-
alltäglichen Lebens zu begreifen. Für einen selbst ohne
teten gemeinsam mit Künstlern und Architekten ihre
bestimmte Zugehörigkeiten auskommenden Entwurf,
neuen Stores und machten Boutique-Eröffnungen zu
der heimatlose, (urban-)nomadische und damit
künstlerischen Events.700 So etwa inszenierte die
ebenfalls nicht zuzuordnende Identitäten thematisiert,
amerikanische Künstlerin Vanessa Beecroft für die
scheint nur eine transmediale, mit Theater, Mode,
Eröffnung des Louis-Vuitton-Stores auf den Champs
Konzept, Performance und Installation spielende
Elysées am 9. Oktober 2005 im Shop eine Performance
Bühne der geeignete Darstellungs- und Vermittlungs-
mit fast nackten Models.701 Ebenso zeichnen sich
ort kategorialer Befreiungen zu sein.
Künstler für Kollektionen kommerzieller Marken verantwortlich, gestalten Shows mit oder machen
92
7.3 Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
Mode zum Thema ihrer Kunst.702 Nicht zu vergessen
Die ersten „Luxusgeschäfte“ für Mode, Weg
finanziell zu unterstützen: Kunstwerke wanderten in
ist, dass zur gleichen Zeit die Mode anfing, Kunst
bereiter späterer Warenhäuser, entstanden Mitte des
die Shops als Teil der Imagebildung einer Marke,
19. Jahrhunderts in den Arkaden und glasüberdachten
ähnlich der Kunstförderung großer Unternehmen.703
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
Auch die nun im Markt erfolgreichen Künstler selbst
der Verkaufsraum alles andere als „modisch“ präsentie-
wurden damit, wie ehemals die Designer, zu gefeierten
ren. Gemeinsam mit dem Architekten Takao Kawa-
Superstars und Unternehmern und setzten den
saki709 konzipierte sie einen mit weißen Kacheln
Medienhype bewusst für sich ein.704
gefliesten, klinisch anmutenden Raum. Die Kleidung
Gilles Lipovetsky und Veronica Manlow erkennen
war spärlich in den Regalen einsortiert oder lag einzeln
in ihrem Aufsatz The „artialization“ of luxury stores in der
ausgebreitet auf ebenfalls weiß gefliesten Tresen.
durch die Vernetzung von Mode, Kunst und Kultur
Später, im Jahr 1982, stattete sie ihre Boutique in
bedingten Transformation von ehemals reinen Verkaufs-
Kyoto710 mit kalter Neonröhren-Beleuchtung und
räumen zu künstlerischen und kulturellen Treffpunk-
Stahlstangen aus, auf denen die wenigen Kleidungs-
ten – sogenannten Hyperstores – ein generell neues
stücke im sterilen Raum verteilt hingen, als würde es
System der Mode, das der Globalisierung entsprungen
sich um exklusive Kunstobjekte handeln (vgl. Abb. 79).
ist: „This is a period for mixing genres and for hybridi-
Mit dem Minimalismus, der Nüchternheit, weißen,
zing art and fashion.“705 Zu erinnern sei dabei an die in
nahezu leeren Räumen, der Sauberkeit und dem
dieser Forschungsarbeit vertretene Auffassung von
Einsatz meist unbehandelter, kalter Materialien wie
Räumen als dehnbaren Gebilden, die sich infolge
Granit und Stahl erinnerten Kawakubos Stores, wie
menschlicher Bewegung, wie sie u.a. die Globalisie-
zahlreiche Boutiquen in Folge, an klassische Gale-
rung oder Migration bzw. Exil in Gang setzten, auch
rien,711 die sich der White-Cube-Prinzipien bedienten.
selbst „bewegen“ und verändern. So erscheint es nur
Bedacht und spärlich im weitläufigen Raum verteilt,
konsequent, dass sich in einem Umfeld von Entgren-
sollte nichts von den ausgestellten Stücken ablenken
zungen auch die Verkaufsräume der Mode, wie das
oder gar auf kommerzielles Handeln verweisen.712
gesamte Fach, anderen Disziplinen zuwenden. Dies
Der Grund einer solchen Inszenierung ist, wie bereits
ist zugleich der Grund für die hier nicht separat
die mit theatralen Mitteln arbeitende Performance
vorgenommene Vorstellung von den Präsentations
gezeigt hat, ein gewollter Erlebnis-Aspekt für den
räumen für Mode wie etwa Museen, Galerien oder
Betrachter.713 Anders allerdings als in der Schau ist der
Shops, zumal mit den angesprochenen disziplinären
Zuschauer im Shop, als Besucher oder unmittelbarer
Überschneidungen auch eine räumlich-methodische
Käufer, dem Objekt (der Begierde) – wie im Museum –
Kreuzung einherging, die eine Grenzziehung erschwe-
körperlich weitaus näher und kann unmittelbar
ren würde.
berauscht und „verführt“ werden. Auf diese Nähe fokussierten sich die Designer der 1990er-Jahre und
7 . 3 . 1 Gal e r i e- Sh o p - Mu s eu m
erarbeiteten mit Museen Ausstellungen, die, anders
„Now that the museum has approached the
als eine elitäre Modenschau, Design einem breiteren
shop, why not let the shop work partly like a
Publikum nahebringen sollten.714 Ausstellungen
museum?“
schienen einen demokratischen Zugang zum Objekt
706
Einer der ersten Räume der Mode, der als eine
zu ermöglichen und dessen Ästhetik und Konzepte in
Art Widerspruch zur klassischen modischen Verkaufs-
einem neutralen Kontext zu vermitteln. Kreatives
inszenierung fungierte, war Kawakubos erster Shop
Modeschaffen konnte sich damit vom Kommerz und
ihrer Marke Comme des Garçons in Tokio von 1976
der Massenmode entkoppelt darstellen, obgleich sein
(Abb. 79).707 Nachdem sie bereits auf den Laufstegen
wesentliches Ziel der Verkauf blieb.
mit Models in zerfetzter, schwarzer Kleidung eine Revolution im Modedesign auslöste,
708
sollte sich auch
Auch Chalayan nutzt in zahlreichen Ausstellungen die verstärkte Interaktion zwischen Betrachter
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
93
und Objekt und erhofft sich durch die museale
Namen ihrer Förderer nicht übergroß an der Wand
Präsentation „[…] eine andere Art des Betrachtens,
angebracht sind, stehen, wie im Vorfeld bereits
durch die man vielleicht auch etwas anderes sieht.“715
erläutert, zahlreiche zeitgenössische Künstler unter
In der Arbeit Micro Geography – A Cross-Section von
Vertrag bei Modehäusern, von denen sie gesponsert
2009, ausgestellt im Museum Boijmans Van Beuningen
oder anderweitig unterstützt werden. Dass also auch
in Rotterdam,716 zeigte er in einer gläsernen Beobach-
Künstler wie Designer die Balance zwischen Kreativi-
tungsbox eine sich stets um die eigene Achse dre-
tät und Kommerz durch die Verbindung mit der
hende Modepuppe (Abb. 80). Zweige und anderes
Wirtschaft halten, ist Usus. Branding oder Identitäts-
Gewächs um die Figur sowie ihr anstelle von Sonne
bildung ist ein Phänomen, das die gesamte mediendo-
mithilfe einer Infrarotlampe erwärmtes Gesicht,
minierte Informationsgesellschaft betrifft und damit
verweisen auf einen komprimierten Lebensraum ohne
nicht nur von der Industrie, sondern ebenso von
genauere Anhaltspunkte. Chalayans Idee war es, einen
Künstlern und Museen in Anspruch genommen wird.720
„gelatineartigen“ Raum zwischen Luft, Erde und
größerer Marken, wie Galerien im Übrigen auch,
verbinden, jegliches Distanzgefühl abschaffen und auf
gerade mit der Überführung der musealen Auratisie-
eine stete Bewegung und Allgegenwart in verschiede-
rung in ihre Verkaufsräume721 umso mehr zum Konsum
nen Zeiten und Räumen hinweisen soll.717 Dass dieses
verführen. Die Nähe zu den Stücken geht nämlich mit
Objekt mithin im musealen Rahmen richtig platziert
der gleichzeitigen Distanz zu den einzeln verteilten
ist, erklärt sich aus den den meisten künstlerischen
und oft hinter Glas befindlichen Arbeiten einher, was
Projekten Chalayans innewohnenden komplexen
ein Gefühl der Entrückung, aber auch der Exklusivität
gesellschaftlichen Konzepten, die bereits in ihrer
und Kostbarkeit gegenüber den Exponaten im Be-
Paarung mit Design und seiner Überführung zur Kunst
trachter hervorrufen soll.722 So auch, wenn die Innen-
ein disziplinäres Grenzgängertum formulieren, das
architektur jener Moderäume bis heute mit inszenier-
zwangsläufig nach ebenfalls hybriden Darstellungsräu-
ter Kälte, Leere und Sauberkeit eine Art Entfremdung
men verlangt.
schafft, die eigentlich das Essenzielle, Perfekte oder
Dennoch scheint gerade in Ausstellungen zum
94
Tatsache bleibt aber ebenso, dass die Shops
Wasser zu erschaffen, der alle Segmente miteinander
Harmonie meint – Empfindungen und Eindrücke, die in
Thema Mode der kommerzielle Aspekt strenger
ihrer Summe letztlich für Luxus und damit wieder
beäugt zu werden, als es der Fall in klassischen
Konsum stehen.723 Gerade also mithilfe der sehr
Ausstellungen ist. Der Journalist Tom Dyckhoff
zeitgenössischen, „modernen“, museal inspirierten
monierte an Chalayans Retrospektive im Design
Innenarchitektur werden Boutiquen zu einer Mischung
Museum in London (2009) das sehr auffällige Logo des
aus geheimnisvollem Forschungslabor und schickem
berühmten Sportartikelherstellers Puma und gleichzei-
Designraum, was schließlich eine Rückkehr der mit der
tigen Sponsors der Ausstellung,718 mit dem Chalayan
Kunst verbrüderten Mode zu sich selbst impliziert.724
seit Jahren eine Kooperation pflegt.719 Das Museum
Dies würde interessanterweise im Umkehrschluss
würde durch die offensichtliche Werbung einen
zugleich bedeuten, dass auch das Museum sowie die
Store-Charakter erhalten und wäre nicht mehr eindeu-
ohnehin an Gewinn interessierte Galerie mit ihren als
tig von der Mode trennbar. Dabei scheint Dyckhoff
unnahbar und verführerisch inszenierten Exponaten –
eben diese enge Zusammenarbeit von zeitgenössi-
genau wie die Mode – im Namen von Konsum han-
schen Künstlern und der Modebranche in den vergan-
deln. So gesehen wäre das Museum einer Modebou-
genen 20 Jahren übersehen zu haben. Auch wenn die
tique ähnlicher als traditionell angenommen.
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
7 . 3 . 2 Im Sto re: Ei n e Mi kro geo grafi e,
Ausstellungsräume, wo Puppen eine inszenierte
v i e l e He i maten
Wässerung der Pflanzen vornehmen (vgl. Abb. 82).
Was würde passieren, wenn Design-Stores von
Ein Blick auf die Kleidung, die von den Oliven auf
der auratischen Distanz zu den im Raum als Kunstwerke
ihrer Reise vom Laufsteg in diesen sehr speziell einge-
inszenierten Kleidungsstücken absehen würden? Die
richteten Verkaufsraum begleitet wird, bietet eine Er-
auf den ersten Blick widersprüchliche Kunst-Mode-Ver-
klärung für das innenarchitektonische Konzept uner
schmelzung innerhalb luxuriöser Design-Stores betrifft
warteter geografischer und kultureller Transgressionen.
nicht allein sterile und unnahbare Inszenierungsstrate-
Die im Store zeitweilig verkaufte Kollektion Temporal
gien von Galerien. Chalayans erster Flagship-Store in
Meditations (Frühling/Sommer 2004) berichtet, wie das
Tokio von 2004
725
präsentiert sich nicht als White Cube
Geschäft selbst, von der Idee einer Zusammenkunft
(Abb. 81). Zwar ist der Raum sehr weitläufig und offen
widersprüchlicher Orte und Zeiten (Abb. 83). Im ersten
und die Gegenstände darin sind gut verteilt, doch in
Moment als verspielte Rüschenkleider mit hawaiianisch
Material, Anordnung der Elemente und Farben weitaus
inspiriertem, grünlichem Palmen-Muster wirkend, geben
wärmer und zugänglicher. So erscheint das dunkle
die Textiloberflächen bei näherem Hinsehen eine
Holzparkett im Kontrast zu den weißen, aus Kunststoff
unerwartete Überraschung preis: Keine romantische,
bestehenden Wänden fast antiquarisch und abgenutzt.
sondern eine antike zypriotische Kriegsszene zwischen
Außerdem lassen zwei grobe, dunkel lackierte Holz
Venezianern und Osmanen ziert die Stoffe.726 Dabei
pfähle, verbunden durch ein dickes, lose hängendes
spielt sich der Kampf in einer offenbar zeitgenössischen
Bootstau an einen eher unmodernen, provisorischen
Umgebung mit modernen Hotelgebäuden und Flugzeu-
Wäscheständer denken. Die daran aufgehängte Klei-
gen ab.727 Die farbenfroh illustrierte Vereinigung wider-
dung wirkt, umsäumt von zahlreichen in der Boutique
sprüchlicher historischer und kultureller Gegebenheiten
aufgestellten Olivenbäumen und der an einer Stelle im
im Kleid, ebenso wie die Verlegung des aus dem Mittel-
Boden angebrachten, zum Spiel aufrufenden Backgam-
meerraum entnommenen und in neue Biotope übertra-
mon-Platte, fast wie ein Wohnzimmer innerhalb eines
genen Olivenbaumes geschehen stets in Reminiszenz an
mediterranen, begrünten Atriums. An die Stelle von
die Insel Zypern, dem Ort der Kindheit Chalayans. Sein
Unnahbarkeit und Auratisierung, wie sie Kawakubo für
das gesamte Œuvre begleitender Wunsch, Dissonanzen
sich beansprucht, tritt hier eine vertraulichere Atmo-
und vermeintliche Gegensätze in den Arbeiten miteinan-
sphäre. Die widersinnige Verpflanzung – von der Mode
der zu verbinden, gehen, neben seinem von Vielfalt
hin zur Kunst oder umgekehrt – meint hier in materiel-
gezeichneten Leben in London, auf ein historisch
ler Hinsicht vor allem die Einwanderung der typisch
hybrides Milieu der griechisch-türkischen Insel zurück,
mediterranen Artefakte in den Store nach Tokio.
das nicht nur in seiner jüngsten Vergangenheit von
Insbesondere der Olivenbaum, das Symbol des Mittel-
Kriegen und politischen Spaltungen zu berichten hatte.
meerraumes und lebender Organismus, lässt Zweifel an
Schon immer ein strategisches Bindeglied zwischen Ost
der Möglichkeit eines Überlebens in anderen klimati-
und West, wurde die Insel über Jahrhunderte von
schen Bedingungen aufkommen. Und doch scheint das
zahlreichen Kulturen bevölkert: Griechen, Byzantiner,
Bäumchen nicht nur in Tokio zu gedeihen (vgl. Abb. 81).
Franken, Venezianer, Osmanen und in jüngster Ge-
Sowohl in Chalayans Londoner Atelier steht der son-
schichte die Briten bis zur Entkolonialisierung und
nenbedürftige Baum, wie er auch den Steg der Moden-
Spaltung der Insel in Nord- und Südzypern.728 Auch der
schau zur Kollektion Blindscape (2005) in Paris säumt
Tourismus, der seit der britischen Kolonialherrschaft und
(Abb. 82). Schließlich wandert er in verschiedene
insbesondere nach der Unabhängigkeit 1960 an Bedeu-
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
95
tung gewonnen hatte, veränderte die Insel durch eine
damit, den in diesem Fall architektonischen Raum
neben dem Altbestand an historischer Architektur in
(symbolisch) für andere Räume und Einflüsse zu öffnen.
kürzester Zeit ausgebaute touristische Infrastruktur.729 Die kulturelle und architektonische Mischung erzeugte eine einzigartige, aus gleichzeitigen Pluralitä-
fisch-räumlich diffuser Räume, wie sie Ludger Pries als
ten zusammengewachsene Umgebung, wie sie
transnationale soziale Räume infolge von Migrations-
Chalayan in seinen künstlerischen Arbeiten wie Micro
prozessen am Ende des 20. Jahrhunderts734 erkannte.
Geography – A Cross-Section (vgl. Abb. 80) oder der
Auch Lipovetsky und Manlow konstatierten in Bezug
Kleidung und damit auch den Räumen, in denen sie
auf die Vielfalt kommunizierenden Verkaufsräume der
exponiert werden, immer wieder von Neuem verbild-
Mode im Kontext ihres Umfeldes: „Even the aesthetics
licht. Es überrascht daher nicht, dass das für den
of luxury stores are an illustration of a generalized
japanischen Store beauftragte Londoner Architektur-
process of deregulation, heterogenization and pluralism
büro Block Architecture den Entwurf des Verkaufsrau-
of styles, typical of the hypermodern age.“735
mes auf Chalayans Wunsch zurückführt, kulturelle
Der Verkaufsraum ist mitsamt jeder einzelnen
Delokalisierung, Reise und Zeitlosigkeit innerhalb eines
Hülle des Menschen – der Haut, Kleidung und Archi-
einzigen Raumes zu verbildlichen.730 Das zypriotische
tektur – eine Umgebung, die selbst Teil eines komple-
Backgammon-Brett, Flugzeugelemente, die Wäsche-
xen, u.a. von Exil, Krieg und Migration berichtenden
leine, Olivenbäume, eine der warmen, trockenen Insel
größeren Umfeldes ist. Das „Overall-Design“, wichtiges
entlehnte Verschmelzung von Innen- und Außenraum
Grundprinzip der Ausstattung von Boutiquen im
innerhalb der Großstadt Tokio wollen allesamt aber
Einklang mit dem Label, mit dem Ziel eine allumfas-
nicht „entrücken“. Es ist kein Hinweis auf Distanz
sende Wahrnehmung des Gezeigten zu ermöglichen
wahrzunehmen. Im Gegenteil macht sich der inten-
und das Gestaltete als Teilelement eines Gesamtkunst-
dierte „Charm“731, den der Raum mitsamt seinen urig
werkes736 – etwa eines Environments – zu verstehen,
wirkenden Artefakten erreicht, in Form einer Einladung
bietet sich als entsprechendes Vorgehen für die
zum Verweilen bemerkbar. Obgleich es sich keineswegs
Verbildlichung der vielen verschiedenen, den Men-
um einen Raum für einen längeren Aufenthalt handelt,
schen umgebenden Schichten an. In wiederholter
wird der architektonisch das Innen und Außen wieder-
Reminiszenz an die avantgardistische Verknüpfung von
gebende Raum durch seine konzeptuelle und stilistische
Kunst und Leben geht das zuerst im Kleid, dann in der
Vermengung von Einflüssen zu einem Mini-Environ-
Glasbox-Installation und schließlich auf der Bühne
ment der großstädtischen Vielfalt an künstlerischen und
enthaltene plurale Milieu in ein architektonisch
kulturellen Zugehörigkeiten und des selbst hybriden,
formuliertes, erweitertes „Land aller“737 über, eine
von „gleichzeitigen Ungleichzeitigkeiten“732 berichten-
Geografie, die es so nicht wirklich geben kann. Die den
den Milieus Zyperns. Der Olivenbaum nimmt dabei die
ersten Einkaufsgalerien des 19. Jahrhunderts inne-
Rolle eines Bindegliedes ein, das auf seiner Reise aus
wohnende Idee, „eine Stadt, ja eine Welt im kleinen“738
Zypern, in das Londoner Atelier, über den Pariser
darstellen zu wollen, wird um die Realität einer von
Laufsteg hin zur Ausstellung in Istanbul und schließlich
Migrationen gezeichneten Großstadt des 21. Jahrhun-
zum japanischen Verkaufsraum die Welten miteinander
derts erweitert. Im Kleid, im Objekt, auf der (Mode-)
verbindet und in einen neuen Raum überführt. Als
Bühne und schließlich im Store formuliert sich ein
Pflanze kann er nicht festgehalten werden, er wächst,
grundsätzlich alle Räume ad absurdum führender
überschreitet physische Grenzen
96
Das Überall-Sein erscheint zur gleichen Zeit am gleichen Ort möglich – ein Bild postmoderner, geogra-
733
und schafft es
„dritter“ Raum disziplinärer und kultureller Vielfalt.
Mode im „dritten“ Inszenierungsraum. Schauplätze für grenzg ängerisches Design
Tafelteil Vorbemerkung: Die Leserichtung der angegebenen Titel bei mehr als einer (unter einer Abbildungsnummer erfassten) Abbildung erfolgt bei horizontaler Anordnung von links nach rechts sowie bei vertikaler Anordnung von oben nach unten. Mit Sternchen markierte Abbildungen wurden von der Verfasserin zusammengestellt.
Abb. 1: Hussein Chalayan, The Tangent Flows, Diplomkollektion, 1993, Baumwolle und Rost, Fotografie: Adrian Wilson
Abb. 2: Hussein Chalayan, The Tangent Flows, Diplomkollektion, 1993, Fotografie: Adrian Wilson
Abb. 3: Hussein Chalayan, Medien und Disziplinen übergreifender Studien- und Arbeitsprozess für The Tangent Flows, Diplomkollektion, 1993, Fotografien: Hussein Chalayan / Unbekannt (äußerste Abbildung rechts)*
Tafelteil
97
Abb. 4: Hussein Chalayan, Sakoku, Frühling/Sommer 2011, Papier, Bleistift, Filzstifte*
Abb. 5: Hussein Chalayan, Airborne, Herbst/Winter 2007, Papier, Bleistift, Filzstifte*
98
Tafelteil
Abb. 6: Hussein Chalayan, Grains and Steel, Herbst/Winter 2008, Papier, Filzstift*
Abb. 7: Hussein Chalayan, Medea, Frühling/Sommer 2002, Papier, Bleistift
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
99
Abb. 8: Hussein Chalayan, Blindscape, Frühling/ Sommer 2005, Papier, Bleistift
Abb. 9: Hussein Chalayan, Blindscape, Frühling/Sommer 2005, Papier, Bleistift*
Abb. 10: Hussein Chalayan, Scent of Tempests, Herbst/ Winter 1997, Papier, Bleistift, Kugelschreiber
100
Tafelteil
Abb. 11: Aude Van Ryn, [o.T.], 1997, Papier, Bleistift, The Royal College of Art Record of Student Work, 1960–2002
Abb. 12: Hussein Chalayan, Between, Frühling/Sommer 1998, Papier, Bleistift, Kugelschreiber*
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
101
Abb. 13: Hussein Chalayan, The Tangent Flows, Diplomkollektion, 1993, Mixed Media (Papier, Kugelschreiber, Collage)
Abb. 14: Hussein Chalayan, The Tangent Flows, Diplomkollektion, 1993, Mixed Media (Papier, Kugelschreiber, Tusche, Collage)
102
Tafelteil
Abb. 15: Hussein Chalayan, [o.T.], studentische Arbeit, 1992, Mixed Media
Abb. 16: Russell Mills, Roger Eno, Between Tides (Land Records), 1998, Covergestaltung, Co-Design von Dave Coppenhall, Mixed Media
Abb. 17: Robert Rauschenberg, Rebus, 1955, Mixed Media (Öl, Farbe auf der Grundlage synthetischer Polymere, Bleistift, Kreide, Pastellfarben, ausgeschnittenes, geklebtes und bemaltes Papier, enthalten eine Zeichnung von Cy Twombly, Textil auf Leinwand), drei verbundene Platten, 243,8 x 333,1 x 4,44 cm, Museum of Modern Art (MoMA), New York, Inv. Nr.: 243.2005.a–c
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
103
Abb. 18: Hussein Chalayan, Ambimorphous, Herbst/Winter 2002, Screenshot der Showaufnahme (Bild oben) / Showfotografien (Bild Mitte und unten): Chris Moore*
104
Tafelteil
Abb. 19: Hussein Chalayan, Nothing, Interscope, Frühling/Sommer 1996, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 20: Hussein Chalayan, Panoramic, Herbst/Winter 1998, verpixelte Landschaftsfotografien: Chris Levine
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
105
Abb. 21: Hussein Chalayan, Cartesia, Herbst/Winter 1994, Seide und Rost
Abb. 22: Dan Dempster, Vorteil, frühe 1990er-Jahre, Rost auf Stahlplatte, 32,7 x 30,3 cm
Abb. 23: Martin Margiela, Red Bacteria (No. 1) und Pink Yeast (No. 3), 1997, Bakterien und Schimmelpilze auf Baumwollstoffen, Fotografien: Bob Goedewaagen
106
Tafelteil
Abb. 24: Hussein Chalayan, Absent Presence, 2005, Filminstallation für den türkischen Pavillon anlässlich der 51. Biennale in Venedig (12. Juni–6. November 2005), Dauer: 00:12:53, Filmstills: Alessandra Scherillo
Abb. 25: Marc Quinn, Self, 1991, Blut (des Künstlers), Edelstahl, Plexiglas, Kühlaggregat, 208 x 63 x 63 cm, Fotografie: Marc Quinn studio
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
107
Abb. 26: Hussein Chalayan, Ventriloquy, Frühling/Sommer 2001, Zuckerglas, Showfotografie (Ausschnitt): Chris Moore
Abb. 27: Hussein Chalayan, Airmail Jacket aus der Kollektion Cartesia, Herbst/Winter 1994, Tyvek, Fotografie: Jochen Manz
108
Tafelteil
Abb. 28: Hussein Chalayan, One Hundred and Eleven, Frühling/Sommer 2007, Fotografie: Warren Du Preez/ Nick Thornton Jones
Abb. 29: Paco Rabanne, Aluminium Dress, 1966, Aluminium und Stahl, Länge: 65 cm, Museo del Traje. CIPE, Madrid, Inv. Nr.: MT092637
Abb. 30: Hussein Chalayan, Before Minus Now, Frühling/Sommer 2000, Tüll unter Kunstharzkleid, Showfotografie: Chris Moore
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
109
Abb. 31: Hussein Chalayan, Before Minus Now, Frühling/Sommer 2000, Tüll gelasert, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 32: Hussein Chalayan, Arbeitsskizzen zu Before Minus Now, Frühling/Sommer 2000, Mixed Media
110
Tafelteil
Abb. 33: Hussein Chalayan, Arbeitsplan und Skizzen zu den Transformationsstufen der Kleidungsstücke für Genometrics, Herbst/Winter 2005
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
111
Abb. 34: Hussein Chalayan, Holzbustier von Paul Swan Topen für Along False Equator, Herbst/Winter 1995, Mahagoni und Metall, 114,3 x 39,4 cm, The Kyoto Costume Institute, Kyoto, Inv. Nr.: AC9268 95-42, Fotografie: Takashi Hatakeyama
Abb. 35: Issey Miyake, Drahtbustier, 1983, Fotografie: Daniel Jouanneau
112
Tafelteil
Abb. 36: Hussein Chalayan, Anaesthetics, 2004, Installation aus dem gleichnamigen Film, B-Side, Spring Projects, London (17. September–23. Oktober 2010), gerahmtes Baumwoll- und Seidenchiffonkleid, Fotografie: Noah da Costa
Abb. 37: Shinichiro Arakawa, Dress (presented in a frame), Herbst/ Winter 1999, Wolltwill, The Kyoto Costume Institute, Kyoto, Inv. Nr. AC9773, Fotografie: Takashi Hatakeyama
Abb. 38: Joseph Beuys, Filzanzug, 1970, Filz genäht, gestempelt, ca. 182 x 85 x 5 cm, Museum Schloss Moyland, Sammlung van der Grinten, Bedburg-Hau, Inv. Nr.: MSM 02145l, Fotografie: Maurice Dorren
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
113
Abb. 39: Hussein Chalayan, Between, Frühling/Sommer 1998, Designprozessfotografie: Donald Christie
Abb. 40: Hussein Chalayan, Between, Frühling/Sommer 1998, Showfotografien (Ausschnitte): Chris Moore*
114
Tafelteil
Abb. 41: Hussein Chalayan, Manifest Destiny, Frühling/Sommer 2003, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 42: Hussein Chalayan, Echoform, Herbst/ Winter 1999, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 43: Toyo Ito, Omotesando Building, 2002–2004, Glasstruktur, Tokio, Fotografie: Nacása & Partners Inc.
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
115
Abb. 44: Gordon Matta-Clark, Conical Intersect, 1975, zerstörtes Gebäude, Paris, Fotografie: Marc Petitjean
Abb. 45: Hussein Chalayan, Manifest Destiny, Frühling/Sommer 2003, Papier, Bleistift, Filzstift
Abb. 46: Rachel Whiteread, House, 1993, Beton, zerstörte Plastik, Auftrag und Produktion: Artangel, Fotografie: Susy Omerod
116
Tafelteil
Abb. 47: Hussein Chalayan, Between, Frühling/Sommer 1998, Showfotografien: Chris Moore*
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
117
Abb. 48: Hussein Chalayan, Sakoku, Frühling/Sommer 2011, Film und Filmstills der Show*
Abb. 49: Shigeru Ban, Curtain Wall House, 1993–1995, Itabashi, Tokio, Fotografie: Hiroyuki Hirai
118
Tafelteil
Abb. 50: Hussein Chalayan, Afterwords, Herbst/Winter 2000, Showfotografien: Chris Moore*
Abb. 51: Farsen/Schöllhamer, Meister Eder, 2007, gefräster und geschäumter Kunststoff CNC, Fotograf: Andreas Velten
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
119
Abb. 52: Hussein Chalayan, Repose, Herbst/Winter 2006, Showfotografien: Chris Moore*
Abb. 53: Hussein Chalayan, Echoform, Herbst/Winter 1999, Showfotografie: Chris Moore
120
Tafelteil
Abb. 54: Hussein Chalayan, Geotropics, Frühling/Sommer 1999, Installation, Istanbul Modern, Istanbul (15. Juli–24. Oktober 2010), Chrom und Gussplastik, Fotografie: Luke Hayes
Abb. 55: Robert Filliou, La Valise. Research in Dynamics and Comparative Statics, 1972–1973, Mixed Media, 30,7 x 49,6 x 12,5 cm, Sammlung Andersch, Neuss
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
121
Abb. 56: Hussein Chalayan, Geotropics, Frühling/Sommer 1999, Polyester und Ramie, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 57: Hussein Chalayan, Approaching, Edition Ruckstuhl 2013, Viskose und Schurwolle, mind. 195 x 130 cm, max. 400 x 266 cm
Abb. 58: Hussein Chalayan, On Its Way, Edition Ruckstuhl 2013, Schurwolle, mind. 195 x 130 cm, max. 400 x 266 cm
122
Tafelteil
Abb. 59: Tapisserie der Webereiwerkstatt Bauhaus Dessau, entstanden vermutlich unter der Leitung von Gunta Stölzl, späte 1920er-Jahre, Wolle, Baumwolle, Zellophangarn, Ösen, Aluminiumetikett mit dem Logo „Bauhaus Dessau“, 69,5 x 107,5 cm
Abb. 60: Hussein Chalayan, Kaikoku, Herbst/Winter 2011, Glasfaser und Polyesterharz, Dauer: 00:03:00, Screenshots der Showaufnahme
Abb. 61: Jana Sterbak, Remote Control I, 1989, Aluminium, Leinwand, motorisierte Räder, Batterien, Video, Höhe: 150 cm, Durchmesser: 195 cm, Filmstill
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
123
Abb. 62: Kimsooja, Deductive Object, 1993, gebrauchte bunte Betttücher und Kleider zu Bündeln geschnürt, Ise Art Foundation, New York
Abb. 63: Hussein Chalayan, Airmail Dress, 1999, Tyvek, Fotografie: Matthew Pull
124
Tafelteil
Abb. 64: Hussein Chalayan, Before Minus Now, Frühling/ Sommer 2000, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 65: Hussein Chalayan, Repose, 2006, Installation, Swarovski Crystal Palace, Salone Internationale del Mobile, Mailand (2006)*
Abb. 66: Hussein Chalayan, Place to Passage, 2003, Film, erstmals gezeigt in The Truman Brewery, London (Oktober 2003), Dauer: 00:12:40, Filmstill: Neutral London
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
125
Abb. 67: Vivienne Westwood, Anglomania, Herbst/Winter 1993, Showfotografie: Niall McInerney
Abb. 68: Lucile, Modenschau, 1914, Paris, Fotografie: Randy Brian Bigham
Abb. 69: Hussein Chalayan, Dolce Far Niente, Frühling/Sommer 2010, Screenshots der Showaufnahme
126
Tafelteil
Abb. 70: Hussein Chalayan, Bühne für die Show Afterwords, Herbst/Winter 2000, Screenshots der Showaufnahme
Abb. 71: Kasimir Malewitsch, Bühnenbildentwurf zu Sieg über die Sonne (2. Akt, 5. Bild), 1913, Bleistift auf Papier, 21,5 x 27,5 cm, Staatliches Theater- und Musikmuseum, St. Petersburg, Inv. Nr. KP 5199/166, Fotografie: Vilij Onikul
Abb. 72: Hussein Chalayan, Weiße Overalls in Afterwords, Herbst/Winter 2000, Screenshots der Showaufnahme
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
127
Abb. 73: Hussein Chalayan, Weiße Overalls in Geotropics, Frühling/Sommer 1999, Screenshots der Showaufnahme
Abb. 74: Alexander Rodtschenko, Schutzanzug, Kostümentwurf für die Komödie Die Wanze, 1929, Zeichnung, Buntpapier, kaschiert, Deckweiß, Tusche, Bleistift, 42 x 29 cm
128
Tafelteil
Abb. 75: Wsewolod Meyerholds Inszenierung von Wladimir Majakowskis Drama Das Schwitzbad, Die Abreise der Auserwählten mit der Zeitmaschine in die futuristische Zukunft, 6. Akt, 1930, Moskau
Abb. 76: Hussein Chalayan, akustische Gestaltung der Modenschauen mit halb durchsichtigen Planen und Schattenspiel in Afterwords, Herbst/Winter 2000 und Echoform, Herbst/Winter 1999, Showfotografie (Bild links): Chris Moore / Screenshot der Showaufnahme (Bild rechts)
Abb. 77: Hussein Chalayan, Aufgereihte Models in Panoramic, Herbst/Winter 1998, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 78: Hussein Chalayan, Between, Frühling/Sommer 1998, Showfotografie: Chris Moore
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
129
Abb. 79: Rei Kawakubos erste Shops der Marke Comme des Garçons, 1976, im From First Building, Tokyo (Bild links) und 1982, im Kyoto Bal, Kyoto (Bild rechts)*
Abb. 80: Hussein Chalayan, Micro Geography – A Cross-Section, 2009, Installation Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam (19. September 2009–10. Januar 2010), Fotografie: Hans Wilschut
130
Tafelteil
Abb. 81: Hussein Chalayans erster Flagship-Store aus der Zusammenarbeit mit Block Architecture (London), 2004, Tokio
Abb. 82: Olivenbäume in Chalayans Londoner Studio, der Show zur Kollektion Blindscape, Frühling/Sommer 2005 und der Installation zur gleichen Kollektion, Istanbul Modern, Istanbul (15. Juli–24. Oktober 2010), Fotografien (Ausschnitte): Harry Borden (Bild links) / Chris Moore (Bild Mitte) / Fatih Metin Demirkol (Bild rechts)*
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
131
Abb. 83: Hussein Chalayan, Temporal Meditations, Frühling/Sommer 2004, Installation, Istanbul Modern, Istanbul (15. Juli–24. Oktober 2010), Fotografie (Bild oben): Luke Hayes / Stoffmusterdetail und Design (Bild unten): Hussein Chalayan*
132
Tafelteil
Abb. 84: Hussein Chalayan, Temporal Meditations, Frühling/Sommer 2004, Vogue (US) 2004, Fotografie: Mert Alas/Marcus Piggott
Abb. 85: Hussein Chalayan, Temporal Meditations, Frühling/Sommer 2004, Dazed & Confused 3 (2004), Fotografie: Sofia Coppola
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
133
Abb. 86: Jacques-Louis David, Madame Récamier, 1800, Öl auf Leinwand, 173 x 243 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv. Nr.: 3708
Abb. 87: Hussein Chalayan, Diplomkollektion, 1993, Fotografie: Adrian Wilson
134
Tafelteil
Abb. 88: Hussein Chalayan, Fragmentation, Lichtprojektionen, Dazed & Confused 9 (1998), Mode: Alison Lapper, Fotografie: Nick Knight
Abb. 89: Juergen Teller, Kristen McMenamy, 1996, London
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
135
Abb. 90: Hussein Chalayan, Of Light, Make-up-Lichtprojektionen, N°C (A Magazine) 2002, Fotografie: Nick Knight
Abb. 91: Hussein Chalayan, Cover von N°C (A Magazine) 2002, Fotografie
136
Tafelteil
Abb. 92: Philip Green, Vogel mit Wäscheklammern, Fotografie, u.a. in einer angeschnittenen Version für das Cover von Six 4 (1989) benutzt
Abb. 93: Mike Thomas, The Difference is Clear, Dazed & Confused 1998, Digitalfotografie, Styling: Cathy Edwards, Kleidung: Hussein Chalayan
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
137
Abb. 94: Hussein Chalayan, Ventriloquy (Frühling/Sommer 2001), computeranimierter Film für die Show zur Kollektion, Dauer: 00:04:30, gezeigt in den Gainsborough Studios, London (27. September 2000), Film: Me Company, Screenshots
138
Tafelteil
Abb. 95: Hussein Chalayan, Compassion Fatigue, 2006, Film mit Kleidern der Kollektion Heliotropics (Frühling/Sommer 2006), Dauer: 00:04:27, erstmals gezeigt in der Garanti Galeri, Istanbul (Januar–März 2006), Filmstill
Abb. 96: Hussein Chalayan, Anaesthetics, 2004, Film, Dauer: 00:22:22, gezeigt u.a. im Moderna Museet, Stockholm (September 2004) und Temporal Meditations, 2004, Film, Dauer: 00:21:05, gezeigt u.a. im Palais du Tokyo, Paris (Juli 2003), Filmstills*
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
139
Abb. 97: Hussein Chalayan, Readings (Frühling/Sommer 2008), Film zur Kollektion, Dauer: 00:10:02, gezeigt in der Galerie Magda Danysz, Paris (3. Oktober 2007), Film: SHOWStudio, Screenshots*
140
Tafelteil
Abb. 98: Hussein Chalayan, Airborne (Herbst/Winter 2007), Installation – Mannequin mit Kleid aus der Kollektion, Istanbul Modern, Istanbul (15. Juli–24. Oktober 2010), Fotografie (Ausschnitt): Luke Hayes
Abb. 99: Hussein Chalayan, Nothing, Interscope, Frühling/Sommer 1996 mit Naomi Filmers Mundschmuck Mouth Bar, Showfotografie (Bild links): Chris Moore / Fotografie (Bild rechts): Gavin Fernandes*
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
141
Abb. 100: Valérie Belin, Black Women I: (Untitled), 2001, Silbergelatineabzug, 161 x 125 cm
Abb. 101: Valérie Belin, Black Women II: Métisses (Untitled), 2006, Pigmentdruck, 125 x 100 cm
Abb. 102: Hussein Chalayan, Medea, Frühling/Sommer 2002, Showfotografien (Ausschnitte): Chris Moore*
142
Tafelteil
Abb. 103: Hussein Chalayan, Earthbound, Herbst/Winter 2009, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 104: Italienisches Korsett, um 1770, Seide, The Metropolitan Museum of Art, The Costume Institute, New York, Inv. Nr.: C.I.40.173.6a–e, Fotografie: Karin L. Willis, The Photograph Studio
Abb. 105: Vivienne Westwood, Herbst/Winter-Kollektion 1991, Showfotografie: Niall McInerney
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
143
Abb. 106: Hussein Chalayan, Reduction Room, 1999, Fotografie: Marcus Tomlinson
Abb. 107: Hussein Chalayan, Absent Presence, Filminstallation für den türkischen Pavillon anlässlich der 51. Biennale in Venedig, 2005, Dauer: 00:12:53, Fotografie: Thierry Bal
Abb. 108: Hussein Chalayan, Place to Passage, 2003, Film, erstmals gezeigt in The Truman Brewery, London (Oktober 2003), Dauer: 00:12:40, Filmstill: Luke Hayes
Abb. 109: Hussein Chalayan, Anaesthetics, 2004, Film, gezeigt u.a. im Moderna Museet, Stockholm, (September 2004), Dauer: 00:22:22, Filmstill
144
Tafelteil
Abb. 110: Hussein Chalayan, Afterwords, Herbst/Winter 2000, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 111: Timothy Greenfield-Sanders, Leo Castelli, für den Comme des Garçons Homme-Katalog 1986
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
145
Abb. 112: Hussein Chalayan, Between, Frühling/Sommer 1998, Showfotografie (Ausschnitt): Chris Moore
Abb. 113: Hussein Chalayan, Between, Frühling/Sommer 1998, Showfotografie: Chris Moore
146
Tafelteil
Abb. 114: Martin Margiela, Frühling/ Sommer-Kollektion 1996, Fotografie: Marina Faust
Abb. 115: Thorsten Brinkmann, Drune Quoll, 2007, C-Print/Spanplatte, 76 x 59 cm
Abb. 116: Hussein Chalayan, Panoramic, Herbst/Winter 1998, Showfotografien (Bild rechts: Ausschnitt): Chris Moore*
Abb. 117: Hussein Chalayan, Compassion Fatigue, 2006, Film, erstmals gezeigt in der Garanti Galeri, Istanbul (Januar–März 2006), Dauer: 00:04:27, Filmstills
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
147
Abb. 118: Hussein Chalayan, Blindscape (Frühling/Sommer 2005), Installation – Mannequin mit Kleid aus der Kollektion, Istanbul Modern, Istanbul (15. Juli–24. Oktober 2010), Fotografie (Ausschnitt): Fatih Metin Demirkol
Abb. 119: Hussein Chalayan, Geotropics, Frühling/Sommer 1999, Glasfaserkonstrukt, Fotografie (Ausschnitt): Robyn Beck/ AFP/Getty Images
148
Tafelteil
Abb. 120: Honoré Daumier, Emotions Parisiennes, Detail, handkolorierte Lithografie, veröffentlicht in Charivari, 7. Februar 1840, The Metropolitan Museum of Art, Drawings and Prints, New York, Inv. Nr.: 62.650.258
Abb. 121: Hussein Chalayan, Ventriloquy, Frühling/Sommer 2001, Showfotografie: Chris Moore
Abb. 122: Oskar Schlemmer, Figurinen-Plan für Das Triadische Ballett, 1926
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
149
Abb. 123: Hussein Chalayan, One Hundred and Eleven, Frühling/Sommer 2007, Showfotografien: Chris Moore*
Abb. 124: Hussein Chalayan, Aeroplane Dress, 1999, Film, Dauer: 00:02:03, Film und Fotografien: Marcus Tomlinson
150
Tafelteil
Abb. 125: Hussein Chalayan, Readings, Frühling/Sommer 2008, Laserprojektion und Fotografie: Moritz Waldemeyer
Abb. 126: Giacomo Balla, Lampada ad arco, 1909, Öl auf Leinwand, 174,7 x 114,7 cm, Museum of Modern Art (MoMA), New York, Inv. Nr.: 7.1954
Der Store als Ort widersinniger Verpflanzungen
151
Abb. 127: Umberto Boccioni, Forme uniche della continuità nello spazio, 1913, (Guss von 1931), Civiche Raccolte d’Arte, Mailand
Abb. 128: Hussein Chalayan, Inertia, Frühling/Sommer 2009, Latex, Showfotografie: Yannis Vlamos
152
Tafelteil
zwischen Designer und Konsumenten. Grundlegend bedeutet für den Endverbraucher die Vermittlung von Mode über einen flächigen Bildträger den Verlust von Dreidimensionalität, Haptik und Geruch. Mittels
8. Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode Wie vorausgehend in Kapitel 7 erläutert, bedarf
der zweidimensionalen Darstellung verändern sich allerdings nicht nur das „Bild“ des Kleides, sondern auch die Botschaften und Gedanken einer Kollektion. Dank einer entsprechenden Aufbereitung und Inszenierung des Originals können Ideen verstärkt, verändert und/oder manipuliert werden. Ob der Designer selbst oder die Presse hinter einem Auftrag an Fotografen oder Filmemacher steht, bestimmt die Aufbe-
Mode, im Rahmen der ihr zugrundeliegenden Per
reitung des Bildes mitsamt der inhaltlichen Konstruk-
formativität, der Räume, um überhaupt als Mode
tion um das Gezeigte, wovon schlussendlich auch die
wahrgenommen werden zu können. Dabei greift sie
Perzeption der Mode durch den Konsumenten
auf eine Vielzahl von Darstellungsräumen zurück,
beeinflusst wird.
die möglichst einen samt seiner Kleidung in Bewegung
Dass Mode ein Mitteilungsbedürfnis hat, haben
versetzten realen Körper zeigen. So kann die dritte
die vorausgehenden Betrachtungen von Mode als
Dimension der Räumlichkeit von Mode eine Inszenie-
Zeugnis wirtschaftlicher, kultureller, politischer und
rung von Kleidung (auf Mensch oder künstlichem
weltanschaulicher Bedingungen in ihrer jeweiligen Zeit
Mannequin) innerhalb greifbarer, materiell existenter
gezeigt. Unter diesem Aspekt müssen auch die Medien
Räume meinen. Neben der direkten Begegnung von
analysiert werden, die Designer, Fotografen oder
Zuschauer und Akteur auf den Straßen der Städte,
Zeitschriften der Postmoderne einsetzten, um ein
in der Modenschau, dem Museum, der Galerie oder
bestimmtes Bild der sie umgebenden Realität zu
dem Shop gibt es allerdings auch Inszenierungs- oder
vermitteln. Dank fortschreitender Computertechnolo-
Darstellungsräume der Mode, die eine indirekte
gie seit den späten 1980er-Jahren hat der Einsatz
Wahrnehmung des Gezeigten ermöglichen. So kann
virtueller Räume, wie Blogs, Internet-Auftritte oder
reale Kleidung trotz ihrer Mehrdimensionalität auch
verschiedene elektronische Medien, die Verbildlichung
als Bild wahrgenommen werden,739 wenn sie sich dank
und Vermittlung von Mode und damit der Gesellschaft
der klassischen Trägersysteme zur Informationsver-
nachhaltig verändert. Auch Chalayans Mode, ein
mittlung, wie z.B. der Presse oder des Fernsehens, zu
kreatives Derivat der mit wirtschaftlichen, sozialen und
statischen oder bewegten Flächen wandelt: In Form
politischen Krisen kämpfenden „IT-Gesellschaft“ der
von Fotografien in Zeitschriften oder einer gefilmten
1990-Jahre, präsentiert sich über neuere mediale
Modenschau kann Kleidung über den illusionären
Techniken. Für die Veranschaulichung und Übermitt-
Raum des Covers oder Bildschirmes visuell und im
lung von Themen wie der Ablehnung einer einheitli-
Falle des Filmes auch akustisch konsumiert werden.
chen Identität, einer Befürwortung von Migration,
Mode, selbst ein Medium, das zunächst über
Bewegung und Allgegenwärtigkeit in Form selbst
Formen, Farben, Materialien und Ideen kommuniziert,
transdisziplinär und/oder -medial agierender Kleider
benötigt also über ihre reine Objekthaftigkeit hinaus
bzw. Objekte und Installationen scheinen sehr unter-
eine Bandbreite medialer Formen
740
als Mittler
schiedliche Präsentationsräume vonnöten zu sein.
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
153
So bedienen sich, wie die realen, dreidimensionalen Räume der Mode, auch die auf bewegte und statische
8.1 Statische Kleiderbilder im bewegten Welt-Raum
Bilder ausgerichteten Medien häufiger Kreuzungen und Mischformen, womit sie wiederum auf eine selbst
8. 1. 1 Von de r Dok ume nt-
entkategorisierte Mode verweisen.
z ur Kunstfotograf ie
Im Folgenden soll anhand von Chalayans
Der Anfang des Einsatzes von Fotografie in der
Arbeiten der Frage nachgegangen werden, wie eine
Mode – noch vor dem Erscheinen der Magazine – fällt
von Grenzen zwischen Disziplinen, aber auch Kulturen
in die Zeit um 1850/60, als man begann, die ersten
und Nationen befreite, globale Mode bildmedial
Pariser Schauen fotografisch zu dokumentieren.742
kommuniziert werden kann. Wo und wie stellt sie sich
Reproduktionen in Modejournalen breiteten sich
dar, wenn sie, dem bewegten, gar vertriebenen und
zwischen 1881 und 1886 aus, als mit der technischen
zwischen Identitäten wandernden Menschen gleich,
Verfeinerung und finanziellen Umsetzbarkeit des
selbst zwischen disziplinären Sparten und Präsentati-
Druckes von Reproduktionen Modefotografien einem
onsmethoden mobil geworden ist?741 Die klassischen
breiten Publikum zugänglich gemacht werden konn-
Modemedien Zeitschrift und die darin enthaltene
ten.743 Die neue Technik löste nicht sofort die gemalte,
Fotografie sowie insbesondere die verschiedenen
gezeichnete oder gestochene Modedarstellung ab;
Arten Mode im Film oder Internet zu visualisieren und
lange bestanden Fotografie und Illustration gleichwer-
eventuell zu virtualisieren sollen im Zusammenhang
tig nebeneinander, und häufig benutzten Modezeich-
mit einem zunehmend aktiven, die Bilder selbst
ner das Foto lediglich als Vorlage für ihre Zeichnun-
verbreitenden, kommentierenden und auf die Mode
gen.744 Im Laufe der Zeit stellte sich aber die aus der
rückwirkenden Zuschauer und Konsumenten betrach-
Porträtfotografie hervorgegangene Modefotografie als
tet werden. Im Gegensatz zu den realen Räumen der
ein im Vergleich zur Grafik weitaus präziseres und
Mode, wie den auf wenige Modezentren und ein
realistischeres Mittel für die Darstellung von Kleidung
ausgewähltes Klientel beschränkten und örtlich
dar. Mit ihrer zunehmenden Verwendung und der
gebundenen Modenschauen, Stores oder Galerien,
schnelleren technischen Anwendbarkeit bewirkte sie
sollen virtuelle Darstellungsräume als potenziell
überdies einen beschleunigten Modewechsel.745
demokratischere Mittler herangezogen werden, sind
Im Gegensatz zu den ersten Fotografien,
sie doch von Raum, Zeit und Grenzen grundsätzlich
insbesondere jenen der Modenschauen oder der
unabhängig. So gesehen würde sich der Raum des
Kleidung bekannter Damen, die nicht mehr als Kom-
World Wide Web als Ersatz für die realen und im
mentare der Kleidungsstücke oder der Accessoires
Grunde längst überholten Aufführungsräume der
darstellten, fanden seit 1914 zunehmend auch
großstädtischen Modezentren anbieten. Die globale,
„künstlerische“ Fotografien Einzug in Modemaga-
Vielfalt kommunizierende Mode Chalayans wäre nicht
zine.746 Die neuen Fotografien ersetzten eine exakte
mehr nur Sache einiger weniger Inszenierungsbühnen,
Beschreibung des Kleides durch die Heraufbeschwö-
deren fester Bestandteil sie weiterhin ist, sondern der
rung einer Stimmung oder Atmosphäre im Bild.747
gesamten Welt.
Gerade der Einsatz von Stimmung anstelle von realem Abbild, eng geknüpft an Strategien der Imagebildung und Vermarktung der Mode, ermöglichte der technisch immer weiter verbesserten und sich mit der Kunst austauschenden Modefotografie, die Illustrationen
154
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
weitestgehend abzulösen.748 Bis in die 1930er-Jahre,
jungen Frau in den Hintergrund zu rücken. Zu sehen
die mit dem automatisierten Druckverfahren die
ist ein vor einer Türschwelle in unnatürlicher, aber
Massenpresse hervorbrachten,749 bot das handge-
eleganter Haltung sitzendes weibliches Model. Seine
zeichnete Bild eines Kleides weitaus mehr Interpretati-
langen, blonden Haare sind geschmackvoll gewellt, die
onsmöglichkeit und künstlerische Freiheit als die
Lippen leicht geöffnet. Die Augen sind halb geschlos-
zunächst rein dokumentarische Fotografie. Nun aber
sen, der Blick verträumt. Der Kopf neigt sich nach
gesellte sich die Fotografie zum Gesamtimage Mode,
hinten, die Schultern und das Dekolleté sind durch das
das sich zur Aufgabe machte, im Betrachter über die
wie zufällig verrutschte Kleid freigelegt. In ihrer, die
Bilder der Kleider am Körper ihrer Trägerinnen und im
langen Beine freigebenden Pose, zugleich sinnlich und
Kontext eines inszenierten Umfeldes Wünsche zu
unschuldig, wie sie in Tagträumereien versunken mit
wecken – und vorzugeben, diese befriedigen zu
den Fingern an ihrem Kleid spielt, erinnert die Frau an
können.
Filmdiven der 1940er- und 1950er-Jahre, die als
750
Die Modebilder und -beschreibungen in
Journalen produzierten Sehnsüchte, Begierden und
Stilikonen damalige Modezeitschriften zierten.
Imaginationen, die bei einem Besuch im Modegeschäft
Obgleich man von der Vogue heute weitaus progressi-
nicht erfüllt werden konnten.
751
Stets neue Inszenie-
vere Inszenierungen gewohnt ist, scheint sich im
rungsstrategien und methodische Kurswechsel sollten
vorliegenden Bild seit den historisch ersten glamourö-
dem Betrachter ein sinnliches Erlebnis bescheren.
sen Darstellungen wenig verändert zu haben. Auch im
Martin Munkácsis Bilder in Bewegung versetzter
Jahr 2004 harmonieren die hübschen grünen Muster
Models im Freien von 1933 schockierten mit ihrer
des Kleides – ungeachtet der darin abgebildeten
noch nicht dagewesenen vorgeblichen Amateurhaftig-
gewalttätigen Szenen – mit der ebenfalls grünen Tür
keit, vergleichbar den surrealistischen Einflüssen, die
im Hintergrund der Sitzenden. Das Zartrosa der
Man Ray mit mystischen, traumartigen Bildsequenzen
mediterran verspielten, wahrscheinlich zypriotisch
von Mode produzierte.752
gemeinten Hausmauern neutralisiert das Grün, das in
Allerdings sollte sich diese erstrebenswerte
seiner Selbstständigkeit womöglich zu unschmeichel-
Traum- oder Fantasiewelt und Illusion, die Barthes
haft wirken würde. Das Rot der Lippen und Nägel
noch in den Fotografien der Sechzigerjahre des
sowie der perfekt gesetzte Lidstrich sorgen für die
20. Jahrhunderts als Bestandteil des Kommunikations-
nötige Dosis Aufregung und den mondänen Touch, der
systems von Mode erkannte, verändern.753 Die
eine „Lady“, so dörflich und abgelegen sie auch leben
Zeitschriften, auf die sich Barthes bezieht, waren in
mag, zur urbanen, ja globalen Schönheit verwandelt.
erster Linie daran interessiert, Frauen anspruchsvoll
Immerhin begibt sie sich technisch, mithilfe der Bilder,
und modebewusst darzustellen, was große Marken
auf eine imaginäre Weltwanderschaft.
und klassische Modezeitschriften bis heute verfol-
Eine andere Art von Weltlichkeit inszeniert im
gen.754 Ein Beispiel für die immer noch gültige klassi-
gleichen Jahr die Regisseurin Sofia Coppola, wenn sie
sche Inszenierung von Kleidung an Models kann der
eines der volantreichen Kleider von Temporal Medita-
Interpretation von Chalayans Kollektion Temporal
tions für die Märzausgabe des Londoner Alternativma-
Meditations (2004) durch die amerikanische Vogue
gazins Dazed & Confused ablichtet (Abb. 85). Zu sehen
entnommen werden (Abb. 84). Die Darstellungen
ist ein höchstens 11-jähriges Mädchen auf einer
antiker Kampfszenen auf der Stoffoberfläche des
Récamiere. In ihrer halb liegenden Pose, die Knie leicht
Kleides (vgl. Abb. 83) scheinen angesichts der die
angewinkelt, den Blick dem Betrachter zugewandt,
Fotografie mit ihrer Erscheinung dominierenden
bietet sich ein Bild, das in seiner Ikonografie eine
Statische Kleiderbilder im bewegten Welt-Raum
155
Paraphrase der Darstellung der Madame Récamier von
nierung ist mehr als eine Parodie der stets auf Sex,
Jacques-Louis David von 1800 formuliert (Abb. 86).
