Fin de Siècle in Weimar: Moderne und Antimoderne 1885 bis 1918 9783412214210, 9783412201821


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Fin de Siècle in Weimar: Moderne und Antimoderne 1885 bis 1918
 9783412214210, 9783412201821

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Schriftenreihe des Freundeskreises Goethe-Nationalmuseum e. V.

Band 4

Angelika Pöthe

Fin

de

Siècle

in

Weimar

Moderne und Antimoderne 1885 bis 1918

2011 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Friedrich-Schiller-Universität Jena e.V. und den Freundeskreis Goethe-Nationalmuseum e.V.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Ludwig von Hofmann, Die Schloßbrücke in Weimar, um 1910

© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20182-1

Inhaltsverzeichnis

I

Vorrede ......................................................................................

1

II

Weimar um 1900 – Möglichkeiten kulturgeschichtlicher Forschung....................................................................................

2

III

„... die Weiber begännen zu denken“ – Frauenbewegung, Autorinnen und Weimar ............................................................ 10 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 2.1

2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Traditionsbezogener „Vorort“ der Frauenbewegung ........ Frauen zwischen Wohlfahrtspflege und Bildungsstreben ................................................................ Bildung und Arbeit – Hedwig Kettler und ihre Zeitschrift „Frauenberuf“ ................................................. „Alle Güte fängt beim Denken an“ – Natalie von Milde .. Die Geselligkeit des Vereins „FrauenbildungFrauenstudium“ ............................................................... Weibliches Schreiben in Weimar ..................................... „... du geheimnisvolle Goethestadt, ob man deiner je vergessen kann“ – Helene Böhlau zwischen Naturalismus und Heimatkunst......................................... Literarisierung Weimarer Emanzipationsgeschichten – Gabriele Reuter ................................................................. Klassisches Humanitätsideal und Sozialismus – Lily Braun ............................................................................... Weimarer Salonièren auf dem Weg ins 20. Jahrhundert ................................................................. Salonkultur in Kontinuität und Wandel der Zeit .............. Adelheid von Schorn ........................................................ Mathilde von Freytag-Loringhoven – die konservative Kulturvermittlerin ............................................................. Erika von Watzdorf-Bachoff – Lyrikerin und liberale Salonière ........................................................................... „... solche Feste wären wohl immer … in den Gärten von Weimar“ – Geselligkeit um Nostitz, Kessler und van de Velde ....................................................................

10 10 15 19 26 30

30 38 44 54 54 56 59 63

70

VI

IV

Inhaltsverzeichnis

Weimars Archive als kulturelle Stimuli und gesellige Orte........ 77 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 2.1 2.2 2.3 2.4

V

Verein und Fest ........................................................................... 111 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

VI

Literatur und Debatte im Umkreis des Goethe- und Schiller-Archivs ................................................................ 77 Goethe-Arbeit und Moderne ............................................. 77 Gegenwart leben in Neu-Vineta ....................................... 79 Eduard von der Hellen und die „Richtung auf das Soziale“............................................................................. 85 Rudolf Steiner in Weimar ................................................. 90 „Heiliger Hügel“ – das Nietzsche-Archiv als Ort der Geselligkeit ...................................................................... 94 Elisabeth Förster-Nietzsche und ihr Gästekreis ................ 94 Vorträge, Lesungen und Konzerte .................................... 100 Neues Weimar – Heimatkunst. Das Nietzsche-Archiv in der kulturpolitischen Auseinandersetzung.................... 105 Krieg und Geselligkeit ...................................................... 109

Weimarer Geselligkeits- und Vereinskultur – eine Einführung ............................................................... 111 Bildung ............................................................................. 116 Dichtung und Buch ........................................................... 121 Volk, Glaube und Heimat ................................................. 127 Natur, All und freie Ethik ................................................. 133 Fidelitas – die Vereinsgesellschaft zu Weimar ................. 135 Tradition – die Stahl- und Armbrust-SchützenGesellschaft ...................................................................... 140 Künstlerfeste ..................................................................... 147 Kulturstammtische: Weltfremdheit, Gelehrtentum und Kampf gegen die Moderne ............................................... 150 Feiertags Stumpfsinn? Jubiläumsfeiern zwischen Sinnsuche und Ritual ........................................................ 155

Musenhofs Ende – höfische Kulturförderung und Geselligkeit zwischen 1885 und erstem Weltkrieg ......................................... 163 1. 2. 2.1 2.2

Carl Alexanders Sohn und das kulturell-gesellige Leben des späten 19. Jahrhunderts ................................... 163 „Verständniß für die Zeitideen“ – Erbgroßherzogin Pauline .............................................................................. 169 Leben der „Gebundenen“ ................................................. 169 Frauenbewegung – Kunstgewerbe – neue Literatur – Pauline als Förderin der Moderne................... 173

Inhaltsverzeichnis

2.3 3. 3.1 3.2

VII

VII

Ende eines Kapitels – Paulines Tod in Italien .................. 181 Spannungsreiche Kunstförderung im 20. Jahrhundert – Caroline und Wilhelm Ernst ................ 181 Die „kleine Großherzogin“ an der Seite van de Veldes und Kesslers.......................................................... 181 Schwieriger Mäzen in schwieriger Zeit ............................ 187 3.2.1 Schwarzweißbilder taugen nicht............................. 187 3.2.2 Kindheit und Jugend am Ende der „Silbernen Zeit“ ...................................................... 190 3.2.3 Wilhelm Ernsts Amtsantritt zwischen überkommenem Mäzenatentum und Traditionsbruch ...................................................... 192 3.2.4 Rodin-Skandal ....................................................... 197 3.2.5 Kunstförderung am Ende der Monarchie .............. 204 3.2.6 „Landesmutter“ und „tapferer Krieger“ – Anspruch und Problematik fürstlicher Ideale ........ 215 3.2.7 Epilog ................................................................... 219

Literarisches Weimar .................................................................. 221 1. 2. 3. 4. 4.1

4.2 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Einleitung.......................................................................... 221 Das Klassische und das Nationale – Motive in Harry Graf Kesslers Essayistik .................................................. 225 Wege in die Stille – Friedrich Lienhards Essays in der zeitgenössischen Debatte ........................................ 228 Völkische Kulturbilanz und -programmatik .................... 236 Literatur als Refugium des Stammestums – Adolf Bartels’ Romane „Die Dithmarscher“ und „Dietrich Sebrandt“ .......................................................... 236 Ernst Wachlers Weg zu völkischem Bildungsroman.................................................................. 238 Bauen an der Einung und Erneuerung der Welt – das literarische Weimar entdeckt die Mystik .......................... 244 Grundlinien eines kulturellen Diskurses ........................... 244 Sprüche des „guten Meisters“ – Bruno Heinrich Eelbo....................................................... 246 Solid-sorgfältiger Bau in die Ewigkeit – Paul Quensel..................................................................... 248 Der Turm als Symbol mystischen Weltgefühls – Friede H. Kraze ................................................................ 252 Heiliger Wedding – Franz Herwig ................................... 256

VIII

Inhaltsverzeichnis

5.6 6. 6.1 6.2 6.3 6.4

VIII

Theater ....................................................................................... 284 1. 2. 2.1 2.2 3. 4.

IX

Literarische Wege zur „deutschen Mystik“ – Ernst Ludwig Schellenberg ........................................................ 261 „So liegt in der Form die Freiheit…“ – Neuklassik in Weimar ............................................................................. 265 Die Idee einer Reform von Dichtung und Kultur ............. 265 Paul Ernsts Weg zur Form ................................................ 268 Wilhelm von Scholz und sein Drama „Der Jude von Konstanz“ ................................................................. 274 Die Forderung nach moderner Kultursynthese – Samuel Lublinski .............................................................. 277

Theater im Fin de siècle und die Weimarer Hofbühne .......................................................................... 284 Im „Tivoli“ und anderswo ............................................... 286 Varieté und Überbrettl, Boulevard und moderne Dramatik ........................................................................... 286 „Es preßt die Welt in einen engen Rahmen“ – Kino in Weimar ......................................................................... 290 Bühnenreform in Debatte und Praxis ............................... 293 „Er müßte ein Gebet sein, dieser Tanz“ – Tanztheorien Moderner und Konservativer ............................................ 301

Weimar im Krieg – Schlußwort ................................................. 306

Anmerkungen .......................................................................................... 311 Siglen ......................................................................................................... 311 Literaturverzeichnis .................................................................................... 368 Personenverzeichnis ................................................................................... 390 Verzeichnis der Bildquellen .................................................................. 406

IX

Danksagung

Für stete Hilfe beim Auffinden der Quellen danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar, im besonderen Frau Oberarchivrätin Jutta Fulsche und Frau Archivrätin Dr. Katja Deinhardt. Auch im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar war man mir behilflich, Frau Dr. Roswitha Wollkopf verdanke ich wichtige Hinweise zu Carl Schüddekopf. Bei der Auswahl der Abbildungen berieten mich die Leiter des Stadtarchivs Weimar, Herr Dr. Jens Riederer, und des Stadtmuseums Weimar, Herr Dr. Alf Rößner. Die Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen gewährte mir zwei Stipendien. Zu größtem Dank bin ich dem Freundeskreis Goethe-Nationalmuseum e.V. und seinem Vorsitzenden Herrn Dieter Höhnl verpflichtet, die das Buch in ihre Schriftenreihe aufnahmen und den Druck ermöglichten.

I Vorrede

Für die Erkundung Weimars um 1900 ist der heutige Goetheplatz ein guter Ausgangspunkt. Belebt man das architektonische Ensemble mit historischer Imagination, so erscheinen Bilder jener bedeutsamen und fesselnden Zeit: In den neunziger Jahren hören Rudolf Steiner und sein Freundeskreis im Hotel „Russischer Hof“ Conrad Ansorges Nietzsche- und Dehmel-Vertonungen; 1906 treffen sich dort beim Insel-Verleger Heymel Gerhart Hauptmann, Hofmannsthal und Edvard Munch. Dominierend an der Westseite des Platzes ist die damalige Kaiserliche Hauptpost, auch sie in den Formen der italienischen Renaissance, die bis in die Moderne hinein Weimar im Äußeren und im Geistigen berühren. Nicht weit ist auf dem Karlsplatz der Jahrhundertwende das BehaglichBürgerliche und Skurrile: Zwischen Hotel und Post liegt der Laden Hofkonditor Grenzdörffers, der mit „Schillerhäuschen“ und „Wilhelm-Ernst-Torte“ historische Ereignisse kulinarisch begleitet. Die Hausnummer 4 trägt der „Brauhof“, in dem die Vereinsgesellschaft ihre spezifische Festkultur entfaltet. Vom Platz weg nach Norden geht der Blick zum Froriepschen Haus; man denkt an Natalie von Mildes dort unter Mühen etabliertes Lesezimmer für Frauen, Ausdruck weiblichen Bildungsstrebens und geselliger Ort. Das repräsentative Gebäude der „Erholung“ an der Ostseite des Platzes ist wohl dasjenige in Weimar, in dem die meisten Tagungen nationaler und internationaler Vereinigungen und Gesellschaften stattfinden, Raum bedeutender Vorträge und Debatten, aber auch zahlreicher Feste und Bälle. Schließlich schaut man nach Norden zum Museum für Kunst und Kunstgewerbe, das auch in seiner heutigen veränderten Gestalt an eine große und spannungsvolle Zeit von Kunstpflege und -reform erinnert. Notwendig führt der Weg zur Mitte des Platzes, zum Sockel des dort 1907 errichteten Carl-Alexander-Denkmals. Auf den Fotos von seiner Enthüllung glaubt man nicht nur das Äußerlich-Weihevolle der Feier zu erkennen, sondern das Bewegende seltener historischer Momente. Der Fürst, der das 19. Jahrhundert in Weimar entscheidend prägte, erscheint nun im Stadtbild, in einer Zeit, die eben dabei ist, sich von Prinzipien seiner Lebens- und Kunstauffassung zu verabschieden. Sein Denkmal verbindet tradierte und moderne Formensprache1, es wirkt wie gewachsen aus der Disparatheit weimarischer Fin-de-siècle-Kultur. Der leere Sockel heute ist ästhetisch eindrückliches Zeichen: Nicht nur fehlt die Symbolfigur einer ganzen kulturgeschichtlichen Epoche, es fehlt auch die künstlerische Handschrift des beginnenden 20. Jahrhunderts. Jedenfalls ist der leere Stein eine Aufforderung, nicht nachzulassen in der detailversessenen Erforschung weimarischer Kultur aller Zeiten. Diese führt nicht nur in die lokale Geschichte, sondern zum Allgemeingültigen unseres Gewordenseins, zum Kern menschlicher Existenz.

II Weimar um 1900 – Möglichkeiten kulturgeschichtlicher Forschung

Seit einigen Jahren beschäftigen sich Publikationen mit Weimars ‚Silberner Zeit′, jenem weitwirkenden 19. Jahrhundert und seinen Persönlichkeiten.1 Man weiß nun, daß diese nicht als fade Epigonen und unproduktive „Enkel“ durch eine sich wandelnde Welt taumeln; man versteht mehr von dem eigenen Wert historischer Epochen. Es ist nicht nur gerecht, sondern vom Stand bisheriger Quellensichtung und Analyse geradezu geboten, auch die Wende zum 20. Jahrhundert in den Blick zu nehmen: Ihre kulturellen Entwicklungen lassen sich nicht mit herablassendem Scherz über die „bronzene Zeit“2 oder in der einlinig-klischeehaften These vom Kampf der Moderne gegen die Reaktion erfassen. Manches spricht dafür, die Untersuchung von Literatur und Geselligkeit nicht erst mit der Zäsur um 1900 zu beginnen. Zwar ist diese durch den Tod Nietzsches und den des Großherzogs Carl Alexander, der Symbolfigur der ‚Silbernen Zeit′, besonders akzentuiert. Wie anderswo deuten sich auch in Weimar aber gravierende Wandlungen nicht nur der Kunstauffassung, sondern des gesamten Lebensgefühls früher an. Der Begriff „Fin de siècle“ beschreibt Spätzeitstimmung und Neuansatz, Krisenbewußtsein und Dekadenz, Ästhetizismus, Rausch, Todessehnsucht, Befreiung aus jeglichen Abhängigkeiten. Auch Weimar erlebt sein Fin de siècle, weniger spektakulär als das Berlin der jungen Naturalisten und der Freien Bühne, als die „leuchtende“ Kunststadt München oder gar als das Wien Schnitzlers und Hofmannsthals. Im Jahr 1885 setzt hier nicht nur die Arbeit an Goethes Nachlaß, sondern auch eine intensive Rezeption der Moderne ein, beides nicht unabhängig voneinander, sondern in enger theoretischer Verknüpfung, zum Teil von den gleichen Personen getragen, in eindringlichem, von außen angeregtem Austausch. Die Entwicklung der Kultur, insbesondere von Literatur und Geselligkeit, wird bis 1918 zu verfolgen sein, als sich mit dem Untergang der Monarchie nach dem verheerenden Weltkrieg ein wesentlicher Einschnitt ergibt. Die Darstellung des literarisch-kulturellen Weimars in einer krisenhaftspannungsvollen und faszinierenden Epoche hat eine Fülle bisher unbekannten Archivmaterials zu beachten. Der Blick auf Texte und Persönlichkeiten weitet sich zu einem kulturellen Panorama der Stadt in der Zeit, in dem Probleme unserer eigenen Existenz an der Schnittstelle zweier Jahrhunderte bereits aufscheinen. Die reichhaltige Fin-de-siècle-Forschung sowohl als germanistischer wie als komparatistischer Gegenstandsbereich bezieht sich in erster Linie auf die Metropolen: Intensiv ist die Beschäftigung mit der Wiener Moderne3, die „Kunststadt“ München4 und das Berlin zwischen Naturalismus und Frühexpressionismus werden unter verschiedenen theoretischen Aspekten untersucht. Die Kultur der drei Städte um 1900 erscheint in kommentierten Quellensammlungen.5 Obgleich man weiß, daß auch die Moderne in Deutschland bei aller internationalen Rezeptivität regional

Weimar um 1900 – Möglichkeiten kulturgeschichtlicher Forschung

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geprägt ist, existieren für Weimar keine vergleichbaren Darstellungen.6 „Zwischen Konvention und Avantgarde“ heißt der Titel eines Sammelbandes über die Doppelstadt Jena-Weimar um 1900: Das dort benannte Desiderat, Literatur und Geselligkeit detailliert zu untersuchen7, ist – trotz einzelner erhellender Spezialstudien8 – bis heute uneingelöst. Meike G. Werners Analyse der „Moderne in der Provinz“ wendet sich der Nachbarstadt Jena zu. Ihr berechtigtes Anliegen ist es, „nicht nur die Großstadt, sondern auch die Peripherie als bedeutende Instanz der Moderne“9 zu beachten. Die Verfasserin polemisiert gegen Thesen, die die Provinz als „Chiffre der Reaktion schlechthin“10 verstehen und erörtert kulturelle Modernisierungsprozesse in der Wissenschafts- und Arbeiterstadt Jena. Freilich untersucht Werner fast ausschließlich die Bestrebungen Eugen Diederichs’ und seiner Mitstreiter; Vereinswesen und sonstige Festkultur Jenas werden allzu pauschal abgetan, damit des Verlegers und seines Serakreises Licht leuchte. Die in jüngerer Zeit erschienenen Kulturgeschichten11 der Stadt Weimar lassen sich nichts weniger als detailliert auf Entwicklungen in Literatur und Kunst ein; ihr beschränkter Raum auch zwingt zu problematisch vergröbernden Sichten auf Weimarer Fin de siècle: Im allgemeinen konstatiert man die Sterilität der Klassikpflege um Goethe- und Schiller-Archiv und Goethe-Gesellschaft, berichtet sodann über den „Kampf“ des Kesslerschen Neu-Weimar-Projekts gegen die kulturellen Anzeichen der Reaktion. Die eine wie die andere Richtung bleiben seltsam unkörperlich; Texte, literarische Muster, Personen und Lebensläufe, Vorstellungen und Geselligkeitsformen werden kaum erörtert. Der heutige Forschungsstand läßt es geboten erscheinen, die Beziehung der Moderne in Weimar zu völkisch-konservativen Konzeptionen genauer zu untersuchen als in der Formel vom „Kampf gegen Reichsbeseeler und Heimatkunst“12. Die Geschichte von Moderne und Antimoderne ist wohl eine der Auseinandersetzung, aber eben auch eine der gegenseitigen Bezüge, gleicher Argumente, kultureller Befunde und Bilanzen; sogar Reformüberlegungen und Gesellschaftsmodelle weisen gelegentlich Ähnlichkeiten auf. Der Widerstand gegen die Moderne, gegen die ästhetische, erst recht gegen neuzeitliche Entwicklungen in Gesellschaft, Religion und Ethik, ist in vielen Punkten berechtigt. Es ist auch nicht länger zulässig, konservative Literatur und Kunst gewissermaßen als einheitlichen Block anzusehen, schon gar nicht als einen, der bloßer Vorbereitung totalitärer Entwicklung diente. Gerade in Weimar finden sich vielschichtige Überlagerungen von überkommenen Denk- und Kunstelementen – gewissermaßen klassischem Gut, das im 19. Jahrhundert tradiert wird – mit Gedanken und Konzeptionen, die als avantgardistisch verstanden werden. Das „Neue Weimar“, jener Reformversuch der künstlerischen Moderne, rekurriert vielfältig auf die ‚Silberne Zeit′: Wieder will man Weimar zum Zentrum europäischer Kulturblüte machen und alle Kunstgattungen gleichermaßen fördern. Man versucht, Provinz und Kosmopolitismus zusammenzuführen, betont die Rolle des „geselligen“ Weimars gegen die ökonomisch-politische Dominanz des preußischen Berlins. Selbst Kesslers Forderung einer Kunst, die nach überindividuellen Prinzipien gestaltet wird, ist nachklassischer Gedankenwelt sehr nahe. Das

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bekannteste Beispiel für die Aufnahme des Traditionellen ist wohl die Idee, einen neuen Musenhof zu schaffen, an dem der moderne Künstler gebildete Rezipienten und Gesprächspartner finde. Die Weimarer Kultur um 1900 ist nicht homogen, auch nicht nach dem bekannten Barrikadenmuster aufzuteilen, sie bildet ein Geflecht von widersprüchlichen Tendenzen. Der Widerstand gegen die Nivellierung des Subjekts in sozialen und technischen Mechanismen führt zu Konzeptionen, für deren Beurteilung Begriffe wie „modern“ oder „konservativ-völkisch“ nicht greifen: Mit seinen Ideen einer Verschönerung der Rasse13 etwa steht Harry Graf Kessler Lienhards EdelmenschenVorstellungen14 nahe, nur daß jener die blutsmäßige Auslese stärker betont als der idealische Heimatkünstler. „Weimar leuchtete.“ Macht man sich einen Spaß und adaptiert Thomas Manns Eingangssatz aus der Erzählung „Gladius Dei“15, mit dem er das München der Jahrhundertwende kennzeichnet, so wird sogleich deutlich, daß die architektonische und geistige Physiognomie der beiden Städte höchst unterschiedlich ist. Zwar ist die Renaissance in Weimar nicht weniger gegenwärtig. Das Stadtbild kündet von der fürstlichen Italienliebe, die in ein intendiertes Mediceertum mündet. Festliche Plätze, Monumente, Brunnen, Paläste und Gartenanlagen gibt es auch hier; „Reisende aller Nationen“16 flanieren durch die Straßen, Musik klingt aus Fenstern, Studenten und Modelle setzen Akzente, Kunst- und Antiquitätenhandlungen vermitteln die Renaissancebegeisterung des Zeitalters. Freilich hat Weimar nicht die Weite Münchens, seine „wohlberechneten Perspektiven“17 sind vergleichsweise Miniatur, es ist eine Kleinstadt mit allen Vor- und Nachteilen einer solchen. Einige Gassen sehen noch immer so aus, als hätten sie Goethe zum Osterspaziergang inspiriert.18 Ein Schritt nur ist es von der italienischen Formenwelt zu Scheunen und Ställen. Der Jahreslauf scheint gleichförmig und idyllisch, vom Leberblümchensuchen im Webicht, über das österliche Ereignis der „Faust“-Aufführung bis zum Zwiebelmarkt und zur Christmette.19 Anonymität ist in der Kleinheit und Enge Weimars kaum möglich, Verwandtschaftsverhältnisse über mehrere Generationen verbinden Familien. Für Auswärtige ist dieses Beziehungsnetz schwer zu durchschauen; Neid, Mißgunst und insbesondere Klatsch blühen. Sowohl Neuankömmlinge als auch Eingesessene rühmen die Schönheit von Natur und Landschaft. Ihre „wunderbar ruhige, harmonische Linie“20 wirke dichterisch wie denkerisch anregend. Ohne den natürlichen Raum von Fluß und Park, in seiner Gestaltung traditionsgeprägt, ist Festkultur in Weimar undenkbar. Der Zusammenhang von Stadt und geformter Landschaft ist um 1900 viel deutlicher als heute: Noch steht Carl Alexanders Museum in weiter Perspektive nördlich des Asbachgrundes. Noch ist der Froriepsche Garten unzerstört. Noch grenzen die Anlagen des Schloßparkes Ettersburg an unberührte Landschaftsräume. Das Heimatgefühl nicht weniger Menschen ist „ganz auf die Natur gestimmt“21; geistig Tätige erfahren ihre Inspiration hier. Aus dem Antlitz der Stadt ergeben sich Rituale des Scheltens und Lobens. Man beklagt „die Jämmerlichkeit, die Kleinlichkeit, die Borniertheit“22, das „Erbärmliche, Unsachliche, Mißgünstige, wie es eben die Kleinstädter auszeichnet“23, ver-

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meint nur „hölzerne Menschen ohne Kern und Seele“24 zu treffen, verzweifelt gar an der „geistigen Öde“25. Interessanterweise wird die Nachbarstadt Jena als belebendes Pendant zur schrecklichen Monotonie der Residenz verstanden: Schon die Fahrt in die „reizenden Berge“26 scheint aufmunternd. Wem in Weimar nach Wissenschaft und „fidelem Leben“ gelüstet, macht „nüber nach Jene“27. Mitunter die gleichen Menschen, die die Kleinstadtatmosphäre beklagen, verspüren den „Zauber“28 Weimars. Es sei „klein, behaglich, ruhevoll“29, ohne Tempo, Hast und Lärm, aber eben doch von einem „nicht erlöschenden, nicht einschlafenden Leben erfüllt“30. Viele Texte betonen diese Stille, in der man sich sammelt zu geistiger Tätigkeit. Bereits die Zeitgenossen empfinden die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bis hin zum ersten Weltkrieg als gravierend. Von einer „Umwälzung ... wie sie vielleicht noch nie war, seit es Menschen auf der Erde gibt“31, spricht Paul Ernst. Für ihn sind die Prozesse der Industrialisierung, Verstädterung und weltwirtschaftlichen Verflechtung negative, sie führen letztlich zu „zivilisatorischer Verdummung der Menschheit“ und zu einer „Verarmung des Gefühlslebens“.32 Ernsts entfremdungskritischer Befund wird grundsätzlich von vielen hier geteilt. Nicht wenige Intellektuelle erwarten von „Weimar“ die Lösung existentieller Problematik. Ein – im einzelnen unterschiedlicher – Rekurs auf die Klassik führt zu Konzeptionen kulturellen Wandels, deren Spektrum von der weitgesteckten Lebensreform bis zur weltlosen Mystik reicht. An der Wende zum 20. Jahrhundert erscheint Weimar zunehmend als Gegenbild der modernen zivilisatorischen Entwicklung, der Metropolen, insbesondere Berlins. Literarische Texte, die hier entstehen, werden nicht müde, die sozialen und sittlichen Probleme großstädtischer Existenz in eindrücklichen Bildern zu schildern. Weimar hingegen sieht man „verschont von der Berührung mit der großen Masse der Arbeiter und der schwarzen Atmosphäre, die die Fabrikstädte so unleidlich macht“33. Allerdings ist die Residenzstadt keine Insel der Glücklichen; daß es auch hier soziale Not gibt, zeigt bereits ein flüchtiger Blick auf Weimarromane und -erzählungen der Zeit. Die intensive Rezeption der lebensreformerischen Ideen belegt ein Ungenügen an tradierten Existenzweisen. Stets hat man Jena vor Augen, in dem der von Carl Alexander zu Recht als weitsichtiger Idealist geschätzte Ernst Abbé auf eine menschenwürdige Produktionswelt und sogar auf einen Zugang der Arbeitenden zu Kunst und Literatur orientiert. Das Jenaer Volkshaus fasziniert dann auch den jungen Großherzog und viele Weimarer, es symbolisiert die zeitgenössische Idee, Bildung für alle zu ermöglichen. Noch ein anderer Aspekt des in Texten geformten Stadtbildes um 1900 ist zu beachten: Weimar erscheint als „Stadt des Herbstes, des Früchtesammelns ..., des zweiten Lebens der Dinge, der milde gewordenen Sonne“34. Elegisch blickt man auf das „Fin de Weimar“, das nun erntet, was vergangene Generationen säten. Man erkennt den „Kulturstil ... versteinerten, einst sehr vollen Daseins“35, der manchem zu eigenem Schaffen notwendig ist. Nicht nur, daß Weimar die Möglichkeit des „Sichversenkens in den Geist“ 36 bietet, für Autoren wie Scholz und Lienhard wird es zur „geistigen Stadt“37, zu einem

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von allem Dinglichen befreiten Symbol. So skizziert Lienhard den notwendigen „Weg nach Weimar“38 als einen des Abstandhaltens von der Körperlichkeit der Erscheinungswelt und doch der Anteilnahme am Schicksal des Nächsten.39 Weimar wird zum Programmbegriff einer Mystik, die die Realität geringschätzt oder doch nur in Überhöhung und Sublimierung akzeptiert. Denkende und Lesende begegnen Weimar mit „Andacht“40. Man mag sich an Franz Kafka erinnern, der – wie stets – auch hier einen Blick für die skurrile Alltäglichkeit hat. In der Nacht aber geht er – der leidenschaftliche Leser der klassischen Texte – zum Goethehaus und rührt es an wie eine Reliquie.41 „Ich bin Weltbewohner, Bin Weimaraner …“42 Die beiden Verszeilen aus Goethes Spruchgedicht sind wie ein leitendes Band durch die Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Daß man nicht in wurzelloser Multikultur aufgehe, sondern die Tradition des eigenen Ortes zu pflegen habe, zugleich aber offen sein solle für Anregungen aus weiten geistigen Räumen, für Begegnungen mit Menschen, Büchern, Bildern und Musik aus fernen und fremden Sphären, ist hier Überzeugung und Praxis. Auch noch zur Jahrhundertwende beziehen sich intellektuelle Entwürfe auf den klassischen Topos des Weltbürgertums, Harry Graf Kesslers Idee etwa, in Weimar ein Zentrum der Weltkunst zu errichten oder Lienhards Vorstellungen von den Deutschen als Gebende und Empfangende in einem europäischen Staatenbund43. Freilich werden um 1900, insbesondere in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg, das Nationale, auch das Nationalistische, zu dominierenden Größen. Deutschlands ökonomisch und politisch begründetes Weltmachtstreben wird von einem forschen Kaiser vertreten, den enge verwandtschaftliche Beziehungen mit Weimar verbinden. Das Vermächtnis seiner Großmutter Augusta, die aus persönlicher Vertrautheit mit Goethe und aus der Kenntnis seiner Werke bestimmte Lebensprinzipien empfing, ist für Wilhelm II. nur ein äußerlich-pietätvolles. Die warnenden Stimmen, man dürfe bei dem Vorwärtsdrängen nach ökonomischer und politischer Größe die Kultur als den Kern menschlicher Existenz, „Weimar“ gewissermaßen, nicht vergessen, verhallen ungehört. Nicht von heute auf morgen ordnen sich Vereinswesen, Geselligkeit oder gar Literatur und Theater in Weimar nationalen Prämissen unter. Der Weltbezug aber schwindet. Das Bekenntnis zum Deutschtum, dem Goethe noch die Heimat des Dichters und Kulturmenschen im Guten und Schönen entgegengestellt hatte, wird nunmehr wichtig. Im Goethejahr 1932 wird Thomas Mann den Prozeß fortschreitenden Austausches in Europa kennzeichnen; er wird konstatieren, daß sich daraus auch die Gefahr einer „Verwechslung des Weltfähig-Weltgültigen mit dem nur Weltläufigen“44 ergebe, die nationalistische Thesen stimuliere. Das vorliegende Buch besitzt nicht den Ehrgeiz, die gesamte Stadtgeschichte um 1900 zu erörtern. Dazu bedürfte es – wie bei der einschlägigen Publikation über München45 – der Mitwirkung zahlreicher Forscher verschiedener Fachrichtungen. Es ist hier etwa nicht der Ort, eine soziologische Untersuchung der Weimarer Bevölkerung jener Zeit anzustellen. Die Notwendigkeit einer solchen beweisen Thesen wie die, daß sich hier die „Zivilisationsmüden und Volksbildner, die Rentner und die Idealisten“46 versammelt hätten: Der Begriff „Idealist“ allein bedürfte für die Wei-

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marer Persönlichkeiten genauer Prüfung; man würde herausfinden, daß nicht alles in diesem Geiste Vorgetragene und Unternommene zu verwerfen ist. Neben dem hohen Anteil pensionierter Hofbeamter, Offiziere und Wissenschaftler – auch solcher, die erst im Alter hier ihren Wohnsitz nehmen – hätte die Stadtgeschichtsforschung die zahlreichen höfischen Angestellten und die Dienstboten zu berücksichtigen. Die Handwerker und mittelständischen Unternehmer sind für das besondere kulturelle Klima und die Geselligkeit Weimars wichtig. Es wäre falsch, die Problematik des Kleinbürgertums mit lächelnder Überlegenheitsgeste beiseitezuschieben. Die von diesem Stand geprägte Fest- und Vereinskultur ist nicht nur interessant und vielfältig, sondern zeigt auch, wie existentielle Probleme und nationaler Wandel ineinandergreifen. „In dem kleinen Theater ... sieht man, wenn es voll ist, fast nur Greise und Damen – und zwanzig Damen kommen auf jeden alten Mann.“47 Georg Brandes’ Beobachtung wird in vielen Erinnerungsbänden und Texten geteilt. Freilich hat das Problem des Frauenüberschusses, der – in der Sprache der Zeit – alten Jungfern, die „still und geduldig verblühen“48, auch eine positive Seite. Im Weimar der Jahrhundertwende gibt es zahlreiche begabte und originelle Frauen, unter ihnen etliche verwitwete und unverheiratete, von denen einige künstlerisch und öffentlich wirken. Zu Zeiten, da sich Großherzog und Regierung akademischer Frauenbildung noch verweigern, praktizieren hier promovierte Ärztinnen. Frauen übernehmen – etwa von den Eltern – Geschäfte, werden Hoflieferantinnen, oder sie bauen sich gar eine nicht „standesgemäße“ Handwerker- und Handelsexistenz auf. Damit ist der erste Schwerpunkt des Buches berührt: Es untersucht die mit Weimar verbundenen Autorinnen in ihren Biographien und Texten und in ihrem Bezug zum gesellschaftlichen Wandel in Deutschland. Auch die Lebenswege und Schaffenslinien der Frauen werden den widersprüchlichen Zusammenhang von Tradition und Moderne erweisen, das Spannungsvolle individueller und gesellschaftlicher Emanzipationen offenbaren. Die hiesigen organisatorischen und publizistischen Anfänge der Frauenbewegung, die kein unwichtiges Kapitel der deutschen und europäischen darstellen, werden anhand der Quellen erörtert. Die reiche Geselligkeit und Festkultur – von Salons, über Vereine und Gelehrtenkreise bis zu den Jubiläumsfeiern – sind in wesentlichen Ausschnitten zu erkunden. Insbesondere das Vereinsleben, zu dem umfängliches Archivmaterial vorliegt, ist Desiderat der Forschung. Am Beispiel der Armbrustschützengesellschaft ist es etwa möglich, ein spezifisches bürgerliches Milieu zu kennzeichnen, Anspruch und Wirklichkeit weimarischen Bildungsstrebens und die Bezüge zu nationalen kulturellen Entwicklungen darzustellen. Beinahe ein weißes Blatt ist die Literaturgeschichte der Zeit um 1900. Ilse-Marie Barths vor über drei Jahrzehnten erschienenes „Literarisches Weimar“49 vermochte man in vieler Hinsicht noch nicht zu ergänzen und zu vertiefen. Nicht nur bleibt die Tatsache, daß sich interessante Autorinnen, die die Moderne in ihrem Werk reflektieren, von hier zu Wort melden, weitgehend unbeachtet. Auch die beiden literarischen Richtungen, die in Weimar ihren Symbol- und Wirkungsort finden, sind sind bisher nicht mit hinreichender Differenz untersucht worden. Die Neuklassik, die in

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ihrer Programmatik und in ihren gestalterischen Formen mit einer Entwicklungslinie der deutschen Literatur im 20. Jahrhundert übereinstimmt, ist jedenfalls in ihrer Bilanz der Moderne und in ihren eigenen Texten ernstzunehmen. Mit Friedrich Lienhard, Ernst Wachler und Adolf Bartels leben und arbeiten drei bekannte und sehr unterschiedliche Vertreter der Heimatkunst in Weimar. Nicht zufällig entwerfen sie hier ihre Literatur- und Sozialprogrammatik: Sinnstiftungsmuster der Mitte, etwa jenes vom „Herzen“ des Vaterlandes, das Natur und Kultur gleichermaßen erhalte und stimuliere, sind prägend für ihre Vorstellungen, Die genannten Autoren sind keine provinziellen Randfiguren, sondern Kulturpolitiker, Journalisten, Theaterleute und Herausgeber von – räumlich und zeitlich – weiter Ausstrahlung. Es ist nicht zulässig, über ihren jeweils eigenständigen dichterischen Anspruch, ihre Leistungen, Grenzen und Verfehlungen pauschalierend hinwegzugehen. Bezieht man die Werke von Paul Quensel, Franz Herwig und Friede H. Kraze in die Betrachtung ein, so erkennt man die widersprüchliche Differenz weimarischer Heimatkunst zwischen sozialer Verantwortung, antiaufklärerischer Religiosität, lebensreformerischem Anspruch und völkischer Verengung. Eine genaue Betrachtung des literarischen Weimars um 1900, auch der Theater- und Tanzkonzeptionen und der frühen Kinounternehmungen, wird nicht nur einzelne Dichterpersönlichkeiten und ihre Werke ins Gedächtnis rufen, vielmehr das Bild hiesiger Kulturgeschichte insgesamt verfeinern. Auch die Entfaltungsräume der Moderne in Deutschland sind von der Monarchie und ihren jeweiligen Protagonisten geprägt. Die besondere Atmosphäre der Kunststadt München beispielsweise entwickelt sich in der sogenannten „Prinzregentenzeit“ zwischen 1886 und 1912.50 Man geht wohl nicht fehl, wenn man die produktiven Impulse dortiger Kultur zwischen Jugendstil und Expressionismus zu einem Teil auch auf die Regentschaft Luitpolds zurückführt. In Weimar sind Fin de siècle und Beginn des neuen Jahrhunderts nicht unberührt von den Veränderungen im großherzoglichen Haus, die wiederum in Bezug stehen zu gesellschafts- und mentalitätsgeschichtlichem Wandel. Carl Alexanders und Sophies letzte große mäzenatische Leistung, die Dichternachlässe zu bewahren und eine gründliche Erforschung der Klassikerschriften anzustoßen, ist keineswegs geringzuschätzen. Sie krönt ein Lebenswerk, das einen historisch weiten Raum umgreift und für zukünftige kulturelle Entwürfe unverzichtbar ist. Der Tod des Weimarer Erbgroßherzogs 1894 ist in mehrerer Hinsicht nachteilig für die Entwicklung der Kunst und des Gemeinwesens insgesamt: Nicht nur fehlt nunmehr die nächste Generation, die zumindest in der Sozialpolitik wichtige Impulse erwarten ließ. Carl Alexander selbst muß alle Lebenskraft zusammennehmen, um neben der Sorge um das „Haus“ noch mäzenatischer Verantwortung gerechtzuwerden. Dem jungen künftigen Großherzog bleibt keine Zeit, seine Persönlichkeit zu bilden und Erfahrungen zu erwerben. Eine kulturgeschichtliche Untersuchung Weimars wird nicht umhinkommen, die Rolle der Monarchie und ihrer Akteure ohne Klischees zu beleuchten. Sie wird Carl Alexanders Tod 1901 als Zäsur zu begreifen haben, ohne eine bestimmte Kontinuität der Kulturförderung zu negieren. Den Hof als geselligen Ort

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wird sie ebenso beachten müssen wie die Fehler und mäzenatischen Leistungen der fürstlichen Persönlichkeiten im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel. „Weimar ist bloß ein Ort an der Peripherie ...“51. Dies ist vom Geographischen, Historischen und Kulturellen her falsch. Weimar liegt nicht nur in der Mitte Deutschlands, es wird vielmehr zum Sinnbild geistiger Sehnsüchte der ganzen Nation. Um 1900 erfährt die Vorstellung vom kulturellen „Herzen“ des Vaterlandes eine starke Belebung. Sie ist nicht rundweg zu verwerfen und auch nicht nur als historische zu verstehen. Schließlich gibt es 1900 gewichtige Gründe, nicht nur eine Besinnung der Nation auf die eigene kulturelle Tradition zu fordern, sondern Neuansätze und Reformen hier, im Mittelpunkt „des deutschen Geisteslebens“52, zu initiieren. Gerade Lebenserinnerungen bedeutender Persönlichkeiten regen zu einer Untersuchung jener kulturgeschichtlichen Epoche an; sie zeigen schlaglichtartig ihre Faszination und Differenz: Der jüdische Gelehrte Georg Witkowski gedenkt „seiner“ Gesellschaft der Bibliophilen und der Weimarer Mitstreiter Carl Schüddekopf und Conrad Höfer.53 Im hiesigen Hoftheater sieht er, wie Kainz als Tasso und Elisabeth Schneider als Prinzessin die pathetische Konvention durchbrechen und die Gefährdung des Humanen im klassischen Wort bloßlegen.54 Auch Edwin Redslob erlebt Kainz in Weimar.55 Der Sohn eines Lehrers am Wilhelm-Ernst-Gymnasium läßt keinen Zweifel daran, daß er sich gerade w e g e n der Erziehungsprinzipien und Bildungswerte seines Weimarer Elternhauses zu einem europäischen Wissenschaftler entwickelt hat. Daß „die Verneinung der Überlieferung nicht zum Ziele führt, sondern daß wir uns ... darauf besinnen müssen, daß wir eine lebenskräftige Tradition besitzen und daß wir sie fortzusetzen haben“56, ist das heute nicht überholte Vermächtnis Redslobs. Der Geschichte, auch der Kulturgeschichte, tritt man mit Achtung (nicht mit unkritischer Heldenverehrung) gegenüber, mit Ehrfurcht vor den Großen und ihren Leistungen, insbesondere aber vor Leben, Arbeit und Streben der vielen, die doch unsere Vorfahren sind.

III „... die Weiber begännen zu denken“ – Frauenbewegung, Autorinnen und Weimar

1. Traditionsbezogener „Vorort“ der Frauenbewegung 1.1 Frauen zwischen Wohlfahrtspflege und Bildungsstreben Daß Frauen soziale Verantwortung übernehmen, sich für Kranke und Behinderte, alleinstehende Mütter und in Not geratene Familien engagieren, hat im Weimar Maria Pawlownas und Sophies eine lange Tradition. An diese schließt der Hauptfrauenverein an, der weit stärker als „Frauenbildung-Frauenstudium“ auf karitative Ziele ausgerichtet ist. Sowohl die streitbaren Verfechterinnen akademischer Bildung für das weibliche Geschlecht als auch die mit Wohltätigkeit befaßten Damen begreifen mit einem gewissen Recht Maria Pawlowna als ihr Vorbild; so finden sich die beiden Vereine 1904 zur gemeinsamen Feier der verdienstvollen Großherzogin. Die Unternehmungen des Hauptfrauenvereins sind unverzichtbar für die Finanzierung sozialer Einrichtungen und Projekte; mitunter sind sie so originell, daß die ganze Stadt von ihnen erfaßt wird: Am sogenannten Margareten- oder „Margueritentag“ 1910 verkaufen die Vereinsmitglieder diese Blumen der Barmherzigkeit, das Stück zu zehn Pfennig. Weimarer Bürger schmücken ihre Spazierstöcke von oben bis unten mit den Blüten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, 6000 Mark (einschließlich einer Spende des Großherzogspaars) fließen sozialen Zwecken zu.1 Neben den genannten Frauenvereinen wirkt die Ortsgruppe Weimar des Deutsch-Evangelischen Frauenbunds, die sich gleichfalls stark für soziale Belange, aber unter der übergreifenden Zielstellung einer religiös-sittlichen Erneuerung, engagiert. Ihre bedeutendste Leistung ist die Handelsschule für Mädchen und Frauen, die eine anspruchsvolle dreistufige Ausbildung bietet. In der Unterstufe besuchen die Schülerinnen ein Jahr lang Lehrveranstaltungen zu Buchführung, Handelsorganisation und Wirtschaftskunde, sie werden mit Kontorarbeiten vertraut, lernen Englisch, von den drei Wochenstunden Deutsch widmet sich ein Teil auch der Literatur Goethes, Schillers und Uhlands. In Mittel- und Oberstufe werden die Kenntnisse erweitert und vertieft, Französisch, Stenographie und Maschineschreiben kommen neu hinzu.2 Das Schulgeld ist niedrig, denn viele Familien wollen oder können für die Ausbildung der Töchter keine großen Summen aufwenden. Besonders befähigten Schülerinnen wird die Gebühr sogar ganz oder teilweise erlassen. Dies ist nur möglich, weil das Großherzogliche Staatsministerium, die Sparkassen in Weimar und Jena und private Firmen – Böhlaus Nachfolger, Kommerzienrat Haar – der Schule finanzielle Zuschüsse gewähren. Die meisten der Absolventinnen finden eine Stellung, etwa im Postdienst, andere wollen ihre Kenntnisse in der Verwaltung eigener Betriebe oder Vermögen nutzen. Die Handelsschule für Mädchen und Frauen ist ein wichtiger Beitrag zur Förderung weiblicher Bildung und Berufstätigkeit.3

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Daneben betreibt der Deutsch-Evangelische Frauenbund eine Reihe weiterer Projekte: Um dem „Mißbrauch geistiger Getränke“4 zu steuern, werden zwei Kaffeeküchen im Süden, „beim Eingang der Scheunen“5, und im Norden an der Ettersburger Straße unterhalten, die Kakao, Milch, Bouillon und eben Kaffee zu billigen Preisen ausschenken. In den Altersstiften für Frauen organisiert man Lesungen; zu sogenannten Feierabendtees werden „Unterhaltung und Belehrung“6 literarischer, musikalischer und religiöser Art geboten, zu Weihnachten 1907 etwa sehen die alten Damen ein hübsches Singspiel.7 Die Sorge um Wöchnerinnen ist wichtige Aufgabe sowohl des Hauptfrauenvereins als auch des Deutsch-Evangelischen Frauenbunds, der vor allem Handarbeiterfrauen mit Suppe und Fleisch8 unterstützt. Zu einem Kinderhort für Mädchen in der Sophien-Bürgerschule kommt im Januar 1907 auch ein solcher für Jungen von sechs bis acht Jahren, die am Nachmittag bei den Hausaufgaben beaufsichtigt und in Handfertigkeiten unterwiesen werden. 60 Mädchen und 20 Jungen besuchen die Horte, ein Beleg auch dafür, daß in vielen Familien beide Elternteile zum Broterwerb beitragen müssen. Die Arbeit der Kinderhorte orientiert sich an traditionellen Geschlechterrollen und an der Akzeptanz sozialer Zugehörigkeit: Die Mädchen sitzen fleißig am Strickstrumpf, Jungen basteln, kneten und zeichnen. Immerhin wird den letzteren das Sticken erlaubt, der Einfluß der Kunstgewerbebewegung ist auch im Kleinen nicht zu verkennen. Für Fleiß und gutes Betragen werden die Mädchen mit Strickwolle, die Knaben mit Zeichenheften und Buntstiften belohnt. Die Erziehungskonzeption stützt man mit Vorträgen für Eltern, etwa über Hygiene oder die Anleitung zur Wahrhaftigkeit9. Das alte Doppelgesicht von Disziplinierung und Entfaltung individueller Fähigkeiten, von Kreativität und rigidem Einordnungszwang bestimmt derartige pädagogische Einrichtungen. Sie sind doch unverzichtbar im Kampf gegen soziale Not, Verwahrlosung und Kriminalität. Im Vorstand und in den Kommissionen des Deutsch-Evangelischen Frauenbunds engagieren sich Ehefrauen von Pfarrern wie die des Geheimen Kirchenrats Spinner, von Hofbeamten wie die Gräfinnen Wedel und Zech, Gattinnen und Töchter von bürgerlichen und adeligen Honoratioren, aber auch die Schauspielerin Hildegard Obrist-Jenicke. Der intellektuelle und emanzipatorische Anspruch dieser traditionellen Frauenvereine ist nicht so hoch gesteckt wie der von „FrauenbildungFrauenstudium“, die Angriffslust gegenüber sozialen Mißständen ist nicht annähernd so hoch; die praktischen Unternehmungen zu Wohltätigkeit und Lebenshilfe sind gleichwohl bedeutsam für die öffentliche Ordnung. Der unter dem Protektorat der Erbgroßherzogin Pauline stehende Verein für weibliche Kunstindustrie fördert nicht nur Interesse und Geschicklichkeit für bestimmte Handarbeitstechniken, auch er hat den materiellen Vorteil, sogar eine Erwerbstätigkeit für Frauen im Blick. In seinem Geschäftslokal in der Marienstraße 7 werden an den Vormittagen ständig fertige und angefangene Schneider- und Weberzeugnisse, Geklöppeltes, Gesticktes und Geflochtenes verkauft. Die Bestrebungen, alltägliche Gebrauchsgegenstände in künstlerischem Sinne zu entwerfen, Zweck und Ästhetik zusammenzuführen, sind für den Verein leitende. Die von William Morris, John Ruskin und „Arts and Crafts“ initiierte Traditionslinie, die man konservativ

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nennen darf, die zugleich der Moderne wesentliche Impulse gibt, ist auch in diesen bescheidenen Unternehmungen erkennbar. Die Frauen gestalten „Kunstgewerbe“ von beachtlicher Qualität. Ihre Jahresausstellungen dienen sowohl dem Verkauf als auch der Geschmacksbildung. 1903 zeigt man im Saal der Loge Amalia unter anderem Gobelin-Webereien, für die die Kunsthandwerkerin ein besonderes Webepult erfunden hat, das sie den Besuchern vorführt. Für die in Lederstickerei ausgeführten Bayreuther Körbe liefert die Protektorin des Vereins selbst das Modell. Die größte Aufmerksamkeit erregen schwedische Webereien von Gardinen, Blusen, Westen und Schürzen, die nach Entwürfen Henry van de Veldes angefertigt wurden und die durch „stilvolle Zeichnung ..., wohltuende Farbenzusammenstellung und künstlerische Ausführung“10 befriedigen. Im Januar 1913 blickt die Weimarer Ortsgruppe des Richard-Wagner-Verbandes deutscher Frauen auf ein Jahr erfolgreicher Arbeit zurück. Sie unterstützt den Stipendienfonds, der es mittellosen Deutschen – auch aus dem Ausland – ermöglicht, zu den Bayreuther Festspielen zu reisen. 600 Mark spenden die 90 Mitglieder des Vereins in wenigen Monaten; sie organisieren Konzerte mit bekannten Musikern oder Vorträge zum Besten ihrer Ziele. Das Protektorat über die Ortsgruppe übernimmt Großherzogin Feodora. Man pflegt den Richard-Wagner-Verband den deutschnationalen Frauenvereinen zuzurechnen11, betont die kleinbürgerliche Orientierung seiner Mitglieder, seine „intellektuelle Anspruchslosigkeit“ und seine Anfälligkeit für den „völkischen Virus“.12 In der Tat hebt der Verein das „persönliche und künstlerische Deutschtum des Meisters“13 hervor, das zu breiter Beschäftigung mit seinem Leben und Werk anrege. Die Weimarer Gruppe wird von Anna Kekulé von Stradonitz gegründet. Sie ist die Witwe des bekannten klassischen Archäologen, bei dem Graf Kessler Vorlesungen über Olympia und den Parthenon hörte14, als Schwiegermutter Ludwig von Hofmanns verkehrt sie bei van de Velde und in anderen Kreisen des „Neuen Weimars“. Klug und anregend ist sie, „der Musik und aller Kunst ergeben“15, fügt sich kaum in ein grobes Raster dümmlich-völkischer Aneignung Wagners. Der Versuch des Vereins, der Begeisterung für den Komponisten eine Plattform zu geben, kann in Weimar an eine über fünfzigjährige Traditionslinie anknüpfen; Freunde des Meisters leben noch immer in der Stadt. Als Mitstreiterin gewinnt Anna Kekulé die liberale Dichterin Erika von Watzdorf-Bachoff, ein weiteres Indiz dafür, daß der Richard-Wagner-Verband deutscher Frauen in Weimar eher musikalischem und kulturgeschichtlichem Interesse verpflichtet ist als weihevollspießiger Feier und tendenziell völkischen Intentionen. Die untersuchten Frauenvereine agieren im Fadenwerk traditioneller Wohlfahrtspflege und lebensreformerischer Ziele; sie bekennen sich gelegentlich dezidiert zu Bildung und Berufstätigkeit der Frau, ohne einen grundlegenden sozialen Wandel anzustreben. Existentielle Erneuerung ist stets nur in der Aufnahme überkommener Werte denkbar. Wirklich bedeutend als Vor- und Hauptort der bürgerlichen Frauenbewegung wird Weimar aber durch Hedwig Kettlers, Natalie von Mildes und ihrer Mitstreiterinnen theoretischen, publizistischen und praktischen Beitrag zur Bildung des weiblichen Geschlechts.

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Im Mai 1864 schickt Fanny Lewald-Stahr ihre „Osterbriefe“ an das Großherzogspaar in Weimar: In dieser Schrift fordert sie Arbeitsmöglichkeiten für die Frauen der unteren Stände, um sozialer und menschlicher Not abzuhelfen. Mitte der siebziger Jahre streitet sie für die „Beteiligung der Frauen an der Volkserziehung“16. Großherzog Carl Alexander, dem sie ihre Thesen unterbreitet, spricht von „Umsicht und Vorsicht“, die die Sache benötigte, aber auch von einem neuen „Saamenkorn ... auf hoffentlich fruchtbarem Boden“17. In den achtziger Jahren geht Fanny Lewalds Samenkorn auf, nicht freilich in der weimarischen Kulturpolitik, vielmehr im Kampf um gleichberechtigte Teilhabe der Frauen an Bildung und Arbeit. Weimar ist ein Zentrum der erstarkenden Frauenbewegung. Hier wird einer der radikalsten Frauenvereine gegründet. Hier werden seine grundlegenden Schriften publiziert. In einer Weimarer Wohnung bedenkt man die Gründung des ersten Mädchengymnasiums in Deutschland. Hier leben und arbeiten brillante Rednerinnen für die Emanzipation. Mit Gabriele Reuter und Helene Böhlau wirken produktive Autorinnen in der Stadt, in deren Werk traditionelle Frauenrollen in Frage gestellt werden. Die konsequente (und kritische) Sozialdemokratin Lily Braun benötigt Weimar als unverzichtbare kulturelle Erfahrung. Es ist nicht nur zufälligen Umständen geschuldet, daß Frauen gerade in Weimar den Ruf nach gleicher Bildung erheben. Der klassische (Goethesche) Gedanke, es gelte, harmonischuniverselle Geistesbildung mit Persönlichkeitsformung und Pflichterfüllung im Gemeinwesen zu verbinden, ist hier lebendig. Seine Gültigkeit auch für den weiblichen Teil des Menschengeschlechts muß am Ende des 19. Jahrhunderts notwendig auf die Tagesordnung. Weimars produktive und tüchtige Frauen im ausgehenden Jahrhundert entsprechen nicht traditionellen Vorstellungen und Rollenmustern. Wie die „Äbtissin eines russischen Frauenklosters“18 gekleidet, geht Adelheid von Schorn durch die Straßen. Ihr, die als unverheiratete Frau „vielfach belächelt“19 wird, verdanken wir neben anderen kulturgeschichtlichen Werken die Chronik von Weimars nachklassischer Zeit. Die bejahrten Schwestern Stahr tragen noch immer die nun komischen Garibaldi-Blusen ihrer Jugend20, sind doch als Musikerinnen bedeutend. Helene Böhlau brennt mit einem verheirateten Mann durch, sie macht ihr Elternhaus erst gesellschaftlich unmöglich, dann berühmt durch ihre dichterische Leistung. Statt als „höhere Tochter“ nach materieller Sicherheit in einer Ehe zu streben, schwärmt Gabriele Reuter für den „unmoralischen“ Künstler Schennis, erwirbt die ersten Erfahrungen als Autorin. Lily von Kretschman tritt durch ihre Ehen mit dem behinderten Freidenker Gizycki und dem Sozialdemokraten Braun, durch ihr politisches Engagement vollends aus der Lebensplanung für ein Mädchen ihrer Herkunft. Auch die Frauen, die äußerlich den Erwartungsmustern genügen, sind radikal: Frau „Julius Kettler“ verläßt als führende Publizistin der Frauenbewegung die Unterordnungsrolle der Ehefrau. „Fräulein“ Natalie von Milde bewährt sich als aufopfernde Tochter, gewinnt zugleich die Öffentlichkeit in ihren Vorträgen zur Frauenbildung. Weimars schreibende Frauen, die zum weiblichen Aufbruch der achtziger und neunziger Jahre gehören, sind alle um die Mitte des Jahrhunderts geboren. Sie stammen aus „guter Familie“. Gabriele Reuter wird diesen Topos zum Titel ihres

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Gesellschaftsromans wählen und weibliche Sozialisation unter diesen Bedingungen vernichtend kritisieren. Die Frauen haben in ihren Lebensläufen und in deren poetischer bzw. autobiographischer Betrachtung deutliche Gemeinsamkeiten. Sie empfinden es als schwierig, in ihrer Gesellschaft vom „Kinde zum Menschen“21 zu werden, die Normen für erwachsene Frauen zu akzeptieren. Das Korsett erscheint als Symbol eingeschnürter Individualität.22 Der erste Ball, auf dem sich Mädchen wie Waren feilbieten, wird als traumatische Demütigung erfahren.23 Oder man lebt auf einem solchen Ball erotische Lust und Anziehungskraft aus, um gleichfalls mit den Sittlichkeitsnormen zu kollidieren.24 Als grundlegend erweisen sich für die Frauen die Probleme der Religion. Für Gabriele Reuter wie für Lily von Kretschman ist die Konfirmation ein Schlüsselerlebnis.25 Sie sind unfähig, sie als bloßes Ritual zu nehmen, ihre Versuche, Aufklärung in Glaubensfragen und -zweifeln zu erhalten, treffen auf eine Mauer nur ritualisierter Religionsausübung, auf Schweigen, Ausflüchte und Phrasen. Auch Helene Böhlau, die die „Meineid“-Erfahrung der Konfirmation so nicht teilt, setzt der offiziellen Feier ein privates Abendmahl26 entgegen, um den transzendenten Sinn für sich zu bewahren. Was Böhlau in ihrem autobiographischen Roman „Isebies“ formuliert, stimmt für die Weimarer Autorinnen überhaupt: Sie sind überzeugt, mit ihren Kräften „Wundervolles tun“ 27 zu können, sie sehnen sich nach geistiger Arbeit, jedenfalls nach einer Aufgabe, einem Lebenssinn jenseits der Weiblichkeitsmuster des eigenen Standes. Die herkömmliche Entsagungshaltung der Frauen ist ihnen grundlegendes Lebensproblem. Daß die Frau stets nur die Sorgen der anderen zu tragen habe, nicht denken und schöpferisch sein könne, akzeptieren sie für sich nicht. (Dies heißt übrigens nicht, daß die traditionellen Erwartungshaltungen an weibliche Entsagung für diese Frauen unbedeutend seien, in manchen Lebenssituationen genügen sie ihnen bis zur Selbstaufgabe.) Für keine der Autorinnen und Frauenrechtlerinnen ist Weimar ein gleichgültiger Ort. Helene Böhlau ist hier geboren und aufgewachsen, sie kennt Milieus und Atmosphäre der Stadt, hat ein Interesse für die sogenannten kleinen Leute, auch für Außenseiter, Skurrile und Originale. Natalie von Milde ist durch ihr Elternhaus mit dem Musikleben eng vertraut. Im Kreise der Kunstschüler und Intellektuellen bewegt sich Gabriele Reuter. Lily von Kretschman treibt Archivstudien und beobachtet die Hofgesellschaft. Man könnte annehmen, die Frauen schüttelten sich Weimars Staub von den Füßen, orientierten sich auf moderne soziale Bewegungen und auf eine Ästhetik, in der das klassische Ideal keinen Platz hat. Eine solche Sicht wäre einseitig. Sicher kehren einige der Frauen Weimar für immer oder für Jahre den Rücken. Es gibt wohl keine, die nicht an der Enge und Provinzialität der Stadt litte. Und die modernen sozialen und literarischen Bewegungen stimulieren – in jeweils unterschiedlicher Weise – ihr Werk. Das klassische und nachklassische Weimar gibt ihnen allen freilich den sicheren Grund, von dem aus sie die Kritik an der gründerzeitlichen Gesellschaft vortragen. Das Goethesche Bildungsideal wird aus weiblicher Sicht angeeignet; formalen Gesten der Klassik-Feierei wird das Lesen der Texte entgegengestellt, das Muster eines äußerlich schlichten, aber geistig reichen Lebens kontrastiert Aufwand und Sinnlosigkeit des Fin de siècle. Die modernen Autorinnen und Theoretikerinnen der Frauenbewegung in Weimar beobachten genau und

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kritisieren scharf, ihr Maß ist ein konservatives: Daß vollendete Menschlichkeit Ziel aller Anstrengungen und Grundlage des Staates sein müsse – diese Überzeugung bewahrt das klassische Humanitätsideal in der Welt des scheidenden Jahrhunderts.

1.2 Bildung und Arbeit – Hedwig Kettler und ihre Zeitschrift „Frauenberuf“ 1883 holt der Besitzer des Geographischen Instituts in Weimar, der Buchhändler Hermann Weißbach, einen jungen, begabten Kartographen und Geographen in sein Unternehmen: Julius Iwan Kettler.28 Für die Kulturgeschichte Weimars sind freilich weniger das verdienstvolle Wirken des Geographen Kettler bedeutsam als vielmehr die Impulse, die von seiner Gattin für die Frauenbewegung ausgehen. Hedwig Kettler, die sich in ihren Publikationen stets konventionell „Frau Julius Kettler“ nennt, ist ihrem Anliegen nach radikal: Es gelte, gleiche Bildungsmöglichkeiten für Männer und Frauen zu eröffnen, der Frau den Zutritt zum Studium aller Wissenschaften zu gewähren. Aus dem stillen und traditionsbezogenen Weimar erklingt der Ruf nach Öffnung der höheren Lehranstalten und Universitäten für Frauen, nicht nur nach Anerkennung der Frau als vernunftbegabtes Wesen, sondern nach ihrem Zugang zu Beruf und Erwerb. 1887 erscheint der erste Jahrgang der von Hedwig Kettler herausgegebenen Zeitschrift „Frauenberuf“ im Weißbachschen Verlag in Weimar. „Es ist nicht unsere Absicht, die Zahl der bestehenden Zeitschriften für die Frauenwelt um ein gleichartiges Blatt zu vermehren. ... Wir wollen zu der gebildeten Frau sprechen ... Die wahrhaft gebildete Frau ist uns nicht die, deren Interessen von der Fürsorge für das tägliche leibliche Wohl so vollständig beansprucht werden, daß anderes für sie nicht zu existieren scheint; aber die gebildete Frau ist uns auch nicht jene, die, ihrer natürlichen Pflichten in der Familie vergessend, sich genügen läßt, berechtigten oder unberechtigten Emanzipationsideen nachzustreben.“29 Das im Heft 1 der Zeitschrift formulierte Anliegen scheint einer Polemik zuvorkommen zu wollen, die die Forderung nach gleichen Bildungschancen als Entfremdung vom „natürlichen Beruf“ des Weibes hinstellt. Hedwig Kettlers Zeitschrift „Frauenberuf“ ist anspruchsvoll. Zu ihren Beiträgerinnen gehören Jenny Hirsch, die jüdische Autodidaktin, die sich eine Lehrerinnenund Schriftstellerinnenexistenz erkämpft – 1889 schreibt sie den Nachruf auf Fanny Lewald30 – , Henriette Tiburtius-Hirschfeld (Berlin), die glänzende Journalistin Irma von Troll-Borostyáni (Salzburg), aber auch Natalie von Milde, die unter den Initialen J.M. ihre Aufsätze im „Frauenberuf“ zuerst publiziert. Vom Vorsatz, nichts Belletristisches in die Zeitschrift aufzunehmen, rückt man bald ab: Das Unterhaltungsbedürfnis der Leserinnen wird mit Erzählungen befriedigt, die Frauenalltag eingängig, gelegentlich rührselig schildern. Auch praktische Ratschläge für Haushalts- und Lebensführung enthält das Blatt. Hausfrauen bekommen Kosmetiktips und Kochrezepte, Anleitungen, wie man Zeit spart und Dienstmädchen kontrolliert. (Allerdings wird auch der schwere Alltag des „Personals“ in der Zeitschrift reflektiert.) Dieser schon damals gängigen Klischees von Frauenlek-

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türe entsprechende Bereich ist nicht umfänglich. Seinem Anliegen gemäß liefert Hedwig Kettlers „Frauenberuf“ Informationen über Literatur- und Musikgeschichte, aber auch zu staats- und wirtschaftspolitischen Zusammenhängen. Von den romantischen Frauen bis zur Gegenwartsliteratur wird weibliches Schreiben behandelt. Rahel Varnhagen und George Sand, Droste-Hülshoff, Betty Paoli, Marlitt, EbnerEschenbach und Isolde Kurz werden im Blatt gewürdigt. Interessanterweise wendet sich eine Autorin schon damals dem Thema aufgeopferter weiblicher Individualität an der Seite eines berühmten Mannes zu: Sie beschreibt wie die begabte Frau Thomas Carlyles im Dienst am „Werk“ des Gatten aufgerieben wird.31 In der Zeitschrift „Frauenberuf“ spielt Weimar in seinen Traditionen und gegenwärtigen Bestrebungen eine Rolle. Natalie von Milde befragt Schriften der Klassiker auf ihre Sicht des Weiblichen32, gewissermaßen auf ihre Tauglichkeit für die Emanzipationskämpfe der Heutigen, in einem Artikel informiert man über die Gründung der Goethe-Gesellschaft und des Goethe-Nationalmuseums33; Weimars Versuche, wieder einen geistigen Mittelpunkt zu bilden, erkennt man an, zugleich wird die Entwicklung der Großstädte differenziert beurteilt. Wesentlich für die Zeitschrift ist die Darstellung und Kommentierung von weiblichem Alltag in seinen unterschiedlichen Facetten. Bildung, Erwerb und soziale Situation der Mittelstandsfrau werden vor allem aufgenommen, aber auch die Lage der Unterklassen und die der Frauen in anderen Ländern finden Beachtung. In einer Fortsetzungsserie wird die elende Existenz einer Lehrerin in England geschildert.34 Man weist auf das Nichtstun junger Frauen, die aus der Pension kommen, auf die Illusion unbemittelter Damen, mit Klavierunterricht ihre Existenz zu sichern. Eine Frau aus „besserem Hause“, die Hebamme werden will, wird im Gespräch mit einem ignoranten Professor gezeigt35, der ihren Wunsch ebenso arrogant abtut wie das „Anstaltsmaterial“ der armen Wöchnerinnen. Auch im „Frauenberuf“ erscheint die traumatische Situation des ersten Balls, auf dem sich die bürgerlichen Mädchen auf dem Heiratsmarkt bewähren müssen.36 Man berichtet über die Nachtseiten der weiblichen Erwerbstätigkeit in Berlin37 und diskutiert mit den Leserinnen über Verkäuferinnen, die aus Not gestohlen haben38. Dies alles begleitet und stützt das Hauptanliegen von Hedwig Kettlers Zeitschrift: Zugang der Frauen zu höherer Bildung und akademischen Berufen. Häufig sind Berichte über bereits vorhandene Bildungsmöglichkeiten, etwa über die Malerinnenschule in Karlsruhe39. Man zeigt die Studienbedingungen für Frauen an ausländischen Hochschulen, gibt praktische Hinweise zu materiellen Aufwendungen und Lebensumständen. Das Schreckbild der „sittenlosen“ Studentin – der russischen im besonderen – wird mit den Realitäten konfrontiert. (Amüsant ist die Zuschrift einer emanzipierten Leserin, die meint, es gebe immer noch rückständige Studentinnen, die Galanterie von den männlichen Kommilitonen erwarteten. Ihr antwortet die junge – schon promovierte – Ricarda Huch mit einen Lob von Höflichkeit und gutem Betragen.40) Die Zeitschrift „Frauenberuf“ ist wie der Frauenverein „Reform“ der Intention nach unpolitisch. Daß die in beiden Gremien erhobenen Forderungen gleichwohl in das Feld der Politik greifen, erkennen Gegner wie Freunde. Marie Calm plädiert in

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der Zeitschrift für ein politisches Interesse der Frauen, für ihren „Gemeinsinn“41. „Kulturarbeit“ sei nur unter Mitwirkung beider Geschlechter möglich.42 Der Begriff „Kulturarbeit“ ist in der Zeitschrift überhaupt wichtig; er vereinigt Entfaltung und Formung von Individualität und Gemeinwesen, führt Tätigkeit und Daseinssteigerung zusammen. Die Trennung in häuslich-weibliche und öffentlich-männliche Sphäre wird mit Hilfe dieses Begriffs als der Moderne unangemessen verworfen. Hedwig Kettlers Zeitschrift beleuchtet den gegenwärtigen Stand weiblicher Bildung kritisch. Die Tatsache, daß Mädchen allein für die Ehe erzogen werden, ohne daß sie alle auch heiraten können, wird immer wieder beklagt. Das Problem der ledigen bzw. der unversorgten Frauen, denen man gestatten müsse zu erwerben, führt eigentlich zu Kettlers und ihrer Mitstreiterinnen Forderungen. Die unverheiratete Frau wird aus der Ecke der „alten Jungfer“ herausgeholt: In einem Artikel zeigt die Schriftstellerin Luise Hitz alternative Lebensentwürfe zu einer Durchschnittsehe.43 Eine andere Beiträgerin verwirft die Anrede „Fräulein“.44 Grundthema des Weimarer Blattes ist eines, das spätere Generationen als „Doppelbelastung“ der Frau bezeichnen. Emma Kattner formuliert es so: „Vereinigt sich das Studium der Wissenschaften und die Ausübung der verschiedenen daraus entspringenden Berufe mit dem eigentlichen Berufe der Frau?“45 Die Leserinnen geben Antworten, die von der Schwierigkeit des Problems zeugen: Höchstens eine hervorragend begabte Frau könne als Gattin und Mutter berufstätig sein. Vielleicht wäre beides vereinbar, wenn Frauen auf leere Vergnügungen verzichteten. Wenn die Vermögensumstände es zuließen, Dienstpersonal einzustellen, werde Zeit für wissenschaftliche Bildung und Beruf gewonnen. Die Zeitschrift nennt jedenfalls Beispiele, in denen Frauen Unternehmungen führen oder Vermögen verwalten.46 Der theoretischen Erörterung der weiblichen Forderungen nach höherer Bildung und Arbeit stellt Hedwig Kettler die praktisch-organisatorische Tätigkeit zur Seite. 1888 bildet sie mit einigen Mitarbeiterinnen ihrer Zeitschrift ein Komitee, das einen Verein gründen will, in ihrem Blatt erscheint der „Aufruf für den Frauenverein ‚Reform′ “: „Der natürliche Beruf des Weibes (wie nicht minder der des Mannes) ist die Ehe.“47 Bereits dieser Satz des Aufrufes ist ein Schlag gegen die Traditionalisten, die weiblichen Forderungen nach Arbeit und Erwerbsmöglichkeit stets die natürliche Bestimmung der Frau für das Haus entgegenhalten. Die geänderten Wirtschaftsverhältnisse, die Tatsache, daß eine große Zahl von Mädchen unverheiratet bleiben, aber eine Schulbildung erfahren, als ob sie keinen Beruf auszuüben brauchten, sind auch im Weimarer Aufruf Grundlage der Forderungen. Diese sind in der Tat „radikal“48: Mädchenlyzeen mit dem vollständigen Lehrplan der Knabenschulen sind zu schaffen, die Universitäten sollen den Frauen zugänglich oder besondere Hochschulen „für die Frauenwelt“ gegründet werden. In ihrem Begleitwort49 betont Hedwig Kettler, sie wolle keine ethischen Argumente wie „Gerechtigkeit“ ins Feld führen, vielmehr befehle die Not des wirklichen Lebens eine Ausbildung der Frauen. Am 30. März 1888 wird in Weimar der Frauenverein „Reform“ gegründet; Hedwig Kettler wird seine erste Geschäftsführerin.50 Am 26. und 27. September 1889 findet dann ebenfalls in Weimar die erste Generalversammlung des Vereins statt. In ihrer Wohnung in der Lisztstraße begrüßt Kettler die Teilnehmerinnen, die

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sich zunächst zu einem Rundgang durch die Klassikerstadt aufmachen. Um 16 Uhr beginnt die eigentliche Tagung. Auf ihr wird der denkwürdige Beschluß gefaßt, eine Petition zur Öffnung höheren Bildungsweges für Frauen an die Landtage und an den Reichstag zu richten.51 Die Petitionstätigkeit des Frauenvereins „Reform“ nötigt Bewunderung ab, scheint sie doch auf eine Mauer männlicher Ignoranz zu stoßen. „Dem Vorstand des ‚Deutschen Frauenvereins Reform′ wird auf das Schreiben vom 29. v. Mts. hierdurch eröffnet, daß das unterzeichnete Staatsministerium aus mehrfachen Gründen Bedenken trägt, den Frauen die Zulassung zu einer staatlichen gymnasialen Abgangsprüfung zu gewähren und den Besuch der Universität zum Zweck ihrer Ausbildung für einen höheren Beruf freizugeben ...“52 Dies ist die abschlägige Antwort des weimarischen Staatsministers Stichling, des Herder-Enkels, der sonst nicht im Rufe besonders verknöcherter Politik steht. Wie in anderen deutschen Staaten meint man auch in Weimar, über die Forderungen der Frauen zur Tagesordnung übergehen zu können. In Hedwig Kettlers Zeitschrift „Frauenberuf“ ist in den gedruckten Protokollen einiger Parlamentsdebatten über die Petitionen zu erkennen, wie das Eis der Verweigerung langsam schmilzt, wie auch männliche Fürsprecher von höherer Frauenbildung auftreten. Am Wirkungsort des Vereins selbst freilich zeigt sich, welche Widerstände die Frauen zu überwinden haben. Am 19. März 1891 debattiert der Weimarische Landtag über die Petition. Unter Bravo-Rufen schließt der Geheime Staatsrat Dr. Guyet seine resümierenden Ausführungen: „Ich aber, meine Herren, würde der letzte sein, der aus dem Schulwesen des Großherzogtums und aus unserer Landesuniversität eine Versuchsstation für die deutsche Frauenbewegung machen möchte.“53 Der Landtag lehnt es mit Mehrheit ab, die Petition auch nur der Staatsregierung zur Kenntnis zu geben. Von solchen Mißerfolgen lassen sich Hedwig Kettler und ihre Vereinskolleginnen weder von der weiteren Petitionstätigkeit noch vom sonstigen Engagement für die akademische Frauenbildung abhalten. Der Verein „Reform“ entwickelt eine breite Vortragstätigkeit vor allem in Mittel- und Süddeutschland. Auf Vorleseabenden bzw. indem man die Bücher kursieren läßt, lernen die Interessierten beispielsweise John Stuart Mills „Hörigkeit der Frau“ und Eliza Orzeszkowas „Ein Frauenschicksal“ kennen.54 Man führt Lotterien durch und sammelt Spenden, um die Mittel für ein privates Mädchengymnasium zu erlangen. In Weimar bedenken Hedwig Kettler und Natalie von Milde organisatorische und inhaltliche Prämissen einer solchen Schule. 1893 wird in Karlsruhe das erste Mädchengymnasium eröffnet – ein praktischer Schritt auf dem Weg zur akademischen Frauenbildung und ein Zeichen von großer Leuchtkraft . Bereits im Dezember 1892 kann Hedwig Kettler konstatieren, daß sich ihr Verein, der inzwischen seinen Namen änderte55, „in erfreulichster Entwicklung“ befindet. Eine periodische Zeitschrift sei nun nicht mehr geeignet, die Sache der Frauenbildung voranzubringen.56 Um eine eingehendere Untersuchung des Problems zu ermöglichen, begründet Kettler die Bibliothek der Frauenfrage: In einer Reihe von Broschüren erscheinen Arbeiten über „Die Rechtsstellung der deutschen Frau“, „Deutsche Frauen vor dem Parlament“, „Männer, Frauen und Fortschritt“.

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Als Hedwig Kettler 1904 mit ihrem Mann, der Direktor des Statistischen Amtes in Hannover wird, von Weimar fortgeht, blickt sie auf zwanzig Jahre aufreibenden Kampfes um die Frauenbildung zurück. Materielle, organisatorische, publizistische und theoretische Anstrengungen wenden sie und ihre Kolleginnen auf, bevor erste Erfolge sichtbar werden.

1.3 „Alle Güte fängt beim Denken an“ – Natalie von Milde Eine junge Frau träumt davon, Künstlerin zu werden. Sie ist sehr musikalisch. Am liebsten würde sie als Sängerin und Schauspielerin auf der Bühne stehen: Natalie von Milde ist die Adoptivtochter der bekannten Wagner-Darstellerin Rosa von Milde geborene Agthe, der ersten Elsa im „Lohengrin“, die von Liszt verehrt und von Peter Cornelius geliebt wird. Natalies Pflegevater ist der berühmte Charakterbariton am Hoftheater Hans Feodor von Milde. Man sollte meinen, dem Berufswunsch Natalies stünde in einem solchen Elternhaus nichts entgegen. In den siebziger Jahren verkehrt sie mit Pauline Viardot-Garcia, Eduard Lassen, Emilie Merian-Genast und vor allem mit Franz Liszt. Sie läßt ihre Stimme ausbilden. Freunde und Besucher sind fasziniert von ihrer Darbietung der Cornelius-Lieder; ihre Tagebücher berichten von Auftritten, allein oder gemeinsam mit ihrem Vater, am 18. Juni 1876 singt sie in einer der berühmten Liszt-Matineen in der Hofgärtnerei.57 Eine Bühnenkarriere bleibt ihr jedoch versagt, nicht nur wegen ihrer durch eine Erkrankung geschwächten Stimme, sondern weil die Eltern dawiderreden. Vielleicht fürchten sie, die Tochter könne das Renommee in der „guten Gesellschaft“ aufs Spiel setzen. Nicht Künstlerin geworden zu sein, bleibt Natalie zeitlebens ein großer Schmerz; hier wurzelt ein immer wieder hervortretendes Gefühl der Minderwertigkeit, des Nichterreichens bedeutender Lebensziele. Sie wird Gesangslehrerin, scheint in einer Nische weiblicher Berufstätigkeit angekommen. Damit aber gibt sie sich nicht zufrieden. Sie geht einen Weg, der sie in die vorderste Reihe der deutschen Frauenrechtlerinnen stellt, sie geht ihn, getragen von Weimars Bildungsanspruch und kultureller Tradition. Natalie von Mildes Leben gewährt Einblicke in Kultur und Geselligkeit der Residenzstadt gewissermaßen zwischen Hofgärtnerei und Nietzsche-Archiv, auch aber in die Probleme und Auseinandersetzungen innerhalb der deutschen Frauenbewegung. 1880 wird Natalie mit Helene Böhlau bekannt.58 Die unkonventionelle Persönlichkeit der jungen Dichterin fasziniert sie; man reist zusammen, besucht sich zu regem Gedankenaustausch. Als Helene wegen ihres Verhältnisses zu Friedrich Arnd, der verheiratet ist, obendrein als gescheiterter Geschäftsmann und schlechter Autor gilt, in der „Gesellschaft“ beredet wird, ergreift Natalie leidenschaftlich die Partei der Freundin. Am liebsten möchte sie mit ihr aus der Stadt fortgehen. Später entfremden sich die beiden Frauen zunehmend, ohne daß es zu einem äußeren Bruch käme. Auch Milde sieht Arnd nunmehr kritisch, wobei ihr Urteil von ihrer idealischen Geschlechterauffassung geprägt ist: „Helene Böhlau ist mit ihrem Kind für eine Woche da. Wie sind wir auseinander gewachsen! Jetzt bestätigt sich mir, was

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ich während der Katastrophe ihres Schicksals i⊥er fühlte: Daß sie in den Händen des unrichtigen Mannes ist! Ich finde sie so materiell geworden; es drückt sich so in ihrem Körper aus, worauf doch alle ihre Philosophie hinausläuft: Genuß und Reiz – Reiz und Genuß.“59 Natalie von Milde gehört zu den härtesten Kritikerinnen Weimars. Ihr ständiges Gefühl individueller Beschränkung ergibt sich gewiß auch aus ihrer persönlichen Lage. Sie leidet unter den Besuchen ihres Bruders Franz, gegenüber dessen Anschauungen sie eine tiefe Antipathie hat.60 Sie ist abhängig von den Wünschen ihrer Mutter; weil Rosa von Milde die Frauenrechtlerin Marie Stritt nicht mag, darf sie diese nicht nach Hause einladen.61 Solche scheinbar kleinen Umstellungen ihres Lebens lassen ihr Weimar als „ledernes Nest“62 erscheinen. Doch auch an den öffentlichen Verhältnissen hat Milde manches auszusetzen. Sie beklagt bösartigen Klatsch und unproduktive Kulturpflege, die höfischen Verhältnisse nach 1901 und die besonderen Schwierigkeiten der Frauenarbeit in Weimar. „Ich hasse Weimar aus tiefstem Herzen ...“63, schreibt Milde am Ende einer berührenden Klage über das „Erbärmliche, Unsachliche, Mißgünstige“, das sie im Verhalten der Kleinstädter erblickt. Und einige Monate vor ihrem Tode notiert sie: „... ich möchte nicht hier begraben werden.“64 Dabei befaßt sich Natalie von Milde gründlich mit der Kulturgeschichte der Stadt. Sie rezensiert Eleonore von Bojanowskis „Luise“-Buch65: Es scheint ihr zwar auf fleißigem Quellenstudium zu beruhen, aber in der Deutung verfehlt zu sein. Seltsamerweise hat gerade Natalie eine Abneigung gegen die „kühle, reservierte Fürstin“66, die weniger aus genauer Kenntnis ihrer Persönlichkeit als aus der Idealisierung damaliger Geselligkeit gespeist scheint. Milde sieht Luise als Frau, die sich durch den „Reichtum ..., der jenen Menschen im Verkehr miteinander zu Gebot stand“, nicht inspirieren ließ: „Meine Empfindung war immer, daß Luise ziemlich nüchtern gewesen. Der funkensprühende Geist und – Körper des genialen Mannes blitzt an ihr ab. O, man kennt diese Art von Würde, oft mit viel Eitelkeit versetzt!“67 Mag Mildes Kritik an Bojanowskis etwas verklärender Luise-Darstellung berechtigt sein; sie selber formt in ihrer Argumentation das Bild einer leidenschaftlichen und anregenden Epoche, blendet die Widersprüche auch damaligen Alltags und Frauenlebens aus. Natalie von Milde beginnt nun, sich ihrerseits intensiv mit einer von Weimars Fürstinnen zu beschäftigen. Zum 100. Jahrestag ihres Einzuges in der Residenz erscheint 1904 Mildes Gedenkblatt über Maria Pawlowna.68 In ihm stellt sie einen Bezug zwischen dem Wirken der Großherzogin und der gegenwärtigen Frauenbewegung her. In der Tat legen die Ideen und praktischen Aktivitäten Maria Pawlownas die Grundlage für soziale Projekte und für das Streben nach verantwortungsvollem und selbstbestimmtem weiblichem Leben. Nach Lily von Kretschman ist nun auch Milde begeistert von der ebenso musischen wie praktisch-energischen Fürstin. Mit Eifer studiert Natalie die ihr zugänglichen Quellen, sie hat eine berechtigte Abneigung gegen gewissermaßen „leere“ Bücher, wie etwa Egloffsteins „Caroline“Monographie.69 „Wenn ich bei Nennung Weimar’s so oft hören mußte, es sei eine Stadt der Todten, so dachte ich mir: ja, weil man sich mit dem Leben der Todten nicht genügend beschäftigt.“70 Milde befaßt sich leidenschaftlich mit Weimars Ver-

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gangenheit. Mit ihren bescheidenen finanziellen Mitteln trägt sie eine beachtliche Sammlung von Zeichnungen und Gemälden über das alte Weimar zusammen, die öffentlich zugänglich sein soll. Auf einer Auktion bei Stargardt in Berlin setzt sie 300 Mark ein71, um einige Blätter zu ersteigern, sie stöbert auf Dachböden und kommt mit betagten Weimarern ins Gespräch und ins Geschäft: „Neulich saß ich bei einem alten Postbeamten auf der Bude, Junggeselle, Bett im Zi⊥er, und wir vertieften uns in seine fleißige Sa⊥lung. Bei meinem Ofenputzer fand ich ein Bild, Aquarell, um das mich Alle furchtbar beneiden können: der Garten der Herzogin Amalia vor dem Witthumspalais ...“72 Die Arbeit an den Quellen und an ihrer Sammlung ist für die trotz vielfältiger Kontakte Einsame eine Art Heimat. „Das ganz alte ist mein Weimar, das ich liebe, das ich mir zu reconstruiren suche, das mich wärmt. Das heutige Weimar ist wesenlos, unerfreulich.“73 Dies schreibt Milde im November 1905 an Marie von Ebner-Eschenbach, mit der sie seit über zwanzig Jahren in anregendem Briefwechsel steht. Über jenes gegenwärtige Weimar erfährt man Aufschlußreiches aus dieser Korrespondenz, auch aber aus der mit Marie von Bülow74. Die Witwe Hans von Bülows, Schauspielerin und Sängerin, Herausgeberin der Briefe ihres Mannes, allem Geistigen aufgeschlossen, Anteil nehmend an der Frauenbewegung, ist seit 1895 Mildes engste Freundin. Die Berichte an Ebner und Bülow künden von Feiern, Lesungen und Vorträgen, vor allem aber vom Mucker- und Spießertum der Residenz, hinter dem eine Erscheinung wie die Prostitution geradezu selbstverständlich ihren Platz hat. Milde kolportiert die Klage einer Frau über das geringe Entgelt: „Und wenn sie noch gut bezahlten! Aber es ist erbärmlich, wie wenig sie geben. Na, einige zahlen gut. Rothe zahlt jedes Mal 6 Mark!“ Empört fügt Natalie hinzu: „Kultusminister mit einer blühenden Frau!“75 Die Episode zeigt schlaglichtartig, daß der moderne Alltag im sich häufig so weihevoll gebärdenden Weimar durchaus gegenwärtig ist. Natalie von Milde nimmt lebhaften Anteil an neuen geistigen und politischen Strömungen. Auch bei ihr ist der Stirner-Biograph und Verfechter eines spezifischen Anarchismus John Henry Mackay zu Gast.76 Jene berühmte Vortragsreihe des „Nationalsozialen“ Friedrich Naumann in Jena sieht Milde unter den Zuhörern, anschließend diskutiert sie mit dem Referenten.77 1903 besucht sie wenigstens einen der theosophischen Vorträge Rudolf Steiners, den sie bereits Jahre vorher im geselligen Kreis Bernhard Stavenhagens traf.78 Steiner übrigens schätzt die von Milde verrissene Laura Marholm; diese schwelge in ihrer Weiblichkeit, während Natalie eine „typische geistreichelnde alte Jungfer ... betört durch die Sucht nach Vermännlichung“79 sei. Steiners klischeehaftes Ressentiment beruht auf einem antiquierten Frauenbild, wird aber zugleich dadurch gespeist, daß Milde nicht zu den bewundernden Anhängerinnen theosophischer Lehre gehört. Natalie von Milde beobachtet auch die Kunstbestrebungen nach 1900. Sie lernt Henry van de Velde und Hans Olde kennen, ohne in eine engere Beziehung zu ihnen zu treten. Ihre Bewertung der Aktivitäten ist recht ironisch, gefärbt auch durch ihre Antipathie gegen Elisabeth Förster-Nietzsche: „Unterdessen will Weimar einen neuen, vom kleinen Großherzog angeregten Aufschwung nehmen durch Hans Olde, der zum Professor der Kunstschule und van de Velde, der zur Reform des ganzen

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Kunstgewerbes berufen wurde. Wie klein, arm und öde eine Stadt ist, kann man aus der Aufregung erkennen, mit der zwei so Menschen empfangen werden. Ich traf Frau Förster an dritter Stelle, die sich schmeichelt, zu ihrer Berufung beigetragen zu haben. ... wir ko⊥en uns da oben vor, wie das Triumvirat, sagte sie, strahlend vor Eitelkeit.“80 Die traditionsbewußte Natalie von Milde, die entsetzt vor Klingers „häßlichen“ Frauenfiguren steht81, hat wohl auch – wie viele Zeitgenossen – Probleme, einen Zugang zur modernen Kunst zu finden. Über van de Velde notiert sie nur noch dessen selbstherrliches Gebaren gegenüber den Schülerinnen, die für flüchtige Treffen mit dem Meister hohe Gebühren entrichten müssen.82 Intensiver ist Mildes Auseinandersetzung mit dem Nietzsche-Archiv und seiner Protagonistin, bei der sie wiederholt zu Gast ist. Im Januar 1905 findet Natalie mit ihrer „weiblichen“ Nietzsche-Deutung dort keinen Anklang.83 Was sie zu dieser Zeit noch amüsiert, die Selbstzufriedenheit, das Überlegenheitsgetue Förster-Nietzsches, läßt sie in den folgenden Jahren immer weiter von dem „Kaiserthum“84 auf dem Hügel abrücken. Ärgerlich registriert sie, daß alle Größen, die nach Weimar kommen, auf dem Silberblick vorsprechen; sie kritisiert, daß man einander beweihräuchere und in unkritischer Selbstherrlichkeit verharre. „... ich prophezeie kein gutes Ende“85, schreibt Milde. Ohne Zweifel erfaßt ihre Einschätzung einen verderblichen Grundzug von Förster-Nietzsches Persönlichkeit, der auch auf das Wirken des Archivs ausstrahlt, ohne daß alle von dort ausgehenden produktiven Impulse zerstört würden. „Wie kindisch dumm kam ich mir vor neben einer so tief durchgebildeten, von Goetheschem Geist erfüllten Frauenerscheinung, wie es diese Natalie war. Ich wagte in ihrer Gegenwart kaum ein Wort zu sagen, geschweige denn ein Urteil zu äußern.“86 Gabriele Reuters Urteil gibt einen Eindruck von der Persönlichkeit Mildes, die sie vor allem in den Dienst der Frauenbewegung stellt. Seit 1891 gehört sie zum Vorstand des Vereins „Frauenbildungs-Reform“, seit dem Jahr 1900 leitet sie die Weimarer Gruppe des Vereins, der inzwischen „Frauenbildung-Frauenstudium“ heißt. 1902 etabliert Milde im Mittelbau des Bertuchhauses in der damaligen Bürgerschulstraße ein Lesezimmer für Frauen. Einrichtung, Buchausgaben und Zeitschriftenabonnements werden aus Spenden finanziert; die Initiatorin selbst wendet finanzielle Mittel und viel Zeit an das Projekt. Auch in Weimar einen gymnasialen Unterricht für Mädchen zu erreichen, ist Natalie von Mildes Ziel. In der so bildungsorientierten Stadt stößt sie dabei auf besondere Schwierigkeiten. „Geheime Verschwörung – wir möchten das Sophienstift in ein Realgymnasium gabeln. Dazu müssen sehr vorsichtig, gesprächsweise, die Behörden gewonnen werden, dann gilt’s, die neue Großherzogin, die natürliche Protectorin des Institutes, auf ihre Nieren prüfen, ganz, ganz behutsam.“87 1903, im Jubiläumsjahr des Sophienstifts, haben Mildes Bemühungen keinen Erfolg. Der Großherzog ist kein Anhänger höherer Mädchenbildung. „Mein Sohn gibt das niemals zu“88, bemerkt seine Mutter Pauline schon vor den diplomatischen Anstrengungen Mildes. Die Anregung, einen Fonds für eine zeitgemäße Entwicklung der Schule zu begründen, wird verworfen. Graf Medem, Oberhofmeister der Großherzogin Caroline, erscheint bei Milde, um ihr zu sagen, „daß man einer Fürstin dergleichen nicht

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octroiren könne“89. Mehrfach verhandelt Natalie erfolglos mit Minister Karl Rothe, der ihr sehr freundlich begegnet, auch einen ihrer Vorträge zur Frauenbildung besucht, in der Sache des Sophienstifts jedoch keine Reformmöglichkeit sieht. „Sie werden mich in dieser Angelegenheit noch öfter empfangen. Auf andere Weise und i⊥er wieder werde ich versuchen, in Weimar einen Fortschritt anzuregen.“90 Dies sagt Milde dem Minister; ihr Kampf um gleichberechtigten Unterricht für Mädchen gegen eine in dieser Frage nicht anders als reaktionär zu nennende Kulturpolitik geht weiter.91 „Sie war und blieb unsere beliebteste Rednerin …“92 betont Marie Stritt in ihrem Nachruf auf Natalie. Milde entfaltet eine breite Vortragstätigkeit für die Sache der Frauenbildung. Ihre Tagebücher und Briefe zeigen, wie anregend und befriedigend diese Vortragsabende für Zuhörer und Zuhörerinnen und für die Referentin selbst sind.93 Freilich werden auch die Anstrengungen des Umherreisens, Sprechens und Diskutierens deutlich. Im Januar 1902 etwa tritt Milde in Bayreuth, München, Stuttgart, Kaiserslautern, Landau, Karlsruhe, Pirmasens und Metz auf94, eine regelrechte Vortragstournee, auf der sie angegriffen und gefeiert wird, in gemütlicher, spießiger oder bescheidener Umgebung anschließend mit den Vereinsdamen spricht, auf der sie in schwierigen sozialen Problemen um Rat gefragt, gelegentlich auch von fürstlichen Frauen95 empfangen wird. Ihr hören selbst Menschen zu, die sonst eher zu traditionellem Rollenverständnis neigen, denn Natalie hat rhetorisches Talent und eine geschulte, wohlklingende Stimme. Ihre modernen Forderungen nach höherer Frauenbildung fundiert sie mit dem klassischen Ideal allseitiger Persönlichkeitsformung. Dies gewinnt dem Verein – gerade in Weimar – Aufmerksamkeit und Unterstützung. Allerdings ist die Frauenarbeit hier wie anderswo von tiefgreifenden Konflikten geprägt. „Ich habe ... Ihre Tochter einmal reden hören. Ist ja Alles Unsinn. Eine Jungfrau kann ja das Alles nicht wissen.“96 Das gegenüber Rosa von Milde geäußerte Urteil einer adeligen Besucherin mag man gebührend belächeln ebenso wie Bernhard Suphans albernen Spott97 über die Frauenfrage. Schwerer wiegen die Probleme in den eigenen Reihen. Wiederholt berichtet Natalie über Intrigen und Verschwörungen im Weimarer Verein. Ihr Verhältnis zu „Fräulein“ Dr. von Lengefeld, der ambitionierten Verwandten der Schiller-Gattin, ist – nachdem Milde sie zunächst fördert – sehr gespannt. Selbst ihre langjährige Mitstreiterin Hildegard ObristJenicke erscheint ihr zeitweise als intrigante Vereinsrivalin. Am Ende des Jahres 1903 sind die Spannungen besonders auffällig: „Ich wundere mich zuweilen, daß man sich den Strick noch nicht gekauft hat um den Hals.“98 schreibt Milde an Marie von Bülow. Und etwas gemäßigter an Ebner-Eschenbach: „Ein Verein ist eine kleine Menschheit; und daß in ihr nicht die edlen Motive vorwirken, darüber ist wohl leider kein Zweifel möglich. Man hat unglaublich viel Kleinliches, Häßliches in Kauf zu nehmen bei der Anstrengung, eine gute Sache vorwärts zu bringen.“99 Während die Weimarer Auseinandersetzungen wohl eher im Privaten begründet sind – Natalies Unterlegenheitsgefühl gegenüber der Akademikerin Lengefeld etwa – erscheinen auch in Mildes Korrespondenzen die Konflikte der deutschen Frauenbewegung als weltanschauliche. Helene Langes Forderung nach gemeinsamem

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Wirken von Mann und Frau an allen Kulturaufgaben deckt sich mit Mildes Positionen. Sie nennt Lange durchgebildet, gewissenhaft und geistvoll, ihre Vorträge erscheinen ihr wie „in Marmor gemeißelt“, ihr Verhältnis zu ihrer Freundin und Schülerin Gertrud Bäumer entzückt sie geradezu.100 In schärfster Weise polemisiert Milde aber gegen die „Radicalen“ und deren Publikationsorgan „Die Frauenbewegung“. Ihre auf Berufstätigkeit und Bildung der Persönlichkeit gerichtete Konzeption läßt kein Verständnis für sozialrevolutionäre Forderungen zu. Schon 1900 kritisiert Milde Anita Augspurgs Berliner Aktivitäten als schädlich für die Frauenbewegung.101 Man mag nicht ausschließen, daß ihre Beurteilung Augspurgs als selbstherrlich und herzensroh auch durch Marie von Bülow gefärbt ist: Mildes Freundin war schließlich mit Augspurg zusammen am Meininger Hoftheater engagiert. Über die persönliche Abneigung hinaus zeigen sich grundsätzlich unterschiedliche Sichten der Frauenfrage. Der antikapitalistische Impetus der Linken ist Milde suspekt, ihr Interesse für die Probleme des Proletarierinnenalltags, der gewerkschaftlichen Organisation von Frauen eher gering. Sie hat den Eindruck, daß manche Aktivitäten der „Sache“ abträglich sind und nur der Profilierung einzelner Persönlichkeiten dienen. Als im März 1902 eine von Anita Augspurg angeführte Deputation bei Reichskanzler Bülow erscheint, um ihm die Wünsche nach voller politischer Gleichberechtigung der Frau vorzutragen, meint Natalie, „daß sie nur Aufsehen erregen, nicht der Sache nützen“102 wolle. Ohne Zweifel ist Natalies Kritik an den „Berlinerinnen“ einseitig. Daß die „ganze Bande ungebildet“103, daß sie „selbst im Styl so unglaubliche Stümper“104 seien, läßt sich ihnen nicht generell nachsagen. Doch auch die linke Frauenbewegung – man mag an derart unterschiedliche Exponentinnen wie Minna Cauer, Lily Braun und Clara Zetkin denken – ist keine einheitliche, für feministische Anliegen streitende. Weiß man um die ideologischen Beschränktheiten, gelegentlich auch intriganten Egoismen in ihr, so erscheinen Mildes harsche Urteile, die aus unmittelbarem Eindruck erwachsen, in anderem Licht. An dieser Stelle ist es geboten, Natalie von Mildes Schriften in die Betrachtung einzubeziehen. In ihrem Nachlaß findet sich ein Fragment einer nicht betitelten Erzählung, das die Frauenfrage in verschiedenen Facetten aufnimmt. Am Ende dieses belletristisch illustrierten Agitationstextes steht ein leidenschaftliches Plädoyer einer „Emanzipirten“: Die Frau solle die Arbeit wählen dürfen, die sie beglückt, sie solle stets dem Ideal nachstreben, damit zugleich einer gedeihlichen Entwicklung des Gemeinwesens dienen.105 Mildes Erzählung taugt als solche nichts, allzu didaktisch kommen ihre Forderungen daher, sie umreißt doch schon Positionen, die in ihren theoretischen Schriften dann subtiler erläutert werden. Für Milde ist der klassische Bildungsbegriff Grundlage aller Überlegungen zur Frauenfrage. Daß es gelte, den geistigen Menschen zu formen, Anlagen auszubilden, harmonische Persönlichkeiten zu entwickeln, ist ihre Überzeugung. Leidenschaftlich streitet sie dafür, daß die „innere Charakterarbeit, die Harmonisierung alles Materials“106 beiden Geschlechtern möglich und notwendig werden. Milde setzt sich mit den sogenannten weiblichen Tugenden wie Sanftmut und Geduld auseinander, diese sind in ihrem Verständnis allgemeinmenschliche. Daß sich Männer auf die „Natur“ der Frau berufen, um sie von Bildung und Beruf fernzuhalten, hält sie angesichts des

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sozialen Alltags der niedrigen Stände für scheinheilig. Stetes Verweisen der Frau auf die Mutterrolle begreift sie als Roheit. Die Idealisierung der Familie als vom Öffentlichen geschiedenen Hort weiblichen Wirkens erscheint ihr unangemessen. Besonders polemisiert Natalie von Milde dagegen, daß bestimmte Muster und Erwartungshaltungen Frauen auf Äußerliches, auf Gefallenwollen, Gefallenmüssen festlegen: „Anmut stünde höher als gut sein? Nimmermehr!“107 Natalie verficht ihre modernen Forderungen nach gleicher Bildung für die Geschlechter, nach öffentlichem Wirken der Frau vom Standpunkt konservativer Kulturkritik: Die Festlegung des „Weibes“ auf äußere Schönheit ist keine ewig gleiche, sondern erhält im Gang allgemeiner Veräußerlichung des Lebens eine zusätzliche Bedeutung. Natalie fordert aus weiblichem Blickwinkel jene klassische Einheit von Wahrem, Gutem und Schönem, die in der Welt des zu Ende gehenden Jahrhunderts obsolet scheint. Das folgende 20. Jahrhundert wird Mildes Postulate nach Bildungserwerb und Berufsausübung der Frauen in breitem Maße erfüllen; weit wird es sich freilich von ihrem Persönlichkeitsideal entfernen; der Kult des Äußerlichen wird für Frauen neue rigide Verhaltensmuster hervorbringen. In ihrem Essay „Goethe und Schiller und die Frauenfrage“ untersucht Milde Schillers „Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen“. Wie „der Modernsten Einer“108 klage der Dichter über die von ihm selbst abgesonderte Wirklichkeit – Milde teilt seine philosophische Kritik des Zeitalters, seine Trauer um verlorene Werte wie Natürlichkeit und wahre Sitte, die nun, ein Jahrhundert später, noch berechtigter erscheinen. Die Forderung, das Gefühlsvermögen gleichermaßen mit dem Vernunftvermögen auszubilden, um den Menschen zu höchster Freiheit zu führen, scheint ihr überzeugend. Aber es empört sie geradezu, daß Schiller mit seinem Geschlechterideal die Frauen vom Beschreiten dieses Weges ausgrenzt. Daß die Frau auf Abhängigkeit, Unselbständigkeit verwiesen, daß „Anmut“ als ihr einzig möglicher Ausdruck verstanden wird, weist Milde entschieden zurück. Goethe dagegen empfindet sie als „Bundesgenossen der Frauen“109, bei dem die heutigen Forderungen nach gleicher Bildungsfreiheit und gleichem Recht für die Geschlechter vorgezeichnet seien. Sie spricht über Iphigenie und Dorothea, Goethesche Frauengestalten, die in der Tat Ansätze eines modernen Geschlechterverständnisses erkennen lassen. Insgesamt freilich erscheint Mildes Versuch, Goethe als „Hauptwohltäter“110 der Frauenbewegung darzustellen, zu wenig fundiert. Aus dem verständlichen Anliegen, gerade in Weimar den klassischen Grund für den Kampf der Frauen zu bewahren, idealisiert sie die Goethesche Geschlechterauffassung, vermeidet sie Differenzierungen, wiewohl sich gerade aus ihnen Aufschluß und Ermutigung ergäben. Natalie von Milde ist eine aufmerksame Beobachterin zeitgenössischer Debatten und literarischer Entwicklungen. Auch sie bezieht sich auf den in Weimar allgegenwärtigen John Ruskin111: Sie teilt seine Hochschätzung der Erziehung, die für sie stets Erziehung des „Menschengeschlechts“ ist. Eine Kluft zwischen dem „Haus“ als weiblicher und der „Öffentlichkeit“ als männlicher Sphäre dürfe – wolle man das große Ziel erreichen – nicht zugelassen werden, Frauen und Männer sollten ihre ungeteilte Kraft im Erziehungswerk einsetzen. Hier wie in vielen Schriften Mildes

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fällt auf, daß sie die Sache der Frauen vom Standpunkt eines Idealismus vertritt, den Alltägliches nur sehr vermittelt berührt. Niemals etwa würde sich Natalie der Frage der Vereinbarkeit von Haushalt und Berufstätigkeit zuwenden, die für die auch aus Weimarer Quellen schöpfende Lily Braun wesentlich wird. Natalie von Milde ist Literaturkritikerin. Auf dem Londoner Frauenkongreß 1899 hält sie einen vielbeachteten, dann auch gedruckten112 Vortrag über die Schriftstellerinnen und die Frauenbewegung. Sie verreißt Laura Marholms Mitte der neunziger Jahre erschienenen Bestseller „Das Buch der Frauen“, der das „sinnliche Element als das gesetzgebende“113 verkünde. Dann kommt sie auf die wichtigen, sogleich von der Frauenbewegung reklamierten Werke ihrer Weimarer Kolleginnen zu sprechen: Gabriele Reuters naturalistischen Ansatz vermag Milde nicht zu teilen. In ihrem Buch „Aus guter Familie“ hebe sich Reuter nicht von dem „photographisch getreuen Wirklichkeitsbilde“114 ab, das Ideal fehle ihr. Im Grunde ist dies auch Mildes Kritik an Helene Böhlau. Isolde Frey, der Hauptfigur aus „Halbtier“, fehle die Kraft, sich über Zufall, Anfechtung und Leid zu erheben.115 Milde bemängelt also an der modernen Frauenliteratur zweierlei: die naturalistische Beschränkung auf die Wirklichkeit ohne Bezug zu einem idealischen Sinnganzen und die Einbeziehung des Erotisch-Sexuellen als bestimmende Kraft. Als Natalie von Milde im März 1906 überraschend stirbt, trauern die Frauen nicht nur in Weimar: „Die Frauensache verliert an ihr eine ihrer begeistertsten Vorkämpferinnen“116, heißt es im Nachruf des Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium“. Auf einer Gedenkfeier im Armbrustsaal sprechen Hildegard Obrist-Jenicke und Marie von Bülow. Vor allem in der Rede der letzteren erscheint noch einmal der Konflikt von künstlerischer Berufung und dem entsagungsvollen Fügen in die Verantwortung als Tochter. Marie Stritt, die Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine, betont in ihrem Gedenkvortrag, wie unabdingbar die Tradition Weimars für das Streben Natalie von Mildes ist: „Es war der genius loci, der Geist ihres künstlerischen Elternhauses und der Geist dieses begnadeten Weimar ..., der auch in ihr lebendig war und ihr den unzerstörbaren Idealismus ins Herz und auf die Lippe legte. Und von der hohen Warte dieses Idealismus hat sie auch unsere Bewegung, der so viel Erdenstaub und Erdenschwere anhaftet, erfaßt. Sie sah in ihr immer ein einheitliches, ungeteiltes Ganzes, und in der Frauenfrage nicht die unzähligen Einzelfragen ..., sondern immer nur die eine große Menschheitsfrage ...“117

1.4 Die Geselligkeit des Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium“ „Ich denke mir eine angenehme Geselligkeit das Reizvollste, was es geben kann, aber sie muß höherer Art sein, als dieses sogenannte Ausgehen, bei dem nichts herausko⊥t. Diese Hetzjagd von Bällen und Gesellschaften ist zeitraubend, unfruchtbar, geisttödtend.“118 Dies äußert eine literarische Frauenfigur in jenem Erzählfragment Natalie von Mildes. Auch hier zeigen sich die Orientierung am klassischen Bildungsbegriff, die Forderung nach einer sinnerfüllten Geselligkeit. In dem von ihr einige Jahre lang maßgeblich bestimmten Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“

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hat Milde Gelegenheit, ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Wirklich entfaltet der Verein eine vielfältige Geselligkeit, die keine interne Angelegenheit ist, sondern in der Weimarer – und gelegentlich deutschen – Öffentlichkeit wirkt. Am 24. Februar 1900 führt der Verein eine „Versa⊥lung mit Mä]ern“ durch, zu der auch Julius Wahle, Mitarbeiter im Goethe- und Schiller-Archiv, erschienen ist. Der Arzt Dr. Vulpius berichtet über einen Amerika-Aufenthalt und die dortigen Erfahrungen mit der sogenannten Coeducation, also der gemeinsamen Erziehung von Jungen und Mädchen. Milde ist darauf gefaßt, Mißbilligendes zu hören, aber Vulpius tritt „mit Begeisterung für das Zusa⊥enarbeiten der Geschlechter“ ein.119 Zur Generalversammlung des Vereins Ende Mai lädt man dann den Jenaer Pädagogen Wilhelm Rein ein, der die Vorzüge gemeinsamer Schulerziehung von Knaben und Mädchen auch in einem öffentlichen Vortrag erörtert.120 Natalie von Milde ihrerseits bereitet dem Thema die Bahn: Vor zahlreicher Zuhörerschaft, unter ihr die Erbgroßherzogin Pauline, spricht sie über „Unsere Kinder“. „Daß freilich Fräulein von Milde ihr Thema ganz speziell von dem Standpunkte aus auffassen würde, den sie in Bezug auf die Frauenbewegung unserer Zeit einnimmt, war ja vorauszusehen, aber gleichzeitig auch zu danken, denn dadurch gewann mancher Zuhörer einen tieferen Einblick in die Motive, mit welchen das weibliche Geschlecht seine Forderungen an Familie, Staat und Gesellschaft begründet.“121 Die Rezension der Weimarischen Zeitung läßt leise Reserve anklingen, lobt aber Urteilskraft, innere Wärme und lautere Überzeugung der Rednerin. Es versteht sich, daß unterschiedliche Aspekte der Frauenfrage stets im Zentrum der Vortragstätigkeit stehen. Auf einem öffentlichen Abend im März 1903 wird die Geschichte der Frauenbewegung, der christlichen, der bürgerlichen, der sozialen und der proletarischen, dargestellt. Neben Milde referieren Selma von Lengefeld und Hildegard Obrist-Jenicke. Der Saal ist „gestopft voll“122, auch Herren interessieren sich für die Vorträge, die den Weimarern tagelangen Gesprächsstoff bieten. Allerdings ist die Diskussion nicht nur positiv, denn Milde berichtet von „Ärger ohne Ende“123. Im Oktober des gleichen Jahres 1903 organisiert man einen öffentlichen Abend, zu dem der Evangelische Verein mit eingeladen wird, ein „famoser, aufgeklärter Pfarrer“124 spricht über die Stellung der Kirche zur Frau. Er ist selbst Vereinsmitglied und unterstützt das Vorhaben, am Sophienstift Lateinklassen einzurichten. Bedeutende Frauenrechtlerinnen treten in Weimar auf. Marie Stritt spricht im Umfeld der Generalversammlung des Vereins 1900 über die „Frauenfrage, eine Menschheitsfrage“.125 Alice Salomon, die international bekannte Vorkämpferin professioneller Sozialarbeit, hält 1903 einen glänzend besuchten Vortrag. Danach begeben sich Mitglieder und Freunde ins Vereinslokal und lassen den Abend gesellig ausklingen: „Mit einem nebenan wohnenden Delicatessengeschäft haben wir einen Bund geschlossen, es liefert alle Sorten Butterbröde und Getränke. Die gute Obrist hatte Waffeln gebacken, Apfelsinen wurden geliefert und tüchtig geschmaust.“126 Zu einem anderen Gesellschaftsabend im Herbst 1903 begrüßt man Gertrud Bäumer und die Mitbegründerin des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins Marie Loeper-Housselle.127 Einen Höhepunkt für das ganze kulturelle Wei-

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mar bildet der Aufenthalt Ellen Keys im Schillerjahr 1905. Die weltbekannte Verfasserin des „Jahrhunderts des Kindes“, die den Weg zu einer freieren, weniger rigiden Erziehung bahnen hilft, ist eine exzellente Kennerin Goethes. Die Besuche an den Stätten des Dichters begeistern sie. Milde fürchtet zunächst, daß Key wegen ihrer mangelhaften Deutschkenntnisse als Vortragende nicht wirken könne128, dies scheint sich in der Tat zu bestätigen. Gleichwohl ist Natalie sehr angetan von der schwedischen Autorin: „Diese Frau ist eine große Seltenheit an unbedingter Wahrhaftigkeit, an Einfachheit, an Wärme. Mit großer Scharfsicht hat sie ihre eigenen Lebensgesetze erkannt und befolgt diese. Sie sind die idealsten. Das Goethe’sche ‚Gedenke zu leben′ ist ihr Wahlspruch ganz in seinem Sinne.“129 Ellen Key selbst drückt sich weitaus drastischer aus, sie kommentiert Mildes aufreibende Arbeit auch im Verein mit den Worten: „Laß die Saubagage und schreibe, was du zu sagen hast.“130 Der Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“ organisiert Vorträge und Weiterbildungen, die (weibliche) Lebenspraxis berühren. So spricht im März 1902 der Jurist Dr. Lützeler über das noch neue Bürgerliche Gesetzbuch.131 Man begründet einen Verband zu gegenseitiger Hilfe in Krankheitsfällen, der von einem Kursus über praktische Pflege flankiert wird, den das Vereinsmitglied Fräulein Dr. Wagner übernimmt132. Eines der wichtigsten Projekte ist die Frauen-Gartenbauschule. Gartenarbeit scheint damals vielen eine Möglichkeit nicht nur sinnvoller Betätigung für Frauen, sondern auch ihrer Berufsausübung. Auch sogenannte Damen der Gesellschaft pachten Land oder werden gar professionelle Gärtnerinnen, mitunter kollidiert idealische Naturliebe empfindlich mit den praktischen Erfordernissen. Das Geld für die Frauen-Gartenbauschule in Weimar gewinnt man unter anderem durch Aufführungen selbstgestalteter Theaterstücke. Erika von Watzdorf-Bachoff schreibt den Text für ein Singspiel „in der Art der Goethezeit“133, die Komponistin Elisabeth Urtel vertont es, Mathilde von Freytag-Loringhoven malt die Kulissen und steht als brummiger Gärtner auf der Bühne. Das Stück ist ein großer Erfolg, es wird wiederholt und legt die materielle Grundlage der Unternehmung. Die „Gartenarbeitsschule für Frauen“, wie sie dann heißt, führt regelrechte Examina durch. Dazu erscheinen 1910 ein Vertreter der Regierung, außerdem der Kaufmann und Politiker Louis Döllstädt und Oberhofgärtner Sckell. In jenem Jahr schließen drei Frauen, alle mit guten und sehr guten Leistungen, die Schule ab.134 Man sollte aus heutiger Sicht solche Projekte nicht geringschätzen. Sie helfen sicher nur wenigen Frauen, bahnen aber den Weg zu umfassender Bildung und Berufstätigkeit. So sind wir beim Liebhabertheater, das der Verein „FrauenbildungFrauenstudium“ eifrig pflegt, meist um die eigene Arbeit und die sozialen Unternehmungen materiell zu unterstützen. Die Dilettantinnen auf der Bühne der Wohltätigkeitsabende spielen durchaus mit „künstlerischer Sorgfalt“135. Im Januar 1902 veranstaltet man einen dramatischen Abend im großen Saal der Erholung.136 Man spielt Marie von Ebner-Eschenbachs „Bettelbriefe“, auch diese Aufführung wird mehrfach wiederholt. Im April des gleichen Jahres wendet man sich einem Stück im „Marlittstyl“ zu: „sehr einfache, arme Mutter eines selfmade man, der eine vornehme Braut heiratet. Mimi Freytag spielt sie höchst ergreifend, – erstaunlich!“137 Das

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Theaterspiel des Jahres 1902 dient in erster Linie dem wohl wichtigsten Projekt des Vereins, dem Lesezimmer für Frauen. Am 10. Dezember wird es im Mittelbau des Bertuchhauses eingeweiht, am Tag darauf dann für die Benutzerinnen geöffnet. Den elf Meter langen Saal mit Stuckdecke und hohen Bogenfenstern läßt man lichtgrün tapezieren; mit gleichfalls grünen Möbeln und langen weißen Zuggardinen entsteht eine warme Atmosphäre, 80 Zeitungen und Zeitschriften liegen auf, im Schrank stehen Bücher, dem Verein zum Teil durch großzügige Spenden zur Verfügung gestellt. „Mein Hauptimpuls, das zu schaffen war, eine Centralstelle für Sociales und Frauenfragen zu organisieren“138, schreibt Milde, und der Erfolg zeigt, daß hier in der Tat einem allgemeinen Bedürfnis entsprochen wird. Nach einer Woche hat das Lesezimmer bereits 57 Abonnenten. Die Einweihungsfeier ist ebenso vergnüglich wie berührend: Zwölf Mitglieder des Vereins, unter ihnen Natalie, singen vierstimmig eine Mozartsche Melodie. Daß sich die betagte Rosa von Milde, deren Stimme noch immer „silbern rein“ klingt, an diesem Chor beteiligt, rührt die Zuhörer zu Tränen. Dann hält die Vereinsvorsitzende eine Ansprache, deren abschließendes „Willkommen“ vom Chor aufgenommen wird. Nach einem Imbiß mit „denkbar raffinirtesten Küchlein und Butterbrödchen“ wird eine heitere dramatische Szene mit Natalies Versen aufgeführt: Die Karikatur eines Blaustrumpfs mit „Longueshawl, Lockenperücke, blauer Brille“ erscheint im Lesezimmer, wirft dort die Attribute des Vorurteils ab und wird „Arbeitskraft“ im Dienste der Frauenfrage. Tilly und Mimi Freytag sind auch hier die begabten Akteurinnen. Heiteres Aperçu zu dieser begeisternden Einweihungsfeier ist die Tatsache, daß Weimar geflaggt hat, allerdings nicht wegen des Lesezimmers, sondern weil sich der Großherzog verlobt hat.139 Die Kulturgeschichte des klassischen Ortes spielt in der Vortragstätigkeit des Vereins keine marginale Rolle. Am berühmtesten wird Natalie von Mildes auf gründlichen Studien beruhender Maria-Pawlowna-Vortrag zum hundertjährigen Jubiläum des Einzuges der in Frauenfragen und sozialen Belangen engagierten Großfürstin in Weimar.140 Zu reden wäre auch von Mildes erfolgreichem Vortrag über Peter Cornelius141, bei dem sie aus eigener und ihrer Familie Erinnerung an den Dichterkomponisten schöpft. Mathilde Freytag-Loringhovens Wieland-Vortrag von 1913 bekennt sich noch einmal zum klassischen Bildungsbegriff als Grundlage des Humanen, betont zugleich in starkem Maße die nationale Bedeutung des Autors.142 Wichtiger Bestandteil der Vereinsarbeit sind die literarischen Abende, die im Winterhalbjahr in regelmäßiger, meist vierzehntägiger Folge für Mitglieder und Abonnenten des Lesezimmers abgehalten werden. Durch Lesungen wollen sie mit dem Werk zeitgenössischer Autoren bekannt machen. Von Herbst 1904 bis Frühjahr 1905 werden etwa Dichtungen Hugo von Hofmannsthals, Arthur Schnitzlers, Maeterlincks und Maxim Gorkis, aber auch Friedrich Lienhards vorgetragen.143 In der nächsten Saison findet ein Abend zu Marie von Ebner-Eschenbach statt, außerdem befaßt man sich mit den kulturgeschichtlichen und ästhetischen Essais des SchillerUrenkels Carl Alexander von Gleichen-Rußwurm.144 Die Lesungen werden nach einer Stunde durch eine Teepause unterbrochen, die sicher Gelegenheit zum Gespräch über das Gehörte bietet. Gelegentlich sind die literarischen Abende des Ver-

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eins auch öffentlich: Im Saal des „Erbprinzen“ spricht Ella Mensch, die Redakteurin der Berliner „Frauen-Rundschau“ und Verfasserin einer Monographie über die „Frau in der modernen Literatur“.145 Die Geselligkeit des Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium“ ist in erster Linie auf die Formung des geistigen Menschen gerichtet. DaS klassische Bildungsideal für den weiblichen Teil der Gesellschaft anzustreben, führt zu bedeutenden sozialpraktischen Projekten. Vor allem das Lesezimmer eröffnet Lektüre- und Informationsmöglichkeiten auch für Frauen, die keine Bibliothek und kein Zeitschriftenabonnement ihr eigen nennen. Mildes intensive Bemühungen um die Kulturgeschichte Weimars steuern erstarrtem Traditionalismus entgegen. Auffallend ist, daß die Vereinsgeselligkeit keine auf bloße Unterhaltung orientierten Angebote – etwa Maskenbälle und Tanzveranstaltungen – enthält, auch Unternehmungen in der freien Natur, die dem Zeitgeist in besonderer Weise entsprächen, sind nicht die Sache des Vereins. Selbst musikalische Darbietungen, der ehemaligen Sängerin Milde immerhin nahestehend, finden nur als Teil übergreifender Zwecksetzung Eingang in die Geselligkeit. Was Franziska zu Reventlow die „mutige Froheit des Heidentums“146 nennt und als Teil der Frauenemanzipation einfordert, die sinnliche Verwirklichung und Entgrenzung des weiblichen Individuums, wird man im Weimarer Verein vergeblich suchen. Gerade seine strikte Konzentration aber auf Bildung und Arbeit ermöglicht in der traditionsbewußten Stadt eine große Wirkung.

2. Weibliches Schreiben in Weimar 2.1 „... du geheimnisvolle Goethestadt, ob man deiner je vergessen kann“ – Helene Böhlau zwischen Naturalismus und Heimatkunst In einigen Werken Helene Böhlaus erscheint eine Frau, die man keineswegs als Nebenfigur bezeichnen kann: Die Kummerfelden unterhält in Weimar eine Nähschule, in der sie jungen Mädchen neben Hohlsäumen und Steppstichen auch ihre Lebenserfahrung vermittelt. Die ehemalige Schauspielerin liebt das Theater, ihren Schülerinnen liest sie klassische Dramen vor. Dies wirkt ebensowenig nur komisch wie die thüringisch plaudernde Frauenrunde, die sich bei ihr zum Kaffee einfindet, die aus sozial und individuell subtil erfaßten Charakteren besteht. Die Kummerfelden ist von praktischer Hilfsbereitschaft und tief menschlich. In ihren Ansichten über die Rolle der Frau ist sie weit von einer spießbürgerlichen Akzeptanz des Bestehenden entfernt: „Kommt ihr zu einer Heirat, mir soll’s recht sein; aber besser ist es allemal, es kommt nicht dazu, das heißt, wenn man ein resolutes Frauenzimmer ist und weiß, was man will.“147 Ohne emanzipatorisches Pathos orientiert die Kummerfelden stets auf die eigene Lebensleistung, die eigene Gedankenwelt der Frau, auf Durchsetzungsvermögen gegenüber den „Mannsbildern“, sie polemisiert dagegen, weibliche Existenz nur auf die Ehe hin zu planen. Die Kummerfelden kennt die Macht der Konvention, ohne ihr sklavisch anzuhängen; sie vermittelt die in Weimar

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mitunter skurrile Spannung von Alltag und Ideal in wahrer Menschlichkeit. Regelmäßig unternimmt sie mit ihren Schülerinnen eine Stadtführung durch „Weimars heilige Gassen“148. Dabei gibt sie den kichernden Mädchen kein nur idealisches Bild des klassischen Zeitalters. Neben der knappen, in Alltagsmetaphern gekleideten Beschreibung von Wielands Werk steht sein Verhalten als Ehemann; vor Goethes Haus am Frauenplan plätschern die Mägde am Brunnen mit den Wassereimern. Bezeichnenderweise erinnert sich die Kummerfelden auf dem Jakobsfriedhof nicht nur an Schiller, sondern auch an die „Muskulussen, die arme, bescheidene Seele in Perücke und Veilchenhut“149. Helene Böhlaus Darstellung des klassischen Weimars hat nichts Verklärendes und Heroisches. Der Alltag der „Großen“, aber auch der einfachen Leute ist ihr wichtig. Womöglich sind die Kummerfelden und ihre Nähmädchen mit den großen Stücken Zwetschenkuchen in der Hand dem klassischen Weimar näher als die Gelehrten über den verstaubten Quellen. Ihr Respekt gilt dem Guten und Schönen, das, gerade indem es nicht anbetend entrückt wird, in seiner alltäglichen Bindung, unangetastet ist. Der beschriebene Stadtrundgang der Kummerfelden steht in Helene Böhlaus bekanntestem Buch, den 1888 erschienenen „Ratsmädelgeschichten“. Man hat von den „rückwärtsgewandten, erinnerungsträchtigen Erzählungen“150, von den „netten kleinen harmlosen Episoden“151, von den „idyllisierenden Zügen“152 dieses Bandes gesprochen. Freilich erscheinen in den „Ratmädelgeschichten“ Grundzüge der Weltsicht und Poetik einer modernen Autorin. Als die Geschichten als Buch publiziert werden, sitzen Wissenschaftler bereits über Goethes Nachlaß, ihn zu erforschen und die Werke des Dichters herauszugeben. Die Klassik-Orientiertheit des nachklassischen Zeitalters wird noch einmal neu stimuliert. Allerdings bleibt Weimar nicht unberührt von den Auseinandersetzungen der Moderne um kulturelle Vergangenheit und Gegenwart. Zu Beginn des ersten Kapitels der „Ratsmädelgeschichten“ erklärt Helene Böhlau ihr poetisches Interesse am klassischen Weimar. Nicht von jenem „klugen und guten Fürsten“ will sie erzählen, auch nicht von den Dichtern, die „das Schönste, was wir kennen“, geschrieben haben: „Aber neben ihnen wohnten in jenen Tagen gar viele Leute in der Stadt, von denen niemand mehr spricht. Die hatten auch ihre Freuden und Leiden, auch ihre guten Stunden, fühlten und empfanden tief, waren froh und litten, hatten auch Herzen wie jene. Sie sind gestorben und vergessen.“153 Böhlau wendet sich also bewußt nicht den „Großen“ der klassischen Zeit zu, sondern dem Alltag der einfachen Menschen, der Bürger und Handwerker, der Juden, der Armen und Kranken, vor allem der Mädchen, Ehefrauen und alten Jungfern. Das Buch, das durch die Genrebezeichnung und die „sprechenden“ Untertitel volkstümlich-heiter anmutet, wird man kaum der naturalistischen Literatur zurechnen. Aber wie die Naturalisten tritt die Autorin den Weg in die Wirklichkeit an, richtet sie ihren historischen Blick „nach unten“, beschreibt sie minutiös Ort, Milieu und Alltag. Die poetische Fiktion weist sie von sich: Sie erzähle nur, was ihre Großmutter „miterlebt“154 habe. In den „Ratsmädelgeschichten“, aber mehr noch in den anderen Werken Böhlaus, die in Weimar spielen, werden Grundthemen der literarischen Moderne aufgenommen: Trunksucht, soziale Not, zerrüttete Ehen, ledige verstoßene Mütter, verlas-

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sene, hart arbeitende Frauen erscheinen ebenso wie die Karikatur der bloß materiell orientierten Philisterwelt. Das schwindsüchtige Dienstmädchen, der behinderte und verachtete Philipp Asmusen, die barmherzigen Dorfleute, die die von der Jenaer Professorengesellschaft verstoßene Kristine und ihr Kind aufnehmen, sind wichtige Protagonisten. Soziales Mitgefühl führt gelegentlich zu einer geradezu religiösen Überhöhung der Figuren. Die Bauersfrau Guggemoosin aus dem „Gewürzigen Hund“ ist stark und kraftvoll, sie trägt „die Krone des Lebens“155. Der russische Bauer Jermak ist ein Mörder und ein Heiliger. Im Roman „Die leichtsinnige Eheliebste“ wird ein sterbender Möbelmaler, den Goethe und Einsiedel beim Brand in Mellingen retten, zu einer prophetischen Gestalt, die sich mit Christus ineinssetzt: „... du bist’s, der mich vom Kreuze nahm“, sagt er zu Goethe, „Du bist das ewige Geheimnis, der Unergründliche. – Keiner wird kommen, der dir gleicht – du wirst allein bleiben.“156 Eine Volksfigur von mythischer Größe spricht von Einsamkeit und Einmaligkeit des Dichters und von seiner ewigen Bedeutung, die Sätze des Sterbenden stehen als nicht anfechtbare Wahrheiten. In der Geschichte findet Helene Böhlau den „Schmerz ‚derer ohne Ahnen′, die ihr Wesen nicht von Generation zu Generation in vornehmen Formen aufgelöst haben“157, sie schließt historische Ereignisse mit dem Leben der Gewöhnlichen zusammen. Einprägsame Szenen gelingen ihr, die einem heroischen Geschichtsbild fernstehen. Am Ende des „Gewürzigen Hundes“ etwa hört man von der Schlacht bei Jena – nicht von militärischen Taten, sondern von Not und Elend im provisorischen Lazarett der Michaeliskirche.158 Zur Kennzeichnung des Milieus und der Figuren nimmt Böhlau den Dialekt auf. Die thüringische Mundart ist nicht allein Mittel, die Provinzialität Weimars komisch darzustellen, auch nicht, eine gemütvoll-integre Vergangenheit heraufzubeschwören. „Werd ich jetzt zermacht?“159 fragt das sterbende Kind der bitterarmen Witwe in der „Wünschengasse“, in der dialektal-kindersprachlichen Frage liegt tiefere Tragik, als sie ein hochdeutscher Satz ausdrücken könnte. Der thüringische Dialekt ist – wie an anderer Stelle der Südtiroler oder das gebrochene Deutsch der russischen Figuren – nicht allein Organ der Sozialkritik; in ihm offenbaren sich Simplizität und menschliche Größe. Erhabenes und Lächerliches zugleich drückt er aus. Auch in der Aufnahme der Mundart zeigt sich, daß Helene Böhlau moderner Literatur nahe ist: Das Tragikomische ist eine ihr gemäße Weise des Welterlebens. Untersucht man Helene Böhlaus Frauenbilder und den emanzipatorischen Anspruch ihres Werkes, so wählt man im allgemeinen Romane wie „Halbtier“ oder „Der Rangierbahnhof“ als Untersuchungsobjekte. Die in Weimar handelnden Erzählungen bieten jedoch gleichfalls weibliche Schicksale zwischen Eigenverantwortung und Akzeptanz der Entsagungsrolle, zwischen Hunger nach dem „Brot des Lebens“160 und naiver Fixiertheit auf die Versorgungsinstitution Ehe. Bereits in den „Ratsmädelgeschichten“ erzählt die Autorin gegen den Strich der Mädchenliteratur von der Aufklärung bis zum 20. Jahrhundert. Röse und Marie, ihre Hauptfiguren, treiben sich auf der Gasse herum, zeichnen sich keineswegs durch Sittsamkeit und schulischen Fleiß aus, versagen in weiblichen Handarbeiten. Was in traditionellen Jugendbüchern männlichen Protagonisten – Lausbuben – zugebilligt wird, erfahren

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hier die Weimarer Ratsmädel. Böhlau lässt keinen Zweifel daran, daß Röse und Marie gerade durch ihre lustvoll-unangepaßte Kindheit zu lebenstüchtigen Frauen und guten Menschen werden. „Stellen Sie sich vor, schönste Mamsell, die Weiber begännen zu denken! Nicht auszusinnen wäre das. – Prost Mahlzeit! – Die größte Revolution auf Erden bräche an, ein Vulkan verschüttete alles.“161 Dies äußert der Kupferstecher Kosch in der Erzählung „Die Kristallkugel“ zu Beate. Kosch ist ein Denkender, ein Trinker, für den die Frauen Naturwesen sind, frei vom „Katzenjammer“ rationaler Weltbetrachtung. Tieftraurig ist die Geschichte, die doch ein Happy End hat: Beate bekommt ihren Kosch, aber nicht das, was sie erwartet, daß er sie denken lehre, daß er mit ihr wie mit einem Freund spreche, daß sie nicht schlafend, nicht tot und stumm lebe. Die oben angeführte Stelle von der Revolution der denkenden Weiber öffnet eine Tür des Textes nach der Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts. Der Vulkan ist längst ausgebrochen, Weimarer Frauen sind unter den Denkenden. Helene Böhlau hat eine Lieblingsfigur im klassischen Weimar, die sie häufiger und intensiver gestaltet als Dichter und Fürsten: Christiane Goethe. In einer Zeit, in der Goethe-Philologen und -Verehrer die Frau des Dichters entweder gar nicht beachten oder sie – je nach Weltsicht – als „Fehlgriff“ oder nützlich-praktische Hausfrau ansehen, gibt ihr die Autorin einen zentralen Platz. Im autobiographischen Roman „Isebies“ erzählt eine gelähmte alte Frau ihre Erinnerungen an Christianes Weihnachten. Christiane bäckt riesige, wundervoll gewürzte Stollen, über die Küchenarbeit hinaus erscheint sie als starke, kraftvolle Persönlichkeit. Lachend, leuchtend beschenkt sie die Kinder und die Armen. Die Figur erhält eine überirdische Dimension: Sie ist ein „Kind“, ein „seliger Mensch“, ein „Engel, der für die ganze Welt Weihnachten macht“.162 Die Erzählerin muß es aussprechen: „Da war so viel Liebe drin – Gott verzeih’ mir die Sünde – als in unserem Herrn und Heiland.“163 Helene Böhlaus Christiane-Figur ist eine Vermittlerin von Irdischem und Himmlischem, sie ist eben nicht nur praktisch, lebensfroh und zupackend, sondern liebend und ihr Kreuz tragend mit dieser allumfassenden Liebe. Im Roman „Der gewürzige Hund“ wird Christiane erneut in den religiösen Raum gestellt. In ihrer Wärme und überströmenden Kraft scheint sie dem Paradies zu entstammen: „Sie sah aus, als müßte ihre Heimat auf Erden ein schöner Garten sein, ein Garten, in dem der Sommer schrankenlos herrschte ...“164 Schließlich tanzt sie „wie König David vor der Bundeslade“165. Als sie freilich eine Romanfigur mit der Gottesmutter Maria vergleicht, verweist Christiane zornig auf weimarische Lebenspraxis: „Meinen Sie, die wissen nich zuzupacken, die miserablichen adligen Weibsbilder? ... Die verstehen’s, sag’ ich Ihnen, aus dem Effeff, wenn’s gilt, einem was anzuhängen. ... Die Mutter Gottes hätt’ ich nich für’n Schloß sein mögen. Jetzt tun sie sich leicht, da hat das Anbeten keine Schwierigkeit, wo in jeder Kirche ihr Sohn als unser Herrgott angesprochen wird; aber eh’s so weit war!“166 Christiane Goethe ist bei Böhlau eine Heiligenfigur von mütterlicher Erdverbundenheit, sie ist fett, spricht thüringischen Dialekt, aber berührt die Welt mit Güte und mitleidendem Gefühl. Als der Dichter Gabriel Schenk von Geyern bleich und vernichtet über Goethes Kälte ihm gegenüber im Treppenhaus lehnt, nimmt sie ihn mit in ihre freundliche Küche und tröstet

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ihn: „Mein Geheimderat is noch lang der liebe Gott nich ...“167 Dies klingt wie eine Absage an gründerzeitliche Goldschnittverehrung des Dichters, an einen PodestGoethe, dem man im Positiven wie im Negativen nicht nahe kommt. Christiane aber erscheint bei Helene Böhlau als mensch- und fraugewordene Humanitätsidee der deutschen Klassik, als Verkörperung tiefen Menschentums im Weimarer Alltag. Neben Christiane tritt in Böhlaus Werk noch eine wichtige Frauenfigur aus Goethes Leben auf: die Mutter des Dichters, Elisabeth Textor. Die Autorin beschreibt die Kindheit der Goethemutter im Hause des Stadtschultheißen in Frankfurt. Auch Elisabeth erscheint erwählt: „Ein Knabe mit solcher Glut wie Beth würde die Majestät der Menschheit einst an sich reißen.“168 Die Frauen sind von einer überirdischen Stärke, ihnen verdankt der Dichter alles. Andererseits wird – zumal im Roman „Die kleine Goethemutter“ – weibliche Existenz nur im Hinblick auf das Kind, auf den Helden „vor dem Tore der Ewigkeit“ bedeutsam, einen eigenen Anspruch, Begabung und Seele zu entfalten, gibt es nicht. Im Roman „Die Kristallkugel“ erscheint der Kupferstecher Kosch in Weimar, um Goethe aufzusuchen. In einem Kreis von Einheimischen, die ihm die Schwierigkeit erklären, bei „Seiner Exzellenz“ Audienz zu erlangen, äußert er erregt seine Meinung: „Ein Jahr ohne Geld ... eure Exzellenz wäre lebendig geworden wie Gott ... die Welt erlöst hätte er, wäre er durchglüht worden bis aufs Mark, hätte er unter den Elenden gesessen ...“169 Die Romanfigur formuliert eine gewissermaßen ewige Kritik am Dichter, die angesichts gründerzeitlicher Parthenon-Verehrung und sozialer Wirklichkeit neu stimuliert wird. Erst in der Parteinahme für die Schwachen und Entrechteten erhielte der Dichter eine religiöse Größe. Freilich wird eine solche Sicht im Roman selbst korrigiert. Als Kosch Goethe erblickt, ist ihm sogleich klar: „Ja, solch eine Mauer muß sich einer bauen, wenn er schaffen will ... Nein, der hat nichts bei den Elenden zu tun ...“170 Und im „Gewürzigen Hund“ heißt es gar über Goethe: „Er allein war der Mensch, das Ebenbild Gottes. Er leuchtete allein.“171 In Helene Böhlaus Bild des klassischen Weimars steht Goethe in unangetasteter Größe. Immer freilich unterläuft die Autorin eine Linie gründerzeitlich-epigonaler, sozusagen „weihevoller“ Klassik-Verehrung, indem sie auf jene weist, deren Leben nicht in Denkmälern und ledergebundenen Tagebüchern dokumentiert ist. Immer auch erhebt sich bei Böhlau eine Gegenstimme zur bloßen Goethe-Schwärmerei: „No ja, ‚nadierlich′ “172, sagt die Köchin Regine trocken auf die entzückte Frage, ob sie wirklich beim Dichter gearbeitet habe. „Gewiß och wieder eener von denen, die nich alle werden“173, denkt abfällig der Postillion über den begeisterten jungen GoetheVerehrer, der alsbald mit einem Mädchen in der Ilm badet und darüber den Dichter verpaßt. Helene Böhlaus Goethe ist der einsame Künstler, der sich vom gewöhnlichen Leben abgrenzen muß, um schaffen zu können. Er ist der Bleibende, der Wiederkehrende, aus dessen Werk sich ein Lebensstrom ergießt, nur den Lesern allerdings, nicht den Philistern, die ihre Unkenntnis hinter äußeren Ehrungen verbergen. Das Goethe-Erlebnis ist immer und überall möglich – auch in der Ladenstube der Krämerin, die in einem Almanach auf seine Naturlyrik stößt174 und ihr innerstes Sehnen ausgedrückt findet. Man muß nicht privilegiert, besonders gebildet oder in sonstiger Weise ausgezeichnet sein, um Goethes Dichtung nahe zu kommen – Böh-

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laus humane Botschaft fügt sich eigenartig in die Goethe-Rezeption der Jahrhundertwende. Sie teilt das Bild des weltfernen, aristokratischen Schöpfers, nicht aber das einer elitären Verehrergemeinde; gerade die entsagungsvolle Abkehr des Dichters von der alltäglichen Not ermöglichte die schön geformte Lebenserfahrung der Texte, die nun für alle bereitsteht. Helene Böhlau ist auch in anderer Hinsicht eine Autorin des Fin de siècle. Weit entfernt ist sie von einer optimistischen Fortschrittsauffassung, auch nur von der Erkenntnis eines Nutzens industrieller Entwicklung für den Gang des Menschengeschlechts. Aus dem Wissen um das folgende Jahrhundert enthalten ihre Thesen eine beklemmende Nähe. Daß die Katastrophen der Zeit „durch sinnreichste, erstaunliche Maschinen aller Art durch die Hirne im fortwährenden Strome gejagt“ werden „bis die Hirne ermatten, die Herzen stumpf werden“175, ist ihre Beobachtung; lange vor dem Fernseh- und Computerzeitalter beklagt sie die Gleichgültigkeit durch stete Reproduzierung des Erschütternden. Sie konstatiert die Tendenz der modernen Gesellschaft, immer dramatischere Bilder bereitzustellen, damit aber wirkliche Dramatik zu vernichten. Phantasie, Eindrucksfähigkeit, „Lebensfeuer“176 sieht sie schwinden. Was bleibt, ist der „Tod aller Sehnsucht nach Seelenbewegung“177, eine kühle, sachliche Philisterwelt. Diese Entwicklung zeigt sich für Böhlau beispielsweise in der Gartenkultur: Moderne Menschen gruppieren ihnen gleichgültige Pflanzen zu wirkungsvollen Ensembles, ohne eine historisch gewachsene, emotionale Beziehung zu ihnen zu haben.178 Individuen mit „göttlichen Urkräften“179 vermag diese Zeit nicht mehr hervorzubringen – dies ist Böhlaus kulturpessimistische Einsicht. So weit die sozial empfindende Autorin von Friedrich Nietzsche entfernt ist, so klar erscheint auch bei ihr das Bild des „letzten Menschen“, der keinen Stern mehr gebären kann. Der „Tod aller Phantasie“180 ist grundlegendes Menetekel des Böhlauschen Werkes. Helene Böhlau stirbt erst 1940. Sie erlebt den ersten Weltkrieg, die zwanziger Jahre und die Machtübernahme des Nationalsozialismus. Aus ihrer Entwicklung, ihrem Werk müßten sich Aufschlüsse darüber ergeben, wie eine sensible Weimarer Schriftstellerin Zeitgeschichte erfährt und gestaltet. Ein nur flüchtiger Blick auf ihre Texte erweist zunächst die Kontinuität des Schreibens: Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein sind Plätze und Figuren ihres Heimatortes wichtig. Das Interesse für die kleinen Leute, das soziale Mitgefühl, der frauenemanzipatorische Ansatz, die Weimar- und Goethesicht und die Klage über den Verlust von Kultur und Identität scheinen unverändert. Prüft man Böhlaus Werk genauer, so erkennt man aber sehr wohl Entwicklungen, die sie mit anderen Weimarer Autorinnen und Autoren gemein hat. In der Werk-Ausgabe von 1929 ist ein kurzer Essay gedruckt, dessen sprechender Titel eher auf Alltägliches weist: „Was in Weimar heute geschieht“. Der Text leistet mehr, als Weimarer Leben nach dem ersten Weltkrieg zu beschreiben. „Weimar, du geheimnisvolle Goethestadt, ob man deiner je vergessen kann?“181 fragt die Autorin rhetorisch und liefert einen ebenso knappen wie in der Grundaussage klaren Abriß der geschichtlichen Entwicklung. Bevor Goethe erschienen sei, habe Deutschland „wie im Dämmer“ gelegen, ihm fehlte es an Selbstbewußtsein, an „Zusammen-

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fassung deutschen Wesens, deutscher Seele“.182 Wie ein Erlöser erscheint der Dichter, alliebend wie Christus, ein geistiger König. In Böhlaus Darstellung verbinden sich jene alte Sicht des zurückgebliebenen, „dunklen“, schlafenden Landes, das durch Goethe erweckt und zur Höhe geführt werde, mit einer Deutung von Goethes Dichtung als gewissermaßen religiöser Heilsbotschaft. In diesem Verständnis ist Weimar eine „geweihte Stätte“183. Es ist aufschlußreich, wie Helene Böhlau den Weg des deutschen Volkes von der klassischen Berührung mit dem „Göttlichen“ in die Not der Jahre nach dem ersten Weltkrieg erklärt: „Dann trat es aber in den Kampf und Wettbewerb mit den Völkern nach materiellen Gütern und Kräften ein, wuchs gewaltig und versündigte sich gegen seine eigentliche Natur.“184 Demnach wäre das Elend von Krieg und Nachkrieg über die Deutschen gekommen, weil sie sich vom Idealismus abkehrten, weil sie sich dem Materiellen, der Ökonomisierung und Kommerzialisierung des Lebens hingäben. Helene Böhlaus Argumente werden im Weimar des beginnenden 20. Jahrhunderts vielfach geteilt; die verzweifelte Sorge um die eigentliche Kultur und Identität führt zur Verklärung der klassischen „Erlöser“-Epoche und einer ganz ungoethischen Geringschätzung der Materialität des Daseins. Die Autorin hat in ihrem Essay keine Zukunftsentwürfe parat, ihre Weimarer müssen vorerst mit elementar-praktischer Humanität überleben. Man hat Helene Böhlau gelegentlich der Heimatkunst zugerechnet, die in Weimar einen wichtigen Ort hat.185 Daß die „klassische Provinz“ in ihrem Werk wesentlich ist, genügt sicher nicht für eine solche Einordnung. Es ist aber doch angebracht, Bezüge der Autorin zur Heimatkunst genauer zu prüfen; man wird auch hier erkennen, wie nahe einander die Reformbewegungen der Jahrhundertwende, mystisches Denken und völkisch-konservative Programme sind. 1922 erscheint Helene Böhlaus Roman „Im Garten der Frau Maria Strom“. In ihm wird – wie schon im „Haus zur Flamm“ – Mutterschaft verherrlicht. Die Beziehung Maria Stroms zu ihren Söhnen Ottomar und Heinrich ist für den Text grundlegend, das Mütterliche wird als das einzig Gültige, Wesenhafte verstanden. Mutter und Kinder bedienen sich keiner normalen Alltagssprache, sie reden miteinander emotional, zugleich stilisiert, auf Höheres bezogen. „Was eine Mutter ist – ist nicht auszudenken – . Ein Geheimnis, auch bei den stummen Tieren – wie bei den stummen Menschen.“186 Das Motiv des Mütterlichen wird gemeinsam mit dem des Tieres entfaltet, das auch sonst bei Böhlau wichtig ist. Tiere sind nicht nur fühlende Wesen, sie sind der Geistwerdung teilhaftig. Tiere und Menschen können sich nicht inniger der Natur und der Erde verbinden als in der Mutterschaft, Böhlaus Mythisierung des Mütterlichen, die eine große Nähe zur Heimatkunst zeigt, geht einher mit Omar al Raschid Beys (im Roman wörtlich zitierten) Gedanken, etwa jenem, daß die Welt aus Verlangen und Nahrung gebildet sei. Die Reformbestrebungen des beginnenden 20. Jahrhunderts sind freilich stets spürbar: Das Schullandheim ist auch hier vorbildliche Lehranstalt; die Nähe von Mutter und Söhnen ergibt sich aus dem Selbstbewußtsein der Kinder, das nicht beschnitten, sondern entwickelt wird. Ottomar gräbt nicht nur aus kindlichem Spieltrieb in der Erde, die Suche nach den mystischen Gründen des Seins, die sich mit „Sonnentrunkenheit“187 verbindet, ist Hauptmotiv des Romans. Auf der Laute spielende Jugend, „Baumsegen“ und Sonnwend-

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feuer188 sind auch bei Böhlau die Bilder einer Welt, die in der Suche nach den Tiefen des Lebens, nach dem eigentlichen Sinn Impulse von der Moderne ebenso empfängt wie von der konservativen Heimatkunst. Neben der Verklärung der Mutter-Sohn-Beziehung entwickelt der Roman eine beklemmende Apotheose des Krieges. Als Marias Sohn Ottomar in den ersten Weltkrieg zieht, erblickt er einen Bauern auf dem Feld: „Du sollst säen und ernten können, alter Mann!“189 Die Figur selber wundert sich über ihr plötzliches Pathos; das Lieblingsbild heimatkünstlicher Weltaneignung aber, der Sämann, eröffnet bezeichnenderweise die Kriegsdarstellungen. Auch bei Helene Böhlau erscheint der Krieg als Möglichkeit, dem Alltag zu entkommen, in der Nähe des Todes die Seele zu öffnen. „Trunken von der Sonne des Krieges“190 würden die Herzen – es ist ein eigenartiges Phänomen, daß Autorinnen (und Mütter) den Krieg idealisieren, in ihm die Überwindung des Kleinlichen und Banalen erblicken. Was etwa Rilke in seinem „Cornet“ als formvollendete, todessüchtige Ballade von hoher Musikalität gestaltet, ist bei Böhlau platte Kriegsverherrlichung, geschrieben noch dazu aus dem Wissen um die Materialschlachten. „Gelt, Kameraden, da leuchten die Augen!“ ruft Ottomar, als er bei einem Gasangriff die „Freude am Mutigsein“191 erfährt. Das letzte Wort erhält im Roman die Auffassung, daß es im Grunde nicht wichtig sei, ob Krieg oder Frieden herrsche. „Was ist Krieg? Was ist Frieden? Wichtig ist allein das Göttliche.“192 Helene Böhlau ist im „Maria Strom“-Roman auf dem Weg zu einem „blinden“ Idealismus, der jegliche – auch furchtbarste – Wirklichkeit zugleich akzeptiert und geringschätzt, schließlich vermag das Individuum das Göttliche überall zu empfangen. Helene Böhlau ist einer Entwicklungslinie Weimarer Geistesgeschichte im endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert nahe: Mystische Motive und Ideen, stimuliert von der Gedankenwelt ihres Mannes Omar al Raschid Bey, bestimmen ihr Werk wesentlich. Im Roman „Der gewürzige Hund“ liest die Hauptfigur Myrtel eine Beginen-Geschichte vor: Die Gott suchenden Frauen, die streben, sich zu Geist zu wandeln, sitzen bei einem eigenartigen Abendmahl. Sie verspeisen raffiniert zubereitete Rebhühner, die wie „Kleinodien und heilige Reliquien“193 mit Speck und Gewürzen gespickt sind. Münder und Hände triefen von Fett. Dazwischen führen sie erbauliche Reden über die „Süße der Geistigkeit“194 Gottes, die dem Fleisch Wohlgeschmack gebe. Die seltsam sinnliche Eucharistie wirkt komisch, aber auch wieder nicht: Das Verlangen nach materiellem Genuß und das nach Vereinigung mit Gott sind identisch, im Begehren selbst liegt die Unio mystica. Das Abendmahlsmotiv, das durch philosophische Gedanken al Raschids bestimmt wird, ist Böhlau wichtig. Bevor Myrtel sich selbst den Tod gibt, um ihrem Mann zu Hoffnung und Schöpferkraft zu verhelfen, hält sie mit ihm „Abendmahl“.195 Die Szene hat im Verständnis der Autorin nichts Blasphemisches. In der Entäußerung des Ichs, in der Selbstlosigkeit liegt die Geburt aller Gottheit, das Opfer durchbricht den ewigen Kreislauf von Fressen und Gefressenwerden, das Einswerden der Seelen mit Gott ist erreicht. Auch im autobiographischen Roman „Isebies“ feiern die Hauptfigur und ihre Jugendfreunde gemeinsam Abendmahl: „Nur das bleibt in der Todesstunde, wenn alles zu nichts geworden ist. Eins mit Gott wer-

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den. Nur das ist der Sinn des Lebens.“196 Helene Böhlaus doch stark vom realistischen Erzählen bestimmtes Werk gestaltet immer wieder diese schmerz- und lustvolle Unio. Dabei sind es kaum traditionelle kirchliche Riten und Räume, in denen die Einswerdung mit dem Göttlichen geschieht. Als man auf einem Südtiroler Jahrmarkt einer Stute ihr Fohlen nimmt, erkennt die Erzählerin in ihr die „gottbegeisterte, ekstatische Kreatur“, hat sie teil an der „heiligen Geistwerdung des Tieres“.197 Eine Henne, die Küken ausgebrütet hat, wird „zum lebendigen Symbol höchster Liebe“198. Mit solcherart naturmystischer Transzendentalerfahrung ist die Weimarer Autorin moderner Literatur sehr nahe. Daß sich das Göttliche in niedriger Kreatur offenbare, gestalten Robert Musil oder Franz Kafka in ihren vom Chassidismus inspirierten Erzählungen, formt Rilke zum lyrischen Bild. „Nichts ist zu niedrig, um nicht das Höchste zu bergen“199 – dies ist ein trostreicher und humaner Grundgedanke des Böhlauschen Werkes. Freilich, Helenes und vor allem Omar al Raschid Beys Versuch, das Individuum aus der Welt der Gegensätze in die vollständige Identität zu retten, ist nicht unproblematisch. Gerade in der Weimarer Geistesgeschichte des beginnenden 20. Jahrhunderts ist die Aufhebung aller Polarität in vermittelnder Synthese wichtiger Topos. Ohne philosophisch-literarische Vorstellungen sogleich mit dem Politischen kurzzuschließen, ist dies doch kein Denken, das pluralistische Auseinandersetzung begünstigte.

2.2 Literarisierung Weimarer Emanzipationsgeschichten – Gabriele Reuter Im Dezember 1880 findet in Weimar ein Künstlerfest statt. Zum Thema „Weltausstellung“ zeigt man Ulkbilder, in denen Lehrer und Mitstudenten der Malerschule karikiert werden. Unter den Gästen ist auch eine junge Frau in einem florentinischen Kostüm, die seit einem Jahr in der Residenzstadt lebt: Gabriele Reuter. Sie ist 1859 geboren, etwa gleichaltrig200 also mit Helene Böhlau, auch ihre Herkunft aus bürgerlicher Kaufmannsfamilie mit weitreichender Bildungstradition ist der der Verlegerstochter ähnlich. In ihrer Autobiographie „Vom Kinde zum Menschen“ beschreibt Reuter nicht nur sehr eindrücklich verschiedene Kreise, Milieus und kulturelle Entwicklungen in der Stadt, sie gestaltet ihre eigene Auseinandersetzung mit Familie, bürgerlichen Wertvorstellungen, Religion, Kunst und Literatur. Beides geschieht nicht unabhängig voneinander: Auch für Gabriele Reuter wird Weimar wesentliches Stimulans persönlichen und künstlerischen Werdens. Zunächst erfährt Reuter Anregungen im Umkreis der Malerschule. Ihr Onkel ist Hermann Behmer, jener Künstler, der später mit seiner entrüsteten Leserzuschrift gegen die Rodin-Ausstellung einen folgenreichen Skandal auslöst. Er lebt mit seiner genialen und schwierigen Frau Elisabeth, die nur wenige Jahre älter als Gabriele ist, in der Wilhelmsallee, unweit der Künstlerstraße Am Horn, die in Reuters Leben und Werk bedeutsam wird. Gerade am Tag von Gabriele Reuters Übersiedelung nach Weimar, am 1. Oktober 1879, wird ihr Vetter Marcus Behmer geboren: Der Grafiker und Buchkünstler wird Oscar Wildes „Salome“ für den Insel-Verlag illustrieren, sich der

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Formensprache des Jugendstils bedienen. Übrigens beurteilt Gabriele Reuter ihren Onkel Hermann durchaus positiv; sie würdigt, daß sein Christentum nicht nur Tirade, sondern ernste Überzeugung ist, auch, daß er Talente wie Böcklin und Max Klinger zeitig erkennt.201 Über Behmer findet die Suchende, die über den weiteren Lebensweg Unschlüssige, Kontakte zu Weimars Künstlerszene. Sie lernt Albert Brendel, den Polen Suchodolski und seine Frau, eine Malerin, Theodor Hagen und den weniger begabten Berthold Woltze kennen. In Fritz von Schennis, den problematischen Günstling des Großherzogs, verliebt sie sich leidenschaftlich; es entspricht ihrer Natur, Männer zu lieben, mit denen eine Ehe oder sexuelle Beziehung unmöglich ist, sie entgeht so erst einmal weiblichem Alltag und lebt dennoch starke Gefühle. In Reuters Autobiographie also erscheint die Geselligkeit in den Räumen des Künstlervereins ebenso wie andere Kreise und Persönlichkeiten Weimars. Über die wegen ihrer Bildung bewunderte Natalie von Milde gewinnt Gabriele Zugang zur Musik, hört Lieder von Schubert, Schumann und Peter Cornelius. Gewissermaßen von ferne fasziniert sie der Lisztkreis und vor allem der Meister selbst. Helene Böhlau wird von ihr geradezu beneidet, weil sie die „eigne Melodie“202 besitzt, ihre unverwechselbare poetische Handschrift ausprägt. Auch mit Adelheid von Schorn verbringt Gabriele angenehme Stunden. In Weimar vielleicht deutlicher als anderswo ist das Nebeneinander von Tradition und Moderne, von Salonplauderei und ernster Auseinandersetzung mit Zeitproblemen, von spielerischem Dilettantismus und echter Kunstausübung. Für die Damen von Freytag-Loringhoven, die in ihren Salon kleine Aufführungen in französischer Manier veranstalten, schreibt Reuter den Einakter „Ikas Bild“, der sich immerhin durch feine psychologische Gestaltung der weiblichen Hauptfigur auszeichnet. In diesen Jahren beginnt die junge Autorin, die politischen und weltanschaulichen Grundfragen des Fin de siècle zu durchdenken. Sie wird sich klar darüber, daß sie keine Kenntnis von der sozialen Bewegung hat, auch keinen inneren Bezug zu dieser, daß sie aber auch konservativen Positionen fernsteht, nicht – wie sie es formuliert – „Gefolgschaft“203 sein will. Reuters Weg hin zum Atheismus wird wesentlich in Weimar beschritten: Sie beginnt an der Allmacht und Liebe eines Gottes zu zweifeln, der Brutalität zwischen den Menschen zuläßt. Der Begriff der Sünde erscheint ihr fragwürdig. Ihr mißfällt die Orientierung der Gläubigen an Äußerlichkeiten und ihre ritualisierte Sprache. Der Liberalismus in der Kirche ist ihr zuwider, denn er zerstört ihrer Meinung nach den Glauben an das Göttliche. An diesem Punkt liest Gabriele Reuter Haeckel, Darwin und Schopenhauer: „Und ich machte gleich reine Bahn. Kein Heiland auf Erden – kein Gott im Himmel, und der Mensch souverän, aus sich selbst zu schaffen, was er vermochte!“204 Reuter nähert sich der künstlerischen Moderne; sie knüpft Kontakte zu den Berliner Naturalisten, zur „Freien Bühne“ und zum Friedrichshagener Kreis, vor allem aber führt sie den kritischen Diskurs über die Entwicklung von Literatur und Gesellschaft in Weimar selbst. Von der Hellen und seine Frau, Grete und Hans Olden, Rudolf Steiner und eine Reihe anderer „Individualisten von reinstem Wasser“205 fördern die Autorin im Austausch der Ideen. Gabriele Reuter beginnt, einen Roman zu schreiben, der ein von ihr in der Litera-

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tur schmerzlich vermißtes Thema gestaltet, die Lebenstragik der bürgerlichen Frau. „Aus guter Familie“ lautet sein Titel, jenes Herkunftsetikett aufnehmend, das Wohlstand, Bildung und Unverdorbenheit signalisiert, Möglichkeiten einer soliden Heirat eröffnet, andere Lebenswege – etwa als Künstlerin – nur als Verwirrung erscheinen läßt. Es ist ein beinahe sarkastischer Buchtitel; hinter der Fassade bürgerlicher Familie stehen materielle Dürftigkeit, Unbildung und Dogmatismus, Zerstörung und Selbstzerstörung begabter und phantasievoller Frauen. Reuters Roman zeigt in vieler Hinsicht die Spuren Weimars. Daß die Bebauung des Bahnhofsviertels beschrieben wird, ist lokales Detail. Von der Kontinuität weiblichen Schreibens kündet ihr fast wörtliches, doch stärker noch glossierendes Zitat Amalie Winters über eine bestimmte Gruppe von Frauen: „... spitze, hagere Rätinnen und schwere, verfettete Rätinnen, liebenswürdige, geistige Rätinnen, und einfache Rätinnen, Rätinnen vom Gericht und von der Regierung und unverheiratete, die sich nur zu Familienrätinnen hatten aufschwingen können ...“206 Die Autorin gestaltet die Atmosphäre um die Permanente Kunstausstellung, die Konfrontation philiströsen Geschmacks mit idealischer Begeisterung, Böcklin-Verehrung und bewundernde Haeckel-Rezeption. In guter Weimarer Tradition wählt sich die Hauptfigur Agathe Heidling als Ersatz- und Fluchtwelt zu ihrem Alltag Lord Byrons Werk und Schicksal.207 Bezeichnend ist Reuters Beschreibung jener „vorzüglichen Mädchen“208 in Fräulein Krieblers emanzipiertem Kreis. Die Autorin verarbeitet hier ihre Eindrücke aus dem Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“, dessen Zielen sie einigermaßen skeptisch gegenübersteht. Die Romanfigur Agathe versucht sich zum Verständnis dieser Frauen und ihrer Ziele zu zwingen, stattdessen registriert sie das dürftige Interieur der Wohnung, das unvorteilhafte Aussehen der „Emanzipierten“ und den Heringsgeruch. Nicht ohne Klischees, die übrigens Thomas Mann in seiner Rezension des Romans freudig aufnimmt209, legt Reuter doch den Finger auf die Defizite der frühen Emanzipationsbewegung. Sie hat eine Abneigung gegen den Aktionismus und den Wohltätigkeitseifer solcher Kreise, sie taugt nicht, das Heil der Bildung zu verkünden. Vor allem aber beschäftigt die Autorin wie ihre Hauptfigur der Zwiespalt von Sexualität und gesellschaftlichen Forderungen. Reuters Roman gestaltet das Verhältnis von individueller weiblicher Natur und dem nach jahrtausendealter Kultur gemodelten Wesen. Mit „Entsagung“ wird eine Kategorie diskutiert, die gerade im Weimar des klassischen Ideals von wesentlicher Bedeutung ist. Bezeichnenderweise kritisiert Natalie von Milde Reuters Buch: Es entbehre der Schönheit und Ethik, sei photographisches Abbild der Zustände ohne Bezug auf einen festen Sinnhorizont.210 Es gelte, Verstand und Logik der Frau zu schulen, damit ihre Sittlichkeit zu festigen. Milde stört, daß Reuter eben keinen Entwicklungsroman einer tüchtigen, strebenden, sich bildenden Frau liefert, sondern die Kontrafaktur eines solchen. Bereits am Ende des ersten Kapitels erscheint das Bild des Kahns auf morastigem Tümpel, der verrottet, ohne je gefahren zu sein – antizipierendes Motiv für die Zerstörung von Agathes Leben ohne wirklichen Aufbruch. Die Entsagungsvorstellungen des Pastors und des Vaters, die der Frau die Rolle eines passiven und harmonisierenden Wesens zuweisen, erregen bei Agathe instink-

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tive Abwehr; allerdings hat sie derartige Muster bereits so weit verinnerlicht, daß Verdrängung ihrer Natur zu kranker, gebrochener Existenz führt. 1929 erscheint Gabriele Reuters Roman „Aus guter Familie“ in 28. Auflage. Die Autorin hat einen Nerv des Publikums getroffen. Sie gestaltet die Erfahrungen mehrerer Generationen bürgerlicher Frauen. Der Erfolg beruht auch darauf, daß sie inhaltliche und sprachliche Muster der Unterhaltungsliteratur zugleich aufnimmt und durchbricht: Sie schreibt eine Pensionsgeschichte, eine aber, die von erwachender Sexualität und ihrer Verdrängung handelt, sie beschreibt den ersten Ball, die Aufgeregtheiten, den Klatsch, die Kleider, errötende Mädchen, wohlwollende Väter und Onkel, zugleich erscheinen Sozialkritik, der satirische Blick auf die bürgerliche Familie und die demütigende Erfahrung des Sich-Feilbietens. Ähnliches gilt für den Stil; Reuter nimmt bewußt und unbewußt Klischees auf – Thomas Mann spricht von Nichtigkeiten und „Strecken der Öde“211 – tritt aber ständig aus ihnen heraus. Der Vergleich mit den modernen Skandinaviern, auch der mit Fontane, ist durchaus berechtigt. Auch Reuters genaue Kenntnis der naturalistischen Bewegung merkt man ihrem Roman an. Die böse Destruktion der Eltern-Kind-Beziehung, die durch bürgerliche Doppelmoral verdeckte, aber wirkende Sexualität, das Bild des „gefallenen Mädchens“ im Elendsquartier, sogar radikal linke Kapitalismuskritik von Figuren lassen den Berliner Einfluß deutlich erkennen. Es ist interessant, daß Gabriele Reuter und Natalie von Milde, die beide die Weimarer Erfahrungen ihrer Haltung zugrundelegen, zu derart unterschiedlichen Positionen gelangen: Während Milde die klassische Entsagungs- und Bildungsvorstellung hochhält und für das weibliche Geschlecht einfordert, ist sie für Reuter obsolet. Milde lebt sicher kein Agathe-Heidling-Dasein, verweigerte Möglichkeiten und familiäre Aufopferung kompensiert sie mit praktischer Frauenarbeit. Reuter verläßt die Residenz, geht in die Zentren der Dichtung, des Theaters und der Boheme. Ihren besten und modernsten Roman aber schreibt sie im spannungsvollen Weimarer Idyll. In ihrer Autobiographie „Vom Kinde zum Menschen“ gibt Gabriele Reuter also Einblicke in das gesellige Leben Weimars in den achtziger und neunziger Jahren. Sie beschreibt auch den Salon der „Madame O.“ alias Obrist, in dem die junge Autorin eines Tages einigen Amerikanern begegnet, die ihr Interesse für Ralph Waldo Emerson zu wecken suchen212; der Bostoner Idealist scheint im Weimar des Fin de siècle allgegenwärtig. In Reuters Roman „Frau Bürgelin und ihre Söhne“ werden autobiographische Weimar-Erfahrungen nahezu unverhüllt dargestellt. Die Titelfigur ist auch ein poetisches Abbild der Frau Obrist. Weimar heißt hier Bernhardshausen; wie Eduard von der Hellen, dessen Ettersburg den Namen Bernhardsbrunn trägt213, wählt auch sie den herzoglichen Ahnherrn für das Pseudonym. „Hier in Bernhardshausen herrschte die Bildung, und zwar eine Art der Bildung, die mehr durch Dichter und Künstler als durch strenge Fachgelehrte gepflegt, im Laufe eines Jahrhunderts allmählich durch alle Schichten der Bevölkerung hindurchgesickert war und die Seelen sämtlicher Bürger des ruhigen, gesitteten Ortes mit einer Art von edler Patina überzogen hatte.“214 Es gibt keinen Hinweis einer sarkastischen Brechung des Erzählens; das klas-

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sische Ideal harmonischer Persönlichkeitsformung scheint lebendig. Die Frauen spielen in Weimar-Bernhardshausen die „führende Rolle“215, nicht zufolge demokratischer Emanzipation, sondern weil sie als „schöne Seelen“ Kultur tradieren. Der Ort hat ein bedeutendes Bühnenleben, hinter dem Intendanten Baron Penneberg, der ein „halber Poet und ein ganzer Idealist“216 ist, verbirgt sich August von Loën. Großherzog Carl Alexander erscheint als milder Herr, über dem es wie ein Bann liegt, so „daß er nicht zeigen konnte, was ihm das Herz bewegte“217, auch diese Gestalt trifft keine Ironie des Erzählers. In Weimar etabliert Frau Bürgelin ihre vornehme und kultivierte Neorenaissancewelt. Leuchtende Karmesingardinen, getriebene Bronzeeinlagen der holländischen Möbel in mattem Braun und Gold, das Farbenspiel der venezianischen Gläser, die schwüle Temperatur eines Gewächshauses und der starke Duft exotischer Blüten bestimmen die Atmosphäre in Obrist-Bürgelins Salon. Im Rausch der Farben, des Dufts und der Töne bewegt sich die Hauptfigur. Sie ist eine leuchtende Schönheit, alltagsfern und ätherisch, eine Ästhetin, die einen Holunder aus ihrem Garten verbannt, weil er vulgäres Detail schottischer Farmhöfe ist. Richard Wagners Musik ist ein Leitmotiv ihrer Welt, suggestiv, dominierend, „ewige Menschensehnsucht“218 berührend. Frau Bürgelin ist Freidenkerin, der Weimarer Klatsch will wissen, daß ihre Kinder nicht getauft sind. Bezeichnenderweise heißt ihr jüngerer geliebter Sohn Dionys, er ist schön wie ein „griechischer Gott“219, eine Art entzückender Putto, musikalisch begabt, läßt er rauschhaftes Künstlertum erwarten. (Eigenartigerweise ist gerade dieser Sohn trocken und pflichtbewußt; Aloys Obrist, der zuverlässige Kustos des Liszt-Hauses und fleißige Instrumentensammler, ist in dieser Kinderfigur schon angelegt.) Frau Bürgelin ist in mancher Hinsicht eine femme fragile, die ewige Wunde an der Wange gibt ihr einen morbiden Reiz. Andererseits ist sie eine starke, dämonische Persönlichkeit, die ihren Willen durchsetzt und auf andere eine unüberwindliche Macht ausübt. Ihr Salon Am Horn in Weimar ist ein Ort der Dekadenz. Die überfeinerte Kultur, die Alltagsferne und der Ästhetizismus sind ihre Zeichen ebenso wie die Krankheit zum Tode, die die Hauptfigur statt einer Zerstörung der Schönheit wählt. Die Freidenkerin, die über ihre und ihrer Söhne Geschicke souverän entscheidet, die eine Verachtung der Philister, der Biederen, der Durchschnittlichen und Häßlichen erfüllt, ist eine Gestalt Nietzscheschen Formats. „Die Menschheit ist müde, widerstandsunfähig – nervenkrank.“220 Der Satz des Arztes, der Frau Bürgelins verstorbenes Töchterchen behandelte, berührt nicht nur ein Motiv des Romans, sondern einen Grundzug der Fin-de-siècle-Stimmung. Der entscheidende Konflikt wird zwischen Frau Bürgelin und ihrem Sohn Karl ausgetragen. Karls Wesen und Handeln irritiert die Mutter von Beginn an; seine Naturstreifzüge, sein auf das Wirkliche gerichteter Forscherdrang, seine Gleichgültigkeit gegen die Salonkultur erregen ihre Abneigung. Karl Bürgelin löst sich aus dem Milieu elitär-adeliger Vornehmheit und wird Künstler. Auf der Basis intensiver Ausbildung gestaltet er Kunstgewerbe. Es ist die Geschichte jenes Hermann Obrist, der in den Fußstapfen William Morris’ die Synthese von Handwerk und Kunst anstrebt, in Florenz ein Kunststickerei-Atelier gründet, schließlich 1897 in München die „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ etabliert, großen Einfluß auf Kandinsky ausübt.221

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Gabriele Reuters Roman gestaltet also nicht nur einen privaten Mutter-SohnKonflikt, sondern tiefgreifende Wandlungen im Lebensgefühl und in der Kunstauffassung des Fin de siècle. Karl Bürgelin alias Hermann Obrist ist angewidert vom „herrisch glühenden Purpur“222 im Salon seiner Mutter; die leidenschaftlichsuggestive Farbe steht für die dekadente Renaissancekultiviertheit dieses Daseins. Karl bevorzugt die Farben der Natur, das „dunkle Grün der Fichtenwälder“, das „bleiche Gelb der Haferfelder“, das „sanfte Violett der Heidepolster“,223 eine helle, klare, milde und präzise, gewissermaßen impressionistische Palette. Auch seinem Wesen eignet etwas Dämonisches; dennoch beschließt er, die Imagination durch eine mühsame und solide handwerkliche Ausbildung zu fundieren. Karl, der das Studentenleben in Bonn gemein und entwürdigend findet, der Atheist mit dem faustischen Drang, ist der moderne Künstler par excellence. Er polemisiert gegen das Epigonentum des 19. Jahrhunderts, gegen den Eklektizismus, der sich als „neue deutsche Renaissance“224 ausgibt, gegen die Kopie alter Formen, die durch überwundene Lebensgewohnheiten entstanden sind. Ihm in den Mund legt Gabriele Reuter die kunsttheoretischen Anschauungen des Jugendstils: „Man muß wieder lernen, daß die Ausschmückung eines Gegenstandes seinen bequemen Gebrauch nicht hindern darf, sondern ihn unterstützen soll. Man muß den Sinn für die Eigenart eines Materials wieder gewinnen, und daß eine künstlerische Schönheit schon in einer zweckmäßigen und harmonischen Raumverteilung liegen kann. Und vor allem muß man begreifen, daß wir übersättigt sind mit den alten Stilisierungen, daß wir in einer reichen Natur blühender Pflanzenformen leben, aus denen der Künstlergeist die originellsten, die mannigfaltigsten Motive schöpfen kann!“225 Gleichsam nebenbei erzählt Reuter neben der Emanzipationsgeschichte des Künstlers Karl Bürgelin die zweier Frauen: Zunächst die der Schauspielerin und Frauenrechtlerin Hildegard Jenicke, die im Roman Doris Rüder heißt. Sie hat sich aus bieder-ländlichem Pfarrermilieu gelöst und ist eine Künstlerin geworden, die versucht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Zwischen den Annäherungsversuchen Penneberg-Loëns und der Liebe zum viel jüngeren Dionys-Aloys bewahrt sie ihre Persönlichkeit; die Aktivitäten der Hildegard Obrist-Jenicke im Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“ liegen außerhalb der Romanperspektive. Die andere Emanzipationsgeschichte gilt Mia Wöhler alias Helene Böhlau. In der sogenannten Spinnmühle entfaltet sich eine eigenartige Gegenwelt sowohl zum Weimar der Philister als auch zum Salon der Frau Bürgelin. Helene Böhlaus Geliebter Arnd, der im Text Dr. Fahrenhorst heißt, lebt dort, leidend und entrückt, scheinbar aller Körperlichkeit fern. Er redet von den indischen Weisheitsbüchern und der ihnen zugrundeliegenden Kultur: „Wie vornehm, wie still in sich vollendet gegen unsere abscheuliche, rohe, barbarische Welt, die sich die civilisierte nennt.“226 Und dann entfaltet er ein jugendstilhaftes Bild Asiens, das die Formen fernöstlicher Pflanzen, Farben und Düfte aufnimmt, um den Dualismus von Sinnlichkeit und reinigender Entsagung zu beschreiben. Arnd-Fahrenhorst und seine Gäste feiern rauschhaft-bacchantische Partys, auf denen der Gastgeber seine Philosophie erläutert: „Das subjektive Bewußtsein des Ich ist die Welt.“227 Auch das Weimar des Fin

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de siècle hat jenen Zug bohemehafter Mystik, der biederes Bürgerleben wie vornehme Kultiviertheit kontrastiert. Alle Emanzipationsgeschichten führen über die Kunst. Sie erscheint als Sphäre der Freiheit von den Altvorderen, ihren Stilen, Konventionen und Denkmustern; von ihr eigentlich geht die notwendige Lebensreform aus. „Wir tragen alle schwer an der vorigen Generation“228, formuliert die Romanfigur Doris Rüder. Und doch bildet das alte Weimar den Grund für das Weiterschreiten der Jungen. Seine „klassisch abgeklärte, gewissermaßen platonische Weltanschauung“229 ist in Reuters Buch wie in der Wirklichkeit nicht abzutun. Hier lernt man Naturverehrung und Schönheitssinn, mit denen man aufbricht zu neuen Formen der Kunst und des Lebens. Es lohnt sich, jenes Werk anzuschauen, das am Ende des Textes Frau Bürgelin im Innersten mit ihrem Sohn aussöhnt und ihr ein friedvolles Sterben ermöglicht. Karl Bürgelin hat einen Brunnen aus weißem Marmor geschaffen. Zarte Elfen erschrecken vor einem dem Schlamm entsteigenden täppischen Tier; in einer steinernen Höhle träumt die Schlangenkönigin. Das mythologisch-märchenhafte Sujet erscheint traditionell, seine Gestaltung aber ist die des Jugendstils. Die Faszination von den Nachtseiten der Natur, von geheimnisvoller Wasser- und Sumpfwelt mit der gebannten Schlangenfrau deutet darauf ebenso wie die kraftgespannte Körperlichkeit und Erotik der Elfen. Der Brunnentrog schließlich ist von „volkstümlich einfacher Form“230, der klassizistische weiße Marmor erhält einen handwerklichkunstgewerblichen Akzent. Wasserpflanzen aus grünlicher Bronze künden von der Vorliebe des Modern Style für die stilisierte Naturform. Die Arbeit mit Schatten und Lichtreflexen gibt dem Ganzen eine impressionistische Bewegtheit. Der Brunnen ist ein Symbol der Moderne, die man in hartem Ringen, ausgehend von der traditionellen Weimar-Welt, erreicht.