Selbstbewusstsein und idealisierte Schönheit anspie-
Abgesehen von kleineren Abweichungen in ihrer
lenden Ikonen der Modemagazine wie Vogue zu
Körperdrehung ist der Bezug zu der in einem ebenfalls
verstehen: Die Darstellung eröffnet eine ganz andere
weitgehend leeren Raum, auf der Liege in Pose
Perspektive auf die Möglichkeiten, mithilfe künstleri-
gesetzten und den Betrachter anvisierenden Dame
scher Mittel die Welt der Mode zu verbildlichen und zu
vom Gemälde unverkennbar. Wie das blonde Mädchen
interpretieren.
halbwegs damenhaft auf dem historischen Möbelstück
bei der Inszenierung und Vermittlung eines Images
auf Eleganz setzenden Vogue-Fotografie mit der
zeigt sich besonders dann, wenn der Designer, wie im
ebenfalls blonden Dame nahekommt, scheint sich
Vergleich der beiden Magazinfotografien von Chalay-
kurzweilig der Verdacht auf ein Übereinkommen
ans Kollektion aus dem Jahr 2004, als außenstehender,
klassischer Schönheitspostulate einzustellen. Doch
nur die Kleider liefernder Agent handelt und keinen
sind es gerade jene scheinbaren Ähnlichkeiten, die in
Einfluss auf die Darstellung seiner eigenen Entwürfe
der Fotografie für Dazed & Confused zulasten des
nehmen kann.757 Karin Schacknat vergleicht die
oberflächlichen Scheines verformt werden: den
Eingliederung der Designerarbeit in ein anderes
perfekten Kulissen und klassischen Schönheiten der
„Gesamtkunstwerk“ – das der Fotografie eines
Hochglanzfotografien in Berufung auf einen alles
Magazins – mit der russischen Holzpuppe Matroschka,
überdauernden harmonischen Geschmack – für den
die aus ihrem Inneren heraus immer wieder ähnliche,
das klassizistische Gemälde paradigmatisch ein-
kleinere Puppen hervorbringt.758 Neue Bedeutungen,
– wird deutlich widersprochen. Das Model auf
die jedes Magazin für sich selbst bestimmt und die
Coppolas Fotografie ist alles andere als ein erwachse-
möglicherweise jenen der Designer widersprechen,
nes, mondänes, sinnliches Model, eine Stilikone oder
können die Kleidung und das Image dahinter reflektie-
Dame der Gesellschaft. Vielmehr handelt es sich um
ren und diese gegebenenfalls, durch die Integration in
ein im zu großen Kleid unbeholfen wirkendes Kind, das
eigene, bereits bestehende Unternehmensphiloso-
seinem Namen Grace756 mit dem eher ungraziösen,
phien verfremden.759 Der obige Vergleich der beiden
orangefarbenen und vollgekritzelten Armgips nicht
voneinander stark abweichenden Darstellungen von
wirklich gerecht wird. Ihr Blick ist nicht selbstsicher
Chalayans Mode in den inhaltlich sehr konträr ausge-
oder gar sinnlich, der Körper dünn und zerbrechlich –
richteten Zeitschriften zeigt, welche unterschiedlichen
der eines Kindes eben. Im Vergleich zur kontrastrei-
Ansätze – die theatral-elegante Darbietung des
chen Farbleuchtkraft der Vogue-Fotografie unterschei-
Models oder die Entfremdung des Kleidungsstückes
den sich die fahlen, intensitätsarmen Farben des
durch den Bruch mit modischem Schein – Magazine
Kleides in Coppolas Fotografie kaum von amateurhaf-
verfolgen können.
steht
755
ten, ohne vorheriges Styling, richtige Belichtung und
156
Der Einfluss des Auftraggebers von Fotografien
ruht, das in seiner Rosétönung der Wandnuance in der
Die Art der Inszenierung, wie sie Coppola für
nachträgliche Korrekturen gemachten Schnappschüs-
Temporal Meditations wählt, entspringt der grundlegen-
sen. Mit dem Wissen um die Person hinter der
den Veränderung der Modezeitschriften seit den
Kameralinse, die selbst keine Modefotografin ist, wird
1980er-Jahren, die das Ende einer bis in die späten
das Gefühl einer Attrappe, eines Spiels mit den Bildern
1970er-Jahre verfolgten Erschaffung idealisierter
der Mode unausweichlich. Die offensichtlich der
Welten markierte.760 Anstelle von Hochglanz, Glamour,
klassischen Modefotografie widersprechende Insze-
unerreichbaren Laufstegen, gefeiertem Jet-Set,
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
Designern als alleinherrschenden Königen der Mode-
weniger als Mode zu verstehende Tyvek-Papier-De-
welt und dem Zelebrieren der Oberflächlichkeit
sign präsentierte Chalayan in einer ersten Version
modischer Trends, wagten einige neue Zeitschriften
erstmals 1993 in der Abschlusskollektion The Tangent
einen bis dato ungewöhnlich freien Blick auf die
Flows (1993), die sich selbst verschiedener Ausdrucks-
Straßen, den Alltag und das wahre Leben.
761
Dabei
formen wie der Zeichnung, der Kleidung, der Fotogra-
begleiteten die Magazine textil und fotografisch einen
fie oder der Bühne bediente.768 Adrian Wilson schoss
allgemeinen Wandel in der Mode, der sich mit der
für Chalayan die Schwarz-Weiß-Fotografie des
dekonstruktivistischen Mode der belgischen Designer
Entwurfes an einer jungen Frau mit weit aufgerissenen
Margiela und Demeulemeester762 als einer Antithese
Augen, deren Ausdruck aufgrund des mit einem Tuch
zum schönen Schein und der modischen Leichtigkeit
abgebundenen und verdeckten Mundes unklar
ankündigt. Anders als Vogue oder Harper’s Bazaar, die
erscheint (Abb. 87). Ist sie erstaunt, erschrocken,
Mode keineswegs in Bezug zu anderen Disziplinen
entsetzt oder freut sie sich etwa? Die auf der Mund-
setzten und sie damit einseitig beließen, kamen die
abdeckung künstlich abgebildeten, weit geöffneten
jungen Zeitschriften dem Bedürfnis nach einem
roten Lippen und weißen Zahnreihen würden auf ein
erweiterten, intellektuellen Kontext, einer Verbindung
Lächeln hinweisen, bliebe nicht der Ausdruck, unter-
zu Politik, Gesellschaft und Kultur nach.763 Der
malt von dem in das Papieroberteil beklemmend
revolutionären Öffnung der Kunstszene hin zu den
eingeschnürten Körper und der bedrohlich erhobenen
neuen Medien entsprechend, fand eine korrespondie-
dreieckigen weißen Fahne, schleierhaft. Obgleich von
rende Expansion auch in der Mode statt.764 Wie in
einer insgesamt bedrückenden Atmosphäre, geht es
anderen Ländern – das französische Purple, das
hier zweifelsohne auch um Schönheit; allerdings nicht
niederländische DutcH oder das amerikanische W
um jene der eleganten Vogue, sondern um die Schön-
seien hier genannt – wollten auch die britischen
heit der Irritation und Entfremdung, die bis spät in die
Zeitschriften The Face, i-D und das erstmals 1992
2000er-Jahre für die Modefotografie konstitutiv
erschienene Dazed & Confused die deutlichen Zeichen
bleiben sollte. Diese, vorausgehend mit kartesischen
eines krisenerschütterten Großbritanniens der
Philosophien um die Ablehnung von dualen Kategorien
1990er-Jahre zur Sprache kommen lassen.765 Jugend-
angereicherten Papier-Experimente wandern schließ-
kultur, die Post-Punk-Ära, „Street-Style“ oder Popkul-
lich in Björks Gesamtimage einer selbst von Katego-
tur sollten im Kontext von Musik, Film, Kunst und
rien befreiten Künstlerin, die schließlich in einem
Literatur Mode als Lifestyle und Ausdruck von Indivi-
dritten, von verschiedenen Ausdrucksformen formier-
dualität und weniger als Logo-Diktat thematisieren.
ten Gesamtkunstwerk – dem CD-Cover – eine sehr
766
Solche Verschmelzungen verschiedener künstle-
persönliche Aussage über eine Welt trifft, die sich von
rischer Disziplinen als Bekundung einer persönlichen
einer Trennung der Gattungen wie auch der Identitä-
Haltung finden sich u.a. bei der isländischen, in London
ten abwendet.
ansässigen Sängerin Björk, die sich 1995 für das Cover ihres Albums Post in einem Hussein-Chalayan-Papie-
8 . 1 . 2 In Ide e n ge k le idet. Mode bef re ite
ranzug der Kollektion Cartesia ablichten ließ.767 Mit
Modefotograf ie
dem ungewöhnlichen Anzug inszenierte sie sich in
Schließt man sich Nancy Hall-Duncans Aussage
erster Linie in einer Kleidung, die zum einen keine
über Modefotografie als eine Reflexion der Gesell-
Auskunft über ihren Urheber mittels Logo zuließ und
schaft und der Zeit, in der sie aufgenommen wurde,
zum anderen im Grunde gar nicht erst tragbar war. Das
an,769 können die weniger mit Mode als mit Themen
Statische Kleiderbilder im bewegten Welt-Raum
157
des urbanen Lebens besetzten Bilder kurz vor der
ständige Körper wie eine zerstörte Skulptur einer
Jahrtausendwende als Zeugen einer neuen gesell-
antiken Venus-Darstellung.772 Schnell wird klar, dass es
schaftlichen sowie fotografischen Ära verstanden
sich um den Körper einer lebenden Frau handelt, die
werden. Dass es im Design längst nicht mehr allein um
nicht nur mit ihrer offen gezeigten Behinderung,
die Gegenstände oder die Kleidung ging, wurde am
sondern auch der vollkommenen Nacktheit überrascht.
Bild des wirtschaftlich und sozial erschütterten, mit
Anstatt mit Kleidern bedeckt Chalayan das Model
schlechter industrieller Infrastruktur ausgestatteten
Alison Lapper mit Licht-Projektionen in verschiedenen
Großbritanniens und der daraus resultierenden
Farben und klaren, geometrischen Mustern, die den
Hinwendung zu Gattungsbrüchen und konzeptuellen
fleischlichen Körper grafisch abstrahieren. Das wie
Ansätzen in den Kapiteln 2.2.2, 2.3 und im Besonde-
magisch erscheinende Licht überführt den Körper aus
ren anhand der Zeichnungen in Kapitel 3.3 verdeut-
der Dunkelheit in den Vordergrund.
licht. Selbstverständlich bedienen sich Designer zwar
Knight ist keine zufällige, handelt es sich doch um
Studiofotografien für die Dokumentation und Bewer-
einen der Pioniere des Achtzigerjahre-Magazins i-D,
bung der jeweils aktuellen Kollektionen, wovon auch
der neben Juergen Teller, Wolfgang Tillmans oder Ellen
Chalayans langjährige Kooperation mit Chris Moore
von Unwerth in seinen Bildern eine Ästhetik des
und Marcus Tomlinson zeugt.
770
Allerdings bedingen
„Neuen Realismus“ erschuf.773 Dieses Verständnis von
die in die zahlreichen künstlerischen Entwürfe der
Realismus war allerdings alles andere als eine doku-
Designer eingewanderten Konzepte um soziale und
mentarische Annäherung an die Wirklichkeit774 oder
kulturelle Zugehörigkeiten alternative Ausdrucksfor-
gar eine idealisierte Traumwelt. Becker entziffert jene,
men, die nicht nur von der reinen Dokumentation oder
für die Fotografien der Zeit prägende „[…] Inszenierung
der künstlerisch inszenierten Mode, sondern der
des Natürlichen, die emotionalisiert […]“, als „poeti-
Kleidung überhaupt absehen. Wie Susanne Becker
schen Realismus“, der Beziehungen und Bezüge
konstatiert, leben gerade die großen Marken der Neun-
hinterfragt und selbstreflexiv ironisiert.775 Knights und
zigerjahre von der Befreiung von „schönen Kleidern“
Chalayans Darstellung der nackten Lapper erinnert
und einer „[…] Liaison mit Fotografen, die konsequent
daher nicht von ungefähr an das Vorgehen der zwei
das Image der Marken durch überraschende Assoziati-
Jahre älteren Fotografie Tellers des Models Kristen
onen jenseits der Modewelt aufmöbeln.“771
McMenamy (Abb. 89). Vollkommen nackt zeigt er das
Wie Chalayans frühe Arbeiten in Papier inner-
158
Chalayans Kooperation mit dem Fotografen Nick
weiterhin klassischer Show- und persönlicherer
Model mit einem auf die Brust gemalten Herz mit dem
halb des Mediums Fotografie gezeigt haben, wanderte
Namen Versace. Der Akt des angeschlagenen Models
die Bedeutung der materiell gestalteten Mode immer
mit müden Augen, der aus dem Mund heraushängen-
weiter in den Hintergrund, bis sie schließlich ganz dem
den Zigarette und dem lädierten Körper zeugt von
Bild entwich. In der September-Ausgabe 1998 von
einer neuen Form der „Echtheit“ und „Authentizität“,
Dazed & Confused zeigt sich jene sprichwörtliche
die Chalayan, anders als Tellers sehr lebendige Insze-
Loslösung des Körpers von Kleidung innerhalb eines
nierungen, in eine eher grafisch-tektonische Darstel-
Mediums, das ironischerweise über Mode berichten
lung der durch die geometrischen Lichtmuster künst-
möchte (Abb. 88). Aus einem dunkleren Hintergrund
lich wirkenden Lapper überträgt. Der mit rotem
heraus lässt sich zunächst ein Frauentorso erahnen. In
Lippenstift geschriebene Schriftzug auf der Brust
seiner Fragmentierung, ohne Arme und ab der Mitte
McMenamys und damit der Stempel des Designers
der Oberschenkel auch ohne Beine, wirkt der unvoll-
wären in einer Zeit, in der Modebilder offenbar auch
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
ohne Kleidung auskamen, nicht mehr nötig gewesen.
776
return to a poetic, fresh and ‚pure‘ fashion magazine.
Teller drückte diese allgemeingültige Prämisse
A magazine that makes a statement against homogeni-
der Epoche mit dem Wunsch aus, die Dinge aufs
sation and for individuality […]. A magazine in which
Wesentliche zu reduzieren, Charaktere zu schaffen
we want to question fashion because we are fascina-
und Geschichten zu erzählen: „Kleidungsstücke an sich
ted by it.“784 Und genauso persönlich, künstlerisch und
interessieren mich nicht.“
777
Die Ablehnung von
einmalig gestaltet sich auch Chalayans Ausgabe der
Perfektionismus, Schönheitskult und Supermodels in
Zeitschrift785, wenn er erneut in Kooperation mit
den Fotografien sollte den Zustand einer gesellschaftli-
Knight, in einer der Machart von Dazed & Confused von
chen Identität jenseits bestehender Positionen
1998 verwandten Fotoabfolge, vier Jahre später
spiegeln.
778
Die Brüche mit den überlieferten Leitbil-
Frauengesichter mit bunten Lichtprojektionen abfoto-
dern fanden ihren Ausdruck in ihrerseits selbst
grafiert (Abb. 90). Ebenfalls im dunklen Hintergrund
„gebrochenen“, unvollkommenen, unvollständigen
stehen sie diesmal nicht nur ohne Kleidung, sondern
Körpern wie sie in der Person Aimee Mullins – einer
auch vom Körper befreit da, nur der Kopf bleibt
Sportlerin und einem Model ohne Unterschenkel – u.a.
vorhanden. Das Interesse am gesamten Menschen
auch der britische Stardesigner McQueen in Shows
impliziert demnach das Hinausgehen über die Physis,
und Zeitschriften mithilfe des Fotografen Knight779
wovon in einer weiteren Steigerung in Sachen
inszeniert. Nach dem goldenen Zeitalter der als Hymne
„Kopflastigkeit“ das Cover des Magazins berichtet.
an die Oberfläche zu verstehenden Modefotografie,
Chalayan entscheidet sich nunmehr gänzlich gegen die
bringen die neuen Bilder eine Geisteshaltung hervor,
Abbildung des Menschen und lichtet stattdessen eine
zu der Themen des Existenziellen treten: Unterdrü-
mit Kaffeesatz befleckte Untertasse ab, die, allem
ckung, Antirassismus, Alter, Krieg, Verletzungen, Tod,
Anschein nach, auf einem urigen Holztisch abgestellt
Verstümmelungen und Perforationen des Körpers.
ist (Abb. 91). Jeder, der selbst in einem türkisch oder
780
Lipovetsky drückt es folgendermaßen aus: „[…] Die
osmanisch geprägten Kulturkreis aufgewachsen ist,
Welt der Artefakte und die Welt des Sinns haben
erkennt in der mit Macramémustern verspielten
aufgehört, zwei unvereinbare Welten zu sein. Die neue
weißen Untertasse mit Kaffeespuren die Tradition des
Modefotografie drückt genau dieses Ende der radika-
Wahrsagens aus dem Kaffeesatz. Die Kaffeetasse wird,
len Trennung zwischen Mode und Sinn und zugleich
nachdem der Kaffee ausgetrunken wurde, kurz in der
deren Hybridisierung aus.“781
Hand geschwenkt und auf die Untertasse gestürzt.
Das Bedürfnis, eine ganzheitliche Welt in ihrer
Der Kaffeesatz zerläuft und bildet beim Trocknen
destabilisierten Haltung zu beschreiben, führt einige
Muster, die von den „Sehenden“ entziffert werden.
Designer dazu, sich sogar selbst als Herausgeber,
Chalayan überführt abermals Bedeutungen einer
Redakteure oder Art-Direktoren zu versuchen. Im Jahr
selbst aus verschiedenen Bestandteilen zusammenge-
2002 erscheint N°C,782 eine von Chalayan gestaltete
setzten Kultur seiner Heimat Zypern nach Großbritan-
Ausgabe des belgischen A Magazine, das in jedem
nien, in das postkoloniale, urbane Menschenkonglo-
neuen Heft einen anderen ausgewählten Gastdesigner
merat. Genaue Referenzen auf das Aussehen der
über sein Gesamtuniversum zu Wort kommen ließ.783
Menschen, ihre Haut- oder Augenfarbe, ethnische
Das Bestreben und erklärte Ziel des vom Designer
Muster oder geografische Landschaftsbilder sind nicht
Walter Van Beirendonck initiierten, erstmals anlässlich
vonnöten, wenn es um den im Bild wie im Magazin
des Mode 2001 Landed Geland Fashion-Festivals in
implizierten Diskurs einer Identitäten und Grenzen
Antwerpen herausgegebenen Magazins war es, „[…] to
überwindenden Allgegenwärtigkeit geht. Die Nähe zu
Statische Kleiderbilder im bewegten Welt-Raum
159
einer überaus realen Welt im Gegensatz zu den
Baudelaire, der sich für die absolute Essenz der
früheren fantastischen, romantisierenden, unnatürli-
modernen Schönheit aussprach, um Kleidung im
chen oder surrealen Bilderräumen der in Pose gesetz-
Kontext einer unruhigen, stetigem Wandel unterlie-
ten Models drückt sich über eine Vielfalt an Inszenie-
genden Metropole.792 Die wenig sesshafte, ihrem
rungsmethoden und Motiven aus, die abermals
Wesen nach selbst nomadische Mode verstand er als
Entgrenzung suggerieren – allerdings in der Gegenwart
individuellen, gar künstlerischen Ausdruck flexibler,
und nicht in einer idealisierten, entrückten Zukunft.
moderner Identitäten.793 Nicht anders handhaben es
Eine Vorreiterin des unterschiedliche Gattungen
absagenden Magazine seit den späten 1980er-Jahren.
tierten Modeimages ist die Japanerin Kawakubo, die
Mallarmés in seiner Modezeitschrift literarisch
1988 erstmals die Zeitschrift Six herausgibt.786 Den
festgehaltenes Konzept einer bewegten Mode der
von Fotografen, Grafikern und Künstlern wie André
Moderne versteht sich als Vorreitermodell für ein
Kertész, Jim Britt, Gilbert & George oder Enzo Cucchi
postmodernes Verständnis von Mode im Zusammen-
gestalteten Seiten werden nur manchmal auch
hang seiner auf neue Weise erschütterten Umgebung.
Kleidungsstücke von Kawakubos Marke Comme des
Würde Mallarmés verschriftlichtes Mode-Konzept in
Garçons gegenübergestellt.787 Noch bevor Chalayan
die aktuelle Bildersprache übertragen, könnte es sich
2002 konzeptuelle Bilder ohne menschliche Klei-
womöglich in der Digitalfotografie The Difference is
dungsträger in einer „Mode“-Zeitschrift veröffentlicht,
Clear (1998) von Mike Thomas konkretisieren
etabliert Kawakubo mit enigmatischen Fotografien –
(Abb. 93). Dank technischer Entwicklungen steht nun
z.B. Philip Greens Darstellung eines Vogels im Dickicht
eine digital bearbeitete Fotografie für eine Mode da,
mit zahlreichen, vor ihm ausgelegten Wäscheklam-
die im Bild nicht in Erscheinung tritt, sondern sich als
mern für die Ausgabe 4 des Jahres 1989 – ein Verfah-
durchsichtiges, liquides Etwas präsentiert, das seiner
ren, Mode ohne konventionelle Einschränkungen des
Kontur nach entfernt als Pullover entziffert werden
Genres788 als komprimierte (Image-)Welt darzustellen
kann. Nur aus den Angaben zur Fotografie wird
(Abb. 92). Die das Cover zierenden Titel wie Juxtaposi-
ersichtlich, dass es sich um Chalayans hier digital
tion, Similarity, Reflection, Metamorphosis, Fusion
„ausradiertes“ Kleidungsstück handelt.794 Anstelle der
(2/1990) deuten mitsamt dem auf den sechsten Sinn
Kleidung eröffnet sich ein computertechnisch bearbei-
anspielenden Namen des Magazins789 auf einen Zu-
teter fiktiver Raum, der einen Blick auf urbane, dem
stand der bewegten Gesellschaft im späten 20. Jahr-
Übergang zum 21. Jahrhundert angepasste, triste
hundert hin, dessen sich in konzeptuell-künstlerischer
Bürogebäude freilegt. Doch diese Stadt enthält nicht
Form offenbar auch die Mode bedienen kann.
mehr nur Passanten, die sich, wie zu Mallarmés und
Bereits 1874 beschrieb der symbolistische
Baudelaires Zeiten, infolge der Industrialisierung mit
Dichter Stéphane Mallarmé in Form einer eigenen
einer allgemeinen Beschleunigung des Lebens ausein-
literarischen Modezeitschrift weniger den letzten
andersetzen müssen.
Trend, wie es der Titel La Dernière Mode erahnen
160
bis heute die der konventionellen Imagebildung
und Sparten für sich beanspruchenden, konzeptorien-
Was Kawakubo, Chalayan und die zahlreichen
lassen würde, als die großstädtische Gesellschaft der
mit Designern kooperierenden Fotografen und
Moderne.790 Nicht die ewige Schönheit einer antiken
Künstler in ihren spartenübergreifenden Projekten in
Göttin,791 die Chalayan mit der behinderten Lapper
einer Mischform aus Kunst, Mode, Grafik, Fotografie
ironisch inszeniert, interessierte Mallarmé an der
und Technologie zum Ausdruck brachten, war ein
zeitgenössischen Mode. Es ging ihm, anders als bei
Kommentar zu einer von politischen, wissenschaftli-
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
Zeit im Übergang zum 21. Jahrhundert. Die Rückkehr
8.2 Eventräume 8 0 0 zwischen Animation und Realfilm
des Körpers in die Modefotografie steht dabei in
„Die Zukunft der Haute Couture? Die wird für
engem Zusammenhang mit der Entwicklung digitaler
den Bildschirm gemacht!“801
chen und künstlerischen Umwälzungen gezeichneten
Bildtechniken,
795
deren Verfremdungen sich am
Die grundlegenden Veränderungen, die sich in
deutlichsten an manipulierten Bildern der realen Welt,
der Präsentation von Mode innerhalb zweidimensio
respektive des Menschen selbst, ablesen ließen.
naler Bilder im angehenden 21. Jahrhundert bemerk-
Zugleich bedeutete die technisch eingeleitete Option
bar gemacht haben – so zuletzt in Form der digitalen
„anything is possible“ seit dem Aufkommen digitaler
Fotografie – waren nur der Anfang einer Erkundung
Bilder ein Dilemma, das die Fotografen mit einem
von Techniken der Repräsentation eines Status
wachsenden Interesse an Visionen und Ideen anstelle
zwischen Realität und Fiktion, die bereits im frühen
realistischer Körperbilder zu lösen versuchten.
796
Das
20. Jahrhundert beginnt. Poiret war neben Worth
Aufkommen des Personal Computers und der kom-
nicht nur einer der ersten Designer, der sich der
merziell verbreiteten und technisch beschleunigten
Modenschau und Fotografie bediente, sondern
Bildbearbeitungssoftware seit den späten 1980er-Jah-
überdies seine Präsentationen auch filmte.802 Nahezu
ren ermöglichte den Fotografen und Künstlern, ihre
hundert Jahre später findet die gefilmte Modenschau
Vorstellungen rasch umzusetzen und darüber hinaus
eine technisch weiterentwickelte Ausdrucksform.
neuartige multimediale Experimente zu wagen.797 So
Im Jahr 1996 nahm der Antwerpener Van Beirendonck
waren es insbesondere die alternativen Magazine, die
eine inszenierte Show zu seiner Kollektion Killer/Astral
die neuen technischen Möglichkeiten für die Erfor-
Travel/4 D-Hi-D auf und verbreitete sie auf einem
schung zeitgenössischer gesellschaftlicher Sensibilitä-
damals für die Modepräsentation noch ungewöhnli-
ten nutzten.
798
Für das von Chalayan thematisierte,
chen Medium – einer CD.803 Dass die neuen Medien
u.a. urbane, nomadische, bewegte, dezentralisierte,
zu Beginn ihres Einsatzes allgemeine Skepsis her
delokalisierte, fragmentierte, vielfältige postmoderne
vorriefen, beweist die Erfahrung, die der britische
Subjekt ohne Fixierungen
799
konnte die digitale
Designer Julian Roberts machen musste. Im Jahr 2002
Fotografie einen neuen, der Zeit angepassten Weg für
drehte er einen Film über seine Kollektion mit der
die transmediale Wanderschaft eröffnen, die sowohl
Intention, diesen während der Londoner Modewoche
Imagination als auch Realität zuließ. In ihrer Bewegung
anstelle einer Modenschau vorzuführen; allerdings
zwischen Wahrheit und Fiktion schien der digitale
erkannte das British Fashion Council in dem einge-
Raum der Fotografie ein besonders authentischer
reichten Filmmaterial keine Modenschau, was den
visueller Repräsentant externer, von identitärem und
Designer fast die Teilnahme an der Modewoche
disziplinärem „Dazwischen“ zeugender Realitäten zu
gekostet hätte. Bis heute sollte sich jedoch die Moden-
sein.
schau als Film zu einer gängigen und anerkannten Form der Kollektionspräsentation entwickeln, deren finanzielle und technische Vorteile sogar die klassischen Haute Couture Häuser wie u.a. Yves Saint Laurent für sich erkannten. Mit den zunehmenden technologischen Entwicklungen eröffnete das Internet-Zeitalter jenseits der Möglichkeit, gefilmtes Material am Computer anzu
Eventräume zwischen Animation und Realfilm
161
sehen, auch die Option, dieses über das Medium
September 2000 präsentiert Chalayan in den Gainsbo-
Internet weltweit zu verbreiten und abzurufen, was
rough Studios in London, einem bereits von Alfred
nicht nur die Kunst in Form von Internet-Performances
Hitchcock für zahlreiche Filme genutzten Studio, die
oder „digital theatre“,804 sondern auch die Mode für
Frühling/Sommer-Kollektion 2001 mit dem Titel
sich zu nutzen wusste. Der als Dekonstruktivist und
Ventriloquy.808 Neben den Mitwirkenden aus dem
Minimalist in der Mode bekannte Helmut Lang
Bereich der klassischen Modenschaukonzeption
gehörte zu den ersten postmodernen Designern, die
(Musik, Licht, Casting und Bühnenbild) sowie den für
das Internet als Plattform für die Präsentation von
die skulpturalen Objekte zuständigen, oft mit Chalayan
Kleidung einsetzten.805 Er zeigte 1998 seine Herbst/
zusammenarbeitenden Industriedesignern Topen und
Winter-Kollektion online, statt eine reale Modenschau
Lone Sigurdsson war auch das Filmgrafikunternehmen
in einer der großen Modestädte der Welt abzuhal-
Me Company an der Showgestaltung beteiligt.809 Den
ten.806 Ähnlich handhabte es McQueen, als er im
Anfang der Show kennzeichnete ein computergene-
Oktober 2009 eine Live-Übertragung seiner Pariser
rierter Film mit animierten weiblichen Drahtmodellen
Modenschau veranstaltete, was ein großes Interesse
in technologisch dargestellten Kleidern der Kollektion
des Online-Publikums nach sich zog und den Server
(Abb. 94). Der knapp vierminütige Film ist als eine
schließlich überlastete.807
virtuelle Vorformulierung dessen zu verstehen, was
Auch Chalayan bedient sich des Mediums Film,
ernden Show abspielen würde. Ein Live-Orchester
verfolgbar zu machen. Oftmals handelt es sich um
begleitete mit melancholischen Tönen die traumhaft
Filmsequenzen, die in die weiterhin real abgehaltene
schönen Bildsequenzen, die sich alsbald zu Zeugnissen
Modenschau integriert werden. In einer weiteren Form
menschlicher Gewalt wandeln würden. Die zart,
bedient er sich des Kurzfilmes, der, weitestgehend
feingliedrig und elegant durch den Raum schweben-
eigenständig, mit der klassischen Kleiderpräsentation
den Pixelmodelle standen sich offenkundig feindlich
wenig gemein hat, aber in der Auswahl der Kostüme
gegenüber – es wurde geschossen und das getroffene
für die Schauspieler gerne auf eindeutige Kollektions-
Wesen zerfiel zu Tausenden von Splittern. Nach
teile zurückgreift. Die Kunstfilmproduktion steigert
4 Minuten und 25 Sekunden begann die eigentliche
ihren Status der Unabhängigkeit von den Kollektions-
Modenschau in einem das Gitternetz aus dem Film
stücken, wenn sie nur in den seltensten Fällen Refe-
nachahmenden Bühnenbild und mit Models, die als
renzen zu bestimmten Entwürfen macht. Anders sieht
Repliken der im Film gezeigten Figuren auf der Bühne
es dafür mit Filmmaterial aus, das als gänzlicher Ersatz
in Erscheinung traten. Das Ende der Show markierte
für Schauen gehandhabt wird; in diesem Fall steht die
ein in die Realität überführter Kampf, den die Frauen
Kleidung der aktuellen Saison im Mittelpunkt des
mit dem gegenseitigen Zerschlagen der Zuckerglasklei-
filmischen Geschehens, allerdings wird sie nicht im
der810 mit Hämmern austrugen.
Rahmen eines inszenierten Defilees, sondern – mit
Der Einsatz von computergenerierten Bildern in
einem künstlerischen Kommentar versehen – inner-
einer Modenschau ist nicht neu und für die Suche
halb eines modeunabhängigen Kontextes vorgeführt.
nach alternativen Präsentationsformen der Mode im
Für die erste Form des Einsatzes des Mediums
162
sich in der realen, insgesamt zwanzig Minuten andau-
allerdings weniger, um eine Schau simultan im Netz
Übergang zum 21. Jahrhundert symptomatisch. Die
Film spielen die neuen technischen Möglichkeiten des
1996 auf einer CD abgehaltene Modenschau des
postindustriellen Zeitalters, wie sie bereits die Digital-
Designers Van Beirendonck enthielt, wie einige Jahre
fotografie für sich erkannte, eine wichtige Rolle. Im
später Chalayans Ventriloquy, nicht nur real gespielte
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
Szenen, sondern ebenfalls virtuelle Computerbilder.811
Filmszenen zum Ziel haben. Dabei steht eine be-
Auch in den neueren Shows Chalayans, insbesondere
stimmte „Geschichte“ im Vordergrund des Gesche-
den Modenschauen der Jahre 2012 und 2013 wie Sip
hens, wenn, den abstrakten Titeln gemäß, auf konzep-
Day und Rise812 wird ein computeranimiertes oder real
tuelle Weise von Themen berichtet wird, die stets um
gefilmtes Video eingesetzt; meist allerdings in einer
den Menschen und sein Verhältnis zur Natur bzw.
indirekten Rolle, als Hintergrund der Defilee-Szenerie.
Kultur kreisen.816
Die Inszenierung von Mode im oder in Verbindung mit
Eine Steigerung stellen die gänzlich kollektions-
Film bedeutet dabei nicht nur eine weitere mediale
ungebundenen, autonomen Filmproduktionen dar, wie
Plattform für die Vermittlung spezifischer Kontexte, die
u.a. die im Rahmen dieser Arbeit bereits vorgestellte
sich jenseits des Oberflächlichen bewegen, sondern
mit dem Titel Absent Presence von 2005,817 die anläss-
eröffnet die Möglichkeit, Mode in einem erweiterten
lich der 51. Biennale in Venedig im türkischen Pavillon
disziplinären Rahmen – u.a. auch kinematografisch –
gezeigt wurde und Migration sowie ethnische Diskri-
zu dekodieren.813
minierung thematisierte (vgl. Abb. 24). Ebenfalls an
Gerade der kinematografische Aspekt greift in
Kunstinstitutionen gebunden präsentieren sich die
einer weitergedachten Form der Restrukturierung von
beiden 2004 gedrehten Filme Anaesthetics und
Modepräsentationen durch das Medium Film, indem
Temporal Meditations u.a. im Moderna Museet in
es sogar zu einer gänzlichen Loslösung vom Laufsteg
Stockholm818 und dem Palais du Tokyo in Paris
innerhalb des Dargestellten kommt. Es geht dabei
(Abb. 96).819 Auf narrativ gewohnt komplexe Weise
weniger um eine bestmögliche Kleiderinszenierung,
werden im ersten der beiden Filme mithilfe sehr
sondern vielmehr um Szenen, die sich hauptsächlich
schlichter, aber aussagekräftiger Bildsequenzen
einer von der Mode unabhängigen Vermittlung von
Geschichten von institutionalisierter, gebilligter und
Ideen widmen. So verstehen sich insbesondere die seit
über ästhetisch vollkommene Kleider camouflierter
den 2000er-Jahren entstandenen Filme als eigenstän-
Gewalt erzählt,820 während Temporal Meditations, zwar
dige Produktionen, die auch ohne das Wissen um die
in Titel und Sujet von einer gleichnamigen Kollektion
im Film enthaltenen Modelle bestimmter Kollektionen
ausgehend, aber frei von jeglichen Referenzen auf die
als Kunstwerke konsumiert werden können. Place to
dazugehörigen Entwürfe, von einer Verschmelzung
Passage von 2003 (vgl. Abb. 66)
814
oder Compassion
Fatigue (2006), das mit Kleidern der Kollektion Heliotropics (Frühling/Sommer 2006) ausgestattet ist (Abb. 95),
815
sind Beispiele dieser die Kollektionen
historischer Migrationsrouten und einer Jahrhunderte währenden Mischung berichtet.821 Wie in jeder Filmproduktion sind auch an den meisten von Chalayans Aufnahmen Regie, Produktion,
begleitenden, aber zugleich auch für sich selbst
Bühnen- und Kostümbild, Filmmusik sowie das Casting
stehenden Filme. Die selbst oft ungewöhnlichen,
mitbeteiligt, wodurch sich keine markanten Unter-
manchmal objekthaften Kleidungsstücke referieren
schiede zu Kurzfilmen ergeben, die außerhalb des
zwar grundsätzlich über die Kollektion, unterstreichen
Mediums Mode entstehen. Allerdings greifen auch die
aber zugleich ihre vom alltäglich getragenen Kleid
weniger selbstständigen, da an die Kollektionen
abstrahierte Form im Rahmen einer künstlerischen
offenkundig durch die intendierte Kleiderpräsentation
Inszenierung. In Compassion Fatigue gelingt dies
gebundenen Filme auf professionelle Teams für die
mithilfe bestimmter Lichtverhältnisse, die eine ge-
Inszenierung eines ganzheitlichen Konzeptes zurück.
zielte Hervorhebung der hellblau leuchtenden Textilien
Für den Film Readings, der 2008 anstelle der gleichna-
aus den düsteren, im Halbdunkel abgehaltenen
migen Frühling/Sommer-Kollektion anlässlich der Paris
Eventräume zwischen Animation und Realfilm
163
Fashion Week in der Galerie Magda Danysz gezeigt
ihnen erarbeitet – von der Konzeption bis zur Durch-
wurde, ging Chalayan eine Kollaboration mit dem
führung des Projektes –, um schließlich in jedem der
Unternehmen SHOWstudio ein.822Auf eine sublime,
einzelnen Entstehungsschritte auf der Homepage
persönliche Art zeigt sich hier „bewegte“ Mode
präsentiert zu werden.826 Entstanden aus einer Faszi-
(Abb. 97). Die Kleidung ist, bis auf den ungewöhnli-
nation für Mode in ihrem soziokulturellen Umfeld und
chen Hut mit integrierter Sonnenbrille, sportlich-ele-
inspiriert von den kritischen Magazinen der 1990er-
gant und damit äußerst tragbar, wenn nicht gar
Jahre stand SHOWstudio mit Knight als einem primär
klassisch, und wird szenenweise in einer Nahaufnahme
ohne Modehintergrund agierenden Anführer im
gezeigt, um auf die technisch hochwertige Verarbei-
Zeichen einer selbstreflexiven Demystifizierung von
tung hinzuweisen. Allerdings sorgen die Models mit
Mode.827 Dazu zählt grundlegend die Unternehmen-
ihrer sich aus dem schwarzen Hintergrund heraus
sidee, Mode weniger als glatt polierte Repräsentation,
vollziehenden torkelnden Bewegung mit Rückwärts-
sondern vielmehr als Prozess offenzulegen – mit allen
gang und scheinbarer Benommenheit für eine ver
in einem einzigen Bild involvierten Eingriffen durch
störende Atmosphäre. Hinzu kommen computer
Friseure, Visagisten, Casting-Agenten oder Set-Gestal-
generierte technische Effekte wie etwa durch ein Bild
ter. Zudem ist die Online-Plattform, anders als Print-
von oben nach unten stürzende Models oder eine
magazine, weniger an fixierte Strukturen und Vor-
Schiefstellung des Bildes. Jenseits des glamourösen
gaben wie Zeitlimit, regelmäßiges Erscheinen, Format
Catwalks und doch gleichsam an einer qualitätvollen
und den Verkauf von Werbung gebunden. Mit über
Präsentation der von allen Seiten gefilmten, stets
110 000 Besuchern pro Monat, von denen einen
wechselnden Kleidungsstücke interessiert, inszeniert
Großteil unabhängige User aus dem Bereich der
das Londoner Studio Chalayans Kollektion neben
Modeindustrie und Kunst darstellen, bietet das
technischer Manipulationen auch mithilfe einer von
Unternehmen Eingriffsmöglichkeiten, die klassische,
den Usern der Studio-Webseite mitgestalteten823
den Künstler, Designer sowie Leser zensierende
akustischen Mischung aus männlichem und weibli-
Formate nicht kennen. Zuschauer sind mit den
chem Gesang, Geräuschen zerspringenden Glases,
Entwicklungen der Funktionen des Web 2.0 am
Sequenzen aus einer Rede und verschiedenen Instru-
Entstehungsprozess mit Kommentaren, Vorschlägen und nachträglichen Rezensionen (inter-)aktiv betei-
menten. Gerade der sehr offene Charakter machte das 2000 als Online-Magazin gestartete Unternehmen
das Publikum sowie das gesamte Fach bedeuten
SHOWstudio des bereits als Fotograf des „poetischen
kann.
Realismus“ der 1990er-Jahre bekannten Knight und des Kreativdirektors Peter Saville
824
zu einem sehr
SHOWstudio steht mit seiner direkten Beziehung zum User im Zeichen des Web 2.0 paradigma-
zeitgemäßen Modemedium des 21. Jahrhunderts. Von
tisch für eine neue, freiere Art, (Mode-)Bilder konsu-
Anbeginn ging es den Machern des Studios nie darum,
mierbar zu machen. Dazu zählt das beschleunigte
neues Material, den Printmedien gleich, zu sammeln
Hochladen neuen künstlerischen Materials seitens
und komprimiert wiederzugeben, sondern selbst das
der Magazine oder Unternehmen sowie die Möglich-
Material zu sein.
164
ligt, was einen Zugewinn für den Produzenten,
825
So werden auf der Webseite
keit, Informationen schneller abrufen und auf diese in
Arbeiten von Künstlern, Musikern, Dichtern, Stylisten,
der gleichen Zeitspanne reagieren zu können – ohne
Filmemachern, Architekten und Designern nicht
redaktionelle Einschränkungen. Wo Printmagazine die
einfach hochgeladen, sondern erst gemeinsam mit
Öffentlichkeit nur in einem sehr begrenzten Format
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
wie Leserbriefen oder in Form von Gesprächen mit
werden zugunsten einer nunmehr körperbefreiten
(ausgewählten) Kuratoren zu Wort kommen lassen,
Omnipräsenz im virtuellen Raum dekonstruiert.
stellt das Onlineformat eine Plattform für unmittelbare
Mit dem Internet als Laufsteg der Zukunft könnte
Resonanzen auf das Gezeigte bereit. Abgesehen von
sich gar eine tatsächliche Demokratisierung der Mode
Blogs, Twitter-Accounts oder Facebook-Profilen, die
einstellen: „Jedenfalls würden der Wanderzirkus der
neben Chalayan828 auch zahlreiche weitere Unterneh-
Moderne und jede Diskussion um die Bedeutung der
men in ihren Online-Auftritt einbauen, hat sich
einzelnen Modemetropolen überflüssig.“834
besonders der Einfluss von unabhängigen Privatblog-
Chalayan könnte mit einer stärkeren Nutzung
gern und -usern auf den allgemeinen Informationsaus-
des virtuellen Mediums den Zweifel an der Ernsthaf-
tausch829 ausgewirkt. Schonungslos urteilen sie über
tigkeit seiner kulturelle und räumliche Allgegenwart
die neuesten Modetendenzen und sind damit an der
thematisierenden Arbeiten ausräumen, die sich nach
Entwicklung von Trends mitbeteiligt.
830
Die Offenle-
wie vor über ihre Inszenierung in Schauen, Shops und
gung der Mode durch die Partizipation des autonom
Ausstellungen dem hierarchischen Modeestablishment
handelnden und zur Kritik fähigen Konsumenten
von London, Paris, Tokio und New York beugen.
gründet auf einer Vernetzung bzw. dem Austausch von
Grundsätzlich findet die Erstaufführung aller Schauen
Menschen, wie er nur in einem territorial befreiten
von Chalayan, egal ob real abgehalten oder filmisch
Raum wie dem Internet möglich ist. Die grundlegen-
vorgeführt, ausschließlich in den großen Modezentren
den Kennzeichen einer Ausklammerung von Raum und
statt. Erst der Web-Auftritt der Marke Chalayan
Zeit, wie sie bereits von realen Netzwerken exilierter
erlaubt, neben der Möglichkeit unter dem zweiten
Künstler oder den Medien Fernsehen und Radio
Menüpunkt zum Shop zu wechseln, eine nachträgliche,
bekannt sind, werden durch das Internet um eine
vom eigenen Aufenthaltsort unabhängige Sichtung der
weltweite Verbindung von Menschen und ihren
gefilmten Kollektionen.835 Tatsächlich sind all die
Rollenwechsel von Beobachteten zu Beobachtern
verschiedenen realen und virtuellen Präsentations-
erweitert.831 Mit dem Verzicht auf konkrete, materiell
räume, einschließlich des 2011 in Auftrag gegebenen
greifbare Aussendungsorte sowie zeitlich beschleunigt
und in New York realisierten Kataloges von Robert
in Präsentation, Konsum und Reaktion stellt sich der
Violette, Teile eines Gesamtkunstwerkes oder -imperi-
Cyber-Space als prädestinierter Raum für eine selbst
ums, dessen Philosophie und visuelle Kultur es medial,
stets transnational agierende und seit der Postmo-
disziplinär und territorial zu streuen gilt. Eine einseitige
derne durch gesellschaftliche Migrationen beschleu-
Überführung der Mode in das Internet mit der gleich-
nigte Mode dar. Ob Film oder Fotografien in Weblogs
zeitigen Aufgabe des etablierten Selbstdarstellungs-
und anderen neuen Kommunikationswegen im
und Wahrnehmungskonstruktes städtischer Repräsen-
Internet: Das World Wide Web bringt sowohl bewegte
tationsflächen, würde wahrscheinlich einen Einbruch
als auch im Grunde statische Bilder in einen Zustand
des im höheren Preissegment gut funktionierenden
steter Mobilität, wodurch sie zu einer Metapher für
Designsystems herbeirufen. Auf der anderen Seite
das „New Nomadic Age“
832
verschiedener Migrationen
würden aber womöglich, den in den Entwürfen
per se avancieren. Die lokalen Bindungen an wenige
innewohnenden Gedanken entsprechend, weitaus
Modezentren der Welt, wie sie Luxusprintmedien mit
freiere, von Hierarchien, Territorien und Zeiten
ihrer Berichterstattung über die nur Auserwählten
befreite Plattformen geschaffen. Was sich mit der
vorbehaltenen Schauen oder in exklusiven Boutiquen
Wanderschaft der Kleidung und Objekte durch den
und Galerien ausgestellte Stücke konstruiert haben,
Raum des World Wide Web bisher allein mit einer
833
Eventräume zwischen Animation und Realfilm
165
166
imaginativen Migration der Arbeiten durch die Räume
ideale Nährboden für grenzüberschreitende Prozesse
der Ethnoscapes ankündigte, könnte, von realen
aller Arten sind, stellt sich ein den Metropolen vorbe-
Aufführungsorten gänzlich befreit, eine authentischere
haltener Exklusivitätsanspruch für eine Mode, die dem
Realisierung der konzeptuell proklamierten Ankunft in
wandernden Menschen gleich auch selbst in Bewe-
der Allgegenwart implizieren. Obgleich Großstädte mit
gung zwischen Ländern, Kulturen, aber ebenso
ihrem säkularen Gemisch aus Menschen und Ideen der
Disziplinen geraten ist, als Widerspruch dar.
Mode als Bild – Mode im Raum Bild. Die Medialisierung multimedialer Mode
Konstruktion eines artifiziellen Modekörpers das Spiel mit der Natürlichkeit nicht ausgeschlossen sein muss.839 Dies bedeutet, dass der materielle, biologische Körper über die textile Hülle eine diskursive Prägung erfährt, die den Körper repräsentativ formiert.
9. Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
In ihrer Abhandlung Technologies of the gendered body. Reading cyborg women hat Anne Balsamo 1996 diesen Aspekt mit einer einfachen Formel umschrieben: „Cultural design of the body“ meine, dass sich Verhalten und Erscheinung des Menschen mitsamt seinen Erzeugnissen nicht aus einem gesellschaftlichen Vakuum heraus entwickelten, sondern von vorherr-
„Wer sich über Mode Gedanken macht, muß in
schenden wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und
diese Überlegungen die Menschen und deren
weltanschaulichen Faktoren geprägt seien.840 Das
jeweiliges Umfeld einschließen.“
Kleid, aber auch der Körper sind so gesehen Produkte
836
In Bezug auf Kleidung meint die Auseinanderset-
und Medien dieser spezifischen Prägungen, stets einer
zung mit dem Menschen grundlegend das Grundge-
(Neu-)Erschaffung von Identitäten und den dazugehö-
rüst der Kleidung – den Körper.837 Abstrakt ausge-
rigen äußeren Erscheinungsbildern dienlich.
drückt, handelt es sich bei einem menschlichen Körper
Dass sich gesellschaftliche Zustände, zu denen
um ein dreidimensionales, bewegliches Gebilde, mit
seit der Verabschiedung des 20. Jahrhunderts die
dem oder gegen den die Mode in verschiedenen
Gewissheit über freiwillige und erzwungene Migratio-
Weisen arbeitet. Dabei ist das Verhältnis des Kleides
nen zählt, nicht nur auf die modischen Artefakte in
und des Menschen immer ein dialektisches: Das Kleid
ihrer Vernetzung mit verschiedenen Disziplinen über
bedeckt den Körper der Witterung gemäß und verleiht
Konzepte und Formen auswirken können, haben alle
ihm in Anlehnung an seine spezifischen Lebensum-
bisherigen Kapitel sowie die zuletzt besprochenen
stände, seinen sozialen Status oder andere kommuni-
Modefotografien und Filme seit den frühen
kative Intentionen eine bestimmte Bedeutung; auch
1990er-Jahren gezeigt. Inspiriert von Grunge und
das Kleid scheint nicht ohne den Körper auszukom-
Purismus in klarer Absage an den einstigen Lauf-
men, wenn es durch das körperliche Volumen und die
steg-Glamour bestimmten Designer und Künstler auch
Bewegung erst zum Kleid gemacht, gewissermaßen
den Träger ihrer Erzeugnisse neu – den Menschen
belebt wird. Dabei veränderte sich die Idealvorstellung
selbst. Die rasche Abfolge der global stattfindenden
von einem menschlichen, weiblichen oder männlichen
Veränderungen und die Aussichtslosigkeit, in einer
Körper über die Jahrhunderte hinweg stetig. Jede Zeit
beschleunigten und durch Exil und Mobilität entlokali-
definierte über die Mode ein eigenes, spezifisches Bild
sierten Welt jemals anzukommen, haben das Bild jener
des Menschen, dessen Körperteile unterschiedlich
geistig und manchmal auch körperlich gebrochenen
betont, ignoriert oder gar kaschiert wurden.
Models geprägt. Dabei ist Wandel ein immanenter
Hier liegt das eigentliche Verhältnis von Mode
Bestandteil des Lebens, der als Chance verstanden
und Körper begründet: Mode will nie einen natürlichen
werden kann, sich durch die richtige Anpassungsme-
Körper zum Ausdruck bringen, sondern immer einen
thode immer wieder neu zu definieren: „Nothing can
wobei bei der
avoid changing. It’s the only thing you can count on.
anderen, fiktiven Körper erschaffen,
838
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
167
Because life doesn’t have any other possibility,
Humanen wäre die logische Konsequenz. Chalayans
everyone can be measured by his adaptability to
Arbeiten werden im Folgenden als Zeugnisse einer
change.“841 Die Fähigkeit, sich ausgewählter Strategien
Restrukturierung herangezogen, die in Anlehnung an
der evolutionären Natur zugunsten einer bestmögli-
eine plurale Realität im steten Wandel nicht nur
chen Überlebenssicherung zu bedienen, erweist sich
entkategorisierte künstlerische Erzeugnisse meint,
auch im Alltag der späten Postmoderne als notwendig.
sondern einen Vorschlag für einen neuen, verschie-
Neben der Erzeugung eines u.a. mit Philosophie,
dene, gar gegensätzliche Zugehörigkeiten vereinenden,
Anthropologie, Naturwissenschaften und Kunst
hybriden Menschenentwurf macht. Ob dieser Entwurf
besetzten Designs, das den neuen Bedürfnissen des
als Vorteil für eine von beschleunigten identitären und
Grenzen jeglicher Art entsagenden Umfeldes bestmög-
disziplinären Übergängen gezeichnete Gegenwart der
lich nachkommt, scheint auch die Frage nach einem
Postmoderne gegenüber überlieferten und gegebe-
passenden Entwurf des Menschen gerechtfertigt. Wie
nenfalls überkommenen Identitätsbildern diskutiert
muss der Mensch in räumlicher und zeitlicher Allge-
werden kann, sollen die einzelnen Betrachtungen
genwart konzipiert und realisiert sein? Was bedeutet
klären.
eine Restrukturierung des Menschenbildes unter einer transdisziplinären (Kleider-)Hülle im Hinblick auf Kultur und Ethnie, Geschlechtlichkeit, Alter, Leben und Tod oder die (informations-)technologisch beeinflusste Hinterfragung eines rein organischen Daseins? Barthes verstand in den 1960er-Jahren die Mode
Die These „form follows culture“ bezeichnete im Verlauf der vorliegenden Arbeit grundsätzlich den Einfluss einer Trans-Kultur auf das Denken und
als idealen Ort, um „in einem einzigen Wesen“ Vielheit
Handeln des Menschen und damit auf zwangsläufig all
ohne Widersprüche darzustellen, allerdings im Kontext
seine materiellen Erzeugnisse wie auch das Design. In
einer mit Verkleidungen rein spielerisch agierenden
seiner Loslösung vom Prädikat der Funktion verzichte-
Inszenierung, die mit tiefergehenden Gedanken wenig
ten die gezeigten Objekte entweder gänzlich auf das
gemein hatte.
842
Die Vervielfachung des Menschen
Praktische oder formulierten Nutzen zu einer Mehr-
aber, die sich mit der Erfahrung von Migration und
fachfunktionalität um; beide Wege vermittelten in
Heimatverlust einstellen kann, mit der gleichzeitigen
ihrer Verschränkung mit verschiedenen Disziplinen
Voraussetzung einer raschen Anpassung an neue,
stets die gleiche Absage an das für die multireferenzi-
wechselnde Lebensumstände, meint keineswegs ein
elle, globalisierte Welt des Überganges zum neuen
fiktives Modespiel, sondern eine reale Lebenslage. Seit
Jahrtausend überholte Idealbild modernistischen
der Postmoderne finden sich diese komplexen, von
Designs. Die Entgrenzung vormals klar voneinander
gesellschaftlichen und politischen Brüchen berichten-
getrennter Sparten sollte nicht nur Folgen für die
den, instabilen Identitätsbilder im Design selbst wieder
zunehmend konzeptuell untermauerten Formen von
und erlauben ernst gemeinte konzeptuelle Bezüge zu
Objekten haben, sondern auch das Bild des Menschen,
Gegenständen, aber auch Subjekten im „Dazwischen“.
u.a. in der Mode, nachhaltig beeinflussen.
Vielfalt würde – der Idee einer Korrelation von Transkulturalität und -disziplinarität und damit der sich
168
9.1 „Bastard-Ich“ 843: Eine Revision des Kultur-Körpers
Schon immer haben Modedesigner für die Präsentation ihrer Arbeiten den menschlichen Kör-
aus Differenz speisenden äußeren Hülle entspre-
per – die Vorführerinnen – inszeniert, um in bestimm-
chend – auch auf den Menschen übergehen: Eine
ten zeitlichen Abständen neue Idealbilder zu formie-
Vermischung von Kategorien und Zugehörigkeiten des
ren. Bis in die 1980er-Jahre ging es dabei grundlegend
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
um die Wirkung der Kleidung auf einem optisch herge-
Regierung verstand und der Anklage des Rassismus in
richteten Model und weniger um eine Hinterfragung
der Modebranche folgte, die das schwarze Model
gesellschaftlicher Zustände oder gar kultureller
Naomi Campbell erhob.849 Das bis dato in der gesam-
Zugehörigkeiten. Doch das 20. Jahrhundert verab-
ten Modebranche, so auch in Luxusmagazinen,
schiedet sich mit Entterritorialisierungen aufgrund
dominierende weiße Schönheitsideal wurde im Umfeld
sozialräumlicher Umstellungen des globalen Kapitalis-
einer nun mit Bildern „multikultureller“ Identitäten850
mus, wodurch gängige Maßeinheiten der Lokalität,
arbeitenden postmodernen Mode erschüttert.
aber auch der Nationalität infrage gestellt wurden.844
Der Weltmarkt für die scheinbar von Grenzen
Hinzu kamen Kriege, Vertreibungen und erzwungene
befreite Kunst und Kultur der 1990er-Jahre benutzte
Massenmigrationen verschiedener Menschengruppen.
allerdings Bilder des „Fremden“, „Anderen“ oder gar
Diese Veränderungen machten sich nicht nur in
„Exotischen“ gerne als Konsumware.851 Die postkoloni-
Chalayans u.a. mit Ideen der (imaginierten) Mobilität
alen Identitäts- und Subjektmodelle der Migranten
arbeitenden, räumlich und disziplinär grenzüberschrei-
wurden zu Vermarktungsbildern der Globalisierungsi-
tenden Entwürfen bemerkbar.845 Kulturelle Grenzen
deologie, deren Images und Dispositive von der Kunst
wurden zu einem Thema für neue Designer, die sich
entweder verfestigt oder kritisiert wurden.852 Nicht
nun der Erscheinung der Trägerinnen ihrer zunehmend
anders ging auch die Mode mit Bildern des „Anderen“
konzeptuell untermalten Kleidung widmeten. Auch
um, man denke nur an die mit ethnischer Vielfalt
hier machen, wie in der generellen Ablehnung über-
paradigmatisch spielenden Benetton-Werbetafeln.
kommener Schönheitsbilder und Funktionsweisen der
„Bricolage“ ist das Stichwort der modischen Post
Mode, die Japaner den Anfang. Miyake bricht nicht nur
moderne, die auf ein Pastiche pluralistischer Ideen,
mit dem Bild einer auf Kleidung begrenzten Mode,
Formen und Materialien aus unterschiedlichen
indem er beispielsweise nach der Öffnung Japans in
Kontexten zurückgriff853 und dabei den kulturellen
Richtung Westen Ende der 1970er-Jahre das Buch
Hintergrund mal mehr oder weniger oberflächlich zur
East meets West als Teil seines Gesamtkunstwerkes
Sprache brachte.
veröffentlicht.
846
Aus einer Zusammenarbeit mit der
Auch Chalayan interessiert sich seit seinen
Fotografin Leni Riefenstahl entstehen Fotografien der
Karriereanfängen für den Menschen unter der Klei-
Nuba im Sudan, die Miyake 1976 als künstlerische
dung. In Kapitel 3.3 konnte hauptsächlich den frühen
Vorlage für die Kollektion Twelve Black Girls benutzt,
Zeichnungen bis zur Jahrtausendwende eine beson-
um sie, wie der Titel besagt, von 12 afro-amerikani-
dere Berücksichtigung von Gesichts- und Körper
schen Models, samt der damals weltberühmten
details entnommen werden, die nicht nur gegen die
schwarzen Sängerin Grace Jones, auf einem Laufsteg
in der Mode übliche detailarme, schablonenhafte
in Tokio zu präsentieren.
847
Damit lenkte er von einem,
Figurine einstand, sondern die die stellenweise nur
ihm als Japaner stets zugeschriebenen „orientalen“ Stil
konturenhaft angedeuteten Entwürfe sogar domi-
ab und leitete die „Weltkultur“-Mode der folgenden
nierte. Das Kleid nahm damit nur eine zweitrangige
zwanzig Jahre ein, die ein Zusammenspiel verschiede-
Rolle ein (vgl. etwa Abb. 10). Im Gegensatz zu den
ner ethnischer Schönheitsbilder erlauben sollte.848 In
überwiegend der Oberfläche in Zeichnungen und
den 1990er-Jahren folgte ihm der Franzose Jean-Paul
Kleidern verpflichteten Designern eröffneten Chala
Gaultier mit einer gänzlich aus schwarzen Models
yans Skizzen einen Blick auf tiefergehende, mit
bestehenden Pariser Show, die sich als Protest gegen
Leitideen arbeitende Vorgehensweisen, durch die sein
die strikten Immigrationsgesetzte der französischen
nicht minder der äußeren Form verpflichtetes Gesamt-
„Bastard-Ich“. Eine Revision des Kultur-Körpers
169
schaffen zwischen den Kategorien – der spielerischen
oberflächlicher Hinweise vor. Selbstverständlich
Mode und der „ernsten“ Kunst etwa – positioniert
verzichtet auch er nicht auf Models unterschiedlicher
werden konnte. Dass es grundsätzlich um eine
ethnischer Herkunft in seinen Shows, doch sind
deutliche Absage an die Grenzen des Faches Mode
spätestens seit den 2000er-Jahren auch farbige
ging, konnte den überbetonten Gesichtern schnell
Frauen auf dem Laufsteg längst kein Indiz mehr für
entnommen werden. Doch welchen Hinweis liefern sie
potenziell ernst gemeinte soziopolitische Bezüge.
darüber hinaus im Hinblick auf kulturelle Zugehörig
tet Chalayan vielmehr diskursiv, über Arbeiten wie
keine äußerlich entzifferbaren, weiterführenden
Temporal Meditations (2004), indem in Form von
Bezüge preis, was sich für Chalayans gesamtes Œuvre
scheinbar luftig-verspielten Kleidern oder im Film
als programmatisch erweisen sollte. Auch die Manne-
Jahrhunderte währende Kämpfe und Mischungen von
quins
, die in Ausstellungen, wie z.B. im Istanbul
854
Ethnien und Kulturen zur Sprache kommen (vgl.
Modern im Jahr 2010, eingesetzt werden, bestätigen
Abb. 83).855 Nicht eine äußerliche Ansammlung
diese Beobachtung (Abb. 98). Wie in den Arbeitsskiz-
plakativer, ethnisch-kultureller Referenzen, sondern
zen handelt es sich auch hier keineswegs um gesichts-
die mittels einer DNA-Analyse aus Chalayans Blut
lose „Kleiderbügel“. Nur einem tiefer gehenden
identifizierten kontinentaleuropäischen, byzantini-
Interesse am Menschen kann es geschuldet sein, dass
schen und Wikingergene856 nimmt der in London
die Figuren genauestens ausgearbeitete Gesichtszüge
lebende türkische Zypriote als Quelle für Berichter-
aufweisen. Nicht nur, dass die Puppen überwiegend
stattungen, die er in diesem Fall über Textilien kommu-
brünette Perücken tragen, ihre Stirnpartie und die
niziert. Dabei stellt er fest, dass Herkunft keine Sache
Wangenknochen stark ausgeprägt sind, die Nase spitz
der Einheit oder Reinheit sein kann, sondern immer
zuläuft und das Kinn ein Grübchen prägt – die ge-
Vielfalt impliziert. Die Idee einer einzigen Wurzel,
schlossenen Augenränder und den stark hervortreten-
gegen die bereits Deleuze und Guattari antraten,857
den Augenbrauenbogen zieren tatsächlich Härchen.
greift zwanzig Jahre später erst recht nicht mehr. Das
Die auffälligen, insgesamt etwas herb-markanten
sich mit zahlreichen anderen Punkten verwachsende
Gesichtszüge widersprechen gänzlich den anonymen,
und in verschiedene Richtungen verzweigende
den allgemeinen Geschmack bedienenden hübschen
Rhizom858 erlaubt indessen einen unparteiischen, gar
Modepuppengesichtern und betonen einen intendiert
neutralen Blick auf Grenzen und Zugehörigkeiten,
individuellen, anti-modischen Charakter des Manne-
wovon unmissverständlich alle Zeichnungen, Objekte
quins. Bei allen Persönlichkeitsmerkmalen kann aber
sowie Kleider Chalayans in einer spezifischen, äußer-
aus den hervorstehenden Wangenknochen oder den
lich subtil ablesbaren Referenz auf konzeptuell
tiefen Augenhöhlen keine bestimmte Zugehörigkeit
gemeinte Vielfalt zeugen.
abgelesen werden; wie in den Zeichnungen ist eine
170
Die kulturelle Umschreibung von Körpern leis-
keiten? Bei aller Detailliebe geben die Zeichnungen
Dass Chalayan sich neben der Objekte und
Kategorisierung nach ethnischen, sozialen oder
Kleidungsstücke gerne auch materiell des Körpers
kulturellen Aspekten unmöglich – das Dargestellte
bedient, um gesellschaftliche Gedanken zu kommuni-
formuliert sich zugleich individuell und sehr offen.
zieren, verwundert wenig angesichts der Möglichkei-
Anders als zahlreiche mit gängigen Idealen augen-
ten seiner Prägung und Medialität: „The body, in some
scheinlich durch den Einsatz farbiger Models oder
respects, is the biggest symbol of tradition. That is why
ethnischer Make-up- und Haar-Stylings brechende
I am interested in re-animating certain thoughts
Designer geht Chalayan abstrakt im Sinne indirekter
around it, because you can alter the idea of the body
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
in the way you present it.“859 Am Körper scheinen sich
und die Befreiung von überlieferten Zierformen
die unterschiedlichsten Normen, Regeln, Rituale und
zugunsten einer Ausfüllung ungewöhnlicher Körper-
Bräuche spezifischer Zeiten und Räume am deutlichs-
stellen.862 Gerade Schmuck, der in einer bestimmten
ten einzuschreiben und auszuprägen; dies macht ihn
Form und Anbringungsart an den Körper bei allen
zur geradezu idealen Arbeitsfläche für ein multirefe-
Völkern und Kulturen traditionell mit expliziten
renziell restrukturiertes Design mit Blick auf einen
Botschaften belegt ist, wird hier aus jedem nur
Träger, der im Alltag physischer und geistiger Gren-
erdenklichen Kontext gerissen. Das Resultat dieser
züberschreitungen Kategorisierungen nur als sinnlos
Manipulationen ist – den Zeichnungen, Ausstellungs-
abtun kann. Kulturelle Vielfalt wird allerdings, den
puppen und den disziplinüberschreitenden Kleidern
Textilien ähnlich, überwiegend unter der Oberfläche
gleich – ein undefinierbares, von Zuordnungen
stattfinden und hauptsächlich auf konzeptuelle Weise
befreites Menschenbild.
Konventionen hinterfragen. In diesem Sinne sind auch
In Chalayans Design geht es grundsätzlich
die individuellen Andeutungen in den Zeichnungen
darum, eine Dekonstruktion festgefahrener, an klaren
und Ausstellungspuppen als Hinweise auf eine den
Grenzen haftender Identitätsbilder einzuleiten. Und
Werken vor allem inhaltlich zugrunde liegende
gerade weil der Bruch mit Konventionen nie über eine
kulturelle Pluralität zu verstehen.
reine Ansammlung optisch ablesbarer Mannigfaltig
Von der Abhandlung heterogener Zugehörigkei-
keiten geschieht, ist eine sehr eigenständige, nicht
ten unter der textilen Oberfläche berichteten bereits
dagewesene „dritte“ (Menschen-)Form überhaupt erst
die stilisierten grafischen Muster der ursprünglich
formulierbar. Die französische Künstlerin Valérie Belin
naturalistischen Blumenabbildungen in den Stoffen der
artikulierte diesen Sachverhalt sehr eindrucksvoll in
Kollektion Nothing, Interscope (1996) (vgl. Abb. 19).860
ihren Fotografien. Auf der einen Seite stellt sie
Der Blick auf die Modelgesichter während der Show
schlichte Schwarz-Weiß-Abbildungen schwarzer
entlarvt einen direkten Eingriff in den fleischlichen
Personen her, die mit ihrer direkten Ungeschöntheit an
Körper, doch wird auch dieser, wie die Zeichnungen,
überlieferte Bilder der ersten, rohen Darstellungen der
Puppen oder Textilien, als weiteres Indiz für den
fotografisch dokumentierten Sklaven erinnern
Verzicht auf etablierte, äußerlich aufgeschlüsselte
(Abb. 100).863 Auf der anderen Seite bildet sie mithilfe
Markierungen eingesetzt. Die Frauen erscheinen auf
von Farbfotos „Mestizinnen“ ab, in bunter Kleidung,
dem Laufsteg mit weit aufgerissenen Mündern,
mit Perücken, Schminke und farbigen Kontaktlinsen,
zunächst Entsetzen oder starkes Gähnen vortäuschend
Mitteln, die die Vielfalt ihrer verschiedenen, aus der
(Abb. 99). Auf den zweiten Blick geben aber die
Mischung hervorgegangenen Hauttöne untermalen
offenen Mundhöhlen vertikal aufgestellte, goldene
(Abb. 101). Die auf Dichotomien – Schwarz und
Metallstäbe preis, die ein Schließen des Mundes erst
Weiß – anspielenden Bilder der Schwarzen stehen der
gar nicht erlauben. Hinter diesen ungewöhnlichen
bunten Palette an variierenden Nuancierungen
Accessoires unter dem Namen Mouth Bar steht die
augenscheinlich kreolisierter Menschen entgegen:
Designerin und Künstlerin Naomi Filmer, die sich in
Gerade aber die künstlich hergestellte Farblosigkeit
ihrer Arbeit grundsätzlich weniger für das interessiert,
bestätigt die Natürlichkeit einer dem Leben zugrunde-
was auf dem Körper passiert, als sie vielmehr den
liegenden Relation von Dingen, die sich stets hetero-
Körper selbst ins Zentrum ihrer Schmuckphilosophie
gen und keineswegs dualistisch äußern kann. Ein
stellt.861 Dabei geht es ihr um die Hinterfragung der
weitaus abstrakter formuliertes Pendant zu Belins
konventionellen Beziehung von Körper und Schmuck
Fotografien sind Chalayans Make-up-Gestaltungen der
„Bastard-Ich“. Eine Revision des Kultur-Körpers
171
Models zur Show der Frühling/Sommer-Kollektion
zwischen dem Selbst und dem Anderen als Basis für
Medea (2002) (Abb. 102). Die Gesichter der ethnisch
die Produktion von Hybridität entdeckte,869 führte der
sehr unterschiedlichen Models sind mit unregelmäßi-
karibische Dichter und Wissenschaftler Glissant
gen, farblich voneinander abgegrenzten Flecken
weiter: „Die Weltbeziehung verbindet, überträgt, setzt
übersät, die sich mal mehr, mal weniger vom Grundton
ins Verhältnis. Sie stellt nicht eine Beziehung zwischen
der Modelhäute unterscheiden. Die Farbflecke
diesem und jenem her, sondern zwischen allen mit
erinnern an ausgeschnittene Hautfetzen, eine weitere,
allen.“870 Dass sich die Verwebung verschiedener
tiefer liegende Schicht ans Tageslicht hervorbringend.
Elemente zwangsläufig nie in ihren Einzelteilen
Wie auch Belins auf Dichotomien gründende Schwarz-
repräsentativ lesen lässt und als nicht entschlüssel
Weiß-Bilder spricht die Absurdität der grafisch sauber
bares, neues Endprodukt dasteht, ist einleuchtend:
geformten Identitäts-Lagen in Medea, sich selbst
„a + b“ kann nicht „ab“, sondern nur „c“ ergeben.871 Das
ironisch kommentierend, von abgegrenzten, rein
Stichwort aller Mischungen müsste daher „Recht auf
gehaltenen, „unversehrten“ Kulturen, die es so nicht
Opazität“ lauten, das den Anderen – erneut mit dem
gibt.
Konzept des Palimpsests vergleichbar – nicht auf das Das Resultat dieser bereits in verschiedenen
um Identität entschlüsselbar zu machen.872 Mit dem
verschränkten Dualitäten ist ein oppositionskritischer,
weitestgehend abstrakt formulierten Bruch überkom-
nie da gewesener Entwurf des Menschen – ein aus
mener Systeme zugunsten von Andersheit entpuppt
dem Gedanklichen ins unkategorisierbare Materielle
sich kulturelle Überschneidung als eine grundsätzliche
überlieferter Morph, eine Métissage, Mestizaje,
geistige Haltung873 oder eine neue Qualität des
Mischung, Bastardisierung, Kreolisierung oder Hybridi-
Sozialen, die die Gefahr umgeht, gesellschaftliche
sierung etwa. Das „Kind“ der Hybris stimmt mit seinem
Vielheit verklärend als multikulturelles Nebeneinander
Elternsystem nicht überein und präsentiert sich als
anstatt als transkulturelles, auf Austausch angelegtes
eigenständiges, gänzlich neues Wesen.864 Im ursprüng-
Miteinander zu lesen.874 Die gegenseitige Beziehung und Beeinflussung
lich biologischen Wortgebrauch bezeichnet ein „Hybride“ einen aus Kreuzungen hervorgegangenen
von verschiedenen Elementen meint dabei einen sehr
Bastard, dessen Vorfahren differente erbliche Merk-
offenen Zustand mit der steten Hinzunahme neuer
male vorwiesen.865 Im 19. Jahrhundert sollte der
Elemente, wodurch Kultur nie als abgeschlossener
rassistisch mit Degeneration, Identitätsverlust und
Prozess verstanden werden kann. Da sie nie allein
Unfruchtbarkeit unterlegte Begriff in kolonialen,
Ethnie, sondern Sozialisierung, also elementare
antisemitischen und nationalistischen Kontexten der
Wahrnehmungseinheiten bis zu ideologischen Syste-
„Vermischung“ von Völkern entgegenwirken.
172
Modell einer eigenen Transparenz reduzieren lässt, nur
Kleidungsstücken formal und diskursiv miteinander
866
Erst in
men meint und das gesamte Denken und Handeln des
den 1980er-Jahren wird der Hybride zum Plädoyer für
Menschen prägt, müssen im Zuge der immerwähren-
die Vielheit heterogener Konzeptionen, Sprachspiele
den Verschränkungen, so auch im dritten Jahrtausend,
und Lebensformen der Postmoderne und des Post-
neue, alle Bereiche der Kultur betreffende Einteilungs-
strukturalismus.867 Die Betonung liegt dabei auf einem
muster und Bewertungskriterien875 formuliert werden.
notwendigen Austausch von Elementen, deren
Demnach dürfte männlich, lebendig und organisch
Beziehung keine Parallelität von Einzelcharakteristika,
nicht mehr in reiner Opposition zu weiblich, tot und
sondern Vielheit in ihrer Verwebung begreift.868 Was
künstlich stehen. Kulturelle Verschränkungen würden
der postkoloniale Theoretiker Bhabha mit dem Diskurs
sich auf allen Strukturebenen bemerkbar machen und
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
die Hybridisierung, Bastardisierung oder Métissage
materielle, fleischliche Körper näherte sich gegebe-
eine Entgrenzung unterschiedlichster Zugehörigkeiten
nenfalls einem modischen Körperbild an, was bedeu-
implizieren.
tet, dass auch die zu bestimmten Zeiten nackt, in Kunstgemälden gezeigten Frauen in ihrer Form von
9.2 Ideale überdenken. Weiblichkeit auf dem Prüfstand
linen-Mode steht repräsentativ für die Körperverfor-
Als Metapher der Sozialtheorie versteht sich
mung nach zeitweiligen Idealen und so verwundert es
bekleideten, modischen Körpern abhingen. Die Krino-
Mode stets als Totalphänomen oder universales
nicht, dass auch der darunterliegende Körper in seiner
kulturelles Gestaltungsprinzip, das den gesamten
Nacktheit zeitweise von ausladenden Hüften und einer
Menschen erfasst.
flach gedrückten Brust zeugte. Das bedeutet, dass
876
So ist davon auszugehen, dass
sich die über disziplinär entgrenzte Kleider inhaltlich
durch Mode bestimmte Körperteile schon immer
und repräsentativ kommunizierte kulturelle Vielfalt in
beliebig betont, erotisch aufgeladen oder eliminiert
allen Äußerungsweisen des Menschen, so auch der
werden konnten. Poiret war der erste Couturier, der
Geschlechterkonstruktion, bemerkbar machen muss.
den noch von Worth gepflegten Geschmack einer
Für eine Mode, die in der post-ideologischen Gesell-
üppigen Silhouette durch einen erstmals schlanken,
schaft des 21. Jahrhunderts soziale Kommentare in
beweglichen, der modernen Ästhetik des anbrechen-
Kleidung einbaut, um für Entgrenzungen jeglicher Art
den 20. Jahrhunderts angepassten Körper aus-
einzustehen, gilt es vor allem, das auf weiblichen,
tauschte.880 Mit der Aufgabe des Korsetts konnte ein
jungen und professionellen Models bauende Bild der
gänzlich neues, nun jugendliches und kurvenloses
Frau zu redigieren. Welche Aussagen trifft Chalayan
Körperbild die verführerische Erotik der reifen Frau um
über die Trägerin seiner zwischen Zuordnungen
die 40 ablösen.881 Dass über Kleiderentwürfe hauptsächlich der
migrierenden und von Migrationen berichtenden Mode? Welche Rolle spielt das Konzept jenseits von
weibliche und nicht der männliche Körper immer
Entwürfen für die Rolle des Models oder gar der Frau
wieder neu formuliert wurde, liegt an der sich bis
im Allgemeinen? Bedient er sich überhaupt eines
heute hartnäckig haltenden Vorstellung von einer der
Ideals? Für wen designt er?
Mode bzw. dem (männlichen) Designer hilflos ausgelieferten Konsumentin, die es in dieser Ausschließlich-
9 . 2 . 1 Vo n d er Mu s e z u r Mei n u n g
keit allerdings nicht immer gab.882 Bis zur Entstehung
Grundsätzlich gilt, dass Identität in unserer
der Haute Couture im 19. Jahrhundert und der dadurch hauptsächlich von Männern dirigierten Mode
Kultur ein normatives Ideal darstellt, was bedeutet,
und weiblichen Körper waren die Frauen selbst für ihre
dass sowohl Verhalten als auch Erscheinung gesellschaftlich und damit auch modisch vorgegeben sind.
877
Kleidung zuständig, was auch eine selbstbestimmte
Mode ist damit weniger ein Ausdruck von Geschlecht
Individuation implizierte.883 Jean-Jacques Rousseaus
als vielmehr selbst die Determinierung von Geschlech-
Schilderungen der Sozialisation von Mädchen zum
terbildern.
878
Der biologische Körper, wie auch immer
modischen Verhalten im fünften Buch des Erziehungs-
er beschaffen sein mag, verschwindet und macht dem
romans Émile (1762)884 bereiteten im Vorfeld der
modischen Körper Platz, der zum Inbegriff der Frau
Französischen Revolution dieser Eigenbestimmung ein
schlechthin wird.879 Keine historische Mode hat jemals
Ende.885 Erstmals wird die Frauenmode strikt von der
den weiblichen Körper ausgedrückt, sondern vielmehr
Herrenkleidung getrennt und das Bild einer vermeint-
ihr jeweils spezifisches Bild vom Körper erzeugt. Der
lich natürlichen Verbindung von Frau und „Putz“ zum
Ideale überdenken. Weiblichkeit auf dem Prüfstand
173
Regulativ von Geschlechterverhältnissen, wie wir sie
einer den Umständen der Zeit angepassten Frau
bis heute kennen.
formulierten sie eine konzeptuelle Herangehensweise
886
Dass die Mode allerdings die Auffassung von der
an Mode und integrierten das Gesamtuniversum
schönen und gewissermaßen hilflosen Frau nicht
Mensch in Kleidung. Models sind bei den beiden
immer affirmiert hat, sondern in ihrem subversiven
Designern daher keine überhöhten, professionell mit
Potenzial auch Ambiguitäten zuließ, zeigen die sehr
ihrer Schönheit arbeitenden Damen, sondern Frauen,
verschiedenen Frauenbilder des späten 20. Jahrhun-
wie sie im Alltag vorkommen. Erotik tritt bei Demeule-
derts.887 Nach dem letzten Höhepunkt einer inspirie-
meester in einer damals sehr modernen Version von
renden und unberührbaren Muse, die die größten
zufälligen Öffnungen oder schlaff herunterhängenden,
Couture-Häuser in die Hollywoodstars der 1950er-
die Schultern preisgebenden Oberteilen zutage.
Jahre projizierten,888 sollten die darauffolgenden
Margiela wiederum verdeckt die Gesichter seiner
1960er- und 1970er-Jahre mit einem normativen
Models, um den Blick gänzlich auf die Kleidung zu
Idealbild brechen. Die Straße brachte die Subkultur
lenken. Den Dekonstruktivismus der japanischen
und damit viele Stile gleichzeitig in die Mode und
Mode in Kleiderform und Frauenbild fortführend,
bestimmte zahlreiche neue Frauentypen. Eine große
sollte nichts mehr vom Design ablenken, das selbst
Rolle spielte dabei die Emanzipationsbewegung der
zum Vehikel für Ideen wird und das Model von seinem
Zeit, die überhaupt erst einen neuen Blick auf die Frau
ehemaligen Sockel stürzt. Die Muse als Inspirations-
erlaubte. Auf der einen Seite gab es die japanische
quelle und weibliches Ideal tritt hinter die Kleidung,
Mode der 1980er-Jahre, die den weiblichen Körper in
die sich als Code für eine zeitgemäße Haltung gegen-
erster Linie verleugnete.
889
Repräsentativ stehen dafür
Kawakubos Lumpenkleider und der erstmalige Einsatz
über einer „Mode nach der Mode“893 und der bewegten Welt im Allgemeinen versteht.
flacher Schuhe auf den Pariser Modebühnen, die den einstigen Modeglamour dekonstruierten.890 Auf der
9. 2. 2 Some -Body, No-Body, Whose
anderen Seite und sehr konträr zur kargen Ästhetik
Body? V ie lge sichtige 894 Ge nde rmod elle
Kawakubos finden sich die postmodern-eklektizisti-
durchtränkten Mode der 1990er-Jahre. Doch anders
modelle aus Kino und Mode sowie die sich an der
als Margiela verschrieb sich Chalayan nie gänzlich dem
Mode des 18. Jahrhunderts orientierenden, allerdings
Konzept im Design und verstand das Model nicht
weitaus praktischeren, modernen Krinolinen West-
allein als anonymen „Kleiderbügel“. Dass es ihm um
woods.
174
Auch Chalayan ist ein Kind jener von Ideen
schen Rückgriffe Gaultiers auf historische Frauen
891
Das Lob an die Weiblichkeit, die Verführung
Aussagen über den Menschen geht, den er nicht nur
und Koketterie, die jene Kleidung vermittelte, stellte
als Träger seiner konzeptuellen Entwürfe einsetzt, hat
die Frau keineswegs als Opfer, denn als eine sich der
insbesondere voriges Kapitel gezeigt. Kulturelle
modischen Machtinstrumente durchaus bewusste,
Hybridisierungen schrieben sich sowohl in der Klei-
überaus emanzipierte Frau dar.892 Irgendwo zwischen
dung als auch im Menschen selbst ein, indem in
den als anti-feminin geltenden japanischen Designern
abstrakter visueller Sprache identitäre sowie diszipli-
und der wiederentdeckten, selbstbestimmten Verfüh-
näre Pluralitäten in Form von Grafiken, Filmen,
rung der Neo-Diven in der Mode siedelte sich die von
Ausstellungsmannequins und Laufstegmodellen zur
der Grunge-Musik und dem gesellschaftlichen Alltag
Sprache kamen. Jene über die verschiedenen Genres
inspirierte 1990er-Jahre-Mode der Belgier, u.a. von
kommunizierten Diskurse von Vielfalt spielen auch im
Demeulemeester und Margiela, an. Auf der Suche nach
Versuch einer Generierung von Chalayans Weiblich-
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
keitsbild eine wichtige Rolle. Ob dabei ein einschlägi-
Design wirkt sich auf jegliche Andeutung von Kokette-
ges Idealbild oder den kulturellen Hybridisierungen
rie oder Frivolität minimierend aus, was allerdings der
entsprechend auch die Inszenierung der Frau einer
Sinnlichkeit und Verführung der Frauen keinen
Heterogenität frönt, zeigt ein genauerer Blick auf die
Abbruch tut. Hier geht es, anders als bei Westwoods
Aufmachung der Models in den Schauen und Filmen.
verspielter, in romantisch-punkigem Lederkorsett
In der Herbst/Winter-Kollektion Earthbound aus
gekleideter Kokotte mit verfälschter Taille und Brust,
dem Jahr 2009 schickt Chalayan ausgesprochen
um eine grafische, mit Kontradiktionen spielende Form
weibliche, blonde, langhaarige Models in High Heels
der Femininität. Den klassischen sexuellen Reizen
und eng geschnittener Kleidung auf die Bühne
setzt Chalayan lieber Hinweise auf andere Aspekte des
(Abb. 103). Ihre Lederbustiers folgen im Schnitt den
Körpers entgegen,896 indem er auf die materielle
weiblichen Rundungen, doch sind sie, anders als die
Beschaffenheit der Stoffe und ihre Konstruktion am
klassischen Korsette des 17. und 18. Jahrhunderts
weiblichen Körper verweist, wodurch das Objekt, das
(Abb. 104), die auch Westwood zum Vorbild für ihre
Kleid, in den Mittelpunkt rückt. Obgleich der Körper
modernen, weitaus bequemeren Corsagen nimmt,
durch die Strenge des Bustiers gewissermaßen hart
keine den biologischen Körper um- oder verformenden
und unnahbar erscheinen mag, ist er nicht unerotisch;
Kleidungsstücke. Obgleich das Oberteil aus hart
immerhin stehen die aus Leder perfekt geformten
wirkendem Leder geformt ist und die glänzende,
geometrischen Brüste für eine fleischliche, weiche,
artifiziell erscheinende Oberfläche einen Kontrast zum
kurvige, in einen fiktiven, festen Kleiderkörper897
weichen menschlichen Körper formuliert, scheint das
überführte Weiblichkeit. Im Design spiegelt sich die
Kleidungsstück eher eine Nachahmung des darunter-
Intention Chalayans, wie auch aller dekonstruktivis
liegenden fleischlichen Körpers zu sein. Wie eine
tischen Designer der 1990er-Jahre, eine selbstbe-
zweite Haut legt sich das aus perfekten geometrischen
wusste Weiblichkeit zu kommunizieren: „I want
Teilen zusammengesetzte Element nicht manipulativ,
women to emanate power, even in the most feminine
sondern vielmehr schützend über den Körper des
situations.“898
Models. Die Weiblichkeit evozierende konische
Die Idee einer starken Frau liegt den Arbeiten
Torsoform erreicht Chalayan demnach nicht durch die
der meisten Designer im Übergang zum 21. Jahrhun-
klassischen Schnürungen oder eine modernere
dert zugrunde, nur erlaubt sich jeder einzelne Coutu-
Interpretation der historischen Korsette aus elasti-
rier eine ganz eigene Interpretation der Umkehrung
schen Elementen, flexibleren Fischbeinstützen sowie
konventioneller Weiblichkeit. So kann es auch kein
schnitttechnisch manipulierter Verjüngung der Taille,
Einheitsmodell der weiblichen Schönheit mehr geben.
wie sie etwa Westwood in ihrer Herbst/Winter-Kol-
Stattdessen bedient sich die Mode der Ambiguitäten
lektion 1991 einsetzt (Abb. 105).
895
Vielmehr geht es
und Widersprüche,899 die auch den Bereich der
ihm um einen grafischen Effekt, den das mittlere
Geschlechteridentität erfassen. Die Erscheinung der
Lederelement optisch formuliert: In seiner sehr hellen
Frauen in der Kollektion Earthbound beschreibt ein auf
Farbe steht es in einem starken Kontrast zum dunkel-
grafischen Kontrasten und einem Widerspruch
grauen Hintergrund des Stoffes und scheint eine
zwischen weichem Frauenkörper und künstlichem
weibliche Figur auf das graue Kleid zu projizieren.
Kleiderkörper gründendes Bild des Femininen, das
Mit dem an menschliche Haut erinnernden Farbton
eine abgeklärte Erotik nach sich zieht (vgl. Abb. 103).
wird die Annahme einer nicht einzwängenden zweiten
Jenes Spiel von Dualitäten, dessen sich Chalayan
Haut untermauert. Das grafische, cleane, puristische
mithilfe einer Verwebung von Gegensätzen in Form
Ideale überdenken. Weiblichkeit auf dem Prüfstand
175
und Diskurs durchweg bedient, überführt er an
Models Bennu Gerede ist es gerade die neutrale, in
weiterer Stelle zu einem „Dazwischen“ von Geschlech-
makellosem, sauberem Weiß gehaltene Bekleidung,
tern. In der fotografischen Reihe Reduction Room
die grafisch die abstrakte Erscheinung des Wesens
(1999) betrifft dies das strenge, von dunklen Augen-
ohne geschlechtliche Zuordnung untermauert. Auch
rändern und einem bedrohlichen Blick untermalte
der Film Anaesthetics (2004) bedient sich des markan-
Gesicht des Models (Abb. 106). Das mit nahezu
ten Gesichtes Geredes, zu dem im Hintergrund eine
schwarzen Lippen und verschatteten Augen zur
Frau und ein Mann paradigmatisch das (geschlecht
sinnlich-mystischen Femme fatale des 21. Jahrhun-
liche) „Dazwischen“ der in der Bildmitte positionierten
derts stilisierte Model in Earthbound (vgl. Abb. 103)
Figur optisch stärken (Abb. 109).
weicht hier einer weitaus herberen, düsteren Venus.
im Zeichen einer allgemeinen Kontaminierung des
ungeschönt und ohne Make-up-Korrekturen liegt das
glamourösen Modesystems entscheidet sich Chalayan,
dem idealtypischen Schönheitsbild klar widerspre-
wie viele seiner Kollegen, u.a. Lang und Demeulemee-
chende Gesicht an der Grenze zwischen männlichen
ster, für ein Frauenbild, das problemlos die Balance
und weiblichen Referenzen. Die Mystik jener ge-
zwischen männlich und weiblich hält.903 Neben den
schlechtlichen Verwischung erfährt durch den dunklen
Rückgriffen auf die Verführung der Hollywood-Diven
Hintergrund und die ebenfalls in dunklem Grau
Gaultiers oder die barocke Opulenz Westwoods fallen
gehaltenen Kleidungsstücke ohne warme Beleuchtung
diese androgynen Anti-Musen und intellektualisierten,
eine besondere Intensität. Das Resultat ist ein inten-
von Ideen und Charakter durchtränkten Frauenbilder
diert strenger, aber auch durchaus präsenter, authen
besonders auf. Auch die alternativen Zeitschriften wie
tischer Gesichtsausdruck. Vor allem die filmischen
i-D, The Face und Purple beschäftigen sich im Übergang
Arbeiten Chalayans sind es aber, die sich sehr häufig
zum 21. Jahrhundert mit dem Phänomen der Andro-
androgyner Frauen bedienen. In Absent Presence
gynität und gehen so weit, dass einzelne Modebe-
(2005) spielt die für ihre Androgynie und ihre Wandel-
richte sich an beide Geschlechter gleichzeitig rich-
barkeit berühmte Schauspielerin Tilda Swinton die
ten.904 Androgynes Styling wird damit gleichermaßen
Hauptrolle der Wissenschaftlerin (Abb. 107).
900
Die
von Frauen und Männern konsumiert. Weiblichkeit
Schottin wird wegen ihres ungewöhnlichen, keinerlei
stellt sich hier außerhalb der klassischen Geschlechter-
Stereotypen bedienenden Aussehens und Auftretens
kategorien dar und wird zu einem breit gefächerten
von Designern901 wie politisch arbeitenden Künstlern
Spektrum an Möglichkeiten: „Women are feminine in
und Filmemachern geschätzt und oft zur Muse und
many different ways.“905 Was feminin ist, kann also
Stellvertreterin einer Haltung gegen den Mainstream
unterschiedlich definiert werden. Und dies schließt
stilisiert:
176
Im Umfeld heterogener Stile und Identitätsbilder
Irritierend wirkt dabei nicht allein der gefährliche Blick;
902
Das bleich-rötliche, ungeschminkte
eine Androgynität, die sich als Verlust von Weiblichkeit
Gesicht, die starken Wangenknochen und der für
versteht, deutlich aus. Stattdessen geht es um eine
Chalayans Filme und Fotoreihen generell charakteristi-
offene Umformulierung von Femininität in Anpassung
sche, durchdringende Blick der Models sind Mittel
an äußere Lebensumstände. Was bereits Poiret und
einer deutlichen Rebellion gegen das Eindeutige. Nicht
später Coco Chanel mit einer schmal geschnittenen,
anders ergeht es der Reisenden im Film Place to
weitaus praktischeren, der männlichen Kleidung
Passage (2003), deren sehr eng anliegende Kleidung
entlehnten Mode ausdrückten, war dem Bedürfnis
weibliche Konturen vermissen lässt (Abb. 108). Neben
nach einer größeren Bewegungsfreiheit geschuldet,
dem spitzen Gesicht und den abgedeckten Haaren des
die im frühen 20. Jahrhundert vor allem für Sport,
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
Freizeit oder Arbeit notwendig war.906 Die Bewegung,
tät anhaftende jugendliche Nonchalance ausgehebelt
auf die Chalayan seine Entwürfe u.a. bei der Inszenie-
wird (vgl. Abb. 109). In Afterwords (2000) geht er sogar
rung von androgynen Körpern innerhalb einer von
einen Schritt weiter und lässt Androgynität im Zusam-
Globalisierung und Kriegen gezeichneten Welt
menhang mit Reife gänzlich zugunsten einer Generati-
ausrichtet, meint eher Flucht, Migration und Heimatlo-
onenfrage aus. Die Performance wird nämlich von
sigkeit. Die stete Mobilität der Kapsel in Place to
einer aus nicht professionellen, jungen sowie deutlich
Passage oder die Geschichte, die der Film Absent
älteren Models bestehenden Gruppe eröffnet
Presence aus den blutverschmierten Kleidungsstücken
(Abb. 110). Es scheint selbstverständlich, dass der auf
anhand von DNA-Untersuchungen zur Exilgeschichte
der Bühne dargestellte Verlust von Heimat in Kriegs-
ihrer vormaligen Trägerinnen konstruiert, gehen immer
zeiten Familienbilder evoziert, die, ganz anders, als es
von Agierenden aus, die ihr kulturelles „Dazwischen“
die Mainstream-Mode bevorzugt, über authentische,
auf alle Ebenen ihres Daseins ausweiten. Das Weder-
„echte“ Menschen kommuniziert werden. Damit
noch oder Sowohl-als-auch wird damit zu einer mit
schließt sich Chalayan jener Reihe von Designern an,
dem gesamten Dasein gelebten, gar politischen
die schon immer wenig Interesse an kommerzieller
Prämisse.
Mode gezeigt haben. Bereits in den 1970er-Jahren
Rückblickend verstand sich Androgynität in der
arbeitete Kawakubo für einen Katalog mit berühmten
Mode kaum als politisches Ausdrucksmittel. Seit
Persönlichkeiten aus Literatur und Kunst, u.a. Rau-
Poirets erstmaliger Entdeckung des kurvenlosen
schenberg oder Leo Castelli, allesamt keine jungen
Mädchenkörpers wird sie, wie von Barthes betont, in
Models (Abb. 111).910 Auch Miyake in seiner Kollektion
der Mode vielmehr als Ausdruck von Jugend perzi-
Octogenarian (Frühling/Sommer 1995)911 oder Margiela
piert – als temporärer Faktor und nicht als sexuelles
für die Präsentation der Frühling/Sommer-Kollektion
Kennzeichen.
1999 griffen auf ältere Darsteller zurück.912 Seinem
907
Nicht das Geschlecht, sondern die
Jugendlichkeit wird als modisches Leitbild ständig von
selbst aufgestellten Ziel, Frauen „menschlicher“
Neuem versichert und verteidigt, immerhin ist sie es,
erscheinen lassen zu wollen,913 kommt Chalayan mit
die von der fortschreitenden Zeit bedroht wird.
einer Absage an die einheitliche modische Jugend
908
Das modische Prinzip und Paradox der durch ihre Vergänglichkeit zum Prestigeobjekt erklärten Jugend
sowohl in Form einer geschlechtlichen Neutralität als 909
umgeht Chalayan nicht nur, indem er seine androgy-
auch Pluralität nach. Dabei ist es stets der Blick, die An- und Hinsich-
nen Figuren mit Konzepten des Exils belegt und sie
ten, die die Geschlechtlichkeit definieren.914 Wie ein
damit außerhalb des Modisch-Genüsslichen stehen
Körper im Hinblick auf seine Sexualität oder das Alter
lässt. Er bedient sich paradigmatisch des von der Mode
konstruiert und wahrgenommen wird, wie ein Mann
bekämpften Vergänglichkeitsbildes, indem er auf reife
oder eine Frau sich verhalten oder aussehen sollen,915
Models und Schauspielerinnen wie Swinton und
ist immer soziokulturell und historisch geprägt – eine
Gerede setzt und sich einer Androgynität bedient, die
Sache der Perspektive. In der Kollektion Between
alles andere als Jugend meint. Doch betrifft dies nicht
(1998) standen die Frauen in den sich stets verkürzen-
allein die androgynen Figuren. Die im Film Anaesthetics
den Burkas stellvertretend für die Vielfalt, gar Opposi-
zur Linken und Rechten des selbst nicht mehr ganz
tion kultureller Praktiken, die erst durch die Konditio-
jungen Models im geschlechtlichen „Dazwischen“ posi-
nierung menschlichen Verhaltens in einem bestimmten
tionierten Personen entpuppen sich als älteres
Umfeld zum Ausdruck kommen (vgl. Abb. 47). Die
(Liebes?-)Paar, wodurch die der modischen Androgyni-
Verhüllung wird dabei sehr unterschiedlich perzipiert.
Ideale überdenken. Weiblichkeit auf dem Prüfstand
177
Aus einer traditionellen japanischen Perspektive
damit zu einem Prozess, der selbstverständlich über
heraus, wie der Designer Yamamoto schildert, kann sie
Kleidung hinausgehen muss; immerhin benutzt er den
als ein Weiblichkeit potenzierendes Mittel verstanden
(weiblichen) Körper als materielle und vor allem
werden: „When you have no freedom [in your clothes;
diskursive Basis. Geht es dabei um Konzepte, die
Verf.], your sexuality becomes stronger.“
916
Auch der
grundsätzlich von einer kulturellen Pluralität ausgehen
Aspekt der Verwischung jeglicher weiblicher Körper-
und Kategorien ausschließen, wird es schwer, die
signifikate durch die Verschleierung spielt bei der
geschlechtliche Identität unabhängig von der kulturel-
Erotisierung der unter der Burka verborgenen Frau
len Persönlichkeit zu betrachten und diese klaren
eine wichtige Rolle. Chalayan geht es in der Inszenie-
Zuordnungen zuzuweisen. Systemordnungen oder gar
rung der nackten im Gegensatz zu den verhüllten
ein universal gültiges (Vor-)Bild von Weiblichkeit
Frauen um die Bewusstmachung etablierter Perspekti-
erscheinen im Zusammenhang mit einer von steter
ven auf den weiblichen Körper und deren Relativität.
Bewegung zwischen Kategorien zeugenden Gegen-
917
Was im Orient mit der Anonymisierung der Frauen und der Verheimlichung ihrer Schönheit bei gleichzeitiger
So verwundert es nicht, dass Chalayan nicht
Steigerung von Begehren einhergeht, kann sich, in den
einen einzigen, mit der traditionellen modischen
Westen überführt, vollkommen ins Gegenteil verkeh-
Ikonenzelebrierung brechenden Frauenkörper defi-
ren. Wer sich hier verschleiert, fällt auf, wird unüber-
niert, sondern Weiblichkeit offenlässt. Der postmo-
sehbar, exponiert sich als Objekt der Betrachtung und
derne Vamp in Earthbound als Vorläufer der androgy-
nicht unbedingt der Begierde. Aber auch der Blick
nen Frauendarstellungen (vgl. Abb. 103) oder die
hinter den verhüllten Gesichtern gehört zum gesell-
Eliminierung des entschlüsselbaren Körpers, u.a. durch
schaftlich-kulturellen Werkzeug, das abhängig von der
Kleidung (vgl. etwa Abb. 108, Abb. 47), stehen für die
eingenommenen Perspektive Machtverlust oder
vielen möglichen Körperbilder zwischen festen
Machtinstrumentalisierung implizieren kann. Lehnert
Zuordnungen.919 So wird Asexualität nicht als eine
bemerkte, dass es seit dem 18. Jahrhundert und
Kategorie gehandhabt, die Geschlechter ausschließt,
Rousseaus in Émile erörterten „Naturgesetzen“ den
um ein „No-Body“ zu formulieren, sondern sie wird für
männlichen Blick benötigt hat, damit Frauen sich
vielfältige Körperdiskurse jenseits von biologischem
überhaupt erst als weibliche Person wahrnehmen
Geschlecht und Generation genutzt. Die Abschaffung
oder sich in ihrem Selbst konstituieren konnten.918
der modisch bzw. kulturell bestimmten Muse und ihre
Chalayans Verhüllte wandelt sich allerdings dank
Befreiung von vorgegebenen Körpertechniken oder
derselben Instrumentalisierung von Kleidung – auffäl-
-mechanismen überführt sie ins Undefinierbare. Ein
lige, aber zugleich auch von außen gut abgeschottete,
bestimmter, sich einem Lager zuwendender „So-
„sichere“ Verhüllung mit schmaler Augenöffnung –
me-Body“ existiert nicht: „Das Zweigeschlechtermo-
selbst zur Voyeurin. Das Verhältnis von Beobachteter
dell wird durch ein flexibles System möglicher Verbin-
und Beobachter wird zugunsten der vormals den äuße-
dungen ersetzt.“920 Der Konsumentin erlaubt Chalayan
ren (männlichen) Blicken Preisgegebenen umgekehrt.
somit, Mode als Medium von Geschlechter(de)-
Chalayan weist mit den verschiedenen Körperbil-
178
wart geradezu widersprüchlich.
konstruktionen921 zu verstehen, wodurch wiederum
dern auf die vielfältigen Möglichkeiten, Weiblichkeit
mehr Freiheit in der Eigenbestimmung entsteht. Der
durch Kulturmechanismen zu konstruieren, zu perzi-
Designer ist kein Diktator und bietet kein normiertes
pieren und zu demontieren. Design, als Kommentar
Idealbild an, denn dieses würde in seiner festen Form
oder gar Bruchmittel etablierter Konstrukte, wird
der steten Hinterfragung von Zugehörigkeiten und
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
Identitäten in einem Alltag ununterbrochener Anpas-
den noch als Hautlagen zu identifizierenden Mustern
sungen ohnehin nicht standhalten. Es ist an der Konsu-
in Medea (vgl. Abb. 102) durch die sterile, weiße
mentin selbst, im Umfeld ihrer spezifischen Lebens
Make-up-Farbe und -Form in Between zunehmend
umstände, die auch Migration meinen können, eine
erschwert. Eine andere Lesart des Dargestellten bietet
Auswahl an formbaren, changierenden und individuell
sich an, wenn Schminke als eine mediale Technik der
brauchbaren „Idealkörpern“ zu treffen.
Bemalung verstanden wird.924 Dabei würde das Gesicht in materieller Hinsicht als Bildträger925 – mit
9.3 Von toten Menschen und beseelten Kleidern
seiner weißen Grundierung gar als Leinwand – einer
Für die Show der Kollektion Between ließ
Verdinglicht, auf einen Gegenstand reduziert, stellen
auf ihm entstehenden „Kunst“ verstanden werden.
Chalayan den Models grafische Make-up-Muster auf
sich spezifische gesellschaftliche Zuordnungen als
das Gesicht schminken (Abb. 112). Die weiße Verzie-
uninteressant dar. „To make-up“ würde wortwörtlich
rung zog sich als Linie über die Mitte des Gesichtes,
Schminkstrategien als eine Art der Eigenkonstruktion
die Lippen, Nase und Stirn in zwei Hälften teilend.
meinen,926 die sich der Liaison von Natürlichkeit und
Der breiter werdende Bogen über den Augenbrauen
Künstlichkeit bediente, um einen entmenschlichten
verlieh den Make-up-Mustern auf den ernsten
Bild-Körper zu erschaffen.
Mädchengesichtern etwas Rätselhaftes, das dem
Was Chalayan mit dem abstrakten Make-up als
frontal gegenübersitzenden Publikum als Anstoß zur
Verkünstlichungsstrategie des Menschen ankündigt,
Reflexion dargeboten wurde. Wie Claude Lévi-Strauss
steigert sich in einem weiteren, monumentalen Modell
auf seiner Südamerikareise 1935 bei den Beobachtun-
der gleichen Kollektion (Abb. 113). Ein aus Holz
gen des Caduveo-Stammes richtig feststellte, dienen
gefertigter elliptischer Helm verdeckt im Gegenzug zu
Bemalungen des Körpers und Gesichtes nicht nur ihrer
den geschminkten Gesichtern nunmehr den gesamten
Schmückung, sondern auch ihrer „Be-Zeichnung“.922
Kopf der Models. Nur ein länglicher, sehr schmaler
Demnach konnte erst die Bemalung der Haut den
Schlitz im Augenbereich lässt noch ein „echtes“, nach
„unkulturierten“ Naturkörper zum kodifizierten
außen blickendes menschliches Haupt unter dem
Kulturkörper – dem Menschen – überführen.923 Doch
harten Helm vermuten. Obgleich das hauchdünne
von welcher „Kulturierung“, welchen Einschreibungen
Kleid die weiblichen Rundungen und seine Fleischlich-
und Bedeutungsmustern ist hier die Rede, welche
keit unmissverständlich durchschimmern lässt, ist es in
Klassifikation meinen Chalayans Make-up-Strategien?
seiner Schlauchform ohne Ärmel funktionsbefreit, die
Die geometrischen Muster lassen nur Mutmaßungen
Trägerin in ihrer Bewegungsfreiheit und Natürlichkeit
zu und geben keine konkreten Hinweise preis. Wie
hemmend. Wie das sich gegen den Menschen richt-
üblich für Chalayans Arbeiten, die sich diskursiv wie
ende Kleid wirkt auch der Holzhelm fremd und
repräsentativ meist gegen einen Fundus an bekannten
deplatziert, aus dem Körper als unnatürliches, den
formalen Anleihen bestimmter Zuordnungen ausspre-
Kopf gar gänzlich substituierendes Gebilde ragend.
chen, kann auch hier die stilistisch auf wenige Grund-
Vermutlich aus der Reaktion auf das Supermodel-Phä-
formen beschränkte Gesichtsverzierung als von
nomen hervorgegangen, verband auch der Designer
überlieferten Bedeutungen entleertes, abstraktes
Margiela bereits seit 1989 seinen Models mit Seiden-
Gebilde gelesen werden. Die Unmöglichkeit der
chiffonfetzen die Augen oder stülpte ihnen Stoff über
Gesichtsentschlüsselung und damit eventueller
den Kopf und anonymisierte sie damit (Abb. 114).927
Gruppenzuordnung wird allerdings im Gegensatz zu
Dabei sollte das „unifizierende Element“ auf den
Von toten Menschen und beseelten Kleidern
179
Köpfen der Models dazu dienen, das Publikum allein auf die Entwürfe zu fokussieren.
928
Ein Prinzip, das die
Thorsten Brinkmann geht in ähnlicher Form mit
Mode schon aus der Zeit vor Margielas Verhüllungen
Verbergungsstrategien des Gesichtes in Arbeiten wie
nur allzu gut kennt, wenn sie sich traditionell der
Drune Quoll von 2007 vor (Abb. 115). Die Fotografie
Körper bedient, die „[…] den Vorgaben einer gewissen
zeigt eine bis zum Brustende angeschnittene Person in
formalen Allgemeinheit, das heißt einer Struktur […]“
Seitenansicht. Ihre dunkle Kleidung hebt sich nur
entlehnt sind.
929
Seit den ersten, im 14. Jahrhundert
schwerlich vom ebenfalls finsteren Hintergrund ab.
aus Holz und später Wachs, Porzellan oder Papier
Der aus der Dunkelheit rosig hervorstechende Hals
gefertigten Modepuppen bis zu den „Vorführdamen“
ansatz der Abgebildeten leitet zu einem Haupt über,
Ende des 19. Jahrhunderts
930
hat sich dabei wenig
das von einem unbestimmbaren, lederartigen Gegen-
verändert. Die auf Schneiderbüsten und hölzerne
stand bedeckt wird. Mit dem Begriff „Ausdruckspro-
Gliedermännchen – „Mannekijns“ – zurückgehenden
thesen“ umschreibt Brinkmann seine gesichtslosen
menschlichen Modelle bzw. Laufstegmannequins931
Porträts, in denen die Physiognomie durch Dinge
sollten wie ihre Vorgänger über einen abstrakten,
ersetzt wird.934 Dabei tritt, wie in Chalayans Helment-
allgemeingültigen, absoluten Körper die Aufmerksam-
würfen, die Faszination für die Verhüllung selbst, deren
keit von sich lenken und eine optimale Inszenierung
Stofflichkeit, Form und Farbe, in den Vordergrund des
von Kleidung garantieren.
932
So gesehen ist Margielas
Gezeigten. An die Stelle bekannter Referenzen treten
über die Verhüllungen kommunizierte Anlehnung an
skurril gewendete Zitate, absurde Umdeutungen und
das ursprüngliche Vorführmodell allein seiner Funktio-
Neuordnungen ohne bestimmte Sinngebung.935
nalität
entlehnt, mit dem Ziel, ihn als bestmöglichen
933
„Kleiderständer“ zu benutzen.
180
selbst im Fokus der Betrachtung. Auch der Künstler
Auch die Laufstegfiguren aus Chalayans Kollektion Panoramic (1998) kommentieren über Verhüllungs-
Anders als Margiela scheint aber Chalayan seine
strategien des Kopfes die Ausradierung des Gesichtes
Models nicht mit Make-up oder dem Helm zu maskie-
und die Entmenschlichung (Abb. 116). Wie Brinkmann
ren, um von den Gesichtern zugunsten der Kleider
nimmt Chalayan hier den Kopfbedeckungen jegliche
abzulenken. Im Gegensatz zu Margielas pailettenbe-
Öffnungen und damit dem menschlichen Gesicht die
setzem, den Körper weich umspielendem und in der
Möglichkeit, die natürlichen Körperfunktionen zu
Tat tragbarem Kleid ist das schmale Röhrenkleid
nutzen. Diesmal sind es nicht nur die den Holzhelmen
keineswegs ein brauchbares Kleidungsstück (vgl.
entnommenen konischen Entwürfe, die einen Kontrast
Abb. 113). Durch seine minimalistische Form und
zur menschlichen Natur formulieren. Dicke, braun- und
absolute Zurückgenommenheit wird allein dem Helm
graufarbige Filzbezüge legen sich wie eine zweite,
jede Aufmerksamkeit des Betrachters zuteil. Die
artifizielle Haut über den gesamten Körper, nur die
perfekt gearbeitete, glatt polierte Oberfläche des
Hände deuten mit ihrem Karnat auf organischen
ästhetisch durchaus ansehnlichen Helmes und der
Ursprung. Auch Augen, Nasen und Münder sind
intendierte Kontrast zwischen dem zarten, weiblichen,
bedeckt, in ihrem Profil nur noch als Umrisse der einst
fleischlichen Körper und einem in Form und Größe der
fleischlichen Anatomie sichtbar. Ein aus hellerem Filz
Natur und Materialität des Menschen widersprechen-
gestaltetes Modell ohne Hinterkopfverlängerung
den Entwurf, zeugt von einem großen Interesse am
offenbart durch die intensiveren Licht- und Schatten-
Objekt der Entmenschlichung selbst. Der Kopf, in
verhältnisse die übrig gebliebenen, tiefen Augenmul-
absurder Weise nicht nur seines Gesichtes beraubt,
den. Die stellenweise zusätzlich angebrachten Stoffla-
sondern durch einen „toten“ Gegenstand ersetzt, steht
gen erklären die hermetische Gesichtsabschließung für
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
absolut – das Sehen, Sprechen und schließlich das
ren.939 Die Umformung geht allerdings so weit, dass
lebensnotwendige Atmen müssen ausfallen. Irritierend
eine zentrale Figur ihrer Natürlichkeit gänzlich entledigt
wirkt daher das gleichmäßige Defilieren der gesichtslo-
wird. Wie ein Hexenrat umzingeln mehrere Frauen eine
sen, offenbar dem Erstickungstod geweihten Models
zentrale Figur, die Kamera verfolgt derweil das Gesche-
ohne Gesichter. Den befremdlichen Eindruck der nahe-
hen mit einer kontinuierlichen Drehung um die
zu tot wirkenden Erscheinungen verstärken die Spiegel
Szene.940 Die sich im Dunkeln abspielende, mit einem
auf der Bühne, die die wandelnden Geschöpfe multipli-
unheimlichen Durcheinander an flüsternden Worten
zieren, das Original in der Masse der gleichen Wesen
untermalte Situation erreicht ihren Höhepunkt, als die
versenkend. Die Leere des Antlitzes bietet aber auch
mittlere Figur in Stein verwandelt wird. Magie und
genügend Raum für etwaige Vervollständigungen:
Mystik stehen als alternative Formen der Bewältigung
936
Weder dem Lebendigen noch Unlebendigen zuzuord-
von Natur da, deren Folgen repräsentativ für die Macht
nen, manifestieren sich die Kreaturen in Form eines
des Menschen über alles Natürliche stehen.941 Die
Geschöpfes, das paradigmatisch für das Spiel von Ambi-
zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, Leben und
valenzen einsteht – der Puppe. Egal in welcher Rolle:
Tod, Organischem und Anorganischem wandelnde
Ob an Höfe und Städte verschickte, schön gekleidete
Puppe in Between (vgl. Abb. 113) und Panoramic (vgl.
Vorläuferinnen der Modejournale, Vermittlerinnen von
Abb. 116) geht hier zur nächsten Stufe des Anorgani-
Wissen um modische Kleidung in Kinderzimmern, als
schen, die vollkommene Verkünstlichung, in die Kunst
Schaufensterpuppen mit neuesten, der Öffentlichkeit
selbst in Form einer Skulptur über. Die ebenmäßige,
zugänglichen Moden, Trägerinnen vergangener und
alle Unregelmäßigkeiten, Haut- und Kleiderfarben
gegenwärtiger Moden im Museum – stets waren sie
ausradierende „monotone Weiße“ des Statuenkörpers
simulacra des Lebendigen, künstliche Nachahmungen
lässt die ebenfalls weißen Make-up-Verzierungen der
des Menschen,
937
was auch umgekehrt, für die Annähe-
Modelgesichter in Between sowie die gänzlich mit
rung des Menschen an den Tod, das Anorganische gilt.
grauem Filz überzogenen Panoramic-„Puppen“ einmal
Während allerdings Margiela die Frau der Puppe näher
deutlicher als abstrakte Einheiten erscheinen, den
bringt, um auf die Kleidung zu verweisen, stellt
Menschen gar einem „höheren Wesen“ näher brin-
Chalayan mit den Verkünstlichungsstrategien die
gend.942 Mit perfekten Proportionen, einer überharmo-
Puppe selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das
nischen Hülle und einem der Zeit widerstehenden
erklärte Ziel ist es, die Grenze zwischen Natürlichkeit
Material hat die Skulptur eine Korrektur aller „Defor-
und Künstlichkeit zu erforschen.
mationen der Natur“943 vorgenommen. Der ehemals
Der Übergang des Subjektes zum Objekt kann
fehlerhafte, vergängliche, fleischliche Körper wird in
verschiedene Dimensionen erreichen, wovon unmiss-
einer „besseren“ Form regelrecht konserviert. Unter
verständlich einige filmische Arbeiten und Installatio-
diesem Aspekt scheint die unbewegte, zuerst als toter
nen Chalayans zeugen. Im Film Compassion Fatigue
Gegenstand wahrgenommene Skulptur bei näherer
(2006) erzählt Chalayan über die Kleider der Kollektion
Betrachtung zwar nicht mehr natürlich, aber dafür
Heliotropics (2006) vom Verhältnis des Menschen zur
durchaus lebensnah. In der „großen Puppe“, wie
Natur, die er stets zu bezwingen versucht ist
Baudelaire Statuen nannte, zeigt sich trotz oder gerade
(Abb. 117).