2.3 Klassisches Humanitätsideal und Sozialismus – Lily Braun 1874 kehrt eine verwitwete Frau an den Ort ihrer Jugend zurück: Jenny von Gustedt geborene von Pappenheim kommt nach Weimar, bezieht im Haus ihres Schwagers, des Oberhofmarschalls Friedrich von Beust, an der Ackerwand eine Wohnung. Jahrzehnte sind vergangen, seit die natürliche Tochter Jér⇔me Napoleons in Goethes Haus verkehrte und als Hoffräulein die Wilhelmsthaler Geselligkeit bereicherte. „Wieder daheim“231 überschreibt ihre Enkelin das auf Weimar bezügliche Kapitel des Buches über ihre Großmutter. Und daheim fühlt sich Jenny in der Tat bei ihrem Freund, dem Großherzog Carl Alexander, den sie hoch schätzt. Er ist das, was ein Fürst in konstitutionellen Staaten überhaupt noch sein kann, „ein Grandseigneur, der die alte schöne Tradition pflegt und die Entwicklung einer neuen Kultur fördert ...“232 Jenny genießt die lange entbehrten Gespräche mit ihm und anderen, sie hört dem Spiel Liszts zu und wird zur Anhängerin Wagnerscher Musik. Der „Weimarer Geist“ scheint fortzuwirken. In Briefen an die Enkeltochter erklärt Jenny, worin er bestehe: Geselligkeit jenseits der Konvention, Gedankenaustausch fern egoistischer

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Rechthaberei, unvoreingenommene Lektüre. Bildung sei keine Ansammlung von Wissensstoff, sondern ein persönliches G e w o r d e n s e i n.233 Im Frühling 1877 erscheint die elfjährige Lily von Kretschman, Jennys Enkelin, das erste Mal in Weimar: „Die Stadt der Epigonen, von der Dingelstedt sagte: ‚Sie mahnt mich selber wie ein Sarkophag', wurde mir zu einer Stadt geistiger Auferstehung.“234 Man versteht Lilys Einschätzung aus dem Kontrast Weimars zu ihrem sonstigen Alltag. Im preußischen Offiziersmilieu erfährt sie Begriffe wie Herkommen und Ehre häufig als veräußerlichte; Moralpredigten, Ge- und Verbote ersetzen wirkliche Gespräche. Nicht nur, daß die Großmutter einfühlsam auf das heranwachsende Mädchen eingeht, Lily glaubt in Weimar Lebenstiefe und geistige Kultur zu verspüren. Nichts ändert sich an diesem Empfinden, als sie 1883 noch einmal bei der Großmutter in Weimar ist. In Lilys romanhaften „Memoiren einer Sozialistin“ wird ein harmonisches Erlebnis der Stadt und ihrer Menschen dargestellt, wesentlich ist die Begegnung mit Goethes Sterbezimmer. „... ich wollte nicht mehr zurück in die Welt der Konvention und der kühlen Phrase ...“235, bemerkt Alix-Lily in den „Memoiren“; Weimar gibt ihr den Mut, ihre Suche nach sinnerfülltem Dasein neu aufzunehmen. Eine Zeitlang scheint es, als finde Lily von Kretschman ihre Heimat geistig und topographisch in der Stadt an der Ilm. 1890 stirbt die geliebte Großmutter Jenny von Gustedt. Ihrer Enkelin hinterläßt sie ihren schriftlichen Nachlaß. 1891 publiziert Lily einen Gedenkaufsatz über ihre Großmutter im Jahrbuch der GoetheGesellschaft. Jener kulturkritische Gedanke, den gerade die mit Weimarer Tradition verbundenen Zeitgenossen formulieren, ist auch hier grundlegend: „Wir haben keine Zeit, keine Sammlung, um neben dem Leben nach außen das Leben nach innen zu fördern ...“236 Lily, die sich übrigens in diesen Jahren auch intensiv mit moderner Literatur, etwa den Naturalisten des Friedrichshagener Kreises, beschäftigt237, diagnostiziert zunehmende Veräußerlichung des Lebens, einen Verlust für die eigene Persönlichkeit. Der Nachlaß ihrer Großmutter regt sie zu weiteren Aufsätzen über die Kulturgeschichte Weimars an. Sie schreibt über „Ottilie von Goethe und ihre Söhne“, über die Zeitschrift „Chaos“ und über Maria Pawlownas literarische Abende. Vor allem die letztere Abhandlung beweist, daß Lily genau mit den Quellen zu arbeiten vermag, beweist auch ihre Hochschätzung geistiger Unvoreingenommenheit und Liberalität. Lily von Kretschman setzt der weimarischen Prinzessin Caroline und ihrer Tochter, der so häufig idealisierten Helene von Orleans, ein literarisches Denkmal. Im Goethe-Jahrbuch 1892 veröffentlicht sie den Briefwechsel Goethes mit Ernst Christian August von Gersdorff, dem Stiefvater ihrer Großmuter.238 Lilys Weg scheint also bestimmt. Sie verkehrt mit dem gelehrten Goethekenner Ludwig Geiger und mit dem Publizisten Julius Rodenberg, geradezu begeistert nimmt sie die Anregungen solcher Geselligkeit auf, die keineswegs den Wünschen ihrer Familie entspricht. Es ist keine Frage, daß man Lilys literarische Arbeiten in Weimar aufmerksam verfolgt. Großherzog Carl Alexander liest und lobt ihre Aufsätze239, ohne weiteres überträgt er seine Sympathie für die Großmutter auf die Enkelin. Sie möge nach Weimar kommen, um hier die Archivbestände zu nutzen, legt er ihr nahe. Im Frühling 1891 ist Lily von Kretschman wieder in der Klassikerstadt.

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Die Schilderung ihres Aufenthalts in den „Memoiren“ ist aufschlußreich: Sie zeigt Weimar als kulturvollen Raum, als Rokoko-Reminiszenz, als harmonischen Ort, der die Figuren und Bilder des 18. Jahrhunderts bewahrt, in dem freilich eine bestimmte Dekadenz, ein Verblassen der Farben sichtbar werden. Der Großherzog, der Lily sogleich besucht, verkörpert diese vergehende Kulturepoche: „Und von den Vielen erzählte er, denen Weimar ein Sprungbrett ins Leben gewesen war, die hier zuerst die Anerkennung fanden, die die Welt draußen ihnen versagte. Er begeisterte sich an seinem eigenen Gedankengang, sein farbloses Gesicht überzog sich mit einer ganz feinen bläulichen Röte, und in seinen verschleierten Augen entzündete sich ein stilles Licht.“240 Der ätherische Fürst, der das „Französisch des ancien régime“241 spricht, steht unangetastet in Lilys Darstellung. Das „stille Licht“ scheint in ihm wie in Weimar noch immer zu leuchten. Bald schon findet sich Lily in einem Kreis von Künstlern und Intellektuellen, die über „Weimars Bedeutung für das geistige Leben der Gegenwart“242 diskutieren. Eduard Lassen, Schillers Urenkel Carl Alexander von Gleichen-Rußwurm, Richard Strauss und Gabriele Reuter sind da, auch ein junger Historiker am Großherzoglichen Hausarchiv, hinter dessen fiktivem Namen sich wohl Hermann von Egloffstein verbirgt. Der letztere meint, ein Wissenschaftler wäre in Weimar, dem „sicheren Port“, richtig, dort lenke ihn nichts von seinen Studien ab. Der Maler Gleichen widerspricht: „Künstler bedürfen der Ruhe, ... aber sie verkommen und versauern, wenn sie nicht immer wieder mit einer Ladung von Ideen aus der Welt draußen hierher zurückkehren.“243 Lily ist betroffen. Das Erlebnis des „Faust“ gibt ihr Gewißheit: Sie wird nicht bleiben, sondern sich Freiheit und Leben täglich erobern. Die junge Frau, die in Schloß und Park Wilhelmsthal auf den Spuren ihrer Großmutter wandern sollte, geht fort. Sie gelangt in ganz andere Kreise. In Berlin lernt sie Georg von Gizycki kennen, der sie zunächst erstaunt, weil er trotz seiner schweren Behinderung vollkommen glücklich zu sein scheint. In seiner Auffassung von der sittlichen und intellektuellen Vervollkommnungsfähigkeit der Menschennatur, die ihn statt des Glaubens an Gott erfüllt, findet Lily den eigenen Lebensgrund. Mit ihm kann sie über ihr Verhältnis zur Religion sprechen, das von jenem „Meineid“244 auf der Konfirmation zur tiefen Überzeugung führt, wesentlichen Zügen der christlichen Religion nicht folgen zu können. Gizycki gibt ihr Bücher zu lesen, zunächst seine eigenen moralphilosophischen Werke und die der Begründer Ethischer Gesellschaften in England und Amerika. Deren These, daß sich alle Menschen, die das Gute wollen, auf dem Boden allgemeingültiger Ethik vereinigen, von dort aus soziale Reformen verwirklichen können, daß man also moralisches Verhalten aus den weltanschaulichen Differenzen „heraushalten“ könne, erscheint ihr wie eine „Offenbarung“245. Schon bevor die „Gesellschaft für ethische Kultur“ in Deutschland begründet wird, erkennt Lily, und Gizycki bestätigt ihr dies246: Jene, die die Religion als Grundlage der Sittlichkeit begreifen, gehören nicht zu ihren Mitstreitern. Im Grunde ist die Ethische Bewegung eine atheistische. Die Anhänger dieser Ethischen Gesellschaft streiten untereinander heftig über ihre Grundlagen. Soll man die Religion überhaupt berühren? Welche Rolle soll die soziale Frage spielen? Das Bestreben, die

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Ethik sowohl Kirche als auch Staat zu entziehen und zur Sache einer freien Gesellschaft zu machen, muß notwendig utopisch bleiben. Das schließlich verabschiedete Programm ist denn auch wenig präzise. Eines freilich bewirkt die „Gesellschaft für ethische Kultur“: Sie initiiert eine leidenschaftliche Debatte oder besser, sie stimuliert Auseinandersetzungen, die im zu Ende gehenden Jahrhundert bereits im Gange sind. Die Fragen einer gerechten Verteilung gesellschaftlichen Reichtums, aber auch einer Steuerung zunehmender Entsittlichung der Gesellschaft treibt die Menschen um. Die Diskussion wird auch in Weimar geführt. Im Gespräch mit Adelheid von Schorn, die sich während einiger Winterwochen in Berlin mit den Bestrebungen der Ethischen Gesellschaft vertraut machte, sucht Carl Alexander Klarheit zu gewinnen: „Diese Gesellschaft will alle Tugenden praktizieren, ohne stets von Religion zu sprechen.“247 notiert der Großherzog, und er fügt als Urteil an, daß ihm ein solches Unternehmen frivol erscheine. Der Begriff „frivol“ fällt auch bei Rudolf Steiner. Für ihn zeigt die Gründung der Ethischen Gesellschaft die „nackte Verzweiflung an allem Weltanschauungsstreben“248, die aus einer Anschauung über die Natur resultiere, die das Weltwerden ohne moralisch-geistigen Inhalt darstellen will. Lily von Kretschman scheint ihr nun folgender Weg natürlich und folgerichtig: Wie kann man wirkliche Sittlichkeit praktizieren, wenn man keine Gleichheit der Lebensbedingungen herstellt, den Zugang aller zu den Kulturgütern nicht gewährleistet? Die Frage, die schon ihre Großmutter Jenny, ausgehend vom weimarischen Humanitätsideal, beschäftigte, wird bei ihr durch Gizyckis sozialistische Ansichten verstärkt. Sie befaßt sich mit der englischen und amerikanischen Frauenbewegung, liest die „Volkstribüne“, das Erfurter Programm der Sozialdemokratie und schließlich Marx’ „Kapital“. Lily ist bei der Sozialdemokratie angekommen. In ihren „Memoiren“ schildert sie ein aufschlußreiches Streitgespräch mit Georg von Gizycki.249 Es geht um Friedrich Nietzsche, dessen Idee der Persönlichkeitsbildung der Ethischen Bewegung entgegenstehe, wie Gizycki meint. Lily widerspricht ihm entschieden. Ihrer Ansicht nach ist die Ausbildung der Persönlichkeit das höchste Ziel des Sozialismus, nur sie gibt dem einzelnen die Stärke für den Dienst an der Allgemeinheit. Als Gizycki schließlich lachend einlenkt, bleibt in Lily ein „unbestimmter Widerspruch“250 : Schon hier spürt sie instinktiv jenes Grundproblem weniger der sozialistischen Theorie als der Praxis. Man verlangt nicht nur schlechthin Entsagung, was für Lily schon Problem genug wäre, sondern bemäntelt mit rigiden Pflichtnormen theoretische und menschliche Unzulänglichkeit. „Bis zum Alter von etwa 25 Jahren hatte sie sich wie jede normale Frau der Gesellschaftssschicht, der sie angehörte, verhalten.“251 Eine solche Aussage verrät Desinteresse an Lebensläufen, die dem Sozialismus noch nicht gewonnen sind, sie zeugt auch von einer ungenauen Lektüre der Selbstzeugnisse. Lily verhält sich durchaus individuell, das Erlebnis Weimars ist ein ihre Existenz prägendes. Der Sozialismus sei eine Bewegung zur Befreiung der ganzen Menschheit, glaubt Lily, „nicht etwa einer Klasse a u f K o s t e n u n d z u m S c h a d e n d e r a n d er e n“252. Im Grunde schreibt die junge Autorin mit solchen Thesen das klassische Humanitätsideal fort, ihr geht es um vollendete Menschlichkeit als Grundlage des Staates und um den Wert des Individuums in ihm. Dies ist kein „vager und eher

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sentimentaler Idealismus“253, sondern ernste Überzeugung, die freilich mit einer Verkennung der sozialistischen Theorie und Praxis einhergeht. Schon bevor Lily 1896 Mitglied der SPD wird, spürt sie die Kritik der führenden Genossinnen, vor allem Clara Zetkins. Wichtiger Punkt der Auseinandersetzung ist stets Lilys nicht „klassenmäßige“ Haltung zur Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen. Lily hat keinen Blick für die Organisationsstruktur, für formalen Radikalismus oder die Taktik der Partei, sie sieht das (besonders das weibliche) Individuum und die Menschheit, beides Phänomene, die kaum Platz in der täglichen Parteiarbeit finden. Nach ihrer Heirat mit dem führenden Sozialdemokraten Heinrich Braun entfernt sich Lily sowohl von ihrer Familie als auch von den Weimarer Bekannten.254 In der neuen Heimat Sozialdemokratie fühlt sich Lily nicht viel wohler, obgleich sie bis zur Selbstaufgabe organisatorisch, theoretisch und agitatorisch arbeitet. Als 1901 ihr Buch „Die Frauenfrage“ erscheint, eine solide, die Quellen akribisch sichtende Monographie, die bis heute bedeutende Aufschlüsse erbringt, trifft sie Clara Zetkins unsachliche Kritik. Zetkin meint, ihr fehlende klassenmäßige Parteinahme in der Frauenfrage vorwerfen zu können255, ärgert sich aber wohl auch über die Profilierung Lily Brauns, gegen die sie und andere ohnehin eine Art Minderwertigkeitsgefühl erfüllt. Der Ausschluß Brauns aus der Berliner Frauenbewegung 1902, den Ottilie Baader auf Anweisung Zetkins betreibt, markiert den bitteren Höhepunkt eines Prozesses, in dem sich die Frauen gegenseitig behindern, statt ihrer Bewegung zu nützen. Den wirklichen Grund für Clara Zetkins Kritik hat man in Lilys „seichtem, oberflächlichem Reformismus, ihren ethisch gefärbten Vorstellungen vom Sozialismus und ihrer politischen Naivität“256 gesehen. Ethisch gefärbte Vorstellungen vom Sozialismus? In der Tat ist für Lily Menschlichkeit das Maß aller Dinge. Ihr Grundthema heißt Selbstaufopferung und Selbstbehauptung, übrigens eines, das auch anderen Weimarer Autorinnen wesentlich ist. Daß nur wahre Brüderlichkeit entstehe, wenn man sich selbst behaupte, daß man Distanzen erkennen müsse, statt sie mit Phrasen zu überbrücken, sind Lily unverzichtbare Maximen, die allerdings mit der Parteitaktik wenig zu tun haben. Lily schreibt ein Buch über ihre Großmutter Jenny von Gustedt, als sie sich in einer persönlichen und politischen Bilanzsituation befindet. Über ein Jahrzehnt erlebte Lily die Auseinandersetzungen in der Partei, die häufig keine konstruktiven, der Theorie und Praxis sozialistischen Kampfes dienenden, waren, sondern menschliche Angriffe, niedrige Intrigen und Verleumdungen enthielten, sie verspürte die Ächtung in ihrer eigenen Klasse und in der Familie. Im Oktober 1907 müssen sie und Heinrich Braun ihre Zeitschrift „Die neue Gesellschaft“ aufgeben, das als revisionistisch apostrophierte Organ ist den radikalen Sozialdemokraten stets ein Ärgernis gewesen. Lily ist in einer Lebenskrise, sie hat das bittere Empfinden, „Kärrner“ gewesen zu sein, wo sie doch „Prophet“257 sein wollte. Bezeichnenderweise geht dieser Zeit des Innehaltens, der Bilanz und des Neubeginns Lilys Bekanntschaft mit dem Schulungssystem der Partei voraus. „Die Lehrer der Parteischule waren Radikale strengster Observanz. Sie sprachen von ‚bürgerlicher′ Wissenschaft, ‚bürgerlicher′ Kunst, zu der die vom Zukunftsstaat zu erwartende in scharfem Gegensatz

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stünden. Sie waren Geist vom Geist des preußischen Kultusministers, der einen Privatdozenten abgesetzt hatte, weil er Sozialdemokrat war.“258 Eine Persönlichkeit wie Lily, die stets den Wert der Individualität betont, hat in einem solchen dogmatischen System keinen Platz. Die „Zionswächter des Radikalismus“259 verhindern, daß sie innerhalb der Partei Vorträge hält. In dieser Situation wendet sich Lily dem Leben ihrer Großmutter zu, das ihr Identifikationsangebot, durchaus aber auch Widerspruch provozierend ist. Ihr scheinen Denken und Handeln dieser Frau Potenzen zu enthalten, die für das Weiterschreiten des Menschengeschlechts wertvoll sind. Im Grunde schreibt Lily Braun gegen die beiden Gesellschaftsbereiche, die sie am intensivsten erlebt hat: Die orthodoxen Sozialisten sind empört über die freundschaftliche Behandlung von Aristokraten in diesem Buch, die orthodoxen Preußen schütteln den Kopf über das Bild Weimarer Fürsten, vor allem aber über den sozialen Impetus der Heldin und in ihr Lilys. Die Hauptrolle in Lilys Brauns Buch spielt Weimar, das Weimar der klassischen und nachklassischen Zeit. Die Sozialistin Braun erkennt in einer Zeit des Zweifels, der Ratlosigkeit und des Suchens das sogenannte „alte Weimar“ als notwendiges Potential heutigen Kampfes. Die Gegenwart sei ihrer verständigen Nüchternheit überdrüssig, daher erinnere sie sich verstärkt an Vergangenes, dies sei freilich kein Zeichen von Dekadenz, sondern neuen werdenden Lebens. „Im Schatten der Titanen“ heißt Lilys Monographie, die in mancher Hinsicht eine kommentierte Quellensammlung ist. Auch ihr geht es wie Helene Böhlau um jene Männer und vor allem Frauen, die nicht auf den Sockeln der Denkmäler stehen. Allerdings ist Braun weit entfernt von einer Schilderung des Alltags Weimarer Bürger oder Armer. Zwar rückt sie das Bild der Biedermeierzeit als einer vermeintlich friedlichen, verträumten, philiströs-muffigen Phase zurecht260 und verweist auf liberale Ideen und politische Kämpfe, auf Industrialisierung und Frauenrechtsbewegung, Weimar aber liefert sozusagen nur den Ideengrund für die Entwicklung des Menschengeschlechts. Jene bei Lily als Kontinuum erscheinenden Perioden der Klassik und Nachklassik bieten unverzichtbare geistige Werte. Jennys Goethe-Verhältnis ist das Lilys, auch wenn es bei ihrer Großmutter durch die persönliche Bekanntschaft mit dem Dichter geformt und stimuliert wird. Es ist weit entfernt von äußerer Heroenverehrung, von „Götzendienst“ ohne Kenntnis der Werke. Lily versteht die schwärmerische Liebe ihrer Großmutter zu dem Autor, die Erfülltheit ihres Geistes „vom Guten, Schönen und Wahren“261. Sie ist einig mit ihr in der Überzeugung, man solle Kindern und jungen Menschen Goethes Texte ohne Ge- und Verbote lesen lassen; auch Lily empfindet Freude an der Goetheschen Kunstwelt. Und wie viele andere Zeitzeugen der protzig-veräußerlichten Gründerzeitkultur heben Lily und Jenny Goethes Anspruchslosigkeit, seinen bescheidenen Wohnstil, seine Liebe zur Natur hervor. (Übrigens steht Lily auch in ihrer GoetheBeziehung ihrer Partei eher fern; eben erörterte Franz Mehring die Probleme der Proletarier mit des Dichters „still umfriedeter Welt der Schönheit“262 und verwies den Genuß an seinen Werken in das Reich des zukünftigen Sozialismus.)

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Einen wesentlichen Wert Weimars erkennt Lily im menschlichen Zusammenleben und in der Geselligkeit. Auch sie geht von einem negativen Wandel sozialer Beziehungen aus. Früher seien die Herzen einander noch offen gewesen, es habe echte, teilnehmende Freunde gegeben, die Selbstsucht sei noch kein bestimmender Zug des Daseins gewesen.263 Vor allem habe man kritische Ansichten noch ohne Bitterkeit anhören und einen echten Meinungsaustausch pflegen können. Im Gegensatz zu Helene Böhlau, deren Darstellung der Salongeselligkeit um Ottilie Goethe und Adele Schopenhauer einen karikierenden Zug erhält, beschreibt Lily Weimars gesellige Kreise von Schopenhauer bis Wilhelmsthal als Orte kritischen – aber nicht verletzenden – Gedankenaustauschs. Dies ist ein idealisches Bild, das aus Lilys Diskussionserfahrungen in der Welt der Jahrhundertwende verständlich ist. Lilys Großmutter Jenny von Gustedt ist ihr noch aus einem anderen Grunde sehr nahe: Deren in Weimar erworbene Humanitätsauffassung führt notwendig zu einer praktischen Sittlichkeit und zu sehr weitgehenden sozialen Einsichten. Ähnlich wie ihre Freundin, die weimarische Prinzessin und deutsche Kaiserin Augusta264, empfindet Jenny das Ausgrenzen großer Teile der Bevölkerung aus Bildung und Kultur, damit aus wesentlichen Quellen des Menschseins, als verderblich für die Entwicklung der Gesellschaft. Lily Braun meint, in den Fußstapfen ihrer Großmutter zu gehen, allerdings nicht mehr in alltäglicher „Sozialarbeit“, sondern im (von den Parteiquerelen unberührten) Kampf um das Glück der ganzen Menschheit. Wichtige Lebenswerte ihrer Großmutter vermag Lily nicht zu teilen: Nicht mehr gibt ihr das Christentum Sinn und Halt. Nicht mehr fügt sie sich in eine entsagungsvolle Haltung, die der Frau abverlangt, in erster Linie Sorgen und Leid der anderen auf sich zu nehmen. Die Entfaltung der eigenen Individualität und Begabung ist ihr unverzichtbar. Nicht zufällig nimmt Lily Braun am Ende ihres Buches „Im Schatten der Titanen“ Teile des Briefwechsels ihrer Großmutter mit Carl Alexander auf.265 Mit ihrem letztlich positiven Bild dieses Fürsten und Weimars Silberner Zeit schreibt sie nicht nur gegen linke Kritiker an, sondern ebenso gegen preußische Offizierskreise, die für den Fürsten selbst und für die von ihm verkörperten Werte nur höhnische Verachtung haben. Aus dem Grab ihrer Großmutter klinge ein Ton, der „sich dem Siegeslied der Menschheit vermählt“266 – so formuliert Lily sechs Jahre vor dem ersten Weltkrieg ihre idealische Hoffnung. Das Weimar der menschlichen Beziehungen, der freien Gesprächskultur, der individuellen Bildung und der Verantwortung für den Nächsten, dessen Spannungen und Probleme Lily kaum reflektiert, ist ihr der Grund der Zukunftsgewißheit. Das bisher kaum beachtete „Spätwerk“ Lily Brauns, die zwischen 1912 und 1915 publizierten Texte, berühren bei allen Unterschieden der Stoffe und Genres die gleichen Themen: die Freiheit des Individuums, die Suche nach einem Lebensgrund, der es ermöglichte, sich als sinnlicher und geistiger Mensch zu entwickeln, die soziale Situation der Benachteiligten, Möglichkeiten weiblicher Existenz, die Apotheose der Mutterschaft. 1912 erscheint Lily Brauns Roman „Die Liebesbriefe der Marquise“.267 Im fiktiven Gewand wendet sich die Autorin noch einmal der eigenen Familiengeschichte

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zu, im historischen Frauenschicksal spricht sie von eigenen existentiellen Problemen. Die elsässische Marquise Delphine Montjoie, um die Mitte des 18. Jahrhunderts geboren, erlebt die noch rokokohafte Welt von Erotik, Tändelei, Raffinesse und Eleganz. Ein halbes Dutzend Männer, darunter der württembergische Schwager des russischen Zaren Paul, entbrennen in Liebe zu ihr. Neben dem Frivolen gewinnen die politischen Ereignisse des Zeitalters für die Hauptfigur eine immer größere Bedeutung. Die Ideen der französischen Aufklärung werden ihr nahegebracht. Sie erlebt das Versailles Ludwigs XVI. in schwüler Sinnlichkeit, Verschwendung, Blindheit gegenüber der Wirklichkeit. Sie erfährt von den französischen Salons und den sie dominierenden Frauen, diskutiert die Geschlechterfrage, das Problem von Ehe und Freundschaft zwischen Mann und Frau. Der amerikanische Unabhängigkeitskampf erscheint ebenso wie die soziale Not in Paris und im übrigen Frankreich, gegen die sich Delphine zu engagieren beginnt. Goethes „Werther“ und Beaumarchais’ „Figaro“ beeindrucken sie. Vor dem Hintergrund des Bastillesturms und der brennenden Schlösser entscheidet sich Delphine gegen den geliebten Prinzen Montbéliard und für ihr Kind. Auch diese Romanfigur begreift Mutterschaft als wesentlichen Wert des Lebens. In ihr begibt sich Lily Braun zu ihren familialen Wurzeln, ohne ihren eigenen Lebensweg zu verleugnen. Die soziale Kritik und der Anspruch auf Befreiung der Entrechteten erscheinen im historischen Sujet; Delphines Getriebenheit von Erotik, ihr politisches Engagement und die schließliche Akzeptanz der Mutterrolle sind die Lilys. Zwei dramatische Werke variieren – wieder in historischen Stoffen – die Grundmotive. In einer lyrischen Oper268 wendet sich Lily Braun erneut der Französischen Revolution und einem Frauenschicksal zu. Madeleine Guimard, die wohltätig ist und gleichzeitig den Pöbel verachtet, die mit den Kavalieren spielt, aber aufrichtig und opferbereit liebt, entspricht einem der Autorin sehr gemäßen Bild von Weiblichkeit. In ihrer Tragödie „Mutter Maria“269 gestaltet Lily Braun ein Renaissance-Sujet, in dem sich biblische Vorgänge spiegeln. Im Florenz des Cinquecento erscheint eine eigenartige Heilige Familie: Die entsagungsvoll-fromme Maria hat ihren Sohn Angelo, den sie von Guiliano Medici empfing, der Kirche geweiht. Angelo freilich entdeckt unverstellt-heidnische Sinnlichkeit, liest Platons „Gastmahl“, steht fasziniert vor der Skulptur der Venus, verkündet schließlich eine Art Lebens- und Naturphilosophie. Bezeichnenderweise wird die Glaubensfrage im Stück mit sozialen Themen verknüpft. Angelo spricht dem Volk vom Anbruch einer neuen Goldenen Zeit im Namen Aphrodites. Er ist ein sozialistischer Messias, ein sinnlicher Sonnensucher, ein leidenschaftlich-schwärmerischer Künstler und heidnischer Märtyrer. Das letzte Wort im Drama behält wieder die aufopferungsvolle Mutterschaft: Maria stirbt freiwillig mit ihrem zum Tode verurteilten Sohn. Das literarische Vermächtnis Lily Brauns ist der 1915 erschienene Roman „Lebenssucher“270. In ihm spiegeln sich die geistigen Kämpfe der Autorin, vor allem aber ist er ein Kaleidoskop der sozialen, rassischen und geistigen Auseinandersetzungen vor dem ersten Weltkrieg. Konrad Baron von Hochseß, die Hauptfigur, wächst auf einem Adelsitz in der fränkischen Jura heran. Er lebt dort mit seiner Großmutter, der Gräfin Savelli, einer schönen, temperamentvollen Italienerin, und

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zwei blutleeren deutschen Tanten. Der alte Giovanni, ein Gaukler und Narr, eine Art Kassandra und Unglücksrabe, lebt als Zeuge einer dunklen Familiengeschichte gleichfalls auf Hochseß. Das erste Kapitel liefert – bis auf die Erwähnung des Bahnhofes und einiger Aspekte des Pensionsmilieus – keine zeitliche Festlegung. Der „romantische“ Rittersitz, die düstere Familiengeschichte, die klischeehafte Verbindung von edler, südlicher, leidenschaftlicher Frau und blondem, kühlem Mann, die Gauklergestalt des personifizierten Schicksals – dies sind gängige Kolportageelemente, die nirgendwo in einen historisch-geistigen Hintergrund gestellt werden oder eine psychologische Fundierung erhalten. Man meint, hier beginne eine pseudoromantische Trivialgeschichte. Bereits im zweiten Kapitel kommt die Hauptfigur aber im 20. Jahrhundert an: Konrad bilanziert seinen bisherigen Bildungsweg. Das erworbene Wissen habe nur das Hirn belastet und das Herz eingeschnürt, sei der mörderische Feind allen Werdens. Technik werde mit Kultur verwechselt. Dies sind gängige Thesen der Kulturkritik des Fin de siècle. Im Berlin des zu Ende gehenden Kaiserreichs beginnt der eigentliche Bildungsroman. Das moderne Babylon der Prostituierten, der Wollust und Erotik, der Amerikanisierung und Käuflichkeit aller Dinge, der Armut und Verkommenheit, der unterschiedlichen Weltanschauungen und Philosophien zieht Konrad in seinen Bann. Man diskutiert über Frauenstudium und freie Ehe, in obskuren Bars wirft man sich Argumente über Judentum und Internationalismus zu, man erwägt Energetik und Monismus als Lebensmöglichkeit, man tanzt Tango, trinkt Champagner und rezitiert expressionistische Lyrik. Bei Begegnungen mit Walter Warburg, seinem jüdischen Freund, hört Konrad vom Zionismus, der ein Vaterland für die in jeder Nation nur Geduldeten zu verheißen scheint. Laute spielende junge Leute, eine Art Wandervogel-Anhänger, verbrennen in ihrem Walpurgisfeuer symbolisch Schulmeister, Philister, Vaterlandslose, Ausbeuter und Intellektuelle. Ernüchtert erwacht Konrad aus dem rauschhaften Erleben von Jugend und Frühling, als einer Deutschsein predigt. Der nationale Grund ist für ihn nicht erreichbar. Das im Roman entfaltete Spektrum von Weltanschauungen, Lebensmöglichkeiten, die sich stets als scheinbare herausstellen, ist noch breiter. Konrad liest Bücher sozialistischen Inhalts, er geht auf Versammlungen. Der russische Revolutionär Pawlowitsch hält Vorträge für Arbeiter über deutsche Literatur. Die Romantiker kritisiert er als „reaktionäre, aller Wirklichkeit abholde Träumer“, die Frauen der Romantik erscheinen bei ihm als „überspannte Weiber“.271 Konrads Argument, von Hölderlin etwa gehe eine Bereicherung des Gemüts aus272 , schiebt Pawlowitsch mit Blick auf den Klassenkampf beiseite. In der Ernüchterung der Hauptfigur spiegeln sich Erfahrungen Lilys: Vor allem stößt Konrad ab, daß in der Arbeiterbewegung eine Linie geistiger Saturiertheit erscheint, die auf alle Fragen eine Antwort parat hat, die keine Sehnsucht ins Unbekannte mehr entwickelt. Eine solche Haltung führe zum unwiederbringlichen Verlust von Kulturgütern – geradezu prophetisch mutet die Einsicht der Figur aus dem Wissen um die historische Entwicklung an. Schnell läßt Konrad das kapitalistische Berlin hinter sich, obgleich er zunächst der Geliebte Renetta Veits wird. Die Frau des protzigen Kommerzienrats, auf dessen Partys sich allerlei geldgierige Elemente vergnügen, ist die personifizierte Verfüh-

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rung, eine seelenlose Sphinxgestalt. Sie ist die fraugewordene Hure Babylon, das Bild einer ungeistigen, sinn- und tiefenlosen Zeit. Die Adelswelt des beginnenden 20. Jahrhunderts ist nicht weniger negativ konnotiert wie die Geldwelt des Kommerzienrats Veit. Man redet von den „Traditionen der Familie“273, ohne tatsächlich ein sinnerfülltes Dasein zu führen, „Weiber – Kneipen – Pferde“274 sind die Gesprächsthemen der Männer. Der Roman spricht vom verderblichen „Amerikanismus“275, der die Menschen der Fähigkeit beraube, sich für eine große Sache nur um ihrer selbst willen einzusetzen. Das Kreuzrittermotiv wird angeschlagen, das den Roman leitmotivisch durchzieht: Die Kreuzfahrer besaßen ein „fernes, traumhaft verschwimmendes Ziel“276, in dieser Hinsicht stehen sie an der Seite der Sozialisten. Freilich sind dies alles nur theoretische Erwägungen, ebenso wie Patriarchalismus und Absolutismus in der Welt des 20. Jahrhunderts nur noch irrationale Bezugsfelder sind. Konrad bewegt sich in der „prickelnden geistigen Champagneratmosphäre“277 von Sabine Brandis’ Salon in München. Die Besucher sind unterschiedlich von Lebensalter und Lebensstil, gemeinsam ist ihnen die Suche nach mystischen Gründen des Seins. Den Sozialismus hat man hier schon als bourgeoise Weltanschauung verabschiedet, mit Haß verfolgt man Naturalismus, Materialismus, sogar den Monismus Ernst Haeckels. Instinkt, Phantasie, Metaphysik sind die Begriffe, die gegen Industrie, Technik, Amerikanismus und Intellektualismus gesetzt werden. Immer wieder fällt der Name Jörun Egil, eines neuen Religionsstifters, der den Anwesenden als Erlöser erscheint. Alle Gespräche laufen in dem „geheimnisvoll dunklen Born mystischen Hoffens“278 zusammen. Jener Seher Jörun Egil verkündet mit düsterer Inbrunst den Kreislauf des Lebens, das Fressen und Gefressenwerden, das Leben, das aus dem Tode entsteht. Seine Schlußfolgerung ist einfach, trifft aber Konrad im Innersten: Wenn es richtig ist, daß sich die Welt vom Tode der Schwachen nährt, so würde die Erlösung der Menschheit aus Knechtschaft ihr Todesurteil bedeuten.279 Jörun Egil ist ein degenerierter Nietzsche, ein menschenfeindlicher Verächter jeglichen Glücks, ein verzweifelter Sucher nach Verheißung. Seine Lichtempfindlichkeit, die „Blendung“, scheint ebenso von Nietzsche zu stammen, sie kontrastiert zum Motiv des Hellen, das für Jugendstil und Lebensreformbewegung wesentlich ist. Für die im Roman geschilderten Szenen um Jörun Egil könnte der Kreis der Schwabinger Kosmiker um Schuler, Klages und Wolfskehl prägend gewesen sein. Jedenfalls wird auch die mystische „Lebenssuche“ im Roman erprobt und verabschiedet. Die Absage an den Amerikanismus, durchgängig wichtiges Motiv, wird gerade in den Florenz-Kapiteln gestaltet. Hier bedeutet er veräußerlichte Aufnahme von „entzückenden“ oder „furchtbar interessanten“ Kunstwerken, geschwätzige Taktlosigkeit und Käuflichkeit aller Dinge. Demgegenüber erscheint noch einmal die deutsche (weimarische!) Italienliebe der vergangenen Jahrhunderte, Schönheitskult und Mediceerverehrung. In der Kirche Santa Croce bietet sich Konrad erneut eine Lebensmöglichkeit dar, „die große Ruhe des Frommseins“280. Sofort verwirft die Hauptfigur die Auslieferung an den christlichen Glauben, als Lichtsucher geht sie den Weg zur Höhe von Fiesole.

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In Lily Brauns Roman agieren eine Reihe von Frauenfiguren, die womöglich noch intensivere Lebenssucherinnen, Sinnsucherinnen sind als die männlichen Protagonisten. Neben der Sphinx Renetta Veit erscheint Leonie, das Mädchen aus dem Dienstbotenmilieu, das sich aufopfern will, ohne dafür bezahlt zu werden, um wirkliches Menschsein zu erfahren. Sabine Brandis predigt die Hingabe an eine Idee oder einen Menschen. Sara Rubner ist eine resignierte Frau, die sich von Jugend an allen weltanschaulichen Bewegungen in die Arme warf, aber die Doppelzüngigkeit der Kapitalismuskritiker erkannte. Sie ist eine in der Liebe enttäuschte Intellektuelle, die aus Ekel vor sich selbst Suizid begeht. Und Else Gerstenberg schließlich fertigt Puppen mit wirklichen Gesichtern, Märchengestalten von letzter vergeistigter Schönheit, in denen die Quellen des Menschseins fließen. Keine der Frauen hat einen konventionellen Lebenslauf entsprechend den gültigen Moralnormen. Keine strebt nach äußeren Gütern, materieller Sicherheit, sie sind auf der Suche nach „Hingabe“ ihrer selbst. Lily Brauns Bildungsroman entwickelt äußerste Distanz zum Kapitalismus. Er kritisiert Positivismus und Utilitarismus, revoltiert gegen Fragmentierung und Verfehlung des Lebens. Die Bildung im Sinne umfassender Persönlichkeitsformung wird ungleich höher gestellt als die ökonomische Praxis. Daß es doch etwas geben müsse, für das man kämpft, für das man die ganze Existenz einsetzen könne, ist die Maxime der Hauptfigur. Am Ende steht der Ausbruch des ersten Weltkrieges, den Konrad wie eine Erlösung erfährt: Er gewinnt das Leben, indem er es in diesem Krieg verliert. Lily Brauns Roman schreibt die schmerzliche Chronik der Entfremdung von der Weimarer Trias des Guten, Wahren und Schönen. Nur im „Hineingeben“ in das kollektive Kriegserlebnis ist individueller Sinn und Wert zu finden – dies ist die furchtbare Quintessenz nicht nur des Textes, sondern des Lebens der Autorin.

3. Weimarer Salonièren auf dem Weg ins 20. Jahrhundert 3.1 Salonkultur in Kontinuität und Wandel der Zeit Weimars Bedeutung beruht stets auf der Fähigkeit zu Gespräch und Austausch, zur Aufnahme von Neuem und Fremdem, zu einem gewissen Absehen von der Konvention. Dies gilt in besonderem Maße für das 19. Jahrhundert, das sich auch in der Geselligkeitskultur an der klassischen Zeit zu orientieren sucht. „Musenhof“ und „Salon“ heißen die Leitbegriffe: Der erstere scheint schon obsolet, er führt doch Carl Alexander von seinem faszinierenden Ettersburger Kreis zu schwierigen mäzenatischen Unternehmungen von großer Ausstrahlung. Im Fin de siècle und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dann befriedigen Weimarer Salons kulturelle Bedürfnisse, die der Hof in zunehmendem Maße unerfüllt läßt. Das Alter des Großherzogpaars, lange Trauerzeiten, die Persönlichkeit der fürstlichen Nachkommen erlauben nur noch partiell eine anregende Geselligkeit; Kompensation

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ist also dringend geboten. Die Frauenbewegung, die gerade in Weimar ihre Bildungsforderungen vorträgt, stimuliert die Salons, ohne daß ein konfliktfreier Zusammenhang anzunehmen ist. Schließlich wirkt – wie schon Mitte des 19. Jahrhunderts – das Beispiel der Metropolen: Gastgeberinnen und Mäzeninnen wie Josephine Wertheimstein oder Cornelia Richter sind Weimarer Damen nicht nur bekannt, sondern durchaus vorbildlich für kulturvermittelndes Tun. „Die Ausländer haben schon zu Goethes Zeiten eine bedeutende Rolle in Weimar gespielt. Immer waren es wissensdurstige, begeisterungsfähige ... Leute, vorzüglich Briten ...“281 Gabriele Reuters Beobachtung stimmt auch für die neuere Geschichte der Stadt. 1875 zieht die Frau nach Weimar, die als Madame Obrist bekannt ist, und etabliert ihren Salon Am Horn. Von ihrem Schweizer Ehemann ist sie geschieden, sie hat zwei Söhne, eben den späteren Musikwissenschaftler Aloys und den Kunstgewerbler und Kandinsky-Freund Hermann. Sie ist mit dem britischen Staatssekretär für Indien, Sir Mountstuart Elphinstone Grant Duff verwandt, der nicht nur als Politiker, sondern als Schriftsteller und als eine weitgereiste, sensible und vornehme Persönlichkeit bekannt wird. Von der Rebellion gegen die starren Konventionen der englischen Aristokratie in ihrer Jugend berichtet Frau Obrist selbst ihren Besuchern282, ohne zu verleugnen, daß ihr die gesellschaftlichen Formen wichtig sind. Vermögend und unabhängig, verachtet sie die Weimarer Spießer und alles, was „vulgar“ ist. In der Neorenaissance- und Wagner-Atmosphäre ihrer Villa verkehren der Großherzog und seine Tochter Elisabeth. Gabriele Reuter liest ihre Werke vor, erhält ein stärkeres Selbstwertgefühl durch Obrists Aufmerksamkeit und Anerkennung. Englische Staatsmänner sind im Haus Am Horn ebenso zu Gast wie Hildegard Jenicke, die hier ihre Emanzipation von der dörflichen Pfarrerstochter zur gefeierten Hofschauspielerin und engagierten Frauenrechtlerin beginnt. „Nebenschauplatz“ der Geselligkeit ist Obrists Landhaus in Tabarz283, in dem sommers ein fröhlicher Kreis junger Schauspieler, Studenten und Autoren zusammentrifft. Im Weimar der Jahrhundertwende gibt es einige solcher Frauenpersönlichkeiten, die mit klarem Urteil und Kunstverstand, unabhängig von der Meinung der Menge, die Geselligkeit inspirieren. Von der älteren Generation, die allen Glanz und alle Konflikte der ‚Silbernen Zeit′ miterlebte, wohnt noch Therese von Helldorff in ihrem schönen Haus Am Horn; „Exzellenz Röschen“284 – wie sie genannt wird – nimmt die Erfahrungen des Lisztkreises mit in die Geselligkeit um Ernst Hardt und Harry Graf Kessler. Mit Olga von Meyendorff, die 1871 als Witwe ihren Wohnsitz in Weimar nimmt, erscheint eine weitere Lisztfreundin, eine eigenwillige und prägende Frauenfigur. Man nennt sie wegen ihrer Kleidung den „schwarzen Schwan“285 oder auch „chatte noire“286 und bewundert mit einem gewissen Schauder ihre Bildung, ihren Esprit und ihre wenig verbindliche Art. Die Russin und „grande dame“ hält mit harscher Kritik auch am Hofe nicht zurück287; dies hindert nicht, daß Großherzog Carl Alexander in ihrem Salon verkehrt: Man liest und bespricht Ibsen und Tolstoi, die Erinnerung an Liszt und Wagner spielt stets eine wichtige Rolle.288 Auch zu jüngeren Autorinnen289 findet Meyendorff einen Zugang; in erster Linie erscheint sie als gleichsam unsentimentale Verkörperung der ‚Silbernen Zeit′. Die dritte der drei kantigen Frauenpersönlichkeiten, die einst um die Gunst des „Mei-

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sters“ Liszt wetteiferten, und die keineswegs miteinander harmonieren, ist Adelheid von Schorn. Man zögert, das Heim der konservativen Bismarckverehrerin einen Salon zu nennen, doch spielt es eine bedeutende Rolle in Weimars Geselligkeit. Die neue Generation von Frauen, die um 1900 mit ihren Soireen, jours fixes, Theater- und Musikabenden und Lesungen die Kultur stimulieren, unterscheiden sich im sozialen Status kaum von den älteren: Sie sind Töchter oder Gattinnen von Hofbeamten oder Offizieren, die ein sinnerfülltes Leben in Kunstrezeption oder sogar -ausübung erstreben. Einige von ihnen bringen ihre Erfahrungen in den europäischen Metropolen des Kulturlebens in die kleine Residenz mit; vielfältige Kontakte verbinden sie mit der Welt außerhalb. Die klassische Tradition ist ihnen in neuer Weise wichtig: Sie arbeiten als Wissenschaftlerinnen oder Künstlerinnen mit ihr, sie entwerfen eine Geselligkeitskultur, deren Fäden zu Goethe und Anna Amalia zurückreichen. Mathilde von Freytag-Loringhoven, Erika von Watzdorf-Bachoff und Helene von Nostitz stimulieren in je unterschiedlicher Weise die Kultur Weimars; sie haben verschiedene Lebensentwürfe, Ansprüche an die Kunst und politische Ansichten. Eine kritische Sichtung ihrer publizistischen und literarischen Schriften ist zu ihrer differenzierten Beurteilung unabdingbar. Über die geselligen Kreise der Damen, in denen nicht selten Modernes und Konservatives eine changierende Verbindung eingehen290, öffnet sich der Blick auf ein reiches und vielgestaltiges Panorama kultureller Begegnungen. Trotz faszinierender Wiederaufnahmen und Neuansätze wird es in dieser Dichte nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr erreicht.

3.2 Adelheid von Schorn „Nur eine Stadt wie Weimar konnte ein solches Wesen zeitigen“291 – Wildenbruchs bewundernd-distanzierter Ausruf gilt Adelheid von Schorn. Die originelle Frauenpersönlichkeit ist unlösbar mit der Kulturgeschichte des klassischen Ortes verbunden. 1841 wird sie als Tochter des Kunsthistorikers Ludwig Schorn, den Maria Pawlowna zur Profilierung der Kunstinstitute nach Weimar holt, und seiner Frau Henriette geboren. Henriette geborene von Stein, Hoffräulein aus altem Adel, löst seinerzeit einigen Wirbel aus, als sie beschließt, den bürgerlichen Schorn zu heiraten. Als Witwe des noch Geadelten publiziert sie unter Pseudonym Lyrik und etabliert einen Salon, dessen Publikum die „Clique“ genannt wird.292 Von jung an also erlebt Adelheid von Schorn Geselligkeit und Gesprächskultur, die in konservativer Liberalität wurzeln, in Verbundenheit mit dem klassischen Weimar Vorurteilslosigkeit und Kritikfähigkeit pflegen. In die Freundschaft ihrer Mutter mit Franz Liszt und Carolyne Sayn-Wittgenstein wird Adelheid bald einbezogen. Adelheid von Schorn ist in Weimars Fin de siècle gewissermaßen unübersehbar. Schon äußerlich ist sie eine auffallende Erscheinung. Sie hat Ähnlichkeit mit der englischen Königin Victoria293; nichts weniger als modebewußt trägt sie langwallende Gewänder und auf dem Kopf eine schwarze Spitzengarnitur; ihre schönen Hände scheinen seelisch-geistige Größe auszudrücken. Ihre Persönlichkeit erregt

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vielfältigen Widerspruch: Oskar von Wedel mokiert sich über die Lebenslust der „armen“ und „häßlichen“ Frau.294 Egloffstein bemängelt ihr „derb männisches Wesen“295 und die vulkanischen Ausbrüche ihres leidenschaftlichen Temperaments. Als „Inbegriff des Unweiblichen“296 gilt sie den in traditionellen Geschlechtermustern Verhafteten, schon als Adelheid von Schorn noch im Seitengebäude der Belvederer Allee 2 wohnt, holen sich in ihrem mit Blumen und Andenken dekorierten Wohnzimmer viele Rat und Ermutigung. An ihrem einladenden Teetisch sitzen Künstler, die ihre Fähigkeit zuzuhören ebenso beglückt wie ihre intime Kenntnis Weimarer Verhältnisse und ihre Erinnerungen an Persönlichkeiten und Orte in ganz Europa. Im Januar 1882 begegnet Adelheid von Schorn in Rom Paul von Joukowsky. Der Sohn des russischen romantischen Lyrikers Wassili Joukowsky ist Maler, mit Liszt und Wagner befreundet, den letzteren zeichnet er noch am Abend vor dessen Tod. Mit Großherzog Carl Alexander führt er viele gute Gespräche, etwa über seine Arbeiten an der Dekoration des „Parsifal“297. In der kurzen römischen Begegnung mit Joukowsky bahnt sich für Adelheid eine Freundschaft an, die wie „ein rother Faden“298 durch ihr Leben geht. Im Februar 1886 zieht auch Joukowsky in eine Wohnung in der Belvederer Allee 2; der Großherzog – stets interessiert, ihm sympathische Künstler in der Stadt zu halten – hat sie ihm gemietet. Ist das Zusammenleben Schorns und Joukowskys hier noch inoffiziell, auch nicht dauernd, begründen die beiden dann 1910 für ihre letzten gemeinsamen Lebensjahre ein Heim in der Luisenstraße 21. „Philemon und Baucis“299 hat man sie genannt, nach dem alten gastfreundlichen Paar, das im „Faust“ die Wanderer aufnimmt. Der sächsische Gesandte Reitzenstein wird doch nicht der einzige in Weimar sein, der das Zusammenleben der beiden „unmoralisch“300 findet. Auf die Frage, warum sie und Joukowsky nicht geheiratet hätten, entgegnet Adelheid: „Ach, dazu hatten wir uns doch zu lieb.“301 Adelheid von Schorn bewegt sich in großer Nähe zum Fürstenhaus, ohne zu seiner unkritischen Apologetin zu werden. Beinahe befreundet ist sie mit Carl Alexanders Sohn, dem Erbgroßherzog Carl August, mit dem sie in einem Alter ist; sie würdigt dessen Anständigkeit und Bescheidenheit302 und hat großes Verständnis für den zurückhaltenden und unmusikalischen Prinzen. Auch Wilhelm Ernst gegenüber ist sie nicht die scharfe Kritikerin, die ein vielzitierter, nur in Abschrift überlieferter, Brief erkennen läßt.303 Treue zum großherzoglichen Haus gehört zu jenem „beschaulichen, aufmerksam teilnehmenden Konservatismus“304, dem Adelheid wie nicht wenige Weimarer huldigt. Sie besitzt Bildung im umfassenden Sinne, ist nicht nur belesen und vertraut mit der Musik, sondern von Harmonie und Geschlossenheit des Charakters, dabei gütig und lebendig. Höchst unterschiedliche Persönlichkeiten sind ihre (und Joukowskys) Gäste. Zu Ostern 1886 kommt Heinrich von Stein nach Weimar. Der einstige Erzieher Siegfried Wagners, dessen idealistische Ästhetik für Autoren wie Friedrich Lienhard entscheidende Anregungen liefert, ist Adelheid von Schorns Vetter. In ihrem Salon feiert man gleichsam die Begegnung von Bayreuth und Weimar, die einige Jahre später Fundament konservativer kultureller Modelle wird. „Ideale Glanzpunkte“305 scheinen Schorn später diese Tage, an denen Joukowsky und Aloys Obrist aus dem „Parsifal“ singen und spielen, sie selbst und Stein berührt zuhören.

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In Schorns „stille und gesammelte Welt“306 kommen Ernst von Wildenbruch und Richard Voß, aber auch Gabriele Reuter und Erika von Watzdorf-Bachoff, die 1910 aus Romain Rollands „Jean Christophe“ vorliest.307 Es scheint zunächst, als sollte sich mit Elisabeth Förster-Nietzsche gleichfalls ein freundlicher Umgang ergeben. Im Februar 1900 sind Adelheid und Joukowsky noch gemeinsam mit dem Großherzog auf den Silberblick geladen.308. Einige Zeit später kommt es zum Bruch zwischen Schorn und Förster-Nietzsche. Im April 1902 berichtet Natalie von Milde mit Blick auf die Rolle des Nietzsche-Archivs in den modernen Kunstprozessen: „Und an dieser neuen Herrlichkeit nimmt wer nicht theil? Die arme Adelheid. Der Zwist soll unheilbar sein ...“309 Schorn findet zu Nietzsches Gedankenwelt keinen Zugang. Auch hier mag die stets komplizierte Beziehung von „Wagnerianern“ und „Nietzscheanern“ eine Rolle spielen. Auf dem Hügel empört man sich, daß Schorn in ihrem Aufsatz in der Weimarischen Zeitung über Ansätze einer neuen Kulturblüte das Nietzsche-Archiv nur beiläufig erwähnt habe.310 Noch eine andere Tatsache vertieft die Distanz zu Förster-Nietzsche: Adelheid von Schorn ist mit den beiden Antipoden der Heimatkunst befreundet. 1902 lernt sie Friedrich Lienhard kennen, der sie fast täglich besucht, wenn er in Weimar ist. „Sie war ein Talent des Zuhörens und der klaren Beratung. Durch ihre herüberwirkende Ruhe war man gezwungen, sich deutlich zu fassen ...“311 schreibt der Autor, der ihr den Stoff seines „Oberlin“-Romans erzählt und erstaunt feststellt, daß eine der authentischen Figuren Adelheids Großmutter ist. Lienhard seinerseits nimmt Anteil an der Entstehung von Schorns Erinnerungsbänden über das nachklassische Weimar.312 Schon den Zeitgenossen erscheint es merkwürdig, daß die gütige und anständige Adelheid von Schorn mit dem Antisemiten Adolf Bartels befreundet ist. Gelegentlich sagt sie ihm deutlich die Meinung, etwa als sie ihn ertappt, literarische Werke zu beurteilen, in die er noch keinen Blick geworfen hat.313 Schorn hat durchaus Sympathien für die Heimatkunst, wenngleich sie in der Debatte um eine neue Kunstblüte in Weimar eine eher vermittelnde, verschiedene Weltanschauungen, Richtungen und Stile gleichermaßen würdigende Position einnimmt. Vorteile Weimars scheinen ihr zu sein, daß man hier ohne Hetzerei und Lärm, doch inmitten geistig aufgeschlossener Menschen leben kann, keine Berührung mit der großen Masse der Arbeiter hat. Und so nennt sie als Garanten einer neuen künstlerischen Bedeutung Weimars Olde und Schultze-Naumburg, Wachler, Bartels und van de Velde, Wildenbruch und Kessler, Egloffstein und Natalie von Milde.314 Schorn überschätzt die Integrationskraft der weimarischen Tradition; ihr schwebt ein Wirken der verschiedenen Künstler am jeweils Eigenen vor, aus dem eine Atmosphäre von Produktivität und Toleranz erwächst, die fest in der klassischen und nachklassischen Vergangenheit gründet. Sie hat keinen Blick für die tiefgreifenden sozialen und kulturellen Probleme des Fin de siècle; auch hat sie sich bei aller geistigen Regsamkeit nicht tiefer mit der literarischen Moderne beschäftigt. Als sie im Herbst 1916 im Sophienhaus dem Tod entgegengeht, ist ihr siegesgewisser Patriotismus, der sie bei Ausbruch des Krieges erfüllte, längst erschüttert.315 Schweigend erleidet sie das Jahr von Verdun.

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Von Adelheid von Schorn bleiben ihre materialreichen Bücher.316 Sie wird selbst zur Kunstgestalt: Joukowsky und Hans Olde haben sie gemalt; in Lienhards „Spielmann“-Roman, der Weimar als „Hochschule der Verinnerlichung“317 feiert, erscheint sie als Adelheid von Stein-Birkheim. Helene Böhlau schließlich läßt sie als faszinierende Magelone von Geldern weiterleben.

3.3 Mathilde von Freytag-Loringhoven – die konservative Kulturvermittlerin Etliche Werkausgaben Weimarer Autoren tragen handschriftliche Widmungen für Mathilde von Freytag-Loringhoven. „Alle letzten Dinge sind ungeschieden.“ schreibt Friede H. Kraze – als Motto ihres Lebens und Dichtens – der „verehrten Künstlerin und Kritikerin“ in ein Exemplar ihres Romans „Jahr der Wandlung“.318 Auch ihr Weimar-Buch „Frühling im Park“ trägt eine Widmung für Freytag. Erika von Watzdorf-Bachoff gedenkt „Tilly“ noch in ihrem letzten Gedichtband herzlich und dankbar, zu einem Zeitpunkt, als ihre weltanschaulichen Positionen längst nicht mehr vereinbar sind. Die Reihe könnte man ohne weiteres fortführen. Mathilde von Freytag-Loringhoven ist eine der engagiertesten Persönlichkeiten in der Geselligkeit und im kulturellen Leben Weimars. Ihr Haus in der Marienstraße 18, in dem sie mit ihrer Mutter, der Witwe eines ehemaligen russischen Geschäftsträgers, und ihrer Schwester Maria wohnt, bleibt viele Jahre Zentrum von Gespräch, Lektüre, Musik und Theaterspiel. Tilly ist Malerin, sie studiert bei Max Thedy, bei GleichenRußwurm, Leopold Kalckreuth und als dessen einzige Privatschülerin bei Karl Buchholz.319 Freytag ist eine begabte Landschaftsgestalterin, auch Porträts und Blumenarrangements liegen ihr als Sujets. Sie hat sprachliches und vor allem schauspielerisches Talent, sie ist gebildet, temperamentvoll und originell, hat also alle Voraussetzungen, als Anregerin des geselligen und kulturellen Lebens zu fungieren. „Immer war bei Freytags etwas los, Musik, Theaterspiel, Vorlesungen, Unternehmungen aller Art ...“320 schreibt Erika Watzdorf, deren dichterische Arbeiten Tilly begeistert fördert. Der Burgschauspieler Adolf Sonnenthal und die Hofopernsängerin Marie Gutheil-Schoder sind bei Freytags zu Gast, der letzteren, einer Weimarer Gastwirtstochter, halfen sie, sich zu bilden und bahnten ihr den Weg zum Ruhm.321 Mit Eleonora Duse verbindet Mathilde Freytag eine tiefe Freundschaft. Einen „Treffpunkt der ‚Weimarer Boheme′ “322 wird man ihr Haus neben der Kunstschule nicht nennen können, wohl aber einen Ort anregender Geselligkeit, an dem originelle, gelegentlich skurrile Meinungen geäußert werden. Auch in Tillys Salon verkehrt schon Großherzog Carl Alexander: Unter Mitwirkung Egloffsteins und Wanda Puttkamers wird etwa eine Rokoko-Komödie der Zarin Katharina aufgeführt.323 Tilly Freytag ist überhaupt eine geschätzte Darstellerin in den zahlreichen Weimarer Liebhaberaufführungen, lebenden Bildern, Fest- und Maskenzügen. Auch sie engagiert sich für den Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“, in dessen Theaterprojekten sie mitwirkt und für die sie die Kulissen malt. Geradezu leidenschaftlich hilft sie „werdenden Dichtern“, sie korrigiert Manuskripte, bietet auch materiel-

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le Unterstützung an324: Die junge Autorin Margot Boger-Langhammer325 und ihr Kind bringt sie sogar in ihrem Haus unter. Zu Beginn des ersten Weltkriegs besitzt Freytag noch die russische Staatsbürgerschaft, muß also als „feindliche Ausländerin“ mit Sanktionen rechnen. Eine Intervention beim Großherzog und ihre Einbürgerung verhindern dies. Ihre Freunde bemerken bei ihr einen gewissen Hurrapatriotismus, den sie ihrer neuen Deutschheit schuldig glaubt.326 Auch weniger an der Kulturgeschichte Interessierte wissen um Mathilde Freytags Beschäftigung mit Tierpsychologie, um ihre Behauptung, daß Tiere zum Denken befähigt seien. Sicher hat ihr Bemühen um ihren „vermenschlichten“ Hund Kurwenal, der „Rechner, Denker und Redner“327 sein sollte, einen gewissen skurrilen Zug. Aber man muß es im Zusammenhang mit dem zeitgenössischen Interesse für die Natur und den Naturschutz ebenso sehen wie mit den Forschungen zur Tierpsychologie, deren führender Vertreter Konrad Lorenz gleichfalls im Haus in der Marienstraße zu Gast ist328. Neueste Forschungsergebnisse zu Intelligenz und Lernfähigkeit des Hundes lassen ihre Experimente und Überlegungen zudem in einem anderen Licht erscheinen. Es nötigt immerhin Respekt ab, daß sich Freytag ohne Rücksicht auf die eigene Person derart engagiert für die Rechte der Tiere einsetzt. Ein Blick auf das literarische Werk Mathilde von Freytag-Loringhovens könnte ein noch differenzierteres Bild der Weimarer Salonière, Tierschützerin und Malerin bieten. Freytags Romane sind autobiographisch; ihr Wert liegt allein in der Gestaltung eines bestimmten Milieus und der sich aus ihm ergebenden Lebensproblematik. Schon der erste ihrer Texte, der 1908 unter Pseudonym erscheint329, führt in die Residenzstadt „Dernburg“. Rudolf Valdier, Sproß einer im „glänzenden Elend“330 lebenden alten Familie, besucht die Kunstschule, ohne seine Fähigkeiten wirklich auszubilden. Ernst und Eifer fehlen ihm, sein zersplittertes Wesen läßt echte Kunst nicht zu. Damit ist Freytag-Loringhovens Grundmotiv des Dilettantismus angeschlagen. Es erwächst aus der eigenen Lebensproblematik der Autorin; ihre begabten Figuren wandeln durch die betriebsame Geselligkeit der Residenzstadt, ohne das große Gefühl und die große Kunst erreichen zu können. Die äußere Gestalt des Romans korrespondiert mit dem dargestellten Motiv: Die Charaktere sind nicht scharf genug umrissen, um Anteilnahme zu wecken, Gefühle werden eher zerredet, die Motivation der Handlung ist schwach. Quälend langweilig ist die Geschichte der Liebe Valdiers zu dem Hoffräulein Valeska von Briden, tiefe Leidenschaft wie entsagungsvolles Künstlertum sind nicht möglich. Selbst der Schluß des Romans ist eigentümlich gebrochen: Der tragische Held, der eben beschlossen hat, sich in Dernburg der Kunst zu widmen, erblickt eine hübsche Frau und verliebt sich in sie, er steht wieder am Anfang. Als echte Dilettantin liefert Freytag Stoffliches, bildet eine bestimmte Gesellschaftssphäre ab: Szenen wie die des Künstlerfestes mit dem als Schwein verkleideten Pudel331 oder die Einstudierung einer französischen Operette bei der Oberhofmeisterin332 zeigen Langeweile, Gleichmaß, aber auch das Faszinierende der weimarischen Festkultur.

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Mathilde von Freytag-Loringhovens zweiter Roman333, der eine weibliche Hauptfigur hat, stellt noch klarer das Problem des Dilettantismus in den Mittelpunkt. Die familiale Konstellation der verwitweten Mutter mit den beiden Töchtern, der klugen Virginie und dem anspruchslosen „lieben Ding“334 Cäcilie, ist autobiographisch ebenso wie der Lebenskonflikt Virginies. Sie spielt Klavier ohne künstlerische Durchbildung, malt Porträts und Stilleben: „Zur Kunst im rechten Sinne hatte sie es jedoch auch in diesem Zweige nicht bringen können.“335 FreytagLoringhovens Frauenfigur ist auf verzweifelter Suche nach Tiefe, sinnvollem Dasein und Ganzheit, die am Ende enttäuscht wird, ihr Weg führt in eine öde Hofdamenexistenz. „Skizzenhaft, dilettantisch Alles, was sie that, – dachte, – lebte.“336 Ein solcher Satz öffnet die Perspektive von Freytags durchschnittlichem Salonroman, der übrigens eine recht verklemmte Moralauffassung vermittelt. Auch hier scheint es ein Zeichen der Zeit, daß man nicht zur Kunstwahrheit zu gelangen vermag, daß Wesenhaftes nicht berührt wird, vielmehr Flüchtiges und Oberflächliches dominieren. Neben den Romanen liegen weitere Texte Freytags vor, die ihre weltanschauliche Entwicklung zeigen. Am 21. Januar 1913 hält Freytag-Loringhoven im Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“ einen Vortrag zum 100. Todestag Christoph Martin Wielands, der dann auch gedruckt wird337 und dessen Reinertag den Armen Weimars zugute kommt. Ihre humorvoll eingeleitete Abhandlung stellt sich der Spannung, die zwischen dem Werk Wielands und den zeitgenössischen Lesern besteht. Eher als für den Dichter könne man sich für den „seltenen, geistsprühenden, Güte atmenden“338 Menschen Wieland erwärmen. Und nun geht Freytag daran, die eigentliche Leistung des Autors zu bestimmen, die in der Überwindung des zeitlich Bedingten und Fremdländischen liege. „Er war es, der in sich und um sich überhaupt erst eine deutsche Literatur als eine große, vielgestaltige Einheit schuf“339, bemerkt die Vortragende und erörtert diesen Gedanken an verschiedenen Beispielen aus seinem Werk. Das Attribut „deutsch“ erscheint hinsichtlich Wielands in auffälliger Häufung. Daß gerade der Kosmopolit, der skeptische Liberale Wieland zum nationalen Dichter stilisiert wird, zeigt den Weg, den Freytag schon vor dem ersten Weltkrieg einschlägt: Das Ungenügen am Scheinhaft-Oberflächlichen in Leben und Kunst führt sie zur Idealisierung der Nation als einer aus historischen und kulturellen Tiefen schöpfenden Gemeinschaft. In den dreißiger Jahren entstehen zwei Dramen Freytag-Loringhovens: Das eine, „Um die Meisterschaft“ betitelt, ist ein banales Ehestück, das in Milieu und konventionell-klischeehafter Konfliktlösung wie die Vorlage zeitgenössischer Kinoschnulzen wirkt. Ihr anderes Stück, ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, das sich mit Caroline von Günderode beschäftigt, steht in der Entwicklungslinie, die sich schon mit dem Wieland-Vortrag andeutet. Im Vorwort erklärt die Verfasserin, auf der Basis authentischen Quellenmaterials zu arbeiten, das ihr Bibliotheksdirektor Deetjen zur Verfügung stellte.340 Das Schicksal Günderodes erscheine ihr für die politische Gegenwart als ein zeitgemäßes.341 Die romantische Dichterin tritt im Drama als leidenschaftliche Gegnerin Napoleons auf, als visionäre Prophetin eines kommenden starken und glücklichen Deutschlands. In Günderodes Reden erscheint das häufig in völkischer Literatur anzutreffende Bild vom schicksalhaften Weg der Nation durch tiefes

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Elend: „Solche Zeit, wie meine Dichtung sie ersieht – kommt heute nimmer – noch lange nicht. Die Weltgeschichte muß sich erst durch Blut zu solchem reinen Glück hindurchringen.“342 Es ist offensichtlich, daß diese patriotische Günderode-Figur, die Künderin schließlicher nationaler Erfüllung, aus Freytag-Loringhovens – zumindest partieller – Verkennung des Dritten Reiches erwächst. Seit 1913 leitet Freytag das Feuilleton des als liberal geltenden Konkurrenzblattes der Weimarischen Zeitung, das mehrfach seinen Namen ändert, von den Einheimischen „Die Deutschland“343 genannt wird. Damit ist sie Kulturvermittlerin nicht mehr nur in Salon und Geselligkeit, sondern in größerer Öffentlichkeit. In den scharfen kunstpolitischen Auseinandersetzungen nach dem ersten Weltkrieg haben ihre Artikel und Rezensionen umso mehr Gewicht, als man von ihr als ausgebildeter Malerin ein sachkundiges Urteil erwartet. Freytag hat eine kritische Haltung zur Arbeit des Museumsdirektors Wilhelm Köhler, der zeitgenössische Kunst ausstellt. Zwar hält sie sich in der Debatte um den Verkauf eines Buchholz-Gemäldes 1919, in der schon harsche Polemik gegen Expressionismus und Kubismus geäußert wird, zurück.344 Bald aber leiht sie konservativer Kunstkritik ihre Stimme, die umso wirkungsvoller ist, als sie nicht in Bausch und Bogen verdammt: Dem Landschaftsmaler und Grafiker Peter Röhl, einem Meisterschüler des Bauhauses, bescheinigt sie Begabung und lobt seine kraftvollen Baum- und Naturstudien. Sie bedauert, daß er sich „in abstrakte Experimente verloren“345 habe, die eher bautechnisch als künstlerisch wirkten, daß er absichtlich verschobene Formen aufnehme. Freytag benutzt das Wort „Manier“346, um bestimmte Künstler der Moderne negativ zu bewerten. Innerlich unfrei, gehorchten sie nur dem modischen Zug zur Abstraktion. Härter noch als Röhl, in dessen experimentellen Bildern sie zuweilen sogar harmonische Zusammenhänge findet, beurteilt sie Wilhelm Morgner: „Kindische Narrheiten“347, Blasphemien scheinen ihr seine Werke, dem Wahnsinn nicht fern. Der junge Expressionist, in Langemarck vermißt, der seinerzeit in der Neuen Sezession ausstellte, hat ihrer Meinung nach eine Neigung zum Widersinnigen, Unnatürlichen, Albernen und Häßlichen. Freytag urteilt von einem klassischen Schönheitsbegriff aus. Der Künstler habe demnach das erblickte Naturschöne durch seine innere Kraft in ästhetischer Vollkommenheit zu gestalten. Eine solche Auffassung, die sich aus Weimarer Quellen speist, ist nicht geeignet, avantgardistischer Kunst im 20. Jahrhundert gerechtzuwerden. Die Kritikerin findet Attribute wie „widerwärtig“348, um Maler wie Alexey von Jawlensky – einen Mitstreiter Feiningers, Kandinskys und Klees – zu beurteilen. Sie hat keinen Blick für das Religiös-Spirituelle dieser Bilder. Ihre Beurteilung des Bauhauses geht in eine ähnliche Richtung. Während sie vor allem der Weberei, aber auch der Tischlerei, der Buchbinderei und der Keramikwerkstatt bedeutende Leistungen bescheinigt, empören sie die „unschönen Malereien und die als kindliche Spielereien anmutenden Materialproben in bildlicher Zusammenstellung“349. Interessanterweise provoziert der experimentelle Zug moderner Kunst also im traditionellen Medium stärker als in den Gebrauchsformen. Freytag benutzt den Begriff „seekrank“350 für das Empfinden des Betrachters. Der bewußte Bezug des Bauhauses zur Gotik scheint ihr nur anmaßendes Postulat; daß sich gerade im Ver-

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zicht auf Wiedergabe des Gegenständlichen ein Streben nach dem Geist offenbaren könnte, gelangt nicht in ihren Blick. Aus Mathilde von Freytag-Loringhovens kritischer Haltung zu bestimmten Werken des Bauhauses und der modernen Kunst läßt sich doch nicht ihr gerader Weg an die Seite völkischer Kulturpolitik schließen. Daß sie „unverhohlene Genugtuung“351 erfülle, als Paul Schultze-Naumburg als neuer Direktor der Kunsthochschule 1930 sein zerstörerisches Tun gegenüber der Moderne beginnt, ist bei genauem Blick auf die Quellen zu modifizieren. „Mehr Zurückhaltung am Platze“352 heißt die bezeichnende Überschrift eines ihrer Artikel aus dem April 1930, dem Monat der Vernichtung der Schlemmer-Fresken und Fricks Zensurerlaß „Wider die Negerkultur“. Freytag setzt sich mit einer völkisch-rassistischen Bestimmung von Kunst auseinander: Ihre These, daß göttliches Erleben, nicht aber die „Rasseseele“ zum Werk führe353, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Folgte man der Logik nationalsozialistischer Argumentation, daß große Kunst nur aus reiner Rasse erwachse, so sei im Deutschland der „Rassevermischungen“354 bloßes Dilettantentum möglich. „Wir haben unter den Germanen auch Leute feinen Geistes und Rüpel in Scharen“355, bemerkt Freytag, die am Ende ihres Artikels – wie eine erneute Ohrfeige für Frick und Konsorten – den „edlen großen Juden“356 Adolf Sonnenthal zitiert. Wie schon Jahre zuvor Friedrich Lienhard verteidigt Freytag ihre idealistische Kunstauffassung gegen völkische Verengungen und Ausschließungen. Daß das „Vernichten des anerkannten Guten viel leichter“ sei „als der Aufbau von Gleichwertigem“357, hält sie den nationalsozialistischen Bilderstürmern entgegen, ohne die konkreten kulturpolitischen Vorgänge zu erwähnen. Im gleichen Jahr 1930 übrigens schreibt Freytag eine begeisterte Rezension über die Edvard-Munch-Ausstellung im Landesmuseum. Die „hohe, gewaltige, geistige Persönlichkeit“358 Munchs tritt ihr aus seinen Grafiken entgegen. Der Künstler berühre im Einfachen das Symbolische, während viele seiner Nachahmer – besonders in Deutschland – seine Formen und Mittel nur in einem äußerlichen Sinne aufnähmen. Der Aufsatz zeigt erneut, daß Freytag durchaus zu subtilen und fundierten Urteilen über moderne Kunst fähig ist, zugleich aber deren schwindenden Bezug zur „Idee“ bemängelt. Mathilde von Freytag-Loringhoven steht in der langen Reihe von Intellektuellen und Autoren, die von der Besinnung auf das Nationale eine geistige Erneuerung und Vertiefung erwarten. Es spricht für sie, daß sie nationalsozialistischer Kulturpolitik – insbesondere ihren rassistischen Postulaten – nicht uneingeschränkt zu folgen vermag.

3.4 Erika von Watzdorf-Bachoff – Lyrikerin und liberale Salonière Bei Cotta erscheint 1913 Erika von Watzdorf-Bachoffs Roman „Maria und Yvonne“, dessen unleugbar autobiographische Züge von der Weimarer Gesellschaft eifrig besprochen werden: Sogleich erkennt man als Handlungsort das väterliche Wasseschloß Dobitschen im Altenburger Land, die Autorin selbst als gefühlvolle

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Lyrikerin Maria. Der im Text Grunhoff genannte Gatte der Heldin, ein unmusischer Weiberheld, ist Curt Watzdorf, dessen Skandalgeschichten 1909 öffentliches Gesprächsthema sind und zur Scheidung Erikas führen. Im gefühlvollen Dichter Ettal aber porträtiert die Verfasserin Harry Graf Kessler, ihren Weimarer Nachbarn und Freund. Der Roman ist nicht nur in einem unmittelbar biographischen Sinne aufschlußreich: Die weibliche Hauptfigur ringt um ihre Selbstverwirklichung als Dichterin. Sie ist eine Freidenkerin, die den Gottesdienstbesuch verschmäht, weil sie ihre Kirche in sich selbst fühlt, eine Anhängerin der Feuerbestattung, die mit dem Blick auf die schon gekaufte Urne lebt. Der Spott ihres Mannes gilt ihrem sozialen Engagement, ihrem Versuch auch, der Tochter Begegnungen mit den Dorfkindern zu ermöglichen. Die sentimentalische Heldin aus der höheren Gesellschaft ist nicht unberührt also von den lebensreformerischen Ideen des frühen 20. Jahrhunderts. Eine andere Linie zeitgenössischer Literatur ist ebenso deutlich zu erkennen: Der mit der Thüringer Kleinstaatenwelt unvertraute Ettal erfährt durch die Hauptfigur nicht nur von der Schönheit der Landschaft, der Geborgenheit des dörflichen Kreises, sondern auch von der Kraft und Echtheit des Altenburger Dialekts, dessen allmählicher Untergang beklagt wird. „Heimat, eigene Scholle“359 schwärmt Maria. Wie andere Texte der Zeit vereint Watzdorf-Bachoffs Roman Züge herkömmlicher unterhaltender Salonliteratur, liberalen Lebensanspruchs und weiblicher Selbstverwirklichung im Beruf mit der heimatkünstlerischen Betonung des Bodenständig-Volkstümlichen. Am 6. Mai 1878 wird Erika Freiin Bachoff von Echt in Dobitschen geboren. Das Schloß und Gut ihres Vaters im Altenburgischen werden später ebenso zum Motiv ihrer Lyrik wie der Pohlhof aus der mütterlichen Familie in Altenburg selbst. Erika ist eine Nachfahrin Charlotte von Steins, was sie stets voll Stolz bekennt, verwandt auch mit dem bekannten Kunstsammler, Politiker und Naturforscher Bernhard von Lindenau, dem sie ein Jubiläumsblatt360 widmet. Aus altem Adel stammend, ist sie mit etlichen Persönlichkeiten, die in Weimars Öffentlichkeit eine Rolle spielen, verwandt, etwa mit Börries von Münchhausen, dem konservativen ‚Erneuerer′ der Balladendichtung. 1897 heiratet Erika Curt von Watzdorf, den Sohn des sächsischen Finanzministers. Nach Jahren in Grimma und München wird Curt 1904 Legationssekretär an der sächsischen Gesandtschaft in Weimar. Man bezieht zunächst eine Villa in der Cranachstraße 5, erst 1907 das „wunderhübsche“361 Haus in der Gutenbergstraße. Erika von Watzdorf-Bachoff ist geradezu prädestiniert, fördernd und anregend in Weimars Geselligkeit zu wirken: Als adelige Frau eines Gesandtschaftsbeamten verkehrt sie bei Hofe und in den Häusern anderer höfischer Chargen. Die Verbindung zur Goethezeit ist ihr nicht nur pietätvolle Erinnerung, sondern ernsthafter Anspruch, eine Tatsache, die ihr viele Türen Gleichgesinnter öffnet. Schließlich ist sie unvoreingenommen und selbstbewußt genug, die Impulse des „Neuen Weimars“ aufzunehmen, die ihre „Münchner Begriffe von Kunst allmählich zu erschüttern und umzustürzen geeignet“362 sind. Dreiundzwanzig Jahre lebt Watzdorf-Bachoff in Weimar. Wohl keine andere Persönlichkeit tritt derart unterschiedlichen Gesellschaftskreisen und Geselligkeitsformen nahe: Sie „bedichtet“ die Hochzeit des Großherzogs mit Prinzessin Feodora, soll gar Oberhofmeisterin werden,

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(was sie freilich ablehnt), ist mit Graf Medem und Freiherrn von Fritsch befreundet, unterhält Beziehungen mit van de Veldes und Kesslers Kreis, aber auch mit Palézieux und Egloffstein. Eine spannungsvolle Freundschaft verbindet sie mit Mathilde Freytag-Loringhoven, sie sitzt an Adelheid von Schorns Sterbebett im Sophienhaus, sie lernt die Sozialistin Lily Braun kennen und erfreut sich an deren Buch „Im Schatten der Titanen“. Man mag nicht ausschließen, daß Watzdorf-Bachoff Begegnungen gewissermaßen „sammelt“, sich berauscht an der eigenen Beliebtheit und an der Überfülle der Eindrücke. Dennoch ist ihr etwas pathetisches Wort, sie habe in Weimar den „inneren Weg“ zu ihrer „innersten Heimat“ gefunden363, ernstzunehmen. Keineswegs unberührt von den modernen Kunstströmungen, entwickelt sie sich hier zu einer respektierten Lyrikerin. Sie arbeitet journalistisch für die Weimarer Zeitung „Deutschland“, für den konservativen „Türmer“, aber auch für Hans von Gumppenbergs Wochenschrift „Licht und Schatten“. Neben ihrem unfassenden und vielfältigen Interesse für Literatur, Theater und Musik steht das Engagement für Soziales. Ausgehend von den Werten ihres Elternhauses, in dem Nächstenliebe gelebt, Besitz nur als zu Wohltun anvertrautes Gut verstanden wird, befaßt sie sich mit der Lage der Unterklassen in den Großstädten. Zum Entsetzen des sächsischen Gesandten tritt sie dem Verein „FrauenbildungFrauenstudium“ bei und beteiligt sich an dessen Arbeit auch mit literarischen Beiträgen. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs stürzt sie in tiefe Konflikte um die „heilige Gewissensfrage“364, ob sie ihr Deutschtum verrate, wenn sie ihrer pazifistischen Überzeugung folge. Erika Watzdorfs Interesse für die liberalen Ideen und die Persönlichkeit Friedrich Naumanns wird jetzt neu stimuliert, schließlich führt sie der Weg in dessen Deutsche Demokratische Partei. 1919 schreibt sie einen Prolog zur Naumann-Gedächtnisfeier der Deutsch-Demokratischen Jugendgruppe Weimar: In ihm fordert sie zum Neubau des Vaterlandes aus „wahrer Bruderliebe“ auf. „Und bleibe d e u t s c h!!“365 heißt es am Ende des von einem Schauspieler des Theaters gesprochenen Textes. Auch nach dem verheerenden Krieg führt die Autorin Selbstbestimmtheit, Mitmenschlichkeit und nationale Überzeugung zusammen. Die schwarzrotgoldene Fahne an ihrem Haus, über die sich das konservative Weimar bis zu Steinwürfen erregt366, signalisiert wohl Liberalität, keineswegs die Abkehr von der patriotischen Tradition. Als Erika von Watzdorf-Bachoff 1904 nach Weimar kommt, besteht bereits ein kleiner Lesekreis, in den sie, „eben erst hergeschneit“367, einbezogen wird. Eine seiner Hauptfiguren ist Mary von Goeben, Tochter des bayrischen Gesandten am Hofe Napoleons III., Gattin eines Kammerherrn und späteren Zeremonienmeisters, der vom Philosophen und Staatsrechtler Pufendorf abstammt. Schon Großherzog Carl Alexander verkehrte gern bei Mary Goeben, die kultiviert und weltgewandt ist und ein elegantes Französisch spricht. Mary, die sich selbst auch als Lyrikerin versucht, hat den Ehrgeiz, einen literarischen Salon zu etablieren. Erika Watzdorf, der sie sofort das „Du“ anbietet, scheint ihr eine willkommene Mitstreiterin. Der Lesekreis, zu dem auch die „schöngeistige ... Rumänin“368 Lucie Duca gehört, tagt abwechselnd in den Häusern Goeben, Medem und Brandt. Graf Medem ist Oberhof-

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meister, er gilt als Vertrauter der Großherzogin Caroline und wird als solcher durch Intrigen von seinem Posten verdrängt; er und seine Frau Meta führen ein Haus, das „etwas vom eleganten Münchner Stil“369 hat. Neben dem Diplomaten Max von Brandt, der jahrelang Deutschland in Peking vertrat, und seiner amerikanischen Frau beteiligt sich auch der preußische Gesandte Felix von Müller am Lesekreis. Der „reiche ästhetische Junggeselle“370 ist keine uninteressante Persönlichkeit des kulturellen Weimars: Seine Berichte nach Berlin schildern die Gründung des Deutschen Künstlerbundes und die Bestrebungen Kesslers und van de Veldes. Man wird ihm eine gute Menschenkenntnis und einen klaren Blick für das politisch-kulturelle Konfliktpotential nicht absprechen können; auch verwundert es nicht, daß er als preußischer Gesandter nicht gegen die ästhetischen Urteile seines Kaisers zu polemisieren vermag. Müllers künstlerische Anschauungen „spießig und beschränkt“371 zu nennen, ist denn auch trotz der in seinen Berichten erscheinenden Reserve gegen das „Neue Weimar“ nicht angemessen. Selbst ein nicht unbedeutender Musiker, verfügt er über eine solide Kenntnis auch der modernen Kunstrichtungen, er pflegt internationale Kontakte, gibt der Weimarer Geselligkeit manche Impulse und wirkt „künstlerisch anregend“372. Gelegentlich nehmen am Lesekreis auch zwei Frauen aus dem „alten Weimar“ teil: Carl Alexanders Oberhofmeisterin Auguste von Watzdorff, die nach einem halben Jahrhundert Dienst mit allen Wassern höfischer Verhältnisse gewaschen ist, und Therese von Helldorff. Beide Damen können aus eigener Bekanntschaft von den Persönlichkeiten der nachklassischen Zeit berichten, von Ottilie, den GoetheEnkeln, vor allem von Franz Liszt, zu dessen engsten Vertrauten und Briefpartnern Therese gehörte. Man wagt sich im Lesekreis immerhin an Nietzsches „Unzeitgemäße Betrachtungen“, an Paul Limans politische Schriften373, vielleicht seine „Bismarck-Denkwürdigkeiten“ oder auch das eben publizierte Buch über die Hohenzollern, und an etliche Neuerscheinungen. Interessanter noch als dieser Versuch, in geselliger Runde über aktuelle Werke ins Gespräch zu kommen, sind Gästekreis und Kommunikation in Erika von Watzdorf-Bachoffs eigenem Haus. Ernst und Polyxeni Hardt, deren Bekanntschaft der spätere Wartburghauptmann von der Gabelentz vermittelt, sind Freunde der Autorin.374 Zumal „Ernesto“ fasziniert sie durch seine poetischen Texte wie durch seine satirisch-geistreichen Diskussionsbeiträge. Sein Drama „Tantris der Narr“ kennt Erika auswendig, auch an der Entstehung und Aufführung der späteren Stücke nimmt sie lebhaften Anteil. Hardt seinerseits regt Korrekturen in ihrem Roman an und lobt ihre Gedichte ein wenig zu euphorisch. Die geselligen Anregungen, die von Hardts ausgehen, sind immer auch mit der Musik verbunden, Polyxeni spielt Brahms oder singt französische Chansons. Neben dem Musiker Walter Lampe und seiner Frau Else Lampe-Guaita, Dürckheims und Hennebergs, die die Gastgeberin schon von München her kennt, gehört auch Henry van de Velde zu den regelmäßigen Besuchern bei Erika Watzdorf: Nach einem Essen liest er in Anwesenheit Anton Kippenbergs Dichtungen seines Landmannes Emile Verhaeren.375

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Zwei sehr unterschiedliche Dichter gehören zu Watzdorfs Kreis, der eine als geschätzter, eher zufälliger Gast, der andere als Freund, Otto von Taube und Wilhelm Hegeler. Hegeler stand in den neunziger Jahren dem Friedrichhagener Dichterkreis nahe. Seine frühen Romane, vor allem „Mutter Bertha“, gehören dem Naturalismus an; in Auseinandersetzung auch mit seinem Werk debattiert die Sozialdemokratie über ihre Haltung zum „Erbe“ und zur Ästhetik der Moderne. 1906 übersiedelt Hegeler nach Weimar. Hier entsteht sein Roman „Das Ärgernis“, der das Interesse eines breiten Publikums findet, in dem er Zeitfragen in unterhaltender Weise aufnimmt. Auch Hegeler läßt seinen literarischen Helden vor der Konfirmation in tiefe Glaubenszweifel stürzen, aus denen ihn nur der moderne Pantheismus seiner Stiefmutter rettet. Die Sinn- und Religionskrise um 1900 ist offensichtlich auch für die in Weimar entstandenen Dichtungen bestimmend. Ist das „Ärgernis“ mit seinen zentralen Themen Erotik und Glaube, auch mit einem zwischen Komischem und Tragischem schwankenden Erzählgestus, ein durchaus anspruchsvolles modernes Werk, begibt sich der Autor mit einem Weimar-Roman auf eine andere literarische Ebene: „Die Leidenschaft des Hofrat Horn“ ist nicht mehr als ein trivialer Salonroman, der – an die Sensationslust des Publikums anknüpfend – das Schicksal Aloys Obrists nachzeichnet. Hegelers Einschätzung der kulturellen Atmosphäre in der Residenzstadt „Weyringen“ deckt sich mit der zahlreicher anderer Quellen: „Durchreisende Fremde fanden die Stadt oft still. Das war sie auch in dem Sinne, daß der kräftige Pulsschlag eines großzügigen Industrie- und Geschäftslebens nicht zu spüren war ... Aber gerade diese Stille beförderte die Regsamkeit des geistigen Lebens. Die Gesellschaft war gebildet und anspruchsvoll, dabei durchaus nicht engherzig in ihren Anschauungen.“376 Das Urteil mag auch von Erika Watzdorfs geselligem Kreis geprägt sein, für den Hegeler einen großen Gewinn darstellt. Einer Diskussion des „Hofrat“-Romans, den die Gastgeberin zu Recht für oberflächlich und im Psychologischen nicht fundiert hält377, entzieht man sich allerdings taktvoll. Aus einer anderen Tradition als Hegeler kommt Otto von Taube. Da die Eltern des in Estland aufgewachsenen Autors in Weimar leben, ist er häufig hier, zumal er als Referendar im benachbarten Naumburg arbeitet. Er verkehrt im NietzscheArchiv, wo er Rudolf Alexander Schröder und Hofmannsthal trifft, auch er kennt Ernst Hardt und führt einige ihn stark berührende Gespräche mit Rilke.378 Die Übersetzungstätigkeit des baltischen Autors führt ins Zentrum geistesgeschichtlicher Diskussion des frühen 20. Jahrhunderts. Er überträgt Texte, die in Weimar gleichsam auf der Straße liegen: D’Annunzios „In Memoriam Friedrich Nietzsche“, Boccaccios „Leben Dantes“, Franz von Assisi und William Blakes „Ethik der Fruchtbarkeit“. Auch hier gehen Renaissancebegeisterung, Nietzsche-Verehrung und Faszination gegenüber mystischem Denken eine eigenartige Symbiose ein. Taubes eigene Lyrik wird man nahe Hofmannsthal oder dem frühen Rilke sehen, ohne daß er seine Vorbilder erreichte; auch er hat die verfeinerte Wortkunst, die preziöse Dunkelheit des gewählten Ausdrucks, auch er versucht, mit der Kraft der Dichtung Wirklichkeit in reines Sein zu verwandeln. Taubes Prosa ist nicht in gleicher Weise bedeutend. Sein Roman „Die Löwenprankes“ führt in die morbide Atmosphäre einer

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sehr alten und erlesenen Familie. Die enge und komplizierte Beziehung dreier geradezu dekadenter Geschwister, in die Zeitereignisse wie Arbeiterstreiks als fremder und ferner Ton treffen, wird zum quälenden Gleichnis kulturellen Niedergangs. Auch hier ist die Nähe zu anderen Autoren spürbar: Taube hat den zartmelancholischen Charme seines baltischen Landsmannes Keyserling, ohne dessen moral- und zeitkritische Schärfe, er gestaltet ähnliche Motive wie der frühe Thomas Mann, weit entfernt von der funkelnden Ironie dieser Prosa. Aus der Vielzahl der Begegnungen Erika Watzdorfs zeigen einige besonders deutlich ihre Liberalität und Vorurteilslosigkeit. Hildegard Obrist-Jenicke ist sie eine verständnisvolle Zuhörerin, als die deutsche Sensationspresse das operettenhafte Schicksal Aloys Obrists aufnimmt.379 Mit dem Kunstschulprofessor Sascha Schneider, der wegen seiner körperlichen Benachteiligung und seiner Homosexualität ein Außenseiter in Weimar ist, führt sie „gehaltvolle Gespräche über Gott und die Welt“380. Die Gastgeberin ist stets bestrebt, ihren Kreis von den üblichen Festen mit Essen, Trinken und small talk abzuheben, ihm einen geistigen Kern zu geben. Einladungen an Autoren, Schauspieler, bildende Künstler und Verleger wie Anton Kippenberg lassen eine Geselligkeit entstehen, die neue Kunstentwicklungen reflektiert. Der Bezug zum „alten Weimar“ ist dabei in Watzdorfs Haus immer gewahrt; zu ihren Gästen gehören Mitglieder der Hofgesellschaft bis hin zum Großherzog und zum sächsischen König. Erika von Watzdorf-Bachoff nimmt im kulturellen Weimar eine Zwischenstellung ein: Sie ist Gesellschaftsdame, in bestimmtem Maße an die Konvention gebunden, dabei offen und verständnisvoll gegenüber Unangepaßten und Schwierigen. In ihrem Kreis kreuzen sich die Fäden einer differenzierten politischen und ästhetischen Debatte. Die Aufgeschlossenheit gegenüber verschiedenen Tendenzen, die Mittlerhaltung, die für Gespräch und Geselligkeit durchaus zuträglich sind, bestimmen auch Watzdorfs Lyrik: Sie bewegt sich zwischen Konventionell-Epigonalem und einer partiell modernen Formensprache und Geistigkeit. Watzdorfs erster Gedichtband „Zwischen Frühling und Herbst“ erwächst ganz aus dem Biographischen. Vor allem die Liebeslyrik ist nicht frei von HerkömmlichVeraltetem und Kitschigem. An die Sprache von Poesiealben erinnern Attribute wie „hold“ und „traulich“, auch in didaktische Imperative gekleidete Lebensweisheiten. Sonette gestalten die Aufforderung an ein (weibliches) Ich, dem klassischen Ideal gemäß nach Wahrheit und Schönheit zu streben, zugleich reine Frauenwürde zu bewahren. Breiten Raum in der Sammlung nimmt das Motiv der Selbstbesinnung und der Selbstbestimmtheit ein, das Watzdorfs Gedichten einen eigenen und zugleich modernen Ton gibt. Das Selbsterlebnis erscheint als tiefstes, ethische Wertmaßstäbe erwachsen nur aus dem seelischen Innen. Die Freiheit von religiösen und gesellschaftlichen Dogmen, die mit streng-entsagungsvoller Selbstformung einhergeht, der Individualitätsentwurf frei von Sitte und Herkommen sind in nicht geringem Maße durch Nietzsche und Maurice Barrès’ „Le culte du moi“ stimuliert. Auch Watzdorfs Naturlyrik drückt diese starke Ich-Bezogenheit aus, etwa im Bild des Baumes, der sich selbst genügend und genießend sein Spiegelbild sucht.381 Nicht nur das Motiv erhoffter sensualistischer Selbstverwirklichung, auch die formalen Mittel

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zeigen die Gedichtsammlung als eine des Jahrhundertbeginns: Impressionistische Synästhesien erfassen subtile Sinneswahrnehmungen, Gold und Edelsteine formen künstliche Naturwelten, Rosenbilder erinnern an Jiménez oder Rilke. 1911 erscheinen Watzdorfs „lyrische Tagebuchblätter“ unter dem Titel „Das Jahr“. Der Zyklus, der den natürlichen Jahreslauf, in ihm das Leben in Vergehen und Werden und erneutem Vergehen gestaltet, ist schlichter und reifer als der vorige. Naturlyrik „liegt“ der Autorin mehr als Gedanken- oder Liebeslyrik. Wie in den besonders gelungenen Gedichten über die Heimatorte – „Linden-Rondell“ oder „Schloß Dobitschen“ – verbindet sie tiefe Empfindung mit präziser Beobachtung. „Wann hätte ich je das Leben In Euren Gärten geliebt“382

heißt es programmatisch; das lyrische Ich begibt sich aus der geformten Kulturwelt in die Einsamkeit und Wirrnis des „wilden Waldes“. Auch Watzdorf leistet ihren Beitrag zur Weimar-Literatur; lyrische „Gedankenund Spaziergänge“ führen sie in „Weimars Park“.383 Der Prosatext mit eingestreuten Gedichten feiert das „Stück vergeistigte Natur an den Ufern der Ilm“384. Die Autorin schlägt einen Spannungsbogen von sich selbst zu ihrer Urahne Charlotte von Stein und zu Goethe, der Park symbolisiert ihr die Harmonie von Gegenwart und Tradition, von Natur und geistig-kultureller Formung, von städtischer Geselligkeit und kontemplativem Rückzug. Es ist eigenartig, daß gerade dieses Werk mit dem Weimars Seele berührenden Thema allzu glatt und konventionell gerät. Dabei steht das Naturverständnis der Autorin außer Frage; das Bild des alle Gegensätze vermittelnden Parks ist doch nur in lyrischer Idyllik zu bewahren. 1928 erscheint Watzdorfs letzter Gedichtband „Das kristallne Tor“. Er vereint die reifste Lyrik der Autorin, gibt in bestimmter Weise eine Lebensbilanz. Subtile Naturgedichte gestalten neben einer tiefen Beziehung zur Landschaft die Selbsterfahrung des lyrischen Ichs. Gelegentlich geht die Autorin heiter-spielerisch mit der traditionellen Form um: Ihre Hexameter über die Plothener Teiche385 etwa rücken in der komisch-klassischen Verkleidung doch einen faszinierenden Heimatort ins Bewußtsein. „So war mein Leben: Warten durch Jahrzehnte, Kranksein, das kleine Dasein stündlich hassen, über-den-Dingen-stehn, nicht weil man wächst, nur weil sie täglich sinken. Glauben wollen – und keinen Aufblick finden ...“ 386

Das bittere Resümee wird dennoch in eine große Hoffnung gewendet. Sie liegt allein in der Selbsterkenntnis als Wagnis und höchste Erfüllung. Liebe, Glaube, Erlösung, Glück – all dies folgt nur aus bewußter Erfahrung des eigenen Ichs. Auch Watzdorfs Lyrik nimmt das negative Bild der „großen Stadt“ auf; aus „ihrer Nächte überreiztem Licht“387 gibt es keinen Weg zurück in trostreiche Geborgenheit. Dem Menschen bleibt nur eine Möglichkeit – die bewußte Erfahrung von Einsamkeit. In ihr wird er der Absolutheit wie der Relativität seiner Existenz inne. Das „kristallne Tor“

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öffnet sich, das Ich erkennt die Wahlverwandtschaft aller Wesen im Geist. Eine mystische Erfahrung also weist den hoffnungsvollen Weg, der Alltag scheint eine eher zu vernachlässigende Größe. Dieser letzte Gedichtband Watzdorfs ist mit Blick auf das weitere Leben der Autorin besonders bedeutungsvoll. 1927 verläßt sie Weimar und zieht wieder nach Altenburg in den Pohlhof. In finanziell schwieriger Lage betreut sie ihr Enkelkind, als ihre Tochter nach der Scheidung ein Medizinstudium aufnimmt. Im Gegensatz zu vielen ihrer Freunde und Verwandten steht sie dem aufkommenden Nationalsozialismus distanziert gegenüber.388 Der Antisemitismus, die Gleichschaltung im Literaturbetrieb, die Bücherverbrennung erfüllen sie mit Abscheu, sie empfindet eine große Nähe zur Bekennenden Kirche. Ihre Lebenserinnerungen brechen allerdings 1935 aus unerklärlichen Gründen ab. Über die Entwicklung ihrer politischen Haltung erfährt man nichts, auch nichts darüber, wie sie zur zweiten deutschen Diktatur steht. Sie bleibt in Altenburg, wird 1948 Ehrenbürgerin der Stadt, andere Ehrenämter werden ihr verliehen. Als LDP-Mitglied bekennt sie sich – im Rahmen des gesellschaftlichen Systems – zu ihrer liberalen Überzeugung. Ihr Gedenkblatt für ihren Vorfahren Lindenau betont 1954 dessen Position gegen die „Reaktion“ und seine demokratischen und sozialen Ansichten.389 Bemerkenswert ist, daß Watzdorf fünfunddreißig Jahre lang als Dichterin schweigt. Man mag nicht ausschließen, daß dies auf die gewissermaßen zweifache innere Emigration zurückzuführen ist. Die Verwurzelung der adelsstolzen Aristokratin im heimatlichen Grund läßt sie bleiben; der Rückzug ins Ich als einzige Möglichkeit des Humanen scheint gerade dichterische Aussprache zu verhindern. Watzdorf-Bachoff verstummt, als sie Weimar verläßt. Vielleicht ist es mehr als ein bloßer Zufall, daß ihre Poesie nur im spannungsreichen kommunikativen Raum, im unmittelbaren Bezug zur klassischen Vergangenheit entsteht. Auch Watzdorf leistet ihren Beitrag zur Goethe-Apotheose, indem sie in der Ankunft des Dichters in der Stadt die schicksalhafte Verknüpfung von Individuellem und Allgemeinem erkennt, die weit in die Zukunft strahlt: „und über Weimar wurde Tag und Sonne für alle Zeit.“390

3.5 „... solche Feste wären wohl immer ... in den Gärten von Weimar“ – Geselligkeit um Nostitz, Kessler und van de Velde In der von Harry Graf Kessler gegründeten Weimarer Cranach Presse erscheint 1924 ein Buch, dem man kaum mit der Genrebezeichnung „Memoiren“ gerecht wird: Helene von Nostitz’ „Aus dem alten Europa“ ist ein faszinierendes Erinnerungswerk mit einer unverwechselbaren poetischen Handschrift. Die Europäerin Nostitz, die die Werte abendländischer Kultur als Lebenselemente versteht, blickt tief melancholisch auf eine Welt, die 1914 für immer unterging. Ein Kapitel dieses Buches spielt in Weimar. In ihm erhält man einigen Aufschluß über Festkultur, Geselligkeit und

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Kommunikation des „Neuen Weimars“, über Traditionsbezug und Erneuerung, nicht zuletzt über das Interieur von Häusern als ästhetische Ausdrucksform. Helene kommt 1908 nach Weimar, als ihr Mann Alfred von Nostitz-Wallwitz in dortigen Staatsdienst tritt. Die kultivierte Kosmopolitin, die als Enkeltochter des Fürsten Münster, deutschen Botschafters in Paris, von jung an in Gespräch und Geselligkeit lebt, wird zur bedeutenden Salonière des frühen 20. Jahrhunderts. Ihr Haus in der Tiefurter Allee, das bestimmt ist von ihrem Geschmack und ihrem originellen Geist, wird zum Ort der Lesung, des Musizierens, Theaterspiels, des Gesprächs und der Begegnung. „Ich fühle, daß ich Menschen, Dinge, Tiefen dort gewonnen habe, die ich nie verlieren werde.“391 schreibt Helene rückblickend auf ihre Weimarer Zeit; der Satz weist weniger auf amüsante Zerstreuung als auf Sammlung und Sinnhaftigkeit. In ihrem Haus liest van de Velde aus dem Werk von Auguste Villiers de l’Isle Adam; in dem sehr harmonischen Kreis werden drei oder vier anwesende Hofschranzen geradezu absorbiert.392 (Der französische Autor paßt übrigens nicht schlecht in Weimars neue Geselligkeit: Der adelige Royalist, Verächter des Materialismus, der auf der Suche nach einer geistigen Mitte des Daseins zu utopischirrationalen Motiven kommt, stimuliert die geistige Auseinandersetzung des Fin de siècle.) Friedrich Nietzsches Bild- und Ideenwelt spielt im Hause Nostitz stets eine besondere Rolle; der dänische Literaturhistoriker Georg Brandes, der frühe „Entdecker“ Nietzsches, hat dort Gelegenheit, seine Ideen zu entwickeln.393 Helene von Nostitz, die an den theoretischen Konzeptionen und organisatorischen Überlegungen Kesslers und van de Veldes keinen Anteil hat, ist wichtig als kluge Diskussionspartnerin und Rezipientin neuer Kunstformen, vor allem aber als Vermittlerin einer besonderen Festkultur. Man entwirft eine Gegenwelt zum routinierten Begehen von Gedenktagen, indem man andere, schöne, sinnerfüllte Feste gestaltet. Gerhart Hauptmanns Beobachtung, „wesentliche Naturen“394 hätten sich in Weimar angesiedelt, erwächst auch aus Gespräch und Geselligkeit. Neben Nostitz’ Haus werden zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige andere Wohnungen in Weimar Zentren von Literatur, bildender Kunst, Musik und originellen Festen. Heute beinahe vergessen ist der Mozart-Interpret Walter Lampe. Seine Frau Else geborene von Guaita ist Buchbinderin, die ihre Einbände wohl aus dem Inhalt der Werke entwirft, ihnen aber eine über die „dienende“ Funktion hinausgehende Kunstgestalt gibt. In Lampes Wohnung prägt sich jener exotisch-östliche Zug der Moderne aus; ein Gauguin, japanische Ampeln und chinesische Jadetiere395 holen nicht nur ferne Welt nach Weimar, sondern berühren eine kunst- und geistesgeschichtliche Linie, die im Orient Mysterium, Weisheit und orgiastische Exotik entdeckt. Else Lampe-Guaita etabliert nach der Trennung von ihrem Mann einen eigenen Geselligkeitskreis: Stets donnerstags gibt sie in ihrem Haus in der Elisabethstraße kleine Abendessen, die man „les schödi“396 nennt. Zu ihnen kommen neben van de Velde, seiner Frau und seinen Mitarbeitern auch Watzdorf-Bachoff, der Kunsthistoriker Anton Mayer und seine Frau, die große Reinhardt-Schauspielerin Lucie Höflich.

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Der Maler und Grafiker Ludwig von Hofmann, der 1903 an die Kunstschule berufen wird, ist als Kenner und (ehemaliger) Anhänger des Impressionismus gefragter Gesprächspartner. Sein Fries antiker Reigentänze, der seine Hinwendung zum Idealismus belegt, gestaltet das bedeutsame Motiv wesenhaften Tanzes. Nicht weniger wichtig als der Künstler ist im geselligen Kreis seine Frau Eleonore von Hofmann, deren Aufnahmefähigkeit und unkonventionelle Anschauungen das Gespräch stimulieren. Gerhart Hauptmann hört bei Hofmanns Conrad Ansorge spielen, anschließend ist Gelegenheit zum Gespräch mit Dehmels, van de Veldes, mit Elisabeth Förster-Nietzsche und mit Max von Münchhausen, unter anderem über die Musik Gustav Mahlers.397 Bekannter als die genannten ist Henry van de Veldes Haus „Hohe Pappeln“ in der Belvederer Allee: Wie eine Pflanze scheint es aus der Erde zu wachsen; sein Bauerngarten wird gewissermaßen Stilelement eines Kunstwerks von Herbheit und Geschlossenheit. Van de Velde hat den Ehrgeiz, in der Geselligkeit der Stadt nicht nur zu bestehen, sondern sich von konventionellen Veranstaltungen abzuheben; befriedigt registriert er gelungene Feste, „Siege“ über die herkömmliche Art, Gäste zu empfangen.398 Einige Male stehen Lesungen im Mittelpunkt; der Künstler selbst trägt Gedichte von Baudelaire und Verlaine vor, Ernst Hardt gibt seine eigenen Übersetzungen und die anderer Autoren hinzu.399 Neben den Gästen bewegen sich bei van de Veldes Künstlerinnen aus seinen Ateliers: Ihre schlichte Kleidung, ihre ungeschminkten Gesichter und kräftigen Hände zeigen ein neues Frauenideal der Arbeit und Lebensbewältigung. Nicht zufällig erinnern Helene von Nostitz die Häuser van de Veldes mit ihren schweren Dächern, die organisch aus dem Boden wachsen, an Bauten der Goethezeit400: Der Versuch einer Lebensreform, der sich in Haus, Gästekreis und Geselligkeit van de Veldes ausprägt, bezieht sich auf die Tradition. Noch einmal versucht man, eine harmonisch ausgewogene Kunst- und Lebenswelt zu schaffen, eine Gegenkraft zu Beliebigkeit und Gleichgültigkeit der Menschen und Dinge zu errichten. In der Cranachstraße 15 befindet sich das Haus, in dem die Konzeptionen des „Neuen Weimars“ bedacht und mit vielen Gästen besprochen werden, das Harry Graf Kesslers: „Das Feuer brennt im Kamin und wirft einen Schein auf die festlichen Reiter des Parthenonfrieses. Hellgelbe Bücher stehen in weißen Schränken. In den Glasvitrinen aber schauen liebliche kleine Frauengestalten Maillols in Spiegel, die ihre reinen, strengen Formen wiedergeben. Über dem mattlila Diwan ziehen die Nymphen Maurice Denis’ durch einen phantastischen Wald. Vor dem Fenster steht eine altchinesische Bronzeschale ...“401 Sogleich auffallend ist die in der Jugendstilmetaphorik gefaßte Verbindung von Menschen, Kunstgegenständen, Natur und weiter Welt, von Interieur und Landschaft, von abendländischer und östlicher Kultur, von Antike und Moderne. Hier kommuniziert man mit Präzision und sublimem Verständnis über Kunst, in Räumen, die nicht schöner Rahmen, sondern ästhetische Ausdrucksform sind. So diskutiert man eines Tages über Sprachklang und Sprachschönheit, beginnend beim englischen Lyriker Swinburne und endend bei Hofmannsthals „Tod des Tizian“.402 Nicht nur die verfeinerte Eleganz und Harmonie in Kesslers Wohnung erscheint in Helenes Beschreibung; mit dem „Frühlingshaften“

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klingt ein Leitmotiv des Jugendstils, der Moderne überhaupt an. Neubeginn und Aufbruch, das Gefühl ungeahnter Möglichkeiten liegen in diesem Motiv, das der damaligen Stimmung der „Neu-Weimarer“ nahekommt. Die Konversation im Hause Kessler in Helene von Nostitz’ Beschreibung ist ein Versuch, Wirklichkeit zu umgehen, Ort und Umstände in höherer Geistigkeit zu sublimieren. Bei Kessler treffen sich Künstler und Aristokraten, das gemeine Leben erscheint nur stilisiert, die politische und soziale Realität wird Teil eines Kunstwerks wie jener feldgraue Leutnant403, der Nostitz’ Schilderung des Nietzsche-Archivs eine zusätzliche Dimension gibt. Bei Kessler erscheint Alfred Walter Heymel, begabter Autor und ambitionierter „Insel“-Herausgeber. 1906 wohnen Heymel und seine Frau einige Wochen lang im „Russischen Hof“404, sie laden selbst Gäste aus der Jenaer und Weimarer Kunstszene ein, unter anderem Rudolf Alexander Schröder, Hauptmann, Hofmannsthal und Edvard Munch. Hugo von Hofmannsthal liest bei Kessler aus dem „Rosenkavalier“ und „Das kleine Welttheater“405, Hauptmann trägt im Februar 1909 seine „Griselda“406 vor. Dehmel und Rilke kommen zu Vortrag und Gespräch. Mit Maurice Denis, Rysselberghe und Max Klinger sitzen moderne bildende Künstler an Kesslers Tisch, mit Lampe und Ansorge musizieren bedeutende Pianisten. Wesentlich für diese Geselligkeit ist der „freundliche, befruchtende Austausch zwischen den Ländern“407, eine selbstverständliche Offenheit gegenüber anderen Kulturen, das An- und Aufnehmende aus fremder Anschauung und Bildwelt. Nicht „gemütlich“ geht es in den Kreisen zu. Nostitz nennt die charakteristischen Begriffe: Unrast, Wechsel, Vielheit, Umspannendes.408 Damit sind die antiphiliströse Haltung zu Leben und Kunst, Weltoffenheit und konzeptionelle Originalität bezeichnet. Im Januar 1906 schreibt Rilke in Meudon ein Gedicht auf Ernst Hardts lyrisches Drama „Ninon von Lenclos“, das eben erschienen ist: Ninon ist eine Rose im Augenblick der vollen Blüte, vor dem Ausfallen, schon gelöst, aber in wunderbarer Weise noch haltend. Hardts „Ninon von Lenclos“ wird am Abend des 16. Juni 1909 im Nostitzschen Garten in der Tiefurter Allee aufgeführt. Das Drama, Rilkes Gedicht, die Inszenierung und Helene von Nostitz’ Beschreibung entspringen gleichem Gefühl für Leben und Kunst: Gelöst-genießend und melancholisch empfindet man Schönheit im Vergehen. Die Traditionslinie Weimarer Liebhaberaufführungen ist deutlich. Auch in Hardts Drama spielen Laien, Mitglieder der Weimarer Gesellschaft, mit. Freilich erscheint diese Aufführung nicht wie ein Experiment sich selbst vervollkommnender Dilettanten; sie ist ein Gesamtkunstwerk aus Garten und Landschaft als natürlicher Bühne, subtilem Spiel der Akteure, aus Musik, Licht und Duft. Selbst das Publikum ist Teil allumfassenden Empfindens von Schönheit und Vergänglichkeit, jener spanische Wanderer, der meint, „solche Feste wären wohl immer ... in den Gärten von Weimar“409 und die alten Schauspieler aus dem Marie-Seebach-Stift, denen das Leben schon fern und unwirklich wurde. Die Aufführung in Nostitz’ Beschreibung ist von einer durch die Jugendstilmotive vermittelten Intensität. Die Liebenden der Handlung bewegen sich in einem „mitempfindenden, mitleidenden“410 Garten, die

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Nuancen der Nacht kontrastieren mit Fackelträgern und flammenden, dann verglühenden Schalen. Die Schauspielerin Adele Milan, genannt Doré, reckt mit einer expressiven Geste die Hände zum Himmel, sie ist Gestalt gewordene mänadische Kraft. Das Theaterstück im Tiefurter Garten scheint eine Einheit aus Pathos und stilvoller Bewegung, Schönheitskult, Sinn für das Erlesene und Schwermut, es vermittelt einen stilisierten Sensualismus, sogar dionysischen Lebensrausch, aber auch Sanftheit, Zartheit in Empfinden und Agieren. Die Theateraufführungen im Kreise Nostitz’, Kesslers und van de Veldes nehmen klassische und nachklassische Tradition auf; sie intendieren ein wesenhaftes Kunsterlebnis, freilich aus zeitgenössischer Daseinssicht und neuer Ästhetik. Ernst Hardt läßt sich von Goethes Singspiel „Die Fischerin“ und seinem als dionysisch empfundenen Ausklang auf den Ilmwiesen zu einem modernen Ballett inspirieren, das in Nostitz’ Garten getanzt wird: „Nun aber zog langsam der goldene Mond auf, und ein Faun saß auf der Rasenfläche und blies die Flöte. Da kamen die Nymphen aus dem Dunkel der Büsche hervor. Sie schienen fast unbekleidet in ihren leichten, weißen Gewändern, und jede trug eine Fackel in der Hand. In langem, feurigen Reigen umtanzten sie den Faun ...“411 Dieses Ballett auf Nostitz’ letztem Gartenfest in Weimar lebt von den Motiven Flamme und Fackel, Tanz und Taumel, Motiven der Stilisierung und Entgrenzung, des Lösens von irdischer Schwere, der vollendeten Anmut. Im Weimar Anna Amalias liegen die von der Moderne geliebten Rokoko-Motive nahe. Nymphen, Faune und Paare, die ein „preziöses Menuett“412 tanzen, spielen mit der Erinnerung an die heitere Galanterie und die tändelnde Sinnlichkeit jener Musenhofzeiten. „Traum und Wirklichkeit vermischten sich mehr und mehr. Es war ein phantastisches Fest.“413 Nicht nur von Hardts Ballett auf der Tiefurter Wiese, das Vergangenheit und Gegenwart in einer wunderbar-übernatürlichen Welt zusammenschließt, redet Helene von Nostitz. Sie berührt das „Neue Weimar“ insgesamt, jedenfalls aber dessen Geselligkeit, die fern vom Alltag den alle Sinne umgreifenden ästhetischen Genuß sucht, mehr noch, ein wesenhaftes Kunst- und Gemeinschaftserlebnis. Nicht stetig und dauernd gelingt dies, nur in einem faszinierenden Augenblick, in dem sich Herkommen und Gegenwart, Schönheit und Vergänglichkeit begegnen. Hugo von Hofmannsthal gehört als Besucher, Anreger und Gesprächspartner zum „Neuen Weimar“. Seine 1906 erschienene „Unterhaltung über den ‚Tasso′ von Goethe“ könnte sich auf eine Aufführung des Hoftheaters im Mai dieses Jahres beziehen, in der Josef Kainz die Hauptrolle spielt. Die Zuschauer, die nach der Vorstellung über Goethes Drama sprechen, sind leicht als der Autor und seine Frau Gertrud, Alfred und Helene von Nostitz zu identifizieren. Die Figur der Baronin Helene vor allem wird mit großer Sorgfalt und Einfühlung gezeichnet. Unabhängig von den äußeren Bezügen steht Hofmannsthals Text in einem inneren Zusammenhang zu den Lebens- und Geselligkeitsformen, zur Gesprächskultur und zum Traditionsverhältnis des „Neuen Weimars“. Die „Unterhaltung über den ‚Tasso′ “ zeige die „Möglichkeiten die im Verhältnis complicierter und höher organisierter Menschen überhaupt liegen“414 – die Bemerkung Hofmannsthals zu Helene von Nostitz trifft Wesentliches: Die Figuren des

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Gesprächs sind nicht nur Träger von Ansichten des Verfassers, der im dialogischen Genre seine scheinbare Objektivität wahren und unterschiedliche Zugänge zu Goethes Stück vorführen kann. Der diskutierende Kreis tritt gleichberechtigt neben die Dramengestalten. Dichter, Hausfrau, Major und Baronin Helene erörtern nicht nur den „Tasso“, sondern eigene Gesprächskultur, die des 18. in der des 20. Jahrhunderts, durch den Blick auf das Renaissance-Ferrara weitet sich der Raum. In Hofmannsthals „Unterhaltung“ hört man einander zu. Man kommt sich in der Argumentation zu Hilfe, versetzt sich in die Beweisführung des anderen hinein, spricht subjektive Eindrücke ohne Scheu aus und regt auch die Gesprächspartner dazu an. Dabei nimmt der Text nichts von der Umgangssprache, vom Suchen nach Formulierungen, vom elliptischen Bruch oder von anakoluthischer Unklarheit auf. Subjektivität, Wärme und Heiterkeit der Gesprächspartner vermitteln sich in sprachlicher Präzision. Ein Blick auf die Inhalte der Diskussion bringt weiteren Aufschluß: Der „Dichter“ beschreibt den „Tasso“ als eine Art Seelendrama, das durch die Wahrheit der psychologischen Vorgänge und Konflikte fasziniere. Das Treibende wie das Retardierende ergäben sich aus den Seelen. Der Zuschauer ruhe und blicke in Menschen und fühle sich zugleich weggerissen vom unaufhaltsamen Strom415 – dies ist eine genaue Beschreibung Goethescher Dramatik, deren Bewegtheit nicht aus äußerer Aktion, sondern aus dem Psychologischen erwächst. Jenes Bild vom Marmor416, der kalt und glatt zu sein scheint, bei näherer Betrachtung Linie und Rhythmik entfaltet, ist bezeichnend: Hofmannsthal versteht Klassisches wohl als Ruhe, Harmonie und Ebenmaß, freilich in der Einheit mit Fließendem und Strebendem und stets aufs höchste gefährdet durch Vernichtung und Vergehen. Zentraler Gesprächsgegenstand ist die Figur der Prinzessin aus Goethes „Tasso“, über die schließlich ein Manuskript in den Text eingerückt wird, dessen Verfasser – Helene oder ihr Mann – im Dunklen bleibt. Man betont die Ganzheit und Geschlossenheit ihres Wesens, ihren Verzicht auf jedes Trachten, auf Streben und Wirken. Sie erscheint als Seherin, die erstarrt vor dem Bannenden, das sie erblickt. Sie ist von vollendeter, determinierter Vornehmheit, hat keine Ansprüche an das Dasein, ist eben dadurch tief bedauernswert. Da sie sich dem Leben nicht ausliefert, wird sie zur Hüterin des Menschlichen. Hofmannsthals Text läßt keinen Zweifel am Furchtbaren dieses Schicksals. Die „Unterhaltung über den ‚Tasso′ “ diskutiert also eine mit Weimar und seinem Traditionsverhältnis eng verknüpfte Problematik: Der hier noch starken Überzeugung, es gelte, dem krisenhaften Wandel der Welt klassische Kunstform als einzig mögliche entgegenzustellen, begegnet Hofmannsthal, indem er die Gefährdung des Humanen in der klassischen Form selbst erkennt. Sein Essay beschreibt Entsagung, jene so wichtige und weitwirkende Goethesche Kategorie, als Möglichkeit und Gefahr zugleich. Sicher wird man Hofmannsthals „Unterhaltung über den ‚Tasso′ “ nicht allein aus dem Zusammenhang des „Neuen Weimars“ begreifen können. Stellt man den Text neben die Quellen und Selbstzeugnisse, so wird dennoch deutlich, daß er Wesentliches zu Traditionsverhältnis und Gesprächskultur dieser Kreise aussagt. Man pflegt eine Geselligkeit, die nicht „leer“, sondern sinnerfüllt ist. Nicht bloße Plaude-

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rei schließt sich an das – übrigens starke und emotionale – Theatererlebnis an, sondern eine offene, subjektive Debatte, in der subtil und präzise Argumente getauscht werden. Man ringt um die Kunst, in diesem Bemühen liegt Genuß und Selbstfindung. Auch dies ist der Entwurf einer Lebensgestaltung, der der Vernichtung des Urbodens von Kultur, Gesellschaft und Sitte entgegengesetzt wird. Man stellt sich der klassischen Tradition, nicht in epigonaler Verehrung, nicht in philiströsem Aufblicken von ferne: Man nähert sich dem Goetheschen Kunstkonzept, der Psychologie seiner Figuren, dem Doppelgesicht von Entsagung, den Widersprüchen seiner Dichtung und gründet darauf ein sinnvolles Miteinander.

IV Weimars Archive als kulturelle Stimuli und gesellige Orte

1. Literatur und Debatte im Umkreis des Goethe- und SchillerArchivs 1.1 Goethe-Arbeit und Moderne 1885 gibt der Berliner Schriftsteller Wilhelm Arent im Selbstverlag eine LyrikAnthologie heraus. Sie heißt „Moderne Dichter-Charaktere“ und ist das erste Zeichen für den Aufbruch der naturalistischen Literaturbewegung. Im gleichen Jahr stirbt Walther von Goethe, in Weimar beginnt man mit der Arbeit an Goethes Nachlaß. Die beiden Ereignisse stehen einander sehr fern: Dort das industriell aufstrebende, großstädtische Berlin, hier die stille Residenzstadt, dort die Ablehnung überkommener literarischer Muster, hier die Orientierung an der klassischen Vergangenheit, dort die Entdeckung des Materiellen und Sozialen, hier das Festhalten am Ideal. Zweifellos gibt es einen unproduktiven Zug in der Weimarer Kulturpflege besonders der neunziger Jahre. Fürstliches Mäzenatentum, das anderswo durchaus noch neue Anstöße zu geben vermag, wirkt hier nur noch eingeschränkt. Der regierende Großherzog ist alt, von seinem Nachfolger erwartet man kaum eine Fortführung kultureller Ambitionen, die geldlichen Mittel werden geringer. Die Öffnung des Goetheschen Nachlasses, die zeitlich mit den modernen literarischen und künstlerischen Bewegungen zusammentrifft, stellt zudem nachdrücklich die Fragen nach der Rolle Weimars in der Gegenwart, nach der Haltung zu Goethe und zur deutschen Klassik. Gibt es noch eine Chance, das „versunkene Vineta“1 zu heben, den Ort wieder in den „Mittelpunkt des deutschen Geisteslebens“2 zu stellen, oder wird Weimar die „Stadt der klassischen Mumien“3? Die Vorstellung freilich, daß sich seit den achtziger Jahren in den Metropolen Berlin, München und Wien die kulturelle Moderne entfalte, während Weimar gewissermaßen den Dornröschenschlaf steriler Klassikpflege schlafe, ist zumindest zu modifizieren. Lange bevor Kessler und van de Velde ihre umfassenden Lebensreformbestrebungen initiieren, werden moderne Literatur, Kunst und Philosophie in Weimar rezipiert und produziert; die Emanzipationen des späten 19. Jahrhunderts werden auch hier diskutiert und befördert. In der Permanenten Kunstausstellung hängen impressionistische Gemälde, einigermaßen verstört lauscht man Richard Strauss’ „Guntram“, Zolas Romane liegen auf den Lektüretischen, Ibsen erscheint persönlich in der Stadt, seine Stücke auf der Hofbühne. In Vorträgen wird für die Frauenemanzipation gestritten, man spricht über Haeckel, Stirner und Nietzsche. „Aber was ist das – in Weimar – allermodernste Technik – ich sage ja, in die Provinz muß man kommen, wenn man gute Literatur finden will!“4 Hans Oldens überraschter Ausruf bei Gabriele Reuters Lesung ihrer Novelle „Evis Makel“ zeigt im-

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merhin, daß die Moderne hier nicht nur „von außen“ beobachtet, sondern wirklich aufgenommen wird. Das Bild des Olympiers Goethe, eines zeit- und weltentrückten Heros, wird im deutschen Kaiserreich beherrschend. Der Dichter scheint seinen Platz in einem Modell konfliktloser Kooperation von Macht und Geist gefunden zu haben. Nach Weimar führende Autobiographien jener Jahre berichten durchaus andere Erfahrungen. Gabriele Reuter spürt in ihrer bürgerlichen Familie ein tiefes Mißtrauen gegen Goethe (und Schiller), beschäftigt sich ein Verwandter mit den Klassikern, so gilt er als gefährdet, den Pfad der Religion und Sittlichkeit zu verlieren. Tief berührt steht Reuter in Goethes Garten am Stern5, ihr Weg hin zur modernen Philosophie und Literatur führt durch das klassische Weimar, das ihr gerade Freiheit von religiösen und moralischen „Umstellungen“ des Individuums bedeutet. Lily von Kretschman kontrastiert die ihr leer und veräußerlicht erscheinende preußische Adelswelt mit dem klassischen Weimar. Auch sie steht betroffen in Goethes Garten6: Der „Geist“ Weimars bedeutet ihr Anteilnahme am Schicksal des Nächsten, Schönheitsempfinden, sinnvolle Lebensgestaltung. Den beiden Frauen, die einander im geselligen Kreis nur flüchtig begegnen, wird Goethe zum Zeichen einer freieren und unverstellten Haltung zum Leben, zum Initiator eines Weges, der die eine an die Seite der Sozialdemokratie, die andere in die Berliner Naturalistenkreise und in die Münchener Moderne führt. Denkt man sich Weimar als Ort weihevoller Goethe-Ehrungen, das Hoftheater als verstaubte Institution langweiliger Klassiker-Vorstellungen, so überraschen die Berichte von Zeitgenossen: Alljährlich im Frühling wird „Faust“ gespielt. Gerade das Stück vom strebenden Titanen, das sich zur Vereinnahme in imperiales Reichsdenken eignet7, ist in Weimar populär. Bei einem Rundgang durch die Stadt begegnet man Marktfrauen und Handwerkern, die Zitate auswendig wissen und in alltäglichen Situationen anwenden. Die Aufführungen selbst scheinen von der materiellen Ausstattung her dürftig, streifen mitunter in Bühnenbild und Personnage das Armselig-Lächerliche, gewinnen aber Größe durch die Hingabe der Darsteller und des Publikums: „Vollendet kann eine Aufführung des Faust niemals werden, auch mit den raffiniertesten Mitteln moderner Bühnentechnik nicht. Hier in den Frühlingstagen des alten Weimar war sie durchleuchtet von hingegebener Begeisterung und wirkte wie ein Symbol alles Menschlichen: in dürftigem Gefäße trug sie das Ewige.“8 Mag Gabriele Reuters Sicht einer höheren – geradezu religiösen – Simplizität der Weimarer „Faust“- Aufführungen etwas überzeichnet sein, eines ist doch auffallend: Goethe ist nicht nur Studienobjekt der Philologen, nicht nur Gegenstand alltagsentrückten Kults, er lebt in der Begeisterung der Weimarer, in der gewissermaßen volkstümlichen Aneignung. Bezeichnenderweise wird eine Linie moderner Goethe-Rezeption den naiven Jubel der „Masse“, das Antasten des großen Dichters durch die vielen „Unberufenen“ zurückweisen.9 Goethes Lebens- und Kunstwelt ist dann in neuer Weise faszinierend, nur aber für wenige Eingeweihte und Verstehende. Kein anderer Ort in Weimar ist derart mit der Tradition verbunden wie das Goethe- und Schiller-Archiv. Nach dem Tode Walther von Goethes durch die fürstliche Erbin und Mäzenin begründet, erscheint es geradezu als Symbol rückwärtsgewandt-

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akribischer Quellensichtung. Führende Goethe-Philologen wie Gustav von Loeper, Wilhelm Scherer, Erich Schmidt und Bernhard Suphan wirken hier. Blickt man auf die frühe Arbeit im Goethe- und Schiller-Archiv, so hebt man gewöhnlich zwei Punkte hervor: Man habe eine „museal-philologische Verwaltung“10 Goethes betrieben, statt ihn im Kontext aktueller Zeitinteressen zu interpretieren, und man habe den Dichter vollständig in den kulturpolitischen Rahmen des deutschen Kaiserreiches gestellt. Das Bild weltferner Gelehrter, die Akten durchforschen, Lesarten erkunden, Werke philologisch zergliedern und die Genese von Motiven erörtern, liegt nahe. Überdies scheint es, als sei Goethe zur Sache von Spezialisten geworden, zum unantastbaren, fleischlosen Monument auch, zum Goldschnittautor in den Bücherschränken der Philister. 1921 beschreibt Hermann Bahr die monomanisch-mönchischen Bemühungen der Goethe-Philologen: „Diese jungen Germanisten saßen im Archiv zu Weimar über Goethes Schriften, Frühling kam und ging, es ward wieder Herbst, Nietzsche sank in Geistesnacht, der alte Kaiser starb, ihm folgte der Sohn, folgte der Enkel auf den Thron, Bismarck starb, Deutschland schwoll, stark und reich und neu, den Deutschen ward enge, Volk zog aus, übers Meer, in die Welt, Deutschland wurde kühn und laut, ein neues Geschlecht wuchs auf, Krieg brach aus, aber jene saßen noch immer tagaus, tagein dort im Archiv zu Weimar über Goethes Schriften.“11 Das eindrücklich-ironische Bild bedarf der Korrektur. Eduard von der Hellen, sorgfältigpedantischer Philologe und bedeutender Goethe-Herausgeber, beschäftigt sich mit sozialdemokratischer Programmatik und tritt in politischen Versammlungen als Redner auf. Franz Ferdinand Heitmüller polemisiert gegen Stagnation in Weimars Kulturpflege. Rudolf Steiner entwickelt in Auseinandersetzung mit den hiesigen Verhältnissen eine eigene Theorie der Goetheschen Natur- und Weltanschauung. Das Archiv, durch fürstlichen Beschluß etabliert und vorangebracht, ist nicht nur Ort bedeutender Quellensichtung, sondern Ausgangspunkt anregender und kritischer Debatte. Die Tagungen der Goethe-Gesellschaft, die eine Linie unproduktiven Kults enthalten, stimulieren Gespräche über die zeitgenössische Literatur- und Kunstentwicklung. Nicht nur in den Institutionen bricht sich die Moderne Bahn. Klassische Werte werden zugleich bewahrt und gewandelt: „Bildung“, die Möglichkeit, Persönlichkeit umfassend zu entwickeln, wird am Jahrhundertende auch für Gruppen eingefordert, die bisher kaum aus dem Kreis sozialer oder geschlechtstypischer Beschränkung traten.

1.2 Gegenwart leben in Neu-Vineta Dem flüchtigen Betrachter könnten die Wissenschaftler am Goethe- und SchillerArchiv als homogene Gruppe akribischer Philologen erscheinen, die nur einen geringen Bezug zur Realität des Lebens hätten. Die mit der Sophienausgabe betrauten Forscher aber sind in ihrer Herkunft, ihren Bildungswegen, ihrer Individualität, ihrer weltanschaulichen Entwicklung sehr unterschiedlich. Durch die Arbeit am Archiv, die Beziehungen untereinander, zu Persönlichkeiten der Stadt Weimar sowie zu Gästen von außerhalb entsteht einige Jahre lang ein lebhafter und kritischer Diskurs.

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Dieser bezieht literarische, kulturelle und philosophische Probleme des herannahenden Fin de siècle ein, wendet sich den Emanzipationsbewegungen zu, öffnet sich in erstaunlicher Weise den sozialen Problemen des Kaiserreichs. Das Goethe- und Schiller-Archiv, das man als weltfernes „Mausoleum“ des Geistes zu betrachten versucht ist, liefert in den neunziger Jahren wichtige Impulse zur Rezeption der Moderne – dies freilich nicht als Institution, in den Konzeptionen der Goethe-Arbeit: Die tagtäglich mit den Quellen befaßten jungen Gelehrten verspüren mehr als andere die Sinnkrise des Menschen und seiner politischen Ordnung. Gerade ihnen liegt die Frage nach der kulturellen Aufgabe Weimars nahe, die radikale Kritik auch an den gerade hier deutlichen Einschränkungen des Individuums. Im Umfeld des Goethe- und Schiller-Archivs entwickeln sich gewissermaßen kontrapunktische Gesprächskreise, in die Künstler und Künstlerinnen aus Weimar und von auswärts einbezogen werden. Im Hause Hans und Grete Oldens in der Tiefurter Allee und bei dem Goetheforscher und Archivmitarbeiter Eduard von der Hellen und seiner Frau leben die „schönsten Seiten der deutschen Geistigkeit auf“12, in der Konversation über Literatur, Philosophie, Religion und soziale Bewegungen kreuzt man die Klingen wie „auf dem Fechtboden“13. Grete Olden, eine Nichte des Schriftstellers Paul Lindau und ehemalige Frau des Wiener Feuilletonredakteurs Paul von Schönthan, „mit allen Wässern der Literatur gewaschen“14, hat jeden Dienstag Empfangstag: Rudolf Steiner kommt, direkt von seiner Arbeit an Goethes naturwissenschaftlichen Schriften und von den Diskussionen über die Tagebücher des Dichters im Archiv. Gabriele Reuter gehört zu diesem Kreis, die an ihrem Buch „Aus guter Familie“ schreibt und so den Konflikt zwischen ursprünglichen Forderungen der weiblichen Natur und den Konventionen und Ansprüchen der Gesellschaft ständig durchdenkt. „Unsern Stirner hatten wir alle gelesen. Er hatte uns die Fundamente gelegt mit seiner theoretischen Logik, seiner erzenen, unerbittlich klaren Sprache und der nüchternen Kälte seiner Gedankenwege ...“15 Gabriele Reuter resümiert ihre und ihrer Freunde Beschäftigung mit dem Gelehrten aus dem Kreise der Junghegelianer, der schon 1856 stirbt, dem man sich im Fin de siècle mit neuem Interesse zuwendet. Diese verstärkte Rezeption resultiert aus den offensichtlichen Problemen des deutschen Kaiserreichs, der europäischen Gesellschaften insgesamt. Die Unterwerfung der Natur durch Industrialisierung ist ein in dieser Dimension neues Phänomen mit nicht abzusehenden sozialen und kulturellen Folgen. Die Religion ist weniger als je sinnstiftende Bezugsgröße. Ihre Reduzierung auf Anthropologie und Soziologie einerseits, ihre „Aufhebung“ in mystischen Erfahrungen anderseits erscheinen auch in den Gesprächen der Weimarer Freunde. Wenn es richtig ist, daß die Orientierung auf das Ich, auf den individuellen Menschen, im Fin de siècle einen neuen Höhepunkt erfährt, so ist damit zugleich seine Haltung zur Gattung, zum allgemein Menschlichen, zu den ihn umgebenden Ordnungen gefragt. Gerade in Weimar ist der Goethe-Hegelsche Idealismus lebendig, der die Einheit von sinnlicher und geistig-sittlicher Natur des Menschen betont, der den Blick vom Individuellen zum Ganzen richtet, die Spannung in Kategorien wie Bildung und Tätigkeit auflösend. Die jungen Intellektuellen um Steiner, Reuter und Hellen sind fasziniert von Max Stirners Gegenposition zu Hegel und Goethe: Daß

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der individuelle Mensch in seiner materiell-leiblichen Einzelheit die einzig wahre Realität sei, daß es keine Bestimmung des Ichs außer seinem eigenen Selbst gebe, trifft ein Lebensgefühl der Jahrhundertwende. Man rebelliert gegen die Mächte, die sich anmaßen, die Autonomie des einzelnen zu beeinträchtigen. „Ganze schöne Sommernachmittage stritten wir über die Frage, ob es dem selbstherrlichen Individuum erlaubt sei, ein anderes Individuum aus dem Wege zu räumen, wenn die Antipathie gegen dieses andere Individuum uns z.B. hindere, unser Lebenswerk zu tun.“16 Was in Gabriele Reuters lächelndem Rückblick heiter-karikierend erscheint, ist mehr als geselliges Spiel mit Stirnerschen Thesen und antibürgerliche Attitüde: Es ist die nachdrückliche Forderung, das Ich aus der Geschichte von Aufopferungen und Unterdrückungen zu lösen, der ebenso berechtigte wie problematische Versuch, Abhängigkeit des Individuums von Dingen und Ideen zu beenden. Bei einem Ausflug an den Chiemsee lernt Gabriele Reuter John Henry Mackay kennen, mit dem sie bald Freundschaft verbindet. Der Dichter aus dem Umkreis der Naturalisten wird als Verfasser des Romans „Die Anarchisten“ bekannt: In ihm vertritt er einen konsequenten Individualismus, Egoismus, der den einzelnen auf gewaltfreiem Wege aus den Ansprüchen der Gesellschaft befreit. Dies sind poetisierte Gedanken Stirners, dessen Biograph Mackay ist. Gabriele Reuter lädt ihn nach Weimar in ihren Freundeskreis ein. Mackay wird mit Rudolf Steiner bekannt, mit dem ihn große Harmonie verbindet.17 Steiner legt ihm seine „Philosophie der Freiheit“ vor, in der er seinerseits die Weltanschauung des Individualismus wissenschaftlich zu begründen sucht. Neben der Stirner-Rezeption, dem Bekenntnis zu einer vorbehaltlosen Befreiung des Ichs aus dem Netz der Konventionen und Normen, beschäftigt die jungen Autorinnen und Autoren in Weimar Ernst Haeckel. Die Lehre des Jenaer Professors trifft in der Residenz auch in konservativen Kreisen nicht nur auf „Dunkelmänner“18, die den Monismus für Ketzerei halten. Für die Jungen ist er eine starke Anregung. Gabriele Reuter wendet sich durch ihn endgültig von der Religion ab, bekennt sich zum souveränen Menschen, der aus sich selbst heraus schafft, was er vermag. Rudolf Steiner bejaht den Monismus vom anthroposophischen Standpunkt als „geistigen“ Monismus. Die Haeckel-Faszination der jungen Intellektuellen wird zusätzlich stimuliert durch einen Weimarbesuch Wilhelm Bölsches19, des Monismus-Adepten und Propagandisten naturwissenschaftlicher Methoden auch in der Dichtung. Das Gespräch im Kreis um Hans und Grete Olden findet seinen Grund in der Philosophie Friedrich Nietzsches, von dem die Teilnehmer – allerdings in unterschiedlicher Weise – fasziniert, ja geradezu existentiell betroffen sind. Die Negation alles Bestehenden, von der Nietzsche ausgeht, bewegt die Intellektuellen: Höfische, künstlerische und wissenschaftliche Verhältnisse werden als Phrasenwerk empfunden, hinter dem man die eigentliche Wahrheit, den authentischen Kern entdecken müsse; geistige Zerstörung ist zunächst Anliegen der Debatten. Ein „geistiges Stahlbad“20 seien ihr die Gespräche im Kreise der Freunde gewesen, formuliert Gabriele Reuter; aufschlußreich, daß gerade dieser Begriff Geselligkeit kennzeichnet. Verletzen und Töten wird damit im Krieg wie im Salon als Stärkung der Persönlichkeit erfahren, die herausgerissen wird aus Muff, Konvention und Surrogat, die ohne Rücksichten ficht und befehdet wird und eigentliches Menschsein erfährt. Gerade im

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Olden-Hellen-Kreis ist man weit davon entfernt, trockene und nüchterne philosophische Debatten zu führen. „Barocke, unerhörte Prämissen“ stellt Rudolf Steiner auf und verteidigt sie mit „kühnen Einfällen und Paradoxen“.21 Sein Eifer amüsiert die Zuhörer. Hans und Grete Olden sind beide Skeptiker, vom „Genius der Menschenverachtung“22 erfüllt. Sie meinen, literarische und künstlerische Ideale könnten nur in einem kleinen Kreis auserlesener Menschen leben. Diese Ansichten führen zu einem witzigen Zynismus, der auch die Weimarer Verhältnisse trifft, nicht mit besonderer Härte, sondern wie man sich über die Philister und Untertanen jedes anderen Ortes auch erheitern würde. In einem anderen geselligen Kreis der neunziger Jahre werden die Probleme der Kulturentwicklung in Weimar nicht heiter-ironisch wie bei Oldens, sondern scharf und kritisch beleuchtet. Der Pianist Conrad Ansorge, einst Liszt-Schüler, läßt sich 1893 für zwei Jahre in Weimar nieder. Im Hause seines Schwagers Crompton oder im Hotel „Russischer Hof“ treffen sich Freunde. Sie dürfen Ansorges Kompositionen von Nietzsches und Dehmels Dichtungen hören, die um eine neuartige Intimität des Ausdrucks bemüht sind. Neben Crompton und seiner Frau, einer „geistvollgraziösen Persönlichkeit“23, gehört Rudolf Steiner zu diesem Kreis. Außer ihm sind mit August Fresenius und Franz Ferdinand Heitmüller zwei weitere Mitarbeiter der Sophienausgabe häufig anwesend, mit Koegel ein Herausgeber der NietzscheWerke. Wie soll es „mit der deutschen Kulturentwicklung weitergehen, wenn ein Ort wie Weimar so wenig seine ihm vorgezeichneten Aufgaben erfüllt?“24 Diese Frage wird im Ansorge-Crompton-Kreis mit Ernst diskutiert. Aus künstlerischem Empfinden heraus und aus Interesse am Menschen kritisiert man Opportunismus und Kleingeisterei in Weimar. Geradezu folgerichtig steht im Mittelpunkt der Diskussion Friedrich Nietzsche: „Echtes und freies Menschentum“25 scheint sich in dessen Philosophie auszuprägen. Wie nirgendwo zeigt sich den jungen Intellektuellen in Weimar die Auflösung eines sinn- und haltgebenden Grundes der Welt, der nur noch im Äußerlich-Formalen postuliert wird. Nietzsches Bekenntnis zum kraftvollen Nihilismus, seine Auffassung von Freiheit begeistert die Gesprächspartner. Eine „starke, mitreißende Energie“26 empfindet Rudolf Steiner in diesem Kreis, feines Verständnis auch für die Auffassungen, die er selbst äußert. Mit August Fresenius verkehrt ein Mitarbeiter des Goethe- und Schiller-Archivs bei Crompton und Ansorge, der sich dazu bekennt, „nur“ Philologe zu sein. Seine Freunde, die gegen die „Wilhelm Scherersche“ Art, Goetheforschung zu betreiben, vieles einzuwenden haben, sind erstaunt, daß Fresenius etwa mit der genauen Analyse einer Wortgruppe einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des „Faust“ liefert. Es ist aufschlußreich, daß man neben der Philosophie Nietzsches, neben neuen literarischen und musikalischen Erscheinungen, neben allem, „was damals die Zeit bewegte“27, auch die Goethe-Philologie beachtet: Nicht immer erweist sie sich als steril und selbstgenügsam, gelegentlich gibt sie das Material zu neuen Deutungen an die Hand. Ein genauerer Blick auf einen anderen Mitstreiter des Ansorge-CromptonKreises zeigt, wie hart und prinzipiell Kritik an Weimar vorgetragen wird, zeigt auch die Nähe moderner und konservativer Kultur- und Literaturkonzepte. Franz Ferdinand Heitmüller gibt im Rahmen der Sophienausgabe einige Bände von Goe-

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thes Tagebüchern und die „Reise in die Schweiz 1797“ heraus. Eben hat er in Jena über „Hamburgische Dramatiker zur Zeit Gottscheds“ promoviert. 1889 publiziert Heitmüller seine „Aventiure“ aus der Zeit Richard Löwenherz’28, ein romantisierendes Epos in mittelalterlich-rheinischer Kulisse. Es läßt die Scheffel-Tradition erkennen, zeigt die Begabung des Autors für stilisierte Natur- und Genrebilder, fügt sich aber vollständig in eine Linie historisierender Epen-Dichtung im 19. Jahrhundert. Im gleichen Jahr wird Heitmüllers Drama „Das Medeabild“ unaufgeführt, eine triviale, im Künstlermilieu spielende Handlung um inzestuöse Liebe, Rache, Mord und Selbstmord. Es scheint, als habe Heitmüller die Weimarer Erfahrungen, die Kontakte zu den Freunden gebraucht, um seine wirkliche Begabung als Autor zu entfalten und Anschluß an die moderne Literaturentwicklung zu finden. In der „Neuen Deutschen Rundschau“, dem unter dem Namen „Freie Bühne“ von Otto Brahm begründeten Organ des Naturalismus, erscheint 1895 ein aufsehenerregender Artikel. Er ist mit dem Pseudonym „Homo“ gekennzeichnet und trägt den Titel „Neu-Vineta“. Der Verfasser Franz Ferdinand Heitmüller geht mit der kulturellen Situation Weimars zur Jahrhundertwende hart ins Gericht: „... Weimar ist ein großer Friedhof. ... Das Leben ist hier machtlos, der Tod lebt.“29 Heitmüllers grundsätzliche Kritik gilt einer nur musealen Kunstpflege, dem rückwärtsgewandten Beschwören der Goethezeit, einer ungenügenden Öffnung gegenüber neuen Tendenzen im Leben und in Theater, Malerei und Musik. Die Metaphorik des Autors ist bezeichnend: Die „zerborstenen Säulen“ eines Friedhofs erblickt er in der traditionsbestimmten Residenz, ihm scheint, man konserviere alles Lebendige in einem großen „Herbarium“, der „Kamphorgeruch“ einbalsamierter Mumien30 ist ihm geradezu sinnlich-physische Bedrückung. Selbst der Park ist Heitmüller ein Ärgernis. In ihm ist „alles glatt und eben, sauber und einfach“31, er ist ein Bild für bloßes Bewahren klassizistischer Kunstanschauung, für epigonale Langeweile, die das wuchskräftige Neue als Unkraut ausmerzt. Dabei ist es nicht Heitmüllers Anliegen, die sogenannte „Silberne Zeit“ oder auch nur die Situation der neunziger Jahre in Versäumnissen und Leistungen objektiv zu analysieren. Es geht ihm um aufrüttelnde Polemik, die vielleicht eine Öffnung Weimars zur Moderne anbahnte. Daß nicht alle seine Befunde zutreffend, seine Argumente zwingend sind, wird schon den Zeitgenossen auffallen. Kann man die harte Kritik an der Intrige gegen d’Albert32 und an der Arbeit des Hoftheaterintendanten von Vignau teilen, so enthält der Kunstschulteil des Aufsatzes neben Berechtigtem auch unfreiwillig Komisches: Daß Albert Brendel, hätte er nicht in Weimar gewirkt, andere Sujets als jene Schafe gestaltet hätte, ist eine ebenso kühne wie nicht beweisbare Behauptung. Seltsamerweise bedient sich Heitmüller hier der konservativen Forderung nach dem „großen Gegenstand“, ähnlich, wie er mit Blick auf Theodor Hagen urteilt: „Aber seine Bilder sind zumeist Studien. Und eine Studie ist noch kein Kunstwerk.“33 Hier könnte der Autor den (Weimarer) Kritikern der Moderne die Hand reichen, die ihr Urteil aus den Kriterien klassizistischer Kunstanschauung gewinnen. Der Goethe-Herausgeber Heitmüller nimmt die GipfelMetapher auf, um Aufgabe und Ziel der jungen vorwärtsgewandten Intellektuellen zu beschreiben: „Wir heute streben einem andern Gipfel zu, einem neuen, noch unerforschten Gipfel ...“34 Der Autor nennt Nietzsches Namen nicht, der Bezug zur Philosophie des Kranken in Naumburg ist den Eingeweihten dennoch klar. Den

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Goethe-Gipfel lassen die Heutigen stehen – „Seine Kunst ist nicht unsere Kunst“35 – erklimmen vielmehr den Nietzsche-Gipfel: Bezeichnenderweise gibt Heitmüller keine inhaltliche Bestimmung dieses neuen Weges. Nietzsche ist ihm nur Zeichen des Vorwärtsschreitens, des Abstreifens lastender Tradition, des Ausbrechens aus dem ruhigen Gleichmaß weimarischen Lebens. Geradezu elegisch läßt der Autor seinen Aufsatz mit dem Bild des untergegangenen Vinetas enden: „Aber unterdessen sinkt die verlorene Stadt tiefer und tiefer ... Langsam verfault sie und immer undeutlicher werden die Umrisse und immer seltener klingen die Glocken zusammen. Der Boden aber, wo sie stand, ist geweiht und die Legende spricht ihn heilig.“36 Den Vineta-Artikel verknüpft ein geistiges Band mit den Novellen Heitmüllers. Sie fügen sich in Motivwahl und Gestaltung in die moderne Literatur des Fin de siècle, ohne eine besondere Originalität erkennen zu lassen. Die Titelerzählung des Bandes „Tampete“ spürt sozialen und psychologischen Konflikten in einem kleinen Weserdorf nach. In der Manier Peter Hilles, ohne dessen Kunst irgend zu erreichen, schildert Heitmüller die dumpfe Triebhaftigkeit und das Spukseherische der Bauern, auch aber ihre Prägung durch die sozialen Umstände. Nicht nur der Totschlag und der schaurige Selbstmord auf den Schienen erinnern an Gerhart Hauptmanns „Bahnwärter Thiel“, es ist die Atmosphäre des Naturalismus, die Gefangensein in Milieu und Trieb in den kargen plattdeutschen Reden enthüllt. Heitmüllers Novelle „Der Schatz im Himmel“, die einem anderen seiner Erzählbände den Titel gibt, gestaltet die tiefe Abneigung gegen die Industrialisierung und ihre sozialen und psychologischen Folgen. Die „verfluchte Fabrik“, die die Bauern, „die fest und fromm auf ihrer Scholle saßen“37, ruiniert, ist ein Grundmotiv der modernen Literatur wie der konservativen Heimatkunst. Es mag seltsam erscheinen, daß der Autor, der eben die Atmosphäre des versunkenen Weimar-Vinetas geißelt, nun den Schrecken der Industrie beschwört: Beides entspricht der gleichen enthusiastisch-verzweifelten Suche nach den Quellen des Menschlichen und der Kunst. Im November 1898 liest die Schauspielerin Lucy Orban-Lindner auf einem ihrer Weimarer Rezitationsabende eine Novelle Heitmüllers, für die sie ungeteilten Beifall erhält.38 Vermutlich trägt sie die Erzählung „Das Paradies“ vor: Hans Schumacher ist die zweite Geige der Hofkapelle. Mit seiner unansehnlichen und spießigen Frau lebt er im Haus seines Schwiegervaters, der als Kanzlist beim Intendanten arbeitet. Hans’ Anspruch als Künstler kollidiert alle Tage mit seiner elenden sozialen Lage und der Sicht seiner Umwelt, die ihn als eine Art Brotbediensteten ansieht. Generalintendant Hohlmann – nomen est omen – ist ein Abbild Hippolyt von Vignaus, selbst die in mehreren Schriften kolportierte Anekdote, Vignau habe Goethes Ballade „Der Gott und die Bajadere“ nicht erkannt, wird aufgenommen. Auch der Landesherr selbst erscheint als Karikatur: Er ist ein Ästhet, der einen Regierungsrat wegen seiner körperlichen Häßlichkeit nicht in seinen Dienst beruft. Weimar wird bei Heitmüller als ein Ort gezeichnet, der jegliche innovative Kraft verloren hat, sich nur noch formalistisch auf die Tradition beruft. Strebende „wahre“ Künstler vergingen im Broterwerb und in erdrückender Spießigkeit. Heitmüller zerstört die zumindest teilweise berechtigte Kritik und die Wirkung seines Textes mit einer kolportagehaften Liebesgeschichte: Hans, die „zweite Geige“, zieht zu einer schönen jungen

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Witwe und komponiert auf ihrem Flügel eine große Sinfonie. Die Lieblingsmotive moderner Literatur – Hypnose, Schwindsucht, Geisteskrankheit – müssen herhalten, um den Konflikt des leidenschaftlichen Künstlers mit der toten Weimarwelt zu schildern. Gelegentlich verkehrt auch Otto Erich Hartleben in der Weimarer Geselligkeit, die „Gegenwart“ leben will39, vor allem im Kreis um Ansorge und Crompton. Hartleben ist eine schillernde Persönlichkeit der Literaturgeschichte, Naturalist und Vorstandsmitglied der „Neuen freien Volksbühne“, sozialkritischer Autor und impressionistischer Poet, Trinker und Bohemien. Wenn die Hauptversammlung der GoetheGesellschaft tagt, verschläft er meist die Referate, um am Abend im Hotel „Chemnitius“ lange Debatten mit Schriftstellern, Journalisten und Theaterleuten zu führen.40 Einige von Hartlebens Stücken werden am Hoftheater aufgeführt, so 1893 „Gläubiger“ und „Lore“: „... darob in hiesiger Fürstengruft ein Preis-Wett-Umdrehn sämmtlicher Classiker“41, spottet der Autor in der ihm eigenen Weise über den Kontrast seiner Dramatik zum Ort der Präsentation. Hartleben ist im Hause Anna Eunikes bei Rudolf Steiner zu Gast. In wenigen Tagen stellen dort er und Steiner jenes Goethe-Brevier42 zusammen, das die Gedichte in chronologischer Anordnung aufnimmt, damit gerade jungen Lesern in der Zusammenschau von Leben und Lyrik einen neuen Zugang zu Goethe ermöglicht. „Was geht unsereinen Weimar an“43, bemerkt Hartleben in einem Brief an seine Frau; allerdings zeigt es sich, daß sich in der trotzigen Abwendung das klassische und nachklassische Weimar nicht zwingen lassen. „Weimar“ heißt die Frage, ob ein Festhalten am Idealismus im Zeitalter Haeckels, Stirners und Nietzsches, im Zeitalter Krupps und August Bebels mehr als reaktionäre Rechtfertigung überholter sozialer und politischer Regimes sei. Man ist gut beraten, sie nicht vorschnell zu bejahen oder zu verneinen.

1.3 Eduard von der Hellen und die „Richtung auf das Soziale“ Daß sich Weimarer Wissenschaftler und Künstler mit neuen Tendenzen in Philosophie, Musik und Literatur auseinandersetzen, ist naheliegend. Erstaunlicher schon, daß man sich rund um das Goethe- und Schiller-Archiv für die sozialen Konflikte und Emanzipationsbestrebungen zu interessieren beginnt. In den neunziger Jahren wird die Spaltung der Gesellschaft in Besitzende und Besitzlose deutlicher. Nach dem Fall des Sozialistengesetzes nimmt die Sozialdemokratische Partei einen großen Aufschwung; bei den Reichtagswahlen 1890 erreicht sie in den thüringischen Staaten einen hohen Anteil an Wählerstimmen. In Weimars Nachbarstadt Jena entwickelt sich mit der Firma Carl Zeiss ein Großunternehmen; Ernst Abbés Bestrebungen gelten auch der sozialen Gestaltung von Arbeitswelten und Bildung und Kunsterziehung der unteren Schichten. Gerade der letztere Gedanke bewegt die Intellektuellen in Weimar. Rudolf Steiner erhält hier Impulse, die für die Ausprägung seiner Lehre bestimmend sind: Ihm erscheint verderblich, daß kulturelle Brücken zwischen den verschiedenen Klassen fehlen, daß die Oberschichten – gerade was Bildung und Kultur angeht – alles Ge-

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meinschaftsgefühl verlieren, daß die Arbeiter aus der Kultur der Herrschenden nur „Material“ für das eigene Klassenbewußtsein gewinnen. In diesem kulturellen Riß wird Steiner später rückblickend die Ursache für die Katastrophe des ersten Weltkriegs erkennen.44 Im Kreise Steiners und der anderen Freunde erscheinen Begriffe wie „Klassenkampf“ und „Mehrwert“, Begriffe aus dem „Brodeln des sozialen Lebens in den Untergründen“45, die eingehend diskutiert werden. Man schlägt eine sehr weimarische „Richtung auf das Soziale“46 ein. Der Initiator dieses politischen Interesses ist Eduard von der Hellen. Der Sohn eines westfälischen Gutsbesitzers findet in der Wissenschaft zunächst durch seine Promotionsschrift über „Goethes Anteil an Lavaters physiognomischen Fragmenten“ Beachtung. In Weimar gibt er einige Briefbände der Sophienausgabe heraus. Mit dem Tiefurter Journal publiziert er ein wichtiges kulturgeschichtliches Dokument über Anna Amalias Musenhof.47 Hellen lebt mit seiner Frau Martha, einer Künstlerin, deren Vater Generalleutnant ist, in einem schönen Haus Am Horn. Sein Archiv-Kollege Rudolf Steiner vermutet, Hellen sei unbefriedigt vom Philologischen, und er sei daher in das „rege politische Leben Weimars“48 hineingeworfen worden. 1892 erscheint im Weimarer Verlag Hermann Weißbach eine interessante Schrift. Sie soll gemäß ihrem Untertitel ein „Leitfaden für Agitatoren sowie zum Selbstunterricht in der Socialdemokratie“ sein und heißt „Das rote Programm“. Verfasser ist Eduard von der Hellen. Sein „Rotes Programm“ entsteht nach dem Konzept einer am 20. Februar 1892 in Eisenach gehaltenen Rede. An diesem Tag jährt sich der Wahlerfolg der Sozialdemokratie in den thüringischen Staaten zum zweiten Mal. Der Philologe und Archivmitarbeiter tritt also als Redner zu politischen Themen auf, auch er ist bestrebt, breite Kreise durch die Kraft des gesprochenen Wortes zu überzeugen. Hellen untersucht in seiner Schrift das Erfurter Programm der Sozialdemokratie; viele der von ihm angeführten Kritikpunkte sind aus den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nicht nur überzeugend, sondern geradezu von beklemmender Prophetie. Der Verfasser geht von einer grundsätzlichen Kritik der modernen Wirtschaftsordnung und des Gesellschaftszustandes aus. Er ist überzeugt, „daß der Kapitalismus in seiner Tendenz, alle Production an sich zu reißen, unser Volk wirtschaftlich und zugleich sittlich zu ruinieren droht, ... wenn seiner schrankenlosen Entwicklung nicht bald und entschieden Halt geboten wird“49. Diese These erörtert Hellen an verschiedenen Beispielen. Er verweist etwa auf Mißstände im Schulwesen, die einer soliden politischen Bildung verantwortlicher Staatsbürger entgegenstehen. Die Ziele des Erfurter Programms freilich, die aus ähnlicher Gesellschaftskritik erwachsen, vermag Hellen nicht zu teilen; seine Einwände weisen auf die wesentliche Problematik marxistischer Revolutionstheorie. Der im sozialdemokratischen Programm postulierte Kampf gegen das Privateigentum an Produktionsmitteln widerspreche den Interessen der Bauern und Kleinbürger, dennoch wolle die Partei diese als ihre Anhänger mobilisieren. Hellen bemerkt eine daraus resultierende gewisse Doppelzüngigkeit, eine Taktik des Verschweigens und Lavierens, sogar einer verlogenen Verschleierung wirklicher Ziele. Dieses „Recept bewußter Frivolität“50 prägt in der Tat sozialistische Revolutionstheorie von Anbeginn. Es ist auch keine Frage, daß Hellen mit der These recht hat, der sozialistische Zukunftsstaat erscheine im Programm ebenso vage wie der Weg, ihn zu erreichen. Die Meinungs-

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freiheit, die man für den bürgerlichen Staat vehement einfordere, sei dann im sozialistischen nicht vorhanden: „Und was ist dann mit denen, die sich der Majorität nicht fügen wollen? Jetzt schmeißt man sie aus der Partei hinaus … was aber dann in der Gesellschaft der gleichberechtigten Genossen? Meine Herren, wie colonialfeindlich die Socialdemokratie sich heute auch geberden mag, – dann könnte sie doch nicht umhin, dem ‚Väterchen′ in Petersburg sein schönes Sibirien abzukaufen.“51 Hellens sarkastische Prophetie wird sich bewahrheiten. Den sozialdemokratischen Zielen stellt er eigene Reformvorschläge entgegen, die damals wenig wirken, sich aber im Gang des neuen Jahrhunderts als durchaus vernünftig und lebenskräftig erweisen werden. Er bedenkt das Problem der Gewerbefreiheit und einer notwendigen Steuerung der Marktgesetze, begrüßt die Arbeiterschutzregelungen des Staats und erörtert die Möglichkeit genossenschaftlicher Zusammenschlüsse von Kleinbetrieben. Sein Plädoyer für die „b e s o n n e n e n e Verwirklichung des M ö g l i c h e n“52 erscheint wie eine Vorwegnahme späterer sozialstaatlicher Konzepte. Schließlich zieht Eduard von der Hellen in seiner Schrift ein Resümee, das ganz aus weimarischem Kulturboden erwächst: „Wer da verkennt, daß die sociale Frage im letzten Grund eine s i t t l i c h e ist, der verkennt, daß alle gesunden Verhältnisse von Menschen zu Menschen ihre Wurzel haben i n i h r e m s i t t l i c h e n V e r h a l t e n zueinander.“53 Es ist bemerkenswert, daß auch Hellen die Vervollkommnung des gesellschaftlichen Organismus mit der Entwicklung des Individuums, der Ausprägung seiner geistig-sittlichen Natur verknüpft. Freilich wird das Wertesystem, das sittlichem Handeln sein Maß und seinen Bezug gibt, gegen die Wende zum 20. Jahrhundert bereits brüchig. Mit Blick auf die sozialen Widersprüche und Kämpfe scheint Hellen gleichwohl der Rekurs auf die klassische Ethik geboten. Die brennenden sozialen Fragen des Zeitalters behandelt Eduard von der Hellen auch in einigen belletristischen Werken. 1917 erscheint sein Drama „Die Sünden der Väter“. Das 1889 spielende Stück erinnert in Figurenkonstellation und Motiven an den Naturalismus, es ist ein analytisches Drama, das detaillierte Bühnenanweisungen gibt und den Dialekt verwendet. Die autobiographisch inspirierte Hauptgestalt steht vor einer wichtigen Entscheidung: Wie soll er, der Erbe eines Rittergutsbesitzers, der Geisteswissenschaft studiert hat, sein Leben führen? Durch Zufall hört er die Rede eines Arbeiters, die ihm deutlich macht, daß er von Gott und der Welt nichts versteht; der vermeintlich sichere Grund seiner Bildung gerät ins Wanken, seine Maßstäbe taugen nicht mehr. „Unsere Zeit stellt uns ernstere Ziele, die Muße zu geistigem Spiel ist vorbei.“54 resümiert er sein Nachdenken über seinen Lebensberuf. Der Wille der Hauptfigur, allen Geist, alle Kraft für das Zukünftige einzusetzen, wird im tragischen Ausgang des Stückes nur als Vermächtnis bewahrt. In der Thematik ähnlich sind die Erzählungen des Bandes „Höhere Kindschaft“. Ein Lehrer stirbt – aufgerieben vom harten Existenzkampf – an der Schwindsucht. Er ist verzweifelt über die Vereinzelung des geistigen Arbeiters, dem die Solidarität der ähnlich Lebenden verwehrt ist. Ein Leutnant, der eine Selbstmörderin aus dem Wasser rettet, erhält einen Brief von ihr, in dem sie mitteilt, ihren Suizid nun anders vollenden zu müssen. Das fehlerhaft-dialektale Schreiben der Frau in auswegloser sozialer Lage „rührt“ gewissermaßen an die Oberflächlichkeit des Offiziers. Ein

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weiterer Text des Bandes kritisiert Erziehungsmethoden, die die Persönlichkeit des Kindes einengen, statt individuelle Anlagen zu fördern. Die Erzählung „Blind“ führt den deutschen Ich-Erzähler nach Italien. Sein Mitgefühl mit einem blinden Bettelmädchen trifft auf die Haltung eines Landsmannes: „... eher wird unser Leben nicht rein, als bis wir wieder Spartaner werden, bis wir das Kranke, Halbe, Mißratene von uns stoßen.“55 Der Maler in der schönen südlichen Landschaft vertritt eine Euthanasievorstellung, nach der nur starke, gesunde Menschen zu leben verdienen, man den Mut zur Vernichtung des Häßlichen aufbringen müsse. Entsetzt erinnert sich der Ich-Erzähler an jenen Brief Goethes aus Italien, in dem der Autor die Welt als Folge übersteigerten Mitgefühls zu einem Hospital verkommen sieht. Eduard von der Hellens poetische Texte besitzen sicher nicht den Stellenwert seiner wissenschaftlichen Leistungen. Sie spiegeln gleichwohl die tiefe Verunsicherung traditioneller Bildungseliten angesichts der sozialen Probleme an der Schwelle des 20. Jahrhunderts. Die drohende Vernichtung der Kultur durch die Spaltung der Gesellschaft erscheint als eindrückliches Menetekel. 1918 publiziert Eduard von der Hellen ein Drama, das schon mit der Widmung an seine Kinder „in Flandern und Frankreich“ auf die Katastrophe des ersten Weltkriegs deutet. Wie andere Autoren versucht auch Hellen, die Krise der Menschlichkeit in einer utopischen Dichtung zu bewältigen. In der Kernhandlung des Stückes „Hyazinth“, der eigentlichen Utopie, erscheint das Schicksal von Auswanderern aus der „alten Welt“. Nach „dem Weltkriege“ haben sie diese „mit Schaudern“ hinter sich gelassen.56 Ihnen ist es gelungen, aus der technischen und sozialen Entwicklung, aus dem Gang des Fortschritts herauszutreten. Menschlichkeit, Frieden, Gerechtigkeit, Ehrfurcht und Treue sind die bestimmenden Werte auf ihrem Eiland. Freilich gelingt derart sinnvolles Leben nur in völliger Isolation von der Welt; der Versuch des jungen Hyazinth, Kontakt mit Fremden aufzunehmen, zieht strengste Strafe nach sich. Zwei Wesen aus der alten Welt, die nun eine lange Entwicklung durchlaufen hat, nehmen Hyazinth mit ihrem Luftschiff, einer Art Aluminiumgondel, mit zu sich: Nun entfaltet der Autor eine Anti-Utopie, die die Hauptfigur von der Richtigkeit des Ausstiegs aus der Geschichte überzeugt. Man kommt in einen totalitären Staat, der das Individuum seiner Freiheit beraubt hat, dessen faszinierende dämonische Technik und Architektur – unterirdische Städte – nur Ausdruck des Freiheitsverlustes sind. Serin, der Schwarze, verkörpert einen diabolischen Diktator, einen „Uebermenschen“57, der nichts von Demokratie hält, sich einzig auf das „Recht der Kraft und der Persönlichkeit“58 beruft. Er nimmt den Müttern ihre Kinder, um sie staatlicher Erziehung zuzuführen, er hat ein ausgeklügeltes Spitzel- und Überwachungssystem entwickelt. Die Diktatoren des 20. Jahrhunderts sind ohne weiteres in ihm zu erkennen. In jenen Schalttafeln, in denen jeder mit jedem kommuniziert, auch allerdings in den Zwängen des Systems, scheint bereits das Computerzeitalter auf. Der Plan, der im dritten Aufzug von Hellens Stück besprochen wird, den technischen Fortschritt mit den sittlichen Werten der Inselbewohner zu versöhnen, scheitert tragisch.