938
Stilisierungen in Stoffornamentik und
wegen der Starre ihres in einem (jugendlichen) Moment
Kleiderform, eine moderne, abstrahierte Mischung aus
konservierten Körpers eine magische Lebendigkeit: Die
Rokoko- und Jugendstilelementen, sollen die Anpas-
Erinnerung an das in der Skulptur inkorporierte Leben
sung der Natur an menschliche Bedürfnisse symbolisie-
erteilt „[…] allem Menschlichen etwas Ewiges […].“944
Von toten Menschen und beseelten Kleidern
181
Chalayans im vorigen Kapitel erläuterter An-
Augenhöhlen der wandelnden Filzpuppen oder der
spruch, insbesondere Frauen „menschlicher“ und damit
gespenstischen, blicklosen Statue treten künstliche
zwischen eng geführten Weiblichkeitsbildern offener
Augen. Die genauestens ausgearbeitete Iris, die Pupille
zu platzieren, muss auch in der Diskussion um die
und die Wimpern der feucht glänzenden Glasaugen
Ambivalenz zwischen organischem und anorganischem
stellen sich dem Tod skeptisch gegenüber.948 Unweiger-
Leben keinen Widerspruch bedeuten. Die Aussicht auf
lich erinnert die Erscheinung des lebensecht wirkenden
lebensverlängernde Maßnahmen durch Verwirrungen
Mannequins an die Puppe Olimpia aus E. T. A. Hoff-
des Verhältnisses von Leben und Tod stellt sich im
manns Sandmann-Erzählung, deren künstliche Augen
Umfeld von identitären, räumlichen, aber auch tatsäch-
dem jungen gelehrten Nathanael, betrachtet durch das
lichen Verlusten von Menschenleben infolge von
scheinbar magische, alchemistische Werkzeug „Opti-
Kriegen und politisch herbeigeführten Migrationen als
kus“, täuschend echt vorkamen.949 Als Pars pro Toto des
erstrebenswert dar. Über das Medium Mode ausge-
Gesichtes, in dem sich Simmels Überzeugung nach die
drückt, das zwar prinzipiell einem Fetischismus für das
Seele ausdrückt,950 findet sich im Blick die Repräsen-
Anorganische frönt,945 zugleich aber in seiner Prozess-
tantin der Verlebendigung per se.
haftigkeit eine nie abgeschlossene Vergänglichkeit und
Augen kann Gegenständen Leben eingehaucht
elle Strategie zur Wiederbelebung entgegengestellt
werden. Für den Abschluss der Show zu Geotropics
werden. Was sich im Film Compassion Fatigue als
(1999) gestaltet Chalayan eine Kunstharzhülle in Form
zurechtgebogene, von „Irdischem“ und „Schmutzigem“
eines knielangen, a-förmigen Kleides (Abb. 119). Wie
befreite Skulptur andeutet, geht auf ein klassisches
viele ähnliche Arbeiten später, etwa die sich bewe-
Kunstthema zurück, das unter der Konstruktion einer
gende, leere Kleiderhülle in Kaikoku (vgl. Abb. 60),
Statue Beseelungsprozesse versteht. Die Idee von der
präsentiert sich das nur auf einem hölzernen Träger
Erschaffung eines Menschen nach eigenen Vorstellun-
angebrachte Objekt als nahezu selbstständig – eine
gen ist aus dem antiken, in Ovids Metamorphosen
Hülle, deren früherer menschlicher „Inhalt“ offensicht-
enthaltenen Mythos vom Bildhauer Pygmalion be-
lich nicht vorhanden ist. Die Kunst- und Kulturwissen-
kannt.946 Enttäuscht von Frauen, erschafft er eine
schaft interpretiert leere Kleider in Mode und Kunst 947
überwiegend als nostalgische Erinnerungen an
Die Beseelung eines Kunstwerkes in Anlehnung an den
Menschen, deren Körper sich auf intime Weise
Pygmalion-Mythos, wie sie in poetischer, symbolischer
unauslöschlich in den einfach formbaren und abnutz-
Weise etwa Étienne-Maurice Falconet oder Jean-Léon
baren Textilien eingebrannt haben.951 Die Jeans steht
Gérôme im 18. und 19. Jahrhundert inszeniert haben,
repräsentativ für eines jener Kleidungsstücke, die sich
erreicht Chalayan auf eine weitaus konkretere Art: In
vom industriell hergestellten Massenprodukt durch
gegenläufiger Manier zu den Verdinglichungsmechanis-
den Geruch und die Form des Trägers zu einem
men des Menschen durch die Annäherung an die
einzigartigen Abbild, einem individuellen Persönlich-
Puppe, wandelt sich das üblicherweise anonyme,
keits-Code formen können.952 Wenn die frisch herge-
eindeutig künstliche Ausstellungsmannequin zu einem
stellten, noch homogenen „Uniformen“ nach dem
nahezu lebendigen Wesen (Abb. 118). Nicht nur das
Tragen als leere Gegenstände ausgestellt werden,
lebensechte Karnat, die sehr individuellen Gesichtsde-
können sie als Zeugnisse der darin ehemals enthalte-
tails und -formen sind als Rückkehr vom Gegenstand
nen Leben perzipiert werden.953 Juliet Ash beschreibt
zum Menschen zu verstehen. An die Stelle leerer
in einem Aufsatz zum Thema körperlose Kleidungs
Statue, die auf seine Bitte hin von Venus belebt wird.
182
Aber auch ohne den Körper, das Gesicht oder die
Erneuerung symbolisiert, kann dem Tod eine konzeptu-
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
stücke in Gemälden über Colin Smiths White Shirt
Körperkonstrukt, wenn es im „toten“ Gegenstand
(1990‒1996) die stete Präsenz einer „sadness of
Leben vermuten lässt. Dabei bezeichnet der asymmet-
absence“.954 Das lose, paradoxerweise ohne Körper,
risch gesetzte, von der rechten Schulter nach unten
aber auch ohne Kleiderbügel im Raum „hängende“
verlaufende Spalt symbolisch den Zustand der Unein-
weiße Hemd wird zu einem Porträt seines unsichtba-
deutigkeit von Anorganischem und Organischem in
ren Trägers,955 dessen Abwesenheit in Verbindung mit
Abhängigkeit von der eingenommenen Perspektive.
dem Tod gesetzt werden kann. Die Assoziation mit
Während der Westen Symmetrie als natürlich und
dem Anorganischen stellt sich allerdings bei Darstel-
lebensbejahend versteht, interpretiert die buddhisti-
lungen dieser Art grundsätzlich aufgrund der Nachgie-
sche Philosophie Perfektion als unmenschlich.959
bigkeit der Kleiderstoffe ein: „Once removed from the
Nur das Unregelmäßige und Asymmetrische garantiert
body, dress lacks fullness and seems strange, almost
Humanität und damit wiederum Leben.960 Leben und
alien […].“956 Im Gegensatz aber zu Smiths Hemd, das
Tod erscheinen als Relativitäten, die erst in Abhängig-
ohne den für seinen Stand nötigen Körper in sich
keit von der eingenommenen Perspektive Gültigkeit
zusammenfällt, leer und zweckentfremdet erscheint,
erlangen. Diese Wankelmütigkeit und Unklarheit
weist Chalayans Konstruktion aufgrund seiner Materi-
zwischen den Zuständen deckt sich mit den territo
albeständigkeit eine weitaus größere Autonomie auf
rialen Entgrenzungen und soziokulturellen Uneindeu-
(vgl. Abb. 119). Die einen weiblichen Körper mit
tigkeiten, wie sie infolge der verschiedenen Migra
Brüsten, Taille und Hüfte andeutende Kleiderschale
tionen auftreten. Die Opposition unterschiedlicher
stellt sich als eine Art fester Kokon dar, der auch ohne
Lager löst sich dabei zugunsten einer Positionierung
den Menschen – und gewiss auch ohne Bügel oder
im Hier oder Dort – Leben und Tod – auf. Chalayans
Holzträger – zu einer eigenen Existenz berechtigt ist.
Abstraktion des Menschen über eine Annäherung an
Die versteifte „zweite Haut“ ermöglicht eine formale
die Puppe und vice versa ist nicht dem Versuch
Eigenständigkeit und erweist sich als skulpturales
geschuldet, den Menschen zum „Kleiderbügel“ zu
Porträt des Menschen. Der nur partiell existierende,
degradieren, sondern ist eine weitere Aussage über
von Gliedmaßen und Haupt befreite Körper präsen-
fließende, transkulturelle Identitäten. Die Bewegung
tiert sich, auf einen Torso reduziert, als verkürzter
zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit scheint der
Stellvertreter des gesamten Körpers und damit des
selbst mobilen Allgegenwart ohne Anker entlehnt und
Lebens. So geht es Chalayan offenbar weniger um die
mit dem verbildlichten Zwischenzustand – ohne
Darstellung eines Memento mori als vielmehr um eine
Ankunft im Leben oder im Tod – eine der unterschied-
Antithese, ein abstraktes Bild vom Leben, zu dem auch
lichen Möglichkeiten zu implizieren, Identitäten in
Kleider berechtigt sind: „I’ve always loved the idea of
(kultureller) Krise beschreibbar und begreifbar zu
clothes having a life of their own and then having
machen.
another life on the body. All the best work we’ve done
Lithografien des 19. Jahrhunderts hielten Schaufens-
9.4 Der getunte postmoderne Nomade oder die künstliche Genese einer „besseren Art“
terkorsette fest, die den (vorwiegend männlichen)
„Wir haben unsere Umwelt so radikal modifiziert,
Betrachter mit ihrer angedeuteten Körperfülle – trotz
dass wir uns nun selbst modifizieren müssen.“961
fehlenden fleischlichen Inhaltes – zu faszinieren
Die Anforderungen, die wirtschaftliche Krisen,
is alive, even if it’s not mechanically moving, because of its proportions.“
wussten
958
957
Bereits Honoré Daumiers
(Abb. 120). Ähnlich wirkt auch Chalayans
Heimatverlust und die Adaption neuer Lebensbedin-
Der getunte postmoderne Nomade
183
gungen an die Menschen im ausgehenden 20. und
geln versehen oder sie standen aufgrund der festen
frühen 21. Jahrhundert stellen, bedeuten eine große
Materialien am Oberkörper und Unterleib, wie auch
Herausforderung an die mit dem Denken in Kategorien
später in Chalayans Ventriloquy, steif gestreckt ab; die
vertraute Weltgesellschaft. Die Paarung von Leben
Beine wirkten ebenso starr.964
und Tod in Form von anorganischen Menschen und
Schlemmer auf die Zumutungen der Moderne, die
instabilen Identitäten, die ihre unterschiedlichen
nichts am menschlichen Körper intakt ließ.965 Die
soziokulturellen Zugehörigkeiten über eine transdiszip-
Industrialisierung im 19. Jahrhundert und die techno-
linär formulierte Lage zwischen dem Da-Sein und der
logischen Veränderungen fanden ihren Ausdruck in
Auflösung (im Überall?) umschreiben.
einer effizienten Nutzung der menschlichen Kraft
In der Show zur Kollektion Ventriloquy (2000)
zugunsten einer lukrativen Produktion.966 Die immer
führt Chalayan den Entfremdungsprozess des Mensch-
raschere Arbeit in den zahlreichen Fabriken verlagerte
lichen weiter, indem er aus puppenähnlichen Geschöp-
sich auf Fließbänder, was den Menschen dem Automa-
fen scheinbar mechanisch bewegte Marionetten
ten ähnlicher werden ließ.967 Auf diese Weise ist von
erschafft (Abb. 121).
962
Nach dem die Präsentation
dem Mechanismus der Maschine gefühlt etwas auf die
einleitenden computergenerierten Kurzfilm (vgl.
Menschen übergegangen.968 Die Kunst nahm das
Abb. 94) und dem Defilee zeigt sich final eine aus
Motiv des Maschinellen auf und entdeckte insbeson-
sechs Personen bestehende Gruppe in einem vorgeb-
dere für die Bühnenausstattung neue „rhythmisch-dy-
lich perspektivisch verzerrten Raum. Das grafische
namische“ Formen, wie auch die Rolle des menschli-
Linienspiel im Hintergrund formuliert eine optische
chen Akteurs einer Neubestimmung unterlag.969 Der
Täuschung und untermalt die „künstliche“ Atmosphäre
wie ein Gerät standardisierte Mensch sollte auch
der zunächst starr dastehenden Frauen. Die Ähnlich-
äußerlich den Puls der Zeit widerspiegeln, was noch
keit der diagonal und haubenartig frisierten dunklen
vor Schlemmer bereits die Futuristen oder die russi-
Haare sowie die durchweg einseitig gelb geschminkten
schen Konstruktivisten in einer das neue Zeitalter
Gesichter mit roten Mündern fallen neben den
besingenden Weise über Maschinenformen entlehnte
identischen grünen Schuhen und der gleichen einge-
Kostüme andeuteten. Paradigmatisch stehen für die
frorenen Körperhaltung als äußerst puppenhaft auf.
Idee der geometrischen Schönheit Fortunato Deperos
Die aus augenscheinlich festem Material gefertigten
Balli Plastici, in dem Marionetten eine Mischung aus
Kleidungsstücke wirken ebenfalls steif und stellen eine
kubistischen Formen und Maschinen zu einem neuen
natürliche Bewegung der Frauen infrage. In der bloßen
menschlichen Vorbild artikulierten.970 Das noch im
Aufstellung der Figuren erinnert das Dargestellte an
18. Jahrhundert gültige Ideal eines in der Puppe
eine nahezu hundert Jahre früher auf ähnliche Weise
bestmöglich nachgeahmten, natürlich wirkenden
konzipierte Marionetten-Szenerie. Im Jahr 1922
Menschen971 wird spätestens von Heinrich von Kleists
präsentierte Oskar Schlemmer Das Triadische Ballett,
Entdeckung der den menschlichen in ihrer Schönheit
ein aus Überlegungen zu „Tanz Figurinen“ hervorge-
und Grazie überlegenen Puppen-Bewegungen im
gangenes, 1912 erstmals skizziertes, abstraktes
Essay Über das Marionettentheater aus dem Jahr 1810
Tanzspiel.
963
Auf dem Figurinenplan von 1926 werden
die geometrischen Formen der bunten Tutus überdeutlich (Abb. 122): Der Torso war aus Pappmaché in meist rundlicher Form, die Arme mit großen Holzku-
184
Mit der marionettenhaften Maskierung reagierte
belebten Puppen ist ein möglicher Ausdruck jener
abgelöst und in Form automatisiert wirkender Humanoide in die Moderne übertragen.972 Die in Schlemmers Ballett-Stück und den Arbeiten seiner künstlerischen Zeitgenossen angedeu-
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
tete Mechanisierung des Humanen kann als Wechsel-
aufweisen, scheint im Übergang zum dritten Jahrtau-
verhältnis des Menschen mit dem ihn umgebenden
send eine tatsächliche Mechanisierung des mensch
Umraum begriffen werden. Im Zuge gesellschaftlicher
lichen Körpers stattzufinden. Auch Chalayans Œuvre
Veränderungen, die mit einer Zunahme an industrieller
zeugt insbesondere ab 2000 von einem gesteigerten
Produktion einhergingen, sah sich der Mensch ge-
Interesse an Technologie. Die Fortschritte in den
zwungen, sich an das von der Mechanisierung betrof-
Entwicklungen auf dem Gebiet der Mechanik nutzt er
fene Lebensumfeld anzupassen. Nicht anders scheinen
neben anderen Arbeiten auch für den Showabschluss
die Figuren der Postmoderne in Ventriloquy ihr
seiner Kollektion One Hundred and Eleven (2007)
Verhältnis zur Mechanik und der technologisch
(Abb. 123).975 Als eine Art feinmotorisch gesteuerte
veränderten Umgebung zu pflegen, wenn ihre Bewe-
„animatronische Couture“ scheinen sich die unge-
gungen und ihr Äußeres mechanisiert wirken (vgl.
wöhnlichen Kunststoffelemente des Kleides wie durch
Abb. 121). Kurz vor Showende beugen sich einige der
Geisterhand zu winden, zu entfalten, einzuknicken und
sich als Marionetten gebenden Models über ihre
zuzuklappen.976 Die Oberteile öffnen sich, Säume
Nachbarpersonen und schlagen ihnen mit kleinen
steigen nach oben, Klappen am Kleid drehen sich,
Hämmern in automatisierten, ruckartigen Bewegun-
Hüte verändern ihre Größe. Schlussendlich löst sich
gen die Kleidungsstücke ein.973 Die aus Zuckerglas
das ursprüngliche Modell auf und präsentiert sich in
skulpierten Röcke und volumenreichen Oberteile
neuer, veränderter Form. Die große Uhr mit dem sich
zersplittern und offenbaren die nackten und vor allem
rasend schnell drehenden Zeiger im Hintergrund des
natürlichen weiblichen Leiber. Anders als in Schlem-
Geschehens unterstreicht Chalayans Vorhaben, eine
mers Beispielen der zu Marionetten stilisierten, als
beschleunigte Zeitreise durch ein gesamtes Jahrhun-
Menschen nicht mehr zu entziffernden Tänzer deckt
dert der menschlichen Geschichte aufzeigen zu
Chalayan die Mechanik-Farce in Ventriloquy auf. Seine
wollen.977 Die ferngesteuerten, mit maschinenbetrie-
in die Postmoderne übertragene Automatisierung des
benen Hebeln ausgestatteten, sich transformierenden
Menschen geht über eine reine Faszination für das
Kleider stehen mit ihrem angedeuteten modischen
mechanische Zeitalter, wie sie der Großteil der
Formenwechsel für den Übergang einer Epoche zur
avantgardistischen Künstler pflegte, hinaus, wenn es
nächsten.978 Dass Chalayan den historischen Wandel
ihm um die Thematisierung des Zusammenbruches
über Kleider illustriert, kann auf seine Kritik an der
gesellschaftlicher Wertesysteme in Krisenzeiten
modischen Schnelllebigkeit zurückgeführt werden, von
geht.974 Die automatisierte Bewegung ist im Zusam-
der er sich im Laufe seiner Arbeit stets distanziert.979
menhang mit instrumentalisierter Macht und politi-
Neben einer „Verbrüderung“ mit der Kunst, der
scher Fremdbestimmung zu lesen, die insbesondere im
Anthropologie, den Kulturwissenschaften, der Philoso-
späten 20. Jahrhundert in Form europäischer Bürger-
phie, dem Industriedesign oder der Architektur bedient
kriege einstige Vertraute zu empathiebefreiten,
er sich schließlich auch der Technologie am menschli-
verfeindeten Parteien mutieren ließ. Die Nacktheit der
chen Körper, um dem auf endlichen Trends ausgerich-
eingeschlagenen Körper-„Fassaden“ kann demnach als
teten Modesystem zu entkommen und sich zugleich
Macht- und Heimatverlust gelesen werden.
dem ewigen Leben anzunähern. Die Begleitmusik zur
Neben der Parallele, die beide Epochen im
Kleiderschau bestätigt ihren soziogeschichtlichen
Hinblick auf mechanische Menschenentwürfe in
Gehalt, wenn sich verschiedene Musikfragmente,
verschiedenen künstlerischen Genres wie Zeichnun-
Kriegsgeräusche, Audiosequenzen aus Hitlerreden,
gen, Skulpturen, die Theaterbühne oder in der Mode
Bombeneinschlägen, Flugzeugmotoren und Helikop-
Der getunte postmoderne Nomade
185
terpropellern als akustische Kommentare des 20. Jahrhunderts zu erkennen geben.
980
Die Laute der letzten
dabei zunehmend beschleunigend. Das scheinbar
hundert Jahre zeugen von der alle Bereiche des Lebens
unaufhörliche Kreisen bekräftigen Motorengeräusche
einnehmenden Mechanisierung. So kann der Mensch
und als rotierende Turbinenblätter durch das Bild
im Übergang zum neuen Millennium auf gesellschaft
fahrende Elemente. Dass das Kleid unter Zuhilfe-
liche Veränderungen mithilfe einer technologisch
nahme der für den Flugzeugbau typischen Komposit-
ermöglichten Transformation reagieren. Die mechani-
bauweise entworfen wurde und Systemen nachemp-
sierten, sich auf der Bühne verwandelnden Entwürfe
funden ist, die es ferngesteuerten Flugzeugen
verstehen sich damit als Stellvertreter nie endender
erlauben zu fliegen,982 bedeutet für den nun technisch
menschlicher Anpassungen, die Bestandteil eines
„getunten“ Körper neue Möglichkeiten. Anders als die
grenzgängerischen Lebens – zwischen Kulturen,
sich bewegenden Kleider an den noch statischen
Ländern und anderen Ordnungen – sind. Zur Unbe-
Trägerinnen in One Hundred and Eleven (vgl. Abb. 123),
ständigkeit der identitären Zugehörigkeiten gesellt sich
kann der nun selbst zur Maschine – dem Flugzeug
in Chalayans Werk neben der bisher aufgeführten
etwa – mutierte Mensch den von Migration(en)
Vielfalt von Medien und Genres nun auch die Techno-
gekennzeichneten Lebensumständen standhalten und
logie. Die einzelnen Disziplinen durchlaufen ebenfalls
eine mentale, aber auch tatsächliche, physische,
in einer Art Wechselwirkung zu den sich auf der Bühne
Grenzen wie Disziplinen überschreitende Reise
manifestierenden Kleidertransformationen, im
vornehmen. Die Möglichkeit einer die natürliche
Übergang von einem Kunstprojekt zum nächsten,
Physis übersteigernden Drehung steht im Zusammen-
verschiedene Übertragungen und Übersetzungen zu
hang einer Loslösung von der Heimat, allerdings
neuen gestalterischen Genres und Gattungen.
zugunsten einer, wie Flusser sie bezeichnet, schwinde-
Im Film Aeroplane Dress (1999) stellt sich dieser
lerregenden Freiheit.983 Obgleich die feste Struktur wie
mediale, auf identitäre Veränderungen zurückgehende
ein architektonisches Gebilde ein mobiles, übertrag
Wechsel über eine Wanderschaft des Glasfaser- und
bares und schützendes Zuhause repräsentiert, ist jede
Kunstharzkleides der Kollektion Echoform (1999) (vgl.
erzwungene, aber auch freiwillige Bewegung einst
Abb. 42) von der Showbühne hin zum Filmprojekt dar.
weilen mit Desorientierung und Verlusten versehen,
Die schönen und leichten mechatronischen Kleider
darin einem Schwindelgefühl gleich. Die Aufgabe
von One Hundred and Eleven weichen hier einem
eigener räumlicher und kultureller Bindungen stellt
harten Kunststoffpanzer, der den Körper fest um-
sich symbolisch als Abgabe eines genuin menschlichen
schließt (Abb. 124).
186
Konstrukt eine Drehung um die eigene Achse, sich
981
Fast wie selbstverständlich
Parts dar, dessen Platz neue, gar technologische
mutet es an, dass das für die Mode ungewöhnliche,
Aufwertungen einnehmen können. Wird die aus der
aus dem technischen Bereich entnommene Material
Delokalisierung und Entbindung von Orten hervorge-
nicht vom Körper als einem organischen, sondern
gangene, von anfänglichen Instabilitäten zeugende
einem mechanischen Motor bewegt wird. Die in der
Frage „frei wovon?“ zu „frei wozu?“984 umgedeutet,
Show noch als kleine Elemente des Kleides erkennba-
kann in dieser Neubestückung des Menschen eine
ren, per Fernbedienung bewegten Kleidklappen als
Öffnung für mehrere Lösungen, hin zur Vielfalt,
Reminiszenz an Flug- und Kraftfahrzeugmechanismen
gelesen werden, die ein „Funktionieren“ nach dem Exil
markieren im Film den Anfang einer Ganzkörperme-
sichern würde. Es reichen aber nicht mehr die aus der
chanisierung. Als die weißen „Tragflächen“ am Kleid
avantgardistischen Kunst stammenden unifizierenden
ausgefahren werden, startet das Mensch-Maschine-
Overalls oder die bunten, puppenhaften, scheinbar
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
einer verspielten technoiden Welt frönenden Schlem-
futuristische Werk, das die regelrechte Verehrung des
mer’schen Marionetten aus, um die komplexen
elektrischen Zeitalters in den industrialisierten Metropo-
Veränderungen des dritten Jahrtausends zu umschrei-
len symbolisch zum Ausdruck brachte (Abb. 126). Das
ben. Die kommunikationstechnologisch, wirtschaftlich
zentral im Bild positionierte, in den Spektralfarben warm
und politisch bedingte Auflösung von Raum, Zeit und
erstrahlende künstliche Licht übertrifft die Leuchtkraft
Nationalitäten verlangt nach neuen Wegen, die mithin
des kleineren, die „neue Sonne“ unscheinbar flankieren-
das Design in Transgression zu anderen Disziplinen
den Sichelmondes und überzeugt mit einer „aurati-
mitgestaltet.
schen“, gar gottgleichen Strahlkraft.
Im Film zur Kollektion Readings (2008) verbindet
Beim geografischen und zeitlichen Übergang von
sich eine weitestgehend klassische Modepräsentation
einer Kultur zur nächsten kommt es im Laufe der
mit für die Kleidungsindustrie immer noch ungewöhnli-
Geschichte stets zum Wandel der Bedeutung und
chen, technologischen Mitteln (Abb. 125). Der Designer
Symbolik von Mythen, wovon letztlich auch die
und Ingenieur Moritz Waldemeyer, ein Pionier im
äußerliche Erscheinung der Projektionsflächen von
Bereich der Bestückung von Kleidung und Möbeln mit
Ängsten oder Sehnsüchten wie Dämonen oder
Mikro-LEDs, stattet die Kollektion Readings technisch
Göttern abhängt und sich dementsprechend transfor-
aus.985 In jedes der Kleider baut er 200 bewegliche Laser
miert.991 Die überlieferte Verehrung des ägyptischen,
ein, die über Servomotoren und Drehgelenke um jedes
symbolisch als rote Sonnenscheibe dargestellten
Modell herum intensive rote Strahlen abgeben und so
Sonnengottes Re wird sich, über die Verehrung der
eine spektakuläre Licht-Performance darbieten.986 Die
elektrisch leuchtenden Straßenlaterne der Moderne
Laserstrahlen gehen in ihrer steten Bewegung ein
hinausgehend, in der Postmoderne zu einem Mischwe-
Verhältnis zum Umraum ein, eine Verlebendigung des
sen aus Mensch und mechanischer, rot leuchtender
Die
Lasersonne umformulieren. Wie sich in Compassion
Umfeldes wie des Trägers selbst herbeiführend.
987
Verbindung von Mode und üblicherweise dem Industrie-
Fatigue die Drehung des Menschen und seine Meta-
design geläufigen technischen Zusätzen berichtet auch
morphose zur Skulptur noch über Magie und Mystik
hier von Konzepten, die weit über die reine Kleidsamkeit
manifestiert (vgl. Abb. 117), um sich in Aeroplane Dress
hinausgehen. Chalayan beruft sich auf die antike ägyp-
zu einem mechanisch rotierenden Mensch-Maschi-
tische Sonnenverehrung, die sich, ausgehend von der
ne-Konstrukt zu wandeln (vgl. Abb. 124), formuliert
ursprünglichen Idolatriepraxis, über Gegenstände, Fi-
sich im Laserentwurf die anbrechende Epoche des
guren oder Orte ein Bild des Vergötterten darzustellen,
21. Jahrhunderts über die Umdeutung des Glaubens:
im 21. Jahrhundert in Form von Laserstrahlen materiali-
Die Wissenschaft verbrüdert sich mit der Religion, und
siert.988 Seiner eigenen Überzeugung gemäß, dass nur
kulturelle Belange werden von einer aus Hybridisie-
noch die Technologie der Mode zu Neuerungen verhel-
rungen um Natürlichkeit und Künstlichkeit, Organi-
fen kann,989 nutzt Chalayan die aktuellen Errungenschaf-
schem und Anorganischem, Fleisch und Metall
ten, um Mythen und Kulte aus der Vergangenheit in
hervorgegangenen Aufklärung geprägt. In ihrer Arbeit
gegenwärtige Interpretationen von Glauben zu überfüh-
Designing culture: the technological imagination at work
ren. Bereits die elektrische Glühbirne veränderte Ende
von 2011 erkennt Balsamo trefflich, dass nicht nur wie
des 19. Jahrhunderts die „Seelenzustände“ der Men-
in ihrer zuvor veröffentlichten Schrift992 Kulturen den
schen derart, dass sie im künstlichen Licht der Straßen-
Menschen (technologisch) verändern können, sondern
beleuchtung einen Ersatz für die natürliche Sonne
auch umgekehrt alle Innovationen, mithin im technolo-
erkannten.
990
Giacomo Balla lieferte 1909 das erste
gischen Bereich, kulturelle Konsequenzen haben
Der getunte postmoderne Nomade
187
müssen: Die Folge ist eine „Technoculture“, eine
angebracht waren und diese mit ihrer geometrischen,
ganzheitliche, mit Technologie gepaarte Kultur der
steifen Form schlichtweg zur mechanischen Bewegung
Zukunft.993 So verstand auch McLuhan in der Erfindung
nötigten, beschreibt Boccionis gänzlich aus Metall
des elektrischen Lichtes nicht nur eine Umkehrung
gegossene Figur eine Einswerdung, ein absolutes,
oder Ausweitung der vorelektrischen Wahrnehmung
paradoxerweise organisch anmutendes Bündnis des
von Raum und Zeit durch eine Umstrukturierung von
Humanen mit der Maschine.
Tag und Nacht, sondern überdies auch neue Gesell-
durchweg nach einem eigenen geistigen Manifest der
bestehende menschliche Organisationsformen stößt,
Verbindung unterschiedlicher, gar gegensätzlicher
wird hybride Energie frei.“
Charakteristika, um Neues zu formulieren. In auffälliger
994
Die letztliche Konsequenz
der Verbindung von technologischer Produktion mit
Ähnlichkeit zu Boccionis Plastik präsentieren sich die
überlieferten Traditionen ist die Konstruktion neuer
Modelle am Schluss der Show der Frühling/Sommer-
Lebensformen, Bedeutungen oder gar neuer „Kulturen“.
Kollektion Inertia von 2009 mit spitz in den Raum
Der Diskurs um einen neuen, idealen, der Zeit
hineinragenden Kleidverlängerungen (Abb. 128). Die im
angepassten menschlichen Körper, der sich als ein
Titel angedeutete Trägheit meint den eingefrorenen
hybrides Konstrukt in Analogie zur Maschine ver-
Bewegungsmoment, der allerdings angesichts der sich
stand,
995
ist nicht neu. Der italienische Futurist Umberto
horizontal verlängernden Elemente und des Wissens
Boccioni schuf 1913 eine Plastik, die dem programma-
um die besonderen Motive auf den Latexkleidern999 zu
tisch zuvor festgehaltenen Wunsch nach einem formal
einem Geschwindigkeitseffekt mutiert. Die Oberflächen
und inhaltlich optimierten Menschen der Moderne
der Kleiderkonstrukte entlarven nämlich Ausschnitte
nachkommen sollte.996 Forme uniche della continuità nello
verbeulter Kotflügel und zerbrochener Nummernschil-
spazio zeigt eine im Rumpf nach vorn gebeugte, nicht
der.1000 Mit dem Beginn der Hintergrundmusik setzt
mehr als natürlich zu entziffernde Figur, deren linkes,
nach einer anfänglichen Trägheit der Models mithilfe
nach hinten gestrecktes Bein eine einheitliche Linie mit
einer im Boden installierten mechanischen Rotunde
dem Oberkörper bildet und damit den Akt des Vor-
Bewegung ein. Es ist sind klirrende, polternde Geräu-
wärtsdrängens betont (Abb. 127). Die Gleichzeitigkeit
sche zusammenstoßender Autos zu vernehmen, der
oder in futuristischem Vokabular „Simultaneität“ der in
Moment eines Unfalls. Schon Filippo Tommaso Mari-
einem Ausfallschritt festgehaltenen Schrittvorgänge
netti, der literarische Initiator des italienischen Futuris-
dynamisiert die statische Plastik und simuliert eine
mus, beschreibt in seinem 1909 verfassten Gründungs-
unaufhörliche Bewegung.
188
Auch Chalayan richtet sich in seiner Arbeit
schaftsentwürfe: „[…] wenn das Licht auf schon
997
Durch die offenen, konkav
manifest die Geburtsstunde der Mensch-Maschine nach
und konvex zulaufenden Formen erweckt die Plastik
einem selbst provozierten Autounfall.1001 Nach dem
den Eindruck, mit dem Raum zu verschmelzen, eine
Aufprall findet er sich in einem mit Industrieschlamm
„Umwelt-Plastik“998 als Echo der äußeren, beschleunig-
gefüllten Fabrikgraben wieder und erlebt dort die
ten Lebensumstände in kontinuierlicher Bewegung
physische Verschmelzung mit dem Auto zu einem
bildend. Das Material Bronze bekräftigt den Eindruck
Mischwesen, das mit neuen Fähigkeiten ausgestattet
einer Verschmelzung von Natürlichem und Künstlichem
wird. 1002 Anstelle menschlicher Gefühle treten nun die
zu einem allen Witterungen der umwälzenden Zeit
Verehrung der Geschwindigkeit, des alles erneuernden
standhaltenden Mischwesen. Anders als Schlemmers
Krieges sowie der Maschine selbst,1003 die mit ihrer
leicht und beschwingt wirkende bunte Kostüme, die an
Überwindung des organischen Daseins sogar den
den als menschlich zu identifizierenden Körpern
Vorteil einer Überwindung des Todes mit sich bringt.
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
Chalayan geht es weniger um die schlichte
einer körperlichen Mobilität nicht mehr bedarf. Auch
Übernahme futuristischer Proklamationen. Zwar
allein aus der (mentalen) Verschmelzung mit der
bedient er sich der Technologie, etwa in Form des
Maschine kann also der postmoderne, elektronische
Autos als technische Signatur der Moderne und damit
Nomade eine Wanderschaft zwischen Zeiten und
eines gleichwohl für Chalayan wie Marinetti gültigen
Räumen aufnehmen. So gesehen reicht auch die
Symbols der Bewegung – Charakteristikum sich neu
Fusion mit einem künstlichen, Bewegung andeutenden
formierender Gesellschaften. Anders aber als die
Gegenstand in Inertia bereits aus, um die starr daste-
Futuristen setzt er Bewegung nicht mit Beschleuni-
henden Models auf eine geistige Überwindung von
gung im Namen steten Fortschrittes gleich, sondern
Grenzen auszusenden.
sieht in ihr die Möglichkeit, Omnipräsenz zu erlangen.
Technologisch erzeugte Bewegung kann im
Die in Aeroplane Dress noch als Zweiheit begriffene
Zusammenhang mit der durch Chalayans Arbeiten
mechanisierte Kleiderhülle über dem organischen
angestrebten Omnipräsenz auch als das „sich stets
Körper wandelt sich in Inertia zu einer verschmelzen-
Ändernde“1004 gelesen werden. Alle überlebensfähigen
den Einheit. Das weiche Material und die organische,
Kulturen besitzen die wichtige Fähigkeit der Trans
aus dem Körper und in ihn übergehende Form des
formation, wenn sie sich einer im steten Wechsel
plastischen Kleides lassen die Identifizierung einzelner
befindlichen Realität durch eine eigene kontinuierlich
mechanischer Bestandteile nur noch vage zu. Wo der
stattfindende Wandlung anpassen. Während die
Körper aufhört und die Maschine anfängt, bleibt
futuristisch-mechanischen Metamorphosen als
unklar. Das hat zur Folge, dass die Amalgamisierung
Antwort auf die Umwälzungen der Moderne im Namen
des ursprünglich sehr unterschiedlichen „Gewebes“
der „reinen“ italienischen Nation realisiert wurden,1005
einen angedachten Ausstieg des Menschen aus seinem
steht für Chalayan die mit der ewigen Translozierung
einstigen „Fahrzeug“ – gar Flugzeug – unmöglich
einhergehende kulturelle Mischung im Vordergrund der
macht. Gerade diese Verschmelzung ist es aber auch,
Mensch-Mechanik-Mutationen. Leiderfahren durch
die angesichts von Vertreibungen, Flucht oder freiwilli-
Repressionen, politische Auseinandersetzungen und
gen, global bedingten Wanderschaften im ausgehen-
mechanisch, etwa mit Massenvernichtungswaffen
den 20. Jahrhundert eine Allgegenwart erlaubt. Eine
geführte Kriege, entwirft der Designer der Postmo-
Reise, wie sie mit einem Fahrzeug möglich wäre, würde
derne die technologisch manipulierten Kunstobjekte im
Ein- und Ausstieg bedeuten und damit Beginn und
21. Jahrhundert als Träger gesellschaftlicher Konzepte
Ankunft implizieren; Letzteres bleibt für Migranten
um Identitäten im Transit. Den Krieg als konzeptuelle
grundlegend ausgeschlossen. Die Technologie versteht
Basis seiner sich über Transdisziplinarität artikulieren-
sich damit neben Kunst, Architektur, Industriedesign
den und von kulturellen Transmutationen berichtenden
und anderen von Chalayan verwendeten Genres und
Arbeiten verherrlicht Chalayan keineswegs wie die
Disziplinen als Mittel zur Überwindung von Raum und
Futuristen, doch wird dieser auch nicht negiert oder
Zeit und damit jeglicher Kategorien. Die elektroni-
verteufelt. Es wird ein Blick auf seine weitreichenden
schen Medien im 21. Jahrhundert überspitzen schließ-
Folgen für Exilierte geworfen und territoriale und
lich die noch utopisch proklamierte Simultaneität der
kulturelle Loslösung künstlerisch umgesetzt. Als
Futuristen zu einer tatsächlich ins Reale überführten
regeneratives Mittel begriffen können Krieg und Elend
Allgegenwart. Die zunehmende geistige Verknüpfung
sogar zu Erneuerern von Gesellschaften werden, wenn
mit der Technologie über Internet, Fernsehen oder
ein Systemzusammenbruch nicht nur als Verlust,
Radio erlaubt eine mentale Bewegung im Allseits, die
sondern auch als Chance für eine (technologische)
Der getunte postmoderne Nomade
189
Neugestaltung der Welt genutzt wird. McLuhan
Versöhnung unterschiedlichster Gegensätze.1013 Seiner
erkennt in den Nachwirkungen von Kriegen eine
bisherigen Arbeitsweise, kulturelle Anleihen derart
fruchtbare Zeit für die Hervorbringung neuer Ideen
miteinander zu verweben, dass keine äußerlichen
und Formen:1006 „Immer wenn symbolische Ordnung
Identifizierungen auszumachen sind, bleibt Chalayan
und gesellschaftliche Praxis krisenhaft auseinanderklaf-
auch in Inertia treu. Die aus heterogenen mechani-
fen, entstehen Bilder von Maschinenmenschen, die
schen und fleischlichen Bestandteilen homogen
Grenzziehungen bedrohen oder sogar durchbrechen
zusammengewachsene Kleid-Körper-Konstruktion
und so hysterische Körper- und Mediendiskurse
bricht mit nahezu allen überlieferten Zugehörigkeiten.
aufrufen.“1007 Wird jeder Konsens über die Norm des
Als eine Art konzeptuelles Neutrum spricht sich das
Menschen unwirksam, müssen neue, in ihrer neuen,
neue Wesen für die Gleichzeitigkeit aller Kategorien
hybriden Erscheinung als dem Menschen überlegene,
des Menschlichen und Kulturellen aus.
bessere Körperbilder konzipiert werden.
1008
Für alle „Misch-“ und „Wunderwesen“ der
190
Der Vorschlag für einen von Einteilungen jeglicher Art befreiten, „besseren“ Übermenschen liest sich als
Geschichte galt die Mischung und schließlich Ver-
Versuch einer Überlistung der Natur. Seine Perfektionie-
wandlung als ein Kräfte und Fähigkeiten potenzieren-
rung durch die Verbindung mit künstlichen und künstleri-
des Moment, was u.a. die mythologische Vorstellung
schen Artefakten bis hin zum Einsatz von Technologie
von Greifen bezeugt, die sich etwa der Stärke eines
zugunsten einer kulturellen, Zeit und Raum aushebeln-
Löwen bemächtigten und wie Adler fliegen konn-
den Allgegenwart lässt die göttliche, rein organische
ten.1009 Die neue „Art“, die Chalayan vorschlägt, scheint
Schöpfung erblassen. Mit seiner Lizenz, sich der Fähig-
mit den besten Eigenschaften all ihrer Einzelteile
keiten Gottes oder Pygmalions zur künstlichen Genese
ausgestattet zu sein. Der Cyborg, ein kybernetischer
zu bemächtigen, kann er auch den Tod neu definieren. So
Organismus, Mischwesen aus organischen und
kennzeichnet die durch die Cyborgisierung verschwim-
maschinellen Anteilen oder nunmehr virtuelle, sich nur
mende Grenze zwischen menschlich und nicht-mensch-
noch imaginativ bewegende Identitäten verstehen sich
lich in Inertia einen Bruch mit allen Ordnungssystemen,
als ideale Projektionsflächen des Anderen in Opposi-
zu welchen auch Vergänglichkeit zählt. Der leidenschaft-
tion zu überkommenen hegemonialen Strukturen.1010
liche, utopische Traum des Menschen von Unsterblich-
So gesellt sich zur generellen Ablehnung bestehender
keit,1014 mitunter von den Futuristen formuliert, fließt
Körper- und Identitätskonzepte in Form von Phantas-
auch in Chalayans grenzüberschreitende Mischwesen
magorien künstlicher Menschen der Moderne1011 bis
ein. Seine Schöpfung speist sich aus der Grundbedin-
hin zur Postmoderne auch die kulturelle Andersheit.
gung eines durch Migrationen entsetzten und dem
Den menschlichen „Mischlingen“ gleich überschreiten
steten Wechsel, der Bewegung und damit dem Konti-
Cyborgs Grenzen zwischen sich ausschließenden
nuum ausgesetzten Grenzgängers. Die Verbindung mit
Entitäten und werden durch ihre Fähigkeit, die Norm
der Technologie kann für den sich bereits der Permanenz
zu umgehen und verschiedene Seiten – auch kulturelle
disziplinärer Wechselhaftigkeit bedienenden Grenzgän-
Zugehörigkeiten – auszuloten, zum Symbol der
ger eine eigene, sich am menschlichen Körper manifes-
Transgression per se.1012 In diesen „Chimären“ des
tierende lebensverlängernde Maßnahme bedeuten. Mit
20. Jahrhunderts, wie Donna Haraway den mit der
der technologisch gewonnenen, „leibeigenen“ Ewigkeit
Technologie verwachsenen, dezentrierten, westlichen
scheint der zwischen Kulturen und Künsten unaufhörlich
Menschen im Übergang zum dritten Jahrtausend
Migrierende seine tatsächliche Ankunft im Transit
erkennt, manifestiert sich die notwendig gewordene
verkünden zu können.
Der gemorphte Körper. Fundamente von Kleidern im disziplinären Transit
Rolle: So lässt sich den Arbeiten ein großes Interesse an der Form wie dem Sujet „Grenze“ und ihren Implikationen entnehmen, die er bereits sehr früh, durch die politischen Auseinandersetzungen in seinem Herkunftsort Nikosia, kennenlernt. Die Flucht im Kindesalter aus dem vom kriegerischen Konflikt zerrütteten Heimatland und die damit einsetzenden Reisen zwischen Zypern und Großbritannien werden sich
10. Resümee
zusammen mit seiner Zerrissenheit zwischen der in Nikosia zurückgebliebenen Mutter und dem in London lebenden Vater, dem Osten und Westen, dem Islam
Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass auch
und dem Christentum zu einer Faszination für das
Modedesign, neben der Kunst, als Ausdruck gesell-
„Dazwischen“ formen. Das Fliegen und die perma-
schaftlicher Zustände verstanden werden kann.
nente Bewegung werden zu einem der wichtigsten
Mithilfe persönlicher und politischer Konzepte um
Motive seiner Werke, die die Bestrebung erahnen
kulturelle Zugehörigkeiten konnte die „Mode“ Hussein
lassen, über ausgewählte künstlerisch-metaphorische
Chalayans ihrer traditionell begriffenen Rolle einer rein
Mittel eine Verwebung von Differenzen zu erreichen.
dienstleistenden, da dem Design zugehörigen Diszip-
Eine selbst zwischen den Polen ewig wandernde,
lin, entkommen. Aus den Erfahrungen um die um-
grenzgängerische Identität wurde zum Leitgedanken
kämpfte Grenze zwischen dem türkischen und dem
eines kreativen Ausdruckes, den Chalayan sowohl in
griechischen Landesteil Zyperns, eines Lebens zwi-
tragbaren Kleidern als auch abstrakten, monumentalen
schen der Heimat im Mittelmeer und dem angelsäch-
Objekten, Filmen, Installationen, Performances u.a.
sischen Zuhause Großbritannien sowie der Studien-
auslotete. Auch dem Umzug nach London zu Studien-
und Arbeitszeit in der Stadt der alltäglich gelebten
zwecken ist, neben den Kindheitserfahrungen, ein
(Im-)Migration London schöpft er die Ideen kultureller
starker Einfluss auf das gesamte Schaffen zuzuschrei-
Entgrenzungsprozesse und lässt sie in seine Arbeiten
ben: Die von Vielfalt und Bewegung geprägte Stadt
einfließen. Gedanken um Kriege, Flucht, Heimatlosig-
wird sich als symbolische Stellvertreterin eines
keit und permanente geografische und soziale Entset-
postmodernen Individuums ohne jegliche Verankerun-
zung, aber auch freiwillige Migrationen, wie globale,
gen in zahlreiche seiner Arbeiten einschreiben. Die im
technologisch bedingte Mobilitäten erklärt er zum
Zuge einer „thatcheristischen“ Misswirtschaft brachlie-
intrinsischen Ausgangspunkt seines kreativen Schaf-
gende britische Textil- und Modeindustrie wird zudem
fens. Die Konzepte um ein Grenzgängertum zwischen
die Entwicklung eines besonders kreativen Umganges
Heimaten, Kulturen, Identitäten, Religionen und
von britischen Designern mit Dienstleistung im
Ländern bedingen ein schöpferisch ebenfalls zwischen
Übergang zum 20. Jahrhundert begünstigen, als jene
künstlerischen Sparten, Designgattungen und anderen
sich zunehmend gesellschaftskritisch äußern und ihre
Disziplinen positioniertes Schaffen.
Designgegenstände der Funktion entledigen. Chalayan
Den Schwerpunkt der Untersuchung bildeten
nimmt diese Lage während seines Studiums am
Chalayans Arbeiten, die seit den frühen 1990er-Jahren
Londoner Central Saint Martins College of Art and
bis heute in London entstanden sind. Dabei spielte das
Design wahr. In dieser für die unterschiedlichsten
Umfeld für Chalayans Schaffen stets eine wichtige
Design- und Kunstsparten offenen Ausbildungsstätte
Resümee
191
erfährt Chalayan, auch unabhängig von der postkolo-
einer Eröffnung neuer interdisziplinärer Tätigkeits- und
nial in Migration versetzten, künstlerisch verwobenen
Forschungsbereiche geführt haben, erweist sich jeder
Stadt, einen sehr offenen Umgang mit Mode-, Grafik-,
Versuch einer weiteren Beharrung auf der Trennung
Industrie- und Produktdesign. Angesichts der früh
von „high-“ und „low culture“ als absurd.
wahrgenommenen Auflösung von Raum- und Identi-
Formel für ein hier besprochenes Schöpfertum dar,
Lösungen und Überschneidungen im Künstlerischen
das – unter dem Einfluss einer den Alltag dominieren-
offenen Londoner Szene erfindet Chalayan eine sich
den Trans-Kultur – von Einteilungsmustern absieht
konstant erneuernde gestalterische Sprache, die sich
und sich konsequent Disziplinen übergreifend artiku-
sowohl formal als auch repräsentativ für ein entlokali-
liert. In Chalayans Arbeiten findet daher eine Aus
siertes, von jeglichen Kategorien unabhängiges Allseits
hebelung des Spezialistentums statt, wie es schon
ausspricht. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung
Fuller Ende der 1960er-Jahre für sinnlos erachtete.1015
standen demnach Arbeiten, die sich von Transkulturali-
Anstelle kategorialer Einteilungen tritt in Chalayans
tät infolge migratorischer Bewegungen ausgehend, in
Schaffen eine grenzgängerische Aktivität zutage, die
Form einer Entgrenzung zwischen Gattungen, Sparten
über heterogene künstlerische Ausdrucksweisen wie
und Genres des Gestalterischen wie Identitären
multimediale Grafiken, Materialexperimente, tekto
ausdrücken.
nische Kleiderentwürfe, die Erforschung von Raum-
Die zuletzt unter dem Modelabel Chalayan
Kleid-Bezügen, Fotografien, Filme, Installationen und
entstandenen und hier vorgestellten Arbeiten Inertia
Skulpturen in Verbindung mit Technologie, Anthropo-
und Sakoku von 2011 sowie die für das Unternehmen
logie, Philosophie, Biologie und anderen Fächern
Ruckstuhl gefertigten Teppiche aus dem Jahr 2013
artikuliert wird.
charakterisieren eine für das Gesamtwerk seit 1993
192
„Form follows culture“ stellt sich daher als
tätskategorien sowie geprägt von einer für kreative
Traditionelle Modestudien weichen Zeichnun-
gültige disziplinäre Experimentierfreude. Beide
gen, die sich teilweise in naiver, kindlicher Sprache
Bereiche – die künstlerischen Ansätze und die Arbei-
konzeptuell artikulieren oder in einer weiteren Version
ten für den kommerziellen Markt – standen dabei nie
als collagierte, multimediale Grafiken darstellen.
in einem Widerspruch zueinander. Auch die in die
Gezeichnete Kleider kommen in diesen weitestgehend
Kollektionen und die Modenschauen in Form von
abstrakt-expressiven Illustrationen, die sich als Abbild
Installationen und Performances verwobenen sowie
heterogener Identitätsbilder von Chalayans Studien-
die von der Mode unabhängigen Werke verstanden
und Arbeitsumfeld – dem Großbritannien des ausge-
sich stets als Zeugnisse einer sehr zeitgenössischen
henden 20. Jahrhunderts – lesen lassen, so gut wie gar
Herangehensweise an Kategorien des Schöpferischen.
nicht mehr vor. Damit stellt sich bereits zu Beginn der
Angesichts einer gegenseitigen Einflussnahme, des
Untersuchung der Zweifel an einem rein der Mode
Austausches und gleicher (Verkaufs- und Präsenta-
verpflichteten Schaffen ein. Über Methoden des
tions-)Praktiken, die sich im Verhältnis von Design und
„Morphings“ von (Folklore-)Mustern in Textilien, der
Kunst in den letzten Jahrzehnten bemerkbar gemacht
Verbindung gegensätzlicher, (modisch) ungewöhnlicher
haben, scheint eine getrennte Handhabung der
Materialien und Schnitte am menschlichen Körper
Disziplinen nicht gerechtfertigt. Geht man darüber
oder der Wahrnehmung von Schnittlinien und Öffnun-
hinaus von den Entgrenzungen aus, die, wie Chalayan
gen als nicht nur trennenden, sondern auch verbinden-
sie für sich beansprucht, mit Wanderschaften, Exil,
den Grenzen konnte Chalayans Arbeiten die den
Flucht und permanenter Mobilität einsetzten und zu
Menschen essenziell betreffende kulturelle Zerstreu-
Resümee
ung entnommen werden. Bewegung und ewige Reise
oder ihren Nutzen des Öfteren gänzlich verzichtet
werden zum fundamentalen Leitgedanken, der sich
wird. In einem Umfeld erzwungener oder freiwilliger
über bewohnbare, mobile Kleider-Wohnungen
Mobilitäten stellen sich allerdings auch neue Erforder-
ausdrückt, die sowohl eine Umwanderung zahlreicher
nisse an den Menschen, denen er zuweilen mit einer
Orte und Heimaten als auch ihre gänzliche Aufgabe
Umfunktionalisierung des Designs hin zu multifunktio-
zugunsten einer (geistig) ermöglichten Allgegenwart
nalen, sich stetig transformierenden Gegenständen
implizieren. Die Schauen dieser gesellschaftliche
nachkommt. Gerade die Fähigkeit zu Wandlungen ist
Konzepte vermittelnden Mode formulieren sich
es, die es schließlich dem Menschen selbst ermöglicht,
ebenfalls als eine uneindeutige Verwebung von
sich den steten Veränderungen und Grenzumwande-
repräsentativer Straße (der transkulturellen Groß-
rungen – körperlich wie seelisch – anzupassen. So wird
städte), der (Mode-)Bühne und der künstlerischen
in einem abschließenden Kapitel dieser Untersuchung
Performance. Auch die Grenze zwischen Shop, Galerie
auf den gemorphten Menschen hingewiesen, der sich,
und Museum scheint für die intendierte Darstellung
seinen im disziplinären Grenzgängertum befindlichen
der Welt im Kleinen – einer Mikrogeografie vieler
Kleidern gleich, auch selbst im Transit von Kultur und
Heimaten zugleich – nicht mehr auszumachen zu sein.
davon abgeleitet im „Dazwischen“ von Gender, Alter,
Die von Chalayan und den verschiedenen (alternati-
Leben und Tod sowie Organischem und Anorgani-
ven) Zeitschriften der Postmoderne eingesetzten
schem ausdrückt.
Fotografien verabschieden sich von der dokumentari-
Seine durch die Paarung mit Technologie neu
schen Modefotografie, an deren Stelle die Entdeckung
gewonnene Fähigkeit einer Herrschaft über Leben und
der Irritation tritt. Anstelle einer bestmöglichen
Tod zugunsten einer ihm abverlangten, auf ewig
Kleiderinszenierung treten konzeptuell aufgeladene
angelegten grenzgängerischen Bewegung, liest sich
Darstellungen nackter, unvollständiger und unvollkom-
zweifelsohne als eine Form der Utopie. Betrachtet
mener weiblicher Körper, digitale Manipulationen und
man die Entwürfe rein gegenständlich, könnten die
Auslassungen oder eine gänzliche Aufgabe des
formvollendeten Arbeiten als Visionen eines ästhetisch
menschlichen Antlitzes. Chalayans Mode geht in Form
anspruchsvollen Designs aufgefasst werden, das einer
von animierten und Realfilmen auch eine Verbindung
post-futuristischen Zeit frönt. Klar ist allerdings, dass
zum Medium Film ein, das sich, erneut thematisch von
Chalayans teilweise „romantisch“ anmutende Kultur-
Transkulturalität und Mobilität ausgehend, auch
und Disziplinmutationen im Namen einer im Fluss
unabhängig von Kleidung dechiffrieren lässt. Seine
begriffenen Identität nicht als tatsächlich realisierbare
Überführung ins Internet scheint den postulierten
Vorschläge für die Überwindung von Grenzen – so
Anforderungen einer entlokalisierten Welt in steter
auch jener des Todes – zu lesen sind. Interessanter als
Bewegung bestens nachzukommen, wenn jeder
die Option ihrer Anwendbarkeit ist der konzeptuelle
Internet-Nutzer zum demokratischen Teilhaber an
Impetus der Arbeiten. Der leitmotivisch in allen
einer traditionell nur wenigen Orten der Welt vorbe-
Werken enthaltene Grenzzustand signalisiert einen
haltenen Mode wird.
Startpunkt für Irritationen, die sich sowohl durch
Funktion weicht in allen Arbeiten Chalayans
Verluste und Ängste als auch als durchaus schöpferi-
durchweg der Prämisse eines dem Konzept um
scher Impuls artikulieren können. So erkennt Chalayan
Entgrenzungen folgenden Designs. Was es überhaupt
den Krieg in seinem Schrecken und dem Schmerz der
bedeutet, zu „funktionieren“, loten die einzelnen
durch ihn verursachten Trennungen – von der Heimat,
Entwürfe unterschiedlich aus, indem auf ihren Zweck
geliebten Menschen, der einstigen Identität, dem
Resümee
193
Leben –, nimmt ihn aber zugleich in seinem alles
weitaus kritischere, über Repräsentation hinausge-
erneuernden Potenzial war.
hende Mode. Mit ihren „um Weltpolitik – um Le-
Den Krieg als eine mögliche Inspiration für Künstler thematisierte, abgesehen von den kriegsver-
derne Mode, wie sie Chalayan in London kennenlernt
herrlichenden, mit nationalistischem Gedankengut
und selbst entwirft, in die Nähe einer Kritikfähigkeit
sympathisierenden Futuristen, bereits Baudelaire: Das
und Ernsthaftigkeit, die zuvor weitestgehend der
Leid der Menschen, die Lazarette, die Vielfalt der
Kunst vorbehalten blieb. Ausgehend von ihrer traditio-
zusammenkommenden Kulturen wollte er mithin als
nell an den Menschen – seinen Körper und sein
schöpferische Quelle verstanden wissen.1016 Tatsäch-
Wesen – gekoppelten Rolle, stellt sich die Frage nach
lich kommt es durch die räumliche Entsetzung von
dem Wirkungshorizont einer nunmehr politisch
Menschen und den Zusammenstoß unterschiedlicher
argumentierenden, sich über Anthropologie, Philoso-
Strukturen, Denkmuster und Systeme zu Reibungen,
phie oder Technologie formulierenden „Kleidung“ neu.
die mit einem schöpferischen Beitrag einhergehen
Wie ihre Rolle im Sozialen perzipiert werden kann, hat
können. Die Konsequenz ist eine unausweichliche
die Modekritikerin Suzy Menkes kommentiert; in der
Verwebung differierender Haltungen und Formen,
Mode erkannte sie, im Gegensatz zur Kunst, die sich
wodurch Neues – in Form von Kunst etwa – die Welt
grundsätzlich an einen einzelnen Käufer richtet, eine
betreten kann. Dieses Potenzial nimmt Chalayan
weitaus größere Präsenz und Teilhabe an der Gesell-
offenbar auch für sich wahr, wenn er Migration als
schaft: Kunst sei „passiv“, Mode dafür „aktiv“.1018
Chance begreift, über eine Vielfalt künstlerischer
Angesichts der Tatsache, dass Kunst in institutionali-
Mittel im Konzeptuellen wie Formalen die Auflösung
sierter Form eher eine kleinere Anzahl an Menschen
gesellschaftlicher Strukturen zu kommentieren. So
erreicht, als es eine u.a. industriell und massenhaft
geht es ihm bei den disziplinübergreifend formulierten
hergestellte und an den menschlichen Körper fühlbar
raumüberwindenden Kleidern, mentalen Reisen oder
gebundene Mode tut, dürfte dies nicht weiter verwun-
einer (technologischen) Evolution des Menschen
dern. Die Nähe, die sich traditionell zwischen Mensch
weniger um deren tatsächlichen „Nutzen“, von dem
und Mode eingestellt hat, ermöglicht dem schon
sich Chalayan mit jedem seiner nicht klassifizierbaren,
immer gängige Körper-, Gesellschaftsbilder und Rollen
meist funktionsbefreiten Entwürfe ohnehin verab-
auslotenden Fach einen besonders direkten Zugang
schiedet. Vielmehr befähigt ihn die Transformation des
zur Gesellschaft. Die Mode hat sich somit grundsätz-
Verlustes und der Zerrissenheit zu materialisierter
lich nie als allein schmückendes Utensil verstanden,
„Schönheit“ dazu – über Dienstleistung hinausgehend
sondern sich immer in Bezug zum Menschen und zu
–, gesellschaftliche Gemüts- und Geisteszustände zu
seiner Umgebung gesetzt, um Identitäten stets von
kommunizieren.
Neuem zu definieren. Im Hinblick auf den Wandel des
Die Mode als Zeichensprache, durch die der
194
ben“1017 agierenden Entwürfen begibt sich die postmo-
einstigen Trägers zum Konsumenten und Betrachter
Körper erst kulturell beschrieben und sichtbar wird,
einer nun sozialkritischen, sich künstlerisch artikulie-
wie sie Barthes bereits in den 1960er-Jahren verstand,
renden Mode, scheint dem ehemals „oberflächlich“
erweitert ihren Wirkungshorizont spätestens seit den
erachteten Fach mehr Anerkennung zuteil zu werden.
1990er-Jahren. Die Folgen des Postkolonialismus und
Mode, wie Chalayan sie als ein vom Menschen
der Globalisierung, der Zerfall von Nationalstaaten, die
ausgehendes, auf ihn referierendes, entgrenztes und
Omnipräsenz des Menschen durch das World Wide
Entgrenzungen thematisierendes Medium formuliert,
Web und Flüchtlingsströme beeinflussten eine neue,
kann als Vermittler, Kritiker und Kommentator persön-
Resümee
licher und politischer Botschaften verstanden werden.
und Institutionalisierung im Allgemeinen als unrealis-
Weitaus mehr als ein Dienst am Kunden, versucht die
tisch aufzudecken. Was zeitgenössische Künstler an
transidentitäre Mode, wie Chalayan sie formuliert, in
den Akademien erkannt haben, wenn sie in ihrem
ihrer Erforschung zeitgenössischer Kultur auf allen
Arbeitsvokabular bei der Anwendung verschiedenster
Ebenen eine Reflexion der gesellschaftlichen Um-
Materialien und Techniken zunehmend von „Medien“
stände einzuleiten. Die experimentellen Entwürfe
und nicht mehr von Grenzen setzenden „Gattungen“
verstehen sich demnach mit dem kulturellen, über
sprechen, sollte schließlich in der Theorie Gehör
disziplinäre Verschränkungen ausgedrückten Grenz-
finden. Mit dem wachsenden Bewusstsein um den
gängertum als Spiegel eines Denkens und Handelns,
Einfluss von transkulturellen Prozessen, wie den
das selbst einem steten Wandel unterliegt. Indem sie
Entgrenzungen zwischen Nationen, Ethnien, Ge-
intellektuelle, kulturelle und soziale Fragen im Kontext
schlechtern, Normen und Disziplinen, sollte längst
spartenübergreifender, den Menschen nie aus dem
deutlich geworden sein, dass Trennungen im künstleri-
Blickfeld verlierender, seine Ansichten und Verhalten
schen wie wissenschaftlichen Kontext nicht mehr
kommentierender Arbeiten erforschen, können die
tragbar sind. Eine Abwehrhaltung gegenüber (trans-)
ihren Schaffensbereich erweiternden (Mode-)Designer
kulturellen Erzeugnissen, zu denen Kunst und Design
wie Chalayan zu den neuen Kulturproduzenten
in ihren unterschiedlichen Ausformungen gehören,
ernannt werden – eine ursprünglich allein freien
muss als Verlust für die Wissenschaft gewertet
Künstlern vorbehaltene Rolle. Auch wenn eine gesell-
werden. Es bleibt daher das nachdrückliche Desiderat,
schaftliche Erneuerung durch Design nicht zu erwar-
nicht nur den kunsthistorischen Blick auf die als
ten ist – ein zunehmender Einfluss auf die Wahrneh-
„angewandt“ betrachteten Künste generell zu lenken,
mung sozialer Gegebenheiten ist allemal denkbar.
sondern ihn darüber hinausgehend für eine
Angesichts der Chancen, die aus den Erfahrun-
„post-avantgardistische“ Herangehensweise voneinan-
gen des Krieges, des Verlustes, der Grenzen und
der profitierender Wissenschaften und Disziplinen zu
alltäglicher Migrationen im globalisierten Umfeld von
öffnen. Womöglich könnten durch eine transdiszipli-
Künstlern wie Designern geschöpft und in Disziplinen
näre Erforschung medial vielfältiger, kulturelle Über-
entgrenzende Arbeiten transponiert werden, mutet
schneidungen thematisierender Designpraktiken das
eine Rekapitulation der Realität durch diese „Gestalter
Leben und die Kunst auch im Wissenschaftsbetrieb
der Wirklichkeit“ als Potenzial für Kunst wie Wissen-
endlich zusammenfinden.
schaft an. Mit den komplexeren, beschleunigten Lebensbedingungen zwischen Kulturen, Ländern, Berufen und Zugehörigkeiten sind auch die Anforderungen an jeden einzelnen Menschen – wie auch den Designer oder Künstler selbst – undurchsichtiger geworden. Die Folge ist eine Anpassung an die verschwimmenden Tätigkeitsbereiche und daraus resultierende, nicht eindeutig kategorisierbare Arbeiten. Die neuen, transdisziplinär Schaffenden wie Chalayan scheinen den Zustand der Gesellschaft in ihren stetigen physischen wie geistigen Migrationen zwischen längst ungültigen Einordnungen aufzufangen
Resümee
195
zusammengefasst unter dem Begriff „techne“ und primär auf unterschiedliches handwerkliches Können bezogen, galten keineswegs als anspruchslos. Den „Handwerken“ wurde nämlich auch eine ethisch-ästhetische, intellektuelle Kompetenz zugesprochen. Vgl. Tietenberg 2012 (wie Anm. 3), S. 25, und Geiger, Annette: Kunst und Design. Ein Beziehungsdrama der Moderne, in: Kunst und Design. Eine Affäre, hg. von dies./Michael Glasmeier, Hamburg 2012, S. 9‒24. Hier S. 11f.
10
Vgl. Erlhoff, Michael: Design, in: Wörterbuch Design. Begriffli-
che Perspektiven des Design, hg. von ders./Tim Marshall, Basel [u.a.] 2008, S. 87‒92. Hier S. 87.
11
Anmerkungen 1
Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie (1. Aufl. Frankfurt am
Es handelt sich hierbei um gängige Bezeichnungen für die Ge-
staltung notdürftig ausgestatteter Mietsbaracken für die zahlreichen, in die industrialisierten Städte gezogenen Arbeiter. Vgl. Kries, Mateo: Total Design. Die Inflation moderner Gestaltung, Berlin 2010, S. 15.
12
Im Jahr 1909 gründet der Mäzen Karl Ernst Osthaus das Deut-
Main 1970), 3. Aufl. Frankfurt am Main 1977 (= suhrkamp taschenbuch
sche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe, ein neben dem Deut-
wissenschaft; Bd. 2), S. 174.
schen Werkbund wichtiges Forum für die neue Design-Bewegung. Das
2
In der vorliegenden Untersuchung meinen die überwiegend sy-
Museum organisiert zahlreiche Wanderausstellungen, u.a. die German
nonym verwendeten Begriffe Genre, Sparte und Gattung Teilbereiche
Applied Arts-Ausstellung, die zwischen 1912 und 1913 auf Ameri-
und/oder Arten von unterschiedlichen Disziplinen bzw. Fächern.
ka-Tournee ging. Vgl. ebd., S. 15, 18f.
Grundsätzlich wird in Chalayans Arbeiten von einer „Umwanderung“ verschiedener (Mode-)Design- und Kunst-Disziplinen ausgegangen,
13 14
aber auch kunstfremder Bereiche wie Technologie, Biologie oder Philo-
Walter Gropius und Erwin Piscator oder die von Le Corbusier 1920
sophie. Um auf eine wiederholte Aufzählung aller spezifischen Schaf-
gegründete Zeitschrift L’Esprit Nouveau. Vgl. ebd., S. 23, 25.
Vgl. ebd., S. 23. So z.B. Werbepavillons von Herbert Bayer, das Totaltheater von
fensfelder zu verzichten, werden die genannten Begriffe stellvertretend
15
für alle von Chalayan verwendeten und entgrenzten Tätigkeitsfelder
gleich zu anderen Designdisziplinen, insbesondere die Mode der Mo-
eingesetzt.
derne ein, die nicht nur seit dem späten 19. Jahrhundert und dem
3
Vgl. Tietenberg, Annette: Design ≠ Art? Zum Ersten, zum Zwei-
Aufkommen der Haute Couture als eine künstlerische Disziplin aner-
ten und … zum Dritten, in: Kunst und Design. Eine Affäre, hg. von An-
kannt war, sondern im Entwurf selbst Schnittstellen/-mengen von
nette Geiger/Michael Glasmeier, Hamburg 2012, S. 25‒36. Hier S. 35.
Kunst, Mode, Grafik, Fotografie oder Theater sichtbar macht – auch
4
jenseits ihrer Tragbarkeit. Siehe dazu Kap. 2.3.
Vgl. Lenk, Hans: Zum Sinn des Eigenhandelns im Werte- und
Intensivere transdisziplinäre Überschneidungen ging, im Ver-
Strukturwandel des Arbeitens, in: Arbeit und Lebenssinn, hg. von
16
Klaus-Michael Kodalle, Würzburg 2001, S. 51‒68. Zitiert nach: Tieten-
kurze Geschichte des Design, in: Lost & found: Lust und Verlust. Kriti-
berg 2012 (wie Anm. 3), S. 25‒36. Hier S. 35.
sche Stimmen im britischen Design heute, hg. von Nick Barley [u.a.]
5 6
Vgl. Tietenberg 2012 (wie Anm. 3), S. 35.
(Ausstellungskatalog Frankfurt am Main [u.a.], Museum für angewandte
Exemplarisch seien an dieser Stelle die Designer Helen Storey,
Kunst, 1999), Basel [u.a.] 1999, S. 58‒61. Hier S. 58f.
Vgl. Field, Marcus: Von Maschinenstürmern zur Liebe. Eine
Strategien und kunstfremder Disziplinen wie etwa der Biologie oder
17 18
Technologie bedienen.
dered. Lippincott’s Magazine (März 1896), in: MIT OpenCourseWare
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezi-
(2009), http://ocw.mit.edu/courses/architecture/4-205-analy-
fische Differenzierung formaler Schreibweisen, wie z.B. in „KünstlerIn-
sis-of-contemporary-architecture-fall-2009/readings/MIT4_205F09_
nen“, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbe-
Sullivan.pdf [Abruf: 01.02.2013], S. 1‒6. Hier S. 5f. Das Zitat des ame-
handlung für beide Geschlechter, so etwa Betrachter, Designer, Kunde,
rikanischen Architekten wurde allerdings aus seinem weiteren
Künstler, Musiker u.a.
Zusammenhang gerissen und teilweise missinterpretiert, als eine Ab-
7 8
Vgl. Tietenberg 2012 (wie Anm. 3), S. 25.
sage an jegliche Formen der als überflüssig wahrgenommenen Verzie-
Vgl. Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt am
rung. Dabei wurde der Einfluss der Umwelt auf Gegenstände oder Le-
Main, [o.S.]. Zitiert nach: Tietenberg 2012 (wie Anm. 3), S. 25, und Bür-
bewesen weitestgehend ausgeklammert. Sullivan begriff, dass die der
ger, Peter: Theorie der Avantgarde, Frankfurt am Main 1974, S. 66f.
Sache von außen durch Witterung, Natur oder gesellschaftliche Um-
9
In der Antike versammelten sich unter dem Begriff der „artes
stände einverleibte, wohl auch ästhetisch zierende Funktion zunächst
vulgares“ bzw. „artes mechanicae“ die Vorläufer der bildenden Kunst
die innere Natur einer Sache prägt, um sich schließlich äußerlich be-
und des Designs gleichermaßen. Die dafür erforderlichen Fähigkeiten,
merkbar zu machen. Auch Ästhetik ist funktional, man denke hier allein
Bless oder Boudicca genannt, die sich in ihren Entwürfen künstlerischer
Vgl. ebd. Vgl. Sullivan, Louis H.: The tall office building artistically consi-
Anmerkungen
197
an den vielfältigen Zierrat zahlreicher Tierarten zu Verteidigungs- oder
32
Paarungszwecken ebenso wie an die Inneneinrichtung von Wohnun-
der Kultur, Bielefeld 2002 (= Cultural Studies; Bd. 23), S. 11. Ebner
gen. Vgl. auch Loschek, Ingrid: Wann ist Mode? Strukturen, Strategien
stützt ihre These von einer modischen „Interdisziplinarität“, unter der
und Innovationen, Berlin 2007, S. 220.
sie Identität, Repräsentation, Produktion, Regulierung und Konsum
19
versteht, auf allgemeine kulturelle Einflüsse. Dabei geht sie nicht auf
Vgl. Sullivan (1896) 2009 (wie Anm. 18), insb. S. 5f., und Lo-
schek 2007 (wie Anm. 18), S. 220.
Überschneidungen von Mode und Kunst oder verschiedenen Design-
20
disziplinen ein.
Vgl. Scheper, Dirk: Oskar Schlemmer – das triadische Ballett
und die Bauhausbühne, Berlin 1988 (= Schriftenreihe der Akademie der
33
Künste; Bd. 20), S. 16.
Rassismus und kulturelle Identität (1. Aufl. Hamburg 1994), 4. Aufl.
21 22
Vgl. ebd.
Hamburg 2008, S. 26‒43. Hier S. 30. Hall definiert kulturelle Identität
Vgl. Bessing, Joachim: Form follows Schönheit (15.11.2009), in:
wie folgt: „In dieser Perspektive ist kulturelle Identität alles andere als
Welt Online, http://www.welt.de/welt_print/lifestyle/article5218808/
ein fixiertes Wesen, das unveränderlich außerhalb von Geschichte und
Form-follows-Schoenheit.html [Abruf: 19.01.2010].
Kultur läge.“ Zugleich geht er aber von festen kulturellen Paramentern
23
aus, die Kulturen in ihrer Struktur festigen und damit voneinander ab-
Vgl. Bocola, Sandro: Timelines – Die Kunst der Moderne
Vgl. Hall, Stuart: Kulturelle Identität und Diaspora, in: ders.:
1870‒2000, Köln 2001, S. 135, und Barley, Nick: Lost and found. Ein-
grenzen.
leitung, in: Lost & found: Lust und Verlust. Kritische Stimmen im briti-
34
schen Design heute, hg. von ders. [u.a.] (Ausstellungskatalog Frankfurt
Kulturen, in: Hybridkultur. Medien, Netze, Künste, hg. von Irmela
am Main [u.a.], Museum für angewandte Kunst, 1999), Basel [u.a.]
Schneider/Christian W. Thomsen, Köln 1997, S. 67‒90. Hier insb.
1999, S. 18‒21. Hier S. 18.
S. 69‒72. Welsch formuliert den Begriff der „Transkulturalität“ aus dem
24 25
Vgl. Bocola 2001 (wie Anm. 23), S. 135.
Zusammenhang kultureller Überschreitungen seit der Globalisierung
Vgl. Juneja, Monica/Falser, Michael: Kulturerbe – Denkmal-
heraus. Dabei wendet er sich, wie auch die vorliegende Untersuchung,
pflege: transkulturell. Eine Einleitung, in: Kulturerbe und Denkmal-
gegen den häufig verwendeten Begriff „Multikulturalität“ als einem
pflege transkulturell. Grenzgänge zwischen Theorie und Praxis, Biele-
Neben- und Miteinander unterschiedlicher, abgeschlossener, homoge-
feld 2013, S. 17‒34. Hier S. 17.
ner Kulturen und verweist auf gegenseitige Durchdringungen, die im
26 27 28
Begriff „trans“ enthalten seien.
Vgl. Barley 1999 (wie Anm. 23), S. 18.
Vgl. Welsch, Wolfgang: Zur veränderten Verfassung heutiger
Vgl. ebd.
35
Vgl. Schneider, Irmela: Von der Vielsprachigkeit zur „Kunst der
nitionen von Kulturen gehen auf die territorialbezogene Bildung von
Hybridation“. Diskurse des Hybriden, in: Hybridkultur. Medien, Netze,
Nationalstaaten im späten 18. und 19. Jahrhundert in Europa zurück
Künste, hg. von dies./Christian W. Thomsen, Köln 1997, S. 13‒66. Hier
und fanden in den jungen postkolonialen Nationen von Afrika bis Asien
S. 42f., und Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 224.
eine weitere Verankerung.
29
Hans Hildebrandt (1. Aufl. Berlin 1963), 2. Aufl. Berlin [u.a.] 1966 (=
36 37 38
Bauwelt-Fundamente; Bd. 2), S. 113.
sertation abweichende Verwendungen dieser Formel im Internet im
30
Le Corbusier: 1922. Ausblick auf eine Architektur (franz. Origi-
nalausgabe: Vers une architecture, Paris 1923), übersetzt von Prof. Dr.
198
Vgl. Ebner, Claudia C.: Kleidung verändert. Mode im Kreislauf
Vgl. Juneja/Falser 2013 (wie Anm. 25), S. 17. Die gängigen Defi-
Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 19f. Es sind auch anderweitige, vom Kontext der vorliegenden Dis-
Im Jahr 2012 war die Verfasserin als Mitglied einer Forschungs-
Umlauf. Der niederländische Architekt Arjen Petersen versteht unter
gruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Burcu Dogramaci im Rahmen
„form follows culture“ einen Aufruf zur „analogen urbanen Architektur“,
des Projektes Migration und künstlerische Produktion am Center for Ad-
die im 21. Jahrhundert eine längerfristige Nutzung von Architektur im
vanced Studies in München dieser grundlegenden Frage nachgegan-
urbanen Kontext fordert. Dafür könnten unterschiedliche Bauten wie
gen. Für die verschiedenen Beiträge zum Thema siehe den Sammel-
etwa Museen zu Verwaltungsgebäuden oder Fabriken zu öffentlichen
band Dogramaci, Burcu (Hg.): Migration und künstlerische Produktion.
Räumen und vice versa umfunktionalisiert werden. Siehe http://de.
Aktuelle Perspektiven, Bielefeld 2013.
slideshare.net/Petersen-Architect/from-follows-culture [Abruf:
31
Vgl. Durrant, Sam/Lord, Catherine M.: Introduction, in: Essays in
13.10.2013]. Farah Wahidah Pathia wendet die Formel für eine Um-
Migratory Aesthetics. Cultural Practices Between Migration and
schreibung von Kites an, die in Malaysia als Wau Bulan bekannt sind
Art-making, hg. von diesn., New York 2007, S. 11‒29. Es geht den Her-
und traditionell in der Fischerei angewendet wurden. Siehe http://
ausgebern und Autoren um die ästhetische Dimension des sozialen
www.slashdocs.com/nyyrp/form-follows-culture.html [Abruf: 13.10.
Phänomens der Migration. Es wird konkret auf die Effekte, die Migra-
2013].
tion in Form von Wanderschaft, Heimatverlust, einer Konfrontation mit
39
neuen Umgebungen und Kulturen, Erinnerungen, Erneuerungen, Wan-
Präfix „inter“ ist Quellen entlehnt, die sich nicht ausdrücklich für eine
del und Innovation auf kulturelle Praktiken wie Kunst hat, eingegangen.
offene Wahrnehmung von disziplinären und anderen Ordnungssyste-
In diesem Zusammenhang wird Migration nicht allein als Trauma, son-
men aussprechen, wie es das Präfix „trans“ meint, sondern primär einen
dern auch als Chance begriffen.
Austausch von in sich abgeschlossenen Kategorien implizieren.
Anmerkungen
Das stellenweise im Rahmen der Untersuchung verwendete
40
Im Kontext der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Trans-
53
Vgl. Hallström Bornold, Salka/Nilsson, Lars (Hg.): Fashination
kulturalität und Migration synonym behandelt. Ersterer meint ein Kul-
(Ausstellungskatalog Stockholm, Moderna Museet, 2004/05), Stock-
turkonzept, das als eine Folge von Migrationsprozessen verstanden
holm 2004, [passim].
werden kann. Die Charakteristika von Transkulturalität – Bewegung,
54
Entgrenzung, kulturelle Verflechtungen, Austausch und Heterogeni-
Rolf, Hussein Chalayan, Bless u.a.
So z.B. Alexander McQueen, Maison Martin Margiela, Viktor &
tät – sind zugleich Umschreibungen migratorischen Handelns. Migra-
55
tion bedeutet nämlich nicht nur das physische Überschreiten von Län-
tion, hg. von dies./Lars Nilsson (Ausstellungskatalog Stockholm, Mo-
dergrenzen, sondern auch die „Umwanderung“ von Kulturen als
derna Museet, 2004/05), Stockholm 2004, S. 27‒37. Hier S. 27.
soziales Phänomen: damit ist sie als transkulturelle Aktion begreifbar.
56 57
41
Vgl. Dogramaci, Burcu: Fremde überall – Migration und künstle-
Vgl. Hallström Bornold, Salka: Fashion as fashion, in: Fashina-
Vgl. ebd., [passim]. Siehe Evans, Caroline (Hg.): Hussein Chalayan (Ausstellungska-
rische Produktion. Zur Einleitung, in: Migration und künstlerische Pro-
talog Groningen, Groninger Museum, 2005), Rotterdam 2005a. Die
duktion. Aktuelle Perspektiven, hg. von dies., Bielefeld 2013, S. 7‒20.
Schau machte Ende 2005 bis Anfang 2006 in Deutschland im Kunst-
Hier S. 16f.
museum Wolfsburg Station.
42
58
Ästhetik meint im Rahmen der vorliegenden Untersuchung
Vgl. Twist, Kees van: Foreword, in: Hussein Chalayan, hg. von
keine Kunstphilosophie, sondern bezieht sich auf das sinnlich Wahr-
Caroline Evans (Ausstellungskatalog Groningen, Groninger Museum,
nehmbare bzw. die sinnliche im Unterschied zur begrifflichen Erkennt-
2005), Rotterdam 2005, S. 6‒7. Hier S. 6.
nis. Im Sinne der Aisthesis geht es dabei nicht primär um die Erfassung von Idealitäten, sondern um die Wahrnehmung von Materialitäten in
59 60
ihrer Differenz. Vgl. etwa Hirdina, Karin: Aisthesis/Aisthetisch, in: Metz-
von dies. (Ausstellungskatalog Groningen, Groninger Museum, 2005),
ler-Lexikon Ästhetik: Kunst, Medien, Design und Alltag, hg. von Achim
Rotterdam 2005b, S. 8‒15.
Trebeß, Stuttgart [u.a.] 2006, S. 3‒6, und Hager, Fritz-Peter: Aisthesis
61
(Wahrnehmung), in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. Joa-
Zitiert nach: Evans 2005b (wie Anm. 60), S. 10.
chim Ritter/Karlfried Gründer, 13 Bde., völlig neubearb. Ausg. des
62
„Wörterbuchs der philosophischen Begriffe“ von Rudolf Eisler, Basel
Democracy (franz. Originalausgabe: L’Empire de l’éphémère: La mode
[u.a.] 1971, Bd. 1: A‒C, S. 119‒121.
et son destin dans les sociétés modernes, Paris 1987), übersetzt von
43
Catherine Porter (1. Aufl. Princeton [NJ] 1994), 3. Aufl. Princeton (NJ)
Vgl. Chalayan, Hussein: Homepage – About [o.D.a], in: http://
Vgl. ebd. Siehe Evans, Caroline: No Man’s Land, in: Hussein Chalayan, hg.
Vgl. Heidegger, Martin: Basic Writings, New York 1971, S. 101. Vgl. Lipovetsky, Gilles: The Empire of Fashion: Dressing Modern
chalayan.com/about/ [Abruf: 18.10.2013].
2002, S. 149, und Evans 2005b (wie Anm. 60), S. 11.
44 45
63 64
In Kap. 2 wird eingangs der Begriff „Grenzgängertum“ definiert. Zu den ersten Gruppenausstellungen zählen u.a. Jam – Style +
Vgl. Lipovetsky (1987) 32002 (wie Anm. 62), S. 149. Vgl. Evans, Caroline: Fashion at the edge: spectacle, modernity
Music + Media in der Barbican Art Gallery im Jahr 1996 oder The Cutting
& deathliness (1. Aufl. New Haven/London 2003), 3. Aufl. New Haven/
Edge Exhibition im Victoria and Albert Museum von 1997, beide in Lon-
London 2009, S. 288f.
don.
65 66
46
Siehe Wilcox, Claire (Hg.): Radical Fashion (Ausstellungskatalog
Vgl. ebd., insb. S. 79. Vgl. Fausch, Deborah [u.a.] (Hg.): Architecture: In Fashion, Prin-
London, Victoria and Albert Museum, 2001), London 2001a.
ceton 1994, [o.S.]. Zitiert nach: Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 283.
47
dical Fashion, hg. von Claire Wilcox (Ausstellungskatalog London, Vic-
67 68
toria and Albert Museum, 2001), London 2001, S. 8‒17, und Steele,
ist es besser, wo wir nicht sind, hg. von der Hochschule für Bildende
Valerie: ,Style in Revolt‘. Hussein Chalayan, Alexander McQueen, Vivi-
Künste Dresden (Ausstellungskatalog Dresden, Oktogon und Galerie
enne Westwood, in: Radical Fashion, hg. von Claire Wilcox (Ausstel-
Brühlsche Terrasse der Hochschule für Bildende Künste Dresden,
lungskatalog London, Victoria and Albert Museum, 2001), London
2008), Nürnberg 2008, S. 2.
Vgl. Clark, Judith: Looking Forward. Historical Futurism, in: Ra-
Vgl. Evans 2005b (wie Anm. 60), S. 10. Vgl. Greinke, Susanne/Schweizer, Natalja: Vorwort, in: Überall
2001, S. 46‒53.
69
48 49
ser, wo wir nicht sind, hg. von der Hochschule für Bildende Künste
Vgl. insb. Clark 2001 (wie Anm. 47), S. 9f. Vgl. Teunissen, José (Hg.): Woman by (Ausstellungskatalog Ut-
Vgl. Schweizer, Natalja: Hussein Chalayan, in: Überall ist es bes-
Dresden (Ausstellungskatalog Dresden, Oktogon und Galerie Brühl-
recht, Centraal Museum, 2003), Utrecht 2003a, [passim].
sche Terrasse der Hochschule für Bildende Künste Dresden, 2008),
50
Nürnberg 2008, S. 15‒16.
Vgl. Teunissen, José: Woman by Hussein Chalayan, in: Woman
by, hg. von dies. (Ausstellungskatalog Utrecht, Centraal Museum, 2003), Utrecht 2003b, S. 64‒79. Hier S. 68.
51 52
70 71
Ebd., S. 15. Siehe Museum of Contemporary Art Tokio (Hg.): Hussein
Vgl. ebd.
Chalayan from fashion and back (Ausstellungskatalog Tokio, Museum
Vgl. Teunissen, José: Introduction, in: Woman by, hg. von dies.
of Contemporary Art Tokyo, 2010), Tokio 2010, und Eşkinat, Esin (Hg.):
(Ausstellungskatalog Utrecht, Centraal Museum, 2003), Utrecht 2003c,
Hussein Chalayan 1994‒2010 (Ausstellungskatalog Istanbul, Istanbul
S. 7‒16. Hier S. 16.
Modern Sanat Müzesi, 2010), Istanbul 2010.
Anmerkungen
199
72
Siehe Violette, Robert (Hg.): Hussein Chalayan, New York [u.a.]
2011.
73
Vgl. ebd., [passim]. Die Titel wurden von der Verfasserin ins
Deutsche übersetzt.
74
Evans ist ausgebildete Kunsthistorikerin und spezialisiert auf
Vgl. Dolk, Claudia: Das Dublin-Verfahren. Im Spannungsfeld ei-
linge in Europa, Berlin 2011, S. 3.
89 90
Vgl. Osten 2009 (wie Anm. 87), S. 90f. Macho, Thomas H.: Fluchtgedanken, in: auf, und, davon. Eine
Modegeschichte und -theorie, Identität, Kulturstudien, Gender und
Nomadologie der Neunziger, hg. von Horst Gerhard Haber/Werner
Mode, Globalisierung und Moderne in der Kleidung. Sie lehrt u.a. am
Krause/Peter Strasser, Graz 1990, S. 123‒139. Hier S. 127f.
Central Saint Martins College of Art and Design in London. Ted Polhemus ist ein in England ansässiger Anthropologe, Schriftsteller und Foto-
91 92
graf. Er beschäftigt sich in seinen Forschungen mit dem Thema Mode
Forschungsgegenstand – zur Einführung, in: Netzwerke des Exils.
und Anti-Mode, Identität, Stil- und Körpersoziologie. In seinem Aufsatz
Künstlerische Verflechtungen, Austausch und Patronage nach 1933,
„The Postmodern Designer“ aus dem Groninger Katalog hat er einen
hg. von dies./Karin Wimmer, Berlin 2011, S. 13‒28. Hier S. 14. Dogra-
Beitrag über die Rolle der Kultur, der Globalisierung und des Bruches
maci geht von den historischen, zwischen 1933 und 1945 umkämpften
mit der westlichen Perspektive in Chalayans Werken geliefert.
Grenzen aus, die in ihrer materiellen Präsenz eine große Bedeutung für
75
die Exilierten hatten.
Vgl. Barley, Nick [u.a.] (Hg.): Lost & found: Lust und Verlust.
Vgl. Osten 2009 (wie Anm. 87), S. 91. Vgl. Dogramaci, Burcu: Netzwerke des künstlerischen Exils als
Kritische Stimmen im britischen Design heute (Ausstellungskatalog
93
Frankfurt am Main [u.a.], Museum für angewandte Kunst, 1999), Basel
ausgabe: The Location of Culture, London 1994), hg. von Elisabeth
[u.a.] 1999, [passim].
Bronfen [u.a.], übersetzt von Michael Schiffmann/Jürgen Freudl, Tübin-
76
Vgl. Evans, Caroline: Städtische Erfindungen, in: Lost & found:
gen 2000, S. 2‒5, 58, und Bhabha, Homi K.: Culture’s In-Between, in:
Lust und Verlust. Kritische Stimmen im britischen Design heute, hg. von
Questions of Cultural Identity, hg. von Stuart Hall/Paul du Gay (1. Aufl.
Nick Barley [u.a.] (Ausstellungskatalog Frankfurt am Main [u.a.], Mu-
London [u.a.] 1996), 8. Aufl. London [u.a.] 2003, S. 53‒60. Hier insb.
seum für angewandte Kunst, 1999), Basel [u.a.] 1999, S. 94‒97, und
S. 58
Barley [u.a.] 1999 (wie Anm. 75), S. 115.
94
77
241.
Vgl. Quinn, Bradley: Techno Fashion, Oxford/New York 2002a,
[passim].
78
Vgl. Berg, Nanda van den/Brand, Jan (Hg.): The power of fas-
95 96
Vgl. Bhabha, Homi K.: Die Verortung der Kultur (engl. Original-
Vgl. Bhabha (1994) 2000 (wie Anm. 93), insb. S. 52f., 66, 189f., Bhabha (1994) 2000 (wie Anm. 93), S. 3. Vgl. ebd., S. 5, 10f., 323ff., und Bhabha 82003 (wie Anm. 93),
hion. About design and meaning, Arnhem 2006, [passim].
insb. S. 58. Siehe auch Castro Varela, María do Mar/Dhawan, Nikita:
79
Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung, Bielefeld 2005 (=
Kap. 4 widmet sich im Rahmen der Untersuchung von Chalay-
ans Textildesign den stilistischen Möglichkeiten eines Umganges mit
Cultural Studies; Bd. 12), S. 95.
kultureller Vielfalt.
97
80 81
Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), [passim].
on Exile and other essays (1. Aufl. Cambridge [Mass.] 2000), 2. Aufl.
Vgl. Lehnert, Gertrud (Hg.): Räume der Mode, München 2012a,
Cambridge (Mass.) 2001a, S. 173‒186. Hier S. 173. Said beschreibt Exil
Vgl. Said, Edward W.: Reflections on Exile, in: ders: Reflections
[passim].
als Verlusterfahrung: „It is the unhealable rift forced between a human
82
being and a native place, between the self and its true home: its essen-
Vgl. Berking, Helmuth: „Global Flows and Local Cultures“. Über
die Rekonfiguration sozialer Räume im Globalisierungsprozeß, in: Ber-
tial sadness can never be surmounted.“
liner Journal für Soziologie 8 (1998), Nr. 3, S. 381‒392. Hier S. 383.
98
83 84
Vgl. ebd.
1 (2008), S. 63‒67. Hier S. 63 (Zitat von Hussein Chalayan aus einem
Vgl. Belting, Hans/Buddensieg, Andrea: Einleitung, in: The Glo-
mit Broekman geführten Interview).
Broekman, Ralf F./Winkler, Olaf: A Detached Observer, in: Build
bal Contemporary. Kunstwelten nach 1989 (Ausstellungsbeiheft Karls-
99
ruhe, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, 2012), Karlsruhe
hg. von Robert Violette, New York [u.a.] 2011a, S. 29‒31. Hier S. 29.
2012, S. 6‒8. Hier S. 8.
100 101 102
85 86
Berking 1998 (wie Anm. 82), S. 382. Vgl. Lefebvre, Henri: The Production of Space (franz. Original-
Vgl. Golbin, Pamela: The Tangent Flows, in: Hussein Chalayan, Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Stoykov, Lubomir: Hussein Chalayan: „Fashion is a combina-
ausgabe: La production de l’espace, Paris 1974), Cambridge (Mass.)
tion of art, profession and product“, in: Fashion Lifestyle Magazine 2
1991, [o.S.]. Zitiert nach: Berking 1998 (wie Anm. 82), S. 382.
(2008), Nr. 7, http://www.fashion-lifestyle.net/designers_en_broi7, aus
87
dem Bulgarischen übersetzt von Kristina Paytasheva [Abruf:
Vgl. Osten, Marion von: Auf der Suche nach einer neuen Erzäh-
lung. Reflektionen des Ausstellungsprojekts „Projekt Migration“ von
200
88
ner menschenwürdigen und solidarischen Verantwortung für Flücht-
03.02.2011].
Marion von Osten, in: Crossing Munich. Beiträge zur Migration aus
103
Kunst, Wissenschaft und Aktivismus, hg. von Natalie Bayer [u.a.] (Aus-
ckes“ entstammt einem Aufsatz der Verfasserin aus dem Jahr 2013. Vgl.
stellungskatalog München, Rathausgalerie der Landeshauptstadt Mün-
Geiger, Hanni: Raum und Zeit überwinden. Hussein Chalayans Design
chen, 2009), München 2009, S. 90‒93. Hier S. 90.
für postmoderne Nomaden, in: Migration und künstlerische Produk-
Anmerkungen
Der folgende Absatz mit der Beschreibung des „Tangentenro-
tion. Aktuelle Perspektiven, hg. von Burcu Dogramaci, Bielefeld 2013,
2007, S. 47. Chalayan studierte am Central Saint Martins College of Art
S. 161‒178. Hier S. 169.
and Design von 1989 bis 1993.
104 105
118 119
Vgl. ebd. Für Grundlegendes über den Kartesianismus vgl. Brugger, Wal-
Vgl. Frankel 2011 (wie Anm. 107), S. 20. Vgl. Rosenau, Mirja: Identity in the lining. Hussein Chalayan’s
ter/Schöndorf, Harald (Hg.): Philosophisches Wörterbuch, Freiburg im
clothes tell stories and reveal dreams of flying (26.04.2005), in: sign-
Breisgau/München 2010, S. 69f.
andsight.com, http://www.signandsight.com/features/124.html [Abruf:
106
07.12.2012].
Vgl. Golbin 2011a (wie Anm. 99), S. 29. Ostasiatische Philoso-
asiatischen Raum wie Indien, China und Japan, die sich unabhängig von
120 121
den philosophischen Entwicklungen im klassisch-griechisch geprägten
und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1999,
Europa entwickelt haben. Im Gegensatz zur westlichen Metaphysik des
S. 136. Zitiert nach: Żytyniec, Rafał: Kulturelle Grenzgänger in Ostpreu-
Dualismus herrscht in der klassisch östlichen Philosophie der Gedanke
ßen. David Gordon – Manfred Peter Hein – Winfried Lipscher, in: Kul-
phie ist eine Sammelbezeichnung für philosophische Lehren aus dem
Vgl. ebd., im Hinblick auf Reisen als Entdeckungen. Assmann, Jan: Das Kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung
an eine Relation aller Dinge innerhalb einer alles vereinenden Welt vor.
turelle Identitäten im Wandel – Grenzgängertum als literarisches Phä-
Prozesshaftigkeit, Wechsel und Subjektivität dominieren über Form,
nomen, hg. von Mirosława Czarnecka/Christa Ebert, Schöneiche bei
Statik und Objektivität westlicher Tradition. Vgl. Ames, Roger T.: East
Berlin 2006 (= Schriftenreihe Ost-West-Diskurse; Bd. 6), S. 199‒220.
Asian philosophy (1998), in: Routledge Encyclopedia of Philosophy,
Hier S. 200.
http://www.rep.routledge.com/article/G218, hg. von Edward Craig
122
[Abruf: 31.10.2013].
katalog in Istanbul vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), [passim]; siehe auch
107
Turkish-Cypriot Online Museum of Fine Arts: Homepage – Hussein
Vgl. Frankel, Susannah: Border Crossing, in: Hussein Chalayan,
Zur türkischen Schreibweise des Namens für den Ausstellungs-
hg. von Robert Violette, New York [u.a.] 2011, S. 16‒28. Hier S. 19.
Chalayan [o.D.], in: http://www.cypnet.co.uk/ncyprus/culture/mofa/
108
Einen kurzen Einblick in die Geschichte zypriotischer Besatzun-
design/chalayan/ [Abruf: 02.08.2013], sowie [Anonym]: Hussein
gen und die daraus resultierende kulturelle und bauhistorische Vielfalt
Chalayan [o.D.b], in: Vogue (Online), http://www.vogue.com/voguepe-
bietet Kap. 7.3.2.
dia/Hussein_Chalayan [Abruf: 02.08.2013].
109
Vgl. Lenz, Ramona: Mobilitäten in Europa: Migration und Touris-
123
Vgl. Barthes, Roland: Die Sprache der Mode (franz. Originalaus-
mus auf Kreta und Zypern im Kontext des europäischen Grenzregimes,
gabe: Système de la Mode, Paris 1967), übersetzt von Horst Brühmann,
Wiesbaden 2010 (Phil. Diss. Frankfurt am Main 1994), S. 145.
Frankfurt am Main 1985, S. 261.
110 111
Vgl. ebd.
124
Vgl. Fakiolas, Rossetos: Migration and Unregistered Labour in
Traité du Tout-Monde, Paris 1997), übersetzt von Beate Thill, Heidel-
Glissant, Édouard: Traktat über die Welt (franz. Originalausgabe:
the Greek Economy, in: Eldorado or Fortress? Migration in Southern
berg 1999, S. 68.
Europe, hg. von Russell King/Gabriella Lazaridis/Charalambos Tsardan-
125
idis, London/New York 2000, S. 57‒78. Hier S. 58f. Zitiert nach: Lenz
Lebenssituationen von MigrantInnen vgl. Yildiz, Erol: Migration bewegt
2010 (wie Anm. 109), S. 145.
die Stadt: EinwanderInnen als ExpertInnen ihrer selbstorganisierten
112 Vgl. Stoykov 2008 (wie Anm. 102). 113 Chalayan betont in verschiedenen Interviews immer wieder
Integration, in: Crossing Munich. Beiträge zur Migration aus Kunst,
sein Bestreben, Gegensätze zusammenzubringen und Differenzen un-
lungskatalog München, Rathausgalerie der Landeshauptstadt Mün-
tereinander verschmelzen zu lassen. Vgl. u.a. [Anonym]: Hussein
chen, 2009), München 2009, S. 20‒23. Hier S. 20.
Zur überwiegend formelhaften Wahrnehmung pathologischer
Wissenschaft und Aktivismus, hg. von Natalie Bayer [u.a.] (Ausstel-
Chalayan [o.D.a], in: Design Museum, http://designmuseum.org/design/
126
hussein-chalayan [Abruf: 09.03.2011].
freiwillige Grenzgängerin zwischen Hitler und Stalin, in: Kulturelle
114
Scholz-Lübbering, Hannelore: Margarete Buber-Neumann: Un-
Vgl. Simmel, Georg: Soziologie des Raumes (Originalausgabe
Identitäten im Wandel – Grenzgängertum als literarisches Phäno-
erschienen in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirt-
men, hg. von Mirosława Czarnecka/Christa Ebert, Schöneiche bei Ber-
schaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 27. Jg., Leipzig
lin 2006 (= Schriftenreihe Ost-West-Diskurse; Bd. 6), S. 17‒39. Hier
1903, Bd. 1, S. 27–71), in: Schriften zur Soziologie. Eine Auswahl, hg.
S. 18.
von Heinz-Jürgen Dahme/Otthein Rammstedt, Frankfurt am Main
127
1983 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft; Bd. 434), S. 221‒242.
log: Ein Perspektivenwechsel, in: Transkulturalität, Transnationalität,
Hier S. 227.
Transstaatlichkeit, Translokalität. Theoretische und empirische Begriffs-
115
bestimmungen, hg. von Melanie Hühn [u.a.], Berlin 2010 (= Region –
Vgl. Mower, Sarah: Looking Back at Hussein Chalayan, in:
Vgl. Conti, Luisa: Vom interkulturellen zum transkulturellen Dia-
Hussein Chalayan, hg. von Robert Violette, New York [u.a.] 2011,
Nation – Europa; Bd. 62), S. 173‒189. Hier S. 179.
S. 35‒48. Hier S. 41.
128
116 117
Vgl. ebd.
Chalayan (11.06.2009), in: dezeen magazine, http://www.dezeen.
Vgl. ebd., und Loschek, Ingrid: Modedesigner. Ein Lexikon von
com/2009/06/11/super-contemporary-interviews-hussein-chalayan/
Armani bis Yamamoto (1. Aufl. München 1998), 3. erw. Aufl. München
Vgl. Fairs, Marcus: Super Contemporary interviews: Hussein
[Abruf: 10.03.11].
Anmerkungen
201
129
Vgl. Vassiliou, Yianni: „Ich bin ein Döner Kebab“ (30.01.2009),
martins-announced/ [Abruf: 06.09.2013].
ein-Doener-Kebab.html, aus dem Englischen übersetzt von Annemarie
144
Ballschmiter [Abruf: 08.02.2011].
(wie Anm. 133), S. 182. Heute bilden insgesamt sechs verschie-
130 131
Vgl. Fairs 2009 (wie Anm. 128).
dene Colleges – Camberwell College of Art, Central Saint Martins
Vgl. ebd. Die moderne britische Kunst, darunter die Young Bri-
College of Art and Design, Chelsea College of Art, London College of
tish Artists mit Künstlern wie Damien Hirst, Tracey Emin und Rachel
Communication, London College of Fashion und Wimbledon College
Whiteread, schockierten seit den späten 1980er-Jahren mit konzeptu-
of Art – eine übergeordnete Kunstuniversität, die University of the
ell um Pornografie, Geschlechterrollen und Vergänglichkeitsansichten
Arts London. Siehe dazu University of the Arts London: Homepage –
kreisenden Ideen sowie mit aus kontroversen Materialien wie Körper-
About UAL (2013b), in: http://www.arts.ac.uk/about-ual/ [Abruf:
flüssigkeiten und toten Tieren gearbeiteten Werken.
06.09.2013].
132 133
Vgl. ebd.
145
Für den folgenden Absatz vgl. McDermott, Catherine: Mode –
AIM25. Archives in London and the M25 area, http://www.aim25.ac.
Vgl. Irvine 2001 (wie Anm. 138), und McDermott (2002) 2003
Vgl. Tancell, Julie: St Martin’s School of Art (August 2002), in:
made in Britain. Zwischen Tradition und Avantgarde (engl. Originalaus-
uk/cgi-bin/vcdf/detail?coll_id=6248&inst_id=56&nv1=browse&n-
gabe: Made in Britain: Tradition and Style in Contemporary British Fas-
v2=repos [Abruf: 15.01.2013]. Im Jahr 1961 studierten an der Saint
hion, London 2002), übersetzt von Media Compact Service, München
Martin’s School of Art über fünfhundert Vollzeitstudenten, weshalb das
2003, S. 152.
Department bis in die 1990er-Jahre in der Stadt London mehrmals
134
räumlich erweitert werden musste.
Vgl. ebd., S. 152, 161. Für einen Überblick über den Zusammen-
hang der Entwicklungen im Bereich Kunst, Musik, Architektur, Design,
146
Film und Mode im Rahmen spezifischer soziopolitischer Grundvoraus-
tins College, die berühmteste Modeschule der Welt (März 2000), in:
setzungen im London der Sechzigerjahre vgl. Metzger, Rainer: Swinging
NZZ Folio, http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-
London. Kunst & Kultur in der Weltstadt der 60er Jahre, Wien 2011,
277884b93470/showarticle/3b2f74d4-450c-4c14-839d-bdf4a5d-
[passim].
ff4ff.aspx [Abruf: 21.11.2012].
135
147
Für den folgenden Absatz vgl. ebd., S. 155, 191. Vivienne West-
Vgl. Künzler, Hanspeter: Treibhaus der Trends. Central St. Mar-
Vgl. ebd. Die Beatles z.B. kauften in der Denmark Street ihre
wood ist die Begründerin der „Prunk und Punk“-Mode, womit sie das
Gitarren.
britische Modedesign ins internationale Rampenlicht führte und zum „Design-Superstar“ avancierte.
148 149
136
Vgl. Fischer, Volker: Charakter, Charisma und Common Sense.
1997 (wie Anm. 139), [passim]. Hayes mit der älteren Generation nam-
Großbritannien im Kontext europäischer Designentwicklung, in: Lost &
hafter Designer Großbritanniens (u.a. Mary Quant, Gina Fratini, Franka,
found: Lust und Verlust. Kritische Stimmen im britischen Design heute,
Margaret Howell, Vivienne Westwood, Manolo Blahnik, John Cay-
hg. von Nick Barley [u.a.] (Ausstellungskatalog Frankfurt am Main [u.a.],
anagh) geführte Interviews bestätigen das Fehlen spezifischer Mode-
Museum für angewandte Kunst, 1999), Basel [u.a.] 1999, S. 22‒25.
ausbildungsstätten mit Fokus auf Industrie, Handwerk oder gar Marke-
Hier S. 24.
ting. Die meisten der befragten Designer hatten zu ihrer Zeit entweder
137
Vgl. [Anonym]: hussein chalayan [o.D.c], in: designboom, http://
www.designboom.com/eng/interview/chalayan.html
[Abruf:
Vgl. ebd. Vgl. McDermott (2002) 2003 (wie Anm. 133), S. 182, und Haye
gar keine Möglichkeit, eine formale Modeausbildung zu absolvieren, und stiegen in die Industrie ohne Vorkenntnisse ein, oder sie studierten
26.01.2011].
an einer Kunstakademie wie z.B. dem Royal College of Art. Mit der
138
Irvine, Susan: Deconstructing Hussein (05.12.2001), in: The Te-
Gründung des scheinbar eher auf Mode ausgerichteten Central Saint
legraph, http://www.telegraph.co.uk/fashion/4794351/Deconstruc-
Martins College of Art and Design wird diese Tradition einer künstleri-
ting-Hussein.html [Abruf: 26.10.10].
schen, in Verbindung mit Mode bzw. Design spartenübergreifenden
139
Ausbildung weiterverfolgt.
Vgl. Haye, Amy de la (Hg.): The cutting edge. 50 years of British
fashion, 1947‒1997 (Ausstellungskatalog London, Victoria and Albert Museum, 1997), London 1997, S. 196.
202
in: http://newsevents.arts.ac.uk/27235/new-head-of-central-saint-
in: Welt Online, http://www.welt.de/lifestyle/article3092895/Ich-bin-
150 151 152
Vgl. Künzler 2000 (wie Anm. 146). Vgl. ebd.
140 Evans 1999 (wie Anm. 76), S. 97. 141 Chalayans eigener Schilderung des Lebensumfeldes London
ral Saint Martins College of Art and Design studierte, besuchten insge-
entnommen. Vgl. Haye 1997 (wie Anm. 139), S. 200.
samt nur 13 Studenten das damals interdisziplinär ausgerichtete Col-
142
lege. Das Department lag, anders als heute, mit seinem eigenen Bau
Vgl. McDermott (2002) 2003 (wie Anm. 133), S. 155, 182, und
Vgl. Frankel 2011 (wie Anm. 107), S. 23. Als Chalayan am Cent-
Frankel 2011 (wie Anm. 107), S. 23.
außerhalb des Zentrums, als Teil des Kunstcollege-Gebäudes im Herzen
143
Vgl. McDermott (2002) 2003 (wie Anm. 133), S. 182. Über den
des im positiven Sinne „schäbigen“ Stadtteils Soho, wo der Austausch
Antritt der neuen Leitung des Central Saint Martins College of Art and
mit der Straße und der Kunst Londons einen starken Einfluss auf das
Design anstelle von Jane Rapley siehe University of the Arts London:
Studium der angehenden Designer ausübte.
Homepage – New Head of Central Saint Martins announced (2013a),
153
Anmerkungen
Vgl. ebd.
154
Die Regierung der „Eisernen Lady“ mit ihrer neokonservativen
172
Vgl. u.a. Bovenschen, Silvia: Über die Listen der Mode, in: Die
Klassendifferenzierung bevorzugte potente Produzenten im Ausland,
Listen der Mode, hg. von dies., Frankfurt am Main 1986, S. 10‒30. Hier
was sich zum Nachteil junger britischer Designer und mittelständischer
insb. S. 12f., 21. Bovenschen bezieht sich in ihrem Aufsatz auf die „mo-
Unternehmen auswirkte. Vgl. Fischer 1999 (wie Anm. 136), S. 23f.
ralisierenden Attribute“, die der stets wechselhaften Mode in Anleh-
155 156
Vgl. Field 1999 (wie Anm 16), S. 58.
nung an „leichtsinnige“ Frauen zugesprochen wurden, und plädiert für
Ebd., und Poynor, Rick: Made in Britain. Das vieldeutige Image,
eine „thematische Rehabilitation“ des Faches. Die neu aufgelegte
in: Lost & found: Lust und Verlust. Kritische Stimmen im britischen
„Schimpftirade“ Friedrich Theodor von Vischers über die Mode aus dem
Design heute, hg. von Nick Barley [u.a.] (Ausstellungskatalog Frankfurt
Jahr 1878 gewährt einen Einblick in die kritische Reflexion der bürger-
am Main [u.a.], Museum für angewandte Kunst, 1999), Basel [u.a.]
lichen Mode des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Siehe Vischer, Fried-
1999, S. 28‒31. Hier S. 31.
rich Theodor von: Mode und Cynismus. Beiträge zur Kenntniß unserer
157
Culturformen und Sittenbegriffe (Originalausgabe: Stuttgart 1878), hg.
Vgl. Rose, Andrea: Lust und Verlust. Vorwort, in: Lost & found:
Lust und Verlust. Kritische Stimmen im britischen Design heute, hg. von
von Michael Neumann, Berlin 2005, [passim].
Nick Barley [u.a.] (Ausstellungskatalog Frankfurt am Main [u.a.], Mu-
173
seum für angewandte Kunst, 1999), Basel [u.a.] 1999, S. 16‒17. Hier
von Mode vgl. u.a. Lipovetsky (1987) 32002 (wie Anm. 62), insb.
S. 16.
S. 64‒74; Troy, Nancy: Couture Culture, Cambridge (Mass.) 2003, [pas-
158
Für Ausführliches über das Phänomen der Demokratisierung
Wann ist Mode? lautet der Titel von Ingrid Loscheks Abhandlung
sim]; English, Bonnie: A Cultural History of Fashion in the Twentieth
über das System Mode im Kontext zeitgenössischer Forschungen zu
Century. From the Catwalk to the Sidewalk, Oxford/New York 2007,
Kulturwissenschaften, Kunst-, Design-, Medientheorien, Soziologie und
insb. S. 28‒42.
Genderstudien. Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), insb. Kap. „Wann ist
174 175 176
Mode?“, S. 159‒201.
159
Jacobs, Bel: Forward thinking fashionista Chalayan
Vgl. Lehnert 1998a (wie Anm. 163), S. 11f. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 12, und Schacknat, Karin: The art of mixing, in: The
(22.01.2009), in: Metro (Online), http://metro.co.uk/2009/01/22/for-
power of fashion. About design and meaning, hg. von Nanda van den
ward-thinking-fashionista-chalayan-360243/ [Abruf: 30.01.2009] (Zi-
Berg/Jan Brand, Arnhem 2006, S. 314‒329, S. 317.
tat von Hussein Chalayan aus einem mit Jacobs geführten Interview
177 178 179 180 181 182 183 184 185 186
zum Verhältnis von Mode und Kunst).
160
Aus einem von der Verfasserin mit Lora Sariaslan, Kuratorin des
Istanbul Modern, geführten Interview anlässlich der Ausstellung Hussein Chalayan 1994‒2010 im Jahr 2010.
161 Ebd. 162 Loschek differenziert Form und Medium wie folgt: „Als Form gilt die Kleidung, als Medium die Mode.“ Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 34.
163
Vgl. Lehnert, Gertrud: Mode, Weiblichkeit und Modernität, in:
Vgl. Schacknat 2006 (wie Anm. 176), S. 317. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. English 2007 (wie Anm. 173), S. 153. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 153f., und Schacknat 2006 (wie Anm. 176), S. 317f. Vgl. Schacknat 2006 (wie Anm. 176), S. 318f. Vgl. ebd., S. 319. Vgl. English 2007 (wie Anm. 173), S. 154. Schiaparelli entwarf
Mode, Weiblichkeit und Modernität, hg. von dies., Dortmund 1998a,
extravagante Kleidungsstücke wie etwa Hut-Kreationen in Form eines
S. 7‒19. Hier S. 10.
umgekehrten Schuhs.
164
187
Vgl. Gan, Stephen: Visionaire’s fashion 2001: designers of the
Vgl. Georgen, Theresa: Kunst, Mode, Architektur – Entfaltungen
new avant-garde, hg. von Alix Browne, London 1999, [o.S.].
und Begrenzungen. Zu einem Projekt von Silvia Kolbowski und Peter
165 166 167 168
Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 203.
Eisenmann für Comme des Garçons, in: Frauen Kunst Wissenschaft 40
Vgl. ebd.
(2005), S. 6‒17. Hier S. 6.
Vgl. ebd.
mas Kaestle, Hildesheim 2005, S. 56–59. Hier S. 57f. Zitiert nach: Lo-
188 189 190 191
schek 2007 (wie Anm. 18), S. 208.
menhang mit der Postmoderne vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 223f.
169 170
allein über eine ästhetische Dimension verfüge.