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Das Drama hat eine Rahmenhandlung: Der Dichter der Utopie sitzt in den letzten Tagen des ersten Weltkriegs im Gefängnis. Eines seiner Bücher rechtfertigte den Verdacht des Hochverrats. Am Ende – nachdem seine Braut an seinem Krankenbett jene Utopie las – stirbt er wie Hyazinth. Eduard von der Hellens Stück ist nicht nur Dokument der Verzweiflung am Ende dieses Krieges. Die humanen Werte abendländischer Zivilisation – Weimar gewissermaßen – sind in ihm nur in der Isolation zu bewahren, in einer fortschrittsfeindlichen Inselexistenz, der die Zerstörung von innen heraus droht. Der Gang der sonstigen Welt führt zu Technik-, Ordnungs- und Verstandesorientiertheit, zu Diktatur und Totalitarismus. Es ist berührend, wie Hellen – Herausgeber Goethes und Nietzsches – beider philosophische Grundlegungen nur mehr in entarteten Gesellschaften zu erkennen vermag. Wie könnte man die Quellen des Menschseins mit der Fortschrittsidee vereinigen? Hellens poetische Antwort im Juni 1918 lautet ratlostragisch. 1921 erst erscheint Eduard von der Hellens autobiographischer Roman „Heinrich von Plate“. In ihm schildert der Autor nahezu unverhüllt Weimarer Verhältnisse der späten achtziger Jahre und erörtert seine sozialpolitischen Überzeugungen. Der junge, aus Westfalen stammende Gelehrte Plate kommt in eine kleine mitteldeutsche Residenz, freundlich empfangen vom gütigen, etwas verschrobenen und unnatürlichen Herzog Karl Anton. Plate will die Biographie des Herzogs Bernhard, eines Ahnherrn des Fürstenhauses, schreiben. Bernhard dient als reine Projektionsfigur für Plate-Hellens soziale Einsichten: Er sieht voraus, daß in fehlender Bildung des Volkes, Machtmißbrauch durch die Herrschenden, Verschärfung der gesellschaftlichen Gegensätze die Kultur dem Untergang entgegengeht. Auf Schloß „Bernhardsbrunn“ – es handelt sich um die Topographie von Ettersburg – nimmt Plate an einem Gespräch des Herzogs mit einigen seiner Beamten über die Situation im Dreikaiserjahr 1888 teil. Man äußert die Meinung, daß sich Kronprinz Wilhelm, der nach menschlichem Ermessen bald Kaiser sein wird, „auf die heranschwellende Masse der industriellen Arbeiterschaft stützen“59 wolle. Plate ist begeistert von der Idee eines sozialen Kaisertums. Er ist umgetrieben von Fragen, die ihm im „Hexenkessel Berlin“60 aufgegangen sind: Wie ist es möglich, die Dissonanz zwischen denen, die Arbeit leisten und denen, die über die Arbeitsmittel verfügen, aufzulösen? Die These, jeder müsse in seinem Kreis verantwortungsvoll wirken, dann werde sich auch das Gemeinwesen gedeihlich entwickeln, läßt er nicht gelten. Eine Umgestaltung „durch eine über den Parteien, über den gegensätzlichen Interessen stehende Macht; nach einem großen, festen Plan, der das Ganze umfaßt“61, sei geboten. Plate-Hellen liefert eine tiefgreifende Selbstkritik des eigenen Standes: „Wir kleben am Alten. Wir verteidigen den überkommenen Besitz der materiellen Macht, wir stützen uns dabei auf zwei morsche Pfeiler, deren Fundamente untergraben sind, auf Thron und Altar ...“62 Eduard von der Hellens Buch gestaltet dennoch die Hoffnungen auf ein soziales Kaisertum. Daß es gelingen könnte, das monarchische Prinzip mit modernen sozialpolitischen Reformen zu verbinden, ist bei Amtsantritt Wilhelms II. eine durchaus verbreitete Vorstellung. Daß sie enttäuscht wird, hat weitreichende Konsequenzen für kulturelle Entwicklungen und Krisen des 20. Jahrhunderts. (Übrigens zeichnet Hellen eine eigenartige Karikatur

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des Weimarer Erbgroßherzogs Carl August: Nicht nur, daß er im Roman als unansehnlich und als taktloses Rauhbein geschildert wird – er bringt auch keinerlei Interesse für Geschichte und Politik auf. Dieses Bild erwächst nur flüchtigem Eindruck. Gerade der Idee eines sozialen Kaisertums, zu der sich Hellen-Plate bekennt, ist der Weimarer Thronfolger sehr zugetan; auch ihn beschäftigt die ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.63) Der Schluß des Romans „Heinrich von Plate“ ist bezeichnend: Der Held begibt sich auf sein Familiengut, um dort im beschränkten Kreis seine sozialen Ideen umzusetzen. Das Mustergut mit soliden Wohnungen, gesunder Ernährung, guter Kleidung und einem gewissen Bildungsstandard der Angestellten, läßt alte Ideale, etwa Stifters Utopie eines Tusculums am Traunsee, erkennen, hat aber auch einen deutlichen Bezug zu den Lebensreformbewegungen der Jahrhundertwende.

1.4 Rudolf Steiner in Weimar Am 30. September 1890 kommt Rudolf Steiner, den man mit der Herausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften betraut hat, in Weimar an. Er sei „recht gut empfangen worden“64, berichtet er seinen Freunden in Wien. Sein Vorgesetzter im Archiv, Bernhard Suphan, erhoffe sich in ihm nicht nur einen Helfer, sondern eine „geistige Stütze“65. Bald schon freilich häufen sich in seinen Briefen die Klagen: Hölzerne „Menschen ohne Kern und Seele“66 begegneten ihm, die Steifheit des „norddeutschen Wesens“67 stoße ihn ab, er sei ein Exilierter, den niemand verstehe, er sei „an- und ausgeödet“68 durch Weimar. Suphan erscheint ihm als philiströse Schulmeisternatur, erfüllt von neidischem Haß auf fremde Leistungen. Stellt man diese aus unmittelbarem Erleben getroffenen Urteile neben die rückblickenden und maßvoll geformten der Autobiographie, so wird doch deutlich: Steiners Werdegang in Weimar ist nicht frei von Disharmonien und Spannungen. Man mag Steiners Kritik an der Goethephilologie, deren „Wortkrämerei“69 ihm ein Greuel ist, nicht vorbehaltlos zustimmen. Sie resultiert aus seiner Sicht Goethes und dessen Morphologie: Goethe habe allenthalben den schaffenden Geist in der Materie erfassen, die Materie als geronnenen Geist erkennen wollen70 – diese Idee will Steiner darstellen. Es geht ihm also keineswegs um philologisch sauber gearbeitete Bände der Sophienausgabe, die alle morphologischen Schriften des Autors versammeln und ein historisches Fundament der Texte erstellen. Steiners Bände der Ausgabe sind in der Tat „nichtswürdig“71, die Kritik von Kollegen und Vorgesetzten erscheint durchaus angebracht. Steiners Goethebetrachtung ist Ausgangspunkt seiner weitwirkenden „Geisteswissenschaft“, die fern von allem Rationalismus und Empirismus der Idee die zentrale Bedeutung für den einzelnen wie für das Universum gibt. In keiner Hinsicht sind die Weimarer Jahre für Steiner „verloren“72. Neben die intensive Beschäftigung mit Goethe tritt seine Aneignung Nietzsches. Wie viele junge Intellektuelle des scheidenden Jahrhunderts faszinieren ihn Kühnheit und Stil des Philosophen, die Freiheit des Lesers ihm gegenüber, der niemanden zu seinem Anhänger machen will. Steiner gehört zu jenen, die den umnachteten Nietzsche

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sehen und ihn zur tragischen Symbolgestalt des auch im Wahnsinn beseelten Künstlers und Denkers stilisieren. Steiners Beziehungen zum Nietzsche-Archiv und zu Elisabeth Förster-Nietzsche entwickeln sich für ihn spannungsvoll, ja schmerzlich. Gleichwohl schreibt er seine Nietzsche-Monographie, in der er erneut auch seine eigene Anschauung von Natur und Geist darstellt. Gerade die in Weimar nahe Polarität von Goethe und Nietzsche klärt Steiners Weltanschauung: Während sich Goethe in der Natur, in Pflanzen-, Tier- und Menschenformen bewegte, sei er stets zum in der Materie waltenden Geist gelangt. Nietzsche dagegen habe sich Geistgestalten nur mythisch vorgestellt, er sei nicht „zu der Anschauung wirklicher geistiger Wesenheit“73 vorgedrungen. Insofern ist Nietzsche für Steiner ein Gefangener der Naturanschauung des 19. Jahrhunderts. Der moderne Philosoph, von dessen intellektueller Gestalt Steiner fasziniert ist, gewinnt in seinem tragischen Scheitern eigentliche Bedeutung für Steiners Lehre. Sein großer Anreger aber ist Goethe. Die geläufige Theorie, von der Höhe abendländischer Kultur der Goethezeit sei ein Abstieg im naturwissenschaftlich orientierten 19. Jahrhundert erfolgt, interpretiert Steiner in eigener Art: Jetzt ist – anknüpfend an Goethe – eine neue Weise des Erkennens zu entwickeln, um in die Erscheinungen des Lebens einzudringen. Wie man dieses erkennende Erleben im Geiste erreichen könne – dies ist das Grundthema des Steinerschen Werkes. Ein Bild Rudolf Steiners in Weimar, das den einsamen Gelehrten im Ringen um die Probleme des Idealismus zeigte, wäre falsch. Er selbst betont die Anregungen, die er am Archiv selbst, in verschiedenen Freundeskreisen und durch auswärtige Besucher erhält. In Vorträgen und Aufsätzen schaltet er sich in die kulturellen Diskussionen des Fin de siècle ein. Die Symbolfigur der „Silbernen Zeit“, Großherzog Carl Alexander, tritt ihm durchaus nahe. Er scheint ihm ein „Gefühlsidealist“74, der die kulturelle Atmosphäre der Stadt entscheidend prägt. In den geselligen Kreisen um Eduard von der Hellen, Hans und Grete Olden und Gabriele Reuter empfängt Steiner Anregungen, die ihm unverzichtbar sind. Auch Steiner ist fasziniert von John Henry Mackays rigoroser Liberalität75, die sich mit seinem eigenen Freiheitsbegriff berührt. Über Julius Wahle, den Kollegen vom Goethe- und Schiller-Archiv, lernt er eine Reihe anregender Künstler von Theater und Kunstschule kennen.76 Rudolf Steiners Vortragstätigkeit, seine Zeitschriftenartikel erlauben weiterführende Einblicke in künstlerische und weltanschauliche Diskussionen der neunziger Jahre und ihre Aufnahme in Weimar. Im Winter 1891/92 organisiert der Weimarer Buchhändler Thelemann einen Zyklus von Vorträgen über die „Hauptströmungen des deutschen Geisteslebens“. Neben Archivmitarbeiter Julius Wahle, dem Berkaer Pfarrer Bürkner, dem Musikschriftsteller Arthur Seidl und Hans Olden fordert man auch Rudolf Steiner zur Teilnahme auf. Am 25. November 1891 hält Steiner seinen Vortrag „Die Phantasie als Kulturschöpferin“77. Angeregt zu diesem Thema wird er durch Herman Grimm, der ihm seine Idee einer Geschichte der deutschen Phantasie entwickelt78, die Impulse historischen Werdens in der schaffenden Volksphantasie erblickt. Steiner behandelt einen Gegenstand, der im Weimar des scheidenden Jahrhunderts allgegenwärtig ist: Auch er sieht im Idealismus die große Kraft, die die deutsche Kultur geschaffen habe, auch er sieht Empirismus und Rationalismus als bedenkliche Tendenzen der

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künstlerischen Weltaneignung und Erkenntnis. „Ohne die Phantasie versinke die Kultur, durch die Phantasie aber werde uns die Kultur erhalten und die Freiheit gewonnen“79, resümiert die Weimarische Zeitung etwas verkürzend und trocken die Ausführungen des Redners. Steiner sieht die Phantasie nur dem Stoff nach angeregt von den Erlebnissen der menschlichen Sinne. Das eigentlich Schöpferische ist Abglanz der außer dem Menschen bestehenden geistigen Welt. Die Phantasie aber begreift Steiner als das Tor, durch das die Wesenheiten jener geistigen Welt auf die Entfaltung der Kultur wirken. Im Hauptteil seines Vortrages spricht er über den Traum, in dem Geisteswelt in Bildern aus der Sinnenwelt erfahren werde. (Nicht uninteressant wäre es übrigens, Steiners Thesen mit den Traum-Sichten seines österreichischen Landsmannes und Zeitgenossen Sigmund Freud zu vergleichen: Steiner selbst sind Freuds Ansätze ein Beleg dafür, daß „die Gegenwart nach dem Geiste drängt, die Naturwissenschaft aber nicht zum Geiste hin kann“80.) Die Weimarer Zuhörer werden Steiners Vortrag vor allem als Lob der Phantasie und des Idealismus verstanden haben, ohne ein tieferes Verständnis seiner „Geisteswissenschaft“ zu entwickeln. Höhepunkt des Vortragskreises bei Buchhändler Thelemann ist wieder ein Referat Rudolf Steiners: Am 22. Februar 1892 spricht er über „Weimar im Mittelpunkt des deutschen Geisteslebens“81. Eine große Zahl von Zuhörern, unter ihnen der Großherzog, sind gekommen, um Steiners „ebenso geist- und gehaltvoller als klarer und anschaulicher Rede“82 zu lauschen. Steiner nähert sich dem in Weimar geläufigen Thema „Goethe und die Gegenwart“ in neuer und ihm gemäßer Weise. Zunächst entwickelt er seine Freiheitsauffassung aus Goethes „Märchen“ und Schillers „Ästhetischen Briefen“. Der Mensch müsse nicht einem von außen kommenden Sittengesetz gehorchen, vielmehr aus sich selbst heraus, gemäß seinem persönlichen Urteil, handeln.83 Dieser ethische Individualismus ist Grundlage jenes anderen wichtigen Gedankengangs in Steiners Vortrag: Goethe habe zur Verjüngung der Menschheit in einer altgewordenen Zeit beigetragen, eine Aufgabe, die auch heute stehe. Wie Goethe strebe die Jugend zur Wirklichkeit, um die Zeit zu verjüngen. Freilich habe Goethe unter der Wirklichkeit das Innere, Notwendige, Göttliche verstanden, während man in der Gegenwart das Äußere und Zufällige damit verbinde.84 Steiners Aneignung Goethes und seine Kulturkritik der Moderne sind deutlich; die Heutigen müssen – mit Goethe – zur Wirklichkeit streben, dies heißt im Verständnis des Redners: zur Ideenwelt als dem Ursprung und Prinzip allen Seins. Am 19. März 1891 ist Rudolf Steiner bei Carl August und Pauline, dem erbgroßherzoglichen Paar, zum Diner geladen. Man spricht hier „recht flott über Yogi, Fakire und indische Philosophie“85. Vor allem Pauline ist eifrig bei der Sache. Womöglich werde die „Mystik hier noch ganz hoffähig“86, wie Steiner leicht ironisch konstatiert. Das Gesprächsthema ist dem Philosophen sicher nicht unangenehm: Ihn verbindet mit der Mystik die Hochschätzung des Übersinnlichen, wenn er auch stärker als jene die Ideenwelt ins Zentrum seiner Lehre stellt. Zwei Vorträge Steiners in Weimar zeigen, mit welchem Interesse man hier in den neunziger Jahren okkulte und übersinnliche Phänomene verfolgt: Im Großen Stadthaussaal spricht er im März 1893 im Naturheilverein über „Hypnotismus mit Berücksichtigung des Spiritismus“.87 Der zahlreichen Zuhörerschaft trägt Steiner eine naturwissenschaftliche

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Erklärung von Hypnose vor; sie entfessele die eigenen Kräfte des Mediums, ermögliche so über die gewöhnliche Erfahrung hinausreichende Sichten. Steiner schließt mit einem Bekenntnis zu Haeckels Monismus: Alle Erscheinungen in der Natur seien auch aus den Kräften der Natur zu erklären.88 Die Weimarer Diskussionen stehen in einer allgemeinen Auseinandersetzung um Okkultes in den neunziger Jahren in Deutschland. Carl du Prels „Psychologische Gesellschaft“ in München, die Zeitschrift „Sphinx“ des Theosophen Wilhelm Hübbe-Schleiden sind wichtige Zentren der Beschäftigung mit dem Übersinnlichen. Die starke Hinwendung von Literatur, Kunst und Philosophie zur Materialität des Lebens produziert einen Gegendruck, man ist fasziniert von Seelenkraft und „Idee“. In Weimar steht das populäre Thema stets im Bezugsfeld jenes anderen, jetzt verstärkt interessierenden: Wie kann es gelingen, den Goetheschen Idealismus in der modernen Welt wirklich aufzunehmen, ohne nur erstarrter Pietät zu genügen? Rudolf Steiners Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschen bildend zu entfalten und dem geistigen Prinzip im Universum anzunähern sucht, ist eine Antwort auf diese Frage. Auf ein noch größeres Besucherinteresse stößt ein Vortrag Steiners im Januar 1894 im Weimarer Volksbildungsverein.89 Schon Anfang November sind die 300 Eintrittskarten ausverkauft. „Genie, Irrsinn und Verbrechertum“ lautet das Thema, das Lieblingswörter des Zeitalters geradezu werbewirksam aufnimmt. Vielleicht erinnern sich einige kundige Zuhörer an Oskar Panizzas Vortrag in der Münchener „Gesellschaft für modernes Leben“, der sich gleichfalls mit „Genie und Wahnsinn“ befaßte90, jene Idee vom dämonischen Genie aufnahm, das von der beschränkten Normalität nur diffamiert werden kann. Einige der Weimarer werden Nietzsches Bild vom Übermenschen vor Augen haben, auch die eigenen Gespräche über rücksichtslose Selbstverwirklichung und ihre Folgerungen. Man interessiert sich für die schöpferische Persönlichkeit, die von irrationalen Kräften bestimmt scheint, für ihre tragische Nähe zum Wahnsinn, auch aber für das „Böse“, das sich aus rückhaltloser Ich-Entfaltung ergibt. Steiner geht von der Grundthese aus, daß die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit, Genie und Wahnsinn, selbstloser Gesinnung und Verbrechertum fließend seien. Genie sei kein mystisches Phänomen, sondern entstehe aus einer Steigerung der Seelenkraft, die eigentlich jedem Menschen innewohne.91 Die Notwendigkeit der Seelenbindung zeigt sich für den Vortragenden auch in jenem anderen Bereich: Wenn es richtig ist, daß Menschen mit verbrecherischen Neigungen auf eine frühere Stufe geistiger und physischer Entwicklung zurückfallen, so ist die Gestaltung des geistigen Menschen geboten. Im Rekurs auf Goethe und Haeckel – für manche Weimarer eine merkwürdige Verknüpfung – betont Steiner das Streben nach „geistgemäßer“ Naturanschauung. Die Gründung der „Gesellschaft für ethische Kultur“ bewegt in den frühen neunziger Jahren die deutsche Öffentlichkeit. In einer Zeit heftiger weltanschaulicher Kämpfe und schwindender Sinngehalte versuchen die Initiatoren, gewissermaßen das Fundament einer allgemeingültigen Ethik zu legen. Es ist merkwürdig und interessant, wie die Debatte Weimar berührt: Lily von Kretschman, begeisterte Mitstreiterin der „Ethiker“, begreift sich durchaus im Einklang mit klassischer Humanitätsidee, wenn sie einer allgemein verbindlichen Sittlichkeit das Wort redet. Nicht nur

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den Zeitgenossen, denen die Religion nach wie vor Maß des Lebens ist, scheint ein solches Unterfangen „frivol“92. Rudolf Steiner gebraucht diesen Begriff gleichfalls in seinem Kampf gegen die „aus aller Weltwirklichkeit entwurzelte Ethik“93. Nach langen Gesprächen mit den Weimarer Freunden schreibt Steiner einen scharfen Artikel für die Zeitschrift „Zukunft“. Sogleich legt er den Finger auf den wunden Punkt in der Konzeption der „Ethiker“: Er verweist darauf, daß eine allgemeinmenschliche Sittlichkeit nur eine Fiktion ist; Sittlichkeit eines Menschen oder eines Zeitalters sei unbewußtes Ergebnis seiner Welt- und Lebensanschauung. Die Moderne beuge sich nicht unter das Joch allgemeiner Kunstnorm oder Ethik. Steiner entwickelt erneut seine Individualitätsauffassung: „Lebe so, wie es deinem innern Wesen am besten entspricht; lebe dich ganz, restlos aus.“94 Mit seiner Absage an die Kantsche Pflichtethik, an jegliches Sollen, das von außen an den Menschen herangetragen wird, ist Steiner in den neunziger Jahren nicht allein. Die Rückbesinnung auf das Ich, die Abkehr von der naturwissenschaftlich-positivistischen Orientierung, vom Materialismus, der nur eine „Ansicht für Flachköpfe“95 sei, von den kollektiven Übereinkünften und Bindungen auch, sind durchaus verbreitet. Auch Steiner sieht den einsam ringenden Denker, der aus seinem Inneren heraus zur Erkenntnis gelangt: „Neue Weltanschauungen zeitigen ganz von selbst neue Sittenlehren. Der Messias der Wahrheit ist immer auch der Messias der Moral.“96 Lily von Kretschman und andere reagieren empört auf Steiners Artikel: Nach ihrer Ansicht ist es Grundsatz der ethischen Kultur, „die sittliche Bildung ... allein aus den Existenzbedingungen und Grundgesetzen der menschlichen Natur ... zu entwickeln“97 . Kretschman und die anderen Ethiker stellen den florierenden Ich-Entwürfen in Literatur, Kunst und Philosophie noch einmal ein „Wir“ entgegen. Ihr Versuch freilich, die Gesellschaft auf eine allgemeinmenschliche Sittlichkeit zu gründen, ist hundert Jahre nach Kant zum Scheitern verurteilt. Steiners spirituelles Welt- und Menschenbild wirkt weit ins 20. Jahrhundert, ohne daß seine an den ganzheitlichen Erkenntnisweg geknüpften Erwartungen auf eine Erneuerung der Zeit erfüllbar wären.

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„Heiliger Hügel“ – das Nietzsche-Archiv als Ort der Geselligkeit

2.1 Elisabeth Förster-Nietzsche und ihr Gästekreis Einer der wichtigsten Orte Weimarer Geselligkeit erhält schöne und dauernde künstlerische Form: Am 15. Oktober 1903 wird das von Henry van de Velde neu gestaltete Nietzsche-Archiv eröffnet. Die Tür mit dem eigenartigen und kunstvollen Beschlag öffnet sich zu Räumen von unverwechselbarem ästhetischem Ausdruck. Besucher fühlen einen „Ernst, der ohne Schwere“98 ist, die „weltumspannende Atmosphäre“99 in Bibliothekszimmer und Lesesaal. Die Lage des Archivs auf dem Hügel erlaubt Sonnenuntergangsvisionen, inspiriert zum Bild des einsamen Denkers, der seine Blitze auf „flaches mittelland“100 sendet. Es scheint, als sei hier ein Ort entstanden, der die Sehnsucht der Zeit nach der großen Einheit befriedigt: Man findet

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Intimität und Welthaltigkeit, Modernität und Aufhebung der Tradition, Harmonie von Architektur und Landschaft. Durchaus nicht ironisch sprechen Gäste vom „heiligen Hügel“101. Das Nietzsche-Archiv ist in seiner architektonischen Gestalt, im Kreis der Besucher und in den Veranstaltungen der frühen Jahre auch der europäischen Moderne, einem weltoffenen und intellektuellen Geist verpflichtet. Hier werden Kesslers und van de Veldes Projekte bedacht und beraten; nicht ohne Eitelkeit spricht Elisabeth Förster-Nietzsche von einem „Triumvirat“102, das auf dem Silberblick die Erneuerung Weimars leite. Manchem erscheint das Archiv geradezu als ein „Symbol von Neu-Weimar“103. Bornierte Konservative sehen hier einen zu meidenden Ort des Bösen: So wird der sächsische Gesandte Freiherr von Reitzenstein in Dresden vorstellig, um den Angehörigen seiner Gesandtschaft den Verkehr im Archiv wegen „Religionsgefährdung“ verbieten zu lassen.104 Gäste, die durchaus um die problematische Herausgebertätigkeit Förster-Nietzsches und um ihre Konflikte mit den Mitarbeitern wissen, betonen das Freie und Zwanglose der Geselligkeit. Widerspruch zu geäußerten Meinungen sei jederzeit möglich; Zugang zum „Hof auf dem Silberblick“ verschaffe allein die eigene Leistung.105 Freilich gibt es früh schon auch differenziertere Urteile über das Archiv, seine Verwalterin und den Besucherkreis. Der Kunsthistoriker Karl Scheffler, der Kritik an der unsachgemäßen Nachlaßarbeit Förster-Nietzsches anklingen läßt, bemerkt: „Die rührige kleine Dame hatte es verstanden, dieses auf einem Hügel über der Stadt gelegene Archiv zu einem Mittelpunkt geistiger und gesellschaftlicher Interessen zu machen ... Sie residierte dort in tränenseliger Würde, im Glanze des immer noch zunehmenden Ruhmes ihres großen Bruders.“106 Hugo von Hofmannsthal rät in Bezug auf Förster-Nietzsche zur Vorsicht; ihn stören ihre süßliche, pastörliche Kleinbürgerlichkeit und Taktlosigkeit und die Tatsache, daß sie mit gleicher Begeisterung bedeutende und unbedeutende Leute serviere.107 Noch härter urteilt Natalie von Milde über die Geselligkeit auf dem Silberblick: „Das wird eine kleine Zeit haben, und ich prophezeie kein gutes Ende. Es wird zu arge Selbstherrlichkeit getrieben. Dichter und andere Größen ... beweihräuchern einander in einer übrigens anti-nietzscheschen Weise. ... Und die kleine Frau, die ihrem Bruder so ähnlich ist wie ein Ameisenhügel der Zugspitze, bringt es mit ihrer Unbedeutendheit doch dazu, daß alle Größen, die nach Weimar kommen, bei ihr vorsprechen.“108 Elisabeth Förster-Nietzsche, die Bürgerliche ohne akademische Bildung, die höchste Aristokraten als „gnädige Frau“ titulieren, besitzt in der Tat eine starke Integrationskraft. Diese ergibt sich in gewissem Maße aus der Nietzsche-Verehrung, die sie für die Besucher verkörpert, zu einem Teil aber auch aus ihrer Persönlichkeit. Ein Zug spießiger Gemütlichkeit ist ihr und der Geselligkeit eigen. Schon das Äußere der Gastgeberin – „schwarzes Atlaskleid“ und „weißes Spitzenhäubchen“109 – ist das der Pfarrerstochter, nicht einer weltgewandten Salonière. Sozusagen zu den Grunderlebnissen auf dem Silberblick gehört das Essen eines von der Haushälterin Alwine angefertigten Gebäcks, das die Besucher als „Windbeutel“110, „Hohlhippen“111 oder „Kipfel“112 in Erinnerung haben. Das gelegentlich zitierte Wort vom „Uebermenschenkaffeekränzchen“113 ist so falsch nicht; vielleicht liegt eben in dieser bürgerlich-gemütlichen Atmosphäre etwas Anziehendes für die Besucher. Viele

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fühlen sich wirklich aufgenommen und empfinden eine große Vertrautheit gegenüber Förster-Nietzsche. Man sucht ihren Rat und erzählt ihr Intimes wie Max von Münchhausen, der von mehr oder weniger glücklichen Versuchen berichtet, in jüdischen und nichtjüdischen Häusern Berlins eine reiche Braut zu gewinnen.114 In vielen Fällen beweist Elisabeth Förster-Nietzsche wirkliche Güte und Hilfsbereitschaft; sie unterstützt notleidende Künstler und Gelehrte mit Geldzuwendungen115, kümmert sich um Wohnungen, holt Gäste ab oder schickt den Wagen. Für Maria van de Velde versucht sie gar, Taubenfutter zu besorgen116, als diese im ersten Weltkrieg um ihre Tiere fürchtet. Gerade die Tatsache, daß das große Kultursymbol Nietzsche von einer Gastgeberin vermittelt wird, deren Biederkeit die Besucher nicht einschüchtert, wirkt anziehend auf viele von hier und auswärts. In seiner Frühzeit ist das Nietzsche-Archiv ein Begegnungsort sehr unterschiedlicher kulturinteressierter Persönlichkeiten. Hier treffen sich Adel und Bürgertum, Außenseiter und Etablierte, Frauenrechtlerinnen und Hofdamen, Künstler von europäischem Ruf und Dilettanten, Heimatkünstler, Neuklassiker und moderne Autoren, Politiker und Mäzene, Ausländer und Thüringer, Jenaer und Weimarer. Es scheint, als sei mit Ausnahme Carl Alexanders117 kein anderes Mitglied des großherzoglichen Hauses im Archiv zu Gast. Pauline hat als begeisterte Wagnerianerin wohl gewisse Vorbehalte, obgleich sie von ihrem Vater von Nietzscheschen Gedanken hört. Die junge Großherzogin Caroline lernt Förster-Nietzsche nicht kennen.118 Dies schließt nicht aus, daß eine lange Reihe von Aristokraten und Hofbeamten, auch Persönlichkeiten der ‚Silbernen Zeit′ im Archiv zu Gast sind. Paulines Kammerherr Baron Goeben und seine literaturbeflissene Frau Mary119, Marie Gräfin Wedel geborene von Beust, die Verfasserin eines idealischen Buches über ihren Vater, Carl Alexanders langjährigen Oberhofmarschall120, und ihre Tochter Cecilie, auch Freiherr von Thüna und seine Gattin121 gehören zu den regelmäßigen Besuchern. Daisy zu Dohna, die wegen ihrer liberalen Gesinnung manchen Weimarern als „rot“ gilt, die in der Stadt eine Gärtnerei betreibt, kümmert sich um den Garten des Archivs, schickt sonnabends Obst und Gemüse, erscheint aber auch zu den Soireen.122 Die etwas eigenartige und ironische Olga von Meyendorff, die vielberedete Liszt-Freundin, ist gleichfalls geladen.123 Alfred und Helene von Nostitz-Wallwitz weilen in ihren Weimarer Jahren regelmäßig auf dem Silberblick. Am 17. April 1910 wird für sie dort ein Abschiedskonzert „con molto sentimento d’affeto“124 gegeben, bei dem der Pianist Walter Lampe gemeinsam mit dem Cellisten Otto Urack und den Sängerinnen Marie von Prott und Elisabeth Urtel Beethoven, Brahms und einige Nietzsche-Lieder zu Gehör bringt. Melancholisch wird ihnen das „Fliege fort! fliege fort!“ des „Herbst“-Liedes und jenes „Weiß nicht, wohin sein Weg noch will“ des „Wanderers“ klingen. In Helene von Nostitz’ Buch „Aus dem alten Europa“ gehört das Nietzsche-Archiv zu den Räumen des „Neuen Weimars“. Sie zeigt es ohne Besucher, in der Stille und im Sonnenuntergang, sich selbst und die Hausherrin in ein Nietzsche-Gedicht vertieft125, als einen stilisierten Ort kulturvoller Andacht und Versenkung. Staatsminister Karl Rothe und seine Frau bringen eines Tages Gertrud Bäumer, die bekannte Frauenrechtlerin, mit ins Archiv.126 Arnold Paulssen, der liberale Departementchef des Inneren ist ebenso Gast127 wie Regierungspräsident von Philips-

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born128. Die Direktoren und Mitarbeiter der kulturellen Einrichtungen kommen regelmäßig zu den Lesungen, Essen und Soireen: Professor Waldemar von Bausznern, der Direktor der Großherzoglichen Musikschule, ist unter den Besuchern, auch Hofkapellmeister Peter Raabe, Konzertmeister Robert Reitz und Bruno Hinze-Reinhold, der wohl bedeutendste in Weimar lebende Pianist.129 Gelegentlich werden die Musiker selbst zu Mitwirkenden. Auf den Einladungslisten stehen der Kunsthistoriker und Privatsekretär des Großherzogs, spätere Wartburghauptmann Hans von der Gabelentz130, die Museumsmitarbeiter Willibald Hermens und Hans-Timotheus Kröber131, der Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Wolfgang von Oettingen132, schließlich Werner Deetjen133, der ab 1916 die Bibliothek leitet. Hofrat von Bojanowski und seine Töchter, von denen eine, Eleonore, ebenso wie der Vater biographisch-kulturgeschichtliche Werke verfaßt, sind im Archiv gerngesehen.134 Für eine besonders faszinierende Persönlichkeit in Weimar gilt Oskar Bulle135, der eine Zeitlang Vorstand der Deutschen Schillerstiftung ist. Es versteht sich, daß der Verleger Gustav Kiepenheuer und seine Frau Irmgard auf dem Silberblick ein- und ausgehen.136 Wenngleich man annehmen darf, daß Förster-Nietzsche selbst nicht zu den Parteigängerinnen der weiblichen Emanzipationsbewegung gehört, lädt sie doch führende Vertreterinnen des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium ins Archiv ein. Schon 1900 ist Natalie von Milde zu Gast, die mit ihrer „Zarathustra“-Interpretation allerdings wenig Zustimmung findet: „Meine beste Idee, daß im Zarathustra der Uebermann den Uebermenschen bekämpft, wurde verworfen. Es sei Nietzsche’s Grundgedanke durchaus und nur, daß die Welt nur mit Ueber- und Unterordnen zu halten sei, – ein Nebeneinanderordnen von Mann und Weib sei dabei ausgeschlossen, und bei seinen schönsten Stellen über Ehe habe Nietzsche nie einen solchen Gedanken gehabt.“137 Der in der Tat problematische Versuch, Nietzsche aus frauenemanzipatorischer Sicht anzueignen, ist fürs erste gescheitert. Auch in den folgenden Jahren aber sind selbstbewußte und gebildete Frauen im Archiv: Dr. Selma von Lengefeld, nach Mildes Tod Vorsitzende des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium in Weimar, kommt mit ihrer Freundin Dr. Wagner.138 Die blinde Adele von Hanneken, die seinerzeit noch von Milde für den Verein gewonnen wurde, erscheint mit Sophie Roi.139 Die vielleicht eifrigsten Besucherinnen im Archiv140 sind die Steiermärkerin Dora Wibiral und ihre Freundin Dorothea Seeligmüller: Die beiden Damen sind musikalisch und künstlerisch hochbegabt, literarisch gebildet und menschlich wertvoll141. Sie sind van de Velde-Schülerinnen, Lehrerinnen an der Kunstgewerbeschule. Nebenbeibemerkt fällt gerade am Gästekreis des NietzscheArchivs auf, daß andere Lebensformen als die Ehe auch im damaligen Weimar vorhanden sind und bis zu einem bestimmten Punkt akzeptiert werden. In diesem Zusammenhang wäre auch die zur Heimatkunst tendierende Autorin Friede H. Kraze zu erwähnen, die stets mit ihrer Lebensgefährtin Lies von Krause eingeladen wird.142 In Weimar wirkende bildende Künstler besuchen die Veranstaltungen des Archivs. Die Grafikerin Margarethe Geibel, die für die Mappen des Radiervereins arbeitet, schickt ihre Zusagen auf selbstgestalteten Karten.143 Der Zeichner und Buchkünstler Marcus Behmer144, der gleichfalls moderner Formensprache zugetane

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Thilo Schoder145 kommen ebenso wie Richard Engelmann146, der Bildhauer, der das Weimarer Wildenbruch-Denkmal gestaltet. Ist der Kreis der einheimischen Gäste schon faszinierend, wirklichen Glanz erhält das Archiv erst durch Europas Künstler, die auf den Silberblick steigen. „Das Interessanteste war mein Besuch in Friedrich Nietzsches Wohnung wo er seine letzten Jahre verbrachte und starb – Seine Schwester Frau Förster wohnt dort – und dort ist Sonntag ein Empfang – dorthin gehe ich auf jeden Fall ...“147 Dies schreibt Edvard Munch am 18. März 1904. Der Künstler, dessen späteren Weltruhm man damals nur ahnen kann, ist nach eigener Einschätzung in dieser Zeit „in schlechte Gesellschaft, Weiber und Alkohol“148. Die Aufträge, die er in Weimar erhält, sind nicht nur vom Finanziellen her lebenswichtig für ihn. Der Norweger malt ein Porträt des Grafen Kessler und eine Radierung von Elisabeth Förster-Nietzsche. „Schöne heitere Stunden“149 habe sie mit ihm verlebt, schreibt die Hausherrin des Archivs an Munch; sie ist bestrebt, den Künstler nach diesem ersten Besuch wieder nach Weimar und in ihren geselligen Kreis zu holen. Die „Gastfreundschaft“150 FörsterNietzsches trägt nicht zum wenigsten dazu bei, daß Munch in den folgenden Jahren zu einem langen Aufenthalt nach Thüringen kommt und auch wieder im Archiv weilt. Im November und Dezember 1905 betreibt er Milieu- und Werkstudien zu einem großen posthumen Bild Friedrich Nietzsches, mit dem ihn ein Stockholmer Kunstsammler beauftragt hat. Auf diesem Gemälde steht Nietzsche auf einer Veranda, schaut in ein Tal hinunter, während über den Bergen die Sonne aufgeht. „Man kann an eine Stelle denken, in der er sagt, daß er im Licht steht, aber wünscht, es wäre dunkel ...“151, schreibt Munch. Der Künstler erfaßt ein Grundmotiv Nietzscheschen Lebens und Schreibens, die Suche nach dem Licht und das Vergehen in ihm, Blendung, schmerzhafte Helligkeit und ewiges Dunkel. Er überhöht gewissermaßen die Topographie des Silberblicks im Symbol. Auch die Hausherrin des Archivs verewigt der Maler in einem Ganzfigurenbild. Es ist das Porträt einer Herrscherin. In der Tat hält Förster-Nietzsche hof. Als Stellvertreterin ihres Bruders läßt sie sich huldigen, sie ist der Mittelpunkt einer Geselligkeit, zu der durch „Bildung“ ausgewiesene Fremde herbeigezogen werden. Auch sie empfängt offizielle Delegationen, wie 1911 die Kongreßteilnehmer der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft152. Ihr mäzenatisches Wirken ist am Beispiel Edvard Munchs deutlich: Sie sorgt, daß der Künstler in Weimar und Thüringen bekannt wird, knüpft Fäden, die seinen internationalen Ruhm befördern, zeigt sich auch als gütige und nachsichtige Gastgeberin und Briefpartnerin. Einige der bedeutenden Porträtbilder sind ihrer Vermittlung zu danken.153 Die für Munch und für die hiesige Öffentlichkeit so wichtigen Ausstellungen im Jenaer Kunstverein, im „Russischen Hof“ und im Hotel „Kaiserin Augusta“, schließlich im Museum für Kunst und Kunstgewerbe sind ohne die fördernde Tätigkeit Förster-Nietzsches und den eigenartigen Musenhof auf dem Silberblick nicht zu denken. Der Name Edvard Munchs steht neben anderen glanzvollen der klassischen Moderne, deren Träger das Archiv besuchen: Klinger und Liebermann, Mackensen und Kirchner154 – die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit. Die Kritiker Karl Scheffler155 und Hans Rosenhagen156 sind bei Förster-Nietzsche geladen; dem letzteren kommt das Verdienst zu, jenen seit dem 19. Jahrhundert gewisserma-

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ßen auf der Straße liegenden Begriff des „Neuen Weimars“ aufgenommen und mit Kesslers und van de Veldes Bestrebungen verknüpft zu haben. Die Musiker Gustav Mahler und Richard Strauss, die Autoren Gide, Hauptmann, George, Dehmel und D’Annunzio, der Regisseur Max Reinhardt157 – man muß die Reihe nicht weiter fortsetzen, um zu belegen, daß das Nietzsche-Archiv eine große Anziehungskraft für Europas geistige Elite besitzt. Das Archiv ist Begegnungsraum für die Intellektuellen Weimars und Jenas. Die 1904 gegründete Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar, die die Möglichkeiten der beiden so unterschiedlichen Städte für Erleben und Propagieren moderner Kunst zusammenzuführen sucht, trifft sich gelegentlich auch auf dem Silberblick. Jenaer Professoren und vor allem ihre Ehefrauen sind Gäste und Gesprächspartner. Der Philosoph Bruno Bauch, der innovative und künstlerisch begabte Anglist Levin Ludwig Schücking bereichern die Veranstaltungen, vor allem aber Rudolf und Irene Eucken und der Philosoph und Kunstsammler Eberhard Grisebach.158 Der Kunsthistoriker Botho Graef ist besonders häufig im Archiv; er will FörsterNietzsche mit Kirchner bekanntmachen159 und hält mindestens einen Vortrag hier für die „Kunstfreunde“160. Das Jena-Weimarer „Gesellschaftsexperiment“161 ist kaum vorstellbar ohne die integrierende und ausstrahlende Kraft des Archivs und ohne das Engagement seiner Leiterin. Bei der Beurteilung einer im Positiven wie im Negativen für die Kulturgeschichte Weimars wichtigen Persönlichkeit wie Elisabeth Förster-Nietzsche sollte man sich vor Vergröberungen hüten. Daß sie sich „eindeutig zu den nationalistischantisemitischen Überzeugungen ihres Mannes“162 bekenne, sogar eine Verkörperung des von ihrem Bruder verabscheuten Antisemitismus sei, ist in ihren persönlichen Beziehungen und in der Geselligkeit des Archivs bis 1918 nicht erkennbar. Zur Feier von Nietzsches 60. Geburtstag 1904 erklingt unter anderem „Zarathustras Nachtlied“ in der Vertonung von Arnold Mendelssohn163, des verdienten Kirchenmusikers und Lehrers von Paul Hindemith, der der großen jüdischen Familie des Philosophen (und des Goethe faszinierenden Komponisten) entstammt. Dies erscheint wie ein Symbol dafür, daß das Nietzsche-Archiv viele Jahre lang auch wichtiger Gedenk- und Begegnungsort jüdischer Intellektueller ist. Die Jenaer Professoren Eduard Rosenthal und Otto Binswanger mit ihren Frauen besuchen seine Veranstaltungen ebenso wie Anna und Felix Auerbach und dessen Schwägerin Kaethe.164 Zwischen Anna Auerbach und Förster-Nietzsche entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis. Elisabeth kommt nach Jena, besucht die offenen Sonntagnachmittage Auerbachs, genießt die Musik und die literarischen Lesungen in ihrem Haus. Unter vier Augen sprechen die beiden Frauen über die Eindrücke der Sommerreisen165, aber auch über ernste Zeitfragen. Daß historische Ereignisse zwischen ihnen nicht zur Sprache kämen166, ist unrichtig; die These der „sehr unterschiedlichen politischen Überzeugungen“167 Auerbachs und Förster-Nietzsches bedürfte genauerer Erörterung. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs jedenfalls wird von ihnen in ähnlicher Weise bewertet.168 Der bedeutende Literatur- und Kulturhistoriker und neuklassische Dichter Samuel Lublinski, der mit seiner Schwester in Weimar wohnt, ist gleichfalls ein gerngesehener Gast im Archiv. Selbstverständlich wird auch „Fräulein“ Lublinski mit

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eingeladen.169 Der Autor, der seine ironischen Pfeile gegen die „plumpen Rattenfänger“170 des Rassismus richtet, weilt auch außerhalb der großen Soireen zu Besuch bei Förster-Nietzsche. Zu Recht hat man eine Traditionslinie jüdischer NietzscheVerehrung konstatiert171, die sich aus im einzelnen unterschiedlichen Deutungen von Thesen des Philosophen speist. Es ist also kaum verwunderlich, daß das Archiv zumindest bis zum Ende des ersten Weltkriegs auch für diese Nietzsche-Pilger ein bevorzugter Ort ist.

2.2 Vorträge, Lesungen und Konzerte Die Geselligkeit im Nietzsche-Archiv besteht im wesentlichen aus drei Elementen, die sich abwechseln und ergänzen. Musikalische Darbietungen, Lesungen aus literarischen Werken und wissenschaftliche Vorträge befördern den Ruhm des Philosophen, tragen nicht selten auch zu seiner unkritischen Verklärung bei. Dies bedeutet nicht etwa, daß wissenschaftliche Kreativität und künstlerische Kraft ausgeschlossen wären, sie dienen aber letztlich einem leuchtenden Nietzsche-Bild, das kritischer Befragung nicht ausgesetzt wird. Gelehrte unterschiedlicher Fachrichtungen halten „meist sehr fesselnde“172 Vorträge. Harry Graf Kessler tritt mehrfach ans Pult; seine Sicht Nietzsches erscheint den begeisterten „Jüngern“ als zu nüchtern173. Der Physiker Felix Auerbach spricht im Sommer 1909; er scheint naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit Nietzsches Lehre zu verbinden, jedenfalls empfindet FörsterNietzsche seinen Vortrag als sozusagen physikalische Bestätigung der Gedankenwelt ihres Bruders.174 1907 hält Raoul Richter einen Vortrag über „Nietzsche und die Franzosen“175. Richter ist ein alter Bekannter Elisabeth Förster-Nietzsches, er verkehrt schon in Naumburg bei ihr, vermittelt ihre Bekanntschaft mit Kessler. Einige Schilderungen zeigen Richter als faszinierende Persönlichkeit. Er ist ein Sohn der geistvollen Berliner Salonière Cornelia Richter, ein Enkel Meyerbeers. Als Student der Philosophie und Biologie hilft er, ein „scharfer kritischer Verstand“, Harry Graf Kessler bei der Nietzsche-Lektüre und bei dem Versuch, die letzten Reste kindlichen Glaubens „auszujäten“.176 Hugo von Hofmannsthal wird 1914 eine Gedächtnisschrift für Raoul Richter publizieren177; er zeigt ihn als starken und sensiblen Menschen, der ihn tief beeindruckte. 1908 ediert Richter, der als Philosophieprofessor in Leipzig lehrt, jene exklusive, aber als „unphilologisch“ kritisierte Erstausgabe des „Ecce homo“. Er ist auch einige Jahre Vorstandsmitglied der Stiftung NietzscheArchiv und häufiger Gast auf dem Silberblick. In seinem Vortrag wird Richter auf Nietzsches Geistesverwandtschaft178 mit den französischen Aphoristikern eingehen, deren scharfe und pointierte Analyse komplexer Lebenserscheinungen seinen Stil beeinflussen. Auguste Comtes Positivismus und dessen Weiterführung durch Hippolyte Taine sollte Richter als „Quellen“ Nietzschescher Philosophie untersucht haben. „Wo es nur irgend paßt ... spielt er die Vorzüge des Romanen den Germanen und unter diesen besonders den Deutschen gegenüber aus“179, bemerkt Richter schon in seiner Monographie, und er nennt Leichtigkeit und Anmut als Eigenschaften der Franzosen, die Nietzsche hochhält. Möglicherweise hat der Vortragende auch ein

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kurzes Kapitel dem beträchtlichen Einfluß gewidmet, den der deutsche Philosoph auf die Franzosen ausübt. Die Reihe der wissenschaftlichen Vorlesungen im Nietzsche-Archiv enthält auch im folgenden manche bedeutende Stimme. Zwar wird Richard Oehler, Elisabeths Vetter und willfähriger Handlanger, der nicht eben durch philologische Akribie bekannt ist, seinen Vortrag „Nietzsche als Bildner der Persönlichkeit“180 als bloße Eloge angelegt haben. Wenn Oskar Bulle hingegen über italienische Renaissance181 spricht, so darf man von dem exzellenten Italienkenner und -forscher, Verfasser eines Buches über „Dantes Beatrice“182, Interessantes und Gültiges erwarten. Neben Bulle referiert 1913 Albrecht Wirth im Archiv183: Der Privatgelehrte, der an der Technischen Hochschule München Geschichte lehrt, ist Generalsekretär der Orientalischen Gesellschaft. Seine Forschungen zur Weltgeschichte speisen sich aus dem zeitgenössischen Interesse an Aufstieg und Niedergang von Rassen und Völkern. Dabei ist er keineswegs ein primitiver Germanenschwärmer184, sondern ein subtiler Kenner auch entlegener Nationalitäten. Völkisches Gedankengut ist ihm nahe, dies zeigt sich auch in seinem Engagement für ein erneuertes Volkstheater Wachlerscher Provenienz. Gleichfalls 1913 hält der spätere Nietzsche-Biograph Karl Heckel einen Vortrag über „Nietzsche und Wagner“185, der gerade in Weimar auf höchstes Interesse stoßen sollte: Die innige Nähe und schmerzliche Loslösung der beiden großen „Antipoden“186 hat ein spannungsvolles Nachspiel nicht nur in der Beziehung FörsterNietzsches zu Cosima Wagner, sondern auch in der zu einigen Anhängerinnen des Liszt-Wagner-Kreises. Das tiefe Zerwürfnis Elisabeths mit Adelheid von Schorn187, die nicht ins Archiv eingeladen wird, hängt mit deren Abneigung gegen Nietzsches Lehre, auch aber mit ihrer Hochschätzung Wagners zusammen. Die Vortragstätigkeit im Archiv belegt, daß man den ersten Weltkrieg hier zunächst als große schmerzvolle Läuterung des einzelnen und der Nation ansieht.188 Zum Ende des verlorenen Krieges zieht man sich auf eher unpolitische Themen zurück. In der Zeit von der Jahrhundertwende bis 1918 zeigen sich auch in den wissenschaftlichen Inhalten der Archiv-Geselligkeit das Nebeneinander, zuweilen auch die Berührung dessen, was man als völkisch, konservativ oder modern bezeichnet. Solides, Fesselndes und Geistvolles, aber auch Langweiliges, gar Peinliches wird dargeboten. Für letzteres ist schon Kurt Breysigs Auftritt an Nietzsches Sarg ein Beispiel: Der Redner zückt ein dickleibiges Manuskript und ergeht sich in kulturhistorischen Abhandlungen189, völlig dem Geist des Verstorbenen widersprechend. Förster-Nietzsche ist stolz auf ihre großen Teegesellschaften, zu denen die Gräfin Bünau erscheint. Diese verfaßt unter ihrem Mädchennamen Henriette von Meerheimb spannende Unterhaltungsromane aus dem „Gesellschaftsleben“, deren klischeehafte Charaktere und Konfliktstrukturen außer Frage stehen. (Übrigens finden sich in den Texten hier und da Details, die dem Weimarer Bekanntenkreis entnommen scheinen.190) Die leidenschaftliche Nietzsche-Anhängerin, deren Werke sich gut verkaufen, liest mehr als einmal im Archiv. Beim Vortrag aus ihrem Caroline-Schlegel-Roman fällt Zuhörern die stilistische Lässigkeit auf, die gelegentlich das Komische streift.191 Dabei ist Bünau geistvoller als ihre Bücher, sie bekennt sich

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zu dieser Art Unterhaltungsliteratur, auch zum „Effekt“ als einer wichtigen poetischen Kategorie. Henriette von Meerheimbs Lesungen im Archiv bilden nur eine Facette literarischer Geselligkeit. Von anderer Art sind schon die Texte ihrer Kollegin Marie von Wedel, die sich gelegentlich als „Hofdichterin“ versucht, ein Volksschauspiel über den Erzieher Johannes Falk verfaßt, deren patriotisches Drama „Theodor Körner“ im Jubiläumsjahr der Schlacht bei Leipzig auf dem Silberblick vorgestellt wird.192 Auch Alice von Gaudy gehört in diesen Rahmen: Die Nachkommin des bekannten Vormärzautors rezitiert im Mai 1914 im Archiv ihre Gedichte.193 (Sie erhält übrigens ein Honorar von 50 Mark194, von dem sie die Reise nach Weimar und zwei Übernachtungen in einer Pension bestreitet.) Gaudy gehört zu den Balladendichtern der Jahrhundertwende, diesem Genre ist auch ein wesentlicher Teil ihres etwa einstündigen Programms gewidmet. Ihre Lyrik ist nicht frei von süßlicher Idyllik und abgegriffenen Gefühlsphrasen. Grundthema ihrer Balladen ist sittliche Bewährung, entsagungsvoll-aufopferndes, aber auch mutiges Handeln historischer Frauenpersönlichkeiten. Es ist inspiriert durch die moderne Emanzipationsbewegung, wird aber in konventioneller Formensprache durchgeführt. Wer nun vermutete, das Archiv biete nur literarischer Mittelmäßigkeit ein Forum, irrte: Bereits 1901 liest Richard Dehmel195, damals nicht nur ein Autor von europäischem Ruhm, sondern einer auch, der sich intensiv mit Nietzsche auseinandersetzt. Es ist anzunehmen, daß Dehmel sein Gedicht „An Friedrich Nietzsche“ vorgetragen hat. Die Hausherrin ist „unbeschreiblich erschüttert“196 von dieser Lesung. 1904 kommt ein Dichter ins Archiv197, der ungeachtet seines heute verblaßten Ruhms zu den guten und gültigen gehört: Detlev von Liliencron, zu dessen finanziellen Unterstützern Förster-Nietzsche gehört, liest aus seiner Lyrik. Ellen Key, die bekannte und weitwirkende Verfasserin des „Jahrhunderts des Kindes“, trägt nicht aus ihrem Werk198 vor; sie spricht auf einer Teegesellschaft einige Worte über Friedrich Nietzsche199, was ihr auf Grund ihrer mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache nicht leichtfällt. Rudolf Alexander Schröder, Insel-Mitbegründer, Innenarchitekt, bedeutender Dichter und faszinierender Zeitgenosse in den Kämpfen des 20. Jahrhunderts, liest aus seinem 1906 erschienenen Lyrikband „Elysium“.200 In formvollendeten Versen, die ästhetizistisch-jugendstilhaft an Hofmannsthal erinnern, gestaltet Schröder die Ablösung der Seelen vom Irdischen, ihr schmerz- und lustloses Dasein und die schwierige Beziehung zwischen ihnen und den Lebenden. Die Zuhörer im Archiv beeindruckt, daß der Autor nicht deklamiert201, sondern allein den natürlichen Klang und die natürliche Folge der Worte wirken läßt. „Noch im Jahre 1907 muß es gewesen sein, daß ich mit Hofmannsthal endlich zusammentraf. ... Er las im Weimarer Nietzsche-Archiv aus seinen Werken vor, und es waren zuviel Menschen zugegen, als daß er sich näher mit mir hätte befassen können. Doch schon die Lesung hatte mich bezaubert.“202 Dies schreibt der baltische Autor Otto von Taube, der bald mit Hofmannsthal in engeren Kontakt tritt. Auffallend ist, daß die sogenannten Neuklassiker im Nietzsche-Archiv einen wichtigen Ort haben. Nicht nur Samuel Lublinski ist gerngesehener Gast; Wilhelm von Scholz wird sogar zu Förster-Nietzsches „jour fixe“ geladen203, den sie im Stil einer Salonière einrichtet. Der bedeutendste Befürworter einer neuen Klassizität in

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der Literatur, Paul Ernst, liest auf dem Silberblick etliche Male aus seinen Werken. 1904 schon trägt er aus seinem noch unveröffentlichten Drama „Ninon de l’Enclos“ vor.204 1912 liest der Autor im Archiv sein Lustspiel „Der Hulla“, das Stück um den Kalifen von Bagdad und seinen hochstapelnden Hofdichter Mustapha, das die Zuhörer in seiner orientalischen Farbigkeit „unerwartet reizend“205 finden. Im gleichen Jahr noch hört man Ernsts gerade von der Gesellschaft der Bibliophilen publiziertes Schauspiel „Ariadne auf Naxos“.206 Es zeigt die grundsätzliche Problematik seiner Stücke, die Unfähigkeit, Konflikte straff, überschaubar und mitreißend zu entwickeln, den Mangel andererseits an einer psychologischen Fundierung der Charaktere. Einen besonderen Reiz erhält Ernsts „Ariadne“ für Elisabeth selbst und eingeweihte Nietzsche-Kenner: Der Philosoph sieht sich im „Ecce homo“ selbst als Dionysos, die Identität Ariadnes bleibt ein Rätsel. Förster-Nietzsche findet heraus, daß sich hinter Nietzsche-Dionysos’ Ariadne Cosima Wagner verbirgt. Theseus ist demnach Wagner. Sie schweigt darüber zunächst vor der Öffentlichkeit; als ein Nietzscheforscher die Wahrheit kundtut, kämpft sie wider besseres Wissen dagegen.207 Paul Ernsts antikes Drama wird also bei der Lesung im Archiv Spannung dadurch gewinnen, daß manche Zuhörer moderne Protagonisten hinter den Rollen erblicken. Bereits am 29. Oktober 1908 hört eine bunte Zuhörerschaft Paul Ernsts bekanntestes Drama „Brunhild“, das erst 1909 bei Insel erscheint. Van de Veldes, Hofmanns, Helene und Alfred von Nostitz, Hans Olde, Rothe und Paulssen, Auerbachs aus Jena, die Frau des schwedischen Mäzens Ernest Thiel, auch Ernsts neuklassischer Mitstreiter Lublinski und etliche andere Persönlichkeiten sind gekommen208; vor der Lesung werden der Autor und ein ausgewählter Kreis zum Diner geladen. Den fesselnden und konfliktreichen Nibelungenstoff gestaltet Ernst in einer Weise, die die Zuhörer zu Attributen wie „noble ennui“ und „edelverstiegener Oberlehrer“209 greifen lassen. Selbst Scholz, der mit dem Verfasser persönlich und geistig eine Zeitlang eng verbunden ist, vermerkt, daß Ernst das Ziel dramatischer Dichtung in einer „fleisch- und farblosen Abstraktion einer rein ethischen Konfliktsdarstellung“210 sehe. Es ist nur auf den ersten Blick verwunderlich, daß die neuklassischen Autoren im Archiv ein Forum für ihre Kunst finden. Sie begeistern sich alle für Nietzsche, der ihnen interessanterweise als „klassische Natur“ gilt. Samuel Lublinski betont den klaren und geschlossenen Stil des Philosophen, seinen „Sternentanz der großen Logik“211, sein Streben um ein in all seinen Proportionen abgewogenes Kunstwerk. Für Paul Ernst ist es die große Tat Nietzsches, daß er ein „ethisches Ziel aufgestellt hat, das mit dem Glück gar nichts zu thun hat“212, daß er es überhaupt wagte, der Menschheit wieder ein höheres Ziel zu zeigen. Die neuklassischen Autoren sehen Nietzsche als Wegbereiter ihrer eigenen Ästhetik, als einen, der um die klassische Kunst ringt wie sie selbst, für den die neue Klassizität nicht eine Richtung unter vielen, sondern einzig mögliche und heilsame Weltaneignung ist. Das Spektrum der Autoren, die auf dem Silberblick lesen, und noch mehr das der dichtenden Gäste ist sehr breit. Verfasser von Unterhaltungstexten aller Art, von kulturhistorisch und soziologisch interessanten Schriften erscheinen ebenso wie die Neuklassiker und die Protagonisten der europäischen Moderne. Bei alledem fällt auf, daß die beiden Weimarer Antipoden der Heimatkunst nicht zu Förster-

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Nietzsches Favoriten gehören: Friedrich Lienhard wird sich den Weg ins Archiv mit seinem Nietzsche-Aufsatz verbaut haben, der allzu stark die „Unfähigkeiten und Untugenden“213 des Philosophen betont. Adolf Bartels mißfällt der Gastgeberin weniger durch seine nationalistische und antisemitische Ausrichtung als vielmehr durch seine kulturellen Aktivitäten, die Förster-Nietzsches und ihres Archivs angestrebte Hegemonie untergraben könnten. Es bleibt festzuhalten, daß das Nietzsche-Archiv über einen langen Zeitraum ein wichtiger und faszinierender Vermittlungsort von Literatur ist. Wie im Leben des Philosophen, so spielt in der Geselligkeit des Archivs die Musik eine zentrale Rolle. Die Feier des 60. Geburtstages Friedrich Nietzsches am 15. Oktober 1904, auf der auch einige seiner eigenen Kompositionen erklingen, schließt mit Conrad Ansorges Vertonung des Dithyrambus „Die Sonne sinkt“.214 Walter Lampe, ein anderer in Weimar lebender Pianist, spielt gleichfalls öfter im Archiv. Das Lisztjahr 1911 wird mit musikalischen Morgenfeiern und anderen Konzerten215 begangen. Stets legt man größten Wert auf die Instrumente. Als das sogenannte Meininger Quartett im Archiv spielt, wünscht Lampe den sehr guten BechsteinFlügel des Schriftstellers Hegeler216, der nach dem Transport nochmals zu stimmen ist. Die Pianistin Lili Kroeber-Asche spielt auf einem eigens herbeigeschafften Blüthner-Flügel.217 Als Walter Petzet und die Konzertsängerin Ida Maria Eucken, die Tochter des Jenaer Philosophen, Lieder von Mozart und Schubert, Debussy, Reger und Wolf zu Gehör bringen, besorgt man einen Blüthner-Flügel aus dem Magazin von Paul Neuschild.218 Die musikalischen Programme umfassen ein breites Spektrum zeitlich-stilistischer Epochen: Geige, Viola d’amour und Cembalo spielen die Stücke des Gothaer Hofkapellmeisters Georg Anton Benda und die François Couperins, aber auch die von Johannes Brahms. Der Weg geht bis zu Hugo Wolfs neuartiger Synthese von Text und Musik und zu Claude Debussys musikalischem Impressionismus. Ludwig Tiecks und Johannes Brahms „Liebesgeschichte der schönen Magelone“ mit Ernst Latzko und Ferdinand Wiedey lenkt die Zuhörer 1917 vom Kriegsalltag ab.219 Einen Schatten freilich vermag man in musikalischer Hinsicht im Archiv nicht zu überspringen: Richard Wagner wird nicht gespielt. Dies überläßt man der Lieblingsfeindin Cosima, der anderen Gralshüterin auf dem anderen Hügel. Am Donnerstag, dem 7. Dezember 1916, gedenkt man im Archiv220 Max Regers: Der Geiger Robert Reitz, erster Konzertmeister und Lehrer an der Musikschule in Weimar, Stadtorganist Hermann Keller und Ida Maria Eucken gestalten ein Programm mit Liedern und Instrumentalwerken des Verstorbenen. Das gerade in diesem Jahr hervortretende Leid des Krieges, von dem auch einige Absagebriefe an Förster-Nietzsche sprechen, gibt der musikalischen Feier eine besondere Tragik.

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2.3 Neues Weimar – Heimatkunst. Das Nietzsche-Archiv in der kulturpolitischen Auseinandersetzung Elisabeth Förster-Nietzsche kommt das Verdienst zu, Kesslers und van de Veldes Aktivitäten in Weimar initiiert zu haben. Man weiß um die Kontakte der Archivgründerin zu Graf Kessler, die Mitte der neunziger Jahre schon hergestellt werden221, als ihn die Angelegenheiten der Zeitschrift „Pan“ nach Naumburg führen. Jener symbolträchtige Besuch am Grab Friedrich Nietzsches in Röcken222 zu dessen erstem Todestag 1901, zu dem mit Henry van de Velde die dritte wichtige Persönlichkeit erscheint, markiert schon einen gewissen Abschluß von Verhandlungen, Überlegungen, diplomatischen Sondierungen, eröffnet zugleich eine Phase, in der für alle sichtbar moderne Kunst in Weimar gefördert wird. Die Protagonisten des „Neuen Weimars“ sind in ihrem Streben hier durchaus einig. Es ist nicht gerechtfertigt, Harry Graf Kessler als Begründer eines Zentrums der „übernationalen, europäischen Künstleravantgarde“223 zu feiern, Förster-Nietzsche hingegen zu unterstellen, sie habe die Weimarer Projekte „zur Verklärung des glanzlosen Reiches im Bunde mit Potsdam“224 initiiert. Das Nietzsche-Archiv ist ein Begegnungsort einflußreicher Hofbeamter mit den Persönlichkeiten des „Neuen Weimars“. Schon bevor der Großherzog den Maler Hans Olde und Henry van de Velde offiziell beruft, knüpft Förster-Nietzsche ein Netz diplomatischer Kontakte. Sie spricht Rothe und Palézieux über die Bedeutung van de Veldes und seiner künstlerischen Handschrift; sie lädt Kessler, Maria und Henry van de Velde gemeinsam mit Graf Werthern, dem Schwager des einflußreichen Oberhofmarschalls, und mit Egloffstein, dem gleichfalls wichtigen Kabinettsekretär des Großherzogs, zu Tisch. Förster-Nietzsche weiß um die Macht höfischer Persönlichkeiten, auch darum, daß man sie zur Änderung der Verhältnisse einbeziehen muß, zumal sie nicht alle als rückwärtsgewandt oder gar ignorant abzutun sind. Kesslers und van de Veldes Bewußtsein einer großen Überlegenheit, ihre Hybris, die glaubt, sich höfischer Figuren und Intrigen gleichsam spielerisch bedienen zu können, um der Sache des „Neuen Weimars“ zu nützen, ist eine Ursache ihres Scheiterns. Elisabeth Förster-Nietzsche rät Kessler zu vorsichtigem Vorgehen und zu einer Einbeziehung etwa Egloffsteins in das Reformwerk: „Egl. ist übrigens eine ... unterrichtete Persönlichkeit, u. wir müssen nur mehr mit ihm zusammen kommen, damit er etwas modernisiert wird ... Es nützt nichts unentbehrliche Persönlichkeiten fortzuwünschen ... Er ist wirklich auch anderen Anschauungen zugänglich u. gar nicht so sehr Hofschranze; Sie hätten nur hören sollen, wie er neulich Hn. v. Tschudi gegenüber die Kunstansichten des Kaisers mißbilligte!“225 Dies wirft ein neues Licht auf Carl Alexanders und Wilhelm Ernsts Kabinettsekretär, der bisher als eine Negativgestalt des Rodin-Skandals in die weimarische Kulturgeschichte einging. FörsterNietzsche hat recht mit ihrer Mahnung, Egloffstein heranzuziehen und für die modernen Bestrebungen zu interessieren. (Übrigens zeigen die folgenden süffisanten Bemerkungen der Archivchefin226 zu der Tatsache, daß Egloffstein nicht verheiratet ist, in einem Brief an den „Junggesellen“ Kessler, auch die privaten Konfliktfelder des Wirkens in Weimar.)

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Ein enges – man darf wohl sagen: freundschaftliches – Verhältnis verbindet Elisabeth Förster-Nietzsche mit Maria und Henry van de Velde: Mit „besonderer Bewegung“227 gedenkt der belgische Künstler ihrer in seinen aus weitem historischem Abstand geschriebenen Memoiren. Am 3. April 1913 wird im NietzscheArchiv van de Veldes 50. Geburtstag gefeiert. Das Ereignis ist groß und einmalig in der hiesigen Geselligkeit und zeigt doch eine typische Mischung von komischer Banalität und wissenschaftlicher Tiefe, von Komik und Rührung, von weimarischen Intrigen und geradezu welthistorischem Ernst: Elisabeth Förster-Nietzsche trägt eine gereimte Ansprache vor, „anspruchsloser ... als der Ort es erlaubte“228, daran anschließend schmettert ein Bläserchor „Wer hat dich, du schöner Wald“. In seiner Rede vermeidet van de Velde ostentativ jedes Wort über Weimar, zum Ärger des anwesenden Ministers Rothe und der anderen offiziellen Vertreter. In die gedämpfte Stimmung hinein hält der Kunsthistoriker Karl Scheffler dann seinen „klassischschönen“229 Festvortrag, der den Jubilar zu Tränen rührt. Seiner Tischnachbarin erklärt van de Velde in bewegender Naivität, vor einem Krieg müsse man keine Angst haben; die Arbeiter aller Länder würden zusammenstehen und einen solchen verhindern.230 Im folgenden Jahr ist der Krieg da. Van de Velde und seine Familie geraten als Ausländer in eine furchtbare persönliche und materielle Lage. Als Schikanen und pöbelhafte Briefe sogenannter Patrioten Maria und Henry van de Veldes Leben immer schwieriger machen, hält Elisabeth Förster-Nietzsche zu ihnen. Sie unterstützt sie im Alltag und bezieht sie selbstverständlich weiter in die ArchivGeselligkeit ein. Auch van de Veldes Töchter Lene und Nele besuchen gelegentlich die literarischen und musikalischen Veranstaltungen oder sind ohne offiziellen Anlaß bei Förster-Nietzsche zu Gast. Noch am 11. April 1918 lädt sie Maria van de Velde zu einem Vortrag ins Archiv ein. Ihr Gatte ist in die Schweiz ausgereist; man hat das Haus Hohe Pappeln durchsucht und Maria die Ausreise verweigert. Sie antwortet Förster-Nietzsche auf die Einladung: „Das Furchtbare was augenblicklich geschieht nimmt mir die Kraft einen anständigen Gesellschaftsmensch zu sein den ich doch nicht aufhören will zu sein u. ich empfinde eine wahre Scheu mich mit Menschen zu unterhalten die mir nicht sehr nahe stehen ... Ich werde bald einmal zu Ihnen kommen wenn ich weiss, dass ich Sie allein zu Hause treffe.“231 Ohne die schwerwiegenden Lebensfehler der Archivleiterin aus dem Blick zu verlieren, muß man es ihr doch hoch anrechnen, daß sie gegen das offizielle Weimar und gegen einen blinden Nationalismus dem „Europäer“232 van de Velde und seiner Familie gegenüber solidarisch handelt. Nach 1900 sind weder Weimar noch das Nietzsche-Archiv friedvolle Inseln harmonischer Kulturpflege. In Auseinandersetzungen über Literatur und Kunst, die mit Erbitterung geführt werden, sind Freunde und Gäste des Archivs einbezogen. Als im Sommer 1902 die Gründung einer Zeitschrift erwogen wird, die „der geistigen Persönlichkeit Friedrich Nietzsches und dessen Kulturidealen“233 verpflichtet ist, ein Projekt übrigens, das sich in die Kämpfe des 19. Jahrhunderts um eine Weimarer literarische Revue einreiht, ergeben sich sofort eine Reihe persönlicher, aber auch grundsätzlich weltanschaulicher Konflikte.

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„Es gibt keine moderne Zeitschrift in Deutschland, die von höchsten Gesichtspunkten aus geleitet, alle vorwärtsstrebenden Geister zu antireaktionärgeschlossener Wirkung in und um sich versammelt.“234 Max von Münchhausen, der dies konstatiert und damit zugleich das Ziel des neuen Blattes bestimmt, empfiehlt sich selbst nachdrücklich als Herausgeber und ist auch als solcher vorgesehen. Die Berliner Verleger Fischer und Franke sollen die Zeitschrift publizieren. Bald schon bemerkt Münchhausen, daß einflußreiche Weimarer Kreise seinen Absichten entgegenarbeiten: „Ich war Gestern Abend am Biertisch mit den Herrn Fischer und Francke zusammen. Sie sprachen, wie auch ein anwesender Maler, ... mit grösster Erbitterung von van de Velde. ... Natürlich stammte das alles von Wachler; sie gaben es mir auch zu.“235 Im folgenden berichtet Münchhausen, daß die „Gegenpartei“ mit Minister Rothe beraten habe, auch Cranach – Burghauptmann der Wartburg – sei dagewesen. Hans Olde habe man gleichfalls gewinnen wollen, dieser aber habe van de Velde zaghaft in Schutz genommen.236 Die Vorgänge um die NietzscheZeitschrift sind Teil der Auseinandersetzungen um eine neue „Kunstblüte“237 in Weimar, um moderne Formensprache und um die Heimatkunst. Auch hier empfiehlt es sich, die Vorstellung einer klaren Frontstellung, einer reinlichen Scheidung der Konfliktparteien zugunsten subtilerer Analyse aufzugeben. Ernst Wachler und seine Frau gehören zu den regelmäßigen Gästen auf dem Silberblick. Dennoch gibt es einen gewissen Zwiespalt zu Förster-Nietzsche und ihrem Mitstreiter Münchhausen. Man ist empört, daß Wachler von „Weimar, dem Mittelpunkte der Heimatkunst“238 spricht. Zu Beginn wünscht die Archivleiterin, daß ihr Gesamtprojekt wie die Revue im besonderen mit der europäischen Moderne und Kesslers und van de Veldes Bestrebungen eines „Neuen Weimars“ verknüpft werden. Vor allem aber fürchtet sie, daß die heimatkünstlerische Richtung dem Nietzsche-Kult das Wasser abgraben könnte. Wachler, der einflußreiche völkische Autor und Herausgeber der Weimarischen Zeitung, scheint nicht ungeschickt seine Fäden zu ziehen, wenn es ihm gelingt, den feingeistigen Cranach und ein Stück weit sogar Hans Olde auf seine Seite zu bringen. Vor dem Hintergrund dieser Konflikte ist den Berliner Verlegern das Zeitschriftenprojekt doch zu heikel. Auch Eugen Diederichs hat „keinen Wagemuth“, außerdem „keine Sympathien für das Streben van de Veldes“.239 Bald schon zeigt es sich, daß das Projekt einer Nietzsche-Zeitschrift nicht nur durch eine heimatkünstlerisch-konservative Fronde zunichtegemacht wird. Max von Münchhausen, der Kessler und van de Velde zunächst leidenschaftlich nach Weimar wünscht, gerät bald in Konflikt mit ihnen. Er findet – nicht einmal zu Unrecht – daß sich van de Velde durch „barocke Äusserungen“240 über traditionelle Stilrichtungen unnütz Feinde schaffe. Der Künstler, der Münchhausens Möbel entwirft241, solle „in Tönung und Formen“242 mehr Wärme entwickeln. Kritischer stellt er sich zu Kessler. Dieser erregt seinen Unwillen durch einen Vortrag, in dem er der Vergötterung Nietzsches eine sachliche Position entgegensetzt. In diesem Zusammenhang spricht Münchhausen vom „Cerberus in Lackstiefeln“, vom „kalten Rationalisten“.243 Es scheint, als ob den altadeligen Münchhausen gegenüber dem „neugebackenen Grafen von Reuss jüngere Linie“244 ein starkes Minderwertigkeitsgefühl leitete. Er spürt, daß ihm Kessler im Geistigen überlegen, zudem nicht wie er auf Brotarbeit –

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eben die Herausgabe der Zeitschrift – angewiesen ist. Der Graf hat es nicht nötig, demütig-liebevoll um die Gunst der „Mama“ Förster-Nietzsche zu buhlen. Er kann es sich leisten, seine Reserve gegen ein Blatt reinen Nietzschekultes auszusprechen. Die auch das Archiv berührenden kulturellen Konflikte sind mit dem fürs erste245 gescheiterten Zeitschriftenprojekt nicht zu Ende. Im folgenden Jahr 1903 findet eine Pressefehde statt, zu der die Korrespondenz Förster-Nietzsches interessante Innenansichten liefert. Am Weimarer Hoftheater wird am 2. April Heinrich Sohnreys Volksstück „Dorfmusikanten“ uraufgeführt. Kurz darauf erscheint im „Tag“ eine vernichtende Rezension: „Weimar also wurde das Rhodus der Heimatkünstler. Ich will berichten, wie sie gehüpft sind. Ach, nicht allzuhoch! Zitternd schreibe ich es hin; denn diese Dorfmusikanten der Literatur halten zusammen. Auf das Wort ‚Unfähigkeit′ eilen sie alle zu den Knüppeln, als ertönte ihr Schlachtruf.“246 Wilhelm von Scholz, der Rezensent, betont im folgenden die verlogene Sentimentalität, die Kolportageelemente, die armseligen Geschehnisse des Stückes, das er als typisch für die heimatkünstlerischen „Dorfmusikanten der Literatur“247 begreift. An einem Punkt seiner Besprechung, die im allgemeinen völlig zutreffend ist, könnte eine ernsthafte Auseinandersetzung anschließen. Scholz’ ironische Abfertigung des bäuerlichen Publikums248, das die Premiere besucht und nur durch Kolportage zu begeistern sei, greift zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu kurz. Gerade in Weimar erweist es sich als brisantes Problem, „hohe Kultur“ vom Volk und seinen Bedürfnissen getrennt verwirklichen zu wollen. Ernst Wachler freilich, der in der Tat zu den Knüppeln eilt, hat weder Feinheit noch Überblick, um wirkliche Angriffsflächen zu suchen. Er zeiht Scholz sogleich der „rüpelhaften Gewohnheiten einer gewissen Berliner Presse“249. Nichts ist so falsch wie sein Vorwurf, Scholz habe den „Ton der Gasse“250 gewählt; der Rezensent kritisiert eben aus der Position des vornehmen, neuklassischen Künstlers, der die Literatur dem Beifall der Menge zu entziehen sucht. Wachler nennt einige Namen von Heimatkünstlern, die angeblich alle Scholz überlegen sind. Dies ist nicht einfach, Wachler muß Persönlichkeiten vereinnahmen, die gar nicht oder nur vermittelt in Bezug zur Heimatkunst stehen. Unter ihnen ist Max von Münchhausen. Der – ohnehin verdrießlich, daß man ihn ständig mit seinem Vetter Börries, dem konservativen Balladendichter, verwechselt – ärgert sich, daß Wachler ihn „als Eideshelfer seiner langweiligen Heimath-Leute“251 aufführt. Er sei mit dessen „aesthetischen Grundsätzen ... durchaus nicht einverstanden; und neige in dieser litterarischen Fehde ... viel mehr auf die Seite des Herrn von Scholz“252. Um nicht in den Verdacht der Borniertheit und Geschmacklosigkeit zu kommen, schreibt Münchhausen einen Brief, in dem er sich gegen die Vereinnahmung in die Heimatkunst verwahrt, den Wachler wider Erwarten doch abdruckt.253 Die Zuschrift freilich ist wesentlich gemäßigter als die polemischen Äußerungen in der Korrespondenz mit Förster-Nietzsche. Der Pressestreit nimmt seinen Lauf. Wilhelm Bode entgegnet Scholz im „Tag“.254 Er verkennt bestimmte Mängel in Sohnreys Stück nicht, legt aber den Finger auf den wunden Punkt in Scholz’ Argumentation. Bauern seien sehr wohl in der Lage, zwischen Kolportage-Unwahrheit und realistischer Darstellung zu unterscheiden. Dann aber nimmt auch Bode den problematischen Gegensatz von Gesundheit und Krankheit auf, sieht Sohnreys Stück als gesundes Werk, das im Boden

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des Volkstums wurzelt, im Gegensatz zu (nicht näher bezeichnetem) Kranken in der Literatur. Die Pressedebatte, in die Gäste des Nietzsche-Archivs verwickelt sind, hat jenseits des harmlosen Sohnrey-Dramas eine interessante Dimension: Scholz’ harte Kritik an der Heimatkunst erwächst aus konservativem Denken. Er polemisiert eben gegen „Tendenzliteratur“, gegen Dichtung aus – hier heimatkünstlerischer – Überzeugung, die der schöpferischen Aneignung des Lebens zum Nachteil gereiche. Dieses Denken läßt den Befürworter der Klassizität zum Gegner Wachlers, aber zum Freund „Neuen Weimars“ an der Seite Förster-Nietzsches werden. Friedrich Lienhard, dessen Definitionsversuch „Was ist Heimatkunst?“255die Weimarische Zeitung in die Pressedebatte einführt, ist Scholz so fern nicht. Seine Forderung nach Erneuerung der Literatur aus einer geistigen – nicht oder doch nicht nur räumlichen – Heimat berührt sich mit der neuklassischen Orientierung auf den ideellen Gehalt des Kunstwerkes. Am Ende der Pressefehde wird nochmals Lienhard aufgerufen: Die Zeitung druckt sein Gedicht „Odysseus“ neben dem Wilhelm von Scholz’ „In der alten Kapelle“.256 Es ist ein unglücklicher Versuch, die Überlegenheit der Heimatkunst zu beweisen. Lienhards Gedicht, das in „hohem Ton“ sein Lieblingsthema, die Vereinigung von Griechenland und Nordland gestaltet, ist ebenso durchschnittlich wie das seines neuklassischen Kontrahenten.

2.4 Krieg und Geselligkeit Nur ein oberflächlicher Betrachter könnte annehmen, daß der Ausbruch des ersten Weltkriegs keinen Einfluß auf die Geselligkeit im Archiv habe. Zwar wird der regelmäßige Kreis der Soireen und Lesungen bis 1918 nicht unterbrochen; die Wandlungen im Leben der Beteiligten sind doch gravierend. Wie viele Menschen in Deutschland glauben auch die Besucher auf dem Silberblick, mit dem Kriegsbeginn intensiver zu leben, aus der Enge und den Nöten des Alltäglichen in eine bedeutungs- und kraftvolle Zeit des Kampfes zu gelangen. Nietzsche erscheint ihnen als Vordenker des historischen Ereignisses, als einer, der seine Leser gewissermaßen öffnet und stählt für den Krieg. „Gehoben“257 fühle er sich, in dieser Zeit zu leben, schreibt Eduard Rosenthal mit seiner Zusage zu einer Lesung im Archiv. Anna Auerbach spricht über die gleiche Empfindung subtiler und enthusiastischer: „Und überdies sind wir Alle in dieser Steigerung der Lebensempfindung uns jeden Tag dankbar bewußt, welche Weite und Stärke unser seelischer Resonanzboden durch Nietzsche gewonnen hat: um wieviel wir durch ihn härter im Schmerz und würdiger für den Sieg geworden sind. ... Dann will ich mit ihnen ... die Nachfeier halten, über das Thema: Wenn Nietzsche auch diesen Krieg noch erlebt hätte!“258 Es ist eine besondere Tragödie, daß diese Bekenntnisse von jüdischen Intellektuellen stammen. Rosenthals Sohn, den er stolz zum Truppenübungsplatz ausrücken sieht259, wird in diesem Krieg fallen; seine Frau, die Lazarettdienst leistet, wird – von den Nationalsozialisten drangsaliert – 1941 den Freitod wählen. Felix und Anna Auerbach sterben schon 1933 von eigener Hand, in dem Jahr, in dem ihre Vertraute FörsterNietzsche Hitler im Archiv empfängt und sich zum Antisemitismus bekennt.

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Hinter der scheinbar ungebrochenen Archivgeselligkeit während des ersten Weltkrieges werden bald materielle Nöte und persönliches Leid sichtbar. Frauen wie Irmgard Kiepenheuer halten Sanitätswache für das Rote Kreuz. Die Musikerin Elisabeth Urtel berichtet über eine von ihr geführte Beratungsstelle in der Windischenstraße, in der Brot und Milch für Bedürftige verteilt werden: „So materiell sind meine Interessen durch den Krieg geworden!“260 Viele Archivgäste trauern um ihre gefallenen Söhne. Die Geselligkeit auf dem Silberblick bietet Ablenkung, vor allem aber Rechtfertigung und Verklärung des Krieges unter Berufung auf Nietzsche. Dies gilt für die Vortragstätigkeit, auch für literarisch-musikalische Soireen. Am 11. März 1916 etwa steht im Zentrum von Gesang und Rezitation der Vortrag zweier Gedichte von Walther Heymann, der im Jahr zuvor bei Soissons fiel.261 Das wohl eindrücklichste Bild des Nietzsche-Archivs im ersten Weltkrieg liefert Helene von Nostitz: „Friedlich liegt die thüringische Landschaft hinter den breiten Fenstern in der dämmernden Abendstunde. Davor steht ein feldgrauer Leutnant, den Arm in der Binde, und spricht vor diesem stillen Bild von Kampf und bitterer Not; und der Geist des Mannes, der auch so herb widerstanden, so tief gelitten hat, zieht durch den Raum, auf den jetzt die Nacht herniedersinkt, mit dem ersten Erglühen der Sterne.“262 Dies ist eine Ästhetisierung des Krieges, so fein und subtil, daß man sich ihr kaum zu entziehen vermag: Der rahmende Blick auf die harmonische heimatliche Landschaft und ins Universum der funkelnden Sterne, der Vortragende mit den sanften Accessoires des verwundeten Soldaten, der das Elend gewissermaßen „aufhebt“ und auch hier der Geist Nietzsches, der den Leidens- und Durchhaltewillen der Zeitgenossen stützt. Das Archiv über der Stadt ist kein Refugium heiter-geselliger Begegnung und kommunikativen Austausches jenseits sozialer Entwicklungen, politischer Parteiungen und höfisch-residenzlicher Konflikte. Jene „Deutschsprechung“263 des Philosophen im ersten Weltkrieg, das Ineinsgehen von Kriegsbegeisterung und Glauben an Erneuerung des Lebens im Nietzscheschen Sinne bestimmen die Haltung der Hausherrin wie ihrer Gäste, nicht zuletzt jener, die wie Anna Auerbach oder Harry Graf Kessler264 mit europäischen Kulturtraditionen vertraut sind. Es ist ein interessantes Phänomen, daß ehemalige Besucher des Silberblicks später in den zwanziger Jahren elegisch auf den Jahrhundertbeginn zurückblicken. Obgleich die Geselligkeit im Archiv fortgeführt wird, erscheint das Ende des Krieges als kultureller Bruch, als Zäsur, an der die endgültige Zerstörung des Ideellen einsetzt. „Wenn ich an die Tage zurückdenke, da sich Weimar allwöchentlich bei Ihnen traf ...“ beginnt Wilhelm von Scholz 1926 einen Brief an Förster-Nietzsche, um dann festzustellen: „Der Geist und die Kunst, denen unser aller Leben gewidmet war und denen unsere Gespräche bei Ihnen gehörten, in der Breite der Zeit in Auflösung und Zersetzung.“265 Merkwürdigerweise wird Friedrich Nietzsche, der einer ganzen Generation junger Intellektueller als kühner Erneuerer von Leben und Denken galt, nunmehr zum „Bewahrer und Erhalter der unvergänglichen Werte“266.

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1. Weimarer Geselligkeits- und Vereinskultur – eine Einführung Im Juni 1880 wird im Park zu Tiefurt ein „Thüringisches Nationalfest“ gefeiert. In ihm sollen die „idealen Anschauungen und Lebensäußerungen des Volkes“1 zum Ausdruck kommen. Viele Weimarer Vereine gestalten das Fest mit ihren Angeboten, die unterschiedliche Interessen befriedigen. Zur sonntäglichen Ankunft in Tiefurt singt der vereinigte Sängerbund, dann schießt man auf den Ständen der Schützenkompanie oder beteiligt sich am Preiskegeln des Arbeitervereins. Nach der motivischen Idee des Rattenfängers von Hameln findet ein großes Kinderfest statt. Am Abend sorgen bengalische Feuer und Illuminationen für den stimmungsvollen Rahmen des Tanzvergnügens. Der nächste Tag bietet Preisturnen, Umzug des Landwirtschaftlichen Vereins, das traditionelle Lustblattschießen der Armbrust, Stechvogelschießen der Vereinsgesellschaft, eine Ausstellung des Volksbildungsvereins, aber auch ein Künstlerfest im niederländischen Charakter. Auffallend ist die Einheit von Unterhaltendem und Bildendem, von gleichzeitigem Bezug auf Fürstenhaus, thüringische Volkskultur und Nation, von Materiellem und Kulturellem, von Alltag und Tradition. Was hier in einem harmonischen Gesamtbild beschworen wird, ist eine Utopie. Die tiefgreifenden sozialen und kulturellen Probleme des Kaiserreichs sind auch in Weimar nicht zu negieren. Feste und Vereinswesen zeigen die Merkmale der Epoche: die Emanzipation des einzelnen und sozialer Gruppen, weiteren Verlust der Religion und Etablierung neuer ganzheitlicher Deutungsmodelle unterschiedlicher Art, das Streben, der Entwertung der Natur zum bloßen Ausbeutungsobjekt entgegenzuwirken, die Erkenntnis der „Leere“ kultureller Erscheinungen, eine neue und gesteigerte Sehnsucht nach dem Idealismus. Kurzfristig Einladungen auszusprechen, ist in dem „gesellig überregen“2 Weimar der Jahrhundertwende kaum möglich. Eine schwer überschaubare Fülle von Vorträgen und Lesungen, Festen und Bällen, Konzerten, Gedenkstunden und Ausstellungen, Varieté- und Theaterabenden, Ausflügen und Wanderungen bestimmt den Jahreslauf. Der Hof, seine Feiern und Veranstaltungen, bilden nur einen kleinen Teil der Geselligkeitskultur, ohne daß sie ihre Bedeutung gänzlich eingebüßt hätten. Das höfische Personal bestimmt Salons und gesellige Kreise mit: Unter den Beamten und Diplomaten und ihren Frauen sind Liebhaber und Vermittler moderner europäischer Kunst wie das Ehepaar Nostitz, aufgeschlossene Salonièren wie Mary von Goeben und Erika von Watzdorf-Bachoff, glänzende Gastgeber wie Graf und Gräfin Wedel, bei denen Edvard Munch verkehrt, aber auch in Bigotterie und Ritual erstarrte wie der sächsische Gesandte Reitzenstein. Die Häuser der „ausländischen“ Vertreter spielen traditionell eine wichtige Rolle; man denkt an den preußischen Gesandten von Müller, der nicht der rigide Zensor ist, als den ihn Teile der Kulturgeschichtsschreibung hinstellen, oder an den russischen Geschäftsträger Prozor, der

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das Großherzogspaar gemeinsam mit Edvard Munch zu Gast lädt. Auch die führenden Regierungsvertreter sind nicht unwichtig, Rudolf Freiherr von Groß, Gottfried Theodor Stichling oder Karl Rothe sind nicht nur „amtlich“ mit Kunst und Theaterfragen befaßt, in ihren Häusern entfaltet sich kulturvermittelnde Geselligkeit. Nach wie vor gibt es Berührungen zwischen der höfischen und der Salon- und Vereinskultur. Trotz aller Bezüge existiert noch eine relativ stabile soziale Gliederung der Geselligkeitssphären. Der Hof empfängt auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwar Gelehrte, Autoren, Musiker und Künstler, nicht aber bürgerliche Frauen. Offener ist – wie man damals sagt – die „Gesellschaft“: Adelige, Bürger von Bildung und Reichtum, führende Künstler geben Bälle, Frühstücke, Tees, Diners und Soireen, unter ihnen originelle wie das „Weimarer Unikum“3 des Damenballs, eines Kostümfestes nur für Frauen, bei dem sogar eine Damenkapelle und weibliche Kellner in Erscheinung treten. Einige Salons bieten intimere und freiere Geselligkeit. Im Umkreis der Archive, Bibliotheken und Museen bewegen sich Gelehrtenkreise zwischen der Aufgeschlossenheit für neue kulturelle und soziale Entwicklungen, akribischem Philologentum und skurril-abseitigem Forschungsinteresse. Der Jahreskreis mit Vergnügungen und Feiern ist faszinierend in seinem Gleichmaß. Nach den Maskenbällen der Karnevalszeit folgen stillere Tage, bis zu Ostern „die Fidelitas wieder in ihre Rechte“4 tritt: Die „Faust“-Aufführungen an beiden Feiertagen bilden das Zentrum des Festes, das mit fröhlichen Weisen in Werthers Garten, „lieblichen Zimpeln in Altweimar in der Kaiserin Augustastraße“5, Varietévorstellungen, Frühschoppen, Militärkonzerten, Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen und Tanzbällen aller Art gefeiert wird. Der Zwiebelmarkt im Oktober gelangt bis in die Tagebücher Gerhart Hauptmanns; der Dichter trifft seinen Kollegen Johannes Schlaf, der ihm sagt, wie schön der Majoran dufte.6 Den Weihnachtsmarkt beschreibt Helene Böhlau mit sozialkritischem Blick.7 Eine Fülle von Veranstaltungen auf den Dörfern berühren die Weimarer Geselligkeitskultur. Man besucht die Obstausstellung in Oßmannstedt, einen Ball im Gasthaus „Burgschloß“ in Buchfart, ein öffentliches Tanzfest des Schweizervereins Vippachtal oder das Erntedankfest in Ottmannshausen.8 Man wandelt zum Alten Rödchen am Südhang des Ettersberges mit seiner auch literarisch9 gewordenen Gastwirtschaft, man geht durch das von Weimarer Künstlern gemalte Kirschbachtal nach Niedergrunstedt und genießt dort sein Bier unter der breitästigen Linde10 ; man unternimmt Ausflüge nach Buchfart, Ettersburg oder auf den Hexenberg bei Berka. Kulinarische „Merkzeichen“ der Woche oder des Jahres strukturieren das stabile Gleichmaß des Alltags: Salzknochen, Rostbratwürste und Brätchen, Schittchen, Gänsebraten und Karpfen. Eine scheinbar ewig gefügte Festkultur vermittelt Geborgenheit; später in den Krisen des 20. Jahrhunderts ist sie Gegenstand melancholischer Rückschau und nostalgischer Verklärung. Auch im Weimar der Jahrhundertwende gibt es Ansätze bohemehaften Lebens, die freilich nicht mit Schwabing oder Friedrichshagen vergleichbar sind. Friedrich Arnd, der in löchrigen Polstermöbeln über die indischen Meister philosophiert, bacchantische Feste feiert, seine eigenartige Weltdeutung entwirft, bürgerliche Sexualnormen mißachtet, ist ein gutes Beispiel dafür.11 Bezeichnenderweise spielt die

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Prostitution in der Residenz eine größere Rolle als etwa in der Arbeiter- und Wissenschaftsstadt Jena; selbst geachtete Staatsbeamte bedienen sich ihrer.12 Bei einer Beurteilung der Weimarer Geselligkeit sollte man sich vor Pauschalem und Einseitigem hüten. Es ist weder richtig, daß sie sich in konventionellem Leerlauf bewege noch daß sie der bloßen Verstandesschulung verpflichtet sei. Daß die „Festkultur der Moderne“ jeder „höheren Sinngebung entkleidet“ sei und auf „Jahrmarkt, Wurst und Wein“ schrumpfe13, ist ein in dieser Verallgemeinerung nicht zutreffendes Verdikt. Die Geselligkeit jener Tage bietet sehr unterschiedliche Facetten: Ritual und Stumpfsinn, Albernheit und simple Glorifizierung, aber auch politisches Bekenntnis, wirkliche Freude, Gemeinschaftserleben, intellektuellen und ästhetischen Genuß. Die Beziehung zur klassischen und nachklassischen Tradition ist noch immer wichtig. An die Formen des 19. Jahrhunderts anknüpfend, begeht man Gedenktage; neben dem Pathetischen und Dekorativen ist doch Raum für Kreativität und kollektives Erleben. Es scheint, als ob die gemeinsame Feier von Fürstenhaus, Künstlerschaft und Volk im neuen Jahrhundert ihren Glanz verliere; dies hängt mit der stärker nationalen Orientierung, aber auch mit der wenig integrierenden Persönlichkeit des Regenten zusammen. Man wird feststellen, daß der klassische Bildungsbegriff für die Weimarer Geselligkeit wesentlich ist. Die Suche nach grundsätzlicher Orientierung von Intellekt, Willen und Gefühl im Ganzen des Seins empfindet man als ebenso wichtig wie schwierig angesichts des Verlustes sinn- und maßgebender Weltordnung. Vielfältig sind die Versuche des „Festhaltens“ traditioneller Sinngebungen ebenso wie die Etablierung neuer „maßgebender“ Modelle. Das Streben nach umfassender Bildung jedenfalls ist (noch) starkes Lebensmotiv und einer der Hauptinhalte von Geselligkeit. (Geschäftsleute wie Georg Haar, der Gedichte schreibt, Parenthesen zu Lessings „Laokoon“ verfaßt14 und Mitglied der Bibliophilengesellschaft ist, verkörpern gewissermaßen jenes Bildungsideal.) Die Moderne ist in der Geselligkeit vielfältig präsent. Ihre technischen, emanzipatorischen, politisch-sozialen und ästhetischen Züge erscheinen in der kleinen Residenz, die nach wie vor Fäden mit Paris, München und Berlin verbinden. Weimar ist nicht hinter dem Mond. In seinen Vereinen spiegeln sich Frauen- und Reformbewegung, sozialpolitische, liberale und nationale Ansätze der Jahrhundertwende. Mehrere Lichtspielhäuser vermitteln das neue Medium, über Kabarett und Theaterreform wird an der Ilm ebenso leidenschaftlich diskutiert wie an der Isar. 1919 erscheint die Parodie auf einen Verein, seine Ziele, Mitglieder, Versammlungen und Feste.15 Dieser „Mandolinenklub für kulturelle Ethik“ hat seinen Sitz in dem „in lieblicher Lage inmitten Deutschlands gelegenen Lerchenhausen“16, hinter dem sich Weimar verbirgt. Der Autor Askan Schmitt spottet über die Tatsache, daß man Belanglosem oder bloß Unterhaltsamem wie dem Spiel von Volksliedern auf der Mandoline gleichsam eine höhere Weihe zu geben versucht. Im fiktiven Verein beruft man sich in alberner Weise stets auf den „Olympier“ oder den „Einsiedler von Sils-Maria“, um Bildung unter Beweis zu stellen. Man strebt Ortsgruppen auch anderswo an, hält zu Pfingsten eine Jahrestagung ab, orientiert sich also an der äußeren Organisationsstruktur der Goethe-Gesellschaft. Die Vereinsarbeit ist von Nich-

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tigkeit und Intrigen gekennzeichnet, von einem Philistertum, das mit hochtrabendem Gerede verdeckt wird. Die Mitglieder mit den karikierenden Namen finden sich „zu einem zwanglosen Meinungsaustausch über die verschiedensten brennenden Geistesfragen der Gegenwart“17 zusammen; in Wahrheit ist das Vereinsleben nichts anderes als regulierter und bürokratisierter Leerlauf. Mit der Frauenrechtlerin Fräulein Hulda Maßlieb, dem Oberlehrer Emanuel Milchmann, dem Licentiatus theologiae Holofernes Rumpelstilzchen und dem Chefredakteur a.D. Pennemann scheint das Personal bürgerlicher Bildungsvereine vollzählig versammelt. Die Vortragsthemen nehmen komisch-verzerrend die Inhalte öffentlicher Debatte der letzten Jahrzehnte auf, man referiert etwa über die „Frauenfrage, die Frage unsrer Zeit“ oder über das „Recht des Auslebens der Individualität“.18 Auch die „kulturelle Ethik“ im Vereinsnamen zielt auf eine Richtung weltanschaulicher Auseinandersetzung: Seit den neunziger Jahren fragt man sich, ob es möglich sei, eine sittliche Grundlage der Gesellschaft – jenseits religiöser und sozialer Gegensätze – zu schaffen. Nicht, daß sich die Figuren in Askan Schmitts fiktivem Verein ernsthaft mit den theoretischen Problemen befaßten, die geistesgeschichtliche Diskussion wird nur aufgerufen, um sogleich in witziger Persiflage erledigt zu werden. Schmitts Buch, das im völkisch ausgerichteten Hakenkreuz-Verlag DresdenHellerau erscheint, ist eine ambivalente Erscheinung: Einerseits erfaßt es Züge bürgerlicher Vereinsmeierei in Weimar, hochgestochene Sprache bei geringem geistigen Anspruch, „leeren“ Aktivismus, intrigantes Philistertum. Andererseits diskreditiert es Geselligkeit und Debatte in geradezu hämischer Weise. Das gesamte Vereinsleben in der „Pensionopolis Lerchenhausen“19 erscheint als Vorspiegelung nicht vorhandener Intellektualität. Ohne Schmitts Büchlein überzuinterpretieren, erkennt man doch Ansätze einer totalitären Abwehr von differenzierter Geselligkeit, von Räsonnement und kritischer Meinungsbildung. Zwischen den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts und dem ersten Weltkrieg entfaltet sich in Weimar ein reiches und vielgestaltiges Vereinswesen, von dem bisher nur weniges bekannt ist. Es ist nicht angebracht, die Tätigkeit der Vereine als Freizeitbeschäftigung behäbiger Philister zu bespötteln: Einige von ihnen befördern die Emanzipation gesellschaftlicher Gruppen, bringen die Lösung wirtschaftlicher und intellektueller Probleme einen Schritt vorwärts, viele helfen zu Wissenserwerb und praktischer Lebensbewältigung, fast alle leisten einen Beitrag zu sozialen Projekten. In einer Zeit, in der die Massenmedien noch nicht ihre Rolle haben, ist die Unterhaltungsfunktion der Vereine bedeutend. Feste aller Art, „Schmausereien“ und Ausflüge bieten Gelegenheit zu Gespräch, Kennenlernen und Flirt. Maskenbälle, lebende Bilder, Konzerte erlauben Dilettantismus verschiedener Abstufung, schulen Kreativität und ästhetisches Empfinden. Eine gewisse Bildungsbeflissenheit Weimarer Vereine ist nicht zu leugnen; Bildung wird freilich auch für jene eingefordert, die herkömmlich von der akademischen Schulung ausgeschlossen sind. Weimar ist Sitz überregional tätiger Gesellschaften und Vereine, auch Tagungsort von nationaler, gelegentlich internationaler Ausstrahlung. Dies ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt, berührt sie zugleich mit neuen intellektuellen Impulsen, läßt am Rande der offiziellen Sitzungen eine anregende Geselligkeit verschiedener Ausprägung entstehen.

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Neben deutschland- oder thüringenweit agierenden Vereinen, die in der Stadt Ortsgruppen unterhalten, gibt es spezifisch weimarische mit zum Teil langer Tradition. Zur Geschichte mancher Familie gehört es, daß man über Generationen Mitglied eines bestimmten Vereins ist. Nicht selten arbeiten Weimarer Bürger auch in mehreren Vereinen mit, die unterschiedliche Interessen befriedigen: So sind Juwelier Müller und Tischlermeister Scheidemantel Mitglied im Gewerbeverein und in der Vereinsgesellschaft, Hoflieferant Laemmerhirt gehört der letzteren und der Armbrust an. Weinhändler Arno Krehan gar ist nicht nur in der Loge, im Vorstand der Armbrust-Schützengesellschaft und in der Vereinsgesellschaft, er wirkt als Schatzmeister des Bismarck-Vereins und engagiert sich für „Jungdeutschland“. In einem begrenzten Kapitel ist es nicht möglich, Hunderte Weimarer Vereine in Personal, Zielstellung und Geselligkeit zu untersuchen. Allein Turn- und Gesangvereine spielen eine wichtige Rolle im öffentlichen Leben. Seitdem im Revolutionsjahr 1848 auf Anregung Robert Frorieps der Bade- und Schwimmverein gegründet wurde und nach den Prinzipien Friedrich Ludwig Jahns der erste Turnverein entstand20, haben Sportvereine in Weimar eine große Tradition und Mitgliederzahl. Seit den achtziger Jahren kennt man Radfahrvereine, später kommen Unternehmungen hinzu, die sich dem Fußball, Flug- und Luftverkehr, Tennis und Kegeln verschreiben. Alle diese Bestrebungen erfahren die Unterstützung des Großherzogs Wilhelm Ernst, der auch das Projekt eines Sportstadions in Weimar fördert.21 Ein reiches geselliges Leben entwickelt sich rund um diese Sportvereine; Wettkämpfe, Feste und Bälle, gemeinsame Wanderungen stehen auf dem Programm. Dies gilt in ähnlicher Weise für die Gesangvereine, die zum Teil eine beachtliche künstlerische Qualität erreichen. Zu vielen Gelegenheiten tritt der Lehrergesangverein auf, der seit 1906 auch einen gemischten Chor hat. Die „Liedertafel“, nur aus männlichen Sängern bestehend, gibt Konzerte wie das am 15. Januar 1913 unter ihrem bewährten Dirigenten Joseph Thienel in der „Armbrust“, zu dem man Chorwerke neu einstudiert hat und eine Sängerin der Berliner Hofoper als „Verstärkung“ gewinnt.22 Besonders aktiv ist der Gesangverein „Arion“, der im Juni 1912 zum großen Sängerfest lädt. Seine Plakate und Schriftstücke zeigen ein Bild des Schlosses mit allerlei musikalischen Allegorien und dem Text: „Banner der Eintracht Senke Dich nieder Auf unser Leben Auf unsere Lieder.“23

Der Freundschafts-Sängerbund der Arbeiter, der seit 1907 vom Theaterchorsänger Emil Steiniger geleitet wird24, erlangt sogar überregionale Wertschätzung. In Weimar als einem „Vorort“ der bürgerlichen Frauenbewegung wirken neben „Frauenbildung-Frauenstudium“ eine Reihe anderer sehr engagierter Frauenvereine. Der Tradition der Klassikerstadt entsprechend, gehört Literarischem ein guter Teil der Vereinsarbeit. Schützenvereine mit langer Geschichte pflegen Brauchtum, nehmen in ihrer Geselligkeit gegenwärtige Entwicklungen auf. Die um 1900 von verschiedener Seite erhobene Forderung nach umfassender Lebensreform ist in den

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Bestrebungen Weimarer Vereine erkennbar. Neben der Hochschätzung der Natur, einer Heilkunde, die mit ihr im Einklang steht, erscheint auch hier die Antialkoholismusbewegung. Im Februar 1905 stiftet die Guttemplerloge „Zu Hause“ eine Jugendloge, die den Namen „Jung Weimar“ erhält. An jedem Sonntag werden Kinder von 10 bis 16 Jahren „beiderlei Geschlechts“ über die Schädlichkeit des Alkoholgenusses unterrichtet.25 Derartige Initiativen sagen einiges über soziale Probleme aus, die auch das scheinbar so idyllische „Pensionopolis“ berühren. Eine Untersuchung des Vereinswesens in Weimar hat völkische Bestrebungen zu berücksichtigen, dies möglichst differenziert und ohne neben ihnen das übrige politisch-weltanschauliche Spektrum zu negieren. Auch Vereine sind nicht nur mit Blick auf die historischen Verfehlungen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu analysieren, gerade hier hat man das Eigengesetzliche der Kultur einer Zeit zu beachten. Liberales Gedankengut hat in Weimar noch immer eine Heimstatt, auch wenn der Liberalismus im Kaiserreich vor tiefgreifenden Problemen steht.26 Als die kulturelle Homogenität unter den Gebildeten zerfällt, kann man sich hier durchaus nicht nur in einem äußeren Sinne auf die klassische Tradition beziehen. Der liberale Geist des ‚Silbernen Zeitalters′ und seiner Fürsten wirkt auch in Zeiten weiter, in denen die Sympathien für andere Prinzipien und Gesellschaftsformen wachsen. Ohne hier auf die spannende Geschichte der liberalen Bewegung in Thüringen27 eingehen zu können, sei doch auf den sogenannten „Jenaer Freisinn“ verwiesen, dessen führende Figur Ernst Abbé vor allem durch seine großartigen Sozialreformen auch nach Weimar ausstrahlt. Friedrich Naumann, eine andere starke Integrationsfigur des Liberalismus, der den sozialen Gedanken zumal betont, besitzt in der Residenzstadt viele Anhänger. Seine Vorträge begeistern die Zuhörer, weil sie auch trockene Themen in „geistige, ja geradezu dichterische Höhe“28 heben. In seiner Bismarck-Rede kurz vor seinem Tode 1919 gebraucht Naumann ein eigenartiges Bild: Wie der Ulmer Dom habe das Deutsche Reich eine für seine Höhe zu kleine Basis gehabt, man verabsäumte, in die Tiefe, ins Volk zu bauen, dies habe sich bitter gerächt.29 Noch einmal denkt man an das Tiefurter Fest der Vereine von 1880: Seine Harmoniebilder haben sich nicht als lebensfähig erwiesen.

2. Bildung „Gott, wir werden hier gebildet!“30 Natalie von Mildes ironischer Ausruf angesichts der zahlreichen Veranstaltungen im Schillerjahr 1905 deutet auf grundsätzlichen Anspruch vieler Vereine in Weimar: Das klassische Humanitätsideal, nach dem alle im Individuum angelegten Kräfte zu schulen und zu entfalten seien, um eine harmonische Persönlichkeit zu formen, wirkt in theoretischen Überlegungen und praktischen Unternehmungen weiter. Freilich begegnet die Bildungsidee einer tiefgreifend gewandelten Welt. Die Trennung der Gesellschaft in „gebildete Stände“ und Arbeitende, die nur über Elementarkenntnisse verfügen, wird in wichtigen Punkten durchbrochen. Soziale und kulturelle Veränderungen führen breitere Schichten zum Lesen, zum Theater, zu einer Geselligkeit, die nicht nur der Unterhaltung verpflichtet

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ist, sondern Wissen vermittelt und den Intellekt schult. „Volksbildung“ wird ein grundlegender Begriff der Epoche. Es ist ein interessantes Phänomen, daß in dem Augenblick, da die Bildungsprivilegien eingeschränkt werden, die Idee als solche brüchig wird. Mit der leitenden Verbindlichkeit des Sinnganzen schwindet Bildung, die einen Menschen doch im Ganzen der Welt orientieren sollte. An der Wende zum 20. Jahrhundert debattiert man leidenschaftlich über die Frage, wie es gelingen könnte, nicht die Beherrschung einzelner Gebiete, etwa des sogenannten humanistischen Wissens, voranzutreiben, sondern freie und ganzheitliche Persönlichkeiten zu formen. Nicht weniger intensiv denkt man über Sinnstiftungen und Weltmodelle nach, die einen solchen Menschen überhaupt erst ermöglichen. Im Rahmen dieser deutschen und wohl gesamteuropäischen Auseinandersetzung um eine existentielle Frage der Gesellschaften bewegen sich auch Weimarer Unternehmungen. Aus der kulturellen Bilanz einiger Jahrzehnte des Kaiserreichs reflektiert man über eine geeignete Bildung und Erziehung nicht nur der Jugend. Im Oktober 1903 findet in Weimar der Zweite Nationale Kunsterziehungstag statt. Die Vorträge behandeln das Problem der Dichtung in der Schule, von der Auswahl geeigneter Werke, der Gestaltung von Schülerbibliotheken bis zur Didaktik des Deutschunterrichts. Am letzten Tag der Konferenz spricht Alfred Lichtwark, der verdiente Direktor der Hamburger Kunsthalle, in öffentlichem Rahmen über die „Einheit der künstlerischen Erziehung“.31 Die Vorstellung, daß breite Kreise der Bevölkerung, Kinder wie Erwachsene, an die Kunst heranzuführen sind, daß Museen keine elitären und vom Leben geschiedenen Einrichtungen, sondern Orte der Volksbildung sein sollen, findet in Lichtwark ihren engagiertesten deutschen Fürsprecher. Sie fügt sich zu seinem großen Anliegen, gewissermaßen eine kulturelle Reichsgründung, eine Erneuerung und Belebung der Kultur auf breiter Basis zu initiieren. Die auf diesem Kunsterziehungstag besprochenen Probleme werden in Weimar vielfältig reflektiert. Harry Graf Kessler empfängt entscheidende Anregungen von Lichtwark. Nach Gesprächen mit dem Hamburger entwickelt er bei seinem Amtsantritt etwa Überlegungen zu einer Reorganisation des Kunst- und Zeichenunterrichts.32 Im Laufe der Zeit wird Kesslers Distanz zu Lichtwark größer. Er mokiert sich über dessen Kunsterziehungstage, beschuldigt ihn der „Propaganda für den Dilettantismus“33. Die Formung eines elitären Kunstpublikums, das in kleinen Zirkeln Urteilsfähigkeit und Feinheit des Empfindens erprobt34, scheint ihm nunmehr der Schlüssel zu grundlegender Erneuerung des Lebens. In die gleiche Richtung zielt Kesslers mit Hofmannsthal und Bodenhausen besprochene Konzeption jener Eliteschule35, die zwar lebensreformerische Ansätze enthält, aber ausdrücklich für Knaben aus höheren Ständen entwickelt wird. Zu einer Zeit also, da Natalie von Milde und ihre Mitstreiterinnen um die höhere Mädchenbildung kämpfen, Vereine und Unternehmungen Wissenserwerb und Sittlichkeit für Arbeiter und andere Nichtprivilegierte fordern, begibt sich Kessler in den Elfenbeinturm der Exklusivität und Vornehmheit. Man verkennt allzu leicht, daß nicht allein die äußeren Bedingungen in Weimar und Deutschland die Reformprojekte des „Neuen Weimars“ scheitern lassen, daß vielmehr Kesslers elitärer Sensualismus Wirkungsmöglichkeiten verstellt.

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Mit Friedrich Lienhard tritt ein anderer Kritiker von Kunsterziehung auf den Plan: Sie scheint ihm „Zugeständnis an die Materie“36. Das Sinnlich-Sichtbare sei nicht wichtig zu nehmen, vielmehr gelte es, Gewissenspflege als inneren Weg zur ästhetischen Kultur zu betreiben. Für Lienhards mystisch gefärbten Idealismus ist Lebenspraxis eine zu vernachlässigende Größe. Dem Bestreben Lichtwarks und anderer, allen Menschen einen Umgang mit guten Büchern und Bildern zu gewähren, stellt Lienhard eine von der „Stofflast der Dinge“37 freie Herzensbildung entgegen. Auch dies ist eine elitäre Konzeption, nach der eine „Trennung von der Menge“ den Weg öffnet, das Wesen der Welt zu erfahren. Die Auseinandersetzung um die Erziehung kultureller Persönlichkeiten wird durch Ellen Keys Besuch in Weimar stimuliert. Die Verfasserin des „Jahrhunderts des Kindes“ kommt im April 1905 auf Einladung Natalie von Mildes. Die ausgezeichnete Goethekennerin berührt die Zuhörer ihrer Vorträge durch ihre Wahrhaftigkeit, Einfachheit und Wärme.38 Auch Key betont, daß es gelte, die Menschheit aus der „entsetzlichen Gleichgültigkeit und Lebensöde herauszureißen“, indem man das Verantwortungsgefühl gegenüber „Gedankenströmungen vergangener Zeiten wie unserer Tage“ weckt. In der Ausbildung der Geistes- und Körperkräfte sei das Dasein eines jeden Menschen „zu einem Kunstwerke“ zu gestalten.39 Key argumentiert ganz im Sinne des klassischen Ideals, das sie mit dem lebensreformerischen Pathos des frühen 20. Jahrhunderts aufnimmt. Die Jahresversammlungen der „Gesellschaft für Deutsche Erziehung“, die „zu schöner Sommerzeit“40 in Weimar stattfinden, beschäftigen sich gleichfalls mit dem, was Wilhelm Ostwald „Schulelend“41 in Deutschland nennt. Der Chemiker Ostwald polemisiert gegen die zu starke „humanistische“ Ausrichtung der höheren Schulen, die Akzentuierung also von Antike und Sprachen. Es sei vielmehr eine Ausgestaltung der denkerischen Persönlichkeit vonnöten.42 Wie man also den kulturellen Zustand dieser Nation verbessern könne, wie man nicht nur Staatsbürger, sondern gebildete Menschen forme, ist der Gegenstand öffentlicher Debatte, die Weimar aus seiner Tradition heraus besonders berührt. Übrigens zielt auch die Gründung des Deutschen Künstlerbundes am 15. Dezember 1903 in eine ähnliche Richtung: Die Front gegen Sterilität und Dogmatismus kaiserlicher Kunstpolitik gerade in Weimar zu errichten, hat durchaus Sinn. Die ästhetische „Seele“ des Reiches in der Offenheit gegenüber neuen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten zu entwickeln – dieser Anspruch erhält in der Stadt mit der klassischen Tradition einen besonderen Nachdruck. Ende Mai 1894 findet die Generalversammlung der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung in Weimar statt; man debattiert etwa über die Frage, wie sich eine „gediegene Volksbildung in den Arbeiterkreisen“43 erreichen lasse. Hofbuchhändler Alexander Huschke und Sophienstiftslehrer Carl Zenker stehen dem Volksbildungsverein vor, der 1876 gegründet wird44 und der bereits zwei Jahre später eine solide Bibliothek bietet. 1910 ist diese auf 6000 Bände angewachsen45, die unentgeltlich ausgeliehen werden. Stimuliert durch die Bemühungen Ernst Abbés um eine moderne Lesehalle in Jena, strebt man auch in Weimar nach einem solchen Ort: Die privaten Spenden der Familie Vulpius und eines Berliner Unternehmers46 ermöglichen es, das frühere Meßhaus in der Kaiserin-Augusta-Straße zur Bücherei umzugestalten.

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Der Volksbildungsverein bietet außerdem ein Vortragsprogramm, für das Gelehrte und Künstler aus ganz Deutschland gewonnen werden. Gelegentlich denkt man über Anspruch und Möglichkeiten einer solchen Unternehmung nach: 1907 trägt der Schauspieler Neuffer Sophokles’ „Antigone“ vor. Das antike Stück scheint trotz der gelungenen Darbietung nicht „angekommen“ zu sein. Der Feuilletonist der Weimarischen Zeitung führt dies darauf zurück, daß ein solches Drama nicht „bodenwüchsige Naivität“47 beim Zuschauer voraussetze, vielmehr jene Bildung, die der Verein erst schaffen wolle. Dem Volk müßten Dinge geboten werden, „welche ihm wesensverwandt sind und bei ihm zum Aufbau innerer Werte beitragen“48 könnten. Ohne sich darauf genauer einzulassen, läßt der Rezensent Skepsis gegenüber den Bildungsbestrebungen des Vereins erkennen. Es scheint, als fordere er eine Erneuerung des Volkes aus anderen als nur intellektuellen Quellen. Im Weimarer Volksbildungsverein finden wirtschaftspolitische, technische und naturwissenschaftliche Vorträge ebenso statt wie solche über Literatur und Kunst. 1910 etwa weist das Programm einen Franz-Liszt-Abend aus, Oskar Bulle spricht über die „Pflege der Muttersprache bei uns und bei den romanischen Völkern“, Ludwig Sternberg aus Neubrandenburg rezitiert Fritz Reuter. Ein Universitätsprofessor aus Breslau behandelt die „Herkunft unserer Kulturpflanzen und Haustiere“; ein anderer Hochschullehrer erörtert die „Elektrizität im Dienste des Menschen“.49 Am 20. Oktober 1910 entwirft Wolfgang von Oettingen, der Direktor des GoetheNationalmuseums, ein besonderes Dürer-Bild. Anhand von Lichtbildern stellt er den tiefen sittlichen Ernst, die gründliche Geistesarbeit und den selbstständigen freien Forschertrieb des Künstlers heraus. Dies und das Maßvolle, jeder Schwärmerei Abgeneigte Dürers sind nach Ansicht des Referenten nationale Züge; Albrecht Dürer sei geradezu ein „Erzdeutscher“.50 Der Volksbildungsverein ist nichts weniger als eine „linke“, der organisierten Arbeiterbewegung nahestehende Unternehmung. Er will Wissen vermitteln, die Denkfähigkeit schulen, mit diesem zugleich eine sittliche Formung fördern, all dies für Menschen, denen akademische Karrierewege nicht offenstehen. Das alte Vertrauen in die Emanzipation durch Bildung bestimmt die Vereinstätigkeit. Ein breites Spektrum wissenschaftlicher Ansätze, Lehrmeinungen und Vortragsstile erreicht die städtische Öffentlichkeit. Der Arbeiter-Verein, einst die Keimzelle der Arbeiterbewegung in Weimar, löst sich seit Mitte der siebziger Jahre von der Sozialdemokratie51 und entwickelt sich gleichfalls zu einem der Bildungsidee verpflichteten Verein. Allerdings sind die gebotenen Vorträge populärer und näher an der Lebenspraxis. Gelegentlich verbinden sich Belehrendes, Unterhaltendes und Produktwerbung zu beinahe skurril erscheinenden Veranstaltungen: Im Oktober 1910 erörtert ein Vertreter der Firma Kathreiner wichtige „Lebens- und Haushaltungsfragen“, bietet dann zur Verkostung die Produkte seines Hauses, Malzkaffee, Kräpfel und Kuchen, „der mit Palmin hergestellt“ ist. Anschließend zeigt er Lichtbilder über die Schönheiten des Rheines, geht wie zufällig auf solche von den Produktionsstätten der Firma über und führt am Ende Aufnahmen einer Zeppelinreise von Köln nach München vor.52 Der Redner vermittelt Bestandteile bürgerlicher Kultur – die Bildungsreise zum nationalromantischen Symbolfluß, die festliche Tafelgeselligkeit – als Surrogate für wenig

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Bemittelte, knüpft zudem an die Flug- und Technikbegeisterung der Zeit an, um für die Erzeugnisse seiner Firma zu werben. Eine Reihe von Vereinen dienen den Interessen von Handwerkern, Kaufleuten und Selbständigen. Auch sie sind einem weitergesteckten Bildungsbegriff verpflichtet. Dies gilt in besonderer Weise für den schon 1833 gegründeten Gewerbeverein. Sein Anliegen, den Mittelstand gegenüber den großen Konzernen zu stärken, verbindet sich seit den späten achtziger Jahren mit scharfer Sozial- und Kulturkritik. Man polemisiert gegen billige und minderwertige Massenfabrikate, Warenhäuser und „Bazare“, auch gegen die Konsumvereine der Arbeiterbewegung.53 Der aus eigenem Wirtschaftsinteresse stimulierte konservative Gedanke, daß man der Entwertung der Werte steuern müsse, kann sich durchaus auf theoretische und künstlerische Ansätze des Fin de siècle stützen. Ähnliches gilt für die im Verein vorgetragene Kritik an zunehmender Verrohung und Unbildung der Jugend.54 Der Gewerbeverein ergreift eine Reihe von Gegenmaßnahmen, die zum Teil Bedeutendes leisten. Er veranstaltet Vorbereitungskurse auf die theoretische Meisterprüfung, deren Teilnahmegebühr erschwinglich ist und bietet Fortbildungsunterricht für Lehrlinge. Ausstellungen gelungener Gesellenstücke und ein Prämiensystem für besonders fähige und strebsame Handwerker werden organisiert. Auch „Frauen und Töchter“ können an Lehrgängen für Buchführung teilnehmen.55 Der Gewerbeverein verfügt über eine Bibliothek, für die aus ganz Deutschland wertvolle Bücher und Kunstwerke gespendet werden.56 Neben traditionellen Stiftungsfesten mit Konzert, Gesang und Tanz bietet er Vorträge mit einem breiten Themenspektrum. Etliche beschäftigen sich mit den Existenzfragen mittelständischer Unternehmer; so spricht im Oktober 1910 ein Gastredner aus Darmstadt über das Thema: „Was können und müssen die Arbeitgeber aus dem letzten Lohnkampfe im Baugewerbe lernen“57. Über die geschäftlich-praktischen Belange hinaus werden andere Wissensgebiete berührt. Naturwissenschaftliches stellt man anschaulich mit Experimenten oder Lichtbildern dar. Überhaupt ist die Wiedergabe von Photographien faszinierend für das Publikum, etwa beim Bericht über die Weltausstellung 1904 in St. Louis.58 Es gibt Vorträge über moderne Friedhofskunst, über Deutschlands Burgen in Geschichte, Sage und Poesie, sogar eher fernliegende literarische Erscheinungen wie das „große thüringische Mysterium“ werden behandelt.59 Der koloniale Gedanke, der auch in der Vortragstätigkeit anderer Vereine wichtig ist, erscheint hier vor allem unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Lebens in Übersee.60 Auch Arbeit und Profil des Gewerbevereins sind nicht ohne Widersprüche. Unterhaltung und Fest, der Wohltätigkeitsgedanke stehen neben der handfesten Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Das Bekenntnis zum großherzoglichen Haus wird nicht zuletzt durch dessen Aufträge und Fördergelder stimuliert. Die zunehmende Industrialisierung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wird sowohl als Bedrohung handwerklicher Existenz als auch als Prozeß sittlich-kultureller Gefährdung angesehen. Bildung scheint auch hier das Heilmittel. Bezeichnenderweise beteiligen sich führende Mitglieder des Gewerbevereins wie Hofkunsttischler Scheidemantel und Juwelier Müller an van de Veldes Reformprojekten. Die auch wiederum nicht spannungsfreie Idee, Schönheit und Zweckmäßigkeit zu vereinen, die Kul-

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tur der Dinge (und damit der Menschen) zu formen und zu beseelen, der Entwertung zu entziehen, berührt sich mit konservativer Gesellschaftskritik.

3. Dichtung und Buch Auch auf dem Weg in das neue Jahrhundert ist das Interesse für Literatur und Bücher wichtiger Inhalt der Geselligkeit in Weimar. Im September 1903 versammelt sich die „Association littéraire et artistique internationale“ zu ihrem Kongreß in der Stadt. Delegierte literarischer, journalistischer und künstlerischer Vereinigungen aus Europa und den USA besprechen den Schutz des geistigen Eigentums, also Fragen des Urheberrechts, auch aber, wie ein „Anschluß zwischen den Schriftstellern und Künstlern aller Nationen“61 herzustellen sei. Ein Vorbereitungskomitee Weimars und Jenas organisiert die Tagung, auf der es letztlich um das Zusammenwirken der Kulturvölker geht; in ihm arbeiten unter anderen van de Velde und Wachler, Vignau und Olde, Rosenthal und Ernst Haeckel. Die Delegierten sind beeindruckt vom Rahmenprogramm, das gesellige Veranstaltungen in der „Erholung“ und im Künstlerhaus, Theatervorstellungen, ein Sommerfest der Erbgroßherzogin Pauline in Belvedere und einen Ausflug auf die Wartburg mit Empfang beim Großherzogspaar vorsieht. Bis ins Detail plant man das faszinierende Erlebnis der Klassikerstadt: Aus dem Garten des Goethe-Hauses erhalten die Damen kleine Blumensträuße.62 Die großen Literaturgesellschaften, die ihren Sitz in der Stadt haben, beeinflussen Debatte und Vereinsleben nachhaltig. Sie stehen in einem Bezug zur geistigen Entwicklung Europas; auch wo es vielleicht intendiert ist, gelingt kein Rückzug aus den drängenden kulturellen Problemen. Am Rande der offiziellen Sitzungsarbeit der Gesellschaften entsteht eine Geselligkeit unterschiedlicher Ausprägung. Kleine Vereine blicken auf die großen Vorbilder, kopieren wohl auch – wie in Schmitts Parodie gestaltet – deren Tagungs- und Festkultur. Andererseits entwickelt sich eine Art geselliger Opposition gegen weihevolle Versammlungen und lange Vorträge. Die Literaturgesellschaften und ihre Tagungen sind keine Unternehmungen eingeweihter Spezialisten, die die städtische Öffentlichkeit nicht beachtete, sie erreichen in Anregung und Abstoßung viele. Die Weimarer schauen etwa auf die „GoetheOnkels“63, mit Ironie, aber auch mit traditionsbewußter Freude, sie genießen die Festaufführungen im Theater, ihr Blick geht nach der ersten Saalreihe oder der Hofloge, um sich der Anteilnahme der Fürsten zu vergewissern. Sogar eine lebendige Parodie der Goethe-Gesellschaft tagt in Weimar, die „dem Urbild nicht unebenbürtig und an freier Heiterkeit möglicherweise überlegen“64 ist. Alljährlich findet sich im rechten Seitenzimmer des Hotels „Zum Elephanten“ die Stadelmann-Gesellschaft zusammen. Sie ehrt und erforscht Goethes Diener, der sein Leben an einem Balken des Jenaer Armenhauses beendete. Die „Stadelmänner“ sind nicht nur Spötter, die den weihevollen Ehrungen und trockenen Würdigungen des Dichters eine karnevalesk-fröhliche Gegenstimme geben. Der Verleger Anton Kippenberg, der Begründer und Präsident, Mitstreiter wie Ernst Beutler und Max Hecker verstehen sich als „Diener an Goethe“65, sie sind allesamt profunde Kenner

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seiner Texte und begeben sich aus dem Kreis der „Stadelmänner“ unmittelbar zur Jahrestagung der Goethe-Gesellschaft, der sie alle angehören. Gerade indem man den Weihrauch der offiziellen Veranstaltungen entlüftet66, trägt man viel zu einem lebendigen Goethebild bei. Etliche Veröffentlichungen der Stadelmann-Gesellschaft bereichern das Wissen über den Dichter und seinen Diener, unter ihnen sind Faksimile-Reproduktionen von Goethe-Handschriften, bibliophile Kostbarkeiten, Quellen-Editionen – etwa der Briefe Carl Stadelmanns an Kräuter – heitere Einblicke in den Alltag im berühmten Band „Wie Goethe seine Honorare vertrank“.67 Was schon in den späten achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auffällt, zeigt sich auch hier: Im Umkreis der Goethe-Institutionen entwickeln sich faszinierende Geselligkeit, produktive Diskussion und wissenschaftlich-publizistische Leistungen. Nicht selten steht man kritisch zum offiziellen Goethebild – man richtet den Blick auf den Alltag und sogenannte „Nebenfiguren“ – gerade weil man wünscht, daß der Dichter und seine Texte dauern mögen. Im großen Festsaal des Armbrustschützenhauses tagt am 29. April 1905 die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft. Vor einer mit Lorbeer bekränzten Büste des Dichters berichtet ihr Präsident Alois Brandl über die gestiegene Zahl der Mitglieder, von denen etliche auch in Australien und Amerika wirken, und über die Vervollkommnung der Bibliothek der Gesellschaft. Ein Jahr zuvor hat man im Weimarer Park Otto Lessings Shakespeare-Denkmal errichtet, dessen ästhetischer Wert umstritten ist. Brandl kann nicht umhin, die vielfache Kritik an der nur dekorativen, wenig vergeistigten Figur aufzunehmen.68 Den Festvortrag auf dieser Tagung hält Hugo von Hofmannsthal zum Thema „Shakespeares Könige und große Herren“. Der Dichter hat nicht die Absicht, das Wissen der Gelehrten über Shakespeare zu bereichern, sein leicht ironischer Blick gilt den überfüllten Speichern und überfrachteten Schiffen der Wissenschaft und deren Protagonisten, die „der reinen Leidenschaft des Verstehens“69 frönen. Hofmannsthal hingegen begreift sich als ein Leser aus dem „Wald des Lebens“70, der nicht einzelne Elemente der Shakespeareschen Stücke zergliedert und analysiert, vielmehr das „Ganze“ des Dichters aufnimmt. Er nennt es die „Musik“71, was die Einheit des Shakespeareschen Werkes ausmacht, die nicht bis ins letzte zu erschließende Balance von Verstand, Gefühl, Farben, Haltungen, Reden und Gesten. Die Dichtung ist Mythos, das Ferne und das Gegenwärtige, das Individuelle und das Allgemeine zusammenführend, in ihr berührt man den Urgrund des Daseins. In der Beschreibung der Adelsgestalten, die aus dem mythischen Raum hervortreten, gelingen Hofmannsthal gleichsam nebenbei psychologische Studien von großer Eindringlichkeit. Der Vortrag des österreichischen Autors, nach dem er dem Großherzog vorgestellt wird, markiert einen Höhepunkt in der Arbeit der traditionsreichen Gesellschaft. Hofmannsthals subtile Aneignung Shakespeares zeigt erneut, daß die literarische Moderne von einer ebenso starken Identitäts- und Ganzheitshoffnung geleitet wird wie die sogenannte Anti-Moderne. Sein sanftes Distanzieren von einer positivistischen Zergliederung der Dichtung nimmt wissenschaftliche Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts auf. Es scheint überhaupt, als sei die Deutsche ShakespeareGesellschaft näher an der aktuellen Kulturgeschichte, als habe sie einen stärkeren

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Bezug zum Wandel der Literatur und der Bühne, als sei ihre Geselligkeit weniger weihevoll als die anderer Vereinigungen. Es ist hier nicht der Ort, eine umfassende Geschichte der 1885 gegründeten Goethe-Gesellschaft zu schreiben, wenngleich eine solche, detaillierte und objektive, dringend zu wünschen wäre. Sie hätte einen Zug apologetischer Sterilität und unkritischer Heldenverehrung zu untersuchen, der dem Wirken der Gesellschaft eigen ist. Sie müßte die schon von den Zeitgenossen vorgetragene Kritik am „Zerlegen“ des Dichters und seiner Werke ernstnehmen. Sie hätte freilich auch zu beachten, daß in der Tat Generationen fähiger und selbstloser Gelehrter72 in ihrem Rahmen wirken. Sie sollte berücksichtigen, daß das Verdikt ritualisierten Stumpfsinns nur einen Aspekt der Generalversammlungen und Jubiläumsfeiern erfaßt. Neben den „Großereignissen“ – Tagungen nationaler und internationaler Vereinigungen – gibt es im Weimar der Jahrhundertwende ein literarisches Vereinswesen, eine Fülle von Lesungen unterschiedlicher Autoren und vor allem bahnbrechende Leistungen der Buchkunst. Der Feuilletonist der Weimarischen Zeitung spöttelt über zeitgenössische Schriftsteller, die bald der Vergessenheit anheimfallen werden: „... sie wissen auch kaum, wie nahe ihnen ihr Ende ist.“73 Er rezensiert einen Vortrag Thomas Manns am 11. November 1910. Das Publikum ist zahlreich erschienen, insbesondere eine „Fülle jugendprangender Backfische“. Ehe der Berichterstatter sich den Texten zuwendet, beschreibt er zunächst das Äußere des Autors. Er sei ein „schlichter, ganz ‚gewöhnlich′ aussehender, junger Mann in den besten, heiratsfähigen Jahren, mit einem frischen, noch recht gesunden Gesicht“. Zur weiteren Beruhigung der Leser, die sich unter einem modernen Dichter womöglich ein abgerissenes Individuum vorstellen, fügt er hinzu, daß Thomas Mann „natürlich in Frack, tief ausgeschnittener, schwarzer Weste und weißer Krawatte“ aufgetreten sei.74 Der Autor liest an diesem Novemberabend seine Schiller-Erzählung „Schwere Stunde“, das erste Kapitel des „Tonio Kröger“, den „Wunderknaben“ und einige Seiten, vermutlich die Hofballszenen, aus „Königliche Hoheit“. Über den letzteren Roman amüsieren sich die Zuhörer besonders; das Atmosphärische einer Residenz ist in ihm in so prototypischer Weise erfaßt, daß manche gar Weimarer Verhältnisse erblicken. Der Rezensent mag Thomas Mann nicht geradewegs verreißen, zufrieden ist er dennoch nicht. Er kritisiert die „öden, farblos schillernden, peinlich Zug an Zug gereihten Stellen, mit ihrer Reihe abstrakter Worte“ und bemängelt, „daß moderne Romane keine antiken Rhapsodengesänge“ sind.75 Die Ignoranz des Feuilletonisten bedarf keines Kommentars; jedenfalls zeigt die Episode auch, daß neuerschienene Literatur in Weimar rezipiert wird und gerade bei jungen Menschen auf Interesse stößt. Die literarischen Vortragsabende zeitgenössischer Schriftsteller, die von Gustav Kiepenheuer über die Thelemannsche Buchhandlung organisiert werden, kann man zu Preisen zwischen vier und zehn Mark sozusagen abonnieren. Dafür hört man 1910/11 neben Thomas Mann noch Lesungen des norddeutschen Erzählers Ottomar Enking, der mit seinem düsteren Familienroman „Die Darnekower“ bekannt wird, außerdem des österreichischen „Überwinders“ des Naturalismus Hermann Bahr und Richard Dehmels.76

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Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Gegenwartsliteratur spielt die Literarische Gesellschaft: Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehören ihr Dichter, Künstler, Diplomaten und Gelehrte an, die nicht fachsimpeln, sondern sich im geselligen Kreis über Texte austauschen wollen. Längst aber wird nicht mehr „ein gutes Männerwort bei gepflegter Schüssel“77 gewechselt, die Frauen haben ihren Platz auch hier. Zu den Vorstandsmitgliedern in Weimar gehören Erika von WatzdorfBachoff und Wilhelm Hegeler. Die Literarische Gesellschaft organisiert Lesungen, die mit einem anregenden Beisammensein im „Russischen Hof“ ausklingen.78 Wieder ist Richard Dehmel zu Gast. Damals geht von seiner Lyrik eine große Faszination aus; die sozialkritischen Töne und die freie Darstellung des Erotischen treffen den Nerv der Zeit. Ein junger Offizier, der in Uniform die Dehmel-Lesung besucht, wird von seinen Vorgesetzten gemaßregelt79, ein Beleg dafür, welchen Stellenwert einerseits Literatur hat, welche oberflächlichen Gesichtspunkte andererseits bestimmte Kreise bei ihrer Beurteilung anlegen. Neben dem „Gottesgnadendichter“80 Dehmel erscheint Gustav Falke zum Vortrag, ein zuweilen etwas biederer Lyriker, dessen Verse doch von Musikalität und Originalität zeugen. Cäsar Flaischlen ist damals unvermeidlich: Der aus Stuttgart stammende Autor, dessen Lesungen durch seinen schwäbischen Dialekt kaum erträglich scheinen81, liefert eine modische Mischung von schlichter Gebrauchslyrik und anspruchsvolleren, an Walt Whitman geschulten, rhythmischen Prosatexten. Auch 1912 bietet die Literarische Gesellschaft Vorträge sehr unterschiedlicher Autoren: Rudolf Alexander Schröder, „Insel“-Mitbegründer, häufiger Weimar-Gast und feiner Lyriker, Wilhelm Hegeler und Hermann Hesse lesen, außerdem der konservative „Erneuerer“ der Ballade Börries von Münchhausen.82 Georg von der Gabelentz, dessen Familie mit Weimar vielfältig, auch verwandtschaftlich, verbunden ist, trägt wohl aus seinem Prosawerk vor; seine Lyrik erscheint erst Jahrzehnte später in einer beschränkten Auflage83, die Gabelentz’ Bruder Hans und Ottomar Enking zusammenstellen: Die Sammlung ist nicht frei von nationalistischem Pathos und leidenschaftlichem Anti-Pazifismus. 1913 schließlich kommt Gabriele Reuter in die Literarische Gesellschaft der Stadt, in der sie ihren Weg als Autorin und Frauenrechtlerin begann. Im gleichen Jahr stellt ein Lyrikabend Texte bekannter, in Weimar lebender Dichter vor, des „Tantris“-Schöpfers, späteren Theater-Intendanten Ernst Hardt, Johannes Schlafs, Ernst Ludwig Schellenbergs und Erika von Watzdorf-Bachoffs.84 Eine Zeitlang sind die stimmungsvollen Räume der Indischen Teestube in der Marienstraße 4 der Ort literarischer Vorlesungen. In einer Vortragsreihe spricht Ernst Wachler 1913 über germanische Mythologie85, auch hier sein Lieblingsgebiet völkischen Heidentums betonend. Im Februar diesen Jahres gestaltet er außerdem einen Otto-Ludwig-Abend, in dessen Mittelpunkt Ludwigs Wallenstein-Pläne stehen. Wachler hat sich mit dem Nachlaß des Thüringer Autors eingehend beschäftigt; die Zuhörer vermerken positiv, daß der Referent häufig literarische „Ausgrabungen“ präsentiert.86 (Übrigens druckt die Weimarische Zeitung wenige Tage nach der Rezension des Wachler-Vortrags eine positive Würdigung Marinettis und des Futurismus, dessen „geheimere Werte“ und „tiefere Quellen“ zu beachten seien, zitiert den siebenten Paragraphen des futuristischen Manifests: „Nur im Kampf ist Schönheit. Kein Meisterwerk ohne aggressives Moment.“87 Bezeichnenderweise betont man

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also den Gedanken, der auch den italienischen Faschismus an Marinettis radikalem Expressionismus faszinierte.) Lesungen in Weimar, auch die von der Literarischen Gesellschaft gebotenen, zeigen ein breites Spektrum von Weltsichten und Formensprachen: Von der sozialkritischen Wendung gegen Spießertum, umstellte Erotik und Unterdrückung der Frau bis zum nationalistischen Bekenntnis reicht es, vom subtilen Ästhetizismus, über durchaus neuen Balladenton zu heimatkünstlerisch gefärbtem Realismus. Zu hören, was die zeitgenössischen Autoren zu sagen haben, ist die eine Sache. Im Fin de siècle und im beginnenden 20. Jahrhundert wendet man sich außerdem verstärkt dem Buch, seiner künstlerischen Gestalt und ihrem historischen Werden zu. Seitdem William Morris 1890 die Kelmscott Press gründete, um dem Verfall der Buchkultur entgegenzuwirken, rückt auch in Deutschland der Gegenstandswert des Buches, sozusagen seine sinnliche Ausstrahlung, ins Zentrum des Interesses. Man darf wohl sagen, daß Weimar (und Jena) Hauptorte der Buchkunstbewegung sind. Die Gesellschaft der Bibliophilen hat in Weimar ein Zentrum und ihr Sekretariat. Sie wird am 1. Januar 1899 unter Leitung des Schriftstellers und Journalisten Fedor von Zobeltitz gegründet. Zu den Mitgliedern gehören Buchhändler und Verlagsbuchhändler wie Hermann Herder, Eugen Diederichs, Anton Kippenberg oder Hans Heinrich Reclam, Privatgelehrte und Universitätsprofessoren wie Ludwig Geiger, Georg Witkowski und Theodor Mommsen, Kaufleute, Fabrikbesitzer und Bankiers wie Alexander Meyer Cohn, Autoren wie Alfred Walter Heymel, Paul Lindau, Richard Schaukal und John Henry Mackay, Journalisten, Studenten, Beamte, einige wenige Hofbeamte und etliche Bibliotheken, so etwa in Österreich die Bibliothek des Benediktiner-Stifts Kremsmünster und die der israelitischen Kultusgemeinde Wien.88 Die wichtigste Leistung der Gesellschaft ist die Herausgabe von anspruchsvoll ausgestatteten Publikationen: So erscheinen Faksimile-Reproduktionen von Goethes Handschrift der „Mitschuldigen“ oder der sogenannten Mirabilia Romae, Neudrucke, aber auch Monographien, etwa 1902 die über die „neue Buchkunst“ oder „Schillers Persönlichkeit“ von Max Hecker. Das mehrbändige Anonymen-Lexikon wird von 1901 an publiziert.89 Mit der „Zeitschrift für Bücherfreunde“ ist ein Medium entstanden, in dem man sich über das Wesen der Buchausstattung austauscht, Verständnis für die ästhetische Qualität, Freude an der Gestalt eines Buches bekundet und stimuliert. In Weimar wirkt Carl Schüddekopf, Sekretär der Gesellschaft und der „eigentliche Ministerpräsident“90, engagiert und stets mit großer Leidenschaft für das Buch. Er leistet nicht nur die organisatorische Arbeit, sondern wählt mit Geschick die Publikationen aus und liefert selbst kleine Privatdrucke als Geschenke für die Mitglieder. Es sind häufig Büchlein, die einen Bezug zur Kulturgeschichte Weimars haben, ein „Scherz von der Tafelrunde der Anna Amalie, ein paar vergessene Briefe aus großer Zeit, eine liebenswürdige Kleinigkeit aus dem Goethekreise, eine Notiz von klassischer Hand“91. Auch in Weimar hat der Verein bekannte Mitglieder, unter ihnen Max Hecker, Hans Gerhard Gräf und Julius Wahle, Oberbibliothekar Paul von Bojanowski, Conrad Höfer, Oberlehrer am Sophienstift, die Verlagsbuchhändler Gerhard Demmering und Albert Hartung, Elisabeth Förster-Nietzsche, der neuklas-

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sische Dichter Paul Ernst, der Rechtsanwalt des Großherzogs Hermann Jöck und Charlotte Gräfin Dürckheim-Montmartin.92 In der Bibliophilie findet die Suche nach Sinn und Wert menschlichen Lebens einen geradezu symbolischen Ausdruck. Die Begeisterung für die Schönheit von Einbänden, die Authentizität von Drucken richtet sich auf Bleibendes und Dauerndes, das fortwährender Distribution entzogen ist. Die sachkundige Beschäftigung mit dem Alten, die immer auch das Interesse für Menschen und Zeiten einschließt, berührt sich mit den Bestrebungen einer Erneuerung der Buchkunst. In Weimar entwickelt der Buchbindermeister und Einbandgestalter Otto Dorfner, den van de Velde 1910 an die Kunstgewerbeschule beruft, einen eigenen Stil. Seine ästhetisch und handwerklich anspruchsvollen Einbände aus farbigem Oasen-Ziegenleder, etwa der des „Faust“ von 1913, bilden den Kontrapunkt zu schlecht gehefteten und schnell geleimten Wegwerfbüchern. Von 1906 bis 1914 hat Else Lampe von Guaita, die mit Dorfner zusammenarbeitet, in Weimar ihre produktivste Schaffenszeit. (Die Stadt wird ihr vorher schon aus den Erzählungen ihres Freundes, des Kunstgewerblers Hermann Obrist, vertraut sein.) Auch sie gestaltet Ledereinbände, die über die dienende Funktion hinaus eine eigene Kunstgestalt erhalten. Helene von Nostitz erinnert sich „eines matten Ledereinbandes, in dem ein Edelstein wie ein sinnendes Auge eingelassen war“93. Ein wichtiges Kapitel in Weimars Buchkunstbestrebungen schreibt Harry Graf Kessler. Bereits 1904 veranstaltet er eine Ausstellung zur „Modernen Schreib- und Druckkunst“, deren Katalog er nach künstlerischen Gesichtspunkten gestaltet. Für das Schrift- und Satzbild ist ihm Nicolaus Jenson Vorbild94, ein Drucker aus dem Italien des 15. Jahrhunderts. Auch hier übrigens zeigt sich der intensive Bezug der Moderne zur Renaissance. Im gleichen Jahr 1904 konzipiert Kessler „eine der schönsten überhaupt je gedruckten“95 Ausgaben, jene zugleich luxuriöse und praktische „Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe Deutscher Klassiker“, für die er die besten englischen Buchkünstler verpflichtet. Die Produktion von ästhetisch wertvollen Büchern in der Druckerei R. Wagner Sohn, vor allem aber die Gründung der Cranach Presse96 1913 sind weitere Schritte Kesslers auf dem Weg zur Erneuerung der Buchkunst in der Besinnung auf alte Handwerkstradition und Formensprache. Ein Blick auf Weimars Nachbarstadt erweist einen nicht minder intensiven Beitrag zur Rettung des Buches als sinnlich-ästhetisches Objekt: Eugen Diederichs’ unverkennbare Werke mit den bunten Einbänden, dem festen, aber weichen Papier, der großzügig gesetzten Frakturschrift und der Innentitelrahmung97, zeigen die Spannung von Altem und Neuem, in der sich die moderne Buchkunst von Anfang an bewegt. Andere, etwas skurrile Bestrebungen Weimarer Vereine stehen doch folgerichtig in diesem Zusammenhang; auch sie erwachsen aus der Kritik an einer als verlogen und verkrüppelt empfundenen Kultur, wollen Literatur den Verwertungsprozessen entziehen und im Rückgriff auf die Vergangenheit Leben erneuern. Bereits 1889 wird in Weimar der Deutsche Verein für Verbreitung guter Schriften gegründet.98 Er reagiert auf sozialgeschichtliche Entwicklungen im späten 19. Jahrhundert, die einer verstärkten Rezeption von Unterhaltungsliteratur Vorschub leisten. Von einem volkserzieherischen Anspruch geleitet, vertraut der Verein der künstlerischen Kraft

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und Wirkung bedeutender Dichtungen, die es nur gelte, den weniger Bemittelten zu günstigen Preisen oder unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz zu kommerziellen Unternehmungen ähnlicher Art, Meyers oder Reclams etwa, ist der Wohltätigkeitsgedanke für den Verein bestimmend. Es gilt, Spenden zu sammeln, um kostenlose Schriften der Klassiker und anderer Autoren der Weltliteratur verteilen zu können. In einem Zeitraum von fünf Jahren verbreitet der Weimarer Verein ungefähr drei Millionen Hefte, „was gewiss anerkennenswert ist, aber ... erst einen verhältnismässig bescheidenen Anfang bedeutet“99, wie 1895 die Neue Deutsche Rundschau bilanziert. Zur Jahrhundertwende scheint der Verein nicht mehr wirksam zu sein, denn am 26. Juni 1905 wird in Weimar ein neuer Verein für Massenverbreitung guter Schriften gegründet, ein Ableger einer bereits bestehenden Berliner Unternehmung. Unter dem Vorsitz Bürgermeister Martin Donndorfs konstituiert sich das Gremium, das mit Ausnahme Natalie von Mildes nur aus Männern besteht. Der Kampf gegen die Schundliteratur, den man sich zur Aufgabe stellt, soll nun gewissermaßen durch Auftragswerke unterstützt werden: „Man will einen Romanschriftsteller veranlassen, einen sensationellen Roman, der frei von aller politischen und confessionellen Färbung ist, zu schreiben. Der Dümmste muß ihn verstehen können, muß auf’s Höchste interessiert werden, wie durch die Hintertreppen-Colportageliteratur, dabei muß Alles ... unschädlich bleiben.“100 Die Herren, die solches vorschlagen, verstehen wenig von Literatur. Sie glauben, man könne an Lesegewohnheiten anknüpfen, das ästhetische Anspruchsniveau senken, spannende Texte liefern, die allein durch ihre moralische Lauterkeit zum Besseren wirken. Mildes sofort vorgebrachter Einwand, man werde keinen Autor finden, der so über sich bestimmen ließe, selbst wenn, sei von einem solchen „Werk“ nichts zu erwarten101, ist berechtigt. Auch die Wendung gegen die Trivialliteratur steht in sozial- und geistesgeschichtlichem Kontext: Werte scheinen brüchig, die klassische Trias des Wahren, Guten und Schönen preisgeben. Der Wandel ästhetischer Maßstäbe wird als bedrohlich empfunden. Fast gewaltsam versucht man, auch die Literatur einem Streben nach Erneuerung des Lebens dienstbar zu machen. In einer Reihe mit der Sittlichkeitsbewegung, den Abstinenzlern und anderen Reformansätzen ist man bestrebt, Reinheit und Größe menschlicher Existenz durch Dichtung zu erhalten oder wiederherzustellen.

4. Volk, Glaube und Heimat Am 3. Mai 1903 findet im großen Saal der „Erholung“ ein Abgeordnetentag des Großherzoglich-Sächsischen Krieger- und Militärvereinsbundes statt. Dies ist die Dachorganisation vieler Kriegervereine, die auch in Weimar aktiv ist. Im Staat Sachsen-Weimar-Eisenach existieren zu Beginn des 20. Jahrhunderts 366 Kriegervereine mit beinahe 17000 Mitgliedern.102 In ihrer Tätigkeit wird die Erinnerung an den Krieg 1870/71 gepflegt, die sich bereits nostalgisch zu verklären beginnt. Man entspricht dem technischen Interesse für Schiffe, Gewehre und andere Rüstungsgeräte. Die Sorge um Waisen und Hinterbliebene und die Förderung der Zusammen-

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gehörigkeit von Reservisten sind wichtige Aufgaben. Die Vereine unterhalten Chöre und Bibliotheken; sie entwickeln eine von nationaler Begeisterung getragene Festkultur. Einer dieser soldatischen Zusammenschlüsse ist der „Kameradschaftliche Verein“ zu Weimar. Im März 1864 gründen ehemalige Unteroffiziere des Großherzoglichen Militärdienstes im Gasthof „Zum goldenen Anker“ den auch kurz „Kameradschaft“ genannten Verein.103 Sein Name entspricht der Zielstellung, man will gegenseitige Hilfe und freundschaftlichen Zusammenhalt der aktiven Soldatenzeit auch im Zivilleben pflegen. Die Mitglieder des Vereins sind untere und mittlere Beamte – also etwa Gendarmen, Eisenbahninspektoren oder Schloßverwalter – , auch Handwerksmeister und sogar Gymnasialprofessoren. Ein gewisser Leerlauf in der Tätigkeit der „Kameradschaft“ ist nicht zu verkennen; man führt langwierige und unproduktive Diskussionen über Organisationsformen und Symbole. Seit 1878 debattiert man über die Anschaffung einer Fahne, erst 1881 kann sie geweiht werden.104 Geradezu wie ein Witz mutet es an, daß man 1881 in den Weimarer Kriegerverband eintritt, 1882 den Austritt erklärt und im folgenden Jahr erneut beitritt.105 Jubiläen und Ereignisse im großherzoglichen Haus und nationale Gedenktage bilden das Gerüst der Festkultur des Vereins: Man beteiligt sich am Umzug zu Carl Alexanders Regierungsjubiläum106, feiert Großherzogs Geburtstag in Werthers Garten107, nimmt an der Beisetzung des Erbgroßherzogs Carl August teil108 und steht Spalier beim Einzug Wilhelm Ernsts und Feodoras109. Am 30. Mai 1901 beteiligt sich der „Kameradschaftliche Verein“ am Bismarckkommers, mit dem man in Weimar des Friedensschlusses vor dreißig Jahren gedenkt.110 Schließlich ist man auch bei der Enthüllung des Carl-Alexander-Denkmals111 und des Kriegerdenkmals in Kapellendorf 1907112 präsent. Die Feier zum Jubiläum der Leipziger Schlacht 1913 begreifen die Mitglieder als wichtiges Anliegen.113 Alljährlich begeht man den Stiftungstag des Vereins in ähnlicher Weise: Am 27. März 1905 etwa hört man ein Konzert der Stadtkapelle, singt patriotische Lieder und bringt ein dreimaliges Hoch auf Großherzog und Kaiser aus. Verdiente Mitglieder werden ausgezeichnet, so erhält Seminarkastellan Becher ein Bild des Kyffhäuser-Denkmals. Anschließend findet ein fröhlicher Ball statt.114 1910 richtet auch die „Kameradschaft“ eine Bibliothek ein und gründet eine eigene Sängerabteilung, die im gleichen Jahr erstmalig mit Liedern von Friedrich Silcher in Aktion tritt.115 Die Tätigkeit des Vereins ist bei aller nationalen Begeisterung von einer gewissen Kleinbürgerlichkeit, einer provinziellen Geruhsamkeit geprägt. Man findet keinen Anschluß an die Aktivisten der völkischen Bewegung. 1912 lehnt man es ab, als korporatives Mitglied dem „Jungdeutschlandbund“ beizutreten, gibt aber der in der Stadt aktiven Ortsgruppe einige Male kleine Spenden.116 In den letzen Jahren vor dem ersten Weltkrieg spielt dieser „Jungdeutschlandbund“ im kulturellen Leben Weimars eine bedeutende Rolle. 1911 wird er von General Colmar von der Goltz als gesamtdeutsche Organisation begründet, ein Jahr später bildet sich ein Landesverband für das Großherzogtum Sachsen-WeimarEisenach und eine Ortsgruppe in Weimar.117 „Jungdeutschland“ begreift sich nicht eigentlich als Verein, vielmehr als Bewegung, in der alle an der Erziehung der Jugend interessierten Kräfte mitwirken sollten. Ein Ortsausschuß für Jugendpflege, der

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1912 im Evangelischen Gemeindehaus zusammentritt118, zu dem unter anderen Vertreter aller Weimarer Schulen gehören, kooperiert mit „Jungdeutschland“, indem er ein Programm winterlicher Veranstaltungen erstellt, dem Bund aber die sommerlichen Aktivitäten überläßt. Die Vermittlung soldatischen Geistes und nationalen Bewußtseins ist das Ziel, vor allem aber die Förderung körperlicher Ertüchtigung und Disziplin. „Jungdeutschland“ hat manche Bezüge zur Reformbewegung der Jahrhundertwende: Daß man „frisch“ hinauszieht in die Natur, sich sportlich betätigt, dekadentem Luxus abhold ist und ein neues Gemeinschaftsgefühl entwickelt, wird hier allerdings mit militärischer Ausrichtung postuliert. Interessanterweise liegt zwar die Leitung der Ortsgruppe bei einem Soldaten, Hauptmann von Uechtritz, zum weiteren Führungskreis gehören aber Weimarer Gewerbetreibende, Lehrer und Rechtsanwälte, die Satzungen ausarbeiten, Spenden leisten und sammeln, Preise stiften oder sich auch als Leiter der Veranstaltungen betätigen. Fast an jedem Sonntag des Jahres treten die „Jungmannen“ zu den Übungen an: Eine Winkerabteilung übt das Übermitteln von Nachrichten im Krieg. Hornbläser geben ihnen zugerufene Signale wieder. Andere trainieren das Patrouillengehen und Entfernungsschätzen: „Es lief die Meldung ein, der Feind sei bis in die Fasanerie vorgedrungen. Festzustellen, wo der Feind stehe und in welcher Stärke, war Aufgabe der drei angesetzten Patrouillen.“119 Eine Sanitätskolonne baut Tragbahren und erwirbt medizinische Kenntnisse zur Versorgung Verwundeter. Das spielerische Element ist bei alledem stark, Ballwerfen, Botenläufe und das „schöne deutsche Schlagballspiel“120 nehmen breiten Raum ein. Zur Vorbereitung von Festveranstaltungen ist auch Kreativität und ästhetisches Empfinden gefordert, die jungen Männer spielen Theater und tragen Gedichte vor.121 Die militärische Ausbildung, letztlich Kriegsvorbereitung „Jungdeutschlands“ ist sehr wirkungsvoll, weil sie einerseits die Sorge von Eltern und Lehrern um die Persönlichkeitsbildung ernstzunehmen scheint, die Abneigung gegen bloß humanistische Schulung und Stubenhockerei betont, andererseits der Lust der Jugend an spannendem Abenteuerspiel, sportlicher Betätigung und Gemeinschaftserleben entgegenkommt. Aus dem Wissen um diese Aktivitäten wird die Begeisterung der jungen Freiwilligenregimenter zu Beginn des ersten Weltkrieges klarer: Auch „im Felde“ erhofft man sich Steigerung des Lebensgefühls jenseits der Umstellungen bürgerlichen Alltags; freilich zieht man am Ende nicht – wie nach den Übungen in Weimar – mit klingendem Spiel in die Heimat. Eine Reihe weiterer national ausgerichteter Unternehmungen bestimmt das Bild der Stadt um 1900 mit. Der Deutsche Flottenverein hat eine Ortsgruppe und erfreut sich der besonderen Anteilnahme122 des Großherzogs Wilhelm Ernst. Auch hier fällt auf, daß sich gewissermaßen unpolitisches Interesse für die Seefahrt und ihr romantisch-abenteuerliches Gesicht, für die moderne Technik auch, mit einer starken nationalen Parteinahme trifft. Der Gedanke, daß es gelte, die deutsche Marine weiter aufzurüsten, um im Kriegsfall gewappnet zu sein, bestimmt die Vorträge des Vereins. Man unternimmt Besucherfahrten zu Werften und Kriegshäfen und unterstützt den Bau des Linienschiffes „Thüringen“.123 In Weimar wirkt eine sehr rührige Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft: Stimuli ihrer Tätigkeit sind Carl Alexanders Interesse für die koloniale Bewegung und die Tatsache, daß sein Schwiegersohn Johann Albrecht Vorsitzender

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der Gesellschaft ist.124 Die Bewegung insgesamt wie auch die Weimarer Ortsgruppe ist in ihrer Differenz und aus den Zeitverhältnissen zu erörtern: Die Faszination von fernen Ländern und Exotik, das Interesse an Entdeckungsfahrten, auch wohl an der Kultur und Geschichte der überseeischen Gebiete spielen keine geringe Rolle. Der Gedanke der religiösen Missionierung und der Wohltätigkeit ist ein starker, durch das großherzogliche Haus betonter. Carl Alexanders Tochter, die in Windhuk unter dem Namen „Elisabeth-Haus“ eine Entbindungsstation stiftet125, gilt in dieser Hinsicht als vorbildhaft. Für Unternehmer sind wirtschaftliche Möglichkeiten in den Kolonien interessant. Erst nach diesen Faktoren kommt bei den Weimarer Mitstreitern der Deutschen Kolonialgesellschaft die patriotische Begeisterung über Deutschlands Rolle in Übersee, der nationalistische Enthusiasmus weiterer Welteroberung. Im April 1905 begeht der Bismarck-Verein in Weimar den 90. Geburtstag des Reichsgründers. Die Veranstaltung in der „Erholung“ ist den Mitgliedern und ihren Frauen vorbehalten, da bei öffentlicher Einladung eine Überfüllung des Saales befürchtet wird. Dies allein schon ist ein Indiz für die ungebrochene Popularität Bismarcks in der Residenz. 500 Mitglieder aus allen Kreisen gehören dem von Finanzrat Fürbringer geleiteten Verein an. Ihr Ziel ist es, das Andenken des Reichskanzlers zu erhalten und den Bismarck-Turm auf dem Ettersberg zu pflegen. Auf jener Geburtstagsfeier wird das obligatorische Hoch auf Großherzog und Kaiser ausgebracht, patriotische Lieder erklingen, unter ihnen das Vereinslied „Vom Ettersberge schaut herab“. Stiftsprediger Schmidt beleuchtet in seinem Vortrag die Persönlichkeit Bismarcks, wobei er dessen „starre Eigenart“, aber auch die Zärtlichkeit des Familienvaters und sein tiefes Gemüt in religiösen Fragen betont. Alma Ehrhardt, die Gattin des Turmbaumeisters, eine tüchtige Konzertsängerin, singt und rezitiert Fontane und Arminius. Eine humoristische Ansprache von Bürgerschullehrer Scheidemantel schließt mit einem Hoch auf die Frauen. Paul Quensels Lied „Waldzeugen“ leitet zur Fidelitas über, die bis weit nach Mitternacht gepflegt wird.126 Der Weimarer Bismarck-Verein ist einerseits ein gemütvoll-beschaulicher, der Traditionspflege verpflichteter. Andererseits versammeln sich gerade in ihm Bürger, die mit der kaiserlichen Politik nicht in allen Punkten übereinstimmen. Bismarck gilt ihnen als Konservativer, der einen Blick für weltpolitische Realitäten hat, als visionärer Reichseiner, der doch bodenständige Gestalt aus Fleisch und Blut ist. Wie breit und facettenreich das Spektrum nationaler und völkischer Vereine ist, zeigt der Blick auf die Ortsgruppe des „Deutschen Kulturbundes“. Am 14. Februar 1905 spricht hier Hans von Mosch über den „Existenzkampf des deutschen Mittelstandes“.127 Mosch ist einer der führenden Köpfe des Bundes, er ist bekannt für seine schrille Propaganda, für seinen Antisemitismus und seine antikaiserlichen Positionen. Man darf vermuten, daß er in seinem Weimarer Vortrag die Probleme aufnimmt, die etwa auch den hiesigen Gewerbeverein umtreiben, daß er diese allerdings in dezidiert völkisch-rassistischer Sicht darbietet: Die negativen Auswirkungen der internationalen Kapital- und Gewerbeverflechtungen und der billigen Importe werden ebenso eine Rolle spielen wie die vom Mittelstand als Gefährdung angesehenen jüdischen Warenhäuser. Auch der Kampf gegen den Hausiererhandel gehört zu den unterschwellig rassistischen Forderungen. Auf dem Gebiet der Wirt-

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schaftspolitik, die Gewerbetreibende und Handwerker existentiell berührt, läßt sich Antisemitismus überhaupt besonders wirkungsvoll anbringen. Eine Reihe von konfessionell geprägten Vereinen berühren sich mit dem Anliegen anderer Unternehmungen, setzen aber auch eigene Akzente. Der Allgemeine evangelisch-protestantische Missionsverein orientiert ebenso wie der Evangelische Missionsnähverein auf Ausbreitung der christlichen Lehre durch tätige Nächstenliebe, dies sowohl in Übersee als auch im eigenen Land. Sonntägliche Missionsfeiern, die aus einem Gottesdienst in der Hofkirche und einer abendlichen Versammlung im Gemeindesaal Marienstraße 7 bestehen, werden gut besucht, zumal der Hofprediger selbst dazu einlädt. Auch der Missionsverein wirkt durch seine Vortragstätigkeit; beispielsweise berichten Missionare über ihre pädagogische und religiöse Arbeit in Indien und in anderen überseeischen Gebieten. Was die sogenannte „Innere Mission“ angeht, so hebt sie alle Fragen der zeitgenössischen Reformbewegung auf die Tagesordnung. Von christlichen Positionen aus engagiert sie sich für Sittlichkeit, streitet gegen Alkoholismus und Kolportageliteratur und macht sich für Jugendfürsorge stark. In Sachsen-Weimar-Eisenach plant man die Errichtung eines – im Sprachgebrauch der Zeit – „Siechen- und Blödenheims“128, das auf Grund einer großen Zahl unversorgter Behinderter notwendig ist. Zum protestantischen Vereinswesen gehört auch der Gustav-Adolf-Verein, der im Weimar Herzog Bernhards die Möglichkeit hat, Lokales, Religiöses und Nationales gemeinsam zu feiern. Man trifft sich zu Versammlungen und Vorträgen im Armbrustsaal: Gern werden Schauplätze eines Kulturkampfes zwischen Katholiken und Protestanten beleuchtet, auf denen zugleich nationale Konflikte ausgetragen werden. So berichtet am 5. Februar 1906 Pfarrer Lortz aus Deutsch-Oth in Lothringen über den Aufschwung der evangelischen Religion nach 1860 und die gleichzeitig steigende Parteinahme der lothringischen Bevölkerung zugunsten Deutschlands.129 Die evangelische Kirche unterhält in Weimar mehrere Jungfrauen- und Jünglingsvereine, die eine regelmäßige Geselligkeit entfalten. Zur Jahresfeier der Jünglingsvereine 1903 findet im großen Stadthaussaal eine Veranstaltung über Hans Sachs statt.130 In einem Vortrag wird der Nürnberger Poet und Schumacher als vorbildlicher Protestant und Deutscher gezeigt, das bekannte Goethe-Gedicht wird rezitiert, man erfährt etwas über Sachs’ Lebensgeschichte, Texte von ihm selber erklingen, dazwischen die entsprechende Wagner-Musik, die Gemeinde singt das alte Protestantenlied „Das Wort sie sollen lassen stahn!“. Der Zweigverein des Evangelischen Bundes veranstaltet alljährlich zu Luthers Geburtstag einen Festabend.131 Selbst bei den nationalen, erst recht aber bei den protestantischen Vereinen – das eine muß das andere nicht ausschließen – kann von einer einheitlichen Orientierung keine Rede sein. Selbst innerhalb der einzelnen Vereine ist das weltanschauliche und in manchen Fällen auch das soziale Spektrum der Mitglieder breit. Der Volksbildungsgedanke ist auch hier kein ganz auszuschließender; Wissenserwerb, sportliches und ästhetisches Gemeinschaftserleben, Zusammenfinden im Glauben verbinden sich mit völkischen Überzeugungen und rigiden Missionierungsvorstellungen, der Wunsch nach Wohltätigkeit geht mit erneuerten Kulturkampfideen einher.

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Technik- und Abenteuerlust wird befriedigt, zugleich aber auch Rüstungs- und Kriegsbegeisterung genährt. Die Begriffe „Volk“ und „Heimat“ sind schillernde, von unterschiedlichen Gruppierungen und Ideologien in Beschlag genommene. Weimar wird Vorort der Heimatkunst; auch von hier werden der Kampf gegen die Vorherrschaft Berlins geführt, Zivilisations- und Großstadtkritik geübt. Der Widerstand gegen beschleunigte Wandlungsprozesse der modernen Gesellschaft, der nicht in allen Aspekten negativ zu bewerten ist, wird gerade hier vorgetragen. Einerseits stilisiert man AltWeimar zum Ideal von Heimat; zum anderen entwickelt sich eben nach der Jahrhundertwende eine Art „Thüringenbewußtsein“, das auch im Vereinswesen Ausdruck findet. Im Mai 1906 wird in Weimar eine Ortsgruppe des „Bundes Heimatschutz“ gegründet.132 Etwa vierzig Mitglieder gehören ihr gleich zu Beginn an. Vorstandsmitglieder sind Eduard Scheidemantel, der Architekt und Dichter Bruno Heinrich Eelbo, der Kustos des Liszt-Museums Aloys Obrist und der Direktor der Kunstschule Hans Olde. Der Bund hat einen in Weimar bekannten Vorsitzenden: Paul Schultze-Naumburg, ehemals Mitglied der Münchener Sezession, engagierter Streiter für die Reform- und Kunsterziehungsbewegung, dessen nationalistische Entwicklung vor dem ersten Weltkrieg noch nicht abzusehen ist. Die neugegründete Ortsgruppe hat das Ziel, „die Stadt Weimar und deren Umgebung in ihrer natürlichen und geschichtlich gewordenen Eigenart vor unnötigen und zwecklosen Zerstörungen und Entstellungen zu schützen und darüber zu wachen, daß das Neue sich nach Möglichkeit dem Gewordenen harmonisch eingliedert“133. Man will Anregungen geben, Vorträge halten, die Schönheiten des alten Weimars bildlich darstellen und Vorlagen für Neues liefern. Ohne Zweifel berühren sich im Weimarer Heimatschutz das Bekenntnis zur klassischen und nachklassischen Tradition und ihrer Ausprägung in Stadt, Park und Garten und die bildungsbürgerliche Reformbewegung, die ein neues Bewußtsein für die unmittelbare Lebenswelt schafft. Trotz einem konservierenden, modernefeindlichen Zug des Bundes schon in seinen frühen Jahren sind seine Aktivitäten nicht rundweg zu verwerfen: Sie schärfen den Sinn für das historische Gewordensein der Stadt, für natürliche und architektonische Formen im Zusammenhang von Überlieferung und Erneuerung. In der traditionsbezogenen Stadt fallen „volkstümliche“ Unternehmungen aus dem Rahmen, sofern sie nicht in ein übergreifendes Bildungskonzept integriert sind. In Weimar gibt es eine Ortsgruppe des Thüringerwald-Vereins. Sie pflegt Trachten und Dialekt, organisiert harmlos-schwankhafte Theateraufführungen. Am 14. November 1903 versammelt man sich in der „Erholung“ zum „Trachtenfast des Dieringer Waldvereins Weimer“: Zuschauende wie agierende Mitglieder kleiden sich als Dorfburschen und -mädchen, die Räume sind mit Tannengrün geschmückt, die Einladungen in Mundart abgefaßt. Ein Volksstück mit Gesang und Tanz wird von den Laienspielern aufgeführt: „Spönnstobbe“, „Kärmse“ und „Gemeeneratssötzung“ sind szenische Bilder, in denen Witz und Humor, eine gewisse sentimentale Behaglichkeit, aber auch Tragikomisches aufgenommen werden. Die Begeisterung des Publikums steigert sich noch durch den zwischengeschalteten Festzug und den

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„Bauernreigen“. Nach dem Theaterstück schließt sich allgemeiner Kirmestanz der Festgäste an, der bis in den frühen Morgen dauert.134 Nicht zu verkennen ist, daß hier ein stilisiertes Bild von Heimat und Volk entworfen wird. Der Thüringer Wald ist weniger in realer natürlicher, ethnischer und sozialer Gestalt als vielmehr als tannenduftender Sehnsuchtsort aufgerufen. Der gesprochene Dialekt ist keineswegs der im einzelnen noch differierende „Wäldler“, sondern einer aus der dörflichen Umgebung Weimars, bei dem man an Anton Sommer oder an August Ludwigs „Schnärzchen“ denkt. Mehrere Aspekte sind bei der Beurteilung eines solchen Heimatvereins135 zu beachten: Sicher hat er einen gewissen Bezug zur Heimatkunstbewegung, indem er „Volk“ und „Natur“ als Wurzeln des Lebens versteht. Er bietet heiter-harmlose Unterhaltung; er nimmt die später immer weitergehende Stilisierung von Volkskultur zu einem bloßen Oberflächenbild vorweg. Aber er bringt auch einen anderen Ton in das klassikorientierte und bildungsbeflissene Weimar; das „Volk“ tummelt sich in der ehrwürdigen „Erholung“, wenn auch in einer idealisierten Gestalt.