192 193 194 195
171
Vgl. Barthes (1967) 1985 (wie Anm. 123), S. 270f., und Gabrielli,
der Behausung eine Erweiterung unserer Haut, wobei Kleidung die äl-
Paolo: Art as Fashion …, in: Art review: the essential monthly guide I/IV
tere und nähere Form des Wärmekontrollmechanismus unseres Orga-
(September 2003), S. 50‒55. Hier S. 50.
nismus darstellt. Die Wohnung versteht sich als eine nächste Stufe der
Lingner, Michael: Dann ist Kunst. Konditionen der Kunstkonkre-
tion, in: Wann ist die Kunst. Prozess, Moment, Gültigkeit, hg. von Tho-
Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 208. Vgl. Gasparina, Jill: I love fashion. L’art contemporain et la mode,
Paris 2006, S. 32. Gasparina beschreibt Kleidung als Medium, das nicht
Vgl. ebd. Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 223f. Vgl. ebd., S. 154f. Zu den Strategien des Kontrastes und der Paradoxie im ZusamVgl. Barley 1999 (wie Anm. 23), S. 18. Vgl. Bürger 1974 (wie Anm. 8), S. 26‒35. Vgl. Barley 1999 (wie Anm. 23), S. 18‒21. Marshall McLuhan erkennt sowohl in der Bekleidung als auch
Anmerkungen
203
Ausweitung jener Wärmekontrolle in Form einer „Kollektivhaut“ für
218
Familien und Gruppen. Vgl. McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle
and Imagination. About Clothes and Art, Arnhem 2009, S. 220.
(engl. Originalausgabe: Understanding Media. The extensions of man, New York 1964), übersetzt von Dr. Meinrad Amann, Düsseldorf/Wien
219 220
1968, S. 130, 134.
der internationalen Modezeichner (engl. Originalausgabe: Fashion illus-
196 197
Vgl. Lehnert 1998a (wie Anm. 163), S. 11.
tration next, London 2004), übersetzt von Uta Rings, München 2004,
Tallon, Kevin: Digitale Modeillustration mit Photoshop und Illus-
S. 8; Drake, Nicholas: Fashion illustration today, London 1987, S. 7f.;
Vgl. Brand/Teunissen 2009 (wie Anm. 218), S. 220‒231. Vgl. u.a. Borrelli, Laird: Illustrationen der Mode II. Die Visionen
trator (engl. Originalausgabe: Digital Fashion Illustration with Pho-
Tallon (2008) 2009 (wie Anm. 197), S. 7.
toshop and Illustrator, London 2008), übersetzt von Bea Reiter, Mün-
Diss. Hamburg 2000), S. 50.
221 Vgl. ebd. 222 Vgl. ebd. 223 Vgl. ebd. 224 Ebd. 225 Vgl. Borrelli 2004 (wie Anm. 220), S. 8. 226 Vgl. ebd. 227 Die Figurine, frz. „Figürchen“, bezeichnet einen stilisierten Kos-
199
chen 2009, S. 7.
198
Zur Problematik der Begriffsdefinition vgl. Dogramaci, Burcu:
Lieselotte Friedländer (1898‒1973) – eine Künstlerin der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Pressegraphik der zwanziger Jahre. Mit einem Verzeichnis der Werke 1920 bis 1933, Tübingen/Berlin 2001 (Phil. In Bezug auf das in Kap. 2 aufgezeigte Verschmelzen von Mode,
tümentwurf, der meist mithilfe kopierter Körperschablonen entsteht.
Design und Kunst in Chalayans ersten Arbeiten sowie im historischen
Vgl. u.a. Loschek, Ingrid: Reclams Mode- und Kostümlexikon (1. Aufl.
Rückblick.
Stuttgart 1987), 6. erw. Aufl. Stuttgart 2011, S. 186.
200 201
Vgl. Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 50.
228
Die Adjektive „multimedial“ sowie „transmedial“ werden im Rah-
sics Fashion Design 05: Fashion Drawing, Lausanne [u.a.] 2010), über-
Vgl. Hopkins, John: Modezeichnen (engl. Originalausgabe: Ba-
men dieser Arbeit als synonym zu „Mixed Media“ benutzt und meinen
setzt von MCS Schabert GmbH, München 2010, S. 36.
eine gleichzeitige Verwendung verschiedener Materialien in einem Kunstwerk, ggf. im gegenseitigen Austausch, sowie den über die traditionelle
229 230
Definition der bildenden Kunst hinausgehenden Medienverbund von
Robert Violette, New York [u.a.] 2011b, S. 156.
bildnerischer Gestaltung, etwa Film, Musik, Video, theatralische Aktion.
231
Vgl. Thomas, Karin (Hg.): DuMonts Kunstlexikon des 20. Jahrhunderts –
hg. von Robert Violette, New York [u.a.] 2011c, S. 59. Chalayan geht es
Künstler, Stile und Begriffe, Köln 2000, S. 276. Beitrag über Mixed Media.
dabei nicht um ein spezifisches Glaubenssystem, sondern um die Erfor-
202
schung des Einflusses kulturell-religiöser Prägungen auf den Menschen
Vgl. Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 51, hinsichtlich der in
Vgl. ebd. Vgl. Golbin, Pamela: Blindscape, in: Hussein Chalayan, hg. von Vgl. Golbin, Pamela: Scent of Tempests, in: Hussein Chalayan,
der Grafik enthaltenen Persönlichkeit des Modezeichners.
und seine Erzeugnisse im Allgemeinen.
203
232
Vgl. Bruhn, Wolfgang: Die künstlerische Modenzeichnung, in:
Vgl. Mason, Robert: Return of the picture, in: Eye 9 (2000),
Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und
Nr. 35, S. 68‒80. Hier S. 68, 71.
Kunstgewerbe 24 (1926), S. 178‒185. Hier S. 179. Vgl. Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 52.
233 234 235
Vgl. Bongartz, Sabine: Bühnenkostüm und bildende Kunst im
www.heartagency.com/artist/AudeVanRyn/biog [Abruf: 17.02.2012].
204 205 206
Vgl. ebd., S. 178‒181.
Vgl. ebd., S. 73. Vgl. Borrelli 2004 (wie Anm. 220), S. 6. Vgl. Heart Agency: Homepage – Aude Van Ryn [o.D.], in: http://
frühen 20. Jahrhundert, Phil. Diss. München 1985, S. 18. Zitiert nach:
236
Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 52.
Robert Violette, New York [u.a.] 2011d, S. 61.
207 208 209
237 238 239 240 241
Vgl. Bruhn 1926 (wie Anm. 203), S. 185. Vgl. Tallon (2008) 2009 (wie Anm. 197), S. 7. Vgl. Thiel, Erika: Künstler und Mode. Vom Modeschöpfer zum
Modegestalter, Berlin 1979, S. 50. Zitiert nach: Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 53.
210 211 212 213 214 215 216 217
Vgl. Golbin, Pamela: Between, in: Hussein Chalayan, hg. von Vgl. Mason 2000 (wie Anm. 232), S. 70. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 71. Vgl. Stevenson, N. J.: Die Geschichte der Mode. Stile, Trends
Bruhn 1926 (wie Anm. 203), S. 182.
und Stars (engl. Originalausgabe: The Chronology of Fashion, London
Vgl. ebd., und Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 53.
2010), übersetzt von Waltraut Kuhlmann/Birgit Lamerz-Beckschäfer,
Vgl. Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 53.
Bern [u.a.] 2011, S. 238.
Vgl. ebd., und Bruhn 1926 (wie Anm. 203), S. 182.
242 243 244 245
Vgl. ebd. Vgl. Bruhn 1926 (wie Anm. 203), S. 182, und Dogramaci 2001
(wie Anm. 198), S. 53f.
204
Vgl. ebd., S. 54, und Brand, Jan/Teunissen, José (Hg.): Fashion
Vgl. Borrelli 2004 (wie Anm. 220), S. 6. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd., [passim], bezüglich der allgemeinen Tendenzen der
Vgl. Dogramaci 2001 (wie Anm. 198), S. 53f.
Zeit zur individuellen Herangehensweise an Illustration, die sowohl fi-
Vgl. ebd., S. 53.
gurativ als auch abstrakt formuliert wird.
Anmerkungen
246
feature/article/russell-mills-material-and-metaphor [Abruf: 20.02.2013].
265 266 267
247
com/#/videos.2002.2002_a_w_ambimorphous/ [Abruf: 08.10.2013].
Vgl. Livingstone, Marco: Russell Mills: Material and metaphor
(Winter 1991), Nr. 3, in: Eye Magazine, http://www.eyemagazine.com/ Vgl. Kimmelman, Michael: Robert Rauschenberg, American Ar-
Vgl. ebd. Vgl. ebd. Aufnahme der Show abrufbar unter: http://husseinchalayan.
tist, Dies at 82 (14.05.2008), in: The New York Times (Online), http://
268
www.nytimes.com/2008/05/14/arts/design/14rauschenberg.html?_
Contemporary Textiles in Fashion, hg. von dies., London 2006b,
r=0 [Abruf: 27.02.2012].
S. 84‒87. Hier S. 84. Betrifft Informationen zu den in Ambimorphous
248 249
Vgl. ebd.
verwendeten Stoffen, Verzierungen und zur Verarbeitung.
Vgl. Livingstone 2013 (wie Anm. 246). In den 1980er- und
Vgl. ebd.
269 270 271 272 273 274
Erst durch das Printmedium, in Verbindung mit der Papierquali-
die Textilwarenveredlung mit Ausnahme des Färbens. Dazu zählt die
tät oder auf dem Bildschirm eines Computers materialisieren sich die
mechanische oder chemische Bearbeitung von Geweben, z.B. Glätten,
sonst nur virtuell existierenden Arbeiten. Eine „originale“ Version von
Glanzerhöhen, Rauhen, Verfilzen etc. Vgl. Matthes, Max: Textil-Fach-
digitalen Zeichnungen oder Fotografien gibt es nicht. Es handelt sich
wörterbuch, Berlin 1979, S. 11.
durchweg um Reproduktionen, deren äußere Wirkung immer in Abhän-
275
gigkeit von ihrem tragenden Medium steht.
Handley, Susannah: The Globalization of Fabric (29.02.2008), in: The
253
1990er-Jahren wird Mills für seine Plattencover von den Musikwerken von Brian Eno oder Nine Inch Nails sowie die Assemblagen zu Samuel Becketts oder Milan Kunderas Prosaarbeiten bekannt.
250 251 252
Vgl. ebd.
Vgl. Black, Sandy: Hussein Chalayan, in: Fashioning Fabrics.
Vgl. ebd. Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 134. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Appretur im Textilbereich meint alle Ausrüstungsvorgänge für
Vgl. McDermott (2002) 2003 (wie Anm. 133), S. 55‒59, und
Vgl. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner tech-
New York Times (Online), http://www.nytimes.com/2008/02/29/sty-
nischen Reproduzierbarkeit (franz. Originalausgabe: L’œuvre d’art à
le/29iht-rfabric.4.10578432.html [Abruf: 22.06.2012]. So bezieht u.a.
l’époque de sa reproduction mécanisée, in: Zeitschrift für Sozialfor-
Chanel seit 1920 seine Tweeds von Linton Tweeds aus England, wäh-
schung 5 (1936), S. 40‒68), in: ders.: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner
rend die Textilmühlen von West Yorkshire große Couture-Häuser wie
technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie,
Hermès, Prada oder Tom Ford ausstatten. Louis Vuittons Frauenkollek-
Frankfurt am Main 1963, S. 7‒63. Hier S. 16.
tionen waren den Angaben von 2000 zufolge zu 60 Prozent aus japani-
254 255
Vgl. ebd., insb. S. 12‒16.
schen Textilien gearbeitet.
Vgl. Mason 2000 (wie Anm. 232), S. 71. Mason definiert den
276 277 278
Zeitraum von 1985 bis 1993 als eine Phase, in der sich die Grafik stark mit Medien und Werbung vernetzt.
256 257
Vgl. McDermott (2002) 2003 (wie Anm. 133), S. 151, 157f. Vgl. ebd., und Haye 1997 (wie Anm. 139), S. 194f. So u.a. Zandra Rhodes, Margaret Howell, Patrick Cox. Vgl. Haye
Mason 2000 (wie Anm. 232), S. 71.
1997 (wie Anm. 139), S. 194f.
Vgl. Rasche, Adelheid: Modezeichnungen als Zeitbilder der
der Zwanziger Jahre (Ausstellungskatalog Berlin, Kunstbibliothek –
279 280 281
Staatliche Museen zu Berlin Kulturforum am Potsdamer Platz/Dort-
20th Century (deutsche Originalausgabe: Mode!, München [u.a.] 1999),
mund, Museum für Kunst und Kulturgeschichte, 2009), Berlin 2009,
übersetzt von Jenny Marsh, München [u.a.] 2005, S. 18. Die Faszina-
S. 9‒16. Hier S. 15.
tion für den Orient erwuchs u.a. aus der Entdeckung des Grabes des
258 259
Vgl. Borrelli 2004 (wie Anm. 220), S. 7.
Tutanchamun oder den Übersetzungen der arabischen Geschichten aus
Mink, Dorothea: Mode: Die Sprache vom Ich, in: Fashion, body,
Tausendundeiner Nacht im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Mode, in: Pailletten Posen Puderdosen. Modezeichnungen und Objekte
Vgl. ebd., S. 195. Vgl. Black 2006a (wie Anm. 263), S. 8. Vgl. ebd., S. 8f., und Buxbaum, Gerda (Hg.): Icons of Fashion: the
cult, hg. von Elke Bippus/dies., Stuttgart 2007 (= Hochschule für
282
Künste Bremen; Bd. 3), S. 268‒283. Hier S. 275.
nung Japans in Richtung Westen nach einer Jahrhunderte währenden
260
Isolation im Jahr 1854 begann der Export von Kimonos, der weltweit
Zur Metapher der Kleidung als „zweiter Haut“ seit dem 18. Jahr-
Vgl. Buxbaum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 18. Mit der Öff-
hundert vgl. Bippus, Elke: Vorwort – mode körper kult, in: Fashion,
Kunst und Mode inspirierte.
body, cult, hg. von dies./Dorothea Mink, Stuttgart 2007 (= Hochschule
283 284
für Künste Bremen; Bd. 3), S. 12‒21. Hier S. 13.
261 262 263
Vgl. Loschek 62011 (wie Anm. 227), S. 196. Der vollständige Originaltitel des Romans von Arthur Golden
Vgl. ebd.
lautet Memoirs of a Geisha (New York 1997).
Vgl. ebd.
285 286
Vgl. Black, Sandy: The hidden Art of Fashion, in: Fashioning Fab-
Vgl. Buxbaum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 162. Vgl. Harms, Ingeborg: Nahtstellen. Dior zeigt in Moskau, wie
rics. Contemporary Textiles in Fashion, hg. von dies., London 2006a,
Kunst zu Couture wird, in: Vogue (2011), Nr. 5, S. 228‒233. Hier S. 232.
S. 6‒23. Hier S. 6.
Die Ausstellung lief unter dem Titel Inspiration Dior im Moskauer Pusch-
264
kin-Museum (28. April‒24. Juli 2011). Siehe dazu http://www.arts-
Vgl. ebd.
Anmerkungen
205
museum.ru/events/archive/2011/04/exhibition_Dior/index.php?sea_
2011g, S. 32‒34. Hier. S. 32f. Cartesia ist eine der Abschlussarbeit The
val=dior&lang=en [Abruf: 07.03.2013].
Tangent Flows entlehnte und folgende Kollektion, die Chalayan für den
287 Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 29. 288 Für den folgenden Absatz bezüglich der Inhalte zu Gallianos
Londoner Ausstatter Browns, den Käufer seiner Diplomarbeit, fertigte.
Show vgl. ebd., S. 29ff. Die Verwendung der Abbildung wurde vom
309
Unternehmen Dior untersagt, weshalb sie im Rahmen dieser Untersu-
Decay? A Museumsleben in the work of Dieter Roth (31.01.2012), in:
chung leider nicht gezeigt werden kann. Die Abbildung findet sich aller-
Tate (Online), http://www.tate.org.uk/download/file/fid/7380 [Abruf:
dings im Netz auf etlichen Webseiten, so. z.B. https://epgalindoro-
22.06.2012].
bertsphd.wordpress.com/, oder in Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 30,
310
Abb. 10.
Rot [o.D.d], in: WebEcoist, http://webecoist.momtastic.com/2010/
289
08/23/art-from-decay-12-masters-of-trash-rust-rot/ [Abruf: 17.03.
Vgl. Polhemus, Ted: What to wear in the global village, in: The
Vgl. Skowranek, Heide: Should We Reproduce the Beauty of
Vgl. [Anonym]: Art from Decay: 11 Masters of Trash, Rust and
power of fashion. About design and meaning, hg. von Nanda van den
2013].
Berg/Jan Brand, Arnhem 2006, S. 262‒285. Hier S. 268.
311
290 291 292 293
Vgl. ebd.
Verstörung des Etablierten, in: Future Beauty. 30 Jahre Mode aus
Vgl. ebd., S. 273.
Japan, hg. von Catherine Ince/Rie Nii, München [u.a.] 2011, S. 96.
Vgl. ebd., S. 273f.
312
Vgl. ebd., und Polhemus, Ted: The Postmodern Designer, in: Hus-
Ende des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1993, S. 33.
Vgl. Potter, Cher: Dekonstruktion: Enthüllung des Unsichtbaren,
Vgl. Vinken, Barbara: Mode nach der Mode. Kleid und Geist am
sein Chalayan, hg. von Caroline Evans (Ausstellungskatalog Groningen,
313
Groninger Museum, 2005), Rotterdam 2005, S. 106‒112. Hier S. 108.
Anm. 312), S. 33.
294
314 315
Vgl. Polhemus 2005 (wie Anm. 293), S. 108, und Polhemus
2006 (wie Anm. 289), S. 273f.
295 296 297
Vgl. Potter 2011 (wie Anm. 311), S. 96, und Vinken 1993 (wie Vgl. ebd. Vgl. ebd. Derridas philosophischer Begriff der Dekonstruktion
Vgl. Polhemus 2006 (wie Anm. 289), S. 273.
begreift die Auflösung von Strukturen einer überkommenen Kultur in
Buxbaum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 163.
Bezug auf die Sprache und deren Strukturen als Schlüsselelemente.
Vgl. Menkes, Suzy: Celebrating the Cerebral, in: Hussein
ninger Museum, 2005), Rotterdam 2005, S. 154‒157. Hier S. 154.
316 317 318
298
Vgl. Steele, Valerie: Monuments for certain ideas. Valerie Steele
ebd., und Evans, Caroline: The Golden Dustman: A Critical Evaluation
talks to Hussein Chalayan, in: The ideal woman, hg. von José Teunissen
of the Work of Martin Margiela and a Review of Martin Margiela: Exhibi-
[u.a.], Amsterdam 2004, S. 81‒86. Hier S. 84.
tion (9/4/1615), in: The Twentieth Century to Today, hg. von Peter Mc-
299
Neil, Oxford [u.a.] 2009 (= Fashion: Critical and Primary Sources; Bd. 4),
Chalayan, hg. von Caroline Evans (Ausstellungskatalog Groningen, Gro-
Vgl. Simmel, Georg: Exkurs über den Fremden (Originalausgabe
Vgl. Buxbaum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 146. Vgl. Potter 2011 (wie Anm. 311), S. 96. Es handelt sich um die Ausstellung mit dem Titel 9/4/1615. Vgl.
erschienen in: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Verge-
S. 201‒210. Hier S. 202.
sellschaftung, Leipzig 1908), in: Individualismus der modernen Zeit und
319
andere soziologische Abhandlungen, hg. von Otthein Rammstedt,
schon wieder eine andere, neue, wenn er nach ihr sich umsieht, um sie
Frankfurt am Main 2008 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft;
zu schlagen.“ Benjamin, Walter: Das Passagen-Werk, hg. von Rolf Tie-
Bd. 1873), S. 267‒272. Hier S. 267.
demann, 2 Bde., Frankfurt am Main 1983a, Bd. 1, S. 111.
300 301 302
Vgl. Steele 2004 (wie Anm. 298), S. 83.
320 321
Vgl. Esposito, Elena: Die Verbindlichkeit des Vorübergehenden:
mals auf „the life of clothing” und deren Lebensverlängerung durch den
Vgl. ebd.
Paradoxien der Mode (ital. Originalausgabe: I paradossi della moda.
206
Siehe Kap. 2.1.
„Darum wechselt sie so geschwinde; kitzelt den Tod und ist
Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 203. Vgl. Stoykov 2008 (wie Anm. 102). Stoykov bezieht sich mehr-
Prozess des Ein- und Ausgrabens.
Originalità e transitorietà nella società moderna, Bologna 2004), über-
322
setzt von Alessandra Corti, Frankfurt am Main 2004. Hier insb. S. 9,
keit: „[…] to die quickly, to be transitional, to burns [sic] like after bright
13f., 77ff.
fire.“ Ebd.
303 304
323 324
Vgl. Bippus 2007 (wie Anm. 260), S. 13. Vgl. Golbin, Pamela: Nothing, Interscope, in: Hussein Chalayan,
Stoykov zitiert Chalayans Beschreibung modischer Vergänglich-
Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 230. Nach Chalayans und Margielas ersten Experimenten mit Verwe-
hg. von Robert Violette, New York [u.a.] 2011e, S. 198.
sung, Rost und Bakterien nimmt die Zahl der ebenfalls nach den Prinzi-
305 306
Vgl. Violette 2011 (wie Anm. 72), S. 201.
pien der Mikrobiologie arbeitenden Designer stetig zu. Zu den heute
Golbin, Pamela: Panoramic, in: Hussein Chalayan, hg. von Ro-
besonders erfolgreichen gehören u.a. seit 2009 Donna Franklin & Gary
bert Violette, New York [u.a.] 2011f, S. 200.
Cass mit ihrem Micro ‚be‘ Project. Bei der Fermentierung von Wein in
307 308
Vgl. Kap. 2.1.
Essig durch lebende Mikroben produzieren diese ein mikrobiologisches
Vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), S. 28, und Golbin, Pamela:
zellulöses Nebenprodukt, das chemisch der Baumwolle ähnelt und zu
Cartesia, in: Hussein Chalayan, hg. von Robert Violette, New York [u.a.]
Kleidern verarbeitet wird. Vgl. Seymour, Sabine: Functional Aesthetics.
Anmerkungen
bakterieller Zellulose arbeitet Suzanne Lee; ihr Zelluloseprodukt ent-
348 349
steht in einer Tee-Zucker-Lösung und ist in getrocknetem Zustand
Century. 100 Years of Art & Fashion, hg. von Fiona Bradley/ders. (Aus-
mehrlagig. Vgl. Quinn, Bradley: Design Futures, London 2011, S. 120f.
stellungskatalog London, Hayward Gallery/Wolfsburg, Kunstmuseum
325 326
Vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), S. 46
Wolfsburg, 1998/99), London 1998, S. 6‒19. Hier S. 15.
Vgl. ebd., und Hilpold, Stephan/Reicher, Isabella: Die Bilderstür-
merin (15.10.2009), in: derStandard.at, http://derstandard.
350 351
at/1577836940358/Die-Bilderstuermerin [Abruf: 17.03.2013].
Quinn 2002a (wie Anm. 77), S. 8. Der Ursprung von Einweg-Papierklei-
327 Vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), S. 46. 328 Der Film war zu sehen im Rahmen der Ausstellung Hussein
dern liegt in der Mode der 1960er-Jahre. Die Scott Paper Company in
Chalayan, récits de mode im Museum Les Arts Decoratifs, Paris
Op-Art- und Paisleymustern. Es folgten Betsey Johnson für Parapher-
(05. Juli‒11. Dezember 2011).
nalia, Waste Paper Boutique, Sylvia Ayton und Zhandra Rhodes.
329
zepte, in: Die Kultur der 90er Jahre, hg. von Werner Faulstich, München
352 353
2010, S. 309‒334. Hier S. 309.
Köln 1998), überarb. und aktualisierte Neuaufl. Köln 2008, S. 179.
330 331
Vgl. ebd.
354
Vgl. Williams, Gilda: Pause … Zurückspulen … Start. Die briti-
Robert Violette, New York [u.a.] 2011j, S. 90, und dies.: Before Minus
sche Kunst der neunziger Jahre, in: Art from the UK, hg. von Ingvild
Now, in: Hussein Chalayan, hg. von Robert Violette, New York [u.a.]
Goetz/Christiane Meyer-Stoll (Ausstellungskatalog München, Samm-
2011k, S. 94.
lung Goetz, 1997/98), München 1997, S. 7‒15.
355
332 333 334 335
Vgl. ebd.
(2004), Nr. 2, S. 35‒37. Hier S. 37. Hilty spricht in Berufung auf
Vgl. ebd., S. 11.
Chalayan vom Gegensatzpaar „graphic“ versus „organic“.
Vgl. ebd., S. 13.
356
Vgl. Wagner, Monika: Das Material der Kunst. Eine andere Ge-
technology, in: Fashion theory 6 (2002b), Nr. 4, S. 359‒368. Hier
Visions in Fashionable Technology, Wien 2010, S. 88f. Ebenfalls mit
Vgl. Baar, Fabian: Was heißt hier Kunst? Alte und neue Kon-
Vgl. Stevenson (2010) 2011 (wie Anm. 241), S. 184f. Vgl. Wollen, Peter: Addressing the Century, in: Addressing the
Vgl. Quinn 2002a (wie Anm. 77), S. 7. Vgl. Stevenson (2010) 2011 (wie Anm. 241), S. 184f., 189, und
den USA produzierte erstmals 1966 Wegwerfkleider aus Papier mit
Vgl. Loschek 62011 (wie Anm. 227), S. 89. Vgl. ebd., und Lehnert, Gertrud: Mode: Ein Schnellkurs (1. Aufl. Vgl. Golbin, Pamela: Echoform, in: Hussein Chalayan, hg. von
Vgl. Hilty, Greg: Place and Passage, in: Modern Painters 17
Vgl. Quinn, Bradley: A Note: Hussein Chalayan, Fashion and
schichte der Moderne, München 2001, S. 229.
S. 362f.
336
357
Ebd. Ferner betont Wagner in diesem Zusammenhang die Prob-
Vgl. Topen, Paul Swan: Homepage – Vorstellung bisheriger Ko-
lematik einer auf Blut begründeten Rassenlehre.
operationen mit Hussein Chalayan [o.D.], in: http://www.paulswan-
337
topen.com/design/fashion.html [Abruf: 03.04.2013].
Auch weitere Designer der 1990er-Jahre arbeiten an der
Grenze zwischen Kunst und Humangenetik, so auch Helen Storey, de-
358
ren Kleidung der Kollektion Primitive Streak (1997) von embryonalen
tierung von Weichem und Hartem die Basis für eine neue Modeästhe-
Entwicklungsstufen wie Fertilisation oder Herz-Kreislaufsystementste-
tik, wie sie Chalayan definiert.
hung inspiriert ist. Vgl. Alfano Miglietti, Francesca: Fashion Statements. Interviews with Fashion Designers, Mailand 2006, S. 132f.
359 360
338
Rodtschenko, Alexander: Losungen (1921), in: Entfesselt. Die
Hussein Chalayan within the ephemeral world of fashion (August
russische Bühne 1900‒1930. Aus der Sammlung des Staatlichen zent-
2009), in: inter-disciplinary.net, http://www.inter-disciplinary.net/
ralen A.-A.-Bachruschin-Theatermuseums, Moskau, hg. von Oswald
wp-content/uploads/2009/08/kipozpaper.pdf, S. 1‒8 [Abruf:
Georg Bauer (Ausstellungskatalog München, Bayerische Akademie der
23.02.2012]. Hier S. 6.
Vgl. Irvine 2001 (wie Anm. 138). Irvine erkennt in der Kontras-
Vgl. Buxbaum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 146. Vgl. Güner, Deniz/Kipöz, Şölen: Conceptual resistance of
Schönen Künste, 1994), München 1994, S. 146.
361
339 340 341 342 343
Vgl. Stevenson (2010) 2011 (wie Anm. 241), S. 125.
phrenie. Tausend Plateaus (franz. Originalausgabe: Mille plateaux, Paris
Vgl. Bippus 2007 (wie Anm. 260), S. 13.
1980), übersetzt von Gabriele Ricke/Ronald Vouillié, Berlin 1992,
Vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), S. 46.
S. 14ff.
Vgl. ebd.
362 363
Vgl. Golbin, Pamela: Ventriloquy, in: Hussein Chalayan, hg. von
Vgl. Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Kapitalismus und Schizo-
Vgl. ebd., S. 16, 39. Vgl. ebd., S. 16. Es sei an das in Kap. 1.1 erwähnte Konzept der
Robert Violette, New York [u.a.] 2011h, S. 72.
Transkulturalität Junejas und Falsers erinnert, die einen Austausch von
344
Baudelaire, Charles: Sämtliche Werke und Briefe, hg. von Fried-
Kulturen als menschliche Grundbedingung verstehen. Demnach wäre
helm Kemp/Claude Pichois, 8 Bde., München/Wien 1989, Bd. 5: Auf-
es falsch, „rhizomatische“ gesellschaftliche Bezüge als rein postmoder-
sätze zur Literatur und Kunst 1857‒1860, S. 214.
nes Phänomen einzustufen.
345 346 347
Vgl. ebd.
364 Vgl. Mink 2007 (wie Anm. 259), S. 269. 365 Zur Mode als Metapher von Sozialtheorie im Allgemeinen vgl.
Vgl. Golbin, Pamela: One Hundred and Eleven, in: Hussein
Kaiser, Susan B./Ketchum, Karyl/Kuhn, Anna: Mode: Poetische Dialek-
Vgl. Golbin 2011g (wie Anm. 308), S. 32.
Chalayan, hg. von Robert Violette, New York [u.a.] 2011i, S. 132.
tik?, in: Kulturanthropologie des Textilen, hg. von Gabriele Mentges
Anmerkungen
207
unter Mitarbeit von Nina Schack/Heike Jenß, Ebersbach 2005,
nach: Wilcox, Claire: „I try not to Fear Radical Things“, in: Radical Fas-
S. 265‒286. Hier insb. S. 265.
hion, hg. von dies. (Ausstellungskatalog London, Victoria and Albert
366 367
Vgl. Rodtschenko (1921) 1994 (wie Anm. 338), S. 146.
Museum, 2001), London 2001b, S. 1‒7. Hier S. 1.
Vgl. Grundmeier, Anne-Marie: Textil- und Modeindustrie in
388 389 390 391 392
Deutschland. Produkt- und Prozessgestaltung zwischen High Tech und Nachhaltigkeit, in: Kulturanthropologie des Textilen, hg. von Gabriele Mentges unter Mitarbeit von Nina Schack/Heike Jenß, Ebersbach 2005, S. 225‒248. Hier S. 244.
368 369
Vgl. Zey 2003‒2013 (wie Anm. 380). Vgl. Koda 52011 (wie Anm. 372), S. 84. Vgl. ebd., S. 76. Das Drahtbustier entstand 1983. Vgl. ebd. Neben Miyake arbeiteten zahlreiche weitere Designer
Vgl. Quinn 2002a (wie Anm. 77), S. 28f.
mit „harten“ Stoffen, um daraus Bustiers und Korsette zu fertigen. Ab-
Vgl. Hodge, Brooke: Skin + Bones: Parallel Practices in Fashion
gesehen von den klassischen, mit Fischbein verstärkten Korsetten des
and Architecture (Ausstellungskatalog Los Angeles, Museum of Contem-
18. und 19. Jahrhunderts, siehe etwa die Entwürfe an der Wende zum
porary Art/Tokio, National Art Center, 2006/07), London 2006, S. 12.
21. Jahrhundert, so z.B. McQueens Cossak-Ensemble mit Silberdrähten
370 371 372
Vgl. ebd., S. 11.
von Shaun Leane aus dem Jahr 1999, das korsageähnliche Corset Top
Rodtschenko (1921) 1994 (wie Anm. 338), S. 146.
von Olivier Theyskens oder Antonio Berardis Metallbustier, beide von
Vgl. Koda, Harold: Extreme Beauty: The Body Transformed
2000. Vgl. Koda 52011 (wie Anm. 372), S. 76, und Evans 32009 (wie
(Ausstellungskatalog New York, The Metropolitan Museum of Art,
Anm. 64), S. 22f., 68.
2001/02) (1. Aufl. New York 2001), 5. Aufl. New York 2011, S. 88f., und
393 394 395
McDermott (2002) 2003 (wie Anm. 133), S. 181f.
373
Vgl. Steele, Valerie: Abstraktion und die Avantgarde, in: Fashion,
Vgl. Mink 2007 (wie Anm. 259), S. 3. Vgl. Gan 1999 (wie Anm. 164), [o.S.]. Vgl. Mink 2007 (wie Anm. 259), S. 273, und Schacknat, Karin:
body, cult, hg. von Elke Bippus/Dorothea Mink, Stuttgart 2007
Brilliant utopias and other realities, in: Fashion and Imagination. About
(= Hochschule für Künste Bremen; Bd. 3), S. 24‒29, S. 25.
Clothes and Art, hg. von Jan Brand/José Teunissen, Arnhem 2009,
374 375 376
Vgl. Golbin 2011k (wie Anm. 354), S. 94.
S. 314‒329. Hier S. 318.
Vgl. ebd.
396
Vgl. Golbin, Pamela: Genometrics, in: Hussein Chalayan, hg. von
people in paintings, in: Defining dress. Dress as object, meaning and
Vgl. etwa Ash, Juliet: The aesthetics of absence: clothes without
Robert Violette, New York [u.a.] 2011l, S. 248.
identity, hg. von Amy de la Haye/Elisabeth Wilson, Manchester/New
377 378 379
Vgl. ebd.
York 1999, S. 128‒142.
Vgl. ebd.
397 398
Vgl. Quinn, Bradley: An Architect of Ideas, in: Hussein Chalayan,
Vgl. Quinn 2002a (wie Anm. 77), S. 48. Mentges, Gabriele: Für eine Kulturanthropologie des Textilen.
hg. von Caroline Evans (Ausstellungskatalog Groningen, Groninger
Einige Überlegungen, in: Kulturanthropologie des Textilen, hg. von dies.
Museum, 2005), Rotterdam 2005, S. 46‒51. Hier S. 48. Die Aussagen
unter Mitarbeit von Nina Schack/Heike Jenß, Ebersbach 2005,
gehen auf das am 28.01.2003 geführte Gespräch des Autors mit Patrik
S. 11‒54. Hier S. 25.
Schumacher, dem Pressesprecher von Zaha Hadid, zurück.
399 400
380
Vgl. Zey, René: Dekonstruktivismus (2003‒2013), in: Designle-
Vgl. ebd., S. 22. Vgl. Güner/Kipöz 2009 (wie Anm. 360), S. 6. Die Autoren erken-
xikon International, http://www.designlexikon.net/Fachbegriffe/D/de-
nen in Chalayans Arbeit eine „interconnection“ der sich gegenüberste-
konstruktivism.html [Abruf: 07.04.2013]. Der Begriff ist als internatio-
henden, oppositionellen Fakten.
nale Stilbezeichnung seit 1988 bekannt, nachdem der amerikanische Architecture zeigte.
401 402 403
381
für vier Jahre. Vgl. Mower 2011 (wie Anm. 115), S. 41, und Frankel
Architekt Philip Johnson in New York die Ausstellung Deconstructivist
208
Vgl. Topen [o.D.] (wie Anm. 357).
Vgl. Quinn 2005 (wie Anm. 379), S. 48. Ebenso Aussagen Patrik
Vgl. Golbin 2011d (wie Anm. 236), S. 61. Vgl. Kap. 2.2.1. Das Internat besuchte Chalayan ab seinem zwölften Lebensjahr
Schumachers.
2011 (wie Anm. 107), S. 20.
382 383 384 385
Vgl. Hodge 2006 (wie Anm. 369), S. 11.
404
Vgl. ebd.
much more brutal here to be a child. […] It was really humiliating.“ Fran-
Vgl. ebd., insb. S. 11.
kel, Susannah: Visionaries: Interviews with Fashion Designers (1. Aufl.
Vgl. Golbin, Pamela: Along False Equator, in: Hussein Chalayan,
London 2001), 2. Aufl. London 2005, S. 68.
„Children can be very cruel, more so here than in Cyprus. It’s
hg. von Robert Violette, New York [u.a.] 2011m, S. 55, und Topen [o.D.]
405
(wie Anm. 357).
Exile and other essays (1. Aufl. Cambridge [Mass.] 2000), 2. Aufl. Cam-
386 387
bridge (Mass.) 2001b, S. 554‒568. Hier insb. S. 557f., 567.
Vgl. Black 2006b (wie Anm. 268), S. 84. Vgl. Spector, Nancy: Freudian „Slips“: Dressing the Ambigous
406
Vgl. Said, Edward W.: Between Worlds, in: ders: Reflections on
„But although taught to believe and think like an English school-
Body, in: Art/fashion, hg. von Germano Celant (Ausstellungskatalog
boy, I was also trained to understand that I was an alien, a Non-Euro-
New York, Guggenheim Museum Soho, 1997 [enthält Sektion Art/fas-
pean Other, educated by my betters to know my station and not to as-
hion der Biennale von Florenz 1996/97]), Mailand 1997, [o.S.]. Zitiert
pire being British.“ Ebd., S. 558.
Anmerkungen
407
Vgl. Rushdie, Salman: Heimatländer der Phantasie: Essays und
Zur Kulturgeschichte des geschlitzten Kleides, in: Die Kunst der Mode,
Kritiken 1981‒1991 (engl. Originalausgabe: Imaginary Homelands: Es-
hg. von Gertrud Lehnert, Oldenburg 2006 (= Mode und Ästhetik;
says and Criticism 1981‒1991, London 1992), München 1992, S. 457.
Bd. 4), S. 26‒51. Hier S. 28‒33.
Im Kapitel „In gutem Glauben“ gibt Rushdie ein nachträgliches State-
425
ment zu seinem berühmten Werk Die Satanischen Verse ab, in dem er
satz über Chalayans zwischen Disziplinen angesiedeltes und von kultu-
seine darin postulierte Leitidee der Vermischung der Gesellschaft ver-
reller Vielfalt berichtendes Schaffen treffend mit „no man’s land“.
teidigt.
Vgl. Wagstaff, Peter: Introduction: Mapping Identities, in: Border Cros-
426 427 428 429 430 431 432
sings. Mapping Identities in Modern Europe, hg. von ders., Bern 2004
zwischen Chalayan und Whiteread im Umgang mit Lücken und Zwi-
(= European Connections; Bd. 16), S. 23‒53.
schenräumen.
411
433
408 409 410
Vgl. ebd., S. 32. Vgl. ebd. Wagstaff versteht unter dem Begriff „Mapping Identities“ Fra-
gezeichen-Identitäten im Zeitalter post-ideologischer, von zentralistischem Denken befreiter Zugehörigkeiten des postmodernen Europas.
Leao, Maria Lília: Vilém Flusser und die Freiheit des Denkens, in:
Vgl. Evans 2005b (wie Anm. 60), Titel. Evans betitelt ihren Auf-
Vgl. Rushdie 1992 (wie Anm. 407), S. 26, 29. Vgl. Said 22001b (wie Anm. 405), S. 567. Vgl. Rushdie 1992 (wie Anm. 407), S. 29. Vgl. Solloch 2003 (wie Anm. 412), S. 309. Vgl. Bhabha (1994) 2000 (wie Anm. 93), insb. S. 1‒5. McLuhan (1964) 1968 (wie Anm. 195), S. 66. Vgl. Irvine 2001 (wie Anm. 138). Irvine zieht einen Vergleich
Vgl. Graham-Dixon, Andrew: This is the house that Rachel built
Vilém Flusser: Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den
(02.11.1993), in: The Independent (Online), http://www.independent.
Nationalismus (Originalausgabe: Düsseldorf 1994), Hamburg 2013,
co.uk/arts-entertainment/art/this-is-the-house-that-rachel-built-rachel-
S. 7‒10. Hier S. 10.
whitereads-house-is-one-of-the-most-extraordinary-public-sculptures-
412
to-have-been-created-by-any-english-artist-working-this-century-says-
Solloch spricht im Zusammenhang mit der Grenze zwischen den
USA und Mexiko von einer offenen Wunde. Vgl. Solloch, Conrad: Die
andrew-grahamdixon-here-he-examines-the-work-pictured-by-nicho
Grenze als Schauplatz, in: Theater als Paradigma der Moderne? Positio-
las-turpin-and-below-whiteread-and-three-other-artists-nominated-
nen zwischen historischer Avantgarde und Medienzeitalter, hg. von
for-the-turner-prize-describe-their-work-1501616.html [Abruf:
Christopher Balme/Erika Fischer-Lichte/Stephan Grätzel, Tübingen/
06.03.2010].
Basel 2003 (= Mainzer Forschungen zu Drama und Theater; Bd. 28),
434 435 436 437
S. 301‒310. Hier S. 309.
413
Vgl. Golbin, Pamela: Manifest Destiny, in: Hussein Chalayan, hg.
von Robert Violette, New York [u.a.] 2011n, S. 175.
414 415 416 417
Vgl. ebd.
Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Hilty 2004 (wie Anm. 355), S. 36. Vgl. Irvine 2001 (wie Anm. 138), und Teunissen 2003b (wie
Anm. 50), S. 68.
Vgl. Evans 2005b (wie Anm. 60), S. 10.
438
Vgl. Leao (1994) 2013 (wie Anm. 411), S. 10.
tiert nach: Lütgens, Annelie: Zwischen Haut und Kleid, in: Art & Fas-
Vgl. Simmel (1903) 1983 (wie Anm. 114), S. 227. Siehe Kap.
hion. Zwischen Haut und Kleid, hg. von Markus Brüderlin/dies. (Aus-
Vgl. Stephan, Verena: Häutungen, München 1975, [passim]. Zi-
2.2.1, und McLuhan (1964) 1968 (wie Anm. 195), S. 81.
stellungskatalog Wolfsburg, Kunstmuseum Wolfsburg, 2011), Bielefeld
418 419
Vgl. Hodge 2006 (wie Anm. 369), S. 132.
[u.a.] 2011, S. 93‒102. Hier S. 100. Tragbare doppelseitige Kollektio-
Vgl. Quinn, Bradley: The fashion of architecture, in: Fashion and
nen entwirft u.a. die Designerin Saskia van Drimmelen. Vgl. Gan 1999
Imagination. About Clothes and Art, hg. von Jan Brand/José Teunissen,
(wie Anm. 164), [o.S.].
Arnhem 2009, S. 260‒274. Hier S. 271. Zeit Online, http://www.zeit.de/2000/21/200021.hausschau_.xml
439 440 441
[Abruf: 11.04.2013].
einem Protest gegen die Unterdrückung der muslimischen Frau
421
verkürzt, was Chalayan vehement ablehnte. Vgl. dazu Schilling, Oliver
420
Vgl. Rauterberg, Hanno: Heim und Gehege (18.05.2000), in:
Vgl. ebd., und Thomas 2000 (wie Anm. 201), S. 265. Beitrag
Vgl. Lütgens 2011 (wie Anm. 438), S. 100. Vgl. Teunissen 2003b (wie Anm. 50), S. 65. Vgl. ebd., S. 65. Die Idee wurde von manchen Rezensenten zu
über Gordon Matta-Clark.
C.: Das Auge denkt mit (27.03.2005), in: Welt Online, http://www.welt.
422
de/print-wams/article125748/Das_Auge_denkt_mit.html [Abruf:
Vgl. Rauterberg 2000 (wie Anm. 420), und Thomas 2000 (wie
Anm. 201), S. 99. Beitrag über Dekonstruktivismus.
21.01.10].
423 Leao (1994) 2013 (wie Anm. 411), S. 8. 424 Krass spricht im Zusammenhang mit Schlitzen in der Kleidung
442
über eine Semiotik der Erotik. Dass Öffnungen in Kleidung allerdings
thetik; Bd. 4), S. 10‒25. S. 15f.
Vgl. Lehnert, Gertrud: Die Kunst der Mode – Zur Einführung, in:
Die Kunst der Mode, hg. von dies., Oldenburg 2006a (= Mode und Äs-
nicht immer in sexuellem Kontext zu betrachten sind, beweist u.a. die
443 Quinn geht grundsätzlich von Verschleierung als architektoni-
dekonstruktivistische „Lumpen-Mode“ Kawakubos mit durchlöcherten
schem Instrument aus. Vgl. Quinn 2005 (wie Anm. 379), S. 50f.
Pullovern als Absage an konventionelle Schönheitsideale einer Frauen
444
sexualisierenden Mode. Vgl. Krass, Andreas: Das Geschlecht der Mode.
bert Violette, New York [u.a.] 2011o, S. 224.
Vgl. Golbin, Pamela: Sakoku, in: Hussein Chalayan, hg. von Ro-
Anmerkungen
209
445
210
House, Shigeru Ban (1999), in: http://www.moma.org/interactives/
465 466
exhibitions/1999/un-privatehouse/Project_04.html [Abruf: 17.04.2013].
system of order concerned with the relation between shapes. It is also
446 447
Vgl. ebd.
an ideal. It refers to a perfection of form that does not actually exist
Vgl. English, Bonnie: Japanese Fashion Designers. The Work and
within the natural world.“ Rifkin, Ned: Agnes Martin – The Music of the
Influence of Issey Miyake, Yohji Yamamoto and Rei Kawakubo, Oxford/
Spheres, in: Agnes Martin. The Nineties and Beyond, hg. von Polly
New York 2011, S. 17f.
Koch/ders. (Ausstellungskatalog Houston, The Menil Collection, 2002),
448 Vgl. ebd., S. 18, 129‒165. 449 Siehe etwa die klassisch-moderne, technisch anspruchsvolle
Ostfildern-Ruit 2002, S. 25‒29. Hier S. 25.
Mode Armanis oder Donna Karans der 1990er-Jahre. Vgl. Walker, Har-
Future Beauty. 30 Jahre Mode aus Japan, hg. von Catherine Ince/Rie
riet: Less is more. Minimalismus in der Mode (engl. Originalausgabe:
Nii, München [u.a.] 2011, S. 13‒25. Hier S. 21.
Less is more. Minimalism in Fashion, London/New York 2011), übersetzt von Sabine Schwenk, München 2012, S. 101.
468 469
450 Grunge, ursprünglich eine Bezeichnung für die Underg-
Aufgabe klassisch-rationaler Bauhaus-Prinzipien zugunsten einer per-
round-Rockmusik aus Seattle/USA, steht in seiner umgangssprachli-
sönlicheren, mit der Kunst vernetzten Formensprache. Dabei setzt sie
chen Bedeutung für „Abfall“ und „Dreck“ für eine seit 1992 bewusst
in ihrer Opposition zum Bauhaus bewusst auf Ornamente, was als Be-
verwahrlost aussehende Mode der Jugend mit einer Romantik des He-
fürwortung von Opulenz und Überladung verstanden werden könnte.
runtergekommenen, Ausgefransten, Eingelaufenen, Verfilzten. Vgl. Lo-
Allerdings bleibt auch hier wie im Design generell eine saubere, „mini-
schek 62011 (wie Anm. 227), S. 226. Über Demeulemeester siehe Bux-
malistische“ Formensprache die ästhetische Arbeitsbasis. So bedeutet
baum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 148.
Minimalismus in der Mode der Postmoderne nicht zwangsläufig eine
451
Vgl. Hennessy, Kathryn (Hg.): Fashion. The ultimate book of
gänzliche Ablehnung der Bauhaus-Ästhetik, sondern vielmehr ein for-
costume and style, London 2012, S. 410, und Walker (2011) 2012 (wie
males Konglomerat aus klassisch-architektonischen Prinzipien und
Anm. 449), S. 101, hier in Bezug auf die generelle Spaltung der Mode in
persönlichen Ideen – ohne disziplinäre Einschränkungen. Demnach
Avantgarde und bürgerliche Mode.
steht Chalayans Absage an Ornamente für eine Gedankenpluralität in
452 453
Vgl. Buxbaum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 152.
sauberer, von überflüssigen Referenzen befreiter Designsprache. Für
Vgl. Mahall, Monika: Modische Moderne (2/3). Teil 2: Laufsteg
einen Einblick in das Design des 21. Jahrhunderts vgl. Fairs, Marcus:
der Architektur: Adolf Loos und das „Andere“ (10.07.2011), in: dradio.
21st Century Design: New Design Icons from Mass Market to Avant-
de, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/1500437/
Garde, London 2011, [passim].
[Abruf: 16.12.2012]. Mahall stützt sich auf Loos’ Artikel Ornament und
470
Verbrechen von 1908, in dem er eine moderne, ornamentlose Architek-
angesprochen auf seine Mode als eine Form der Kunst: „Why, clothes
tur in Verbindung mit einem „höheren“ kulturellen Entwicklungsstand
are more important than art.“
Vgl. Museum of Modern Art (MoMA): Homepage – Curtain Wall
467
Vgl. Buxbaum (1999) 2005 (wie Anm. 281), S. 152. Rifkin behauptet über Geometrie: „Geometry is an abstract
Vgl. Fukai, Akiko: Future Beauty. 30 Jahre Mode aus Japan, in:
Vgl. English 2011 (wie Anm. 447), S. 17. Im 21. Jahrhundert zeigt sich in der Architektur ein Trend zur
Vgl. English 2011 (wie Anm. 447), S. 6. So antwortet Miyake
brachte.
471
454 455 456 457 458 459 460
Vgl. Thomas 2000 (wie Anm. 201), S. 274. Beitrag über Minimal Art.
nen der Mode etwa zwischen Individualität und Gruppenzwang, Natür-
Vgl. ebd.
lichkeit und Künstlichkeit, ästhetischer Innovationskraft und prakti-
Vgl. ebd., S. 275, 220f.
schem Nutzen siehe Kap. 2.3.
Vgl. ebd., S. 220f.
472
Vgl. English 2007 (wie Anm. 173), S. 76.
mit künstlerischen Praktiken unter dem Aspekt der Demokratisierung
Vgl. Lehnert 1998a (wie Anm. 163), S. 13. Über die Oszillatio-
Vgl. Kap. 2.3 zur Entwicklung der Mode in ihrem Austausch
Vgl. ebd., S. 77.
des Faches seit dem frühen 20. Jahrhundert. Siehe auch Teunissen,
Vgl. Babias, Marius: Kunst in der Arena der Politik. Subjektpro-
José: Mode und Kunst. Ein Überblick über die Geschichte ihrer An
duktion, Kunstpraxis, Transkulturalität, Köln 2008, S. 118. Babias
näherung, in: Art & Fashion. Zwischen Haut und Kleid, hg. von Markus
spricht ausschließlich von Künstlern in ihrem „neuen Rollenmodell“ als
Brüderlin/Annelie Lütgens (Ausstellungskatalog Wolfsburg, Kunst-
Kulturproduzenten seit der Globalisierung.
museum Wolfsburg, 2011), Bielefeld [u.a.] 2011, S. 105‒113. Hier
461 462
Vgl. ebd.
S. 105.
Vgl. den in Kap. 2.2.2 beschriebenen Einfluss gesellschaftlicher
473
Vgl. Mouffe, Chantal: Inklusion/Exklusion: Das Paradox der
und wirtschaftlicher Krisen infolge von Globalisierung auf die mit Ge-
Demokratie, in: Inklusion: Exklusion. Probleme des Postkolonialismus
danken um das Soziale arbeitenden Kunst, Musik und Design der spä-
und der globalen Migration, hg. von Peter Weibel/Slavoj Žižek, Wien
ten 1980er-Jahre.
1997, S. 75‒90. Hier S. 90.
463 464
Vgl. Williams 1997 (wie Anm. 331), S. 13.
474
Vgl. Böhme, Gernot: Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik,
garden – Dada-Dandy und Punk (03.07.2011), in: dradio.de, http://
Frankfurt am Main 1995, [o.S.]. Zitiert nach: Lehnert 2006a (wie
www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/1495310/ [Abruf:
Anm. 442), S. 15f.
29.02.2012].
Anmerkungen
Serbest, Asli: Modische Moderne (1/3). Teil 1: Aufriss der Avant-
475
Vgl. Lehnert, Gertrud: Mode als Raum, Mode im Raum. Zur Ein-
504
Den Begriff der Kultur als in sich abgeschlossenen Container
führung, in: Räume der Mode, hg. von dies., München 2012b, S. 7‒25.
prägte Albert Einstein. Für einen tiefergehenden Einblick in absolutisti-
Hier S. 7f.
sche und relativistische Raumvorstellungen vgl. Löw, Martina: Raumso-
476 477
Vgl. ebd., S. 16ff.
ziologie, Frankfurt am Main 2001, S. 24‒35. Zum Container-Begriff vgl.
Vgl. u.a. Löw, Martina: Raumsoziologie, Frankfurt am Main
S. 24.
2001. Zitiert nach: Lehnert 2012b (wie Anm. 475), S. 16ff.
478 479
Vgl. Mentges 2005 (wie Anm. 398), S. 29. Pries, Ludger: Die Transnationalisierung der sozialen Welt. Sozi-
505 506 507
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 166. Vgl. Golbin 2011j (wie Anm. 354), S. 90. Vgl. McLuhan, Marshall/Powers, Bruce R.: The global village: der
alräume jenseits von Nationalgesellschaften, Frankfurt am Main 2008
Weg der Mediengesellschaft in das 21. Jahrhundert (engl. Originalaus-
(= edition suhrkamp; Bd. 2521), S. 81. Pries begreift jene durch die zu-
gabe: The global village – Transformations in World Life and Media in
nehmenden internationalen Migrationsströme entstandenen Räume
the 21st Century, Oxford 1989), übersetzt von Claus Peter Leonhardt,
als „transnationale soziale Räume“. Vgl. dazu auch ders.: Transnationale
Leipzig 1995, S. 54.
Soziale Räume. Theoretisch-empirische Skizze am Beispiel der Arbeitswanderungen Mexiko – USA, in: Perspektiven der Weltgesellschaft, hg.
508 509
von Ulrich Beck, Frankfurt am Main 1998, S. 55‒86. Hier S. 58.
die eine „natürliche“ Bindung des Menschen an einen Ort rechtfertig-
480 481 482 483 484
Vgl. Pries 2008 (wie Anm. 479), S. 77.
ten. Vgl. Lenz 2010 (wie Anm. 109), S. 36.
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 161‒178. Hier S. 161.
510
Vgl. Pries 2008 (wie Anm. 479), S. 79.
Tim: On the Move. Mobility in the Modern Western World, New York/
Vgl. ebd., S. 78.
London 2006, S. 32.
Vgl. Geertz, Clifford: Afterword, in: Senses of Place, hg. von
511 512 513
Steven Feld/Keith Basso (1. Aufl. Santa Fe 1996), 5. Aufl. Santa Fe 2005, S. 259‒262. Hier S. 262.
485 486
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 164f. Lenz spricht von Metaphern der Sesshaftigkeit aus der Botanik,
Vgl. ebd., S. 37. Über Mobilität als Dysfunktion siehe Cresswell,
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 165. Vgl. ebd. Bauman, Zygmunt: Flüchtige Moderne (engl. Originalausgabe:
Vgl. ebd., S. 259, 261, und Berking 1998 (wie Anm. 82), S. 390.
Liquid Modernity, Cambridge [u.a.] 2000), übersetzt von Reinhard
Für den folgenden Absatz vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103),
Kreissl, Frankfurt am Main 2003, S. 21.
S. 161f.
514
487
Für den folgenden Absatz vgl. Giedion, Siegfried: Die Herrschaft
Launen und des Zufalls, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie
der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte (engl. Origi-
und Kunstgeschichte 45 (1988), S. 9‒12. Hier S. 9f. Erni bezieht sich
nalausgabe: Mechanization Takes Command, Oxford 1948), [Übers.
auf den Begriff der Gestaltung, wie sie in der Zeit nach 1922 durch die
nicht bekannt], Frankfurt am Main 1982 (= Europäische Bibliothek;
avantgardistischen Bewegungen definiert wurde. Gestaltung meinte
Bd. 8), S. 33, 304, 306f.
ein aktives, zeitadäquates Verhalten, das Unbehagen bewusst ab-
488
wehrte.
Aufnahme der Show abrufbar unter: http://husseinchalayan.
com/#/videos.2000.2000_a_w_afterwords/ [Abruf: 14.10.2013].
489
Vgl. Zijpp, Sue-an van der: Introduction to the Collections, in:
515 516
Vgl. Erni, Peter: Über die Hegemonie im Gestaltungsprozess der
Conti 2010 (wie Anm. 127), S. 178f. Vgl. Malsch, Friedemann: Robert Filliou und die République
Hussein Chalayan, hg. von Caroline Evans (Ausstellungskatalog Gronin-
Géniale, in: Migration, hg. von ders./Christiane Meyer-Stoll (Ausstel-
gen, Groninger Museum, 2005), Rotterdam 2005, S. 16‒45, 52‒105,
lungskatalog Liechtenstein, Kunstmuseum Liechtenstein, 2003), Köln
112‒153, 158‒191. Hier S. 80.
2003, S. 134‒149.
490 491 492 493 494
Vgl. Quinn 2011 (wie Anm. 324), S. 150.
517 518 519
Vgl. ebd.
works, Art Worlds, and the Fate of Modernism, in: Netzwerke des Exils.
Vgl. Golbin, Pamela: Afterwords, in: Hussein Chalayan, hg. von
Künstlerische Verflechtungen, Austausch und Patronage nach 1933,
Vgl. ebd. Vgl. Giedion (1948) 1982 (wie Anm. 487), S. 327.
Vgl. ebd., S. 137, 139. Vgl. ebd. Vgl. Eckmann, Sabine: Concerning Exile Art in the US: Net-
Robert Violette, New York [u.a.] 2011p, S. 240.
hg. von Burcu Dogramaci/Karin Wimmer, Berlin 2011, S. 433‒457.
495 496 497 498 499 500 501 502 503
Vgl. ebd.
Hier S. 433. Eckmann stellt sich ausgehend von Sybil Miltons Abhand-
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 166.
lung Is There an Exile Art Or Only Exile Artists? (1990) die Frage, ob sich
Vgl. Frankel 2011 (wie Anm. 107), S. 20.
künstlerische Aktivitäten unter einer allgemeinen Rubrik wie Exilkunst
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 168.
zusammenfassen lassen.
Vgl. ebd.
520
Vgl. ebd.
ders.: Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationa-
Vgl. Said 22001a (wie Anm. 97), S. 173f., 186.
lismus (Originalausgabe: Düsseldorf 1994), Hamburg 2013a, S. 35‒37.
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 168.
Hier S. 35.
Für den folgenden Absatz vgl. ebd.
521
Flusser, Vilém: Um entsetzt zu sein, muß man vorher sitzen, in:
Vgl. Macho 1990 (wie Anm. 90), S. 127.
Anmerkungen
211
522
Flusser erkennt in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts
Vgl. Hilty 2004 (wie Anm. 355). Hilty erkennt in der Kollektion
die Überlappung von Seelen- und Bewusstseinszuständen.
teten Architektur. Weil eckige Räume in ihrer würfelartigen Form Be-
derne, den traditionellen Nomaden gleich, auf eine „bewegte“, trans-
534 Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 163. 535 Ebd. 536 Vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), S. 54. 537 Vgl. Ruckstuhl: Homepage – Approaching (2012a), in: http://
portable Architektur zurückgreifen müssen. Vgl. Flusser, Vilém: Noma-
www.ruckstuhl.com/de/approaching.html [Abruf: 10.05.2013].
den, in: auf, und, davon. Eine Nomadologie der Neunziger, hg. von S. 13‒39. Hier insb. S. 20‒23. Zum Verhältnis von Heimat und Woh-
538 539 540
nung vgl. Flusser, Vilém: Wohnung beziehen in der Heimatlosigkeit, in:
www.ruckstuhl.com/de/on-its-way.html [Abruf: 10.05.2013].
ders.: Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus (Originalausgabe: Düsseldorf 1994), Hamburg 2013b, S. 15‒30.
541 542
Hier S. 16, 29. Flusser sagt in diesem Zusammenhang: „Während der
Multilokalität, Multilokation, multilokales Wohnen, Inter- und Translo-
weitaus größeren Zeitspanne seines Daseins ist der Mensch ein zwar
kalität als Begriffe der Mehrfachverortung, in: Transkulturalität, Trans-
wohnendes, aber nicht ein beheimatetes Wesen gewesen. […] Die Be-
nationalität, Transstaatlichkeit, Translokalität. Theoretische und empiri-
heimateten verwechseln Heimat mit Wohnung.“
sche Begriffsbestimmungen, hg. von Melanie Hühn [u.a.], Berlin 2010
523
(= Region – Nation – Europa; Bd. 62), S. 235‒257.
wegung verhindern (man stelle sich einen Würfel vor, der, nachdem geworfen, stehenbleibt), wird auch der neue Nomadismus der Postmo-
Horst Gerhard Haber/Werner Krause/Peter Strasser, Graz 1990,
212
533
eine Tendenz zur Auflösung der klassischen, auf vier Wände ausgerich-
In der europäischen Kultur taucht das Heimatbedürfnis außer in
Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Ruckstuhl: Homepage – On Its Way (2012b), in: http:// Vgl. ebd. Vgl. u.a. Petzold, Knut: Wenn sich alles um den Locus dreht:
der Romantik (spätes 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts) erneut um
543
1900 als Ausdruck gegen eine Vergroßstädterung, Internationalisierung
tions on the Revolution of our Time, um aufzuzeigen, dass die moderne
und Intellektualisierung sowie nach dem Zweiten Weltkrieg, in den
Gesellschaft ein Zentrum besitzt, das sich ständig ändert und nicht fest
1950er-Jahren, auf. Vgl. Bystrina, Ivan: Vom Jagdrevier zur Heimat, in:
verankert ist. Aus dieser Verschiebung resultiert das Dilemma einer
Heimat und Heimatlosigkeit, hg. von Christa Dericum/Philipp Wam-
Identität, die sich unabhängig von etablierten gesellschaftlichen Kate-
Ernesto Laclau benutzt den Begriff Dislokation in New Reflec-
boldt, Berlin 1987, S. 23‒30. Hier S. 24, 30.
gorien formieren kann. Vgl. Ebner 2002 (wie Anm. 32), S. 46f.
524 525
Vgl. Bystrina 1987 (wie Anm. 523), [passim].
544
Sigmund Freud führt den Ursprung des Wortes „Unheimlich“
hen kultureller Systeme (amer. Originalausgabe: The Interpretation of
auf einen Gegensatz zur positiv konnotierten Bedeutung von „Heim-
Cultures, New York 1973), übersetzt von Brigitte Luchesi/Rolf Binde-
lich“ zurück, u.a. als „[…] zum Hause gehörig, nicht fremd, vertraut,
mann, Frankfurt am Main 2003, S. 9.
zahm etc. […]“. Vgl. Freud, Sigmund: Das Unheimliche (Originalausgabe: Leipzig/Wien 1919), in: Psychologische Schriften. Studienausgabe, hg.
545 546
von Alexander Mitscherlich [u.a.], 4 Bde. (1. Aufl. 1970), 4. Aufl. Frank-
Transnational Anthropology, Working Paper Series WPTC-2K-02 (por-
furt am Main 1978, Bd. 4, S. 241‒274. Hier S. 245.
tug. Originalausgabe: Fluxos, fronteiras, híbridos: palavras-chave da
526
antropologia transnacional, Mana [Rio de Janeiro] 1997) (2000), in: The
Vgl. Haehnel, Birgit: Regelwerk und Umgestaltung. Nomadistische
Vgl. Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verste-
Flusser 1990 (wie Anm. 522), S. 21. Vgl Hannerz, Ulf: Flows, Boundaries and Hybrids: Keywords in
Denkweisen in der Kunstwahrnehmung nach 1945, Berlin 2007, S. 65.
Transnational Communities programme (University of Oxford), http://
527 528 529 530
www.transcomm.ox.ac.uk/working%20papers/hannerz.pdf, S. 1–25.
Vgl. Macho 1990 (wie Anm. 90), S. 129. Vgl. ebd., S. 126f.
Hier S. 4ff. [Abruf: 10.05.2012].
Vgl. ebd., S. 130.
547 548
Vgl. Meyrowitz, Joshua: Das generalisierte Anderswo, in: Pers-
Vgl. Deleuze/Guattari (1980) 1992 (wie Anm. 361), S. 39. Vgl. Bätzner, Nike: Das ideale Haus des Pier Paolo Calzolari, in:
pektiven der Weltgesellschaft, hg. von Ulrich Beck, Frankfurt am Main
Migration, hg. von Friedemann Malsch/Christiane Meyer-Stoll (Ausstel-
1998, S. 176‒191. Hier S. 186.
lungskatalog Liechtenstein, Kunstmuseum Liechtenstein, 2003), Köln
531
2003, S. 96‒109. Hier S. 192.
Vgl. Eckmann, Sabine: Kunst und Exil, in: Exil. Flucht und
Emigration europäischer Künstler 1933‒1945, hg. von Stephanie Bar-
549
ron/dies. (Ausstellungskatalog Berlin, Neue Nationalgalerie, Staatliche
1910‒1930, hg. von Timothy O. Benson/Monika Krόl (Ausstellungska-
Museen zu Berlin, 1997/98), München 1997, S. 30‒39. Hier S. 30.
talog München, Haus der Kunst/Berlin, Martin-Gropius-Bau, 2002/03),
Eckmann erkennt in Referenz auf den deutschen Duden im Begriff
Leipzig 2003, S. 93‒102. Hier S. 95, 101, und Andrews, Simon: Lot 49
„Flucht“ eine Verstärkung des Begriffes „Exil“, da es sich um ein er-
Bauhaus Dessau (1925‒1932), in: 20th Century Decorative Art & De-
zwungenes, eiliges Verlassen der Heimat ohne Besitztümer handelt.
sign (Christies’s Auktionskatalog), 28. Oktober 2008, London 2008,
532
S. 62–63.
Vgl. Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Emigration, in: ders.:
Vgl. Bajkay, Éva: Dessau, in: !Avantgarden! in Mitteleuropa
Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus
550
(Originalausgabe: Düsseldorf 1994), Hamburg 2013c, S. 31‒37. Hier
von Gilles Deleuze (franz. Originalausgabe: Nietzsche, Paris 1965),
S. 33.
übersetzt von Ronald Voullie, Paris 1979, S. 105‒121. Hier S. 120f. Zi-
Anmerkungen
Deleuze, Gilles: Nomaden-Denken, in: Nietzsche. Ein Lesebuch
tiert nach: Haehnel 2007 (wie Anm. 526), S. 202. Aus einem Zitat von
569
Deleuze über nomadisches Denken.
und Fragen zur Entwicklung einer transnationalen Anthropologie, in:
551
Perspektiven der Weltgesellschaft, hg. von Ulrich Beck, Frankfurt am
Als „spatial turn“ wird der seit den 1980er-Jahren eingeleitete
Paradigmenwechsel in den Kulturwissenschaften bezeichnet, wonach
Vgl. Appadurai, Arjun: Globale ethnische Räume. Bemerkungen
Main 1998, S. 11‒40. Hier insb. S. 11‒16.
der Raum nicht länger in Verbindung mit Zeitlichkeit als historischer
570
Perspektive des 19. Jahrhunderts betrachtet, sondern als kulturelle,
Ort“ bezeichnet Foucault als Utopien. Vgl. Foucault, Michel: Andere
vom Menschen geformte Größe definiert wird. Vgl. Assmann, Aleida:
Räume, in: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer ande-
Geschichte findet Stadt, in: Kommunikation – Gedächtnis – Raum. Kul-
ren Ästhetik, hg. von Karlheinz Barck, Leipzig 1992, S. 34‒46. Hier S. 38f.
turwissenschaften nach dem „Spatial Turn“, hg. von Moritz Csáky/ Christoph Leitgeb, Bielefeld 2009, S. 13‒27. Hier S. 13‒18.
571 572
552
Vielmehr verwandeln Erzählungen, routinierter Gebrauch von
transnationaler Perspektive, in: Raum und Gefühl. Der Spatial Turn und
Import-Export-Gütern oder mediale Botschaften aus fernen Gegenden
die neue Emotionsforschung, hg. von Gertrud Lehnert, Bielefeld 2011,
den Alltag zum globalen Schauplatz. Vgl. Reggi, Nina: theinder.net:
S. 216‒228. Hier S. 216, 218.
Wenn globalisierte Alltage online gehen – Eine biografisch orientierte chen. Ethnographische Erkundungen in globalisierten Lebenswelten,
573 Ebd. 574 Vgl. ebd. 575 Bianchi, Paolo: Hot Spot Tropen – Einleitung, in: Kunstforum
hg. von Sabine Hess/Maria Schwertl, München 2010 (= Münchner
International (Januar/März 2009a), Nr. 195, S. 40‒41. Hier S. 41.
ethnographische Schriften; Bd. 5), S. 117‒133. Hier S. 120f.
576
553
(29.08.2011), in: Neue Zürcher Zeitung (Online), http://www.nzz.ch/
virtuelle Ethnographie, in: München migrantisch – migrantisches Mün-
Das vollständige Zitat nach Flussers These einer Korrelation von
Jene „unwirklichen“ Räume oder „Platzierungen ohne wirklichen
Vgl. Rushdie 1992 (wie Anm. 407), S. 329. Vgl. Siewert, Stephanie: Die Topographie der Melancholie in
Vgl. Zitzmann, Marc: Mode als Wissenschaft von der Welt
Exil und Kreativität lautet: „Das ist eine Frage des Überlebens: […] Der
aktuell/feuilleton/kunst_architektur/mode-als-wissenschaft-von-der-
Vertriebene muß kreativ sein, will er nicht verkommen.“ Flusser, Vilém:
welt-1.12204075 [Abruf: 25.10.2012].
Exil und Kreativität, in: ders.: Von der Freiheit des Migranten. Einsprü-
577
che gegen den Nationalismus (Originalausgabe: Düsseldorf 1994),
unddreißig Markierungen. Mit einer Fußnote „Über einige Besonder-
Hamburg 2013d, S. 103‒109. Hier S. 103.
heiten bei der Menschenjagd“ (1. Aufl. Frankfurt am Main 1992),
554
7. Aufl. Frankfurt am Main 1993, S. 13.
Vgl. Battista, Anna: Hussein Chalayan’s Fashion Narratives at
Vgl. Enzensberger, Hans Magnus: Die große Wanderung: Drei-
www.zootmagazine.com/2011/07/08/hussein-chalayans-fashion-nar-
578 579
ratives-at-the-musee-des-arts-decoratifs-paris/ [Abruf: 03.03.2013].
la surmodernité, Paris 1992, insb. S. 99‒102. Augé versteht Nicht-Orte
555
als Negation von Orten, die über Identität, Relation und Geschichte
the Musée des Arts Decoratifs, Paris (08.07.2011), in: Zoot, http://
Film abrufbar unter: http://husseinchalayan.com/#/vi-
Vgl. Bauman (2000) 2003 (wie Anm. 513), S. 122. Vgl. Augé, Marc: Non-lieux: introduction à une anthropologie de
deos.2011.2011_aw_kaikoku/ [Abruf: 14.10.2013].
verfügen. Nicht-Orte wie etwa Hotels, Krankenhäuser, Bahnhöfe, Flug-
556
häfen usw. sind keine anthropologischen Orte, da sie nur der
Vgl. Concordia University: Homepage – Vorstellung Jana Ster-
baks Werke (2013), in: http://art-history.concordia.ca/eea/artists/ster-
Durchreise, dem Provisorischen und Ephemeren dienlich sind.
bak.html [Abruf: 03.03.2013].
580 581 582 583 584
557 558
Flusser (1994) 2013d (wie Anm. 553), S. 105. Vgl. Löw, Martina: Raum ergreifen. Alleinwohnende Frauen zwi-
schen Arbeit, sozialen Beziehungen und der Kultur des Selbst, Bielefeld 1994 (Phil. Diss. Frankfurt am Main 1993) (= Wissenschaftliche Reihe; Bd. 56), S. 68f.
559 560 561 562 563 564
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 173. Vgl. [Anonym] [o.D.a] (wie Anm. 113). Vgl. Flusser (1994) 2013b (wie Anm. 522), S. 15. Vgl. Schweizer 2008 (wie Anm. 69), S. 15. „Der Passagier ist die Negation des Seßhaften“. Enzensberger
1993 (wie Anm. 577), S. 13.
7
Vgl. Rushdie 1992 (wie Anm. 407), S. 22, 151f.
585
Vgl. ebd.
sing Munich. Beiträge zur Migration aus Kunst, Wissenschaft und Akti-
Vgl. ebd., , S. 326.
vismus, hg. von Natalie Bayer [u.a.] (Ausstellungskatalog München,
Vgl. Haehnel 2007 (wie Anm. 526), S. 202.
Rathausgalerie der Landeshauptstadt München, 2009), München
Ebd., S. 202f.
2009, S. 108‒109. Hier S. 108.
Malsch, Friedemann/Meyer-Stoll, Christiane: Vorwort, in:
586
Vgl. Tsianos, Vassilis: In Mobilität verweilende Ankunft, in: Cros-
Vgl. Benjamin 1983a (wie Anm. 319), S. 45f., und Benjamin,
Migration, hg. von diesn. (Ausstellungskatalog Liechtenstein, Kunstmu-
Walter: Das Passagen-Werk, hg. von Rolf Tiedemann, 2 Bde., Frankfurt
seum Liechtenstein, 2003), Köln 2003, S. 7‒11. Hier S. 11.
am Main 1983b, Bd. 2, S. 1041‒1059.
565
Vgl. Haye, Amy de la: Studio: Hussein Chalayan, in: Tate 4
587
Vgl. Pritsch, Sylvia: Rhetorik des Subjekts. Zur textuellen Konst-
(März/April 2003), S. 54‒59. Hier S. 54.
ruktion des Subjekts in feministischen und anderen postmodernen
566 567 568
Vgl. ebd.
Diskursen, Bielefeld 2008, S. 352, und Minh-ha, Trinh T.: Homepage –
Vgl. Golbin 2011g (wie Anm. 308), S. 32.
Vorstellung der Filme (2012), in: http://trinhminh-ha.com/films/ [Abruf:
Vgl. ebd.
15.06.2013].
Anmerkungen
213
588 589
Vgl. Minh-ha 2012 (wie Anm. 587). Minh-has Arbeiten bewegen sich meist zwischen Dokumentar-
und Experimentfilm. Vgl. Pritsch 2008 (wie Anm. 587), S. 352ff.
590
Vgl. Flusser (1994) 2013b (wie Anm. 522), S. 16, 27. Flussers
Aussage lässt sich auch unter dem Aspekt der in den vorausgehenden Kapiteln hervorgebrachten Äußerungen über eine Heimat als durchweg künstliches Konstrukt lesen, wodurch die Bedeutung einer Wohnung durchaus jene von Heimaten übersteigen kann.
591
Zepf, Irmgard: Eiszeit: Schöner wohnen. Reflexionen auf Streif-
heraus.
603 604 605 606 607 608 609
Vgl. Lehnert 2006b (wie Anm. 601), S. 191. Vgl. Brandstetter 2012 (wie Anm. 600), S. 218. Vgl. Pries 1998 (wie Anm. 479), S. 74f. Vgl. Bhabha (1994) 2000 (wie Anm. 93), S. 5. Vgl. ebd., S. 56ff. Ebd., S. 5. Vgl. Mentges, Gabriele: Urbane Landschaften im Modebild, in:
zügen durch meine Heimat, in: Heimat und Heimatlosigkeit, hg. von
Räume der Mode, hg. von Gertrud Lehnert, München 2012,
Christa Dericum/Philipp Wambolt, Berlin 1987, S.111‒127. Hier
S. 133‒154. Hier S. 136.
S. 112. Zepf konstatiert eine in einigen Sprachen vorhandene etymolo-
610
gische Verwandtschaft der Begriffe „Haus“ und „Mutter“, woraus sie
Bürgers und Buchhalters der Fugger, Matthäus Schwarz (1496‒1564),
den Gedanken einer dritten Schutzhaut, in heutigem Sinne als Architek-
an, in dem der Autor den Leser durch seine Biografie über die Um-
tur bekannt, auf eine erste organische „Wohnung“ im Mutterleib zu-
schreibung der eigenen kostbaren Garderobe im städtischen Kontext
rückführt.
führt: „Die Stadt wird Teil seines biographischen Weges durch die
592 593
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 175.
Mode seiner Zeit.“ Mentges 2012 (wie Anm. 609), S. 136. Auch Ment-
Vgl. Fuller, R. Buckminster: Das totale Kommunikationssystem
ges 2005 (wie Anm. 398), S. 29.
Als Beispiel führt Mentges das Kostümbüchlein des Augsburger
und andere Schriften, hg. von Joachim Krausse (amer. Originalausgabe:
611 612
Man’s Total Communication System, 1970), übersetzt von ders./Ursula
Ausg., übersetzt, herausgegeben und kommentiert von Friedhelm
Bahn, Amsterdam/Dresden 1998, S. 122‒155. Hier S. 131.
Kemp, München/Wien 1986, S. 198. Das Gedicht A une Passante
594 595
Vgl. ebd.
(1861) erschien im zweiten Band der Fleurs du Mal, den Tableaux Parisi-
Vgl. Nederveen Pieterse, Jan: Der Melange-Effekt. Globalisie-
ens. Es verarbeitet Eindrücke des sich zunehmend urbanisierenden
rung im Plural, in: Perspektiven der Weltgesellschaft, hg. von Ulrich
Umfeldes in Frankreich und dessen Auswirkungen auf das städtische,
Beck, Frankfurt am Main 1998, S. 87‒124. Hier S. 120.
genau beobachtende, flanierende Individuum.
596 597 598 599
Vgl. Siewert 2011 (wie Anm. 572), S. 224.
613
Vgl. ebd., S. 226, und Lenz 2010 (wie Anm. 109), S. 60.
Modell der modernen Großstadt. Vgl. Wehinger, Brunhilde: Paris – Cri-
Vgl. Kap. 5.
noline. Zur Faszination des Boulevardtheaters und der Mode im Kon-
Vgl. Lehnert 2012b (wie Anm. 475), S. 8‒12. Lehnert stellt drei
text der Urbanität und der Modernität des Jahres 1857, München 1988
Dimensionen modischen Handelns im Zusammenhang mit Raum fest.
(= Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste;
Zwei davon wurden bereits in den beiden vorausgehenden Kapiteln
Bd. 75), S. 19, 23, 30f.
behandelt. Der Begriff „Schauplätze“ aus dem Titel ist Lehnerts Unter-
614
suchung von Mode im Raum entlehnt.
(wie Anm. 613), S. 19‒40.
600
615
des Menschen, in: ders.: Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde
Lehnert erkennt in der Mode ein „[…] performatives Phänomen
Vgl. Mentges 2012 (wie Anm. 609), S. 136. Vgl. Baudelaire, Charles: Les Fleurs du Mal, vollst. zweisprach.
Paris avanciert zwischen 1851 und 1870 zum internationalen
Vgl. Mentges 2012 (wie Anm. 609), S. 30, und Wehinger 1988 Vgl. Benjamin 1983a (wie Anm. 319), insb. S. 45f., 524‒534,
par excellence; sie realisiert sich als ein produktives und rezeptives
und Benjamin 1983b (wie Anm. 586), insb. S. 1044, 1049. Im zweiten
Handeln […].“ Lehnert, Gertrud: Mode und Moderne, in: Kulturanthro-
Band spricht Benjamin vom „Überfluß von Scheiben und Spiegeln“ in
pologie des Textilen, hg. von Gabriele Mentges unter Mitarbeit von
den Pariser Straßen, Cafés und Passagen, in denen sich sowohl Frauen
Nina Schack/Heike Jenß, Ebersbach 2005, S. 251‒263. Hier S. 260.
als auch Männer „aufblitzen“ sehen.
Siehe auch Brandstetter, Gabriele: Re-Play. Choreografie von Stoffen zwischen Mode und Performance: Anna Halprins „Parades and Chan-
616 617
ges“, in: Räume der Mode, hg. von Gertrud Lehnert, München 2012,
einer neuen Tradition (amer. Originalausgabe: Space, Time and Archi-
S. 217‒233. Hier S. 218.
tecture, Cambridge [Mass.] 1941), Ravensburg 1965, S. 444, und
601
Mentges 2012 (wie Anm. 609), S. 137.
Vgl. Lehnert, Gertrud: Metamorphosen des Visuellen. Über
Vgl. Wehinger 1988 (wie Anm. 613), S. 30. Vgl. Giedion, Siegfried: Raum, Zeit, Architektur. Die Entstehung
Bd. 4), S. 190‒219. Hier S. 190.
618 619 620
602
Vgl. Fischer-Lichte, Erika: Einleitende Thesen zum Aufführungs-
fashion culture, in: Fashion Cultures. Theories, explorations and analy-
begriff, in: Kunst der Aufführung – Aufführung der Kunst, hg. von dies./
sis, hg. von Stella Bruzzi/Pamela Church Gibson, London/New York
Clemens Risi/Jens Roselt, Berlin 2004, S. 11‒26, [o.S.]. Zitiert nach:
2000, S. 7‒24. Hier insb. S. 11‒14, 16‒19.
Lehnert 2005 (wie Anm. 600), S. 260. Lehnert beruft sich auf Fi-
621
Mode in Marcel Prousts „A la recherche du temps perdu“, in: Die Kunst der Mode, hg. von dies., Oldenburg 2006b (= Mode und Ästhetik;
214
scher-Lichtes Aufführungsbegriff aus der Interaktion aller Teilnehmer
Anmerkungen
Vgl. ebd., S. 444. Vgl. Mentges 2005 (wie Anm. 398), S. 30. Vgl. Gilbert, David: Urban outfitting. The city and the spaces of
Vgl. ebd., S. 16, 18.
622
Vgl. Vinzenz, Jutta: Emigrantennetzwerke in Großbritannien
hion into Space, in: The Places and Spaces of Fashion, 1800‒2007, hg.
zwischen international und national definierter Kunst, in: Netzwerke
von ders., New York [u.a.] 2009a, S. 1‒15. Hier S. 2.
des Exils. Künstlerische Verflechtungen, Austausch und Patronage nach
644
1933, hg. von Burcu Dogramaci/Karin Wimmer, Berlin 2011,
performance art, in: The power of fashion. About design and meaning,
S. 185‒200. Hier S. 199.
hg. von Nanda van den Berg/Jan Brand, Arnhem 2006, S. 194‒213.
623
Hier S. 196f., 199.
Vgl. Pries 1998 (wie Anm. 479), S. 55ff., und Sassen, Saskia: The
Vgl. Teunissen, José: From dandy to fashion show. Fashion as
len und -kulturellen städtischen Geschäfts- bzw. Finanzräume als „glo-
645 646
bal cities“.
denschau. Konzept – Gestaltung – Umsetzung (engl. Originalausgabe:
624 625 626
Vgl. Geiger 2013 (wie Anm. 103), S. 173.
How to do a fashion show, Barcelona 2010), übersetzt von Eva Korte,
Vgl. Assmann 2009 (wie Anm. 551), S. 18.
München 2010, S. 31‒39.
Vgl. Landeshauptstadt München (Hg.): Perspektive München,
schaftlicher und soziokultureller Überschneidungen seit den
647 648 649 650 651 652 653 654 655
1960er-Jahren vgl. Kap. 2.2.2.
(Frühling/Sommer 2001), Ambimorphous (Herbst/Winter 2002) und
629 630
Vgl. Fairs 2009 (wie Anm. 128).
Earthbound (Herbst/Winter 2009).
Vgl. Evans 1999 (wie Anm. 76), S. 97, und Metzger 2011 (wie
656
global city, New York [u.a.] 1991. Sassen bezeichnet die transnationa-
München 2008, [o.S.]. Zitiert nach: Hess, Sabine: Aus der Perspektive der Migration forschen, in: München migrantisch – migrantisches München. Ethnographische Erkundungen in globalisierten Lebenswelten, hg. von Sabine Hess/Maria Schwertl, München 2010 (= Münchner ethnographische Schriften; Bd. 5), S. 9‒25. Hier S. 9.
627 628
Vgl. u.a. Vassiliou 2009 (wie Anm. 129). Für die spezifische Londoner Situation künstlerischer, wirt-
Vgl. ebd., S. 197. Vgl. ebd., S. 195, 198, 204‒208, und Vilaseca, Estel: Die Mo-
Vgl. Teunissen 2006 (wie Anm. 644), S. 200. Vgl. ebd., S. 209, 212. Vgl. ebd., S. 196. Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 31. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 31f., und Teunissen 2006 (wie Anm. 644), S. 196. Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 12f. Für den folgenden Absatz vgl. ebd., S. 9, 13‒16, 32, 34f. Beispielsweise die Shows zu den Kollektionen Ventriloquy
Vgl. Martínez Caballero, Elsa/Vázquez Casco, Ana Isabel: Már-
Anm. 134), S. 49.
queting de la moda, Madrid 2006, [o.S.]. Zitiert nach: Vilaseca 2010
631 632
[Anonym] [o.D.a] (wie Anm. 113).
(wie Anm. 646), S. 35.
Yildiz setzt Stadt mit Migration gleich und betont damit die seit
657
Aufnahme der Show abrufbar unter: http://husseinchalayan.
Jahrhunderten währenden Migrationsbewegungen, die die Stadt bis
com/#/videos.2010.2010_s_s_dolce_far_niente/ [Abruf: 25.10.2013].
heute nachhaltig verändert haben. Vgl. Yildiz 2009 (wie Anm. 125), S. 20.
658
633
von Robert Violette, New York [u.a.] 2011q, S. 188.
Vgl. Liessmann, Konrad Paul: Urbanität oder die Stadt als kultu-
Vgl. Golbin, Pamela: Dolce Far Niente, in: Hussein Chalayan, hg.
634 Chalayan bezeichnet London als Zuhause für Heimatlose. Vgl.
659 660 661
Vassiliou 2009 (wie Anm. 129).
der Mode? oder Die Selbstverständlichkeit der Girlies. Zum Verhältnis
635 Vgl. Haye 1997 (wie Anm. 139), S. 197. 636 Die London Fashion Week ist eine zweimal jährlich in London
von Theater und Mode, in: Mode, Weiblichkeit und Modernität, hg. von
stattfindende Modemesse. Vgl. Geertz (1973) 2003 (wie Anm. 544), insb. S. 41f.
662 663
Vgl. ebd., [passim].
S. 19, 21, 40, 84f.
Vgl. ebd.
664
Assmann 2009 (wie Anm. 551), S. 18.
„klassische“, die „theatralische“ sowie die „konzeptionelle“ und deren
Ein ähnliches Vorgehen wurde bereits in Kap. 4.1 anhand der
verschiedene Mischformen.
relles Phänomen, in: Kunstforum International (Oktober/Dezember 2012), Nr. 218, S. 70‒83. Hier S. 81.
637 638 639 640 641
Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 35. Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 85. Vgl. Weiler, Christel: Gehen Anna Viebrock und Ueli Jäggi mit
Gertrud Lehnert, Dortmund 1998, S. 194‒210. Hier S. 194. Vgl. ebd., S. 196. Für den folgenden Absatz vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), Vilaseca differenziert drei Grundtypen an Modenschauen: die
Panoramic thematisiert. Die Methoden der Reduktion und des Mor-
665 666
phings von ethnischen Textilmustern dienten hier zur Neutralisierung
Stadt London auf das Design der späten 1980er- und der 1990er-Jahre
äußerlich ablesbarer Zugehörigkeiten. Das Ergebnis war ebenfalls eine
vgl. Kap. 2.2.2.
Befreiung von kategorischen Zuordnungen zugunsten einer alles über-
667
greifenden Identität.
[o.S.]. Zitiert nach: Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 40.
642
668
Arbeit Ambimorphous und in weiterer Form in Nothing, Interscope und
Vgl. Anm. 34 zur Klärung der Abgrenzung zwischen den Begrif-
Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 40. Zum Einfluss des künstlerischen und sozialen Umfeldes der
Vgl. Figueras, Josefina: Protagonistas de la moda, Madrid [o.J.], Vgl. Mechelen, Marga van: The tête-à-tête of performance in
fen „Multi-“ und „Transkulturalität“ im Rahmen dieser Forschungsarbeit.
fashion and art, in: Fashion and Imagination. About Clothes and Art,
643
hg. von Jan Brand/José Teunissen, Arnhem 2009, S. 104‒115. Hier
John Potvin erkennt in Baudelaires Flaneur eine Verkörperung
der Stadt Paris des 19. Jahrhunderts. Vgl. Potvin, John: Inserting Fas-
S. 105.
Anmerkungen
215
669
Metallstoffe oder veranstalteten Modenschauen in U-Bahnhöfen, die
687 Ebd. 688 Siehe dazu auch Abb. 18, Abb. 47 und Abb. 50 für weitere Mo-
Treppen gesäumt mit über 1500 Kerzen. Ebd., S. 105f.
delreihungen in den Shows zu Ambimorphous, Between und Afterwords.
670 671
Vgl. ebd.
689
Vgl. Kamitsis, Lydia: An impressionistic history of fashion shows
mance.
So kleideten Studenten ihre Models in transparente Plastik- und
hg. von Jan Brand/José Teunissen, Arnhem 2009, S. 92‒103. Hier S. 98.
690 691
672
2002, S. 168. Zitiert nach: Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 44. Ber-
since the 1960s, in: Fashion and Imagination. About Clothes and Art, Vgl. Morteo, Enrico: Design-Atlas. Von 1850 bis heute (ital. Ori-
Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 43f. Vgl. Bernard, Malcolm: Fashion as Communication, New York
ginalausgabe: Grande atlante del design dal 1850 a oggi, Mailand
nard zitiert an dieser Stelle Caroline Evans.
2008), übersetzt von Achim Wurm [u.a.] (1. Aufl. Köln 2009), 2. Aufl.
692
Köln 2010, S. 84, und Stanislawski, Konstantin S.: Mein Leben in der
(wie Anm. 646), S. 10.
Vgl. Duggan 2006 (wie Anm. 684), S. 223, und Vilaseca 2010
Kunst, Berlin 1987, S. 234ff. Zitiert nach: Bauer, Oswald Georg: Kunst
693
und Leben. Tendenzen im russischen Theater zwischen 1898 und 1932,
Mädchen offenlegenden Burkas löste eine Welle an Empörung hervor,
in: Entfesselt. Die russische Bühne 1900‒1930. Aus der Sammlung des
die erst Chalayan lösen konnte, als er in die Diskussionen eingriff und
Staatlichen zentralen A.-A.-Bachruschin-Theatermuseums, Moskau, hg.
den vermeintlich politischen Gehalt der Arbeiten relativierte. Vgl. Vila-
von ders. (Ausstellungskatalog München, Bayerische Akademie der
seca 2010 (wie Anm. 646), S. 88, und Mower 2011 (wie Anm. 115),
Schönen Künste, 1994), München 1994a, S. 39‒73. Hier S. 39, 51f., 62.
S. 38. Siehe auch Kap. 5.3 zur von Chalayan formal angewendeten
Von einschneidender Wirkung war für die russischen Futuristen Filippo
Methode von Umkehrungen bzw. einer Relativierung kultureller Prä-
Tommaso Marinettis Manifest Das Varieté von 1913, das einen Bruch
gungen.
mit den Konventionen in Theater und Leben proklamierte. Dennoch suchte man auf russischer Seite eine Abgrenzung vom italienischen
694 695
Futurismus, insbesondere im Hinblick auf die italienische Verherrli-
(wie Anm. 613), S. 33.
chung des Krieges und des Faschismus.
696
673 674 675 676
Vgl. Bauer 1994a (wie Anm. 672), S. 42, 66.
(wie Anm. 472), S. 111.
Vgl. ebd., S. 66.
schin-Theatermuseums, Moskau (Ausstellungskatalog München, Baye-
697 698 699 700 701
rische Akademie der Schönen Künste, 1994), München 1994b, Kata-
luxury stores, in: Fashion and Imagination. About Clothes and Art, hg.
logteil ab S. 75. Hier S. 157f., 211, 215ff.
von Jan Brand/José Teunissen, Arnhem 2009, S. 154‒167. Hier S. 161.
677 678 679 680
Vgl. ebd., und Morteo (2008) 22010 (wie Anm. 672), S. 84.
702 703
Vgl. Teunissen 2011 (wie Anm. 472), S. 110.
Soho sowie Dan Flavin in Calvin Kleins Madison-Avenue-Store aus.
Aufgrund der Veränderungen auf der Webseite des Unterneh-
Cartier, Prada und Louis Vuitton unterhalten überdies Stiftungen zur
Vgl. Morteo (2008) 22010 (wie Anm. 672), S. 84f. Vgl. Bauer, Oswald Georg (Hg.): Entfesselt. Die russische Bühne
1900‒1930. Aus der Sammlung des Staatlichen zentralen A.-A.-Bachru-
Vgl. ebd., S. 158.
Die Kollektion Between mit den sich verkürzenden und die
Vgl. Duggan 2006 (wie Anm. 684), S. 223. Vgl. Potvin 2009a (wie Anm. 643), S. 2f., und Wehinger 1988 Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 31, und Teunissen 2011 Vgl. Teunissen 2011 (wie Anm. 472), S. 110f. Vgl. ebd., S. 110, und Potvin 2009a (wie Anm. 643), S. 4. Vgl. Teunissen 2011 (wie Anm. 472), S. 111. Vgl. ebd. Vgl. Lipovetsky, Gilles/Manlow, Veronica: The ,artialization‘ of
Vgl. ebd., S. 155. In New York stellten Damien Hirst im Prada-Flagship-Store in
mens Chalayan ist die Aufnahme der Show nicht mehr abrufbar (Stand:
Förderung von Künstlern. Vgl. ebd., S. 158, 160, 162.
26.10.2013).
704
681
zwischen Markt und Celebrity Kultur, Köln 2008, S. 113‒119.
Aufnahme der Show abrufbar unter: http://husseinchalayan.
Vgl. ebd., S. 162, und Graw, Isabelle: Der große Preis. Kunst
com/#/videos.2000.2000_a_w_afterwords/ [Abruf: 26.10.2013].
705
682
sen 2011 (wie Anm. 472), S. 111.
Aufgrund der Veränderungen auf der Webseite des Unterneh-
Lipovetsky/Manlow 2009 (wie Anm. 701), S. 155, und Teunis-
mens Chalayan ist die Aufnahme der Show nur noch auf You Tube ab-
706 Zitat des Architekten Rem Kohlhaas, der sich in seiner Arbeit,
rufbar: http://www.youtube.com/watch?v=tv5jgb7LGwY [Abruf:
u.a. für den Prada-Shop in New York, für eine Hybridisierung von De-
26.10.2013].
sign, Kunst und Architektur aussprach. Zitiert nach: Petersens, Magnus
683 684
Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 93.
af: Fashion art, in: Fashination, hg. von Salka Hallström Bornold/Lars
Vgl. Duggan, Ginger Gregg: The greatest show on earth. A look
Nilsson (Ausstellungskatalog Stockholm, Moderna Museet, 2004/05),
at contemporary fashion shows and their relationship to performance art,
Stockholm 2004, S. 15‒25. Hier S. 19.
in: The power of fashion. About design and meaning, hg. von Nanda van
707
den Berg/Jan Brand, Arnhem 2006, S. 222‒243. Hier S. 223, und Tho-
New York 1990, S. 49.
mas 2000 (wie Anm. 201), S. 317.
708 709 710
685 686
216
Vgl. Thomas 2000 (wie Anm. 201), S. 317. Beitrag über Perfor-
Vgl. Duggan 2006 (wie Anm. 684), S. 226, 228f. Vgl. Evans 1999 (wie Anm. 76), S. 94.
Anmerkungen
Vgl. Sudjic, Deyan: Rei Kawakubo and Comme des Garçons, Vgl. Lipovetsky/Manlow 2009 (wie Anm. 701), S. 160. Vgl. Sudjic 1990 (wie Anm. 707), S. 49. Vgl. ebd., S. 50.
711 712
Vgl. Lipovetsky/Manlow 2009 (wie Anm. 701), S. 157f., 160.
733
Vgl. Kemp, Wolfgang (Hg.): Brian O’Doherty. In der weißen
and Erica Mann in Nairobi, Kenya, 1933‒1953, in: Netzwerke des Exils.
Vgl. Tiven, Benjamin: On The Delight of the Yearner. Ernst May
Zelle, Berlin 1996, S. 9.
Künstlerische Verflechtungen, Austausch und Patronage nach 1933,
713
hg. von Burcu Dogramaci/Karin Wimmer, Berlin 2011, S. 147‒161.
Vgl. Teunissen 2011 (wie Anm. 472), S. 110f. Siehe auch Kap.
7.2.2.
714
Hier S. 161. Für den folgenden Absatz vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18),
734
Vgl. Pries 1998 (wie Anm. 479), und Pries 2008 (wie Anm. 479),
S. 244f.
bzw. Kap. 6.
715
Vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), S. 78.
735 736 737
Vgl. ebd., und Brüderlin, Markus/Lütgens, Annelie (Hg.): Art &
Kerns Roman Kopfstücke. Kulturelle Identität im Schwinden, in: Kultu-
Vassiliou 2009 (wie Anm. 129) (Zitat von Hussein Chalayan aus
einem mit Vassiliou geführten Interview).
716 717
Lipovetsky/Manlow 2009 (wie Anm. 701), S. 158. Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 111. Vgl. Kwiecińska, Grażyna: Zwischen den Welten, zu Elfriede
Fashion. Zwischen Haut und Kleid (Ausstellungskatalog Wolfsburg,
relle Identitäten im Wandel – Grenzgängertum als literarisches Phäno-
Kunstmuseum Wolfsburg, 2011), Bielefeld [u.a.] 2011, S. 86.
men, hg. von Mirosława Czarnecka/Christa Ebert, Schöneiche bei Ber-
718
Vgl. Dyckhoff, Tom: Hussein Chalayan at the Design Museum
lin 2006 (= Schriftenreihe Ost-West-Diskurse; Bd. 6), S. 131‒137. Hier
(21.01.2009), in: The Times (Online), http://www.thetimes.co.uk/tto/
S. 131. Kwiecińska erkennt in der Umwanderung von Orten ohne Na-
arts/visualarts/architecture/article1887574.ece [Abruf: 21.10.2010].
men und Eigencharakter, die die Protagonistin Yolanda im Roman Kopf-
719
stücke von Elfriede Kern auf sich nimmt, einen geografisch nicht fest-
Chalayan ging 2008 eine Verbindung mit dem zeitweise mehr-
heitlich an seinem Unternehmen beteiligten Sportartikelhersteller
legbaren Raum, den sie als „Land aller“ bezeichnet.
Puma ein, nachdem es über Jahre hinweg finanzielle Probleme mit sei-
738
ner eigenen Marke gegeben hatte. Puma ist Teil des französischen
1983a (wie Anm. 319), S. 45.
Konsortiums PPR, dem auch Gucci, McQueen und Yves Saint Laurent angehören. Diese Verbindung sollte auch die eigenen Kollektionen
739 740
Chalayans einem breiteren Publikum nahebringen. Vgl. Pietsch, Hans:
Communicates Across the Media, New York 2001, S. XXII. Zitiert nach:
Hussein Chalayan. Der Konzeptkünstler unter den Modeschöpfern
Mentges, Gabriele/König, Gudrun M.: Modegeschichte als Medienge-
(22.01.2009), in: art (Online), http://www.art-magazin.de/design/
schichte, in: Medien der Mode, hg. von diesn., Berlin 2010 (= Textil –
14516/hussein_chalayan_london [Abruf: 18.06.2013], und Hegmann,
Körper – Mode; Bd. 6), S. VII‒XIX. Hier S. VII.
Benjamin zitiert einen zeitgenössischen Paris-Führer. Benjamin Vgl. Lehnert 2006b (wie Anm. 601), S. 191. Vgl. Wolbers, Marian Frances: Uncovering Fashion. Fashion
Gerhard: Kopf des Tages: Hussein Chalayan – ein Provokateur für Puma
741
(28.02.2008), in: Financial Times Deutschland (Online), http://www.ftd.
lung, dem Konsum, der Präsentation, der Ausstellung und Werbung
de/karriere/who-is-who/:kopf-des-tages-hussein-chalayan-ein-provo-
längst geografische Bindungen aufgegeben hat und sich dank vor allem
kateur-fuer-puma/324288.html [Abruf: 23.07.2013].
virtueller Räume des Internets grenzübergreifend ausbreitet. Vgl. Pot-
720 721
Vgl. Petersens 2004 (wie Anm. 706), S. 19.
vin 2009a (wie Anm. 643), S. 3.
Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 247, und Potvin, John: Ar-
742
Potvin geht von einer globalen Mode aus, die in ihrer Herstel-
Vgl. Hall-Duncan, Nancy: Fashion Photography, in: The Berg
mani/Architecture. The Timelessness and Textures of Space, in: The
Companion to Fashion, hg. von Valerie Steele, Oxford/New York 2010,
Places and Spaces of Fashion, 1800‒2007, hg. von ders., New York
S. 300‒304. Hier S. 300.
[u.a.] 2009b, S. 247‒263. Hier S. 247. Vgl. Loschek 2007 (wie Anm. 18), S. 245, 247.
743 Ebd. 744 Vgl. Lehnert, Gertrud: Mode. Models. Superstars, Köln 1996,
Vgl. Lipovetsky/Manlow 2009 (wie Anm. 701), S. 157.
S. 61.
Vgl. Kemp 1996 (wie Anm. 712), S. 9. Vgl. Quinn 2005 (wie Anm. 379), S. 48.
745 746
Vgl. Mower 2011 (wie Anm. 115), S. 46.
schichte unserer Zeit (1. Aufl. München 1978), 5. Aufl. München 1995,
Vgl. ebd.
S. 69, und Hall-Duncan 2010 (wie Anm. 742), S. 301.
Vgl. Kap. 2.2.1, und ggf. Hersey, George L.: Falling in Love with
Statues. Artificial Humans from Pygmalion to the Present, Chicago/
747 748
London 2009, S. 43, 45.
ren seitdem nur noch in Haute-Couture-Kreisen und Fachpublikationen
729 730
Vgl. Lenz 2010 (wie Anm. 109), S. 240f.
wie der WWD (Womens Wear Daily) üblich.
Vgl. Block Architecture: Homepage – Hussein Chalayan [o.D.],
749 750 751
722 723 724 725 726 727 728
in: http://www.blockarchitecture.com/hussein-chalayan-1.html [Abruf: 19.07.2013].
731 732
Vgl. Mentges 2010 (wie Anm. 740), S. XIIIf. Vgl. Loschek, Ingrid: Mode im 20. Jahrhundert. Eine Kulturge-
Vgl. Hall-Duncan 2010 (wie Anm. 742), S. 301. Vgl. Tallon (2008) 2009 (wie Anm. 197), S. 7. Zeichnungen wa-
Vgl. ebd., und Wehinger 1988 (wie Anm. 613), S. 45. Vgl. Lehnert 1996 (wie Anm. 744), S. 62. Vgl. Rasche, Adelheid: Von Sprach- und Bildräumen: Mode in
Vgl. ebd.
Text- und Bildquellen, in: Räume der Mode, hg. von Gertrud Lehnert,
Vgl. Assmann 2009 (wie Anm. 551), S. 18, bzw. Kap. 7.2 zur Er-
München 2012, S. 115‒122. Hier S. 120.
läuterung des Ausdruckes.
752
Vgl. Hall-Duncan 2010 (wie Anm. 742), S. 301.
Anmerkungen
217
753 754 755
Vgl. Teunissen 2011 (wie Anm. 472), S. 112.
780
Vgl. ebd.
Modefotografie zwischen Auftrag und Kunst, hg. von Ulrich Lehmann/
Allerdings galt das in seinem noch rohen Non-finito-Zustand –
Jessica Morgan (Ausstellungskatalog Boston, Institute of Contempo-
der grob angedeuteten Kulisse mit durchscheinender Leinwand – heute
rary Art/Winterthur, Fotomuseum Winterthur, 2002), Ostfildern-Ruit
paradigmatisch für klassischen Geschmack um 1800 einstehende Ge-
2002, T. 8‒11. Hier T. 8.
mälde als innovativ. In diesem Punkt steht Coppolas 2004 entstandene, den Glamour arbeitende Darstellung Davids Gemälde in nichts nach.
781 782 783
Vgl. u.a. Vergnette, François de: Madame Récamier [o.D.], in: Musée du
Featuring,
Louvre (Homepage), http://www.louvre.fr/en/oeuvre-notices/mada-
19.07.2013].
me-recamier [Abruf: 03.08.2013].
784
756 757 758 759 760 761
Vgl. Frankel 2011 (wie Anm. 107), S. 20.
in: http://www.amagazinecuratedby.com/about [Abruf: 08.08.2013],
Vgl. Schacknat 2006 (wie Anm. 176), S. 327.
und Esch 2001 (wie Anm. 783).
Vgl. ebd.
785
Vgl. ebd.
in: Art School Vets Magazine, http://www.artschoolvets.com/news-
Vgl. Teunissen 2011 (wie Anm. 472), S. 112.
/2010/07/13/n%C2%B0c-featuring-hussein-chalayan/ [Abruf:
Vgl. Becker, Susanne: Die Macht der Bilder: vom Label zum
04.08.2013].
ebenfalls für ihre Zeit neue und ungewöhnlich amateurhafte, gegen
Lipovetsky 2002 (wie Anm. 780), T. 11. Vgl. [Anonym] [o.D.b] (wie Anm. 122). Vgl. Esch, Gerdi: Introduction to the Website (2001), in: ABCDE http://www.abcdefeaturing.com/about/
[Abruf:
[Anonym]: History [o.D.e], in: A Magazine Curated By (Online),
Vgl. [Anonym]: N°C featuring Hussein Chalayan (13.07.2010),
Look, in: Magisch angezogen. Mode – Medien – Markenwelten, hg. von
786
dies./Stefanie Schütte, München 1999, S. 14‒27. Hier S. 14ff.
zwischen 1988 und 1991 in einer Auflage von 26 000 Exemplaren
762 763 764 765
Vgl. Petersens 2004 (wie Anm. 706), S. 21.
zweimal jährlich, passend zur Vorstellung der jeweils neuen Kollektio-
Vgl. Brand/Teunissen 2009 (wie Anm. 218), S. 362.
nen. Im Jahr 2012 präsentierte Kawakubo nach ganzen 21 Jahren seit
Vgl. Hallström Bornold 2004 (wie Anm. 55), S. 27.
der letzten Ausgabe die „Moving SIX“-App für das iPad, die die besten
Vgl. Brand/Teunissen 2009 (wie Anm. 218), S. 362‒374.
Bilder des Six-Archivs interaktiv und multimedial (mit Musikbegleitung)
Chalayans Mode wird neben Dazed & Confused, i-D, The Face und Dutch
in neuer Form aufleben ließ. Vgl. Costa, Michael: Comme des Garçons
auch weltweit in den mit der traditionellen Auftragsarbeit brechenden
Revives „SIX“ Magazine for iPad (17.10.2012), in: Twelv, http://www.
Magazinen Frame, Pop, Jalouse, BigShow, V, Flair, The New Yorker oder
twelvmag.com/fashion/comme-des-gar%C3%A7ons-revives-six-ma-
Süddeutsche Zeitung Magazin abgelichtet.
gazine-ipad [Abruf: 01.08.2013].
766 767
einem Model in Abb. 27 zu sehen ist und in Kap. 4.3 im Rahmen von
787 788 789 790
Chalayans Materialexperimenten besprochen wurde.
Rhodes (franz. Originalausgabe: La dernière mode: gazette du monde et
768
de la famille, Paris 1874), New York 1933, [passim].
Vgl. ebd., und Becker 1999 (wie Anm. 761), S. 14ff. Es handelt sich dabei um eines der weißen, an den Rändern blau
und rot gestreiften, an Luftpost erinnernden Airmail-Jackets, wie es an
Zu den Stoff- bzw. Papierexperimenten unter Berücksichtigung
Vgl. Sudjic 1990 (wie Anm. 707), S. 60. Das Magazin erschien
Vgl. Sudjic 1990 (wie Anm. 707), S. 60‒65. Vgl. ebd., S. 63, 124. Vgl. ebd., S. 61. Vgl. Mallarmé, Stéphane: La dernière Mode, hg. von Solomon A.
der kartesischen Philosophie in Chalayans ersten Arbeiten vgl. Kap. 2.1.
791
769 770
Vgl. Hall-Duncan 2010 (wie Anm. 742), S. 303.
An encyclopedic survey, in: The power of fashion. About design and
Moore zeichnet sich für fast alle Showfotografien Chalayans
meaning, hg. von Nanda van den Berg/Jan Brand, Arnhem 2006,
Vgl. Hoeks, Henk/Post, Jack: Five pioneers of fashion theory.
verantwortlich, während Tomlinson zahlreiche Studiofotografien in
S. 392‒405. Hier S. 396.
Chalayans Auftrag fertigt. Siehe dazu den Abbildungsteil.
792 793 794
771 772
Becker 1999 (wie Anm. 761), S. 24. Die Darstellung der in der Hüfte leicht gebeugten, behinderten
Vgl. ebd. Vgl. ebd. Siehe die Angaben zu Abb. 93 im Abbildungsteil, bzw. Evans
Frau scheint die Venus von Milo (um 100 v.Chr.) aus dem Pariser Louvre
3
zu zitieren.
Vgl. ebd., S. 14.
795 796 797 798 799 800
Wakefield, Neville/Nickerson, Camilla (Hg.): Fashion, Zürich
Ausstellungskatalog des Groninger Museums im Jahr 2005 als Um-
773
Vgl. Brand/Teunissen 2009 (wie Anm. 218), S. 364, und Becker
1999 (wie Anm. 761), S. 14ff.
774 775 776 777
218
Vgl. Lipovetsky, Gilles: Modischer als die Mode, in: Chic clicks.
Vgl. Becker 1999 (wie Anm. 761), S. 16. Vgl. ebd., S. 16f.
2009 (wie Anm. 64), S. 212. Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 211. Vgl. ebd., S. 210. Vgl. Tallon (2008) 2009 (wie Anm. 197), S. 7f. Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 211. Vgl. ebd., S. 212. Den Begriff Eventraum benutzt Quinn in seinem Beitrag für den
1996, [o.S.]. Zitiert nach: Becker 1999 (wie Anm. 761), S. 16.
schreibung für die verschiedenen Räume der Modeinszenierung, derer
778 779
Vgl. Becker 1999 (wie Anm. 761), S. 17f.
sich auch Chalayan in Form von Installationen, Filmen oder Ausstellun-
Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 188f.
gen bedient. Vgl. Quinn 2005 (wie Anm. 379), S. 18.
Anmerkungen
801
Ein Zitat der Modekritikerin Suzy Menkes. Zitiert nach: Becker
London/New York 2008, S. 113‒124. Hier S. 115, und Brand/Teunis-
1999 (wie Anm. 761), S. 22.
sen 2009 (wie Anm. 218), S. 366.
802 803
Vgl. Teunissen 2006 (wie Anm. 644), S. 208.
827
Für den folgenden Absatz vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646),
S. 114f., 117, 121ff.
828
S. 82f.
804
Vgl. Glesner, Julia: Theater und Internet. Konvergenzen zwi-
Für den folgenden Absatz vgl. Shinkle 2008 (wie Anm. 826), Vgl. Chalayan, Hussein: Homepage – Menüpunkte Shop, Blog
und Social Media [o.D.e], in: http://chalayan.com/ [Abruf: 23.10.2013].
schen Internet Performances und wissenschaftstheoretischen Paradig-
829
men, in: Theater als Paradigma der Moderne? Positionen zwischen his-
des Streetstyles in Weblogs, in: Medien der Mode, hg. von Gudrun M.
torischer Avantgarde und Medienzeitalter, hg. von Christopher Balme/
König/Gabriele Mentges, Berlin 2010 (= Textil – Körper – Mode; Bd. 6),
Erika Fischer-Lichte/Stephan Grätzel, Tübingen/Basel 2003 (= Mainzer
S. 124‒138. Hier S. 124f.
Forschungen zu Drama und Theater; Bd. 28), S. 497‒506.
830
805
Räumen der Mode, in: Räume der Mode, hg. von Gertrud Lehnert,
Vgl. Schütte, Stefanie/Becker, Susanne: Der Kampf der Metro-
Vgl. Watzlawik, Jan C.: Straßen. Stile. Sensationen. Die Präsenz
Vgl. Beckmann, Susanne: Erlebniswelten in virtuellen und realen
polen, in: Magisch angezogen: Mode. Medien. Markenwelten, hg. von
München 2012, S. 103‒113. Hier S. 105.
diesn., München 1999, S. 70‒81. Hier S. 81.
831
806 807 808
Vgl. ebd.
McLuhan, Marshall/Powers, Bruce R.: The global village: der Weg der
Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), 83.
Mediengesellschaft in das 21. Jahrhundert (engl. Originalausgabe: The
Vgl. Golbin 2011h (wie Anm. 343), S. 72. Aufnahme der Show
global village – Transformations in World Life and Media in the 21st
abrufbar unter: http://husseinchalayan.com/#/videos.2001.2001_s_s_
Century, Oxford 1989), übersetzt von Claus Peter Leonhardt, Leipzig
ventriloquy/ [Abruf: 27.10.2013].
1995, S. 9‒14. Hier S. 13f.
809
832
Vgl. Chalayan, Hussein: Homepage – Ventriloquy [o.D.b], in:
Vgl. Baacke, Dieter: Medientheorie als Geschichtstheorie, in:
Vgl. Kaplan, Caren: Transporting the Subject: Technologies of
http://husseinchalayan.com/#/videos.2001.2001_s_s_ventriloquy/
Mobility and Location in an Era of Globalization, in: PMLA 117 (2002),
[Abruf: 08.08.2013].
Nr. 1, S. 32‒42. Hier S. 34. Kaplan setzt den Beginn des „New Nomadic
810
Age“ auf das Jahr 1995 an, als das Mobiltelefon zu einem Massenkom-
Siehe Kap. 4.3 zu Chalayans Arbeit mit ungewöhnlichen Materi-
alien wie etwa Zuckerglas.
munikationsmedium wurde und einen Austausch jenseits räumlicher
811
und körperlicher Bindungen ermöglichte.
Film abrufbar unter: http://www.waltervanbeirendonck.com/
com/#/videos.2012.2012_s_s_sip/, und http://chalayan.com/2013-
833 834 835
aw-rise/ [Abruf: 27.10.2013].
www.husseinchalayan.com (Stand: 20.09.2013). Vgl. die Erläuterungen
HTML/home.html?/HTML/video/video.html&1 [Abruf: 04.08.2013].