5. Natur, All und freie Ethik Die Beschäftigung mit der Natur hat in Weimar auch dank dem Goetheschen Erbe einen besonderen Stellenwert. Der Dichter selbst war schon Ehrenmitglied im immer noch wirkenden Verein für Blumistik und Gartenbau: Man hört Vorträge etwa über die „Ausnutzung von Mauern und Gebäudewänden durch Obstpflanzungen“136 oder verteilt neue Rosensorten unter den Mitgliedern. Es gibt einen, seit 1837 sogar zwei Bienenvereine. Carl Haussknecht, der bis zu seinem Tode 1903 als geachteter Professor und Hofrat in Weimar lebt, eröffnet mit seinen Publikationen und seinem Herbarium eine wissenschaftliche Traditionslinie, die eine breite Ausstrahlung auch auf interessierte Laien hat. Der 1888 gegründete Naturwissenschaftliche Verein, aus dem dann die Gesellschaft für Naturwissenschaft, Völker- und Altertumskunde erwächst, ist nur eine der Unternehmungen, die sich intensiv den natürlichen Erscheinungen widmen, den Blick aber auch auf kultur- und sozialgeschichtliche Phänomene weiten. So wird im Februar 1905 zur Monatsversammlung der Gesellschaft im Hotel „Goldener Adler“ Interessantes zur sächsisch-thüringischen Münzgeschichte mitgeteilt.137 In der gleichen Woche finden im Stadthaussaal physikalische Vorträge statt138 , zu denen die Mitglieder verbilligten Eintritt erhalten. Nicht minder aktiv ist der Botanische Verein, der seine Zusammenkünfte im „Sächsischen Hof“ abhält. Im April 1905 referiert der Haeckel-Schüler Hergt, der eine berühmte Pflanzensammlung anlegt, über die Entstehung neuer Arten. Der Direktor des Herbariums Haussknecht, der Orientbotaniker Bornmüller, der Vereinsvorsitzende, hält einen Vortrag über die Gattung Geum, den er mit Pflanzenfunden und Bildern illustriert.139 Zu einer anderen Gelegenheit beschäftigen sich die „Botaniker“ mit einem geschichtlichen Thema, mit der Stadt Syrakus von ihrer Gründung bis zur Gegenwart.140

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Die Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende, die den Kunstkonzepten van de Veldes und Gropius’ den Boden bereitet, in einem widerspruchsvollen Bezug zu ihnen steht, erscheint in der kleinen und traditionsgebundenen Residenzstadt. Die Idee, es gelte, das Individuum aus den Einschnürungen der Zivilisation, der Sitte, der Religion zu befreien, wird in der Literatur aufgenommen. Man denkt an Gabriele Reuters Romanhelden Karl Bürgelin, der in die ästhetische Renaissancewelt seiner Mutter in der Natur gesammelte Pflanzen und Tiere bringt, der gerade durch seinen Weg aus dem Salon ins Freie zum modernen Künstler wird.141 Ein alternatives Lebensmodell im Einlang mit der Natur gestaltet auch Friede H. Kraze, in klarer Wendung gegen die dekadente Großstadtwelt und die in ihr vorgefundene Verarmung menschlicher Beziehungen.142 Nicht nur im poetischen Entwurf, sondern in praktischen Unternehmungen finden sich lebensreformerische Ansätze. Wilhelm Bode, der jedem als Kenner der Literatur- und Kulturgeschichte Weimars, als GoetheKundiger vertraut ist, engagiert sich für die Abstinenzlerbewegung und eine entsprechende Gasthaus-Reform. Seit 1892 ist Bode Geschäftsführer des „Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke“: In jedem Jahr hält er Dutzende Vorträge in ganz Deutschland, in denen er soziale Reformen in der Alkoholfrage anmahnt. Bode versucht, die Wirte in die Mäßigkeitsbestrebungen einzubeziehen; verschiedene Fachzeitschriften drucken seine Aufsätze, die eine angeregte Diskussion im Gastgewerbe auslösen. Er bereist Norwegen, um sich über die dortige Ordnung des Schankwesens und des Getränkehandels zu informieren. 1906 publiziert er dann eine Schrift, in der die Praxis des Alkoholverkaufs in dem nordischen Land als vorbildhaft auch für Deutschland erscheint.143 Überhaupt veröffentlicht der Goetheforscher eine Fülle von Studien zu verschiedenen Aspekten der Alkoholfrage. Durch ihn vor allem wird Weimar zu einem Zentrum der deutschen Mäßigkeitsbewegung.144 Daß man Krankheit überwindet, indem man die Heilkräfte des Körpers mit natürlichen Reizen und Methoden unterstützt, ist eine in jener Zeit theoretisch fundierte und praktisch angewandte Lehre. Auch in Weimar wirkt ein Naturheilverein, der sich mit Luft, Licht, Wasser, Massage und Bewegung, mit Kneipps und Prießnitz’ Entwürfen gesunden Lebens auseinandersetzt. Eine Bibliothek vereint die neuesten Publikationen zur ganzheitlichen Medizin.145 Die gesteigerte Hinwendung zur Natur verbindet sich in widerspruchsvoller Weise mit der um 1900 starken Tendenz, konfessionell gebundene Religiosität zu überwinden. Das Gefühl, daß der kirchlich vermittelte Glaube zur Bewältigung schwieriger Lebensprozesse nicht mehr tauge, führt zu neuen Lehren des Übersinnlichen. Somnambulismus und Spiritismus liegen „im Trend“, man bietet Vortragende wie Anna Ulrich aus Berlin auf, die den Schwindel derartiger Richtungen entlarven will: „Während einer Dunkelsitzung wird sich eine geistähnliche, leuchtende Gestalt über die Bühne bewegen“146, teilt die Weimarische Zeitung werbewirksam ihren Lesern mit. Mit derlei Hokuspokus hat die Theosophische Gesellschaft, Zweig Weimar, nichts zu tun; auch sie aber versucht, Genese und Wandel von Welt und Individuum jenseits der traditionellen Religion zu erklären. Andere von der Kirche und ihren Glaubenslehren Enttäuschte finden einen Ersatz in Ernst Haeckels naturalistischem Monismus oder sie wenden sich der sozialistisch ausgerichteten Freiden-

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kerbewegung zu. Sowohl diese als auch der Deutsche Monistenbund unterhalten in Weimar Ortsgruppen. Im ersten Juniheft 1906 druckt die Frankfurter Zeitschrift einen Aufsatz, in dem die Bedeutung der ethischen Gesellschaften, freireligiösen Gemeinden, Freidenkervereine und des Monistenbundes betont und ihre gemeinsame Tätigkeit initiiert wird: „Wie einflußreich vermöchten alle diese bereits heute segensreich wirkenden Organisationen zu werden, wenn sie einen Ausschuß besäßen, der in allen Fragen, welche die gemeinsame große Sache der Aufklärung und den Kampf gegen die unerträglichen Anmaßungen der Kirche betreffen, ein scharfes Schwert in die Wagschale zu werfen hätte!“147 Im folgenden kommt es zu lokalen Zusammenschlüssen der genannten Institution, bevor am 16. Dezember 1907 Weimar der Ort ist, an dem umfassende Kooperation beschlossen wird. Über eine Reihe von Forderungen wie die Trennung von Kirche und Staat, Kirche und Schule, die freie Entwicklung des geistigen Lebens ohne religiöse Indoktrination besteht Einmütigkeit. „Weimarer Kartell“148 heißt das Unternehmen, das nicht zufällig in der mitteldeutschen Residenz begründet wird. Geographische Lage und kulturelle Tradition lassen den Ort geeignet erscheinen, eine Erneuerung des Lebens von hier anzustoßen. Auch die Kartellianer reihen sich in den Chor derjenigen ein, die von Defiziten der Kultur gegenüber der ökonomischen und machtpolitischen Entwicklung des geeinten Deutschen Reiches ausgehen. Materialitätssucht, übermäßiger Luxus, Veräußerlichung und Zersplitterung sind immer wieder gebrauchte Wörter für einen negativen Befund des Kulturzustands. (Übrigens wird diese Kritik – gerade in Weimar – von vielen geteilt, die mit der freidenkerischen Richtung des Kartells nicht sympathisieren.) Daß die Anhänger des „Kartells“ mit Nietzsche „wenig anfangen“149 können, darf bezweifelt werden: Nicht nur empfangen sie von ihm den Impetus radikaler Absage an metaphysische Ansprüche, sondern auch die durchaus optimistische Vision des „freien Geistes“.150 Dieses Kapitel Weimarer Vereinsgeschichte umfaßt disparate Interessen und Zielstellungen. Die Freude, in Goethes Fußstapfen die Natur zu beobachten, sich praxisbezogen mit Gartenbau zu beschäftigen, auch das Bekenntnis zu einer ganzheitlich ausgerichteten Naturwissenschaft stehen neben der mystisch-theosophischen Wendung gegen die traditionell-religiöse Weltdeutung. Aus der Diagnose kultureller Krise erwächst die freigeistige Bewegung, zu der sich gleichfalls unterschiedliche Persönlichkeiten und Kräfte bekennen. Man findet sich in der nachdrücklichen Emanzipation vom kirchlichen Dogma, ohne jedoch das große Ziel kultureller Erneuerung verwirklichen zu können. Hier entsteht ein Raum seelischer Leere, in den später völkische Vorstellungen eindringen können.

6. Fidelitas – die Vereinsgesellschaft zu Weimar Schon in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wird die „Vereinsgesellschaft zu Weimar“ gegründet.151 Klangvolle Namen des frühen 19. Jahrhunderts stehen auf den Mitgliederlisten152: Johann Josef Schmeller, der berühmte Porträtzeichner, die

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Schauspieler Eduard Genast und Otto Lehfeld, Christiane von Goethes Neffe, der nach dem Bucherfolg seines Vaters benannte Rinaldo Vulpius, ein Angehöriger der Weinhändlerfamilie Ortelli, die Hofkapellmeister Johann Nepomuk Hummel und André Hippolyte Chélard, der Schriftsteller und Verleger Karl Panse, der Landschaftsmaler Eduard Weichberger und James Patrick Parry, einer der bekannten Engländer in der Residenz. Einige Familien – wie Krehan oder Laemmerhirt – sind über Generationen Mitglied in der Vereinsgesellschaft. Zu ihr gehören auch um 1900 Anwälte, Lehrer, Beamte, Pfarrer, Künstler, Kaufleute, Handwerksmeister und Fabrikanten, Bankiers, Ingenieure und Architekten, Ärzte und Apotheker, Mühlenbesitzer, Oberförster und Rittergutsbesitzer der umliegenden Dörfer. Adelige sind in verschwindender Minderzahl. Der aus der Zusammenarbeit mit van de Velde bekannte Kunsttischler Fritz Scheidemantel tritt ebenso in die Vereinsgesellschaft ein wie Hofjuwelier Müller, Buchhändler Thelemann, die Photographen Friedrich Hertel und Louis Held, Zimmermeister Karl Eduard Kurth, Hotelbesitzer Franz Chemnitius, Bürgerschuldirektor Pfeiffer und die kulturell interessierten und hochgebildeten Kaufleute Max und Otto Haar. Die „Verfassung und Gesetze der Vereinsgesellschaft zu Weimar“153 vom 20. Dezember 1832 sehen noch keine weiblichen Mitglieder vor. Erst 1863 enthalten die geänderten Statuten den Passus, daß „Wittwen und unverheirathete Damen von Bildung und gutem Rufe als admittirte Mitglieder aufgenommen werden“154. Diese „zugelassenen Damen“ haben keinen Anteil an Eigentum, Wahlen und Beschlüssen der Gesellschaft, nur das Recht zum Besuch der Veranstaltungen, „soweit derselbe für Damen überhaupt zulässig“155. Diese Bestimmung wird im wesentlichen bis 1913 beibehalten. Zu den weiblichen Mitgliedern gehören Anna und Helene Stahr, die begabten Musikerinnen, Fanny Lewalds Stieftöchter also, die Kindergärtnerinnen Bertha und Emma Schellhorn und Anna Eunike, die spätere Frau Rudolf Steiners.156 Zu Beginn des Jahres 1893 umfaßt die Vereinsgesellschaft 221 Mitglieder, davon 139 wirkliche, 27 zugelassene – wirtschaftlich nicht selbstständige oder nur vorübergehend in Weimar lebende – Herren und 55 zugelassene Damen.157 Schon 1886 beträgt der Jahresbeitrag 18 Mark, für die Frauen 8 Mark158, eine recht bedeutende Summe, die allein schon nicht jedem eine Mitgliedschaft ermöglicht. Im Gegensatz zu anderen Organisationen gibt der Name keinen Aufschluß über Anliegen und Inhalte; man muß der Vereinsgesellschaft erst nähertreten, um ihren Charakter zu erkennen. Ihr Zweck sei es, „den geselligen Verkehr unter ihren Mitgliedern zu fördern“159, erklärt die Satzung von 1898 bündig, auch dieser Passus ändert sich seit der Gründung dem Sinne nach nicht. Das Bildungstreben anderer Weimarer Organisationen ist der Vereinsgesellschaft fremd. Sie bietet keine wissenschaftlichen oder sachbezogenen Vorträge, unterhält keine Bibliothek, interessiert sich nicht für Dichterlesungen, beteiligt sich auch nicht an Wohltätigkeitsprojekten. Ihr Bekenntnis zum großherzoglichen Haus und zum deutschen Nationalstaat erscheint in den Veranstaltungen, ohne daß man parteipolitische Position bezöge. Eine „Pflegestätte der Geselligkeit“160 will die Vereinsgesellschaft sein, sie dient im damaligen Sprachgebrauch der „Fidelitas“. Einige ihrer Veranstaltungen spiegeln dennoch kulturelle Entwicklungen der Zeit, zeugen vor allem von der Kreativität der

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Mitglieder. Kondolenzschreiben und Urlaubskarten in ihren Akten künden davon, daß sich in ihrem Rahmen freundschaftliche Beziehungen entwickeln. Die Vereine Weimars sind ein nicht geringzuschätzender wirtschaftlicher Faktor. Die Vereinsgesellschaft gibt Aktien aus, auf die sie eine Rendite zahlt.161 Allein diese Organisation beschäftigt Dutzende von Handwerkern, Künstlern und sonstigen Arbeitnehmern: Das Musikcorps des 94. Infanterie-Regiments erhält für eine Konzert- und Tanzveranstaltung 60 Mark, ein Klavierspieler 4 Mark, der Vereinsdiener 15 Mark im Quartal 1893. Die Austrägerin der Weimarischen Zeitung bekommt zu Neujahr ein Geldgeschenk von 2 Mark. Glaser Louis Oesterheld repariert Türen, Maurermeister Otto Saalborn bessert die Scheune aus, Carl Klar liefert sechs Meter roten Moiré, die Voigtsche Buchdruckerei druckt die Karten zum Stiftungsfest, die beiden Weimarer Zeitungen Inserate, Dachdecker Eichstädt und Zimmermaler Kanhold renovieren die Lokale, regelmäßig kommt ein Klavierstimmer, mehrere einheimische und auswärtige Gärtnereien liefern Bouquets und Cotillonorden.162 Die Reihe wäre ohne weiteres fortzusetzen; sie zeigt eindrucksvoll, in welch bedeutender Weise bürgerliche Vereine Handwerk und Mittelstand fördern und Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Es versteht sich, daß Aufträge häufig an die eigenen Mitglieder vergeben werden, so daß sich der Vereinsbeitrag auch in einem gehobenen Gewinn des Unternehmens auszahlt. Die Vereinsgesellschaft verfügt über ein Sommerlokal mit Kegelbahn und ein Winterlokal im „Brauhof“ am Karlsplatz, in dem sich auch ein Billard befindet. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hält man mehrere Zeitschriften, darunter das humoristisch-satirische Wochenblatt „Kladderadatsch“, die in den Lokalen der Gesellschaft aufliegen. Mitglieder dürfen auf Antrag in den Vereinsräumen Familienfeiern abhalten. Regelmäßig wird der Saal an andere Organisationen, etwa an den Allgemeinen Deutschen Musikverein oder an die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft ausgeliehen bzw. gegen Gebühr zur Verfügung gestellt. Der Jahreslauf der Veranstaltungen bleibt von der Gründung bis 1913 im wesentlichen gleich. Wie jeder Verein hält man Jahreshauptversammlungen und Vorstandssitzungen ab, außerdem sogenannte Ballotagen, auf denen über Mitgliedsanträge und andere Entscheidungen abgestimmt wird. Wichtiges Element der Geselligkeit sind Konzerte, die zeitweise sogar aller vierzehn Tage stattfinden. Beliebt sind Militärkonzerte des Musikcorps der 94er, aber auch auswärtiger Kapellen. In ihnen ertönen weniger Marschmusik als vielmehr populäre klassische Stücke, auch Unterhaltungs- und Operettenmelodien. Im Sommer finden die Konzerte im Garten statt, häufig münden sie in ein Tanzvergnügen. Die Vereinsgesellschaft bietet allerdings auch Künstlerkonzerte mit einheimischen und auswärtigen Hofsängern und −schauspielern: Am 23. Mai 1904 etwa tritt der spätere Gatte Lil Dagovers, „Herr Daghofer“, mit komischen Duetten und Vorträgen im Rahmen eines solchen Künstlerkonzerts auf.163 Die Vereinsgesellschaft organisiert Sommerfeste mit Stechvogelschießen, mit Schau- und Verkaufsbuden, mit Aufführungen, Belustigungen, Reigenspielen und Verlosungen, die zu einem guten Teil der Unterhaltung der Kinder dienen. Schon den Sommerfesten gibt man manchmal eine thematische Prägung; Verkleidungen, Kulissen, kleine Theaterstücke fördern die Kreativität der Mitglieder. So feiert man

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im August 1904 in Saal und Garten des „Brauhofes“ ein Erntefest in Kostümen von Schnitterinnen und Schnittern, Knechten und Mägden, lustigen Burschen und Dorfmusikanten, die Kindern ziehen in einer pittoresken Polonaise mit Früchten, Blumen und Getreide einher.164 Auch die Vereinsgesellschaft feiert in jedem Jahr den Sedantag durch Gesang patriotischer Lieder und anschließendes Tanzvergnügen. Zum Christbaumfest Ende Dezember werden Geschenke verlost. Gemeinsames Tafeln, sogenannte Vorstandsessen oder solche zum Umzug in das Winterlokal sind beliebt, sie bieten Gaumenfreuden wie Karpfen blau, Truthahn mit Trüffelfülle oder rohe Klöße und Gänsebraten. Alljährlich im Juni feiert die Vereinsgesellschaft ihr Stiftungsfest mit einem Frühstück oder Mittagessen, einem Konzert am Nachmittag und einem großen abendlichen Ball, bei dem der Garten illuminiert wird. Für die Bälle übrigens gibt es genaue Regeln: Der Zutritt ist Herren nur „im schwarzen Frackanzug, weißer Halsbinde und weißen Handschuhen und den Damen nur in vollständiger Balltoilette“165 gestattet. Im Sommerhalbjahr unternimmt die Vereinsgesellschaft Ausflüge zum Ettersberg, nach Tiefurt, wo man Spiele im Freien organisiert und später tanzt, nach Neuwallendorf, Hetschburg und Hopfgarten, wo der Wartturm besucht wird, und mit der Bahn nach Berka. Ein interessantes Kapitel sind die Unterhaltungsabende. Auch sie zeigen ein beachtliches Maß an kultureller Aktivität der Mitglieder. In ihnen spiegeln sich zugleich zeitgenössische Vorlieben und Moden. Neben musikalischen und deklamatorischen Vorträgen finden Lotterien und Verlosungen statt. „Für diejenigen Herren, welche dem edeln Skate und dem Wendischspiel huldigen, wird das Damenzimmer zur Verfügung gestellt“166, verheißt die Einladung zu einer solchen Abendveranstaltung. Nach der Jahrhundertwende kommen – wie auch in anderen Gesellschaftskreisen – sogenannte „Herrenabende“ auf, die kräftigen Alkoholgenuß und frivole Sprache gestatten. Es gibt kaum einen geselligen Kreis in Weimar, in dem nicht Theater gespielt wird. Auch die Mitglieder der Vereinsgesellschaft führen Einakter und sonstige kleine Stücke auf. Die Abendunterhaltung am 5. April 1904 beginnt mit der Ouvertüre zur „Fledermaus“, es folgen eine Arie aus Meyerbeers „Prophet“, Musikstücke von Mozart und Brahms und eine Deklamation. Dann spielen Mitglieder und Freunde der Gesellschaft Benedix’ Lustspiel „Die Dienstboten“.167 Es ist effektvoll, verrät eine gute Kenntnis der Bühne, wirkt durch seine Situationskomik, ist aber in Weltsicht und Konfliktgestaltung flach und hausbacken-philiströs. Wie geschaffen ist es also, von Dilettanten in einem bürgerlichen Verein vor dem Tanz aufgeführt zu werden. Zwei Abendunterhaltungen des Jahres 1905 zeigen noch einmal, wie Maskenscherz und -spiel als alte Geselligkeitsformen im bürgerlichen Fest zitiert werden, wie zugleich Revue- und Kabarettprogramme der Jahrhundertwende in heiteren Plattheiten anklingen. Im Oktober 1905 feiert man im „Brauhof“, der mit Requisiten aus dem Theater geschmückt wurde, ein Winzerfest, auf dem die kostümierten Mitglieder Vorführungen, Sketche und Reigentänze gestalten.168 Schon im September empfängt man Bruno Wünschmann vom Stadttheater Zürich, den die Weimarer von

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den Gastspielen im „Tivoli“ kennen: Er trägt die komischen Couplets „Monna Vanna“ – vielleicht ein Spiel mit der zeitgenössischen Maeterlinck- und Renaissance- Begeisterung – und „Knötschke von der Heilsarmee“ vor, mit den anschließenden Goethe- und Schillerparodien erntet er Lachsalven.169 Im März 1911 erscheint im Programm der Vereinsgesellschaft erneut eine kulturelle Mode: Alfred von Kendler gastiert mit seiner Soirée Magique, die schon in ganz Europa die Sehnsucht nach dem Übersinnlichen befriedigen half.170 Die meiste Kreativität der Mitglieder erfordert der jährliche Maskenball der Vereinsgesellschaft im Februar oder März. 1886 lauten seine Motti „Bauernzug aller Nationen, Zigeunerzug, Die vier Jahreszeiten“, sie werden mit Festzügen und Quadrillen umgesetzt, die von Deklamationen und Einzelvorträgen unterbrochen werden. „Einzug des Königs Hundrich der Gewaltige mit Klim Pim, Ofentüre aus ‚Fra Tiabolo′ “171 parodiert das Programm weihevolle Staats- und Musikereignisse. Im neuen Jahrhundert bleibt der Kostüm- oder Maskenball Tradition. „Im Weissen Röss’l“172 heißt am 19. Februar 1904 das Motto. Als Sommerfrischler, Touristen und Bergkraxler, Bauern und Bäuerinnen bewegen sich die Ballgäste in einer phantasievollen und aufwendigen Alpendekoration. Sowohl das Hoftheater als auch örtliche Leihgeschäfte für Kostüme liefern Kleider und Requisiten. Inspiriert von Blumenthal-Kadelburgs Lustspiel über den Gasthof am Wolfgangsee singt und spielt man von den Ferien in Tirol, läßt Studenten auf Einheimische treffen, tanzt einen von einer Ballettmeisterin einstudierten Reigen. Auf dem Höhepunkt tritt der Berliner Hofschauspieler Oskar als Glühstrumpffabrikant Giesecke auf, der „allerlei Neues vom Tage“173 erzählt, erneut ein aktuell-kabarettistisches Element. Am 19. Februar 1910 schließlich wird ein Nordpolfest gefeiert, das zunächst den Eindruck unpolitischer Maskengeselligkeit in phantasievoller Dekoration macht: „Auch die Eskimohütten, der Ausschank ‚Zum Nordlicht′ ,die schwedische Punschbude und die nordische Weinschenke versetzten die Zuschauer nach den nordischen Gestaden. Eine Anzahl Eskimos hielten eine Eisbärenjagd ab …“174 heißt es im Ballbericht. Dann aber geschieht Merkwürdiges: Die aktuellen Nordpolexpeditionen werden halb komisch, halb ernsthaft szenisch dargestellt. Der Luftschiffer Salomon Andrée, der bei einer Ballonfahrt 1897 umkam, tritt ebenso auf wie die beiden amerikanischen Nordpolkonkurrenten Cook und Peary, die sich im Ballsaal eine symbolische Konfettischlacht liefern. Dann erscheint Graf Zeppelin, hißt die deutsche Flagge am Nordpol; gemeinsam singen alle Besucher des Festes „Deutschland, Deutschland über alles“, bevor sie sich dem allgemeinen Tanzvergnügen hingeben.175 Auffallend ist, wie bruchlos Witz und heitere Unterhaltung mit patriotischem Bekenntnis zusammengehen. Niemand scheint die Geschmacklosigkeit und Deplaziertheit eines nationalen Liedes im komischen Bärenfellinterieur zu empfinden. Es ist der Geist einer heiteren Selbstzufriedenheit, der wenige Jahre später letztmalig von gewissen Landserpostkarten grüßt. 1913 reiht sich auch die Vereinsgesellschaft in die Feiern zum 100. Jahrestag der Schlacht bei Leipzig ein. Am 18. Oktober findet eine patriotisch-theatralische Abendunterhaltung im Saal des „Brauhofes“ statt. In seiner Ansprache beschwört der Vorsitzende den „Opfer- und Heldenmut der Bevölkerung und die endliche Erlösung aus Knechtschaft, Not und Schmach“. Noch einmal agieren Vereinsmit-

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glieder in den vaterländischen Festspielen „Aus eiserner Zeit“ und „Frisch auf, mein Volk“, die die Zuschauer beeindrucken. Nach dem Duett „Der Kaiser braucht Soldaten“ schildert ein Vereinsangehöriger den Verlauf der Leipziger Schlacht und erinnert an die Pflichten, die „jeder Deutsche zu erfüllen hätte, daß das Vaterland stark und mächtig bleibe“. Anschließend beginnt der Tanz.176 Die Feier zeigt wie viele andere die Saturiertheit des Bürgertums, auch das Augenschließen vor den Symptomen politischer und ökonomischer Krise. Seinerzeit, zum 60. Stiftungsfest der Gesellschaft 1885, dichtet und singt man ein lustiges Tafellied: „Drum grün Verein und blühe Modern und dennoch schlicht, So strahlt in fünfzig Jahren Dir gar elektrisch Licht. Und dann nach fünfzig Jahren, Wenn’s weiter vorwärts geht, Da tanzt man im Vereine Nur per Velociped. Und noch nach fünfzig Jahren Damit Ihr’s Alle wisst, Wird sicher auf dem Erdball Per Telegraph geküsst. Dann aber sind wir Alle Schon dort im Himmelszelt Und sing’n durch Telephone Herunter auf die Welt …“177

Das Lied hat zwar den technischen Fortschritt – in deutlicher Unterschätzung seines Tempos – im Blick, die tiefgreifenden sozialen Wandlungen des neuen Jahrhunderts sind nicht annähernd zu antizipieren. Wenige Jahre später fallen auch Söhne und Enkel von Mitgliedern der Vereinsgesellschaft auf den Schlachtfeldern. Das traditionsreiche und vielgestaltige Vereinswesen verschwindet im Laufe des 20. Jahrhunderts. Geselligkeitsstrukturen werden unwiederbringlich zerstört, ja das bürgerliche Milieu selbst wird schließlich vernichtet.

7. Tradition – die Stahl- und Armbrust-Schützen-Gesellschaft Die Stahl- und Armbrust-Schützen sind Weimars „erste Bürgergesellschaft“178, sein ältester und traditionsreichster Verein. „Charakterfiguren der alten Armbrustfamilien“179 erscheinen nicht nur in historischen Dokumenten, ihre Nachfahren pflegen auch an der Wende zum 20. Jahrhundert noch die überkommenen Bräuche. Die

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„Rückoldt’s, die Nietschmann’s, die Lämmerhirt’s“ hebt eine Aufzählung von 1907 an, die auch die bekannte Künstlerfamilie Horny unter den Mitgliedern erwähnt.180 Der „Rinaldini“-Autor und Dichter-Schwager Christian August Vulpius eröffnet gleichfalls eine Familientradition in der „Armbrust“. Besonders stolz ist man darauf, daß Goethe nicht nur Ehrenschütze ist, sondern einige Male gemeinsam mit dem Herzog Carl August auf Veranstaltungen erscheint und sich am Schießen beteiligt. Armbrustschützen gibt es in Weimar schon seit Ende des 14. Jahrhunderts181, die ersten Schützenfeste richtet man im 15. Jahrhundert aus. Bis 1765 steht das Schießhaus zwischen den Stadtmauern „an den Rähmen“, am Platz also, an dem die Tuchmacher ihre Rahmen aufstellen. In diesem Jahr 1765 übernimmt die Gesellschaft das Haus des Mundkochs Marschall am sogenannten Pfördtchen in der späteren Schützengasse, dort befindet sich auch eine hölzerne Schießloge. 1624 schießen die fürstlichen Brüder Johann Ernst, Albrecht, Ernst und Bernhard mit auf den Vogel und bedienen sich dazu „reihum der Armbrüste der Schützen“182. Seinerzeit schon ist das Vogelschießen ein Volksfest mit vielfältigen kulturellen Angeboten: Ein Kannengießerstand liefert die Preise für das Würfelspiel, am Glücksrad hantiert ein Spaßmacher bei der Ziehung, die Zuschauer ergötzen sich an den Witzen eines Narren. Pfefferküchler und Bierschenken sorgen für das leibliche Wohl.183 Im Mittelpunkt des Festes steht der zu schießende hölzerne Vogel. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts kommen Scheiben mit gemalten Kartenblättern in Gebrauch, die die eigentlichen Lustblätter vertreten. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erstarkt die „Armbrust“, was gewiß mit dem Aufschwung bürgerlichen Handels und Gewerbes in Zusammenhang steht. Die Chroniken gedenken des Herzogs Carl August, der regelmäßiger Gast der „Armbrust“ ist, etwa am 23. Juni 1786 am Lustblattschießen teilnimmt.184 1837/38 schließlich wird das neue und stattliche Armbrustgebäude in der Schützengasse nach den Plänen Clemens Wenzeslaus Coudrays erbaut. „Eingedenk der alten Zeit“ lautet das Motto der Gesellschaft, stärker als in anderen Vereinen betont man die Pflege nicht nur der Schützentradition, sondern des „Weimargeistes“ der Vergangenheit, den man als Achtung vor den überlieferten Kulturgütern, Einigkeit von Bürgern und Fürsten, Geborgenheit im Jahreslauf der Feste und Rituale versteht. 1888 wird der Saal der „Armbrust“ neu ausgestattet. Hofdekorationsmaler Carstensen entspricht dem „Geschmack der Neuzeit“185, indem er farbige Ornamente auf Cremefeldern vom teegrünen Untergrund absetzt und die Galerien in Weiß und Gold gestaltet. Zwei große Wandgemälde von Hans W. Schmidt akzentuieren erneut den Traditionsbezug: Auf dem einen erhält eine Abordnung der Armbrustschützen 1680 im Roten Schloß ein fürstliches Schießprivilegium, auf dem anderen ist dargestellt, wie Herzog Ernst August 1733 die sogenannte Anschußbrezel in Empfang nimmt. Historienmaler Schmidt bedient sich eines gebräuchlichen Mittels der Malerei, das Ineinsgehen von Gegenwart und Vergangenheit zu betonen: Die historischen Protagonisten erhalten die Gesichter zeitgenössischer Armbrustschützen. Bei der Weihe des neuen Saales sitzen am 21. Oktober 1888 immerhin 160 Mitglieder an der Tafel, der etwas überforderte Wirt tischt Krebssuppe, grüne Erbsen mit verschiedenem Fleisch, Lachs in holländischer Sauce, Rehrücken und Desserts auf.186

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1891 verabschiedet die Generalversammlung der „privilegierten Stahl- und Armbrust-Schützengesellschaft“ eine neue Satzung.187 In Paragraph 1 bezieht sie sich auf das Motto „Eingedenk der alten Zeit“ und nennt als Zweck die „Pflege des uralten Armbrustschießens und der damit verbundenen herkömmlichen Gebräuche“. Im zweiten Punkt betont man den Aspekt der Erholung, Unterhaltung und Geselligkeit. Zur „Armbrust“ gehören als Ehrenschützen verdienstvolle Persönlichkeiten und die Großherzöge und Erbgroßherzöge. Die nächsten in der Hierarchie sind die wirklichen Schützen, über deren schriftlichen Aufnahmeantrag in einer Ballotage abgestimmt wird: Wenn zwei Drittel der weißen Kugeln fallen, gilt der Bewerber als aufgenommen. Dies ist durchaus kein formaler Akt, Ablehnungen kommen vor, sind den Beteiligten peinlich, aber nicht zurückzunehmen.188 Schütze zu werden, ist kein preisgünstiges Vergnügen: Die Aufnahmegebühr beträgt 1891 30 Mark, außerdem muß der Neuankömmling eine unverzinsliche Gesellschaftsaktie über 75 Mark erwerben. Im Rüstsaal des Gesellschaftshauses hat er bei seinem Namensschild eine von ihm gekaufte Rüstung aufzuhängen. Dazu kommt noch der Jahresbeitrag von sechs Mark, nicht gerechnet die Aufwendungen für Kostüme, Ausflüge und Festtafeln. Zur Gesellschaft gehören weiterhin wirkliche Mitglieder, die keinen Anteil am Aktivvermögen haben, außerdem „admittirte“ Herren, „Frauen und Fräuleins“, die nicht über Stimm- und Wahlrecht verfügen. Der Vorstand besteht aus dem Hauptmann, dem Oberkleinodienmeister und Kassierer und dem Unterkleinodienmeister. Der Ausdruck „Kleinodienmeister“ ist keineswegs hochstapelnd: Die „Armbrust“ ist der Weimarer Verein mit dem reichsten Archiv. Sie besitzt wertvolle Gold-, Silberund Zinngegenstände, historische Lustblätter, Rüstungen, die Armbrüste der Großherzöge, Urkunden, Bilder und Bücher.189 Auch in der Zeit um 1900 sind unter den „wirklichen Schützen“ klangvolle Namen des Weimarer Bürgertums: Der Kaufmann Louis Döllstädt, der politische Ämter bis hin zum Landtagspräsidenten bekleidet, die Brauereibesitzer Karl und Robert Deinhardt, die Weingroßhändler Max Hermann Becker und Arno Krehan, die Architekten Richard Saalborn und Rudolf Zapfe, Sanitätsrat Dr. Vulpius, Alexander Huschke, Hofbuchhändler, Rudolf Borkmann, Druckereibesitzer, und ebenjener Philipp Laemmerhirt, Inhaber des Modehauses, dessen Ahnen schon vor Jahrhunderten auf den bunten Vogel schossen. Auch unter den Mitgliedern befinden sich Prominente wie Friedrich Scheidemantel, Oberhofgärtner Otto Sckell und nicht zuletzt der Maler Hans W. Schmidt, der etliche Bilder und Lustblätter gestaltet, die jedenfalls eine interessante Kulturgeschichte der „Armbrust“ und Weimars erzählen.190 Daß die einzelnen Mitglieder auch in dieser traditionsreichen Gesellschaft handfeste wirtschaftliche Interessen verfolgen, ist keine Frage. Architekt und Schütze Zapfe baut 1907 das Armbrusthaus um, die Druckereien liefern Dokumente, Einladungen und Postkarten, Krehan den Wein. Gelegentlich finden sich sogar Reklameelemente in der Geselligkeit, wie 1891, als in einem Festspiel Biere geprüft werden und das Deinhardtsche als das beste befunden wird.191 Zum Traditionsverständnis der „Armbrust“ gehört das Bekenntnis zum großherzoglichen Haus. Die Gesellschaft beteiligt sich mit über hundert Personen am großen Festzug zur goldenen Hochzeit Carl Alexanders und Sophies; traditionelle Ge-

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bräuche der Armbrustschützen zur Zeit der Reformation werden dargestellt.192 Auch beim berühmten Künstlerfest im Stern zum Einzug Wilhelm Ernsts und Carolines 1903 sind Mitglieder der „Armbrust“ bei den Akteuren.193 Die Schützenjubiläen der Fürsten, etwa das siebzigjährige Carl Alexanders 1900, werden mit Preisschießen, Konzert, Festtafel und Ball gefeiert.194 Umgekehrt beteiligen sich die fürstlichen Persönlichkeiten am Schießen und vor allem an der Geselligkeit der „Armbrust“: Gerade Carl Alexander kommt gern zu den Veranstaltungen. Ihn fasziniert die phantasievolle Gestaltung der Feste. Auf dem Maskenfest am 14. Februar 1891 erscheint er mit seinem Sohn und dem Gefolge einschließlich Adjudant Palézieux. Er scherzt mit einer als Zigeunerin verkleideten Dame und läßt sich von der Sängerin Schoder, deren Kostüm mit kleinen Musikinstrumenten verziert ist, den Wein kredenzen.195 Man kann sich denken, daß der Großherzog das bunte Maskentreiben mit Schulkindern, Wiener Wäschemädeln, Schillschen Husaren und mit einem als grauer Geldsack Kostümierten genießt. Es scheint, als ob sich Carl Alexander mit Freude die bürgerliche Geselligkeit anschaut, während sein Enkel eher pflichtgemäß der „Armbrust“ Besuch abstattet. Auf der Vorfeier seines 25. Geburtstages am 9. Juni 1901 schießt der junge Großherzog gut und sicher mit der Armbrust seines Großvaters, auch dies ein Bekenntnis zur Tradition seines Hauses. Er läßt sich die Kleinodien erklären und schenkt der Gesellschaft sein Bild.196 1908 nimmt Wilhelm Ernst am Lustblattschießen teil. Diesmal benutzt er die Armbrust Carl Augusts. Von Museumsdirektor Koetschau läßt er sich einen Vortrag über die Benutzung der Armbrust „bei der Jagd oder im Kriege“ halten. Nicht zuletzt stiftet er als Lustblattkönig des vergangenen Jahres ein von Hans W. Schmidt gemaltes Lustblatt.197 Die Großherzoginnen Caroline und später Feodora nehmen gleichfalls an der „Armbrust“Geselligkeit teil: Besondere „Huldigungen“ werden dann einstudiert wie am 8. Februar 1913, als die Schauspielerin Hanna Schumann einem von Liebesgöttern gezogenen Wagen entsteigt und einen Gruß an die Großherzogin spricht.198 Die Geselligkeit der Armbrust-Schützen-Gesellschaft verläuft nach einer gleichbleibenden Struktur mit sehr alten Elementen. Das im Mai stattfindende Anschießen eröffnet die sommerlichen Aktivitäten: An regelmäßigen Schießtagen übt man sich mit der Armbrust. Erster Höhepunkt des Jahreslaufs ist das Lustblattschießen, das an zwei Tagen – Donnerstag und Sonntag – austragen wird. Der Lustblattkönig erhält Kranz und Zitrone, wobei die letztere die „Beschwerden des Amts“199 symbolisiert. Er stiftet ein meist kostbares und phantasievolles Lustblatt, eine bildliche Darstellung also mit einer Schießscheibe. Diese Blätter bilden eine Art kulturgeschichtliches Archiv: Die sehr alten lebensgroßen zeigen etwa einen Mohren, eine Zigeunerin, einen Türken, einen Kinderfresser oder eine Brasilianerin.200 Auch die Lustblätter aus der Zeit um 1900 sind nicht uninteressant. Sie beziehen sich auf die klassische Literatur, indem sie beispielsweise die Apfelschußszene aus „Wilhelm Tell“ oder Geßlers Begegnung mit Tell darstellen. Etliche Blätter tragen Ansichten des historischen Weimars, den nicht mehr vorhandenen Marstall, Alt-Wallendorf oder einen großen „Aar über Weimar schwebend“, das alte Wieland-Haus oder Goethe, wie er seinen Sohn August in der Schießkunst unterrichtet. Einer der Stifter, der Rentier Wolff, läßt die Marktstraße mit seinem Wohnhaus malen.201

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Das Lustblatt von 1902 gestaltet ein „Vogelschießen im Walde“202, jugendstilhafte Nymphen und Zwerge entsprechen dem Zeitgeschmack. So schön die Tradition des Stiftens von Lustblättern auch ist, so ist sie doch nicht für jeden erschwinglich. 1912 beklagt man, daß mancher keine Lose kauft, aus Angst, man könne ihn zum Lustblatt- oder Vogelkönig schießen, und er könne die hohen Ausgaben nicht tragen. Man legt dann fest, daß die Verpflichtungen des jeweiligen Königs 50 Mark nicht überschreiten.203 Nach dem Lustblattschießen folgt der Höhepunkt des Armbrustjahres, für Generationen der Inbegriff heiterer Geselligkeit, das Vogelschießen. Es findet im Juli oder August, auch am Donnerstag und darauffolgenden Sonntag statt. Zu ihm gehören Gartenmusik und Konzerte, für die auch die „Armbrust“ die Regimentskapelle beschäftigt, sie bietet die übliche Mischung aus „leichter“ Klassik von Mozart und Weber über Wagner bis Gounod, Bizet und Johann Strauß, Märschen und Unterhaltungsmusik. Die Schützen und Mitglieder der „Armbrust“ und ihre Angehörigen spielen Theater: Die im Vereinsleben um 1900 immer noch gepflegten lebenden Bilder sind auch hier beliebt; 1903 etwa gestaltet man kontrastierende Szenen aus Vergangenheit und Gegenwart: „Mutterglück – Die moderne Frau“, „Tanz einst – Tanz jetzt“, „Klosterschule – Moderne Schule“204 heißen einige der Sequenzen. 1911 werden Lustblätter der Gesellschaft als lebende Bilder gestellt.205 Umzüge und Verkleidungen mit Traditionsbezug gehören zur Armbrustgesellschaft wie im Juli 1890, als man eine Parade mit historischen Uniformen aus der Zeit Friedrichs des Großen einübt, Weinhändler Krehan als Anführer der Garde-Grenadiere fungierend.206 1902 erscheint auf dem Vogelschießen ein komischer „Circus-Umzug“ mit Kamelen, Elefanten, Bären, Affen und Zebras, „unter Vorantritt eines Buren Regiments und Buren Amazonen Corps“.207 Das koloniale Milieu ist um die Jahrhundertwende allgegenwärtig, hier wird es dekorativ-komisch, im varietéhaften Tanz der „Buren-Amazonen“, aufgenommen. Auch regelrechte Theaterstücke werden einstudiert; etwas selbstironisch spricht man vom „Privat-Theater“208 der Armbrust. Man spielt volkstümliche Lustspiele, etwa „Papa hat’s erlaubt“ von Adolf L’Arronge und Gustav von Moser. Die Vogelschießen der „Armbrust“ sind Familienfeste, die vor allem für Kinder vielfältige Belustigungen bieten: Ballwerfen, Topfschlagen und Kletterstange, eine eigene kleine Schießbude, ein Raritäten- und Lachkabinett sind aufgebaut, außerdem eine sogenannte „Katzenbude“, die in volkstümlicher Redewendung als Inbegriff aufregender Albernheit weiterlebt. Illumination und Feuerwerk und ein großes Tanzvergnügen beschließen das Vogelschießen. Auch die „Armbrust“ unternimmt im Sommer einen Ausflug. Mit Vorreitern und einer großen Zahl phantasievoll geschmückter Wagen geht es in die Umgebung Weimars. Im Juli 1903 feiert man Sommerfest auf der Wiese neben der Oberförsterei über Ettersburg. Mit dem Tanz der Tirolerinnen und dem Gesang von Tiroler Liedern bewegen sich die Gesellschaftsmitglieder in einem Milieu, das damals beliebt scheint.209 Im Herbst beendet das Abschießen, dessen Preis in einem Fruchtkorb besteht, die eigentliche Schützentätigkeit:

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„Sommer verflossen, Schießen zu Ende, Hängt Euer Rüstzeug nun an die Wände; Frühjahr, so Gott es gibt, wird wieder flott geübt, Aug’, Arm und alte Wehr, zu unsrer Armbrust Ehr.“210

Auch ohne das traditionelle Schießen ist die Geselligkeit in den Wintermonaten reich. Zu Familienabenden werden erneut selbsteinstudierte Schwänke und Komödien aufgeführt; Künstlerkonzerte präsentieren zum Teil renommierte Musiker. Der jährliche Maskenball der „Armbrust“ ist aufwendig, er ist eines der kreativsten Feste Weimarer Vereine. Keineswegs schlüpfen die Mitglieder in zufällig greifbare Kostüme; die Abende haben Motti, deren Motive in faszinierender Weise umgesetzt werden. Übrigens handelt es sich um regelrechte Maskenbälle mit Demaskierung zu vorgerückter Stunde. 1889, als noch Großherzog Carl Alexander zum Kostümball erscheint, gestaltet man den „Frühlings-Einzug“211 und zieht alle Register des Dekorativ-Heiteren: Riesengroße Schneemänner, König Winter und eine Schneeballschlacht der Berggeister werden von Blumenfeen, Vögeln und Schmetterlingen abgelöst, am Schluß mündet das Treiben in ein Maienfest der Frösche mit Theaterspiel, Varieténummern und Klamauk. Im für die Gesellschaft so glanzvollen Jahr 1907 führt man einen besonderen Kostümabend durch. Seine Grundlage bildet eine im Besitz des Vereins befindliche Künstlerlithographie, die ein „ArmbrustVogelschießen vor 70 Jahren“ dargestellt, also aus der Zeit 1837/38, als das Gesellschaftshaus erbaut wurde. Die Initiatoren betonen, daß nach 1900 das Biedermeier in Kunst, Gewerbe und Mode wiederauflebe. Man will gerade keinen Maskenball, sondern ein authentisches Stimmungsbild, das die Festgewänder „des weimarischen Bürgers von anno dazumal“212 aufnimmt und bis in Benehmen und Gestik der alten Zeit entspricht. Das große Biedermeierfest, mit dem sich die Gesellschaft zugleich von ihrem umzubauenden Haus verabschiedet, scheint gelungen zu sein. Bis acht Uhr morgens wird gefeiert, dennoch treffen sich die jungen Leute am gleichen Tag schon wieder zu einem Katerbummel nach Neuwallendorf.213 Am 15. Dezember 1907 wird der neue Festsaal des Armbrustgebäudes geweiht. Wie wohl nie wieder danach in seiner Geschichte demonstriert man „guten, alten weimarischen Geist“214. Ein zwischen Traditionsstolz und komisch gebrochenem Modernebezug changierendes Festlied erklingt: „Unsre Armbrust woll’ mer achten, Eingedenk der alten Zeit.“

So nimmt man das Motto der Gesellschaft in biederem Dialektklang auf, um im folgenden im Stil eines neuzeitlich-technikfaszinierten Reklamespruchs zu dichten: „Hei, wie die Elektrik-Birnen Streuen märchenhaften Glanz Auf der Schützen Denkerstirnen, Auf der Frauen Eleganz.“215

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Um 12 Uhr erscheint der Großherzog und bekommt den Kranz und auf silberner Schale die Zitrone des Lustblattkönigs, mit ihm nimmt die ganze Prominenz Weimars an der Weihefeier teil. Daß im Armbrustgarten Johann Peter Kaufmanns Bronzebüste Carl Augusts und Donndorfs Büste Carl Alexanders stehen, ist Symbol der Traditionsbindung durch die Jahrhunderte. Schon hier sollte deutlich sein, daß die „Armbrust“ und ihr Gesellschaftshaus eine bedeutende Rolle im öffentlichen Leben spielen. Man beteiligt sich an der großen Schillerfeier 1905.216 Tagungen der Shakespeare-Gesellschaft, wichtige Vorträge finden im Armbrustsaal statt. Besonders stolz ist man darauf, daß die Einweihung des neuen Hoftheaters am 11. Januar 1908, zu der der Deutsche Kaiser, aber auch Theaterschaffende aus dem ganzen Reich gekommen sind, mit einem großen Abendessen217 in der Armbrust gefeiert wird. Am 12. Juli 1908 begrüßt man im Gesellschaftshaus den Männergesangverein Arion aus Brooklyn, der eine Art Deutschlandtournee durchführt. Die Willkommensreden betonen die Pflege des deutschen Liedes und mithin der deutschen Kulturideale im Ausland. Ein Lied Ernst von Wildenbruchs bekennt sich noch einmal zum Idealismus der klassischen Stadt als der Seele des Reiches: „So sprecht: wir sahen Weimar, Nun sahn wir Deutschland ganz.“218

Die Stahl-Armbrust-Schützen-Gesellschaft ist ein recht elitärer Verein, der schon von den anfallenden Kosten her nur dem sehr wohlhabenden Bürgertum vorbehalten ist. „Eingedenk der alten Zeit“ lautet ihr Motto, demgemäß ist der Traditionsbezug stärker als in anderen Vereinen. Die Gesellschaft ist konservativ, indem sie sich der Pflege alter Bräuche widmet, Kleinodien bewahrt, vor allem aber jenen „Weimargeist“ beschwört, der den Stolz auf die ‚Goldene′ und ‚Silberne′ Zeit, die Verbundenheit mit dem Fürstenhaus und eine gewisse biedere Bürgertugend umfaßt. Interessanterweise finden sich in den Veranstaltungen und Unternehmungen der „Armbrust“ weniger politische Bezüge als etwa in der dem Frohsinn verpflichteten Vereinsgesellschaft, in der ständig patriotische Bekenntnisse organisiert werden. Auch in der „Armbrust“ ist man gewiß konform mit Kaiser und Reich, aber man stellt es nicht aus. Obgleich man sich dem Schießen widmet, sich „Kamerad“ nennt und als Gesellschaftsvorsitzenden einen Hauptmann hat, gibt es keinen martialischen Militarismus. Es scheint, als ob die akribische Pflege der Tradition eben vor blindem Nationalismus und übermäßiger militärischer Begeisterung bewahre. „Das Vogelschießen 1914 was am 27. u. 30. August projektiert war, fiel wegen Krieg aus. Sämtliche Vergnügungen wurden unterlassen. Die oberen Räume der Armbrust wurden als Lazareth eingerichtet.“219 Trocken und lapidar klingt der Kommentar zum ersten Weltkrieg im Diarium der Gesellschaft. Die Geschichte der „Armbrust“ ist 1914 nicht zu Ende; niemals mehr aber wird man solch faszinierende Geselligkeit in ungebrochener weimarischer Tradition gestalten können.

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8. Künstlerfeste Der Blick auf Weimarer Festkultur um 1900 erweist die Freude an Kostüm und Redoute, an Maskenzügen und -spielen, an Aufführungen in phantasievoller Verkleidung. Nicht selten entstehen Gesamtkunstwerke aus Wort, Musik, Ballett und Pantomime. In mehrerer Hinsicht enthält diese Art von Geselligkeit traditionelle Elemente: Man beruft sich auf Goethes Auftrags- und Gelegenheitsdichtungen, die ihrerseits in der Tradition italienischer Renaissancehöfe und ihrer Maskenfeste stehen. Die karnevalesken Genres bekennen sich auch hier zu Herkommen und Brauch; sie huldigen den jeweiligen Fürsten, setzen geschichtliche Epochen oder poetische Figuren in eindrückliche Bilder, akzentuieren den Jahreslauf. In der Maske wird zugleich Alltag durchbrochen, eigenes Selbstverständnis überstiegen, eine – zeitlich befristete – neue Identität gewonnen. Um 1900 wird die Freude an Verkleidung und Maske noch einmal neu belebt. Realismus und Positivismus mit ihrer akribischen Suche nach Authentizität und historischer Treue wirken nach: Man fertigt Kostüme nach überkommenen Vorlagen, gestaltet Bälle, deren Motti präzise umgesetzt werden, rekonstruiert „alte“ Wirklichkeit, um sich in nostalgischem Rückblick an ihrer Schönheit zu erfreuen oder sich zu einer Traditionslinie zu bekennen. Schon aber zeigen sich Züge gewandelten Lebensgefühls und neuer Festkultur. Preziöse Rokokoszenen – in Weimar im Rekurs auf Anna Amalia leicht zu gestalten – öffnen sich zu jugendstilhaftem mänadischen Tanz, zu sinnlich-dionysischem Rausch. Schnell „kippt“ das Erlebnis der Feier zum Bizarren und Monströsen wie bei jenem legendären „Höllenfest“220, dessen karnevaleske Tradition Wirklichkeit zu werden droht. Daß Umzüge, Aufführungen und Maskenfeste in Weimars Parklandschaften integriert werden, entspricht gleichfalls dem Herkommen, erhält doch jetzt einen neuen Akzent. Nicht schöne Staffage ist die Natur, vielmehr lebendige Schöpfung, die mit der Seele eine wechselseitige Beziehung eingeht, sie hat Kunstformen, die die Gestaltung von Theater- und Festwelten prägen. Maskenbälle und -feiern im Weimar um 1900 haben häufig altdeutsches Kolorit. Mehrfach beschwört man die Spinnstube als Ort gemütlicher Geselligkeit und volkstümlichen Gesangs, man singt und tanzt Minnelieder nach alten Vorlagen, belebt die mittelalterlichen Stände mit all ihrem pittoresken Zubehör. „An der Ausschmückung der Räume arbeiteten wir vierzehn Tage. Alles war im Stil und Kostüm des dreizehnten Jahrhunderts gehalten und stellte ein sogenanntes ‚Bohnenfest′ dar. Uralte Lieder und Tänze wie auch alles Übrige wurden sorgfältig einstudiert, und ich war der Burgherr.“221 Adolf Brütts Beschreibung eines seiner großen Atelierfeste zeigt, wie sich Künstler und Kunstschüler, Adel, Minister und Schauspieler an der farbenprächtigen Mittelalterfeier erfreuen. Dieser Rekurs auf „Altdeutschland“ entspricht allgemeinen geistesgeschichtlichen Entwicklungen um 1900, die vielfältige Ursachen haben. Man strebt, die eigene Epoche romantisch zu erneuern, befriedigt die Sehnsucht nach Einheit, sucht nach dem kulturellen Grund der Nation und des Volkes. Die Kunstschule gibt seit ihrem Bestehen der Weimarer Geselligkeit Impulse. Bereits am 5. März 1861 findet das erste Künstlerfest im Stadthaus statt, das sich

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von anderen Maskenbällen deutlich abhebt. Die Weimarer bewundern die Kreativität, mit der die Künstler die Kostüme entwerfen und anfertigen, und den Gesamteindruck des Festes.222 Das ganze Jahrhundert hindurch werden derartige Feste, gelegentlich auch nach literarischen Vorlagen, gefeiert. Ulkbilder, Karikaturen und Travestien sind beliebte Darstellungsmittel. In den achtziger Jahren gibt Leopold von Kalckreuth der Geselligkeit neue Impulse, er erweckt den Künstlerverein wieder zum Leben. Vor 1887 befinden sich die Räume dieses Vereins in einem Hintergebäude des „Russischen Hofes“, direkt über dem Pferdestall.223 Auch die Künstler und ihre Gäste amüsieren sich gelegentlich in altdeutsch-volkstümlicher Manier: Es gibt Bauernfeste und Spinnabende, zu denen die Damen ihre Spinnräder mitbringen, man verzehrt Thüringer Kräppel und veranstaltet allerlei Späße. Ein heute nur noch in baulichen Relikten vorhandener Ort verkörpert wie kein anderer weimarische Geselligkeit im allgemeinen und die der Künstler im besonderen: Seit 1887 gibt es ein höchst originelles Künstlerheim. Großherzog Carl Alexander stellt die alte Hofschmiede neben dem Wittumspalais dafür zur Verfügung. Dort begegnen sich allabendlich Lehrer und Schüler der Kunstschule. Mit Theodor Hagen, Christian Rohlfs, Carl Fritjof Smith und Paul Tübbecke ist die ältere Generation der Weimarer Malerschule vertreten, mit Max Beckmann und Alexander Olbricht sitzen auch die Jüngeren an den Tischen, an denen man liest, Karten und Schach spielt und sich in diskutierenden Gruppen (bei zuweilen üppigem Alkoholgenuß) zusammenfindet. Auch in Personal und Art dieser Geselligkeit zeigt sich eine bestimmte Kontinuität an der Kunstschule, das Ineinandergreifen von Alt und Neu.224 Ein besonderer Reiz ergibt sich daraus, daß auch Schauspieler und Musiker „im dämmerigen, farbigen Licht“225 beisammensitzen. Die Archivare des Goethe- und Schiller-Archives und ihre auswärtigen Gäste, Lehrer und Wissenschaftler, Ärzte und Beamte verkehren in der verrauchten, romantischen Kneipe. Gewiß hält nicht nur Ernst Haeckel hier eine „Bierrede“226. Im Künstlerheim lernt Wilhelm von Scholz Max Klinger kennen.227 Große Schauspieler wie Paul Wiecke trifft man ebenso. Mitterwurzer bricht von hier nach dem Schillerhaus auf, um dort in der Nacht mit gezogenem Hut in theatralisch-verehrender Geste zu verharren.228 Bevor Muratori an die Wiener Burg geht, schmettert er mit Fritz Daghofer am Klavier Schlager der damaligen Zeit.229 Der Tenor Heinrich Zeller, der Baßbariton Rudolf Gmür, an dessen herrlichen Barbier von Bagdad man sich lange erinnert, der Geiger Burmester, Stavenhagen und Krzyzanowski, Humperdinck und Richard Strauss gehören zu den Gästen. Im hohen Säulenzimmer mit dem malerischen Kamin, mit alten Tischen und holzgeschnitzten Heiligen, hat Eduard Lassen eine eigene Ecke. Nach seinem Tode noch schaut man in ehrfürchtiger Rührung nach ihr hin: Der Weimarer Kapellmeister ist nicht nur ein verdienstvoller Dirigent und Komponist, sondern ein feiner und origineller Mensch. Man erzählt sich, er habe die höfliche Vorstellung Jüngerer mit einem gesummten Volkslied erwidert: „ Der Lassen, der Lassen, der Lassen bin i“230. Ereignisse wie Ausstellungseröffnungen, Tagungen der Goethe-Gesellschaft oder die Gründung des Deutschen Künstlerbundes haben stets einen inoffiziellen Ausklang in der Hofschmiede. Der gesellige Ort, der mit Hilfe des fürstlichen Mäzens entstanden ist, wird Zentrum modern inspirierter künstlerischer Debatten, er ist

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kleinstädtisch-gemütlich, dabei aber der Kaffeehauskultur Münchens und Wiens so fern nicht, gelegentlich ist er das witzig-subversive Pendant zu „weihevollen“ kulturellen Ereignissen. Auch in der Hofschmiede finden Künstlerfeste statt, man will sogar bemerkt haben, daß ein Ausweichen an andere Orte, etwa ins „Tivoli“ oder in den Armbrustsaal, dem Gelingen der Maskeraden abträglich sei.231 In den Jahren, in denen die Tradition der weimarischen Künstlerfeste leuchtend zu Ende geht, ist doch der Park der faszinierendste Auftritts- und Begegnungsraum. Die Feiern sind noch immer auf das fürstliche Haus bezogen. Sie schaffen ein Gemeinschaftserlebnis, von dem auch Menschen berührt werden, denen Maske und Verkleidung fremd sind. Während etwa Eugen Diederichs’ Jenaer Feste232, die ähnliche Inhalte haben, nur einem begrenzten Kreis vorbehalten sind, feiert ganz (oder doch halb) Weimar im Kostüm mit; gelegentlich scheinen Zeitgrenzen fließend zu werden, historische Gestalten werden lebendig, die Akteure selbst fühlen sich der Gegenwart entrückt. Als der Großherzog 1903 mit seiner jungen Frau Caroline in der Residenz Einzug hält, wird in phantasievoller Verkleidung gefeiert: „Ein Maienfest, von den Künstlern im Park veranstaltet mit Trachten ausschließlich aus dem 13. Jahrhundert, soll entzückend ausgefallen sein. Ich schloß mich aus, da mir Mu⊥enschanz von jeher ein Greuel ist. Die Leutchen gingen ungenirt, vornehm und gering, in ihren Costümen schon früh einher. Das war sehr reizend. Gegen Mittag kamen ganze Züge durch die Hauptstraßen: fahrend Volk, Clerisei, Mi]esänger, Patrizier und Bürger, bekränzte Kinder, Jagd, Tournir, z. Theil mit allerlei Gefährt.“233 In Natalie von Mildes Bericht sind die Aufführungen unter freiem Himmel noch nicht enthalten; unter anderem bereitet Aloys Obrist Tanz und Gesang alter deutscher Minnelieder wie „Maienzeit bannet Leid“ von Neidhart von Reuenthal vor.234 Die große Feier hat ein eher bescheidenes „Nachspiel“: Am 3. Juli organisiert Adelheid von Schorn für Wildenbruch und seine Frau, die das eigentliche Fest verpaßt haben, ein „Künstlerfest en miniature“235 . Immerhin sechzig Teilnehmer kostümieren sich und feiern im Garten der Villa Alisa. Theodor Hagen allerdings erklärt: „ich mache nicht mit, Wildenbruch ist doch kein Goethe.“236 Aber selbst dieses beinahe private Fest fasziniert Außenstehende: „Als ich mit Mama Abends um 9 durch die Rittergasse ging, kam uns der Zug, eine Riesenbirke tragend, entgegen. Sah reizend aus.“237 Als 1910 der Großherzog seine zweite Frau Feodora geheiratet hat, plant man erneut ein Künstlerfest, dieses Mal im Tiefurter Park. Kritiker wenden ein, daß Festzüge in authentischen historischen Kostümen nicht mehr zeitgemäß seien.238 Schon droht der Plan zu scheitern, als sich die Goethe-Gesellschaft auf ihr 25jähriges Jubiläum besinnt und sich bereit erklärt, die Feier zu finanzieren. Neben Historienmaler Hans W. Schmidt und Grafiker Otto Rasch, die Entwürfe und Kostümzeichnungen liefern, schaltet sich auch Carl Arp in die Konzipierung ein, die im Künstlerverein eingehend beraten wird. Ein langer Festzug zieht schließlich am Archiv vorüber zum Webicht und weiter nach Tiefurt: Gestalten aus Goethes Werken treten ebenso auf wie Freunde und Zeitgenossen des Dichters. Vorneweg schreitet Wilhelm Meister, gefolgt von Egmonts Niederländern, Dorotheas Flüchtlingen und etlichen WertherFigurationen, Corona Schröter und Frau von Stein ziehen mit, einige auf geschmückten Wagen. Der Großherzog im Wertherfrack erinnert die Zuschauer in

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frappierender Weise an seinen Vorfahren Carl August.239 Auf den Wiesen in Tiefurt entfaltet sich buntes und heiteres Treiben. Das „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ ist unabdingbar in der Traditionslinie weimarischer Festkultur; einen anderen Akzent setzt Haydns Kindersinfonie unter der Leitung Peter Raabes. Dann aber folgt das Erlebnis der „Fischerin“ an der Ilm, das die Erinnerung an Darstellerinnen von Corona Schröter bis Marie Schoder wachruft, das von der Wasserlandschaft als Teil des Kosmischen inspiriert ist. Schließlich erblickt man einen jugendstilhaften Reigen der Mänaden240 um die flackernden Feuer, das Fest endet in dionysischer Lust. Am Morgen erst findet man sich im Künstlerheim mühsam wieder in einen geordneten Alltag. Einmal noch ist es gelungen, ein Künstlerfest zu organisieren, das viel mehr ist, als sein Name aussagt: Es ist Maskerade und Kunstfest, heiteres Spiel und ergreifendes Erlebnis, Jubiläumsfeier und orgiastische Entgrenzung, Fürstenhuldigung und wirkliches Volksfest. Rückblickend wird man feststellen, daß der Tag in Tiefurt die Reihe der großen Künstlerfeste überstrahlte und sie „beschloß … in Schönheit und Größe“241. Nicht nur die Tradition solchen Gemeinschaftserlebens im Fest ist mit dem ersten Weltkrieg gebrochen. Die Geselligkeit im Künstlerheim, an dessen Wand nun eine Tafel mit den Namen gefallener Vereinsmitglieder hängt242, wird stiller und wohl auch philiströser. Als dann die Bauhäusler in anderen Räumen ihre faszinierende Festkultur entwerfen, erreicht dies nur noch eine begrenzte Öffentlichkeit. Die Zeit der integrierenden Volks- und Kunstfeste ist ein für allemal Geschichte.

9. Kulturstammtische: Weltfremdheit, Gelehrtentum und Kampf gegen die Moderne Zur Geselligkeit im Weimar der Jahrhundertwende gehören einige Gesprächskreise, in denen sich vorwiegend Männer regelmäßig zusammenfinden. Gelehrte und Akademiker, Staatsbeamte und Offiziere entwickeln in den Zirkeln unterschiedliche Strategien der Zeitkritik und Alltagsbewältigung. Man führt unpolitische Debatten über Quellenfunde oder philologische Streitfragen, doch reicht das Meinungsspektrum bis zur dezidierten Abwehr moderner künstlerischer Erscheinungen. Den Akademikern vorbehalten ist die Mittwochsgesellschaft „Schlüssel“, die 1847 zur „Pflege wissenschaftlicher Interessen und geselligen Verkehrs“243 gegründet wird. Ihr gehören 36 Männer an, die sich einen Vortrag anhören und sich dann „bei einem redegewürzten Mahle“244 davon erholen. Aus diesem Verein geht der Montagsverein „Dietrich“ hervor, eine Art Philologenverein aus Privat- und Berufsgelehrten, der am 1. Januar 1901 zu seiner 1. Sitzung zusammentritt.245 Einer der Präsidenten setzt es durch, daß zu einem Abend im Jahr Frauen geladen werden, unter ihnen Adelheid von Schorn. Die Mitglieder verzichten bald wieder auf diese Neuerung, sie fühlen sich in Gegenwart der schöngeistigen Damen unwohl. Zum „Dietrich“ gehören akribische Forscher, gebildete Persönlichkeiten, einige von ihnen sind nicht frei von einer gewissen Verschrobenheit. Der ehemalige Gymnasialdirek-

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tor und brandenburgische Domherr Otto Heine artikuliert seine BismarckFeindschaft, trägt außerdem Proben aus dem indogermanischen Reallexikon, vorzugsweise über Erotisches, vor. Eine Reihe weiterer Lehrer referieren im Verein: Ludwig Weniger, der am Gymnasium wegen seiner streng konservativen Position stark bekämpft wird, wendet sich griechischer Archäologie zu; Hugo Laemmerhirt, Neurastheniker, der es schon einmal vergißt, zum Unterricht zu erscheinen, ist hochgebildet und hält gute Vorträge. Franz Kuntze, pensionierter Lehrer aus Karlsruhe, übersetzt aus dem Isländischen, verfaßt sprach- und literaturwissenschaftliche Aufsätze über einigermaßen skurrile Themen, etwa über das Wort Marmelade oder den Schmetterling in der Dichtung. Der erblindete ehemalige Gymnasialprofessor Hermann Schrader spricht über den Vegetarianismus im Altertum oder die Pest in Athen. Neben den Lehrern gehören hochgestellte Beamte und Geistliche zum „Dietrich“, unter ihnen Geheimer Regierungsrat Max Vollert, der über seine Reiseerlebnisse in Sizilien berichtet, aber auch Witziges über den Blankenhainer Rasselbock zum besten gibt. Kirchenrat D. Spinner, der einige Jahre für die Mission in Japan arbeitete, referiert über Asien. Es scheint, als sei Weimar im allgemeinen und der „Dietrich“ im besonderen ein Refugium für Sonderlinge und weltabgewandte Spezialisten, die doch interessante Persönlichkeiten sind und auf einzelnen Gebieten Solides leisten. Zu diesen gehört Eduard Rählmann, einst Professor der Augenheilkunde in Dorpat. Er ist geschäftsführendes Mitglied der Goethe-Gesellschaft, unterhält ein geselliges Haus in der Sophienstraße, in dem auch der „Dietrich“ gelegentlich tagt. Die Firma Zeiss leiht ihm ein Mikroskop, mit dem er Farbproben für seine Studien zur Renaissancemalerei untersucht. Die bekanntesten Mitglieder des Vereins aber sind Mitarbeiter der Weimarer Bibliotheken und Archive: Paul von Bojanowski erörtert die Geschichte der Bibliothek, Hugo Burkhardt ist nur Zuhörer, Conrad Höfer nimmt Literatur- und Theatergeschichte auf, Hans Gerhard Gräf spricht über Frau von Stein und über Ellen Key, Rudolf Schlösser wendet sich Rückert und Platen zu. Deetjen, Tille, Pischel sind ebenso im „Dietrich“ Mitglied wie der Dichter Otto von Taube. Zu den Gründern des Vereins gehört Carl Schüddekopf, einer der eifrigsten Referenten, dessen witzig-anzügliche Zitate aus bibliophilen Büchern Höhepunkt der jährlichen Festessen sind. Einige „Schnuppergäste“ des „Dietrich“ finden keinen Gefallen an seiner besonderen Geselligkeit. Zu ihnen gehört Adolf Bartels.246 Man kann sich denken, daß sich der völkische Autor im Kreise der doch recht weltabgewandten Eigenbrötler, der mit Spezialthemen befaßten Philologen, unwohl fühlt. Leidenschaftliche Parteinahme für Gegenwärtiges wird nur selten vorgetragen; man trifft sich, um einander von eigenen Forschungen zu erzählen, um ruhig und „widerspruchslos“247 zuzuhören, dann heiter und geistvoll, manchmal ein wenig schlüpfrig zu konversieren. Ein anderer Männerkreis versammelt sich in der Gastwirtschaft „Stadt Coburg“ am Viadukt. Wenn „die Sonne niedergeht“248, erscheinen an diesem Stammtisch Philologen, Archivare und Autoren, die gern auch auswärtige Besucher als Gäste sehen. Die in der Mehrzahl schon recht betagten Herren nennen sich die „Kraniche“; zum Gespräch trinken sie reichlich Alkohol und schmettern zu vorgerückter Stunde

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ein Lied. „Oberkranich“ ist Carl August Hugo Burkhardt, der Direktor des Staatsarchivs, der sich mit historischen Forschungen und als Herausgeber einen Namen macht. Zum Kreis gehört Franz Sandvoß, der unter dem Pseudonym Xanthippus publiziert. Bevor er 1893 nach Weimar kommt und eine Zeitlang die Redaktion der Weimarischen Zeitung übernimmt, war er Mitarbeiter am Grimmschen Wörterbuch, Lehrer, auch Privatsekretär des Diplomaten von Keudell in Konstantinopel und Rom. Sein Interesse für Germanistik und Volkskunde entspricht einer geistesgeschichtlichen Linie im 19. Jahrhundert, er sammelt alte deutsche Sprüche, aus philologischem Interesse, aus Freude an ihrer sprachlichen Gestalt, auch aber als Quellen einer völkischen Erneuerung. Seine Edition von Sprüchen und Erläuterungen will zumal dem Lehrer einen „Volkskatechismus“ an die Hand geben, ein „Grundbuch deutscher Sitte und Gesinnung“, das modernem Sprach- und Gesellschaftsverfall widersteht.249 In weiten Kreisen Deutschlands wird Sandvoß als engagierter Gegner Heinrich Heines bekannt: Mit seiner Zuschrift an den „Kunstwart“250, vor allem aber mit seinem Buch „Was dünket euch um Heine“251 erregt er zu Recht die Entrüstung eines Teils literarischer Öffentlichkeit. Sandvoß ist der Ansicht, daß Heine den Verfall der deutschen Sprachkultur initiiert oder doch wesentlich befördert habe. Der Jargon der Berliner Zeitungen und Feuilletons beginne, folgte man Sandvoß’ Argumentation, mit den grammatischen und stilistischen Verstößen der Heineschen Texte. Man könnte dieses Verdikt als literatur- und sprachgeschichtliches Fehlurteil abtun, das etwa dem bekannten von Karl Kraus252 an die Seite gehört. Allerdings ist Sandvoß’ Schrift von einem geradezu wütenden Antisemitismus, den der Autor zwar nicht wahrhaben will, der aber seine Darstellung bestimmt. „Heine ist das Prototyp des modernen, e n t a r t e t e n Judentums“253, bemerkt Sandvoß; er polemisiert in wüster Weise gegen Heineverehrer von Walter Robert-Tornow, über Wilhelm Bölsche und Julius Rodenberg, bis Hans von Bülow, der ein Konzert für ein Denkmal des Dichters veranstalten will. Paul Heyses Wort von Heine als dem größten Lyriker nach Goethe empört Sandvoß so, daß er dem Freund Großherzog Carl Alexanders „eine Zusetzung semitischen Blutes“254 unterstellt. Xanthippus verstärkt eine Linie des Heine-Hasses in Weimar; Antisemiten wie Adolf Bartels kämpfen mit publizistischen Mitteln gegen ein Denkmal des Dichters, dem die „männliche deutsche Kraft“255 gefehlt habe. Zur Ehre der Stadt und ihrer Kultur ist freilich anzumerken, daß die Heine-Verehrer hier eine starke Fraktion haben. Man sieht durchaus eine Traditionslinie deutscher Lyrik von Goethe, über Heine bis hin zu Richard Dehmel und Ricarda Huch, eine widerspruchsvolle Kontinuität des Geistes und der sprachlichen Schönheit. Die große Heine-Matinee 1913 im Hoftheater256 ist dafür noch einmal ein äußeres Zeichen. Eine interessante Persönlichkeit im Kreise der „Kraniche“ ist Carl Schüddekopf. Der leidenschaftliche Büchersammler, der am 1. Oktober 1896 als Assistent an das Goethe- und Schiller-Archiv berufen wird, einige Bände der Sophienausgabe herausgibt, ist nicht in der Lage, seine durchaus akribischen Forschungen zu bündeln und zu konzentrieren. Der ausgezeichnete Kenner Gleims vermag seine detaillierten Kenntnisse etwa nicht zu einer Monographie zusammenschließen. Die Atmosphäre am Archiv hielte Schüddekopf nicht in Weimar, wohl aber die Geselligkeit in der Stadt: „Kraniche“ und „Dietrich“ schätzen seine klugen und witzigen Beiträge; mit

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der Malerin Bertha Froriep und ihrer Schwester Clara ist er befreundet257, in ihrer künstlerischen Aufgeschlossenheit, tätigen Menschlichkeit und starken Verbundenheit mit der Tradition scheinen sie ihm Vertreterinnen echten Weimargeistes. Man sieht Schüddekopf häufig in den Veranstaltungen des Künstlervereins, auch er gehört zu den Stammgästen der Hofschmiede. Gelegentlich schaltet sich der Gelehrte in die aktuelle Kulturdebatte ein: Als es 1900 im Reichstag Bestrebungen gibt, im Zusammenhang mit der Lex Heinze die Freiheit der Kunst zu beschneiden, gehört Schüddekopf zu den entschiedenen Gegnern solcher Bestimmungen.258 Wenige Jahre später setzt er sich für die Erhaltung der Mauer des Goetheschen Hausgartens ein.259 Eine Persönlichkeit wie die Schüddekopfs ist nur schwer mit Etiketten wie „liberal“ oder „konservativ“ zu fassen. 1913 zecht er mit den jungen Besuchern der Schiller-Festspiele260, die ihm die Hoffnung auf kulturelle Erneuerung der Nation zu verkörpern scheinen. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges allerdings erfüllt ihn tiefe Betroffenheit: „Er fürchtete nicht mit Unrecht, daß die Grundlage der Verträge und Verabredungen privaten Charakters, auf denen er sein bürgerliches Dasein seit anderthalb Jahren aufgebaut hatte, unter dem losbrechenden Sturm zusammenstürzen müsse.“261 Neben den Genannten erscheint Gotthilf Weisstein im Kreise der „Kraniche“. Auch er ist ein Bibliophiler mit schöner Bibliothek. Der dicke und stotternde Mann ist gebildet und geistvoll, ein wirkliches Original. Als Herausgeber der „Berliner Curiosa“262 läßt er eine Neigung zum Possenhaft-Kabarettistischen erkennen. Gelegentlich sitzt Nicolaus Müller am Stammtisch, der bekannte Melanchthon-Forscher, der auch über die Inschriften der jüdischen Katakombe am Monteverde in Rom publiziert.263 Karl Kehrbach ist da, Kant-Herausgeber und Pädagoge, und wohl auch Conrad Höfer, der durch seine Publikationen bekannte Sophienstiftslehrer, einer der engen Freunde Schüddekopfs. Der Kreis der „Kraniche“ gehört zum besonderen akademischen Milieu in Weimar. Es steht den Lehr- und Forschungsprozessen der Universitäten ferner, ist isolierter, selbstgenügsamer, wendet sich gelegentlich abseitigen Inhalten zu. Nicht anders als in den achtziger und neunziger Jahren ist gerade bei den Archivmitarbeitern der Wunsch nach Gespräch und Geselligkeit stark. Gelehrtenzirkeln wie „Dietrich“ oder „Kranichen“ freilich ist der jugendlich-kritische Impetus Eduard von der Hellens oder Rudolf Steiners fremd. Der Elan, mit dem jene seinerzeit gesellschaftliche Reformen anmahnen, die erstarrte Weimarwelt geißeln und moderne Kunst diskutieren, ist den Archivaren und Forschern nach 1900 erlahmt. Man beschränkt sich auf philologische und kulturhistorische Erörterungen, müht sich mit Editionen und freut sich an bibliophilen Entdeckungen. Das Milieu ist nicht unproduktiv; es vereint unterschiedliche Persönlichkeiten, die nicht sämtlich dogmatische Verächter der Moderne oder blinde Nationalisten sind. Die Neigung einiger Gelehrter zu völkischen Positionen ist dennoch auffallend; Weimarer Tradition wird zunehmend als Kern einer nationalen Erneuerung verstanden. Weimar gilt als „Pensionopolis“264: Staatsbeamte, Akademiker und Offiziere, die durch Alter oder Krankheit aus dem Dienst ausscheiden, schätzen die Kultur- und Parkstadt, die den sozialen Problemen fernsteht, auch die Residenzstadt, die noch immer einen gewissen Glanz entfaltet. Pensionierte Offiziere sitzen am „Tisch mit

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dem grünen Vorhang“265 im Hotel „Elephant“. Standesenge und Weltfremdheit bestimmen ihre Gespräche, die sie über alle in der Öffentlichkeit erörterten Themen führen. Neue und erfolgreiche Theaterstücke und Bücher werden meist abgelehnt. Daß Kinder aus gutbürgerlichen oder Offizierskreisen eine Künstlerlaufbahn einschlagen, gilt als besonders verwerflich, musikstudierende Frauen gar sind den Pensionären nur mehr „Wesen“266 außerhalb aller Ordnung. Der größte Haß der Offiziere, deren laute Stimmen in den Gastraum dringen, gilt der bildenden Kunst der Gegenwart. „Welches Maß an Leidenschaft, an Groll und feindlicher Gesinnung vermochte eine harmlose Gemäldeausstellung zu entfesseln!“267 schreibt Wilhelm von Scholz, einer der unfreiwilligen Zeugen dieser Debatten. Er führt diese Abneigung auf das „stille, nicht antwortende, unbeirrt beharrende Dasein“268 von Bildwerken zurück. In der Tat ist die Abneigung und das Unverständnis der Zeitgenossen gegenüber modernen Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen ungleich größer als gegen Texte und Musikstücke. Der Konflikt zwischen traditionellen Rezeptionsgewohnheiten und neuer Formensprache scheint hier besonders stark. Die Offiziere hinter dem grünen Vorhang beobachtend, denkt man unwillkürlich an die Weimarer Reaktionen auf Rodins Aktzeichnungen. Auch am klassischen Ort gibt es eine Linie starrer Standesprägung, die individuelles Urteil über Kunst nicht zuläßt. Zu Ostern 1902 übernimmt Ernst Wachler die Leitung der Weimarischen Zeitung, die er seinen völkischen Überzeugungen gemäß als „vorbildlich nationales Organ“269 profilieren will. Ähnlichen Intentionen folgt er in der Geselligkeit: Er begründet den Jungbrunnentisch als „neuen geistigen Quellpunkt“270. Der Name des Stammtisches berührt Wachlers Lieblingsmotiv, den Wunderborn, der im heiligen Hain der germanischen Ahnen rauschte, das Quellheiligtum, das – überbaut von Städten und christlichen Domen – dennoch weiterhin seine tief gründende mystische Kraft entfaltet. Die bloß pietätvolle Pflege klassischer und nachklassischer Tradition, der „Museumsgeist“271 scheinen Wachler schwere Gefahren für das deutsche Geistesleben, denen er mit einer völkischen Erneuerung aus naturmystischem Germanentum begegnen will. Im Gegensatz zu den selbstgenügsamen Gelehrtenzirkeln, auch zum unwirsch-antimodernen Offizierskreis, hat Wachlers Stammtisch den Ehrgeiz, eine kulturelle Neuorientierung im völkischen Sinne zu stimulieren. Es verwundert nicht, daß Adolf Bartels, Heimatkünstler und antisemitischer Literaturkritiker, am Jungbrunnentisch Platz nimmt. Auch der Architekt und Dichter Bruno Heinrich Eelbo wird sich in seiner Modernekritik, seinem Neuheidentum und seinem distanzierten Verhältnis zu überkommenem Weimargeist hier wiederfinden. Hans Hoffmann, seit 1902 Generalsekretär der Deutschen Schillerstiftung, ist kein ambitionierter Heimatkünstler, steht mit seinen humoristisch-behaglichen Erzählungen und Märchen modernem Lebensgefühl eher fern. Am Jungbrunnentisch schätzt man ihn, weil er „Zersetzung“ und „Weltekel“ nicht mitmache.272 Den Arzt Walter Vulpius wird sein Interesse für die Lebensreformbewegung, für eine freiere und natürliche Pädagogik auch, in den völkischen Kreis führen. Mit Aloys Obrist und Peter Gast sitzen zwei Musiker am Jungbrunnentisch: Der eine, Sohn der vornehmen Salonière aus britischem Hochadel, bringt es als Schüler Müllerhartungs zwar zu Kapellmeisterehren in verschiedenen deutschen Städten und zum Kustos des Weimarer Liszt-Museums, sein Künstlertum aber ist bedingt und begrenzt. Als Musik-

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kritiker der Weimarischen Zeitung läßt er seine stete Gegenposition zu – wirklich oder vermeintlich – großstädtisch-dekadenten Ausdrucksformen erkennen. Der andere, Heinrich Köselitz oder mit dem Pseudonym Peter Gast, ist als NietzscheFreund und in seiner Tätigkeit am Nietzsche-Archiv bekannt. Daß er Musik für Wachlers Festspiele komponiert, zeigt sein Interesse am völkischen Freilichttheaterkonzept. Freilich richtet sich das Interesse der Jungbrunnenherren nicht nur auf die germanische Vorzeit und die Wiederaufnahme entsprechender Stoffe. Einige von ihnen weilten für längere Zeit in Italien, dessen Kulturgeschichte auch für völkische Erneuerungsideen Ansätze bietet. Die Beziehung zwischen dem Nietzsche-Archiv und dem Jungbrunnentisch ist durchaus nicht so harmonisch, wie einige Quellen annehmen. Interessante Einblicke in diesen geselligen Kreis liefert Max von Münchhausen, der als Besucher am Tisch Platz nimmt. Er kennt Wachler aus Berlin, wo er mit ihm gemeinsam die „Deutsche Zeitschrift“ publizierte. Jetzt, im Weimar des beginnenden 20. Jahrhunderts, polemisiert er gegen Wachlers Versuch, die Stadt als Zentrum der Heimatkunstbewegung zu profilieren, damit aber einem vom Nietzsche-Archiv getragenen „Neuen Weimar“ entgegenzuarbeiten. Über die Jungbrunnen-Sitzung am 11. September 1902 berichtet Münchhausen: „Ein langweiliger Herr von Biestram, früherer Offizier, beherrschte die Unterhaltung. ... Ein sehr einseitiges Urteil über modernnaturalistische Bühnendarstellungskunst brachte mich dann in Harnisch. Diese Jungbrunnenleute, meist wüthende Wagnerianer, übersehen ganz, dass naturalistische Schauspielerei und Wagner-Musik-Drama durchaus Parallelerscheinungen sind. Dort naturalistische Treue mit allen Mitteln des mimischen Ausdrucks, hier dieselbe naturalistische Stimmungs- und Seelenmalerei mit Hilfe des musikalischen Ausdrucks.“273 Die Schilderung Münchhausens bestätigt noch einmal die Abneigung des Kreises gegen das moderne (insbesondere das Berliner) Theater und seine ästhetischen Mittel. Wagner spielt für die Jungbrunnenleute in der Tat eine wesentliche Rolle, ohne daß sie alle begeisterte und unkritische Gefolgsleute des Meisters wären. Heimatkunst und Wagnerianertum sind am Nietzsche-Archiv eher distanziert betrachtete Erscheinungen. Daß Münchhausen Elisabeth Förster-Nietzsche wie einer Außenstehenden vom Jungbrunnentisch berichtet, läßt es wenig wahrscheinlich sein, daß die Chefin des Archivs als vertrauter Gast regelmäßig in diesem Kreis weilt.

10. Feiertags Stumpfsinn? Jubiläumsfeiern zwischen Sinnsuche und Ritual In Stefan Georges Lyrikband „Der siebente Ring“ steht ein bekanntes Gedicht: Es heißt „Goethe-Tag“ und gestaltet die Begegnung tief empfindender Menschen mit einer Jubiläumsfeier in Weimar. Schweigend und ehrfürchtig nähert man sich dem stillen Haus des Dichters, bevor der Festtrubel auf die Stadt hereinbricht:

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„Noch wenig stunden: der geweihte raum Erknirscht: sie die betasten um zu glauben .. Die grellen farben flackern in den gassen· Die festesmenge tummelt sich die gern Sich schmückt den Grossen schmückend und ihn fragt Wie er als schild für jede sippe diene – Die auf der stimmen lauteste nur horcht· Nicht höhen kennt die seelen-höhen sind.“274

Der Rahmen der Strophe beschwört die sakrale Sphäre des Dichterortes, zu der nur wenige einen geistig-emotionalen Zugang finden. Die Menge aber verlangt wie der ungläubige Thomas nach äußeren Zeichen des Wunders, das Laute, Grelle und Unkultivierte bestimmen ihre Goethe-Feier ebenso wie selbstzufriedenes Eigenlob und das Verstecken hinter dem großen Namen. Im folgenden entfaltet George ein Goethebild, das dem des „Olympiers“ fernsteht, das eines Künstlers voll „qual und unrast“275, eines, das für die Zukunft viel verheißt, während die traditionellen Deutungen verblassen. Den vielen Feiernden ist dieses subtile Verständnis verschlossen: „Ihr nennt ihn euer und ihr dankt und jauchzt – Ihr freilich voll von allen seinen trieben Nur in den untren lagen wie des tiers – Und heute bellt allein des volkes räude ...“276

In der ersten Zeile nimmt der Autor jenes auf Weimarer Gedenkfeiern immer wieder gebrauchte Goethewort aus dem Epilog zur „Glocke“ auf und widerlegt es. Das Volk erscheint als tierisch-schmutziger Abschaum, das ohne intellektuelle Durchdringung und Sublimierung Goethe nicht nahe kommt. George wendet sich gegen die veräußerlichte Feier des Dichters, gegen den Goldschnitt- und Volksfest-Goethe, zugleich spricht sein elitärer Ansatz der Menge jeglichen Zugang zum Dichter ab. Die Sicht Georges berührt sich mit der des Grafen Kessler, der im SchillerJubiläumsjahr 1905 an Hofmannsthal schreibt: „Wir feiern, feiern, feiern hier, und es ist kein Unterschied, ob es Sedan oder Schiller ist. Dieselben häßlichen Visagen im Feiertags Stumpfsinn.“277 Die Polemik des Ästheten trifft eine Linie der Weimarer Geselligkeit: Mit Eifer feiert man am Ende des alten Jahrhunderts und zu Beginn des neuen Gedenktage; Gleichform, Pathos und Ritual bestimmen in hohem Maße den Ablauf der Veranstaltungen. Dennoch ist Kesslers Bild einseitig; die Kultur der Feste insgesamt, auch schon die der Jubiläumsfeste, ist facettenreich, gelegentlich anregend und berührend. Immer noch ist das „Volkstümliche“ wichtiges Element, viele Weimarer beteiligen sich an Aufführungen, Deklamationen, Kostümierungen, sie freuen sich an Gesang und Theaterspiel und sind stolz auf „ihre“ Dichterstadt. Ohne Zweifel ist viel Äußerlich-Dekoratives in den Unternehmungen; sie vermitteln doch auch manche Begegnung mit den historischen Protagonisten. Weimar feiert nicht nur Gedenktage, Persönlichkeiten oder Dichter, sondern zugleich eine bestimmte Festtradition. Die Ereignisse der ‚Silbernen Zeit' werden ge-

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wissermaßen zitiert; der Ablauf der Festzüge, die Feiern im Park an der Ilm oder in Tiefurt bleiben wie im 19. Jahrhundert, manchmal betont man Kontinuität sogar durch die alten Dekorationen. Das Ideal gemeinsamer Feste von großherzoglichem Haus und Volk scheint zu einigen Gelegenheiten, etwa jener Goethefeier in Tiefurt 1910, ungebrochen. Allerdings entwickelt sich nicht nur eine sozialdemokratische Festkultur, die sich Dichterjubiläen aus eigenem Anspruch und Interesse zuwendet. Der Blick auf den Fürsten im Gang der Feiern wird einerseits kritischer, schwächt sich zum anderen zugunsten eines gesamtdeutschen Blickwinkels. Die nationalen Töne der Jubiläen werden zu Beginn des 20. Jahrhunderts stärker. Festprogramme und -reden zeigen zudem das geradezu verzweifelte Beschwören des Idealismus und der Ganzheit des Lebens und der Kunst. Aus der Fülle der Jubiläen treten einige einprägsame und besonders aufwendig gefeierte hervor. Im November 1904 begeht man den 100. Jahrestag des Einzugs Maria Pawlownas in Weimar. Am 9. des Monats findet in der Stadtkirche eine öffentliche Gedächtnisfeier statt. Neben Liszts Bach-Variationen erklingt eine Komposition der Großherzogin-Großfürstin, die des 100. Psalms für gemischten Chor, bei der auch etliche Laiensängerinnen mitwirken. Der Vorstand des Sophienhauses, Pfarrer Ernst, hält die Gedächtnisrede, in der er die Wohlfahrtsbestrebungen Maria Pawlownas hervorhebt. Am gleichen Tag werden an der Gruft der Großherzogin Blumen niedergelegt, auffallend der große Lorbeerkranz der Haupt- und Ortsfrauenvereine des Patriotischen Instituts.278 Eine eigene Ehrung unternimmt der Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“: Natalie von Mildes aus eingehender Beschäftigung mit den Quellen entstandener Aufsatz über Maria Pawlowna gibt der Feier Anspruch und Tiefe. Die Großherzogin, die künstlerische Einfühlung mit praktischem Verstand und Engagement verband, wird nicht nur als „wohltätige“ Fürstin verstanden, vielmehr mit dem modernen Anspruch der Frau auf umfassende Bildung und uneingeschränkte Berufsausübung verbunden.279 Die Maria-Pawlowna-Feier erreicht auch die sozial Schwachen der Stadt: In der Suppenanstalt werden unter dem bekränzten Bild der Gründerin „Schweinebraten und Sauerkraut“280 verabreicht, die Zöglinge von Kinderverwahr- und Industrieschule erhalten Schokolade. 1905 feiert man den 100. Todestag Schillers. Schon lange vor der eigentlichen Festwoche ist der Dichter in sehr unterschiedlichen Veranstaltungen, auch in den Auslagen der Geschäfte, gegenwärtig. Am 31. März deklamiert Ernst von Possart, der bekannte Schauspieler, Schillersche Gedichte.281 Am 18. und 19. April begehen die Schlaraffen ihre Schillerfeier: Der Weltbund, dessen Formen an die Freimaurerei erinnern, ist mit Abordnungen seiner „Reiche“ aus ganz Deutschland und Böhmen, aber auch aus Wien und London vertreten. Die Knappen, Junker und Ritter, die sich der Pflege von Freundschaft, Humor und Kunst verschrieben haben, sind Gast der Schlaraffia Vimaria, sie huldigen Schiller vor dem Theater und an der Gruft, bevor sie sich zu einer großen „allschlaraffischen“282 Feier im Stadthaussaal versammeln. Der Weimarer Kunstverlag Max Schnelle publiziert ein Blatt mit dem Schillerporträt des einheimischen Künstlers Paul Rosner, das sich nicht an bekannte Vorlagen anlehnt und das auch als Postkarte erhältlich ist. Zwei weitere Karten nach Entwürfen des Malers Starke zeigen die Schillerhäuser in Marbach und Jena neben dem

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Kopf des Dichters und sein Sterbezimmer.283 Nicht nur sublime, auch durchaus handfeste Vermarktung der Geistesgrößen wird damals schon gepflegt: Hofkonditor Grenzdörffer hält zum Jubiläum Schillertorte und gefüllte Schillerhäuschen vorrätig.284 Jede Schule richtet ihre eigene Schillerfeier aus.285 An der 2. Bürgerschule singen und deklamieren die Schüler; sie gestalten die „Glocke“ als Wechselgespräch und spielen die Gertrud-Stauffacher-Szene und die Rütli-Szene aus „Wilhelm Tell“. Damit sind beliebte Inhalte der schulischen Schiller-Beschäftigung bezeichnet, sie scheinen von der Faßbarkeit und der patriotischen Deutungsrichtung her besonders geeignet. Am Gymnasium, zu dessen Feier am 8. Mai mit Rothe, Hunnius und Vollert hohe Staatsrepräsentanten erscheinen, wählt man den Goetheschen Epilog zur „Glocke“ zum Vortrag, ebenso am Realgymnasium, wo außerdem über die Freundschaft Schillers mit Körner referiert wird. Besonders befähigte Schüler werden mit Exemplaren der Werke des Dichters bedacht. Im Lehrerseminar werden die Melchthal-Szene, eine Passage aus „Wallensteins Tod“ und die Chöre aus der „Braut von Messina“ dargeboten. Die „begeisterte Hingebung“286 der Schüler ist sicher eine gebrochene: Die Reden werden nicht frei sein von hohlem Pathos, die Rezeption des Dichters bewegt sich in feststehenden Urteilen. Dennoch sind solche Aktivitäten nicht nur Instrumente des Einfügens der Schüler in die staatliche Ordnung. Sie vermitteln Wissen, schulen ästhetischen Ausdruck und wecken hier und da tatsächlich Freude am klassischen Text. Am 7. Mai 1905 werden alle drei Teile des „Wallenstein“ im Hoftheater aufgeführt, auch dies ein „zitierendes“ Anknüpfen an die ‚Silberne Zeit′; 1863 fand unter der Leitung von Franz Dingelstedt das gleiche Bühnenereignis statt. Noch wirkungsvoller ist das Theaterprogramm des nächsten Tages mit Brahms’ „Nänie“ und Liszts „An die Künstler“ und mit Beethovens Neunter Sinfonie, bei deren Schluß der Chor durch den Lehrergesangverein, einen Erfurter Musikverein und durch Freiwillige zu guter Klangwirkung verstärkt wird.287 Gleichfalls an diesen 8. Mai eröffnet Bernhard Suphan im Goethe- und Schiller-Archiv eine Autographenausstellung, die die Besucher beeindruckt.288 Das ganze 19. Jahrhundert hindurch wird in Weimar die Tradition des Huldigungszuges gepflegt. Verschiedene Traditionslinien, etwa die der höfisch-renaissancehaften Trionfi, aufnehmend, feiert man mit zum Teil beachtlicher Originalität Sternstunden der Kunst und des fürstlichen Hauses. Auch 1905 steht ein Festzug289 im Mittelpunkt der Schillerfeier. Um 9 Uhr versammeln sich seine Teilnehmer auf dem Marktplatz. Eine Fanfare ertönt vom geschmückten Rathaus, von allen Kirchen beginnen die Glocken zu läuten. „Freude, schöner Götterfunken“ singt man gemeinsam, dann begibt sich der Zug zur Kranzniederlegung zur Gruft. Neben Schulen, Universitäten, Behörden und Archiven sind auch Vereine im Zug vertreten, unter ihnen die Literarische Gesellschaft, der Volksbildungs- und der Arbeiterverein, aber auch fünf militärische und zwei Turnvereine. „Einstweilen war unser Feiern recht kindisch, das Versa⊥eln auf dem Markt und mit allen Schulen ziehen.“290 Auch die kritische Natalie von Milde Iäßt sich schließlich von der dekorativen Wirkung des Festzuges anrühren: „Das Versa⊥eln und Auflösen auf dem Markt war ein schönes Bild: die Schulkinder mit Kränzchen oder landesfarbenen Schleifchen, die Studen-

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tenschaft des ganzen Landes ‚in Wichs, sonst noch Alles, was Namen oder Amt hat ...“291 Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichen die traditionellen Festriten viele. Erika von Watzdorf-Bachoffs Kinder sprechen von „unserer Schillerfeier“292, nachdem ihnen ihre Mutter zur Einstimmung leicht faßliche Verse des Dichters vorlas. Um 12 Uhr mittags findet dann in Gegenwart des Großherzogs eine Gedenkveranstaltung vor dem Theater statt, auf der Eduard Scheidemantel den Vortrag hält. Er stilisiert den Dichter zu einer im Politisch-Sozialen wie im Künstlerischen einenden Gestalt. Die bekannten Sentenzen aus dem „Wilhelm Teil“ zitierend, beschwört er die nationale Einheit über allen „Bruderzwist“ und alle Parteien. Schiller erscheint als Gegenkraft zur Moderne, die sich – ob Musik, Malerei oder Literatur – dem einzelnen zugewandt habe. Der Dichter, der „Natur getreu und doch über alle Natur erhaben“293, ist Vorbild in einer Zeit der Zersplitterung und Atomisierung. Scheidemantel eignet ihn sich aus aktuellem Bedürfnis und konservativem Geist an; Schiller verkörpert idealische Sinngebung der Existenz. Am Abend dirigiert Hofkapellmeister Krzyzanowski die Festouvertüre „Zur Weihe des Hauses“ vor der „Demetrius“-Aufführung und dem „Lied von der Glocke“. Weimars berühmter Schauspieler Karl Weiser sitzt als trauernder Goethe vor dem Gartenhaus, bevor er den Epilog zur „Glocke“ in der ersten Fassung spricht: „O möge doch den heiligen letzten Willen Das Vaterland vernehmen und erfüllen!“294

Gewaltiger und elementarer Beifall bricht los, auch hier äußert sich die starke Sehnsucht nach kultureller Orientierung der Nation. Draußen vor dem Theater freut sich eine dichtgedrängte Menge am Historischen und Dekorativen: „Abends waren die Genellischen Transparente von 59 wieder angebracht. Mama bestand darauf, in’s Menschengewühl zu gehen, und so drückte ich mich mit ihr unter allen Aengsten durch Schillerstraße und Theaterplatz. Dort brannten große Pechpfannen.“295 Nicht uninteressant im Gang der weimarischen Schillerfeste von 1905 ist der 14. Mai, an dem die Deutsche Schillerstiftung im Goethe- und Schiller-Archiv ihre Gedächtnisfeier abhält. Der Schillerverband deutscher Frauen übergibt die ansehnliche Summe von 250000 Mark.296 Lotte Windscheid, die Witwe des Rechtsprofessors, hält eine hervorragende Ansprache, die sich von den langweiligen und banalen „männlichen“ Reden wirkungsvoll abhebt.297 Der Abend im Hoftheater ist typisch weimarisch: Man organisiert eine Aufführung mit Dilettanten, gestaltet eine im Grunde unpassende Vorlage, erzielt aber eine große Wirkung. Goethes Maskenzug von 1818, damals zum Besuch der Zarin Maria Fjodorowna geschrieben, wird erneut gespielt. Die Zeitgenossen haben größte Bedenken298: Schiller war 1818 schon dreizehn Jahre tot; außerdem ist ein solcher Zug nicht für die Bühne geschrieben. Die Aufführung zum Besten der Schillerstiftung fasziniert die Zuschauer dann doch. Als Kulisse dient die schön gemalte Rückseite des Römischen Hauses. Die Treppe von oben herab steigen die einzelnen Gruppen, um sich in einem großen, farblich abgestimmten Schlußbild zu vereinen. Schauspieler übernehmen die Sprechrollen, Elisabeth Schneider etwa den Genius, Hildegard Obrist-Jenicke die Tragödie. Alle

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anderen Akteure sind Laien aus der Stadt, „Adlige und Bürger, Militair und Beamte scheinbar sehr einig miteinander wandelnd“299. In den drei Goethegruppen erscheint Erika Watzdorf als Giftmischerin Adelheid von Walldorf und Tilly Freytag als Hauptmännin der Zigeuner, in den fünf Schiller-Bildern spielt Eleonore von Bojanowski die Mutter in der „Braut von Messina“. Wegen großer Nachfrage wird die Aufführung im Laufe des Jahres mehrfach wiederholt. Auch hier äußert sich die zeitgenössische Freude an Masken und Verkleidungen, der Sinn der Weimarer für historisches Zitat und ihre Lust am eigenen Gestalten. Die Schillerfeiern 1905 leben im Äußerlich-Dekorativen, sie sind nicht frei von behäbig-bürgerlicher Süffisance und nationalem Dünkel. In einigen Veranstaltungen verweist man auf die Notwendigkeit kultureller Orientierung dieser Nation, man begreift den Dichter als Anreger und Sinnstifter. Stärker als in Weimar wird dieser Gedanke in den Jenaer Unternehmungen des Jubiläumsjahres akzentuiert. Mag die Universitätsfeier am 9. Mai noch eher den konventionellen Ehrungen zuzurechnen sein, die Verleihung der Ehrendoktorwürden erscheint geradezu symbolisch: Neben dem Bildhauer Auguste Rodin wird der Meininger Theaterherzog Georg ausgezeichnet; sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die doch ihr Leben auf die Kunst gestellt haben, die ausstrahlen in ihrem Wirken auf die Kultur des frühen 20. Jahrhunderts. „Das Auge gewöhnt sich schwerer an etwas Häßliches als an die natürliche Schönheit. Viele Jahrzehnte leiden wir nun schon unter den Geschmacklosigkeiten der Stilverwirrungen.“300 Die Weimarische Zeitung rezensiert die kunstgewerbliche Schiller-Gedächtnisausstellung im Jenaer Schloß und beginnt mit kulturkritischem Befund. Sie lobt, daß die Exposition gegen den „Oberflächengeschmack“, den „Verzerrungskram der Dutzendware“301 gerichtet sei, daß Schönheit und Nützlichkeit die Reform der Wohnwelten bestimmten. Einer „gesunden deutschen Hausratkunst“302 solle der Boden bereitet werden; bezeichnenderweise nennt man auch hier das nationale Attribut bei einer sinnhaften Erneuerung. Eugen Diederichs’ Versuch, „einer gesteigerten, intensiv geistigen Kultur Deutschlands die Wege zu ebnen“303, hat in Weimar viele Befürworter. Schon zur Eröffnung der Jenaer Ausstellung, die führende Vertreter von Innenarchitektur und Kunstgewerbe präsentiert, erscheinen Elisabeth Förster-Nietzsche, die Autoren Paul Ernst und Johannes Schlaf, der Archivar Carl Schüddekopf und die Frauenrechtlerin und Hofschauspielerin Hildegard ObristJenicke. Der Schwager der letzteren, Hermann Obrist, tritt im begleitenden Vortragsprogramm auf. Den jungen Künstler empfahl einst Carl Alexander an Adolf von Hildebrand304; in Italien und München reifte er zu einem Kunstgewerbler von Rang. Die Jenaer Ausstellung, ihre begleitenden Veranstaltungen und ihre Rezeption zeigen deutlich, wie nahe sich avantgardistische und konservative Entwürfe in dieser Zeit sind. Der Lebensreformgedanke, der häufig mit dem Begriff „Gesundung“ verbunden wird, ist in vielen Bereichen, gerade in der angewandten Kunst, stark. Daß es gelte, sich von der Oberflächenkultur abzukehren und eine ethisch-geistige Kultur zu erreichen, ist gemeinsame Überzeugung. Man verbindet die Hoffnung auf eine nationale Katharsis, mitunter sogar deutsches Sendungsbewußtsein, mit einer – jedenfalls partiellen – Hochschätzung der ästhetischen Moderne.

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Merkwürdigerweise ist das letzte Friedensjahr 1913 eines der besonders häufigen Jubiläumsfeiern. Zweier mit Weimar verbundener Dichter gilt es zu gedenken: Im Januar jährt sich Wielands Todestag, im März Hebbels Geburtstag zum hundertsten Mal. Das Goethe- und Schiller-Archiv gestaltet zu beiden Anlässen interessante Autographenausstellungen. Oßmannstedt feiert Wieland gewissermaßen in kleinem Kreis.305 Mathilde von Freytag-Loringhovens Würdigung306 im Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“ ist der einzige ernsthafte Versuch, Wieland aus gegenwärtigem Interesse aufzunehmen. Das Hebbel-Jubiläum fällt noch bescheidener aus. Man verweist auf die Karwoche, die Feiern verhindere und auf die Vorbereitung der „Faust“-Aufführungen, mit der das Hoftheater ausgelastet sei.307 Immerhin kommt Paul Wiecke auf Einladung der Literarischen Gesellschaft: Der begnadete Schauspieler aus Dresden, dem die Weimarer noch immer nachtrauern, liest biographische Prosa und spricht in Auszügen die Rolle des Herodes.308 Persönlichkeit und Werk der beiden Autoren entziehen sich der volkstümlichen Feier, die stets vereinfacht und stilisiert. Bezeichnenderweise wird der Schlußpunkt unter Weimars Festkultur vor Ausbruch des ersten Weltkrieges durch ein militärisches Jubiläum gesetzt. Das ganze Jahr 1913 steht im Zeichen des Gedenkens an die Schlacht bei Leipzig. Bereits am 9. und 10. März feiert man auch in Weimar den Beginn der deutschen Erhebung gegen Napoleon. Die militärischen Vereine laden ehemalige und aktive Soldaten in den Armbrustsaal. Mit an der Tafel sitzen die preußischen und sächsischen Gesandten, die höchsten Hofchargen, Oberbürgermeister Donndorf und die Spitzen der evangelischen und katholischen Kirchen. Der Großherzog selbst, Oberst von Lepel und Eduard Scheidemantel halten Ansprachen, in denen sie die „Pflege und Betonung des nationalen Geistes“309 in der Gegenwart für wichtig erachten. Die Schulen gestalten ihre eigenen Feiern: Die katholischen Schüler etwa begehen den Tag mit feierlichem Hochamt mit Tedeum, bevor sie sich zu patriotischem Gedenken versammeln.310 Eine Reihe von Festessen, Konzerten und Paraden bestimmen den 10. März, der arbeits- und schulfrei ist. Von den nationalen Feiern des Jahres 1913 hebt sich eine ab, in die auch Weimarer Künstler einbezogen sind: Am 7. Juni wird auf den Saalewiesen unterhalb der Rudelsburg ein großes Fest gefeiert. Mit van de Velde, Mackensen und Eugen Diederichs sitzen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten im Vorbereitungskomitee. Der Deutsche Werkbund, Jenaer Künstler und Intellektuelle rund um Diederichs’ SeraKreis, die Leipziger Kulturszene sind führend an der Feier beteiligt.311 Auch die Konzeption dieses Festes zielt auf Lebenserneuerung und Gemeinschaftsbildung. Die voneinander geschiedenen Kunstformen und -gattungen, „hohe“ und volkstümliche Kultur, Vergangenheit und Gegenwart, Heiteres und Ernstes vereinen sich, soziale Schranken der Mitwirkenden scheinen zu fallen, Geschichte, Natur und Ästhetik werden zusammengeführt. Der Ort ist glücklich gewählt: Die Burgruinen über dem Fluß, die romantische und burschenschaftliche Tradition berühren, stehen in der Mitte eines geistigen Fadenkreuzes. Jena, der Ort schmerzlicher und notwendiger militärischer Niederlage, ist nicht fern, auch Leipzig nicht, wo Napoleon besiegt wurde. Den Naumburger Dom besichtigen die Festteilnehmer gleich zu Anfang, er mag ihnen vorbildhaft für eigenes Streben nach Vergeistigung scheinen. Und Wei-

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mar mit der klassischen Traditionslinie ist gleichfalls nahe. Neben Volksliedern zur Zupfgeige kann man dem Waldhornquartett des Gewandhausorchesters zuhören, die Reformtänzerin Clotilde von Derp aus München tritt neben Volkstänzern auf, Wahrsager, Gaukler und Kaspertheater zeigen ihr Können. Die Weimarer Kunstschüler sind mit einem ihrer traditionellen Maskenspiele, einem Landsknechtszug, dabei. Einer der Höhepunkte des Saaleck-Festes ist jenes traditionelle Element weimarischer Festkultur, das an der Ilm wieder und wieder Anna Amalias Musenhof und die klassische Tradition beschwört: Am Saaleufer der Stendorfer Wiese wird in der Dämmerung Goethes „Fischerin“ gespielt. Das Fest 1913 ist noch einmal Ausdruck der Einheitssehnsucht der Zeit, es strebt, Leben aus der Tradition zu erneuern, das Simple und das Intellektuelle, das Natürliche und das Künstlerische zu einen. Am Ende ist Initiator Diederichs enttäuscht. Er beklagt die hohen Kosten und die Zuschauerhaltung einiger Künstler. Ein „Gefühl von innerstem Gegensatz zur Masse“312 habe er. Wieder bleibt nur die elitäre Distanz des Intellektuellen. Die Unia, die Utopie allumfassender, gemeinschaftlicher Lebenserneuerung, ist gescheitert.

VI Musenhofs Ende – höfische Kulturförderung und Geselligkeit zwischen 1885 und erstem Weltkrieg

1. Carl Alexanders Sohn und das kulturell-gesellige Leben des späten 19. Jahrhunderts Weimars ‚Silbernes Zeitalter′ neigt sich. Carl Alexander und Sophie, die ihm in hohem Maße Prägung gaben, blicken auf eine respektable Lebensleistung zurück. Eine neue Generation von Fürsten sollte sich nun den vielfältigen und tiefgreifenden sozialen und kulturellen Problemen stellen. Eine grundlegende Schwäche der Monarchie freilich besteht in ihrer Abhängigkeit von schicksalhaften oder genetischen Faktoren; Krankheiten, Todesfälle oder die Regentschaft ungeeigneter Persönlichkeiten schaffen oder verstärken krisenhafte Entwicklungen. Dies gilt gerade in einer Zeit, da der Ruf nach einer Erneuerung des Lebens nicht vor den Palasttüren haltmacht. Noch in den letzten Jahrzehnten der Monarchie in Deutschland sind Höfe im Positiven wie im Negativen bedeutsam für Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik, für das intellektuelle Klima der Länder und Residenzen. Auch wenn man das Ende des Kleinstaates Sachsen-Weimar-Eisenach betrachtet, sollte man sich vor Klischees und pauschalen Urteilen hüten. Dies gilt ebenso für die Rolle der fürstlichen Persönlichkeiten, die sich kaum in ein grobes Raster der Beurteilung fügen. Zwar deuten sich schon in den letzten Lebensjahren Carl Alexanders menschlich tragische und für die Kulturentwicklung letztlich nicht förderliche Konflikte an. Zwar ist der Einschnitt seines Todes tief und für jeden in Weimar erkennbar. Dennoch lohnt ein genauer und gerechter Blick auf die Generation der Kinder wie der Enkel: Er liefert Einsichten in deren Denken und Psychologie, in ihre Haltung zu Tradition und Moderne und in die höfische Fest- und Geselligkeitskultur. In seinem autobiographischen Roman „Heinrich von Plate“ zeichnet der Goetheforscher Eduard von der Hellen ein Bild auch der Verhältnisse in Weimar. Er gestaltet eine fiktive Szene aus dem Jahr 1888, entwirft in ihr seine Lieblingsidee eines sozialen Kaisertums und läßt – im poetischen Inkognito – den Erbgroßherzog Carl August auftreten. „… dieser verlebte Roué, der älter als sein Vater aussah; dieses taktlose Rauhbein …“1, reflektiert die Hauptfigur. Carl Alexanders Sohn, der auf den verpflichtenden Namen seines Urgroßvaters, des mit Goethe befreundeten Fürsten, getauft wurde, erscheint in Hellens Roman als häßlicher, dialektbehaftet daherredenderVerächter der Tradition. Dies ist nicht mehr als ein Zerrbild des Erbgroßherzogs. Als Carl August 1844 zur Welt kommt, steht gewissermaßen an seiner Wiege der dänische Märchendichter Hans Christian Andersen, der dem Kind Verse schreibt. Die Geburt ist schwer, sie fällt wie ein dunkler Schatten auf die heiterschwärmerische Ettersburger Geselligkeit. Wochen später, am Tag der Taufe,

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schreibt Amalie Winter: „Ich kann die Erinnerung an jenen entsetzlichen Abend nicht bannen. Auf der dunklen Schloßtreppe, in den Bäumen, wo für den nicht Eingeweihten nur Freude wandelt, war das Weh, dem man nicht beistehen, wo man nicht trösten konnte. Etwas Furchtbares, nie zu Vergessendes.“2 Wie ein Omen erscheint es, daß die sommerlichen Soireen von Schmerz und Todesangst unterbrochen werden. Und gerade in jenen Tagen melden sich zeitkritische Gedanken: Das Verhältnis von Fürst und Volk, das Amalie Winter in ihrem Brief auch berührt, das man nicht nur in Ettersburg reflektiert, erhält dann im Leben Carl Augusts leitmotivische Bedeutung. Die Erziehung des Erbprinzen, zu dessen Taufe an Goethes Geburtstag das niederländische Königspaar anwesend ist, entspricht traditionellen Gepflogenheiten. Sein Erzieher Friedrich von Wardenburg ist gebildet und verständnisvoll, zwischen ihm und dem Heranwachsenden entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Die üblichen Studien von Jura, Geschichte, Staats- und Volkswirtschaft werden in Heidelberg, Leipzig und Jena absolviert. Bemerkenswert ist immerhin, daß Carl August mit Gervinus, dem Historiker Ludwig Häusser, den Physikern Helmholtz und Gustav Kirchhoff verkehrt.3 Die erste Bildungsreise nach Italien findet im Winter 1865/66 in Begleitung Kuno Fischers statt. Als der Erbgroßherzog im März 1867 Rittmeister à la suite bei dem hannöverschen Husarenregiment in Düsseldorf wird, ist dies für ihn keine lästige Pflicht wie seinerzeit der Militärdienst für seinen Vater: Sein Leben lang wird er sich mit Kriegsgeschichte, soldatischem Alltag, Strategie und Taktik beschäftigen. Eine interessante Facette in den „Lehrjahren“ des Prinzen ist seine mehrere Monate dauernde Orientreise 1872/73. Sie geht auf seine eigene Initiative zurück und zeugt von großer Aufgeschlossenheit für historische Bauwerke und Kultur, für Völker- und Religionsgeschichte. Einen Monat allein verweilt Carl August in Kairo, verkehrt mit dem Vizekönig Ismail Pascha und unternimmt intensive Besichtigungen, bevor er nilaufwärts über Assuan zur Insel Philä reist, auf der der bekannte Ägyptenforscher Georg Ebers sein Führer ist. Eine der wichtigsten Stationen ist Palästina: In Jerusalem besucht er Grabeskirche, Ölberg und Johanniterkonvent, wo er am Gottesdienst in der Kapelle teilnimmt, er fährt nach Bethlehem, Jericho und Nazareth.4 Über Beirut, Damaskus, Athen und Konstantinopel geht es dann nach Wien, wo ihn sein Vater erwartet, um ihn Kaiser Franz Joseph vorzustellen. Viele Chronisten betonen wie der oben zitierte Eduard von der Hellen den Gegensatz zwischen Carl Alexander und seinem Sohn. Carl August erscheint als eine Verkörperung des materialistischen und bürgerlichen 19. Jahrhunderts, dem sein Vater in vieler Hinsicht entgegensteht. Er hat Interesse am Praktisch-Alltäglichen, auch an der sozialen Ordnung der Verhältnisse. Regelmäßig besucht er Sitzungen landwirtschaftlicher Vereine, etwa des sogenannten „Belvedere-Vereins“5, er hört dort Vorträge über die Bedeutung des Waldes und über Saatgut, unterbreitet eigene Vorschläge. Pferde-, Kaninchen-, und sonstige Viehausstellungen im ganzen Land begrüßen ihn als aufmerksamen und sachkundigen Gast. Seinem Vater nimmt er damit zugleich eine lästige Aufgabe ab. „Ich beschäftige mich jetzt mit einem Buch über Landwirtschaft, weniger aus Vergnügen, als aus Vernunft, um wenigstens einen Schimmer dieser Thätigkeit zu erlangen“6, berichtet er über seinen Versuch, das

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Gebiet auch theoretisch zu erkunden. Carl August interessiert sich für die wirtschaftliche Verwaltung der fürstlichen Güter in Heinrichau und Racot ebenso wie für die Situation der Sparkassen im Lande. Auch er besucht mehrmals die Firma Zeiss und studiert die Statuten der Abbé-Stiftung.7 Stärker als sein Vater beschäftigt er sich mit Alltag und Praxis der Wohltätigkeit; Pflegerinnen- und Taubstummenanstalt sucht er wiederholt auf8, er verfolgt die Begründung des Paulinenstifts durch seine Frau. Eine Ausstellung der Baugewerkeschule im alten Gymnasium besichtigt er 1888 mit seinen Eltern und Kindern.9 Carl Augusts soziales Interesse bezieht sich nicht nur auf sein eigenes Land. Gleich nach dem Erscheinen der deutschen Ausgabe liest er etwa George Kennans „Sibirien“-Buch10, das ihn lange Zeit fesselt. Des Verfassers Einblicke in die zaristische Justizpraxis, die russische Gefängnis- und Verbannungsrealität empören ihn: „Daneben fand er neben wirklichen Verbrechern … eine Menge gebildeter Menschen, welche ohne Richterspruch, auf einen Verdacht hier verschickt worden waren. Die Behandlung in den schmutzigen, überfüllten Gefängnissen ist wirklich entsetzlich. Man muß es gelesen haben, um zu glauben, daß eine solche sinnlose Willkür herrschen kann.“11 In einer Zeit, in der die soziale Frage zu einer auch die Kulturentwicklung dominierenden wird, in der sie die europäischen Gesellschaften zu zerstören droht, ist das Interesse des Thronfolgers für die materielle Ordnung des Landes, für Gerechtigkeit im allgemeinen nicht geringzuschätzen. Schon 1877 studiert Carl August lange Zeit und intensiv die Geschichte des Sozialismus, um seinem Vater die von diesem geforderte „Quintessence du socialisme“ liefern zu können.12 Eine gewisse Sympathie empfindet er für Ferdinand Lassalle, der den Gedanken eines starken deutschen Nationalstaates mit der Forderung einer Überwindung sozialer Mißstände verbunden habe.13 Noch in jenem letzten Gespräch mit Carl Alexander in den Oktobertagen 1894 lassen den Todkranken die ökonomischpolitischen Probleme nicht los: „Carl erklärte ausführlich seine Ansichten über die Notwendigkeit, die soziale Frage nicht mit Unterdrückung zu lösen, sondern indem man den wirklichen Bedürfnissen der Bevölkerung folgt.“14 Der Arbeiter habe recht, der einen steigenden Teil seiner Arbeitsergebnisse fordere. Dies sind bemerkenswerte Einsichten für einen Prinzen aus einem traditionsbewußten thüringischen Fürstenhaus. Die These einer gedeihlichen Arbeitsteilung zwischen Carl Alexander und seinem Sohn – ersterer widmet sich der Kulturpflege, letzterer der materiellen Lebenspraxis – ist freilich zu ergänzen und zu modifizieren. Daß Carl Augusts kulturelle Bildung eingeschränkter, sein literarisches und musikalisches Interesse geringer sind als die seines Vaters, wiegt durchaus schwer beim Weg Weimars in die Moderne. An Carl August wäre es gewesen, neue kulturelle Erscheinungen aufzunehmen, die Einsichten und Vorstellungen der jüngeren Generation auch auf diesem Gebiet einzubringen. Nicht nur sein früher Tod, sondern auch sein mangelndes Engagement zu Lebzeiten für künstlerische Projekte tragen zu einer gewissen Stagnation in den achtziger und neunziger Jahren bei. Ein Vergleich der Tagebücher Carl Alexanders und seines Sohnes unter diesen Aspekten ist aufschlußreich: Die Carl Augusts sind nüchterner und inhaltsloser. Sie zeigen eine Persönlichkeit von strengem Pflichtgefühl, aber geringer Imagination und fehlendem Temperament. Begeisterung und

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Verzweiflung erscheinen selbst in emotionalen Momenten kaum. Eine gewisse Nüchternheit und Trockenheit sind nicht immer nachteilig in der Einschätzung auch kultureller Ereignisse. Freilich verfügt der Erbgroßherzog über ein nur gering entwickeltes Urteilsvermögen über Theaterstücke, gesellige Veranstaltungen und literarische Werke. Während Carl Alexander oft kleine Rezensionen schreibt, die aussagekräftig seinen Eindruck fassen, ist Carl Augusts vorherrschende Vokabel „ganz nett“15. Am wenigsten ist er an der Musik interessiert, ein eigenartiges Phänomen für jemanden, der seit seiner Kindheit Franz Liszt kennt und fast täglich Spiel und Gesang auch berühmter Virtuosen hört. „D. musikalischen Freuden der Anderen haben auf mich entgegengesetzten Erfolg“16, bemerkt er selbstironisch. Am 8. Januar 1885 schreibt er eine bezeichnende Notiz: „L’hombre b. Ahlefeldt während Lilly d. Tristan hört der mir zu unanständig.“17 und am 11. Januar bekräftigt er: „D. unanständige Oper nicht besucht.“18 Elf Jahre also nach dem begeisterten „Tristan“-Erlebnis seines Vaters beurteilt Carl August das Werk aus einer moralisierenden Haltung, die ihm auch anderswo den Zugang zur Kunst verstellt. Dabei ist der Erbgroßherzog ein regelmäßiger Theaterbesucher, die Gastspiele Rossis, Mitterwurzers und Sonnenthals vor allem interessieren ihn, ohne daß er Begeisterung und Engagement seines Vaters für die Hofbühne zu teilen vermöchte. Seine Lektüre beschränkt sich auf Zeitungen, politische und historische Schriften; Belletristik liest er selten. Der Name Storms ist ihm bei dessen Besuch in Weimar nicht geläufig.19 Auf Weimar bezogene Texte faszinieren ihn gelegentlich, so Lily von Kretschmans Aufsatz über ihre Großmutter20 oder Helene Böhlaus „Ratsmädelgeschichten“21. Auf einem kulturellen Gebiet allerdings bewegt sich Carl August nicht nur aus Pflichtbewußtsein: Er ist Sammler, sachkundiger Betrachter bildender Kunst, eifriger Galeriebesucher. Im Oktober 1885 sind er und seine Frau Gäste bei Franz von Defregger, dem Maler der Tiroler Bauern, und bei Lenbach, dessen Porträtentwurf Paulines dem Erbgroßherzog verfehlt erscheint.22 Gregorovius und Perfall sind bei ihnen zu Tisch geladen.23 1886 interessiert sich Carl August in der Londoner National Gallery für William Hogarth, er besichtigt im Britischen Museum Handschriften und Inkunabeln, betrachtet in kompetenter Begleitung von Carl Ruland Kupferstiche, unter anderem von Marcantonio Raimondi, und steht in Windsor vor den Handzeichnungen Michelangelos.24 Seine Faszination für Kupferstiche bestimmt auch die Museumsbesuche im Januar 1892 in Wien.25 Wiederholt geht er in die Ateliers der Weimarer Künstler, etwa zu Albert Brendel26; er teilt wohl im wesentlichen Carl Alexanders am Klassizismus orientierte Kunstauffassung. Carl Augusts Interesse für das Soldatenleben auch vergangener Zeiten führt ihn zu den Kupferstichen Jacques Callots, der die „misères et malheurs de la guerre“27, besonders des Dreißigjährigen Krieges, darstellte. Neben Callot sammelt Carl August Kupferradierungen Johann Riedingers, der durch seine Jagddarstellungen bekannt wurde; es gelingt dem Erbgroßherzog, mehr als 1000 Werke Riedingers in seinen Besitz zu bringen.28 Am Todestag Walther von Goethes teilt Carl Alexander seinem Sohn das für Weimar verpflichtende Testament mit. Für Carl August gibt es kein Zögern, die ihm zugeteilten Aufgaben zu übernehmen. Wiederholt arbeitet er mit seinem Vater und den Experten im Goethehaus an der Sichtung und Ordnung des Nachlasses, er läßt

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sich über den baulichen Zustand des Gebäudes informieren und interessiert sich auch für die Entwicklung des Goethe- und Schiller-Archivs.29 Rudolf Steiners Beobachtungen über Carl Augusts Besuche im Archiv sind richtig: „Sein Interesse an all dem, was da vorhanden war, ging nicht tief, aber er unterhielt sich gerne mit uns Mitarbeitenden. Er betrachtete es mehr als Pflicht, sich für die Angelegenheiten des geistigen Lebens zu interessieren.“30 Selbstverständlich nimmt der Erbgroßherzog an der konstituierenden Sitzung der Goethe-Gesellschaft teil, auch später läßt er keine ihrer Tagungen aus. 1892 notiert er, er freue sich auf Helmholtz’ Vortrag: „… im Uebrigen mache ich mir nicht übermäßig viel von diesem Sums.“31 Und ein paar Tage später betont er nochmals: „Im Uebrigen bin ich kein besonderer Freund davon, mich stark anzugoethen.“32 Man mag Carl Augusts Abneigung gegen den weihevollen Goethekult nicht tadeln. Freilich hat er der schließlich auch aus solider Literaturkenntnis gespeisten Pietät seines Vaters nichts entgegenzusetzen, weder, was die Aufnahme Goethes noch Weimars Öffnung zur Moderne angeht. Die Beziehung eines regierenden Fürsten zum Thronfolger ist nie ohne Probleme. Dies gilt erst recht für so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Carl Alexander und seinen Sohn. Der vornehme Fürst unterhält sich gern im Französisch des ancien régime, Carl August mag den thüringischen Dialekt seiner Untertanen. Carl Alexander ist als wenig leutselig bekannt, sein Sohn transportiert im Hofwagen den Mehlsack einer Bauersfrau33. Carl August haßt Schwätzer und Schmeichler, er spielt Skat und L’hombre und hat merkwürdig rigide Moralvorstellungen. Bei alledem ist es nicht verwunderlich, daß das Verhältnis des Vaters zum Sohn nicht spannungsfrei ist. Beide haben aber Einsicht genug, die Probleme nicht eskalieren zu lassen, zumal Großherzogin Sophie, die wichtigste Vertraute Carl Augusts, vermittelnd eingreift. Am 19. Januar 1887 liest Erich Schmidt bei Hofe aus dem wenige Tage zuvor entdeckten Manuskript von Goethes „Urfaust“. „Ich fühlte mich ganz ergriffen!“34 notiert Carl Alexander. „Sehr interessant und wichtig.“35 schreibt sein Sohn in das Tagebuch. Nicht nur zeigen sich in diesem Detail die beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten; es scheint, als ob der Hof noch immer Vermittlungsort wichtiger kultureller Vorgänge sei. Die Traditionslinie der Professorenvorträge, wie sie etwa in Maria Pawlownas literarischen Abenden gepflegt wurde, bricht auch zur Jahrhundertwende nicht ab. Es versteht sich, daß mit Öffnung des Goetheschen Nachlasses und Etablierung des Archivs zahlreiche Lesungen zur klassischen Literatur stattfinden. Erich Schmidt liest im höfischen Kreis aus Goethes italienischem Tagebuch, er unterrichtet über die Vorgeschichte des „Faust“ und über die „Pandora“.36 Loeper spricht über Ulrike von Levetzow und die Marienbader Elegie.37 Der Jenaer Hochschullehrer Litzmann behandelt Klinger38, Bernhard Suphan vertieft sich in Rückerts Werk39, und erneut Erich Schmidt widmet sich Novalis und der Romantischen Schule40. Dies sind nur wenige Beispiele für den Versuch einer Öffnung höfischer Geselligkeit für aktuelle Forschungsergebnisse. Nicht nur Literaturwissenschaftler werden zum Vortrag gebeten, auch theologische, medizinische und juristische Gegenstände stehen auf dem Plan. Am 26.11.1892 spricht Rudolf Eucken bei der Großherzogin über die Weltanschauungen der Gegenwart, „verglichen mit denjenigen vor einem Jahrhundert“41, ein brisantes Thema, das der Erbgroßherzog einem Briefpartner

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etwas ironisch ankündigt: „Fichte – Bebel – Schopenhauer? nun wir werden ja sehen.“42 Die Tradition der Professorenvorträge wird nach 1900 noch einmal durch die Erbgroßherzogin Pauline stimuliert, die Einladungen mit freundlichen Briefen an ausgewählte Weimarer Persönlichkeiten verschickt. So spricht 1901 der Theologe Hans Hinrich Wendt über die „Pflicht der Wahrheit“, seine Vorlesung freilich scheint wenig tiefgründig: „mit welchem Respekt nähert man sich i⊥er noch einem solch gesalbten, akademischen Kopf, aber Pallas sprang nicht heraus. Machen sich’s diese Männer leicht: wählen sich einen Stoff, der die ganze Culturentwicklung erhellen könnte und speisen uns mit Alltäglichkeiten ab.“43 Das Tagebuch des Erbgroßherzogs Carl August gibt in anderer Weise als das seines Vaters Aufschluß über die höfische Geselligkeit: Während Carl Alexander Begegnungen und Lektüreeindrücke, politische Ereignisse und Kunstbetrachtungen differenziert berichtet, tritt in den lapidaren Notizen seines Sohnes das Gleichmaß der Feste, Soireen und Gesellschaften hervor. Neben den Hofbällen, etwa den traditionellen Galeriebällen, neben solchen in den Häusern der Hofbeamten, finden sich andere Geselligkeitsformen von unterschiedlichem Anspruch. Man spielt Liebhabertheater bei Graf Rantzau, bei Gräfin Stirum, bei Minister von Groß und bei FreytagLoringhovens. Die letztere Familie liefert Texte, die Töchter Mathilde und Marie agieren mit großem Talent. „Abends b. d. Bodmer kl. Stücke v. d. Freitags sehr nett“44 – derartige Veranstaltungen sind häufig. Gelegentlich wirken professionelle Schauspieler wie Hildegard Jenicke oder sogar die Mitglieder des großherzoglichen Hauses selbst bei den Aufführungen mit. Maskenscherze oder lebende Bilder sind noch immer gepflegte Genres, die einer Linie höfischer Geselligkeitstradition entsprechen. „Abendgesellschaft b. Goertz. Kasperletheater von Erwachsenen ausgeführt, sehr komisch.“45 notiert der Erbgroßherzog am 9. Juni 1888. Es ist offensichtlich, daß Unterhaltung und Feier auch in politisch dramatischen Zeiten wie hier im Dreikaiserjahr ihren Platz haben. Man muß nicht betonen, daß sowohl die Texte als auch die schauspielerischen Leistungen solcher Liebhaberaufführungen von sehr unterschiedlicher Qualität sind; „Schwach und ohne Inhalt“46 wird manches der aufgeführten Stücke sein. Carl August besonders, aber auch die anderen fürstlichen Persönlichkeiten, nehmen vielfältigen Anteil an der bürgerlichen Geselligkeit in Stadt und Land. „Abends Vortrag im Volksbildungsverein, etwas langweilig, über Humor am Rhein.“47 vermerkt der Erbgroßherzog im November 1888. Feiern in der „Erholung“ und in der Armbrustschützengesellschaft sehen ihn als regelmäßigen Gast. Sein Vater und er interessieren sich für die originellen Künstlerfeste. „Zum Glaskugelschießen mit Preisen in Belvedere, große Betheiligung.“48 schreibt Carl August, mehrfach besucht er diesen Wettbewerb mit Volksfestcharakter. In den achtziger Jahren wird der Deutsche Sprachverein für das Großherzogtum Sachsen-Weimar aus der Taufe gehoben.49 Er steht unter dem Protektorat des Erbgroßherzogs. Der Jenaer Germanist Berthold Litzmann überliefert Carl Augusts in thüringischem Dialekt gehaltene Rede, in der er bemerkt, daß sich Luther und Lessing „um die deitsche Sprache kroße Verdienste erworben haben“50. Freilich ist die Arbeit des Sprachvereins, zu der Friedrich Kluge die Konzeption liefert, eine ernst-

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hafte und anspruchsvolle, ein Jena-Weimar-Projekt auch, das Professoren, Bürger und Adelige zusammenführt. Zu einer Zeit, da die Moderne in Deutschland ihre Weltsicht, ihre Kunst- und Sprachformen in der Rezeption des Europäischen und Internationalen entfaltet, entstehen (nicht nur in Weimar) Vereine, die sich dem Kampf gegen Fremdwörter und der Pflege des Sprachgefühls widmen. Auch sie streben nach einer Erneuerung des Lebens aus konservativen Quellen, nach einer kulturellen Reichseinigung in der Besinnung auf die Traditionen der deutschen Sprache. Dogmatiker und engstirnige Nationalisten finden sich unter den Vereinsmitgliedern wohl auch. Dennoch ist das Bestreben, einer Verlotterung der Sprache entgegenzutreten, im einzelnen durchaus verdienstvoll. Es entbehrt doch nicht einer gewissen Komik, daß der Protektor des weimarischen Sprachvereins dialektal gefärbte Reden hält, sein Vater sich fast nur des Französischen bedient. Carl August beteiligt sich übrigens regelmäßig und eifrig an den Vereinssitzungen, die ein bescheidenes Kapitel der Palmenorden-Rezeption im 19. Jahrhundert aufschlagen. Im November 1894 stirbt Erbgroßherzog Carl August in Cap St. Martin. Die Schilderungen seiner letzten Tage51 betonen erneut das von der Treitschke-Lektüre stimulierte Interesse an der Entwicklung der Nation, am sozialen und religiösen Zustand Deutschlands auch. „Er war populär und verdiente wohl, es zu sein …“52 bemerkt der bekannte Publizist Julius Rodenberg über ihn. Carl August, der bescheidene, zurückhaltende, geradezu kleinbürgerliche Fürst, der nicht mehr als eine Nebenfigur des ‚Silbernen Zeitalters′ ist, hat jedenfalls den Gedanken der sozialen Gerechtigkeit aufgenommen. Daß sein Lebensentwurf keine Bewährung findet, ist eine weitere Tragödie am Ende der deutschen Monarchie.

2. „Verständniß für die Zeitideen“ – Erbgroßherzogin Pauline 2.1 Leben der „Gebundenen“ Am 26. August 1873 heiratet der weimarische Thronfolger eine Prinzessin aus dem eigenen Fürstenhaus; die beiden jungen Leute haben den gleichen Urgroßvater, Goethes Freund und Mäzen Carl August. Der Einzug des Erbgroßherzogspaares wird mit großem Aufwand begangen, im Schloß zu Weimar erwarten Kaiser Wilhelm und Kaiserin Augusta an der Spitze glanzvoller Gesellschaft die Neuvermählten. Franz Liszt spielt in einem Hofkonzert mit Orchester seine Ungarische Fantasie und die Polonaise von Weber, einen Tag später dirigiert er die 9. Sinfonie. Auf Bitten Carl Alexanders vertont er überdies Scheffels „Brautwillkomm auf Wartburg“, ein traditionelles Festspiel, das am 23. September auf der Burg uraufgeführt wird. Wie oft im höfischen Leben verdeckt der äußere Glanz Konfliktvolles und Tragisches. Ein Jahr zuvor löst Prinz Carl Augusts damalige Braut Therese von Oldenburg drei Wochen vor der geplanten Trauung die Verlobung. „Ein brutaler Bruch, hohls der Teufel! Nun weiß man wenigstens woran man ist.“53 notiert Carl August, den seltsamerweise am meisten die Trauer seiner Mutter betrübt. Daß Carl Alexan-

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der und Sophie „sehr böse“54 über Thereses Entscheidung sind, verwundert bei dem in Hausangelegenheiten konservativen Fürstenpaar nicht. Hämische Kommentare über den verschmähten Prinzen55 lassen nicht lange auf sich warten. Nun scheint Eile geboten, um die gedeihliche Zukunft des Hauses zu sichern: Die einundzwanzigjährige Tochter seines Vetters Hermann ist Carl Alexander für seinen Sohn recht. Sie ist natürlich und anmutig, hinreichend gebildet, begeistert sich für die Traditionen Weimars, stammt aus dem vertrauten Kreis der eigenen Familie. Das genetische Risiko wiederholter Verwandtenheirat ist damals noch weitgehend unbekannt. Die Situation ist die ewig gleiche: Eine blutjunge und unerfahrene Frau kommt als Erbgroßherzogin in das konfliktreiche Gefüge des Hofes. Ihre Schwiegereltern sind starke Persönlichkeiten, die sich alle Entscheidungen selbst vorbehalten. Ihre Pflicht ist es, für Nachkommen zu sorgen und Repräsentationsaufgaben zu erfüllen. Ohne Schmerz geht ein solcher Beginn neuen Lebens niemals ab. Anders aber als den vier vorangegangenen Fürstinnen gelingt es Pauline nur in sehr eingeschränktem Maße, ihre Persönlichkeit zu entfalten und zugleich zum Wohle des Landes zu wirken. Ein Vierteljahrhundert steht sie hinter der Schwiegermutter Sophie, die ein enges Verhältnis mit ihrem Sohn verbindet. Carl Alexander hat kaum ein Interesse, seine mäzenatischen Ansprüche und Vorhaben mit Pauline zu teilen. Die beiden Schwägerinnen haben eine eher distanzierte Beziehung zu „Lilly“, wie man im Familienkreis sagt. Sie glauben, ihre Unternehmungen entsprängen einer Geltungssucht, die stets die eigene Person aufwerten wolle.56 Von ihren Eltern und Geschwistern kann Pauline nur wenig emotionale Unterstützung erwarten: Die Stuttgarter Familie ist ständig mit den Affären und finanziellen Krisen der Söhne befaßt, sie ist heilfroh, die Tochter mit dem Thronfolger in Weimar versorgt zu sehen. Daß die Ehe Paulines mit Carl August „durch anhaltende Zerwürfnisse belastet“57 sei, daß die beiden gar „meistens getrennt im Ausland“58 lebten, wird man nicht sagen können. Es entspricht höfischen Gepflogenheiten, daß Ehepartner eigene Reisen und Kuraufenthalte unternehmen. Sind Pauline und Carl August an einem Ort, so sehen sie sich täglich und für längere Zeit. Sie teilen die Sorgen um die Kinder. In den Zeiten von Paulines Krankheit, ihrer schweren Operationen 1886 und 1887, ist ihr Mann an ihrer Seite und kümmert sich mit ehrlicher Anteilnahme. Freilich gibt es manchen tiefgreifenden Konflikt. Die junge Frau, die in einem „Gedenkbuch“59 Gedichte und eigene poetische Beobachtungen aufschreibt, die sehr musikbegeistert ist, sieht ihre Interessen von Carl August nicht geteilt. Daß sie von Stimmungen abhängig60 sei, bemängelt der praktische und etwas pedantische Ehemann ebenso wie ihren lockeren Umgang mit Geld, der zum Dauerthema ehelicher Auseinandersetzungen wird. Entscheidungen etwa über die Ferienaufenthalte der Familie werden Pauline nur verkündet, sie hat kein Mitspracherecht. In seinen Briefen beginnt Carl August, sie etwas ironisch „die Gattin“61 zu nennen; er hofft stets auf ein ruhiges, konfliktfreies – sozusagen sachliches – Zusammenleben. Die achtziger Jahre sind überschattet von der schweren Krankheit der Erbgroßherzogin, in Freiburg muß sie sich mehreren Operationen unterziehen. Die sehr lange Trennung von ihren Kindern – Prinz Wilhelm Ernst ist erst zehn Jahre alt – beeinflußt deren Entwicklung und die ganze familiale Situation nicht günstig. 1894 schließlich kommt der Schicksalsschlag, der Pauline für immer zu einem Schattendasein zu verurteilen droht: Carl

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August erkrankt unheilbar an einem Nierenleiden. In dieser Situation bewährt sich die angeblich hysterisch-weinerliche Pauline für alle sichtbar als Persönlichkeit. Sie liest und schreibt für ihren fast blinden Mann, pflegt ihn in Pegli aufopfernd, schmückt schließlich das Totenzimmer in St. Martin und empfängt offizielle Besucher von der Präfektur und vom Britischen Konsulat in Monaco.62 Mit dem Tod ihres Mannes, so könnte man glauben, sind alle Ambitionen Paulines, sich für öffentliche Angelegenheiten zu engagieren, hinfällig. „Unverstanden, gebunden, im Schatten“63 habe sie gestanden, bemerkt Marie von Bunsen in ihrem Essay. Daß Pauline „nicht an ihre Stelle geko⊥en ist“64, bedauert Natalie von Milde: „Was mag sie durchkämpfen, die Märtyrerin ganz besonders unglücklicher Constellation! Genannt wird sie: ‚Königliche Hoheit′. Aber was bedeutet der geschwollene Titel bei ihrer Ohnmacht. Die hätte uns geholfen, hätte uns hier weitergebracht und muß sich die thatkräftigen Hände binden. O Unsinn des Weltverlaufs.“65 Und doch erkämpft sich die „Erbgroßherzogin-Witwe“ einen respektablen Platz in der Kulturgeschichte Weimars. „Deutschland ist zu beneiden um seine Prinzessinnen. Gütig, liebenswürdig, nicht eine Spur von Herablassung in ihrem Benehmen.“66 So urteilt Marie von Ebner-Eschenbach über Pauline. Die Schriftstellerin Marie von Bunsen, die die Erbgroßherzogin gut kennt, sie mehrfach in Weimar aufsucht und ihr ihre RuskinMonographie überreicht, betont, daß sie „über dem Durchschnitt der regierenden Fürstlichkeiten“67 gestanden habe, auch in ihrer Einschätzung wie im Nachruf der „Münchner Neuesten Nachrichten“68 erscheint das Attribut „liebenswürdig“. Die Zeitgenossen rühmen die beinahe bürgerliche Einfachheit Paulines, ihren natürlichen Verstand, ihre Menschlichkeit und ihren Humor, der die „Unzufriedenheit der Schranzen“69 errege. Der sehr viel bedeutenderen Großherzogin Sophie habe man längst nicht alles so vertrauensvoll sagen können.70 „Verständniß für die Zeitideen“71 bescheinigt ihr die Frauenrechtlerin Natalie von Milde. Paulines große Stärke ist ihre unvoreingenommene Aufgeschlossenheit, die in den letzten Jahren höfischer Kunstförderung noch einige interessante Projekte ermöglicht. „Zu ihr konnte man ko⊥en, wann man wollte, sie war willig, zu hören, zu verstehen und zu helfen.“72 Auch Pauline liebt es, auf Reisen den Zwängen und Umstellungen der höfischresidenzlichen Welt zu entkommen. Das Photoalbum ihrer Ägyptenfahrt 1896 zeigt das Nilschiff, die Sphinx und die anderen klassischen Stätten, Damen und Herren auf Kamelen, aber auch Straßenszenen mit Kindern, Lastenträgern und Händlern und Bauern bei der Kokosernte.73 In Briefen an ihre Mutter notiert Pauline ihre Beobachtungen und Eindrücke, etwa vom ältesten noch erhaltenen arabischen Haus in Kairo.74 Sie habe das Gefühl, durch die Reise „einem dunklen Gefängniss entlassen“75 zu sein, die Bemerkung wirft ein bezeichnendes Streiflicht auf den weimarischen Alltag der Erbgroßherzogin. Zu ihren Gästen in Kairo gehört neben verschiedenen Diplomaten auch der französische Komponist Camille Saint-Saëns.76 Seitdem sie krank ist, verbringt Pauline die Winter in Italien. Auch hier ist wohl weniger die medizinische Notwendigkeit bestimmend als vielmehr der Wunsch, schöne Natur und anregende Geselligkeit zu genießen. Im Hotel Quirinale in Rom versammelt die Erbgroßherzogin alles um sich, „was in der deutschen Kolonie ...

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geistig bedeutend war und den Musen diente“77. Neben interessanten Vertretern des italienischen Hochadels erscheinen Diplomaten, Gelehrte und Prälaten, Autoren wie Richard Voß, für den Pauline erreicht, daß er zumindest zeitweise wieder in die Villa Falconieri darf78. Die Aufenthalte im Süden gewähren der Erbgroßherzogin gewiß manchen Kunsteindruck, manche Lektürekenntnis, die ihr bei ihrem Wirken in Weimar zugutekommen. Pauline liebt die Musik leidenschaftlich. Dies hängt in erster Linie mit der Atmosphäre in ihrem Elternhaus zusammen: Hermann und seine Frau besuchen Hans von Bülows Konzerte, empfangen ihn zu „urgemüthlichen“79 Essen und amüsieren sich über seine Scherze. Die Musikstadt Meiningen liegt Pauline gewissermaßen nahe. Ihre Eltern sind häufige Gäste an Herzog Georgs II. Tafel in Liebenstein. Hin und wieder erscheint auch Pauline dort, mißtrauisch beobachtet von ihrem Schwiegervater, dem der tolerante Umgang mit Georgs morganatischer Ehefrau mißfällt. Die weimarische Erbgroßherzogin trifft Paul Lindau, Meiningens Hoftheaterintendanten, und Bülow, für den sie allerdings seit langem schwärmt.80 Als der Sänger Feodor von Milde stirbt, schickt Pauline – wie Carl Alexander und ihre Schwägerin Elisabeth – einen prachtvollen Lorbeer, keine äußere Geste, denn sie weint mit Natalie von Milde und erinnert sich an die vielen schönen Musikerlebnisse.81 Adelheid von Schorns Buch „Zwei Menschenalter“, das vor allem Franz Liszt und seinem Kreis gewidmet ist, interessiert Pauline sehr, sie liest es in wenigen Tagen, es scheint ihr freilich stark von der Eitelkeit der Autorin bestimmt.82 Mit Martha Remmert, der Liszt-Schülerin, Pianistin und Klavierpädagogin, nennt sich die Erbgroßherzogin vertraulich beim Vornamen, gute Stunden verbringt sie mit ihr in Ettersburg.83 Daß sie die Musiker hört und spricht, die zu Weimar in Beziehung stehen, ist selbstverständlich: Strauss, Bronsart und de Ahna, häufiger noch Géza Zichy, Stavenhagen, d’Albert und Krzyzanowski sind ihre Gäste. Olga von Meyendorff, die schwierige Liszt-Freundin, sieht sie regelmäßig. Noch enger ist der Kontakt zu Aloys Obrist und Hildegard Obrist-Jenicke, dem so tief mit der Weimarer Tradition verbundenen, doch so unkonventionellen Ehepaar. Pauline ist eine leidenschaftliche Wagnerianerin: Sie fährt regelmäßig nach Bayreuth, „schwärmt für Cosima, hat Daniela sehr gern“84, begegnet etliche Male der ganzen Wagner-Familie, 1901 gemeinsam mit Felix Mottl und Roffredo Caetani, dem Nachkommen von Carl Alexanders altem Freund Sermoneta.85 Von jung an hat Pauline Interesse für Literatur. Sie sammelt französische, italienische und lateinische Sinnsprüche86, liest Scheffel, Geibel und Heyse, Rückert und Lenau. Später fasziniert sie der akademische Ästhetizismus Robert Hamerlings.87 Um 1900 verstärkt sich ihre Beschäftigung mit der zeitgenössischen Dichtung. Neben Werken der guten Bekannten Voß und Wildenbruch liest sie D’Annunzio88 und Gide, Hauptmann, Hofmannsthal und Dehmel. Marie von Ebner-Eschenbachs Werk ist ihr so vertraut, daß sie zu einer subtilen Charakteristik89 in der Lage ist. Pauline ist nicht nur langjährige Abonnentin der „Deutschen Rundschau“, sondern auch mit deren Herausgeber Julius Rodenberg, dem Kritiker und Béranger-Übersetzer, gut bekannt. Sie liest Rodenbergs Reiseerinnerungen aus Malta, erfreut sich an dessen Lebensbild ihres verstorbenen Mannes und verfolgt seine publizistische Arbeit mit Anerkennung und Sympathie.90 Auch mit Karl Frenzel, dem einflußreichen Feuille-

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tonisten der Berliner Nationalzeitung, verbindet sie eine geradezu freundschaftliche Beziehung.91 Paulines Wunsch, in Weimar „die Überliefung fortzuführen“92, äußert sich zunächst in ihrem Engagement für das Goethe- und Schiller-Archiv und für die Goethe-Gesellschaft. „Mit ihr konnte ich manches Gespräch über Dinge führen, die Goethe, Dichtung usw. betrafen.“93 Rudolf Steiners Erinnerung an Paulines Besuche im Archiv deutet immerhin auf Interesse für klassische Literatur über die pietätvolle Pflichterfüllung hinaus. Die Einschreibebücher94 der Erbgroßherzogin verzeichnen alle großen Namen der zeitgenössischen Goetheforschung. Bedeutende Schenkungen95 läßt sie der Goethe-Gesellschaft zuteil werden. Zu deren Pfingsttagungen ist sie nicht nur anwesend, sondern versucht, eigene Akzente zu setzen wie mit jenem Fest96 1898 im Schloß: Beim Vortrag des Urfausts überzeugt weniger Erich Schmidt in der Titelrolle als Hedwig Riemann-Raabe als Gretchen. An Nietzsche führt im Weimar der Jahrhundertwende kein Weg vorbei. Nach dem Tode ihres Vaters fällt in einem Brief Paulines eine eigenartige Bemerkung: Hermann habe sie gelehrt, „für den Uebermenschen zu arbeiten“97, sich nicht niederdrücken zu lassen durch Schmerz, ihn vielmehr in Segen für andere zu verwandeln. Es mag wohl sein, daß dies mehr modische Nietzsche-Reminiszenz als auf Lektüre gegründete Überzeugung ist. Gegenüber Elisabeth Förster-Nietzsche hat Pauline deutliche Vorbehalte, die durch Natalie von Mildes Abneigung gegen die „arge Selbstherrlichkeit“98 im Archiv genährt werden. Das bisher Gesagte zeigt die Erbgroßherzogin als eine kunst- und literaturinteressierte Frau, die sich bemüht, nicht nur höfische Pflichtaufgaben zu erfüllen, sondern Sinnvolles für die Kulturentwicklung Weimars zu leisten. In ihrer Position in der zweiten Reihe der Hierarchie, mit wenigen Weisungsbefugnissen ausgestattet, außerdem von schwerer Krankheit gezeichnet, ist dies nicht geringzuschätzen. Auf einigen Gebieten aber leistet Pauline wirklich Bedeutendes: In einem durch ihren frühen Tod sehr kurzen Zeitraum unterstützt sie die Frauenbewegung, hilft van de Velde bei seinen kunstgewerblichen Bestrebungen und etabliert in Belvedere einen geselligen Kreis, der für moderne Autoren und Künstler offen ist.

2.2 Frauenbewegung – Kunstgewerbe – neue Literatur – Pauline als Förderin der Moderne Im Juni 1899 fährt die Hofequipage mit den „versilberten Rappen“99 nach Ettersburg. Sie bringt Natalie von Milde, die bei der Erbgroßherzogin zum Tee geladen ist. Das Gespräch fügt sich eigenartig in den Rahmen des idyllischen Schlosses: Die Besucherin liest ihren Vortrag vor, den sie auf dem bevorstehenden internationalen Frauenkongreß in London halten will. Obgleich die Hofdamen hinzukommen, entwickelt Milde ihre Gedanken nicht nur zu den Frauen in der Literatur, sondern zu sozialen Bereichen wie „Fabrik, Gefängniß, Studium“100. Paulines Interesse an der Frauenbewegung ist geweckt; „ich halte es geradezu für meine Pflicht, mich zur Sache zu stellen“101, erklärt sie Milde, mit der sie in den folgenden Jahren eine

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freundschaftliche Beziehung verbindet. Gemeinsam überlegen die Frauen, wie man nach dem Vorbild des „Berliner Clubs“ auch in Weimar einen Lese- und Begegnungsraum schaffen könnte. Pauline zahlt die Miete des dann im Dezember 1902 eröffneten Lesezimmers, sie stiftet Einrichtungsgegenstände, unter anderem Geschirr, eine Uhr und einen schönen Bücherschrank.102 Auch für die inhaltliche Arbeit des Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium“, dem sie sich selbst als Protektorin anbietet, interessiert sie sich lebhaft. Sie besucht Vorträge, etwa Natalie von Mildes „Unsere Kinder“ betitelten103 am 4. Mai 1900, in dem noch einmal die Forderung nach höherer Bildung für Mädchen erhoben wird. Die Weimarer Öffentlichkeit registriert stets aufmerksam die Anwesenheit der Erbgroßherzogin; die Veranstaltungen erhalten eine Art offizieller Weihe, sind kaum noch vernichtend zu kritisieren. Mancher konservative Ehemann oder Vater wird sich in seinem Urteil zurückhalten, wenn bekannt ist, daß „Ihre Königliche Hoheit“ den Vortrag besucht hat. Pauline sitzt 1902 mit zahlreichen Besuchern im Logensaal in der Amalienstraße: Man – oder hier besser: frau – gedenkt Auguste Schmidts, der großen Frauenrechtlerin, würdigt Luise Otto-Peters, die „rote Demokratin“, und liest deren Gedichte.104 Erst recht interessiert sich Pauline für Mildes Maria-Pawlowna-Schrift, deren Entstehung sie in vielen Gesprächen und Lesungen in Belvedere verfolgt.105 Eine wichtige Verbindung zwischen Natalie von Milde und Pauline ist Persönlichkeit und Werk Marie von Ebner-Eschenbachs. Die Autorin, die sich ihrerseits für die Frauenbewegung engagiert, ist Mildes Briefpartnerin und gelangt durch die Aktivitäten des Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium“ ins Bewußtsein der Weimarer Öffentlichkeit. 1903 schickt Ebner der Erbgroßherzogin einen ihrer Romane, vermutlich „Agave“.106 Pauline hat geradezu eine „unglückliche Liebe“107 zu der Dichterin, sie bedauert, sie nicht häufiger getroffen zu haben. Es scheint, als ob Etikettefragen dauernden und freien Umgang der beiden Frauen in Rom verhinderten. Neben dem Werk Ebner-Eschenbachs diskutieren Natalie und Pauline Musikfragen, auch die schwierigen Weimarer Verhältnisse. Milde hat den Eindruck, daß die Erbgroßherzogin sie brauche, ihr selbst Privates und Schmerzliches anvertraut. Aber auch ihr ist die Teilnahme Paulines wichtig. Die Vorträge zur Frauensache, die sie in Weimar hält, erscheinen ihr besonders schwierig, ja „eine Heldenthat“108. Sie gewinnt Sicherheit, wenn sie die Inhalte vorher mit Pauline besprechen kann. Nicht mehr als eine Fußnote der weimarischen Kulturgeschichte mag dies sein: Daß sich die Frau mit der dunklen Herkunft, die im Hause Milde ein glänzendes und schwieriges Heim findet, mit der Erbgroßherzogin befreundet, daß beide versuchen, der Bildung des weiblichen Geschlechts den Weg zu ebnen. Wenn auch die großen Ziele des gymnasialen Unterrichts und besonders des Universitätsstudiums vorerst nicht erreicht werden, so hat Pauline mit ihren bescheidenen Kräften und Möglichkeiten doch geholfen, die Frauensache voranzubringen. Tieftraurig verbindet Natalie von Milde ihren persönlichen Nachruf auf Pauline mit ihrer eigenen Existenz und der der Stadt: „Aber Weimar! Morgen möchte ich die Thür hinter mir zumachen u. eine neue Heimath suchen. Zu ihr konnte man ko⊥en, wann man wollte, sie war willig, zu hören, zu verstehen, zu helfen. Sie hatte einen so einfachen, natürlichen

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Verstand, ohne Hofcomplicationen, ohne Barrière. Das bloße Bewußtsein, man kann zu ihr, war beruhigend; jetzt leben wir in einer Wüste ...“109 Zur Hochzeit des Großherzogs Wilhelm Ernst mit Prinzessin Caroline gestaltet Henry van de Velde ein Tafelsilber. Über die Ausführung wird in der Presse debattiert. Man bemängelt die Schwere und Plumpheit der Formen und die Tatsache, daß der Künstler den Edelglanz des Metalls in seiner Arbeit vernachlässigt habe.110 Harry Graf Kessler erwidert den Kritikern, indem er auf die Stillosigkeit maschinell gefertigter Silberwaren verweist. In van de Veldes Geräten hingegen werde die alte Einheit von Ornament und Form wiederhergestellt, die Seele des Silbers erscheine.111 Folgt man Kessler, so bedient sich van de Velde zwar moderner Formensprache, des langen Zuges der Linien, wie man sie aus Eisenkonstruktionen und Automobilen kennt, aber in durchaus konservativer Wendung gegen die kulturlose Welt der Industrieprodukte. Die Besprechung des Tafelservices in der Weimarischen Zeitung112 zielt in die gleiche Richtung, fügt noch eine kulturgeschichtlich-soziale Bemerkung an: Die Entwicklung des deutschen Volkes habe einen Punkt erreicht, an dem nicht mehr die Machtstellung nach außen zu erstreben sei, vielmehr die innere Lebenswelt der Aufmerksamkeit bedürfe. In der Tat sind van de Velde und seine Mitstreiter auch hier der Überzeugung nahe, daß man dem Staat, in dem Veräußerlichung Raum greift, eine kulturelle Seele geben müsse. Der Kleinstaat mit den patriarchalischen Ordnungen und der großen Tradition scheint van de Velde für seine Bestrebungen besonders geeignet. Künstler, Kunsthandwerker und Industrielle sollten zusammenarbeiten, um die Veredelung und zweckhafte Gestaltung von Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen zu erreichen. Am 6. November 1901 lernt Harry Graf Kessler die Erbgroßherzogin Pauline bei einem Frühstück in Belvedere kennen. Die Fürstin, die seit langem die weiblichen Kunstgewerbevereine fördert, zeigt Kessler „Gewebe von ihrer Spinnerei“113, geht bereitwillig auf die neuen Bestrebungen ein. Von der in Aussicht genommenen Berufung van de Veldes ist sie geradezu begeistert. Auch für sie scheinen sich nun, nach dem Tode des übermächtigen Schwiegervaters, Möglichkeiten eines befriedigenden Wirkens zu eröffnen. Ihr ohnehin vorhandenes Interesse für Kunst und Kunstgewerbe wird in neuer Weise angeregt. Bei jenem denkwürdigen Diner beim Großherzog am 21. Dezember 1901, als Wilhelm Ernst der Ernennung van de Veldes zustimmt, begegnet Pauline dem belgischen Künstler zum ersten Mal. Er ist ihr angenehm, weil er amüsant ist und interessant zu plaudern versteht.114 Auch dies scheint sich nie zu ändern, daß man Persönlichkeiten bei Hofe danach beurteilt, ob sie liebenswürdige und unterhaltsame Causeure sind. Am 22. Dezember dann, als Kessler und van de Velde bei Pauline in Belvedere sind115, berät man über praktische Schritte der geplanten Reformen. Die Erbgroßherzogin erklärt sich bereit, die Verbindung van de Veldes mit Kunsthandwerkern und Industrie herzustellen, sobald sie im Frühjahr aus Rom zurückkehrt. So geschieht es: Van de Velde legt ihr sein Programm vor, das auf ästhetische Beratung und Kontrolle von Fabriken und Handwerkern im Großherzogtum zielt, und die Liste der Betriebe, die zu besuchen sind. Pauline übernimmt mit dem Professor Inspektionsfahrten zu Gemeindebehörden und Werkstätten. Bei diesen Besuchen wird höfisches Zeremoniell großgeschrieben, Kutscher und Lakaien tragen Galauniformen, höchste Hofchargen beglei-

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ten die Mission. Van de Velde fühlt sich an Ruskins feierliche Ansprachen vor „Anarchisten, Deisten, Nonkonformisten und Quäkern“116 erinnert. Wie häufig in Weimar gehen auch hier Tradition (oder gar Anachronismus) mit produktivmodernen Bestrebungen zusammen. Die Auftritte Paulines bereiten van de Velde den Boden, helfen, daß seine Beratung ernstgenommen wird. In der Tat erleben Handwerk und Industrie des Kleinstaats einige Jahre lang einen Aufschwung: Der Mitte des 19. Jahrhunderts begründete Korbmacher-Verein Tannroda stellt Möbel nach van de Veldes Zeichnungen her, die sogar in Geschäften Berlins, Düsseldorfs und Hamburgs verkauft werden. Bürgels Töpfereien, die schon Carl Alexander förderte, erfahren erneut eine Belebung. Hofkunsttischler Scheidemantel, einer der wichtigsten Mitstreiter van de Veldes, fertigt Möbel und Einrichtungsgegenstände nach seinen Entwürfen. Buchbinderei, Schmuck- und Ledergestaltung erhalten neue Impulse. Auch die Kunstschlosserei Berka, die Porzellanfabriken in Ruhla und Apolda und die Webereien in Weida und Münchenbernsdorf profitieren von van de Veldes Arbeit. Als Pauline 1903 aus Rom zurückkehrt, kann Kessler bereits eine ganze Ausstellung dieser neuen kunstgewerblichen Produkte präsentieren. Die Erbgroßherzogin ihrerseits ist überglücklich, daß sie aus ihrer Zurückgezogenheit heraustritt und beachtet wird. Ihr Interesse für van de Veldes Tätigkeit am Kunstgewerblichen Seminar ist ebenso groß wie für die Ausstellungen der Neoimpressionisten und anderer Moderner, die sie allein oder in sachkundiger Begleitung des Professors besucht.117 Auch van de Velde sieht Paulines Tod als das Ende eines Kapitels in Weimar, das von Aufbruch und Optimismus gekennzeichnet ist. Der Begriff „Musenhof“, den man für Anna Amalias Kulturbestrebungen zu Recht aufnimmt, der auch für die Unternehmungen des 19. Jahrhunderts noch einigermaßen taugt, scheint nunmehr obsolet. Nur lobhudelnde Schranzen bedienen sich seiner, die Zeitgenossen beobachten kulturelle Aktivitäten des Hofes mit kritischer Distanz. Auch höfische Geselligkeit hat nicht mehr die dominierende Rolle wie zu Zeiten der Tafelrunde oder noch von Carl Alexanders Ettersburger Kreis. Und dennoch, in ihrem Witwensitz Belvedere gelingt es der Erbgroßherzogin Pauline während einiger Sommer noch einmal, anregenden Austausch zu stimulieren. Wieder entsteht ein Zirkel, in dem sich Traditionell-Höfisches und Modernes in eigenartiger Weise begegnen. Belvedere wird zugleich der (schwächere) Kontrapunkt zum Nietzsche-Archiv; etliche Besucher Weimars lernen beide Orte und Frauenpersönlichkeiten kennen. Häufige Gäste in Belvedere sind Ernst und Maria von Wildenbruch. Ende der neunziger Jahre tritt Pauline dem Autor und seiner Frau näher. Bei Gesprächen in Ettersburg hat sie das Gefühl, sich mit ihnen „gefunden118 zu haben“. Wildenbruchs Legende „Claudias Garten“ findet sie rein und edel119; das „Heilige Lachen“ hört sie auf einer Soiree beim Grafen Görtz120. Häufig weilt die Erbgroßherzogin auch in Wildenbruchs Villa Alisa Am Horn, man begegnet einander zu „wohlthuenden Plaudereien“ und „lebhaftem Gedankenaustausch“.121 Die leidenschaftliche Photographin Pauline stellt für Wildenbruch ein Belvedere-Album122 zusammen. Der konservative Autor, der leidenschaftliche Streiter für eine Fortführung der Weimarer Kulturpflege, verehrt Pauline nicht weniger wie Henry van de Velde, der ihr ein ganzes Kapitel seiner Lebenserinnerungen widmet. Wichtig ist die Erbgroß-

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herzogin, die geradezu hungert nach Gespräch und Wirksamkeit, auch für Harry Graf Kessler: Die tiefgreifende Kulturreform, die er für notwendig erachtet, sollte bei den oberen Ständen beginnen. Hier sei es möglich, so glaubt er, ein Publikum in kleinen Zirkeln heranzubilden, das über die feine Sinnlichkeit verfüge, dem modernen Künstlergenie gleichsam als „Klaviatur“ zu dienen.123 Die alte Vorstellung der Fürstenerziehung spielt sicher eine Rolle; ebenso wichtig ist für Kessler ein idealisches Bild des Hofes der Renaissance, wie es Carl Alexander schon im 19. Jahrhundert entwarf. Der fürstliche Mäzen entwickelt eigenes Fühlen im Austausch mit dem Künstler; dieser erhält dem Brotschaffen enthobene Wirkungsmöglichkeiten. Nichts Geringeres will Kessler, als in Weimar zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch einmal einen Musenhof schaffen, an dem die moderne Kunst gegen alle Widerstände im Kaiserreich zu ihrem Recht kommt, der gar Anstöße liefert für eine umfassende Reform des Lebens. Der Weimarer Hof, auch schon Paulines geselliger Kreis, ist mit solchen – nicht anders als utopisch zu nennenden – Vorstellungen überfordert. Dennoch erhält das stilvolle Barockschloß Belvedere durch Gespräch und Lesung europäischer Künstler ein faszinierendes neues Kapitel. Im Sommer 1902 unterbreitet Pauline Harry Graf Kessler ihre Idee, das von Goethe 1823 geschaffene Naturtheater wiederzubeleben.124 Sie läßt die Gehölze beschneiden, die verwachsene Anlage herrichten. Der Tradition gemäß schwebt ihr eine Liebhaberbühne vor, auf der hauptsächlich Laien der Hofgesellschaft agieren. Als Stück, das man dort aufführen könnte, nennt ihr Kessler Hofmannsthals „Tod des Tizian“. Der Dichter selbst hat große Bedenken. Er fürchtet das „Brave, das Gebildete“125, glaubt außerdem, daß nur ein Regisseur von dämonischer Überlegenheit eine Aufführung von Dilettanten zu organisieren vermöchte. Kesslers Idee, Hofpagen spielen zu lassen126, beruht auf der Überlegung, herkömmliche Theaterstimmen ausschalten zu müssen. Die Gebärden der Akteure will er mit Hilfe van de Veldes und Ludwig von Hofmanns stilisieren. Erbgroßherzogin Pauline bewundert zwar Hofmannsthal, liest der Hofgesellschaft den „Tod des Tizian“ vor127 und bittet eine befreundete Schauspielerin um Mithilfe. Dennoch kommt es im Sommer 1903 nicht zu einer Aufführung; die fürstliche Auftraggeberin ist krank, die Pagen sind in den Schulferien, eine allgemeine Entschlußlosigkeit hindert das Werk. Im September 1903 kommt es zu einer persönlichen Begegnung Kesslers mit Edward Gordon Craig in London. Er erzählt ihm von den Theaterplänen in Belvedere und ist danach voller Zuversicht, daß es gelingen könnte, Craig nach Weimar zu holen. „... dieses Festspiel im Park k a n n nur etwas werden, wenn ich den stage-designer dazu bekomme, sei es Appia, sei es Fortuny, sei es Gordon Craig ...“128 bemerkt Hofmannsthal, der von Kesslers Kontaktaufnahme mit dem Engländer begeistert ist. Der Plan des Naturtheaters ist im Umkreis der modernen und konservativen Bühnenprojekte bemerkenswert. „Ich habe im Belvedere Park, ein enges, langes Wiesenthal mit üppiger Vegetation und den fabelhaftesten Pinien außerhalb Italiens entdeckt, das für einen masque, eine faithful shepherdess, das absolute Ideal ist. So schön habe ich einen nordischen Garten nicht für möglich gehalten. Sie sollen entzückt sein. Auch ist ein kleines Wassergerinsel mit einer Brücke darin. Und die ansteigenden Thalwände, die dichte Vegetation ringsherum, geben ein Gefühl von Intimität, daß die Welt tausend Meilen entrückt scheint.“129 Kesslers Beschreibung

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betont die Abgeschlossenheit und Alltagsferne des Ortes. Auch seine Freilichtbühne ist als isolierter Kunstraum fern der Stadt gedacht. Nicht nur für die Gebärden der Akteure ist Stilisierung wichtiges Mittel; Naturformen zwar aufzunehmen, sie aber dem Strengen und Vorgeprägten zu unterstellen, dient der auch in Belvedere angestrebten reinen Kunst der Bühne. Alles andere als ein Volkstheater soll hier unter freiem Himmel entstehen: Noch elitärer als im herkömmlichen Hoftheater ist das Publikum, das Craigs, Hofmannsthals und Kesslers künstlerische Entwürfe rezipieren soll. Die Pläne um das Naturtheater scheitern, obgleich Pauline der Frage des Honorars für Gordon Craig verständnisvoll130 begegnet. Ihr früher Tod verhindert dann weitere Überlegungen. Wohl aber kommt Hugo von Hofmannsthal nach Belvedere. Er wird eingestimmt von Kessler, der ihm Weimar als lebendig und animiert, „rerum novarum cupidus wie wohl kein anderer Ort“131 schildert. Pauline freut sich auf die Begegnung mit dem Dichter. Freilich verläuft die Teestunde im Salon an jenem Augustnachmittag 1903 recht zeremoniell. Hofmannsthals reservierte Haltung schwindet erst, als die Gesellschaft das Gartentheater betritt. Auf der Bühne unter dem abendlichen Firmament spricht er von den Stücken, die er für diesen Ort schreiben wolle. Als der Dichter plötzlich innehält, glaubt van de Velde, er habe die „heimliche Anwesenheit Goethes“132 gespürt. Dies ist die Atmosphäre von Paulines Belvedere: formelle Feierlichkeit, die bald lähmt, bald fasziniert, der Rekurs auf Rokokofest und klassische Tradition und der begeisterte Aufbruch des „Neuen Weimars“. Sein „Kleines Welttheater“ übrigens liest Hofmannsthal in Kesslers Wohnung, nach einem Dejeuner, zu dem Elisabeth Förster-Nietzsche und Pauline, die Antipoden Weimarer Geselligkeit, gemeinsam geladen sind.133 Bei Gerhart Hauptmanns Besuch in Belvedere erkundigt sich die Erbgroßherzogin nach seinen frühen Werken. Der Autor hält einen „langen Monolog“134 über seine naturalistischen Anfänge mit den Dramen „Vor Sonnenaufgang“, „Die Weber“ und „Florian Geyer“, der die Zuhörer so in Spannung versetzt, daß sie kein Gefühl mehr für Zeit und Etikette haben. Hauptmann ist „geradezu hingerissen“135 von Paulines Schlichtheit und Natürlichkeit. Die alten Muster wirken auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wie Goethe von Anna Amalia, wie Hebbel von Sophie fühlt sich der moderne Dichter von der Fürstin verstanden. Richard Dehmel, der damals bekannte Lyriker, der eben mit seinem Roman in Romanzen „Zwei Menschen“ Furore macht, erscheint mehrfach in Weimar und wird von Pauline „in der schmeichelhaftesten Weise“136 empfangen. 1907 begraben Dehmels allerdings den Gedanken an eine dauernde Übersiedelung. Ida Dehmel behauptet, ihr Mann gehe niemals an den Hof, weil bürgerliche Frauen dort nicht empfangen werden. Sie äußert sich sehr abschätzig über Charakter und Intellekt der Hofgesellschaft.137 Dies richtet sich freilich auf den großherzoglichen Hof, ist überdies durch die tiefen Enttäuschungen über die Weimarer Kulturentwicklung geprägt. Pauline hat Ida Dehmel gemeinsam mit ihrem Mann empfangen; ihr Kreis ist bei aller Etikette doch freier als der „erste“ Hof des Großherzogs. Was Rilke angeht, so läßt van de Velde sein Gedächtnis im Stich138: Zwar kommt der Dichter nach Belvedere, aber wohl nicht zu Lebzeiten Paulines. In den Jahren 1902 und 1903, den für diese Geselligkeit wichtigsten, sind andere Eindrücke

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und Orte – Rußland, Worpswede, Rodins Paris – für Rilke bedeutsam, auch seine intensive Goethe-Lektüre setzt erst 1910 ein, als er zu jener Lesung Hofmannsthals aus dem „Rosenkavalier“139 in Weimar weilt. Am 5. August 1903 kommt André Gide zum Vortrag nach Belvedere. Seine Beschreibung des dortigen Milieus kündet von Faszination von Bau und Interieur, von verlegener Heiterkeit angesichts der höfischen Gepflogenheiten, auch aber von ernstem Bemühen und Zufriedenheit über die Wirkung. „Auf der Freitreppe erwartet euch der Zeremonienmeister, empfängt euch. Man wartet ein wenig, man gruppiert sich, man steigt die Treppe hinauf, oben in einem ersten Salon empfängt die Erbgroßherzogin.“140 Gide ist ein wenig geniert bei der förmlichen Anrede, er bemerkt die „wenig sensationellen“141 Kleider und den erlesenen Smaragdschmuck der Fürstin. Das Essen wird an kleinen Tischen serviert: „Man glaubt sich in Sanssouci. Es ist wenigstens genauso, wie ich mir ein Souper bei Friedrich II. vorstelle. Die Kerzen in Hülle und Fülle im großen silbernen Kronleuchter ... schaffen im ganzen Saal eine Atmosphäre diskreten und warmen Flimmerns. Auf den Tischen, nicht zu überladen von Kristall, Ketten von dunkelroten Mohnblüten. ... Man plaudert; van de Velde ist brillant, und die Hoheit hat es gern, wenn man sich amüsiert; ich ließ mich ziemlich wenig hören und verwirrte mich völlig, als die Hoheit über meine ‚Reise Urians′ zu reden begann.“142 Pauline also scheint Gides vom Symbolismus beeinflußtes Werk, das damals noch nicht in deutscher Übersetzung erschienen ist, zu kennen. Nach dem Diner – die Diener ziehen die Stühle so schnell weg, daß sich eine der Damen kurz auf den Boden setzt143 – begibt man sich ins Arbeitszimmer Paulines. Die Gäste nehmen in fächerförmiger Anordnung Platz, um Gides Vortrag zu hören. Zwanzig Personen sind anwesend, neben Maria und Henry van de Velde und Harry Graf Kessler auch der Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Bernhard Suphan, Bibliotheksdirektor Bojanowski und seine schriftstellernde Tochter Eleonore. Außerdem sind Theo und Maria van Rysselberghe gekommen, die seit 1899 mit Gide befreundet sind und die Kontakte mit Weimar vermittelt haben.144 Gide erwähnt als weitere Gäste in Belvedere den „Konservator der Wartburg“145, sicher Hans Lucas von Cranach, und Heinrich XXXII. Reuß. Gewiß irrt sich Gide mit der genealogischen Zahl: Der „charmante junge Mann, der malt, viel liest“146, sich für Theater interessiert, ist Carl Alexanders anderer Enkel Heinrich XXXIII. Reuß, der gutaussehend und kunstsinnig ist, den philosophischen Doktorgrad erwirbt, und der auch viel später noch mit Kessler befreundet ist. Denkt man sich zu den Genannten noch Maria von Wildenbruch und das höfische „Personal“, also Hofmarschall von Eichel, die Hofdamen, den Intendanten des Theaters Hippolyt von Vignau hinzu, so ist eine gewisse Buntheit von Paulines Gästekreis nicht zu leugnen. Mit diesen unterschiedlichen Persönlichkeiten bewegt er sich zwischen dem von Gide empfundenen „enjouement sans éclat“147, wirklicher Aufgeschlossenheit dem Vortragenden gegenüber und einer gewissen Pikiertheit bei provozierenden Thesen. André Gide spricht in Belvedere über die Bedeutung des Publikums, „De l’importance du public“. Folgt man Kesslers oben skizzierter Vorstellung eines modernen Musenhofs, so sollte Gides Vorlesung den theoretischen Grund dieser Geselligkeit bilden, den Anspruch beschreiben, den der Künstler an sein höfisches Publikum

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stellt. Die beiden großen geistigen Gestalten Weimars spielen für ihn eine zentrale Rolle. Er rezipiert Nietzsche. Der Monotheismus scheint ihm untauglich, in der Welt zu wirken, dessen ferner, lenkender Gott muß niedersteigen, um sich im Menschen zu verkörpern. Gide ist weit davon entfernt, in seinem Vortrag abendländische Metaphysik zu entfalten und im Nietzscheschen Sinne zu verabschieden, aber der Nihilismus erscheint auch in seinen kurzen Andeutungen. Er betont die Konzentration auf das vielfältige und veränderliche Seiende, die Endlichkeit des menschlichen Erkennens. Die Kunst ist für Gide „une chose toute humaine“148, also nicht im Hegelschen Sinne das Erscheinen der absoluten Idee, sondern eine menschliche Auseinandersetzung mit dem Individuum und der Welt. Bei Gides Ausführungen zum Christentum wird das Publikum unruhig; nach dem Vortrag protestiert Pauline149 gegen seine These von der katholischen Heuchelei, die wie ein Mantel über die Kunst der Renaissance geworfen sei. Von Nietzsche und der modernen Gegenwart kommt Gide zu Goethe, den er sich gewissermaßen von hier aneignet und der im Zentrum seines Vortrags steht. Das Verhältnis des Künstlers zum Publikum ist für Goethe wie für den französischen Autor bedeutsam. Jene Leipziger Komödianten, die sich aufführen, als ob niemand im Saal sei, die andererseits die Bühneneffekte übertreiben und nach Beifall haschen, führt Goethe als warnendes Beispiel an. Nach seiner Ansicht dürfe sich der Schauspieler nicht herablassen zum Publikum; es aber auch nicht ignorieren.150 Hier setzt Gide an: Der Künstler sei nicht der Sklave der Meinung, vielmehr einer höheren Instanz verpflichtet, er arbeite nicht für das Parterre, sondern für die Zukunft. Eben darum benötigt er ein Publikum der „honnêtes gens“151, einen kulturvollen Kreis, der den Künstler zwingt, sich zu entwickeln, der ihm ermöglicht, „Stil“ zu schaffen. In dieser Weise sei der „Gefahr der Menge“152 für die Kunst, dem bloßen Gebrauch und der Verwertung künstlerischer Werke zu begegnen. Gide schließt seinen Vortrag mit einer aktuellen Anspielung, geradezu mit einem Appell: Der Weimarer Hof sollte dieser kulturvolle Ort sein, an dem Publikum und moderne Künstler sich wechselseitig inspirieren und fördern. Wohlgemerkt, Gides und Kesslers Thesen zu einem neuen Musenhof sind kein raffiniertes Spiel mit Weimarer Eitelkeit, kein ausgeklügeltes taktisches Manöver, um die Verantwortlichen zu stärkerem Engagement für die moderne Kunst zu führen. Es ist vielmehr ihre Überzeugung, daß eine für die neue Formensprache aufgeschlossene Elite dem verderblichen Massengeschmack widerstehe und Kunst bewahre. Nicht zu verkennen ist auch hier, daß das sogenannte „Neue Weimar“ an im 19. Jahrhundert tradierte Überzeugungen anknüpft. Carl Alexanders spezifische Renaissancebegeisterung und seine Sicht von Mäzen und reinem, strebendem Künstler, aber auch Franz Liszts Überlegungen zum Hoftheater sind in der modernen Konzeption aufgehoben. Weit entfernt ist das Ideal, das Weimar (und seinen Hof) als das Herz moderner Kunst in Deutschland sieht, von der Wirklichkeit. Vorerst fragen sich Paulines Gäste, ob Gides Vortrag „am Platz“ oder vielleicht gar „vom Feinsten“ ist.153 Die Erbgroßherzogin hat doch das Ihre getan: Ihr Belvedere öffnet sie für einen kurzen Augenblick der europäischen Moderne.