812
813 814 815 816 817 818
Aufnahmen der Shows abrufbar unter: http://husseinchalayan.
Vgl. Vilaseca 2010 (wie Anm. 646), S. 58f. Schütte/Becker 1999 (wie Anm. 805), S. 81. Zurzeit existieren zwei Webseiten: www.chalayan.com, und
Vgl. Quinn 2005 (wie Anm. 379), S. 48.
zu den beiden Auftritten in Kap. 1.3.
Vgl. Kap 6.4.
836
Vgl. Violette 2011 (wie Anm. 72), S. 165.
Mode-Fach-Hochschulen, Akademien und zum Selbststudium, Bergisch
Vgl. ebd.
Gladbach 1974, S. 9.
Vgl. Kap. 4.2.
id/56 [Abruf: 08.08.2013].
837 838 839 840
819
ding cyborg women, Durham/London 1996, insb. S. 32ff.
Vgl. Chalayan, Hussein: Homepage – Overview & Credits
(Anaesthetics) [o.D.c], in: http://chalayan.com/collection/view/album/ Vgl. Chalayan, Hussein: Homepage – Overview & Credits (Tem-
poral Meditations) [o.D.d], in: http://chalayan.com/collection/view/album/id/57 [Abruf: 08.08.2013].
820 821 822
841 842
Arnold, Alois Leopold: Mode-Grafik. Ein Lehr- und Fachbuch für
Für den folgenden Absatz vgl. Ebner 2002 (wie Anm. 32), S. 63f. Vgl. ebd., S. 64. Vgl. Lehnert 1998a (wie Anm. 163), S. 9. Vgl. Balsamo, Anne: Technologies of the gendered body. ReaKimmelman 2008 (wie Anm. 247). Obgleich die Mode von der Frage „Wer bin ich?“ handelt, wird
Vgl. Chalayan [o.D.c] (wie Anm. 818).
Identität bei Barthes über das „Spiel“ der Verkleidung ins Belanglose
Vgl. Chalayan [o.D.d] (wie Anm. 819).
gezogen. Vgl. Barthes (1967) 1985 (wie Anm. 123), S. 262f.
Vgl. Golbin, Pamela: Readings, in: Hussein Chalayan, hg. von
843
Rushdie verwendet den Begriff „Bastard-Ich“ in seinem Nach-
Robert Violette, New York [u.a.] 2011r, S. 183, und SHOWstudio:
trag zu den öffentlich kritisierten Satanischen Versen, um sein Plädoyer
Homepage – Readings (2000‒2013a), in: http://showstudio.com/pro-
für eine Vermischung der Gesellschaft zu bekräftigen und sich von den
ject/readings/brief [Abruf: 08.08.2013].
Vorwürfen einer intendierten Beschmutzung, Beleidigung und Be-
823 824 825 826
Vgl. SHOWstudio 2000‒2013a (wie Anm. 822).
schimpfung „reiner“ Kulturen frei zu machen. Vgl. Rushdie 1992 (wie
Vgl. Brand/Teunissen 2009 (wie Anm. 218), S. 366.
Anm. 407), S. 457f.
Vgl. ebd.
844 845 846
Vgl. Shinkle, Eugénie: Interview with Penny Martin, in: Fashion
as Photograph. Viewing and Reviewing Images of Fashion, hg. von dies.,
Vgl. Berking 1998 (wie Anm. 82), S. 381‒384. Vgl. Kap. 6. Vgl. Fukai 2011 (wie Anm. 467), S. 21.
Anmerkungen
219
847
Vgl. English 2011 (wie Anm. 447), S. 29f., und Pfeifer, Sandra:
ren bedeutet. Vgl. Juneja/Falser 2013 (wie Anm. 25), S. 22.
net/international/content1.html?id=607&iid=26 [Abruf: 22.08.2013].
869
848 849 850 851 852 853 854
Vgl. English 2011 (wie Anm. 447), S. 30.
Kolonisierten beschreibt Bhabha die Inexistenz von Einheit und Duali-
Vgl. Frankel 22005 (wie Anm. 404), S. 201.
tät zwischen kulturellen Identitäten des Selbst und des Anderen. Vgl.
Vgl. English 2011 (wie Anm. 447), S. 30.
Bhabha (1994) 2000 (wie Anm. 93), insb. S. 58.
Auf der Basis des Verhältnisses zwischen Kolonisierenden und
Vgl. Babias 2008 (wie Anm. 460), S. 109f.
870
Vgl. ebd., S. 17, 29f.
und Deutsch. Erläuterungen der Übersetzerin, in: Glissant, Édouard:
Vgl. English 2007 (wie Anm. 173), S. 76.
Kultur und Identität. Ansätze zu einer Poetik der Vielheit (franz. Origi-
Der Begriff „Mannequin“ geht auf das aus dem Niederländi-
nalausgabe: Introduction à une poétique du divers, Paris 1996), über-
Thill, Beate: Glissants Begriffe und ihre Definitionen in Französisch
schen herrührende Diminutiv „Mannekijn“ zurück, das so viel wie „klei-
setzt von dies., Heidelberg 2005, S. 71‒86. Hier S. 75.
ner Mensch“ bedeutet. Es bezeichnet ein seit der frühen Neuzeit be-
871
kanntes Modell der Gliederpuppe. Im französischen Sprachgebrauch
Hussein Chalayan im Rahmen eines mit Vassiliou geführten Interviews).
meint „Mannequin“ bis heute sowohl einen künstlichen wie zugleich
872
den menschlichen Vorführkörper. Vgl. Evans, Caroline: Multiple, Mo-
Poetik der Vielheit (franz. Originalausgabe: Introduction à une poétique
vement, Model, Mode: The Mannequin Parade 1900‒1929, in: Fashion
du divers, Paris 1996), übersetzt von Beate Thill, Heidelberg 2005,
and Modernity, hg. von Christopher Breward/dies., Oxford 2005c,
S. 54.
S. 125‒145. Hier S. 125, und Peppel, Claudia: Warenkörper und Kunst-
873
figur. Das Manichino als ästhetisches Phänomen, in: Menschenkonst-
(Januar/März 2009), Nr. 195, S. 102‒103. Hier S. 103.
ruktionen. Künstliche Menschen in Literatur, Film, Theater und Kunst
874
des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. von Cerstin Bauer-Funke/Gisela Fe-
Multikulturalität eine Anhäufung vieler verschiedener Lebensentwürfe
bel, Berlin 2004 (= Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechter-
nebeneinander meint, führt nicht automatisch zu einem höheren Ni-
forschung; Bd. 9), S. 93–106. Hier insb. S. 94f.
veau des Verstehens oder der Toleranz, sondern oft im Gegenteil zu
855 856
Vgl. Kap. 7.3.2 und 8.2.
Abschottung und Xenophobie. Vgl. Beck, Ulrich: Vorwort, in: Perspekti-
Vgl. Frankel 2011 (wie Anm. 107), S. 19, und Mower 2011 (wie
ven der Weltgesellschaft, hg. von ders., Frankfurt am Main 1998,
Vgl. Vassiliou 2009 (wie Anm. 129) (Aus einem Zitat von Vgl. Glissant, Édouard: Kultur und Identität. Ansätze zu einer
Vgl. Torabully, Khai: Métissage, in: Kunstforum International Die Idee einer „vermischten“ Weltgesellschaft, die im Sinne von
Anm. 115), S. 46.
S. 7‒10. Hier S. 9.
857
875
Vgl. Deleuze/Guattari (1980) 1992 (wie Anm. 361), S. 16, 39,
Vgl. Eco, Umberto: Zeichen. Eine Einführung in einen Begriff
bzw. Kap. 4.3.
und seine Geschichte (ital. Originalausgabe: Il segno, Milano 1974),
858 859
Vgl. ebd., S. 16.
übersetzt von Günter Memmert, 12. Aufl. Frankfurt am Main 2002,
Quinn 2002a (wie Anm. 77), S. 50 (Zitat von Hussein Chalayan
S. 186. Zitiert nach: Blumentrath [u.a.] 2007 (wie Anm. 865), S. 14f.
aus einem mit Quinn geführten Interview).
876
860 861 862 863
Vgl. Kap. 4.1.
König, René: Menschheit auf dem Laufsteg: Die Mode im Zivilisations-
Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 230f.
prozess, München/Wien 1985, S. 49, 334.
Vgl. Teunissen 2011 (wie Anm. 472), S. 109.
877
Vgl. Bianchi, Paolo: Hot Spot Karibik – Einleitung, in: Kunstfo-
ihre Puppe ist“ – Von modischen Körpern, Frauen und Puppen, in:
Vgl. Kaiser/Ketchum/Kuhn 2005 (wie Anm. 365), S. 265, und
Vgl. Lehnert, Gertrud: „Es kommt der Moment, in dem sie selbst
rum International (Januar/März 2009b), Nr. 195, S. 85.
Mode, Weiblichkeit und Modernität, hg. von dies., Dortmund 1998b,
864 865
S. 86‒106. Hier S. 87.
Vgl. McLuhan/Powers (1989) 1995 (wie Anm. 507), S. 165. Vgl. Blumentrath, Hendrik [u.a.]: Transkulturalität. Tür-
878
Vgl. Lehnert, Gertrud: Körper und Cover: Mode und Geschlecht,
kisch-deutsche Konstellationen in Literatur und Film, hg. von Herbert
in: Magisch angezogen: Mode. Medien. Markenwelten, hg. von Stefanie
Kraft, Münster 2007 (= Literaturwissenschaft. Theorie und Beispiele;
Schütte/Susanne Becker, München 1999, S. 114‒123. Hier S. 114.
Bd. 9), S. 24.
879
866 867
S. 97.
Vgl. ebd. Vgl. Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne, 4. Aufl.
880
Für den folgenden Absatz vgl. Lehnert 1998b (wie Anm. 877), Vgl. Teunissen, José: Die Frau von ihrem Sockel stürzen, in: Fas-
Berlin 1993, S. 5. Zitiert nach: Blumentrath [u.a.] 2007 (wie Anm. 865),
hion, body, cult, hg. von Elke Bippus/Dorothea Mink, Stuttgart 2007 (=
S. 24.
Hochschule für Künste Bremen; Bd. 3), S. 172‒199. Hier S. 177.
868 Juneja versteht das Konzept des Hybriden als eine Mischung
chen Wandel begriffenen, nicht abgeschlossenen Kulturen. Die vorlie-
881 882 883 884
gende Arbeit geht, wie im Text ausgeführt, von einer Austauschnahme
(franz. Originalausgabe: Émile ou De l’éducation, Amsterdam 1762), hg.
unterschiedlichster Systeme und Elemente aus und berücksichtigt, dass
von Martin Rang, übersetzt von Eleonore Sckommodau, Stuttgart
von zwei als rein konzipierten Kulturen. Dieses eigne sich nicht für eine Erforschung von Beziehungsprozessen zwischen den im kontinuierli-
220
Hybridisierung eine Entgrenzung sich stets neu formierender Struktu-
Culture without borders [o.D.], in: pool (Online), http://www.pool-mag.
Anmerkungen
Vgl. u.a. ebd., S. 179, und Lehnert 1996 (wie Anm. 744), S. 56. Vgl. Lehnert 1998b (wie Anm. 877), S. 87, 101f. Vgl. ebd., S. 102. Vgl. Rousseau, Jean-Jacques: Emile oder Über die Erziehung
1963, S. 719‒954. Im fünften Buch von Sophie oder die Frau legt Rous-
901
seau die aufklärerisch geprägte, aus der „natürlichen“ Bestimmung
gerne mit Swinton. Vgl. u.a. Teunissen, José: Woman by Viktor & Rolf,
herrührende Prämisse über eine geschlechtlich definierte Komplemen-
in: Woman by, hg. von dies. (Ausstellungskatalog Utrecht, Centraal
tarität zwischen Mann und Frau fest. Ausgehend vom Grundprinzip des
Museum, 2003), Utrecht 2003d, S. 128‒143. Hier S. 133.
„dem Menschen“ gleichgestellten Mannes und der Frau, stellt er ein allgemeingültiges Oppositionskonstrukt von Eigenschaften beider Ge-
902 903
schlechter fest, indem er dem männlichen Charakterbild von Aktivität
man by, hg. von José Teunissen (Ausstellungskatalog Utrecht, Centraal
und Stärke, die weibliche Passivität und Schwäche entgegensetzt. In
Museum, 2003), Utrecht 2003, S. 80‒95. Hier S. 85.
ihrer „naturgegebenen“ Rolle einer Ehefrau und Mutter ist es die Be-
904
stimmung der Frau, dem Mann zu gefallen. Daraus erklärt sich auch
hg. von José Teunissen [u.a.], Amsterdam 2004, S. 87‒90. Hier S. 89.
ihre „Putzsucht“, denn ihre Macht liegt allein in ihren „Reizen“.
die Gegenwart angepasst und bequem zu tragen. Die Trägerin kann den
905 Frankel 22005 (wie Anm. 404), S. 92. 906 Vgl. Lehnert 22008 (wie Anm. 353), S. 130ff. 907 Vgl. Barthes (1967) 1985 (wie Anm. 123), S. 263f. 908 Vgl. ebd. 909 Vgl. ebd., S. 264. 910 Vgl. Sudjic 1990 (wie Anm. 707), S. 58. 911 Vgl. English 2011 (wie Anm. 447), S. 35. 912 Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 81. 913 Vgl. Irvine 2001 (wie Anm. 138). 914 Vgl. Ebner 2002 (wie Anm. 32), S. 65. 915 Vgl. Teunissen 2003b (wie Anm. 50), S. 66. 916 English 2011 (wie Anm. 447), S. 54. Zitat des Designers Yohji
Reißverschluss an ihrem Korsett selbst hochziehen. Vgl. ebd., S. 185.
Yamamoto.
892
917
885 886 887 888
Vgl. Lehnert 1998b (wie Anm. 877), S. 86f., 101. Vgl. ebd., S. 86, 101. Vgl. ebd., S.102f. Für den folgenden Absatz vgl. Teunissen 2007 (wie Anm. 880),
S. 179, 181, 183.
889
Vgl. Teunissen, José: De agressive glamour van Véronique Leroy,
in: Items, tijdschrift voor vormgeving 6 (1994), [o.S.]. Zitiert nach: Teunissen 2007 (wie Anm. 880), S. 185.
890 891
Vgl. Teunissen 2007 (wie Anm. 880), S. 189. Westwoods Stücke sind zwar sehr kompliziert gearbeitet, aber an
Für den folgenden Absatz vgl. ebd., S. 19, 173f., 183, 185, 187,
Auch Viktor & Rolf, Chanel oder Pringle of Scotland arbeiten
Vgl. Hilpold/Reicher 2009 (wie Anm. 326). Vgl. Ferwerda, Jetty: Woman by Ann Demeulemeester, in: Wo-
Vgl. Terreehorst, Pauline: Glossy realism, in: The ideal woman,
Für den folgenden Absatz vgl. Teunissen 2007 (wie Anm. 880),
189.
S. 191.
893 Vgl. Vinken 1993 (wie Anm. 312), S. 33. 894 Uta Brandes verweist in einem Aufsatz zur Modellierung des
918
Weiblichen in der Mode auf die Situation der Gleichzeitigkeit verschie-
919
dener Konstrukte eines einzigen Geschlechtskörpers. Seine „Vielge-
behinderte Model. Vgl. Kap. 8.1.2. Da die Darstellung von Behinderun-
sichtigkeit“ schließt ein Entweder-Oder („nobody“ und „somebody“)
gen oder gänzlicher Nacktheit eher eine Ausnahme in Chalayans Schaf-
überkommener Körpervorstellungen aus. Vgl. Brandes, Uta: Vom Saum
fen darstellen, wird in Kap. 9 nicht tiefergehend auf „unvollkommene“
zum Bündchen – Körperkonstruktionen und Geschlechterinszenierun-
Körper dieser Art eingegangen.
Vgl. Lehnert 1998b (wie Anm. 877), S. 91, und Rousseau (1762)
1963 (wie Anm. 884), S. 719‒954. Siehe auch das von Chalayan fotografisch inszenierte entblößte,
gen, in: in. femme fashion 1780‒2004. Die Modellierung des Weibli-
920
chen in der Mode, hg. von Patricia Brattig (Ausstellungskatalog Köln,
konzepte im Wandel, Trier 2006 (= Focal Point. Arbeiten zur anglisti-
Museum für angewandte Kunst, 2003), Stuttgart 2003, S. 156‒165.
schen und amerikanischen Medienwissenschaft; Bd. 2), S. 257.
Hier S. 158, 164.
921
895
Vgl. Jonkers, Gert: Woman by Vivienne Westwood, in: Woman
als Medium der Gender(de)konstruktion, in: Kulturanthropologie des
by, hg. von José Teunissen (Ausstellungskatalog Utrecht, Centraal Mu-
Textilen, hg. von Gabriele Mentges unter Mitarbeit von Nina Schack/
seum, 2003), Utrecht 2003a, S. 17‒31. Hier S. 18.
Heike Jenß, Ebersbach 2005, S. 305‒319, S. 305.
896 897
Vgl. Teunissen 2007 (wie Anm. 880), S. 193.
922
Vgl. Lehnert 22008 (wie Anm. 353), S. 18. Lehnert erkennt in der
Strukturformel einer Medialität des Figurenkörpers, in: Theater als Pa-
Mode die Erschaffung eines zweiten Kleiderkörpers sowie eines fiktio-
radigma der Moderne? Positionen zwischen historischer Avantgarde
nalen biologischen Körpers, womit wieder die „Unnatürlichkeit“ der
und Medienzeitalter, hg. von Christopher Balme/Erika Fischer-Lichte/
Mode (siehe Einleitung zu Kap. 9) zum Ausdruck gebracht wäre.
Stephan Grätzel, Tübingen/Basel 2003 (= Mainzer Forschungen zu
898 899
Drama und Theater; Bd. 28), S. 447‒475. Hier S. 469.
Teunissen 2003b (wie Anm. 50), S. 67. Vgl. Schacknat, Karin: Unbeschreiblich weiblich!, in: The ideal
923
Gunzenhäuser, Randi: Automaten – Roboter – Cyborgs. Körper-
Vgl. Gaugele, Elke: Drags, Garçones und Samtgranaten. Mode
Vgl. Wagner, Meike: Muster auf Grund. Das Ornament als
Vgl. Lévi-Strauss, Claude: Traurige Tropen (franz. Originalaus-
woman, hg. von José Teunissen [u.a.], Amsterdam 2004, S. 99‒106.
gabe: Tristes Tropiques, Paris 1955), übersetzt von Eva Moldenhauer,
Hier S. 99.
Frankfurt am Main 1978, S. 185. Zitiert nach: Wagner 2003 (wie
900
Anm. 922), S. 469f.
Vgl. Eşkinat 2010 (wie Anm. 71), S. 46. Siehe auch Kap. 4.2., in
dem die Arbeit unter dem Aspekt der Verwendung ungewöhnlicher
924
Materialien, in diesem Fall Blut, besprochen wurde.
tiert nach: Wagner 2003 (wie Anm. 922), S. 471.
Vgl. Belting, Hans: Bildanthropologie, München 2001, S. 35. Zi-
Anmerkungen
221
925 926
Vgl. Wagner 2003 (wie Anm. 922), S. 471.
948
Vgl. Evans, Caroline: Eyes, Masks and Masquerade, in: 6+ Ant-
lungsmannequins. Fotografieren ist in den verschiedenen Ausstellun-
werp Fashion, hg. von Kaat Debo (Ausstellungskatalog Brüssel, Flemish
gen Chalayans nicht erlaubt und Nahaufnahmen existieren so gut wie
Parliament in collaboration with MoMu, 2007), Gent 2007, S. 8‒13.
gar nicht.
Hier S. 12.
949
927
Hoffmanns Erzählung vom ‚Sandmann‘. Mit Bildern aus Alltag & Wahnsinn,
Vgl. Teunissen 2007 (wie Anm. 880), S. 174, und Jonkers, Gert:
Vgl. Wawrzyn, Lienhard (Hg.): Der Automaten-Mensch. E. T. A.
Woman by Maison Martin Margiela, in: Woman by, hg. von José Teunis-
Berlin 1982 (= Wagenbachs Taschenbücherei; Bd. 24), insb. S. 79‒86.
sen (Ausstellungskatalog Utrecht, Centraal Museum, 2003), Utrecht
950
2003b, S. 48‒63. Hier S. 53.
1909), hg. von Michael Landmann, Stuttgart 1957, S. 153.
928 929 930
Vgl. Jonkers 2003b (wie Anm. 927), S. 53.
951
Vgl. Barthes (1967) 1985 (wie Anm. 123), S. 265.
(wie Anm. 472), S. 109, und Lehnert, Gertrud: Das vergängliche Kleid, in:
Vgl. Lehnert 1996 (wie Anm. 744), S. 62, 68, und Loschek 62011
Vgl. Simmel, Georg: Brücke und Tür (Originalausgabe: Berlin Vgl. Ash 1999 (wie Anm. 396), S. 128‒142; auch Teunissen 2011
Kunstforum International (Juni/Juli 2009), Nr. 197, S. 267‒277.
(wie Anm. 227), S. 381.
952
931
hion and Modernity, hg. von Christopher Breward/Caroline Evans, Ox-
Vgl. etwa Anm. 854 in Kap. 9.1 zur Erläuterung der etymologischen
Vgl. Hauser, Kitty: The Fingerprint of the Second Skin, in: Fas-
Herkunft des Begriffes Mannequin und seines Gebrauches in der Mode.
ford 2005, S. 153‒170. Hier insb. S. 153‒157.
Vgl. Evans 2005c, S.125, und Peppel 2004 (wie Anm. 854), insb. S. 94f.
953 954 955 956
932 933 934
Vgl. Barthes (1967) 1985 (wie Anm. 123), S. 265. Vgl. Teunissen 2007 (wie Anm. 880), S. 174. Vgl. Weiss, Judith Elisabeth: Defacement/Refacement. Lö-
Vgl. ebd., S. 156f. Vgl. Ash 1999 (wie Anm. 396), S. 141. Vgl. ebd., S. 139 Entwistle, Joanne/Wilson, Elizabeth: Body Dressing, London
schung, Leere, Verlust, in: Kunstforum International (Juli/August 2012),
2001, [o.S.]. Zitiert nach: Ebner 2002 (wie Anm. 32), S. 63.
Nr. 216, S. 72‒87. Hier S. 78.
957
935 936
einem mit Jacobs geführten Interview).
Vgl. ebd., S. 78f. Vgl. McLuhan (1964) 1968 (wie Anm. 195), S. 40. Der hier ge-
958
Jacobs 2009 (wie Anm. 159) (Zitat von Hussein Chalayan aus In Daumiers Lithografie Emotions Parisiennes von 1840 agieren
nannte Gedanke der Vervollständigung des fehlenden Gesichtes leitet
die ausgestellten Korsette als Stellvertreter der verschiedenen Gelieb-
sich von McLuhans „Undurchschaubarkeit“ ab, die er in Verbindung mit
ten, die der Herr vor dem Schaufenster schmunzelnd wiederzuerken-
Sonnenbrillen setzt. In beiden Fällen ist eine Teilnahme des Betrachters
nen glaubt. Vgl. Koda 52011 (wie Anm. 372), S. 80.
zur Bestimmung des unvollständigen Antlitzes vonnöten. Modepuppen, in: Räume der Mode, hg. von dies., München 2012c,
959 960 961
S. 261‒287. Hier S. 261f.
netics and Society, Boston 1989, S. 46. Zitiert nach: Gray, Chris Hables:
938 Vgl. Violette 2011 (wie Anm. 72), S. 165. 939 Vgl. ebd., S. 165. 940 Der Film war zu sehen im Rahmen der Ausstellung Hussein
Cyborg Citizen. Politik in posthumanen Gesellschaften (amer. Original-
Chalayan 1994‒2010 im Istanbul Modern, Istanbul (15. Juli‒24. Okto-
962
ber 2010).
com/#/videos.2001.2001_s_s_ventriloquy/ [Abruf: 28.10.2013].
941 942
Vgl. Violette 2011 (wie Anm. 72), S. 165.
963
Baudelaire erläutert die historische Rolle des Reispuders für die
Raman Schlemmer: Oskar Schlemmer. Tanz Theater Bühne (Ausstel-
Korrektur des natürlichen, makelhaften Teints, wodurch dieser ins Abs-
lungskatalog Düsseldorf, Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfa-
trakte, gar ins „Höhere“ überführt würde. Vgl. Baudelaire (1857‒1860)
len, 1994), Ostfildern bei Stuttgart 1994, S. 156‒161. Hier S. 156.
937
Vgl. Lehnert, Gertrud: Théatre(s) de la mode: Moderäume und
Vgl. English 2011 (wie Anm. 447), S. 51f. Vgl. ebd., S. 52. Wiener, Norbert: The Human Use of Human Beings. Cyber-
ausgabe: Cyborg Citizen. Politics in Posthuman Age, New York/London 2001), übersetzt von Wolfgang Sützl, Wien 2002, S. 249. Aufnahme der Show abrufbar unter: http://husseinchalayan. Vgl. Müller, Maria: Das Triadische Ballett, in: Jaîna Schlemmer/
1989 (wie Anm. 344), S. 199, 250.
964
943 944 945
Vgl. ebd., S. 199, 248f.
ethe-Institut (Online), http://www.goethe.de/kue/tut/tre/de4630204.
Vgl. ebd., S. 199.
htm [Abruf: 15.09.2013].
Zum intrinsischen Charakter der Mode als einer stets im Wechsel
München 1952), 9. Aufl. München 1980, S. 370‒373.
965 966 967 968 969 970
947
Vgl. ebd. Siehe auch Blühm, Andreas: Pygmalion. Die Ikonogra-
I Luoghi del futurismo (1909‒1944). Atti del convegno nazionale di
phie eines Künstlermythos zwischen 1500 und 1900, Frankfurt am
studio, Macerata, Rom 1961, insb. S. 27ff., 185ff. Zitiert nach: Hersey
Main 1988 (Phil. Diss. Berlin 1982).
2009 (wie Anm. 728), S. 143.
(von Kleidungstrends) begriffenen und dadurch als „vergänglich“ erachteten, den Tod „kitzelnden“ Disziplin vgl. Kap. 4.2, bzw. Benjamin 1983a (wie Anm. 319), S. 111, und Benjamin 1983b (wie Anm. 586), S. 130.
946
222
Am deutlichsten ersichtlich in direkter Betrachtung der Ausstel-
Vgl. Ovidius Naso, Publius: Metamorphoses, Liber X (1. Aufl.
Anmerkungen
Vgl. Wesemann, Arnd: Tanz am Bauhaus (Juni 2009), in: Go-
Vgl. ebd. Vgl. Evans 32009 (wie Anm. 64), S. 165. Vgl. Giedion (1948) 1982 (wie Anm. 487), S. 147‒150. Vgl. ebd., S. 151. Vgl. Scheper 1988 (wie Anm. 20), S. 16. Vgl. Passamani, Bruno: La vocazione teatrale di Depero, in:
dung des Menschen ist die automatisierte Holzpuppe Olimpia aus E. T.
971
987 988
A. Hoffmanns Erzählung vom Sandmann. Vgl. dazu Wawrzyn 1982 (wie
Homepage – Readings, Interview Films (2000‒2013b), in: SHOWstu-
Anm. 949), insb. S. 79‒86. Die aus der Verbindung von Technik und
dio, http://showstudio.com/project/readings/interview_films [Abruf:
Magie hervorgegangene Hadaly aus dem französischen Roman Die
08.08.2013].
künftige Eva (1886) verfügt ebenfalls über derartige künstliche Augen, die nunmehr von den menschlichen kaum zu unterscheiden sind:
989 990
„Diese Nachahmungen schauen so feierlich, daß man wahrhaftig den
Klangkulisse futuristischer Großstadtvisionen, in: Großstadt. Motor der
Eindruck hat, sie seien beseelt.“ Villiers de L’Isle-Adam, Auguste de: Die
Künste in der Moderne, hg. von Burcu Dogramaci, Berlin 2010,
künftige Eva (franz. Originalausgabe: L’Eve future, 1886), übersetzt von
S. 113‒126. Hier S. 113.
Manfred Gsteiger, Zürich 2004, insb. S. 268‒402.
991
972
schön. Ungeheuerliches in der Kunst, Wien 2011, S. 11.
Paradigmatisch für das Streben nach einer künstlichen Nachbil-
Vgl. Kleist, Heinrich von: Über das Marionettentheater (Origi-
Vgl. Waldemeyer 2013 (wie Anm. 986). Vgl. Golbin 2011r (wie Anm. 822), S. 183, und SHOWstudio:
Vgl. Broekman/Winkler 2008 (wie Anm. 98), S. 63. Für den folgenden Absatz vgl. Hanstein, Lisa: Lichterglanz und
Vgl. Beaufort-Spotin, Christian [u.a.]: Vorwort, in: Schaurig
Aufsätze und Anekdoten, mit Zeichnungen von Oskar Schlemmer und
992 993
einem Nachwort von Josef Kunz (1. Aufl. Frankfurt am Main 1980),
nation at work, Durham/London 2011, S. 4f.
6. Aufl. Frankfurt am Main 1989, S. 7‒22, und Hersey 2009 (wie
994 995 996
nalausgabe erschienen in: Berliner Abendblätter 12.‒15.12.1810),
Anm. 728), S. 143f.
973
Siehe Kap. 8.2, in dem Ventriloquy unter dem Aspekt einer com-
Vgl. Balsamo 1996 (wie Anm. 840). Vgl. Balsamo, Anne: Designing culture: the technological imagiMcLuhan (1964) 1968 (wie Anm. 195), S. 62. Vgl. Quinn 2007 (wie Anm. 978), S. 135. Gemeint ist, ausgehend vom Gründungsmanifest und zwei Ma-
putertechnologisch in animierte Filme übertragenen Mode untersucht
nifesten zur futuristischen Malerei, die 1912 erschienene Schrift zur
wird.
futuristischen Bildhauerei. Vgl. Boccioni, Umberto: Die futuristische
974 975
Vgl. Golbin 2011h (wie Anm. 343), S. 72.
Bildhauerkunst (ital. Originalausgabe: Manifesto tecnico della scultura
Aufnahme der Show abrufbar unter: http://husseinchalayan.
futurista, in: L’Italia 30.09.1912), in: Der Futurismus. Manifeste und
com/#/videos.2007.2007_s_s_one_hundred_and_eleven/ [Abruf:
Dokumente einer künstlerischen Revolution 1909‒1918, hg. von Um-
06.11.2013].
bro Apollonio, Köln 1972, S. 66‒73.
976
997
Vgl. Jardin, Xeni: Hussein Chalayan’s awesome animatronic
Vgl. Schneede, Uwe M.: Umberto Boccioni, Stuttgart 1994,
fashion (06.10.2006), in: boingboing, http://boingboing.net/2006/10/
S. 141f.
06/hussein-chalayans-aw.html [Abruf: 15.09.2013]. Jardin verwendet für Chalayans elektronisch gesteuerte, zwischen Animation und Elekt-
998 999
ronik angesiedelte Kleidungsstücke den Ausdruck „animatronic cou-
bert Violette, New York [u.a.] 2011s, S. 110.
ture“. Vgl. Golbin 2011i (wie Anm. 347), S. 132.
1000 Vgl. Pietsch 2009 (wie Anm. 719). 1001 Vgl. Marinetti, Filippo Tommaso: Gründung und Manifest des
977 978
Vgl. Boccioni (1912) 1972 (wie Anm. 996), S. 69f. Vgl. Golbin, Pamela: Inertia, in: Hussein Chalayan, hg. von Ro-
Vgl. Quinn, Bradley: Hussein Chalayan, in: Ultra Materials. Inno-
Futurismus (franz. Originalausgabe: Fondation et Manifeste du Futu-
vative Materialien verändern die Welt (engl. Originalausgabe: How
risme, in: Le Figaro, Paris 20.02.1909), in: Der Futurismus. Manifeste
Materials Innovation is Changing the World, London 2007), hg. von
und Dokumente einer künstlerischen Revolution 1909‒1918, hg. von
ders., übersetzt von Marco Braun, München [u.a.] 2007, S. 132‒135.
Umbro Apollonio, Köln 1972, S. 30‒36.
Hier S. 135, und Golbin 2011i (wie Anm. 347), S. 132. Vgl. etwa Kap. 2.3 und 4.2.
1002 Vgl. ebd., S. 32. 1003 Vgl. ebd., S. 34f., und Bartsch, Ingo: L’uomo meccanizzato
979 980
Vgl. Mower, Sarah: Chalayan (04.10.2006), in: Style.com, http://
nell’ideologia del futurismo, in: Futurismo 1909‒1914. Arte, architet-
www.style.com/fashionshows/review/S2007RTW-HCHALAYA/ [Ab-
tura, spettacolo, grafica, letteratura, hg. von Enrico Crispolti (Ausstel-
ruf: 08.03.2010].
lungskatalog Rom, Palazzo delle Esposizioni, 2001), Mailand 2001,
981
S. 24‒31. Hier S. 28.
Film abrufbar unter: http://cargocollective.com/marcustom
linson/AIRPLANE-DRESS-film-TOMLINSON-CHALAYAN-dress-1999 [Abruf: 20.09.2013].
982 983 984 985 986
1004 Vgl. Giedion (1948) 1982 (wie Anm. 487), S. 33. 1005 Ein deutlich übersteigerter Patriotismus und eine fanatische
Vgl. Quinn 2007 (wie Anm. 978), S. 134.
Vaterlandsliebe, mit der Ablehnung von „Feiglingen, Pazifisten und An-
Vgl. Leao (1994) 2013 (wie Anm. 411), S. 10.
tiitalienern“, machte den Futurismus anfällig für faschistisches Gedan-
Vgl. ebd.
kengut. Vgl. Schulz-Hoffmann, Carla: Volumi Orizzontali, München
Vgl. Quinn 2011 (wie Anm. 324), S. 166f.
1981 (= Bayerische Staatsgemäldesammlungen. Künstler und Werke;
Vgl. Golbin 2011r (wie Anm. 822), S. 183, und Waldemeyer,
Bd. 2), S. 4.
Moritz: Homepage – Hussein Chalayan – Readings – laser dresses (2013), in: http://www.waldemeyer.com/hussein-chalayan-readings-laser-dresses [Abruf: 22.09.2013].
1006 Vgl. McLuhan (1964) 1968 (wie Anm. 195), S. 4f. 1007 Gunzenhäuser 2006 (wie Anm. 920), S. 256. 1008 Vgl. ebd., S. 10f.
Anmerkungen
223
1009 Vgl. Simon, Erika: Mythos und Mischwesen, in: Schaurig schön,
1013 Vgl. Gunzenhäuser 2006 (wie Anm. 920), S. 14, und Balsamo
hg. von Sabine Haag (Ausstellungskatalog Wien, Kunsthistorisches
1996 (wie Anm. 840), S. 33.
Museum, 2011), Wien 2011, S. 13‒21. Hier S. 13.
1010 Vgl. Gunzenhäuser 2006 (wie Anm. 920), S. 13, 255, und Bal-
1014 Vgl. Gray (2001) 2002 (wie Anm. 961), S. 145. 1015 Fuller erkannte im Spezialistentum „[…] nur eine verkappte
samo 1996 (wie Anm. 840), S. 32f. Manfred Clynes prägte den Begriff
Form von Sklaverei, wobei der ‚Experte‘ dazu verleitet wird, seine Ver-
für eine NASA-Konferenz, bei der es darum ging, den Menschen so zu
sklavung hinzunehmen.“ Fuller, R. Buckminster: Bedienungsanleitung
modifizieren, dass er im Weltraum leben könne. Aus den Worten „ky-
für das Raumschiff Erde, in: ders.: Bedienungsanleitung für das Raum-
bernetisch“ („cybernetic“) und Organismus („organism“) entstand das
schiff Erde und andere Schriften (amer. Originalausgabe: Operating
Wort Cyborg. Vgl. Gray (2001) 2002 (wie Anm. 961), S. 35.
Manual for Spaceship Earth, New York 1969), hg. von Joachim Krausse,
1011 Vgl. Febel, Gisela: Einleitung, in: Menschenkonstruktionen. Künstli-
übersetzt von ders./Ursula Bahn, Amsterdam/Dresden 1998,
che Menschen in Literatur, Film, Theater und Kunst des 19. und 20. Jahr-
S. 10‒120. Hier S. 29.
hunderts, hg. von Cerstin Bauer-Funke/dies., Berlin 2004 (= Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung; Bd. 9), S. 7‒18. Hier S. 7.
1016 Vgl. Baudelaire (1857‒1860) 1989 (wie Anm. 344), S. 232‒236. 1017 Vgl. McDermott (2002) 2003 (wie Anm. 133), S. 191. Aus einem
1012 Vgl. Bandau, Anja: Lieber Mestiza als Cyborg? Utopische Kon-
Zitat des Designers McQueen.
zepte im Chicana/o-Diskurs, in: Menschenkonstruktionen. Künstliche
1018 Vgl. Menkes, Suzy: Ode to the Abstract: When Designer Met
Menschen in Literatur, Film, Theater und Kunst des 19. und 20. Jahr-
Dance, in: IHT (08.01.1998), S. 11. Zitiert nach: English 2011 (wie
hunderts, hg. von Cerstin Bauer-Funke/Gisela Febel, Berlin 2004
Anm. 447), S. 78.
(= Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung; Bd. 9), S. 203–217. Hier S. 206f.
224
Anmerkungen
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© Für alle Werke bei den Autoren und Institutionen
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Abb. 45: Violette 2011, [o.S.]. Abb. 46: Zur Verfügung gestellt von Luhring Augustine Bushwick Galerie. Abb. 47: Zijpp, Sue-an van der: Introduction to the Collections, in: Hussein Chalayan, hg. von
S. 18. Abb. 62: Haehnel, Birgit: Regelwerk und Umgestaltung. Nomadistische Denkweisen in der Kunstwahrnehmung nach 1945, Berlin 2007, S. 203, Abb. 41.
Caroline Evans (Ausstellungskatalog Groningen,
Abb. 63: Eşkinat 2010, S. 32.
Groninger Museum, 2005), Rotterdam 2005,
Abb. 64: Violette 2011, S. 97.
S. 16‒45, 52‒105, 112‒153, 158‒191, S. 37 /
Abb. 65: Ebd., S. 109.
Violette 2011, S. 70f.
Abb. 66: Zur Verfügung gestellt von Neutral London.
Abb. 48: Violette 2011, S. 226f. Abb. 49: Hodge 2006, S. 54. Abb. 50: Ebd., S. 16f., Abb. 11. Abb. 51: Zur Verfügung gestellt von Farsen/Schöllhammer. Abb. 52: Violette 2011, S. 105, 107. Abb. 53: Evans 32009, S. 271, Abb. 200. Abb. 54: Eşkinat 2010, S. 24.
248
Abb. 55: Malsch, Friedemann: Robert Filliou und die
Abbildungsn achweis
Abb. 67: Evans 32009, S. 24, Abb. 5. © Bloomsbury Publishing Plc Abb. 68: Vilaseca, Estel: Die Modenschau. Konzept – Gestaltung – Umsetzung (engl. Originalausgabe: How to do a fashion show, Barcelona 2010), übersetzt von Eva Korte, München 2010, S. 34. Abb. 69: Screenshots aus: Chalayan, Hussein: Homepage – Dolce Far Niente [o.D.], in: http://
husseinchalayan.com/#/videos.2010.2010_s_s_ dolce_far_niente/ [Abruf: 25.10.2013]. Abb. 70: Screenshot aus: Chalayan, Hussein: Home-
Abb. 82: Seeling, Charlotte: Mode: 150 Jahre. Couturiers, Designer, Marken, Potsdam 2010, S. 417/Chalayan, Hussein [o.D.]: Homepage –
page – Afterwords [o.D.], in: http://hussein-
Blindscape, http://chalayan.com/collection/view/
chalayan.com/#/videos.2000.2000_a_w_after-
album/id/42 [Abruf: 08.08.2013]/ Zur Verfü-
words/ [Abruf: 26.10.2013]. Abb. 71: Drutt, Matthew (Hg.): Kasimir Malewitsch: Suprematismus, Berlin 2003, S. 100. Abb. 72: Screenshots aus: Chalayan, Hussein: Home-
gung gestellt von Museum Istanbul Modern. Abb. 83: Zur Verfügung gestellt von Museum Istanbul Modern/Violette 2011, S. 19. Abb. 84: Violette 2011, S. 22.
page – Afterwords [o.D.], in: http://hussein-
Abb. 85: Ebd., S. 20.
chalayan.com/#/videos.2000.2000_a_w_after-
Abb. 86: Bartz, Gabriele/König, Eberhard: Louvre,
words/ [Abruf: 26.10.2013]. Abb. 73: Screenshots; aufgrund von Veränderungen
Königswinter 2005, S. 429. Abb. 87: Violette 2011, S. 28.
auf der Webseite des Unternehmens Chalayan
Abb. 88: Ebd., S. 168.
ist die Aufnahme der Show nicht mehr abrufbar
Abb. 89: Zur Verfügung gestellt von Juergen Teller.
(Stand: 26.10.2013).
Abb. 90: [Anonym]: OF LIGHT, by Nick Knight
Abb. 74: Bauer, Oswald Georg (Hg.): Entfesselt. Die
(22.07.2010a), in: AnOther Magazine (Online),
russische Bühne 1900‒1930. Aus der Sammlung
http://www.anothermag.com/reader/view/
des Staatlichen zentralen A.-A.-Bachruschin-
1736/OF_LIGHT_by_Nick_Knight [Abruf:
Theatermuseums, Moskau (Ausstellungskatalog
04.08.2013], und [Anonym]: Hussein Chalayan
München, Bayerische Akademie der Schönen
[o.D.], in: Vogue (Online), http://www.vogue.
Künste, 1994), München 1994b, Katalogteil ab
com/voguepedia/Hussein_Chalayan [Abruf:
S. 75. Hier S. 211. © VG Bild-Kunst, Bonn 2015
02.08.2013]. Abb. 91: [Anonym]: N°C featuring Hussein Chalayan
Abb. 75: Ebd., S. 215.
(13.07.2010b), in: Art School Vets Magazine,
Abb. 76: Zijpp 2001, S. 89 / Screenshot; aufgrund von
http://www.artschoolvets.com/news/2010/07/
Veränderungen auf der Webseite des Unter nehmens Chalayan ist die Aufnahme der Show
13/n%C2% B0c-featuring-hussein-chalayan/ [Abruf: 04.08.2013].
nur noch auf You Tube abrufbar: http://
Abb. 92: Sudjic 1990, S. 63.
www.youtube.com/watch?v=tv5jgb7LGwY
Abb. 93: Evans 32009, S. 213, Abb. 154.
[Abruf: 26.10.2013].
Abb. 94: Screenshots aus: Chalayan, Hussein: Home-
Abb. 77: Violette 2011, S. 200.
page – Ventriloquy [o.D.], in: http://hussein-
Abb. 78: Ebd., S. 66.
chalayan.com/#/videos.2001.2001_s_s_ventrilo-
Abb. 79: Sudjic, Deyan: Rei Kawakubo and Comme des
quy/ [Abruf: 27.10.2013].
Garçons, New York 1990, S. 49, 50. Abb. 80: Eşkinat 2010, S. 79. Abb. 81: Zijpp 2005, S. 189/Block Architecture:
Abb. 95: Eşkinat 2010, S. 37. Abb. 96: Chalayan, Hussein: Homepage – Anaesthetics [o.D.], in: Chalayan, Hussein: Homepage – Over-
Homepage – Hussein Chalayan [o.D.], in: http://
view & Credits (Anaesthetics) [o.D.], in: http://
www.blockarchitecture.com/hussein-chalayan-1.
chalayan.com/collection/view/album/id/56
html [Abruf: 19.07.2013] (Bild mitte).
[Abruf: 08.08.2013] / Chalayan, Hussein:
Abbildungsn achweis
249
Homepage – Overview & Credits (Temporal
log Brüssel, Palais des Beaux-Arts, 2015), Brüssel
Meditations) [o.D.], in: http://chalayan.com/
2015, S. 29.
collection/view/album/id/57 [Abruf: 08.08.2013]. Abb. 97: Screenshots aus: SHOWstudio: Homepage –
Abb. 115: Weiss, Judith Elisabeth: Defacement/ Refacement. Löschung, Leere, Verlust, in: Kunstforum International 7–8 (2012), Nr. 216,
Readings (2000‒2013), in: http://showstudio.
S. 72–87. Hier S. 78.
com/project/readings/fashion_film [Abruf:
© VG Bild-Kunst, Bonn 2015
08.08.2013]. Abb. 98: Zur Verfügung gestellt von Museum Istanbul Modern. Abb. 99: Violette 2011, S. 198 / Zur Verfügung gestellt von Naomi Filmer. Abb. 100: Zur Verfügung gestellt von Valérie Belin. © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Abb. 101: Zur Verfügung gestellt von Valérie Belin. © VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Abb. 116: Violette 2011, S. 202, 204f. Abb. 117: Ebd., S. 165. Abb. 118: Zur Verfügung gestellt von Museum Istanbul Modern. Abb. 119: AFP/Getty Images. Abb. 120: Koda 52011, S. 80. © bpk / The Metropolitan Museum of Art Abb. 121: Zijpp 2005, S. 98. Abb. 122: Scheper, Dirk: Oskar Schlemmer – das
Abb. 102: Violette 2011, S. 76ff.
triadische Ballett und die Bauhausbühne, Berlin
Abb. 103: Ebd., S. 123.
1988 (= Schriftenreihe der Akademie der Künste;
Abb. 104: Koda 52011, S. 79.
Bd. 20), S. 35, Abb. 14.
© bpk / The Metropolitan Museum of Art Abb. 105: Evans 32009, S. 24, Abb. 4. © Bloomsbury Publishing Plc
Abb. 123: Violette 2011, S. 140. Abb. 124: Ebd., S. 90. Abb. 125: Waldemeyer, Moritz: Homepage – Hussein
Abb. 106: Violette 2011, S. 93.
Chalayan – Readings – laser dresses (2013), in:
Abb. 107: Zur Verfügung gestellt von Thierry Bal.
http://www.waldemeyer.com/hussein-chalay-
Abb. 108: Etherington, Rose: Hussein Chalayan at the Design Museum (27.01.2009), in: dezeen
an-readings-laser-dresses [Abruf: 22.09.2013] Abb. 126: Hanstein, Lisa: Lichterglanz und Klangku-
magazine, http://www.dezeen.com/2009/01/
lisse futuristischer Großstadtvisionen, in:
27/dezeen-podcast-hussein-chalayan-at-the-
Großstadt. Motor der Künste in der Moderne,
design-museum/ [Abruf: 04.09.2013].
hg. von Burcu Dogramaci, Berlin 2010,
Abb. 109: Chalayan, Hussein: Homepage – Anaesthetics [o.D.], in: Chalayan, Hussein: Homepage – Overview & Credits (Anaesthetics) [o.D.],
S. 113‒126. Hier S. [268]. © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Abb. 127: Mattioli Rossi, Laura (Hg.): Boccioni: pittore
in: http://chalayan.com/collection/view/album/
scultore futurista (Ausstellungskatalog Mailand,
id/56 [Abruf: 08.08.2013].
Palazzo Reale, 2006), Mailand 2006, Abb. 91.
Abb. 110: Violette 2011, S. 241.
Abb. 128: Zur Verfügung gestellt von Yannis Vlamos.
Abb. 111: Sudjic 1990, S. 59. Abb. 112: Violette 2011, S. 65.
Die Verfasserin hat sich bis Redaktionsschluss intensiv
Abb. 113: Zijpp, S. 35.
bemüht, alle Inhaber von Bildrechten ausfindig zu
Abb. 114: Vervaeren, Didier (Hg.): Les belges: une
machen. Sollten dennoch Ansprüche bestehen, wird
histoire de mode inattendue (Ausstellungskata-
250
Abbildungsn achweis
um Mitteilung gebeten.
Buxbaum, Gerda 46 Campbell, Naomi 169 Castelli, Leo 177 Chanel, Coco 176 Clark, Judith 18, 20 Coppola, Sofia 155, 156 Cucchi, Enzo 160 Dagworthy, Wendy 29
Personenregister Arakawa, Shinichiro 58
Dalí, Salvador 32, 51 Daumier, Honoré 183 David, Jacques-Louis 156 Delaunay, Sonia 43
Ash, Juliet 182
Deleuze, Gilles 54, 74, 170
Assmann, Aleida 84, 85
Demeulemeester, Ann 157, 174, 176
Augé Mark 78
Dempster, Dan 49
Balla, Giacomo 187
Depero, Fortunato 184
Bal, Mieke 12
Derrida, Jacques 49
Balsamo, Anne 167, 187
Diaghilev, Serge 44
Ban, Shigeru 63
Dior, Christian 32, 45
Barbier, George 35
Duff Gordon, Lucie 87, 88
Barthes, Roland 28, 31, 54, 155, 168, 177, 194
Duggan, Ginger Gregg 91
Baudelaire, Charles 52, 53, 83, 160, 181, 194
Dürer, Albrecht 35
Becker, Susanne 158
Dyckhoff, Tom 94
Beecroft, Vanessa 92
English, Bonnie 64
Belin, Valérie 171
Enzensberger, Hans Magnus 78
Benjamin, Walter 41, 42, 50, 80, 83
Evans, Caroline 18, 19, 21, 91
Berger, Otti 74
Falconet, Étienne-Maurice 182
Berg, Nanda van den 21
Falser, Michael 12
Betak, Alexandre de 87
Farsen, Nina 69
Beuys, Joseph 58
Filliou, Robert 71
Bhabha, Homi K. 23, 82, 172
Filmer, Naomi 171
Bianchi, Paolo 77
Flusser, Vilém 59, 60, 61, 72, 74, 75, 79, 80, 186
Björk 157
Foucault, Michel 77
Boccioni, Umberto 188
Fuller, R. Buckminster 80, 192
Böhme, Gernot 65
Galliano, John 45, 46
Brand, Jan 21
Gaultier, Jean-Paul 169, 174, 176
Brinkmann, Thorsten 180
Geertz, Clifford 68, 74, 85
Britt, Jim 160
Gerede, Bennu 176, 177
Brooks, Jason 36
Gérôme, Jean-Léon 182
Bruhn, Wolfgang 35
Gilbert, David 83
Personenregister
251
Gilbert & George 160
Malewitsch, Kasimir 89
Glissant, Édouard 28, 172
Mallarmé, Stéphane 160
Golbin, Pamela 20
Manlow, Veronica 93, 96
Green, Philip 160
Margiela, Martin 18, 49, 50, 89, 157, 174, 177, 179,
Gropius, Walter 10
252
180, 181
Guattari, Félix 54, 74, 170
Marinetti, Filippo Tommaso 188, 189
Güner, Deniz 54
Matisse, Henri 32, 43
Hall-Duncan, Nancy 157
Matta-Clark, Gordon 61
Haraway, Donna 190
McLuhan, Marshall 61, 71, 188, 190
Heidegger, Martin 19
McMenamy, Kristen 158
Hitchcock, Alfred 162
McQueen, Alexander 18, 89, 92, 159, 162
Hoffmann, E. T. A. 182
Mechelen, Marga van 89
Holbein d.J., Hans 35
Menkes, Suzy 18, 194
Iribe, Paul 35
Meyerhold, Wsewolod 90
Ito, Toyo 60
Mills, Russell 40, 41
James, Charles 56
Minh-ha, Trinh T. 80
Jones, Grace 169
Mink, Dorothea 43
Juneja, Monica 12
Miyake, Issey 52, 57, 65, 169, 177
Kawakubo, Rei 49, 52, 63, 93, 95, 160, 174, 177
Mnouchkine, Ariane 88
Kawasaki, Takao 93
Moore, Chris 158
Kertész, André 160
Mullins, Aimee 159
Kimsooja 76, 77
Munkácsi, Martin 155
Kipoz, Şölen 54
Orta, Lucy 90
Kishimoto, Wakako 48
Ovidius Naso, Publius 209
Kleist, Heinrich von 184
Pisanello, Antonio 35
Knight, Nick 158, 159, 164
Poiret, Paul 32, 35, 44, 87, 161, 173, 176, 177
Lang, Helmut 18, 162, 176
Polhemus, Ted 18, 45
Lapper, Alison 158, 160
Pries, Ludger 96
Le Corbusier 11
Quinn, Bradley 18, 21
Lehnert, Gertrud 21, 33, 67, 178
Quinn, Marc 51
Lepape, Georges 35
Rabanne, Paco 52
Levine, Chris 48
Rauschenberg, Robert 41, 177
Lévi-Strauss, Claude 179
Ray, Man 155
Liotard, Jean-Étienne 35
Riefenstahl, Leni 169
Lipovetsky, Gilles 19, 93, 96, 159
Roberts, Julian 161
Loos, Adolf 64
Rodtschenko, Alexander 56, 90
Lopez, Antonio 36
Roth, Dieter 49
Loschek, Ingrid 21, 31
Rousseau, Jean-Jacques 173, 178
Macho, Thomas H. 23, 72
Rushdie, Salman 59, 61, 76
Majakowski, Wladimir 90
Saatchi, Charles 50
Personenregister
Said, Edward W. 24, 59, 61, 70, 71
Thatcher, Margaret 30, 50
Saint Laurent, Yves 45, 161
Thomas, Mike 160
Sanchez, Frédéric 90
Till, Jeremy 29
Sartre, Jean-Paul 43
Tillmans, Wolfgang 158
Saville, Peter 164
Tomlinson, Marcus 158
Schacknat, Karin 156
Topen, Paul Swan 53, 57, 162
Schiaparelli, Elsa 32, 51
Tsianos, Vassilis 79
Schlemmer, Oskar 184, 185, 187, 188
Twist, Kees van 18
Schöllhammer, Isabel 69
Unwerth, Ellen von 158
Schweizer, Natalja 19
Van Beirendonck, Walter 159, 161, 162
Schwitters, Kurt 41
Van Noten, Dries 49
Siewert, Stephanie 77
Van Ryn, Aude 38, 39, 41
Sigurdsson, Lone 162
Viktor & Rolf 88, 89
Simmel, Georg 27, 47, 182
Violette, Robert 165
Smith, Colin 183
Waldemeyer, Moritz 187
Steele, Valerie 18
Welsch, Wolfgang 12
Sterbak, Jana 75
Westwood, Vivienne 85, 86, 174, 175, 176
Stipelman, Stephen 36
Whiteread, Rachel 62
Stölzl, Gunta 74
Wilson, Adrian 157
Sullivan, Louis 10, 56, 81
Wilson, Robert 88
Swinton, Tilda 50, 176, 177
Worth, Charles Frederic 32, 87, 92, 161, 173
Teller, Juergen 158, 159
Yamamoto, Yohji 49, 178
Teunissen, José 18, 86
York, Peter 29
Personenregister
253
BURCU DOGRAMACI
HEIMAT EINE KÜNSTLERISCHE SPURENSUCHE
Heimat ist ein in der deutschen Sprache verorteter Begriff. Eine Übersetzung in andere Sprachen fällt schwer, ist bisweilen unmöglich. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich „Heimat“ zu einer emotional gefassten und politisch aufgeladenen Bezeichnung entwickelt und besonders in der Zeit des Nationalsozialismus als politisch instrumentalisierte Vorstellung vom kulturell und territorial Eigenen neue Brisanz erhalten. Burcu Dogramaci begibt sich auf die Suche nach der Präsenz und Bedeutung von Heimat in der Kunst seit den 1960er Jahren. In Auseinandersetzung mit Heimattheorien und literarischen Texten beleuchtet sie die vielfältigen Bedeutungen und Deutungen von künstlerisch wie fotografisch reflektierter Heimat. Sie ordnet auch die Kehr- und Gegenbilder von Heimat, die vielen künstlerischen Arbeiten eingeschrieben sind, in einen größeren kulturgeschichtlichen und zeithistorischen Zusammenhang ein. Dabei fordert die Autorin keine wehmütige Aufwertung von Heimat ein. Im Gegenteil: sie regt an, Heimat im Kontext globaler Migrationsphänomene und Entgrenzungen neu in den Blick zu nehmen. 2016. 78 S. 42 S/W- UND 55 FARB. ABB. BR. 170 X 240 MM | ISBN 978-3-412-50205-8
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Mode design Theorie UTB 4403 m
Diese diskursive Auseinandersetzung mit Modedesign bietet Studierenden, Mode- und Designinteressierten und Akteur/inn/en der Kreativbranche eine Disziplinen übergreifende Mode- und Designtheorie an. Interdependente Verknüpfungen von Mode, Design und Theorie fokussieren implizite und explizite Wissensbestände zur Bekleidungsgestaltung als soziokulturellen Akt. Die Texte inspirieren zur kritischen Partizipation an theoretischen und praktischen Fragen zur Zukunft des Modedesigns. Thematisch umfasst das Buch Aspekte aus den Kultur-, Kommunikations-, Medien- und Designwissenschaften, Gender, Postcolonial und Cultural Studies, der Kunst- und Architekturtheorie, der Philosophie, der Soziologie, der Anthropologie und der Semiotik. Dieser Titel liegt auch als EPUB für eReader, iPad und Kindle vor. 2015. 282 S. 22 S/W-aBB. Br. 150 X 215 mm | iSBn 978-3-8252-4403-3
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