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2.3 Ende eines Kapitels – Paulines Tod in Italien „Seit gestern ist es trübes Herbstwetter – mit Regen u. Sturm u. mir wird bang ...“154 schreibt Pauline am 4. Oktober 1903 noch aus Belvedere. In diesen Tagen befallen sie Todesahnungen; die Abschiede von ihrer Schwiegertochter und von Natalie von Milde werden ihr schwer. Am 2. November reist die Erbgroßherzogin über Darmstadt nach Heidelberg. Dort trifft sie Eberhard von Bodenhausen, der ohnehin regelmäßig mit ihren Geschwistern verkehrt, um mit ihm noch einmal seine geplante Berufung nach Weimar zu besprechen.155 Ihr Aufenthalt in Italien verläuft wie in jedem Jahr: Sie erholt sich in der frühlingshaften Natur und genießt die Geselligkeit. Mit der Lektüre der Weimarischen Zeitung nimmt sie Anteil am Leben in der Residenz. Am 15. Mai 1904 erfreut sie sich auf einer zweistündigen Meerfahrt am Sonnenuntergang. Am Tage darauf begibt sie sich auf dem Regierungsdampfer von Sorrent nach Neapel. Am 17. Mai kommt sie nach Rom, um von dort aus ihre Heimreise anzutreten. Gezeichnet von Krankheit schon erscheint sie auf dem Bahnhof; zwanzig Minuten nach Abfahrt des Zuges stirbt sie nahe der Station Orte.156 Den Mitreisenden, Gräfin Bothmer und Kammerherrn von Goeben, obliegt es, die würdige Rückkehr der toten Erbgroßherzogin zu organisieren. In Florenz findet eine Trauerandacht mit Vertretern des offiziellen Italiens statt. Am 20. Mai halb elf Uhr abends fährt der Zug mit Paulines sterblicher Hülle in Weimar ein. Das traditionelle Zeremoniell der Überführung des Sarges in die Hofkirche berührt gerade durch die nächtliche Stunde die tausenden Bürger, die sich am Bahnhof eingefunden haben. Am folgenden Tag wird Pauline in der Fürstengruft beigesetzt. Für die Kulturentwicklung Weimars ist der Tod der Erbgroßherzogin sehr nachteilig. Natalie von Mildes am Tag der Trauerfeier gesprochenes Wort von den „unfähigen Kindern da oben, die sich nicht einmal vertragen“157, ist Caroline und Wilhelm Ernst gegenüber hart, in mancher Hinsicht ungerecht. Ohne Zweifel aber fehlt Paulines Engagement, vor allem ihre ausgleichende und vermittelnde Stimme. Der jungen, unerfahrenen Großherzogin mangelt nun die wichtigste Ratgeberin, Trösterin und Gesprächspartnerin. Paulines Belvedere, nicht nur als geselliger Ort, sondern als einer der Beratung kultureller Projekte, existiert nicht mehr. Die Worte des Kammerherrn von Goeben werden sich als wahr erweisen: „Wie lange wird es dauern, dann ist sie ganz vergessen, nur Wenige ... werden ihrer dankbar gedenken. Ihr Tod bedeutet für Weimar viel.“158

3. Spannungsreiche Kunstförderung im 20. Jahrhundert – Caroline und Wilhelm Ernst 3.1 Die „kleine Großherzogin“ an der Seite van de Veldes und Kesslers Am 10. Dezember 1902 wird in Weimar die Nachricht bekannt, daß sich Großherzog Wilhelm Ernst verlobt hat: Überall in der Stadt ist geflaggt, vor dem Rathaus

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spielt eine Kapelle, am nächsten Tag fällt für die Schüler der Unterricht aus. „Das Bild der Braut macht mir den Eindruck eines hübschen Püppchens. Und wir brauchen eine Intelligenz.“159 Natalie von Mildes trockene Bemerkung hebt sich wohltuend von verklärenden und lobhudelnden Tiraden ab. In der Tat bedürfte gerade das kulturelle Weimar einer klugen, aufgeschlossenen und zupackenden Frauenpersönlichkeit, die den Bemühungen der Erbgroßherzogin Pauline zur Seite tritt. Die zukünftige Großherzogin Caroline, Prinzessin Reuß ältere Linie, ist Jahrgang 1884, also 18 Jahre alt, als sie sich mit Wilhelm Ernst verlobt. Sie verliert ihre Mutter, als sie sieben ist, der Vater stirbt eben im Verlobungsjahr 1902. Was Henry van de Velde in seinen Memoiren über die Kindheit Carolines ausführt160, entspringt nur vagen Erinnerungsbruchstücken. Caroline wächst in Greiz auf; der Opponent gegen die Reichsverfassung und gegen die Vorherrschaft Preußens ist nicht ihr Bückeburger Großvater, sondern Heinrich XXII. Reuß, ihr Vater. Freilich ergibt sich aus seiner antipreußischen Haltung keine „offene, liberale Atmosphäre“161, vielmehr eine der strengen Religiosität und eines ziemlich engstirnigen Konservatismus. Von allen thüringischen Residenzen ist Greiz wohl die am wenigsten kulturbeflissene; das Städtchen besitzt weder Hoftheater noch -kapelle. Der letzte Fürst Reuß ältere Linie ist eine widerspruchsvolle Persönlichkeit. Nahe Vertraute schildern ihn als liebenswürdigen Gesprächspartner, allerdings legen Presseartikel gerade in seinen letzten Lebensjahren auch durchaus negative Eigenschaften nahe.162 Man darf davon ausgehen, daß Kindheit und Jugend Carolines keineswegs idyllisch und spannungsfrei sind.163 Der einsame Vater, der verzweifelt das Aussterben der Dynastie vor Augen hat, wird seine Sittenstrenge, Kunstferne und Vergnügungsfeindschaft auch in der eigenen Familie gelebt haben. Wilhelm Ernst lernt Caroline in Bückeburg kennen, wo er als Gast ihres Onkels, des Fürsten Georg zu Schaumburg-Lippe, zur Jagd weilt. Merkwürdig genug für eine Verbindung zwischen einem Großherzog und einer Prinzessin scheint es von seiner Seite Liebe auf den ersten Blick. Weihnachten und Silvester verbringt er schon wieder in Bückeburg; im Winter und Frühjahr 1903 eilt er, sooft nur möglich, nach Greiz. Und Caroline? Auch wenn bestimmte Details der Verlobungszeit für immer im Dunklen bleiben, kann man sich ihre Situation gut vorstellen: Ihr bietet sich die glänzende Partie mit einem regierenden Fürsten, die nicht nur Versorgung, sondern in reichem Maße eigenes Wirken verheißt. Weimar als Symbolort deutscher Kultur erscheint der nach Theater und Büchern hungernden Prinzessin besonders faszinierend. Angesichts einer solchen Konstellation bedarf es in der damaligen Zeit keines äußeren Zwanges, um eine Frau zur Heirat zu bestimmen, selbst wenn sie einen anderen, nicht ebenbürtigen Mann liebte. Daß die beiden jungen Leute nicht zusammenpassen, wird allerdings schon in der Verlobungszeit deutlich: Wilhelm Ernst ist kein Mensch, der mit Güte und Nachsicht Carolines Vertrauen gewinnen könnte, die Prinzessin andererseits hat keine Neigung, sich demütig und sanft in ihr Geschick zu fügen. Für eine Trennung fehlt ihr aber auch der Mut; Palézieux’ nochmalige Anfrage, ob sie lieber von einer Heirat absehen wolle164, verneint sie. Am Tage der Trauung verhindert dann der deutsche Kaiser den Bruch der Beziehung und den Eklat, er bestimmt den entnervten Großherzog zur Vermählung.165 Sie findet am 30. April 1903 mit allem höfischen Pomp in Bückeburg statt. Die Öffent-

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Karlsplatz mit Adolf Brütts 1907 dort errichtetem Denkmal des Großherzogs Carl Alexander (Postkarte)

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Helene Böhlau als junge Frau umgeben von ihren Schwestern Johanna (links) und Maria (rechts) (Aquarell von Hermann Behmer)

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Gabriele Reuter (nach einem Ölgemälde von Uermann)

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Adelheid von Schorn und ihr Lebensfreund, der Maler Paul von Joukowsky (Photographie von Louis Held)

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Mathilde von Freytag-Loringhoven (Photographie von Louis Held)

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Elisabeth Förster-Nietzsche auf der Gartentreppe des NietzscheArchivs

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Vorfeier von Großherzogs Geburtstag in der Stahl- und Armbrust-Schützen-Gesellschaft am 9. Juni 1901: 24 junge Damen führen einen Thüringer Bauernreigen auf

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Lustblatt der Stahl- und ArmbrustSchützen-Gesellschaft aus dem Jahr 1905 mit Hans W. Schmidts Gemälde „Goethe unterrichtet seinen Sohn August in der Schießkunst“

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Gruppenbild vom Ausflug der Vereinsgesellschaft nach Hetschburg am 19. Juni 1910

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10 Künstlerheim (alte Hofschmiede, Zeughaus) 1907 (Photographie aus der Serie AltWeimar von Karl Schwier)

11 Künstlerheim, Innenansicht (Photographie aus dem Nachlaß von Heinrich Plühr)

12 Schiller-Jubiläum 1905: Feier mit Kranzniederlegung am 9. Mai vor dem Theater (Postkarte)

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13 Die großherzogliche Familie im Wintergarten des Weimarer Schlosses: Links neben seiner Mutter Pauline stehend der spätere Großherzog Wilhelm Ernst. Hinten stehend Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin, Heinrich VII. Reuß und Carl August, Erbgroßherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach. Vorn sitzend die Weimarer Prinzessinnen Marie Alexandrine und Elisabeth mit dem kleinen Prinzen Bernhard Heinrich. In der Mitte Großherzogin Sophie, rechts Großherzog Carl Alexander

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14 Erbgroßherzogin Pauline von SachsenWeimar-Eisenach, um 1880 (Photographie von Louis Held)

15 Tagebuch des Erbgroßherzogs Carl August (1844–1894), Blatt vom 8.–10. Januar 1885

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16 Großherzogin Caroline von Sachsen-Weimar-Eisenach im Wintergarten

17 Goethefest in Tiefurt im Juni 1910, im Vordergrund Großherzog Wilhelm Ernst und Großherzogin Feodora im Kostüm des 18. Jahrhunderts

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18 Indische Teestube Marienstraße 4, um 1900 Ort literarischer Vorträge

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19 Paul Quensel: Schattenriß und Handschriftprobe (aus: Fritz Karl Voß, Weimarer Schattengeister)

20 Friede H. Kraze (Photographie von Louis Held)

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21 Otto Hetzers Bauzeichnung zum Umbau des „Tivoli“ Am Brühl 1890 (Eingang)

22 Tänzerin Saharet, die mit ihrer Truppe 1905 im Weimarer „Tivoli“ gastiert

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23 X. Thüringisches Kreisturnfest in Weimar, Ende Juli 1914 (Postkarte)

24 Auszug des 94er Regimentes in den Krieg 1914 (Photographie von Louis Held)

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lichkeit registriert das kostbare Brillantdiadem mit französischen Lilien166, das Wilhelm Ernst seiner Braut schenkt, die glänzenden Bälle, die An- und Abfahrten der Fürstlichkeiten, unter ihnen die holländische Königin Wilhelmina. Der weimarische Oberhofprediger Spinner predigt über den Text: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Beim zweiten Gang des Hochzeitsessens erhebt sich der Kaiser und ermahnt Wilhelm Ernst, „seine Gemahlin auf Händen zu tragen und ihr in Minne zu dienen“.167 Die Ehe ist von Anfang an unglücklich.168 Caroline ist „gar so jung“169, unerfahren, wenig diplomatisch, gelegentlich geradezu ungeschickt im Umgang mit Menschen. Die Jagdleidenschaft ihres Mannes teilt sie nicht. Wohl hat sie eine gute Beziehung zu ihrer Schwiegermutter, dies aber hilft ihr bei Wilhelm Ernst wenig, Mutter und Sohn stehen sich sehr distanziert gegenüber. Man kolportiert in Weimar, Caroline habe sich geweigert, Zimmer im Schloß zu beziehen, aus denen zuvor Pauline vertrieben wurde.170 Es scheint, als habe die zarte Prinzessin einen starken Willen und sei nicht gesonnen, ihre Persönlichkeit zurückzunehmen. Als am 2. Juni 1903 das Großherzogspaar in Weimar einzieht, ist die Stadt im Freudentaumel. Wilhelm Ernst selbst muß lachen über die Schaufensterdekorationen, die seine Büste zwischen Würsten und Schinken aufstellen.171 Der Festzug bewegt sich durch ein farbenprächtiges Spalier von Militär, Schulen und Vereinen zunächst zum Hoftheater, wo der Intendant am Dichterdenkmal Weimars kulturelle Aufgabe bekräftigt.172 Realistische Zeitgenossen stellen ernste Fragen mit Blick auf die Zukunft: „Wichtiger ist: wie wird die junge Fürstin sich entwickeln? Sein ka] sie ja noch nichts, achtzehn Jahre. Und am Hof ist Niemand, dessen Einfluß man wünscht. Hoffentlich wird sie ihre Schwiegermutter lieben und von ihr profitieren.“173 Mit großem Eifer nimmt Caroline am kulturellen Leben Weimars Anteil. Schon als Wilhelm Ernst im Januar 1903 van de Veldes Kunstgewerbliches Seminar besichtigt, teilt er ihm mit, daß seine Braut Interesse an Kunst und an van de Veldes Arbeit im besonderen habe.174 Die Großherzogin besucht dann wiederholt das Seminar, läßt sich Pläne der geplanten Erweiterungsbauten zeigen und fragt nach Lehrinhalten und Ausbildungsmöglichkeiten besonders für Frauen. „Die neuen Entdeckungen und Erlebnisse, zu denen sie sich gerne anleiten ließ, begeisterten sie. Monets Landschaften, Renoirs Akte oder Blumenstilleben berührten sie aufs tiefste, und ihr Interesse für meine Aufgabe und die Probleme des Kunstgewerbes und der Kunstindustrie wurde immer lebhafter.“175 Zu Recht verweist van de Velde darauf, daß Carolines Engagement für die neuen kulturellen Bestrebungen Gegner umstimmt und die Beziehungen von Hof und Künstlerschaft konsolidiert. Aufmerksam registriert die Öffentlichkeit, daß die Großherzogin die Ausstellungen der Modernen im Museum am Karlsplatz besucht: Etliche Male schaut sie im Herbst 1903 die Bilder der Neoimpressionisten an176; sie läßt sich vom Grafen Kessler führen, etwa durch die Exposition mit Werken Oldes, Hagens und Liebermanns177. Auch der Eröffnung der ersten Weimarer Rodin-Ausstellung im Sommer 1904, die in ganz Deutschland Aufsehen erregt, wohnt sie bei.178 Wenn man liest, wie abschätzig damals mitunter selbst aufgeschlossene und gebildete Zeitgenossen über impressionistische oder

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symbolistische Werke urteilen179, so gewinnt Carolines zustimmendes Interesse eine besondere Bedeutung. Schon in die Einzugsfeierlichkeiten des fürstlichen Ehepaars werden die Künstler nicht nur als dekoratives Element einbezogen, die modernen Gestalter sitzen als Gesprächspartner an der Tafel: Am 21. Juni 1903 speisen Caroline und Wilhelm Ernst in Ettersburg mit Hans Olde, Henry van de Velde, Kessler, Hofmann und Max Klinger.180 Einige Tage später besucht das Großherzogspaar die Permanente Ausstellung und die Kunstschule.181 Die Verkaufsschauen des Vereins für weibliche Kunstindustrie haben in Caroline eine sachkundige Interessentin und Abnehmerin für Blusen, Decken und Fächer. Auch Handwerksbetriebe, die mit van de Velde kooperieren, besichtigt sie, etwa Bernhard Pfannstiels Kunstgewerbliche Werkstätten für Ledertechnik.182 Am 18. März 1904 schreibt Edvard Munch aus Weimar: „Hier herrscht ein besonderes Leben – an dem ich gern teilnehmen würde ... Hier bin ich zum Bsp. ausschließlich von Grafen und Baronen umgeben – und muß ständig in Frack oder Gehrock gehen – Zufällig sind meine alten bekannten Graf Prozor und Gemahlin hier. Sie haben hier eine große Villa und vertreten Rußland – Zu ihm bin ich für Mittwoch eingeladen und treffe dort den Großherzog mit Frau – Ich bin nicht sicher ob ich hingehe ...“183 Caroline und Wilhelm Ernst jedenfalls erscheinen an jenem 23. März beim russischen Ministerresidenten184, es ist eine schöne Vorstellung, sich die junge Fürstin im Gespräch mit dem schwierigen norwegischen Künstler zu denken. Einige höfische Empfänge und Veranstaltungen dieser Jahre 1903 und 1904 versammeln einen interessanten Gästekreis. Wieder ist es das Sommerschloß Ettersburg vor allem, in dem eine animierte Geselligkeit entsteht, in die Künstler aus Weimar und von auswärts einbezogen werden. Kessler bringt den Kunstkritiker und „Pan“Initiator Julius Meier-Graefe mit.185 Am 6. Juli 1904 erscheint der bekannte Autor Detlev von Liliencron in Ettersburg. Er sitzt mit Olde, van de Velde und Kessler bei Tisch. Geladen ist auch Sascha Schneider, der mit seinen großfigurigen Gemälden Furore macht.186 (Ihm wird Carolines letzter Ausstellungsbesuch am Silvestertag 1904 gelten.187) Vielleicht kann der Kettenraucher, der „merkwürdige Außenseiter“188, auch an der Hoftafel seine Fähigkeit zum gehaltvollen Gespräch entfalten. Sieht man noch den neuklassizistischen Bildhauer Louis Tuaillon und das höfische Personal mit Palézieux und Egloffstein am Ettersburger Tisch, so fühlt man sich an die bunte und anregende Geselligkeit längst vergangener Tage erinnert. Im Dezember 1903 wird in Weimar der Deutsche Künstlerbund gegründet. Die deutsche Öffentlichkeit schaut auf die Residenz, in der die Bemühungen des Grafen Kessler und seiner Mitstreiter die Vereinigung der Sezessionen zu ermöglichen scheinen, in der sich die Front gegen die kaiserliche Kunstpolitik formiert. Selbstverständlich verbindet sich dieses moderne Ereignis mit traditioneller höfischer Geselligkeit. Am Abend des 16. Dezembers empfangen Caroline und Wilhelm Ernst in der langen Galerie des Schlosses zum Künstlerdiner. Neben der gesamten Weimarer Prominenz, den Leitern der kulturellen Einrichtungen, dem Kurator der Universität Jena und hiesigen Künstlern, erscheint die Elite der deutschen Maler, Bildhauer, Museumsleiter und Kritiker. Unter ihnen sind Max Liebermann, Franz von Stuck, Max Klinger, Fritz Mackensen, Lovis Corinth und Max Slevoigt, August Gaul,

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Arthur von Kampf und Fritz Klimsch. Pauli, der Direktor der Kunsthalle Bremen, erscheint ebenso wie der „Kunsterzieher“ Alfred Lichtwark und Paul SchultzeNaumburg aus Saaleck bei Kösen.189 Es fällt auf, daß sich Künstler sehr unterschiedlicher Formensprache versammeln, gerade dies, daß auch im eigentlichen Sinne nicht „moderne“ Maler und Bildhauer sich zur Freiheit der Kunst von Gewissenszwang und staatlicher Bevormundung bekennen, gibt der Gründung des Künstlerbundes eine besondere Ausstrahlung und Bedeutung. Für die junge Großherzogin ist die Beschäftigung mit Kunst mehr als angenehme Unterhaltung im höfischen Alltag. Carolines Bibliothek190 zeigt ihr Interesse für Geschichte und Gegenwart der Kunst. Sie besitzt Cornelius Gurlitts „Geschichte der Kunst“ und die Werke Adolf Rosenbergs, außerdem Eugène Fromentins gewichtiges Buch „Maîtres d‘autrefois“ in Bodenhausens Übersetzung. Das „Moderne in der Architektur der Neuzeit“ scheint Caroline gleichfalls zu beschäftigen. Neben der schön ausgestatteten elfbändigen Reihe „Künstlermonographien“ stehen auch in Carolines Bücherschrank Ralph Waldo Emerson, der Polemiker gegen die Materialitätssucht des 19. Jahrhunderts, und John Ruskin. Schließlich findet sich noch Kesslers Aufsatz über den Kunstwert des Neoimpressionismus von 1903, in dem sich der Autor mit dem Vorwurf auseinandersetzt, diese Maler bedienten sich einer starren und ausgeklügelten Technik. Es scheint, als ob Caroline bemüht ist, die rege Ausstellungstätigkeit der Modernen in Weimar durch Lektüre zu begleiten, Eindrücke zu vertiefen und durch kunstgeschichtliche Einsichten zu fundieren. Auch in anderer Hinsicht ist die Bibliothek der Großherzogin aufschlußreich: Sie enthält einige Goethe-Bände und einzelne Sekundärwerke, dazu Brentanos „Chronika eines fahrenden Schülers“, Kleists „Käthchen“ und von Lessing – wieder ein Beleg für das kunsttheoretische Interesse – den „Laokoon“. Das 19. Jahrhundert ist mit Grillparzer, Scheffel, Freytag, Stifter und Raabe vertreten. Die eng mit Weimar verbundenen Autoren Heyse, Voß und Wildenbruch dürfen nicht fehlen. Mit dem letzteren tritt Caroline – wohl vermittelt durch ihre Schwiegermutter – dann auch in persönlichen Kontakt.191 Eine ganze Reihe Weimariana, unter ihnen Böhlaus „Ratsmädelgeschichten“ und Reuters „Bürgelin“-Buch, sind sicher nicht nur zufällige Geschenke, sondern interessieren die Großherzogin durch Personen und Milieu. Caroline liest Unterhaltungsliteratur von Frauen; sie besitzt Bücher der moralpredigenden Marie Nathusius, der gefühlvollen Schweizerin Johanna Spyri und Ottilie Wildermuths. In den Texten der rumänischen Königin Carmen Sylva spürt sie vielleicht die verwandte Seele. Ein nicht sehr umfangreicher Teil der Bibliothek ist der Heimatkunst gewidmet: Lienhard, Frenssen und Clara Viebig finden sich, dazu noch der gemütvolle Thüringer-Wald-Dichter August Trinius. Aus der Literaturgeschichte der Franzosen sind Molière, Hugo und George Sand vertreten. Carolines starkes Interesse gilt zeitgenössischen Büchern. Die europäische Moderne erscheint in ihren unterschiedlichen Facetten, mit Ibsen, Maeterlinck und Maxim Gorki, Oscar Wilde und Daudet, Tolstoi und Gabriele d’Annunzio. Neben den Werken der Caroline aus den Weimarer Begegnungen bekannten Hauptmann und Hofmannsthal stehen Max Halbes dem Milieustudium verpflichtetes Drama „Der Strom“ und Wilhelm Bölsches „spiritistischer“ Roman „Die Mittagsgöttin“, Ebner-Eschenbachs „Gemeindekind“ und Thomas Manns „Buddenbrooks“.

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Eine Bibliothek allein sagt nichts über die Intensität der Lektüre. Daß Caroline gern liest, ist freilich bezeugt.192 Und ihre Bücher „passen“ gewissermaßen zu ihr. Sie zeigen eifriges Streben nach Unterrichtung, Freude an spannenden Frauenschicksalen, pflichtgemäße Beschäftigung mit Weimars Kulturgeschichte und großes Interesse für zeitgenössische Texte. In ihren eineinhalb Jahren in Weimar entwickelt Caroline geradezu eine Musikund Theaterleidenschaft. Ende November 1903 hört sie die Mailänder Violinvirtuosin Bianca Panteo in öffentlichem und höfischem Kreis.193 Anfang Januar 1904 verfolgt sie die Darbietungen des Wiener Geigers Bronislaw Huberman.194 Wohltätigkeitskonzerte, Kammermusikabende und Opernaufführungen besucht sie regelmäßig. Beinahe täglich ist sie in Weimar oder in Eisenach im Theater, häufig mit ihren Geschwistern, die zu Besuch kommen. Lienhards „Heinrich von Ofterdingen“ befriedigt sie ebenso195 wie die Premiere von Paul Quensels „Alter“196, was übrigens durchaus nicht von schlechtem Geschmack der Großherzogin zeugt: Die beiden sehr unterschiedlichen Heimatkünstler beherrschen das dramatische Handwerk solide und wirkungsvoll. Gastspiele bedeutender Schauspieler haben Caroline als Zuschauerin: Coquelin der Ältere in „Cyrano de Bergerac“197 oder Adolf von Sonnenthal im „Wallenstein“198 hinterlassen einen tiefen Eindruck. Es scheint, als ob sich die Großherzogin umso intensiver um Theater, Musik und Kunst kümmert, als ihr Mann verstärkt seiner Jagdleidenschaft folgt. Die unglückliche Ehe ist kaum zu verbergen. Ende Oktober 1903 schon spricht Pauline davon, was ihre Schwiegertochter „durchmache“199; in Weimar taucht das Wort „Scheidung“200 auf. Es sei keine „stille Tragödie ..., sondern eine sehr offenkundige, unter der alle am Hof litten“201, bemerkt die mit den Verhältnissen hinreichend vertraute Erika von Watzdorf-Bachoff. Man erzählt sich, daß Caroline nach einem schweren Zusammenstoß mit ihrem Gatten Weimar heimlich verlassen wollte.202 Tatsache ist, daß die Hofdame Gräfin Bernstorff in diesen Sommertagen entlassen wird, und Carolines Vertrauter, Oberhofmeister Medem, durch Hugo von Fritsch ersetzt wird. Noch dreißig Jahre nach Carolines Tod spricht ihre Schwester Hermine – dann die Frau des ehemaligen deutschen Kaisers – von der „Tragoedie“ ihrer Schwester und vom „schweren Leben an diesem, leider durch Intrigen und Missverstehen natuerlichen Menschentums armen Hofe“.203 Trotz allem ist es verfehlt, die Großherzogin als madonnenhaftes Wesen zu verklären, das Bild eines Opfers zu zeichnen, das „unerbittlich dem Martyrium geweiht“204 ist. Zwei junge unerfahrene Menschen, die in ihren charakterlichen Anlagen nicht zusammenpassen, leben in der stets von Parteiungen, Intrigen, Verdächtigungen und Existenzängsten geprägten höfischen Welt. Eine komplizierte sozialpolitische und kulturelle Situation erfordert Tatkraft und Entscheidung nicht weniger wie Kompromißbereitschaft und diplomatisches Geschick. Weder Caroline noch Wilhelm Ernst sind diesen Anforderungen gewachsen. Dem an sich schwachen und unsicheren Großherzog fällt es schwer, Kritik oder klare Meinungsäußerung anzunehmen, unbeherrscht und aggressiv läßt er sich zu verbalen Ausfällen und sogar zu Handgreiflichkeiten hinreißen. Ein solcher Mensch reagiert auf zurückgewiesene Liebe nicht mit Milde. Caroline ihrerseits ist keine sanfte und ausgleichende Persön-

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lichkeit; sie ist schon seit Sommer 1903 von gesundheitlichen Problemen205 belastet und zu jung, um sich mit dem Alltag einer schlechten Ehe abzufinden. Van de Veldes Erinnerungen, in denen Caroline geradezu als Heilige verklärt wird206, stehen in seltsamem Kontrast zu Natalie von Mildes Nachruf: „Es läutet bei uns. Von 12 Uhr ab eine halbe Stunde lang klagt die Glocke den Tod der jungen Großherzogin. Es sterben aber Menschen, deren Tod viel schwerer zu klagen ist, und die Glocke schweigt. Ich bin Demokrat und absolut nicht dafür begabt, Jemand in neuem Lichte zu sehen, weil er gestorben ist. Mein persönliches ... Gefühl war, daß die junge Frau zu keinerlei Hoffnungen berechtigte. Man weiß nie, was werden könnte, aber was absolut nicht vorhanden ist, sieht man doch. Ein Bauernmädchen hätte sich geschickter beno⊥en bei Gelegenheiten, die nur ein herzliches ‚Danke′ erforderten. Schüchternheit ist rührend und für den, der sie besitzt, gewiß drückend; aber an gewisser Stelle ist ein gewisser Grad davon unerlaubt. Der arme Gatte, der seine Frau unglücklich liebte, hat jetzt vielleicht die Chance, eine Gehilfin zu bekomen, die den Muth hat, ihn sanft mores zu lehren und auf das Notwendige aufmerksam zu machen. Gott geb’s.“207 Auch diese Einschätzung ist einseitig; sie entsteht aus Mildes Enttäuschung über das zunächst bekundete, dann nicht fortgeführte Interesse der Großherzogin für den Verein „Frauenbildung-Frauenstudium“. Natalie von Mildes hartes Urteil relativiert jedenfalls das verklärende Bild Carolines ebenso wie das einseitige dieser Ehe. Den zeitgenössischen Kunstbestrebungen freilich steht die Frauenrechtlerin zu fern, um Carolines Engagement recht würdigen zu können. Dies bleibt von der jungen und unglücklichen Großherzogin: Sie entspricht den mäzenatischen Traditionen Weimarer Fürsten, indem sie sich bildet, den modernen Künstlern die Hand reicht und sich öffnet für das Neue.

3.2 Schwieriger Mäzen in schwieriger Zeit 3.2.1 Schwarzweißbilder taugen nicht Im Sommer 1910 findet zum 25jährigen Jubiläum der Goethe-Gesellschaft ein Gartenfest in Tiefurt statt. Die Künstler erscheinen als Goethesche Gestalten verkleidet; die Bauern aus „Götz von Berlichingen“, Egmonts Niederländer und die armen Flüchtlinge aus „Hermann und Dorothea“ wandeln in phantasievollen Kostümen durch den Park. Als Goethes Herzog Carl August im Wertherfrack auftritt, geht es fast wie ein Erschrecken durch die Zuschauer: „Der Großherzog hatte sich den Schnurrbart abnehmen lassen, und die Ähnlichkeit zwischen dem kurzen gedrungenen Manne mit dem halb verwegenen halb verträumten Gesicht und seinem großen Ahnen war so verblüffend und so groß ...“208 Photos bestätigen den Eindruck der Zeitgenossen. Sie zeigen einen menschlichen, ein wenig verlegenen, vielleicht sogar verletzlichen Fürsten. Dies widerspräche den Negativurteilen über Wilhelm Ernst, die bis in die neueste Kulturgeschichtsschreibung aus Briefen und Erinnerungen Kesslers und seiner Mitstreiter übernommen werden. Die drastischsten liefert van de Velde, der den Großherzog einen „von Natur mittelmäßigen Menschen“ mit „nahezu rohem Charakter“ nennt und seinen Mangel an Bildung und „an allgemeiner Kulti-

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viertheit“ beklagt.209 Auch Kessler spricht von seiner „fast pathologischen inneren Roheit, die keine Erziehung oder Erfahrung beheben“210 könne. Andere Memoiren211 zeichnen das Bild eines jähzornigen, gelegentlich sogar zu Handgreiflichkeiten neigenden Mannes, des unvernünftigen Autofahrers und Jägers. Einige Zeitgenossen sind mäßiger und differenzierter in ihrem Urteil: Egloffstein nennt den Fürsten „schwerblütig, zur Selbstquälerei geneigt“, betont zugleich die „Rechtschaffenheit“ seines Charakters.212 Der Kabinettsekretär, der 1908 nach einem Zusammenstoß mit dem Großherzog aus dem weimarischen Hofdienst ausscheidet, liefert ein durchaus gerechtes Psychogramm Wilhelm Ernsts. Erika von Watzdorf-Bachoff, die gewiß nicht im Verdacht verklärender Sicht steht, zeigt den jungen Herrscher als unsicheren und verlegenen Menschen, der Angst vor „gelehrten“ Gesprächen hat, der dankbar ist für Scherz und Freundlichkeit.213 Mathilde von Freytag-Loringhoven betont des Großherzogs „Verachtung für jede Kriecherei“, sie nennt ihn „wahrhaftig im tiefsten Grunde“.214 Am Beginn der historischen und kulturgeschichtlichen Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit Wilhelm Ernsts stehen die Gedenkartikel des Jahres 1923: Im krisenhaften Inflationsjahr fallen sie – wie jede Rückschau auf die Monarchie – milde aus. Armin Tille verweist auf die negative Legendenbildung um den Großherzog, die schon zu Lebzeiten eingesetzt habe und letztlich zu einer Verkennung seiner Persönlichkeit führe.215 Auch Tille aber kann nicht umhin, einen individuellen Mangel Wilhelm Ernsts zu bezeichnen: „Andererseits fehlte es dem Fürsten an dem rechten Urteil über die psychologische Wirkung seines Verhaltens und seiner Worte auf andere ...“216 Eingeschränkte Empathie aber ist schwerwiegendes Hindernis sozialer Kontakte, erst recht für einen Regenten, der beinahe ständig in der Öffentlichkeit agiert. Ein anderer Nachruf aus dem Jahre 1923 vermerkt, daß Wilhelm Ernst eine „tiefunglückliche Natur“ war. Er habe es nicht verstanden, „Freude um sich zu verbreiten und selbst Freude zu empfinden“.217 Daß man zum zehnjährigen Todestag des Großherzogs „durchweg positiv“218 an ihn erinnert habe, wird man nicht sagen können: Max Vollerts Aufsatz in der Zeitschrift für thüringische Geschichte und Altertumskunde deckt schonungslos charakterliche Schwächen des Fürsten auf und berichtet über die negativen Folgen seiner Jagdleidenschaft. Als kulturpflegerische Leistungen benennt Vollert in aller Kürze den Neubau des Theaters, die Angliederung einer Bildhauerabteilung an die Kunstschule und die Gründung der Kunstgewerbeschule.219 Die um Differenziertheit bemühte Schrift schweigt freilich über Kesslers Unternehmungen und die folgenden kulturpolitischen Auseinandersetzungen, das Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung ist für eine Erörterung dieser Vorgänge nicht geeignet. Von der DDR-Geschichtsschreibung wird man keine intensive und umfassende Beschäftigung mit dem letzten weimarischen Großherzog erwarten; Ulrich Hess bezeichnet ihn als einen „zutiefst inhumanen Herrenmenschen“220, hinter dem pauschalen Etikett läßt er doch verschiedene Quellen zu Wort kommen und verfeinert sein negatives Urteil. Im Zusammenhang einer verstärkten Beschäftigung mit Kessler und van de Velde, auch der Erörterung von Weimars Weg zum Nationalsozialismus, wird in jüngerer Zeit die Kritik an Wilhelm Ernst neu akzentuiert. Wieder und wieder zitiert man die bitteren Einschätzungen aus den zeitgenössischen Brief-

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wechseln und aus van de Veldes Erinnerungen. „Brutal, cholerisch und sadistisch“221 nennt ihn Merseburger, auch er kolportiert die Anekdoten vom rasenden Autofahrer und vom stets Uniform tragenden Militaristen. Günzel spricht vom „schimmernd aufgetakelten Revue-General“, vom undankbaren und unzuverlässigen Wichtigtuer, von seiner „Starre, die auf die völlige Abwesenheit von Gemüt und Humor schließen läßt“.222 Das an sich berechtigte Anliegen Volker Mauersbergers, nach der Rolle der Weimarer Fürsten und Bürger in den verderblichen geschichtlichen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts zu fragen, wird durch schlichtes Frontendenken und platte Polemik desavouiert. Fehlerhaft wiedergegebene Vorgänge – wie jener Konflikt Wilhelm Ernsts mit dem Oberbürgermeister im Theater223 – und ein sehr freizügiger Umgang mit Zitatnachweisen sind ärgerliche Verstöße gegen die Objektivität der Geschichtsbetrachtung. Erst seit neuestem gibt es Versuche, die Kolportage stets gleicher Vor- und Fehlurteile zu durchbrechen und eine sachliche Analyse des Menschen und des Fürsten anzustellen. Posts und Werners umfängliches Buch über den „Herrscher in der Zeitenwende“224 ist in dieser Hinsicht verdienstvoll. Gleichwohl regt es zu weiteren Forschungen über den „Herrscher“, insbesondere aber über den Charakter jener „Zeitenwende“, ihrer kulturellen Vermittlungen, Brüche und Konflikte an: Die Kenntnis der Tagebücher Carl Alexanders, die Auswertung der Quellen über den Erbgroßherzog Carl August und seine Frau Pauline führen zu einem deutlicheren Bild der Persönlichkeiten, des Generationenwandels und der sozialen Entwicklungen als die Wiederholung gedruckter Urteile. Auch zu Wilhelm Ernst ist noch manche Information beizubringen: In einem Kapitel über Schul- und Wissenschaftspolitik sollte doch etwa die Haltung des Großherzogs zur akademischen Frauenbildung beschrieben werden. Die Aussagen von Post und Werner über das literarische Weimar jener Jahrhundertwende sind zu verfeinern, und zwar sowohl hinsichtlich der objektiven Bedingungen als auch der Haltung Wilhelm Ernsts. Das Bild vom modernen Regenten, der gemäß der historischen Situation „andere Prämissen“ als die des kulturellen Erbes setze und „auf wichtigen Gebieten erfolgreich“ wirke225, ist genau zu bedenken. Kehrt er sich in der Tat von der klassischen Tradition ab oder mißt ihr doch einen geringeren Stellenwert zu? Und ist die Hinwendung zum Praktisch-Alltäglichen – auch übrigens zum Nationalen – ein Erfordernis der Zeit? Werden hier nicht gerade humane Potenzen und geschichtliche Erfahrungen des Überkommenen preisgegeben? Hätten ein innerer Bezug des Großherzogs zu Literatur und Kunst, eine umfassende Persönlichkeitsbildung, die Orientierung am „Ewigen, Großen und Guten“226, sogar eher ein „Neues Weimar“ befördert? Die Frage jedenfalls nach dem Handeln und der Verantwortung der Eliten – hier des Fürsten – in den kulturellen und sozialen Prozessen des 20. Jahrhunderts ist eine notwendige; gegen einlinige und simplifizierende Sichten muß man sich stets verwahren. Der letzte weimarische Großherzog Wilhelm Ernst hat Anspruch auf eine objektive Beurteilung seiner Persönlichkeit und Entwicklung, seiner Ansichten, seines wirtschafts- und sozialpolitischen Handelns und – hier von besonderem Interesse – der Leistungen und Fehler seiner Kulturförderung. Dies ist durch die Quellenlage nicht einfach. Es ist zu vermuten, daß nicht nur Kriegseinwirkung227, vielmehr frühere Maßnahmen des historischen Protagonisten selbst228 dazu beitrugen, daß Do-

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kumente und Briefwechsel in Teilen oder ganz in den Archiven fehlen. Nehmen wir an, das Taktgefühl der Familie gegenüber führte zum Verschluß oder zur Vernichtung von Papieren. Vielleicht mangeln gerade dadurch nun schriftliche Belege, die ein ausgewogenes und gerechtes Bild des letzten regierenden Weimarer Fürsten entstehen ließen.

3.2.2 Kindheit und Jugend am Ende der „Silbernen Zeit“ Wilhelm Ernst wird am 10. Juni 1876 geboren. Die Taufe wird mit den traditionellen höfischen Festen am 9. Juli begangen, am folgenden Tag speist Franz Liszt mit der Familie und spielt für sie.229 Die frühe Kindheit des zukünftigen Großherzogs ist glücklich. Die Erzieherin Auguste Schrader berichtet von Kahnpartien und Wasserspielen in Wilhelmsthal, von seinem und seines Bruders Interesse an einem selbstgebauten Aquarium. Man unternimmt Ausflüge auf den Klausberg und auf die Wartburg, beobachtet Tiere und sammelt Heidelbeeren. Für Edelweiß und Rhododentron, die „Großmama“ Sophie geschickt hat, wird ein Gewächshaus angelegt. Auch an Gefährten ist kein Mangel, Kinder der Hofbeamten kommen zu Spiel und „Chocolade“.230 Der kleine Wilhelm Ernst liebt die Natur und praktische Tätigkeit. Fräulein Goullon, seine Elementarlehrerin aus berühmter Familie, und ein weiterer Lehrer sind zufrieden mit seinen Leistungen im Lesen und Rechnen.231 Auch phantasiebegabt ist der Junge, stundenlang beschäftigt er sich mit seinem Bruder mit dem Komödienspiel.232 1886 fordert Carl Alexander eine Einschätzung der Charaktere seiner Enkel. Auguste Schrader beschreibt Wilhelm Ernst als „lebhaftes und befähigtes Kind“ von strenger Wahrheitsliebe, weist aber auch auf sein „erregbares, zur Zerstreuung geneigtes Temperament“ hin, das „oft in ein träumerisches Wesen“ übergehe.233 Den ersten schweren Fehler begeht man, als man Max von Griesheim zum Erzieher des Prinzen beruft. Der „Premierlieutenant à la suite des Cadettencorps“ ist eben kein Soret und auch kein Wardenburg, er ist temperamentlos, trocken und pedantisch, zu keiner Zeit gelingt es ihm, ein Vertrauensverhältnis zu seinem Schüler aufzubauen. In diesem konfliktreichen Moment beginnt Paulines schwere Krankheit, seit Juli 1886 geht es ihr immer schlechter. Im September 1887 erscheinen erste Berichte über Wilhelm Ernsts Unaufmerksamkeit und Desinteresse im Unterricht, man fürchtet, er könne die Prüfung zur Quintareife nicht bestehen.234 Die psychologische Situation des Jungen ist deutlich: Ohne den emotionalen Beistand der Mutter ist er dem langweiligen Kadettenoffizier ausgeliefert. Die Welt des Wissens erscheint ihm als tote Wüste, während er draußen in der Natur, beim Schlittschuhlaufen und „Velociped fahren“235, am Wasser und in den Häfen das Gefühl hat, wirklich zu leben. Unzufrieden mit den Ergebnissen des Privatunterrichts, beschließt man, Wilhelm Ernst in eine öffentliche Schule zu geben. Gewiß hat man auf den fördernden Einfluß gemeinsamen disziplinierten Lernens mit anderen gehofft, die Entfernung aus dem vertrauten Weimarer Kreis für günstig erachtet. Daß die Wahl auf Kassel fällt, ist immerhin merkwürdig: Zu den Eltern und Großeltern sollten doch Informationen über die Nachteile des Gymnasiums gedrungen sein, wie sie sich wenige Jahre zuvor bei der Ausbildung des preußischen Kronprinzen Wilhelm

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schon auswirkten.236 Seinen Vater, der großes Verständnis für die Individualität des Prinzen hat, und seine gütige (wenngleich nicht unkritische) Großmutter sieht er nur noch in den Ferien. Die damalige Gymnasialbildung mit einer starken Betonung „humanistischer“ Lehrinhalte, der alten Sprachen zumal, liegt Wilhelm Ernst nicht. Für ihn wäre eine Realschule oder eine praktische Ausbildung günstiger. „Heute sind die Kinder wieder nach Cassel gereist. ... Meine wärmsten Wünsche begleiten sie. Namentlich hoffe ich für Welmi Besserung in mancher Hinsicht, die er entschieden bedarf. ... Ernstlichen Zuspruch hat das Kind erhalten. Ob dieser dauernden Erfolg haben wird, ist mir unklar.“237 Carl Augusts im Januar 1891 geäußerte Zweifel bewahrheiten sich. Wenige Tage später schreibt er : „Leider arbeitet Welmi langsam, ist oft faul ...“238 Und am 21. März 1891 teilt er Friedrich von Wardenburg, der den besorgten Vater stets zu beruhigen sucht, mit: „Welmi wird sitzen bleiben wegen Schwäche der Leistungen ...“239 Zu Beginn der neunziger Jahre erscheinen auch erste Klagen Großherzog Carl Alexanders über den Enkel, die weniger seine Wissensdefizite als charakterliche Mängel aufnehmen.240 Vom Egoismus Wilhelm Ernsts sprechen Carl Alexander241 und sein Sohn242 unabhängig voneinander. Gravierende Rückstände in der Beherrschung des Französischen und Englischen, für einen zukünftigen regierenden Fürsten besonders peinlich, versucht man mit zusätzlichem Unterricht zu beheben. Auf dem Gebiet der neuen Sprachen ist die Kasseler Schule übrigens noch immer auf niedrigem Niveau. Der Prinz ist – mit den damaligen Vokabeln – widerspenstig und ungezogen, er stört durch Lachen und „ungehörige Widerrede“243 den Unterricht. Seine Zeugnisse verschlechtern sich beständig. Den Privatlehrer Meyer, der neben Griesheim mit in Kassel weilt, versucht er – mit letztlichem Erfolg – „fortzubeißen“244. (Übrigens ergeben sich hier Einblicke in die elende Situation solcher Lehrer: Meyer bettelt um ein Gnadengeld, sein Nachfolger Horn fleht nach seiner Entlassung, von Gläubigern bedrängt, Carl Alexander um Hilfe an.245) Die für alle Beteiligten aufreibende Schulzeit endet Ostern 1895. Wilhelm Ernst verläßt das Gymnasium mit der Reife für Oberprima. Im Jahr zuvor hat der Achtzehnjährige mit seinem Bruder in Frankfurt am Main den Sarg seines Vaters erwartet. Wilhelm Ernst hätte seiner weiterhin bedurft, zumal ihm dessen Art und Interessen näher standen als die seines Großvaters. Wenig Zeit bleibt ihm nun, sich auf die Übernahme der Amtsgeschäfte vorzubereiten. Carl Alexander, umgetrieben von der Sorge um Haus und Land, findet keinen Weg zu Herz und Verstand des schwierigen Enkels. Wilhelm Ernst mag der Großvater altmodisch, schrullig und unmännlich erscheinen. Nach kurzer Kriegsschulausbildung 1895 in Kassel, die ihm leichtfällt, leistet der Erbgroßherzog seinen Militärdienst im 1. Garderegiment zu Fuß in Potsdam. In Weimar hört man erleichtert, seine Vorgesetzten seien zufrieden mit ihm. Insider meinen aber, daß Wilhelm Ernst auch beim Militär „nicht immer richtig behandelt worden“246 sei. 1897 bezieht er die „Prinzenuniversität“ Bonn, um die für einen zukünftigen Herrscher üblichen Fächer im Schnellgang zu studieren. Er gehört dem Corps Borussia an und ficht in der Mensur.247 Einer der dortigen Hochschullehrer spricht vom „geheimen Elend junger Fürstensöhne“, den „Einsamsten der Einsamen, die nur Masken um sich sehen, hinter denen sich vielleicht Menschenangesichter

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verbergen“.248 Noch eine kurze Stippvisite an der Landesuniversität Jena folgt für Wilhelm Ernst, dann schon wird er Großherzog.

3.2.3 Wilhelm Ernsts Amtsantritt zwischen überkommenem Mäzenatentum und Traditionsbruch Das neue Jahrhundert ist gerade wenige Tage alt. Carl Alexander und mit ihm die ‚Silberne Zeit′ Weimars sind tot. Am 31. Mai 1901 halten die Goethe-Gesellschaft, die Schillerstiftung und die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft eine Gedächtnisfeier im Hoftheater ab, auf der Kuno Fischer eine berührende Rede hält. Carl Alexander gilt ihm als vorbildlicher Träger geistiger Tradition, der eine ganze, durch viele Fäden mit europäischer Kultur und Geschichte verknüpfte Epoche prägte. Am Ende seines Vortrags wendet sich Fischer mit spürbarer Sorge dem jungen Großherzog zu. Er zitiert die Schlußverse aus Goethes Stanzengedicht „Zueignung“, die die Verbindung der Geschlechter durch Wahrheit und Dichtung aufnehmen: „Und dann auch soll, wenn Enkel um uns trauern, Zu ihrer Lust noch unsre Liebe dauern.“249 In Weimar lebt man zwischen dem Optimismus, daß es gelingen könne, eine Neubelebung von Kunst und Literatur zu erreichen, ohne auf das Überlieferte zu verzichten, und den Ängsten, entweder in blinde Fortschrittsgläubigkeit oder sterilmuffiges Ritual zu verfallen. Mit Blick auf Wilhelm Ernst beschäftigen die Menschen durchaus ernstere Probleme als jenes, ob er die französischen Menükarten durch deutsche ersetzen250 wolle. Die Frage, „ob ein Bruch mit den großen Epochen der Tradition bevorstehe“251, ist in der Tat die beherrschende. Fürstliche Herrschaft äußert sich in Zeichen und Geste. Gnade und Ungnade werden im Äußeren dokumentiert. Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfolgt man in einer kleinen Residenz aufmerksam, ob der Großherzog zu bestimmten Veranstaltungen anwesend ist, wie er den Rednern und Ausführenden begegnet, ob er Wort und Dank an sie richtet oder ihnen die Hand gibt. Dies ist wohlgemerkt kein Detail, das gegenüber finanziellem oder inhaltlichem Engagement zu vernachlässigen wäre, sondern unverzichtbarer Teil fürstlichen Ausdrucks. Wilhelm Ernst verspielt viel an Achtung und Sympathie, indem er nicht zu kulturellen Ereignissen erscheint oder nicht in der Lage ist, seine Anteilnahme auszudrücken. Seine Neigung, „gelehrten“ Gesprächen am liebsten zu entfliehen, ein gewisses Ungeschick zur „Causerie“ hatte schon sein Großvater bemerkt und zu beheben versucht. Zweifellos ist es für einen jungen Mann nicht einfach, im Bewußtsein eigener Unbildung auf vielen Gebieten überzeugende Worte und Haltungen zu finden. Er muß es doch tun, will er nicht in der öffentlichen Achtung sinken. Als im Sommer 1902 im Weimarer Park das Liszt-Denkmal enthüllt wird, erscheinen neben Prominenten des Musiklebens, vielen, die Liszt noch gekannt haben, auch Carl Alexanders Töchter und der Großherzog. Der verdienstvolle ehemalige Hoftheaterintendant Hans Bronsart von Schellendorf ehrt seinen Lehrer Liszt mit einer Ansprache. Angesichts von Wilhelm Ernsts Reaktion verfallen Zeitgenossen in eine allgemeine Kritik höfischer Verhältnisse: „Ach, es ist öde und trostlos an unsrem Hof! Der kleine Großherzog hat’s nicht einmal der Mühe werth erachtet, Bronsart

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nach der sehr warmen Rede die Hand zu reichen. Schli⊥ steht’s um uns, wenn wir nicht eine sehr gescheite Großherzogin bekommen. Aber ni⊥t ihn eine solche? Ich ko⊥e jetzt dahin, unser altes, dahingegangenes Paar noch weit höher zu schätzen, da ich einsehe, was es bedeutet, wenn Fürsten bei allen Geistesfesten die Ersten am Platze sind. Bis in seine letzten Lebenswochen hielt sich der alte Herr für verpflichtet, durch seine Gegenwart jeder würdigen Sache die Weihe zu geben. Und unser kleiner Großherzog kratzt jedes Mal aus. Aber andrerseits ist es ein unerlaubter Anspruch, von Jedem, den der Zufall zum Fürsten macht, zu erwarten, das er eben auch Fürst sein kann.“252 Zur großen Schillerfeier 1905 verscherzt es sich Wilhelm Ernst erneut bei den Weimarern. Zu seiner allgemeinen Mühe, Wärme und Anteilnahme zu zeigen, mag in diesem Jahr noch die Trauer über den Tod seiner Frau hinzutreten: „Ich stand dicht neben S. Königlichen, hatte einen besten Platz als Comitémitglied des Schillerverbandes. Konnte das unbewegliche Gesicht des ‚Kleinen′ beobachten. Glaubst Du, er hätte dem Redner ein Wort gesagt? Gott bewahre! Der fuhr ab wie ein Begossener. Ich hatte Lust, an ihn heran zu treten und ihn zu schütteln. Alles ist empört. An einem solchen Tag.“253 In diese Reihe fügt sich die Tatsache, daß der Großherzog schon der zweiten Jahresversammlung der GoetheGesellschaft nach seinem Amtsantritt fernbleibt. Als gar 1903 die Generalversammlung wegen seines Einzugs mit der jungen Gemahlin verschoben wird, schlagen die Wogen der Empörung erst recht hoch. Ernst von Wildenbruch verfaßt seine Schrift „Ein Wort über Weimar“.254 Bereits zwei Jahre zuvor hatte der Dichter in seinem Gedenkblatt auf Carl Alexander255 gemahnt, Weimar möge dem für den Idealismus gefährlichen Zeitgeist widerstehen, es möge „unpraktisch“, den geistigen Quellen des Lebens zugetan bleiben. Ein ähnlich akzentuierter Beileidsbrief an Wilhelm Ernst erfährt erst zustimmende Antwort256, dann harsche mündliche Abfuhr257. Jener „Dreieckskonflikt“ 1903 aber zwischen Wildenbruch, dem Großherzog und der Goethe-Gesellschaft taugt nicht zum Beleg für Wilhelm Ernsts Gleichgültigkeit gegenüber den Traditionen seines Hauses258. Im „Wort über Weimar“ fordert Wildenbruch den jungen Fürsten auf, der Arbeit der Goethe-Gesellschaft mehr Interesse entgegenzubringen. Er weist außerdem auf die Gefahr hin, daß die Gesellschaft zu einer reinen Philologenversammlung werde. Es gäbe Mängel in ihrer „inneren geistigen Organisation“, vor allem müsse die hermetische Konzentration besonders der Vortragstätigkeit auf Goethe durchbrochen werden.259 „Sie werden wohl gehörig ins Fettöpfchen treten bei unserem kleinen Tyrannen, aber das muß so sein, vielleicht macht es ihm doch Eindruck.“260 Die Vermutung Adelheid von Schorns teilen viele Weimarer. Interessanterweise kommt keine ablehnende Reaktion vom Großherzog. Er versichert dem Dichter in einem Telegramm, seine Schrift „mit aufrichtigem Interesse“261 gelesen zu haben und bekennt sich ausdrücklich zu den geistigen Überlieferungen seines Hauses. Der Goethe-Gesellschaft empfiehlt er Wildenbruchs Papier zu Diskussion und Stellungnahme.262 Nach Ablehnung der dort formulierten Vorschläge dringt Wilhelm Ernst erneut auf eine „Erweiterung des Arbeitsgebietes“263 der Gesellschaft. Man kann das Verhalten des Großherzogs in dieser Frage nicht tadeln. Er nimmt die Kritik des Dichters ohne Groll an, schlägt sich auf seine Seite gegenüber der Goethe-Gesellschaft. Er fühlt, daß Wildenbruchs Anliegen, die Goethe-Arbeit aus der Stube der Philologen zu holen, einen lebendigen Idealismus

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anzuregen, durchaus berechtigt ist. „Wenn Jemand das kann, dann muß doch ein guter Kern in ihm stecken.“264 bemerkt Adelheid von Schorn über Wilhelm Ernst und sieht Wildenbruch schon als geistigen Erzieher des Großherzogs. Die Episode zeigt, daß der junge Fürst guten Willen hat, in der Förderung des Neuen die Tradition zu wahren. Die Handlungsmöglichkeiten der Kleinstaaten in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts begrenzt; in einer Stadt wie Weimar ist es ohnedies unmöglich, Kunst und Literatur beiseitezustellen, Wilhelm Ernst hat auch keineswegs die Absicht, dies zu tun. 1903 bemerkt der Großherzog: „Es ist nur gut, daß der Kaiser gegen die moderne Kunst ist, sonst würden wir kleineren Staaten nichts mehr für uns haben.“265 Der Satz verrät den Ehrgeiz regionaler Kulturförderung auch gegen Berlin, einer ästhetischen Profilierung der Länder und Residenzen durch ein Mäzenatentum, das nach historischem Vorbild die Freiheit der Kunst sichert. Um in der Förderung der Moderne die Tradition fortzuführen, ist freilich ein Verständnis beider Phänomene notwendig. Carl Alexanders kulturelles Engagement gewann gerade dadurch seine Kraft, daß der Fürst eine genaue Kenntnis klassischer Werke, theoretischer Schriften, von Theaterverhältnissen und Ausstellungstätigkeit besaß, daß er zugleich offen war gegenüber Neuem, ohne es immer zu verstehen oder kritiklos zu übernehmen. Bildung im Sinne des in Weimar entworfenen Humanitätsideals war ihm lebenslang ein wichtiger Wert. Wilhelm Ernst hingegen fehlt diese Bildungsgrundlage, von der aus er mäzenatische Vorhaben entwickeln könnte. Ein Blick auf einen anderen Fürsten, der sich mit der Förderung der Moderne einen Namen macht, zeigt den Unterschied: Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, Schirmherr der Darmstädter Projekte um die Mathildenhöhe, der auch jung sein Amt antritt, besitzt ein ausgeprägtes Kunstverständnis, zeichnet, komponiert und schreibt Dramen und Gedichte. Wilhelm Ernst steht insbesondere die Literatur fern. Man vermag sich vorzustellen, daß er Gustav Freytags „Ahnen“, die ihm der Großvater nahebringen will266, langweilig findet, daß er opponiert gegen dessen Bildungsstreben. Das Vorbild seines Vaters, der nur pflichtgemäß das Goethe- und Schiller-Archiv besucht, spielt sicher eine Rolle. Auch werden ihm die literarischen Abende auf dem Kasseler Gymnasium267, die den Neunzehnjährigen sozusagen im Intensivkurs für Goethe begeistern sollen, eher als lästige Hürde erschienen sein. Immerhin gilt Wilhelm Ernst als Schiller-Verehrer268: Mag sein, daß Leidenschaft und Pathos dieser Stücke ihn stärker fesseln als Goethes dem Gewaltsamen absagende Seelendramen. In einem Gespräch mit Harry Graf Kessler über Gerhart Hauptmanns „Weber“ erklärt der Großherzog, der Dichter habe den armen Webern doch auf andere Weise besser helfen können als dadurch, ein Stück zu schreiben. Kessler erläutert ihm daraufhin, daß „ ‚helfen′ nicht der Zweck der Kunst“269 sei. Die Anekdote ist nicht nur geeignet, Wilhelm Ernsts Unkenntnis vom Wesen der Literatur zu belegen, vielmehr blitzt hier ein soziales Mitgefühl auf, das sympathisch berührt. Nicht immer nimmt der Großherzog nur widerwillig270 an Gesprächen mit Künstlern und Dichtern teil; Gerhart Hauptmann etwa versteht es, auf ihn einzugehen, ihn zu fesseln und zu interessieren.

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Nach dem Tode seiner Frau Caroline stiftet Wilhelm Ernst einen Preis für die „Dichter und Dichterinnen Deutschlands“271 in Form einer kostbaren, mit Nelken verzierten Vase. Dies ist ein Versuch, privates Gedenken mit öffentlichem Engagement zu verknüpfen, der geradezu rührt in seiner Fehleinschätzung der ökonomischen wie der inhaltlich-ästhetischen Literaturverhältnisse. Der Großherzog liest selbst wenig, die Lektürestunden mit Egloffstein oder Erika von Watzdorf-Bachoff sind vom höfischen Personal initiierte Veranstaltungen. Der komplizierte und nur lückenhaft gebildete junge Fürst versucht dennoch, die kulturelle Tradition Weimars und seines Hauses zu bewahren und zugleich neue Akzente zu setzen. „Unterdessen will Weimar einen neuen, vom kleinen Großherzog angeregten Aufschwung nehmen durch Hans Olde, der zum Professor der Kunstschule und van de Velde, der zur Reform des ganzen Kunstgewerbes berufen wurde.“272 berichtet Natalie von Milde im April 1902 ihrer Freundin. In der Tat ist Wilhelm Ernst in einigen kulturellen Entscheidungsprozessen mehr als nur die „Galionsfigur“273. Daß das Kunsthandwerk im Zentrum der Weimarer Reformen steht, entspricht nicht nur einem allgemeinen Interesse der Zeit, sondern auch dem praktischen Verständnis des Großherzogs. Bereits im November 1901 erklärt Wilhelm Ernst: „Das wäre ja wunderschön, wenn Herr Van de Velde herkäme.“274 Er erzählt Kessler vom Neubau des Volkshauses in Jena, von dem der letztere noch nicht gehört hat, und meint, daß van de Velde die Einrichtung des Hauses gestalten solle. Am nächsten Tag läßt er sich von Kessler Beleuchtungskörper des belgischen Künstlers vorführen, er ist etwas verlegen-unaufmerksam, aber doch bemüht, sich auf die Dinge einzulassen.275 An jenem 21. Dezember 1901 redet der Großherzog fast eine Stunde allein mit van de Velde276, ehe er die Entscheidung seiner Anstellung trifft, ein Versuch doch wohl, ein Bild seiner Persönlichkeit zu erhalten und die Bedingungen seines zukünftigen Wirkens gründlich zu prüfen. „Hinter Vandevelde stellt sich, im Dienst seiner Arbeit, die ganze Macht des Großherzogs u n d des Staats“277, bemerkt Kessler, und er spricht von „einer sehr breiten und schönen Auffassung fürstlichen Mäzenatentums“278. Solche Einschätzungen entspringen nicht Wunschdenken und Selbsttäuschung, auch wenn Kessler sicher die Schwierigkeiten in Weimar zu gering schätzt. Immerhin ist es eine Leistung aller Beteiligten – auch Wilhelm Ernsts – daß man einen „als subversiv und revolutionär“279 verschrieenen Künstler in die Residenz beruft, damit die Grundlage künstlerischer Entwicklungen bis hin zum Bauhaus legt. Van de Veldes Arbeit in Weimar verfolgt der Großherzog zunächst mit großem Interesse. Er besucht die Werkstatt des Hoftischlers Scheidemantel, der die Möbelentwürfe des Künstlers ausführt, kommt auch in das Kunstgewerbliche Seminar selbst. Van de Velde ist „unendlich glücklich, daß er jetzt eine klare Idee von dem, was ich in seinem Namen erproben will, zu haben scheint ...“280 Für den Bau der neuen Kunstgewerbeschule stellt Wilhelm Ernst ein Terrain und die notwendigen Mittel zur Verfügung. Den größten Teil der jährlichen Unterstützungssumme zahlt der Großherzog aus der eigenen Tasche.281 Auch für die anderen künstlerischen Einrichtungen Weimars werden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Entscheidungen getroffen, die sich positiv auf ihre Kreativität und Ausstrahlung auswirken. 1902 wird die Kunstschule in ein Staatsinstitut umge-

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wandelt und damit ihre finanzielle Grundlage verbessert. In der Tat erfüllt der Großherzog mit diesem Beschluß einen alten Wunsch Carl Alexanders.282 Der als Direktor berufene Hans Olde holt mit Ludwig von Hofmann und Sascha Schneider Künstler der neuidealistisch-symbolistischen Richtung, produktive und interessante Persönlichkeiten. Olde ist in seiner Personalpolitik doch kein radikaler Neuerer: Vertreter der traditionsreichen Malerschule wirken weiter in Weimar. Mit SchultzeNaumburg und Adolf Brütt werden Künstler berufen, die zur Moderne eine eher ambivalente Beziehung haben. Wilhelm Ernst fördert die Kunstschule auch nach deren Verstaatlichung mit finanziellen Mitteln. Er gewährt für Schülerinnen aus dem Großherzogtum drei Freistellen und gibt außerdem 500 Mark, die als Preisgelder bei Ausstellungen an Studentinnen zu verteilen sind.283 Dies ist bemerkenswert, gilt der Großherzog doch ansonsten nicht eben als Vorkämpfer der Frauenbewegung. Auch Wilhelm Ernst besucht viele Male die Kunstschule; die Professoren sind bei ihm zur Tafel geladen, besonders für Werk und Persönlichkeit Sascha Schneiders interessiert er sich.284 „... der Großherzog will inzwischen alle verstreuten ... Sammlungen aus den Schlössern zusammenlegen und die ‚Permanente Ausstellung′ verstaatlichen und reorganisieren“285, berichtet Kessler im April 1902 seinem Freund Bodenhausen. Die Reform der Permanenten, die Wilhelm Ernst anstrebt, ist ein ehrgeiziges und weit wirkendes, aber auch konfliktträchtiges Unternehmen. Die Berufung Kesslers als Direktor des neuen Museums für Kunst und Kunstgewerbe stellt zunächst einmal die Weichen für glanzvolle Ausstellungen der europäischen Moderne. Es mag sein, daß die 4000 Mark, die Wilhelm Ernst dem Museum aus seiner Schatulle jährlich zugesteht286, knapp kalkuliert sind. (Die schlampige Buchführung des Sekretärs Payern287 ist auch ein Grund für die ständigen Finanznöte der Einrichtung.) Immerhin ist es keine kleine Unterstützungssumme; auch Verkäufe aus den Sammlungen ermöglicht der Großherzog, damit man moderne Werke anschaffen kann.288 Wilhelm Ernst zeigt Interesse für die Expositionen am Karlsplatz, die für die Zeitgenossen und auch für ihn nicht immer leicht zu rezipieren sind. Die Bilder der deutschen und französischen Neoimpressionisten und die des damals umstrittenen Gauguin schaut er an, über Max Klinger kann er sich im Gespräch ein Urteil bilden, die Künstlerbundausstellungen bringen manche Begegnung mit moderner Formensprache.289 „Der Großherzog sprach nicht viel, ... sah die Entwicklung aber mit stiller Freude. ... Alles schien auf gutem Weg.“290 Bei aller Kritik, die Kenner der Verhältnisse an der Residenz und am Fürsten üben, ist die Hoffnung auf gedeihliche Entwicklung der Kultur in den ersten Jahren des Jahrhunderts stark. Hans Rosenhagen, bekannter Kunstkritiker des „Tag“, spricht in der Überschrift eines Artikels vom „neuen Weimar“291, eine Bezeichnung, die dann zur feststehenden für die Bestrebungen Kesslers und van de Veldes werden sollte. Rosenhagens Essay entwirft ein Bild Wilhelm Ernsts als eines vorbildlichen Mäzens, der das „Pompeji der deutschen Literatur“292 für frisches Leben geöffnet habe, der unbekümmert um die Meinung der Menge das Neue und noch Umstrittene fördere, damit der Entwicklung des Landes einen großen Dienst erweise. Es ist keine

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Frage, daß Rosenhagens Thesen einseitig und zu einer differenzierten Beurteilung der Weimarer Verhältnisse letztlich ungeeignet sind. Die Kontinuität von altem und neuem Weimar ist erheblich, in Praxis und theoretischem Ansatz zu belegen. Wilhelm Ernsts Kulturförderung läßt sich nicht gegen die seines Großvaters ausspielen; sie bewegt sich überdies in einem komplizierteren Bedingungsgefüge, als es Rosenhagens allzu idealische Sicht erkennen läßt.

3.2.4 Rodin-Skandal Das Jahr 1906 ist ein krisenhaftes in der Weimarer Kulturgeschichte. Der sogenannte Rodin-Skandal verhindert oder erschwert doch die Fortführung einer produktiven und weltoffenen Kunstpolitik, er bringt beteiligten Persönlichkeiten leidvolle Erfahrungen. Der Großherzog wird – durch eigene und fremde Schuld – in einer Weise diskreditiert, daß alle seine Leistungen nichtig erscheinen. Das Jahr beginnt, merkwürdig genug, mit einer mäzenatischen Tat: Im Januar beschließt Wilhelm Ernst, für den Bau des neuen Hoftheaters aus seinem Privatvermögen noch einmal 600000 Mark zu spenden, zusätzlich zu den bereits zur Verfügung gestellten 800000 Mark.293 Mit diesen 1,4 Millionen Mark gibt der Fürst weit über die Hälfte der benötigten Summe. Diese doch erhebliche finanzielle Aufwendung wird in kaum einem kulturgeschichtlichen Werk gewürdigt. Der Bau des neuen Theaters gilt vielmehr als Triumph törichter Konservativer vom Schlage des Intendanten Vignau oder nationalistischer Verhinderer moderner Projekte. Es scheint, als verstellten die gerade in dieser Frage problematischen Erinnerungen van de Veldes eine sachliche Analyse. Immerhin sprechen einige objektive Gründe gegen Louise Dumonts Bühnenprojekt in Weimar, und zwar sowohl praktische als auch solche der theoretischen Konzeption.294 Daß van de Velde „sein“ Festspielhaus an der Belvederer Allee nicht bauen kann, ist für ihn und für die Ausprägung neuer Formensprache sicher ein Verlust. Sein Kampf gegen das neue Theatergebäude erscheint dennoch seltsam: Er behauptet, der alte Bau sei „gegen Ende des 18. Jahrhunderts“ errichtet, nicht nur sei in ihm die Akustik vorzüglich, sondern man spüre in ihm die Bescheidenheit und den Glauben Goethes und Liszts. „Sakrileg“ und „Vandalismus“ seien es, eine solche „Reliquie“ abzureißen.295 Man kann sich dem Gedanken nicht verschließen, daß van de Velde im eigenen Interesse plötzlich die religiöse Verklärung der Goethezeit entdeckt. Die Weimarer Theaterbesucher wissen, daß der alte Bau schon seit langem gravierende Mängel in der Bühnentechnik, ein teilweise unpraktisches und unzeitgemäßes Interieur hat. Die mit der Planung und Ausführung des neuen Gebäudes beauftragten Architekten Max Littmann und Jakob Heilmann sind die führenden Theaterbaumeister ihrer Zeit. Sie leisten Beachtliches, indem sie die alten Formen und in ihnen die klassische Tradition gewissermaßen zitieren, aber den neuen technischen und ästhetischen Erfordernissen doch Geltung verschaffen. Als das Hoftheater 1908 eingeweiht wird, sind die Besucher davon angetan, daß es „sich zwar äußerlich dem Weimarstil annäherte, doch innen mit hellgrauem Samt, weißen und silbernen Tönen“ dem alten Bau „wohltuend unähnlich“ ist.296 Übrigens ist der Großherzog nicht nur Geldgeber der neuen Bühne: Er besichtigt die Baustelle297, interessiert sich für den Fortgang der Arbeiten. Daß er van de Veldes Einwän-

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de anhört, gegen die Etikette im „Cercle“ mit ihm ein langes Gespräch führt298, ist ebenfalls ein Versuch, sich mit den Planungen gründlich vertraut zu machen. Als der belgische Künstler 1905 den Antrag stellt, gemeinsam mit Ludwig von Hofmann ein Privatfoyer des Großherzogs für das neue Theater zu gestalten und dieses auf der Internationalen Kunstgewerbeausstellung in Dresden zu präsentieren, ist Wilhelm Ernst auf seiner Seite. Obgleich sich Architekt Littmann der Idee verweigert, läßt er ihm schreiben, es sei sein „lebhafter Wunsch, daß in der Dresdener Kunstausstellung ... eine Einrichtung ausgestellt werden könne, welche in dem neuen Theater etwa im Foyer oder in einem anderen geeigneten Raum Aufstellung ... finden könne“299. Wilhelm Ernst engagiert sich für die Pflege und Verbesserung des Weimarer Parks. Wie schon vorher gibt er auch 1906 finanzielle Mittel zu grundlegenden Erneuerungen. Man plant, den direkten Weg vom Staatsarchiv zum Tempelherrenhaus herzustellen, die alten Gewächshäuser am Südflügel der Hofgärtnerei abzureißen und einen schönen Pfad nach dem Liszt-Museum anzulegen, das mit diesen Veränderungen besonders akzentuiert wird. Die alten Gemäuer der sogenannten Parkbaumschule sollen fallen, eine hainartige Bepflanzung mit Koniferen und Ziersträuchern neue schöne Akzente setzen.300 Auch dies gehört zur Wahrheit über den letzten Weimarer Großherzog: Er ist nicht – oder doch nicht nur – kleinlich, haushälterisch-geizig, sondern unterstützt kulturelle Projekte mit hohen Summen. „Der Großherzog war sehr freundlich zu mir und erinnerte an das gemeinsame Diner mit Gerhart Hauptmann, das ihm viel Freude gemacht habe. Wir hatten eine Diskussion über Kunstfragen, die er mit Bonhomie und nicht ohne gewisse Intelligenz führte. Er versicherte mir, es sei sein Ziel, die moderne Kunst zu fördern, wenn es ihm auch schwerfalle, gewisse Maler zu verstehen und zu schätzen. Alles in allem hatte ich einen guten, ja sogar sympathischen Eindruck.“301 Diese Bewertung seines Gesprächs mit Wilhelm Ernst trifft Harry Graf Kessler am 25. Januar 1906. Rodins Aktzeichnungen, die dann Anlaß tiefgreifender kulturpolitischer Konflikte werden, sind zu diesem Zeitpunkt bereits im Museum am Karlsplatz zu sehen.302 Am 30. Januar besucht der Großherzog selbst das Haus, allerdings die neueröffnete Ausstellung mit Werken von Dora Hitz, Leopold von Kalckreuth, Hans Olde und Georg Burmester.303 Bis zu diesem Zeitpunkt scheint niemand an den Rodinschen Zeichnungen Anstoß zu nehmen. Der französische Künstler, der im Mai 1905 – gemeinsam mit Meiningens Theaterherzog Georg – die Ehrendoktorwürde der Universität Jena erhält, widmet jene vierzehn aquarellierten Zeichnungen dem Großherzog. Kabinettsekretär Egloffstein übermittelt Wilhelm Ernsts Annahme und Dank.304 Zu den „rasch hingeworfenen Aktskizzen, Nebenprodukten der Rodinschen Arbeit“305, gehört die einer hockenden, von hinten gesehenen Frau, zwischen deren Beinen die Dedikation „A Son Altesse Royale“ angebracht ist.306 An diesem Punkt schon ergeben sich einige Fragen: Hat Kessler die Vorurteilsfreiheit und Toleranz des Hofes überschätzt? Ließ er es gar bewußt auf eine Provokation des Großherzogs ankommen? Hat sich Egloffstein informiert, welcher Art die Blätter sind, die mit der Widmung ausgestellt werden sollen? Es mag seine Zustimmung als unwichtige Routineangelegenheit betrachtet haben, oder ihm kamen keine Bedenken. Vielleicht ahnte er philiströsen Protest und stimmte dennoch zu. Dann hätten jene recht, die

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Palézieux und Egloffstein unterstellen, den Skandal herbeizusehnen, ihn womöglich zu initiieren, um Kessler loszuwerden. An dieser Stelle ist es notwendig, einige Aspekte der Vorgeschichte des RodinSkandals und des Handelns der Hauptfiguren genauer zu betrachten. Harry Graf Kessler ist als selbstloser Organisator großartiger Ausstellungen der europäischen Moderne, als faszinierender Gesprächspartner und Anreger der Geselligkeit, als Förderer der Buchkunst unumstritten. Er ist freilich keine fehlerlose Lichtgestalt, die im Kampf mit ignoranten reaktionären Schranzen unterliegt. Kessler sitzt vor dem Schachbrett Weimarer Personalien und glaubt, sie nach seinem Interessse verschieben zu können. Wohlmeinende Ratschläge, etwa Wilhelm Ernsts Kabinettsekretär Hermann von Egloffstein in die Reformarbeit einzubeziehen307, ignoriert er. Der promovierte Historiker Egloffstein entstammt einer mit dem alten Weimar eng verbundenen Familie, er selbst publiziert Quellen308 über seine aus dem Goethekreis bekannten Vorfahrinnen Julie, Caroline und Henriette. Seinem Fürsten ist er treu ergeben. Ihm zuliebe schreibt er ein Büchlein über die verstorbene Großherzogin Caroline309, das die Weimarer ob seiner lobhudelnden Inhaltslosigkeit empört. Egloffstein ist ein Höfling, der sich im Fadenwerk von Verwandtschaftsverhältnissen, Abhängigkeiten, Spannungen und Intrigen nicht immer taktvoll und überlegt verhält. Dabei ist er in seinen ästhetischen Anschauungen durchaus kein verknöcherter Reaktionär: Gegenüber dem Direktor der Berliner Nationalgalerie Hugo von Tschudi, dem bedeutenden Vermittler der Moderne, spricht er sich gegen die dogmatische kaiserliche Kunstpolitik aus.310 Hier hätte Kessler mit ein wenig Einfühlungsvermögen anknüpfen können und eine wichtige Verbindung zum Großherzog gewonnen. Stattdessen stellt er 1903 schon erfreut fest, daß Egloffstein in der Gnade Wilhelm Ernsts gesunken sei und versucht, Eberhard von Bodenhausen in die Stellung des Kabinettsekretärs zu bringen.311 Solche Schachzüge bleiben in einer kleinen Residenz niemals geheim. Auch das Beispiel Carl Rulands312 zeigt, wie Kessler mit hybrider Geste solide Lebensleistungen beiseiteschiebt. Schon, als man 1903 fordert, die Mauer des Goetheschen Hausgartens abzureißen313, verprellt man potentielle Mitstreiter, bringt Leute gegen sich auf, die keineswegs rückwärtsgewandte Philister sind. Zumal Ruland ist seinerzeit „außer sich“314 über die doch in der Tat unsinnige Demonstration des Erneuerungswillens. Auch Kesslers Verhältnis zu Aimé von Palézieux-Falconnet ist nicht einseitig zu beurteilen, so verführerisch es sein mag, den letzteren als schlechten Kunstpolitiker, reaktionären Preußenfreund, bösartig-intriganten Menschen zu brandmarken. 1880 wird in Weimar die Permanente Ausstellung eröffnet, die schon damals aus Überlegungen resultiert, wie man Kunst und Gewerbe zusammenführen könne. Die Sammlung alten und neuen Kunstgewerbes, die Künstlern und Handwerkern zur Anschauung und zum Vorbild dient, verdankt ihre Entstehung Palézieux. Nicht nur eine Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeit für zeitgenössische Künstler wird hier geschaffen; seit Ende der achtziger Jahre schon nehmen bedeutende Expositionen die europäische Moderne auf. Auch wenn Palézieux’ Tätigkeit für die Permanente nicht ohne Fehler ist, so gebührt ihm doch das Verdienst, hier ein wesentliches Stimulans der Stadtkultur ins Leben gerufen zu haben. Kessler und van de Velde hätten gut

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daran getan, Leistungen wie die von Palézieux anzuerkennen und von ihnen aus mit den Reformbestrebungen fortzuschreiten. Stattdessen wird Vorhandenes kleingeredet, um den eigenen Neuansatz zu akzentuieren. Van de Veldes Bewertung der beiden bei seinem Amtsantritt vorhandenen Museen etwa ist falsch: Weder enthält das Großherzogliche Museum nur „Werke der Lokalkünstler“ noch ist die Permanente ein „Magazin, in dem ohne Sinn … aufgestapelt war, was der von seinem Hofmarschall zu Antiquaren geschleppte Großherzog … mit ebensowenig Kenntnissen wie Geschmack erworben hatte“.315 Palézieux ist in der Tat kein „Dutzendhöfling“316, er ist eine starke Persönlichkeit, fällt scharfe Urteile, mit denen er auch den regierenden Herrschaften gegenüber nicht zurückhält. Schon gegenüber Großherzog Carl Alexander spielt er sich gelegentlich als eine Art „Schutzmächtiger“ auf, der die Finanzen hütet und lästige Künstler fernzuhalten sucht. Der alte Fürst gleicht dies aus durch persönliche Würde. Mit Wilhelm Ernst ist es anders: Palézieux hat alle Schwierigkeiten mit der Erziehung des jungen Mannes verfolgt, sich in diese eingeschaltet, indem er sich etwa über dessen unmäßige Jagdleidenschaft beschwerte317. Wilhelm Ernst hat sicher großen Respekt, sogar eine gewisse Angst vor dieser mächtigen Mentorengestalt. Als er Großherzog wird, genießt er es, Palézieux bei Fehlern zu ertappen und ihm den Herrn zu zeigen. Der Oberhofmarschall beginnt, um seine Stellung zu fürchten. In einer solchen, auch in der damaligen Zeit für die materielle Existenzsicherung bedeutsamen Lage ist er für Fehler prädestiniert. Man bewegt sich an einem Hof, der von „Intriguen und Aigriertheit untergraben“318 ist, an dem Spannungen mit den Offizieren verdeckt und offen ausgetragen werden, an dem man viel Zeit hat und sich stets zurückgesetzt fühlt. Das Wort von der weimarischen Hofgesellschaft als einer „ganz gemeinen verlogenen Blase“319 ist einseitig, weist aber doch auf Konfliktpotentiale. Schon hier ist deutlich, daß Kessler nicht nur Vorsicht und taktisches Geschick in den höfischen Verhältnissen vermissen läßt, sich selbst potentielle Verbündete zum Feind macht, indem er deren jahrzehntelanges Engagement für die Kultur geringschätzt. Auch in der Beziehung zum Großherzog beginnt Kessler, seine Überlegenheit auszuspielen. Eine Episode aus dem November 1905 zeigt dies deutlich: „Der Gr. Herzog wie gewöhnlich griesgrämig und unbeholfen. Mir sagte er als besondere Liebenswürdigkeiten: der Neo Impressionismus sei ja nun tot und er hoffe, der Künstlerbund werde auch bald aufhören. Ich faßte die Sache als Scherz auf und lachte, was ihn ganz aus der Fassung brachte, er wurde rot, stotterte und ging dann wieder weiter.“320 Wilhelm Ernsts barsch und unüberlegt vorgebrachte Thesen verdienten jedenfalls eine eingehende Erwiderung. Schon weil er den Großherzog braucht, um seine kulturellen Reformen weiterzuführen, wäre Kessler gut beraten, ihn als Menschen ernstzunehmen. In dieser konfliktträchtigen Situation erscheint Hermann Behmers vielzitierter Protestbrief gegen die „unsittlichen“ Rodin-Zeichnungen in der Weimarischen Landeszeitung Deutschland.321 Oft hat man gerätselt, warum Behmer – sonst ein bedachter Mensch und nicht unbegabter Künstler – derart vom Leder zieht. Es ist nicht abwegig anzunehmen, daß er um die Wirkung der eigenen Bilder, die gleichfalls in der zweiten Etage des Museums am Karlsplatz ausgestellt sind322, fürchtet. Schon

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einen Tag nach Behmers Stellungnahme druckt die Weimarische Zeitung einen Gegenartikel, der die Vorbehalte gegen Rodins Zeichnungen aufnimmt und zurückweist: „Das Eigenartige dieser Bilder beruht darin, daß die darauf skizzierten Modelle sich in den sonderbarsten Stellungen zeigen: offenbar sucht der Künstler auf diesem Wege neue Linien, neue Bahnen …“ Der Artikel endet mit der Behauptung, Behmer habe sich die Zeichnungen gar nicht angeschaut, sondern auf die Leute gehört, die so „pervers veranlagt sind, daß sie in der geringsten weiblichen Nudität … etwas Entsetzliches sehen, während sie doch die männlichen ruhig hinnehmen“.323 Ist dies ein Schlag gegen konservative Kunstbetrachter im allgemeinen oder ein persönlicher Angriff etwa gegen Egloffstein? Die Fehde in den beiden Weimarer Konkurrenzblättern setzt sich in der überregionalen Presse fort. Die Berliner „Zukunft“ verweist darauf, daß auch anderswo in Deutschland kunstfeindliches Philistertum anzutreffen sei. Das Blatt nennt den renommierten Kunsthistoriker Henry Thode als Vertreter solcher Positionen324, was auch in Weimar die Debatte zusätzlich anheizen dürfte325. Am 31. Januar 1906, lange vor Behmers Brief und dem Aufbrechen der Konflikte, begibt sich der Großherzog auf seine Asienreise. Über Genua reist er nach Neapel, besichtigt die Ausgrabungen in Pompeji, dann führt die Route über Port Said und Aden nach Colombo, der Hauptstadt Ceylons. Hier frönt Wilhelm Ernst allen seinen Leidenschaften: Er unternimmt Autofahrten mit Lady Blake, der Frau des britischen Gouverneurs, geht von einem Zeltlager am Jala-Fluß auf die Jagd nach Elefanten und Büffeln, stellt in Vollmondnächten sogar Bären und Leoparden nach. Bei einem Fest der deutschen Kolonie erfreut man sich an Nationaltänzen der „Eingeborenen“. Ein englischer Archäologe führt durch die alte Tempel- und Residenzstadt Anradhapura; die Stauwerke aus dem 4. Jahrhundert finden das besondere Interesse des Großherzogs.326 Die Mischung aus abenteuerlichen Jagd- und Bergtouren, Kulturtourismus und Empfängen im Kreis der britischen Gouverneure und der deutschen Konsulen setzt sich auch in Indien fort. Dazu kommt hier noch die Würdigung der evangelischen Missionsarbeit, indem Missionare empfangen, ihre Gemeinden und Schulen besucht werden.327 Es ist ein eigenartiger Zufall, daß die tiefgreifenden kulturpolitischen Konflikte in Weimar gerade mit der langen Reise des Großherzogs zusammenfallen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß seine Abwesenheit benutzt wird, um inhaltliche und personelle Auseinandersetzungen zu führen. Ein merkwürdiges Doppelspiel treibt Wilhelm Ernsts Adjudant Hugo von Fritsch: Zunächst erscheint er als Parteigänger Kesslers, warnt ihn vor seinem Antipoden Palézieux.328 Als Begleiter des Großherzogs auf der Ceylon- und Indienreise ist es ihm offenbar nicht möglich, zugunsten Kesslers zu sprechen. Ohnehin handelt Fritsch nicht so sehr als uneigennütziger Freund der neuen Kunst: Nachdem er Palézieux’ Posten als Oberhofmarschall hat, läßt sein Engagement für die „Modernen“ deutlich nach.329 Der Skandal tritt nun in seine nächste Phase. Staatsminister Rothe, der über Behmers Artikel und die „unverständige Aufbauschung der Sache“330 ärgerlich ist und um den Ruf Weimars als Kunststadt fürchtet, fordert Palézieux auf, die Vorgänge um Rodins Dedikation dienstlich zu erörtern. Der Oberhofmarschall verlangt von Kessler das Schriftstück, das Wilhelm Ernsts Annahme der Widmung belegt. Am

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gleichen Tag erklärt Egloffstein, durch seine Hände sei dieser Akzeptanz-Brief nicht gegangen.331 Was bringt den Kabinettsekretär zu dieser Lüge? Ist es ein bewußter Schachzug, um Kessler, von dem ihm Gefahr für seinen Posten droht, loszuwerden? In dieser Situation zeigt sich die Hybris des Grafen Kessler ein weiteres Mal: Daß er Egloffsteins Brief zunächst nicht findet, mag man immerhin dem schöpferischen Chaos in seinen Arbeitszimmern zurechnen. Daß er den dann doch aufgetauchten Brief zurückhält, um seine Gegner lächelnd in die Falle laufen zu lassen332, ist ein gefährliches Spiel in der Weimarer Intrigenwelt. Drei Wochen nach Palézieux’ Anfrage legt er endlich den Brief vor, in dem Egloffstein schreibt: „Der gnädigste Herr läßt Sie ersuchen, Herrn Rodin einstweilen in Seinem Namen herzlich zu danken und ihm Höchstsein volles Einverständnis mit der von ihm geplanten Stiftung auszusprechen.“333 Der Kabinettsekretär sieht sich gezwungen, seinen Irrtum einzugestehen und sich bei Kessler zu entschuldigen. Staatsminister Rothe gibt dem Hofmarschallamt die Akten zurück und „stellt anheim“, die Vorgänge nach Rückkehr des Großherzogs bei ihm zum Vortrag zu bringen.334 Nun wäre es Zeit, das Intrigenspiel und die bürokratische Recherche zu beenden, um sich wieder den sachlichen Fragen der Museumsarbeit und der Kunstförderung im allgemeinen zuzuwenden. Stattdessen folgt Kapitel drei des Skandals, in dem Kessler keine gute Figur macht. Kaum hat Egloffstein seinen Irrtum eingestanden, erscheint Oberleutnant von Dungern vom Dritten Garde-Ulanenregiment in Potsdam bei Palézieux: Er verlangt eine Erklärung, daß Kessler „bona fide“ gehandelt habe, um sie dem Präses des militärischen Ehrenrats vorzulegen.335 Palézieux informiert unverzüglich das Staatsministerium über den Vorgang. Minister Rothe kann nicht anders, als Kesslers Verhalten rügen336, es ist in der Tat eigenartig, eine Duellforderung in Erwägung zu ziehen, die vorgesetzte Behörde aber nicht über derart tiefgreifende Konflikte zu informieren. Kessler merkt, daß er den Bogen überspannt hat. Er behauptet, Dungerns Besuch und Brief seien privat gewesen337, was Palézieux kühl zurückweist. Am 28. Mai 1906 schreibt Staatsminister Rothe an Kessler, „dass von Seiner Königlichen Hoheit dem Grossherzog sehr missfällig bemerkt worden ist, in welcher Weise Eure Hochgeboren in Ihrer Stellung … die Erledigung einer geschäftlichen Angelegenheit… gegenüber Funktionären des Großherzogl. Hofes betrieben haben.“338 Der Großherzog läßt sich nach seiner Rückkehr von der Reise durch Rothe, Palézieux und andere über die Vorgänge informieren. Mit Kessler ein eingehendes Gespräch zu führen, ist er nicht willens oder in der Lage. Einen „Kniefall“339 müßte Wilhelm Ernst vor ihm nicht tun, auch nicht „das Vorgefallene … gutheißen“340, seinen verdienstvollen Museumsdirektor sollte er schon noch einmal anhören. Der häufig beschriebene Besuch des Großherzogs auf der 3. Künstlerbundausstellung am 11. Juni 1906, bei der er Kessler ostentativ den Gruß verweigert341, ist typisch für Schwäche, die sich hinter hochfahrender Strenge verbirgt. Es ist offensichtlich, daß künstlerische Reformen in Weimar nicht nur auf Grund übergreifender kulturpolitischer Bedingungen, sondern auch wegen des persönlichen Versagens der Hauptakteure scheitern. Am 3. Juli 1906 reicht Kessler seinen Rücktritt ein. Seine Briefe und Aufzeichnungen zeugen von tiefer Enttäuschung über den Großherzog. Seinem Freund Bo-

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denhausen gegenüber versucht er eine Art psychologischer Analyse: „Mit seiner geistigen Schwäche hatte ich mich ja von vornherein abgefunden, schon ehe ich nach Weimar gieng; aber die Erfahrung hat mich leider belehrt, daß er unter einem viel schlimmeren und verderblicheren Manco leidet: nämlich einem Mangel an der ganzen Schicht jener feineren und für jede ganz gewöhnliche Anstandshaltung unentbehrlichen Gefühle, die man ‚H e r z′ nennt.“342 Die grundlegende Differenz der Kesslerschen Einschätzungen vom Januar und Juli 1906 zeigt ein im Grunde altes Phänomen: Man idealisiert einen Fürsten, verschließt die Augen vor dessen Schwächen und den Konflikten des höfischen Milieus, in der Krise stilisiert man ihn zur Figur des Bösen. Wilhelm Ernst ist kein einfühlsamer Mäzen, aber auch kein stumpfer Trottel. Bei allem Verständnis für die Bitterkeit und Enttäuschung des Grafen Kessler bleibt bei seinem nun folgenden publizistischen Rachefeldzug gegen Palézieux ein schaler Beigeschmack. Maximilian Hardens Artikel in der „Zukunft“ etwa kolportiert in nicht unbeträchtlichem Maße Klatsch und falsche Informationen. Daß die Fürstinnen Pauline und Sophie verwechselt werden, der frühere Oberhofmarschall Wedel für tot erklärt wird, mag man noch als Lappalien ansehen.343 Die Behauptung, daß Palézieux sich seinerzeit den Hofposten sicherte, indem er die Kandidatur Bylandts verhinderte, ist zumindest nicht die ganze Wahrheit.344 Hämisch werden Palézieux’ Versuche, in St. Petersburg eine Stellung zu erlangen, glossiert. Seine Tätigkeit für die Permanente erscheint als die eines Versagers und Betrügers. Die öffentliche Entehrung des Oberhofmarschalls nützt Kesslers kulturpolitischen Ambitionen nicht; sie befriedigt allein persönliche Rache. Die Konflikte zehren an den Kräften der Beteiligten. Der Großherzog steht „einsam und verlassen“345 inmitten der Neujahrshoffeste 1907. Privates Aperçu der Auseinandersetzung ist die von überregionalen Zeitungen gemeldete Verlobung Wilhelm Ernsts, die etliche Male in Weimar dementiert wird.346 Es heißt, Hermine Reuß sei die Erwählte, auch sie habe Palézieux’ Vormachtstellung kritisiert, worüber es zum Bruch kam.347 „Ist das der Großherzog? Das Unglücksmännchen?!“348 flüstert eine Besucherin, als Wilhelm Ernst am 9. Januar zur Taufe von Palézieux’ Sohn den Raum betritt. Mehr noch als der Fürst leidet der in die Enge getriebene Oberhofmarschall. Er erscheint „auffallend gealtert“349. Am 31. Januar hat Erika von Watzdorf-Bachoff „lange, gute und ernste Gespräche“350 mit ihm, noch einmal ein Beleg dafür, daß er nicht die unfähigtörichte Schranze ist, als die ihn Teile der kulturgeschichtlichen Literatur hinstellen. „Meine Zukunft steht auf 13“351, soll er, einem Kollegen zutrinkend, geäußert haben. In dieser Situation erkrankt Palézieux schwer. Besucher des Balls am 2. Februar sehen, wie dem fiebernden Mann der Hofmarschallsstab in der Hand zittert.352 Was Erika Watzdorf, die mit beiden „Parteien“ befreundet ist, über Palézieux’ letzte Tage schreibt, widerspricht einigermaßen der These von seinem Selbstmord.353 Kessler fühlt sich durch Palézieux’ Tod um seine Genugtuung betrogen; er ist unfähig zu Mitleid sogar mit der Frau, die mit mehreren Kindern in bedrängter finanzieller Lage zurückbleibt. Behmer schreibt nicht nur den unsachlichen Leserbrief, sondern zeigt Kessler beim Generalkommando des Gardekorps in Berlin an, richtet außerdem eine Immediateingabe an den Großherzog.354 In der Tat erweist er mit dieser Denunziation den

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Kunstinteressen einen schlechten Dienst. Egloffstein verhält sich geradezu unwürdig. Daß Palézieux die Chance gekommen sieht, Kessler auch mit unlauteren Mitteln loszuwerden, ist keine Frage. Abgesehen von einigen Stellungnahmen Kunstinteressierter in den Zeitungen, die Formensprache und Aussage der Rodinschen Blätter berühren, erfolgt keine eigentliche inhaltliche Auseinandersetzung, sondern ein bloßes Intrigenspiel. Kessler, dies muß man deutlich sagen, bedient sich der gleichen Mittel wie seine Gegner. Der Großherzog aber vermag das Gewirr aus Anschuldigungen, Gegendarstellungen und erneuten Ränkespielen nicht zu durchbrechen. Der Rodin-Skandal der Jahre 1906 und 1907 markiert das Ende nicht nur von Kesslers kreativer Ausstellungstätigkeit, sondern auch seiner idealischen lebensreformerischen Projekte. Das „Gefühl einer tiefen Enttäuschung in Hinsicht auf Weimar“355 bemächtigt sich etlicher beteiligter Persönlichkeiten. „Hier verwesen alle großen Gefühle; Hier dürfen nur klapperdürre Gefühlchen klappern!“356 schreibt Henry van de Velde 1910 in der einprägsamen Totentanzmetaphorik eines „Zarathustra“-Zitats. Weniger dramatisch, aber ebenso kritisch klingt Max von Münchhausens ironische Bewertung der Verhältnisse: „Obwohl doch der neue litterarische Aufschwung Weimars nun nicht ausbleiben kann, jetzt, wo Frau von Vignau Excellenz geworden und der Grossherzog mit Ludwig Fulda und Otto Ernst gesprochen – und wo man Lienhards Wartburg-Tragödien aufführen wird!“357 Die Enttäuschung der Beteiligten ist gerechtfertigt; die künstlerischen Impulse, die Kesslers Arbeit für das Museum am Karlsplatz gab, fehlen der Stadt. Man sollte sich jedoch auch in der Bewertung des Rodin-Skandals und seiner Folgen vor Schematismen und Vergröberungen hüten. Kessler und sein Kreis wirkten wie eine „überkultivierte Insel im wieder banal gewordenen Weimarer Kulturleben“358 hat man konstatiert, damit die Differenz und Vielfalt von Geselligkeit und Kunstpflege auch nach 1907 aus dem Blick genommen. Der ironisch apostrophierte Ludwig Fulda, ein interessanter Autor und glänzender Übersetzer, hält 1907 den Festvortrag der ShakespeareGesellschaft, der die Zuhörer in ähnlicher Weise bewegt wie Hofmannsthals zwei Jahre zuvor. Immer noch entfaltet sich eine anregende Geselligkeit, zeigen sich vorzügliche schauspielerische, musikalische und künstlerische Leistungen. Elemente großherzoglichen Mäzenatentums prägen die Kulturentwicklung bis zum Ende der Monarchie.

3.2.5 Kunstförderung am Ende der Monarchie Nach den tiefgreifenden Konflikten in der Weimarer Kulturgeschichte 1906 und 1907 bleibt dem Großherzog noch etwa ein Jahrzehnt, um seiner Verantwortung für das Gemeinwesen, auch für dessen Kunstentwicklung, gerechtzuwerden. Viele Darstellungen bescheinigen Wilhelms Ernst ein mehr oder weniger halbherziges Engagement für Kesslers und van des Veldes „Neues Weimar“, das dann unter dem Einfluß der kaiserlichen Kunstpolitik und der konservativ-philiströsen Verhältnisse in der Residenz aufgegeben werde. „Nicht Bürgernähe und Kulturförderung haben die Regierungszeit des letzten Großherzogs ausgefüllt, sondern die Jagd, der Umgang mit den Casino-Kameraden und das schnelle Autofahren.“359 bemerkt man bündig. Eine solche Sicht ist auch für die Jahre vor dem ersten Weltkrieg zu relativieren.

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Carl Alexanders Renaissanceideal des gemeinsamen Bildungsstrebens, der wechselseitigen Anregung und Förderung von Künstler und Fürst, taugt freilich für die Bedingungen des 20. Jahrhunderts nicht mehr. Am deutlichsten wird dies auf dem Gebiet der Literatur, die nach dem Ende der Belvederer Lesungen bei der Erbgroßherzogin Pauline kaum mehr einen Bezug zum Hof hat. Zahlreiche Autoren unterschiedlicher Qualität und Weltanschauung leben und schreiben in Weimar, ihr Podium für Lesungen, Diskussionen und Begegnungen sind Vereine, Salons, das Nietzsche-Archiv, kaum einer verirrt sich ins Schloß. Insider beklagen, daß dem Hof eine geistige Anregung fehle. 1911 versucht Oberhofmarschall von Fritsch die Autorin Erika von Watzdorf-Bachoff für den Posten der Oberhofmeisterin zu gewinnen360, er erhofft sich von ihr eine Belebung der Soireen, des Gesprächs, der kulturellen Atmosphäre. Die statt ihrer angestellte Clementine von Pückler müht sich redlich: Sie lädt Weimarer Persönlichkeiten ein und organisiert Lesungen für das Großherzogspaar, ohne viel mehr als einen steifen Kreis zu erreichen. Der Direktor des Goetheund Schiller-Archivs Wolfgang von Oettingen habe auf Baltisch den „Faust“ vorgetragen, erinnert man sich später, was eine quälend langweilige Angelegenheit gewesen sei.361 Höfische Geselligkeit ist eben nicht von Beamten zu organisieren, sie steht und fällt mit dem Interesse des Fürsten und der Fürstin. Stärker ist beider Engagement für das Theater, wenn auch Wilhelm Ernst bei weitem kein so begeisterter Proben- und Aufführungsbesucher ist wie sein Großvater. Neben dem finanziellen ist doch auch der gewissermaßen amtliche Aufwand des Fürsten bedeutend: Die Intendanten von Vignau und von Schirach gehören zu den häufig zum Vortrag befohlenen Beamten. Großherzogin Feodora – dies wundert bei der Enkelin des Meininger Theaterherzogs Georg nicht – nimmt rege am Musikleben der Stadt teil und organisiert auch am Hofe musikalische Veranstaltungen von beachtlicher Qualität. Nur beispielhaft seien hier einige Ereignisse benannt: Im März 1913 spielt auf einer Soiree im Schloß der Pianist Walter Petzet, die Berliner Kammersängerin Marie Götze trägt Lieder vor.362 Selbstverständlich besucht Feodora jenes Wohltätigkeitskonzert Ende Januar 1913, an das sich die Zeitgenossen viele Jahre später noch erinnern: Hofkapellmeister Peter Raabe dirigiert Brahms’ „Deutsches Requiem“, bei dem neben dem Theaterchor und Stadtorganist Keller auch verschiedene Laienchöre mitwirken.363 Bis in die letzten Kriegstage hinein wird ein qualitätvolles Musikleben aufrechterhalten, was sicher zu einem Teil Feodoras besonderem Interesse zu danken ist. Sie hört die Konzerte des Violinvirtuosen, einstigen Joachim-Schülers, Willy Burmester364, der berühmten Pianistin Teresa Carreño365, Ida Maria Euckens366; die wohl bekannteste aus Weimar stammende Sängerin Marie Gutheil-Schoder ist bei ihr zu Gast367. Sie schätzt die Aufführungen des Direktors der Musikschule Waldemar von Bausznern, der der Großherzogin seine Sonata Eroica in Cis-Moll „in tiefster Ehrfurcht“ widmet.368 Als Interpreten erscheinen etwa Bruno HinzeReinhold und Willy Eickemeyer, der Leiter des Jenaer Konservatoriums.369 150000 Mark aus großherzoglichem Privatbesitz fließen an die Musikschule370, an deren Veranstaltungen, beispielsweise den Beethoven-Abenden371, Feodora teilnimmt. Am 7. Juni 1913 werden die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Belvedere vom Großherzogspaar empfangen372; Feodora hat das Protektorat über das in diesen Tagen stattfindende Tonkünstlerfest in Jena.

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Das interessanteste Kapitel fürstlichen Mäzenatentums im frühen 20. Jahrhundert ist das der bildenden Kunst; die Traditionslinie ist zu Zeiten konfliktreich und spannungsvoll, sie reißt aber nicht ab. Dies liegt im Wesen dieser Kunstform begründet, die stärker als etwa die Literatur des Sponsors bedarf; Atelier und Material erfordern hohen Aufwand, das fertige Werk ist auszustellen, es wartet auf potente Käufer, kunstsinnige Betrachter und die Präsentation in öffentlicher Sammlung. „Es ist ja bekannt, daß das Großherzogliche Haus für Kunst und Wissenschaft, überhaupt Kulturzwecke, sehr viel tut. So wendet das Großherzogliche Haus … allein für das Theater 300000 Mk. und für die Kunstgewerbeschule gegen 30000 Mk. jährlich auf.“373 Diese Bilanz stammt nicht von einem Staatsbeamten oder einem eingefleischten Monarchisten, sondern vom sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten August Baudert. Die Akten belegen die Richtigkeit von Bauderts Rechnung, die er übrigens 1915, drei Jahre vor dem bekannten Abdankungsgespräch374 mit Wilhelm Ernst, aufstellt. Im Schuljahr 1909/10 etwa fließen allein 6000 Mark zur Besoldung des Direktors und 8880 Mark zu den Verwaltungskosten der Kunstgewerbeschule aus der großherzoglichen Schatulle.375 Auch die Hochschule für bildende Kunst und einzelne Künstler erhalten Zuwendungen; der Großherzog stiftet Stipendien und übernimmt die nicht unbeträchtlichen Umzugskosten der neu berufenen Professoren.376 Neben der finanziellen Unterstützung umfaßt Mäzenatentum stets die Anteilnahme am Kunstwerk, an seiner Entstehung und an der Persönlichkeit seines Schöpfers. Wilhelm Ernst hat durchaus Interesse an Bildern, Skulpturen und Kunsthandwerk. Man berichtet sogar, er habe selbst Entwürfe für Schmuck gezeichnet.377 Er und seine zweite Frau Feodora besuchen Ateliers in der Kunstschule, etwa das des Bildhauers Elster, dem sie auch für ihre Büsten sitzen.378 Die junge Fürstin interessiert sich besonders für die sogenannten Damenklassen379, auch im Krieg noch läßt sie sich die Werke der Künstlerinnen zeigen. Bis 1918 sind regelmäßige Ausstellungsbesuche Feodoras und Wilhelm Ernsts belegt.380 Mitunter beschäftigt sich der Großherzog eingehender mit Bildern und Exponaten. Lange verweilt er in der Ausstellung des Münchner Malers und Illustrators Angelo Jank, der für seine Jagd- und Rennbilder bekannt wird, und des Ungarn Péter Kálmán381, dessen gediegene Interieurs und Porträts die Leibl-Schule erkennen lassen. Auch für Schülerarbeiten interessiert sich der Großherzog. Die Plastik „Der hockende Mann“ des gehörlosen Studenten Karl Riemann gefällt ihm besonders, er stellt dem Bildhauer das Tempelherrenhaus als Atelier zur Verfügung und gewährt ihm ein Stipendium.382 Die Tradition, Künstler zur Tafel zu laden, wird beibehalten. Soireen wie die am 3. März 1913, zu der neben Mackensen, Thedy, Förster und Elster auch Henry van de Velde erscheint383, vereinen nicht immer anregende Gesprächsrunden, es ist eine stark ritualisierte Geselligkeit, die doch die Hochschätzung des Künstlers ausdrücken soll. Die Bilder- und Werkkäufe des Großherzogs sind nicht so unbedeutend, wie der enttäuschte Kessler berichtet384. Der Fürst erwirbt unter anderem Gari Melchers’ „Nacktes Mädchen bei der Toilette“ und eine in Kunststein gegossene Replik von Richard Engelmanns „Ruhender“.385 Die Entwicklung der Kunstschulen nach 1906 und insbesondere die Einflußnahme des Großherzogs wird von der bisherigen Kulturgeschichtsschreibung nur in

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groben Linien gekennzeichnet. Ein genauer Blick erweist zunächst, daß Wilhelm Ernst die Kunstgewerbeschule auch nach dem Rodin-Skandal nicht vernachlässigt, weil er das Interesse an ihr verlöre, oder weil van de Velde „nicht mehr so recht ins Bild“386 passe. Die Arbeit, die sozial- und wirtschaftspolitische Aspekte hat, geht weiter, in jenem komplizierten Spannungsfeld von unterschiedlichen Ansichten der Künstler und ihres Direktors, Marktbedingungen und ästhetischem Anspruch, dem Existenzkampf der örtlichen Handwerkerschaft, knappen Geldmitteln und Kultusbürokratie und nicht zuletzt der Unterstützung des Großherzogs. Die Behörden, aber auch Wilhelm Ernst selbst, sind interessiert an einer Förderung der Töpfereien in Bürgel, übrigens auch ein Gebiet, auf dem sich der Fürst im Einklang mit dem Wirken seines Großvaters befindet. Van de Velde liefert Entwürfe für Carl Gebauer, den Inhaber einer Ton- und Majolikawarenfabrik, der auf der Berliner Kunstgewerbeausstellung 1907 mit seinen Produkten Erfolg hat, und für den Kunsttöpfereibesitzer Karl Schack. Er erklärt sich bereit, einige Bürgelsche Lehrlinge in seiner Schule auszubilden und schaltet sich in die Planungen eines Töpfermuseums im Jahre 1910 ein. Schon 1911 arbeitet man an bleiarmen und bleifreien Glasuren für die keramischen Produkte.387 Regelmäßig berichtet van de Velde dem Großherzog und dem Staatsministerium auch über seine Aktivitäten zur Förderung der Kunstschnitzerei in der Rhön. Von 1904 an versucht er, die Schnitzerei in Empfertshausen und Kaltennordheim voranzubringen; er fordert die Entwicklung der Werkstätten zu Kleinmöbelbetrieben und die Einführung der Spielzeugindustrie. Es gelingt, den Kunstgewerbler Kleinhempel zur Mitarbeit zu gewinnen. Dieser begibt sich 1907 in die Rhön und analysiert das dortige Niveau: Der Leiter der Schnitzschule in Empfertshausen gebe zwar vernünftigen Unterricht im Modellieren und Schnitzen, betreibe aber mit den Schülern kaum Naturstudien, was geschmackvollen Produkten abträglich sei. Daß ihm Kleinhempels Maßstäbe zu hoch erscheinen, teilt van de Velde dem Staatsminister mit, der in Aussicht stellt, alles dem Großherzog vorzutragen.388 1909 führt man ein Preisausschreiben „zur Erlangung künstlerischer Entwürfe für Gegenstände der Holzschnitzerei“389 durch. Spielzeug, Scherzartikel, Kleinmöbel und Gebrauchsgegenstände können eingereicht werden. Sie sollen nicht zu aufwendig sein, um auch „dem weniger bemittelten Mann“390 den Ankauf zu erlauben. In der Jury sitzen neben van de Velde auch Kunstschuldirektor Olde, sein Nachfolger Mackensen, ein Vertreter des Ministeriums und einige Industrielle. Zahlreiche Bewerber senden ihre Entwürfe nach Weimar. Den ersten Preis erhält Josef Vinecky, Lehrer an der hiesigen Kunstgewerbeschule, für seine Marktfiguren, die innen hohl und auch als Dosen zu gebrauchen sind. Carl Kunst aus München wird für sein „Töf“, ein Spiel mit geschnitzten Holzautomobilen, prämiert. Schließlich erhalten das Äffchen auf Kinderwagen von Otto Froebel und Fritz Kleinhempels mittelalterliche Figuren aus farbigem Holz eine Auszeichnung. Dennoch gibt es – wie häufig bei derartigen Kunstpreisausschreiben – vielfältige Probleme. Fritz Kleinhempel erscheint der dritte Preis von 100 Mark für seine Modelle zu gering. Vor allem erzielen die prämierten und dann nachgebauten Artikel höchst negative Verkaufsergebnisse, sie sind zu wenig unterhaltsam und zu teuer.391 Damals schon

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scheint schlechte Massenware über die Einführung des Künstlerischen in den Alltag zu triumphieren. Bis 1914 führt van de Velde in engem Kontakt mit den Behörden und mit dem Großherzog seine Bemühungen in den Fußstapfen Ruskins und William Morris’ fort. Noch im ersten Kriegsjahr stellt er gemeinsam mit Burghauptmann Cranach Überlegungen an, wie man Wartburgandenken von künstlerischer Qualität und aus einheimischer Produktion erlangen könne.392 Daß van de Velde auch reine Auftragsarbeiten für den Großherzog anfertigt, weiß man seit jenem silbernen Tafelservice. Weniger bekannt ist, daß van de Velde 1909 die Entwürfe eines von Wilhelm Ernst gestifteten Kreuzes für Krieger- und Militärvereine liefert.393 Van de Veldes Verhältnis zu den einheimischen Handwerkern ist nicht konfliktfrei. 1910 berichtet sogar die überregionale Presse von den Klagen Thüringer Buchbindermeister, der Künstler mache ihnen mit dem Betrieb einer regelrechten Lohnwerkstätte Konkurrenz.394 Das Problem gelangt vor die Handwerkskammer und den Landtag. Angeblich äußert van de Velde, er wolle seine Werkstatt schließen, wenn die Buchbinder nur seinen Intentionen folgten, eine Aussage, die beim Selbstbewußtsein des Künstlers durchaus denkbar ist. Die örtlichen Meister sind empört, sie behaupten, bei van de Velde werde im Gegensatz zu ihrer Solidität nur eine dilettantenhafte Ausbildung betrieben.395 Eine Parteinahme in diesem Streit fällt schwer. Man mag nicht ausschließen, daß philiströser Biedersinn und künstlerisches Unvermögen hier und da den Ärger auf den genialen Ausländer stimulieren. Andererseits geht van de Velde allzu schnell über existentielle Probleme der Handwerksmeister hinweg. (Übrigens erhält die Buchbindereiabteilung der Kunstgewerbeschule auf der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik 1914 den Großen Preis; die Regentin Feodora spricht darüber ihre „lebhafte Befriedigung“ aus.396) In seiner Erinnerung stilisiert sich van de Velde zum großen Verachtenden, der sich in der „Atmosphäre tödlicher Mittelmäßigkeit“397 isoliert fühlt, zum Einsamen, der seine Reife und Meisterschaft eben in der Nichtteilnahme am gesellschaftlichen Leben Weimars erreicht habe. Seit der Taufe des Erbprinzen habe er keine Beziehungen zum Großherzog mehr unterhalten.398 Die Quellen belegen freilich, daß er zumindest an den höfischen Soireen mit den Professoren der Kunstschulen auch 1913 teilnimmt.399 Von einem Besuch Wilhelm Ernsts und Feodoras bei ihm berichtet er selbst: Es geht um den problematischen Entwurf Harry Graf Kesslers für ein monumentales Nietzsche-Denkmal, das aus einem Tempel als Raum der Sammlung und einem Stadion als Ort kraftvoller Entäußerung bestehen soll. Elisabeth FörsterNietzsches nicht ganz falsches Wort von der „Phantasterei“400 macht in Weimar die Runde und wird anscheinend vom Großherzog geteilt. Ein Gerücht besagt, daß Kessler Spendengelder in Millionenhöhe erhalte401, was die Empfänglichkeit Wilhelm Ernsts für das Projekt stimuliere. Selbst wenn van de Veldes Darstellung richtig ist, wird man das Verhalten des Fürsten nicht tadeln: Er interessiert sich für „Fördermittel“, die seiner Residenz zugutekommen sollen, er begibt sich zum Direktor seiner Kunstgewerbeschule, um die Angelegenheit mit ihm zu besprechen und ist geneigt, die Beziehung zu Graf Kessler wiederaufzunehmen. Das Ende des Gesprächs schildert van de Velde folgendermaßen: „Mit einer albernen Frage ließ er mich in seine Karten sehen: ‚Ist es wohl unerläßlich, das Projekt des Grafen Kessler

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so offen mit dem Namen Friedrich Nietzsches zu verbinden, lieber Professor?′ Auf diese Frage gab es keine Antwort; mein Schweigen machte den Großherzog verdutzt und ärgerlich.“402 Die Episode zeigt, daß Wilhelm Ernst eine Abneigung gegen einen übersteigerten Nietzsche-Kult hat. Wohl hätte der sportbegeisterte Fürst gern ein Stadion in seiner Stadt, Kesslers ästhetische Idee vom Apollinischen und Dionysischen aber bleibt ihm fremd. Warum unternimmt van de Velde keinen Versuch, ihm das Projekt zu erläutern? Vielleicht nicht nur, weil er glaubt, den Großherzog nicht erreichen zu können, sondern weil er das Hypertrophe des Denkmalsplans fühlt. Neben dem Ärger des Großherzogs zieht sich van de Velde im Frühjahr 1914 auch den der Kunstschulprofessoren zu. Für 1915 plant man eine Ausstellung moderner Kunst. Angeblich äußert van de Velde, daß eine solche Exposition in Weimar unmöglich sei, weil höchstens zehn Bilder dafür in Frage kämen. Mackensen teilt dies dem Lehrerkollegium mit, was zu großer Entrüstung führt. Man hat den Eindruck, van de Velde negiere die großen Traditionen der Weimarer Malerschule und ihre Leistungen für die Moderne. Van de Velde dementiert seine Bemerkung, er glaubt an einen Irrtum – oder besser eine Verleumdung – Mackensens. Am 7. März 1914 sprechen die Kunstschulprofessoren ihrem Direktor Mackensen ihre Sympathie und ihr Vertrauen aus, was nicht eben von ihrem guten Verhältnis zu van de Velde kündet.403 In diesen Konflikten, zu denen nicht unbeträchtliche an der eigenen Kunstgewerbeschule kommen, befindet sich der international renommierte Architekt 1914. Ihm wird zugetragen, daß man ihn in Weimar loswerden wolle. In seinen Erinnerungen wird er behaupten, der Großherzog verlange, daß Paul SchultzeNaumburgs „Neo-Biedermeier-Richtung“ zur Grundlage des Unterrichts an der Kunstgewerbeschule genommen werde.404 Die Quellen sagen sowohl zur amtlichen Beratung der Angelegenheit als auch zur Rolle des Großherzogs – wie noch zu zeigen sein wird – anderes aus. In einer für alle Beteiligten komplizierten Situation reicht van de Velde am 15. Juli 1914 sein Entlassungsgesuch ein. Bei Kriegsausbruch bewegen den Künstler apokalyptische Visionen, seine eigene Lage als „feindlicher Ausländer“ ist prekär, Otto Binswanger, mit dem er im geselligen Kreis häufig zusammentraf, nimmt ihn in die Obhut seiner Privatklinik in Jena. Binswanger hat engen Kontakt zur großherzoglichen Familie, er behandelte Feodora405 vor allem während ihrer schweren Erkrankung 1913. Van de Velde schildert später das Telefongespräch Binswangers mit Wilhelm Ernst, bei dem der Großherzog ausruft: „Was, Sie sagen, ... van de Velde ist noch auf freiem Fuß? Den Kerl soll man einsperren!“406 Man zweifelt nicht, daß sich die Szene so abgespielt haben könnte.407 Wilhelm Ernst ist – noch dazu in der psychologischen Anspannung der ersten Kriegstage – nicht zu sorgsamer Abwägung aller Umstände, nicht zu Zurückhaltung und Mäßigung fähig. Die alte fürstliche Tugend der „Milde“ ist nicht die seine. (Daß van de Velde einige Tage später einen Paß mit der deutschen Staatsangehörigkeit erhält408, verdankt er der Intervention der Jenaer Freunde Eucken, Rosenthal und Haeckel, man mag aber kaum glauben, daß Staatsminister Rothe ohne Wissen des Großherzogs handelt.) Es gibt zunächst Bemühungen, den Unterricht an der Kunstgewerbeschule unter Kriegsbedingungen aufrechtzuerhalten.409 Die Lehrer Arthur Schmidt und Fritz Basista sowie Sekretär Kämmer erhalten Unabkömmlichkeitsbescheinigungen. Mit

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Genehmigung des Großherzogs wird das Anerbieten van de Veldes angenommen, die Leitung der Schule bis zum 1. Oktober 1915 zu behalten. Die Lehr- und Lernverhältnisse gestalten sich zunehmend schwierig: Schüler werden zum Kriegsdienst einberufen, es gibt Materialschwierigkeiten, man muß Räume für ein sogenanntes Kriegerheim abtreten. 1915 wird die Kunstgewerbeschule geschlossen, die Lehrer erhalten die Kündigung. Am 9. Juni 1915 richten Bildhauer Fritz Basista, Arthur Schmidt, der Zeichnen, Skizzieren, Schattenlehre und Perspektive unterrichtet, die Emailtechnikerin Dora Wibiral, Buchbinder Otto Dorfner, die Lehrerin für Farbenstudium Dorothea Seeligmüller und Helene Börner, der kunstgewerblicher Handarbeitsunterricht obliegt, ein Gesuch an den Großherzog: In ihm verweisen sie auf ihre prekäre soziale Lage und betonen, daß sie sich „stets im Gegensatz zu dem einseitigen Aufbau der Schule gefühlt haben und ... dass seit Jahren schwere innere Kämpfe zwischen der Direktion und der Lehrerschaft betreffs organisatorischer Maßnahmen“410 stattgefunden hätten. Diese Einschätzung der immerhin soliden Künstlerinnen und Künstler ist nicht nur von Opportunismus und Angst vor dem Arbeitsplatzverlust diktiert. Auf van de Veldes empörte Rückfragen erklären sie zwar, ihn nicht persönlich angreifen zu wollen, betonen aber nochmals, daß ihre Kritikpunkte „Tatsachen“411 seien. Liberales Gewährenlassen unterschiedlicher Methoden und Stile bestimmt offenkundig nicht den van de Veldeschen Leitungsstil, er neigt dazu, Gefolgschaft für seinen eigenen künstlerischen Weg zu verlangen. Das Gesuch der Lehrer gelangt bis in den Landtag, schließlich erhalten sie ihr Gehalt bis zum 1. April 1916 und dürfen ihre Schulräume weiter nutzen.412 Wohlgemerkt, es geht nicht darum, Schikanen gegen van de Velde im Krieg wie die ständige Meldung auf der Polizei oder die Durchsuchung des Hauses Hohe Pappeln zu relativieren. Ein gütiger Mäzen oder auch nur ein überlegter Diplomat an der Stelle des Großherzogs hätte anders gehandelt. Die subjektive Sicht von van de Veldes Erinnerungen ist doch nicht zureichend, will man die Arbeit der Kunstgewerbeschule beschreiben. Mit dem Weggang van de Veldes legen der Großherzog und seine Behörden das Problem des Kunstgewerbes keineswegs zu den Akten. Man verhandelt 1915 mit August Endell, einem der führenden Kunstgewerbler Deutschlands. Wilhelm Ernst äußert den Wunsch, Arbeiten des Künstlers zu sehen, worauf dieser eines seiner Bibliotheksinterieurs und die von ihm entworfene Trabrennbahn in Mariendorf vorschlägt.413 Im November dieses Jahres 1915 teilt man Walter Gropius mit, daß man mit ihm über eine Tätigkeit in Weimar verhandeln will.414 Am 8. Dezember ist Gropius „aus dem Felde“ auf Besuch in der Residenzstadt, er wird – durch Mackensen eingeführt – von Wilhelm Ernst empfangen.415 Gropius denkt sich seine Arbeit durchaus in den Koordinaten traditionellen Mäzenatentums: „Vor allem wird es darauf ankommen, ob ich vermocht habe, den Großherzog zu erwärmen, dessen selbstverständliches Recht es doch ist, zunächst ein Gefühl der Sympathie abzuwarten für den Künstler, den er berufen will.“416 Auch Gropius schlägt dem Fürsten einige seiner innenarchitektonischen Arbeiten zur Besichtigung vor, er verweist auf das Speise- und Herrenzimmer der Familie Mendel am Lützowplatz und zwei Raumgestaltungen, die die Firma Gerson gleichfalls in Berlin ausstellt. Offenbar im Juli 1916417 begutachtet der Großherzog die angegebenen Orte. Ob sie ihm

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gefallen, ist nicht überliefert. Immerhin aber interessiert er sich für einen modernen Künstler, hat den Wunsch, ihn nach Weimar zu holen und versucht in außerordentlich schwierigen Zeiten, die Arbeit der Kunsteinrichtungen nicht nur zu erhalten, sondern ihnen neue Impulse zu geben. „Seine Gunst gilt jetzt der Kunstschule ..., in die längst konservativer Geist eingezogen ist.“418 Weder das Interesse des Großherzogs noch die künstlerischweltanschauliche Situation an der Hochschule für bildende Kunst ist mit einem solchen groben Raster zu bestimmen. In der Tat nämlich bietet die Kunstschule nach der Jahrhundertwende „ein breites Spektrum unterschiedlicher Lehrmeinungen und Kunstrichtungen an“419. In den Werken und im Unterricht Theodor Hagens wirkt gewissermaßen die Weimarer Malerschule weiter. (Übrigens ist Wilhelm Ernst durchaus nicht gleichgültig gegenüber Hagen, wie die bekannte Briefstelle des Grafen Kessler nahelegt.420) Max Thedy, dessen gediegene Tonmalerei überregional geschätzt wird, lehrt bis 1919 in Weimar. Auch ihm gegenüber finden sich Elemente traditionellen Mäzenatentums; so setzt sich der Großherzog bei der Kaiserlichen Botschaft in London dafür ein, daß Thedy die für die Öffentlichkeit geschlossenen Galerien besichtigen darf.421 Carl Fritjof Smith scheidet zwar 1904 als Lehrer aus, wird aber mit einer „Gnadenpension“422 bestimmt, in Weimar zu bleiben. Berthold Paul Förster, „glühender Anhänger“423 des impressionistischen Stils, ist bis 1915 als Syndikus der Hochschule so beliebt bei den Studenten, daß sie eine Eingabe424 machen, um ihn zu behalten. 1910 feiert man in Weimar das fünfzigjährige Jubiläum der Großherzoglichen Kunstschule. Katalog und Gedenkreden425 orientieren zum einen auf die immer noch aktuelle Symbiose von Lebenswelten und Kunst; sie betonen zum anderen, daß sich die Schule von einseitigen Richtungen und Moden fernhalte und gerade dadurch produktives Künstlertum befördere. Im gleichen Jahr 1910 wird der Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie Fritz Mackensen, der 1908 als Nachfolger Sascha Schneiders nach Weimar kommt, zum Direktor ernannt. Um die Wende zum „Heimatlichen und Völkischen“426 an der Kunstschule zu belegen, wird Mackensen in einigen Darstellungen oberflächlich und einseitig beurteilt. Zwar unterschreibt er den von Carl Vinnen initiierten „Protest deutscher Künstler“427 gegen eine Überfremdung der Sammlungen mit französischer Kunst. Andererseits ist seine Wertschätzung für Cézanne, Degas, Manet und andere Moderne belegt.428 Sich wie Mackensen „heimatlichen Motiven“429 zu widmen, ist noch kein Beleg für Provinzialität oder mangelndes künstlerisches Vermögen. Daß Mackensens „schwere Worpsweder Landschaftsbilder ... nicht zu van de Velde“430 passen, ist doch wohl kein Argument gegen seine Berufung, da man sich eben zur Vielfalt künstlerischer Richtungen in Weimar bekannt hat. Der Großherzog schätzt Mackensens Bilder, die „kindliche Liebe zur Natur“431, die in ihnen erscheint, ist ihm nahe. Die Berufung des Worpsweders ist – auch wenn ihn nicht alle Kunstkritiker mögen – bedeutsam für Renommee und Qualität der Akademie. Zum 1. Dezember 1911 wird Albin Egger-Lienz nach Weimar berufen. Auch über den Osttiroler Künstler gibt es manches mehr zu sagen, als daß er Bilder aus einer „bäuerlich-deutschtümelnden Welt“432 male. Egger, Mitglied der Wiener „Sezession“, unterhält im Berufungsjahr 1911 Kontakte zum Innsbrucker „Brenner“-

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Kreis433 um Ludwig von Ficker; in der gleichnamigen Zeitschrift finden bekanntlich Georg Trakl und Theodor Däubler ebenso ein Podium wie Kokoschka, Kubin und Gütersloh. Eggers Malweise zeigt in mancher Hinsicht die Einflüsse Ferdinand Hodlers, mit dem er sich intensiv und kritisch auseinandersetzt434, auch der Gedanke an Meunier und Rodin ist nicht ganz abwegig, selbst Käthe Kollwitz’ Zeichnungen mögen seinen grobschlächtigen Bauerngestalten Prägung geben. Daß Egger nur eine kurze Zeit in Weimar bleibt, ist bedauerlich, der Mahner zur Menschlichkeit und gegen den Krieg435 hätte in der hiesigen Öffentlichkeit manchen wichtigen Akzent setzen können. Seit 1912 ist der Amerikaner Gari Melchers Lehrer an der Hochschule, ein Figuren-, Bildnis- und Landschaftsgestalter, dessen Wandmalereien unter anderem in der Washingtoner Library of Congress zu besichtigen sind. Der aus Karlsbad gebürtige Maler und Grafiker Walther Klemm, der Weimar treu bleiben wird, kommt 1913 als Leiter der Grafikwerkstatt. Gewiß faszinieren den Großherzog seine Tierdarstellungen. Seine am frühen deutschen Holzschnitt orientierten Arbeiten, etwa die „Don Quichote“-Illustrationen zur Kiepenheuer-Ausgabe, gehören zum Guten und Qualitätvollen des Genres. Die Berufungspolitik der Verantwortlichen in Weimar orientiert sich also sehr wohl an künstlerischer Qualität und an einer Differenz der Stile und Handschriften. Expressionismus und abstrakte Kunst allerdings finden erst nach dem Ende der Monarchie hier ihren Ort. Es ist müßig, darüber nachzusinnen, ob ein Großherzog, der mit Walther Gropius verhandelt, später nicht auch Feininger und Kandinsky auf seine Soireen geladen hätte. Nebenbeibemerkt ist auch die Vortragstätigkeit an der Kunstschule nicht auf die Architektur-Veranstaltungen Paul Schultze-Naumburgs zu reduzieren, sondern vereint ein breites Spektrum weltanschaulicher und künstlerischer Ansichten. Neben Oettingens konservativ-völkischer Dürer-Vorlesung stehen unter anderem Karl Schefflers Vorträge über Max Liebermann (dem der Großherzog 1917 die Medaille für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse verleiht436), die von Rudolf Alexander Schröder über die Odyssee und Botho Graefs Vorlesung über die Antike in der Skulpturensammlung der Universität Jena.437 Die „Weimarer Bildhauerschule“438 schreibt ein eigenes produktives Kapitel der Kulturgeschichte. Großherzog Wilhelm Ernst interessiert sich in besonderem Maße für Plastiken, Skulpturen und Statuen, wohl auch deshalb, weil ihr Herstellungsprozeß starke technische Elemente enthält. Ihm ist es zu verdanken, daß an der Kunsthochschule eine Bildhauerklasse eingerichtet wird, die in den folgenden Jahren solide Arbeit leistet. Auch hier fließen bedeutende Summen aus dem fürstlichen Vermögen; in einem Schreiben vom 14. April 1913 ist von jährlichen 6000 Mark439 die Rede. Ursprünglich will der Fürst Louis Tuaillon nach Weimar holen, der sich mit seinen klaren, monumentalen Standbildern einen europäischen Ruf erworben hat. Später beklagt Wilhelm Ernst, daß ihm vieles, auch die Gewinnung Tuaillons, „durch langes Zögern verdorben sei“440, seine Ungeduld, aber auch Ohnmacht gegenüber bürokratischen Abläufen sind deutlich erkennbar. Hans Olde beruft schließlich zum 1. Oktober 1905 seinen Jugendfreund Adolf Brütt, der zwar nicht an Tuaillons Bedeutung heranreicht, aber in Weimar eine gute

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Unterrichtsarbeit leistet, wichtige Werke fertigstellt und sich sogar in der Geselligkeit441 einen Namen macht. Schüler aus beiden Lehranstalten – also aus der Kunstschule und der Kunstgewerbeschule – können in den Werkstätten für Bildhauerei verschiedene praxisorientierte Kurse belegen.442 1906/07 wird eine Gießerei eingerichtet, der Emil Schmidt als Werkmeister vorsteht, außerdem stellt man den Ziseleur Egon Dinkloh an. Daß Brütts Formensprache vom Symbolismus geprägt ist, daß sein 1907 auf dem Karlsplatz enthülltes Reiterdenkmal Carl Alexanders eine Affinität zur Moderne hat443, ist hinreichend belegt. Stärker noch treten die symbolistischen Züge in seinen Werken „Die Nacht“ und „Opus“ hervor, die in Weimar entstehen. Die Philister machen sogleich Stimmung gegen die „unmotivierte“ Nacktheit der Gestalten, sie räsonieren darüber, daß Brütts Meisterschülerin und Geliebte für die Werke Modell steht. In dieser Situation versucht der Großherzog, Brütt zu halten444, ein Beleg dafür, daß er Künstlertum über philiströse Stimmungsmache zu stellen vermag. Daß Brütt Weimar 1910 schließlich doch verläßt, ist ein herber Verlust; vom beachtlichen Niveau der Bildhauerschule unter seiner Leitung künden die Reliefarbeiten im neuen Hoftheater und die bauplastische Gestaltung des Jenaer Universitätsgebäudes. Als seinen Nachfolger schlägt Brütt seinen ehemaligen Meisterschüler Gottlieb Elster vor, der nur eine kurze und an Konflikten reiche Zeit in Weimar tätig ist. Nunmehr gewinnt der Plan eines Wildenbruch-Denkmals Kontur; ein Künstler ist zu berufen, der eine Professur für Bildhauerei ausfüllt und das Dichter-Monument zu erschaffen vermag. Wilhelm Ernst favorisiert Wilhelm Lehmbruck445, einen jungen vielversprechenden Bildhauer, dessen moderne Figur der „Knieenden“ Aufsehen erregt, ihm freilich ist das in Aussicht gestellte Gehalt zu gering, er bleibt in Paris. Im Wintersemester 1913/14, das am 20. Oktober beginnt, kommt Richard Engelmann als Leiter der Bildhauerabteilung nach Weimar. Bis 1930, als die „Ära Frick“ den Juden nationalsozialistischen Restriktionen unterwirft, wird er hier lehren. Nahezu freundschaftliche Beziehungen führen ihn ins Nietzsche-Archiv und in die Jenaer Geselligkeit um Eucken, Haeckel und Reger. In den Grenzen seiner künstlerischen Fähigkeiten leistet er Wichtiges; sein „Wildenbruch“ im Poseckschen Garten kündet jedenfalls von einer originären Denkmalsauffassung, in der nicht der behäbige Dichter selbst, sondern sein streitbarer Idealismus Gestalt gewinnt. (Merkwürdigerweise ist das großherzogliche Haus bei der Enthüllung des Monuments nicht verreten; mag sein, daß alte Ressentiments gegen den seinerzeit mit Erbgroßherzogin Pauline befreundeten Wildenbruch noch immer eine Rolle spielen.) Die Entwicklung der Kunstschule ist nie, erst recht nicht im 20. Jahrhundert, ein konfliktfreies Kontinuum. Dies gilt für das Verhältnis der Künstler untereinander, auch für die immer noch wesentliche Beziehung zum Großherzog. Über kleinere Verstimmungen läßt sich hinwegsehen. Daß Wilhelm Ernst lieber seinen Hofball besucht als das Künstlerfest zum Thema Indien446, daß er das Danktelegramm des Lehrerkollegiums für das neue Schulgebäude mit keiner Silbe beantwortet447, sind immerhin ärgerliche Details. Der tiefste Konflikt aber bahnt sich im Dezember 1916 an: Wilhelm Ernst findet eine Ausstellung der Kunstschulprofessoren schlecht. Vor Beginn der Hofjagd am Ettersberg, bei der Direktor Mackensen Gast ist, gibt ihm

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der Großherzog „völlig unvermittelt den Befehl, Engelmann und Weise zu kündigen“. Klemm soll er sagen, wenn er das Malen nicht ließe, wolle er ihn auch nicht behalten. Mackensen ist so entsetzt, daß er keine Erwiderung findet, zumal Wilhelm Ernst jede Äußerung abschneidet: „Das ist mein letztes Wort!“448 Mit seiner sachlichen Kritik hat der Großherzog nicht einmal unrecht. Die Ausstellung ist – wie der Direktor einräumen muß – „sehr unvorteilhaft gehängt“449, die kriegsbedingten Transportschwierigkeiten verhindern die Aufnahme wertvoller Werke. Daß Klemms Begabung auf dem Gebiet der Grafik liegt, steht außer Zweifel. Auch gegen Richard Engelmanns Arbeit läßt sich manches einwenden.450 Die Art und Weise dieses „Befehls“ ist doch ebenso typisch für die Persönlichkeit des Großherzogs wie verderblich: An einem Ort, an dem viele zuhören, zwischen Tür und Angel gleichsam, fällt er seine Entscheidung, er will keine Argumente hören, nichts besprechen. Mackensen glaubt, er werde ihn noch zum Vortrag empfangen, dies geschieht nicht, wohl aber brodelt die Stadt von dunklen Gerüchten. Am 14. Dezember macht der Direktor eine Immediateingabe, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt: „Die drei genannten Herren sind auf meinen Vorschlag von Eurer Königlichen Hoheit berufen worden. Ich habe ihnen die persönliche Freiheit verbürgt und ich werde voll und ganz für diese Bürgschaft einstehen ...“451 Der Großherzog setzt sich leichtfertig über Kündigungsfristen, soziale Probleme der Betroffenen, sogar über den Bestand der Schule in diesen schwierigen Kriegszeiten hinweg. Anstatt die Dinge mit dem Kunstschuldirektor zu besprechen, reicht er Mackensens Eingabe an das Staatsministerium „zur geschäftlichen Erledigung“452 weiter. Dessen Versuch, auf der nächsten Jagd am 28. Dezember die Frage anzusprechen, hat keinen Erfolg. Das Ministerium teilt am 31.12.1916 mit, daß Weises und Engelmanns Verträge nicht verlängert werden.453 Auf einer Sitzung des Lehrerkollegiums am 6. Januar 1917 schlagen die Wogen der Empörung hoch: Bis auf Thedy, der sein Atelier nicht verlieren möchte, wollen alle Künstler aus Solidarität mit den Betroffenen um ihren Abschied bzw. die Pensionierung einkommen. Am Ende der Sitzung steht die handfeste Drohung, „den wirklichen Vorgang unserer Entlassung“ dem Deutschen Künstlerbund, der Freien Sezession Berlin und dem Deutschen Werkbund mitzuteilen.454 Wilhelm Ernsts „mißfällige“455 Aufnahme dieser Rebellion und der Versuch, in der Sache hart zu bleiben, nützen nichts mehr: Am 21. Juni 1917 lenkt das Departement des Großherzoglichen Hauses ein, die Verträge von Weise, Klemm und Engelmann werden verlängert.456 Es sind solche Ereignisse, die das Bild Wilhelm Ernsts in der Kulturgeschichtsschreibung verdunkeln. In geradezu autokratischer Weise wird eine Entscheidung gefällt, in der es um Menschen, ihren künstlerischen Ruf, die Existenz ihrer Familie und eine wichtige Bildungseinrichtung Weimars geht. Sich den konfliktreichen Folgen zu stellen, überläßt der Großherzog seinen Behörden, nicht etwa, weil er die moderne Delegierung von Aufgaben an „Spezialisten“457 im Blick hätte, sondern weil seine Persönlichkeit einer Auseinandersetzung nicht gewachsen ist. Der letzte regierende weimarische Fürst, dessen Kunstförderung sich in einem komplexen historischen, sozialen und regionalen Problemfeld bewegt, ist doch ein Mäzen: Fehlen ihm gleich umfassende Bildung, Offenheit und Lust am Gespräch, Nachsicht und Güte, so erhalten seine Zuschüsse die kulturellen Einrichtungen,

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helfen seine Stipendien den Studenten, fördert sein Interesse eine solide Berufungspolitik. Eigenartig ist es schon, daß Wilhelm Ernst die Kontakte anbahnt, die Walter Gropius und sein Bauhaus nach Weimar führen werden.

3.2.6 „Landesmutter“ und „tapferer Krieger“ – Anspruch und Problematik fürstlicher Ideale Zumindest auf einem Gebiet ist die Leistung des weimarischen Fürstenhauses bis zum Ende seiner Regierung – und weit darüber hinaus – ungebrochen: Soziale Projekte werden mit hohen materiellen Aufwendungen und persönlichem Engagement unterstützt. Das Werk der letzten Großherzogin ist vor allem das nach ihr benannte Feodoraheim, in dem ernährungsgestörte Säuglinge, „Notstandskinder“ und zum Teil auch ihre Mütter nach modernsten medizinischen Gesichtspunkten betreut werden. Günstig gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Sophienhaus, dessen Schwestern hier säuglingspflegerische Kenntnisse erwerben, die sie später in der Gemeindearbeit anwenden. Das Feodoraheim bildet in halbjährigen Kursen Säuglingspflegerinnen mit staatlichem Zeugnis aus und beschäftigt außerdem freiwillige Helferinnen, zu denen 1913 auch eine Medizinstudentin gehört.458 Die großherzogliche Protektorin überzeugt sich regelmäßig über den Zustand der Einrichtung; ebenso häufig weilt sie im Sophienhaus, um etwa an der Abschlußprüfung der Krankenpflegeschule teilzunehmen.459 Es gehört zum Selbstverständnis fürstlicher Frauen zumal in Weimar, sich für soziale Belange zu engagieren. Auf den Spuren Maria Pawlownas interessiert sich die Großherzogin für die Unternehmungen der Frauenvereine, regelmäßig beruft sie Versammlungen ins Schloß ein, auf denen Vertreterinnen der Vereine von ihren Erfahrungen berichten.460 Die von ihrer Schwiegermutter ins Leben gerufene Paulinenstiftung, die etlichen Frauen Arbeit und Einkünfte sichert, erhält auch jetzt materielle und ideelle Zuwendung. Sophies Lebenswerk schließlich, jenes von christlicher Nächstenliebe getragene Krankenhaus, liegt Feodora über das Ende der Monarchie hinaus am Herzen.461 Als am 3. und 4. Juni 1913 Unwetter im Eisenacher Oberland Wohnungen und Existenzen vieler Menschen vernichten, spendet Großherzog Wilhelm Ernst 5000 Mark aus Privatmitteln462, er und seine Frau organisieren außerdem weitere Hilfen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts klingen Attribute wie „landesmütterliche Fürsorge“ in manchen Ohren deplaziert; längst kämpft nicht nur die Sozialdemokratie für einen Staat, in dem ein menschenwürdiges Leben für alle möglich ist, Fürsorgeheime und Suppenküchen entbehrlich werden. Dennoch ist „Wohltätigkeit“ nicht nur stabilisierendes Element der Monarchie oder gar gewissenberuhigendes Spiel müßiger Gesellschaftsdamen. Sie bringt Projekte wie das Sophienhaus hervor, das durch viele Jahrzehnte unverzichtbar für die medizinische Versorgung, zeichenhaft für religiös-spirituelle Tiefe wird. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs gestaltet sich gemeinnützige Wohltätigkeit schwieriger. Zwar stellt sich Feodora mit allen Weimarer Frauenvereinen und anderen Organisationen – wie man seinerzeit formuliert – in den Dienst des Vaterlands. Seit das erste Bataillon der 94er am 8. August 1914 ins Feld zieht, begibt sich die Großherzogin regelmäßig auf den Schloßhof oder zum Bahnhof, um die Truppen

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zu verabschieden und sie mit Blumen und Zigarren zu beschenken.463 Erst 1917, nach den furchtbaren und verlustreichen Schlachten, verzichtet man auf die nun jedenfalls zynisch erscheinende Geste. Feodora intensiviert im Krieg ihre Arbeit mit den Frauenvereinen; sie nimmt an Vorstandssitzungen teil, koordiniert die Aktivitäten des Roten Kreuzes, lädt in die lange Galerie des Schlosses zu Handarbeiten für die Front und zu zeitgeprägten Vorträgen – etwa über Kriegskost – ein.464 Als im Juli 1915 in der Schillerstraße ein großes Eisernes Kreuz aufgestellt wird, das man mit Nägeln für die Wohltätigkeit bedeckt, spendet Feodora mit ihrem Nagel die erste Summe465, ähnliche Aktionen finden in anderen Städten des Großherzogtums statt. Sehr häufig besucht Feodora Lazarette in Weimar, Jena, Dornburg und Eisenach, aber auch in Neustadt, in Vacha, Geisa, Dermbach und Kaltennordheim. Lazarettzüge und -autos werden ihr vorgeführt, sie geht zum Bahnhofsdienst des Roten Kreuzes, inspiziert Kinderbewahranstalten im ganzen Land.466 Die Großherzogin verfügt, daß einige verwundete Soldaten in Wilhelmsthal untergebracht werden467, wo sie bessere Genesungsbedingungen haben als im Lazarett. Auch im Krieg gilt die größte Sorge dem Sophienhaus, mit dessen Oberin und Vorstand Feodora regelmäßig spricht, das sie besucht und unterstützt. Am 30. März 1918 verteilt die Großherzogin mit ihrer Tochter und ihrem ältesten Sohn Ostereier in der Kinderabteilung des Sophienhauses.468 Nach den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts sind patriotische Opferfreudigkeit und mit vaterländischem Pathos verbundene Wohltätigkeit diskreditiert. Dennoch sind Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft nicht geringzuschätzen, wenn man die Leistung des fürstlichen Hauses bilanziert. Hier soll eine Episode stehen, die nicht nur zeigt, daß sich Feodora auch nach dem Ende der Monarchie für mit Weimar verbundene Persönlichkeiten interessiert, daß sie gern gibt und unterstützt, die vielmehr eine gewisse Unabhängigkeit des Denkens offenbart: Als Ludwig von Hofmann, einst als Kunstschulprofessor und bekannter Maler Parteigänger des „Neuen Weimars“, 1931 seinen 70. Geburtstag feiert, sammeln Verehrer und Freunde Geld, um ihm mit einer Ehrengabe eine Spanienreise zu ermöglichen. Die Liste der Spender469 verzeichnet neben Hauptmann und Kippenberg, Munch und van de Velde auch Feodora, Großherzogin von Sachsen, Heinrichau. „Er war in einem anderen Deutschland aufgewachsen als Carl Alexander. Der nationale Aspekt hatte an Bedeutung gewonnen.“470 Bernhard Posts lapidare Bemerkung über Wilhelm Ernst deutet auf eine wichtige Tendenz der Gesellschaftsentwicklung, die sich nach 1900 verstärkt. Die Nation und das Nationale werden zu bestimmenden Kategorien nicht nur der Außen- und Innenpolitik; sie erscheinen in der Kunst und Literatur, im Vereinswesen und in der Geselligkeitskultur. Zugleich zeichnet sich ein Wandel im sozialen und geschlechtstypischen Rollenverständnis ab. Das alte Adelsideal, das den Mann gleichermaßen als Krieger und feingebildeten Kavalier sieht, wird von anderen Vorstellungen abgelöst. Im späten Kaiserreich beginnt eine vielfältige, teils offene, teils unterschwellige Polemik gegen „Unmännlichkeit“, Weichlichkeit, latente Homosexualität und Dekadenz.471 Als neues Ideal gilt der stahlharte Krieger, der eigene Subjektivität restringiert, der nicht „im Übermaß“ kulturell interessiert und gebildet ist. Man entdeckt die Kameradschaft als Motor männlicher Vergemeinschaftung, die rauhe, distanzlose Derbheit und Trink-

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festigkeit. Diese Entwicklungen in der Adelskultur, die selbstverständlich in Bezug zu übergreifenden sozialen und politischen Prozessen stehen, erscheinen im Weimarer Fürstenhaus in einem Generationenkonflikt. Carl Alexander verkörpert den älteren Fürstentyp, der das Soldatische als Pflicht versteht, zugleich ein feiner und gebildeter Ästhet ist. Das Bild des Jägers Carl Alexander, der mit einem Band Platenscher Gedichte auf die Pirsch geht472, ist eindrücklich. Er pflegt das fürstliche Privileg, nicht annähernd aber mit der – anderes ausschließenden – Leidenschaft Wilhelm Ernsts. Zeit seines Lebens sucht Carl Alexander das Gespräch mit klugen und gebildeten Frauen, Autorinnen und Salonièren, während sein Enkel eine gewisse Distanz gegen „diese schöngeistigen und intellektuellen Weiber“473 erkennen läßt. Er akzentuiert das Ideal des harten Mannes, Mut, Kargheit und Kriegertum. Nicht daß dies in seinem individuellen Wesen läge – vielleicht führt gerade persönliche Weichheit und Schwäche zu verstärkter Abgrenzung vom allzu Kultivierten. Wilhelm Ernst ist die Selbstdarstellung als tapferer Soldat wichtig: Regelmäßig führt er Truppenbesichtigungen durch, nimmt an militärischen Übungen teil, reitet an der Spitze der Fahnenkompanie und diniert im Offizierskasino. Auffallend ist Wilhelm Ernsts Engagement für den 1912 im Großherzogtum und in der Stadt Weimar ins Leben gerufenen Jungdeutschlandbund. Der Jugend soldatischen Geist und nationales Bewußtsein zu vermitteln, ist ihm persönliches Anliegen. Mindestens an drei Übungen der Ortsgruppe nimmt er bis März 1913 teil. Im Januar beobachtet er im Webicht die Prüfung im Winken, Hornblasen, Patrouillengehen und Entfernungsschätzen. Das „Kriegsspiel“, bei dem der Haupttrupp dem angenommenen Feind in den Rücken fällt, sieht den Großherzog gar unter den Mitwirkenden. Anschließend begleitet er die jungen Leute fast bis zur Kaserne; er empfindet Freude über den „stramm“ ausgeführten Vorbeimarsch.474 Es geht wohlgemerkt nicht um eine plumpe Denunzierung des „Militaristen“; der Wandel im fürstlichen Selbstverständnis und in der Bewertung gesellschaftlicher Prozesse ist doch offensichtlich. Man erinnert sich an Carl Alexanders Verzweiflung bei Ausbruch des DeutschFranzösischen Krieges 1870, an seine Verstörung beim Gang über die Schlachtfelder, seinen Versuch auch, das Erleben in Kunst und Lektüre zu überwinden.475 Sein Enkel Wilhelm Ernst geht anders mit der Erfahrung des ersten Weltkrieges um. In Briefen an seine junge Frau schildert er Schlachtfelder, Verbandsplätze und militärische Aktionen in drastischen Einzelheiten. Zartheit und Rücksicht auf die Korrespondenzpartnerin kennt er nicht, es gibt kaum Gefühlsäußerungen oder den Versuch, über das Geschehen zu reflektieren. Mitunter finden sich Briefstellen, die mit peinlicher Kälte über Frontereignisse hinweggehen. Am 19. Juli 1915 erzählt er seiner Frau eine „hübsche Geschichte“, in deren Pointe russische Soldaten und polnische Frauen von einer Handgranate getötet werden.476 Einen Tag später berichtet er aus Lukowo: „es lagen noch massenhaft russische Pferde mit und ohne Reitern, auch deutsche Infanteristen herum ... Da das Gefecht schon etwa 4 Tage vorüber war, kann man sich den Gestank vorstellen.“ Und der Großherzog schließt: „Schade um die guten Pferde!“477 Zeigt sich hier Gefühlskälte? Ist es der Versuch, kernig und soldatisch zu erscheinen? Oder ist der Schreiber einfach unfähig, angemessen und taktvoll zu formulieren? Das Schwierige und Widersprüchliche der Persönlichkeit Wilhelm Ernsts wird im Kriege besonders deutlich. Einerseits versucht er, Verwun-

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deten zu helfen, läßt sie mit seinem Auto nach dem Lazarett bringen478, andererseits entwickelt er eine Art touristisches Erleben der Front: Auch dort geht er auf die Jagd, spielt Tennis oder registriert von einem Gefechtsstand über dem Schlachtfeld dessen „prachtvolles“479 und „erhebendes“480 Bild. Am 26. Mai 1915 schreibt er aus Spala: „Man will Chlordämpfe anwenden. Dazu braucht man aber Westwind, der hier im Osten sehr selten weht. ... Wenn irgend möglich, will ich mir die Sache ansehen.“481 Auch bei intensiver Einfühlung in den historischen Protagonisten und in die Zeitverhältnisse verwundert das gefühllose Interesse nur am technischen Abenteuer. (Übrigens erstaunt auch das Private dieser Kriegsbriefe. Der Großherzog bekundet Liebe zu seiner Frau, Sehnsucht nach ihr und den Kindern.482 Als Feodora ihm Vorwürfe macht, daß er sich Gefahren aussetze und bemerkt, sie wolle kein Kind mehr, schreibt Wilhelm Ernst: „Jetzt hat geradezu jede Frau die Pflicht für die Fortpflanzung zu sorgen. Was soll sonst aus unserem Volk werden!“483 Es ist unfaßbar, mit welcher Roheit er seiner jungen Gemahlin begegnet, wo ein freundlicher und beruhigender Satz angemessen wäre.) Wilhelm Ernsts Analyse der militärischen Verluste an der Ostfront 1915 ist von einem gewissen Realismus gekennzeichnet. Er kritisiert die „dämlich angelegte“484 Operation im März bei Tomaszow, die Verschrobenheit der Herren im Allgemeinen Oberkommando485 und die Qualität Mackensens als Armeeführer486. Die wiederkehrende Klage über die „Schlappheit“487 der österreichischen Bundesbrüder wird eher aus allgemeinem Frontklatsch gespeist als aus militärischen Tatsachen. „An einen durchschlagenden Erfolg unserer Waffen im Osten kann ich nicht mehr glauben, es müßten denn Wunder geschehen.“488 schreibt der Großherzog im März 1915; solche Einsichten sind für den Gang des Krieges ohne Belang, denn Wilhelm Ernst hat keine eigentliche soldatische Funktion. Bei einem Gespräch mit dem Kaiser im Großen Hauptquartier zu Pleß489 versucht er eine militärische Verwendung zu erreichen, letztlich ohne Erfolg. Daß Wilhelm II. dem weimarischen Verwandten kein Kommando gäbe, weil dieser nicht bedingungslos loyal zu ihm sei490, ist nicht mehr als eine Vermutung, zumal sich Wilhelm Ernst nur in der Kulturpolitik gegen Berlin profilierte. Genausogut könnte man unterstellen, der Kaiser wisse aus intimem Umgang in der Familie um das Jähzornig-Unberechenbare des Großherzogs und halte ihn deshalb militärischer Entscheidungen für unfähig. In seinem Aufsatz von 1933 berichtet Vollert, daß Wilhelm Ernst im Kriege Landsturmleute, „bejahrte Familienväter“491, grundsätzlich anzeige, wenn sie aus Unachtsamkeit oder Unkenntnis die vorgeschriebene Ehrenbezeigung unterlassen. Dies deckt sich mit dem Plädoyer des Großherzogs für Härte an der Front, gegenüber den Feinden, aber auch gegenüber den eigenen Soldaten. Als diese zu müde und zu verzagt sind, um energisch anzugreifen, fordert er „Offiziere, die nötigenfalls mit der Pistole den Leuten den Weg weisen“492. Persönliche Anlagen sind prägend für einen solchen Charakter. Auch aber ist es die Erziehung im Sinne eines neuen Männlichkeits- und Adelsideals. Ihr Ergebnis ist kompromißlose Härte gegen sich selbst und andere, eine gewisse Schnoddrigkeit, mit der menschliche Regungen überdeckt werden. Die geistige Welt, die Literatur etwa, ist Wilhelm Ernst nie in diesem Krieg Refugium oder Mittel zum Überleben.

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3.2.7 Epilog Mit einer Gedenkveranstaltung für seinen Großvater Carl Alexander beginnt die Regierungszeit Wilhelm Ernsts, mit der Festvorstellung im Hoftheater zum 100. Geburtstag des verdienstvollen Fürsten neigt sie sich zum Ende. Es ist keine gute Zeit im Juni 1918, den weimarischen Musenhof zu feiern. Der Krieg ist verloren; seine Auswirkungen berühren alle Bereiche des Lebens, nicht zuletzt die Kultur. Wilhelm Ernsts gutgemeinte Idee, den Angehörigen der gefallenen „Landeskinder“ ein Gedenkblatt zu geben493, geht in bürokratischem Irrwitz unter. Doch gelingt es, eine respektable Carl-Alexander-Ausstellung494 zustandezubringen. Sachsen-Weimar könnte noch einmal seiner ruhmreichen Dynastie gedenken und des Mannes, der dem 19. Jahrhundert hier seine Prägung gab, der den Faden der Klassik nicht abreißen ließ, ohne sich gegen Neues zu sperren. Die Carl-Alexander-Feier gerät zum Eklat: Wilhelm Ernst bescheidet Oberbürgermeister Donndorf in seine Loge und äußert sein Mißfallen darüber, daß die Stelle des Hofpredigers und die des ersten Stadtkirchpfarrers nicht in einer Person vereinigt werden. Der Großherzog tritt Donndorf mit Worten entgegen, die man „im Parlament nicht auszusprechen wagt“495. Auf der Feier für seinen fürstlichen Großvater, an dessen Vornehmheit sich nun erneut jeder erinnert, im vierten Jahr dieses verheerenden Krieges, beschäftigt sich Wilhelm Ernst mit einer zweitrangigen Personalentscheidung und läßt sich in aller Öffentlichkeit zu Beleidigungen hinreißen. Die Episode charakterisiert nochmals den schwierigen und unglücklichen Mann, dessen Unfähigkeit zu Maß und Einfühlung nahezu selbstzerstörerische Züge trägt. Nicht geeignet sind solche Szenen, die gesamte Lebensarbeit des letzten Weimarer Großherzogs zu diskreditieren. Daß er das ihm anvertraute Erbe „schlecht verwaltet und sich seiner nicht würdig zeigte“496, ist ein zu pauschales Urteil. Die Rolle Wilhelm Ernst in der Wirtschafts- und Innenpolitik ist hier nicht ausführlich zu behandeln. Sein förderndes Interesse für bestimmte Industriezweige ist verbürgt497; Thesen wie die vom „ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung“498 des Großherzogtums zwischen Jahrhundertwende und erstem Weltkrieg oder auch jene von den „rechten Männern an ... rechten Stellen“499 bedürften einer eingehenden und kritischen Erörterung. Nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist, daß Wilhelm Ernst eine dogmatischere Kirchenpolitik vertritt.500 Schließlich wäre die brisante Frage nach seinem Umgang mit der Sozialdemokratie zu stellen: Offensichtlich führt Wilhelm Ernst die Bemühungen seines Vaters und seines Großvaters um ein Verständnis von Geschichte und Theorie des Sozialismus nicht fort. Was die Kulturförderung angeht, so wendet der Großherzog in der Tat Millionen aus seinem Privatvermögen501 für sie auf, seine Pflichten im Umgang mit den beteiligten Behörden und Institutionen nimmt er wahr, sogar das persönliche Interesse an Kunst und Künstlern kann man ihm nicht gänzlich absprechen. All dies aber gründet nicht auf dem „weimarischsten“ aller Werte, auf Bildung: Carl Alexanders konservative Liberalität gewinnt ihren Glanz nicht nur aus seiner reichen Kenntnis von Büchern, Theaterstücken und Kunstwerken, seiner steten Offenheit gegenüber Neuem und Fremdem, auch aber aus seiner Orientierung an der klassischen Humanität und am Christentum. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts schwindet die Selbstver-

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ständlichkeit solchen Welt- und Lebenssinns. Nicht nur das individuelle Problem eines Menschen tritt zutage, der durch Anlagen, familiale Konflikte, Erziehungsdefizite nicht in der Lage ist, Kenntnisse zu erweitern und angemessenes Sozialverhalten zu entwickeln, nicht nur prägen sich neue Adels- und Persönlichkeitsideale aus, vielmehr hat man eine umfassende Wertekrise der Gesellschaft in Rechnung zu stellen. Das Ideal des Nationalen, dem viele – auch Wilhelm Ernst – freudig zuneigen, wird sich im Laufe des 20. Jahrhunderts als brüchiges und fragwürdiges erweisen. Daß man Wilhelm Ernsts Grab im Park des heute in Polen liegenden Schlosses Heinrichau wieder hergerichtet und geweiht hat, ist ein schönes Zeichen: Des Fürsten gedenkend, wendet man sich zu europäischer Zukunft, die einer Besinnung auf die „weimarischen“ Werte von Kultur und Humanität dringend bedarf.

VII Literarisches Weimar

1. Einleitung „Achtzig Schriftsteller und Schriftstellerinnen lebten zu jener Zeit in Weimar, kleine und große, vornehmlich kleine, und es gab leider sehr viel Zank, Krach und Neid unter ihnen ...“1 Erika von Watzdorf-Bachoffs Notiz aus dem Jahr 1910 regt zu genauerer Analyse an. Im Weimar zwischen Fin de siècle und erstem Weltkrieg ist Literatur nicht nur in Lesungen, im Vereinsleben und im Theater gegenwärtig, es entstehen poetische Werke unterschiedlicher Weltsicht, Form und Qualität. Diese Gedichte, Dramen, Romane und Essays werden von der bisherigen Kulturgeschichtsschreibung nur mit einem flüchtigen und einseitigen Blick bedacht. Das Lexikon zur Stadtgeschichte vermerkt die drei Heimatkünstler Bartels, Wachler und Lienhard, dazu Paul Quensel und die Neuklassiker Ernst und Scholz.2 Die „Kleine Kulturgeschichte Weimars“ erwähnt allein Bartels als Vorkämpfer des Nationalsozialismus.3 Merseburger geht immerhin noch auf Lienhard und Wachler ein4, von den Neuklassikern erscheint Paul Ernst5 unter den Besuchern des Nietzsche-Archivs. Der brillante Essayist Samuel Lublinski wird nirgendwo erwähnt, gerade als ob die Verdrängung der Juden aus dem Geistesleben weiterwirke. Dabei ist die neuere kulturgeschichtliche Literatur mit dem Anspruch zu Werke gegangen, den verderblichen Geist, der nach Kesslers Sturz „Schritt für Schritt von Weimar Besitz ergreift“6, zu kennzeichnen. Man spricht von einem „gefährlichen Gemisch, das sich aus einem politisch verfälschten Nietzschebild, aggressivem Rassenwahn, deutschtümelnder Innerlichkeit und einem programmatischen Bekenntnis zur Provinz als Heimat“7 zusammensetze. Ohne Zweifel finden sich derartige Elemente in Geistesleben und Literatur Weimars. Eine Reihe von völkischen Institutionen und Verlagen, entsprechende „Seilschaften“8 etwa unter den Literaturkritikern, hat man zu Recht benannt. Was jedoch für die Kultur insgesamt gilt, ist vielleicht für die Literaturentwicklung noch in höherem Maße zutreffend: Eine historische Epoche, in diesem Fall die letzten Jahrzehnte des Kaiserreiches, die Entwicklungswege von Intellektuellen, die Ausprägung künstlerischer Handschriften, lassen sich nicht nur mit Blick auf Zukünftiges, hier also auf das Dritte Reich, untersuchen. Man hat die eigenständigen historischen Bedingungen, den zeitgenössischen Wandel bzw. die Tradierung der Stile und Methoden ernstzunehmen. Es gilt, Texte zu lesen, sie in ihren ästhetischen und theoretischen Bezügen zur Literatur beispielsweise der Metropolen in Deutschland und Europa zu betrachten. Die Dichtungen, so wird sich zeigen, umgreifen weltanschaulich wie formal ein breites Spektrum; im Werk einzelner Autoren erscheinen nicht unbedeutende Brüche und Entwicklungen. Nicht annähernd in allen ihren Facetten zu beleuchten ist die Weimar-Literatur der Zeit, die in großer Fülle und unterschiedlicher Qualität entsteht. Zu beachten sind schon Helene Böhlaus Blick „nach unten“, auf jene Weimarer, deren Leben

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nicht in Denkmälern und Tagebüchern dokumentiert ist, Lily Brauns Feier der ‚Silbernen Zeit′, die in ihrem Verständnis folgerichtig zur kämpfenden Arbeiterklasse führt, die poetischen Versuche also, die Humanitätsidee der Klassik mit modernem sozialem Denken zu vereinen. Auch im beginnenden 20. Jahrhundert erscheinen Weimar-Werke, die Stadtbilder entwerfen und zugleich Auswege aus krisenhaften Gesellschaftsentwicklungen skizzieren. Neben dilettantischen Salonromanen, einer Art philosophisch aufgeputzter Unterhaltungs- und Backfischliteratur, steht Ernstzunehmendes, etwa Wilhelm Arminius’ Roman „Die Goethe-Eichstädts“9, der eine Familiengeschichte im Spannungsfeld klassischer Tradition, des Mephistophelischen und Faustischen und Nietzsches Übermenschengedanken gestaltet. Nicht uninteressant sind in diesem Zusammenhang eine Reihe von Dichtungen, die die Schlacht bei Jena bzw. ihre Weimarer Ereignisse aufnehmen. Stimuliert durch das hundertjährige Jubiläum des historischen Ereignisses 1906 entstehen sowohl Texte, die es in eine patriotische Linie zu Sedan (oder Versailles) stellen10 , als auch solche, die die Schlacht in individuellen und sozial fundierten Existenzen erfassen11 und keinerlei nationalistischen Optimismus zulassen. Daß im traditionsbewußten Weimar die eigene Literatur- und Kulturgeschichte in etlichen Sachbüchern erkundet wird, ist nicht überraschend. Darüber hinaus findet hier Literaturgeschichtsschreibung statt: Samuel Lublinski verfaßt seine beiden stark beachteten Bilanzbände zur Moderne12, in denen eine soziologisch-marxistisch fundierte Literaturbetrachtung geradezu folgerichtig zur Neuklassik hinführt. Gegenüber diesen kenntnisreichen und noch heute spannenden Büchern mutet Max Geißlers im völkischen Alexander-Duncker-Verlag erschienener „Führer durch die deutsche Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts“13 wie ein tragischer Witz an. Das Autorenlexikon strotzt von Fehlurteilen, verwirft die besten Vertreter der literarischen Moderne, aber auch Münchhausen, Helene Böhlau und Schellenberg, der als RilkeGefolgsmann abgekanzelt wird.14 Rilke seinerseits sei bedeutungslos für die deutsche Lyrik.15 Kennt man die schwachen eigenen Dichtungen Geißlers16, so wird vollends fraglich, woher ihm das Selbstbewußtsein zu seinen Verdikten kommt. In Weimar entstehen Übersetzungen aus der Literatur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, auch aber aus den Werken bedeutender Vertreter der Moderne. Einige Frauen von Prominenten dilettieren in der Literatur, leisten aber als Übersetzerinnen Tüchtiges. Elisabeth Schellenberg überträgt Benjamin Constants „Adolphe“ und der Brüder Goncourts „Kunst des 18. Jahrhunderts“. Paul Ernsts Frau Else übersetzt Hugo und Thackeray, während sich Cecilie von Wedel der skandinavischen Literatur zuwendet17. Nicht vergessen sollte man auch, daß Johannes Schlaf in seiner Weimarer Zeit als Übersetzer des belgischen Lyrikers Emile Verhaeren hervortritt, der in der modernen europäischen Literatur einen wesentlichen Platz einnimmt. 1914 erscheint Paul Verlaines Autobiographie „Meine Gefängnisse“ in Schlafs Übersetzung erstmalig auf Deutsch. Denkt man zudem noch an die Aufnahme Maeterlincks und Whitmans, so wird deutlich, daß man sich in Weimar fremde Literatur erschließt und anverwandelt und keineswegs in einer bloß provinziellen Perspektive verharrt. Für das klassikorientierte Weimar scheint „Heimat“ kein Gegenstand der Literatur. Mehr als hundert Jahre lang gelten Welterfassung im Symbol, das Überschreiten

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des Alltäglichen in idealer (und kosmopolitischer) Menschlichkeit als vorbildhaft. Die Moderne, jedenfalls der Versuch des „Neuen Weimars“, macht seinem Namen in vieler Hinsicht Ehre, nicht aber, was den Blick auf die thüringische Heimat, das Volk und seine Kultur und den sozialen Alltag angeht: Kessler und seine Mitstreiter entwickeln eine ebenso faszinierende wie elitäre Bildungs- und Kunstkonzeption, die wiederum nur die „Höhen“ der Gesellschaft beachtet. Seit etwa 1890 erheben sich kulturkritische Stimmen, die das Unbehagen am beschleunigten Wandel überkommener Lebensformen, an den wirtschaftlichen, sozialen und ästhetischen Modernisierungsprozessen artikulieren. Man konstatiert Religionsverlust, Kälte in den zwischenmenschlichen Beziehungen, „Verbreiterung“ statt „Vertiefung“ des Lebens, Preisgabe des soliden Handwerks. Gegenüber der Moderne wird verstärkt der Vorwurf erhoben, sie sei nicht volkstümlich. Man wendet sich gegen eine Intellektualisierung, Verkünstelung der Literatur, auch gegen ihre Internationalisierung, ist bestrebt, die eigenständigen Kulturregionen vor der Nivellierung zu retten. „Heimatkunst“ nennt man eine bestimmte Richtung der Literatur, die sich gerade von Thüringen aus zu Wort meldet. Man besinnt sich auf Geschichte und Gegenwart mitteldeutscher Orte, Landschaften und Räume, keineswegs generell in regionaler Beschränkung. Dem Anspruch nach hat Literatur im Boden der Heimat zu wurzeln, damit zugleich das Individuelle und Göttliche zu berühren, um einen Beitrag zur nationalen Entwicklung zu leisten. Übrigens bewegt sich auch die Heimatkunst in einer internationalen Traditionsund Entwicklungslinie: Sie beruft sich auf den amerikanischen Autor Henry David Thoreau, der sich dem industriellen Fortschritt und seinen Folgen verweigert, der in der Einsamkeit der Natur Zugang zu den transzendenten Quellen des Daseins sucht. Nicht minder wichtig für die deutsche Heimatkunst ist Ralf Waldo Emerson, der gewissermaßen gegen das 19. Jahrhundert anschreibt, das nur in „Außendingen“ lebe, Orientierung in bloßer Materialität suche. Die Beziehung von „Moderne“ oder „Avantgarde“ – beides diffuse und umstrittene Begriffe – zur Heimatkunst ist interessant und noch nicht hinreichend erforscht.18 Auffallend ist, daß die Avantgarde mit der konservativen Heimatkunst häufig die Argumente teilt: Die Abkehr von der ästhetizistischen Pose, die Suche nach einer neuen Klassizität, Ganzheitsforderungen, die Kritik am marktschreierischen Gestus der kulturellen Öffentlichkeit beschäftigen die Autoren hier wie dort. Moderne und „Anti-Moderne“ erscheinen häufig als Stufen eines Lebenslaufs. Das literarische Werk der drei höchst unterschiedlichen Heimatkünstler Lienhard, Bartels und Wachler wird zumindest ausschnitthaft untersucht, um zu genauen Einsichten in ihre Kultur- und Sozialprogrammatik zu gelangen. Nimmt man weitere in Weimar lebende Dichter in den Blick, so gelingt es, zuweilen recht grobe Urteile über die Heimatkunst zu überwinden: Das Werk von Paul Quensel zeigt, daß jene literarische Richtung in manchen ihrer Vertreter doch einen scharfen sozialen Blick, einfühlendes Verständnis für die Würde und Lebenskraft der „kleinen Leute“ besitzt. Die These, der Dialekt erscheine in heimatkünstlerischen Texten „im Trend zu bemüht oder nur vordergründig“19, trifft etwa für Quensel, der alle Feinheiten der Mundart beherrscht, nicht zu.

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Der katholische Autor Franz Herwig, der sich auch theoretisch mit dem Anspruch „katholischen“ Dichtens befaßt, nimmt in seinen problematischen wie bemerkenswerten Geschichts- und Gegenwartsromanen soziale und religiöse Existenzfragen der modernen Gesellschaft auf. Er ist – wie auch Friede H. Kraze – in einigen Motiven der Heimatkunst zuzurechnen. Die damals wirkenden und vielgelesenen Autoren sind doch nicht nur in der literaturgeschichtlichen Dimension von Interesse; manche ihrer Anliegen sind von geradezu bestürzender Aktualität. Daß man die Ehrfurcht gegenüber Natur, Kunst und Mensch verliere, ist ein Befund, der sich in den kulturellen Entwicklungen des folgenden Jahrhunderts vielfach bestätigt hat. Auffallend ist die Öffnung der Literatur zur Mystik, zum einen in einer Entdeckung philosophisch-poetischer Tradition seit Meister Eckhart, zum anderen in der Gestaltung der Einswerdung von Göttlichem und Menschenseele. Dies entspricht deutschen und europäischen Entwicklungen, prägt sich aber in der Weimarer Literaturgeschichte besonders stark aus. Schlagworte wie das der „deutschtümelnden Innerlichkeit“20 erfassen keineswegs Anspruch und Vielfalt neuer mystischer Weltdeutung. Gerade im protestantischen Weimar werden die kirchlichen Angebote als unproduktiv, dürr und für die moderne Erfahrung nicht ausreichend erachtet. Man sucht nach einer lebendigen Gotteserfahrung, die nicht nur der Gesellschaft helfen könnte, sondern auch der Literatur und Kunst neue Räume eröffnete. Neben der Heimatkunst, die Weimar als Wirkungsort und Programmbegriff entdeckt, formen die Neuklassiker hier an symbolischer Stätte ihre durchaus unterschiedlichen theoretischen Konzepte und poetischen Werke. Sie sind im Zusammenhang der in der deutschen Literatur- und Kunstgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts allgegenwärtigen Suche nach neuer Klassizität zu beachten; ihre Texte, ihre Rolle in der öffentlichen Debatte, ihre Entwicklungen differenziert zu betrachten, liefert manchen Aufschluß über Tradierung und Wandel weimarischer Tradition aus einer kritischen Bilanz der Moderne. Harry Graf Kesslers Essays zeigen ihn als feinen Stilisten und exzellenten Kenner der Kultur- und Kunstgeschichte. Sie sind interessant, weil sie Themen aufnehmen, die in Weimar gleichsam auf der Straße liegen, weil sie Moderne bilanzieren und ihre Fortentwicklung zu neuer Klassizität erkunden. Schließlich sucht auch Kessler nach dem Urgrund des Nationalen, er findet ihn im Irrationalen und berührt sich hier wie in anderen Ansichten mit konservativen Autoren. Literaturgeschichtsschreibung – auch einer Stadt oder Region – hat die Pflicht, Zeitbedingungen, Biographien, insbesondere aber Texte zu untersuchen, um gerecht urteilen zu können. Nur auf diese Weise sind historische Irrtümer und gefährliche Fehlwege zu erkennen, nicht in der Hybris erhabener Heutiger, sondern im Bewußtsein gegenwärtiger Gefährdungen für die Humanität.

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2. Das Klassische und das Nationale – Motive in Harry Graf Kesslers Essayistik Es ist wohl unbestritten, daß die größte Leistung des „Neuen Weimars“ in der Vermittlung von Kultur liegt. Eine faszinierende Ausstellungstätigkeit, die sich mit jener der Metropolen messen kann, gehört dazu ebenso wie die Geselligkeit, die von den Gedanken zu Musenhof, Bühnen- und Lebensreform getragen wird. Auch Kessler gelingt nicht, worum sich schon Carl Alexander mühte, ein literarisches Zentrum in Weimar zu begründen, einige bedeutende Autoren zu Übersiedelung und Engagement zu veranlassen. Kessler selbst ist kein schöpferischer Künstler, schon gar kein Dichter. Allerdings publiziert er auch in seinen Weimarer Jahren einige Essays, die in ihrer sprachlichen Brillanz Vergleiche nicht scheuen müssen, vor allem aber Aufschlüsse zu seiner Weltsicht und Kunstanschauung erbringen, Differenz und Nähe zu konservativen Theoremen belegen. Als Vorrede eines Kataloges erscheint 1908 Kesslers Essay „Impressionisten“, an dem er im Auftrag des Verlegers Bruckmann seit 1903 arbeitet. Der Text gehört in den Zusammenhang eines – nicht verwirklichten – Buchplans zur Geschichte der europäischen Farbe seit Giotto. In Kesslers Tagebüchern finden sich umfangreiche Vorstudien, die er nach Galeriebesuchen niederschreibt.21 Interessant ist der Essay vor dem Hintergrund der Weimarer Moderne-Ausstellungen und ihrer zeitgenössischen Diskussion. Kessler setzt sich zunächst mit den frühen Kritikern des Impressionismus auseinander, die der Kunstrichtung nachsagten, sie sei kindisch, barbarisch und roh, ihre Vertreter machten es sich aus Bequemlichkeit und Nichtkönnen leicht. Diese These sucht er ebenso zu widerlegen wie die, der Impressionismus sei radikal und revolutionär. Der Autor stellt fest, daß impressionistischen Werken eine große Kompliziertheit eigne, die sich aus der Aufnahme verschiedener Überlieferungen ergebe. Eine dieser Traditionslinien ist die Romantik; Kessler nennt „Veredelung des Materials und die Suche nach Charaktervollem um jeden Preis“22 als die Berührungspunkte von Romantik und Impressionismus. Dies ist eine Tatsache, die sich übrigens auch für die Literatur beider Richtungen belegen ließe. Zum anderen aber rekurriert impressionistische Kunst auf den Realismus, der die Wirklichkeit liebt, aus der Vielfalt seiner Erscheinungen das Charaktervolle auswählt, insbesondere aber die Einheit der Welt darzustellen beabsichtigt. Die These Kesslers, daß die Einheit von Kunstwerken, das Inbezugsetzen ihrer verschiedenen Elemente, beispielsweise der Farben, zu harmonischem Ganzen, für die Impressionisten eine große Bedeutung besitzt, richtet sich gegen die in Weimar stark vertretenen Klassizisten. Moderne Malerei ist eben keine Schmiererei, entspringt auch nicht rauschartigem Schöpfungsprozeß, sondern der Intention, die „unzerstörbare Einheit alles Seins“23 in ein sorgfältig komponiertes Werk zu holen. Um zu seiner intellektuellen Pointe zu gelangen, muß Kessler bestimmte Züge des Impressionismus außer acht lassen. Daß Welterlebnis hier immer mehr Zeiterlebnis wird, daß alles Sein in Bewegung und Veränderung umgesetzt wird, daß die Erscheinungen flüchtig und einmalig aufgefaßt werden, wäre der Totalitätsthese Kesslers schon noch anzufügen.

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„Dies also ist ... das Problematische am Impressionismus, diese übergroße Kompliziertheit ... Die Wortkunst eines Mallarmé oder Mombert ist fast schon über die Grenze des Schreibbaren hinausgelangt. Ein Stück von Maeterlinck oder selbst von Hauptmann ist in der Fülle und Feinheit seiner Stimmung kaum noch richtig aufzuführen ...“24 Kesslers Schlußfolgerung ist in der intellektuellen Debatte überhaupt und Weimars im besonderen aufschlußreich: Nicht sei der Impressionismus zu überwinden, wohl aber eine Vereinfachung des Schaffens- wie des Rezeptionsprozesses zu erreichen. Eine „neue Art von Klassizismus“25 bereite sich vor, ein „Wiederaufleben des Wesens klassischer Kunst“26. Damit stellt sich auch Kessler in die Reihe der Autoren, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Bilanz der Moderne einer neuen Klassizität das Wort reden: Ihm scheint der Moderne selbst dieser Zug zum Klassischen innezuwohnen; er sieht eine Kunst entstehen, die nach überindividuellen Prinzipien geschaffen wird. Nicht unbedingt der Traditionsbezug zur griechischen Antike sei das Kennzeichen neuer Klassizität, möglich wäre eine Verbindung von Wissenschaft und Kunst – Kessler verweist auf Monets vereinfachte Palette mit den Regenbogenfarben und auf Cézannes Arbeit mit dem Rhythmus der Lichtabstufungen.27 Kesslers Polemik gegen „Überwindungen“28 in der Kunst, seine Orientierung auf den Zusammenhang vergangener, heutiger und zukünftiger Werke, heben sich vom philiströsen Dogmatismus verschiedener Ausprägung ab. Und unzweifelhaft ist, daß – bei allen gegenläufigen Tendenzen – der Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts nicht nur ein Formwille, sondern auch die Suche nach Daseinssinn und Verwesentlichung des Menschen innewohnen. Neben dem Problem einer neuen Klassizität wendet sich Kessler auch der anderen zentralen Frage der Gesellschaftsentwicklung zu: Nicht nur in den Tagen und Wochen nach der Marokkokrise und der Konferenz von Algeciras entwickelt sich ein starker Nationalismus der europäischen Mächte, der in Kunst und Literatur seinen Widerschein findet und die geistesgeschichtliche Debatte bestimmt. „Nationalität“ heißt Kesslers im April 1906 in der „Zukunft“ publizierter Essay, auch er der Kern einer nicht realisierten Monographie.29 Zunächst verwirft der Verfasser traditionelle Definitionen des Nationalen: Nicht das Produkt von Vorstellungen oder Idealen sei Nationalität, sie sei nicht gleichzusetzen mit Nationalbewußtsein. Kessler verweist auf die weltweiten Verflechtungen des Kapitals und der Verbände, die ausschließen, daß sich die Nation als materielle Interessengemeinschaft konstituiere. Rassische Bestimmungen taugen gleichfalls nicht; zu Recht betont der Autor, daß eine Nation unverfälschter Germanen eine irreale Vorstellung ist. Selbst die Sprache sei nicht immer das einigende Band. Um dennoch eine positive Bestimmung von Nationalität vornehmen zu können, entwickelt Kessler seine Theorie der „seelischen Formtendenzen“30. Demnach verlaufen seelische Bewegungen des Menschen, die Heftigkeit seiner Gefühle, die Lebendigkeit seiner Phantasie, die Feinheit der Sinne in bestimmten bewegten Formen, gewissermaßen in Gebärden des Psychischen. Diese seelischen Formtendenzen entstehen ursprünglich durch Klima und Landschaft, sie sind dann aber genetisch verfestigt und werden durch Vererbung weitergegeben. „Nationalität ist ein Tempo der Seele.“31 erklärt Kessler bündig und greift zu modischer Wasser- und Tanzmetaphorik, um jene seelischen Bewegungen zu beschreiben.

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In dieser Weise versucht der Autor, den Nationalitätsbegriff vor dem Zugriff der Nationalisten zu retten, indem er ihn aus der Reduktion auf ökonomische Interessen, auf Überzeugungen und Ideale befreit. Er sucht Brücken zu schlagen zwischen Nationalem und Europäertum, denn jene seelischen Formtendenzen sind nicht auf Staatsterritorien zu begrenzen. Kesslers Theorie weist Bezüge zur vergangenen wie gegenwärtigen Philosophie auf: Man denkt zunächst an Friedrich Schlegels Topos der inneren Lebenserfahrung, insbesondere auch an die von ihm inspirierte, um 1900 entstandene Lebensphilosophie. In klarer Wendung gegen den Rationalismus betont man das Schöpferische, Irrational-Seelische im Menschen. Aus Bergsons Lehre vom „élan vital“ wird Kessler Anregungen empfangen haben, sicher aber von dem ihm aus der Weimarer und Jenaer Geselligkeit bekannten Rudolf Eucken: Daß es gelte, seelisch-geistige Bedeutungen menschlicher Äußerungen einfühlend zu erfassen, ist für ihn und eine philosophische Grundlinie des 20. Jahrhunderts unverzichtbarer Antrieb. Kesslers Theorie der seelischen Formtendenzen ist dennoch in mancher Hinsicht problematisch. Sie verkennt, daß Nation und Nationalität menschheitsgeschichtlich „späte“ Phänomene sind; Individuum und Gesellschaft haben eine lange Phylogenese, evolutionäre, geschichtliche und geistesgeschichtliche Entwicklungen hinter sich. Arbeit, Aneignung der Natur, Gestaltung der Umwelt sind nur Stichwörter für Prozesse, in denen sich der biologische Verhaltensbauplan der Art und des einzelnen Menschen herausbildet; auf einer bestimmten Stufe dann entstehen Lebensformen, Sitten und Sprachgemeinsamkeit. In diesem Zusammenhang überzeugt die Herleitung der seelischen Formtendenzen aus dem Klima und der Formation des Landes nicht. Kessler führt etwa feinste Sinnlichkeit und Gelenkigkeit des Empfindens auf die „leichte, silberhelle Luft“32 Athens oder der Isle de France zurück. Eine solche These ist nicht mehr als eine poetische Fiktion. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß feine Sinnlichkeit auch in der Mark Brandenburg oder im Gudbrandsdal anzutreffen ist. Auffallend ist, daß manche von Kesslers Thesen in der Nähe zu Friedrich Lienhards Ansichten stehen. Mag der Begriff des Helden, der mit der Form seiner Seele suggestive Wirkung ausübt, noch allgemeinem zeitgenössischem Verständnis entsprechen – Lienhards „Seelenbilder“, die im „Südland“ der klaren Beleuchtung anders aussehen als unter dem „Nebelhimmel des Nordens“33 und die andere Kunstgattungen entstehen lassen, sind Kesslers seelischen Formtendenzen so fern nicht. Und auch in einer anderen Frage würde der Heimatkünstler dem modernen Autor kaum widersprechen: Die deutschen „Stämme“ besitzen, so erklärt Kessler, je eigene Nationalitäten, die neben jener größeren strukturbildend sind.34 Die seelischen Formtendenzen des Deutschtums wiederum schließen Europäertum nicht aus: In diesem Denken begegnen sich „Konservative“ wie „Moderne“, bevor wenige Jahre später der Krieg diesen an sich produktiven Ansatz vorerst zerstört.

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3. Wege in die Stille – Friedrich Lienhards Essays in der zeitgenössischen Debatte Der elsässische Autor Friedrich Lienhard entdeckt den Programmbegriff „Weimar“, bevor er in die Residenzstadt übersiedelt. Seinem sechsbändigen Essay-Werk „Wege nach Weimar“ stellt er eine Einleitung voran, in der er seine Weltsicht und seine ästhetischen Anschauungen erläutert. Weimar ist für ihn ein magisches Wort: Sich hierher zu begeben, heiße, zu einem „feiner menschlichen Zustand“ zu gelangen, Abstand zu gewinnen vom Körperlichen der Erscheinungswelt, eben dadurch aber Anteil an den Mitmenschen und am „bunten Spiel der Schöpfungskräfte“ zu nehmen.35 Die Vorstellung, man könne sich „Weimar“ als Lebensform aneignen und so eine Erneuerung des Idealismus erreichen, ist Grundthese von Lienhards Schrift, die sich mit den unterschiedlichen Ausprägungen der Moderne auseinandersetzt. „Demnach ist der Weg nach Weimar ein Weg in die schöpferische Stille.“36 Das Motiv der Stille ist ein zentrales und leitendes in Lienhard essayistischem Werk; es weist auf Wesentliches in der kulturkritischen Auseinandersetzung der Zeit. Es bezeichnet die Abkehr von den „politischen Welthändeln“37, durch die gerade das Wesen, die Seele der Welt zu gewinnen sei. Lienhards idealischer Ansatz, aus einer einseitigen Sicht der deutschen Klassik gewonnen, wendet sich kritisch gegen das imperial-nationalistische Auftreten des deutschen Kaiserreichs: „O ihr Deutschen, zeigt doch den Völkern der waffenstarrenden Gegenwart ein anderes ‚made in Germany′: den Weg in die schöpferische Stille!“38 Zum anderen formt sich das Motiv aus dem Ressentiment gegen die „lauten“ Debatten der kulturellen Öffentlichkeit. Die Räsoneure in den Kaffeehäusern, auf Tagungen und Kongressen, in Zeitungen und Zeitschriften überschätzten die Dialektik, erstickten das Herz mit Intelligenz, ersetzten Tiefe und Sammlung mit flacher Besserwisserei. Ohne Zweifel nimmt Lienhard hier Erfahrungen mit der Literaturwelt der Großstädte, besonders Berlins, auf, die nicht nur von latentem Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den „Geistreichen“ gespeist sind, auch nicht nur der konservativen Reserve gegen Debatte, Diskurs und Parlamentarismus entspringen. Schließlich zeigt sich in Kultur und Gesellschaft in der Tat eine Entwicklungstendenz zur Veräußerlichung, zum Marktschreiertum, zur tönenden Phrase. Wagners Bayreuth als ein Projekt, das verschiedene kulturelle Richtungen an der Wende zum 20. Jahrhundert stimuliert, scheint geeignet, den Stille-Begriff zu diskutieren. Lienhard, der in einem seiner Aufsätze Bayreuth mit „Prunk“ und „Weihrauch“ in Verbindung brachte39 , wird sogleich von Hans von Wolzogen korrigiert: „Auch das Kunstwerk von Bayreuth, in der Stille entstanden, kann nur in der Stille leben“40 , bemerkt dieser, eine These, der Lienhard zustimmt. Beide begreifen Bayreuth als einen Ort, an dem die Zuschauer im Anblick ernster und strenger Kunst, großer und einsamer Gestalten auf der Bühne „still“ werden, in der Trennung von der Welt erhöhtes Leben erfahren. Eine solche Sicht freilich erfordert eine geradezu gewaltsame Stilisierung des Publikums, seines Kunsterlebens und der Festspielatmosphäre.

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Der Weg in die Stille ist nach Lienhards Meinung nur durch den einzelnen selbst zu beschreiten. Er muß den „Willens-Entschluß“ fassen, von der „Massensuggestion“ frei zu werden, die von den „Reizmitteln“ der Tagespresse genährt werde: „Dann erst beginnen die Schöpferkräfte der Stille.“41 Man darf zweifeln, ob Lienhards Heilsweg zu einer Kultur der Freude, Güte und Harmonie in der Wirklichkeit zu gehen ist. Durchaus zutreffend aber ist sein Befund einer Gesellschaftsund Kunstentwicklung, die das innere Erleben verdrängt, äußere, zunehmend stärkere Reize hervorbringt und ihrer bedarf. Der Stille-Topos rekurriert auf mystische Vorstellungen. Nur wo es still ist, kann Gott sprechen. Stille Versenkung und die Überzeugung, daß Gott über allem Sagbaren steht, gehören zum Bestand aller Religionen. Klöster werden an einsamen Orten, fern dem Lärm der Welt errichtet, nur dort ist man dem eigentlichen Wort, den Quellen des Daseins offen. Nicht zufällig entdeckt die Architektur des Fin de siècle klösterliche Bauform als Muster von Kontemplation, Sammlung und innerer Einkehr. Das Motiv der Stille richtet sich gegen den Materialismus jeder Ausprägung; bei Lienhard ist auch eine Abneigung gegen Sinnlichkeit und „Körperbegehren“42 erkennbar, überhaupt gegen eine tatkräftige Aneignung der äußeren Welt. „Nicht die Lauten sind die Herren der Welt, sondern die geistig Stillen und Starken.“43 Den aphoristischen Satz spricht eine Spukgestalt im Weimarer Park, eine GoetheInkarnation, die Lienhards Persönlichkeitsideal verkörpert. Ein solch großer Mensch sollte sich von den politischen, sozialen, rassischen, religiösen und kulturellen Zeitproblemen abkehren, um in der Stille Fühlung mit dem Ganzen der Welt zu gewinnen. Interessanterweise wird Lienhard in Grundgedanken seines Werkes, auch in der Prägung des Stille-Motivs, durch zwei amerikanische Autoren angeregt, deren Werk eben im Fin de siècle verstärkt aufgenommen wird: Henry David Thoreau verweigert sich gewissermaßen dem Kapitalismus, sucht in der Einsamkeit der Natur Zugang zu den transzendenten Quellen des Daseins. Mehr noch als von diesem ist Lienhard von Ralph Waldo Emerson fasziniert. Der Autor aus Concord bei Boston, dem amerikanischen Weimar, schreibt gegen das 19. Jahrhundert an, das nur in „Außendingen“ lebe, Orientierung in bloßer Materialität suche. „... wir wollen jetzt verstummen! ... Schweigsamkeit, Zurückgezogenheit, herbe Selbstzucht vermögen tief einzudringen in das große Geheimnis unseres Seins ...“44 Emersons These im Essay „Literarische Ethik“ deckt sich mit Lienhards mystisch-idealischem StilleMotiv. „Wirkliches Handeln wird aus dem Schweigen heraus geboren.“45 In aphoristischer Verdichtung formuliert Emerson seine Abneigung gegen den amerikanischen Alltag, gegen eine materiell ausgerichtete Lebensklugheit, „Schaulust“ und Kritizismus. Nicht nur Lienhard sucht Stille, das Fernhalten der Erscheinungswelt, schöpferische Kontemplation in Weimar. Johannes Schlaf bekennt, wie wohl ihm die „vornehme Stille“46 hier tue, Wilhelm von Scholz spricht vom ruhevollen „Sichversenken in den Geist“47. Rudolf Steiner vermag seine innere Entwicklung auszuprägen, ohne vom Leben, das „außerhalb seine Wellen“48 schlägt, gestört zu werden. Unnötig zu betonen, daß nicht nur die äußere Ruhe der parkreichen Kleinstadt gemeint ist.

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Das Motiv bezeichnet die Erneuerung idealistischer Tradition gegen den Zeitgeist des Unwesentlichen, gegen die „laute“, sensationslüsterne kulturelle Öffentlichkeit. Ein 1902 erschienenes Buch von Carl Worms, das von Rilke im Bremer Tageblatt rezensiert wird49, wählt jenen Topos als Titel: „Die Stillen im Lande“. Die Erzählungen des Bandes spielen in der Abgeschiedenheit Kurlands; sie erfassen Lebenstragik und -größe in schlichten, beinahe schäbigen Schicksalen. Der skurrile Professor und das ältere Fräulein, die im Alltag human handeln, der Lehrer, der am Alkohol und an den Verhältnissen zugrundegeht, der Maler, der sich mit der Stelle eines Zeichenlehrers in einer kurischen Kleinstadt bescheidet – „wer weiß wie viel Märtyrertum hinter diesem Schweigen ... steckt“50, fragt der Erzähler rhetorisch. Es sind jene Gestalten, die nicht auffallen, nicht hervortreten, nicht reden, deren Leben ohne Glanz ist, deren Schicksal aber dennoch – oder vielmehr gerade dadurch – Sinn und Wert erhält. Der Topos von den „Stillen im Lande“ markiere die „ästhetizistischkulturkritische Distanz zur literarischen und kulturellen Moderne in Deutschland“51. Diese These ist zu bedenken; auch sie erwächst letztlich aus der Vorstellung einer starren Frontenbildung von Moderne und Anti-Moderne, die sich weder für Lebensläufe und Werke einzelner Autoren noch für die Literatur- und Kunstentwicklung insgesamt halten läßt. Ein Blick auf Dichtung, die man im allgemeinen der Moderne zurechnet, erweist, daß das Motiv der Stille auch hier ein grundlegendes ist und durchaus ähnlich aufgenommen wird. Zum 28. August 1899 schreibt Stefan George sein Gedicht „Goethe-Tag“: „Wir kamen vor sein stilles haus· wir sandten Der ehrfurcht blick hinauf und schieden. Heute Da alles rufen will schweigt unser gruss.“52

Auch hier tragen die „Stillen“ die Kultur, wenn sie gleich von anderer Statur sind als Worms’ schlichte Volksgestalten. Der aristokratische Kreis der schweigend Verehrenden, der wirklich Verstehenden, der sich von der den Dichter lauthals feiernden Masse abwendet, ist nicht nur Goethe nahe, er allein bewahrt kulturellen Sinn in Zeiten der Entwertung und Veräußerlichung. Hofmannsthals berühmter „Chandos“-Brief53 von 1902 beschäftigt sich mit Wert und Möglichkeiten von Sprache, seine Quintessenz lautet: Nur im Schweigen oder Verstummen kann Wahrheit ausgesagt werden. Hofmannsthals sprachkritische Paradoxie, die ihrerseits mystische Erfahrungen reflektiert und die das weitere poetische Werk des Autors bestimmen wird, berührt sich mit Friedrich Lienhard. Dieser rezensiert im „Türmer“ Fritz Mauthners „Kritik der Sprache“, indem er sich zustimmend auf Maeterlinck, den belgischen Symbolisten, bezieht: „sobald wir uns aber wirklich etwas zu sagen haben, sind wir gezwungen, zu schweigen“54. Die Hochschätzung der Stille als Raum des Ideals, der Stillen als der eigentlich Schöpferischen, ist ein wichtiges Motiv in der modernen Literatur. Noch zwei Beispiele aus Werken sehr unterschiedlicher Autoren sollen dies belegen. „WENN es nur einmal so ganz stille wäre.“55 – in Rilkes „Stunden-Buch“ erscheint die Sehnsucht nach Offenbarung des Göttlichen im Schweigen. Viele Jahre

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später, unter gewandelten historischen Bedingungen, stellt Kurt Tucholsky seiner Erzählung „Schloß Gripsholm“ als Motto eine Strophe Storms voran: „Wir können auch die Trompete blasen und schmettern weithin durch das Land; doch schreiten wir lieber in Maientagen, wenn die Primeln blühn und die Drosseln schlagen, still sinnend an des Baches Rand.“56

Keine Frage, daß der kritische und engagierte Publizist Tucholsky dem mystisch gefärbten Idealismus Lienhards fernsteht. Aber auch bei ihm beweist sich menschliches Handeln fern der politischen Debatte, im kontemplativen Rückzug aus den lauten Auseinandersetzungen der Zeit. Das Motiv der Stille bezeichnet sicher eine gewisse Abneigung gegen Räsonnement und Auseinandersetzung, vor allem aber äußert sich in ihm ein tiefes Unbehagen am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Verflachung des Kulturbetriebs, Orientierung auf den „lauten“ Effekt, Veräußerlichung der Traditionspflege sind Stichwörter für als zerstörerisch erkannte Vorgänge. Die Kritik an ihnen findet sich auch innerhalb der literarischen und künstlerischen Moderne. Lienhards „geistig Stille und Starke“57, die den Schöpferkräften offen sind, sogar den Zugang zum Transzendenten finden, entspringen einer allgemeinen zeitgenössischen Suche nach den wirklichen Quellen des Daseins. In einer Auseinandersetzung mit Richard von Kralik über den Inhalt des Begriffs „christlicher Idealismus“ erzählt Lienhard eine syrische Legende. Nach dieser sei Jesus mit seinen Jüngern an einem toten Hund vorübergegangen. Während alle anderen die Häßlichkeit des verwesenden Tieres schmähten, bemerkte Jesus: „Was für ein schönes Gebiß hat dieser Hund!“58 Lienhard und übrigens auch Bruno Heinrich Eelbo, der die östliche Parabel in einem seiner Gedichte aufnimmt59, folgen Goethe: In den Noten und Abhandlungen zum „West-östlichen Divan“ übersetzt dieser in eigener Weise einen Text des persischen Autors Nisami über Jesus und den toten Hund. Dabei betont er in den letzten beiden Zeilen des Gedichts und in seinen Erläuterungen das betroffene Innehalten der Umstehenden, ihre Scham über das Verwünschen und Verwerfen der Kreatur.60 Die von Goethe übernommene Legende bezeichnet einen wesentlichen Zug der Weltsicht und Kulturkritik Friedrich Lienhards. An vielen Stellen seines Werkes wendet er sich gegen den „bösen Blick“61, der gerade in der Gegenwart sehr verbreitet sei: Mit ihm erfasse man stets und überall das Schlechte und Negative, man teile es anderen mit, verstimme sie, ziehe sie gleichsam herab. Einer solchen Haltung will Lienhard den Blick „für das Gute, das Schöne, das Hohe, das Stolze“62 entgegensetzen. Man muß kein Verächter kritischer Analyse und ironischen Infragestellens bestimmter Weltzustände sein, um zu erkennen, daß Lienhard in der Tat eine Linie neuzeitlicher Kulturentwicklung erfaßt. Das Leiden am Zustand der Welt, das sogenannte moderne Autoren ebenso erfahren, ergibt sich auch aus dem Verhältnis der Individuen zueinander, der Art, miteinander zu sprechen und umzugehen. An der

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Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kann man nicht ohne weiteres eine Vertiefung kritischen Räsonnements, die selbstbewußte Erörterung sozialer und philosophischer Probleme zwischen „freien Geistern“ annehmen und den an der Kultur Leidenden antiaufklärerisches Ressentiment unterstellen. Nicht grundlos fürchten vielmehr viele Intellektuelle eine Welt, in der man kritisiert, ohne zu helfen, hadert aus selbstsüchtigem Interesse, zweifelt ohne Wunsch nach Wahrheit, in der man im Nihilismus sich selbst zu verlieren fürchtet. Bereits im Band 1 der „Wege nach Weimar“ beklagt Lienhard die moderne Vereinsamung, den „Mangel an Wärmeaustausch von Mensch zu Mensch“, die „Herzenskälte des eisernen Jahrhunderts“.63 Den Verfall der Briefkultur wie den Haß der proletarischen Massen führt er auf dieses Defizit zurück, ohne auch nur im entferntesten sozialökonomische Ursachen ins Auge zu fassen. Ihm scheint es notwendig, die „Gehässigkeiten“ des „KlassenRassen-Massenkampfes“64 abzutragen, so als sei dies allein durch einen gewandelten Willen erreichbar. Sein Programm ist höchst einfach: Jeder sollte für sich selbst nach Gutem und Großem streben, sich unbeirrt zur Reife entwickeln. Dem anderen sei zu helfen, statt ihn zynisch zu zerstören. Lienhard fordert tätiges Mitleid als Kraft einer formenden und gestaltenden Kultur. Die Maxime des Autors ist dadurch auch eine ästhetische: Zur „unironischen Gesundheit und unspöttischen Innigkeit des Märchens“65 sei zurückzukehren, nicht in der Stoffwahl, vielmehr in der sich in der Dichtung ausprägenden Welthaltung. Gegen Lienhards Thesen läßt sich manches einwenden. Das subjektivistische Verweisen auf den einzelnen und sein Streben nach dem Hohen, ohne in irgendeiner Weise einen Bezug zur Wirklichkeit herzustellen, bleibt für den Zustand der Kultur insgesamt wirkungslos. Schon hier auch stellt sich die Frage nach den eigenen Dichtungen Lienhards, in denen er nicht so sehr die unspöttische Innigkeit des Märchens erreicht als vielmehr eine süßliche Idyllik. Dennoch sollte man dem Dichter den Respekt nicht versagen, wenn er dem zynischen Lachen des Nihilisten die – wenn auch abstrakte – Forderung nach tätiger Mitmenschlichkeit entgegenstellt. Im ersten Band seiner „Wege nach Weimar“ notiert Lienhard: „Irdische Trennungen in Nationen und Parteien sind Umwege der Schöpfung, die notwendig sind ... Mir scheint aber, alles drängt jetzt wieder zu einer großen Synthese …“66 Diese Vorstellung einer notwendigen und folgerichtigen Vereinigung zur Ganzheit ist eine weitere grundlegende des Lienhardschen Werkes. Es gelte, die Vielheiten in einem höchsten Einen zusammenzuschließen. Nazarener- und Helenentum, Nordland und Griechenland, Wittenberg und Rom, „Elfenland und Christenland“67 heißen Lienhards Begriffe, die differierende kulturelle und religiöse Traditionslinien des Abendlandes bezeichnen. Die Sehnsucht nach der großen Synthese, auch sie in nicht geringem Maße aus mystischen Quellen gespeist, erwächst aus der Betrachtung gegenwärtiger Kultur und Gesellschaft. Daß eine Vielzahl von Freiheiten gelebt werden, sich Konkurrenz und Widerspruch entfalten, dabei aber „Maß“ und „Sinn“ nicht mehr erkennbar sind, erscheint Lienhard (und nicht nur ihm) verderblich. Die Autoren fürchten den Zerfall von Kultur und Gesellschaft in nicht mehr zu vermittelnde Differenzen. Daß solche Kulturbetrachtung unter Umständen anfällig ist für totalitäre Sozialmodelle, scheint unzweifelhaft: Hier wird die (vermeintliche) „Aufhebung“ kultureller Traditionen, Interessen, Egoismen in einer größeren Einheit präsentiert.

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Interessanterweise stellt sich Lienhard einen modernen europäischen Staatenbund vor, in dem die „Germanen Deutschlands“ und die „Kelten Frankreichs“68 friedlich zusammenarbeiten, die Deutschen als Empfangende und Lernende erscheinen. Lienhard entwickelt seine Einheitsvorstellung auch im Ästhetischen. Im neuen Stil werde das „Haltbare aller Richtungen zusammenfließen ... zu einem neuen Ausdruck“69. Die moderne Verfeinerung des Empfindens und Schauens sei mit Gedanken- und Gemütskraft gleichsam zu fundieren. Außerdem müsse die Überlieferung herangezogen werden und in der Moderne wirken. Dann – und nur dann – würde Literatur zur Herzenssache des ganzen Volkes. Lienhards Idee eines bedeutenden synthetischen Stils, der aus der Volksseele erwächst und auf sie wirkt, ist gerade unter den Bedingungen des Fin de siècle eine bloße Schimäre. Mit der Überlegung freilich, wie die Trennung von Literatur und Volk zu überwinden sei, befindet sich der Autor in einer zentralen des Zeitalters. Ein Kapitel der „Wege nach Weimar“ heißt „Der Kern der Rassenfrage“. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts Gobineau und andere über dieses Thema schreiben, haben rassentheoretische und rassistische Gesellschaftsdeutungen Konjunktur. In Weimar lebt und arbeitet mit Adolf Bartels jener Germanist, der mit beispiellosem Fanatismus die Literaturgeschichte von „jüdischen Einflüssen“ befreien will. In diesem Zusammenhang ist Lienhards Ansatz von besonderem Interesse. Rasse bedeutet für den Autor einen Zustand der Seele, eine innere Kraft, geistige und sittliche Energie. Lienhard rekurriert auch hier auf seine Vorbilder Carlyle, Ruskin und Emerson. Der Schmerz verkümmere Sklavenseelen, jene anderen aber, „Vollmenschen“, „Edelmenschen“, läuterten sich, erhielten „mehr persönliche Seele“.70 Nur eine solche innere Entwicklung befähigt, folgt man der Argumentation des Autors, zur Teilhabe am Weltbund der strebenden Menschen. „Laßt mich mit zu viel ‚Ariertum′ in Ruhe! B e w e i s t eure edlere Rasse in edleren Worten und Werken, in wohldurchdachten und wohldurchwärmten Arbeiten!“71 So resümiert Lienhard seine Erörterung der Rassentheorien seit Gobineau. Beinahe prophetisch erscheint seine Angst, äußerliche Merkmale triumphierten über das seelische Streben nach dem Guten und Großen. „Ariertum“ ist für den Autor nur Symbol. Elite ergibt sich nicht aus den Eigenschaften des Blutes, es ist nicht naturwissenschaftlich zu erklären, wieso der eine groß, der andere aber moralisch verworfen ist. Lienhard glaubt an ein schöpferisches Feuer, das die Bodengesetze körperlicher Vererbung überwindet. Ihm ist es fragwürdig, Heldentum und Größe folgerichtig mit einer Masse zufällig in der Natur, im Blut Übereinstimmender zu verbinden. Zum anderen stößt ihn das Ausgrenzende der Rassentheorien ab, niemand sollte vom Streben nach dem Großen, von der Aufnahme des göttlichen Feuers ausgeschlossen sein. Vergleicht man diese Thesen mit Bartels’ widerlichem Antisemitismus, so möchte man Lienhards Partei im – auch publizistisch ausgetragenen – Streit ergreifen. Freilich sollte man nicht verkennen, daß Lienhards Theorie von den Herrenmenschen, die sich durch seelische Kraft und idealisches Streben auszeichnen, elitär, in gewisser Weise demokratiefeindlich ist. Objektive Bedingungen sind für den Autor nur das Feuer, das die Großen schmiedet, er hat keinen Blick für die Bestimmtheit der Individuen durch ökonomische, politische und soziale Verhältnisse.

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Lienhards „Wege nach Weimar“ und sein sonstiges essayistisches Werk gehen von grundsätzlicher Kritik des 19. Jahrhunderts aus. Der Autor zeichnet eine Kulturund Literaturgeschichte des Abstiegs, die mit Jung-Deutschland und Realismus einsetzt. Während Goethe und Schiller gerade in der Abkehr von den politischen Welthändeln, im Abstand von der Stofflast der Dinge, in der Freiheit vom Irdischen jenen harmonischen Zustand erreichten, in dem erhöhtes Empfindungsleben mit der Erscheinungswelt in Einklang ist, wende man sich nun der deutschen Wirklichkeit zu. Sogleich ist unverkennbar, daß Lienhards Klassik-Sicht eine einseitige und vergröbernde ist: Schiller und Goethe sind für ihn Mystiker, die in asketischer Abkehr von der Realität das Geheimnis des Lebens erfahren. Goethes Geschichtsbewußtsein etwa, seine Einsicht räumlicher und zeitlicher Bedingtheit von menschlicher und kosmischer Entwicklung, sein vom Konkreten in Natur und Kunst bestimmtes gegenständliches Denken, bleiben bei Lienhard unbeachtet. Ebenso einseitig ist seine Analyse nachklassischer Kulturgeschichte. Die Literaturentwicklung des 19. Jahrhunderts beispielsweise ist keine der Stagnation und Degeneration; die Hinwendung der Autoren zum politisch-sozialen Leben und zur Wirklichkeit ist nicht a priori zu verwerfen, sondern in ästhetischem Gewinn und Verlust zu prüfen. „Denn das 19. Jahrhundert hat eingesetzt mit seiner materiellen Wucht, mit seinem Zertreten der Persönlichkeit, seiner Förderung der Massen und Methoden, seinem seelischen Tüfteln, seiner schließlichen Müdigkeitsphilosophie des Materialismus.“72 Dieses Urteil aus seinem Schiller-Essay enthält die wesentlichen Punkte von Lienhards Kulturkritik. Nicht verwunderlich ist seine Abscheu gegenüber den im 19. Jahrhundert dominierenden materialistischen Theorien, auch gegenüber Literaturströmungen, die der Gegenständlichkeit verpflichtet sind. Eine diffuse Angst vor der „Masse“ und vor der Preisgabe des Individuums teilt der Autor mit anderen Intellektuellen seiner Zeit. Er selbst beruft sich auf Nietzsches „Gesindel“-Kapitel aus dem zweiten Teil des „Zarathustra“, in dem sich die große Persönlichkeit voller Ekel von den „Unreinen“, vom „Macht- und Schreib- und Lust-Gesindel“ abwendet.73 Lienhard bezieht eine solche Sicht direkter als Nietzsches Gleichnisse auf die zeitgenössische Wirklichkeit. Seine Kritik gilt etwa der Presse, die von Skandalen und „ähnlichen Niedrigkeiten“74 überladen ist, anstatt sich dem Guten und Edlen zu widmen. Damit ist der Autor bei seinem Lieblingsthema, daß nämlich geschichtliche und philosophische Charakterbildung nottue, dies im Abstand von den Tagesreizen und aus dem Erlebnis wahrer Liebe. Zwei tiefgreifende Ressentiments bewegen Lienhard: Das eine gilt einer rational-zweifelnden Weltbetrachtung, der Skepsis, zugleich dem „allgemeinen ‚j′accuse′ “75, dem kritischen Angriff auf andere Meinungen, dem verletzenden Streit. Das andere betrifft den literarischen Drang nach subtiler Seelenanalyse; auch in dieser Hinsicht befindet sich Lienhard im Einklang mit einer nach 1900 verbreiteten Meinung. Man fordert, die psychologische Zergliederung in einer neuen Klassizität zu überwinden. Lienhard trägt eine grundsätzliche Kritik an der literarischen Moderne vor. Deren Traditionsbeziehung schon fordert den Autor heraus. Er untersucht die Hinwendung der gegenwärtigen Kunst zum Griechentum. Im Gegensatz zum klassischen Ideal, das die griechische Antike mit Klarheit, Freiheit und Heiterkeit, Harmonie von Natur und Kunst verbindet, entwickelt sich im 19. Jahrhundert eine konträre

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Sicht. Lienhard verweist auf Jakob Burckhardts pessimistische Auffassung griechischen Gefühlslebens, an die sein Baseler Kollege Nietzsche anknüpft. In der Tat wird die künstlerische Gestaltung des irrationalen, ekstatischen, „dunklen“ Griechentums durch Nietzsches „Geburt der Tragödie“ in neuer Weise stimuliert. Lienhard hält es durchaus für produktiv, eine modernere, menschlich freiere Beziehung zur Antike zu entwickeln. Betrachtet er freilich die Neuaufnahme griechischer Tragödien, so erfüllt ihn Abneigung. Oscar Wilde, den Autor der „späthebräischen Salome“, belegt er mit dem Attribut „degeneriert“.76 Hofmannsthals „Elektra“ gestalte Unnatur und Entartung.77 „Krankheitsschilderungen“78 seien solche Dramen. Lienhard benutzt „Gesundheit“ und „Krankheit“ als ästhetische Begriffe, ein problematisches Verfahren, das objektive Kriterien zur Beurteilung literarischer Werke weitgehend ausschließt. Er stellt die homerische Einfachheit und Gestaltungskraft jenem „nervösen Neugriechentum“79 entgegen. Stets polemisiert der Autor gegen die Vorherrschaft des Sensualismus im „Zeitalter der Wilde-Straußischen ‚Salome′ “80. Die an sich verständliche und begründete Abneigung gegen Haltungen, die das Geistige nur als Modus und Konfiguration von Sinnlichkeit ansehen, wendet sich bei Lienhard gegen die gesamte Moderne. Er wird gewissermaßen blind für Tendenzen im Werk Hofmannsthals und anderer, die einer bloß physiologisch-sensualistischen Weltsicht entgegenstehen. Dichten bedeute nicht, wie Nietzsche die Schwächen zu schauen, den Nächsten zu verwunden, bedeute auch nicht, wie Ibsen Gesellschaftskritiken zu schreiben. Nicht sehenlernen müsse der Schriftsteller, das dichterische Geheimnis allein in der Anschauung suchen, vielmehr den „seelisch bedeutenden Gehalt“81 gestalten und die magische Kraft des Wortes entdecken. Damit aber beschreibt Lienhard poetologische Forderungen, die auch den Diskurs der Moderne und die Werke der Autoren bestimmen. Lienhard setzt sich an verschiedenen Stellen der „Wege nach Weimar“ mit dem Jung-Wiener Dichter- und Kritikerkreis auseinander. Hofmannsthals „Ballade des äußeren Lebens“ schiebt der Autor mit dem Attribut „sonor-nichtssagend“82 beiseite. Er spricht von der „Sackgasse“, in der „das formalistische Jung-Wien sitzt“.83 Mit der Kritik an Hofmannsthal und seinen Mitstreitern aus dem Café Griensteidl steht Lienhard keineswegs allein. Auch andere Zeitgenossen – etwa Karl Kraus – vermerken, daß Hofmannsthal die ästhetizistische Pose genüge, die letztlich auch die Sprache der Poesie verderbe.84 Freilich setzt Kraus Jung-Wien seinen kritischen Rationalismus entgegen, während Lienhard das Heil für die Literatur (und für die Gesellschaft) in einem mystischen Idealismus sucht. Einem anderen Großen der Moderne fühlt sich Lienhard nahe: Ihn fasziniert Rilkes „Stunden-Buch“ durch seine „wundervolle Hellsichtigkeit bei sprachlicher Melodik“85; er konstatiert, daß diese Lyrik die Innerlichkeit der Mystik eines Jakob Böhme zu erreichen scheine. Dann aber wendet Lienhard seine Interpretation: „Aber: was einst vollmenschlich aus den Tiefen drang, ist es nicht in neuester Malerei und Poesie ein wenig ä s t h e t i s c h e M a n i e r?“86 Lienhards Abneigung gegen einen hedonistischen Sensualismus und gegen den Ästhetizismus läßt ihn gegenläufige Tendenzen in der modernen Literatur verkennen. Rilke und andere sind nicht nur leidenschaftliche Gottsucher, ihre Werke haben die von Lienhard geforderte magische Kraft des Wortes und den seelisch bedeutenden Gehalt. Übri-

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gens mag man nicht ganz ausschließen, daß Lienhards Ressentiment gegen die moderne Dichtung auch von einem latenten Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den begabten Sprachkünstlern gespeist wird. Auch in anderer Hinsicht tut Lienhard der Moderne Unrecht. Für das eigene poetische Schaffen ist der Autor nicht geneigt, die „Vorherrschaft Berlins“, so der Titel seiner Schrift von 1902, anzuerkennen. Mit vielen anderen Zeitgenossen meint er, der geschäftliche und politische Aufschwung der Reichshauptstadt drohe den Geist und die Literatur zu vergewaltigen. Solcherart neuer Partikularismus führe zu Vernüchterung, Skeptizismus und Materialismus. Aus diesen Überlegungen bekennt sich Lienhard zu einer Heimatkunst, die wohl aus Landschaft und Region erwächst, nichts aber mit winkelhafter Beschränktheit zu tun hat. Als seine Vorbilder nennt er Cervantes und Lope de Vega, die Welthaftigkeit mit Verwurzelung in der Landschaft verbinden.87 So gelangt Lienhard zu einem Urteil über die moderne Dichtung, das er in rhetorische Fragen kleidet: „Wo ist dieser Atem der Landschaft in unserer heutigen Literatur? Ist etwas von Schlesiens Landschaftszauber … in Meister Gerhart Hauptmanns sorgsamen Stubenproblemen?“88 Man muß gerade Hauptmann oberflächlich lesen, wenn man nicht erkennt, daß wenigstens in einigen seiner Werke sehr wohl Tradition, Sagenwelt und Dialekt Schlesiens in neuer und berührender Weise aufgenommen werden. Hinsichtlich Moderne und Landschaft irrt Lienhard noch entschiedener als in seinem Ästhetizismus-Verdikt.

4. Völkische Kulturbilanz und -programmatik 4.1 Literatur als Refugium des Stammestums – Adolf Bartels’ Romane „Die Dithmarscher“ und „Dietrich Sebrandt“ Neben der Fülle publizistischer, literatur- und kulturgeschichtlicher Schriften ist Adolf Bartels’ dichterisches Werk schmal.89 In seinem Zentrum stehen zwei Romane, die Herausbildung und Wesen seiner völkischen Weltanschauung zeigen. „Die Dithmarscher“ heißt seine historische Saga, die mit der legendären Bauernrepublik und der siegreichen Schlacht bei Hemmingstedt beginnt. Wohl gewinnen einzelne Figuren wie Wolf Isebrand Kontur, doch geht es Bartels um einen kollektiven Helden: Zäh und unbeugsam sind seine Dithmarscher, sie hüten das alte Recht und verteidigen es mit Kühnheit und unleugbarer Brutalität. Der Autor verfolgt dieses „Stammestum“ durch die Jahrhunderte. Er zeigt die harten Kämpfe um die Durchsetzung der Reformation, die Rolle der sogenannten „Geschlechter“, die Heerzeichen und Wappen führen, ihre Sippe schützen und die Tradition hochhalten, aber auch Mord und Blutrache zu ihren Mitteln zählen. Das vierte Buch des Romans führt ins 19. Jahrhundert, in die militärischen und politischen Auseinandersetzungen um Schleswig und Holstein. Für den Erzähler ist nur eine Frage relevant: Gibt es eine unwandelbare Kraft des Stammestums, die von den alten Zeiten bis zur Gegenwart stets aufs neue hervortritt? Die Antwort ist zunächst eine verneinende; Geschichte erscheint als ein kultivierender Prozeß, in dem Humanität mit dem Verlust

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völkischer Stärke bezahlt wird. Die Identifikation mit dem „Geschlecht“, mit dem „Stamm“ schwindet, dies aber bedeutet eine Gefahr für den vaterländischen Geist. Und doch findet der Roman ein Hoffnungszeichen: „Und als Klaus Harms auf der Lundener Kanzel stand, da wurden jene beiden Männer geboren, die Dithmarschens Eigenart in die Form prägen sollten, in der sie unvergänglich ist, Dithmarschens Dichter. Friedrich Hebbel heißt der eine, Klaus Groth der andere …“90 Die Literatur erscheint als letztes Refugium regionalen Volkstums. Eine solche Sicht erfordert eine rigorose Simplifizierung und Verfälschung insbesondere von Hebbels, aber auch von Groths Werk. „In unseren Tagen, unter dem Hauche des Geistes der neuen Zeit, scheint Altdithmarschen dann wirklich gestorben zu sein.“91 Bartels’ elegischer Romanschluß ist bloße Koketterie, berechnender Hinweis auf das Weiterwirken stammhaften Volkstums in seinen eigenen Dichtungen. Bartels’ zweiter Roman liefert noch genauere Einblicke in die Genese und Spezifik völkischen Denkens. Er führt in die sozialen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts. Sein Titel „Dietrich Sebrandt“ deutet bereits daraufhin, daß er in der Tradition des klassischen Bildungsromans steht. Der Text erzählt die Lebensgeschichte des Dietrich Sebrandt aus Dithmarschen, der möglicherweise vom Volkshelden Wolf Isebrand abstammt. Dietrichs Vater ist Maurer, er selbst wird Schreiber beim Kirchspielvogt. Die Problematik des Autodidakten aus niedrigen sozialen Schichten, der kein Abitur, keinen eigentlichen Schulabschluß hat, spielt nicht nur auf Hebbel an, sondern ist autobiographisch wie viele andere Handlungselemente. Allerdings ist es keine direkte Schilderung eigenen Lebens, die Ereignisse sind sozusagen „rückdatiert“. Sebrandt ist eine Generation älter als der Autor, was es erlaubt, das 19. Jahrhundert stärker in den Blick zu nehmen. Der Bildungsweg der Hauptfigur beginnt mit der Lektüre Heines und Börnes, bevor Sebrandt im Sommer 1846 Carlyles Geschichte der Französischen Revolution liest. Er erkennt, daß Freiheit und Gleichheit nicht die Überwindung allen Übels sind und zieht ein vorläufiges Fazit: „Menschenglück und -elend erwuchs aus der innersten unveränderbaren Natur des Menschen…“92 Das zweite Buch des Romans führt den Helden nach Berlin, wo er mit allen intellektuellen Strömungen der Zeit konfrontiert wird. Die Junghegelianer begegnen ihm mit Bruno Bauers Lehre vom freien Selbstbewußtsein, das die Geschichte schaffe, in Stirners anarchischem Individualismus. Während er mit der „liberalen Phrase“93 bald fertig ist, erkennt er im Sozialismus und Kommunismus einen „berechtigten Kern“94. Daß man der Übermacht des Kapitals Schranken ziehen müsse, scheint ihm unzweifelhaft, aber einer nationalen Einigung nachgeordnetes Erfordernis. Nach der Lektüre von Marx und Engels bemerkt er: „Ich glaube nicht, daß ich zum Proletarier das Zeug habe, ich bin Dithmarscher.“95 Bartels nimmt in seinem Roman die Grundthese der Heimatkunst auf: Eine Lösung der modernen Probleme ist nur in der Besinnung auf Stamm und Volkstum möglich; die Wiederbelebung des Heimatgefühls hat seiner Meinung nach mit einer Formung starker „männlicher“ Individualitäten einherzugehen. Sein literarisches Sprachrohr Sebrandt wird in seinen Ansichten durch die Berliner Märzrevolution bestätigt, in der er pöbelhafte Elemente überwiegen sieht. Im folgenden steht die schleswig-holsteinische Frage im Zentrum des Textes, die Haltung gegenüber Preußen etwa wird intensiv erörtert:

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„Stammesgefühl ist tiefer und fruchtbarer als Staatsgefühl.“96 Erneut bleibt kein Zweifel an der Hochschätzung des Regionalen, einer phylogenetischen Kraft, die modernen Einigungsbestrebungen jedweder Art überlegen ist. Bartels’ „Dietrich Sebrandt“ ist ein Gegenentwurf zum klassischen Bildungsroman. Zwar verläßt seine Hauptfigur gemäß dem literarischen Muster Heimat und familiären Kreis, durchwandert verschiedene gesellschaftliche Sphären, begegnet intellektuellen Einflüssen und erwirbt Wissen und Fähigkeiten. Er liest und lehrt, durchstreift die Großstadt Berlin und in ihr die Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Am Ende der Handlung ist Sebrandt ein Gescheiterter, er ist kein Gelehrter, kein brillanter Journalist, seiner Liebe hat er entsagt, seine Ehe steht nur auf dem Papier. Übrigens ist Bartels’ Vermögen, charakterliche und psychologische Entwicklungen zu gestalten, gering. Er benutzt die private Fabel als dürres Gerüst, um seine Bilanz der Geistes- und Kulturgeschichte aufzunehmen. Nichts Tüchtiges ist sein Held im Strom der Zeit geworden, mit seinem Tod endete ein düsterer Text, hinterließe Sebrandt nicht ein Manuskript: In einem geschichtsphilosophischen Werk resümiert er nicht nur die Entwicklung der Gesellschaft, sondern formuliert zukünftige Aufgaben. Beginnend mit der religiös-jenseitsbezogenen Prägung des Mittelalters, geht seine Analyse zu Reformation und Französischer Revolution. Durchaus im Einklang mit Denkern wie Marx und Engels sieht er den Aufstieg des Dritten Standes als einen ambivalenten Prozeß: „Sebrandt war nicht so töricht, das Bürgertum, das die Herrschaft des Geldsackes begründet, für diese Wendung der Dinge geradezu verantwortlich zu machen, er wußte recht wohl, daß es durch Intelligenz und Arbeit emporgekommen und Schöpfer und Träger einer reichen, der gesamten modernen Kultur geworden war. Aber die unheilvolle Konsequenz der bürgerlichen, der Parvenuherrschaft war allerdings die Herrschaft des Geldes. Ihr galt es … entgegenzutreten …“97 Sebrandts – und mithin Bartels’ – Zukunftsentwurf sieht eine „Demokratie arbeitender Männer“98 vor, die mit kommunistischen Idealen nichts zu tun hat. Ihre Grundlage und ihr Wertmaßstab ist die Leistung des Menschen, sei es auf handwerklichem, sei es auf geistigem Gebiet, sie nivelliert die Standesunterschiede und schafft eine starke Gemeinschaft. Es ist keine Frage, wo der Autor und seine Figur das Vorbild zukünftiger Entwicklung suchen: Das alte Dithmarschen wird als Ort stammesmäßiger Verbundenheit idealisiert, an dem Leistung anerkannt und sozialer Ausgleich praktiziert wurde. Hier scheint Bartels die Lösung aller Probleme zu liegen: Der Herrschaft des Geldsackes“99, der Ausnutzung der ganzen Erde, allem Industrialismus und Rationalismus wäre entgegenzuwirken, indem man den Menschen tiefer in Heimatboden und Stammestum verwurzelte.

4.2 Ernst Wachlers Weg zu völkischem Bildungsroman 1897, fünf Jahre, bevor er in Weimar die Redaktion der Weimarischen Zeitung übernimmt und hier ein breites kulturpolitisches Engagement entfaltet, legt Wachler seine Streitschrift „Die Läuterung deutscher Dichtkunst im Volksgeiste“ vor. Seine Kritik gegenwärtigen Standes von Kunst und Literatur ist im Fin de siècle fast eine allgemeine. Auch Wachler betont das Mißverhältnis zwischen der Weltstellung der

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deutschen Nation und ihrer Kunst, im besonderen ihrer Dichtkunst. Bezeichnenderweise schätzt Wachler die klassische Tradition gering. Von Goethe und Schiller läßt er nur die Jugendwerke gelten; sie hätten später mit ihrem „realistischen Kunstprinzip“ gebrochen, ihre Formen von der Antike genommen und ein „humanistisches, dem Volksbewußtsein fremdes Theater der Bildung“ geschaffen.100 Ist schon Wachlers Klassik-Verdikt einseitig, so läßt er bei seinem Urteil über die zeitgenössische Literatur erst recht Genauigkeit und Sachlichkeit vermissen. Seine Forderung formuliert er in der Sprache der völkischen Bewegung, mit der ihm eigenen Neigung zu kitschigen Metaphern: „Wir verlangen nicht eine zierliche Stimmungskunst für Künstler, sondern eine machtvolle Volkskunst für die Nation; voll Unerschrockenheit, Glut und Größe, mit würdigen Gegenständen, getragen von der Eigenart unserer Gaue, auf dem Boden unserer Landschaften, von der Kühnheit echten Deutschtums durchlodert …“101 In seinen 1902 erschienenen „Rhein-Dämmerungen“ bekräftigt er seine Ansichten zur Literatur und stellt sie zugleich in einen größeren Rahmen: Im fiktiven Dialog eines Mannes und einer Frau, die romantische Rheinlandschaften als symbolischen Stimmungsgrund durchwandern, wird eine Reform der gesamten Kultur erörtert. Leben, Glaube, Sittlichkeit, Wissenschaft, Dichtung, Kunst, Bildung und Erziehung sowie Geselligkeit und Fest stehen auf dem Prüfstand; sie bedürfen – daran läßt Wachler keinen Zweifel – einer grundhaften völkischen Erneuerung. Der Autor polemisiert wie stets gegen den Katholizismus und bekennt sich zu einer Art Naturreligion. Buchgelehrte in „einsamer Klause“102 sind ihm ebenso suspekt wie Schulen, in die die Kinder zu „Bücherstaub und Tiergerippen“103 gesperrt werden. Der Literatur empfiehlt er die Orientierung auf Sagen, Schwänke und Sprüche aus völkischer Vorzeit, der Kunst gar eine Absage an antike und christliche Symbole. Sein Bild einer „veredelten“ Geselligkeit geht vom germanischen Jahreslauf mit der Feier von „Mittsommer“ und „Mittwinter“ aus. Wachler entfaltet ein antiquiertes Weiblichkeitsideal: Die deutschen Frauen, Rosen, die in „stillen Gärten und Parks“ heranzubilden seien, unterschieden sich wohltuend von den „unsteten“ Pariserinnen und Polinnen.104 Einige der theoretischen Prämissen Wachlers – etwa die zur Erziehung der Jugend – sind nicht unwesentlich aus den Reformbewegungen der Jahrhundertwende gespeist. Der Autor entwickelt doch einen eigentümlichen Stil des Gekünstelten, Pseudolyrischen und der Archaismen. Seine Vorschläge zur Reform von Dichtung und Kultur haben einen entscheidenden Haken: Er übersieht, daß die germanische Mythologie dem Volke nicht weniger fremd ist als die griechische, daß es ihm ferner steht, einen heiligen Quell zu bekränzen als etwa das Abendmahl zu feiern. Zudem ist die kulturbildende Wirkung abendländisch-christlicher Tradition kein Ballast, der einfach abzuwerfen wäre, vielmehr ist diese Überlieferung ein formund strukturbildendes Element. Gemäß seiner Theatertheorie und -praxis schreibt Wachler einige Festspiele, die nicht „in den Prunkräumen der heutigen Geschäftsbühnen“105 aufzuführen sind, unter freiem Himmel und Licht vielmehr, jedenfalls aber mit neuem Bühnenbild, Einsatz von Chor und Musik. Am 16. Dezember 1908 führt der Deutsche Monistenbund im Stadttheater Jena eine Winter-Sonnwendfeier durch. In ihrem Zentrum steht die Premiere von Wach-

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lers Festspiel „Mittwinter“. Seiner Poetik gemäß wählt der Autor einen Stoff aus der germanischen Mythologie, den Mord Höders an seinem Bruder Balder, die Rache der Tat und den Untergang Höders. Wachlers Höder-Figur personifiziert den dunklen Winter, dessen Macht durch ihren Tod gebrochen ist; das Licht steigt nun wieder kraftvoll empor. Auf dem Höhepunkt des Stückes ertönt der Gesang „Stille Nacht, heilige Nacht“, freilich von christlichen Bezügen gereinigt; die Wende eines natürlichen Kreislaufs, die mystische Stunde der Wiedergeburt der Sonne werden gefeiert. Wachlers Festspiel ist inhaltlich wie sprachlich eher unbedeutend; Konfliktpotential und Tiefe der germanischen Mythen werden kaum sichtbar. Allerdings vermag man sich durchaus vorzustellen, daß das Stück – ebenso wie das Komplement „Mittsommer“ – eine große Wirkung auf die Zuschauer ausübt: Chor und Bühnenbild gewinnen eine neue Bedeutung. Die Lichtsymbolik wird nicht allein im Text, sondern im feierlichen Vorgang aufgenommen. „Mit Elfentanz um den heiligen Opferstein, deß Feuer neu entzündet wird, schließt das Bühnenbild.“106 rezensiert das Jenaer Volksblatt, selbst schon in der gehobenen Diktion des Wachlerschen Stückes. An diesem Punkt erscheint es angemessen, in einem kurzen Ausschnitt Wachlers Herausgebertätigkeit zu beleuchten: „Iduna“ heißt das von ihm publizierte „Weimarische Taschenbuch auf 1903“. Es läßt prominente heimatkünstlerisch-völkische Autoren aus Deutschland und Österreich zu Wort kommen, zeigt ihre Traditionsbeziehungen und theoretischen Positionen und gibt einen Eindruck von der Art ihrer Werke. Die Titelgestalt Iduna entstammt der nordischen Mythologie, sie ist die Göttin der Unsterblichkeit und der ewigen Jugend. Die schöne Asin verwahrt die Äpfel der Verjüngung, bis sie und die Früchte von trickreichen mythischen Wesen geraubt werden. Alt, matt und schwerfällig werden die Götter, denen nun die Lebenskraft der Äpfel fehlt. Schließlich aber gelingt es ihnen, Iduna und mit ihr die jugendliche Stärke und Frische zurückzuholen. Das Motiv aus der germanischen Sage steht Wachler für die Erschlaffung und Ermüdung der Welt, die durch eine „Wiedergeburt unseres Volkes und Volkstums“107 zu überwinden wäre. In seiner Einführung des Taschenbuches beruft sich Wachler auf Herder und dessen Aufsatz „Iduna, oder der Apfel der Verjüngung“, der im ersten Stück der „Horen“ für 1796 erschien. Herder, der sich seit Jahrzehnten mit der nordischen Mythologie beschäftigte, empfahl der deutschen Dichtung die „Edda“ als Quelle der Erneuerung.108 Weder bei Goethe noch bei Schiller stieß er mit seinen Thesen auf Zustimmung. Goethe erschienen die nordischen Götter nebulös und beinahe komisch; im Gegensatz zu den Griechengöttern, die in der bildenden Kunst sinnenhaft faßbar sind, entzogen sich die „Helden Walhallas“109 seiner Gestaltung. Schiller hielt die germanische Mythologie für prosaisch110; Herders Traditionsbezug schien ihm eine Abkehr vom Idealischen der Dichtkunst. Es ist keine Frage, daß Wachler sogleich die Herderschen Gedanken usurpiert; er polemisiert gegen Schillers christlich-platonische Verachtung der Sinnenwelt und stilisiert Herder zu einem Vorkämpfer deutscher Erneuerung aus dem Geist der nordischen Mythologie. Wachlers Taschenbuch ist im Grunde ein „unweimarisches“. Es spielt mit Ressentiments gegen Goethe und Schiller, ohne die beiden Autoren ganz aufzugeben:

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Klassik und Klassizismus, der letztere Begriff erscheint beinahe als Schimpfwort, markierten demnach einen kulturellen Bruch in der nationalen Kulturgeschichte, sie „leiteten die Flut … auf fremde Mühlen“111, indem sie die Bedürfnisse des Volkstums aus dem Blick verlören, fremde Muster adaptierten und einem zu weiten Kosmopolitismus das Wort redeten. Wachlers Taschenbuch nun will „die Ideenwelt einer nationalen Renaissance“112 auf kleinem Raum spiegeln. Etliche der Autoren gehören bereits 1900 zu den Unterzeichnern jener Erklärung in der „Deutschen Volksbühne“113, die eine Erneuerung der Kunst aus dem Volkstum fordert. Alle literarischen Gattungen sind in dem Sammelband vertreten. Die Lyrik ist ohnehin nicht die starke Seite der Heimatkunst, sieht man einmal von der Ballade ab, deren führender Vertreter Börries von Münchhausen auch im Weimarischen Taschenbuch diskutable Texte publiziert. Ansonsten finden sich hier die wohl schwächsten Gedichte, die um 1900 entstehen. Der Innsbrucker Franz Lechleitner, der sich schon seinerzeit als Herausgeber der Wartburgsprüche nicht eben als subtiler Lyriker zeigte, feiert die antike Götterwelt in südlicher Landschaft. Sein Landsmann Arthur von Wallpach putzt seine konventionellen Gedichte mit nordischen Gestalten und Motiven auf; die Christianisierung ist ihm ein tragischer und verlustreicher Vorgang. Neuheidentum und germanische Mythologie sind auch für Maurice Reinhold von Stern, Hermann Friedrichs, der außerdem der Rheinromantik frönt, und Max Geißler, dem immerhin einige kunstvolle Bilder gelingen, zentrale Motive. Gustav Falke, durchaus nicht unbegabt, kommt hier mit einem albernen Hebbel-Gedicht zu Wort, das den Dramatiker aus Dithmarschen zur nationalen Lichtgestalt stilisiert. Schließlich gibt es noch Johann Heinrich Löfflers etwas holprige, zum Teil dialektale Kinderlyrik. Die drei von Weimar aus agierenden Protagonisten der Heimatkunst beweisen ihre Unfähigkeit zumindest in der lyrischen Gattung: Lienhard folgt in konventionellen Naturgedichten seiner Neigung zum Spuk- und Sagenhaften. Bartels, der andere Autoren so gnadenlos zu kritisieren weiß, schreibt Lyrik, die nicht anders als kitschig zu nennen ist. Herausgeber Wachler selbst liefert Gedichte, die an Plattheit alles in den Schatten stellen. Einige Erzähltexte, Sohnreys „Grüne Ostern“ etwa, beschwören die Kraft und Authentizität des Volkslebens und beklagen den Verlust von Brauch, Sprache und Sinn. Lienhard beweist im Weimarischen Taschenbuch erneut, daß er ein begabter Dramatiker ist. Konfliktgestaltung und Dialogführung gelingen ihm sowohl in seinen Lustspielen „Münchhausen“ und „Eulenspiegel“ als auch im „Gottfried von Straßburg“, in dem der Autor sein Lieblingsmotiv gestaltet: Der Künstler erobert sich von elsässischer Landschaft aus ein Höhenreich des Ideals. Wachler gestaltet in seinem Drama „Einsiedlers Thalfahrt“ das Zarathustra-Motiv. Der Mahner und Warner steigt vom Gebirge herunter, um ein selbstzufriedenes Volk aus seiner Verblendung zu reißen – das Stück nimmt gleichnishaften Bezug auf den Sieg 1871 und die folgende Gründerzeit, deren Unternehmertum, „Spiel und Fest“114 ohne Tiefe und Sinn erscheinen. Der Schwerpunkt des Bandes liegt auf historischen und kulturtheoretischen Aufsätzen, die sämtlich die These stützen, daß eine Wiedergeburt des Volkstums notwendig sei. Über die Wege einer solchen Renaissance gibt es durchaus unterschied-

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liche Vorstellungen. Oskar Schwindrazheim orientiert auf die „Bauernkunst“115 als originäre und bedeutende; Robert Mielke empfindet die deutsche Kunst als „Waldkunst“116. Theodor Oek vertritt die konsequente Abkehr von religiösen Mustern und plädiert für eine natürliche Weltauffassung. Alexander von Peez hingegen will die Religion im nationalen Geiste reformieren. Bartels erörtert seine These einer unwandelbaren natürlichen Bestimmtheit des Volkstums. Daneben findet sich die kulturgeschichtliche Abhandlung Alois Johns, der eine stete Entwicklung der deutschen Kunst hin zum Volkstum zu erkennen meint. Beginnend mit Hallers „Alpen“ rückt er ihm genehme Autoren und Werke in diese Traditionslinie, gegenläufige Tendenzen blendet er konsequent aus. Auch Richard von Kralik liefert eine Abfolge von Blütezeiten nationaler Kultur, konstatiert einen radikalen Bruch in der Kunstentwicklung der Gegenwart, erörtert den Gedanken einer Bühnenreform aus völkischem Geist und beschreibt seine – außerordentlich problematischen – ästhetischen Maßstäbe. Stärker noch als in seiner Theatertätigkeit und Dramatik, in seinen Vorträgen, in seiner Kulturkritik, selbst in seiner – völkische Theorien und Texte bündelnden – Herausgebertätigkeit, wirkt Wachler mit einem Prosawerk: Sein Bildungsroman „Osning“, der nach seinem Erscheinen 1914 sofort eine zweite Auflage erfährt, gestaltet einen völkischen Symbolort: Der mittlere Teil des Teutoburger Waldes, der im Titel steht, ist keineswegs nur als historischer Schauplatz der Varus-Schlacht bedeutsam. Wachler glaubt seine Berge und Wälder in mythischer Weise beseelt vom Nationalen; jahrhundertelange Überformung durch Christentum, Antikebezug, Städtebau und Industrialisierung ließ die völkischen Quellen unangetastet. Ein Bund ausländischer und hiesiger „deutschgesinnter“ Männer – Frauen werden nur als dekorative Hilfskräfte benötigt – muß nur ein Erziehungswerk in Gang setzen, das das Volkstum von den verderblichen kulturellen Schlacken befreit. Der Roman bündelt also alle Motive der Welt- und Kunstanschauung des Autors. Die Hauptfigur Asbrant, nicht frei von autobiographischen Zügen, wird im Laufe der Handlung an den völkischen Bund herangeführt. Der junge Mann ist der einzige Erbe eines alten Hauses, wissensdurstig, auf der Suche nach einem Lebenssinn. Wie Goethes Wilhelm Meister begegnen auch ihm eine Reihe von Lehrergestalten, die zu einem geheimen Orden gehören und die ihn zur Selbstfindung leiten. Nicht viel Mühe hat die völkische „Turmgesellschaft“ mit dem konturlosen Asbrant, dessen Charakter und Psychologie kaum beleuchtet werden. Es bedarf nur weniger Anstöße, um ihn zur Arbeit für das Volkstum zu gewinnen. Bei einem nächtlichen Gang zum Paderborner Dom wird ihm klar, daß sich hier früher ein heiliger Hain befand, ein „Quellheiligtum der Ahnen“117, in dem die Verbindung mit den völkischen Urgründen rein und mächtig war. Wachler liebt das Bild der Quelle, die durch Städte und christliche Dome verschüttet und überbaut wird. Das unter fremder Kultur weiterströmende Deutschtum, das man befreien müsse, ist wirkungsvolles Motiv einer geradezu pathologischen Utopie. Als ein besonderes Übel erscheint im Roman der Katholizismus. Jesuitische Dunkelmänner und Agitatoren suchen ganz Deutschland unter die Herrschaft Roms zu bringen, auch Asbrant soll mit allen Mitteln für die katholische Sache gewonnen werden. Der Text entfaltet eine Phobie gegen das „papistische“ Christentum, dessen

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Vertreter nicht ohne gefährliche Faszination für die Hauptfigur sind. Weit weniger bedeutsam erscheint die zweite Bedrohung der Kulturentwicklung: Die Arbeiterbewegung wird in Gestalt Leonors des „Wühlers“ aufgenommen, der seine Druckschriften verteilt und gegen Volk und Vaterland eifert. Asbrant wandert in den Osning, „das Land der Deutschen mit der Seele zu suchen“118. Das abgewandelte Zitat aus Goethes „Iphigenie“ schlägt das Grundmotiv des Romans an. Nicht fremden Musern, etwa der griechischen Antike, sei zu folgen, es gelte vielmehr die Besinnung auf das Germanische als dem „unerschütterlichen Grund unseres Volkstums“119. Die altphilologische und klassische Ausrichtung der Bildung ist dem Autor suspekt, in heiligen Hainen und Kultstätten der Germanen findet seine Hauptfigur Sammlung und Sinn, Edda und Nibelungenlied erlebt er tiefer als Homer. Auch Wachler nimmt das Motiv der „Stillen im Lande“ auf, das in der zeitgenössischen Literatur so beliebt ist: Auch bei ihm ist sein mystischer Ursprung zu erkennten, ebenso das Ressentiment gegen die „Gleisner“, die „am Markte lärmen“120, gegen veräußerlichten und reklamenorientierten Kulturbetrieb, auch aber gegen freie Meinungsbildung und öffentlichen Gedankenaustausch. Gleichsam nebenbei läßt Wachler seine Theorie einer im völkischen Sinne erneuerten Bühne einfließen; er entfaltet ein Ideal des Dichters als einem Priester, Seher und Künder. Zentrales Romanmotiv ist das Wirken eines mächtigen Geheimbundes, der den „tiefsten Willen der Volksgesamtheit“ verkörpert und an die „Weltsendung des Deutschtums“ glaubt.121 „Wir nennen uns Hermanns Söhne – nach Armin dem Befreier“122, erklärt einer der Boten dieses Bundes der erstaunten Hauptfigur. Die authentische, von Auslandsdeutschen in Amerika gegründete Organisation, wird bei Wachler zur mystischen Kraft. Nicht nur verfügt sie über große Geldmittel, Stiftungen, Sammlungen und Bibliotheken, nicht nur stützt sie das deutsche Volkstum in Übersee, sie erscheint als geheimnisvoller Weltorden, der dem Germanentum zur Herrschaft verhilft. Wachlers Darstellung eines globalen Bundes des Deutschtums, in den „Brudervölker“ wie Niederländer oder Skandinavier ohne weiteres zu integrieren sind, ist eine gefährliche Wunschvorstellung, in der schon umrißhaft nationalsozialistisches Denken aufscheint. Auch düster-apokalyptische Kriegsvisionen vom Kampf um die Weltherrschaft klingen bereits an. Der Bote des Bundes entwickelt Aktivitäten in zwei Richtungen: Zum einen organisiert er große Gemeinschaftsfeiern am geschichtsträchtigen Ort. Auch Wachler nimmt die zeitgenössische Vorstellung sinnvollen und traditionsbezogenen Festes auf. Zupfgeigenspiel, altdeutsche Weisen und Reigentanz, Turn- und Ballspiele, Sonnwendfeuer mit Spruch und Ritual sind Motive der reformerischen Jugendbewegung, die hier allerdings ganz der völkischen Sache dienstbar werden. Die andere Aufgabe des Boten besteht in der Gewinnung des Hochadels für das Deutschtum. Bei Wachler fällt die Vorstellung der großen, charaktervollen Führergestalt mit historischer Sozialhierarchie zusammen. Edelleuten und Fürsten obliegt es, die Erneuerung deutscher Kultur zu leiten. Der notwendige Wandel soll in einer Art Pädagogischer Provinz des Deutschtums initiiert werden. Hohenlohe, eine nicht anders als rassistisch zu nennende Romanfigur, entwickelt die Idee einer neuen Schule, die noch von den pädagogischen Reformbewegungen der Jahrhundertwende berührt ist, aber deutlich völkische Akzente setzt. „Es gilt abzusondern und, was edlen Blutes

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ist, rein und unvermischt zu hegen und zu pflegen“123, bemerkt Hohenlohe, eine These, die von anderen Gestalten aufgenommen und weitergeführt wird. Die neue Schule ist elitär, sie orientiert nicht auf Einordnung, sondern auf Hochsinn und Vornehmheit, sie ersetzt Buchwissen durch Stählung des Körpers und der Willenskraft, erzieht fern dem Getriebe der Welt zum Einklang mit der Natur. Wachlers „Osning“ bilanziert aus den Erfahrungen der Jahrhundertwende Kulturgeschichte und liefert Zukunftsentwürfe, dies in einem altertümelnden Stil, der den Leser über die Handlungszeit lange im unklaren läßt. Die Erneuerung des Völkischen verbindet der Autor mit einer klassischen Utopie: Die Hauptfigur Asbrant begründet jene nationale Erziehungsgestalt, die auch hier nicht realistisch, sondern visionär und geheimvoll erscheint.

5. Bauen an der Einung und Erneuerung der Welt – das literarische Weimar entdeckt die Mystik 5.1 Grundlinien eines kulturellen Diskurses Walter Gropius’ Bauhausmanifest von 1919 enthält nicht nur die Gedanken, daß man die Mauer zwischen Künstlern und Handwerkern niederzureißen habe, um gemeinsam den „Bau der Zukunft“124 errichten zu können, daß die Grundlage des Werksmäßigen unerläßlich für jeden Künstler sei. Bauen ist vielmehr ein symbolischer Vorgang: Es ebnet soziale Unterschiede, überwindet Grenzen zwischen Kunstformen und -richtungen, Meistern und Schülern, Persönlichkeiten und dem Ganzen. Der Bau, der im Irdisch-Handwerklichen gründet und an Geistig-Transzendentes rührt, ist Sinnbild der Einheit. In ihm scheinen alle Motive der geistesgeschichtlichen Debatte verflossener Jahrzehnte aufzugehen: Ruskins und Morris’ Kampf gegen die Entwertung der den Menschen umgebenden Dinge, Wagners „universalpoetisches“ und entgrenzendes Gesamtkunstwerk, die Suche nach Brücken in einer sozial gespaltenen Welt, die Sehnsucht nach Miteinander und erfüllter Geselligkeit, die Abkehr von akademischem Klassizismus wie Naturalismus, der „Dienst“ am Werk, der zugleich uneingeschränkte Entfaltung des Individuellen ermögliche. Nicht zufällig gestaltet Lyonel Feininger auf dem Titelholzschnitt eine gotische Kathedrale: Sie steht für jene Einheit irdisch-diesseitiger Vergegenwärtigung und geistigtranszendenter Überhöhung. Nicht nur neigen einige Meister des Bauhauses Okkultem und Übersinnlichem zu, vielmehr speist sich der Grundgedanke aus mystischen Quellen. In dieser Hinsicht befindet sich das Projekt im Einklang mit geistes- und kunstgeschichtlichen Entwicklungen im allgemeinen und in Weimar im besonderen. Die Krise der Religion verschärft sich im Laufe des 19. Jahrhunderts. Der Prozeß einer Säkularisierung ontologischen Denkens tritt nunmehr – mit Feuerbach und Marx – in ein neues Stadium. Man reduziert Religionsphilosophie auf Anthropologie und Soziologie, begreift Religion als bloßes Verdeckungsphänomen menschlicher Entfremdung. Die Evolutionslehre Darwins und der Positivismus Comtes und

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Taines befördern die Sicht des Menschen als Produkt natürlicher Faktoren wie Rasse oder Milieu. Die soziale und geistige Krise des Fin de siècle vertieft das Unbehagen gegenüber der religiösen Kultur. Man entdeckt Stirners ichbezogenen Anarchismus und vor allem Nietzsches Forderung nach Befreiung aus jahrhundertealter metaphysischer Knechtschaft. „Gott ist tot“125 – kaum ist das Wort ausgesprochen, beginnt eine intensive Suche nach einem Lebenssinn, der geistigen Mitte, nach dem großen Zusammenhang, in den sich Individuelles einfügt. Mystische Ansätze der Weltdeutung gewinnen an Bedeutung. Versuche, die Empirie des Körperlichen etwa in der Psychologie zu durchbrechen, gehen einher mit einer Neubelebung des Geniebegriffs, mit einer Neigung auch zu Okkultismus und Spiritismus. Die Münchener Kosmiker mit ihrem „Mystizismus in Schwabing“126 versuchen, Wirklichkeit jenseits einer Faktizität der Außenwelt aufzuspüren und in der Kunst zu gestalten. Eugen Diederichs verlegt nicht nur eine Fülle mystischer Schriften aus Vergangenheit und Gegenwart127, er erprobt Geselligkeitsformen, in denen Tiefe und Ganzheit des Lebens erfahren werden. Zur Renaissance der Mystik um 1900, die in vielfältigen Formen zutagetritt, gehört eine heimatkünstlerisch-völkische Richtung, die – auch wiederum nicht einheitlich – nationale Traditionen mystischer Weltdeutung betont, sogar rassistische Theoreme aufnimmt. Verfolgt man Weimars Geistesgeschichte, so wird deutlich, daß hier besonders wirkungsvolle mystische Entwürfe entstehen: Zu nennen sind Helene Böhlaus und Omar al Raschid Beys Versuche, das Individuum in die vollständige Identität zu retten, die – fern von Weimar – zahlreiche Anhänger finden, oder auch Rudolf Steiners Lehre vom ganzheitlichen Erkenntnisweg. Lienhards Synthesegedanken und Johannes Schlafs absurde Kosmologie zeigen erneut die Differenz solcher Vorstellungen. Interessanterweise wird in einigen in Weimar entstandenen literarischen Werken das Bauen gestaltet. Das auf die englische Tradition rekurrierende Lob der soliden Handwerksarbeit und die Verachtung industriell gefertigter Produkte erscheinen in den Texten. Wenn der „Bau“ aus dem sorgfältigen Bearbeiten des materiellen Stoffes ins Ewige und Kosmische wächst, so ist der Bezug zu den eingangs skizzierten Intentionen des Bauhauses offensichtlich. „Treppe“ oder „Turm“ sind das Mystische berührende Bilder der Kunst- und Menschheitsgeschichte. Die Werke setzen sich explizit oder implizit mit gegenwärtiger Kulturentwicklung auseinander, in der man Flachheit, Kleinlichkeit, laute Wertlosigkeit, aber auch Hoffnung auf einen „neuen Höhenweg“128 zu erkennen meint. Die Gotik erscheint weniger als historischer Baustil als vielmehr allumfassende schöpferische und einende Haltung zum Leben und zur Kunst, in der die Namenlosen zum Wesen geführt werden. Im folgenden ist die Rede von fünf Autoren, die viele Jahre in Weimar leben und arbeiten, über die bisher auch in regionalgeschichtlichen Untersuchungen nur Weniges und Flüchtiges ausgesagt wird. Über das Motiv des „mystischen Bauens“ hinaus werden Gemeinsamkeiten, aber auch tiefgreifende Unterschiede in den Weltdeutungen und Gestaltungsformen sichtbar.

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5.2 Sprüche des „guten Meisters“ – Bruno Heinrich Eelbo 1881 gründet man in Weimar die „Großherzoglich-Sächsische Zentralstelle für Kunstgewerbe“. Sie soll Kunst und Industrie zusammenführen, die ästhetische Qualität industriell gefertigter Produkte durch Beratung der Betriebe steigern. Dieses Bemühen gilt etwa den Töpfereien in Gerstungen und Bürgel, deren Gebrauchsgeschirr praktisch und schön sein soll. Morris’ Gedanke einer Erneuerung des Kunstgewerbes in der Orientierung auf traditionelle Handwerkskunst, Ruskins Idee einer Veredelung aller den Menschen umgebenden Dinge, erscheinen auch in den Weimarer Anstrengungen. Zum Leiter der Zentralstelle beruft man Bruno Heinrich Eelbo. Der gebürtige Bremerhavener erlernte den Maurerberuf, wurde Zeichner im Atelier des Architekten Bohnstedt in Gotha, bildete sich ein Jahr lang in Italien weiter, bevor er sich mit einer Kunsttischlerwerkstätte in Gotha selbständig machte. Es ist unverkennbar, daß die Zentralstelle, auch wenn sie nach wenigen Jahren ihre Tätigkeit einstellt, daß die Bemühungen des späten 19. Jahrhunderts um eine „réunion“129 von Kunst und Gewerbe van de Velde und seinen Reformen vorarbeiten. Die Persönlichkeit des begabten Architekten Eelbo, der auch Dichter ist, zeigt das Widerspruchsvolle individueller Biographien und geistesgeschichtlicher Entwicklungen. Die Bauten, die Eelbo in Weimar errichtet, entsprechen noch dem historismusorientierten Zeitalter; es sind Gebäude in ausdrucksvoller Formensprache, die die Straße dominieren: 1892/93 entsteht in der Erfurter Straße die Thüringische Landesversicherungsanstalt im Stil der florentinischen Renaissance; schon 1885 baut Eelbo ein Neorenaissancehaus für den Sänger Max Alvary. Gemeinsam mit Karl Weichardt projektiert er 1893 das Gebäude der Landeskreditkasse in der heutigen Steubenstraße, dessen besondere Wirkung auf romanischen Motiven beruht. Die Bauten des konservativen Architekten zeigen Gefühl für Proportion und Detail, für die harmonische Gesamtwirkung, verraten das in Italien geschulte Auge. Der Gedanke, billige Massenware durch gleichermaßen schöne und nützliche Produkte zu ersetzen, ist auch konservativ zu nennen, freilich gibt er der Moderne entscheidende Impulse. Ab 1903 lebt Eelbo, der zwischenzeitlich ein Architekturatelier in Leipzig unterhielt, wieder in Weimar, wird Mitglied in Gelehrtenkreisen und schaltet sich in die kulturelle Debatte ein.130 Neben seinen Bauten hinterläßt er auch Dramen und Gedichte. „Die Sprüche des guten Meisters“ heißt einer seiner Lyrikbände: Der Titel spielt mit der Tradition des Meistersangs, betont eher biedere Solidität als sublime Formensprache. Grundmotiv des Autors ist die Hochschätzung guter und sorgfältiger Handarbeit. Die Entwertung der den Menschen umgebenden Dinge durch die Industrialisierung erscheint in den Gedichten: „Ein alt Gerät, geflickt, zerkratzt, zerschunden, Und doch wie blitzt des rechten Kenners Aug’! Wie frisch ist Form und Ornament erfunden Vom alten Meister nach des Handwerks Brauch! Vielleicht naiv und roh, was ihm auch fehle, Es bleibt doch schön: das Ding hat eine Seele.

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Und kaufst du heute dir ein neu Geräte, Wie ist es billig, praktisch, blinkend, glatt, Wie fehlerfrei und ohne alle Nähte Nur schade, daß es keine Seele hat: Hier stehen gleich zum Kaufe hundert Paare, Und eines gleicht dem andern: Dutzendware.“131

Der Begriff des „Massenmenschen“132 ist ein zentraler, es scheint, als ob Großstadt und Industrie austauschbare, konturlose und langweilige Wesen hervorbrächten. Eelbo entwickelt eine – gerade im klassikorientierten Weimar – merkwürdige Geringschätzung von Bildung und Kultur. Zu seinem Persönlichkeitsideal gehören angeborene Redlichkeit, Härte und Kühnheit, eine Individualität, die selbst Roheit und Dummheit nicht verhindern. Der Autor spricht vom „Rassenmenschen“133, ohne zunächst biologische Körpermerkmale im Blick zu haben; der Begriff bezeichnet die kantig-unangepaßte, charaktervolle und leidenschaftliche Persönlichkeit. Neben Individualismus und Kult des einzelnen, neben der Wendung gegen die „Mietskasernen“-Städte134, findet sich in Eelbos Lyrik ein antireligiöser und antichristlicher Zug. Die Polemik gegen die „Herrschsucht schlauer Pfaffen“135 erscheint ebenso wie die Klage über das Blut, das im Namen des Christentums vergossen wurde. Besonderer Angriffspunkt ist der Sündengedanke. Religionen sind für Eelbo nichts anderes als Träume der Nacht, die durch die Sonne der Vernunft vertrieben werden. Die sozialen Widersprüche an der Wende zum 20. Jahrhundert bewegen den Autor stark. Er feiert die Arbeit in ihrer mythischen Schönheit; bei aller Trauer über den seelenmordenden Industriematerialismus läßt seine Lyrik eine gewisse Faszination vom Technischen erkennen: Weder die Religion noch der Monarchismus noch die moderne Dekadenz sind für ihn produktive Prinzipien, Eelbo hört das „hohe Lied der neuen Zeit“136 im Schwirren der Dampfmaschinen, im Klirren der Eisenräder und im Krachen der Hämmer. Folgerichtig gestaltet er revolutionäre Phantasien in Feuerund Schmiedemetaphorik; es gelte, die alten Tempel abzubrechen und ein neues Reich zu schmieden. In dieser Hinsicht reiht sich Eelbo in eine Linie der Lyrikentwicklung ein, in der die Ambivalenz der Industriewelt erscheint: Der Fluch der Fabrik, aber auch Härte und Schönheit des „Werks“ verbinden sich unauflösbar. Nicht annähernd reicht die ästhetische Qualität von Eelbos Gedichten an die Texte etwa des rheinischen „Nyland“-Kreises heran, die in ähnlicher Weise Arbeitswelt mythisieren. Wie einige der „Nyland“-Autoren steht aber auch Eelbo völkischen Positionen nahe. Dies zeigt auch seine Balladensammlung „Dithmarschen“. In ihr liefert er die historische Genealogie jener Lieblingslandschaft der Heimatkunst. Dithmarschen ist seit 1227 über dreihundert Jahre lang selbständige Bauernrepublik und eignet sich zur Gestaltung eines bestimmten Geschichts- und Menschenbildes. Auch Eelbo singt das Loblied der „Freien“, die lieber tot als Sklaven sein wollen, er entfaltet düster-nordisches Milieu und aktionsreich-brutale Kampfszenen. In den historischen Schlachten bewährt sich der heroische einzelne, der durch seine Tat den Gang der Ereignisse bestimmt.

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Eelbos Texte lassen Nietzsches Einfluß deutlich erkennen. Auch er wird irr am Sinn der Kultur, er konstatiert die Schwäche der entarteten Menschheit, die auch noch zum ethischen Wert stilisiert wird, bei ihm findet sich der Gedanke, daß das Christentum die Dekadenz befördere. Aus dem bisher Gesagten überrascht nicht, daß Eelbo zu Weimar und seinen geistigen Traditionen eine eher distanzierte Haltung hat. Das monarchische Prinzip, der Musenhofgedanke gar, sind für ihn obsolet, klassische Persönlichkeitsbildung ordnet er angeborener starker Individualität unter, kämpfende Bewährung ist ihm wichtiger als tätiger Humanismus. Eelbos Gedicht „Weimars Sagen“ sieht auch die Musenstadt berührt durch die moderne Entwicklung: Technische Neuerungen vertreiben den Dichtergeist. Ein graues Klageweib, das „Kriegsgefahr und Feuersnot“137 ankündigt, zieht durch die Gassen. In eigenartiger Weise gehen Komisches und Düster-Apokalyptisches zusammen.

5.3 Solid-sorgfältiger Bau in die Ewigkeit – Paul Quensel Das Weimarer Lehrerseminar genießt um 1900 in Deutschland einen guten Ruf. Neben Karl Muthesius, der mit seinem Buch „Goethe, ein Kinderfreund“138 bekannt wird, wirkt hier Paul Quensel als Zeichen- und Deutschlehrer. Das Motiv, das ein zentrales seines poetischen Werkes wird, bestimmt auch seinen Unterricht: Er verlangt von seinen Schülern nicht bloße Pflichterfüllung, sondern „Hingabe“139 an das Schaffen. Statt Vorlagenzeichnen lehrt er sie, die Natur zu begreifen und darzustellen. Quensel leitet den literarischen Verein des Seminars, in dem man sich mit Mörikes Gedichten und Kellers „Leuten von Seldwyla“ beschäftigt140; auf einer Schulbühne erproben die Schüler ihre darstellerischen Mittel. Paul Quensel ist – nach Ludwig Bechstein – der bekannteste Thüringer Sagensammler und -herausgeber.141 Seine Gliederung der überlieferten Texte nach sachlichen Gesichtspunkten erweist sich einer geographischen Ordnung als überlegen. In seinem Vorwort erläutert der Autor, er wolle „das Empfinden für die hohe dichterische Kraft ... fördern, die im Volke formte und sagte“. Er fügt eine These an, die das kulturelle Leben nach der Jahrhundertwende berührt: „... bei den besten und nachdenklichsten Teilen unseres Volkes sehen wir Abkehr und Wandel: erneutes Empfinden für die Wunder in Tiefen und Höhen, Gefühl der Abhängigkeit von den Urgewalten, Fragen nach dem Woher und Wohin aller sichtbaren Erscheinung, Ehrfurcht vor den unergründlichen Geheimnissen der Seele, Ringen um die ewigen Rätsel des Lebens und Sterbens.“142 Quensel benennt eine literarisch-geistige Tendenz, die stark ist, sich doch unterschiedlich ausprägt. Das allgemeine Ungenügen an materialistisch-naturalistischer Weltdeutung wird in Weimar besonders nachdrücklich ausgesprochen; Wege scheinen hier stärker als anderswo Abkehr von der Sinnenwelt, Verinnerlichung und Suche nach der Weltseele. Als der inzwischen renommierte Dichter Paul Quensel 1935 seinen 70. Geburtstag feiert, erscheint ein Jubiläumsband143 mit einem Grußwort Minister Fritz Wächtlers, der Autor und Werk im harmonischen Kontext des Dritten Reiches zeigt. Als Herausgeber fungieren Conrad Höfer, solider und akribischer Gelehrter, der mit

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Quensel der Weimarer Ortsgruppe des „Deutschbundes“ angehörte, und der Autorenkollege Ernst Ludwig Schellenberg. Trotz dieser Ehrung im nationalsozialistischen Kulturbetrieb, trotz seinem Wirken – wie Johannes Schlaf formuliert – „im Raum von Deutschlands Wiedergeburt“144, wäre es falsch, Quensels Werk beiseitezulegen. Es ist vielfältig und facettenreich; die Dramen, Erzählungen und Romane rühren an wesentliche Probleme der Zeit und sind von poetischer Darstellungskraft. „Das thüringische Schrifttum der letzten hundert Jahre ist reich an fleißigem ... Wirken, aber es sind nur ganz wenige, deren Schaffen die Höhen zeitloser Dichtung erreichte. Zu diesen wenigen gehört Paul Quensel.“145 Die Einschätzung in einer Ausgabe von 1963 ist man geneigt zu teilen, nicht ohne allerdings seine Texte genauer zu prüfen, jene widerspruchsvollen Zusammenhänge literarischer Entdeckung von Provinz, Volk und Heimat, von Handwerk und Kunst, von Natürlichem, Sozialem und Mystischem zu erkunden. Quensels Kleinstadt-Komödie „Das Alter“, die 1903 im Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird, zeigt bereits alle Facetten seines Werkes: Johannes Lindner, Sohn des Stadtmusikus in Wallbach, kehrt aus Berlin in sein heimatliches Städtchen zurück, hinter dessen fiktivem Namen sich wohl des Autors Geburtsort Weida verbirgt. Er bringt seine Braut Marie Reuter, eine Berliner Schauspielerin, mit. Im Wesen der Marie und in ihrem Konflikt mit den Kleinstädtern erscheint Quensels Abneigung gegen die Moderne; die zigarettenrauchende, auf einen Doppelnamen erpichte Frauenfigur schiebt Werte wie Arbeit, Mühe und Rechtschaffenheit verächtlich beiseite, zu Bachs Musik erklärt sie: „Wir modernen Menschen empfinden anders. Wir wollen Leben, Leidenschaft, Champagner.“146 Die Großstadt Berlin verbindet sich im Stück mit Werte- und Traditionsverlust, inhumanem Amüsement über Fleiß und Anstand, Hochstapelei, Ausbeutung künstlerischer Fähigkeiten und schließlicher Arbeitslosigkeit. Dagegen steht das aufopfernde Wirken im beschränkten Kreis, das nicht „armselig“147 ist, sondern künstlerischer wie menschheitlicher Zukunft dient. In diesem Drama wie im Gesamtwerk beweist Quensel ein feines Gespür für Thüringer Mundart, die keineswegs nur zum Ausdruck des Komischen gebraucht wird. Die Würde der sogenannten kleinen Leute, die Integrität schlichter Lebensläufe erscheinen im Dialekt, der nicht nur von „etymologischem Reiz“148 ist, sondern eine wesenhafte, im Volksboden wurzelnde Schönheit besitzt. Man sollte nicht verkennen, daß sich die Heimatkunst – zumindest in einigen ihrer Vertreter und Werke – tatsächlich dem Volk öffnet, einen gelegentlich sozial geschärften Blick auf die Armen und Erniedrigten entwickelt, auf jene, die scheinbar spurenlos vergehen, die doch so viel Lebenskraft und Hingabe besitzen. Dies gilt in besonderer Weise für Quensels Prosatexte. Niemand wird lachen über die Trödlerstochter Maria Mampe, die mit ihrem Freund, dem schwindsüchtigen Schneidermeister den „Poetischen Hausschatz“ liest und sich im schriftlichen Ausdruck vervollkommnet.149 Die weimarischen Werte Kultur und Bildung erscheinen im elenden Volksalltag, mehr dort als im bürokratisch-weltfremden Gymnasialleben. Quensels Dramen und Erzählungen enthalten eine humane Botschaft: Niemand ist auszuschließen aus der Schulung und Entfaltung der menschlichen Kräfte, niemand vom hingebenden Dienst an der Allgemeinheit. Diesen Gedanken gestaltet der Autor aus

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einer genauen Kenntnis der sozialen Milieus seiner ostthüringischen Heimat. Für Quensel gilt nicht, was man allgemein der Heimatkunst nachgesagt hat, daß sie keinen Humor habe.150 Der Autor beherrscht das ganze Spektrum komischer Darstellung, von der harmlosen Fröhlichkeit, über schwankhaften Wortwitz, Situationskomik, bis hin zur Satire und zum Tragikomischen. In Quensels Erzählung „Der Mückenjäger“ zeigt sich ein weiterer Grundzug seines Werkes: Die Hauptfigur, ein Einsamer und Schuldbeladener, Strebender und Ringender, muß das Verhältnis zur Natur korrigieren. Der Glaube, man solle die Naturwelt allein menschlichem Nutzen unterwerfen, sie ordnen und regulieren, um Gewinn aus ihr zu schöpfen, erweist sich als Irrweg. Am Ende öffnet sich der Mückenjäger seinen Mitmenschen, mit den Naturgeschöpfen redet er wie ein Bruder. Einige von Quensels Texten setzen sich direkt mit Zeitereignissen auseinander. Die Erzählung „Dieser Rebhahn“ singt das Lob des Weltkriegshelden. Ganz im Sinne (späterer) völkischer Kulturpolitik polemisiert der Autor gegen weltfremdes Philologentum, gegen eine – vermeintlich oder tatsächlich – nur noch dem Buchstaben verpflichtete humanistische Bildung. Rebhahn, die Hauptfigur, denkt über Bismarck und Sedan nach statt über Alcibiades oder Aktium151, er entwickelt sich vom praktischen, heimatverbundenen und tätig-mitmenschlichen Schüler zum Frontkämpfer und U-Boot-Kapitän, an dessen Heldentod sich später niemand mehr erinnert. „Es ist eine neue Zeit heraufgezogen, wo Krähen den Himmel verfinstern. Da kann man Falken und Adler nicht mehr sehen.“152 Auch anderswo in Quensels Werk erscheint die Weimarer Republik als Zeit „eilfertiger Umwertung aller Dinge“153, eines Emporkommens der Unwürdigen, der Anmaßung und Hochstapelei. Volksversammlungen und politische Debatten der Nachrevolutionsära scheinen nur als Karikatur zu erfassen. Die Demokratie als Podium eitler Selbstdarsteller und töricht-aberwitziger Reformer – das Ressentiment, mit dem der Autor unter den deutschen Intellektuellen nicht allein steht, führt folgerichtig zu einer Verkennung des Dritten Reichs. In Quensels Themen Mitmenschlichkeit, Naturbruderschaft, Volk und Volkssprache, Selbstformung und Hingabe liegt trotz allem ein nicht preisgegebener humaner Anspruch. Quensels Dichtungen sind von der kulturpessimistischen Trauer über den Gang wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung im 19. Jahrhundert geprägt. Grundthema ist der Wandel der Arbeit im Industrialisierungsprozeß von einer „erlösenden Kraft des Vollbringens“154 zu mechanisch-eingeschränkter Dienstleistung. Tragische Figuren wie der Töpfer Bernhard Rechenbach verweigern sich der Anpassung an moderne Lebensverhältnisse, der Auslieferung an den Moloch Fabrik, der Reduzierung auf einzelne Fertigkeiten in der Aufgabe individuellen Schöpfertums. Auch Quensel beklagt die Entwertung der den Menschen umgebenden Dinge, den Verlust nicht allein schöner und haltbarer Teller und Töpfe, vielmehr einer ganzheitlichen Lebensgestaltung und der Verbindung mit dem Göttlich-Universellen. Die Beschreibung der noch traditionell gefertigten Gegenstände des Töpfers in der Erzählung „Der Letzte“ zeigt dies eindrücklich: „Über dem ganzen irdenen Garten leuchtete ein Funke des großen, unfaßbaren Schöpferdrangs, der dasselbe Blatt, dieselbe Muschel nicht wiederholen mag, und ein Schimmer der großen allwaltenden Schöpfer-

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liebe, die nicht zwischen hohen und niederen Wesen unterscheidet, sondern Menschund Würmlein, Moos und Palmbaum mit gleicher Freude bildet.“155 Nicht zufällig gestaltet Quensel sein Ideal des Menschen und Künstlers an einem historischen Stoff: Der Roman „Am Tage Margaretae“ führt ins 17. Jahrhundert156, nimmt zugleich Einsichten und Motive des frühen 20. Jahrhunderts auf, beides wird zu metaphysischer Sinndeutung zusammengeführt. Die Geschichte jenes Arnold Fehr, der als arbeitsloser Zimmerergeselle in die Dienste des Herzogs Moritz von Zeitz tritt, um an der Osterburg zu bauen, liest sich auf den ersten Blick wie das Psychogramm eines Adligen. Der Mann, der „höherer Herkunft“ ist, pocht auf sein Geburtsrecht, er ist hochfahrend und hochmütig, voller Verachtung alles Kleinbürgerlichen, allen biederen Fleißes und sorgsamen Strebens. Von maßloser Selbstüberschätzung, glaubt er mit Genie und künstlerischer Leidenschaft handwerkliche Fähigkeiten außer acht lassen zu können. So wie er mit zügelloser Erotik die Frauen begehrt, meint er sich auch die Kunst gefügig zu machen. Seine Unfähigkeit zu Entsagung und Demut bringt ihn beinahe aufs Schafott. Quensels Roman sagt einem Künstlertum ab, das seinen Anspruch allein aus Inspiration und schöpferischem Enthusiasmus ableitet. Ein Nietzscheaner ist dieser Zimmerer im 17. Jahrhundert, er polemisiert gegen die kategorischen Imperative christlicher Moral, haßt „frömmelnde Bescheidenheit und bettelhafte Demut“157, verächtlich erscheint ihm die strenge und fleißige Margret Hübner, verächtlich der asketische Prediger Samuel Dörffel. Durch eine harte Schule schickt Herzog Moritz den „Übermenschen“ Arnold Fehr. Zunächst sucht er ihn mit Worten zur Einsicht zu führen: „Bedenkt auch, daß nichts belanglos ist, was da an Stein und Holz ineinander wächst. Auf das bescheidenste Werkstück, das versteckteste Widerlager, die nebensächlichste Stütze und Strebe, den kleinsten Riegel und Zapfen ist das Ganze gestellt ...“158 Und, indem er einen Sperling aufhebt, den Fehr aus Langeweile erschlagen hat: „Die Liebe des Schöpfers ist nicht gestaffelt; sie kennt weder Kleines noch Großes. Warum wollen wir Menschen keine Vorsätze daraus gewinnen?“159 Die Szene berührt sich mit Lienhards und Eelbos Aufnahme der Legende von Jesus und dem toten Hund. Daß es nichts Kleines und Verworfenes in der Weltordnung gebe, ist auch Quensels Überzeugung, hier erscheint sie stark auf die Kunst bezogen. Nach dem mahnenden Blick gewissermaßen „nach unten“ richtet Magister Dörffel das Auge zum Sternenhimmel: „Furcht wandelte sich in Ehrfurcht vor dem, in dessen Hand das Sternengeheimnis ruhte. Was wüste Naturkraft schien, wurde weisliches Walten einer waltenden Hand.“160 Dörffel zeichnet einen Zug der Bekenner, der Arbeitenden, gleichgültig, ob sie Künstler oder Handwerker sind, klein oder groß, er spricht das kosmisch überhöhte Lob des Schöpfertums. Das Motiv des Firmaments ist ein wesentliches in Quensels Roman. Hinter dem zunächst schrecklich anmutenden Sternenhimmel, der das Individuum einem bedrohlichen Chaos ausliefert, erscheinen schließlich göttliches Walten, Maß und Gesetz und ewige Regeln. Arnold Fehr muß seine Lektion erst noch lernen: Zunächst der Hinrichtung entronnen, baut er dem Herzog jene Treppe, die später ihren Platz im Turm der Weimarer Bibliothek findet. Damit reiht er sich ein in die Menschheitsgeschichte, die als Gemeinschaftswerk aller Schöpferischen erscheint, die ihre Kraft ganz dreingeben. Noch einmal stimmt Quensel das Hohelied des Bauens an, des „großen Baus“, der in

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der Einheit von irdischer Vergegenwärtigung und Vergeistigung entsteht. Noch einmal wird auf Morris und Ruskin, auf Arts and Crafts rekurriert, die Harmonie von „Leichtigkeit und Kraft, Zweck und Form“161 beschworen; die Natur in Gestalt des für die Treppe gefällten Eichbaums ist aufgehoben in solcherart Kunstwerk zu neuer Größe. Die Arbeit erscheint als lebenserhaltend im wirklichen und übertragenen Sinne für Arnold Fehr, sie veredelt die Hauptfigur, die sich dem Schönen, den Mitmenschen und der Liebe öffnet. Fehr baut eine gute Treppe, solide und sorgsam gefügt bis in alle Strebungen, er geht der Mühsal und der handwerklichen Verrichtung nicht mehr aus dem Wege. Nur so kann seine Leiter eine Himmelsleiter sein, das Ewige und Kosmische berührend. Quensels Roman „Am Tage Margaretae“, der durchaus auch das Vermögen des Autors zum Genrebildlichen, zum Skurril-Komischen und VolkstümlichSagenhaften beweist, resümiert in einem geschlossenen Bild das wohl konservativ zu nennende Ideal schöpferisch-menschheitlichen Bauens. Daß das solide Handwerk die Basis menschlicher Kreativität sei, wird Quensel in Weimar schon von Goethe lernen. Daß man schön und zweckmäßig baue, sich selbst hingebend und entfaltend in einer Gemeinschaft, in der göttlichen Weltordnung, ist eine utopische Vorstellung, die im 19. und 20. Jahrhundert im Rekurs auf die Moderne entsteht. Wie alle Utopien wirkt sie in der Zeit auch durch ihre literarischen Bilder.

5.4 Der Turm als Symbol mystischen Weltgefühls – Friede H. Kraze „Die Stadt Schillers und Goethes sah ich wieder. Das Heiligtum unsres Volkes. Das Herz unsres armen, mißhandelten Landes.“162 Nach dem ersten Weltkrieg beschwört eine Autorin Weimar als den idealischen Grund der Nation, von dem aus die Geister des Materialismus, der Ichsucht, des „Mammonismus“163 zu besiegen sind. Friederike Henriette Marie Kraze, die sich auf den Titeln ihrer Bücher meist Friede H. Kraze nennt, hinterläßt ein facettenreiches Erzählwerk, dessen historische und geographische Koordinaten weit gesteckt sind. Ihre Romane, ob sie im Dreißigjährigen Krieg oder im 20. Jahrhundert, in den kurländischen Wäldern, im Berliner Wedding oder in Weimar spielen, zeigen Linien kulturkritischer Debatte, Sozial- und Weiblichkeitsentwürfe, die nicht frei von problematischen Zügen sind. Kraze wird 1870 in Krotoschin bei Posen geboren. Nach dem frühen Tod der Eltern wächst sie bei ihrer Großmutter in Brieg auf, der sie im autobiographischen Text „Goldne Türen“ ein Denkmal setzt. Auch hier lobt Kraze unentfremdetes Leben im Jahreskreis, dessen heidnische und christliche Bräuche und Feste einen Blick in die Ewigkeit gewähren. Menschlichkeit entfaltet sich in gelebter Tradition – dies ist ein Grundmotiv auch anderer Werke Krazes. Nach ihrer Tätigkeit als Lehrerin in verschiedenen deutschen Orten und einigen Auslandsreisen läßt sich Kraze 1906 als freischaffende Schriftstellerin in Weimar nieder. Sie lebt mit ihrer Freundin Lies von Krause zusammen, deren Heimaterinnerungen sie das russische und baltische Milieu einiger ihrer Romane verdankt. „Fritze“ und „Theo“ kaufen und bewirtschaften einen Garten gegenüber dem Ettersberg, in dem sie eine „Handvoll Schollenglück“164 empfinden: Krazes Garten-Text schildert einfühlsam und humorvoll die Schwierigkeiten praktischer Arbeit, den Zustrom geistiger Kraft aus der Beschäfti-

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gung mit der Natur. Nicht nur das Schollenmotiv im Untertitel legt einen Bezug zum Völkischen nahe; Kraze entwirft einen Weltkosmos, dessen Herz ein idealisch geläutertes Deutschland bildet; die Nation wiederum findet ihre Kraft in der Besinnung auf Geist und Kultur Weimars. Friede H. Kraze und Lies von Krause sind regelmäßige Gäste im NietzscheArchiv. Auch sie gehören zum geselligen Kreis um Sophie zu Wied.165 Mit Mathilde von Freytag-Loringhoven sind sie befreundet. Zu Franz Herwig bestehen enge Kontakte, Krazes Berlin-Motivik ist sicher vom Wedding-Milieu des katholischen Dichters inspiriert. 1905 erscheint Krazes erster Roman „Im Schatten der Weltesche“. In ihm werden bereits wesentliche Motive ihres Werkes, Grundlinien ihrer Kultur- und Gesellschaftskritik und ihr besonderes Frauenbild aufgenommen. Der Ich-Erzähler Sven Orm durchläuft einen bezeichnenden Entwicklungsweg: Zunächst schreibt er – als wahrer Zeitgenosse Haeckels und Ludwig Büchners – ein Buch über atomistischen Materialismus, in dem er den Weltlauf auf das Wirken physikalischer Gesetze zurückführt. Dann erlebt er die Großstadt Berlin in ihrem sozialen Elend, vor allem in ihrem als verderblich empfundenen geistigen und kulturellen Zustand. Im einzelnen kenntnisreiche, aber oberflächliche Konsumenten bewegen sich zwischen Leihbibliotheken, Boulevardtheatern und Überbrettl-Varietés; sie haben die Ganzheit ihres Lebens und den Zugang zur Ewigkeit verloren. Wie Lienhard beklagt auch Kraze den „bösen Blick“ auf alle Erscheinungen, den Verlust der Ehrfurcht gegenüber Natur, Mensch und Kunst: „Ach dieses ewige Kritisieren, Mäkeln, alles besser wissen wollen!“166 Den Entfremdungssymptomen der großstädtischen Welt stellt die Autorin einen Lebensentwurf entgegen, der von modernen Reformideen ebenso geprägt ist wie von völkisch-heimatkünstlerischen Ansätzen und einem mystischen Naturverständnis. „Es gibt nur eine Rettung aus dem krankhaft gespannten, grüblerisch zersetzenden Zustand ... den selbstbewußten Sprung rückwärts an die Urquellen der Natur ...“167 heißt es programmatisch im Roman. Das mystische Motiv der Quelle, das Reinheit und Lebenskraft verheißt, wird gegen den selbstzerstörerischen Zustand der modernen Gesellschaft gesetzt. Die Bildungsgeschichte einer Frauenfigur ist für den Text grundlegend: Sunniva wird allein von ihrem Vater in der Natureinsamkeit erzogen, sie entgeht den Einflüssen städtischen Alltags und moderner Kultur. Ihr Charakter formt sich an „ewigen“ literarischen Werken von Dante bis Storm, an Bildern und Zeichnungen von Michelangelo bis Böcklin. Die Utopie asozialer Erziehung zum wahren Menschentum kann Vorbilder wie Rousseaus „Emile“ oder Stifters „Nachsommer“ nicht verleugnen, entfaltet sich doch in zeittypischen Bezügen. Neben der Freude an nordischgermanischer Mythologie, die sich schon im Titelmotiv der Weltesche zeigt, erscheinen lebensreformerische Ansätze. Sunnivas mit echter Handwerkskunst ausgestattetes Zimmer entspricht neuer Wohnkultur; am Ende des Romans steht das Projekt eines Erziehungsheims, in dem Mädchen und Knaben gemeinsam zu selbständigen und kraftvollen Persönlichkeiten erzogen werden. Die Figurationen und Motive ihres ersten Romans werden im weiteren Werk der Autorin variiert und modifiziert. Ihre Frauengestalten verachten Konvention und Etikette, sogar materielle Sicherheit zugunsten echter Bewährung und wahrer Liebe.

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Die reiche und schöne Etta Wibrandt will partout in Deutsch-Südwest für die koloniale Sache einstehen168; Baronesse Gronau verzichtet auf Hofball und Rittergutsbesitzer, um im Wedding eifrig für Volksbildung und soziale Reformen zu kämpfen.169 Im Gang des Werkes wird ein mystisch inspiriertes Opfermotiv stärker: Frauen geben sich ganz in die Liebe hinein, nicht in die zum Mann, sondern in welterneuernde Alliebe zu jeglicher Kreatur. Benita aus dem Roman „Das Geheimnis“ verläßt ihr wohlgeordnetes Leben, um sich für die sozial Schwachen in Berlin zu opfern. Das Feuer in der Gummifabrik wird zum Symbol: „Die Schar, die ihr folgte! Alle Herzen verschmelzen in einer gewaltigen Flamme ... Gott ist Liebe!“170 Auch im historischen Roman gestaltet Kraze weibliche Opferfiguren wie jene Ilsabeen Rampendahl, die die Folter auf sich nimmt, um die Hexenverfolgung im Lippeschen Land zu beenden. Die jugendstilhafte femme fatale gehört in Kraze Büchern der großstädtischen Luxuswelt zu, in oberflächlicher Sinnlichkeit bewegt sie sich in Varietés, Nachtbars und Jazzklubs. Die positiven Frauenfiguren dagegen sind tiefempfindend und traumverloren, „rein“, sie haben eine enge Beziehung zur Natur und stets einen Zugang zum Übersinnlichen. In der Gestaltung der Großstadt steht Friede H. Kraze an der Seite der Heimatkunst. Gier, Haß und Neid erblickt eine ihrer Hauptfiguren171 in den Gesichtern der Menschen in Berlin; das dortige kulturelle Leben erscheint als oberflächlich, „krankhaft gespannt“172, als dekadente Abfolge stets neuer Reize. Die Abwendung von der Transzendenz, vom „Kult“ führe zu einer Weiterentwicklung nur mehr der materiellen Seite des Lebens. Immerhin findet Kraze gerade in den Berliner Elendsvierteln Hoffnungszeichen: Ihre Volksgestalten sind nicht angekränkelt von der modernen Dekadenz, sie sind Trinker und Prostituierte, aber hingebend, selbstlos und edel, in ihrer Einfachheit heilig. Während der Weimarer Dichterkollege Herwig die soziale Not in Berlin schonungslos (wenn auch im katholischen Legendenmuster) darstellt, stilisiert Kraze das Volk zum Kulturträger, der an das Mysterium der Welt rührt. Das Problem der Kolonisierung interessiert die Autorin, auch dies verbindet sie mit der Heimatkunst. Das baltische Kurland ist einer ihrer beliebten Handlungsräume. Kraze ist um eine differenzierte Darstellung des einst vom Deutschen Orden eroberten Landes bemüht. Sie gestaltet die Schuld der Eroberer, die Völker unterwerfen, nicht erziehen, die deren feine und tiefe Kultur auszulöschen suchen. Bezeichnenderweise polemisiert sie in diesem Zusammenhang gegen den Gedanken des Übermenschen173, auch gegen eine Art Ausleseprinzip für die menschliche Gesellschaft. In Krazes Balten-Roman „Die von Brock“ spielt die Welt der Juden eine wichtige Rolle: Die hochgewachsene Prophetengestalt des Gelehrten Mardochai, die elende soziale Existenz Hirsch Rosenstiels, das allwöchentliche Sabbatwunder, das das deutsche Mädchen mit ihren Freunden Manasse und Chane erlebt, formen ihr faszinierendes Bild. Das Pogrom schließlich gewinnt schicksalhafte Bedeutung für die deutsche Familie, die den Juden stets beisteht. Bei aller sonstigen Nähe zu heimatkünstlerischen und völkischen Themen und Motiven hegt Kraze doch eine starke Sympathie für das jüdische Volk und seine Kultur. Mit anderen Intellektuellen begreift Friede H. Kraze den ersten Weltkrieg zunächst als heilsames und segensreiches Ereignis. In ihrem Drama „Erfüllungen“ von

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1915 muß der Unternehmer Ernst Stahl bei Kriegsausbruch erkennen, daß seine Maßstäbe nichts taugen. Mit Wissen, Können und Besitz hat er sich ein Haus geschaffen, zu dem die „Stillosen“, die „Mißglückten“174 keinen Zutritt haben, eine Welt der ästhetischen Harmonie, in die soziale Konflikte nur wie eine ferne Dissonanz dringen. Der Krieg stellt diese egoistische Abkehr in Frage. Vor allem die junge Generation meint im Stück seine befreiende und einende Wirkung zu erfahren. Krieg schaffe eine Volks- und Seelengemeinschaft: „... nich Arm un Reich un nich Herr un Knecht ... nur Frieden un Liebe“175. Immer wieder nimmt die Autorin das mystische Motiv der Quellen auf. Das moderne Leben, geprägt durch müdegeistvolle Kritiksucht, die Orientierung an stets wechselnden künstlerischen Moden, durch „die große Armseligkeit, die Halbheit, die Schwäche, das Übertriebene und das Kranke“176 habe jene Quellen tiefen und reinen Menschseins verschüttet. Erst der Krieg reiße sie wieder auf, lasse den einzelnen zum Opfer für das Ganze werden. In den späteren Werken der Autorin ist wohl Desillusionierung spürbar; die kitschige Kriegsmystik weicht einer differenzierten Alltags- und Geschichtsdarstellung. Nicht jedoch ändert sich die Grundidee, daß es einen Wandel des Weltgefühls gelte, daß der einzelne sich vom Ich befreien, sich in ein Größeres hineingeben müsse. Auch in einigen von Friede H. Krazes Romanen wird das Motiv des „Großen Baus“ aufgenommen, in eigener Weise, durchaus abweichend von Quensels Betonung handwerklicher Sorgfalt, erst recht von Herwigs Idee hybridischen und gottlosen Bauens und Zerstörens. Krazes „Jahr der Wandlung“ ist einerseits ein Bildungsroman, gibt zum anderen eine Bilanz der sozialen und künstlerischen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte. Die zentrale Künstlerfigur wendet sich angewidert von der „Nachbetung eines blut- und seelenlos gewordenen Ideals“177 ab, verwirft ebenso den Naturalismus, studiert in Paris den Impressionismus, der ihm der Natur fernzustehen scheint. In der Großstadt Berlin erblickt er die „tödliche Krankheit einer sich zersetzenden bürgerlichen Gesellschaft“178, weist aber lebensreformerische und soziale Ideen in der Kunst und Architektur von sich. In dieser Situation der Bilanz, Suche und Ratlosigkeit fällt ihm ein Band Meister Eckharts in die Hände, dessen Lektüre er sogleich durch die Taulers, Seuses und Jakob Böhmes ergänzt. In der Mystik hat Krazes Figur ihr Lebens- und Kunstkonzept gefunden, im „Leerwerden seiner selbst, um ganz erfüllt zu werden von einem Größeren“179. Dies geht einher mit einer Entdeckung der Gotik nicht als fernem Stil: Der zeitgenössische Künstler empfindet ein Zugehörigkeitsgefühl zu den Bauenden vor fast tausend Jahren, mit ihnen glaubt er sich „emporgerafft in eine letzte abgründige ewige Wesenheit“180. Auch in anderen Texten Krazes erscheint das Motiv der mystischen Unio. Ihr Weimar-Roman „Frühling im Park“ wäre ohne dieses eine unterhaltende Backfischgeschichte, in der die schwärmerische Lo von Koschembach durch einen gutsituierten Verehrer aus Südamerika von der langweiligen Arbeit in der Bibliothek erlöst wird. Allenfalls könnten sich Kenner der Residenzstadt an im Authentischen wurzelnden Figuren erfreuen. Der eigentliche Einfall des Romans aber besteht im Bau eines neuen Turms: Der Expressionismus bildet mit seiner Rückkehr zu den „einfachsten und innerlichsten Seelendingen“181 die erste Stufe eines neuen Welt- und

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Gottesgefühls. Von ihm aus ist weiterzubauen bis zum Glockenturm einer gewandelten Kunst und Menschheit. Im Gegensatz etwa zu Quensel, bei dem tatsächlich ein Bauwerk errichtet wird, ist bei Kraze das Bauen nur noch Symbol des Aufbruchs zu mystischer Einheit. Sie prophezeit einen Wandel des Weltgefühls, der alles Getrennte zusammenführt; Liebe und Leid, Neues, Altes und Ewiges, einzelner, Volk und Menschheit sind schließlich ungeschieden. Die Abkehr von der als disparat empfundenen modernen Welt geht einher mit deutlicher Distanz zum Klassischen, das nurmehr als abgeschlossenes historisches Prinzip akzeptiert wird. Während Quensel die hingebungsvolle, fleißige und gediegene Arbeit des Künstlers als Grundlage von Einigung und Vergeistigung sieht, ändert sich in Krazes Texten Weltgefühl gleichsam im Selbstlauf. Man weiß nicht, ob eine Persönlichkeit, ein Werk oder ein Ereignis den Wandel bringen werden, es bleibt nur zu warten auf die Offenbarung.

5.5 Heiliger Wedding – Franz Herwig Über Franz Herwig, der 1912 nach Weimar kommt und bis zu seinem Tode 1931 hier lebt und schreibt, differieren die Meinungen der Kritiker schon innerhalb der Heimatkunst nicht unbeträchtlich. In seinem berüchtigten „Führer durch die Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts“ nennt ihn Max Geißler einen „tüchtigen Erzähler mit realistischer Welt- und Kunstwertung“182. Ernst Wachler stellt ihn dem „Blutlosen, Krankhaften, Überreizten“183 der modernen Literatur entgegen und bezeichnet einen seiner Romane als „nationale Schöpfung“184 . Werner Deetjen lobt seine „Völkerpsychologie“ und seine „ruhig-gleichmäßige Erzählkunst“.185 Adolf Bartels wundert sich, „wie Franz Herwig, der Katholik, zu dieser Zeiterkenntnis kam“186. Eine gewisse Reserve des antisemitischen Literaturwissenschaftlers könnte noch andere Ursachen haben: Jüdische Figuren in Herwigs Werk entsprechen dem Ideal tätiger Nächstenliebe, gewinnen geradezu symbolische Bedeutung in einer Welt, die nur mit Güte und Hilfe zu bessern ist. Herwig ist also ein katholischer Autor. Er gehört zum „Renouveau catholique“, sowohl in seinem Geschichts- und Literaturverständnis als auch in den ethischen Grundlinien seines Werkes. 1922 erscheint bei Herder seine theoretische Schrift „Die Zukunft des katholischen Elementes in der deutschen Literatur“. In ihr geht auch Herwig von einer Hochschätzung der Gotik aus: Der gotische Mensch sei gebunden an ein Absolutes, gewaltig durchströmt von kosmischen Kräften und wesenhaft eins mit Gott.187 Dementsprechend zeichnet der Autor ein harmonischidealisiertes Mittelalterbild einer Volksgesamtheit, beseelt von einem großen und umfassenden Lebensgefühl. Das deutsche Mysterienspiel sei der ästhetische Ausdruck dieser unendlichen und tröstlichen Harmonie.188 Eine solche verklärende, soziale, regionale und sonstige Unterschiede negierende Sicht mittelalterlicher Ordnung und Dichtung führt folgerichtig zu einer Abwertung der Renaissance. Herwig polemisiert auch hier gegen die „weimarische“ Linie deutscher Kulturentwicklung: Mit der Renaissance und der an sie anknüpfenden Klassik unterliege die germanische Ausdruckskultur der griechischen Form- und Bildungskultur189 ; Kunstformen

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seien von hier an vom Volk nicht mehr zu verstehen. Mit diesen Thesen ist Herwig der über die Heimatkunst hinaus geführten Diskussion um Erneuerung von Volksbühne und Mysterienspiel nahe, die er allerdings stets von christlich-katholischer Überzeugung her führt. Der Autor sieht positive literaturgeschichtliche Entwicklungen in der Romantik, die Legende, Mysterium, Märchen und Lied bewahrte, und in der an sie anknüpfenden Neuromantik. Nach den „Irrwegen“ von Naturalismus und Dekadenz erkennt Herwig im Expressionismus die Sehnsucht nach dem gotischen Menschen, das Zerbrechen der klassischen Form und die Befreiung des inneren Ausdrucks. Seiner Meinung nach gehört die Zukunft dem katholischen Dichter: „Katholisch sein bedeutet eine besondere geistige und seelische Verfassung, die ungewollt, aber darum nicht weniger heftig und überzeugend das Werk durchdringt. Es bedeutet den Besitz einer besonders innigen Harmonie, die jedes Wort, jeden Satz geheimnisvoll durchleuchtet, die alle menschlichen Vorgänge, Regungen und Taten ... verklärt, oder beschämend vernichtet.“190 Herwigs Versuch einer Definition katholischen Dichtens als Erneuerung religiöser All-Erfahrung bleibt vage. Sein eigenes Streben nach diesem Ideal führt zu problematischen, aber auch zu durchaus bemerkenswerten Ergebnissen. Herwigs Dramen, von denen einige auf dem Harzer Bergtheater gespielt werden191, sind wenig gelungen. Das frühe Gegenwartsstück „Opfer“ ist ein triviales moralisierendes Machwerk; „Heinrich der Löwe“, Schauspiel in vier Aufzügen, überzeugt weder durch historische Fundierung noch durch psychologische Charakterformung. Auch in dem Genre des Mysterienspiels, einem der Weltanschauung des Autors gemäßen, leistet er nur Durchschnittliches. Sein „Adventsspiel“ gestaltet die Erlösungssehnsucht des Menschen in der „Unrast und der Weltverhaftetheit des Heute“192, das Motiv der Buße als wesentliches. Herwigs Intention, Bühnenbild und äußere Mittel schlicht zu halten, Wirkung allein aus inneren Vorgängen zu erzielen, scheitert an der mangelnden Darstellungskraft. Das „Adventsspiel“ erscheint wie eine mißglückte „Jedermann“-Adaption: Die Konfliktgestaltung ist unorganisch, die Wandlung der Figuren unglaubwürdig, Aufforderung zur Buße und Hoffnung auf Erlösung bleiben aufgesetzt. Bemerkenswerter als seine Dramen ist die Prosa des Autors. Herwigs historische Romane sind einer Geschichtsauffassung verpflichtet, die die Reformation als Ausgang und Antrieb verderblicher Entwicklungen begreift. Das Luthertum erscheint als „Reif“193, der sich auf das deutsche Volksleben und die Kunst lege. Der Roman „Das Sextett im Himmelreich“ etwa führt in eine fränkische Stadt Mitte des 18. Jahrhunderts, die harmonisch im katholischen Glauben lebt. Ihre patriarchalische, im christlichen Jahreskreis geordnete Existenz läßt Raum für Kunst und Musik, die Bewahrung überkommener Poesie, aber auch für sinnliche Genüsse vom Gugelhupf mit Zibeben, über mit Dörrpflaumen verzierte Nikoläuse bis zum Osterlamm. Nichts wirklich Böses gibt es in dieser Welt, die auf Nächstenliebe gegründet ist, selbst die Armen im „Jammertal“ und im „Düsterngraben“ erscheinen als Teil harmonischer Ordnung. Kontrastierend zeigt Herwig das preußische Berlin, eine freudlose Verstandeswelt, in der Befehl und Gehorsam herrschen, in das erst die fränkische Frauengestalt der Dorothe gutes Essen, Gesang und Wohltätigkeit bringt. „Aber Ihr mit Eurem neuen Evangel, Ihr macht die Welt arm und kalt und stumm.“194 erklärt Kan-

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tor Güldenklang seinem Sohn, einem preußischen Korporal. Die neuromantische Polemik gegen die Reformation negiert deren produktive Kraft auch im Ästhetischen, sie verschließt den Blick gegenüber Gewinn und Verlust historischer Wandlungen. Es erstaunt nicht, daß Herwig einen Roman über Otto III. schreibt. In „Wunder der Welt“ erscheint der problematische Kaiser als Gottsucher, als reiner Überwinder des Irdischen, der bei dem Gedanken, die Macht entscheide die Geschicke der Welt, tiefe Bestürzung empfindet. Der Autor läßt seine Figur eine Synthese-Idee verfolgen, die weniger aus der Zeit um 1000 als vielmehr um 1900 geschöpft scheint: „Christi Lehre, aber vereint mit den Lehren der alten Weisen? Eine geistige Welt voll ungeahnten Glanzes erblickte er.“195 Ottos Gegenspieler Erzbischof Willigis und der zum Papst ernannte Gelehrte Gerbert orientieren auf Härte, Macht, Willenskraft, Reichseinigung und Deutschtum. Ohne daß diese Positionen, die das Handeln einer starken Führerfigur für ein geeintes und mächtiges Reich betonen, verworfen würden, ist doch Herwigs Sympathie für Otto, den Träger des Geistes, erkennbar. Am Ende des Textes wirkt das „Wunder der Welt“ in einem Bettler weiter, der freudig Gott zu Füßen stürzt. Herwigs 1913 erschienener Roman aus dem Dreißigjährigen Kriege „Jan von Werth“ ist zwar auch der katholischen Sache verpflichtet, aber von anderer Atmosphäre und Gestaltung als die schon besprochenen. Er ist eine begeisterte Apologie des Krieges. Nur im Feld scheint menschliche Bewährung, Steigerung aller Lebenskräfte möglich. Das stolze Köln wirkt wie ein dumpfes, bedrückendes Philisterquartier, aus dem man schnell – „klabaster, klabaster“196 – davonreiten sollte, in die Frische und Leidenschaft der Schlacht. Der entsetzlichste Krieg früherer deutscher Geschichte erscheint als Chance für sozialen Aufstieg, mehr aber für Treue, Redlichkeit und wackeres Tun. Die Hauptfigur hat nur eines: Mut zum Kämpfen und Dreinhauen. Jan ist ungebildet, er hat eher schlichte Gefühle, er ist undiplomatisch, nicht einmal besonders religiös. Eine solche Verklärung des Brutalen und Gewaltsamen mutet in einem Roman seltsam an, der Partei für Kaiser Ferdinand, gegen die „Ketzer“ ergreift und den guten Katholiken in der Figur des Priesters José Maria aufnimmt. (Übrigens entfaltet der Autor, der doch in Weimar lebt, eine undifferenzierte Sicht Herzog Bernhards, der als verräterische Kreatur erscheint.) Der unterschwellige Franzosenhaß Jan von Werths, seine Parteinahme für das „Vaterland“, entstammen sicher nicht historischem Milieu, sondern der Gegenwart des Autors. Ein Jahr vor Ausbruch des ersten Weltkrieges feiert Herwig in einer Art Schelmenroman den schlichten Soldaten und seine Freude an der Schlacht. Katholisches Weltbild und patriotisch-militärische Emphase gehen scheinbar bruchlos zusammen. Eine weitere Seite des Herwigschen Werkes, die auch, wenngleich vermittelter, mit der katholischen Weltsicht des Autors verbunden ist, wird bestimmten Exponenten der Heimatkunst kaum gefallen. Drei seiner Romane spielen in Polen bzw. im Grenzgebiet zwischen Polen und Deutschland. In „Die letzten Zielinskis“ wird eine Polin, die deutscher Kultur sehr reserviert gegenübersteht, zur tragischen Verkörperung echten Bauerntums. Herwig ist hier ebenso wie im Roman „Das Schlachtfeld“ um eine differenzierte Sicht polnischen und deutschen Volkscharakters und des

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Zusammenlebens beider Nationen bemüht. Eine geistige Schlacht des Idealismus gegen den Materialismus wird geschlagen, in der sich die Reformideen der Moderne zu bewähren haben. Am Ende werden revolutionärer Umsturz, bloße Verstandesbildung, reaktionäre Konvention ebenso verworfen wie der dekadente Ästhetizismus des Dichters. Die gebildete Polin und der deutsche Gelehrte dienen in Krakau gemeinsam dem Voranschreiten des Idealismus. Jede Nation gibt ihr Bestes, ein „friedlicher und gebefreudiger Austausch der guten Kräfte“197 ist zukünftiges Ziel. Die an sich unzulässige Konfrontation fiktiver Gestalten, des deutsch-polnischen Wissenschaftlerpaars in Krakau, des katholischen Priesters mit seiner vorbildlichen Erziehungsanstalt, des jüdischen Kindes, das die Hoffnung einer alten Familie ist, mit der kommenden Realität des 20. Jahrhunderts läßt schaudern. Herwigs dritter Roman aus diesem Themenkreis zeigt eine Verschiebung der Sicht beider Völker. Er wendet sich dem Problem der Kolonisierung zu, gehört damit an die Seite einer ganzen Reihe in Weimar entstandener Werke, die den Kolonialgedanken mehr oder weniger differenziert verfolgen. Herwig gehört zu jenen, die nicht gewalttätiger Eroberung und Oktroyierung deutschen Wesens das Wort reden, sondern für fleißige und vorbildhafte Kulturarbeit in den Ostgebieten plädieren. Herwigs bedeutendste Leistung ist eine Legendentrilogie aus dem modernen Alltag: „Sankt Sebastian vom Wedding“, „Die Eingeengten“ und „Hoffnung auf Licht“. „Sankt Sebastian“, der den Genrebegriff als Untertitel trägt, ist in der Tat eine reine Legende, die den Aufbruch der Hauptfigur aus kontemplativem Klosterleben in die Welt der Armen und Erniedrigten, ihr tätiges „Mitleid“, ihren gläubigen Opfertod und dessen Wirkung darstellt. Die folgenden Teile der Trilogie, die untereinander Bezüge aufweisen, sind romanhafter, legen mehr Wert auf Milieu- und Charakterdarstellung, bewahren aber den legendenhaften Grundgestus. Sie zeigen, wie die Botschaft Sebastians im elenden Alltag des Weddings weitergetragen wird Gottvertrauen und tätige Mitmenschlichkeit sind die einzigen Mittel zur Besserung. „Wehe denen, die fressen, wenn andere hungern! Wehe denen, die sich in Seide räkeln, und andere wälzen sich in Lumpen!“198 Sebastians Botschaft ist radikal, sie scheint auf taube Ohren zu treffen, wirkt aber stetig fort. Die in der Literatur der Zeit allgegenwärtige Großstadtkritik erscheint hier: Alle Facetten sozialer Not und moralischer Verderbtheit – Trunksucht, Prostitution, gleichgeschlechtliche Liebe, auch das Milieu der Reichen zwischen hektischem Gewinnstreben und sinnlosem Luxus – werden dargestellt. Konservatives Beharren auf herkömmlichen Normen wird ebenso verworfen wie das Treiben linker Umstürzler. Der Heimatkunstbewegung gemäß werden Gegenwelten zum großstädtisch-dekadenten Leben entfaltet. Sie können sich in einer Laubenkolonie mit gesundem natürlichem Leben befinden oder in der rauhen Wildnis Kanadas, die als Refugium starker Naturmenschen erscheint. Das Wesentliche freilich ist die christliche Orientierung auf Hingabe, auf eine Abkehr von jeglicher Selbstsucht, auf tätige Liebe zum Nächsten und zu Gott. Herwig gelingen berührende Figuren wie die des Paul. Ein moderner Heiliger, der von sich sagt, er sei zum Denken zu dumm, der aber göttliche Eingebung hat, stolpert er mit seinem schäbigen Mantel durch die Luxushotels und Elendsquartiere Berlins. „Ich bin bloß Paul ...“199, sagt er zu einem Akademiker, dem er wie allen anderen Figuren überlegen ist, weil er ganz im Glauben und ganz in der Mitmenschlichkeit lebt.

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Herwig ist auch Verfasser zweier Weimar-Erzählungen. „Die feine Ingeborg“ ist die tragikomische Lebensgeschichte der Schneidermeisterstochter aus der Wurstgasse, die ihren Mitmenschen kalt und egoistisch begegnet. Historische Gestalten wie Amalie von Groß, Franz von Schober oder Carolyne Sayn-Wittgenstein „streifen“ die Handlung, die in den Händen des humorvollen und gerechten personifizierten Gottes liegt. Am Ende werden die wenigen selbstlosen Taten Ingeborgs gewogen, sie wird vor der Verdammnis gerettet. Der Text steht in der Tradition Helene Böhlaus, anders freilich als diese aufgehoben im christlichen Heilsglauben. Weimars katholische Autoren schreiben über Franz Liszt. Bekannt ist Karl Linzens „Zauberer“-Erzählung200, die die überirdische Schönheit der Messen im Jägerhaus gestaltet, Franz Liszt zwischen dämonischer Lebendigkeit und frommer Verklärung zeigt, und mit dem nostalgischen Blick auf den rauschenden Brunnen in der Marienstraße schließt. Herwigs Text über den Komponisten heißt „Liszts letzte Liebe“. Auch für ihn wäre das Attribut tragikomisch angemessen. Komische Figuren wie der Straßenkehrer mit Wagen und Pferdchen, die Berliner Literatin mit schiefgerutschtem „cul de Paris“ und die wackere Haushälterin gehören zur weimarischen Idylle um die Hofgärtnerei. Hingabe und Entsagung sind die Themen, die auch hier aus christlicher Überzeugung entfaltet werden. Der klugen Dame aus der Großstadt wird die naive und unverbildete Lina aus Vollersroda entgegengestellt, die wie die heilige Elisabeth und die Muttergottes „hingebend“ ist. Herwigs Liszt erkennt, daß die für ihn schwärmenden Frauen eigentlich das Göttliche, das „Letzte und Ewige“201 meinten. Linas Kranz aus blühenden Rosen verschmilzt mit der Gebetsschnur zum Symbol allumfassender Liebe. Franz Herwigs erst nach seinem Tode erschienener Vermächtnisroman „Tim und Clara“ bündelt noch einmal wichtige Motive. Das Kaiserreich erscheint als Hort verlogener Konventionen, die zwanziger Jahre als Raum sozialer Spannungen, leeren Profitstrebens und dekadenter Verderbtheit. Erneut geht Großstadt- und Modernekritik mit der Suche nach natürlichen Gegenwelten einher: Die Faszination der Heimatkunst von individueller Bewährung in der Natur, von „Urbarmachungen“ in der Tradition Knut Hamsuns zeigt sich auch hier; freilich ist Tims Flucht in die hannoversche Heide von düsterer Atmosphäre, von gebrochenem schöpferischem Optimismus. Interessanterweise wird eine bestimmte politische Alternative am Ende von Herwigs Schaffen verworfen: Die lächerliche Figur des italienischen Faschisten, der „durch jäh emporgestoßenen Arm“202 grüßt, ist eine nur beiläufige, zeigt aber, daß der Autor der neuen Bewegung fremd gegenübersteht. Ihm bleiben als Werte Familie und Arbeit im natürlichen Raum fern der Großstadt, vor allem aber die alles umgreifende Überzeugung, daß nur opfernde Nächstenliebe die Gesellschaft zu bessern vermöge. Auch Franz Herwigs Roman „Die Stunde kommt“ gestaltet die zentralen Motive von Bauen und Zerstören. In der Geschichte eines Hauses am Gardasee werden zugleich menschheitliche Entwicklungen seit der Renaissance bilanziert, die bis in die Gegenwart wirken. Herzog Vincenzo Gonzaga beginnt 1607, in Maderno einen prächtigen Palast zu errichten. Er ist ein Ungläubiger, der in der Abkehr von Gott dennoch Irdisches und Sinnliches zu übersteigen strebt: Wissen und Schönheit,

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geistiger und ästhetischer Genuß sind seine – sich in dem Bau ausprägenden – Lebensinhalte. „Wir werden alle Dinge erforschen.“203 bemerkt Gonzaga, er verkörpert nicht nur ungebrochenen Optimismus in die Erkennbarkeit der Welt, sondern hohes Vertrauen in Kunst und Bildung. Wie ein Besessener baut der Herzog an seinem Dingsymbol des Geistes und der Schönheit; am Ende freilich erkennt er sein Tun als Irrweg und findet Trost in Gott. Die zweite Episode des Romans verwirft eine andere Möglichkeit areligiösen Lebens. Ein halbes Jahrhundert später erscheint Carlo Gonzaga in Maderno, baut ein Lusthaus und frönt nur sinnlichem Genuß. Trauben und Rosen, stampfende Stiere mit purpurbehängten Stirnen dekorieren sein neues Arkadien. „Vielleicht ist es wahr, was viele sagen, daß das Zeitalter der Liebe heraufgezogen ist, daß die Liebe triumphieren darf, indem sie die Fesseln der Sitte zerreißt“204 – dieser Satz der Romanfigur Bulgarini berührt ohne Zweifel nicht nur die barocke Lust im Kreise Carlos, grundlegende kulturelle Entwicklungen vielmehr, die im Fin de siècle kulminieren. Auch Carlo stirbt einen einsamen Tod, auch hier behält Gott das letzte Wort. Die Geschichte des unseligen Baus geht in die dritte Phase. Für Michele Ghiselli wird der Palast zum Symbol der Suche nach Macht und Geld. Auch er ist ein Ungläubiger, der seine Gottlosigkeit bezeichnenderweise mit Geisterseherei, mystischer Spekulation, Hypnose und Somnambulismus kompensiert. Eben öffnet die Französische Revolution, die im Roman präsent ist, endgültig den Weg für das Bürgertum; Ghiselli ist die Verkörperung des Geschäftstüchtigen und Machtbewußten, des spartanischen Gewinnstrebens, das Menschlichkeit beiseitestellt. Der Kreis schließt sich: Vincenzo Gonzaga wendet alle seine Lebenskräfte an den Bau, um Erfüllung in Geist und Kunst zu finden; Michele Ghiselli zerstört den Bau, um unter seinen Steinen Gold zu fördern. Herwig nimmt das zentrale Symbol seines Romans auf, um historische und kulturgeschichtliche Entwicklungen der Neuzeit als verwerfliche zu gestalten. Anknüpfend an romantische Muster begreift der Autor die Renaissance als Beginn zunehmender Entfernung von Gott, die die Tragödie der Moderne begründet. In jenem Bau und seiner Zerstörung spiegeln sich Bildung, Sinnlichkeit und Gewinnstreben als eitle Versuche gottloser Weltordnung. Es ist nicht zu verkennen, daß Herwig gewissermaßen gegen weimarische Tradition schreibt: Klassische Geschichtsphilosophie wie Ästhetik sind ihm fremd. Wie das Haus am Gardasee ist ihm der Bau der Weltgeschichte ein ebenso prachtvoller wie brüchiger. Der bauende Mensch ist, indem er sich von Gott abwandte, der Hybris verfallen, ihm bleibt nichts als Umkehr und Buße.

5.6 Literarische Wege zur „deutschen Mystik“ – Ernst Ludwig Schellenberg Zu den in Weimar geborenen Dichtern gehört Ernst Ludwig Schellenberg. Er ist der Sohn des Lehrers und späteren Direktors am Sophienstift, des Hofrats Ernst Viktor Schellenberg. Mit Conrad Ansorge, dem Pianisten, der Nietzsche und Dehmel vertont, ist Schellenberg befreundet, mit ihm verbindet ihn feines Empfinden für lyri-

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sche und musikalische Strukturen, auch die Sehnsucht nach einer Erneuerung des Idealismus, die Ansorge durch die Mitgliedschaft im „Werdandi“-Bund205 unterstreicht. Schellenberg ist in erster Linie Lyriker, er publiziert eine Reihe von Gedichtbänden, in den zwanziger Jahren dann auch eine umfängliche Sammlung. In einem fiktiven Brief an Ansorge entwickelt er seine „Gedanken über Lyrik“: Er hebt die Nähe des Gedichts zur Musik hervor, beide Kunstformen weckten Seelenlandschaften, die Lyrik zumal sei geradezu eine „Seelenevolution“206. Schellenberg plädiert dafür, die Sprache als Mittel, nicht als Zweck dichterischen Ausdrucks zu verstehen. Aufschlußreich sind seine Bemerkungen zur Unübersetzbarkeit von Gedichten; Schellenberg selbst ist ein guter Nachdichter symbolistischer Lyrik, beispielweise Verlaines, Verhaerens und Maeterlincks.207 In seiner theoretischen Schrift wendet sich der Autor gegen die Zuordnung der Dichter zu literarischen Richtungen: „Mag er nun Heimatkünstler, Symbolist, Realist, Dekadent sein, – wenn ich ein paar Verse von ihm kenne, die mir Trost Freude, Heiligung spenden, so brauche ich von seinem Wesen sonst nichts zu wissen.“208 Dies sagt viel über Schellenbergs Selbstverständnis, der der modernen Weltsicht und Formensprache Verlaines, Jean Moréas’ und Rilkes ebenso zugeneigt ist wie der von Hermann Allmers, Gustav Falke und Johannes Schlaf. Schellenbergs frühe Gedichte bewegen sich in der Spannung von Originalität und Konvention. Naturbetrachtung und Stimmung verknüpfend, gelingen ihm zuweilen subtile Verse; er entfaltet Musikalität und Klangfülle, die sich auch aus impressionistischen Einflüssen speisen. Dennoch auffallend ist die Freude an genrebildlichen Dorfszenen, auch die beinahe plagiathafte Tradierung überkommener Muster, etwa Eichendorffs. Nach 1906 erscheinen in Schellenbergs Lyrik, die nun nicht unberührt von expressionistischen Formen ist, neue Inhalte. Auch er gestaltet die Großstadt. „Ist dies Berlin, wirklich Berlin, die Hauptstadt des Reiches? Dies Ungestüm, dies drängende Wirrsal, dies Infusoriengewimmel des steinernen Meeres?“209

Die rhetorische Frage des lyrischen Ichs eröffnet den Blick auf Invaliden und Huren, fluchende, im Alltagstrott gefangene Arbeiter und in Seide gekleidete Damen. „Feil“, „geil“ und „gierig“ sind Attribute einer veräußerlichten Lebenslust. Lärmend und sinnvergessen scheint Berlin. Der zweite Teil des Gedichts kommt zu einem hoffnungsvollen Schluß: Auch im „steinernen Meer“ erscheint das „hohe Lied des menschlichen Geistes“210, in der Musik, im Abendgeläut, in der Mutterliebe, in der Einsamkeit des Schaffenden. In pathetischen Ausrufen wird das Volk beschworen, in dessen Existenz sich Heiliges erhalte. Auch andere Großstadtgedichte Schellenbergs vertrauen auf unentfremdete Bereiche, auf den „Ursinn“211, der auch in der modernen Metropole in Relikten bewahrt ist. Der Weimarer Autor nimmt ein Lieblingsmotiv der Heimatkunst auf, steht expressionistischen Stadtvisionen doch so fern nicht. Einige interessante Revolutionsgedichte zeigen noch deutlicher einen Grundzug der Schellenbergschen Texte. „Aufruhr“ gestaltet eine Szene, die mit ihren Losun-

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gen dem November 1918 entstammen könnte. Die rebellierende Masse wird weder mit Sympathie noch mit Mitleid betrachtet. Roheit und Brutalität sind ihre Attribute, dazu eine begehrlich-trunkene und gefährliche Lust. Die Figur mit der roten Fahne erscheint als personifizierter lüsterner Tod. Im deutlich abgesetzten zweiten Teil des Gedichts wird das Gegenbild des einsamen Denkers in der Studierstube entfaltet: Den Lärm des Tages hört er nicht, wohl aber das Rauschen der Ewigkeit. Schellenbergs Bekenntnis gilt der „reinen“ und „tiefen“ Welt des Geistes, die – unangetastet durch das „Schüttern der Gegenwart“212 – diejenigen erhebt, die sich ihr ganz anheimgeben. Ein zweites Revolutionsgedicht, „Du“ betitelt, setzt einen anderen Akzent: Es zeigt die Anwesenheit Gottes in den verrauchten Bierlokalen der Aufrührer, in ihren Hohnreden und Gesängen. Revolution erscheint als verzweifeltes und unbewußtes Gottsuchertum. Eine schwangere Frau, die brutale Losungen ruft, ist moderne Marienfigur, die den Heiland trägt. Auch hier gilt die Hoffnung nicht irdischer Gerechtigkeit, sondern dem göttlichen Urgrund der Welt. Schellenbergs Neigung zu neuplatonisch-mystischem Gedankengut ist also bereits in der Lyrik unverkennbar. Daß selbst in Elend und Verfehlungen Göttliches zutage tritt, daß Geistiges von höherem Wert als Materielles ist, daß schließlich der einzelne zur Vereinigung mit dem Urgrund der Welt streben müsse, sind im Dichterischen entfaltete Thesen. Fast erübrigt es sich, darauf hinzuweisen, daß auch Schellenbergs lyrisches Ich der Meister-Eckhart-Lektüre starke Anregungen verdankt, in der Stille und Einsamkeit nach erlösender Unio mit dem Ewigen strebt. Schellenbergs Lyrik hat andere Facetten auch: Noch zu mystischer Welterfahrung gehört seine Sicht individuellen Werdens aus menschheitlicher Kultur: „Zeiten und Zonen haben an mir gebaut, alle, die waren: Griechenlands Klarheit, indische Sehnsucht und Negerlaut, Germanen und Janitscharen Jesus flüstert in mir und Laotse, Rembrandt und Bach durchwirken mein Glück und Weh.“213

Mit einer solchen Auffassung, die primitiv-völkischen oder rassistischen Thesen eher fernsteht, berührt sich Schellenberg mit Lienhards Gedanken einer Weltseele. Einer gewissen – besonders von der Heimatkunst gepflegten – Mode genügt Schellenberg, indem er Gedichte über den Jahreslauf zum Zyklus reiht. Nicht immer ist er frei von biederer Heimattümelei und aufgesetztem nationalem Bekenntnis. Auch Personenlyrik entspricht zeitgenössischem Geschmack, Schellenbergs subtile Musikergedichte sind ebenso zu erwähnen wie humorvoll-realistische Typendarstellungen. Der Prosaautor Schellenberg ist manchem wohl nur durch sein im Kriegsjahr 1942 erschienenes Buch „Besinnliches Weimar“ bekannt: Aus der „Gauhauptstadt“ flüchtet der Dichter zu den „trauten Gassen und Plätzen“214, in eine gemütvolle Zeit; nostalgische Erinnerung verknüpft sich mit manchem kulturgeschichtlichen Detail.

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Jahrzehnte vor diesem Weimarband publiziert Schellenberg „Die Bekehrung“, eine Sammlung thematisch und formal disparater Erzähltexte. Zwei der Geschichten gestalten biblische oder durch die Bibel angeregte Sujets. „Mirjam“ nimmt die Behauptung des Römers Celsus auf, nach der Jesus der Sohn eines römischen Soldaten ist. Der greise Zenturio Josephus Panthera trifft in Jerusalem Mirjam wieder, jene Frau, die er vor dreißig Jahren in Nazareth liebte. Die Begegnung erschüttert ihn, zumal ihrer beider Sohn eben zur Hinrichtung geführt wird. „Er hat die Menschen geliebt …“215 erklärt ihm Mirjam auf seine Frage nach Jesu Schuld. Ist dies ein Versuch, Jesus von jüdischer Abstammung zu „befreien“, im Sinne von völkisch-rassistischen, von Lagarde und Chamberlain inspirierten Religionsentwürfen? Man mag dies nicht von der Hand weisen, ein gewisser unterschwelliger Antisemitismus des Textes ist deutlich. Zugleich versucht Schellenberg, den „Wundergeschichten“ der Bibel einen realistischen Grund zu geben, daraus dann den Gedanken allumfassender Menschlichkeit zu entwickeln. Die Erzählung „Die Versuchung“ gestaltet Matthäus 4, 1-10 ganz irdisch: Aus der Wüste zurückkehrend, wird Jesus mit den Ansprüchen hungernder Armer, wundersüchtiger Priester und der auf Unterwerfung bedachten Obrigkeit konfrontiert. Schon verzweifelt er an der Zukunft, als ihm ein alter Mann das Wunder seiner Bekehrung erzählt: „Wer bereit ist, zu dem redet Gott am vernehmlichsten. Er flüstert ja nur, und darum können die Lärmenden ihn nicht verstehen.“216 Schellenberg versucht, christliche Religion fern von priesterlichem Dogma und biblischer Wundergeschichte neu zu beleben: Im Alltag, in stiller Offenheit und Sammlung, vermag der einzelne das Göttliche zu erfahren. Entfernt an Hofmannsthals „Märchen der 672. Nacht“ erinnert Schellenbergs Novelle „Das Bild“: Der einsame, reiche, gewissermaßen dekadente Held, abgestumpft vom Genuß an Büchern und Bildern, beginnt die wahnsinnige Suche nach einem Ideal der Frau, um am Ende zu erfahren, daß Erfüllung in einem schlichten Lied liegen kann. Der Autor liefert einen Abgesang auf die einsamen, in ihren komplizierten Kunstwelten gefangenen Helden, feiert die lyrisch-musikalische Offenbarung des Göttlichen. Zu Schellenbergs Band gehört mit dem „Ziegenfriedel“ eine schlichte, beinahe für kindliche Leser geeignete Erzählung, die sich zu Stille und Natur und zum Mitgefühl mit der Kreatur bekennt. Schließlich folgt noch der autobiographische Text über den Schüler Erich Sturm, der Hölderlin und Lenau liest, aber sitzenzubleiben droht. Zu seinem überstrengen Vater findet er am Ende doch noch eine Beziehung, indem er ihm offen und mitleidig begegnet. Wie ein roter Faden zieht sich ein Grundmotiv durch alle Erzählungen, das erneut Schellenbergs Nähe zur Mystik belegt: Die Liebe ist die Kraft, die das Einswerden mit dem Heiligen gewährt. Auch mit einer theoretischen Schrift setzt sich Schellenberg mit dem philosophisch-existentiellen Phänomen des Mystischen auseinander: „Die deutsche Mystik“ lautet der bezeichnende Titel seines 1939 bereits in 3. Auflage erscheinenden Buches. Der Autor führt die Idee der Unio von Individuum und Gott, von Irdischem und Überirdischem, von Gewesenem, Seiendem und Aufgegebenem mit ideologischen Prämissen des Völkischen zusammen. Die Mystik, so postuliert Schellenberg,

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überwinde die verderbliche Anschauung des Judentums, nach der ein persönlicher, außerweltlicher Gott wie „ein orientalischer Despot“217 auf seine Knechte herabschaut. Mystische Erfahrung erscheint als typisch deutsch, genehme Quellen sind Platon und Plotin, auch die indische und buddhistische Mystik. Keinen Gedanken verschwendet Schellenberg darauf, daß es eine starke jüdische Mystiktradition gibt, die die Literatur des Fin de siècle nicht unwesentlich beeinflußt, und die eigenartigerweise ähnliche Motive wie der Weimarer Autor entfaltet. Daß Gott sich im Kleinsten und Unwürdigsten, auch in der Kreatur offenbare, ist hier wie dort tiefe Überzeugung. Schellenberg entwickelt seine Lieblingsidee, daß die Musik von aller Materie geschieden sei, aus sich selbst entstehe, als eine Art Raum des Göttlichen; in dieser Hinsicht erscheint ihm Bach als großer Mystiker. Dann rekurriert auch Schellenberg auf die Architektur der Gotik, die für ihn steingewordener Ausdruck deutscher Mystik ist: Sie entspreche steilentfachter, aber „gehaltener“ Geistesflamme, verkörpere zugleich eine besondere Beziehung zur Natur und zum Wald, entstehe aus einer „ergriffenen und schuldlosen Gottesschau“218. Bezeichnenderweise sieht Schellenberg „Übermaß und krankes Schwelgen“219 vor allem in der Frauenmystik, die er nicht in ihrer wahren Bedeutung würdigt. Die Angst vor erotischen und emotionalen Untiefen des Weiblichen verbindet ihn übrigens mit dem in vielem von ihm differierenden Friedrich Lienhard. Schellenbergs These, daß jeder in der Stille aus sich selbst nach mystischer Erfahrung streben solle, freilich nicht in quietistischer Weltferne, sondern im Bewußtsein, daß das Diesseitige heilig sein kann, ist durchaus produktiv, nicht aber ist es die völkische Usurpation mystischen Geistes: Ein flüchtiger Blick nur auf europäische Kulturgeschichte genügt, um inniges Streben nach der Unio etwa in ostjüdischchassidischen Legenden zu finden, die in Motiven deutschsprachiger Literatur tradiert werden.

6. „So liegt in der Form die Freiheit ...“ – Neuklassik in Weimar 6.1 Die Idee einer Reform von Dichtung und Kultur Im November 1903 begegnen sich zwei Dichter in der Pause von Ibsens „Rosmersholm“ im Weimarer „Tivoli“: Paul Ernst ist mit Louise Dumont, die mit ihrer Truppe hier gastiert und die weibliche Hauptrolle spielt, seit den neunziger Jahren befreundet.220 Wilhelm von Scholz schätzt Dumont als charismatische Persönlichkeit. Das Ibsen-Erlebnis aber verblaßt vor dem Eindruck der beiden Männer, einen Gleichgesinnten getroffen zu haben. Wenige Tage später besucht Scholz seinen neuen Bekannten. In intensiven Gesprächen in Ernsts Garten Am Horn, im Ilmpark, in der Belvederer Allee, aber auch in den Straßen der Stadt erörtern die Autoren die kulturelle Situation, die Bilanz literarischer Entwicklungen und entwerfen ihre ehrgeizige Programmatik einer neuen Dichtung. Mit einem prägnanten Schlagwort

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spricht man von der „Neuklassik“, die vom Traditionsort Weimar aus ihre Stimme erhebt. Neben Scholz und Ernst ist der Dramatiker und Kulturkritiker Samuel Lublinski zu beachten, der einige Jahre später hier seinen Wohnsitz nimmt. Am 3. Juni 1910 dann findet in Weimar die erste Begegnung von Paul Ernst und Georg Lukács statt: Der junge ungarische Gelehrte ist dankbar für den Gedankenaustausch in Ernsts Haus, er erfährt „eine innere Festigung und Bestätigung“221. Lukács findet – bei allem späteren Wandel – in den Idealen der neuklassischen Bewegung die Grundlage seiner Literaturtheorie. Starke Frauenpersönlichkeiten gehören zum Kreis der neuklassischen Dichter. Else von Schorn ist als Tochter des Altphilologen und Gymnasialdirektors Otto Apelt gebürtige Weimarerin, nach dem Tode ihres Mannes, eines Verwandten Adelheid von Schorns, führt sie ihrem Vater das Hauswesen. Else, die einst zusammen mit Käthe Kollwitz eine Malschule in Berlin besuchte, reist gemeinsam mit Adelheid, wird in deren kulturellen Kreis einbezogen. So lernt sie Paul Ernst kennen, erhält durch ihn Anregungen für ihre zeichnerischen Studien und interessiert sich für seine Arbeiten. Man mag sich nicht ausdenken, welchen Klatsch die Beziehung des noch verheirateten Dichters mit Else von Schorn in der kleinen Stadt hervorruft. Als sie 1912 ein Kind von Ernst bekommt, geschieht dies in Italien, sie betreibt ihren endgültigen Wegzug von Weimar; komplizierte bürokratische Maßnahmen – Georg Lukács wird Vormund des Kindes – verschleiern seine Herkunft.222 Erst 1916 heiraten die beiden; Else Ernst wird nicht nur wichtigste Mitarbeiterin ihres Mannes, sondern selbst produktive Übersetzerin und Autorin. Auch Irmgard von Scholz ist eine interessante Frau. Sie und ihr Mann sind mit Else Lasker-Schüler befreundet. Irmgard kümmert sich um Lasker-Schülers Sohn „Päulchen“, der mit ihrem eigenen Jungen die Odenwaldschule besucht.223 Ida Lublinski, die Schwester des Dichters, ist keineswegs eine – ihren Bruder überschätzende – „einfältige alte Jungfer“224. Die Ethnologin und Religionsforscherin nennt sich im Weimarer Adreßbuch selbstbewußt Schriftstellerin; mit dem poetischen Namen „Raba“ erscheint sie in Lasker-Schülers Prosa und in ihren Briefen.225 Nach dem Tod ihres Bruders gibt sie seine „Nachgelassenen Schriften“ heraus. Die neuklassischen Autoren ziehen eine „Bilanz der Moderne“, die – bei im einzelnen differenziertem Urteil – nicht positiv ausfällt. Nicht nur verwirft man die naturalistische „Nachmalung des Kleinen und Engen“226, auch die anderen Strömungen der Jahrhundertwende verfallen der Kritik. Man meint ein allgemeines Verwischen ästhetischer Maßstäbe, eine dekadente Mißachtung des ideellen Gehalts literarischer Werke und ihre „psychologische Zerfaserung“227 zu erkennen. Insbesondere den Zustand der deutschen Bühne und der Dramatik sieht man kritisch. In ihren Weimarer Gesprächen kommen Scholz und Ernst stets von neuem auf die „negative Theatergeschichte“228 zu sprechen, in der das vermeintlich Mittelmäßige triumphiere, während Gutes und Bedeutendes ausgeschlossen und niedergeschwiegen werde. Dies ist keineswegs nur das Verdikt unbegabter und verbitterter Autoren, sondern trifft eine Entwicklungstendenz der Theatergeschichte. Die zunehmende Orientierung der Bühnen am materiellen Erfolg protegiert eine Dramatik, die der Unterhaltung, jedenfalls aber der sinnlichen Anschauung, verpflichtet ist.

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Scholz und Ernst sind sich einig, daß Literatur wieder Urbilder als höchste Erscheinungsformen von Welt und Mensch zu schaffen habe, daß sie ihren sittlichen Anspruch erneuern müsse, einem reinen und tiefen Humanismus verpflichtet sein sollte. Lublinski gebraucht den Begriff „Gemütswucht“229, um seine Forderungen insbesondere an das Drama zu beschreiben: Sie entstehe aus dem Verhältnis von Mensch und Unendlichkeit, dem die neuen Stücke verpflichtet sein müßten. Der Forderung nach dem Sinn entspricht die nach der Form: Strenge, hoher Stil, Maß und Harmonie, Zucht der Sprache sind die Kriterien. Man bekennt sich zur peripatetischen Dramaturgie und nimmt Stoffe der griechischen Antike auf. In der Erzählprosa versuchen die Autoren, moderne „Fehler“ zu vermeiden; sie verzichten auf psychologische Analysen und Lyrismen, sind bestrebt, sich selbst zurückzunehmen und streng und geradlinig zu gestalten. Nichts liegt den neuklassischen Autoren ferner, als nur eine neue literarische Strömung zu kreieren, sie wollen vielmehr einen tiefgreifenden Wandel der Kultur. Der Synthesebegriff, den vor allem Lublinski benutzt, bezeichnet die Intention: Wenn es gelänge, die Einheit der Menschennatur wiederherzustellen, die durch ökonomischen und soziologischen Wandel preisgegeben scheint, wenn man Glauben, Nation und Volk von Dogma und Verflachung reinigen könnte, eine „universale Humanität“230 erreichte, dann hätte nicht nur die moderne Literatur und Kunst, sondern die Gesellschaft insgesamt eine Zukunft. Weimar ist für die Neuklassik ein symbolischer Ort. Ihre wichtigen Autoren leben eine Zeitlang hier, in räumlicher Nähe zu den Traditionen, die sie aufnehmen wollen. Eine „Stadt für das Sichversenken in den Geist“231 finden sie, ohne die hektische Betriebsamkeit einer Großstadt, mit der Möglichkeit stillen Arbeitens in stetem Erinnern an die klassischen Vorbilder. Dabei nehmen sie durchaus an der Geselligkeit232 teil: Lublinski, Scholz und Ernst sind Gäste im Nietzsche-Archiv, sie schätzen van de Velde als den „Reiniger“ des Wohnstils, der in Linie und Rhythmus lebt233, freilich nur Wegbereiter einer neuen wesenhaften Kunst zu sein scheint. Auch die Neuklassiker sehen die problematischen und skurrilen Züge des Weimarer Alltags. Kopfschüttelnd beobachtet Scholz den Stammtisch der reaktionären Pensionäre234, die mangelnde Bildung und Kreativität des Hoftheaterintendanten Vignau235. Paul Ernst sehnt sich auf dem ungeliebten Dramaturgenposten in Düsseldorf nach seinem stillen Garten Am Horn und nach den Gesprächen mit Scholz. „Nur scheint mir Weimar nicht der Ort zu sein ...“236 bemerkt er gleichwohl. Der elliptische Satz belegt, daß den Neuklassikern Weimar zwar Programmbegriff, nicht aber die Stadt lebendiger Verwirklichung literarischer und kultureller Visionen ist. Übrigens wollen Ernst und seine Mitstreiter keineswegs einen bloßen Nachvollzug der Klassik. Wiederholt verweisen sie auf die gewandelten Zeitverhältnisse, die eine neue Dichtung erforderten. Der Formanspruch sei jetzt härter und absoluter. Sie fühlen sich abgestoßen von der „Intrigenhaftigkeit“237 des klassischen Dramas, meinen, daß ein weniger „berechneter“ Ablauf, eine natürlichere Entfaltung der Konflikte der modernen Zeit eher entsprechen. Gerade aus einem kritischen Blick auf die klassische Zeit gewinnen die Autoren ihre eigene Intention: Bezeichnend ist Samuel Lublinskis gedanklicher Spaziergang durch den Weimarer Park, in dem ihm Naturbrücke, künstliche Mauer und der „rüh-

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rend komische Greuel des sogenannten römischen Hauses“238 belegen, daß die Klassizität in den Tagen Goethes nur ein Ideal war. Heute, daran lassen die Neuklassiker keinen Zweifel, geht es nicht um Vergangenheitsschwärmerei und Epigonentum, auch nicht nur um einen Wandel von Bühne und Dichtung, sondern um Sinn und Form in der menschlichen Kultur. „… eine neue Klassizität, dünkt mich, muß kommen“239, schreibt Thomas Mann 1911 in einem seiner großen Essays über Richard Wagner. Diesen Überlegungen voran geht jene Lesereise im Herbst 1910 nach Weimar, dessen historische Gestalt den Dichter tief beeindruckt.240 Sein Bild vom „Meisterwerk des zwanzigsten Jahrhunderts“241, das logisch, formvoll und klar, zugleich streng und heiter sein sollte, berührt sich ohne Zweifel mit neuklassischen Thesen. Dies hängt weniger mit Thomas Manns Beschäftigung mit den Schriften Lublinskis, Scholz’ und Ernsts zusammen als mit allgemeinen literarischen und geistesgeschichtlichen Entwicklungen. Aus einer Bilanz der Moderne nach der Jahrhundertwende ergibt sich für viele Autoren die Forderung nach strenger Form, nach einer Aufwertung des ideellen Gehalts der Dichtung, auch nach einer Rückbesinnung auf die griechische Antike und ihre Mythen. Hofmannsthal, der eben noch als Prototyp des Ästhetizisten galt, wendet sich stärker dem Historischen und Sozialen zu. Stefan George erhebt den Willen zur Form zum Grundgesetz seiner Poetik. Thomas Mann schließlich gestaltet in seiner berühmtesten Erzählung die Tragikomödie der Neuklassik; Aschenbach, der strenge und entsagende Künstler, unterliegt im dekadenten Venedig dem Rausch und der Verführung zum Tode. Die hier notwendig skizzenhaften Bemerkungen zum literarhistorischen Kontext belegen, daß die neuklassische Wendung gegen die naturalistischen und dekadenten Strömungen, gegen Psychologismus und Nivellieren ästhetischer Maßstäbe allgemeinem Zeitbedürfnis entspringt. Wohl können Scholz, Lublinski und Ernst ihr Literaturprogramm nicht verwirklichen, die tiefgreifende Kulturreform nicht initiieren. Ihre kritische Sicht auf die Moderne ist doch in vielen Punkten berechtigt, ihr Konzept liefert bedenkenswerte Anstöße. Selbst heute ist der Gedanke „universaler Humanität“242 als Kern neuer Kultur nicht obsolet.

6.2 Paul Ernsts Weg zur Form Als Sohn eines Bergmannes wird Paul Ernst 1866 in Elbingerode im Harz geboren, wenige Jahre später zieht die Familie nach Clausthal um. In seinen Erinnerungen243 verwendet der Dichter viel Raum und Mühe darauf, die soziologischen Charakteristika seiner Kindheitswelt herauszuarbeiten: Er zeichnet das Bild eines Lebens in Anstand und Würde, in einer selbstverständlichen Schlichtheit und Sparsamkeit, einer achtsamen Verbindung zu den Dingen, einer großen Nähe zur Landschaft und zur volkstümlichen Überlieferung. Politik und nationale Überzeugungen beginnen in seiner Rückschau, erst nach 1871 für die Menschen eine Rolle zu spielen. Ernst erinnert sich an eine Welt der Gebundenheit, die integre Individuen hervorbringt. Als der junge Mann 1885 nach Göttingen aufbricht, um Theologie zu studieren, hat jene Umwälzung der deutschen Verhältnisse bereits begonnen, die er später als so

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gravierend und verderblich beschreiben wird. Zunächst erfährt Ernst das Elend der akademischen Ausbildung, die wenig geeignet scheint, einem bildungshungrigen und sinnsuchenden Menschen Anleitung und Rat zu geben. Bald ist er sich im klaren darüber, daß er nie einer Gemeinde Historisches als Heilswahrheit vermitteln könnte. Der für ihn prägendste seiner Studienorte ist Berlin. Viele Male hat man in Memoiren und literarischen Texten den Schock des Eintreffens in der Großstadt, die Diskrepanz zu einer natürlichen, traditionellen und unentfremdeten Heimatwelt geschildert. Auch Ernst kommt von Clausthal, wo am „Sonntag Nachmittag alle Familien ... im Garten des Ludwiger Zechenhauses saßen und Kaffee tranken“244, in die Metropole der Klassenunterschiede, auch er beobachtet schockiert Proletarier, Betrunkene und Prostituierte, die verzweifelte Anonymität der Wohnquartiere. Bruno Wille, der Herausgeber der „Freien Volksbühne“, macht Ernst mit Marxschen Gedanken bekannt. Mehr noch als dies berühren den Studenten die Dichtungen Tolstois. Mit Enthusiasmus verfolgt er die Idee, „wie der Unglücklichste“245 zu leben, eine Art existentieller Solidarisierung mit den Armen. Paul Ernst begeistert sich für Karl Bleibtreus „Revolution der Literatur“ und für Wilhelm Arents Lyriksammlung „Moderne Dichter-Charaktere“; der HölderlinVerehrer spürt wohl die ästhetischen Grenzen des Naturalismus, fühlt sich doch zu ihm hingezogen. Das Bewußtsein, als Dichter berufen zu sein, „eine neue bessere Welt aufzurichten“246, führt Ernst zu den Brüdern Hart und auf die Sitzungen des Vereins „Durch“. Zu den Leitfiguren der neuen Literatur findet er keinen Zugang; Zola ist ihm „von Anfang an langweilig“, Ibsen scheint ihm ein guter Handwerker zu sein, der doch nur die „einfachsten Griffe“ der Dramatik anwendet.247 Vielleicht sind Ernsts Leben und seine geistige Entwicklung symptomatisch für die Jahre der Gärung und des Wandels vor 1900: Daß er Sozialdemokrat wird, ist weniger Ausdruck kontinuierlicher Entwicklung als seiner Orientierungslosigkeit und Verzweiflung. Wiewohl er gegen Marx’ Materialismus und Wertlehre schon bei der ersten Lektüre Bedenken hat, hält er sich fest an seinen Lehren: „Ich hatte eben nun endlich einen Glauben.“248 Paul Ernst wird Herausgeber der sozialdemokratischen „Berliner Volkstribüne“, schreibt das Blatt eine Zeitlang fast allein. Gleichwohl wächst seine innere Distanz zur Partei, insbesondere das nach dem Ende des Sozialistengesetzes verabschiedete Erfurter Programm scheint ihm Dogmen zu enthalten, die er nicht glauben kann. Scharfe Kritik übt er am Protestantismus, der ihm seit dem Pietismus und seiner literarischen Rezeption als unfruchtbar erscheint; von 1840 an vollziehe sich in Deutschland ein „unaufhaltsamer Niedergang des religiösen Lebens im Volk“249. In diesen geistesgeschichtlich und literarisch komplexen neunziger Jahren geht Ernst seine ersten Schritte als Dichter. Es ist nachgerade erschütternd, sein Ringen um die Form des Dramas in einer Zeit „furchtbaren Verfalls der Menschheit“250 zu beobachten. Zunächst entstehen eine Reihe modischer Einakter, die noch deutliche Züge des Naturalismus zeigen. Das Lustspiel „Lumpenbagasch“ führt in ein thüringisches Dorf, dessen Dialekt künstlich und verwaschen wiedergegeben wird, vielleicht auch deshalb, weil Ernst nicht aus Thüringen stammt. Sowohl die Naturalisten – Hauptmann oder Schlaf – als auch die Heimatkünstler – etwa Quensel – machen

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vor, wie man virtuos mit dialektalen Nuancen umgeht. Ernst scheint unentschlossen, ob er das soziale Elend der von ihm dargestellten Armenhäusler anprangern sollte, dann freilich hätte er seinen Figuren mehr Würde geben und ihre Not gründlicher motivieren müssen. Andererseits sind Witz und Cleverneß der Armen kaum erkennbar; überhaupt ist Ernsts Komödie nichts weniger als heiter. Im gleichen Jahr 1898 versucht sich auch Ernst an der literarischen Gestaltung Berlins. Sein einaktiges Schauspiel „Im Chambre séparée“ erörtert die soziale Not eines Nachtlokals, Entsittlichung, Verwahrlosung und Trunksucht werden skizzenhaft und statisch präsentiert. Einige weitere Einakter folgen, die Ausschnitte aus einer Welt liefern, deren Kennzeichen Lebensangst und Hoffnungslosigkeit sind. Neben der Suche nach der ihm gemäßen Form des Dramas, die zunächst als unschöpferische Übernahme moderner Stilelemente und Themen erscheint, beschäftigt Ernst auch die Erzählprosa. 1901 erscheinen sechs seiner Texte im soeben begründeten Inselverlag, die in nichts den künftigen Neuklassiker verraten. „Spielereien der Verzweiflung“251 nennt der Dichter später seine Erzählungen, die sich moderner literarischer Ausdrucksformen bedienen. Ihre Motive sind Einsamkeit, Selbstentfremdung und Wahn. Verrätselung und Verschlüsselung sind wichtige Mittel, ein Zug schwarzer Romantik, von Irrationalismus und Spiritismus ist nicht zu übersehen. In Ernsts Erzählung „Das Grauen“ starren Menschen von einer steinernen Brüstung nach unten; dort liegt ein Mensch auf einer Tenne aus Brettern: „Festgeschnallt war er mit gespreizten Armen und Beinen.“252 Vier Henker lassen ihre Beile niederfallen, die Hände und Füße des Deliquenten werden abgehackt. „Die Leute hier oben brüllten und schwangen die Mützen. Ein Vater hielt seinen Sohn hoch, damit er alles sehen könne.“253 Der Gedanke an Franz Kafka ist so verfehlt nicht; nach seinem Weimar-Besuch 1912, bei dem er Paul Ernst besucht, entsteht im Oktober 1914 Kafkas Erzählung „In der Strafkolonie“. Man mag nicht ausschließen, daß Kafka das Motiv des festgeschnallten Deliquenten, die Zuschauersituation mit den teilnehmenden Kindern, die Atmosphäre der kalt-selbstverständlichen Betrachtung des Folterns und Tötens aus Paul Ernsts „Vorlage“ entnimmt. Allerdings gestaltet Kafka einen stringenten Text, während Ernst nur eine ungeordnete Abfolge von Traumbildern der Entfremdung und Verzweiflung darbietet. 1903 läßt sich Paul Ernst in Weimar nieder; auch er bewohnt eine Villa Am Horn; er bleibt – nur von seiner kurzen Düsseldorfer Intendantenzeit unterbrochen – bis 1914. Die Wahl des Wohnorts ist nicht nur äußeren Umständen geschuldet, sie geht einher mit Ernsts Bekenntnis zu einer neuen Klassizität. Das Abstreifen zufälliger Wirklichkeit zugunsten einer inneren Notwendigkeit, die Entdeckung der Form als Voraussetzung dichterischer Freiheit sind ihm nicht nur poetische, sondern existentielle Prinzipien, für die symbolhaft der Ort Weimar steht. Glaubt man dem Eindruck, den Kafka in seinen Tagebüchern254 über Paul Ernst notiert, so ist der Dichter in der klassischen Stadt freilich kein abgeklärter, in seinem neugewonnenen Schöpfertum ruhender Gestalter der schönen Form, sondern ein psychisch Gespannter, sich über seine Kritiker Erregender, vielleicht sogar einer, der von Neid auf Erfolgreiche – Hauptmann – nicht frei ist, einer auch, der den Äußerungen des Gastes zustimmt, ohne sie wirklich zu hören.

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Paul Ernsts theoretische Schrift „Der Weg zur Form“ setzt sich ausführlich mit marxistischer Gesellschaftstheorie auseinander. Er distanziert sich von seinem Weimarer Mitstreiter Lublinski, der seiner Analyse gegenwärtiger Kultur die ökonomische Lehre des Sozialismus zugrundelege. Ernst glaubt, daß die proletarische Revolution eine Gesellschaft von Arbeitern entstehen ließe, die der einen Klasse Menschenwürde und Gesittung nähme, ohne sie der anderen zu geben. Diese These ist grob und vereinfachend, aber – wie die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zeigen werden – nicht abwegig. Paul Ernst nimmt einen soziologischen Prozeß der Gegenwart zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen: Das Buch wird zur Ware, es wird dem Verhältnis von Gebrauchswert und Tauschwert subsumiert, der freie Schriftsteller schreibt also für den Markt und seine Bedingungen, der philosophisch-ästhetische Konsens zwischen Autor und Publikum ist nicht mehr gegeben. Demnach befindet sich die Literatur in einem Anpassungszwang an eine heterogene Leserschaft. Schöpfertum auf der einen, Muße und Neigung auf der anderen Seite schwinden. Auch wenn Ernst Unterhaltungsliteratur in undifferenzierter Weise verdammt, Begriffe wie „Pack“255 und „Leihbibliotheksschmierer“256 gebraucht, beschreibt er im Grunde doch zutreffend eine Tendenz des Werteverlusts und der Entsittlichung. Daß selbst die gesellschaftlichen Eliten der markt- und profitorientierten „Nutzung“ von Literatur genügen, zeigt Ernsts Hinweis auf Nataly von Eschstruths Widmung eines ihrer Bücher an den deutschen Kaiser.257 Paul Ernst kennzeichnet zwei Wege, die zukünftig eine gedeihlichere Entwicklung von Literatur ermöglichen. Der eine betrifft die ästhetischen Mittel und führt zum Kern der neuklassischen Bestrebungen: Es gelte die Besinnung auf die Form. Anknüpfend an Schiller, formuliert Ernst die These, daß der Dichter in der Form frei werde vom Stofflichen, von den Schlacken des Zeitgeistes. Epigrammatisch bemerkt der Autor: „So liegt in der Form die Freiheit des Künstlers, und je strenger die Form, desto freier ist der Dichter.“258 Es ist durchaus ein Verdienst Ernsts und der Neuklassiker überhaupt, sich auf die geistige und sprachkünstlerische Grundlage der Literatur zu besinnen. Die Polemik gegen die Entwertung von Dichtung und Bühne durch die kapitalistischen Marktgesetze tradiert übrigens Auffassungen aus Weimars ‚Silberner Zeit′, erinnert sei nur an Franz Liszts theatertheoretische Überlegungen und an die Konzeptionen einer literarischen Zeitschrift, die Dichtung Handelsgesetz, Reklame und Unterhaltungsorientiertheit entzöge. Ernst hält die Literaturkritik für geeignet, zunehmender Verflachung und Entwertung zu steuern; alle Neuklassiker sind denn auch glänzende Essayisten und Kritiker. Die wechselseitige Anerkennung und Förderung von Dichtern und Publikum zu ermöglichen, scheint Paul Ernst in der Gegenwart am ehesten ein kleiner Hof geeignet, der sich in seinen kulturellen Inhalten neu formen müßte. Ernst, der Weimars ‚Silberne Zeit′, wohl auch aus Unkenntnis ihrer Inhalte, vollständig negiert, folgt doch dem dort tradierten Traditionsbezug und den Argumentationsmustern: Er erkennt den mediceischen Renaissancehof als idealen Ort der Dichtung und des Austauschs, er etabliert ein Bild von Carl Augusts Musenhof, dem – in Abwehr der entwertenden und nivellierenden Marktgesetze – nachzustreben sei. So fern Paul Ernst auch sonst Harry Graf Kessler und seinem Kreis stehen mag, in der Frage

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eines neuen Hofes, an dem sich Künstler und Publikum frei, kritisch und fördernd begegnen, sind sie sich nah. Ernst allerdings hat keinerlei Ambition, diesen kulturellen Ort in Weimar zu etablieren; er erscheint ihm nur als Möglichkeit im Gegensatz zur verworfenen „amerikanischen“ Großstadtatmosphäre Berlins. Im Jahr 1910 erleben die Weimarer glänzende Theateraufführungen; Marie Gutheil-Schoder singt die Carmen, Elisabeth Schneider ist eine faszinierende Isolde in Ernst Hardts „Tantris“. Die Hofbühne gibt auch Paul Ernsts „Demetrios“, sozusagen die Feuerprobe neuklassischer Dichtung am klassischen Ort. Ernst stellt sich mit seinem Stück in eine lange Traditionslinie: Nach etlichen Autoren – unter ihnen Lope de Vega und August von Kotzebue – ergreift Schiller den Stoff des Betrügers Dimitrij, der Boris Godunow auf dem russischen Thron ablöst. Wie stets hat Schiller einen Blick für das dramatische Potential von Charakter und Vorgang: Der Mann, der wirklich glaubt, der Zarensohn zu sein, der den „Schritt vom Nichts zum Throne“259 geht, steht vor der Frage, was mit der plötzlich erhaltenen Macht anzufangen ist. Das Problem des Taktierens und des Populismus ist nur eines, das sich dem Emporkömmling stellt. Nachdem Schiller der Tod die Feder aus der Hand genommen hat, versucht Goethe erfolglos, den „Demetrius“ zu vollenden. Etliche Jahrzehnte später nimmt Friedrich Hebbel den Stoff auf, auch sein „Demetrius“-Drama bleibt Fragment. Paul Ernst nun verlegt das Stück aus der russisch-polnischen Geschichte in die griechische Antike, nach Sparta, in eine Zeit, da die privilegierten Vollbürger, die „Spartiaten“, ihrer langsamen Auflösung entgegensehen. Schillers Fragment gestaltet wohl ewige menschliche Konflikte, diese aber vor dem farbigen und spannenden Hintergrund des 16. und 17. Jahrhunderts in Osteuropa. Paul Ernsts Antike gewinnt keine Plastizität; der Autor sieht bewußt vom Historischen ab und steckt seine Figuren in eine Art Ewigkeitskostüm. Ein Sklave namens Pytheas wird durch die Gunst des Schicksals emporgeschleudert; er soll Demetrios, Sohn des Orest und der Dyme sein. Nachdem er einen bösen Menschen erschlagen hat, will man ihn, den Sklaven, kreuzigen. Aus Angst behauptet seine Mutter Tritäa, Demetrios sei als Säugling statt ihres eigenen Sohnes vor dem Tode bewahrt worden. Sie lügt: Pytheas ist zwar Orests Sohn, aber er wurde mit ihr, der Sklavin, gezeugt. Auch Paul Ernsts Demetrios ist kein bewußter Betrüger, sondern glaubt an seine angeborene Würde und handelt demgemäß – nur so kann er Held einer klassischen Tragödie sein. Das Schicksal also bringt Demetrios an die Macht, nun muß er handeln. Seine erste Amtshandlung ist es, die Hoffnung des Sklaven Damokritos auf Freiheit seines Standes zunichte zu machen. Er unterschätzt das Volk als Machtfaktor und beruft sich auf sein göttlich geschütztes Recht als König. Wenige Zeit später ist er drauf und dran, es mit den Söldnern zu verderben, denen er keine Beute nach militärischem Sieg versprechen mag. Eine Schlüsselstelle ist das Gespräch mit Nabis, dem Tyrannen, im 3. Aufzug. Nabis, gewissermaßen der Boris Godunow des Ernstschen Dramas, hat verstanden, daß die idealischen Begriffe des Wahren und Guten auf dem Thron nicht zählen, hier geht es um Machterhaltung, Taktieren, Zweckbündnisse, Furcht und Schrecken. Im vierten Aufzug entwickelt Demetrios einen merkwürdigen Plan, der in Schillers Fragment nicht vorgeprägt ist: Die besten Männer aus Söldnerheer, Volk und Adel

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sollen ausgewählt werden, sich den Besitz teilen und als Spartiaten herrschen, die anderen werden Heloten und dienen.260 Die Utopie einer Umschichtung der Gesellschaft auf der Grundlage natürlicher Auslese scheint von Theorien des Fin de siècle, nicht zuletzt von Nietzsche, inspiriert. Die Herrschaft der Starken und Vornehmen bleibt im Drama nur ein vager Zukunftsentwurf. Nach dem Tod der Hauptfigur herrscht auf der Bühne Verwirrung: Erneut schicken sich vom Volk bejubelte Betrüger an, den Thron zu besteigen. Dies entspricht einerseits der Schillerschen „Vorlage“, die die russische Geschichte nach Dimitrij ebenso aufnimmt wie sie die Zusammenbrüche von Herrschaftsverhältnissen um 1800 und den großen Emporkömmling Napoleon mitbedenkt. Die Ratlosigkeit auf der Bühne, das Schreien des Volkes nach vermeintlichen Heilsbringern und Führergestalten ist bei Paul Ernst doch auch vom Zeitgeist der nächsten Jahrhundertwende gespeist. Noch stehen die europäischen Monarchien scheinbar fest und unbeirrbar, schon tauchen in poetischer Antizipation die Heilsbringer des 20. Jahrhunderts auf. In Ernsts Drama will einer Wahrheit und Recht, der stattdessen Macht erhalten und taktieren müßte. Als Kämpfer gegen den Pragmatismus geht er unter, der Idealismus ist preisgegeben. Auch bei Paul Ernst übrigens ist Dichtertum mitzudenken261: Demetrios ist der Dichter im Vollgefühl seiner Mission, nicht geneigt, Zugeständnisse an den Pöbel oder den Zeitgeist zu machen. Ernsts Bestreben, sich auf die „ewigen“ sittlichen Grundkonflikte zu konzentrieren, führt in mehrerer Hinsicht zu Substanzlosigkeit. Während Schillers „Demetrius“-Fragment und die Notizen von genauer quellenmäßiger Erarbeitung und spannender Darstellung der geschichtlichen Vorgänge künden, erfährt man bei Ernst über Sparta in seiner historisch-sozialen Dimension so gut wie nichts. Ähnliches ließe sich über die Charaktere sagen, die im Grunde leer sind. Bezeichnenderweise arbeitet Ernsts Drama nicht mit Monologen, sie bedürften der Fundierung im Psychologischen. Dies hat Konsequenzen, die schon Ernsts Zeitgenossen und Freunde vermerken. Man muß nicht Hardts Wort vom „edelverstiegenen Oberlehrer“262 oder Watzdorf-Bachoffs vom „noble ennui“263 aufnehmen – die gänzliche Abwesenheit innerer und äußerer Dramatik ist doch evident. Der Ernst durchaus wohlwollende Kunsthistoriker Karl Scheffler konstatiert das Unsinnliche, auch Unmusikalische, des Autors.264 Und der Mitstreiter Scholz erkennt das moralisch Abgewogene, das Fehlen mitreißender Handlung, die starre inhaltliche Ethik im Ernstschen Schauspiel.265 Mit dem Blankvers strebt Ernst nach dem Sentenziösen des klassischen Dramas, auch Schillers Methode, gelegentlich eine umgangssprachliche Naivität anklingen zu lassen, macht er sich zu eigen. In beidem erreicht er sein Muster nicht; einige Male mißlingen ihm Verse bis zur Plattheit. Ernsts „Demetrios“ zeigt beispielhaft, was auch die Analyse seiner sonstigen Dramatik ergäbe: Konzentration auf den ethischen Willen und die strenge Form sind im Theoretischen anregende Prämissen; den Stücken aber fehlt die Verankerung in der lebendigen und sinnlichen Daseinswelt.

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6.3 Wilhelm von Scholz und sein Drama „Der Jude von Konstanz“ 1901 läßt sich Wilhelm von Scholz in Weimar nieder. Auch ihm ist es als „geistige Stadt“266 wichtig; seine Wohnung am Kegelplatz 5 liegt in einem kulturellen Koordinatensystem zwischen Liszts Altenburg, dem Goethe- und Schiller-Archiv und dem Großherzoglichen Schloß, in „Bühnentiefe und Kulisseneinfassung“267, nicht fern doch der Straße, die die Verbindung zur Welt herstellt. Das Bewußtsein, überall den Spuren einer guten und großen Tradition zu begegnen, trägt Scholz auch, als er seine zweite Wohnung im sogenannten Prellerhaus in der Belvederer Allee bezieht. Mit dieser Geborgenheit in der Kulturgeschichte sind die Auseinandersetzungen und Konflikte des zeitgenössischen Weimars zu ertragen, die gerade für Scholz keine geringen sind. Der Dichter kämpft publizistisch gegen Positionen der Heimatkunst; Wildenbruchs Idealismus erscheint ihm hohl, die Gespräche mit ihm eher banal; das konservative Pensionopolis-Weimar steht ihm ebenso fern wie der Hof. Mit dem Goethe- und Schiller-Archiv verbindet ihn immerhin die Bekanntschaft mit Suphan, seinem früheren Lehrer vom Friedrich-Werderschen Gymnasium, der ihn mit seinem Spott über Personen und Ereignisse Weimars unterhält. Scholz liebt Nietzsches Lyrik und tritt in enge Beziehung zu Elisabeth Förster-Nietzsche und zum Archiv auf dem Silberblick. Neben allen anderen Vertretern des „Neuen Weimars“ lernt Scholz dort van de Velde kennen, der dem jungen Autor herzliche Teilnahme entgegenbringt. Auch dreißig Jahre später würdigt Scholz die künstlerische Leistung des Belgiers, die „erziehliche Bedeutung seines Reinigungsstrebens“268 und seine anregende Rolle in Weimars Geselligkeit. Neben der Freundschaft mit Paul Ernst ist der Verkehr im Nietzsche-Archiv Scholz’ zweites wesentliches Erlebnis. Dazu treten in den Weimarer Jahren eine Reihe von Kontakten unterschiedlicher Intensität. Scholz trifft die beiden Präsidenten der Schillerstiftung Julius Grosse und seinen Nachfolger Hans Hoffmann, der aus seiner Stammtischzeit mit Wilhelm Raabe berichtet. Mit Rudolf Gmür, dem Baßbariton des Hoftheaters, ist Scholz befreundet, wie er überhaupt in der legendären Hofschmiede eine Reihe von Darstellern getroffen haben mag. Einige Kunsthistoriker und -kritiker treten Scholz nahe, unter ihnen Karl Scheffler und Hans Rosenhagen. Flüchtig nur ist die Begegnung mit dem Philosophen Eucken und mit Max Reger. Scholz’ Persönlichkeit, seine gesellschaftlichen Kontakte und seine Haltung zu kulturellen Entwicklungen zeigen erneut, daß in Weimar nicht ein konservativer Block modernen Kräften entgegensteht, sondern heterogene geistesgeschichtliche Linien einander berühren und überlagern. Scholz nimmt eine gänzlich andere literarisch-weltanschauliche Entwicklung als sein Freund Paul Ernst. Obgleich auch er, Sohn des letzten Finanzministers unter Bismarck, zunächst in Berlin studiert, findet er keinen Zugang zum Naturalismus. Auch der Marxismus, mit dem sich alle übrigen Neuklassiker intensiv beschäftigt haben, bleibt ihm fremd. Er verfolgt eine Linie naturwissenschaftlich fundierten Schrifttums, von Darwin, über Eugen Dührings Wirklichkeitsphilosophie bis Haeckels Monismus. Scholz ist ein guter Kenner der Literatur, insbesondere der Lyrik, des 19. Jahrhunderts; 1897 promoviert er über das Westfälische in der Dichtung Droste-Hülshoffs. Er sei aus einer „Art von Neuromantik“269 gekommen, sagt er von sich selbst und hebt das „Weiche, Vers-Prunkende“270 seiner Jugenddichtung hervor.

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In seinen Lyrikbänden wechseln zart-melancholische, von Jugendstilmotiven gestützte Gefühlsaussagen mit formstrengen Gedichten, die Scholz dem von ihm geliebten Conrad Ferdinand Meyer abschaut, ohne dessen feine Läuterung des Sinnlichen zu erreichen. Von jung an interessiert sich Scholz lebhaft für die Technik des Dramas und für die Entwicklung der deutschen Bühne, die ihm – Texte wie Aufführungen – mit „psychologischer Zerfaserung“271 einerseits und „naturalistischer Nachmalung des Kleinen und Engen“272 andererseits auf einem Irrweg begriffen scheinen. Auf einer Fußwanderung durch das Schwarzatal diskutiert er mit Verleger Diederichs über die Zukunft des Theaters.273 Während Diederichs die Notwendigkeit einer Abkehr von der Berufsbühne, einer höheren Naivität von Reigentänzen und Mysterienspielen erläutert, setzt Scholz auf strenge Form und Monumentalität der neuen Theaterstücke. In den ersten Weimarer Jahren beschäftigt Wilhelm von Scholz die Arbeit an seinem Trauerspiel „Der Jude von Konstanz“; in einer Februarnacht 1904 liest er das Stück ungekürzt seinen Freunden um Paul Ernst vor.274 In seinen Lebenserinnerungen, die 1939 erscheinen, wird er in peinlicher Weise bemüht sein, sich für sein Werk zu entschuldigen: Er sei jung gewesen, im „liberalistischen“ Denken verhaftet, auch habe er nicht ahnen können, wie sich das Judentum später entwickeln würde.275 Scholz offenbart sich als Parteigänger des Dritten Reiches, der nachgerade verzweifelt versucht, seinen „Juden von Konstanz“ im antisemitischen Sinne umzudeuten. Die Hauptfigur von Scholz’ Trauerspiel ist der Jude Nasson, ein geschickter und aufopferungsvoller Arzt im mittelalterlichen Konstanz. Als Kind wäre er beinahe von christlichen Mördern getötet worden, dennoch läßt er sich taufen. Zwei Gründe führen ihn zu diesem existentiell bedeutsamen und verstörenden Schritt: Ihn erfüllt eine tiefe Sehnsucht nach einer Heimat, einem Ort des Bleibens; nicht zufällig spielt das Haus, das er als Getaufter erwerben darf, eine dingsymbolische Rolle. Zum anderen meint Nasson als Christ seiner ärztlichen Berufung noch besser folgen zu können; die Einrichtung eines Siechenhauses mit seinem eigenen Kapital plant er, bei den Behörden durchzusetzen. Nasson gehört durchaus an die Seite der großen Judengestalten der deutschen Literatur: Der zwischen dem Wunsch nach Beruf, Familie und Bürgerwürde und seiner Liebe zum jüdischen Volk zerrissene Mann mahnt stets zum Frieden und zur Toleranz, ist den Scharfmachern beider Lager suspekt. Gemäß den Strukturgesetzen des klassischen Dramas erscheint die Größe der Gestalt am Anfang und am Ende noch einmal in schmerzvoller Läuterung: Im ersten Auftritt beugt sich Nasson über ein sterbendes Tier, um das er sich die ganze Nacht sorgte. Auf die Frage der Magd, warum er das Geschöpf nicht gleich tötete, entgegnet er: „ Ich mag nicht töten. Auch in Qual und Schmerz fließt dunkelgolden noch das Dasein weiter; sich selbst erfüllend wehrt es noch dem Tode.“276

Am Ende des Dramas schlägt Nasson seine Rettung durch den Bischof aus und wählt den Flammentod, gelöst von jeder Gemeinschaft, von Scham erfüllt, ein

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Mensch zu sein. Scholz nimmt die Symbolik des Leidensweges Christi auf: Zynische Henkersknechte würfeln um Nassons Habseligkeiten, er schleppt seinen Pfahl zur Richtstätte. Er nimmt die Schuld der Welt auf sich; der Frieden freilich zwischen Juden und Christen, der im mittelalterlichen Konstanz gerettet scheint, ist trügerisch und brüchig. Im Gegensatz zu Paul Ernst versteht es Scholz, Atmosphäre, Stimmung und Farbigkeit zu erzeugen, bei aller Strenge neuklassischer Form doch eine Vielzahl von Motiven zu einer spannenden Handlung zu fügen. Die stete Angst der Juden vor dem Pogrom ist ebenso gegenwärtig wie die Bereitschaft, für Verbrechen und Not sogleich den Juden die Schuld zu geben. Christen fürchten die jüdischen Wucherer, die unnachsichtig Zinsen eintreiben. Jüdische Mädchen laufen Gefahr, von Patrizierssöhnen vergewaltigt zu werden. Hetze und Verdächtigungen reichen bis in die Kirche, in deren Reihen zum Frieden gemahnt, aber auch zum Aufruhr getrieben wird. Eindrucksvolle Szenen gelingen Scholz, die in der Reflexion der Geschichte noch eine andere Dimension erlangen: Eine sogenannte Judenhure wird als abschreckendes Beispiel durch die Stadt geführt; inmitten der tobenden und lästernden Masse beweist Nassons Freundin Bellet als einzige Menschlichkeit, indem sie auf die Frau zugeht und sie anspricht. Der Auftritt des Freßkönigs, eines thüringischen Jahrmarktsgauklers, entwickelt sich aus dem Harmlos-Komischen zur Vorführung eines Kindermordes, der die Zuschauer in Pogrombereitschaft versetzt. Das Schicksal des edlen getauften Juden, der die Schuld der Menschen – von Juden wie Christen – auf sich nimmt, hat starke dramatische Potenzen. Es gibt keinen Zweifel, daß Scholz nicht nur eine ferne Legende oder einen Vorgang aus der mittelalterlichen Geschichte erzählt. Die Probleme der Assimilation, die das Leben der Hauptfigur Nasson bestimmen, sind auch für die Juden des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts existentielle. Das ständige Zittern vor neuem Ausbruch des Antisemitismus, das in Scholz’ Stück subtil dargestellt wird, ist gleichfalls ein Phänomen der damaligen Gegenwart, in Osteuropa, verdeckter und vermittelter aber auch im Westen. Scholz’ Drama in zeitlos schöner Kunstgestalt, mit einer jüdischen Hauptfigur als Vorbild reinen und tiefen Menschentums, hat die antizipierende Kraft der Literatur. Reichlich drei Jahrzehnte nach seiner Dresdener Uraufführung 1905 sind alle Vorgänge real: Die gescheiterte Sehnsucht der Juden nach Heimat, die Hetzer, die eine fanatische Masse aufputschen, die uneinige Kirche, die der „Rassenschande“ Beschuldigten, die brennenden jüdischen Häuser und Menschen. Der Dichter empfindet 1939 nichts Bedrückendes und Verstörendes in den Analogien, er schweigt nicht einmal, sondern versucht eine regimegetreue „Rettung“ seines Dramas. Die Scham seiner Hauptfigur Nasson, „Mensch zu sein“277, erfährt noch einmal ihre Bestätigung.

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6.4 Die Forderung nach moderner Kultursynthese – Samuel Lublinski Es gibt eine schöne, gleichsam weltliterarische Beschreibung Samuel Lublinskis. In ihrem Essay entwickelt Else Lasker-Schüler aus der ostpreußischen Herkunft des Dichters erst ein Bild und dann eine Psychologie : „... dort sind noch die Wälder so finster und verwachsen wie kleine Urwälder. Zwischen knolligen Wurzeln und Stämmen ist sein Nest; knollig ist auch er an Leib und Seele, ein Knollengewächs, aus dem jäh eine leuchtende Blüte aufsteigt.“278 Von Kindheit an leidet Lublinski tief unter seiner Häßlichkeit, seiner „Nachteulenähnlichkeit“279, die Kritiker zusätzlich zum Hohn reizt. Eine Neigung zum Zynismus ebenso wie das Streben nach reiner Schönheit scheinen hier ihren Ausgang zu nehmen. Der 1868 in Johannisburg Geborene widmet seinem Vater später sein „NeuDeutschland“-Buch, verweist auf den Gegensatz der Generationen und bemerkt: „Das ist das Beste, was Eltern ihren Kindern mitgeben können – Selbständigkeit des Urteils, Eigenart ...“280 Daß er jüdischer Abstammung ist, spielt in seiner Bildung und Erziehung zunächst keine Rolle. Der Junge liest eifrig in der wohlsortierten Bibliothek seines Vaters; seine Schullaufbahn, die er in Königsberg beginnt, ist doch nicht erfolgreich: Er verläßt nach beendeter Obersekunda, also ohne Abitur, das Gymnasium, wird Buchhändler und arbeitet in einem wissenschaftlichen Antiquariat in Verona. Kauf und Verkauf liegen ihm nicht, freilich lernt er eine Menge über Inhalt und Gestalt von Büchern, ein Wissen, das sich später im Materialreichtum seiner großen Abhandlungen niederschlägt. 1892 kehrt er nach Deutschland zurück, durchlebt noch einmal zwei Buchhändlerjahre in Heidelberg. 1895 schließlich geht Lublinski nach Berlin, um als freier Schriftsteller tätig zu sein.281 Damit begibt er sich in die – für Weimar gegenbildliche – Großstadt mit ihrem breiten Medienangebot, ihrer intellektuellen und literarischen Szene. Lublinski ist Gast bei den Donnerstag-Abenden der „Kommenden“ im Nollendorf-Casino, trifft dort Else LaskerSchüler, die er dann als bedeutendste Erscheinung der Frauenlyrik und „Romantikerin im modernen Sinn“282 würdigt. Im Kaffeehaus liest Lublinski Journale und Zeitschriften, verwirrt die Gäste durch seine „eigentümliche, stossende Hornsprache“283 und streitet – mit der Faust auf den Tisch schlagend – über ästhetische Fragen. Zunächst tritt er als Kritiker und Essayist hervor; er schreibt für die „Neue Deutsche Rundschau“, für „Zeit“ und „Welt“ und „Gesellschaft“, für die „Ethische Kultur“ und den „Kunstwart“, um nur einige der ein weites weltanschauliches Spektrum umfassenden Blätter zu nennen. Er rezensiert eine Fülle zeitgenössischer Publikationen, unter denen die frühe Würdigung von Thomas Manns „Buddenbrooks“284 und die einfühlsame Besprechung einiger Gedichtbände Else Lasker-Schülers285 auffallen. Der zukünftige Dramatiker und Dramentheoretiker formt sich in der Beschäftigung mit Kleist und Hebbel und in der Abgrenzung von Wildenbruch. Friedrich Nietzsche ist von früh an der bewunderte Genius; aus seinen Schriften entnimmt Lublinski, daß eine „Kultursynthese grössten Stiles“, ein neues Moralsystem „von formender und schöpferischer Kulturkraft“ notwendig sei.286 Es ist kaum verwunderlich, daß sich Lublinski nunmehr mit den im Fin de siècle bedeutsamen Fragen jüdischer Existenz befaßt. Zunächst leidenschaftlicher Zionist, gelangt er bald zu modifizierten Ansichten: Er sieht die Judenfrage im Kontext eines

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notwendigen tiefgreifenden Wandels der Kultur. Diese Kultur, „eine leidenschafterfüllte und starke, zugleich aber besonnene und vorurteilslose“ sollte imstande sein, „sehr viel Fremdes aufzunehmen und in sich zu verarbeiten, ohne die eigene Art im mindesten aufzugeben“.287 Indirekt erklärt Lublinski sein eigenes Selbstverständnis, indem er darauf verweist, man solle sich „als ein in der deutschen und europäischen Kultur wurzelnder Einzelmensch um den Wirkungskreis ... bemühen, der der individuellen Natur und Begabung am meisten entspricht“288. Lublinski beleuchtet die Gesellschaft und Kultur von „Neu-Deutschland“ – wie er die Epoche nach der Reichsgründung 1871 nennt. Für ihn ist der Tod des Liberalismus wesentlicher Vorgang jener Jahre, die er mit dem Blick des ästhetischen Psychologen betrachtet. Ihm gelingen anregende, detailreiche und gegen den Strich angepaßter Heldenverehrung gerichtete Porträts Treitschkes, Bismarcks und der Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II. Aus der publizistischen Tätigkeit wachsen Lublinskis Bücher, zunächst sein vierbändiges Werk zu „Literatur und Gesellschaft im 19. Jahrhundert“, in dessen Titel schon nicht zufällig die beiden Begriffe einträchtig beieinander stehen; den „Erfinder der Literatursoziologie“289 hat man den Verfasser mit einem gewissen Recht genannt. Lublinskis 1904 erschienenes Buch „Die Bilanz der Moderne“ ist ein auch für heutige Leser fesselndes Resümee des Naturalismus und der ihm folgenden „Strömungen“ Impressionismus, Neuromantik, Symbolismus. Der Autor, der ein guter Kenner des Marxismus ist, ohne je den Blick vor seinen theoretischen Grenzen zu verschließen, betrachtet Literatur als integriert in den materiellen Zusammenhang der Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens. Ihm gelingt es, soziologische Komponenten der Literatur, etwa die des Publikums, zu beachten, zugleich subtiles Verständnis für die Formensprache zu entwickeln. Lublinskis „Bilanz“ also geht von den naturalistischen „Brauseköpfen“290 der achtziger und neunziger Jahre aus, die gegen die Epigonen rebellieren, ohne daß sie einen neuen Stil suchten, die – eigentlich bewegt von den politischen Impulsen des Bürgertums – Wahrheit in der modernen Naturwissenschaft und in den Parteikämpfen zu finden hoffen. Schon in der „Bilanz“ bewegen Lublinski Probleme, die sich mit den Weimarer Diskussionen über das rechte Verhältnis zur Klassik, über Nietzsche, Stirner und Haeckel berühren: Wie ist es möglich, daß innerhalb der sozialisierten Moderne noch eine große Persönlichkeit entstehe? Und schließlich, mit dieser Frage zusammenhängend, erhebt der Autor die Forderung nach einer modernen Kultursynthese als Voraussetzung bedeutender Kunst. In der „Bilanz“ noch sieht Lublinski die Arbeiterbewegung als große Kraft dieser werdenden kulturellen Synthese. „Allerlei Anfänge“ heißt das letzte Kapitel der „Bilanz“, das im Kontext der Weimarer Geistesgeschichte besonders interessant ist. Lublinski polemisiert hier gegen die These, die Moderne sei eine literarische Revolution, ein Chaos, das alle Formen zertrümmere. Von Anfang an suche die Moderne vielmehr „nach neuen formalistischen Mitteln ..., nach einer besonderen und sehr straffen Technik und nach einem energischen Stil“291. Indem Lublinski in moderner Literatur die Neigung zur stilistischen Formung hervorhebt, die Tendenz, Gefühlsinhalte in regelmäßigere

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und ruhigere Formen zu gießen, begreift er eine neue Klassik als Entwicklungsrichtung der Moderne selbst. In Georg Brandes’ renommierter Sammlung illustrierter Einzeldarstellungen zur Literatur erscheint im Jubiläumsjahr 1905 Lublinskis Schiller-Monographie, die den Dichter in ein weltgeschichtliches Panorama zwischen Kunersdorf und Austerlitz hineinstellt. Lublinski geht es keineswegs nur um eine rückblickende Würdigung Schillers: „Ein wahrhaft Großer muß immer auch und hat auch noch immer Elemente in sich enthalten, die, losgelöst von aller Zeitlichkeit, noch ganz anderen Generationen und Bedürfnissen Entscheidendes zu sagen hatten.“292 Die Heutigen können von Schiller – davon ist Lublinski überzeugt – lernen, wie man das Schicksal des einzelnen mit dem Geist des Welthistorischen und Universalen zusammenschließt. Ein Drama sollte entstehen, das den Dualismus des Lebens im tragischen Schicksal tief erfaßt, zugleich Schillers grandiosen geschichtlichen „Adlerblick“293 besitze, das moderne artistische Feinheit mit der gewaltigen Architektonik des Klassikers zusammenschließe. Die „Ahnung einer Synthese“294 erwächst aus Schiller – Lublinski ist wieder bei seinem Lieblingsbegriff, der die Intentionen einer neuklassischen Poetik weit übersteigt. An diesem Punkt seiner intellektuellen Entwicklung ist Weimar als Lebens- und Arbeitsort gewissermaßen unabdingbar. Im Februar 1906 verläßt Lublinski Berlin zu einer ausgedehnten Studienreise nach Italien, danach nimmt er mit seiner Schwester Ida Wohnung in der Amalienstraße 29. Sie begeben sich in eine freundschaftliche, aber auch produktiv-kritische Beziehung zu Paul Ernst und Wilhelm von Scholz und in die Geselligkeit des Nietzsche-Archivs. Mit Eugen Diederichs und dem Programm seines Jenaer Verlages finden sich bald starke Berührungen.295 In Weimar entwickelt Lublinski den Gedanken einer modernen Kultursynthese als Voraussetzung großer Kunst weiter. 1909 erscheint sein Buch „Der Ausgang der Moderne“, das von den weimarischen Debatten der Jahrhundertwende geprägt ist. Als grundlegendes Problem der Moderne sieht Lublinski, daß in ihr die Form nicht höchster geistiger Ausdruck einer Kulturrealität sei, also eine gewissermaßen wurzellose artistische oder epigonale Kunst entstehe. Auch Lublinski erhebt die Forderung einer tiefgreifenden Erneuerung der Kultur, auch ihm erscheint die Gotik als vorbildhafte Epoche. Der Autor betont die Bindung, seinen Kollegen Scholz zitierend, den „Willen zum Zwang“ als Grundlage der Kultur. Auch er polemisiert gegen das stete zweifelnd-spöttische Infragestellen der Welt; wie selbstverständlich benutzt er die Metaphorik des Bauens: „Zum Wesen jeder Kultur gehört der Glaube an sich selbst und an weiter nicht ergründbare, aber ewige Kräfte der Menschennatur. Aus sich heraus erzeugt eine schöpferisch-menschliche Kraft Kulturen, indem sie die jeweilige Vernunfterkenntnis und das jeweilige sinnlich-seelische Material zur Synthese verwebt, und es ist klar genug, daß es niemals der Skeptiker sein wird, der Bauten für die Jahrhunderte türmt.“296 In einer anregenden, man darf wohl sagen, für uns Heutige aktuellen297 Weise nimmt Lublinski die großen Begriffe der weltanschaulichen Debatte auf. Der Kulturgedanke der Nationalität, der auf Synthese, auf „höhere Einheit inmitten der Gegensätze“298 zielte, sei schon verflacht worden, bevor er sein bestes Wesen entfalten konnte. Auch Lublinski richtet von Weimar aus den Blick auf die Randprovinzen

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des Deutschen Reiches, in denen sich die Anziehungskraft der deutschen Kultur nicht entfalte, weil sich „Polizeibüttelseelen, ... Faust- und Pöbelnaturen“299 als ihre Vertreter anmaßen. Der „gute Europäer“300, der zukünftig eine Rolle spielen werde, darf, so postuliert Lublinski, gleichfalls nicht der oberflächliche „Handlungsreisende“ oder „Feuilletonist“301 sein, sondern ein tiefer Kulturmensch Goethescher Prägung, der aus der Verwurzelung in der eigenen Literatur und Kunst zu größerer Synthese fortschreitet. „Volk aber und Volkskultur könnte die Moderne allerdings gebrauchen“302, bemerkt der Autor, um sogleich gegen die Heimatkunst zu polemisieren. Im Gegensatz zu dieser, die Volkstümlichkeit künstlich belebe und den Rhythmus des modernen Lebens nicht ausreichend beachte, schwebt Lublinski eine soziale Bewegung vor, die die Massen die Liebe zu Kultur und Kunst lehre. Lublinski erörtert seinen Gedanken einer kulturellen Synthese in Bezug zu Anschauungen und Theoremen, die wenige Häuser weiter in Weimar vertreten werden. Nicht im entferntesten ist Lublinski ein Freund Lienhards, in seiner Auseinandersetzung mit den Rassentheorien steht er ihm durchaus nahe: „Daß es eine von Gott stabilierte und bevorzugte germanische Rasse gebe, die nur den blonden Bestien und Blauäugigen zugänglich und allen anderen physiologischen Typen für ewig versperrt sein soll, dieser Glaube ist eine so vollkommene Gemeinheit, wie sie jemals von ehrlosen Buben zu Gunsten verbrecherischer Absichten erdacht und verübt wurde.“303 So drastisch würde Lienhard nicht formulieren, aber auch er erkennt, daß die Rassentheorie die schöpferische Freiheit des Menschen beschneidet, den Zugang eines jeden zu humaner Entfaltung versperrt. Statt des schädlichen Rassenbegriffs fordert Lublinski die Besinnung auf den „germanischen Kulturorganismus“304 – bzw. auf den deutschen im engeren Sinne – der freilich durch das aus der geistigen Natur des Menschen entspringende Schöpfertum bestimmt werde. Interessant sind Lublinskis Haltung zu van de Velde und seine Auseinandersetzung mit Karl Scheffler: Zunächst würdigt der Autor die große Leistung van de Veldes, dem „Protzentum“ und der „barbarischen Geschmacklosigkeit“ gründerzeitlichen Interieurs eine neue Formensprache entgegenzustellen.305 Linie und Rhythmus erkennt er als die Elemente, die das Weite, Heitere und Helle etwa des Bibliothekszimmers im Nietzsche-Archiv bestimmen. Für Lublinski ist diese angewandte nur ein Durchgangsstadium zu einer originalen – und zwar monumentalen – modernen Kunst. Schefflers Auffassung von der nötigen Zweckgebundenheit heutiger Architektur, die er im Rekurs auf mittelalterliche – auf die Erfordernisse des Gottesdienstes ausgerichtete – Dome entwickelt, verfällt Lublinskis Kritik. Mit einem gewissen Recht betont er, daß der sachliche Zweckarchitekt des Mittelalters „Kulturmensch“306 war, während den Heutigen diese Tiefe abgehe. Lublinskis Vision richtet sich auf eine starke und monumentale Baukunst, die Vergangenheit und Gegenwart, kühnes Gestalten und formenden Zwang, praktische Notwendigkeit und phantasievolles Übersteigen, Seele und Stil ineinsführte. Aus Lublinskis umfassender Kulturkritik, aus seinem Synthesegedanken erwächst seine Theorie eines neuen Dramas. Auch Lublinski sieht den Verfall der Gattung als Folge eines „Verfalles der Weltanschauung“307. Der Autor verwirft

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Stillosigkeit und vor allem Parodie und Ironie, die in der modernen Literatur „boshaft aus allen Ecken“308 kichern. Die Literatur, insbesondere die Tragödie, ist der Ort, an dem gesellschaftliche Spannungen auszutragen sind, deren permanente Vermittlung im Alltagsleben zu einer Verkümmerung der Individuen führe. Das Drama entfaltet, so betont Lublinski, Wesensnähe und Unversöhnbarkeit der Antithesen, einen vollkommenen Zwiespalt, in dem Einheit empfunden wird. Am Schluß seines Buches „Der Ausgang der Moderne“ unterstreicht Lublinski noch einmal den kulturreformatorischen Eifer der Neuklassik: „Somit kommt alles darauf an, daß eine Kultur geschaffen wird, die auf dem Ganzen der Menschennatur beruht und einen synthetischen Charakter aufweist ...“309 Grundlage einer solchen Synthese solle der „Glaube an eine universale Humanität“310 sein. Nicht nur vom Umfang seiner theoretischen Abhandlungen her liefert Lublinski die gewichtigsten und kühnsten Postulate der Neuklassik. Dem Zerfall verbindlicher ethischer und künstlerischer Orientierungen eine Kulturevolution entgegenzusetzen, aus der Persönlichkeiten und Einheitskräfte gleichermaßen hervorgehen, ist jedenfalls eine Intention, der ein wahrer und guter Kern innewohnt. Vom stillen Weimar gehen Lublinskis „Moderne“-Bände in die Welt und erregen eine der schärfsten Literaturdebatten vor dem ersten Weltkrieg. In einem „Schaubühnen“-Aufsatz311 polemisiert Theodor Lessing gegen Lublinski, dessen hoher philosophischer Anspruch sich seiner Meinung nach mit einer gewissen Oberflächlichkeit seiner Analysen reibe. In der Tat gebärdet sich Lessing als „jüdischer Antisemit“312, der in unsäglicher Weise die äußere Gestalt Lublinskis verspottet und mit seinem Judentum in Verbindung bringt, um seine „literarischen Klugschmusereien“313 zu entlarven. Gleichsam nebenbei wird Ida Lublinski als „Alt-Fräulein“, das „gottergeben, schwärmerisch zu dem ewig redenden Brüderchen“ aufblicke, geschmäht.314 Gegen Lessings bösartige Kritik, die sich übrigens kaum auf inhaltliche Fragen der „Bilanz“-Bände einläßt, erhebt sich Widerstand: Etliche Autoren wenden sich in einer Erklärung gegen die Polemik, unter ihnen neben Stefan Zweig und Theodor Heuss auch Lublinskis Weimarer Mitstreiter Wilhelm von Scholz. Thomas Mann, der Lublinski kennt und mit ihm in Briefwechsel steht, ist nicht unter den Unterzeichnern: Er äußert sich gesondert, in einer gleichfalls polemischen Weise, gegen Theodor Lessing.315 Thomas Manns Sympathie mit dem Neuklassiker in Weimar speist sich aus gemeinsamen Ansichten. Lublinski wird nicht müde, Friedrich Nietzsche als klassische Natur zu beschreiben, Klassizität als Entwicklungstendenz der Moderne selbst zu kennzeichnen. Dies trifft sich mit den Mannschen Postulaten jener Zeit. Einen unvergänglichen Platz in der Literatur erhält Lublinski, wenn nicht durch seine eigenen Werke, so durch Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“: Dort wird aus Lublinskis „Buddenbrooks“-Rezension zitiert. Das Bild des heiligen Sebastians, einer „intellektuellen und jünglinghaften Männlichkeit ... die in stolzer Scham die Zähne aufeinanderbeißt und ruhig dasteht, während ihr die Schwerter und Speere durch den Leib gehen“316, mag nicht nur Aschenbach-Thomas Manns biographisch gegründeten Heldentypus kennzeichnen, sondern auch etwas über Lublinskis schmerzliches Ringen nach Klassizität aussagen. Seinem ersten belangvollen Drama „Peter von Rußland“ stellt Lublinski eine Abhandlung voran, in der er den seiner Ansicht nach einzigen „Weg zur Tragödie“

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kennzeichnet.317 Demnach habe das Stück den Kampf des großen einzelnen gegen die Gesellschaft zu gestalten. Im ihm enthülle sich zugleich das ewige Duell zwischen Notwendigkeit und Freiheit. Freilich versteht Lublinski den Helden nicht als eine von der Gesellschaft unabhängige Kraft; nicht nur erwächst seine Mission aus sozialen Erfordernissen, nicht nur wird er von gesellschaftlichen Kräften gehindert, seinen Auftrag zu vollenden, er selbst trägt die Züge seiner Zeit. Peter von Rußland, den die Frage umtreibt, wie seine Landsleute aufhören, „Barbaren zu sein, wie ... sie Europäer“318 werden, ist ganz auf sich selbst gestellt. Außenpolitisch in verheerende Kriege verwickelt, kann er im Inneren des Reiches weder auf den in Korruption und machtpolitische Konflikte verstrickten Adel noch auf die Geistlichkeit und das Volk zählen. Das Wort vom Antichrist, der Peter sei, macht unter den Ungebildeten und Abergläubischen die Runde. Verbannung der früheren Kaiserin, Heirat mit einer Frau niederen Standes, Mätressenwirtschaft, Ehebruch und die Konflikte mit dem Thronfolger kennzeichnen auch die Familie als Ort dauernden Kampfes. Als Problem des Stückes sieht Lublinski selbst, daß kein ebenbürtiger Gegenspieler Peters vorhanden ist.319 Die Hauptfigur – dies ist intendiert – erscheint als Produkt dieser gesellschaftlichen Umstände im Rußland des frühen 18. Jahrhunderts. Der Zuschauer sieht nicht so sehr den Reformkaiser, der den Blick nach Westeuropa richtet, als einen prügelnden, knutenden, bei jeder Gelegenheit Todesstrafen verhängenden Mann. Dies könnte durchaus reizvoll sein: Der im Barbarentum wurzelnde Herrscher schreitet zu neuem Europäertum und scheitert in dieser Mission. Schon in diesem frühen Stück gelingt es Lublinski aber nur unzulänglich, sich auf grundlegende Handlungslinien zu konzentrieren und zentrale Konflikte zu entfalten. Seine Gestalten einschließlich der Hauptfigur bewegen sich in scheinbar schicksalhaften Verstrickungen, sinnlose Bluttaten führen zum Untergang; kein Protagonist weckt Sympathie oder Mitleid oder auch nur intellektuelles Interesse. Es ist Lublinskis Verdienst, Peter „den Großen“ als Barbaren zu zeigen, der gegen Barbarentum kämpft, eine neue Tragödie hat er mit seinem Stück nicht geschaffen. 1908 erscheint Lublinskis Tragödie „Gunther und Brunhild“. Für den Autor, der mit dem Nibelungenstoff eine Lieblingsvorlage nationalistischer Literatur und Propaganda aufnimmt, besitzen völkische Themen keine Bedeutung. Sein fünfaktiges Drama im Blankvers zeigt eine – gegenüber Paul Ernst etwa – eigene poetische Handschrift. In den Akten werden bis zu sechzehn Szenen aneinandergereiht, in denen die Lage der Figuren und des Gemeinwesens besprochen wird. Das Stück enthält wenig äußere Spannung, kaum aktionsreiche Szenen, auch keine Entwicklung großer Handlungslinien, es ist komplex und unübersichtlich, von einer deutlichen Tendenz zum Episch-Atektonischen. Folgerichtig orientiert Lublinski stark auf die Psychologie der Figuren. Die Hauptgestalten des Dramas sind getrieben von persönlichem Leid und von wechselseitiger Eifersucht, nirgendwo finden sich reine Gefühle, Vertrauen und Sicherheit. Gunther lebt zurückgezogen in sein Leid, daß Siegfried ihm die Frau gewonnen hat; nur sein Königtum hält ihn von Selbstmord ab. Kriemhild bewacht eifersüchtig Siegfried, stets in Angst, der Zaubertrank verliere seine Wirkung, und sie werde verlassen. „Denn Tod und Lust und Liebe sind mir gleich.“320 bemerkt Brunhild; sie verachtet Kriemhild als spießige Glucke, sehnt sich

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nach dem Nordland und ist in dunklem Haß mit Siegfried verbunden. Dieser wiederum ist gepeinigt von der Lust auf Tat und Krieg. Wenn es denn richtig ist, daß Lublinski in seiner Tragödie einen „zeitgenössischen gesellschaftlichen Zustand zu thematisieren versucht“321, so ist es der folgende: Alle Figuren sind in Schuld und Qual verstrickt, sie belauern einander, ihre Beziehungen sind brüchig und vorübergehend, jederzeit können Rache- und Mordgedanken hervorbrechen. Aus diesem Netz individueller Fesselung werden Auswege nur noch geträumt, in Brunhilds Nordlandphantasien kräftiger Bewährung, in Siegfrieds Wunsch, im Südmeer eine Insel sinnlicher Schönheit zu erobern, und nicht zuletzt in Gunthers Vision eines starken Reiches, das er sich in Burgund formte. Der Leser verfolgt das quälende Hin und Her der psychologischen Konflikte, in der ihm keinerlei Parteinahme möglich ist, weil alle Figuren gleichermaßen schuldbeladen, irrend und säumend sind. Am Ende des Stückes kommt die Erlösung in Krieg und Untergang. Gunther entwirft eine über die heraufziehende Hunnenschlacht hinausgehende apokalyptische Todesvision, in der alle Gegensätze aufgehoben sind. Das hier gestaltete Lebensgefühl äußert sich wenige Jahre später bei Ausbruch des ersten Weltkrieges: Auch 1914 glauben viele Zeitgenossen, im „Fackelschwung“ und in den „Scheiterhaufengluten“322 des Todes die Rettung aus tiefgreifenden Konflikten zu erfahren. Lublinskis Freunde, Paul Ernst zumal, sind von seinem plötzlichen Herztod am 26. Dezember 1910 tief erschüttert. Dem Dichter bleibt nicht nur der große Krieg erspart, ein schreckliches Schicksal vielmehr nach 1933, als einstige Gefährten wie Wilhelm von Scholz sich mit keiner Silbe mehr an ihn erinnern. Samuel Lublinski, der streitbare Publizist, der leidenschaftliche Sucher nach einer neuen Kultursynthese, der Zyniker, dem doch die „träumende Stirn ... mit dem poetischen Schneehauch“323 eignet, sollte wieder seinen guten Platz in Weimar haben.

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1. Theater im Fin de siècle und die Weimarer Hofbühne Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts beginnt in Deutschland eine breite und intensive Debatte über das Theater, die Notwendigkeit seiner Reform, über einen grundlegenden Wandel der Dramaturgie und Aufführungspraxis. Dieser Diskurs steht in einem Zusammenhang mit den sozial- und geistesgeschichtlichen Entwicklungen in Europa. Die fortschreitende Dominanz der Naturwissenschaft geht einher mit einer zunehmenden Abkehr vom Idealismus; daß der Geist nicht unabhängiger Beherrscher der Materie, vielmehr durch sie determiniert ist, wird starke Überzeugung. Begreift man aber den Menschen als Produkt natürlicher und sozialer Umstände, so kann auch das Theater nicht länger idealische Weihestätte sein. Die Kultur des geeinten deutschen Kaiserreiches bietet Anlaß zu Kritik: Einerseits verharrt man in unproduktiver Traditionspflege, anderseits strahlen Flachheit und Materialismus auf alle Gebiete, gerade auch auf die Bühne aus. Zwei Konzeptionen haben der Theatertheorie und -praxis im Fin de siècle vorgearbeitet, man beschreibt sie mit ihren Aktionsorten: Bayreuth und Meiningen. Wagners Idee, alle Künste auf der Bühne zu vereinen, das Festspiel im Rekurs auf sakrale und kultische Dramatik neu aufzunehmen, ist produktiv für die Nachfolgenden. Und jene andere Konzeption, auch sie fern der Großstadt entworfen, die die historische Genauigkeit der Details bis an die Grenze des Möglichen treibt, die solchermaßen die Einbildungskraft stützt und ihr zugleich abträglich ist, beeinflußt direkt und indirekt das naturalistische Theater und die Auseinandersetzung mit ihm. Bayreuth und Meiningen liefern Anstöße zum Nachdenken über die volkstümliche Grundnatur des Theaters, über möglicherweise in Deutschland verschüttete Bühnentraditionen und über die Rolle des Publikums. Am 20. Oktober 1889 wird im Berliner Verein „Freie Bühne“ Gerhart Hauptmanns Drama „Vor Sonnenaufgang“ uraufgeführt. Es gibt nunmehr ein naturalistisches Theater mit einer neuen Milieutreue, Sprachmimik und Charakterzeichnung. Ihm geht eine intensive Ibsen-Rezeption voraus, die sich nicht auf Berlin beschränkt und bis ins 20. Jahrhundert hinein andauert. An anderen Orten des Deutschen Reiches verfolgt man die Theaterereignisse in der preußischen Metropole; man nimmt den Naturalismus auf und setzt sich mit ihm auseinander. München beispielsweise geht einen eigenen Weg in die Moderne, hier werden früh Gegenpositionen zu den Berliner Bühnenkonzepten geäußert.1 Die Kulturkonkurrenz der deutschen Einzelstaaten wirkt bis ins 20. Jahrhundert hinein förderlich auch für eine jeweils unverwechselbare Theaterlandschaft. Welche Rolle spielt Weimar in den Theaterdebatten und praktischen Reformen? Hier richtet sich der Blick besonders streng auf die klassische Überlieferung; dies könnte Fesselung bedeuten, aber auch die Chance verantwortungsbewußter Auseinandersetzung mit einer überkommenen Bühnentradition und Dramaturgie bieten.

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Seit Anna Amalia Mitte des 18. Jahrhunderts Aufführungen auch dem bürgerlichen Publikum öffnet, spielt die Bühne in Weimar eine besondere Rolle. Bereits das Liebhabertheater, das von 1775 an mit Laienspielern an verschiedenen Plätzen agiert, gewinnt eine – wenn auch begrenzte – Öffentlichkeit. Der Versuch des Intendanten Goethe, das Theater als wesentlichen Ort klassischer Persönlichkeitsbildung zu entwickeln, seine auf reines Sprechen und harmonische Bildwirkungen zielenden dramaturgischen Reformen wirken weit ins 19. Jahrhundert hinein. Die Hofbühne ist auch dann keine des Mittelmaßes oder der bloßen unproduktiven Tradierung klassischer Prinzipien. Dies zeigen nicht nur die weltweit beachteten Musiktheaterereignisse, sondern Phasen kreativer Schauspielarbeit. Dabei befindet sich die Weimarer Bühne – wie andere – in jenem existentiellen Konflikt von moralischer Anstalt und Vergnügungsstätte, von Ausübung reiner Kunst und effizientem Wirtschaften. In anderer Weise als in den Metropolen mit ihrem vielfältigeren Unterhaltungsangebot wird das Hoftheater zum Herzen der kleinen Stadt. Es ist steingewordene klassische und nachklassische Tradition. Widerfahren dem Gebäude Unheil oder Veränderung, empfinden dies die Weimarer tief: Als 1825 das Haus niederbrennt, ist die ganze Stadt auf den Beinen, aus dem Schutt noch zieht man Reliquien der Erinnerung.2 1907, in der letzten Vorstellung vor dem Abriß des alten Theaters und dem Neubau, lauschen die Zuschauer in atemloser Stille und Rührung dem Genius des Hauses: „Es soll sich erheben Verklärend das Leben, Der Kunst zum Ruhm. Dem Hohen und Schönen In Worten und Tönen, Ein Heiligtum …“3 In eigenartiger Weise berührt sich das der klassischen Kunstanschauung verpflichtete Weimarer Theater mit Alltäglichem und Politischem: Schon das Singen populärer Lieder in Schillers „Räubern“ durch Jenaer Studenten4 gibt den Aufführungen eine zusätzliche Dimension; Leben durchbricht Etikette und Weihe, wieder freilich in einem traditionsbildenden Ritual. 1848 warten die Theaterzuschauer auf die Extempori der Akteure, die mitten in den Stücken Revolutions-, Stadt- und Bühnenereig-nisse kommentieren.5 Noch im November 1918 gewinnt Schillers „Maria Stuart“ mit Zwischenrufen und dem Revolutionslärm vor dem Haus6 unmittelbare Aktualität. Das Weimarer Theater ist ein Ort der Öffentlichkeit, der Begegnung und Beobachtung. Im Raum, der Adel und Bürgertum an verschiedene Plätze verweist, wird Verhalten und Fehlverhalten der Regierenden genau registriert: Das Heraufbitten bedeutender Künstler in die fürstliche Loge etwa drückt bis zum Ende der Monarchie höchste Anerkennung für schauspielerische, musikalische oder literarische Leistungen aus. Viele in Weimar sprechen von „unserem“ Theater, noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts sind Aufführungen zuweilen in die Stadt ausstrahlende Feste7, an denen breite Kreise der Bevölkerung Anteil nehmen.

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Eine gewisse Stagnation des Hoftheaters, vor allem nach Amtsantritt des Intendanten Hippolyt von Vignau 1895, ist dennoch nicht zu verkennen. Verschiedene Umstände sind dafür maßgebend: Großherzog Carl Alexanders nachlassende Lebenskraft verhindert einen nochmaligen Versuch, die Bühne aus der Tradition heraus dem Neuen zu öffnen. Die von ihm jahrelang bedachten Volks- und Nationaltheaterpläne8 bleiben theoretische. Wilhelm Lucas von Cranachs weitreichendes Bühnenreformkonzept9, das die Verbindung von Theatralischem und Bildkünstlerischem betont, eine Schule für Dekorationsmalerei anstrebt, das sich den bezeichnenden Namen „Jung-Weimar“ gibt, wird nicht verwirklicht. (Daß dieser „JungWeimar“-Plan in vielen Zügen, nicht zuletzt in seinem Vertrauen auf höfisches Mäzenatentum, Kesslers und van de Veldes Gedanken vorwegnimmt, ist deutlich.) Neben der Kraftlosigkeit des Fürsten wirken sich fehlende Finanzmittel für das Theater negativ aus: Engagements und ein anspruchsvoller Spielplan werden schwierig. Intendant Vignau wird schon von den Zeitgenossen als für seinen Posten nicht hinreichend gebildet kritisiert. Der „Herr Generaldilettant“10 vermag nicht an die Leistungen seiner Vorgänger anzuknüpfen. Das Repertoire vor allem des Sprechtheaters läßt eine gewisse Konzeptionslosigkeit und fehlenden Wagemut erkennen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird die Auseinandersetzung um eine Erneuerung der Weimarer Bühne stimuliert. Kesslers und seiner Mitstreiter theater- und tanztheoretische Überlegungen und praktische Reformversuche sind dafür wesentlich. Zur gleichen Zeit entwickelt sich in Weimar eine konservativ-völkische Theaterkritik, -theorie und -praxis. Die Analyse erweist, daß sich Moderne und Konservative in ihrer Kulturkritik des Theaters berühren. Die Klagen über Verfall und Verflachung, Konvention und Kommerz gegenwärtiger Bühnen lauten zumindest partiell identisch, auch die der Misere entgegengestellten Konzeptionen haben manches gemein.

2. Im „Tivoli“ und anderswo 2.1 Varieté und Überbrettl, Boulevard und moderne Dramatik Ein Aspekt der Weimarer Theatergeschichte wurde bislang kaum beachtet. Neben der Hofbühne, die auch um 1900 ein wichtiger kultureller und geselliger Ort ist, existieren andere Spielstätten, die das Pariser oder Münchener Vorbild nicht verleugnen. Seit auf dem Montmartre in den achtziger Jahren die ersten Kabaretts entstehen, seit Carl Alexanders früherer Vorleser Ernst von Wolzogen 1900 in Berlin das „Überbrettl“ gegründet hat, ist die sogenannte Kleinkunst allgegenwärtig. Ihr Spektrum ist breit, ihre Mittel sind vielfältig. Früh schon setzt in der deutschen Öffentlichkeit eine Debatte über frivole und aggressiv-politische Programme ein; nicht nur in Weimar räsoniert man über das „Dekadent-Zersetzende“, das in einer Beziehung zu historisch-sozialen Entwicklungen gesehen wird. Restaurants bieten jetzt in der stillen Residenzstadt Varieté-Vorstellungen, Lieder, Couplets, Sketche und Gedichtvorträge unterschiedlicher Qualität. In der Bayri-

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schen Bierhalle auf dem Schützenplatz finden artistische, tänzerische und musikalische Darbietungen statt, „à la Café chantant Paris“11, wie man werbewirksam verkündet. Das deutsche Wort „Tingeltangel“ bezeichnet noch treffender eine solche Vergnügungsstätte, in der die Besucher Speisen aus der Ochsenbraterei verzehren, sich von Jongleuren und Rezitatoren unterhalten lassen. Im „Alexanderhof“ in der Buttelstädter Straße finden die Vorstellungen des gleichnamigen Kabaretts statt: 1910 wird ein Blitzdichter und Humorist verpflichtet, der es versteht, „Zurufe aus dem Publikum sofort in Verse zu bringen, wobei er oft eine Komik entwickelt, die lebhaften Applaus hervorruft“12. Zwei weibliche Vortragskünstlerinnen begeistern mit frivol-heiteren Rezitationen die „Herrenwelt“. Das John-Schmidt-Trio tritt in jeder Saison mit neuen Gesangsvorträgen auf.13 Die bedeutendste Weimarer Kleinkunstbühne, die schon in ihren Varieté- und Kabarettprogrammen beachtliches Niveau erreicht, darüberhinaus als Theater der Moderne wirkt und zeitweilig der Hofbühne Konkurrenz macht, ist das „Tivoli“ Am Brühl, auch Metropol- oder Residenztheater, in den zwanziger Jahren Burgtheater genannt. „Entdeckung von ‚Tivoli′. Tische an der Wand heißen ‚Seitenbalkon′. Die alte Schlangendame, ihr Mann, der als Zauberer dient. Die weiblichen Deutschmeister.“14 Franz Kafkas Tagebuchnotiz auf seinem Weimarbesuch 1912 erfaßt die Diskrepanz von weltstädtischem Anspruch und beschränkter Ausstattung des „Tivoli“; die von ihm erwähnten „weiblichen Deutschmeister“, die in Weimar Erfolge feiern, belegen die zeitgenössische Freude am spielerischen Durchbrechen von Geschlechterrollen. Einerseits ist das „Tivoli“ ein Revuetheater nach internationalem Vorbild, auf dem Ensembles aus ganz Europa gastieren. Die Aufführungen bestehen aus einer lockeren Folge von Gesangsnummern, komischen Sketchen, Tänzen und Einaktern. Wiederholt etwa bietet zu Beginn des Jahrhunderts Sigismund Gorniak-Gornadis Singspielgesellschaft „Vergißmeinnicht“ ihre zugkräftige Show.15 Im September 1904 findet ein Gastspiel des „1.Wiener (Budapester) Possen-Ensembles“ statt: Auch hier wird ein Nummernprogramm aus Solovorträgen, Duetten, Quartetten, Lebensbildern, Possen und Tanz vorgetragen. Sketche und Szenen wie „Die verliebte Metzgermeisterin“ erzielen einen „kolossalen Lacherfolg“16. Im Oktober 1905 schließlich gastiert die Tänzerin Saharet, zu deren Truppe ein Mundharmonikavirtuose, ein Humorist und Improvisator, ein Conferencier, außerdem „Brothers Forrest, musikalische Excentrics“ und „The Lakakans, Grotesque Acrobats“ gehören.17 Die „Fidelen Geister“18 führen mystische Experimente vor, ein Beleg dafür, wie die Kleinkunst aktuellem Publikumsinteresse – in diesem Fall am Transzendenten – entgegenkommt. In ähnlicher Weise nimmt das Gastspiel der „Traumtänzerin Madeleine“19 im folgenden Jahr 1906 banalisierte Elemente der kulturellen Debatte über Somnambulismus und Tanz auf. Ein Programm 1910 enthält neben den üblichen Humoristen, Sängern und Soubretten, Schnellzeichnern und Kraftjongleuren auch einen „Damen-Imitator, welcher die Bewegungen und Gesten, wie sie dem schöneren Geschlechte eigen sind, mit größter Treue wiedergibt“20. Das Münchener Kabarett „Elf Scharfrichter“, 1901 nach dem Vorbild des berühmten Pariser „Chat noir“ gegründet, gastiert im Frühling 1903 im Weimarer „Tivoli“. Aloys Obrist, mit den Münchner Verhältnissen hinreichend vertraut, rezensiert den Auftritt. Seine Besprechung in der Weimarischen Zeitung ist kennzeich-

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nend nicht nur für die Richtung des Blattes, nicht nur für Anschauungen Weimarer Bürger, sondern für grundsätzliche Auseinandersetzungen in der kulturellen Öffentlichkeit. Zunächst stimmt Obrist der Idee des „Überbrettl“, der auch das Münchener Kabarett verpflichtet ist, vorbehaltlos zu. Daß es gelte, die literarischen Elemente des Varietés zu verfeinern, alle seine Elemente in eine künstlerische Sphäre emporzuheben, Varieté und ernste Kunst also zu vereinigen, sei ein guter und schöner Gedanke. Gegen seine Ausführung bei den „Elf Scharfrichtern“ hat Obrist freilich manches einzuwenden. Er polemisiert gegen den Namen und gegen das Plakat mit der „scheußlichen Totendame“; gerade die provokanten Züge modernen Kabaretts stoßen im traditionsbewußten Weimar auf Unverständnis. Obrist kommt nicht umhin, die Vortragskunst der „Scharfrichter“ zu loben, vor allem das Können der Hauptdarstellerin Marya Delvard scheint ihm bemerkenswert. Wieder aber schaudert den Rezensenten vor dem gespenstischen Totenaufzug der Sängerin, wieder mißfallen ihm die Züge der Verfremdung und Blasphemie, die doch dem modernen Kabarett wesentlich sind. Delvard singt in Weimar Wedekinds „Ilse“ und Lieder aus der Romantik; ein anderes Ensemblemitglied bietet Lukians „Urteil des Paris“ in Wielands Übersetzung. Es ist nicht verwunderlich, daß Obrist das Frivole des Programms scharf kritisiert. Der Autor, der wohlgemerkt nicht nur an klassischen Mustern gebildet ist, der hinreichend Kunstverständnis und Welterfahrung besitzt, hat eine Abneigung gegen solcherart Theater: Die Mischung von Komischem und Tragischem, von Raffinesse und Simplizität, von Sinnlichkeit und Unschuld, daß man mit Entsetzen Scherz treibt und unversehens das Lachen im Schrecken vergeht – Kennzeichen moderner Kunst, die auf einen tiefgreifenden Wandel des Lebensgefühls weisen – sind für Obrist nur Ausdruck „ungesunder“ Entartung. Sogleich holt er zum Schlag gegen Überbrettlcouplets „à la Blumenthal und Kadelburg“ aus, gegen die vom Pariser Kabarett herrührenden „undeutschen“ Züge moderner Bühnenpraxis. Auch Obrist bedient sich biologisch-medizinischer Termini, um verderbliche Kulturentwicklungen zu kennzeichnen: „Angefault“ sei das Überbrettl, es werde durch international-dekadente Elemente den Deutschen „künstlich eingeimpft“, die hier „Filialsümpfe“ von Paris bilden wollten, die ganze Richtung sei ein „schleichendes Gift“. Obrists Verfahren ist ebenso wirkungsvoll wie problematisch, er projiziert die grundsätzlichen Gedanken gegen den Gang der Welt- und Kunstentwicklung auf die einfache Schablone Nationales-Internationales: Wenn es gelänge, die „Pariser Cabaret-Brille“ abzulegen, dekadente Elemente abzustoßen, dagegen „urwüchsig-deutsche Talente“ heranzuziehen, sich auf die „gesunde Sinnlichkeit“ und auf die Lebensfreude der Klassiker zu besinnen, wären das Theater und die Kunst zu retten.21 Neben Freizeitangeboten wie einer Rollschuhbahn, neben Varieté- und Kabarettprogrammen, die der Unterhaltung dienen, zudem einen Hauch morbid-frivoler Weltstadtatmosphäre nach Weimar bringen, setzt das „Tivoli“ auch im eigentlichen Theaterspiel einen Kontrapunkt zur Hofbühne. Vor allem in der Sommersaison gibt es einerseits Boulevardstücke, zum anderen aber Dramen wichtiger Autoren der Moderne. Im Jahr nach dem „Scharfrichter“-Gastspiel hätte Aloys Obrist Gelegenheit, sein Verdikt gegen die bekanntesten Vertreter deutschen Boulevards im „Tivoli“ zu überprüfen: Unter der Leitung von Direktor Norbert Innfelder gibt man Oskar Blu-

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menthals und Gustav Kadelburgs Lustspiel „Der blinde Passagier“.22 Die heiteren Unterhaltungstücke des Lessingtheater-Begründers und seines Kompagnons, die als seicht und oberflächlich kritisiert werden, haben auch in Weimar großen Erfolg. Sie stehen in einer langen Reihe von Schwänken und Volksstücken, deren Autoren heute vergessen sind. Am ehesten erinnert man sich an Otto Erich Hartlebens „Rosenmontag“23, das Drama um das verbummelte Offiziersleben, das durch Effekte und witzige Dialoge überzeugt. 1905 kommt der Charakterkomiker Bernhard Mörbitz als Gast ins „Tivoli“24, an mehreren Tagen spielt er in Einaktern und Komödien, die er zum Teil selbst verfaßt hat. Der artistische Leiter und Oberregisseur des Sommertheaters Innfelder wagt sich sogar an Uraufführungen, in denen er selbst die Hauptrolle spielt: Das Stück „Die Herren Söhne“ von Oskar Waltha und Leo Stein25 nimmt in sprachlicher Derbheit und mit einer gewissen Rührseligkeit Berliner Alltagsleben auf. Noch ein anderer bekannter Name der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur ist häufig vertreten: Max Dreyer, der vom Naturalismus kommende Autor, widmet sich in späteren Jahren dem Boulevard- und Salonstück. Sein Drama „Die Siebzehnjährigen“, das man 14. September 1905 spielt26, ist recht trivialen Inhalts und auch das poetische „Handwerk“ taugt nicht viel. Von anderem Niveau ist Raoul Auernheimers wenige Tage zuvor27 gegebene Komödie „Die große Leidenschaft“. Der aus dem Umkreis der Wiener Moderne bekannte Autor gestaltet den Konflikt einer Frau, die sich aus ihrer langweiligen Ehe mit ihrem „unkünstlerischen“ Mann befreien will, schließlich doch bleibt. Das eher banale Sujet erlangt Bedeutung durch Auernheimers Gedankenreichtum und seine amüsant-ironische Sprache. Bis zum ersten Weltkrieg bleibt das Boulevardstück bestimmendes Repertoireelement des Theaters Am Brühl. 1913 hat ein Gastspiel des Berliner Thalia-Theaters einen großen Erfolg28: Man gibt das sentimentale Drama eines gewissen Frederic Michelle, das Hedwig Courths-Mahlers Roman „Ich lasse dich nicht“ zur Vorlage hat. Wiederholt gastiert das Stadttheater Jena etwa mit seinem Operettenensemble. Zum 100. Geburtstag Fritz Reuters 1910 führen die Jenaer – verstärkt durch den Reuterdarsteller Heinrich Bunke aus Hamburg – den „Onkel Bräsig“ auf.29 Neben den Unterhaltungsangeboten lockt die Weimarer die moderne Dramatik in das Haus Am Brühl. Das „Tivoli“ stellt durchaus eine Konkurrenz zum Hoftheater dar, auch wenn seine Räumlichkeiten und seine Ausstattung bescheiden sind. Fast zeitgleich geben die beiden Bühnen 1894/95 Gerhart Hauptmanns „Einsame Menschen“30, ein Beleg einerseits für das zeitgenössische Interesse an Autor und Stoff, andererseits für die wechselseitige Inspiration der Häuser. Hauptmanns Stücke bleiben Am Brühl wichtiger Programmteil; 1904 etwa – ein Jahr nach dem Erscheinen des Dramas – spielt man „Rose Bernd“.31 Anzengrubers „Pfarrer von Kirchfeld“ hat Jahrzehnte nach seiner Entstehung (und nach der Aufführung im Hoftheater) im „Tivoli“ Erfolg.32 Von Hermann Sudermanns Stücken wird im August 1904 ein ganzer Zyklus inszeniert.33 Einige Jahre später nimmt man Hermann Bahrs geschliffene Gesellschaftskomödien, etwa seinen Welterfolg „Das Konzert“34, auf. Ibsen schließlich findet über Louise Dumonts Gastspiel hinaus Am Brühl Beachtung.35 Daß Darstellungsstil und Aufführungspraxis der Hoftheater im Laufe des 19. Jahrhunderts veralteten, ihr Repertoire „altfränkisch“36 würde, während sich nicht-

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höfische Bühnen in kreativer Weise der Moderne öffneten, ist eine nicht hinreichend differenzierende These. Am Weimarer Hoftheater auch nach 1900 gelingt nicht nur manche originelle und produktive Inszenierung klassischer Stücke, sondern auch zeitgenössischer Werke. Dennoch ist das „Tivoli“ mit seinem notwendigerweise gewinnorientierten Spielplan wichtiger Kontrapunkt: Er gibt der Unterhaltung und dem Humor, auch der Sozialkritik, breiten Raum, inspiriert die öffentliche Debatte um die ästhetische Bewältigung des gewandelten Weltzustands.

2.2 „Es preßt die Welt in einen engen Rahmen“ – Kino in Weimar „Im Saale des Tivoli gab Elektriker M. Faßbender aus Leipzig gestern Abend seine erste phonokinematographische Vorstellung.“37 Die Zeitungsmeldung vom Februar 1905 bezeichnet ein Phänomen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch die Weimarer fasziniert: Daß es möglich ist, bewegte Bilder von Naturerscheinungen, Menschen, politischen Ereignissen aufzunehmen und wiederzugeben, daß sogar schauspielerische Leistungen technisch reproduzierbar sind, ist ein geradezu revolutionärer Schritt in der Kunst- und Gesellschaftsgeschichte. „Film, Kino und Großstadt gehören zusammen.“38 hat man konstatiert und darauf verwiesen, daß sich in der Struktur der Filme die Erfahrung des Urbanen wiederhole. Immerhin fällt auf, daß in der kleinen, stillen Residenz- und Klassikerstadt das neue Medium schon früh angeboten und begeistert rezipiert wird. Ein Grund dafür ist, daß das Kino eine gewisse Befreiung von den Konventionen des Theaters bietet. Man muß keiner sozialen oder bildungsmäßigen Elite angehören, um Filme zu schauen. Mit dem Anspruch der Authentizität und Unmittelbarkeit führt das Kino Geschehen vor; die Indiskretion – die man Jahrzehnte vorher in Weimar schon als Kennzeichen der Moderne erkannte39 – ist Mittel des Mediums und befriedigt ein Publikumsbedürfnis. Welt wird in anderer Weise erfahrbar: Menschen, die niemals an den Gardasee gelangen, empfangen die Bilder seiner landschaftlichen Schönheit. Jene, denen nur von fern ein Blick auf die „höchsten Herrschaften“ vergönnt war, schauen mit Hilfe der Kamera aus nächster Nähe in Gesichter, auf Kleider und Uniformen. Das Medium mag die monarchistische Begeisterung auch stimulieren, es holt doch die Autoritäten aus einer bestimmten Entrücktheit in den kritischen Blickwinkel des Publikums. Der Kinematograph durchbricht die Atmosphäre ruhigen Bildungstrebens und wirft die Weimarer in eine neue, geradezu gegenklassische Welt: Zu ihr gehören Banalitäten und Überzeichnungen, Groteske und Dämonie, der schnelle Wechsel oder gar die Verbindung von Tragischem und Komischem. Bald nach dem Erscheinen des neuen Mediums melden sich in Weimar Stimmen, die dem Kino doch eine wichtige Rolle bei der Formung einer allseitig-harmonischen Persönlichkeit zuweisen. Nicht nur ist der „Kinematograph im Dienste der Wissenschaft“40 von besonderem Interesse. Vielmehr registriert man mit Befriedigung, daß bedeutende Bühnenkünstler nunmehr in Filmen auftreten, daß Dichter mit großen Namen an der „Veredelung des Kinos“41 arbeiten. In Weimar glaubt man, das Massenmedium werde zur sublimierten Kunstform, es diene klassischem Streben auf der breiten Basis des technisch Reproduzierbaren.

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Eine Fülle kinomatographischer Aufführungen finden seit diesen frühen Jahren des 20. Jahrhunderts in Weimar statt. Auf dem Schützenfest 1905 werden die „lebenden, singenden, sprechenden und musizierenden Photographien“42 gezeigt; Theodor Scherffs Theater-Elektro-Bioskop, in der Reklame als „Deutschlands vornehmstes kinematographisches Institut“43 bezeichnet, gibt in dreimaligem täglichem Programmwechsel Vorstellungen. Tagesereignisse wie die Hochzeit des preußischen Kronprinzen, eine Museumseröffnung, ein Turnfest und das Automobilrennen in Homburg erscheinen – „vollständig flimmerfrei“ – ebenso wie Flottenmanöver, Schlachten und Kriegsszenen. Dazu gibt es „Kulturfilme“ über die Weinlese, die Springbrunnen in Versailles oder die Arbeit in einem Bergwerk.44 Wichtiges Element sind komische Szenen, die einen seltsamen Kontrast zu den vorangehenden weihevollen oder schrecklichen Ereignissen bilden. So heißt es im Programm des 19. Juli 1905: „Die Seeschlacht vor Port Arthur. (Torpedo-Flotte auf hoher See. In Schlacht-Aufstellung. Bombardement. Feuern der Torpedo. Seeminen-Explosionen. Vom Torpedo getroffen. Der Feind zerstört.) Das neckische Dirndl. (Verlobung auf der Alp.)“45 Der Krieg – in diesem Fall der aktuelle Russisch-Japanische – erscheint als faszinierendes Technikspektakel; die bewegten Bilder beschreiben die Schlacht als großartige Manifestation neuzeitlicher Errungenschaften und stimulieren die Begeisterung für Schiffe, Torpedos und Unterseeboote. Überdies wird der Rezipient vom Kriegsschauplatz sogleich in eine idyllisch-komische Welt geführt, es ist keine Zeit zum Nachdenken, zur Sammlung oder Rührung. Kennzeichen des neuen Mediums ist das „Springen“ vom Weltgeschichtlichen zum Alltäglichen, von der Tragik zur Heiterkeit, vom Ernsten zum Frivolen. Letzteres erscheint in den Weimarer Sommertagen 1905 in geheimnisvollen Separatvorstellungen, in denen nach zehn Uhr abends und nur für Erwachsene „neueste Pariser Aufnahmen“46 gezeigt werden. Kino-Pionier Scherff ist es dann auch, der 1906 in der Marktstraße Weimars erstes Lichtspielhaus einrichtet. Die Programme bestehen aus einer Wochenschau neuer Weltereignisse, so berichtet man über Paraden und Staatsbesuche, Sportveranstaltungen, Unglücke, technische Neuerungen und Entdeckungsreisen wie Scotts Südpolexpedition47. Beliebt sind Modeaufnahmen aus Paris, Bilder von fremden Städten und Landschaften. Eine eigene Hauskapelle liefert die Hintergrundmusik zu Märchen, spannenden, humoristischen und manchmal ein wenig anzüglichen Streifen. Bald schon hat das Medium seinen ersten Star: Eine „Völkerwanderung“48 bewegt sich in Weimar zum Kino, um Asta Nielsens Filme zu sehen. Auch das Repertoire von Scherffs Lichtspielhaus stellt ausdrücklich traditionelle Bildungselemente heraus: Man visualisiert griechische Mythen wie Amor und Psyche.49 Kleine Theaterstücke, in denen bedeutende Bühnenkünstler auftreten, erscheinen in „lebenden Photographien“50. 1913 flankiert Scherffs Kino die vaterländischen Jubiläumsfeiern zum 100. Jahrestag der Leipziger Schlacht. Ein „Gemälde in 2 Abteilungen“51 huldigt der preußischen Königin Luise; patriotische Festvorstellungen werden für die Schuljugend empfohlen. Bald schon wollen auch andere die Möglichkeiten der bewegten Bilder nutzen, Scherff erhält Konkurrenz: Hofphotograph Louis Held führt 1912 im Armbrustsaal eigene Filme vor; in seiner Ankündigung betont auch Held den „erzieherischen Wert“52 der Kinematographie. Noch im gleichen Jahr eröffnet er seine „ReformLichtspiele“53, in denen er neben eigenen Aufnahmen auch die anderer Filmemacher

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zeigt: „Der Student von Prag“ mit Paul Wegener hat noch dazu ein interessantes Programmheft, zu dem der Drehbuchautor Hanns Heinz Ewers einen Beitrag leistet.54 Am 14. Februar 1913 wird auch im Residenztheater Am Brühl ein Kino eröffnet. Das geladene Publikum betritt einen mit Teppichen dekorierten Saal und kann auf dem Balkon oder in Logen Platz nehmen. Bewußt also kopiert man die Erlebniswelt des Theaters, auch indem ein Prolog der Vorstellung vorangeht. Viele Male haben die Weimarer auf ihrer Hofbühne Einleitungsworte gehört, klassische und eher platte, humorvolle und feierliche, die eine Verbindung vom Drama zur Welt der Zuschauer knüpfen. Der Korrespondent der Weimarischen Zeitung fühlt sich denn auch an den Prolog zum „Wallenstein“ erinnert, während er dem Kinodirektor lauscht. Dieser lobt – wie im klassischen Vorbild – sein Medium, er fordert, nicht nur das Lebensrecht des Films anzuerkennen, sondern ihn als „wahre Kunst“ ernstzunehmen. Der Prolog betont die Möglichkeit des Kinos, Dinge vorzuführen, die sonst nur Bevorzugten zu schauen vergönnt sind, Fernes in die Nähe zu rücken, Grenzen zu überschreiten: „Es preßt die Welt in einen engen Rahmen …“55 Das Programm der Lichtspiele im Residenztheater zeigt die übliche Mischung aus Spannendem, Komischem und Belehrendem. Etwas Besonderes bietet der Direktor Amandus Kurth, der zwischen den Filmen melodramatische oder komische Gedichte rezitiert56, auch dies eine Reminiszenz an traditionelle literarische Formen und Rezeptionsgewohnheiten. Sogenannte Kunstfilme, die starken Wert auf die schauspielerische Leistung legen, laufen neben unterhaltenden und kommerzialisierten Genres: Neben dem Western „Die Ponny-Expreß-Post“ wird 1913 ein Kriminalfilm gespielt, in dem die technischen Neuerungen – Auto, Hochbahn, Eisenbahn, Fahrstuhl, Luftschiff – bei Flucht und Verfolgung der Täter eingesetzt werden.57 Zu den Weimarer Kinos gesellt sich das Hohenzollern-Lichtspieltheater58 am Bahnhof, das gleichfalls Komödien, Humoresken und Possen im Programm hat, Filme auch mit ernstem Inhalt, die mit der traditionellen Genrebezeichnung „Dramen“ genannt werden, dazu nachmittägliche Kindervorstellungen mit schön kolorierten Märchen. „Im Kino wird der Versuch gemacht, die höchste Betätigung des Menschen, die Kunst, durch Maschinenbetrieb herzustellen. Daß der Versuch scheitern muß, ist ja klar; daß er aber gemacht werden kann, das ist eines der schlimmsten Zeichen der Verwilderung unserer Zeit.“59 Paul Ernsts Verdikt ist einseitig und berührt doch für die Menschheitskultur existentielle Vorgänge. Der Film ist Ausdruck heterogener Entwicklungen, künstlerischer wie gesellschaftlicher, vor dem ersten Weltkrieg. Er spiegelt die moderne Zusammenhanglosigkeit und Rastlosigkeit des Daseins und sucht zugleich – auch er – nach dem Wunderbaren und Übernatürlichen. Die unglaublichen Möglichkeiten der technischen Reproduzierbarkeit verändern Wahrnehmungsweisen, lassen die „Aura“60 des Kunstwerks verkümmern, erschüttern die Tradition in nie gekannter Weise. Damit aber – folgenreich in der weiteren Geschichte – schwindet Weimars Identität.

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3. Bühnenreform in Debatte und Praxis Am 25., 26. und 27. November 1903 gastiert Louise Dumont mit Gustav Lindemanns internationaler Ibsen-Tournee im Weimarer „Tivoli“. Man gibt „Gespenster“, „Klein Eyolf“ und „Rosmersholm“. Folgt man dem Rezensenten der Weimarischen Zeitung, so waren die Aufführungen von unterschiedlicher Qualität: Bemerkt er in den „Gespenstern“ noch Louise Dumonts Stilreinheit der Sprache, die hohe Vollendung, mit der sie Empfindungen zum Ausdruck bringe61, erfüllt ihn am zweiten Abend Ernüchterung. Im ohnehin wenig geeigneten „Tivoli“-Saal verlieren sich nur hundert Zuschauer; die Darsteller bemühen sich, das Stück schnell zu Ende zu bringen und legen ein haarsträubendes Spieltempo vor. Auch Dumont in der Rolle der Rita Allmers gelingt offenbar keine überzeugende Gestaltung.62 Der Rezensent meint, die Ursache des geringen Publikumsinteresses in Weimar gefunden zu haben: Der literarische Stoffwechsel habe sich in den letzten Jahren mit ungeahnter Raschheit vollzogen, die Entwicklung sei weit über Ibsen hinausgelangt, „Einsam in seiner Erkenntnis, einsam in seiner Kunst, steht dieser Norweger inmitten einer Welt, gegen deren verflachendes Bestreben, Normalmenschen zu züchten, er sich mit dem riesenhaften Trotz seines einziggearteten Ichs auflehnt.“63 Ibsen erscheint als einer, der die „Mattherzigkeit“ der Kunst durchbrochen, Tatkraft geweckt und in neue Bahnen gelenkt hat. Nun aber ist er nur noch eine historische Erscheinung, kein produktiv wirkender Autor, seine Apotheose von Individualismus und Schöpfertum ist für den Zuschauer und sein eigenes Leben nicht mehr bedeutsam. Diese Ibsen-Aufführungen im „Tivoli“ stimulieren die kulturpolitische Debatte in Weimar.64 Sie ist Teil einer gesamtdeutschen Auseinandersetzung über Möglichkeiten und Erneuerung des Theaters, über das Verhältnis zur klassischen Bühne, über die Rolle des Publikums, das je nach Position als „Elite“ oder als „Volk“ betrachtet wird. Der Diskurs ist auch in Weimar ein interessanter, nicht auf die Formel zu bringen, hier kämpften enthusiastisch die Moderne fördernde Neuerer gegen national-antisemitische Reaktionäre. Im Herbst 1903 entwirft Wolfgang Goetz aus Leipzig – aus einer grundsätzlichen Kritik zeitgenössischer Klassikeraufführungen – eine Konzeption zur Errichtung eines Festspielhauses für klassische Dramen in Weimar. In diesem sollten anerkannte Meisterwerke Shakespeares, Schillers und Goethes von den besten Schauspielern in höchster Vollendung gegeben werden, um der „Ideallosigkeit und Verflachung unserer Zeit“65 entgegenzuwirken. Goetz läßt seinen Vorschlag unter Autoren und Theaterleuten kursieren, deren Ansichten aufschlußreich sind. Hans Hoffmann, Präsident der Deutschen Schillerstiftung, hält den Gedanken einer solchen Bühne für einen schönen und würdigen, ob er aber praktisch durchführbar sei, wisse er nicht. Auch Richard Voß, der die Weimarer Verhältnisse genau kennt, äußert Anerkennung und Freude über Goetz’ Vorschlag, bekennt sich aber als Schwarzseher bezüglich seiner Ausführung. Der erfahrene Regisseur Paul Lindau verweist auf die hohen Kosten, die ein solches Unternehmen verschlänge, auf die Unmöglichkeit, glänzende Schauspieler auf Dauer an Weimar zu binden und darauf, daß der Vergleich mit dem Musiktheater in Bayreuth durchaus unzutreffend sei.66 „Allem, was Sie über den Niedergang der Schauspielkunst, … über die Verwirrung des Volksgeschmacks sagen, stimme ich vollkommen bei“67, schreibt Paul Heyse. Auch er aber

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deutet auf die materiellen Schwierigkeiten, die eine Bühne hätte, die sich nicht „neben den wahrhaft dichterischen Werken … zu der dramaturgischen Hausmannskost“68 bequemte. Er fragt, woher ein solches Unternehmen in Weimar das Publikum, die Schauspieler und den Bühnenleiter nehmen wolle. Hoftheaterintendant von Vignau betont in seiner Stellungnahme69, daß der Neubau der Bühne vordringlich sei. Sobald dieser ausgeführt sei, werde die Intendanz über Festspiele in den Sommermonaten nachdenken. Goetz’ Vorschlag wird im Januar 1904 dem Großherzog überreicht. Man hat ihn sicher auch über die Gegenargumente der Autoren und Regisseure informiert, die sämtlich begründet sind. Zur gleichen Zeit, da Wolfgang Goetz mit seiner konservativen Konzeption einer „würdigen“ Klassikerbühne die deutsche Theatermisere bekämpfen will, versuchen dies Harry Graf Kessler und seine Mitstreiter von einem anderen Ansatz. Dieser bezieht die Moderne nicht nur in das Repertoire, sondern in Dramaturgie, Bühnenbild, in die gesamte Aufführungspraxis ein. 1905 erscheint Edward Gordon Craigs Schrift „Die Kunst des Theaters“ mit einem Vorwort Kesslers. In dieser essayartigen Einführung beklagt Kessler die Bühnenwirklichkeit, die ein „Greuel für den Geist und für das Auge“70 sei. Der Autor plädiert für eine Kunst des Theaters, die Sinne, Verstand und Gefühl gleichermaßen befriedigt. Dazu bedarf es seiner Meinung nach nicht nur bedeutender Dichtung und großer Schauspielerleistung, vielmehr auch eines Bühnenbildes von eigenem künstlerischem Anspruch. Nicht ein Regisseur alter Prägung ist gefordert, sondern ein universal begabter „Bühnenkünstler“, der Farben und Formen ebenso einzusetzen weiß, wie er ein Gefühl für Rhythmus, Bewegung und Musik hat. Nicht Handlanger des Dichters soll er sein, sondern Schöpfer. Pantomime und Tanz, aus dem „die griechische Tragödie ans Licht stieg“71, gewinnen wesentliche Bedeutung. Auch Kessler verweist auf Wagners Gesamtkunstwerk, das es heute neu zu verwirklichen gelte72, indem Malerei, Tanz und Gebärde auf die Bühne geholt werden. Edward Gordon Craig ist Muster eines modernen Bühnenkünstlers. Wie viele Kritiker des Theaters in dieser Zeit ist der Engländer gegen die Häufung echter historischer Details auf der Bühne, gegen die übliche Dekorationsmalerei. Die komplizierte moderne Bühnentechnik sucht er durch einfache, aber wirkungsvolle Mittel zu ersetzen. Durch Lichtintensität und Farblichttönung entsteht ein faszinierender Aktionsraum. Auch Craig orientiert sich am griechischen Theater; er betont, daß nicht naturalistische Täuschung oder historische Belehrung Zweck der Bühne seien, sondern der wesenhafte Ausdruck. Craigs Name fällt bald im Zusammenhang mit Weimarer Projekten.73 Anfang Juli 1904 sagt sich Craig zu einem Besuch bei Kessler an; im November dieses Jahres ist er erneut in der Stadt: Er studiert das Material in van de Veldes Atelier und inspiriert den Künstler zu vertiefter Beschäftigung mit der Bühnentechnik. Für das Kunstgewerbliche Seminar zeigt er größtes Interesse. Für Hofmannsthals „Gerettetes Venedig“ wird ein Theaterhimmel gestaltet, der einmal nicht „wie ein blauer Lappen“74 aussieht: Van de Veldes Schülerin Erica von Scheel formt mit großer Geduld dieses Gebilde aus dicht zusammengenähten ultramarinfarbenen Quasten75, das im Scheinwerferlicht den Eindruck einer immateriellen Unendlichkeit hervorrufen sollte. Daß es letztlich nicht gelingt, Craig nach Weimar zu holen, hängt weniger mit fehlenden finanziellen Mitteln, mangelnder Unterstützung von seiten des Hofes oder

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konservativer Gegnerschaft zusammen, sondern mit Problemen und Ressentiments zwischen den planenden Persönlichkeiten; vor allem das Zerwürfnis Hofmannsthals mit Craig wird sich negativ ausgewirkt haben. Immerhin findet im Mai 1905 im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe noch jene bedeutende CraigAusstellung statt, die seine modernen Entwürfe für Theater-Dekorationen und Kostüme einem breiten Publikum vorstellt. Kesslers Ideen für die Weimarer Bühne erschöpfen sich nicht im Naturtheaterprojekt und in der Aufnahme von Craigs Konzeption eines wesenhaften Theaters. Auf seine Initiative hin entwirft Hermann Bahr einen Plan für Gastspiele mit Max Reinhardt. Trickreich, beinahe intrigant versucht Kessler, Hoftheaterintendant Vignau zu entfernen: Er ist bestrebt, den Großherzog für den Plan Bahrs zu gewinnen. Dann will er abwarten, bis Vignau Bahrs Vorstellungen widerspricht und vom Fürsten entlassen wird.76 Der Weg wäre frei für Kesslers Wunschkandidaten Hofmannsthal. Dieser wählt sich für seine Aufgabe Immermann zum Vorbild: Ihm müsse er „in Weimar nachstreben, freilich mit welchem anderen, wunderbar bereicherten Material… Euripides und die drei Altersstücke von Ibsen, Calderon und Wedekind, Maeterlinck, ‚Hannele′ “77. Den Autor des letzteren Werkes, Gerhart Hauptmann, würde Kessler auch gern fester an Weimar binden. Kesslers Pläne scheitern am hartnäckigen Widerstand Vignaus und schließlich endgültig mit seiner Entlassung. Kehren wir zum Gastspiel Louise Dumonts im Herbst 1903 und zu den Weimarer Theaterdebatten zurück. Dumont also strebt an, in Weimar ein zweites Theater, eine Musterbühne, zu errichten, auch sie will die Stadt zum „Bayreuth des Schauspiels“78 machen. Es lohnt sich, einen Augenblick bei Dumonts Persönlichkeit und ihrer Theaterkonzeption zu verweilen. Louise Dumont hat etwas für eine große Schauspielerin Unabdingbares: einen eigentümlichen Stil. Den Zeitgenossen fallen ihre beredte Mimik, ihre ausdrucksvollen Augen und der unvergeßliche Klang ihrer Stimme auf79; sie spricht zurückhaltend-kalt, aber man spürt die zitternde Resonanz der poetischen Intention. Ihr Spiel ist einfach, aber von intensiver Ausstrahlung. Ihre Weimarer Pläne, die sie mit dem Regisseur Gustav Lindemann, ihrem späteren Ehemann, verwirklichen will, fallen in eine Phase, da sie sich nach Enttäuschung ihrer künstlerischen Hoffnungen (und hohen finanziellen Verlusten) von Berlin abwendet. Auch sie erwartet die Erneuerung des Theaters nicht von der Metropole, sondern von einer kleinen Residenzstadt. Für Dumont ist die Bühne nicht „Abdruck … ihrer Zeit“, sondern „Pforte von der Welt in die Überwelt“.80 Die große IbsenInterpretin verfolgt also keineswegs eine naturalistische Konzeption. Das Theater ist ihr Kultstätte, das Drama ein Mysterium, durch das eine Verbindung zum Kosmisch-Übersinnlichen hergestellt wird. Auch sie ist fasziniert von germanischen Götterspielen in vorchristlicher Zeit und vom Mysterienspiel des Mittelalters.81 Mit dieser Ausrichtung ihrer Pläne reiht sie sich in eine literarische Entwicklungslinie ein, die ein neues Interesse am Kultischen ausdrückt. Die Autoren wenden sich von der Prägung durch äußere Umstände stärker zu einer Erfahrung jenseits des sinnlich Faßbaren. Die Weimarische Zeitung veröffentlicht am 7. Januar 1904 einen kritischen Artikel über Dumonts Theaterpläne, der wenig Kenntnis ihrer Konzeption verrät und den Einfluß der Hofbühnenintendanz deutlich werden läßt. „Nicht zum Bayreuth des Schauspiels will man Weimar erheben, sondern man will ein Theater ‚gründen′,

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welches schlechthin die Moderne pflegt“82, grollt das Blatt, eine falsche Annahme, denn ein Blick auf den skizzierten Spielplan zeigt seine bei der griechischen Antike beginnende Breite83. Auch wenn man weiß, daß das Hoftheater keineswegs nur Bartels, Wildenbruch und Benedix spielt84, darf man die Aussage des Artikels anzweifeln, hier werde die Moderne in ausreichendem Maße gepflegt. Nicht unrecht aber haben Dumonts Kritiker mit dem Hinweis, daß zwei Theater in dieser kleinen Stadt, selbst wenn man das eine als Festspielbühne im Sommer etablierte, kaum lebensfähig sind. Der Zeitungsartikel läßt deutlichen Ärger über die „geheimnisvollen“ Gerüchte über einen bereits bestimmten Bauplatz und den ausgewählten Architekten anklingen. Hier schon kann man ahnen, daß Kesslers Methode, gewissermaßen Fäden zu ziehen, um die etablierten Funktionsträger in Weimar auszuschalten, nicht zum Erfolg führen wird. Am 20. Januar druckt die Weimarische Zeitung einen von van de Velde eingesandten Auszug aus einem Brief an Palézieux. Im ihm hatte er – als der in Aussicht genommene Architekt des neuen Theaters – Dumonts Anliegen erläutert. „Aktionäre unterstützen ihre Idee“85, schreibt van de Velde. Damit gibt er den Kritikern des Plans ein neues Argument in die Hand: Ein Privattheater, mit Berliner Geld finanziert, könne die bedeutungsvolle nationale Aufgabe einer Musterbühne nicht erfüllen86 – dies nichts anderes als eine Phrase, die das lästige Konkurrenzunternehmen des Hoftheaters abwehren soll. Am 28. Januar 1904 meldet sich schließlich Adolf Bartels zu Wort, mit einem bereits 1900 publizierten Aufsatz aus der „Deutschen Welt“.87 Bezeichnenderweise lautet sein Titel „Deutsche Dionysien“. Auch Bartels konstatiert zunächst den Verfall des Theaters, die Verflachung, die Ideallosigkeit, die verderbliche Alternative Kommerz oder Konvention. Er nimmt die Begriffe „Bayreuth“ und „Oberammergau“ auf, um Richtungen der notwendigen Theaterreform anzudeuten. Er orientiert auf Kultspiele, auf ein Nationaltheater, das sinnhaftes Erlebnis gewährt, auf ebenjene Dionysien, die in einem großen Fest das Kosmische berühren. Auch Bartels schlägt Sommerfestspiele vor, auch er wünscht ein Festspielhaus an der Belvederer Allee, auch er sieht den Strom der Fremden zu dieser Spielstätte im Mittelpunkt des Reiches ziehen. Die eigenartige Nähe seiner Vorstellungen zu denen Louise Dumonts muß auch der Weimarischen Zeitung aufgefallen sein, denn sie bestimmt Bartels zu jenem vielzitierten Zusatz, er glaube nicht an eine Verwirklichung seiner Ideen durch eine freie Schauspielergenossenschaft und mit Berliner (jüdischem?) Gelde.88 Bartels ist auch schon in seinen frühen Äußerungen ein penetranter Antisemit, sein Katalog notwendig aufzuführender Autoren ist von einer – auch die späteren Literaturgeschichten bestimmenden – Einseitigkeit und läßt die Moderne nur mit wenigen Stücken zu. Die Abwendung von den theatralischen „Bettelsuppen“89 gegenwärtiger Bühnen und die Orientierung am Kultisch-Orgiastischen freilich teilt er nicht nur mit Dumont, sondern mit einer ganzen Richtung der literarischen Moderne. 1903, als Louise Dumont mit dem Ibsen-Ensemble in Weimar gastiert, Kessler und seine Mitstreiter über eine moderne Musterbühne nachdenken, wird in Thale das Harzer Bergtheater gegründet. In Weimar unterhält es eine Geschäftsstelle, die illustrierte Gratishefte versendet, in denen über Aufführungen und Vorhaben Auskunft erteilt wird.90 Das Bergtheater als konservativ-völkisches Projekt entsteht aus einer

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theoretischen Erörterung von Wesen und geschichtlichen Wurzeln der Bühne, die vor allem von Friedrich Lienhard geführt wird. Auch die Konservativen gehen von einer grundsätzlichen Kritik am Theater der Gegenwart aus. Beziehungswesen und Kommerzialisierung gelten ihnen als Grundzüge Berliner Bühnenlandschaft. In der Tat sind Veräußerlichung und Kapitalisierung Entwicklungstendenzen des Theaters im 19. Jahrhundert; Lienhard und die Seinen verkennen freilich, daß die Moderne selbst ihre Reformbestrebungen aus einer Kritik dieser Verhältnisse beginnt. Für Lienhard wird „Weimar“ auch für das Theater zum ästhetischen Programmbegriff. Spott, Satire, „Geistreichelei“91 und Pikanterie hätten demnach als Welthaltungen mit entsprechenden Darstellungsformen keinen Platz auf der Bühne. Der „Überbrettl-Ton“, der kabarettistische Zweifel an Gott und der Welt, sei zu verwerfen. Es gelte nicht, bürgerliche Schäden bloßzulegen oder die soziale Ordnung anzuklagen. Das für Lienhard vorbildhafte Theater steht nicht in der Tradition des bürgerlichen Trauerspiels oder der Ibsenschule; als Werte, denen es verpflichtet ist, nennt er Freudigkeit, Harmonie, Gemüt, Phantasie und Religion.92 Lienhard sieht die historische Genese der deutschen Theatertradition kritisch: Mit Nietzsche konstatiert er, daß hier das Fastnachtsspiel verdrängt worden sei, man stets nach dem Muster fremder Völker gedichtet habe.93 Nicht nur Lienhard und vereinzelte Reaktionäre entdecken um 1900 dramatische Genres wie Festspiel, Mysterien- und Legendenspiel, Maskenzug und Reigenspiel. Diese im Kult wurzelnden Formen scheinen geeignet, die Lösung des Theaters aus Kommerz und Konvention einzuleiten. „Rethéâtraliser le théâtre!“94 fordert Georg Fuchs, auf dessen Thesen sich Lienhard ausdrücklich beruft; Fuchs gestaltet gemeinsam mit Peter Behrens im Festspiel der Darmstädter Künstlerkolonie95 die Idee einer Schaubühne der Zukunft. Fuchs’ Überlegung, daß Text, Spiel und Publikum im neuen Theater wieder zu vereinen seien96, um ein wesenhaftes Welterlebnis zu erreichen, ist eine grundlegende der Dichtung und Dramaturgie um 1900. Von den Maskenfestzügen des George-Kreises bis Hofmannsthals „Jedermann“ reichen die ästhetischen Versuche, Theater gewissermaßen aus den Wurzeln der Kultur zu entwickeln, ein sakrales Kunsterlebnis zu initiieren. Für Lienhard unverzichtbar ist es, die Bühne in die Natur hineinzustellen, mehr noch, eine Einheit von Darstellung, Publikum und natürlichen Phänomenen zu erzeugen. Er beschreibt die Wirkung des Mondes, des unterschiedlichen Lichteinfalls, der Stille. Es gelinge so ein „Hineinspiegeln des eigenen Seelenlebens in die Tatsächlichkeit der Welt“97. Auch Lienhard beruft sich auf die dramatischen Spiele der Griechen als Traditionslinie, die es aufzunehmen gelte. Dort erwächst Theater aus der Geschichte und dem Empfinden des Volkes, ist Teil des Kultus. Ähnliches gilt für die Oberammergauer Passionsspiele98, die für Lienhard wie für die Bühnenreformbestrebungen der Moderne maßgebend sind. Die agierenden Hochlandbauern scheinen dem Dilettantismus fern, ihr Spiel ist frei von aller Tendenz, sie berühren das Wesen der Welt. Für die Modernen wie für die Konservativen ist Richard Wagners Bayreuther Projekt ein Ausgangspunkt der Theaterdebatte. Die einen wie die anderen fasziniert, daß Bayreuth „seinem Ideale, seiner Idee nach ja ein Volkstheater“99 ist, eines freilich, das dem Volk fern bleibt, dessen Publikum der „bourgeoise Pöbel“100 bildet. In der Tat prägt die wiedergewonnene Einsicht in die „volkstümliche Grundnatur des

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Theaters“101 die moderne Theaterreform-Bewegung, aber auch die konservativen Überlegungen. Die letzteren betonen die Einheit von Mythos, Festgedanken und Kultfeier, von Text, Darstellung, Publikum und Natur, die Idee des Gesamtkunstwerks wird erneut aufgenommen. Für Lienhard und seine Mitstreiter spielt es keine geringe Rolle, daß die Bühne fern der Großstädte mit ihrem „Fremdentheater“102 entsteht, die Aversion gegen Beziehungswesen, Kommerz, aber auch Internationalität prägt sich hier aus. Mag man sich nicht täuschen: Auch das konservative Gesamtkunstwerk, Lienhards Idee der stadtfernen „Volksbühne“, die eine Harmonie aller Kulturkräfte erreicht, bleibt ein theoretisches Konstrukt. Zwar hat das Harzer Bergtheater Erfolg, es lockt ein Publikum an, das sowohl die epigonale Erstarrung als auch die Theatermoderne Berliner Prägung ablehnt. Man gibt geeignete klassische Stücke, etwa Goethes Schäferspiel „Die Laune des Verliebten“, Hans Sachs, Kleist, Hebbel, Otto Ludwig, Shakespeare, Sophokles, sogar Hauptmann und Ibsen. Dominierend aber ist das völkisch-germanische Drama, etwa Wachlers „Gaufestspiel“ „Widukind“, seine Stücke „Mittsommer“, und „Walpurgis“.103 Wachlers Verse fluteten „schwer wie von mitbewegten Trümmern“104 – Nadlers poetischer Vergleich in einer ansonsten lobenden Abhandlung läßt leise Kritik an der ästhetischen Qualität solcher Werke anklingen. Im Harz entsteht nicht das harmonische Gesamtkunstwerk, das das Wesen der Welt berührt, eine Bühne vielmehr, die viel Mittelmäßiges und Völkisches bietet. „Weimar hatte einen neuen Sinn erhalten, der diesmal mehr gegen Herder als gegen Goethe zu lag.“105 So resümiert Josef Nadler, einer der profiliertesten konservativen Literaturhistoriker, die Bergtheater-Bemühungen. Dies soll wohl heißen, daß das Projekt die völkischen Wurzeln der Bildung sucht, einen Bezug herstellt zwischen einem breiten Publikum, dem natürlichen Raum und dem poetischen Urgrund des Daseins. Interessanterweise wird der Volkstheatergedanke in Weimar vorerst nur von den Konservativen verfolgt. 1892 stirbt hier der Autor Hans Herrig. Nachdem er in Worms mit dem Projekt eines nationalreligiösen Festspielhauses gescheitert ist, begibt er sich voller Hoffnung an den Symbolort Weimar. Er trägt sich mit dem Gedanken, derartige Volksschauspiele in Eisenach zu etablieren.106 In seiner Schrift „Luxustheater und Volksbühne“107 plädiert auch er für die letztere, weder im Sinne der modernen Unternehmungen in Paris und Berlin, noch als dilettantisches Laienprojekt mit didaktisch-unterhaltender Funktion. Herrig will die verschüttete Volkstheatertradition wiederbeleben, Potentiale der eigenen Nation in der dramaturgischen Konzeption enthüllen, jedenfalls breite Bevölkerungskreise in ein solcherart erneuertes Theater führen. Herrigs Konzept wird damals nicht verwirklicht; seine Ideen aber inspirieren die konservativen Theatertheoretiker des frühen 20. Jahrhunderts. 1905 erscheint in erster Auflage Adolf Bartels’ Denkschrift „Das Weimarische Hoftheater als Nationalbühne für die deutsche Jugend“. Der Verfasser beklagt den Zustand der deutschen Theaterverhältnisse, indem er auf die einseitige Gewinnorientierung, auf Reklame, „Agentenwirtschaft“108 und Sensationshascherei verweist. In der Entwicklung des Dramas und seiner Aufführungen findet er Mitte der achtziger Jahre eine produktive Phase, für die ihm Wildenbruch, aber auch Ibsen, Sudermann und Hauptmann stehen. Danach freilich sei man zur „nackten Sensation“109 zurück-

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gekehrt, zu einer Dramatik, die große Schicksale nicht berücksichtigte. Schnell und oberflächlich tut Bartels Autoren wie Hofmannsthal oder Oscar Wilde ab; sein Antisemitismus läßt eine differenzierte Prüfung der Lebensleistung etwa Blumenthals oder Paul Lindaus nicht zu. Gemäß den heimatkünstlerischen Intentionen fordert Bartels den Kampf „gegen die nivellierende großstädtische Kultur“110, für den ihm Weimar der geeignete Aktions- und Symbolort erscheint. Den Nationaltheatergedanken aufnehmend, entwirft er erste programmatische Überlegungen für eine „Festspielfahrt“111 der deutschen Jugend nach Weimar, die zur sommerlichen Ferienzeit stattfinden soll: Den jungen Leuten sollen qualitätvolle Aufführungen mit bedeutenden Schauspielern geboten werden. Das Theatererlebnis versteht sich als Teil einer umfassenden kulturellen Konzeption. Man fährt nicht nach Weimar, um trockene Bildungselemente zu erwerben, sondern zu tiefgreifender Erneuerung des Lebens. Bartels’ Spielplanentwürfe zeigen die bekannte heimatkünstlerische Einseitigkeit in der Traditionswahl: Von Lessing schlägt er – neben „Minna“ und „Emilia“ – immerhin auch „Nathan den Weisen“ vor, außerdem Schiller, Goethe mit „Götz“, „Clavigo“, „Faust I“ und den großen klassischen Dramen, Kleist ohne „Amphitryon“ und „Penthesilea“, schließlich Grillparzer, Hebbel und Otto Ludwig. Sophokles, Shakespeare, Calderón und die französische Klassik bilden eine internationale Linie aufführungswürdiger Dramatiker. Gustav Freytags „Journalisten“ scheinen immer noch geeignet, Entwicklungen der kulturellen Öffentlichkeit zu geißeln. Wildenbruch gilt als Vermittler patriotischer Gedanken.112 Bartels’ Denkschrift fällt nicht zuletzt deshalb auf fruchtbaren Boden, weil sie den damals allgegenwärtigen Gedanken der sittlichen und ästhetischen Erziehung der Jugend jenseits bloßer Wissensvermittlung aufnimmt. Außerdem ist sie im Praktischen und Materiellen durchführbar, sie bindet das Hoftheater in die Ausrichtung ein, gibt diesem sogar einen neuen, auf ganz Deutschland ausstrahlenden Glanz. Nachdem Bartels auf seine Denkschrift, die er an 200 Persönlichkeiten und Zeitschriften versandte, viele positive Reaktionen erhielt, berät er das Projekt im Dezember 1905 mit Staatsminister Rothe und dem Hoftheaterintendanten Vignau. Großherzog Wilhelm Ernst läßt übermitteln, daß er dem Unternehmen freundlich gegenüberstehe. Daneben bespricht sich Bartels mit Eelbo, Gast, Hoffmann, Vulpius und Aloys Obrist, seinen Bekannten also vom Jungbrunnentisch, dazu noch mit Theodor Wette, dem Arzt und Vorsitzenden des Liberalen Vereins, und mit Johannes Lehmann-Hohenberg, der als Anhänger des Haeckelschen Monismus und der freigeistigen Bewegung völkische Ideen der Kulturerneuerung vertritt.113 Im September 1906 reisen auch auswärtige Gäste zu einer deutschlandweit Beachtung findenden Beratung des Nationalbühnenplans an. Der Literaturwissenschaftler Adolf Stern referiert über die ästhetische Bedeutung von Nationalfestspielen für die deutsche Jugend; er sieht Weimar als einen „lebendigen Mittelpunkt großer Erhebungen und Eindrücke“114. Die Konferenz wird von Kommerzienrat Döllstädt, dem geachteten Weimarer Unternehmer und Politiker, geleitet. Unter dem Datum vom 30.9.1906 beschließt man die Gründung eines Deutschen Schillerbundes zur Schaffung und Erhaltung einer Nationalbühne für die deutsche Jugend. Es scheint zunächst, als ob das Projekt das Schicksal vieler ehrgeiziger Pläne in Weimar teile: Es bleibt lange in einer Phase der Vorbereitung. Zwar hält man zu Pfingsten 1907 den zweiten Nationalbühnentag ab, auf dem Carl Alexander von

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Gleichen-Rußwurm, Schillers Urenkel, das Referat hält.115 Zwar übernimmt der Großherzog das Protektorat; eine Reihe von Aktivitäten stützen das Unternehmen. Erst die private Geldspende eines Hallenser Baumeisters und Fabrikanten in Höhe von 14000 Mark stimuliert das Vorhaben im Jahre 1908. Man verfaßt einen neuen Aufruf an das deutsche Volk. Das Anliegen einer Nationalbühne für die deutsche Jugend wird nunmehr auch von Persönlichkeiten befürwortet, die sonst nicht in allen Punkten oder gar nicht die Bartelsschen Literatur- und Gesellschaftsvorstellungen teilen: Unter ihnen sind die so unterschiedlichen Österreicher Peter Rosegger und Ferdinand von Saar, der Altmeister des Realismus Wilhelm Raabe, der Philosoph Rudolf Eucken und der „Kunstwart“-Herausgeber Ferdinand Avenarius.116 Im Sommer 1909 finden schließlich die ersten Nationalfestspiele in Weimar statt. Zunächst einmal ist festzuhalten, daß den jungen Leuten aus Deutschlands höheren Schulen qualitätvolle Aufführungen geboten werden. Hans Illiger steht als Tell, Egmont und Tellheim auf der Bühne, Sophie Wachner aus Berlin brilliert als Klärchen, und die große Agnes Sorma gestaltet die Rolle der Minna von Barnhelm. Unter den Regisseuren ist der in Weimar wirkende – auch als Schauspieler und Autor bekannte – Karl Weiser, dem Adolf Bartels an sich distanziert117 gegenübersteht. Die Nationalfestspiele finden in Deutschlands Mitte statt, in einer Landschaft, in der sich die Fäden nationaler Erinnerungskultur kreuzen. Das Weimarer Theatererlebnis wird in eine – je nach der Schule unterschiedliche – Erlebnisfahrt eingebettet. So sehen die Schüler aus Tondern in Schleswig zunächst die Kaiserstadt Goslar, sie verfolgen den Sonnenaufgang auf dem Brocken, steigen in die Hermannshöhle Rübeland, begeben sich auf die Roßtrappe und den Kyffhäuser. Andere Schüler besichtigen die Schlachtfelder von Langensalza und Jena, die Wartburg, Kösen und die Rudelsburg.118 Die Konzeption der Nationalfestspiele knüpft an zeitgenössische Ideen der Lebens- und Erziehungsreform an: Daß man sich wandernd und im kollektiven Erleben Natur, Heimat und Geschichte erschließt, gehört zur Jugendbewegung, daß man sich „sammeln“ müsse gegen die zerstreuenden Einflüsse des modernen Alltags, ist wesentliche Überzeugung moderner Pädagogik. In ihren Berichten betonen etliche Lehrer den Heimatschutzgedanken119, dessen Wichtigkeit ihnen und den Schülern in Mitteldeutschland klar wurde. Schon hier sollte deutlich sein, daß die Nationalfestspiele eine ambivalente Unternehmung sind: Daß junge Leute kostenlos gutes Theater sehen, ist nicht zu tadeln, wohl aber, daß die Aufführungskonzeption die gesamte Moderne verwirft. Ein großes Erlebnis von Geschichte, Landschaft und Kunst organisiert man, das freilich allein nationale Überzeugungen befördert, etwa die in Mitteldeutschland und in Weimar starke Traditionslinie von Kosmopolitismus und Europäertum unberücksichtigt läßt. Die Schüler erleben die Gastfreundschaft der Weimarer und eine Geselligkeit, die nicht zuletzt Begegnungen zwischen den Geschlechtern zuläßt, die doch nicht frei ist von nationalem und landsmannschaftlichem Kitsch und einer peinlichen Beweihräucherung des Initiators Bartels. Verfolgt man Debatte und Praxis des Theaters in Weimar, so fallen Berührungen der Konzeptionen auf: Kessler wie Lienhard, Dumont wie Bartels orientieren auf eine wesenhafte Bühne, die Unterhaltung und Kommerz beiseitestellt, die existentiell bedeutsames Erleben vermittelt, Sinne, Verstand und Gefühl gleichermaßen

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befriedigt. Ausgehend von einer grundsätzlichen Kritik am gegenwärtigen Theaterbetrieb werden Projekte entwickelt, für die das Kultische keine geringe Rolle spielt. Während Kessler und seine Mitstreiter über die Erziehung eines Publikums bei Hofe nachdenken, für das man im elitären Kreis Kunstgenuß und stilisierte Geselligkeit gestaltet, während sie jenes Mustertheater weltoffenen Europäertums entwerfen, rekurrieren die Konservativen stärker auf die völkische Grundnatur des Theaters, freilich in einer letztlich unproduktiven nationalistischen Verengung.

4. „Er müßte ein Gebet sein, dieser Tanz“ – Tanztheorien Moderner und Konservativer Anfang August 1910 schreibt Helene von Nostitz einen Brief an Hofmannsthal, in dem sie auf ihre Weimarer Jahre zurückschaut. Sie berichtet von ihrem letzten dortigen Gartenfest, „wo Tänzerinnen einen Fackelzug aufführten, der ... prachtvoll wirkte. Man könnte das ja ins Unendliche vergrößern und Hunderte von Tänzerinnen in einem großen Park auftreten lassen, aber so waren die einzelnen in der tiefen Nacht gegen den großen Himmel die Fackeln erhebend ergreifend schön. Ja, diese zwei Jahre in Weimar sind ein großer Gewinn.“120 Es ist bezeichnend, daß Nostitz’ Weimar-Resümee mit der Beschreibung einer Tanzszene eingeleitet wird. Der Tanz ist für die Moderne überhaupt und für die Weimarer im besonderen ein Grundmotiv. Er ist nicht nur Bestandteil eines erneuerten Theaters, sondern jener Lebensreform, die man für alle Gebiete erstrebt. Als die Meininger ihre ersten Gastspiele geben, erhalten die Zuschauer Eindrükke eines neuen Tanzes, der sich vom konventionellen Ballett unterscheidet. Anmutig und natürlich habe man im „Wintermärchen“ getanzt121 – damit schon sind die ästhetischen Begriffe der Debatte um 1900 genannt. Den Weg aus der Erstarrung und Fesselung im klassischen Ballett beschreitet nach den Meininger Ansätzen die Amerikanerin Loie Fuller: In den frühen neunziger Jahren entwirft sie in Paris eine Bühnenshow mit Elementen moderner Beleuchtungstechnik. Man verdunkelt den Bühnenraum, projiziert Licht auf die weiten Seidengewänder der Tanzenden, erzeugt irisierende Farbwirkungen, vermittelt die flüchtigen Sinneseindrücke des Impressionismus. Zugleich erhält der Tanz durch die Betonung der Arme und des Oberkörpers etwas Feierliches und Mystisches. Von Fuller lernt Isadora Duncan, deren theoretische Schrift „Der Tanz der Zukunft“ bei Diederichs in Jena erscheint. Ausgehend von der Kritik an der Sterilität klassischen Balletts entwickelt sie ihre Vorstellung eines neuen Tanzes. Die tänzerischen Bewegungen müssen im Einklang mit der Natur stehen, Wogen, Winde, Erdball geben die Elementarbewegungen vor, denen die Tänzerin nur zu folgen hat.122 Gelinge dies, so besinne man sich auf die Griechen, deren Tanz vollständig der Natur entsprochen habe.123 Duncans Ideen enthalten einen frauenemanzipatorischen Ansatz; Schönheit und Gesundheit des weiblichen Geschlechts entfalteten sich im natürlichen Tanz, staubig-konventionelle Ballettordnungen hinter sich lassend. Jener „Tanz der Zukunft“ werde folgerichtig eine hohe religiöse Kunst.124 Der Weg geht von der unbewußten, ahnungslosen Nacktheit

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zur gewollten Nacktheit des reifen Menschen, dessen Körper harmonischer Ausdruck geistigen Wesens ist. Auf dieser Stufe ist die Balance von Bewußtsein und Natur, die Identität des Individuums wiederhergestellt; Vernunft löst sich aus der Beschränkung auf empirische Zwecke. Die Traditionslinie einer solchen Sicht ist deutlich: Kleists „Marionettentheater“-Aufsatz wird in der Moderne aufgenommen. Ziel des neuen Tanzes ist die Wiedergeburt der Unbefangenheit, der Grazie, die sich am reinsten dort ausprägten, wo kein oder ein unendliches Bewußtsein ist. Im Rekurs auf das Griechentum als Harmonie von Natur und Kunst erscheinen zugleich Antikesichten der deutschen Klassik. In seinem frühen Essay „Kunst und Religion“, der 1899 im Februarheft des „Pan“ erscheint, wendet sich Harry Graf Kessler auch dem Wesen des Tanzes zu. Dieser gestalte keine Idee, vielmehr hebe er die „Gefühlsfarbe“125, der die Seele zuneige, zu Kraft und Klarheit empor. Tanz könne jede Schattierung der Persönlichkeit aufnehmen und forttragen „zu dem Unerreichbaren der Mystik und Liebe“126. Auch Kessler spricht nicht von der erstarrten Kunstform des herkömmlichen Balletts, sondern vom neuen – auf alte Traditionen zurückgehenden – Tanz. Er erwähnt Loie Fuller, die jenen im Orient nie verlorenen Zusammenhang von Ornament und Tanz wieder herstelle127, zwei Urformen künstlerischen Ausdrucks vereinige. Die Hochschätzung des Tanzes im Fin de siècle – dies zeigt Kesslers Essay bereits deutlich – berührt sich mit Grundtendenzen in der Literatur und Kunst. Man entdeckt Naturformen, die doch realitätsfern und aufs Äußerste stilisiert erscheinen. Das Ornamentale und Dekorative gehört zu der Gestaltung einer preziösen Welt der Schönheit, des dionysischen Lebensrausches, des mänadischen Daseinsgefühls. Freilich aber heißt Tanz nun auch Sehnsucht nach Begegnung mit der göttlichen Unendlichkeit, nach dem Hinausschreiten über sinnlich Zugängliches, nach der Teilhabe am Geheimnis der Welt. Tanz wird wichtiges Motiv in der bildenden Kunst. Ludwig von Hofmann, der 1903 an die Weimarer Kunstschule berufen wird, eine der prägenden Persönlichkeiten der Ästhetik und Geselligkeit des „Neuen Weimars“, gestaltet in vielen seiner Bilder Tanzende. Eine Ölstudie nach Kellers Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“128 zeigt ein in der Abendsonne tanzendes Liebespaar, dem der dämonische schwarze Geiger aufspielt: Vor allem die Frauenfigur bewegt sich ekstatisch; das Bild als Ganzes vermittelt eine schwingende Erregung. Hofmanns dekorativer Entwurf „An die Freude“ zeigt erneut tanzende Figuren in seligem Taumel, mit flatternden geschwungenen Gewändern. Eine der Tänzerinnen erscheint wie eine stilisierte Flamme, gleichsam dem Kult hingegeben. Auf dem „Dekorativen Gemälde“ tritt in klassischer Landschaft eine moderne Schleiertänzerin auf. Hofmanns Entwürfe zu Sopraporten zeigen häufig tanzende Mädchen. Die Gestalten seines Ölgemäldes „Tänzerinnen“ biegen sich zusammen, um elastisch wieder emporzuschnellen. Auch Bilder, die nicht direkt Tanzmotive gestalten, haben tänzerischen Ausdruck: Auf Hofmanns Gemälde „Frühlingssturm“ werfen sich die Figuren lustvollbegeistert dem All entgegen. Landschaften sind von großer Bewegtheit; Nebel, Brandung, Wellen oder Wolken vermitteln ein universales tänzerisches Weltgefühl. Ludwig von Hofmann ist – wie seine Weimarer Freunde – fasziniert von Ruth St. Denis: Seine aus der Erinnerung entstandenen Darstellungen der amerikanischen Tänzerin betonen das Abstreifen alles Irdischen, die Berührung des Universums.

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1905 erscheinen diese lithographischen Studien zu den Tänzen der Ruth St. Denis bei Insel, mit einem Prolog Hugo von Hofmannsthals. 1907/08 schließlich treten Hofmanns Tanzdarstellungen gewissermaßen in Weimars Öffentlichkeit: Für das neu erbaute Hoftheater malt er im Foyer einen Fries mit antiken Reigentänzen. In jenem Prolog zu Hofmanns Tänzen stellt auch Hofmannsthal den Bezug zur Antike her: Eine griechische Seele nur habe so zeichnen können. Eine „Wollust des Daseins, der ihre Schwere genommen ist“, präge sich in den Blättern aus, „eine Wollust, in der so viel Bewegung ist, daß sie langsamen Augen ... keusch erscheint wie stürzendes Wasser und tanzende Sterne“.129 Kein Zweifel, Hofmannsthals Urteil berührt den Künstler wie die Tänzerin: Die schwingende Linearität des Jugendstils, die ausdruckskräftige Linie, aber auch ein Gefühl frühlingshafter Erneuerung sind beiden Kunstformen eigen. Und beide, die Tänzerin und der sie zeichnet, sind der griechischen Antike nah; freies, unentfremdetes, geweihtes Leben erscheint in den reproduzierten Bewegungen. Früh schon ist Hofmannsthal von tänzerischem Ausdruck fasziniert. Der Tanz ist eine Alternative, wenn der im Fin des siècle Lebende vom „Ekel vor den Worten“130 befallen wird. In der Rezension der Mitterwurzer-Monographie von Eugen Guglia entwickelt Hofmannsthal 1895 schon diesen sprach- und zeitkritischen Ansatz: Die Leute seien müde geworden, reden zu hören, das Denken ersticke unter Begriffen. Folgerichtig entsteht eine „Liebe zu allen Künsten ..., die schweigend ausgeübt“131 werden. Der Tanz erscheint als Möglichkeit, zugleich das eigene Wesen auszudrücken und das Wesen der Welt zu berühren, er ist ein Mittel des Elementaren, unbeschränkt scheinbar durch die geistigen Traditionen. Auch in Hofmannsthals poetischem Werk spielt der Tanz eine zentrale Rolle132: Als Bestandteil der Handlung vermittelt er die rauschhafte Auflösung der Lebensgrenzen, er erscheint als dionysischer Taumel oder christlicher Totentanz. Am 6. Oktober 1906 trifft Ruth St. Denis in Berlin ein, wo sie mit indischen Tänzen auftritt. Die Künstlerin begeistert Kessler, der seine Eindrücke sogleich Hofmannsthal mitteilt: St. Denis’ indischer Tempeltanz verkörpere „Tierschönheit und Mystik ohne jede Zwischenskala geistiger oder sentimentaler Töne“133. Hier scheint die in Kleists „Marionettentheater“ entfaltete Utopie erreicht: Elementare geistlose Anmut und höchste Verbindung mit dem Göttlichen gehen ineins. Anfang November besucht auch Hofmannsthal eine Vorstellung, im Dezember lernt er Ruth St. Denis persönlich kennen. Am 25. November 1906 erscheint in der Wiener „Zeit“ sein Aufsatz „Die unvergleichliche Tänzerin“. St. Denis’ Tanz habe nichts mit Bildung zu tun, sie wolle nichts illustrieren, nichts nahebringen, sie gestalte nicht Posen, sondern Elementares und Göttliches verschmelzende Bewegungen. Ihr Stil sei kommentarlos, von abweisender Unmittelbarkeit, hieratisch134. Unter dem Eindruck von Ruth St. Denis’ Darbietung entsteht 1906/07 Hofmannsthals Dialog zweier Tänzerinnen „Furcht“, in dem seine Ästhetik des Tanzes erneut aufscheint. Hymnis berichtet von den Tänzen ihrer „Kolleginnen“, die von Dichtern erdachte Pantomimen vorführen, zwischen denen Verse gelesen werden. Laidion aber schiebt solchen Tanz verächtlich beiseite: Sie hat die Vorstellung einer fernen barbarischen Insel, auf der der wirkliche Tanz geübt wird. Er ereignet sich vor der sexuellen Hingabe; man mag an Tempelprostitution und Initiationsriten135, vielleicht auch an das Rosenfest in Kleists „Penthesilea“ denken. Es ist ein Tanz, der frei ist

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von Wünschen, Hoffnung und Furcht, damit erreicht er die höchste Einheit mit dem Göttlichen. Kesslers Pläne für eine Zusammenarbeit Hofmannsthals mit Ruth St. Denis136 scheitern. Die Salome, über die der Dichter ein Ballett schreiben sollte, ist dennoch ein Grundmotiv der Moderne: Loie Fuller gestaltet die biblische Figur, Oscar Wilde und Richard Strauss stellen sie als Schleiertänzerin auf die Bühne. Den Konservativen übrigens erscheint gerade Wildes-Strauss’ „Salome“ als Beispiel für Dekadenz und neuzeitliche Entartung.137 Sie mißverstehen die Tanzutopie der Moderne als bloß sinnlich-körperliche Befreiung. Am 14. Mai 1914 wird in der Pariser Grand Opéra ein Ballett Richard Strauss’ uraufgeführt, für das Kessler und Hofmannsthal das Textbuch schrieben: Die aus verschiedenen Gründen wenig erfolgreiche „Josephslegende“ erscheint symbolhaft: Eine tänzerische Darstellung, ein Ballett vermittelt am Vorabend des ersten Weltkrieges die Utopie vom Sieg des Reinen, Naturhaften und Göttlichen über die machtbesessene, veräußerlichte, prunkvoll-laszive Potiphar-Welt. Bezeichnenderweise erscheint der Tanz – nicht nur als künstlerische Ausdrucksform, sondern als lebenserneuerndes Medium – auch in Kreisen, die zur Moderne eine ambivalente oder konträre Haltung einnehmen. Der seltsame Prophet Friedrich Muck-Lamberty will die Städte tanzen machen.138 Auch er weist dem Tanz, in dem sich Natur und Göttliches begegnen, eine mystische Erlösungsfunktion in einer Welt der Entfremdung zu. Eugen Diederichs’ Sera-Kreis in Jena139 ist ohne Tanz nicht zu denken, er betont dionysische Festkultur; knüpft an die Tradition der mittelalterlichen St. Johann- und St. Veittänzer an, erstrebt also die mystisch-ekstatische Lösung vom Alltag, eine sakrale communitas, letztlich eine tiefgreifende Reform des Lebens. Sind dies Kreise, die in einem – wenngleich komplizierten – Zusammenhang mit der künstlerischen Moderne stehen, so ist auffallend, daß auch die sogenannte AntiModerne Grundlegendes am Beispiel des Tanzes erörtert. 1906 rezensiert Friedrich Lienhard im 2. Band der „Wege nach Weimar“ die Darmstädter Zeitschrift „Kind und Kunst“, die er sehr gelungen findet. Insbesondere lobt er einen Beitrag über die Reigenlieder des Genfers Jacques Dalcroze: Diese gespielten und getanzten Lieder seien eine Wiedererweckung der „chorischen Poesie“ der Griechen für die Kinderwelt.140 In Lienhards 1910 erschienenem Aufsatz „Was ist deutscher Idealismus?“ gewinnt das Tanzmotiv zentrale Bedeutung. Grundgedanke des Idealismus sei die „Erlösung aus den Verwirrungen der Materie und die Besiegung materieller Schwere“141. Wie aber besiegt man jene Schwere, der der Verfasser sogleich das Attribut „deutsch“142 beistellt, die sich dann ergäbe, wenn man sich in die Zerstreutheit, Vielheit und Verworrenheit der Welt verstricken ließe? Die Antwort findet Lienhard nicht nur in der klassischen Ästhetik von Anmut und Würde, sondern auch in Nietzsches „Zarathustra“, dessen Tanzlied Wesentliches gestalte: Schwere wäre demnach durch mehr Rhythmus zu besiegen, durch die „rhythmische Kraft eines reinen Herzens und großer Gedanken“143 . Tanz wird hier aus den sinnlich-körperlichen Bezügen gelöst, er wird zum Motiv eines freien und identischen, dem Ideal zustrebenden Individuums. Die Bezüge zur Moderne sind deutlich: Auch ihre Tanzkonzeptionen betonen die Lösung der Vernunft aus der Beschränkung auf empirische Zwecke, die

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Einheit des Tanzenden mit sich selbst und mit dem göttlichen Weltgrund. Bei Lienhard freilich wird tänzerischer Rhythmus aller sinnlichen Erfahrung enthoben, er wird esoterische Kategorie des Denkens und Fühlens, die allein zum Idealismus führt. Paradox mutet es an, daß ausgerechnet Nietzsche für den „Sieg der Idee, des Ideals“144 mit seinem Tanzlied das Material liefern soll; die Leichtigkeit des Tanzenden überwindet bei ihm die metaphysische Fesselung, bei Lienhard aber gewinnt sie gerade die Freiheit des Ideals.

IX Weimar im Krieg – Schlußwort

In den Kriegen und Krisen des 20. Jahrhunderts blicken Menschen mit nostalgischer Wehmut auf die „Friedenszeit“ zurück, auf jene Jahre, in denen Lebensläufe und Karrieren geordnet, Existenzen fest gegründet und Geldmittel sicher angelegt schienen. Dies gilt auch für die traditionsbewußte Residenzstadt Weimar, der bis 1918 fürstliches Mäzenatentum ihr Gepräge gibt, deren Kultur durch den zuweilen spannungsvollen Bezug zur klassischen Überlieferung bestimmt ist. Es wäre freilich falsch, den sozialen und kulturellen Zustand Deutschlands im allgemeinen und Sachsen-Weimars im besonderen zu verklären. Spricht man von einer „Zeit des allgemeinen Fortschritts und der allmählichen Verbesserung der Lebensverhältnisse“1, so entwirft man ein allzu glattes Bild jener Jahre vor dem großen Krieg. Die vielfältigen Reformbewegungen, die gerade in Weimar ihre Stimme erheben, die leidenschaftliche Suche vieler Intellektueller nach einer Erneuerung des Lebens, die künstlerisch-literarische Moderne mit ihrem Krisenbewußtsein fügen sich nicht in ein Bild allgemeiner Saturiertheit. Das Kaiserreich hat durchaus schwerwiegende Probleme: Jenes „ausgebaute Bildungswesen“2 wird von verschiedener Seite hart kritisiert und zur Reform gedrängt. Trotz aller nicht zu leugnender Einzelmaßnahmen ist die soziale Frage, die schließlich auch eine kulturelle ist, nicht gelöst. Zunehmender Sinn- und Werteverlust und das Aufkommen von „Ersatzreligionen“ verschiedener Provenienz sind offensichtlich. Nicht nur das Problem, ob Literatur und Kunst für eine gebildete Elite zu schaffen seien, oder ob es Wege gibt, einen breiten Rezipientenkreis zu erschließen, bewegt die geistig Tätigen. Der für Weimar so außerordentlich wichtige Bildungsbegriff, der von Goethe und der klassischen Theorie gespeist ist, wird auf seine Inhalte hin befragt. Was hat es auf sich mit den „völkischen“ Quellen der Kunst, sollte man sich auf diese beziehen statt ausländische Muster zu tradieren? Und was wird dann mit der klassischen Tradition, ihren Form- und Theatergesetzen? Dies sind nur einige Hinweise darauf, daß in der scheinbar harmonischen und festgefügten Ordnung vor dem ersten Weltkrieg tiefgreifende Krisenprozesse wirken. Dennoch rechnet im Sommer 1914 kaum jemand mit dem Ausbruch des Krieges. Dies gilt auch für Weimar. Am 21. Juli wandert der Gartenbauverein zur Kirschenprobe auf die Marienhöhe. An langen Tafeln verkostet man große Mengen unterschiedlicher Kirschsorten; die Stimmung ist vorzüglich.3 Am 26. Juli feiert Weimar das 10. Thüringische Kreisturnfest. Unter dem Motto „Gut Heil, deutsche Turner!“ finden Wettkämpfe und Vorführungen statt, schließlich zieht ein bunter Festzug durch die Straßen.4 Am 28. Juli nehmen die Weimarer Anteil am zweiten Geburtstag des kleinen Thronfolgers.5 Für die ersten Augusttage dann freut man sich auf das Schwimmfest des „Neptun“-Vereins im Schwanseebad.6 Zwar führt die Ortsgruppe von „Jungdeutschland“ ein „Kriegsspiel“ durch, in dem es die Jungen aus Jena zu besiegen gilt. „Wir Deutschen fürchten Gott, sonst aber nichts in der Welt“, predigt Pfarrer Henning aus Lehnstedt beim anschließenden

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Feldgottesdienst.7 In Scherffs Lichtspielhaus wird eine Liebesschnulze gegeben, deren Titel „Der Mann ohne Arme“8 im Rückblick geradezu zeichenhaft erscheint. Merkwürdig getrost9 geht man auf dem Vulkan spazieren. Als die ersten Nachrichten vom Kriegsausbruch in die Stadt dringen, reagieren die Weimarer zwar mit Interesse, aber maßvoll und ruhig. Eine Abfolge von Veranstaltungen beginnt, die Traditionen öffentlicher Festkultur auch im Krieg zu tradieren strebt. Am 6. August stiftet das Großherzogspaar 25000 Mark für die Kriegskrankenpflege.10 Am 7. August findet die Abschiedsfeier für die ersten ausrückenden Truppen im Schloßhof statt. Der Hofprediger spricht über den Text „Sei getreu bis in den Tod“, hier wie auch auf der Jenaer Feier wird der militärische Kampf als „heilige“ und „göttliche“ Sache bezeichnet. Demonstrativ begrüßt der Großherzog die Soldaten als „Kameraden“. Angehörige anderer Konfessionen werden ausdrücklich zur Teilnahme eingeladen.11 In Jena, auf der Rasenmühleninsel, hält Wilhelm Ernst selbst eine Ansprache, in deren Optimismus sich ein seltsam prophetischer Ton einschleicht: „Von da oben grüßt euch das Schlachtfeld von 1806. Der Himmel behüte davor, daß wieder solche Prüfungen über die Stadt, die Heimat kommen.“12 Noch einmal feiert man – Gesänge, Reden und kollektives Erleben scheinen durch die Nähe des Todes sogar einen besonderen Glanz zu erhalten. „Der Krieg ist für die Kultur Schlaf und Winterszeit.“13 erklärt der Kunstkritiker Paul Klopfer zur Eröffnung der Kriegs-Kunstausstellung im November 1914. Der Redner erörtert das Nietzsche-Zitat, indem er die Metaphorik weiterführt, Krieg stärke Geist und Körper für kommende Arbeit und bereite den Boden für künftige Saat.14 Was einen heute zu kopfschüttelnder Distanz zwingt, ist damals Überzeugung vieler Kunstschaffender und -theoretiker bis hin zu manchen Expressionisten. Insgesamt orientiert Klopfers Ansprache aber stark auf eine „deutsche Verinnerlichung“15 der Kunst, die nottue und durch den Krieg möglich wäre, und die eine enge Verbindung von Volk und Kunst herstellen werde. In Zeiten des Krieges ist nicht zu erwarten, daß Zeitungen – auch die weimarischen – anderes berichten als Erfolge und Heldentaten der eigenen Soldaten und Niederlagen des Gegners. Im Laufe des Jahres 1915 mehren sich doch die unübersehbaren Zeichen dieses verheerenden Krieges. Todesanzeigen und lange Verlustlisten erscheinen. Der Berichterstatter der Weimarischen Zeitung beschreibt das zerstörte Dixmuiden in Belgien. Von der schönen Pfarrkirche St. Nicolaus stehen nur noch Mauerbogen und ein Stück der Apsis, der alabasterne Hochaltar liegt in Trümmern. „Ob von dem berühmten Lettner, von den Gemäldeschätzen etwas gerettet sein mag?“16 fragt sich der Reporter sorgenvoll. Auch im unmittelbaren materiellen Alltag werden die Folgen des Krieges spürbar. „Die Bevölkerung Deutschlands braucht nicht zu befürchten, im Laufe des blutigen Ringens Mangel an Nahrungsmitteln zu erleiden...“17 beruhigt im Januar 1915 die Weimarische Zeitung ihre Leserinnen und Leser, eine positive Aussage, die doch schon die ersten Einschränkungen signalisiert. Am 22. Februar erfolgt dann erstmalig die Ausgabe von Brotmarken18 in der Stadt, der Auftakt einer immer stärkeren Lebensmittelrationierung. Mit geradezu wütendem Eifer versuchen Vereine, Gesellschaften und kulturelle Institutionen, eine Atmosphäre gesammelten und optimistischen Arbeitens unter

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Kriegsbedingungen zu schaffen. Im Erholungssaal treffen sich im Januar 1915 Frauenvereine in nie dagewesener Einmütigkeit: Hausfrauen- und Mütter-, Bildungs- und Lehrerinnenvereine, evangelische, katholische und der israelitische, die Frauen des Deutschen Flottenbundes, des Gustav-Adolf-Vereins, die für Frauenstimmrecht eintretenden und der Sozialdemokratische Frauenverein beraten über den Kampf „gegen den englischen Aushungerungsplan“19. Einen Monat später tagen drei große Weimarer Frauenvereine in Anwesenheit der Großherzogin erneut zum Thema „Werden wir auskommen?“20 Auf dem Stiftungsfest des Gewerbevereins21 erklingen Bausznerns Kriegslieder, nachdem ein Vortrag das optimistische Bild baldigen ehrenvollen Friedens gezeichnet hat. Auf der Hauptversammlung des Thüringer Waldvereins 1915 berichtet dessen Vorsitzender von seinem Besuch auf dem Truppenübungsplatz und Gefangenenlager Ohrdruf; ein Mitglied trägt einen Feldpostbrief seines Sohnes von der Ostfront vor.22 Man etabliert die Tradition sogenannter „vaterländischer Abende“ oder „Kriegsbelehrungsabende“, deren Vorträge ein sehr unterschiedliches Niveau haben: Platte nationalistische Parolen finden sich ebenso wie religiöse Sinnsuche und tiefgründige Analysen des Kulturzustands. Im April 1915 bilanziert Karl Heckel aus Mannheim, daß es nach der Reichsgründung nicht gelungen sei, eine deutsche Kultur zu schaffen. Geschmacklosigkeiten, Mittelmaß, Vernachlässigung von Sprache und Form sind seine Begriffe des Scheiterns. Auch er nimmt die These auf, daß Bildung zu stark als trockene Schulweisheit verstanden worden sei. Die geistigen Anstöße, die von den Berliner Naturalisten oder vom Kreis um Conrads „Gesellschaft“ ausgingen, scheinen ihm nicht weitergeführt worden zu sein. Auch er begreift den Krieg als Stimulans der Kultur.23 In seinem Vortrag über deutsche und ausländische Freimaurerei behauptet Ernst Horneffer im Verdun-Jahr 1916, es gehe in diesem Krieg keineswegs um die Macht, vielmehr um die geistige Zukunft der Gattung Mensch. Seiner Ansicht nach befinden sich die westlichen Völker ganz unter dem Bann allgemeinen Freiheitsideals, einer restlosen Individualisierung des Lebens, die letztlich zerstörerisch für die Kultur seien. Das Grundgesetz der Freimaurerei und das eigentliche „Deutsche“ aber fänden sich gerade in der Verbindung von persönlicher Vervollkommnung und sozialem Willen zur Brüderlichkeit.24 Die perverse Logik, daß man die letztere – klassische – Einheit auf dem Schlachtfeld verteidigen müsse, scheint dem Redner nicht aufzugehen. Höhepunkt der patriotischen Kundgebungen ist die Feier zum 100. Geburtstag Bismarcks.25 Erstaunlich, daß selbst in solchen propagandischen Programmen künstlerisch Wertvolles und Innovatives erscheint. Dies ist nicht Walter Flex’ „Klaus von Bismarck“-Drama, dessen Aufführung der Dichter „in feldgrauer Uniform“ beiwohnt, nicht Wilhelm Arminius’ am Ettersberg vorgetragener Text, vielleicht nicht einmal das musikalisch anspruchsvolle Konzert in der Stadtkirche. Felix Weingartners Ouvertüre im Theater aber läßt aufhorchen: „Aus ernster Zeit“ heißt das Werk, dessen dissonanzreicher, moderner Stil dem Thema angemessen ist, von den konservativen Kritikern freilich nicht verstanden wird. Wenige Tage später, am 6. April 1915, fallen die Hüllen von Engelmanns Wildenbruch-Denkmal: Es begeistert die Weimarer als Sinnbild des Idealismus, nicht

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zuletzt auch durch die Art der Aufstellung, bei der die verschiedenen Elemente – Wasser, Licht – zu besonderer Wirkung kommen. Dann und wann bemerkt man trotz der Abfolge patriotischer Veranstaltungen Mißmut gegenüber dem Militärischen. Zu den Geländeübungen „Jungdeutschlands“, für die kaum noch Ausbilder zur Verfügung stehen, kommen immer weniger Teilnehmer.26 Der Glanz des Krieges beginnt zu verblassen, nachdem die jungen Leute in den eigenen Familien Tod und Leid erfahren. Ein Jahr später spricht man von der „Verwilderung“27 der Jugend, auch vom sogenannten „Kriegsaberglauben“28, der Angst und schwindenden Optimismus begleitet. „Es ist selbstverständlich, daß die Deutsche Shakespearegesellschaft an Haupt und Gliedern fortbestehe …“29 schreibt die Weimarische Zeitung zur Vorbereitung auf deren Kriegstagung 1915. Nationalistische Kreise verweisen auf Deutschland nicht wohlgesonnene Mitglieder der Gesellschaft oder gar darauf, daß der Dichter „letzten Endes auch ein Brite“30 sei. Aus den gleichen Kreisen stammender Pöbel verunreinigt das Weimarer Shakespeare-Denkmal mit Teer.31 Vor diesem Hintergrund muß man es hochschätzen, daß die Gesellschaft weiterhin ihre Tagungen in der Stadt abhält. Es mag an ihrem stärker internationalen Charakter liegen, daß ihre Reden, Texte und Verlautbarungen im Krieg zurückgenommener und sachlicher erscheinen als die der Goethe-Gesellschaft. „Erst der Krieg hat es uns zum Bewußtsein gebracht, daß alle Kultur mit den Elementen der Macht verwachsen und von ihren Geschicken abhängig ist, und daß heute jedenfalls nur die deutsche Weltmacht die Herrschaft des deutschen Geistes in der Welt verbürgen kann.“32 erklärt Professor Lenz auf der Kriegstagung der Goethe-Gesellschaft 1915, ein nicht anders als chauvinistisch zu nennender Ansatz. Auffallend ist in diesen Kriegsjahren – schon für die Zeitgenossen – daß der Theaterbetrieb wie im Frieden weitergeht33, sogar eine ungewöhnliche Dichte qualitätvoller dramatischer und musikalischer Veranstaltungen erreicht wird. Kultur lenkt vom Leid des Krieges ab und stützt zugleich – direkt oder indirekt – Patriotismus und Durchhaltewillen. Man hat den Eindruck, als zitiere Weimar noch einmal seine große Kulturgeschichte: An den Ostertagen 1916 bietet das Hoftheater zu Ehren Shakespeares und seiner hier tagenden Gesellschaft Verdis Oper „Othello“, das Lustspiel „Maß für Maß“, vor allem aber einen großartigen und künstlerisch geschlossenen „Macbeth“.34 Mit Friedrich Hebbel und Richard Wagner nimmt man weitere Linien der Hoftheatertradition auf. 1918 begeistert die Weimarer35 ein herrlicher „Rosenkavalier“ mit Marie Gutheil-Schoder als Octavian. Richard Strauss’ Oper, an deren Szenarium und Textgestalt Hofmannsthal viele Stunden mit Harry Graf Kessler in Weimar arbeitet, setzt einen passenden Schlußpunkt hinter die Kultur der Residenzstadt: Historische Formen und modernes Lebensgefühl überlagern sich in ihr zu einer wehmütigen Rückschau auf die große Zeit bürgerlicher Kultur in der Monarchie. „Was weiter wird weiß man nicht.“ Einigermaßen pessimistisch schließt der Weimarer Hoffourier am 9. November 1918 nach der Abdankung des Großherzogs sein Protokollbuch. Zu freudiger Zuversicht ist in der Tat kein Anlaß, die Katastrophen des Jahrhunderts wurzeln in diesem Krieg und seinem Ausgang. Die neue Republik nennt man nicht nur nach dem Tagungsort des Parlaments die „Weima-

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Weimar im Krieg – Schlußwort

rer“: Die Berufung ihrer führenden Persönlichkeiten auf den „Geist von Weimar“36 entspringt nicht nur taktischem Kalkül. Eine lebendige Erneuerung von Kultur, Weltbürgertum und Humanismus, die damals nicht erreicht wird, bleibt über allen historischen Wandel Anspruch und Aufgabe.

Siglen ThHStAW

Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

GSA

Goethe- und Schiller-Archiv Weimar

WZ

Weimarische Zeitung

Deutschland

Deutschland, seit 1911 Weimarische Landeszeitung Deutschland, seit 1921 Allgemeine Thüringische Landeszeitung Deutschland

Anmerkungen I

Vorrede

1

Vgl. Vor-Reiter Weimars. Die Großherzöge Carl August und Carl Alexander im Denkmal. Jena 2003. Insbesondere der Aufsatz von Cornelius Steckner, Der Fürst, dem du verdankst, daß du noch so vieles unverändert schauen kannst, ebenda, S. 182-246, behandelt die Verbindung von Modernem und Traditionellem in der Formensprache des Denkmals.

II Weimar um 1900 – Möglichkeiten kulturgeschichtlicher Forschung 1

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Vgl. etwa Detlef Jena, Maria Pawlowna. Großherzogin an Weimars Musenhof. Regensburg, Graz, Wien, Köln 1999. „Ihre Kaiserliche Hoheit“. Maria Pawlowna. Zarentochter am Weimarer Hof. Katalog und CD-R zur Ausstellung im Weimarer Schloßmuseum. Hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen 2004. Maria Pavlovna. Die frühen Tagebücher der Erbherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Hrsg. von Katja Dmitrieva und Viola Klein. Köln, Weimar, Wien 2000. Angelika Pöthe, Carl Alexander. Mäzen in Weimar ‚Silberner Zeit′ . Köln, Weimar, Wien 1998. Hans Lucke, Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar. Ein deutscher Fürst zwischen Goethe und Wilhelm II. Biographie. Limburg a.d.L. 1999. Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. Erbe, Mäzen und Politiker. Hrsg. von Lothar Ehrlich und Justus H. Ulbricht. Köln, Weimar, Wien 2004. Vgl. Thomas Steinfeld, Weimar. Stuttgart 1998, S. 16. Zum Forschungsstand vgl. Dagmar Lorenz, Wiener Moderne. Stuttgart und Weimar 1998, S. 2ff. Vgl. etwa den aufschlußreichen, im Kapitel „Literatur“ freilich wenig befriedigenden, Sammelband: München – Musenstadt mit Hinterhöfen. Die Prinzregentenzeit 1886–1912. Hrsg. von Friedrich Prinz und Marita Krauss. München 1988. Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910. Hrsg. von Gotthart Wunberg unter Mitarbeit von Johannes J. Braakenburg. Stuttgart 1981. Die Berliner Moderne 1885–1914. Hrsg. von Jürgen Schutte und Peter Sprengel. Stuttgart 1987.

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Weimarische Zeitung

Deutschland

Deutschland, seit 1911 Weimarische Landeszeitung Deutschland, seit 1921 Allgemeine Thüringische Landeszeitung Deutschland

Anmerkungen I

Vorrede

1

Vgl. Vor-Reiter Weimars. Die Großherzöge Carl August und Carl Alexander im Denkmal. Jena 2003. Insbesondere der Aufsatz von Cornelius Steckner, Der Fürst, dem du verdankst, daß du noch so vieles unverändert schauen kannst, ebenda, S. 182-246, behandelt die Verbindung von Modernem und Traditionellem in der Formensprache des Denkmals.

II Weimar um 1900 – Möglichkeiten kulturgeschichtlicher Forschung 1

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Vgl. etwa Detlef Jena, Maria Pawlowna. Großherzogin an Weimars Musenhof. Regensburg, Graz, Wien, Köln 1999. „Ihre Kaiserliche Hoheit“. Maria Pawlowna. Zarentochter am Weimarer Hof. Katalog und CD-R zur Ausstellung im Weimarer Schloßmuseum. Hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen 2004. Maria Pavlovna. Die frühen Tagebücher der Erbherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Hrsg. von Katja Dmitrieva und Viola Klein. Köln, Weimar, Wien 2000. Angelika Pöthe, Carl Alexander. Mäzen in Weimar ‚Silberner Zeit′ . Köln, Weimar, Wien 1998. Hans Lucke, Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar. Ein deutscher Fürst zwischen Goethe und Wilhelm II. Biographie. Limburg a.d.L. 1999. Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. Erbe, Mäzen und Politiker. Hrsg. von Lothar Ehrlich und Justus H. Ulbricht. Köln, Weimar, Wien 2004. Vgl. Thomas Steinfeld, Weimar. Stuttgart 1998, S. 16. Zum Forschungsstand vgl. Dagmar Lorenz, Wiener Moderne. Stuttgart und Weimar 1998, S. 2ff. Vgl. etwa den aufschlußreichen, im Kapitel „Literatur“ freilich wenig befriedigenden, Sammelband: München – Musenstadt mit Hinterhöfen. Die Prinzregentenzeit 1886–1912. Hrsg. von Friedrich Prinz und Marita Krauss. München 1988. Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910. Hrsg. von Gotthart Wunberg unter Mitarbeit von Johannes J. Braakenburg. Stuttgart 1981. Die Berliner Moderne 1885–1914. Hrsg. von Jürgen Schutte und Peter Sprengel. Stuttgart 1987.

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Anmerkungen

Die Münchner Moderne. Die literarische Szene in der ‚Kunststadt′ um die Jahrhundertwende. Hrsg. von Walter Schmitz. Stuttgart 1990. Im Optisch-Bildlichen anregend ist der Band: Weimar um 1900. Photographien von Louis Held. Hrsg. von Renate und Eberhard Renno. Mit einer Einführung und Kommentaren von Dr. Renate Müller-Krumbach und einer Annotation von Wolfgang S. Schröter. München 1984. Eine sorgfältige Analyse des Stadtbildes und seiner architektonischen Wandlungen liefert: Alf Rößner, Weimar um 1900. Stadtbild und genius loci. Diss. Weimar 1999. Vgl. Zwischen Konvention und Avantgarde. Doppelstadt Jena-Weimar. Hrsg. von Jürgen John und Volker Wahl. Weimar, Köln, Wien 1995, S. 189. Vgl. etwa die Aufsätze von Justus M. Ulbricht und Angelika Pöthe in: Ebenda. Vgl. weiterhin Burkhard Stenzels und Justus H. Ulbrichts Untersuchungen in: Die Weimarer Republik zwischen Metropole und Provinz. Intellektuellendiskurse zur politischen Kultur. Hrsg. von Wolfgang Bialas und Burkhard Stenzel. Weimar, Köln, Wien 1996. Vgl. auch Hildegard Ch↑tellier, Friedrich Lienhard als ungetreuer Verwalter des Weimarer Erbes? Politische Implikationen kultureller Verbiegungen. In: Weimar 1930. Politik und Kultur im Vorfeld der NS-Diktatur. Hrsg. von Lothar Ehrlich und Jürgen John. Köln, Weimar, Wien 1998, S. 169–183. Meike G. Werner, Moderne in der Provinz. Kulturelle Experimente im Fin de Siècle Jena. Göttingen 2003, S. 9. Ebenda, S. 15. Friederike Schmidt-Möbus, Frank Möbus, Kleine Kulturgeschichte Weimars. Weimar, Köln, Wien 1998. Peter Merseburger, Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht. Stuttgart 1998. Merseburger, Mythos Weimar, S. 242. Vgl. Peter Grupp, Harry Graf Kessler 1868–1937. Eine Biographie. München 1996, S. 150. Das Problem des „Edelmenschen“ zieht sich durch Lienhards ganzes Werk. Vgl. insbesondere seinen Aufsatz „Der Kern der Rassenfrage“. In: Friedrich Lienhard, Wege nach Weimar. Beiträge zur Erneuerung des Idealismus. 6 Bände. Vorwort Straßburg 1910. Band 1, S. 34–47. „München leuchtete.“ Thomas Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher. Hrsg. von Heinrich Detering, Eckhard Heftrich, Hermann Kurzke , Terence J. Reed, Thomas Sprecher, Hans R. Vaget, Ruprecht Wimmer in Zusammenarbeit mit dem Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich. 38 Bände. Band 2.1. Frankfurt/M. 2004, S. 222. Ebenda, S. 222. Ebenda, S. 222. Vgl. Ludwig Raschdau, In Weimar als Preußischer Gesandter. Ein Buch der Erinnerungen an Deutsche Fürstenhöfe 1894–1897. Berlin 1939, S. 19. Vgl. Gabriele Reuter, Vom Kinde zum Menschen. Die Geschichte meiner Jugend. Berlin 1921, S. 356f. Johannes Schlaf, Aus meinem Leben. Erinnerungen. Halle 1941, S. 48. Edwin Redslob, Von Weimar nach Europa. Erlebtes und Durchdachtes. Hrsg. von Paul Raa be unter Mitarbeit von Martin Stiebert. Geleitwort von Bernhard Vogel. Jena 1998, S. 19. Rudolf Steiner, Briefe. Band II. 1890–1925. Dornach 1987, S. 127. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 9. März 1903. Vgl. Steiner, Briefe II, S. 34. Vgl. ebenda, S. 127. GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 20. Januar 1900. Berthold Litzmann, Im alten Deutschland. Erinnerungen eines Sechzigjährigen. Berlin 1923, S. 264. Wilhelm von Scholz, An Ilm und Isar. Lebenserinnerungen. Leipzig 1939, S. 53. Ebenda, S. 53. Ebenda, S. 53. Paul Ernst, Jünglingsjahre. München 1931, S. 53f.

Anmerkungen

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32 Vgl. Paul Ernst, Jugenderinnerungen. München 1930, S. 270. 33 Adelheid von Schorn, Weimars Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In: WZ, 26. April 1903. 34 Scholz, An Ilm und Isar, S. 54. 35 Ebenda, S. 53. 36 Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 54. 37 Vgl. ebenda, S. 55. 38 Nach dem Titel eines seiner Hauptwerke: Friedrich Lienhard, Wege nach Weimar. 39 Vgl. Friedrich Lienhard, Wo liegt Weimar? In: Wege nach Weimar, Band 1, S. 2. 40 Lily Braun, Im Schatten der Titanen. Erinnerungen an Baronin Jenny von Gustedt. Berlin o.J., S. 395. 41 Vgl. Franz Kafka, Tagebücher 1910–1923. Frankfurt/M. 1983, S. 478. 42 Johann Wolfgang von Goethe, Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Hrsg. von Erich Trunz. Band 1. München 1996, S. 322. 43 Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 100. 44 Thomas Mann, Gesammelte Werke in Einzelbänden. Frankfurter Ausgabe. Hrsg. von Peter de Mendelssohn. Leiden und Größe der Meister. Frankfurt/M. 1982, S. 175. 45 Vgl. Anm.4. 46 Steinfeld, Weimar, S. 16. 47 Zitiert nach: Ebenda, S. 179. 48 Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 229. 49 Ilse-Marie Barth, Literarisches Weimar. Kultur – Literatur – Sozialstruktur im 16–20. Jahrhundert. Stuttgart 1971. 50 Vgl. Die Münchner Moderne, S. 15. 51 Steinfeld, Weimar, S. 7. 52 „Weimar im Mittelpunkt des deutschen Geisteslebens“ heißt der Titel eines Vortrags von Rudolf Steiner, gehalten am 22. Februar 1892 in Weimar. Vgl. Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Nr.99/100. Dornach 1988, S. 7–10. 53 Vgl. Georg Witkowski, Von Menschen und Büchern. Erinnerungen 1863–1933. Leipzig 2003, S. 237ff. 54 Vgl. ebenda, S. 370. 55 Vgl. Redslob, Von Weimar nach Europa, S. 29. 56 Ebenda, S. 299.

III „... die Weiber begännen zu denken“ – Frauenbewegung, Autorinnen und Weimar 1 2

Vgl. WZ, 9.,13.,18. und 20. Oktober 1910. Deutsch-Evangelischer Frauenbund Ortsgruppe Weimar e.V. Handelsschule für Frauen und Mädchen. Lehrplan. Weimar o.J., S. 3ff. 3 Vgl. Deutsch-Evangelischer Frauenbund Ortsgruppe Weimar e.V. Jahresbericht 1907/08. Weimar o.J., S. 8f. 4 Ebenda, S. 10. 5 Ebenda, S. 11. 6 Ebenda, S. 4. 7 Ein Stellennachweisbüro für Dienstboten widmet sich in der Tat einer „der brennendsten Fragen des Tages“. Vgl. WZ, 2. Februar 1905. 8 Vgl. Deutsch-Evangelischer Frauenbund Ortsgruppe Weimar e.V. Jahresbericht 1907/08, S. 5. 9 Vgl. ebenda, S. 6f. 10 WZ, 15. November 1903. 11 Vgl. Karin Bruns, Völkische und deutschnationale Frauenvereine im ‚zweiten Reich′. In:

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Anmerkungen

Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871–1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. München 1999, S. 378. Vgl. Hildegard Châtellier, Wagnerismus in der Kaiserzeit. In: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“, S. 607. Châtellier beruft sich auf Veit Veltzke, Vom Patron zum Paladin. Wagnerveinigungen im Kaiserreich von der Reichsgründung bis zur Jahrhundertwende. Bochum 1987. WZ, 29. Januar 1913. Vgl. Grupp, Kessler, S. 30. Erika von Watzdorf-Bachoff, Im Wandel und in der Verwandlung der Zeit. Ein Leben von 1878 bis (1963). Aus dem Nachlaß hrsg. von Reinhard R. Doerries. Stuttgart 1997, S. 131. 1874 schickte Lewald ihren so betitelten Aufsatz an den Großherzog. Vgl. Großherzog Carl Alexander und Fanny Lewald-Stahr in ihren Briefen 1848–1889. Eingeleitet und hrsg. von Rudolf Göhler. 2 Bände. Berlin 1932. Bd.2, S. 65. Ebenda, S. 65. Richard Voß, Aus einem phantastischen Leben. Erinnerungen. Stuttgart 1920, S. 273. Ebenda. Vgl. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 227. So der Titel ihrer Erinnerungen. Vgl. Helene Böhlau, Gesammelte Werke. Erste Abteilung: Die Erzählungen aus Altweimar in vier Bänden. Zweite Abteilung: Romane und Erzählungen in fünf Bänden. Weimar o.J. Zweite Abt., 1.Band, S. 85. Vgl. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 214. Vgl. auch Gabriele Reuter, Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens. Berlin 1896, S. 81ff. Vgl. auch Böhlau, Gesammelte Werke, Zweite Abt., 1.Band, S. 103. Vgl. Lily Braun, Memoiren einer Sozialistin. 2 Bände. München 1909 und 1911. Band 1, S. 240. Vgl. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 205ff., vor allem aber: Reuter, Aus guter Familie, S. 3ff. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke, Zweite Abt., 1.Band, S. 96f. Vgl. ebenda, S. 95. Vgl. Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte. Hrsg. von Gitta Günther, Wolfram Huschke und Walter Steiner. Weimar 1993, S. 488. Frauenberuf. Zeitschrift für die Interessen der gebildeten Frauenwelt. Erster Jahrgang 1887, S. 1. Vgl. Frauenberuf. Dritter Jahrgang 1889, S. 325ff. Vgl. Arvède Barine, Die Frau eines berühmten Mannes. In: Frauenberuf, Dritter Jahrgang 1898, S. 436ff. Vgl. Frauenberuf, Zweiter Jahrgang 1888, S. 169ff. Vgl. Frauenberuf, Vierter Jahrgang 1890, S. 133ff. Vgl. Frauenberuf, Erster Jahrgang 1887, S. 5ff. Vgl. Frauenberuf, Vierter Jahrgang 1890, S. 21ff. Vgl. Frauenberuf, Dritter Jahrgang 1898, S. 116ff. Vgl. Frauenberuf, Zweiter Jahrgang 1888, S. 326ff. Vgl. Frauenberuf, Erster Jahrgang 1887, S. 59ff. Vgl. Frauenberuf, Zweiter Jahrgang 1888, S. 342ff. Vgl. Frauenberuf, Erster Jahrgang 1887, S. 7f. Vgl. Frauenberuf, Sechster Jahrgang 1892, S. 14ff. Marie Calm, Die deutsche Frau der Gegenwart. In: Frauenberuf, Erster Jahrgang 1887, S. 101. Vgl. ebenda. Vgl. Luise Hitz, Ein neuer Gesichtspunkt. In: Frauenberuf, Vierter Jahrgang 1890, S. 103f. Vgl. Frauenberuf, Vierter Jahrgang 1890, S. 130. Frauenberuf, Erster Jahrgang 1887, S. 141.

Anmerkungen

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46 Vgl. Frauenberuf, Zweiter Jahrgang 1888, S. 480ff. 47 Frauenberuf, Zweiter Jahrgang 1888, S. 122. 48 Gertrud Bäumers Einschätzung. Zitiert nach: Ute Gerhard, Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Reinbek bei Hamburg 1990, S. 150. 49 Frauenberuf, Zweiter Jahrgang 1888, S. 127ff. 50 Vgl. ebenda, S. 219. 51 Vgl. Frauenberuf, Dritter Jahrgang 1889, S. 480f. 52 Ebenda, S. 426. 53 Frauenberuf, Fünfter Jahrgang 1891, S. 155. 54 Vgl. Frauenberuf, Vierter Jahrgang 1890, S. 78. 55 Seit 1891 heißt der Verein „Frauenbildungs-Reform“, 1897 wird er in „FrauenbildungFrauenstudium“ umbenannt. 56 Vgl. Frauenberuf, Sechster Jahrgang 1892, S. 185. 57 GSA, 65/14,2. Natalie von Milde, Tagebuchaufzeichnungen 1872–1904. 18. Juni 1876. 58 GSA, 65/14,1. Natalie von Milde, Notizen. 59 GSA 65/5,3. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 17. März 1899. 60 Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 20. Februar 1902, 22. Februar 1902, 25. Februar 1902, 5. März 1902. 61 Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 5. Juli 1903. 62 GSA, 65/10,4. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 24. Februar 1901. 63 GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 9. März 1903. 64 GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 16. Juli 1905. 65 Vgl. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 22. Juli 1903. 66 Vgl. ebenda. 67 GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 26. Juli 1903. 68 Natalie von Milde, Maria Pawlowna. Ein Gedenkblatt zum 9. November 1904. Hamburg 1904. 69 Vgl. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 29. Mai 1905. 70 GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 13. August 1903. 71 Vgl. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 13. Oktober 1905. 72 Ebenda. 73 GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 9. November 1905. 74 Im GSA befinden sich nur die ausgegangenen Briefe Mildes. Vgl. GSA 65/5,3–5,9. 75 Vgl. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 9. Oktober 1903. 76 Vgl. GSA, 65/14,2. Natalie von Milde, Tagebuchaufzeichnungen 1872–1904. 12. April 1900. 77 Vgl. GSA, 65/14,1. Natalie von Milde, Notizen. 78 Vgl. GSA, 65/14,2. Natalie von Milde, Tagebuchaufzeichnungen 1872–1904. 20. April 1903. 79 Vgl. Steiner, Briefe II, S. 319. 80 GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. April 1902. 81 Vgl. GSA, 65/5,3. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 29. April 1899. 82 GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 6. Februar 1903. 83 Vgl. GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 16. Januar 1900. 84 Vgl. GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 18. Januar 1905. 85 Ebenda. 86 Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 222. 87 GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 23. Februar 1903. 88 Ebenda. 89 GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 5. Dezember 1903. 90 Ebenda. 91 Im Jahre 1905 endlich gelingt es, am Sophienstift Lateinklassen für Mädchen zu eröffnen, der Unterricht in Mathematik bzw. der gänzliche Ausbau zu Gymnasialklassen wird in Aussicht gestellt, sobald Beteiligung und Bedürfnisse vorhanden seien.

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Anmerkungen

Vgl. Handbuch der Frauenbewegung. Hrsg. von Helene Lange und Gertrud Bäumer. 5 Bände. Berlin 1901ff. Band 5, S. 224f. Gedächtnisfeier für Fräulein Natalie von Milde. Gehalten am 9. April 1906 vom Verein Frauenbildung-Frauenstudium. Weimar 1906, S. 12. Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 1. Februar 1902. Ebenda. So von Maria Pawlownas Enkelin, der Großherzogin von Baden, die „noch nicht ganz auf der Höhe der Einsicht, daß die Frauen sich ihr volles Menschenrecht erobern müssen“, ist. Vgl. GSA, 65/11,2. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 18. April 1904. GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 22. Februar 1900. Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 9. Juni 1902. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 14. Dezember 1903. GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, Weihnachten 1903. Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 5. Oktober 1902. Vgl. GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 23. Januar 1900. Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 11. März 1902. GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. Oktober 1900. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 5. März 1902. Vgl. GSA, 65/1,1. Natalie von Milde, Fragment einer nicht betitelten Erzählung. Natalie von Milde, Frauenfrage und Männerbedenken. Ein Beitrag zur Verständigung. Berlin 1890, S. 7.In diesem Aufsatz fällt auch der im Titel des Kapitels zitierte Satz: „Alle Güte fängt beim Denken an“. Vgl. ebenda, S. 40. Natalie von Milde, Goethe und Schiller und die Frauenfrage. Weimar 1896, S. 19. Ebenda, S. 5. Vgl. ebenda, S. 27. Ebenda, S. 27. Vgl. Natalie von Milde, Der Richter zwischen Mann und Weib. Weimar 1893, S. 11. Natalie von Milde, Unsere Schriftstellerinnen und die Frauenbewegung. Weimar 1900. Ebenda, S. 4. Ebenda, S. 6. Vgl. ebenda, S. 12. WZ, 11. April 1906. Gedächtnisfeier, S. 12. GSA, 65/1,1. Milde, Fragment, S. 46. Vgl. GSA,65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 25. Februar 1900. Vgl.GSA, 65/10,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 27. April 1900. WZ, 5. Mai 1900. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 9. März 1903. Ebenda. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. Oktober 1903. WZ, 29. Mai 1900. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 6. Februar 1903. Vgl. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. Oktober 1903. Vgl. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 19. März 1905. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 15. April 1905. Ebenda. Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 9. März 1902. Vgl. WZ, 28. November 1905. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 148. Vgl. WZ, 27. September 1910. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow. 7. März 1905.

Anmerkungen

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Vgl. WZ, 15. Januar 1902. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 19. April 1902. GSA, 65/10,5. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 15. Dezember 1902. Vgl. ebenda. Vgl. Anm. 68. Vgl. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 28. März 1905. Vgl. Christof Martin Wieland. Vortrag gehalten von Tilly Freiin von Freytag-Loringhoven am 21. Januar 1913 bei der Wielandfeier des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium im Saale des Hotel Erbprinz zu Weimar. Weimar 1913. Vgl. WZ, 15. Oktober 1905. Vgl. WZ, 9. November und 7. Dezember 1905. Vgl. WZ, 15. Oktober 1905. Franziska zu Reventlow, Viragines oder Hetären. In: Fin de siècle. Erzählungen, Gedichte, Essays. Hrsg. von Wolfgang Asholt und Walter Fähnders. Stuttgart 1993, S. 124. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 1.Band, S. 80. Ebenda, S. 148. Ebenda, S. 150. Josef Becker, Helene Böhlau. Leben und Werk. Phil. Diss. Zürich 1988, S. 26. Vgl. ebenda, S. 26. Vgl. Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 48. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 1.Band, S. 3. Ebenda, S. 25. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 4.Band, S. 19. Vgl. ebenda, S. 335. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 3.Band, S. 96. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke. Erste Abt., 4.Band, S. 248. Ebenda, S. 93. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke, Erster Abt., 3.Band, S. 201. Ebenda, S. 221. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke, Zweite Abt., 1.Band, S. 159. Ebenda, S. 159f. Böhlau, Gesammelte Werke. Erste Abt., 4.Band, S. 55. Ebenda, S. 56. Ebenda, S. 59. Ebenda, S. 66. Böhlau, Gesammelte Werke, Zweite Abt., 4.Band, S. 159. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 3.Band, S. 210. Ebenda, S. 224. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 4.Band, S. 49. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 3.Band, S. 9. Ebenda, S. 74. Vgl. ebenda, S. 261f. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke, Zweite Abt., 4.Band, S. 124. Ebenda, S. 125. Ebenda, S. 125. Vgl. ebenda, S. 3. Ebenda, S. 125. Ebenda, S. 125. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 3.Band, S. 334. Vgl. ebenda, S. 334. Ebenda, S. 335. Ebenda, S. 335. In seiner Monographie verweist Becker darauf, daß der „Heimatkunst-Stempel ... Helene

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Anmerkungen

Böhlau vor allem von national und später völkisch gesinnten Rezensenten und Literaturwissenschaftlern aufgedrückt“ (Becker, Helene Böhlau, S. 131) werde. Freilich untersucht Becker dann nur den Heimat-Begriff, um die Einordnung zurückzuweisen. Böhlau, Gesammelte Werke, Zweite Abt., 5.Band, S. 137. Vgl. ebenda, S. 242. Vgl. ebenda, S. 254f. Ebenda, S. 309. Vgl. ebenda, S. 389. Vgl. ebenda, S. 390. Ebenda, S. 401. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 4.Band, S. 183. Ebenda, S. 183. Vgl. ebenda, S. 235f. Böhlau, Gesammelte Werke, Zweite Abt., 1.Band, S. 96. Vgl. ebenda, S. 5. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 2.Band, S. 352. Helene Böhlau, Vorwort zu: Omar al Raschid Bey, Das hohe Ziel der Erkenntnis. Aranada Upanishad. Dritte Auflage. München 1922, S. VII. Das in den Schriftstellerlexika genannte Geburtsjahr 1859 Helene Böhlaus ist aber wohl falsch, sie wurde schon 1856 geboren. Vgl. Becker, Helene Böhlau, S. 4. Vgl. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 264f. Ebenda, S. 338. Ebenda, S. 251. Ebenda, S. 402. Ebenda, S. 448. Reuter, Aus guter Familie, S. 73. In Amalie Winters Erzählung „Das Frauenherz“ heißt es: „Es gibt auch sehr verschiedenartige Rätinnen: junge und alte, hübsche und häßliche, gebildete und gemeine, kochende, nähende, klatschende, sich putzende, tanzende, gelehrte und ungelehrte und sogar schriftstellernde …“ Zitiert nach: Angelika Pöthe, Schloß Ettersburg. Weimars Geselligkeit und kulturelles Leben im 19. Jahrhundert. Weimar, Köln, Wien 1995, S. 145. Vgl. Reuter, Aus guter Familie, S. 94ff. Vgl. ebenda, S. 237. Vgl. Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14,1, S. 69. Vgl. Milde, Unsere Schriftstellerinnen, S. 6. Vgl. Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14,1 , S. 71. Vgl. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 345ff. Vgl. Eduard von der Hellen, Heinrich von Plate. Der Roman eines Privilegierten. Stuttgart und Berlin 1921. Gabriele Reuter, Frau Bürgelin und ihre Söhne. Berlin 1899, S. 20. Ebenda, S. 21. Ebenda, S. 23. Ebenda, S. 37. Ebenda, S. 70. Ebenda, S. 35. Ebenda, S. 34. Vgl. Die Münchner Moderne, S. 698. Reuter, Frau Bürgelin, S. 197. Vgl. ebenda, S. 197. Ebenda, S. 215. Ebenda, S. 215. Ebenda, S. 64f. Ebenda, S. 86.

Anmerkungen

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Ebenda, S. 308. Vgl. ebenda, S. 21. Vgl. ebenda, S. 333. Lily Braun, Gesammelte Werke. Fünf Bände. Berlin o.J. (1922). Band 1, S. 349. Ebenda, S. 352f. Vgl. ebenda, S. 358. Ebenda, S. 359. Braun, Gesammelte Werke, Band 2, S. 192. Goethe-Jahrbuch. Band XII. 1891, S. 189. Vgl. Braun, Gesammelte Werke, Band 2, S. 285f. Zu den genauen Titeln von Kretschmans Aufsätzen vgl. das Literaturverzeichnis des vorliegenden Buches. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1990. Carl Alexanders Tagebuch, 6. Mai 1891. Braun, Gesammelte Werke, Band 2, S. 401. Ebenda, S. 400. Ebenda, S. 406. Vgl. ebenda, S. 406. Ebenda, S. 119. Ebenda, S. 430. Vgl. ebenda, S. 431f. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1993. Carl Alexanders Tagebuch, 16. Mai 1893. Rdolf Steiner, Mein Lebensgang. Dornach 1983, S. 181. Vgl. Braun, Gesammelte Werke, Band 2, S. 471f. Ebenda, S. 472. Richard J. Evans, Sozialdemokratie und Frauenemanzipation im deutschen Kaiserreich. Berlin, Bonn 1979, S. 103. Zitiert nach: Ebenda, S. 105. Vgl. ebenda, S. 103. Vgl. Wanda von Puttkamer, Der Hof von Weimar unter Großherzog Carl Alexander und Großherzogin Sophie. Erinnerungen aus den Jahren 1893–97. Berlin 1932, S. 13f. Vgl. dazu Evans, Sozialdemokratie und Frauenemanzipation, S. 128ff. Vgl. ebenda, S. 140. Zitiert nach: Julie Vogelstein, Lily Braun. Ein Lebensbild. In: Braun, Gesammelte Werke, Band 1, S. LXXV. Braun, Gesammelte Werke, Band 3, S. 508. Ebenda, S. 513. Vgl. Braun, Gesammelte Werke, Band 1, S. 107ff. Ebenda, S. 85. Franz Mehring, Goethe und die Arbeiter. In: Goethe im Urteil seiner Kritiker. Dokumente zur Wirkungsgeschichte Goethes in Deutschland. Teil III 1870–1918. Hrsg., eingeleitet und kommentiert von Karl Robert Mandelkow. München 1979, S. 308. Vgl. Braun, Gesammelte Werke, Band 1, S. 128. Vgl. dazu auch: Aus dem literarischen Nachlaß der Kaiserin Augusta. Hrsg. von Georg Schuster und Paul Bailleu. Berlin 1912. Vgl. Braun, Gesammelte Werke, Band 1, S. 414ff. Ebenda, S. 425. Vgl. auch Braun, Gesammelte Werke, Band 5. Madeleine Guimard. Eine lyrische Oper in drei Akten. Vgl. Braun, Gesammelte Werke, Band 5. Vgl. auch Braun, Gesammelte Werke, Band 4. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda, S .66. Vgl. ebenda, S. 67f.

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Anmerkungen

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Ebenda, S. 104. Ebenda, S. 102. Vgl. ebenda, S. 107. Ebenda, S. 107. Ebenda, S. 198. Ebenda, S. 202. Vgl. ebenda, S. 217. Ebenda, S. 259. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 344. Vgl. ebenda, S. 370. Vgl. GSA, 65/6,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 26. August 1883. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 118. Vgl. Reinhard Haschen, Franz Liszt oder Die Überwindung der Romantik durch das Experiment. Berlin 1989, S. 228. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 149. Vgl. Henry van de Velde, Geschichte meines Lebens. Hrsg. und übertragen von Hans Curjel. München 1962, S. 253. Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 18, 147, 258f., 275, 405, 451. Vgl. etwa auch GSA, 104/23. Eleonore von Bojanowski an Paul von Bojanowski, 14. Juli 1905. Besonders eindrücklich zeigt sich dies auch in zwei Häusern, deren architektonische Gestalt von Henry van de Velde geprägt ist. Am 30. Juli 1912 wird Richtfest einer groß dimensionierten Villa in der Cranachstraße gefeiert: Sie gehört Friedrich Graf von DürckheimMontmartin und seiner Frau Charlotte. Bereits der Baustil, der in manchen Zügen den modernen Baukünstler van de Velde erkennen läßt, sich aber im Großen und Ganzen nicht von herrschaftlichen Wohngebäuden des beginnenden 20. Jahrhunderts unterscheidet, deutet an, daß hier ein geselliger Kreis etabliert wird, in dem sich moderne und konservative Elemente berühren. Dürckheims kommen aus der höfisch-adeligen Gesellschaft Münchens, deren Eleganz und Esprit sie in Weimar aufnehmen. Zu ihrem jour fixe und zu den anderen Festen erscheinen Künstler des „Neuen Weimars“, Salonièren wie Watzdorf-Bachoff, Sänger, Schauspieler, Mitglieder der Hofgesellschaft. Nikolaus Graf zu Dohna-Schlodien, der Kommandant des 1916 im ersten Weltkrieg erfolgreichen Kreuzers „Möwe“, ist zu einem Essen bei Dürckheims geladen, mit ihm wird ein regelrechter Kult betrieben. (Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel , S. 244.) Im Krieg und in der Nachkriegszeit dringt mitunter der politische Alltag in die gesellige Feier des Schönen: In Alfred von Hennebergs – gleichfalls von van de Velde erbauter – Villa in der Gutenbergstraße warten die Gäste zu Silvester 1918 angstvoll auf Plünderungen revolutionärer Matrosen, von denen Gerüchte wissen wollten. (Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 289.) Zitiert nach: Hermann Freiherr von Egloffstein, Das Weimar von Carl Alexander und Willhelm Ernst. Berlin 1934, S. 15. Vgl. Adelheid von Schorn, Zwei Menschenalter. Erinnerungen und Briefe aus Weimar und Rom. Eingeleitet von Friedrich Lienhard. Stuttgart o.J., S. 21. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 122. Vgl. Egloffstein, Das Weimar von Carl Alexander und Wilhelm Ernst, S. 15. Vgl. ebenda, S. 15. Ebenda, S. 15. Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 278f. Schorn, Zwei Menschenalter, S. 412. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 193. Ebenda, S. 170. Ebenda, S. 170. Vgl. Adelheid von Schorn, Das nachklassische Weimar unter der Regierungszeit von Karl

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Anmerkungen

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Alexander und Sophie. Weimar 1912, S. 16ff. 303 Vgl. GSA, 94/253,20. Adelheid von Schorn an Ernst von Wildenbruch, 29. Dezember 1901. (Abschrift.) 304 Friedrich Lienhard, Adelheid von Schorn. Zur Neuausgabe der „Zwei Menschenalter“. In: Schorn, Zwei Menschenalter, S. VI. 305 Vgl. Schorn, Zwei Menschenalter, S. 463. 306 Lienhard, Adelheid von Schorn, S. V. 307 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 170. 308 Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 406f. 309 GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. April 1902. 310 Vgl. GSA, 72/BW3742,2. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 27. April 1903. 311 Lienhard, Adelheid von Schorn, S. III. 312 Vgl. ebenda, S. IV. 313 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 245. 314 Vgl. Adelheid von Schorn, Weimars Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In: WZ, 26. April 1903. 315 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 245. 316 Adelheid von Schorn, Das nachklassische Weimar unter der Regierungszeit Karl Friedrichs und Maria Paulownas. Weimar 1911. Schorn, Das nachklassische Weimar unter der Regierungszeit von Karl Alexander und Sophie. Weimar 1912. Schorn, Zwei Menschenalter. 317 Friedrich Lienhard, Der Spielmann. Roman aus der Gegenwart. Stuttgart o.J., S. 170. 318 Die Widmung trägt das Datum des 4. Januar 1927. Friede H. Kraze, Jahr der Wandlung. München 1925. Das Exemplar befindet sich in der Anna-Amalia-Bibliothek Weimar. 319 Vgl. Hendrik Ziegler, Die Kunst der Weimarer Malerschule. Von der Pleinairmalerei zum Impressionismus. Köln, Weimar, Wien 2001, S. 74. 320 Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 130. 321 Vgl. ebenda, S. 139. 322 Frauenpersönlichkeiten in Weimar zwischen Nachklassik und Aufbruch in die Moderne. Hrsg. von Ulrike Müller in Zus.arbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen. Weimar 1999, S. 100. 323 Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 405. 324 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 155 und 231. 325 Margot Boger-Langhammers disparates Werk erscheint wie ein Spiegel von Themen, Richtungen und Mitteln der Literatur im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. „Das Kind – Ein Gruß“ heißt ihr Buch von 1913, das sich authentisch-autobiographischer Genres wie Brief und Tagebuch bedient, um die frühe Entwicklung ihres Sohnes zu beschreiben. Boger zeigt die Welt des Kindes in ihrer unverstellten Ganzheit, „höheren“ Simplizität und Unverdorbenheit; große Teile des Textes geben Kindersprache wieder, die keineswegs als defizitär, vielmehr als poetisch, auf das Wesen der Welt weisend, erkannt wird. Damit steht Boger an der Seite von Helene Voigt-Diederichs’ „Kinderland“ (1907), inmitten der von Ellen Key angestoßenen Debatte über die besondere Qualität der kindlichen Psyche und Sprache und die Aufgaben der Erziehung. Wenige Jahre später erhält Boger Publikationsverbot, weil ihre berührende Erzählung „Zwischen den Drahtverhauen“ das Elend des ersten Weltkriegs eindrücklich schildert. 1925 erscheint Bogers Roman „Der Fächer“: Die bedrückende Not der Arbeiter erscheint nur als das abzustreifende Stoffliche. Der Text läßt keinen Zweifel daran, daß sich das Dasein unter der Bestimmung innerer Gesetze vollziehe; Glück und Unglück sind unwesentlich, aller Wandel entsteht im Inneren des Individuums, das sich selbst vollenden muß. Bogers Roman gestaltet Traum, Vision und Unbewußtes, er überwindet das Logisch-Rationale, indem er zwar gegenständliche Formelemente aufnimmt, diese aber als Stücke einer hinter der Realität offenbarten Welt. Damit hat Bogers Geschichte von der „Fremden“ und vom „Dichter“ deutliche Bezüge zum Surrealismus. „Weimar-Lieder“ publiziert

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Anmerkungen

Boger in den Mitteilungen des Deutschen Schillerbundes von 1930, traditionelle lyrische Texte, weder in Thematik noch Formensprache auffallend, es sei denn in einer besonderen – den „Lebenskampf“ der zwanziger Jahre aufnehmenden – Melancholie der Orte klassischer Zeit. Wieder einige Jahre später verfaßt die Autorin ihren historischen Roman „Uta“, der ins Thüringen des 10. Jahrhunderts führt. Bar jeder differenzierenden Gerechtigkeit stellt sie die Fakten um Heinrichs I. Reichsgründung, die Auseinandersetzungen um „Sippe“ und „Staat“, die Schlacht gegen die Ungarn an Saale und Unstrut in eine patriotische Perspektive. Bogers poetischer Weg, der Friedensliebe und humanen Werten ebenso offen ist wie moderner Formensprache, mündet in ein nationalistisches Epos. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 231. So die Inschrift auf dem Gedenkstein für den Hund im Garten ihres Hauses in der Marienstraße. Zitiert nach: Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 126. Vgl. Frauenpersönlichkeiten in Weimar, S. 100. Hildegard Thildner, Rudolf Valdier. Berlin 1908. In einigen Publikationen wird – wohl auf Grund eines Lesefehlers – der Titel fälschlicherweise mit „Rudolf Daldier“ angegeben. Vgl. Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 126. Vgl. auch Frauenpersönlichkeiten in Weimar, S. 101. Vgl. Thildner, Rudolf Valdier, S. 5. Vgl. ebenda, S. 169. Vgl. ebenda, S. 49f. Mathilde Freiin von Freytag-Loringhoven, Virginie. Weimar o.J. Vgl. ebenda, S. 2. Ebenda, S. 3. Ebenda, S. 62. Christof Martin Wieland, Vortrag gehalten von Tilly Freiin von Freytag-Loringhoven am 21. Januar 1913 bei der Wielandfeier des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium im Saale des Hotels Erbprinz zu Weimar. Weimar 1913. Ebenda, S. 5. Ebenda, S. 6. Vgl. Mathilde von Freytag-Loringhoven, Vorwort zu: Caroline von Günderode. Trauerspiel in 5 Aufzügen. Weimar 1939. Vgl. ebenda. Freytag-Loringhoven, Caroline von Günderode, S. 37. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 168. Vgl. Ziegler, Die Kunst der Weimarer Malerschule, S. 273. Deutschland, 11. April 1922. Ebenda. Vgl. ebenda. Deutschland, 22. Mai 1922. Ebenda. Ebenda. Frauenpersönlichkeiten in Weimar, S. 102. Deutschland, 13. April 1930. Vgl. ebenda. Ebenda. Ebenda. Ebenda. Vgl. ebenda. Deutschland, 16. Mai 1930. Erika von Watzdorf-Bachoff, Maria und Yvonne. Geschichte einer Freundschaft. Stuttgart und Berlin 1913, S. 46. Erika von Watzdorf-Bachoff, Bernhard von Lindenau 1779–1854. Gedenkrede zu seinem

Anmerkungen

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100jährigen Todestag. Altenburg 1954. 361 Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 144. 362 Ebenda, S. 117. 363 Vgl. Erika von Watzdorf-Bachoff, Weimars Park. Lyrische Gedanken- und Spaziergänge. Weimar o.J., S. 7. Vgl. auch Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 116. 364 Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 221. 365 Erika von Watzdorf-Bachoff, Friedrich Naumann zum Gedächtnis. Prolog zur Friedrich Naumann-Gedächtnisfeier der deutsch-demokratischen Jugendgruppe Weimar gesprochen von Rudolf Rieth vom Deutschen Nationaltheater. November 1919. Weimar o.J. 366 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 291. 367 Ebenda, S. 124. 368 Ebenda, S. 125. 369 Ebenda, S. 121. 370 Vgl. ebenda, S. 119. 371 Grupp, Kessler, S .112. 372 Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 273. 373 Vgl. ebenda, S. 125. 374 Vgl. ebenda, S. 158f. 375 Vgl. ebenda, S. 200. 376 Wilhelm Hegeler, Die Leidenschaft des Hofrat Horn. Berlin 1914, S. 14. 377 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 201. 378 Vgl. Otto von Taube, Begegnungen und Bilder. Hamburg 1967, S. 56ff. 379 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 158. 380 Ebenda, S. 126. 381 Vgl. Erika von Watzdorf-Bachoff, Zwischen Frühling und Herbst. Gedichte. Stuttgart und Berlin 1909, S. 12. 382 Erika von Watzdorf-Bachoff, Das Jahr. Lyrische Tagebuchblätter. Weimar 1911, S. 103. 383 Watzdorf-Bachoff, Weimars Park. 384 Ebenda, S. 5. 385 Vgl. Erika von Watzdorf-Bachoff, Das kristallne Tor. Letzte Gedichte. Querfurt 1928, S. 37. 386 Ebenda, S. 11. 387 Vgl. ebenda, S. 95. 388 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 401f., S. 405ff. 389 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Lindenau, S. 23 und 26. 390 Watzdorf-Bachoff, Das kristallne Tor, S .64. 391 Hugo von Hofmannsthal, Helene von Nostitz, Briefwechsel. Hrsg. von Oswalt von Nostitz. Frankfurt/M. 1965, S. 94. 392 Vgl. Hugo von Hofmannsthal, Harry Graf Kessler, Briefwechsel 1898–1929. Hrsg. von Hilde Burger. Frankfurt/M. 1968, S. 213. 393 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 171. 394 Vgl. Hugo von Hofmannsthal und Gerhart Hauptmann. Chronik ihrer Beziehungen 1899– 1929. Aus Briefen und Dokumenten zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Martin Stern. In: Hofmannsthal-Blätter, Heft 37/38 1988, S. 29. 395 Vgl. Helene von Nostitz, Aus dem alten Europa. Menschen und Städte. Hrsg. von Oswalt von Nostitz. Frankfurt/M. und Leipzig 1993, S. 106. 396 Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 210. 397 Vgl. Gerhart Hauptmann, Tagebücher 1897 bis 1905. Hrsg. von Martin Machatzke. Frankfurt/M., Berlin 1987, S. 393 und 641. 398 Vgl. GSA, 72/BW 5599,1. Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 24. Januar 1903. 399 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 200. 400 Vgl. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 106.

324

Anmerkungen

401 402 403 404 405

Ebenda, S. 100. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 32. Vgl. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 114. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 135ff. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 480 und 537. Vgl. auch Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 270. Vgl. Hofmannsthal und Hauptmann, S. 59. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 103. Vgl. ebenda, S. 102. Ebenda, S. 109. Vgl. ebenda, S. 108. Ebenda, S. 110. Ebenda, S. 111. Ebenda, S. 111. Hofmannsthal, Nostitz, Briefwechsel, S. 39. Vgl. Hugo von Hofmannsthal, Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band VII: Erzählungen, erfundene Gespräche und Briefe. Reisen. Frankfurt/M. 1979, S. 521f. Vgl. ebenda, S. 525.

406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416

IV Weimars Archive als kulturelle Stimuli und gesellige Orte 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Vgl. Franz Ferdinand Heitmüller (=Homo), Neu-Vineta. In: Neue Deutsche Rundschau (Freie Bühne), VI. Jahrgang, Halbband 2 1895, S. 1234. Nach dem Thema von Rudolf Steiners Vortrag am 22. Februar 1892. Vgl. Anm. 81. Steiner, Briefe II, S. 98. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 445. Vgl. ebenda, S. 270 f. Vgl. Braun, Memoiren einer Sozialistin, Band 1, S. 228. Vgl. Hans Schwerte, Faust und das Faustische. Ein Kapitel deutscher Ideologie. Stuttgart 1962, S. 33. Vgl. auch Karl Robert Mandelkow, Goethe in Deutschland. Rezeptionsgeschichte eines Klassikers. Band I 1773–1918. München 1980 , S. 246 f. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 310. Hier sei nur auf Stefan Georges poetische Sicht des Autors, etwa im Gedicht „Goethe-Tag“ verwiesen. Stefan George, Werke. 2 Bände. Band 1. Stuttgart 1984, S. 229 f. Vgl. Mandelkow, Goethe in Deutschland I, S. 230. Zitiert nach: Ebenda, S. 212. Rudolf Steiner, Mein Lebensgang. Dornach 1983, S. 211. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 448. Ebenda, S. 451. Ebenda, S. 448. Ebenda, S. 450. Vgl. Steiner, Mein Lebensgang, S. 275. Steiner, Briefe II, S. 170. Vgl. ebenda, S. 283. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 447. Vgl. ebenda, S. 450. Steiner, Mein Lebensgang, S. 170. Vgl. ebenda, S. 232. Ebenda, S. 233. Vgl. ebenda, S. 232. Ebenda, S .233.

Anmerkungen

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Ebenda, S. 222. Franz Ferdinand Heitmüller, Blondel. Eine Aventiure. Hamburg 1889. Heitmüller, Neu-Vineta, S. 1230. Vgl. ebenda, S. 1230. Ebenda, S. 1229. Vgl. ebenda, S. 1233. Zu den Vorgängen um d’Albert vgl. auch Pöthe, Carl Alexander, S. 289 ff. Heitmüller, Neu-Vineta, S. 1232. Ebenda, S. 1230. Ebenda, S. 1230. Ebenda, S. 1234. Franz Ferdinand Heitmüller, Der Schatz im Himmel, Berlin 1900. S. 49. Vgl. Deutschland, 23. Dezember 1898. Vgl. Steiner, Mein Lebensgang, S. 169. Vgl. ebenda, S. 173. Otto Erich Hartleben, Briefe an Freunde. Hrsg. und eingeleitet von Franz Ferdinand Heitmüller. Berlin 1912, S. 180. Goethe-Brevier. Goethes Leben in seinen Gedichten. München 1895. Otto Erich Hartleben, Briefe an seine Frau. 1887–1905. Hrsg. und eingeleitet von Franz Ferdinand Heitmüller. Berlin 1908, S. 160. Vgl. Steiner, Mein Lebensgang, S. 283. Ebenda, S. 212. Zu Hellens sozialpolitischem Engagement vgl. ebenda, S. 210 ff. Das Journal von Tiefurt. Hrsg. von Eduard von der Hellen. Mit einer Einleitung von Bernhard Suphan. Weimar 1892. (Schriften der Goethe-Gesellschaft 7.) Steiner, Mein Lebensgang, S. 211. Eduard von der Hellen, Das rote Programm. Leitfaden für Agitatoren sowie zum Selbstunterricht in der Socialdemokratie. Weimar 1892, S. 9 f. Ebenda, S. 17. Ebenda, S. 43. Ebenda, S. 19. Ebenda, S. 50. Eduard von der Hellen, Die Sünden der Väter. Stuttgart 1917, S. 117. Eduard von der Hellen, Höhere Kindschaft. Stuttgart, Berlin, Leipzig 1926, S. 84 f. Vgl. Eduard von der Hellen, Hyazinth. Stuttgart und Berlin 1918, S. 15. Ebenda, S. 114. Ebenda, S. 80. Hellen, Heinrich von Plate, S. 260. Ebenda, S. 281. Ebenda, S. 284. Ebenda, S. 286. Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 403. Steiner, Briefe II, S. 11. Ebenda, S. 11. Ebenda, S. 34. Ebenda, S. 64. Ebenda, S. 100. Ebenda, S. 79. Vgl. Steiner, Mein Lebensgang, S. 131 ff. und 233 ff. Vgl. Jutta Hecker, Rudolf Steiner in Weimar. Dornach 1988, S. 30. Steiner, Briefe II, S. 273. Steiner, Mein Lebensgang, S. 193. Vgl. Steiner, Briefe II, S. 74.

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Anmerkungen

Vgl. Steiner, Mein Lebensgang, S. 275 ff. Als der Maler Otto Fröhlich Zarathustra und den häßlichsten Menschen malt, den letzteren aber nicht darstellen kann, meint Steiner die Ursache zu wissen: Er behandele die Farbe nicht so, daß das Geistige in der Form erstehe. (Vgl. Steiner, Mein Lebensgang, S. 204 f.) Auch der deutschböhmische Künstler Joseph Rolletschek gehört zu Steiners Gesprächspartnern; dieser ereifert sich über die elende Lage Schillers gegenüber dem vom Schicksal bevorzugten Goethe. (Vgl. ebenda, S. 223.) Der „edle Feuergeist“ (Ebenda, S. 206) Paul Wiecke, einer der bedeutenden Schauspieler der Zeit, und seine Frau Alwine geben Steiner Einblicke in die Erarbeitung von Theateraufführungen. Bei Dagobert Neuffer erfährt er Ernst und Strenge der künstlerischen Tätigkeit, die keinen Dilettantismus zuläßt. (Vgl. ebenda, S. 226 f.) Vgl. WZ, 28. November 1891. Vgl. Steiner, Mein Lebensgang, S. 157 f. WZ, 28. November 1891. Steiner, Briefe II, S. 474. Vgl. WZ, 26. Februar 1892. Ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Steiner, Briefe II, S. 86. Ebenda, S. 86. Vgl. Deutschland, 26. März 1893. Ebenda. Vgl. WZ, 31. Januar 1894. Vgl. Die Münchner Moderne, S. 487. Vgl. WZ, 31. Januar 1894. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1993. Großherzog Carl Alexander im Tagebuch, 16. Mai 1893. Steiner, Mein Lebensgang, S. 181. Rudolf Steiner, Gesammelte Aufsätze zur Kultur- und Zeitgeschichte 1887–1901. Dornach 1989, S. 169. Ebenda, S. 167. Ebenda, S. 167. Zitiert nach: Ebenda, S. 175. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 106. Vgl. ebenda, S. 106. Stefan George, Werke, Band 1, S. 231. Vgl. GSA, 72/BW 3742, 1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 19. Oktober 1902. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. April 1902. GSA, 72/BW4930. Wilhelm von Scholz an Elisabeth Förster-Nietzsche, 8. Dezember 1902. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 125. Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 97f. Karl Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre. Leipzig, München 1946, S. 32. Vgl. Hofmannsthal, Nostitz, Briefwechsel, S. 60. Milde schreibt „anti-nietzeschen“. GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von EbnerEschenbach, 18. Januar 1905. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 125. Vgl. GSA, 72/BW 3742, 1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 18. Oktober 1902. Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 104. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 302. Der Begriff fällt in einem Gedicht, das – anonym erschienen – wohl Alfred Kerr zuzuschreiben ist. Zitiert nach: Schmidt-Möbus, Möbus, Kleine Kulturgeschichte Weimars, S. 242.

Anmerkungen

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114 Vgl. GSA, 72/BW 3742, 1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 5. November 1902. 115 So beteiligt sich Förster-Nietzsche in nicht unbeträchtlichem Maße an der Unterstützung Detlev von Liliencrons. Vgl. GSA, 72/BW 958. Ida Dehmel an Elisabeth Förster-Nietzsche, 23. November 1903. 116 Vgl. GSA, 72/2509. Maria van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 3. Dezember 1916. 117 Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 406. 118 Vgl. GSA, 72/BW 987. Hermine (zweite Frau Wilhelms II.) an Elisabeth Förster-Nietzsche, 24. Juni 1935. 119 Vgl. GSA, 72/2487. 120 Vgl. GSA, 72/2476. 121 Vgl. ebenda. (und öfter.) 122 Vgl. GSA, 72/2496. Vgl. auch GSA, 72/2501. (und öfter.) 123 Vgl. GSA, 72/2499. (und öfter.) 124 Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 114. 125 Vgl. ebenda, S. 114. 126 Vgl. GSA, 72/2492. 127 Vgl. GSA, 72/2495. (und öfter.) 128 Vgl. GSA, 72/2496. 129 Am 20. März erklingen Kompositionen von Bausznerns. Vgl. GSA, 72/2487. Vgl. auch GSA, 72/2492 und GSA, 72/2513. 130 Vgl. GSA, 72/2481. (und öfter.) 131 Vgl. GSA, 72/2489. 132 Vgl. GSA, 72/2492. 133 Vgl. GSA, 72/2510. 134 Vgl. GSA, 72/2496. (und öfter.) 135 Vgl. GSA, 72/2487. 136 Vgl. GSA, 72/2504. (und öfter.) 137 GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 16. Januar 1900. 138 Vgl. GSA, 72/2502. Für die Veranstaltung am 14. Mai 1914 sagt Lengefeld allerdings ab, ihre Freundin Dr. Wagner kommt allein. Vgl. auch GSA, 72/2510. (und öfter.) 139 Vgl. GSA, 72/2502. (und öfter.) 140 Vgl. ebenda. (und öfter.) 141 Vgl. Watzdorf-Bachhoff, Im Wandel, S. 201. 142 Vgl. GSA, 72/2504, 72/2507. (und öfter.) 143 Vgl. GSA, 72/2513. (und öfter.) 144 Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 104. 145 Vgl. GSA, 72/2510. 146 Vgl. ebenda. (und öfter.) 147 Munch und Deutschland. Katalog zur Ausstellung Munch und Deutschland in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, in der Hamburger Kunsthalle und der Nationalgalerie Berlin. Stuttgart 1994, S. 68. 148 Carl Georg Heise, Erinnerungen an Edvard Munch. In: Edvard Munch, Probleme – Forschung – Thesen. Hrsg. von Henning Bock und Günter Busch. München 1973, S. 12. 149 Zitiert nach: Wahl, Jena als Kunststadt, S. 84. 150 Zwar verwendet Munch das Wort in seinem Dankbrief an Kessler, will es aber auch mit Blick auf die anderen Weimarer Bekannten verstanden wissen. Vgl. ebenda, S. 85. 151 Zitiert nach: Ebenda, S. 93. 152 Vgl. David Marc Hoffmann, Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs. Berlin, New York 1991, S. 87. 153 Die Kontaktaufnahme zum Ehepaar Auerbach erfolgt über Förster-Nietzsche und die ArchivGeselligkeit. Munch malt dann das Porträt Felix Auerbachs. Vgl. Wahl, Jena als Kunststadt, S. 96f.

328

Anmerkungen

154 Vgl. GSA, 72/2499, 72/2487. Botho Graef bereitet Förster-Nietzsche auf Kirchner vor: Er sei als Künstler „vielleicht eine Note moderner ..., als es Ihnen lieb sein wird, als Mensch aber einer der eifrigen Leser von Nietzsche...“ GSA, 72/2503. 155 Karl Scheffler hält die Festansprache zur Feier von van de Veldes 50. Geburtstag im Nietzsche-Archiv. Vgl. GSA, 72/2497. Vgl. auch Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 200f. 156 Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 104. 157 Vgl. GSA, 72/2499. Vgl. auch Wahl, Jena als Kunststadt, S. 100f. 158 Vgl. GSA, 72/2507, 72/2494. Das Ehepaar Eucken erscheint häufiger im Archiv. 159 Vgl. Anm. 154. 160 Vgl. Wahl, Jena als Kunststadt, S. 88. 161 Volker Wahl, Ein Gesellschaftsexperiment – die Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar. In: Zwischen Konvention und Avantgarde, S. 249. 162 Erhard Naake, Nietzsche in Weimar. In: Zwischen Konvention und Avantgarde, S. 26. 163 Vgl. GSA, 72/2473. 164 GSA, 72/2476, 72/2483, 72/2484, 72/2488, 72/2493. (und öfter.) 165 Vgl. GSA, 72/2500. 166 Vgl. Barbara Happe, Anna Auerbach – eine Frau an der Schwelle zur Moderne. In: Entwurf und Wirklichkeit. Frauen in Jena 1900 bis 1933. Hrsg. von Gisela Horn unter Mitarbeit von Birgitt Hellmann. Rudolstadt 2001, S. 211. 167 Ebenda, S. 211. 168 Vgl. GSA, 72/2504. Vgl. auch S. 109 des vorliegenden Buches. 169 Vgl. GSA, 72/2476. (und öfter.) 170 Samuel Lublinski, Die Bilanz der Moderne. Mit einem Nachwort neu hrsg. von Gotthart Wunberg. Tübingen 1974, S. 20. 171 Vgl. Manfred Riedel, Nietzsche in Weimar. Ein deutsches Drama. Leipzig 1997, S. 68ff. 172 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 179. 173 Vgl. GSA, 72/BW 3742, 1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 28. Oktober 1902. 174 Vgl. Happe, Anna Auerbach, S. 210. 175 Vgl. GSA, 72/2475. 176 Vgl. Nietzsche und die deutsche Literatur. I. Texte zur Nietzsche-Rezeption 1873–1963. Mit einer Einführung hrsg. von Bruno Hillebrand. München und Tübingen 1978, S. 258. 177 Vgl. Hugo von Hofmannsthal, Raoul Richter, 1896. In: Hugo von Hofmannsthal, Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Reden und Aufsätze I. Frankfurt/M. 1979, S. 458–465. 178 Vgl. Raoul Richter, Friedrich Nietzsche. Sein Leben und sein Werk. Leipzig 1903, S. 278. 179 Ebenda, S. 213. 180 Vgl. GSA, 72/2479. 181 Vgl. GSA, 72/2496. 182 Oskar Bulle, Dante’s Beatrice im Leben und in der Dichtung. Berlin 1890. 183 Vgl. GSA, 72/2495. 184 Vgl. Handbuch zur „Völkischen Bewegung“, S. 932. 185 Vgl. GSA, 72/2500. 186 Der Begriff Nietzsches für sich selbst und Wagner taucht immer wieder in seinen Schriften auf. Vgl. etwa Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden. Hrsg. von Karl Schlechta. Band II. München, Wien 1994, S. 1037. 187 Vgl. GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. April 1902. 188 Vgl. etwa GSA, 72/2506 und 2507. Professor Brahn (Leipzig) hält einige Vorträge, die um das Thema „Nietzsche und der Krieg“ kreisen. 189 Vgl. Hoffmann, Nietzsche-Archiv, S. 575. 190 In Meerheimbs Roman „Stiefkinder“ führt die aus Adelskreisen stammende Lotta eine Gärtnerei, ohne auf den Klatsch der Gesellschaft zu achten. Das Schicksal Margarethe zu Dohnas,

Anmerkungen

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die regelmäßig im Nietzsche-Archiv verkehrt und auch alle gärtnerischen Arbeiten für FörsterNietzsche plant, mag die Autorin inspiriert haben. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 186. Vgl. GSA, 72/2499. Marie Gräfin Wedel publiziert unter dem Pseudonym Marie Witilo unter anderem zwei Gedichtbände (Weimar 1893 und 1900), ein Wartburgdrama unter dem Titel „Die letzte Hohenstaufin“ (Weimar 1900), ein Schauspiel über Friedrich den Freidigen (Weimar 1901) und eben das Volksschauspiel „Johannes Falk“ (Weimar 1910). Vgl. GSA, 72/2502. Vgl. ebenda. Vgl. GSA, 72/798. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 13. Dezember 1901. Ebenda. Vgl. GSA, 72/BW 2389. Ludwig von Hofmann an Elisabeth Förster-Nietzsche, 28. Juni 1904. Vgl. Roswitha Wollkopf, Das Nietzsche-Archiv im Spiegel der Beziehungen Elisabeth Förster-Nietzsches zu Harry Graf Kessler. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 34 (1990), S. 129. Vgl. GSA, 72/2474. Natalie von Milde, die nicht mit im Archiv war, kolportiert folgenden Satz Keys: „Die Herrschaft Gottes ist abgetan, auch die Herrschaft Christi, nun ko⊥t die Herrschaft des heiligen Geistes ...“ GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von EbnerEschenbach, 18. April 1905. Vgl. Taube, Begegnungen und Bilder, S. 37. Ebenda, S. 37. Ebenda, S. 44. Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 103. Vgl. GSA, 72/2478. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S 189. Vgl. GSA, 72/2489. Vgl. Hoffmann, Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs, S. 40. Vgl. GSA, 72/2476. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 171. Scholz, An Ilm und Isar, S. 129. Lublinski, Die Bilanz der Moderne, S. 44. Zitiert nach: Nietzsche und die deutsche Literatur I, S. 126. Zitiert nach: Ebenda, S. 131. Vgl. GSA, 72/2473. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 184. Vgl. auch GSA, 72/2484. Vgl. GSA, 72/2484. Vgl. GSA, 72/2492. Vgl. GSA, 72/2501. Vgl. GSA, 72/2510. Vgl. GSA, 72/2509. Vgl. Wollkopf, Das Nietzsche-Archiv, S. 125. Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 191f. Riedel, Nietzsche in Weimar, S. 37. Ebenda, S. 38. GSA, 72/798. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 19. September 1903. Vgl. ebenda. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 187. Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre, S. 32. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 201. Vgl. ebenda, S. 201. GSA, 72/2512. Maria van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 8. April 1918. Redslob, Von Weimar nach Europa, S. 118.

330

Anmerkungen

233 GSA, 72/BW 3742,1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 1. September 1902. 234 Ebenda. 235 GSA, 72/BW 3742,1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 29. August 1902. 236 Vgl. ebenda. 237 Seit 1902 publiziert die WZ Material verschiedener Autoren zur Frage „Wie kann Weimar zu einer neuen litterarischen Blüthe gelangen?“ Am Anfang stehen Lienhards „WartburgGedanken“ (vgl. WZ, 10. Juni 1902), in denen er seine Auffassung der Heimatkunst erklärt. 1903 wird das Problem noch einmal angestoßen und erweitert: „Wie kann Weimar zu einer neuen Kunstblüte gelangen?“ Interessant ist Adelheid von Schorns zwischen „Modernen“ und „Konservativen“ vermittelnder Aufsatz über „Weimars Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ in WZ, 26. April 1903. Vgl. auch WZ, 27. Oktober, 29. Oktober 1903. Vgl. ferner Wie kann Weimar zu einer neuen litterarischen Blüthe gelangen? Hrsg. von Ernst Wachler. Weimar 1903. 238 GSA, 72/BW 3742,1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 22. September 1902. 239 Vgl. ebenda. 240 Vgl. GSA, 72/BW 3742,1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 20. November 1902. 241 Vgl. Thomas Föhl, Hans Jürgen Sembach, Henry van de Velde und das Weimarer Mobiliar für Baron von Münchhausen. München 1999. 242 GSA, 72/BW 3742,1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 7. Oktober 1902. 243 Vgl. GSA, 72/BW 3742,1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 28. Oktober 1902. 244 GSA, 72/BW 3742,1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 29. Oktober 1902. 245 1907 schaltet sich Wilhelm von Scholz in die Zeitschriftenpläne ein, die auch dann nicht realisiert werden. Vgl. GSA, 72/BW 4930. Wilhelm von Scholz an Elisabeth FörsterNietzsche, 28. Januar, 16. März, 22. April 1907. 246 Die WZ druckt die „Tag“-Rezension leicht gekürzt. Vgl. WZ, 16. April 1903. 247 Ebenda. 248 Vgl. ebenda. 249 Ebenda. 250 Ebenda. 251 GSA, 72/BW 3742,2. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 18. April 1903. 252 Ebenda. 253 Vgl. WZ, 1. Mai 1903. 254 Auch diese Stellungnahme in WZ, 15. April 1903. 255 WZ, 22. April 1903. 256 Vgl. WZ, 18. April 1903. 257 Vgl. GSA, 72/2504. Eduard Rosenthal an Elisabeth Förster-Nietzsche, 10. Oktober 1914. 258 Ebenda. Anna Auerbach an Elisabeth Förster-Nietzsche, 11. Oktober 1914. 259 Vgl. GSA, 72/2504. Eduard Rosenthal an Elisabeth Förster-Nietzsche, 10. Oktober 1914. 260 GSA, 72/2507. Elisabeth Urtel an Elisabeth Förster-Nietzsche, 8. Oktober 1915. 261 Vgl. GSA, 72/2508. 262 Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 114f. 263 Nach dem Wort Franz Pfemferts. Nietzsche und die deutsche Literatur I, S. 177. 264 Vgl. Wollkopf, Das Nietzsche-Archiv, S. 135. 265 GSA, 72/BW 4930. Wilhelm von Scholz an Elisabeth Förster-Nietzsche, 6. Juli 1926. 266 Ebenda.

Anmerkungen

331

V Verein und Fest 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

ThHStAW, Vereinsgesellschaft zu Weimar, No. 28. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 194. Ebenda, S. 156. WZ, 26. März 1913. Ebenda. Vgl. Hauptmann, Tagebücher 1897 bis 1905, S. 393. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 4. Band, S. 89ff. Vgl. WZ, 9. Oktober 1910. Vgl. Böhlau, Im alten Rödchen zu Weimar. In: Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 2. Band. Vgl. Conrad Höfer, Carl Schüddekopf. In: Jahrbuch der Bibliophilen. Fünfzehnter Jahrgang 1916/17, S. XLVII. Vgl. auch Gabriele Reuters Fahrenhorst-Figur, hinter der Arnd steht. Vgl Reuter, Frau Bürgelin, S. 62ff. und S. 83ff. Vgl. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 9. Oktober 1903. Rüdiger Bubners Feststellung. Zitiert nach: Werner, Moderne in der Provinz, S. 117. Vgl. Georg Haar, Allerlei Lieder. Weimar 1909. Georg Haar, Parenthesen zu Lessings „Laokoon“. Hanau 1908. Askan Schmitt, Mandolinenklub für kulturelle Ethik. Dresden-Hellerau 1919. Vgl. ebenda, S. 52. Ebenda, S. 8. Vgl. ebenda, S. 11 und S. 18. Ebenda, S. 37. Vgl. Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 408f. Vgl. ebenda, S. 410. Vgl. WZ, 15. Januar 1913. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 3731, Bl. 140. Vgl. Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 126. Vgl. WZ, 11. Februar 1905. Vgl. Dieter Langewiesche, Liberalismus in Deutschland. Frankfurt/M. 1988, S. 9f., S. 128ff. Dazu hätte man das Wirken des Liberalen Vereins für Weimar und Umgegend zu berücksichtigen. Der Verein wird seit 1906 von Theodor Wette, Arzt an der chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses, geleitet. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 92. Vgl. ebenda, S. 298. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 19. März 1905. WZ, 9. Oktober 1903. Vgl. Grupp, Harry Graf Kessler, S. 93. Zitiert nach: Ebenda, S. 99. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda, S. 101f. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 1, S. 15. Ebenda, S. 5. Vgl. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 15. April 1905. Vgl. auch Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 132. Vgl. WZ, 12. April 1905. Wilhelm Ostwald, Lebenslinien. Eine Selbstbiographie. Dritter Teil Groß-Bothen und die Welt 1905–1927, S. 133. Vgl. ebenda, S. 134. Vgl. ebenda, S. 135.

332

Anmerkungen

43 Vgl. ThHStAW, Vereinsgesellschaft zu Weimar, No. 30. 44 Vgl. Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 44. 45 Vgl. WZ, 9. Oktober 1910. 46 Vgl. ebenda. 47 WZ, 1. November 1907. 48 Ebenda. 49 Vgl. WZ, 9. Oktober 1910. 50 Vgl. WZ, 22. Oktober 1910. 51 Vgl. Geschichte der Stadt Weimar, S. 425f. 52 Vgl. WZ, 25. Oktober 1910. 53 Vgl. Martin Schulze, Aus 100 Jahren Geschichte des Gewerbevereins Weimar. Weimar 1933, S. 11. 54 Vgl. ebenda, S. 14. 55 Vgl. ebenda, S. 16. 56 Vgl. WZ, 11. November 1903. 57 WZ, 9. Oktober 1910. 58 Vgl. WZ, 8. Februar 1905. 59 Vgl. WZ, 9. Oktober 1910. 60 Vgl. WZ, 12. Oktober 1904. 61 Vgl. ThHStAW, Sachsen-Weimar. Departement des Kultus, No. 373, Bl. 1. 62 Vgl. ebenda, Bl. 12. 63 Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 101. 64 Erich Beutler, Essays um Goethe. Leipzig 1941, S. 286f. 65 Ebenda, S. 296. 66 Vgl. ebenda, S. 296. 67 Vgl. Anton Kippenberg, Reden und Schriften. Wiesbaden 1952, S. 205. 68 Vgl. WZ, 30. April 1905. 69 Hugo von Hofmannsthal, Shakespeares Könige und große Herren. Ein Festvortrag. In: Hofmannsthal, Gesammelte Werke, Reden und Aufsätze I, S. 33. 70 Ebenda. 71 Ebenda, S. 39. 72 Mandelkow polemisiert scharf gegen Leppmanns Wort von den fähigen und selbstlosen Gelehrten und bemerkt, die Goethe-Gesellschaft habe sich „unkritisch und widerspruchslos den feudalaristokratischen Herrschaftsstrukturen des neuen Reiches angepaßt“. Karl Robert Mandelkow, Goethe in Deutschland I, S. 230. 73 WZ, 13. November 1910. 74 Vgl. ebenda. 75 Vgl. ebenda. 76 Vgl. ebenda. Vgl. auch WZ, 26. Oktober 1910. 77 Fedor von Zobeltitz, Ich hab so gern gelebt. Lebenserinnerungen. Berlin 1934, S. 97. 78 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 189. 79 Vgl. ebenda, S. 78. 80 WZ, 13. November 1910. 81 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 179. 82 Vgl. ebenda, S. 189 und 193. 83 Vgl. ebenda, S. 189. Vgl. ferner Georg von der Gabelentz, In Memoriam. Gedichte und Sprüche. Eisenach 1941. 84 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 209. 85 Vgl. WZ, 14. Februar 1913. 86 Vgl. WZ, 21. Februar 1913. 87 WZ, 26. Februar 1913. 88 Vgl. Jahrbuch der Gesellschaft der Bibliophilen. Dritter Jahrgang. Weimar 1901. (und alle weiteren Jahrbücher.)

Anmerkungen

89 90 91 92 93 94 95 96 97

98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133

333

Vgl. die ständigen Informationen in den Jahrbüchern der Gesellschaft der Bibliophilen. Fedor von Zobeltitz, Carl Schüddekopf. Dem Gedächtnis des Freundes. In: Jahrbuch der Gesellschaft der Bibliophilen. Fünfzehnter Jahrgang. Weimar 1916/17, S. VI. Ebenda. S. IX. Vgl. die Mitgliederverzeichnisse der Jahrbücher bis zum 16. Jahrgang 1918/20. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 102. Vgl. Das Buch als Kunstwerk. Die Cranach Presse des Harry Graf Kessler. Katalog der Ausstellung im Neuen Museum Weimar 2003, S. 29. Zitiert nach: Ebenda. Vgl. Das Buch als Kunstwerk. Die Cranach Presse des Grafen Harry Kessler. Hrsg. von John Dieter Brinks. Laubach und Berlin 2003. Vgl. Irmgard Heidler, Künstlerische Buchgestaltung im Eugen Diederichs Verlag. In: Versammlungsort moderner Geister. Der Eugen Diederichs Verlag – Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme. Hrsg. von Gangolf Hübinger. München 1996, S. 167–220. Vgl. Geschichte der Stadt Weimar, S. 439. Dort ist fälschlicherweise vom „Verein zur Massenvorbereitung guter Schriften“ die Rede. Neue Deutsche Rundschau (Freie Bühne), VI. Jahrgang. Halbband 2=3. und 4. Quartal 1895, S. 1262. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 27. Juni 1905. Vgl. ebenda. Vgl. WZ, 7. September 1905. Vgl. Geschichte des Kameradschaftlichen Vereins in Weimar. Weimar 1914, S. 5. Vgl. ebenda, S. 11ff Vgl. ebenda, S. 16f. Vgl. ebenda, S. 11. Vgl. ebenda, S. 19. Vgl. ebenda, S. 22. Vgl. ebenda, S. 26. Vgl. ebenda, S. 23. Vgl. ebenda, S. 26. Vgl. ebenda, S. 26. Vgl. ebenda, S. 29. Vgl. WZ, 28. März 1905. Vgl. Geschichte des Kameradschaftlichen Vereins, S. 27. Vgl. ebenda, S. 28. Vgl. WZ, 20. März 1913. Vgl. ebenda. WZ, 29. Januar 1913. WZ, 22. Mai 1913. Vgl. WZ, 6. Februar 1913. Vgl. etwa WZ, 25. Oktober 1910. Vgl. Hess, Geschichte Thüringens, S. 390. Vgl. Alf Rößner, Weimar, Wartburg, Windhuk – Carl Alexanders „warmes Herz“ für die deutsche Kolonialpolitik. In: Carl Alexander, S. 47–90. Vgl. ebenda, S. 90. Vgl. WZ, 5. April 1905. Vgl. WZ, 12. Februar 1905. WZ, 2. November 1904. Vgl. WZ, 6. Februar 1906. Vgl. WZ, 10. November 1903. Vgl. ebenda. Vgl. WZ, 29. Mai 1906. Ebenda.

334

Anmerkungen

134 Vgl. WZ, 17. November 1903. 135 Die Weimarer Ortsgruppe des Thüringerwaldvereins führt auch andere, stärker der Bildungsidee verpflichtete, Veranstaltungen durch. 1905 lädt man zur Schiller-Feier in den Viktoriagarten: Nach einem Vortrag über Intimes aus Schillers Leben gestalten Damen in Gesang und Deklamation das Lied von der Glocke. Vgl. WZ, 4. April 1905. 136 WZ, 28. März 1913. 137 Vgl. WZ, 4. Februar 1905. 138 Vgl. ebenda. 139 Vgl. WZ, 13. April 1905. 140 Vgl. WZ, 6. Februar 1906. 141 Zu Reuters Roman vgl. S. 42ff. des vorliegenden Buches. 142 Vgl. S. 252f. des vorliegenden Buches. 143 Wilhelm Bode, Die norwegische Ordnung des Schankwesens und Getränkehandels. Leipzig 1906. 144 Die Verwaltung des Deutschen Vereins für Gasthaus-Reform befindet sich in Weimar. Dieser Verein publiziert eine Monatsschrift, seit Juli 1905 Vierteljahresschrift, sowie eine Schriftenreihe, in der Wilhelm Bode gleichfalls als Autor hervortritt. 145 Vgl. WZ, 27. Februar 1916. 146 WZ, 6. Oktober 1910. 147 Rudolf Penzig, Die Kartellierung der Kulturvereine. In: Jahrbuch für sozialen Fortschritt und freiheitliche Weltanschauung. Hrsg. von Hermann Hasse. Erster Jahrgang 1910/11. Gautzsch bei Leipzig, S. 146. 148 Vgl. dazu auch Horst Groschopp, Den Deutschen eine neue Kultur. Forderungen und Tätigkeiten des „Weimarer Kartells“ von 1907 bis 1914. In: Zwischen Konvention und Avantgarde, S. 257–288. 149 Ebenda, S. 273. 150 Ernst Horneffer etwa, der sich als Dozent und Vortragsredner der freireligiösen Bewegung einen Namen macht, ist ein exzellenter Kenner Nietzsches. Der Geselligkeit Weimars gibt er manchen Impuls; er beschäftigt sich gründlich mit der Freimauerei; er und sein Bruder August haben auch Interesse an literarischen Entwicklungen, in ihrem Haus verkehrt Detlev von Liliencron. Vgl. auch GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 26. März 1900. 151 Das Stiftungsfest 1885 feiert die „Sechzigjährige“. Vgl. ThHStAW, Vereinsgesellschaft zu Weimar, No. 27, Bl. 9. 152 Vgl. ebenda. Verfassung und Gesetze der Vereinsgesellschaft zu Weimar, 20. Dezember 1832. Daran anschließend Mitgliederliste. Ohne Signatur. 153 Vgl. ebenda. 154 Vgl. ebenda. Beschlüsse und Zusätze zu den Statuten vom 30. Januar 1863. 155 Ebenda, No. 26, Bl. 143f. 156 Vgl. ebenda, No. 26, Bl. 192 und No. 177, Mitgliederverzeichnis von 1895. 157 Vgl. ebenda, No. 30. 158 Vgl. ebenda, No. 26, Bl. 128. 159 Vgl. ebenda, No. 203, Bl. 82. 160 Ebenda, No. 23. Schreiben des Vorstandes vom 31. Januar 1892. 161 Vgl. ebenda, No. 177, Bl. 126. 162 Vgl. ebenda, No. 173. Belege für das Jahr 1893. 163 Vgl. ebenda, No. 203. 164 Vgl. ebenda, No. 203. 165 Vgl. ebenda, No. 24. Stiftungsfest am 18. Juni 1893. 166 Ebenda, No. 20, Bl. 162. 167 Vgl. ebenda, No. 203. Abendunterhaltung am 5. April 1904. 168 Vgl. ebenda, No. 203. Winzerfest am 14. Oktober 1905. 169 Vgl. ebenda, No. 203. Abendunterhaltung am 11. September 1905. 170 Vgl. ebenda, No. 33, Bl. 182.

Anmerkungen

171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181

182

183 184 185 186 187 188 189

190

191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201

335

Ebenda, No. 26, Bl. 43. Ebenda, No. 203. Kostümfest am 19. Februar 1904. Ebenda. Ebenda, No. 33, Bl. 100. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda, No. 33, Bl. 314 und 315. Ebenda, No. 27, Bl. 9. ThHStAW, Diarium der privilegierten Stahl-Armbrust-Schützen-Gesellschaft Weimar. Karton 44. Undatierte Rezension des Maskenballs 1913. Ein Armbrustvogelschießen vor 70 Jahren. Entwurf zum Kostümfest der StahlarmbrustSchützengesellschaft am 23. Februar 1907. Weimar 1907. Vgl. ebenda. Vgl. Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 16. 1585 trennen sich die Büchsenschützen von der „Armbrust“ und bilden eine eigene Büchsenschützengesellschaft. Diese existiert gleichfalls bis ins 20. Jahrhundert hinein; auch sie entfaltet ein reiches bürgerliches Vereinsleben. Im Februar 1913 etwa liest man in der WZ einen Bericht über den Winterball im mit Orangenbäumen und Teppichdraperien dekorierten Schießhaus. Architekt Stark schreitet als Schützenkönig im vollen Ornat durch die Flügeltüren und wird vom Schützenhauptmann Grimm begrüßt. Die Büchsenschützen sind wohl weniger elitär als die „Armbrust“, auch ihre Mitglieder gehören aber dem wohlhabenden Bürgertum an. Vgl. ThHStAW, Geschichtlicher Ueberblick über den uralten Bestand der ArmbrustSchützen-Gesellschaft in Weimar zusammenstellt 1868 auf Grund der Akten derselben von W. Genast. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. ThHStAW, Diarium der privilegierten Stahl-Armbrust-Schützen-Gesellschaft Weimar. Karton 44. Bericht über die Weihe der neuen Saalräumlichkeiten am 21. Oktober 1888. Vgl. ebenda. Vgl. ThHStAW, Protokolle der Stahl-Armbrust-Schützen 1874–1920. Satzung, genehmigt in der Generalversammlung vom 13.1.91. Vgl. ebenda, 11. Februar 1903. Das Aufnahmegesuch des Kaufmanns Meyer wird abgelehnt. Vgl. Privilegierte Stahlarmbrust-Schützengesellschaft Weimar. Ausstellung von Kleinodien und interessanten Akten aus Anlaß des 100jährigen Bestehens des Gesellschaftshauses. Weimar o.J. (1937) Vgl. ThHStAW, Diarium der privilegierten Stahl-Armbrust-Schützen-Gesellschaft Weimar. Karton 44. Bericht über die Weihe der Saalräumlichkeiten am 21. Oktober 1888. Vgl. auch ebenda. Bericht über das Lustblattschießen 1891. Vgl. ebenda. Bericht über das Vogelschießen 1891. Vgl. ebenda. Bericht über die Teilnahme der Armbrust-Schützen am Festzug zur Goldenen Hochzeit 1892. Vgl. ThHStAW, Protokolle der Stahl-Armbrust-Schützen 1874–1920, 5. Mai 1903. Vgl. ebenda, 17. Juli 1900. Vgl. ThHStAW, Diarium der privilegierten Stahl-Armbrust-Schützen-Gesellschaft Weimar. Bericht über das Maskenfest am 14. Februar 1891. Vgl. ebenda, 9. Juni 1901. Vgl. ebenda. Bericht über das Lustblattschießen am 18. und 21. Juni 1908. Vgl. ebenda. Bericht über den Maskenball am 8. Februar 1913. Vgl. ebenda, 15.Dezember 1907. Vgl. ThHStAW, Geschichtlicher Ueberblick. Vgl. ThHStAW, Diarium der privilegierten Stahl-Armbrust-Schützen-Gesellschaft Weimar. Bericht über das Lustblattschießen am 19. und 23. Juni 1890. (und die übrigen Berichte zu den jährlichen Lustblattschießen.)

336

Anmerkungen

202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213

Ebenda. Bericht über das Lustblattschießen am 12. und 15. Juni 1902. Vgl. ebenda, Juni 1912. Ebenda. Bericht über das Vogelschießen am 30. Juli und 2. August 1903. Vgl. ebenda. Bericht über das Vogelschießen am 10. und 13. August 1911. Vgl. ebenda. Bericht über das Vogelschießen am 24. und 27. Juli 1890. Vgl. ebenda. Bericht über das Vogelschießen am 7. und 10. August 1902. Ebenda, 15. August 1889. Vgl. ebenda. Bericht über das Sommerfest am 12. Juli 1903. Ebenda. Festlieder zum „Abschießen“ am 15. November 1907. Ebenda. Bericht über den Maskenball am 8. März 1899. Ein Armbrustvogelschießen vor 70 Jahren. Vgl. ThHStAW, Diarium der privilegierten Stahl-Armbrust-Schützen-Gesellschaft Weimar. Bericht über den Kostümabend am 23. Februar 1907. Vgl. ebenda. Bericht über die Weihe des neuen Festsaales am 15.Dezember 1907. Ebenda. Vgl. ebenda. Bericht über die Beteiligung an der Schiller-Feier am 9. Mai 1905. Vgl. ebenda. Bericht zum 11. Januar 1908. Ebenda. Bericht zum 12. Juli 1908. Ebenda, August 1914. Das Fest wird dann auch in der Literatur gestaltet. Vgl. Wilhelm Arminius, Die GoetheEichstädts. Weimarer Roman aus der Gegenwart. Leipzig o.J., S. 1ff. Cornelius Steckner, Der Bildhauer Adolf Brütt. Schleswig-Holstein – Berlin – Weimar. Autobiographie und Werkverzeichnis. Heide in Holstein 1989, S. 51. Vgl. Schorn, Das nachklassische Weimar unter der Regierungszeit von Karl Alexander, S. 151. Vgl. Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 298. Vgl. Ziegler, Die Kunst der Weimarer Malerschule, S. 241. Steiner, Mein Lebensgang, S. 205. Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 101. Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 58. Vgl. ebenda, S. 58. Vgl. J. Rollet, Aus alten und neuen Tagen des Weimarer Künstlervereins. In: Deutschland, 26. März 1930. Scholz, An Ilm und Isar, S. 58. Vgl. Rollet, Aus alten und neuen Tagen. Vgl. dazu Werner, Moderne in der Provinz, S. 116ff. GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 7. Juni 1903. Diese Tänze werden später in Diederichs’ Jenaer Geselligkeit nochmals aufgeführt. Vgl. Werner, Moderne in der Provinz, S. 122. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 5. Juli 1903. Ebenda. Ebenda. Vgl. Rollet, Aus alten und neuen Tagen. Vgl. Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 63. Vgl. Nostitz, Aus dem alten Europa, S. 110. Rollet, Aus alten und neuen Tagen. Vgl. ebenda. Zur Geschichte des „Dietrichs“ 1901–1932. Vortrag gehalten im „Dietrich“ am 16. Januar 1933 von Oberschulrat Dr. Paul Krumbholz, S. 2. (Anna-Amalia-Bibliothek, Maschinenschr.) Ebenda. Vgl. ebenda, S. 3. Vgl. ebenda, S. 16. Vgl. ebenda, S. 2.

214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247

Anmerkungen

337

248 Carl Schüddekopf zum Gedächtnis. Sonderabdruck aus dem Jahrbuch der Gesellschaft der Bibliophilen. Fünfzehnter Jahrgang 1916/17.Weimar 1918, S. XL. 249 Vgl. Gute alte deutsche Sprüche. Ausgelesen und erläutert für Schule und Haus von Xanthippus. Berlin 1897, S. VII. 250 Vgl. Was dünket euch um Heine? Ein Bekenntnis von Xanthippus. Leipzig 1888, S. 19. 251 Vgl. die vorige Anmerkung. 252 Vgl. Karl Kraus, Heine und die Folgen. In: Karl Kraus, Ausgewählte Werke. Band 1 1902– 1914. Berlin 1971, S. 290–312. 253 Was dünket euch um Heine, S. 100. 254 Ebenda, S. 7. 255 WZ, 4. März 1903. 256 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 195. 257 Vgl. Höfer, Carl Schüddekopf, S. XXXV. 258 Schüddekopf bereitete zusammen mit Karl Weiser in Weimar eine Protestversammlung vor und verfaßte eine dann dem Reichstag vorgelegte Resolution. Vgl. ebenda, S. XLIX. 259 Vgl. ebenda, S. XLIXf. 260 Vgl. ebenda, S. XV. 261 Ebenda, S. LI. 262 Berliner Curiosa. Hrsg. von Gotthilf Weisstein. Berlin 1905/06. Eines der Curiosa aus dem Jahr 1852 trägt den Titel: „Don Carlos, der Infanterist von Spanien oder das kommt davon, wenn man seine Stiefmutter liebt. Spanische Lokalposse mit starkem Berliner Beigeschmack und sehr vielen Couplets, in drei lustigen Akten, frei nach Schiller, aber bedeutend verbessert.“ 263 Die Inschriften der jüdischen Katakombe am Monteverde zu Rom. Entdeckt und erklärt von Nicolaus Müller. Nach des Verf. Tode vervollständigt und hrsg. von Nikos A. Bees. Leipzig 1919. 264 Scholz, An Ilm und Isar, S. 92. 265 Ebenda, S. 90. 266 Ebenda, S. 92. 267 Ebenda, S. 91. 268 Ebenda, S. 91. 269 Vgl. Curt Hotzel, Ernst Wachler. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte unserer Zeit. Cassel 1921, S. 46. 270 Ebenda, S. 47. 271 Ebenda, S. 47. 272 Bartels zitiert zustimmend aus Adolf Sterns „Studien zur Literatur der Gegenwart“. Vgl. Adolf Bartels, Geschichte der thüringischen Literatur. 2. Band Vom Tode Goethes bis zur Gegenwart. Jena 1942, S. 236. 273 GSA, 72/BW 3742/1. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 12. September 1902. 274 George, Werke, Band 1, S. 230. 275 Ebenda, S. 230. 276 Ebenda, S. 230. 277 Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 98. 278 Vgl. WZ, 10. November 1904. 279 Vgl. S. 20 und 29 des vorliegenden Buches. 280 Vgl. WZ, 11. November 1904. 281 Vgl. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 19. März 1905. 282 Vgl. WZ, 19. April 1905. 283 Vgl. WZ, 4. April 1905. 284 Vgl. WZ, 7. Mai 1905. 285 Vgl. WZ, 4. April und 10. Mai 1905. 286 Vgl. WZ, 10. Mai 1905.

338

Anmerkungen

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Vgl. WZ, 11. Mai 1905. Vgl. GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 17. Mai 1905. Vgl. WZ, 10. Mai 1905. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 11. Mai 1905. GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 17. Mai 1905. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 127. WZ, 10. Mai 1905. Die Hamburger Ausgabe gibt die Verse folgendermaßen: „O möge doch den heil’gen letzten Willen Das Vaterland vernehmen und erfüllen.“ Goethe, Werke, Hamburger Ausgabe, Band 1, S. 653. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 11. Mai 1905. Vgl. WZ, 9. Mai 1905. Vgl. GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 17. Mai 1905. Vgl. GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 3. April 1905. GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 17. Mai 1905. WZ, 21. Juni 1905. Vgl. ebenda. Ebenda. Zitiert nach: Ulf Diederichs, Jena und Weimar als verlegerisches Programm. Über die Anfänge des Eugen Diederichs Verlages in Jena. In: Zwischen Konvention und Avantgarde, S. 57. Vgl. Adolf von Hildebrand und seine Welt. Briefe und Erinnerungen. München 1962, S. 375. Vgl. WZ, 22. Januar 1913. Vgl. S. 61 des vorliegenden Buches. Vgl. WZ, 18. März 1913. Vgl. WZ, 21. März 1913. Vgl. auch Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 195. WZ, 11. März 1913. Vgl. ebenda. Zu diesem Fest vgl. auch Werner, Moderne in der Provinz, S. 126ff. Vgl. insbesondere WZ, 1. Juni 1913. Zitiert nach: Meike G. Werner, Die Erneuerung des Lebens durch ästhetische Praxis. Lebensreform, Jugend und Festkultur im Eugen Diederichs Verlag. In: Versammlungsort moderner Geister, S. 233f.

295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312

VI Musenhofs Ende – höfische Kulturförderung und Geselligkeit zwischen 1885 und erstem Weltkrieg 1 2 3 4 5 6 7

Hellen, Heinrich von Plate, S. 269. ThHStAW, HA A XXVI, No. 325. Amalie Winter an Carl Alexander, 28. August 1844. Vgl. Carl August, Erbgroßherzog von Sachsen. Ein Lebensbild. Weimar 1895, S. 10. Vgl. W. Vinkhuysen, Onze prinses Sophie (1824–1897). Den Haag 1949, S. 205. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, No. 24. Tagebuch, 28. Januar, 24. März, 15. Dezember 1888. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 14. Februar 1891. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 24. Tagebuch, 25. März 1888. Vgl. auch ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 1. Juli 1892.

Anmerkungen

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

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Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 23. Tagebuch, 3. April, 1. Mai, 19. Dezember 1887. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 24. Tagebuch, 29. Mai 1888. George Kennan, Sibirien! Deutsch von E. Kirchner. Berlin 1890. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg. 14. Januar 1891. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 37. Vgl. Vinkhuysen, Onze prinses Sophie, S. 283f. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1995. Carl Alexanders Tagebuch vom 29. Oktober 1894. (französisch) Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 22. Tagebuch, 19. Januar, 23. Januar, 31. Januar1886 (und öfter). ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 23. Tagebuch, 10. Januar 1887. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 21, Tagebuch, 8. Januar 1885. Ebenda. Tagebuch, 11. Januar 1885. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 22. Tagebuch, 14. Mai 1886. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 4. Juni 1892. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 23. Tagebuch, 30. Mai 1887 und 11. Juni 1887. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 21. Tagebuch, 17. und 18. Oktober 1885. Vgl. ebenda. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 22. Tagebuch, 20.–25. September 1886. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 15. Januar 1892. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 24. Tagebuch, 3. Mai 1888. Vgl. Vinkhuysen, Onze prinses Sophie, S. 207f. Vgl. ebenda, S. 208. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 21. Tagebuch, 24. April, 5. Mai, 18. Mai, 17. Juni, 20. Juni 1885. Vgl. auch ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 16. März 1892. Steiner, Mein Lebensgang, S. 159. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 21. Mai 1892. Ebenda. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 4. Juni 1892. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1016. Artikel aus: Deutschland, 26. August 1883. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1985, Carl Alexanders Tagebuch, 19. Januar 1887. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 23. Tagebuch, 19. Januar 1887. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 22. Tagebuch, 28. Februar und 4. März 1886. Vgl. auch ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 23. Tagebuch, 9. März 1887. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 23. Tagebuch, 26. Februar 1887. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 22. Tagebuch, 1. Februar 1886. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 24. Tagebuch, 16. Mai 1888. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 23. Tagebuch, 19. März 1887.

340

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Anmerkungen

ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 26. November 1892. Ebenda. GSA, 65/5,5. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 24. Oktober 1901. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 22. Tagebuch, 6. Februar 1886. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 24. Tagebuch, 9. Juni 1888. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 21. Tagebuch, 25. Mai 1885. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 24. Tagebuch, 13. November 1888. Ebenda. Tagebuch, 5. Juni 1888. Schon seit längerer Zeit interessiert sich Großherzog Carl Alexander für die Probleme des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. Herman Riegel, Direktor des herzoglichen braunschweigischen Museums und Verfasser von Schriften über das Anliegen des Vereins, wird von ihm im November 1885 auf der Wartburg empfangen. Schon im Dezember 1883 ergeht ein Erlaß des weimarischen Staatsministeriums: „Es ist deshalb der Wille Sr. königlichen Hoheit des Großherzogs, daß den großherzoglichen Behörden die Reinhaltung aller amtlichen Ausfertigungen … von unnöthigen Fremdwörtern angelegentlichst empfohlen werde.“ a Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 3709 Litzmann, Im alten Deutschland, S. 323. Vgl. Vinkhuysen, Onze prinses Sophie, S. 282ff. Vgl. auch Carl August, Erbgroßherzog von Sachsen, S. 44ff. Zitiert nach: Carl August, Erbgroßherzog von Sachsen. Rezension. (Anonym.) In: Halbmonatsschrift der Deutschen Rundschau 1895/96, Nr.1, S. 66. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 8. Tagebuch, 10. August 1872. Vgl. ebenda. Tagebuch, 13. August 1872. Vgl. Cosima Wagner, Die Tagebücher. 1. Band 1869–1877. Ediert und kommentiert von Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack. München, Zürich 1976, S. 624 und 719. a

Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 962 .Marie Alexandrine an Carl Alexander, 4. Juni 1897. Klaus Günzel, Das Weimarer Fürstenhaus. Eine Dynastie schreibt Kulturgeschichte. Köln, Weimar, Wien 2001, S. 177. Ebenda. Vgl. ThHStAW; HA A XXXII, Nachlaß der Erbgroßherzogin Pauline. Gedenkbuch 1883– 1885. Vgl. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 10. März 1892. Vgl. ebenda. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 20. September 1892. Vgl. ThHStAW, HA A XXXII, Nachlaß der Erbgroßherzogin Pauline. Einschreibebuch 1894. Vgl. Marie von Bunsen, Zeitgenossen, die ich erlebte. 1900–1930. Leipzig 1932, S. 21. GSA, 65/10,5. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 18. Dezember 1902. Ebenda. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 6. Februar 1903. Milde zitiert aus einer am gleichen Tag erhaltenen Karte Ebner-Eschenbachs. Bunsen, Zeitgenossen, S. 21. Abgedruckt in: WZ, 22. Mai 1904. GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 7. Juni 1903. Vgl. GSA, 65/10,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 27. April 1900. GSA, 65/10,4. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 24. Februar 1901. GSA, 65/11,2. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 21. Mai 1904. Vgl. ThHStAW, HA A XXXII, Nachlaß der Erbgroßherzogin Pauline. Fotoalbum der Nilreise Winter 1896.

Anmerkungen

341

74 Vgl. ThHStAW, HA A XXVII, No. 149. Paulines Briefe an ihre Mutter vom März 1896 finden sich fälschlicherweise im Nachlaß der Großherzogin Sophie. 75 Ebenda. Pauline an Auguste von Sachsen-Weimar-Eisenach, 9. März 1896. 76 Vgl. ThHStAW, HA A XXXII, Nachlaß der Erbgroßherzogin Pauline. Einschreibebuch, begonnen 1892. 77 So der Gedenkartikel der „Köln. Zeitung“. Zitiert nach: WZ, 20. Mai 1904. 78 Vgl. Richard Voß, Aus einem phantastischen Leben. Erinnerungen. Stuttgart 1920, S. 252. 79 Vgl. Hans von Bülow, Briefe. Hrsg. von Marie von Bülow. 6. Band. Leipzig 1907, S. 272. 80 Vgl. ebenda, S. 234. 81 Vgl. GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 23. April 1900. 82 Vgl. ebenda. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 23. April und 29. April 1900. 83 Vgl. GSA, 59/472,10. Pauline an Martha Remmert (undatiert). 84 GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 2. September 1902. 85 Vgl. ThHStAW, HA A XXXII, Nachlaß Erbgroßherzogin Pauline. Einschreibebuch, begonnen 1898. 86 Vgl. ThHStAW, HA A XXXII, Nachlaß Erbgroßherzogin Pauline, Gedenkbuch 1883–1885. 87 Vgl. Steiner, Briefe II, S. 86. 88 Wenigstens wird auf einer ihrer Soireen über den Dichter diskutiert. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1998. Carl Alexanders Tagebuch, 1. Februar 1898. 89 Vgl. GSA, 65/5,5. Natalie von Milde an Marie von Bülow, Silvester 1901. 90 Vgl. GSA, 81/IX, 7,10. 91 Vgl. GSA, 18/III, 1,1. 92 Bunsen, Zeitgenossen, S. 21. 93 Steiner, Mein Lebensgang, S. 159. 94 Vgl. ThHStAW, HA A XXXII, Nachlaß Erbgroßherzogin Pauline. 95 Vgl. Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 55. 96 Vgl. WZ, 22. Mai 1904. 97 GSA, 94/247,6. Pauline an Ernst von Wildenbruch, 14. September 1901. 98 GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 18. Januar 1905. 99 GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 2. September 1902. 100 GSA, 65/5,3. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 23. Juni 1899. 101 Ebenda. 102 Vgl. GSA, 65/10,5. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 23. Oktober 1902. Vgl. auch GSA, 65/11,2. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 21. Mai 1904. 103 Vgl. GSA, 65/5,4. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 6. Mai 1900. 104 Vgl. WZ, 26. Juni 1902. 105 Vgl. GSA, 65/14,2. Natalie von Milde, Tagebuchaufzeichnungen 1872–1904. 9. September 1903. (und öfter.) 106 Vgl. GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 30. Mai 1903. 107 Ebenda. 108 GSA, 65/10,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 27. April 1900. 109 GSA, 65/11,2. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 21. Mai 1904. 110 Vgl. Hans Wolfgang Singer, Van de Veldes Tafelsilber. Zitiert nach: Kessler, Künstler und Nationen, S. 311. 111 Vgl. ebenda, S. 89f. 112 Vgl. WZ, 26. November 1903. 113 Kessler, Tagebuch vom 6. November 1901. Zitiert nach: Kessler, Aus unveröffentlichten Tagebüchern, S. 23. 114 Vgl. ebenda, S. 24. Vgl. auch van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 201. 115 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 201f. 116 Ebenda, S. 215. 117 Vgl. WZ, 10. September 1903, 9. Oktober 1903, 17. Oktober 1903.

342

Anmerkungen

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GSA, 94/247,6. Pauline an Ernst von Wildenbruch, 17. Juli 1896. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Pauline an Ernst von Wildenbruch, 21. August 1901. Vgl. ebenda. Pauline an Ernst von Wildenbruch, 18. Juli 1901. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 51. Vgl. auch Harry Graf Kessler, Kunst und Publikum. In: Die neue Rundschau, Januar 1906, S. 12–116. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 43. Ebenda, S. 47. Vgl. ebenda, S. 49. Vgl. ebenda, S. 50. Ebenda, S. 55. Ebenda, S. 54. Vgl. ebenda, S. 58. Ebenda, S. 51. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 233. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 480. Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 230f. Ebenda, S. 230. Ebenda, S. 231. Vgl. GSA, 72/BW 958. Ida Dehmel an Elisabeth Förster-Nietzsche, 4. November 1907. Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 230. Vgl. Rainer Maria Rilke, Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914. Leipzig 1933, S. 92f. André Gide, Lettre à Madeleine (Madame André Gide). In: La Nouvelle Revue Française, 1. Januar 1970, S. 72. „… les toilettes étaient peu sensationelles …“ Ebenda. Ebenda, S. 73. Vgl. ebenda. Rysselberghe und seine Frau weilen schon seit Juli in der Stadt, um die Ausstellung des belgischen Künstlers im Rahmen der Impressionisten- und Neoimpressionisten-Schau vorzubereiten. Gide, Lettre à Madeleine, S. 73. Ebenda. Ebenda, S. 72. Zitiert nach: Claude Foucart, D’un monde à l’autre. La correspondance André Gide – Harry Kessler (1903–1933). Lyon 1985, S. 49. Vgl. Gide, Lettre à Madeleine, S. 74. Vgl. Goethes Auseinandersetzung mit den Leipziger Schauspielern. Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in drei Bänden. Nach den Handschriften des Goethe- und SchillerArchivs hrsg. von Hans Gerhard Gräf und Albert Leitzmann. Zweiter Band 1798–1805. Leipzig o.J., S. 312f. Zitiert nach: Foucart, D’un monde à l’autre, S. 50. Zitiert nach: Ebenda, S. 51. Vgl. Gide, Lettre à Madeleine, S. 74. GSA, 94/247,6.Pauline an Ernst von Wildenbruch, 4. Oktober 1903. Vgl. ebenda. Pauline an Ernst von Wildenbruch, 1. November 1903. Vgl. auch Eberhard von Bodenhausen, Harry Graf Kessler, Ein Briefwechsel 1894–1918. Hrsg. von Hans-Ulrich Simon. Marbach 1978, S. 71. Zum Tode Paulines vgl. GSA, 94/184,4. August von Goeben an Ernst von Wildenbruch, Anfang Juni 1904. Vgl. auch WZ, 19., 20., 21., 22. Mai 1904. Vgl. GSA, 65/11,2. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 21. Mai 1904.

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GSA, 94/184, 4. August von Goeben an Ernst von Wildenbruch, Anfang Juni 1904. GSA, 65/10,5. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 18. Dezember 1902. Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 241. Vgl. ebenda, S. 241. Vgl. Hess, Geschichte Thüringens, S. 493. Carolines Schwester Hermine bemerkt über ihre Kindheit: „My childhood was not joyous. The early death of my mother and the incurable malady of my brother sobered our youthful exuberance. My father regulated every detail of our lives.“ Days in Doorn by the Empress Hermine (wife of the ex-Kaiser). London o.J., S. 59. Zur Kindheit der Prinzessinnen in Greiz vgl. auch Kurt Freiherr von Reibnitz, Wilhelm II. und Hermine, Geschichte und Kritik von Doorn. Dresden 1929, S. 59f. Vgl. Hermann Freiherr von Egloffstein, Das Weimar von Carl Alexander und Wilhelm Ernst. Berlin 1934, S. 123. Vgl. Reibnitz, Wilhelm II. und Hermine, S. 64f. Vgl. auch Heinrich Prinz von Schönburg-Waldenburg, Erinnerungen aus kaiserlicher Zeit. Leipzig 1929, S. 205. Vgl. WZ, 2. Mai 1903. Vgl. auch ThHStAW, HA A XXXIII, No. 2. Acten betreffend die Reglung der Verlassenschaft weiland Ihrer K.H. der Frau Großherzogin Caroline von Sachsen. WZ, 2. Mai 1903. Vgl. Reibnitz, Wilhelm II. und Hermine, S. 65f. Vgl. auch Robert Zedlitz-Trützschler, Zwölf Jahre am deutschen Kaiserhof. Berlin und Leipzig 1923, S. 113f. Vgl. auch Egloffstein, Das Weimar von Carl Alexander und Wilhelm Ernst, S. 125. Van de Veldes Darstellung der „skandalösen Ereignisse … in dem Leipziger Hotel …, in dem das Paar nach den Festlichkeiten die Nacht verbrachte“, ist sachlich falsch. (Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 241.) Vgl. dazu ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 30. April und 1. Mai 1903. Demnach fahren Wilhelm Ernst und Caroline nach dem Hochzeitsdiner nach Hannover, übernachten dort, um am nächsten Tag über Berlin nach Heinrichau zu reisen. GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 7. Juni 1903. Vgl. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 23. Februar 1903. Vgl. GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 7. Juni 1903. Vgl. WZ, 3. Juni 1903. GSA, 65/11,1. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 30. Mai 1903. Vgl. GSA, 72/BW 5599,1. Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 24. Januar 1903. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 242. Vgl. WZ, 10. September, 15. September 1903. Vgl. WZ, 9. Oktober, 17. Oktober 1903. Am Abend des 6. Juli 1904, dem Tag der Ausstellungseröffnung, findet in Ettersburg außerdem ein Diner mit Künstlern statt. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 6. Juli 1904. Vgl. Natalie von Mildes und Marie Stritts Urteil über Klingers „Christus im Olymp“. GSA, 65/5,3. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 29. April 1899. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 21. Juni 1903. Vgl. ebenda. Fourierbuch, 23. und 24. Juni 1903. Vgl. WZ, 17. November 1903. Munch und Deutschland. Katalog zur Ausstellung Munch und Deutschland in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, in der Hamburger Kunsthalle und der Nationalgalerie Berlin. Stuttgart 1994, S. 68. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 23. März 1904. Vgl. ebenda, Fourierbuch, 16. Juli 1904.

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Anmerkungen

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Vgl. ebenda. Fourierbuch, 6. Juli 1904. Vgl. WZ, 1. Januar 1905. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 126. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 16. Dezember 1903. Vgl. ThHStAW, HA A XXXIII, No. 2. Acten betreffend die Regelung der Verlassenschaft weiland ihrer K. H. der Frau Großherzogin Caroline von Sachsen. Carolines Bibliothek wird nach ihrem Tod zwischen der Großherzoglichen Bibliothek, dem Sophienhaus und -stift aufgeteilt. Vgl. GSA, 94/247,4. Caroline an Ernst von Wildenbruch, 5. August 1903. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 121. Vgl. auch Days in Doorn, S. 86. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 24. November 1903. Vgl. auch WZ, 27. November 1903. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 2. Januar 1904. Vgl. WZ, 14. November 1903. Vgl. WZ, 28. November 1903. Vgl. WZ, 10. November 1903. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 15. November 1903. Vgl. auch WZ, 17. November 1903. Vgl. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 2. November 1903. Vgl. ebenda. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 120. Vgl. ebenda. Vgl. GSA, 72/BW 987. Hermine an Elisabeth Förster-Nietzsche, 23. März und 24. Juni 1935. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 241. Im Juli 1903 berichtet der Arzt, Hofrat Pfeiffer, seinen Bekannten, man habe ihn wegen der angegriffenen Gesundheit Carolines nicht um Rat gefragt, vielmehr eine Ärztin konsultiert. Caroline reist nach St. Moritz. Vgl. GSA, 104/23. Eleonore von Bojanowski an Paul von Bojanowski, 11. Juli 1903. Andere Quellen behaupten, Caroline habe fast nichts gegessen und sei Kettenraucherin gewesen. Ihre Lungenspitzen seien „affiziert“ gewesen. Vgl. Reibnitz, Wilhelm II. und Hermine, S. 66f. Möglicherweise ist dies der „Keim eines ernsten inneren Leidens“, den die Obduktion der Großherzogin ergab. Vgl. Egloffstein, Das Weimar von Carl Alexander und Wilhelm Ernst, S. 125. Vgl. etwa van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 253ff. GSA, 65/11,3. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 18. Januar 1905. Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 63. Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 200 und S. 220f. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 121. Vgl. Reibnitz, Wilhelm II. und Hermine, S. 62. Vgl. auch Schönburg-Waldenburg, Erinnerungen, S. 205. Vgl. auch Scholz, An Ilm und Isar, S. 94f. Vgl. Egloffstein, Das Weimar von Carl Alexander und Wilhelm Ernst, S. 115 und 117. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 120, 123, 136, 148, 154. Vgl. ThHStAW, HA A XXVIII, No. 18. Mathilde von Freytag-Loringhoven, Wilhelm Ernst als Mensch. (Gedenkartikel aus: Deutschland, 28. April 1923.) Vgl. ebenda, Bl. 110. Vgl. ebenda. Vgl. Anonym, Gedenkartikel in der Eisenacher Tagespost 99/1923. (Verf. Arnold Paulssen.) Bernhard Post, Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ein Monarch im Spannungsfeld von kulturellem Erbe und dem Beginn der Moderne. In: Die frühneuzeitliche Monarchie

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Anmerkungen

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224 225 226 227 228

345

und ihr Erbe. Festschrift für Heinz Duchhardt zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Ronald G. Asch, Johannes Arndt, Matthias Schnettger. Münster, New York, München, Berlin 2003, S. 262. Vgl. Max Vollert, Wilhelm Ernst, der letzte Großherzog von Sachsen-Weimar und seine Großeltern, Carl Alexander und Sophie. In: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde. Neue Folge 38 (1933), S. 505–525. Vgl. Hess, Geschichte Thüringens, S. 454. Vgl. Mauersberger, Mythos Weimar, S. 246. Vgl. Klaus Günzel, Das Weimarer Fürstenhaus. Eine Dynastie schreibt Kulturgeschichte. Köln, Weimar, Wien 2001, S. 176f. Mauersberger behauptet, Wilhelm Ernst sei erzürnt gewesen, daß sich Donndorf in den Theaterrängen … die streng nach ‚hoffähigen′ und ‚nicht hoffähigen′ Zuschauern unterteilt waren“ verlaufen habe. Mauersberger, Hitler in Weimar, S. 50. Vgl. dazu S. 219 des vorliegenden Buches. Bernhard Post, Dietrich Werner, Herrscher in der Zeitenwende. Wilhelm Ernst von SachsenWeimar-Eisenach 1876–1923. Jena 2006. Vgl. Post, Wilhelm Ernst, S. 285. Vgl. Ernst von Wildenbruch, Großherzog Carl Alexander. Ein Gedenkblatt zum 5. Januar 1901. Weimar 1901, S. 9. Vgl. Post, Wilhelm Ernst, S. 264. Vgl. Auch Post/Werner, Herrscher, S. 12. Als Landgerichtspräsident Emil Bachmann am 28.2.1905 die Gemächer der verstorbenen Großherzogin Caroline aufsucht, um ihren handschriftlichen Nachlaß aufzunehmen, stellt er folgendes fest: „Ein eiserner Schrank, der Spuren stattgehabter Versiegelung und Entsiegelung zeigte, ist nach Angabe der Fräulein Staudacher durch Groß. Hofmarschallamt entleert.“ ThHStAW, HA A XXXIII, No. 2. Über den Inhalt des vom Hofmarschallamt eilig „geräumten“ Schrankes kann man freilich nur spekulieren. Doch wohl nicht auf Kriegseinwirkung zurückzuführen ist die Tatsache, daß in einigen Briefwechseln wichtige Teile fehlen: Carl Alexanders Korrespondenz mit seiner Tochter Elisabeth liegt nur bis zum 24. Juli 1897 vor, obgleich es unzweifelhaft ist, daß sie sich weiterhin a.

schrieben. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 956 Ähnliches gilt für Carl Alexanders Briefwechsel mit seiner Tochter Marie Alexandrine. a

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Vgl. ebenda, No. 962 . Bekanntermaßen besprach der Großherzog mit den Töchtern besonders intensiv seine Sorge um die Zukunft des Hauses und alle Probleme mit seinem Enkel. Es ist durchaus möglich, daß aus Gründen der „Pietät“ hier manches aus dem Archiv entnommen wurde. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1973. Carl Alexanders Tagebuch, 10. Juli 1876. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1016. Briefe Auguste Schraders an Carl Alexander. Vgl. ebenda. Auguste Schrader an Carl Alexander, 12. Oktober 1883. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Auguste Schrader liefert die vom Großherzog gewünschte Einschätzung über die Charaktere seiner Enkel im Januar 1886. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 324. Max von Griesheim an Carl Alexander, 10. September 1887. Vgl. ebenda. Max von Griesheim an Carl Alexander, 24. Oktober 1887. Vgl. John C. G. Röhl, Wilhelm II. Die Jugend des Kaisers 1859–1888. München 1993, S. 230f. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 6. Januar 1891. Ebenda. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 14. Januar 1891. Ebenda. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 21. März 1891. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1991. Carl Alexanders Tagebuch, 12., 17. Juli 1891. Vgl. ebenda, No. 1992. Carl Alexanders Tagebuch, 27. Dezember 1892.

346

Anmerkungen

241 Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1998. Carl Alexanders Tagebuch, 2. Januar 1897. Vgl. ebenda, No. 2000. Carl Alexanders Tagebuch, 11. August, 21. September 1899. 242 Vgl. ThHStAW, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 17. Juli 1891. 243 Ebenda. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 20. März 1892. 244 Vgl. ebenda. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 13. Dezember 1892. 245 Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 324. Max von Griesheim an Carl Alexander, 15. November 1893. 246 Schönburg-Waldenburg, Erinnerungen, S. 205. 247 Vgl. Biografisches Corpsalbum der Borussia zu Bonn 1821–1928. Im Auftrage der Borussia von G. G. Winkel. Aschaffenburg 1928, S. 239. 248 Vgl. Litzmann, Im alten Deutschland, S. 386. 249 Vgl. Redslob, Von Weimar nach Europa, S. 41. 250 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 196. 251 Ebenda, S. 196. 252 GSA, 65/10,5. Natalie von Milde an Marie von Ebner-Eschenbach, 4. Juni 1902. 253 GSA, 65/5,8. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 11. Mai 1905. 254 Den Autor als „arrogant“, seine Thesen als „Anwürfe“ zu bezeichnen, ist unangemessen ebenso wie der alberne Hinweis, daß die Goethefreunde „für die Interessen eines frisch vermählten jungen Paares … keinerlei Gespür“ hätten. Vgl. Post/Werner, Herrscher, S. 363f. 255 Vgl. Wildenbruch, Großherzog Carl Alexander. 256 Vgl. GSA, 94/247,8. Wilhelm Ernst an Ernst von Wildenbruch, 18. Januar 1901. 257 Vgl. Voß, Aus einem phantastischen Leben, S. 304f. 258 Vgl. Merseburger, Mythos Weimar, S. 246. 259 Vgl. Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 53. 260 GSA, 94/253,20. Adelheid von Schorn an Ernst von Wildenbruch, 22. Mai o.J. (1903) 261 Ebenda. Telegramm Wilhelm Ernsts an Ernst von Wildenbruch, 23. Mai 1903. 262 Vgl. Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 53. 263 Zitiert nach: Ebenda, S. 54. 264 GSA, 94/253,20. Adelheid von Schorn an Ernst von Wildenbruch o. Datum. 265 Friedrich Schmidt-Ott, Erlebtes und Erstrebtes 1860–1950. Wiesbaden 1952, S. 59. 266 Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1993. Carl Alexanders Tagebuch, 10. April 1893. 267 Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 324. Max von Griesheim an Carl Alexander, 9. Februar, 10. Februar, 30. März 1895. 268 Vgl. Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 53. 269 Kesslers Tagebuch, 24. Januar 1906. Zitiert nach: Grupp, Harry Graf Kessler, S. 122. 270 Wie es etwa die von van de Velde wiedergegebene Szene um Coquelin den Jüngeren nahelegt: Der Großherzog habe in der Diskussion geschwiegen, weil er Schwierigkeiten mit dem Französischen und keine Kenntnis über Maeterlinck hatte. Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens. S. 221. 271 Vgl. WZ, 19. April 1905. 272 GSA, 65/5,6. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 18. April 1902. Milde schreibt: „van der Velde“. 273 Günzel, Das Weimarer Fürstenhaus, S. 186. 274 Kesslers Tagebuch, 4. November 1901. Zitiert nach: Kessler, Aus unveröffentlichten Tagebüchern, S. 21. 275 Kesslers Tagebuch, 5. November 1901. Zitiert nach: Ebenda, S. 22. 276 Kesslers Tagebuch, 21. Dezember 1901. Zitiert nach: Ebenda, S. 24. 277 Bodenhausen, Kessler, Ein Briefwechsel, S. 66. 278 Ebenda, S. 65. 279 van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 209. 280 GSA, 72/BW 5599,1. Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 24. Januar 1903. (französisch).

Anmerkungen

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281 Im Schuljahr 1909/10 etwa werden 14880 Mark der Unterhaltungszuschüsse aus der Großherzoglichen Schatulle bezahlt, die restlichen 10300 Mark tragen die Staatskasse, Stadtgemeinden, Handwerkskammern, die Carl-Zeiss-Stiftung und die Firma Schott & Genossen Jena. Vgl. ThHStAW, Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule 81–82, Bl. 97. 282 Vgl. Ziegler, Die Kunst der Weimarer Malerschule, S. 238. 283 Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst, No. 8. Bericht der Gr. S. Kunstschule vom 9. April bis zum 1. November 1904. 284 Schneider wird regelmäßig zur Tafel geladen; seine Ausstellung besichtigt der Großherzog. Vgl. WZ, 1. Januar 1905. Vgl. auch Post/Werner, Herrscher, S. 385. 285 Bodenhausen, Kessler, Briefwechsel, S. 68. 286 Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 2231, Bl. 57. Vgl. auch ebenda, No. 2232, Bl. 16. 287 Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 2231, Bl. 58. 288 Gerade die Verkäufe aus dem Museum für Kunst- und Kunstgewerbe werden in Weimar „in mißbilligender Weise viel besprochen“. Hofmarschallamt, No. 2230, Bl. 58. Es mag sein, daß man – im guten Willen, neue Kunstwerke anzuschaffen – auch manches Wertvolle veräußert hat. 289 Vgl. WZ, 12. und 14. Juli 1905. Klinger wird wiederholt zur Tafel geladen. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 161. Fourierbuch, 21. Juni 1903. (und öfter.) Zu Ausstellungsbesuchen vgl. ebenda, No. 163. Fourierbuch, 11. Juni 1906. (und öfter.) 290 Weimar. In: Die Zukunft. Berlin, 29. Dezember 1906, S. 506. (Maximilian Harden) 291 Vgl. auch van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 245. 292 Zitiert nach: Ebenda, S. 246. 293 Vgl. WZ, 24. Januar 1906. Zum Neubau des Hoftheaters vgl. auch Post/Werner, Herrscher, S. 429ff. 294 Vgl. S. 295f. des vorliegenden Buches. 295 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 265. 296 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 146. 297 Vgl. ThHStAW, HA E, No. 163. Fourierbuch, 11. Juni 1906. ThHStAW, HA E, No. 164. Fourierbuch, 15. Februar 1907. 298 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 266f. 299 ThHStAW, Sachsen-Weimar, Departement des Kultus, No. 371, Bl. 126. 300 Vgl. WZ, 10. Februar 1906. 301 Zitiert nach: van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 289. 302 Die Behauptung von Post und Werner, Kessler habe die Rodin-Zeichnungen erst ab 5. Februar 1906 – also kaum habe der Großherzog Weimar den Rücken gekehrt – ausgestellt, ist falsch. (Vgl. Post/Werner, Herrscher, S. 418.) Mehrere Publikationen nennen den Januar als Monat des Ausstellungsbeginns. Vgl. Aufstieg und Fall, S. 97. Vgl. Wahl, Jena als Kunststadt, S. 65. Ein Zeitgenosse, der einen Leserbrief an die WZ schreibt, in dem er um Verständnis für Rodins Formensprache wirbt, spricht im Februar davon, daß Rodins Zeichnungen bereits „seit Monaten“ im Museum am Karlsplatz ausgestellt seien. Vgl. WZ, 18. Februar 1906. 303 Vgl. WZ, 30. Januar 1906. 304 Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 2231, Bl. 156. 305 Vgl. Grupp, Harry Graf Kessler, S. 123. 306 So erinnern sich wenigstens Zeitgenossen; die Widmung befand sich auf dem Passepartout. Vgl. Tagebuch der Baronin Marschall von Bieberstein geb. Freiin von FrankenbergLudwigsdorf. Zitiert bei Post/Werner, Herrscher, S. 418f. 307 Vgl. GSA, 72/798. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 19. September 1903.

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Anmerkungen

308 Alt-Weimars Abend. Briefe und Aufzeichnungen aus dem Nachlasse der Gräfinnen Egloffstein. Hrsg. von Hermann Freiherr von Egloffstein. München 1923. 309 Hermann Freiherr von Egloffstein, Caroline Großherzogin von Sachsen 1884–1905. Ein Erinnerungsblatt. Berlin 1905. 310 Vgl. GSA, 72/798. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 19. September 1903. 311 Vgl. Bodenhausen, Kessler, Briefwechsel, S. 70. 312 Vgl. Renate Müller-Krumbach, Kessler und die Tradition. Aspekte zur Abdankung 1906. In: Harry Graf Kessler: Ein Wegbereiter der Moderne. Hrsg. von Gerhard Neumann und Günter Schnitzler. Freiburg i. B. 1997, S. 211–220. 313 Vgl. GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 8. November 1903. Vgl. auch GSA, 94/253,20. Adelheid von Schorn an Ernst von Wildenbruch, 18. November 1903. Ferner WZ, 15., 17., 18., 20., 21. November, 2. Dezember 1903. 314 GSA, 65/5,7. Natalie von Milde an Marie von Bülow, 8. November 1903. 315 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 222f. 316 Weimar (Harden), S. 507. 317 Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 2001. Carl Alexanders Tagebuch, 17. Oktober 1900. 318 Kesslers Tagebuch, 24. Januar 1902. Zitiert nach: Kessler, Aus unveröffentlichten Tagebüchern, S. 25. 319 Vgl. GSA, 72/BW 3742/3. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 21. Mai 1908. 320 Zitiert nach: Grupp, Harry Graf Kessler, S. 122. 321 Vgl. Deutschland, 17. Februar 1906. Vgl. dazu ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 2231, Bl. 110. 322 Vgl. WZ, 8. Februar 1906. 323 Vgl. WZ, 18. Februar 1906. 324 Vgl. Die Zukunft. Berlin, 26. März 1906. 325 Thode hat beste Beziehungen zum Weimarer Hof; Erbgroßherzogin Pauline verkehrte bei ihm. Am 8. Juni 1906 ist er zur Hoftafel geladen. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 163. Fourierbuch, 8. Juni 1906. 326 Vgl. WZ, 1., 3., 18. Februar, 2., 17., 28., 29., März, 11. April 1906. Post und Werner irren in der Annahme, daß Details der Indienreise nicht bekannt gewesen seien (Vgl. Post/Werner, Herrscher, S. 13.); die Berichte der WZ sind aussagekräftig und detailliert. Dennoch ist die Auswertung weiteren Quellenmaterials verdienstvoll (vgl. Post/Werner, Herrscher, S. 118ff.) 327 Vgl. WZ, 19., 21., 29. April 1906. 328 Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 112. 329 Vgl. Hugo von Hofmannsthal, Briefwechsel mit Alfred Walter Heymel 1900–1914. Hrsg. von Werner Volke. Freiburg i. B. 1998, S. 45. 330 ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 2230, Bl. 133. Rothe an Hofmarschallamt, 13. März 1906. 331 Vgl. ebenda, Bl. 142. 332 Vgl. Grupp, Harry Graf Kessler, S. 124 und 280. 333 ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 2230, Bl. 155. 334 Vgl. ebenda, Bl. 162. 335 Vgl. ebenda, Bl. 203. 336 Vgl. ebenda, Bl. 207. 337 Vgl. ebenda, Bl. 205. 338 Ebenda, Bl. 207. 339 Post/Werner, Herrscher, S. 429. 340 Ebenda, S. 425. 341 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 289. 342 Bodenhausen, Kessler, Briefwechsel, S. 83. 343 Vgl. Weimar (Harden), S. 506 und 507. 344 Schon Bylandts Avancement zum Flügeladjudanten 1892 wird von Großherzogin Sophie und anderen Vertrauten des Großherzogs Carl Alexander sehr kritisch beurteilt. Erbgroßherzog

Anmerkungen

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Carl August findet ihn „unbrauchbar, hohl u. … lächerlich“. ThHStAW, HA A, Nachlaß Erbgroßherzog Carl August, No. 235. Carl August an Friedrich von Wardenburg, 1. Mai 1892. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 141. Vgl. WZ, 1. August 1905, 15. Juni, 10. Juli 1906. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 141. Ebenda, S. 141. Ebenda, S. 141. Ebenda, S. 142. Aufzeichnungen der Baronin Marschall von Bieberstein. Mit freundlicher Genehmigung von Frau Wiltrud Strittmatter geb. Freiin Marschall von Bieberstein. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 142. Vgl. ebenda, S. 142. Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 2230, Bl. 208. GSA, 72/798. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 30. September 1907. GSA, 72/BW 5599,1. Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 22. April 1910. GSA, 72/BW 3742,3. Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 24. Januar 1908. Grupp, Harry Graf Kessler, S. 130. Günzel, Das Weimarer Fürstenhaus, S. 189. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 183. Vgl. ebenda, S. 187. Vgl. WZ, 6. März 1913. Vgl. WZ, 2. Februar 1913. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 168. Fourierbuch, 15. November 1915. Vgl. WZ, 1. März 1916. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 168. Fourierbuch, 27. Dezember 1915. Vgl. ebenda. Fourierbuch, 11. Februar 1915. Mitgeteilt von Jörg Brena, dem jüngsten Sohn des Großherzogspaars. Vgl. WZ, 6. März 1915. Vgl. WZ, 10. Juni 1915. Vgl. WZ, 24. März 1915. Vgl. WZ, 7. Juni 1913. Vgl. auch ThHStAW, HA E, No. 167. Fourierbuch, 7. Juni 1913. ThHStAW, Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar, No. 92. Vgl. August Baudert, Sachsen-Weimars Ende. Historische Tatsachen aus sturmbewegter Zeit. Weimar o.J. (1923), S. 19ff. Vgl. ThHStAW, Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar, No. 81–82, Bl. 97. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 165. Vgl. auch ebenda, No. 8. Vgl. Post/Werner, Herrscher, S. 391. Vgl. WZ, 2. Februar 1913. Vgl. WZ, 16. März 1913. Am 26. Januar 1915 besucht Feodora die Sonderausstellung Max Thedys. Vgl. WZ, 29. Januar 1915. Vgl. auch ThHStAW, HA E, No. 165. Fourierbuch, 14. Juni 1910. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 169. Fourierbuch, 11. Dezember 1917. Vgl. WZ, 22. Februar 1913. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 50–53. Brief der Direktion an die Schatullverwaltung, 18. März 1912. Vgl. auch ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 3705, Bl. 55. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 167. Fourierbuch, 3. März 1913. Vgl. Bodenhausen, Kessler, Briefwechsel, S. 83.

350

Anmerkungen

385 Vgl. ThHStAW, Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar, No. 91. Der Tag, 6. Oktober 1910. Vgl. auch Silke Opitz, Ein Gentlemankünstler. Leben und Werk des Bildhauers Richard Engelmann (1868–1966). Weimar 2000, S. 123. 386 Dieter Dolgner, Henry van de Velde in Weimar 1902–1917. Weimar 1996, S. 15. 387 Vgl. ThHStAW, Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar, No. 83–84. 388 Vgl. ebenda, No. 86. 389 Ebenda, No. 87, Bl. 18. 390 Ebenda. 391 Vgl. ebenda, No. 87. Vgl. auch ebenda, No. 86, Bl. 23. 392 Vgl. ebenda, No. 81–82, Bl. 125 und 126. 393 Vgl. ebenda, No. 81–82, Bl. 90 und 92. 394 General-Anzeiger Magdeburg, 17. Juni 1910. Vgl. ThHStAW, GroßherzoglichSächsische Kunstgewerbeschule Weimar, No. 91. 395 Vgl. ebenda. 396 Vgl. ThHStAW, Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar, No. 28–29, Bl. 328 und 345. 397 van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 345. 398 Vgl. ebenda, S. 353. 399 Vgl. ThHStAW, HA E, No. 167. Fourierbuch, 3. März 1913. 400 van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 353. 401 Vgl. ebenda, S. 352. 402 Ebenda, S. 354. 403 Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 165. 404 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 373. 405 Im Fourierbuch 1913 ist zu verfolgen, wie häufig Binswanger seit Juni „befohlen“ wird; am 17. August fährt er zum Besuch der kranken Großherzogin nach Pontresina. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 167. 406 van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 376. 407 Binswanger telefoniert mit dem Großherzog, um etwas für van de Velde zu erreichen. Dies ist kein „vertrauliches Telefonat mit einem Patienten“ (vgl. Post/Werner, Herrscher, S. 402), es ist durchaus möglich, daß er den Künstler, um dessen Existenz es ja geht, an der Reaktion des Fürsten teilhaben läßt. 408 Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 376. 409 Vgl. ThHStAW, Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar, No. 28–29, Bl. 290. 410 Ebenda, No. 29/1. Gesuch des Lehrerkollegiums an Wilhelm Ernst, 19. August 1915. 411 Ebenda. Brief der Lehrer an van de Velde, 26. August 1915. 412 Vgl. ebenda, No. 92. Vgl. auch ebenda, No. 28–29, Bl. 402. 413 Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 178. 414 Ebenda, No. 179. 415 Vgl. ebenda. Insbesondere Gropius’ Brief an Mackensen vom 17. Dezember 1915 läßt erkennen, daß er dem Großherzog seine Vorstellungen erklären konnte. 416 Ebenda. 417 Vgl. ebenda. Mitteilung Mackensens an Gerson, 16. Juli 1916, daß der Großherzog die Raumgestaltungen in den nächsten Tagen zu besichtigen wünsche. Wilhelm Ernsts Adju dant Uckro fragt aus Heinrichau nach den Adressen. 418 Merseburger, Mythos Weimar, S. 282. 419 Ziegler, Die Kunst der Weimarer Malerschule, S. 240. 420 Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 120f.

Anmerkungen

421 422 423 424 425 426 427 428

429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458 459

351

Vgl. dazu ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 50–53. Brief Rothes an die Direktion, 28. Mai 1912. Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 3705, Bl. 58. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 8. Bericht der Hochschule Oktober 1903–April 1904. Ziegler, Die Kunst der Weimarer Malerschule, S. 239. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 165. Vgl. Aufstieg und Fall, S. 222f. Dolgner, Henry van de Velde in Weimar, S. 15. Vgl. Ulrike Hamm, Bernd Küster, Fritz Mackensen. 1866–1953. Worpswede 1990, S. 111. Vgl. ebenda, S. 112. In einem Brief berichtet Mackensen über seinen Kauf von Rodins Bronzeplastik „Eva“, die in der Halle der Weimarer Hochschule aufgestellt wird. Der Großherzog, als er das Bildwerk erblickt habe, bemerkte: „Das scheußliche Ding kommt mir da weg!“ Erst eine Immediateingabe Mackensens mit Zustimmung des Kollegiums habe dem Kunstwerk seinen Platz gesichert. Vgl. ebenda, S. 111. Merseburger, Mythos Weimar, S. 282. Aufstieg und Fall, S. 223. Rainer Maria Rilke, Werke in drei Bänden. Hrsg. von Horst Nalewski. Dritter Band: Prosa. Leipzig 1978, S. 421. Merseburger, Mythos Weimar, S. 282. Vgl. Saur. Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Band 32. München, Leipzig 2002, S. 337. Vgl. ebenda, S. 337f. Vgl. ebenda, S. 339. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 184–186. Brief Rothes an die Direktion, 14. Juli 1917. Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 3705, Bl. 66. Vgl. dazu Opitz, Ein Gentlemankünstler, S. 66ff. Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 3705. Zitiert nach: Opitz, Ein Gentlemankünstler, S. 71. Vgl. Steckner, Der Bildhauer Adolf Brütt, S. 51ff. Vgl. Opitz, Ein Gentlemankünstler, S. 68. Vgl. insbesondere den Aufsatz von Cornelius Steckner in: Vor-Reiter Weimars, S. 182–246. So berichtet der Bildhauer in seiner Autobiographie. Vgl. Steckner, Der Bildhauer Adolf Brütt, S. 54. Vgl. Opitz, Ein Gentlemankünstler, S. 71. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 50–53. Vgl. ebenda. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 184–186. Brief Mackensens an den Staatsminister, 15. Februar 1917. Ebenda. Vgl. Opitz, Ein Gentlemankünstler, S. 56ff. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 183. Vgl. ebenda. Brief Rothes an Mackensen, 31. Dezember 1916. Vgl. ebenda, No. 183. Vgl. ebenda, No. 183. Protokoll der Sitzung vom 6. Januar 1917. Vgl. ebenda, No. 184–186, Bl. 324. Vgl. ebenda, Bl. 184–186. Schreiben des Departements des Großherzoglichen Hauses an Mackensen vom 21. Juni 1917. Post, Wilhelm Ernst, S. 285. Vgl. WZ, 21. März 1913. Vgl. etwa WZ, 18. März 1913.

352

Anmerkungen

460 461 462 463 464 465 466

Vgl. WZ, 2. März 1913. Vgl. ThHStAW, HA A XXVIII, No. 18, Bl. 101. Vgl. WZ, 10. Juni 1915. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 167. Fourierbuch, 8. August 1914. (und öfter.) Vgl. ebenda. Fourierbuch, 15. Oktober 1914. Vgl. WZ, 9. Juni 1915. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 167. Fourierbuch, 18., 22., 23. Oktober, 28. November 1914. (und öfter.) Vgl. ebenda, No. 168. Fourierbuch, 15. Januar, 12., 25. Februar, 6., 7., 8., 9. März 1915. (und öfter.) Die Lazarettbesuche werden bis 1918 fortgeführt. Vgl. etwa ebenda, No. 169. Fourierbuch, 26. September 1918. Vgl. die regelmäßigen Meldungen in WZ, 25., 27. Februar, 18. März 1915. (und öfter.) Kinderbewahranstalten in Marksuhl, Berka an der Werra, Dankmarshausen und Gerstungen besichtigt Feodora am 4. September 1917. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 169. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 168. Fourierbuch, 3. August 1915. Vgl. ThHStAW, HA E, No. 169. Fourierbuch, 30. März 1918. Vgl. GSA, 72/BW 2389. Ludwig von Hofmann zum 17. August 1931. Post, Wilhelm Ernst, S. 271. Vgl. Marcus Funck, Vom Höfling zum soldatischen Mann. Varianten und Umwandlungen adeliger Männlichkeit zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. In: Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Eckart Conze und Monika Wienfort. Köln, Weimar, Wien 2004, S. 226. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1959. Carl Alexanders Tagebuch, 21. September 1860. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 165. Vgl. WZ, 23., 29. Januar, 20. März 1913. Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 97f. Vgl. ThHStAW, HA A XXXIV, No. 4/139. Nachlaß der Großherzogin Feodora von SachsenWeimar-Eisenach. Wilhelm Ernst an Feodora, 19. Juli 1915. Vgl. ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 20. Juli 1915. Vgl. ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 10. März, 12. August 1915. Ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 15. Juli, 13. August 1915. Ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 15. Juli 1915. Ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 26. Mai 1915. Vgl. ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 15., 18., 25., 29. März 1915. Ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 26. August 1915. Vgl. ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 13. März 1915. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 18. März 1915. Ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 15. März 1915. Ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 18. März 1915. Vgl. ebenda. Wilhelm Ernst an Feodora, 26. Juni 1915. Vgl. Post, Wilhelm Ernst, S. 283. Vollert, Wilhelm Ernst, S. 516. ThHStAW, HA A XXXIV, No. 4/139. Nachlaß der Großherzogin Feodora von SachsenWeimar-Eisenach. Wilhelm Ernst an Feodora, 19. August 1915. Vgl. ThHStAW, Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar, No. 184–186. Vgl. dazu Gedenkschrift an den Großherzog Carl Alexander und Führer durch die aus Anlaß seines hundertsten Geburtstages vom 24. Juni bis 15. Oktober 1918 im Großherzoglichen Museum zu Weimar veranstaltete Gedächtnisausstellung. Weimar 1918. ThHStAW, HA A XXVIII, Nachlaß Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen, No. 14, Bl. 12. Günzel, Das Weimarer Fürstenhaus, S. 191. Vgl. Post, Wilhelm Ernst, S. 281f. Vgl. insbesondere Post/Werner, Herrscher, S. 285ff.

467 468 469 470 471

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495 496 497

Anmerkungen

353

498 Post, Wilhelm Ernst, S. 281. Vgl. demgegenüber Hess, Geschichte Thüringens, S. 300, 329f. 499 Vgl. Anonym (Paulssen), Wilhelm Ernst. 500 Vgl. Hess, Geschichte Thüringens, S. 544. 501 Wilhelm Ernsts – vom Allstedter Bürgermeister überlieferte – Bemerkung zu seinem privaten materiellen Engagement ist zutreffend. Vgl. ThHStAW, HA XXVIII, No. 18, Bl. 98.

VII Literarisches Weimar 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

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Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 171. Vgl. Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 27, 109, 279, 358, 390, 475f. Vgl. Schmidt-Möbus, Möbus, Kleine Kulturgeschichte Weimars, S. 263f. Vgl. Merseburger, Mythos Weimar, S. 267ff. Vgl. ebenda, S. 277. Ebenda, S. 267. Ebenda, S. 267. Justus H. Ulbricht, „Deutsche Renaissance“. Weimar und die Hoffnung auf die kulturelle Regeneration Deutschlands zwischen 1900 und 1933. In: Zwischen Konvention und Avantgarde, S. 206. Vgl. Arminius, Die Goethe-Eichstädts. Auch hier ist Wilhelm Arminius zu erwähnen, der dem sterbenden Schmettau eine heroischoptimistische Vision einer heraufziehenden neuen Zeit mit einem regenerierten deutschen Volk in den Mund legt. Vgl. Arminius, Alt Weimar. Schauspiel in fünf Akten. Berlin 1908. Helene Böhlaus Erzählung „Die Windmühle“ gestaltet das Schicksal des behinderten und sozial benachteiligten Philipp Asmusen vor dem Hintergrund der Ereignisse von 1808. Asmusen wird schließlich nicht zur nationalen Rächerfigur; die menschliche (und menschheitliche) Perspektive liegt ganz im Alltäglichen und in der Kunst. Vgl. Böhlau, Gesammelte Werke, Erste Abt., 3. Band, S. 309ff. Samuel Lublinski, Die Bilanz der Moderne. Mit einem Nachwort neu hrsg. von Gotthart Wunberg. Tübingen 1974. Samuel Lublinski, Der Ausgang der Moderne. Ein Buch der Opposition. Mit einer Bibliographie von Johannes J. Braakenburg neu hrsg. von Gotthart Wunberg. Tübingen 1976. Max Geißler, Führer durch die deutsche Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Weimar 1913. Vgl. ebenda, S. 385, 50, 526. „Ihm gebricht die Kraft dichterischer Gestaltung“, bemerkt Geißler über Rilke. Vgl. ebenda, S. 484. Geißlers Lyrik ist konventionell; in seinen Naturgedichten gelingt ihm gelegentlich ein originelles Bild, ohne daß sie eine neue Handschrift erkennen ließen. In seiner Autobiographie erzählt Geißler, wie er aus tiefer sozialer Not zum Schreiben gelangte: Es sei sein Anliegen, „die Menschen in ihrer Eigenart als unlöslich von der Scholle darzustellen, auf der sie leben“ (Geißler, Wie ich Dichter wurde. Leipzig o.J., S. 6). Bekannt wurde der Autor mit seinen Erzgebirgsromanen „Am Sonnenwirbel“, „Hütten im Hochland“ und „Die Musikantenstadt“, die immerhin einen Blick für regionale Eigenarten und dialektale Nuancen beweisen. Ansonsten zeigt Geißler die Schwächen der Heimatkunst: eine Neigung zum Süßlich-Kitschigen, einen im Laufe seiner Entwicklung immer stärkeren Nationalismus. Vgl. Hans Martensen-Larsen, Sternenhimmel und Glaube. Das moderne Weltbild und das Christentum. Aus dem Dänischen übersetzt und für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Cecilie Gräfin Wedel. Berlin 1934. Hans Martensen-Larsen, Vom Tode und von den Toten. Übersetzt aus dem Dänischen und für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Cecilie Gräfin Wedel. 3

354

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Anmerkungen

Bände. Berlin o.J. Lyder Ramstad, Unter dem Banner der „Barbaren“. Aus dem Norwegischen von Cecilie Wedel. Breslau 1934. Produktiv für eine Untersuchung auch des literarischen Weimars ist Peter Ulrich Heins Ansatz. Er befreit das Verhältnis von „Avantgarde“ und „Reaktion“ aus den Simplifizierungen einer bestimmten Ideologiekritik. Vgl. Peter Ulrich Hein, Die Brücke ins Geisterreich. Künstlerische Avantgarde zwischen Kulturkritik und Faschismus. Reinbek bei Hamburg 1992. Kay Dohnke, Völkische Literatur und Heimatliteratur 1870–1918. In: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“, S. 665. Vgl. Merseburger, Mythos Weimar, S. 267. Vgl. Harry Graf Kessler, Künstler und Nationen. Aufsätze und Reden 1899–1933. Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Cornelia Blasberg und Gerhard Schuster. Frankurt/M. 1988, S. 315. Ebenda, S. 133. Ebenda, S. 138. Ebenda, S. 139. Vgl. ebenda, S. 140. Ebenda, S. 140. Vgl. ebenda, S. 141 und 144. Ebenda, S. 146. Vgl ebenda, S. 314. Vgl. ebenda, S. 122. Ebenda, S. 127. Ebenda, S. 123. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 6. Vgl. Kessler, Künstler und Nationen, S. 128. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 1, S. 2. Ebenda, S. 2. Ebenda, S. 13. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 44. Das Bayreuther Kunstwerk sei ein „Prunkbau, ein herrlicher, weihrauchdurchzogener ... Dom“, schreibt Lienhard. Zitiert nach: Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 21. Ebenda, S. 21. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 4, S. 234. Friedrich Lienhard, Thüringer Tagebuch. Berlin o.J., S. 34. Ebenda, S. 58. Ralph Waldo Emerson, Essays. 1. Reihe. Jena 1905, S. 185f. Ralph Waldo Emerson, Essays, 2. Reihe. Jena 1904, S. 99. Vgl. Schlaf, Aus meinem Leben, S. 46. Scholz, An Ilm und Isar, S. 54. Steiner, Mein Lebensgang, S. 209. Vgl. Ingeborg Schnack, Rainer Maria Rilke, Chronik seines Lebens und seines Werkes 1875– 1926. Frankfurt/M. 1996, S. 147. Carl Worms, Die Stillen im Lande. Drei Erzählungen aus dem Winkel. Stuttgart und Berlin 1902, S. 35. Ulbricht, „Deutsche Renaissance“, S. 206. George, Werke, Band 1, S. 229. Hugo von Hofmannsthal, Ein Brief. In: Hofmannsthal, Erzählungen, S. 461–472. Zitiert nach: Karlheinz Rossbacher, Heimatkunstbewegung und Heimatroman. Zu einer Literatursoziologie der Jahrhundertwende. Stuttgart 1975, S. 227. Rainer Maria Rilke, Die Gedichte. Frankfurt/M. 1995, S. 202.

Anmerkungen

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355

Kurt Tucholsky, Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Auswahl und Anm. von Fritz J. Raddatz. Band 1: Schloß Gripsholm und anderswo. Berlin 1956, S. 9. Vgl. Lienhard, Thüringer Tagebuch, S. 58. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 3, S. 181. Vgl. Bruno Eelbo, Ausgewählte Dichtungen. Leipzig 1911, S. 41. Vgl. Goethe, Hamburger Ausgabe, Band 2, S. 163f. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 3, S. 181. Ebenda, S. 181. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 1, S. 49f. Vgl. ebenda, S. 213. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 12. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 1, S. 230. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 112. Vgl. ebenda, S. 100. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 1, S. 215. Ebenda, S. 36. Lienhard zitiert in dieser Passage Ruskin. Die Begriffe des „Vollmenschen“ oder „Edelmenschen“ erläutert Lienhard immer wieder. Vgl. etwa ebenda, S. 63. Vgl. auch Lienhard, Wege nach Weimar, Band 3, S. 163. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 211. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 5, S. 125. Vgl. ebenda, S. 195. Vgl. dazu Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden. 2. Band. München 1994, S. 354ff. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 5, S. 195. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 225. Vgl. ebenda, S. 130. Vgl. ebenda, S. 130. Zu Hofmannsthal „Elektra“ vgl. auch Lienhard, Wege nach Weimar, Band 4, S. 36f. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 131. Ebenda, S. 131. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 4, S. 26. Vgl. ebenda, S. 3. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 3, S. 175. Vgl. ebenda, S. 176. Vgl. etwa Karl Kraus’ Essay „Die demolierte Literatur“. In: Die Wiener Moderne, S. 644– 650. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 4, S. 227. Ebenda, S. 228. Vgl. Friedrich Lienhard, Neue Ideale. Stuttgart 1913, S. 160f. Ebenda, S. 161. Zur weltanschaulichen Entwicklung Bartels’ vgl. Thomas Rösner, Adolf Bartels. In: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ S. 874–894. Eine Biographie Bartels’, die die umfänglichen und kaum gesicherten Nachlaßbestände berücksichtigte, wäre dringend zu wünschen. Das Kapitel des vorliegenden Buches konzentriert sich auf die beiden Romane Bartels’, die in Rösners Aufsatz nicht angesprochen werden, bei Kay Dohnke nur flüchtige Erwähnung finden. (Vgl. Dohnke, Völkische Literatur und Heimatliteratur. In: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ S. 668.) Adolf Bartels, Die Dithmarscher. Hamburg o.J., S. 516f. Ebenda, S. 517. Adolf Bartels, Dietrich Sebrandt. Roman aus der Zeit der schleswig-holsteinischen Erhebung. Hamburg o.J., S. 83. Vgl. ebenda, S. 130. Vgl. ebenda, S. 130.

356

Anmerkungen

95 96 97 98 99 100

Ebenda, S. 159. Ebenda, S. 298. Ebenda, S. 376. Ebenda, S. 377. Ebenda, S. 376. Vgl. Ernst Wachler, Die Läuterung deutscher Dichtkunst im Volksgeiste. Eine Streitschrift. Berlin-Charlottenburg 1897, S. 37. Ebenda, S. 27. Ernst Wachler, Rhein-Dämmerungen. Gespräche auf dem Lande. Berlin 1902, S. 29. Ebenda, S. 65. Vgl. ebenda, S. 7 und 25. Wachler, Die Läuterung deutscher Dichtkunst, S. 51. Ernst Wachler, Mittwinter. Ein Festspiel zur Sonnenwende. Weimar 1910, S. 23. Iduna. Weimarisches Taschenbuch auf 1903. Hrsg. von Ernst Wachler. Berlin 1903, S. 5. Vgl. Johann Gottfried Herder, Sämtliche Werke. Hrsg. von Bernhard Suphan. Band XVIII. Hildesheim, Zürich, New York 1994, S. 491ff. Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Berlin und Weimar 1987, S. 207. Schiller verweist in diesem Zusammenhang auch auf Klopstock und andere, „die den Gebrauch jener Nordischen Mythen mit sehr wenig Gewinn für die Dichtkunst schon versucht haben“. Friedrich Schiller, Briefe. Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. und mit Anm. vers. von Fritz Jonas. Vierter Band. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien o.J., S. 314. Albrecht Wirth, Vorkämpfer deutschen Volkstums. In: Iduna, S. 10. Iduna, S. 6. Vgl. Uwe Puschner, Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. Ernst Wachler und das Harzer Bergtheater. In: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“, S. 769. Ernst Wachler, Einsiedlers Thalfahrt. In: Iduna, S. 135. Vgl. Oskar Schwindrazheim, Bauern und Kunst. In: Iduna, S. 163–166. Robert Mielke, Waldkunst. In: Iduna, S. 158. Ernst Wachler, Osning. Leipzig 1914, S. 13. Ebenda, S. 31. Vgl. ebenda, S. 181. Vgl. ebenda, S. 79. Vgl. ebenda, S. 266. Ebenda, S. 266. Ebenda, S. 109. Zitiert nach: Magdalena Droste, Bauhaus 1919–1933. Köln 1993, S. 18. Nietzsche, Werke in drei Bänden, 2. Band, S. 127. Die Münchner Moderne, S. 486. Vgl. Friedrich Wilhelm Graf, Das Laboratorium der religiösen Moderne. Zur „Verlagsreligion“ des Eugen Diederichs Verlags. In: Versammlungsort moderner Geister, S. 243–298. Friede H. Kraze, Jahr der Wandlung. München 1925, S. 148. Vgl. dazu auch Pöthe, Carl Alexander, S. 362ff. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts intensiv und kontrovers geführte Auseinandersetzung über die Identität Shakespeares hat in Eelbo einen streitbaren Teilnehmer: In einem dreibändigen Werk schlägt er sich auf die Seite derjenigen, die Francis Bacon für den Verfasser der Shakespeareschen Dramen halten. (Vgl. Bruno Eelbo, Bacons entdeckte Urkunden. Drei Bände. Leipzig 1914–16.) Eelbo, Ausgewählte Dichtungen, S. 13. Vgl. ebenda, S. 12. Ebenda, S. 12. Vgl. ebenda, S. 13.

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Anmerkungen

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Ebenda, S. 55. Ebenda, S. 59. Ebenda, S. 94. Karl Muthesius, Goethe ein Kinderfreund. Berlin 1910. (mehrere Auflagen seit 1903) Paul Quensel dem Thüringer Dichter zum 70. Geburtstag. Unter Mitarbeit von Conrad Höfer und Ernst Ludwig Schellenberg. Hrsg. von Otto Kürsten. Erfurt 1935, S. 83. Vgl. ebenda, S. 85. Quensels „Thüringer Sagenbuch“, Weimar o.J. (1923), erlebte etliche Auflagen. Dann auch: Thüringer Sagen. Gesammelt und hrsg. von Paul Quensel. Jena 1926. (Neuauflage Düsseldorf, Köln 1974.) Vgl. Thüringer Sagen. Gesammelt und hrsg. von Paul Quensel. Düsseldorf, Köln 1974, S. XV. Vgl. Anm.139. Paul Quensel dem Thüringer Dichter, S. 7. Paul Quensel, Heitere und besinnliche Geschichten. Ausgewählt von W.O. Paul Kettel. Würzburg 1963, S. 5. Paul Quensel, Das Alter. Eine Kleinstadt-Komödie in 3 Aufzügen. Stuttgart 1903, S. 22. Ebenda, S. 86. Vgl. Paul Quensel, Wunderlich Volk. Novellen. Braunschweig und Hamburg 1922, S. 82. In Quensels Erzählung „Die Wunderblume“. In: Ebenda. Vgl. Rossbacher, Heimatbewegung und Heimatroman, S. 137. Vgl. Quensel, Wunderlich Volk, S. 82. Ebenda, S. 91. Vgl. Quensel, Heitere und besinnliche Geschichten, S. 50. Vgl. Paul Quensel, Der Mückenjäger, Meister Zinserling, Der Letzte. Drei Novellen. Leipzig o.J., S. 92. Ebenda, S. 113f. Die Angabe im Weimar-Lexikon, der Roman spiele im 18. Jahrhundert (Weimar, Lexikon zur Stadtgeschichte, S. 358), ist falsch: Gleich auf der ersten Seite wird deutlich, daß die Handlung 1667 einsetzt. Vgl. Paul Quensel, Am Tage Margaretae. Gütersloh 1935, S. 42. Ebenda, S. 63. Ebenda, S. 64. Ebenda, S. 142. Ebenda, S. 264. Friede H. Kraze, Unser Garten. Eine Handvoll Schollenglück. Weimar 1920, S. 75f. Vgl. ebenda, S. 104. So der Untertitel des Buches. Die Weimarer Geselligkeit der zwanziger Jahre entwickelt eine eigene Dynamik, skurrile, bohemehafte und anarchische Züge in ihr werden stärker. Selbst dem Herkömmlichen verpflichtete Kreise erreichen ihre Ausstrahlung im Sonderbaren und Possenhaften. Für das letztere ist Sophie zu Wieds geselliger Zirkel ein gutes Beispiel. Die Frau, die nur wenige Monate 1914 an der Seite ihres Mannes Fürstin von Albanien ist, sich dort schon durch mangelnden Realismus auszeichnet, findet nun im Henckelschen Gartenhaus ihren Sommersitz. Als Kind und junges Mädchen weilt Sophie, damals noch Prinzessin von Schönburg-Waldenburg, häufig bei Carmen Sylva, der literaturbeflissenen Königin von Rumänien, vielleicht wird sie dort zu einer – alle Gebiete umfassenden – Liebe zur Kunst angeregt. (Vgl. Schönburg-Waldenburg, Erinnerungen aus kaiserlicher Zeit, S. 214. Vgl. auch Carmen Sylva, Briefe einer einsamen Königin. München o.J., S. 92.) Unkonventionell ist die Salondame ohne Zweifel: Bei Gelegenheit eines Frühstücks mit Autoren ißt sie nichts, weil ihr dies unästhetisch erscheint, deklamiert stattdessen zum Erstaunen Außenstehender lautstark Gedichte. Auch andere Anekdoten unterstreichen das elitär-skurrile Verhalten der Fürstin. Gerade in ihrer Originalität gelingt es ihr, in den zwanziger Jahren noch

358

Anmerkungen

einmal einen literarisch-musikalischen Kreis zu bilden, über dessen schöne und komische Feste man noch lange spricht: „Mancherlei Same entquoll erhöhten und glücklichen Stunden Im Garten, oben am Horn. Hier wurde ein Same zur Frucht. Gibt sich zurück in die Hand, die golden im Schwunge ihn auswarf. Was sich im Plaudern geschenkt, kehrt Dir gestaltet zurück.“

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(Die Widmung befindet sich in: Friede H. Kraze, Der Freier. München 1925.) Friede H. Krazes Widmungsgedicht an Sophie von Albanien, in klassischen Hexametern und mit dem Datum des 28. August 1924, feiert die Fürstin als Anregerin ihrer dichterischen Arbeit. Erika Watzdorf speist bei ihr gemeinsam mit Johannes Schlaf von Bürgeler Geschirr. Max Hecker erinnert sich an Antonia Dietrichs Spiel der Iphigenie zwischen den Bäumen des Parks. (Vgl. Jutta Hecker, Wunder des Worts. Leben im Banne Goethes. Berlin 1989, S. 99.) Man schwärmt von den schönen und komischen Festen der „Fürstin von Arkadien“, der Laienaufführung des „Sommernachtstraums“ mit viel Alkohol und wenig Essen. (Vgl. WatzdorfBachoff, Im Wandel, S. 301f.) Auch wissenschaftliche Vorträge finden in Sophies Kreis gelegentlich statt. Nicht zu übersehen ist, daß Sophie zu Wied nach dem Ende der Hofkultur in Weimar an eine Linie traditioneller Geselligkeit anschließt. Das Erbe von Anna Amalias Tafelrunde und Carl Alexanders Ettersburg wird wenige Jahre lang noch einmal aufgenommen, in leicht skurriler Verfremdung und bei weitem nicht mit der zentrierenden Macht höfischer Kultur. Friede H. Kraze, Im Schatten der Weltesche. Stuttgart 1905, S. 245. Ebenda, S. 160. Vgl. Friede H. Kraze, Heim Neuland. Ein Roman von der Wasserkante und aus DeutschSüdwest. Stuttgart und Leipzig 1909. Vgl. Friede H. Kraze, Die Sendung des Christoph Frei. Stuttgart 1913. Friede H. Kraze, Das Geheimnis. Stuttgart, Berlin, Leipzig o.J., S. 252. Vgl. ebenda, S. 61. Vgl. Kraze, Im Schatten der Weltesche, S. 160. Vgl. Friede H. Kraze, Jahr der Wandlung, S. 125f. Vgl. Friede H. Kraze, Erfüllungen. Ein Stück von heut für morgen. Stuttgart 1915, S. 9. Ebenda, S. 73. Friede H. Kraze, Quellen, die springen. Dresden 1917, S. 7. Kraze, Jahr der Wandlung, S. 18. Ebenda, S. 31. Ebenda, S. 22. Ebenda, S. 23. Friede H. Kraze, Frühling im Park. Ein Weimar-Roman. Gotha o.J., S. 66. Geißler, Führer durch die deutsche Literatur, S. 206. Wachlers Rezension des Romans „Jan von Werth“ im „Tag“. Zitiert nach: Franz Herwig, das Sextett im Himmelreich. Stuttgart 1921, S. 215. Ebenda, S. 215. Deetjen rezensiert Herwigs Roman „Das Schlachtfeld“ in der „Deutschen Kultur“. Zitiert nach: Ebenda, S. 215. Bartels, Geschichte der thüringischen Literatur, 2. Band, S. 337. Vgl. Franz Herwig, Die Zukunft des katholischen Elementes in der deutschen Literatur. Freiburg i. B. 1922, S. 1f. Vgl. ebenda, S. 2. Vgl. ebenda, S. 4. Ebenda, S. 19.

Anmerkungen

359

191 Gespielt werden auf dem Bergtheater: Franz Herwig, Herzog Heinrich am Finkenherd. Leipzig o.J. Franz Herwig, Heinrich der Löwe. Schauspiel in vier Aufzügen. In: Herwig, Jugenddramen. Aus dem Nachlaß des Dichters hrsg. von Hubert Spee. Würzburg und Graz 1935. Vgl. auch Handbuch zur „Völkischen Bewegung“, S. 788. 192 Franz Herwig, Das Adventsspiel. Berlin 1928, S. 56. (Hinweise des Autors für die Aufführung.) 193 Franz Herwig, Das Sextett im Himmelreich, S. 142. 194 Ebenda, S. 142. 195 Franz Herwig, Wunder der Welt. Berlin-Schöneberg 1910, S. 81. 196 Franz Herwig, Jan von Werth. Roman aus dem Dreißigjährigen Kriege. Stuttgart 1913, S. 243. 197 Franz Herwig, Das Schlachtfeld. Stuttgart 1920, S. 427. 198 Franz Herwig, Sankt Sebastian vom Wedding. München 1925, S. 61. 199 Franz Herwig, Hoffnung auf Licht. München 1929, S. 162. 200 Die Erzählung „Der Zauberer“ in: Karl Linzen, Zug der Gestalten. München 1935. 201 Franz Herwig, Liszts letzte Liebe. In: Herwig, Sterne fallen und steigen. Zwei Novellen. München 1925, S. 29. 202 Franz Herwig, Tim und Clara. Breslau 1932, S. 139. 203 Franz Herwig, Die Stunde kommt. Ein Roman vom Gardasee. Berlin 1911, S. 14. 204 Ebenda, S. 82. 205 Vgl. Handbuch zur „Völkischen Bewegung“, S. 319. 206 Ernst Ludwig Schellenberg, Gedanken über Lyrik. Ein Brief. Leipzig o.J., S. 36. 207 Vgl. Ernst Ludwig Schellenberg, Die Lyrik des heutigen Frankreich. Nachdichtungen in zwangloser Auswahl. Weimar 1912. 208 Schellenberg, Gedanken über Lyrik, S. 34. 209 Ernst Ludwig Schellenberg, Gesammelte Gedichte (1900–1925). Berlin-Lichterfelde o.J., S. 69. 210 Ebenda, S. 69. 211 Ebenda, S. 56. 212 Ebenda, S. 64. 213 Ebenda, S. 36. 214 Vgl. Ernst Ludwig Schellenberg, Besinnliches Weimar. Gotha 1942, S. 25. 215 Ernst Ludwig Schellenberg, Die Bekehrung. Rudolstadt 1923, S. 18. 216 Ebenda, S. 27. 217 Ernst Ludwig Schellenberg, Die deutsche Mystik. Erfurt 1939, S. 27. 218 Ebenda, S. 119. 219 Vgl. ebenda, S. 63. 220 Vgl. Ernst, Jünglingsjahre, S. 331. 221 Paul Ernst und Georg Lukács. Dokumente einer Freundschaft. In Verbindung mit dem Deut schen Literaturarchiv Marbach a.N. hrsg. von Karl August Kutzbach. Emsdetten 1974, S. 4. 222 Zu Else Ernst vgl. Ernst und Lukács, S. 209f. 223 Vgl. Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Band 6: Briefe 1893–1913. Frankfurt/M. 2003, S. 246, 255, 280, 300. 224 Paul Ernst und Georg Lukács, S. 47. 225 Vgl. etwa Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Band 3.1: Prosa 1903– 1920. Frankfurt/M. 1998, S. 33 und 39. Vgl. auch Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Band 7: Briefe 1914–1924. Frankfurt/M. 2004, S. 66 und 74. 226 Scholz, An Ilm und Isar, S. 45. 227 Vgl. ebenda, S. 45. 228 Ebenda, S. 128. 229 Vgl. etwa Lublinski, Die Bilanz der Moderne, S. 338f.

360

Anmerkungen

230 Lublinki, Der Ausgang der Moderne, S. 307. 231 Scholz, An Ilm und Isar, S. 54. 232 Interessantes und lustiges Aperçu neuklassischer Geselligkeit und Programmdebatte ist die Tatsache, daß Scholz und Ernst „bei gut gekühltem Sekt“ in des letzteren Wohnung Am Horn eine Komödie über den Hauptmann von Köpenick schreiben. Sie heißt „Gubalke auf der Spur“, erscheint unter dem Pseudonym P. W. Spaßmöller und wird in der Wirren des Jahrhunderts zur bibliophilen Rarität. Zwanzig Jahre vor dem Roman Wilhelm Schäfers und dem berühmten Schauspiel von Carl Zuckmayer gestalten die beiden Neuklassiker die „fröhliche Räubertat des Schuhmachers Wilhelm Voigt“, ohne sich allerdings für die soziale Dimension des Stoffes zu interessieren. Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 131. 233 Vgl. Lublinski, Der Ausgang der Moderne, S. 262. 234 Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 90ff. 235 Vgl. Scholz, Eine Jahrhundertwende, S. 32. 236 Scholz, An Ilm und Isar, S. 121. 237 Ebenda, S. 118. 238 Vgl. Lublinski, Der Ausgang der Moderne, S. 207. 239 Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14,1, S. 304. 240 Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 21, S. 470f. 241 Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14,1, S. 304. 242 Vgl. Lublinski, Der Ausgang der Moderne, S. 307. 243 Paul Ernst, Jugenderinnerungen. München 1930. Paul Ernst, Jünglingsjahre. München 1931. 244 Ernst, Jünglingsjahre, S. 142. 245 Ebenda, S. 145. 246 Ebenda, S. 86. 247 Vgl. ebenda, S. 139. 248 Ebenda, S. 168. 249 Vgl. ebenda, S. 252. 250 Paul Ernst, Der Zusammenbruch des Deutschen Idealismus. München 1931, S. 494. 251 Ernst, Jünglingsjahre, S. 331. 252 Paul Ernst, Frühe Geschichten. München 1931, S. 5. 253 Ebenda, S. 6. 254 Vgl. Franz Kafka, Tagebücher 1910–1923. Frankfurt/M. 1983, S. 485f. 255 Paul Ernst, Der Weg zur Form. Abhandlungen über die Technik vornehmlich der Tragödie und Novelle. München 1928, S. 207. 256 Ebenda, S. 211. 257 Vgl. ebenda. 258 Ebenda, S. 217. 259 Friedrich Schiller, Sämtliche Werke. Berliner Ausgabe. Band 5.1. Berlin und Weimar 1990, S. 338. 260 Vgl. Paul Ernst, Dramen I. München 1932, S. 171f. 261 Zu diesem Problem bei Schiller vgl. Rüdiger Safranski, Friedrich Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus. München, Wien 2004, S. 519f. 262 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 171. 263 In Anknüpfung an ein Wort der Madame de Staël. Ebenda, S. 171. 264 Vgl. Karl Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre, S. 164. 265 Vgl. Scholz, An Ilm und Isar, S. 129f. 266 Ebenda, S. 55. 267 Ebenda, S. 62. 268 Ebenda, S. 102. 269 Ebenda, S. 115. 270 Vgl. ebenda, S. 115.

Anmerkungen

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Ebenda, S. 45. Ebenda, S. 45. Vgl. ebenda, S. 44f. Vgl. ebenda, S. 70. Vgl. ebenda, S. 67f. Wilhelm von Scholz, Schauspiele I. Leipzig 1924, S. 131. Ebenda, S. 226. Else Lasker-Schüler, S. Lublinski. In: Lasker-Schüler, Werke und Briefe, Kritische Ausgabe, Band 3.1, S. 101. Ebenda, S. 102. Samuel Lublinksi, Neu-Deutschland. Fünf Essays. Minden 1900, o.S. Vgl. Ida Lublinski, Einleitung zu: Samuel Lublinski, Nachgelassene Schriften. München 1914, S. VII–XII. Lublinski, Die Bilanz der Moderne, S. 167. In der „Bilanz“ druckt Lublinski Lasker-Schülers Gedichte „Weltflucht“ und „Mutter“ ab. Vgl. ebenda, S. 168. Lasker-Schüler, Lublinski, S. 101. Samuel Lublinski, Rezension von Thomas Mann, Die Buddenbrooks. In: Berliner Tageblatt Nr. 466 vom 13.9.1902, Abendausgabe. Samuel Lublinski, Gedichte von Else Lasker-Schüler. In: Ost und West, Jahrgang 1, Heft 12 vom Dezember 1901. Samuel Lublinski, Der siebente Tag. Gedichte von Else Lasker-Schüler. In: Kampf. Zeitschrift für gesunden Menschenverstand. Berlin. Neue Folge, Nr. 20 vom 3.5.1905, S. 591f. Vgl. Lublinski, Nachgelassene Schriften, S. 359. Ebenda, S. 353. Lublinski, Die Bilanz der Moderne, S. 239. Vgl. Elazar Benyoetz, Der Erfinder der Literatur-Soziologie. Samuel Lublinski zum hundertsten Geburtstag. In: Die Welt Nr. 42 vom 19.2.1968, S. 9. Vgl. Lublinski, Die Bilanz der Moderne, S. 8. Ebenda, S. 343. Samuel Lublinski, Friedrich Schiller. Seine Entstehung und seine Zukunft. Berlin 1905, S. 72. Ebenda, S. 73. Ebenda, S. 75. Zu Lublinskis bei Diederichs erschienen religionsphilosophischen Schriften vgl. Versammlungsort moderner Geister, S. 270. Lublinski, Der Ausgang der Moderne, S. 21f. Gotthart Wunberg bemerkte in seinem Nachwort zur „Bilanz“, daß eine Beschäftigung mit Lublinski ihren Sinn „eher in der Aufdeckung von zeitgenössisch-symptomatischen Aspekten und Phänomenen, als in der Aktualisierung von ... relevanten Ansätzen“ habe. (Vgl. Wunberg, Nachwort zu: Lublinski, Die Bilanz der Moderne, S. 373.) Heute ist diese These zu modifizieren. Lublinskis Thesen über Europäertum, das ohne eine grundlegende kulturelle Erneuerung nicht zu erreichen ist, seine Bemerkungen zu Nation und Einzelpersönlichkeit etwa, sind heute produktive, ohne daß man seinem kulturellen und ästhetischen Programm in allen Punkten folgen könnte. Lublinski, Der Ausgang der Moderne, S. 242. Ebenda, S. 244. Vgl. ebenda, S. 243. Vgl. ebenda, S. 243. Ebenda, S. 247. Ebenda, S. 285. Vgl. ebenda, S. 285. Vgl. ebenda, S. 260. Ebenda, S. 266.

362

Anmerkungen

307 308 309 310 311

Ebenda, S. 151. Ebenda, S. 162. Ebenda, S. 310. Ebenda, S. 307. Theodor Lessing, Samuel zieht die Bilanz. In: Die Schaubühne, Jg.6/1 Nr. 3 vom 20.1.1910, S. 65–73. Peter de Mendelssohns Begriff. Zitiert nach: Klaus Harpprecht, Thomas Mann. Eine Biographie. Berlin 1995, S. 278. Lessing, Samuel, S. 72. Vgl. ebenda, S. 67. Thomas Mann, Der Doktor Lessing. In: Das Litterarische Echo, Jahrgang 12, Heft 11 vom 1.3.1910. Vgl. dann auch Mann, Große Kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14,1, S. 218–224. Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 2,1, S. 511. Sechs Dramen liegen von Lublinski vor; die ersten beiden, „Imperator“ (1901) und „Hannibal“ (1902) befriedigen ihn selbst später nicht mehr; den „Hannibal“ arbeitet er um. Auch „Elisabeth und Essex“ (1903) zählt Lublinski nur zu seinen „Gehversuchen“ auf dem Weg zum Drama. (Vgl. Samuel Lublinski, Der Weg zur Tragödie. In: Samuel Lublinski, Peter von Rußland. Tragödie in fünf Akten und einem Vorspiel mit einer Einleitung Der Weg zur Tragödie. München und Leipzig 1906, S. 15.) Nach „Peter von Rußland“ erscheinen noch „Gunther und Brunhild“ (1908) und „Kaiser und Kanzler“ (1910). Zu Lebzeiten des Autors wird keines der Stücke gespielt. Lublinski, Der Weg zur Tragödie, S. 20. Vgl. Lublinski, Der Ausgang der Moderne, S. 170. Samuel Lublinski, Gunther und Brunhild. Tragödie. Berlin 1908, S. 116. Andreas Wöhrmann, Das Programm der Neuklassik. Die Konzeption einer modernen Tragödie bei Paul Ernst, Wilhelm von Scholz und Samuel Lublinski. Frankfurt/M., Bern, Cirencester 1979, S. 111. Vgl. Lublinski, Gunther und Brunhild, S. 101f. Lasker-Schüler, Lublinski, S. 101f.

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VIII Theater 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Vgl. Die Münchner Moderne, S. 323ff. Vgl. Eckermann, Gespräche mit Goethe, S. 485. Leonhard Schrickel, Geschichte des Weimarer Theaters von seinen Anfängen bis heute. Weimar 1928, S. 248. Vgl. ebenda, S. 241ff. Vgl. ebenda, S. 186ff. Vgl. ebenda, S. 255. Vgl. etwa Reuter, Vom Kinde zum Menschen, S. 307ff. Vgl. auch Scholz, An Ilm und Isar, S. 106f. Vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 291ff. Vgl. ebenda, S. 295. Scholz, Eine Jahrhundertwende, S. 32. WZ, 15. Juli 1905. WZ, 22. Oktober 1910. Vgl. ebenda. Kafka, Tagebücher 1910–1923, S. 481. Vgl. WZ, 18. November 1903. Vgl. WZ, 23. September 1904.

Anmerkungen

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Vgl. WZ, 25. und 26. Oktober 1905. Vgl. WZ, 26. Oktober 1905. Vgl. WZ, 31. Januar 1906. WZ, 22. Oktober 1910. Vgl. Aloys Obrist, Musikalisches und Unmusikalisches über die Elf Scharfrichter. In: WZ, 16. April 1903. Vgl. WZ, 30. Juli 1904. Vgl. WZ, 23. August 1904. Vgl. WZ, 7. Juli 1905. Vgl. WZ, 10. September 1905. Vgl. WZ, 16. September 1905. Vgl. WZ, 13. September 1905. Vgl. WZ, 22. Januar 1913. Vgl. WZ, 5. November 1910. Vgl. GSA, 65/14,2. Natalie von Milde, Tagebuchaufzeichnungen 1872–1904, 6. März 1894. Vgl. WZ, 30. Juli 1904. Vgl. WZ, 11. August 1904. Vgl. WZ, 12. August 1904. Vgl. WZ, 11. August 1910. Im Juli 1904 etwa gastiert das Naumburger Stadttheater mit „Hedda Gabler“. Vgl. WZ, 28. Juli 1904. Vgl. Ute Daniel, Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert. Stuttgart 1995, S. 361. WZ, 11. Februar 1905. Walter Fähnders, Avantgarde und Moderne 1890–1933. Stuttgart, Weimar 1998, S. 152. Vgl. Großherzog Carl Alexander und Fanny Lewald-Stahr in ihren Briefen, Band 2, S. 45. So der Titel eines Vortrags von Professor Wempe (Oldenburg) im Volksbildungsverein. Vgl. WZ, 17. Januar 1913. WZ, 16. Februar 1913. WZ, 19. Juli 1905. Ebenda. Vgl. ebenda. Ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. WZ, 16. März 1913. WZ, 22. Januar 1913. Vgl. ThHStAW, Hofmarschallamt, No. 3740. Vgl. ebenda. WZ, 24. Januar 1913. Vgl. Weimar um 1900. Photographien von Louis Held, S. 24. Ebenda, S. 24. Vgl. ebenda, S. 25. Ewers’ Weg vom „Überbrettl“ zu völkisch-nationalsozialistischen Positionen wäre ein eigenes Thema. WZ, 16. Februar 1913. Vgl. WZ, 23. Februar 1913. Vgl. WZ, 2. März 1913. Vgl. etwa WZ, 10., 15., 22. Januar 1913. Paul Ernst, Tagebuch eines Dichters. München 1934, S. 48. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Walter Benjamin, Allegorien kultureller Erfahrung. Ausgewählte Schriften 1920–1940. Leipzig 1984, S. 411. Vgl. WZ, 27. November 1903. Vgl. WZ, 28. November 1903.

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Anmerkungen

WZ, 27. November 1903. Zur Debatte um Neubau und Neugestaltung des Weimarer Hoftheaters um 1900 vgl. auch Tamara Barzantny, Das Weimarer Theater von 1850 bis 1900 – Keimzelle einer Nationalbühne? In: Carl Alexander, S. 175–188. Beilage zu WZ, 30. Januar 1904. Vgl. ebenda. Ebenda. Ebenda. Vgl. ebenda. Harry Graf Kessler, Die Kunst des Theaters. In: Kessler, Künstler und Nationen, S. 92. Ebenda, S. 95. Vgl. ebenda, S. 95. Für die Wiederbelebung des Naturtheaters in Belvedere soll Craig als Regisseur gewonnen werden. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 54ff. Ebenda, S. 67. Vgl. van de Velde, Geschichte meines Lebens, S. 270. Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 61. Hugo von Hofmannsthal, Brief-Chronik. Regest-Ausgabe. Hrsg. von Martin E. Schmid. Band 1 1874–1911. Heidelberg 2003, S. 835. Den Begriff in einem Artikel gegen Dumonts Pläne (vgl. WZ, 7. Januar 1904) nimmt van de Velde auf, um Louise Dumonts Intentionen zu kennzeichnen (vgl. WZ, 20. Januar 1904). Vgl. Karin Füllner, „Zum Tempeldienst bin ich geboren ...“ Louise Dumont. Ein kritisches Porträt. In: Das literarische Düsseldorf. Zur kulturellen Entwicklung von 1850–1933. Düsseldorf 1988, S. 239. Zitiert nach: Ebenda, S. 240. Vgl. Michael Matzigkeit, Literatur im Aufbruch. Schriftsteller und Theater in Düsseldorf zwischen 1900–1933. Düsseldorf 1990, S. 127f. WZ, 7. Januar 1904. Vgl. WZ, 20. Januar 1904. (van de Veldes Brief) Vgl. Grupp, Harry Graf Kessler, S. 104. WZ, 20. Januar 1904. Vgl. WZ, 30. Januar 1904. WZ, 28. und 29. Januar 1904. Vgl. WZ, 28. Januar 1904. Ebenda. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 1, S. 218. Friedrich Lienhard, Neue Ideale. Stuttgart 1913, S. 142. Vgl. ebenda, S. 142f. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 4, S. 48. Zitiert nach: Die Münchner Moderne, S. 329. Vgl. ebenda, S. 329. Vgl. ebenda, S. 329. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 4, S. 57. Theaterreformpläne um 1900 berufen sich auf das Passionsspiel von Oberammergau. (Vgl. Die Münchner Moderne, S. 325.) Vgl. auch Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 234. Zu Carl Alexanders Oberammergau-Erlebnis und seinen Überlegungen zum Volkstheater vgl. Pöthe, Carl Alexander, S. 291ff. Nicht nur theoretisch beschäftigt man sich in Weimar mit Oberammergau: Im Theater Am Brühl werden 105 Lichtbild-Szenerien der Passionsspiele „mit verbindender Dichtung“ dar geboten. (Vgl. WZ, 19. Januar 1913.) Sogar die Hofbühne öffnet sich für Volkstheateraufführungen: Das aus dreißig oberbayrischen Bauern bestehende „Schlierseer Bauerntheater“ gibt hier zwei Gastvorstellungen. Vgl.

Anmerkungen

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WZ, 20. Januar 1904. Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14,1, S. 159. Vgl. Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14,2, S. 210. Ebenda, S. 213. Josef Nadler, Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften. IV. Band. Der deutsche Staat. 1814–1914. Regensburg 1928, S. 644. Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 1, S. 219f. Vgl. auch Hotzel, Ernst Wachler, S. 72ff. Nadler, Literaturgeschichte, S. 648. Ebenda, S. 648f. Vgl. Fritz Lienhard, Oberflächen-Kultur. Stuttgart 1904, S. 17. Großherzog Carl Alexander beschäftigt sich seinerzeit mit Herrigs Plänen. Vgl. ThHStAW, HA A XXVI, No. 1985. (Carl Alexanders Tagebuch, 30. Juli 1887.) Hans Herrig, Luxustheater und Volksbühne. In: Herrig, Gesammelte Schriften. Berlin 1886– 1888. Teil 2. Adolf Bartels, Das Weimarische Hoftheater als Nationalbühne für die deutsche Jugend. Eine Denkschrift. Dritte Auflage. Weimar 1907, S. 17. Ebenda, S. 18. Ebenda, S. 36. Ebenda, S. 35. Vgl. ebenda, S. 47. Vgl. ebenda, S. 64. Zitiert nach: Ebenda, S. 72. Vgl. Die ersten Nationalfestspiele für die deutsche Jugend. Berichte der führenden Lehrer, mit Einleitung und Schlußwort. Hrsg. von Adolf Bartels. Weimar 1909, S. 4. Vgl. ebenda, S. 4. Bartels schwadroniert über eine „jüdische Herkunft“ Weisers; seiner „Jesus“-Tetralogie unterstellt er „sozialdemokratische Tendenz“. Vgl. Bartels, Geschichte der thüringischen Literatur, 2. Band, S. 239f. Vgl. Die ersten Nationalfestspiele, S. 15 und 19. Vgl. ebenda, S. 60. Hofmannsthal, Nostitz, Briefwechsel, S. 94. Aus diesen Eindrücken heraus bemerkt Marie von Bunsen gegenüber Georg II. von SachsenMeiningen: „ ... ist dies nicht der Anfang des neuen Tanzes gewesen. War dieser Tanz nicht Wegbereiter der Loie Fuller, der Ruth St. Denis, der Isadora Duncan?“ Bunsen, Zeitgenossen, S. 34. Vgl. Isadora Duncan, Der Tanz der Zukunft. Eine Vorlesung. Übersetzt und eingeleitet von Karl Federn. Jena 1929, S. 28. Vgl. ebenda, S. 34. Vgl. ebenda, S. 44. Kessler, Kunst und Religion, S. 27. Ebenda, S. 27. Vgl. ebenda, S. 28. Abbildungen der Hofmannschen Werke in: Oskar Fischel, Ludwig von Hofmann. Bielefeld und Leipzig 1903. Vgl. Hugo von Hofmannsthal, Prolog zu Ludwig von Hofmanns „Tänzen“. In: Hofmannsthal, Gesammelte Werke. Reden und Aufsätze I. 1891–1913. Frankfurt/M. 1979, S. 576. Hugo von Hofmannsthal, Eine Monographie. „Friedrich Mitterwurzer“ von Eugen Guglia. In: Hofmannsthal, Gesammelte Werke, Reden und Aufsätze I, S. 479. Ebenda, S. 479. Man denke nur an Elektras mänadischen Tanz am Ende des Stückes. Zur Beschäftigung des Autors mit Ballett und Pantomime vgl. auch Mathias Mayer, Hugo von Hofmannsthal. Stuttgart, Weimar 1993, S. 108ff.

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Anmerkungen

133 Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 131. 134 Vgl. Hugo von Hofmannsthal, Die unvergleichliche Tänzerin. In: Hofmannsthal, Gesammelte Werke, Reden und Aufsätze I, S. 500. 135 Vgl. Mayer, Hofmannsthal, S. 121. 136 Kessler hat die Idee, Hofmannsthal könnte den „dichterischen Rahmen“ zu einem von St. Denis entworfenen Salome-Tanz schreiben. (Vgl. Hofmannsthal, Kessler, Briefwechsel, S. 136.) 137 Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 4, S. 26. Vgl. auch Lienhard, Neue Ideale, S. 13. 138 Vgl. Ulrich Linse, Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre. Berlin 1983, S. 103ff. 139 Vgl. dazu Werner, Moderne in der Provinz, S. 275ff. 140 Vgl. Lienhard, Wege nach Weimar, Band 2, S. 223. 141 Lienhard, Neue Ideale, S. 12. 142 Vgl. ebenda, S. 25. 143 Ebenda, S. 25. 144 Ebenda, S. 25.

IX Weimar im Krieg – Schlußwort 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Post/Werner, Herrscher, S. 476. Vgl. ebenda, S. 476. Post und Werner berufen sich auf Rudolf Vierhaus. Vgl. WZ, 24. Juli 1914. Vgl. WZ, 26. Juli 1914. Vgl. WZ, 28. Juli 1914. Vgl. WZ, 31. Juli 1914. Vgl. WZ, 22. Juli 1914. Vgl. ebenda. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 218. Vgl. WZ, 6. August 1914. Vgl. WZ, 8. und 9. August 1914. WZ, 9. August 1914. WZ, 1. Dezember 1914. Vgl. ebenda. Ebenda. WZ, 12. Januar 1915. Ebenda. Vgl. WZ, 20. Februar 1915. WZ, 10. Januar 1915. WZ, 23. Februar 1915. Vgl. WZ, 17. Februar 1915. Vgl. WZ, 15. April 1915. Vgl. ebenda. Vgl. WZ, 12. Februar 1916. Vgl. WZ, 2. April 1915. Vgl. WZ, 11. und 17. April 1915. WZ, 11. Februar 1916. Vgl. WZ, 27. Februar 1916. WZ, 23. März 1915. Ebenda. Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 239. WZ, 30. Mai 1915. Vgl. auch Max Lenz, Deutsches Nationalempfinden im Zeitalter unserer Klassiker. In: Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft. Zweiter Band, 1915, S. 268.

Anmerkungen

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33 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 237. 34 Vgl. WZ, 26. April 1916. 35 Vgl. Watzdorf-Bachoff, Im Wandel, S. 269. 36 Friedrich Ebert etwa bemerkt in seiner Rede vor den Parlamentariern in Weimar: „Jetzt muß der Geist von Weimar, der Geist der großen Philosophen und Dichter wiederum unser Leben erfüllen.“ Zitiert nach: Merseburger, Mythos Weimar, S. 285.

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BARTH, Ilse-Marie 7 Personenverzeichnis

ABBÉ, Ernst 5, 85, 116, 118, 165 ÄGYPTEN, Ismail Pascha, Vizekönig von 164 AHLEFELD-DEHN, Louis Baron von 166 ALBERT, Eugen d’ 83, 172 ALLMERS, Hermann 262 ALVARY, Max 246 ANDERSEN, Hans Christian 163 ANDRÉE, Salomon 139 ANSORGE, Conrad 1, 72f., 82, 85, 104, 261f. ANZENGRUBER, Ludwig 289 APELT, Otto 266 APPIA, Adolphe 177 ARENT, Wilhelm 77, 269 ARMINIUS, Cheruskerfürst 243 ARMINIUS, Wilhelm (eigentl. Wilhelm Hermann Schultze) 130, 222, 308, 353 ARND, Friedrich (Omar al Raschid Bey) 19, 36ff., 43, 112, 245 ARP, Carl 149 ASSISI, Franz von (eigentl. Giovanni Bernardone, genannt Francesco) 67 AUERBACH, Anna geb. Silbergleit 99, 103, 109f., 327 AUERBACH, Felix 99f., 103, 109, 327 AUERBACH, Kaethe geb. Reisner 99 AUERNHEIMER, Raoul 289 AUGSPURG, Anita 24 AVENARIUS, Ferdinand 300 BAADER, Ottilie 48 BACH, Johann Sebastian 157, 249, 263 BACHMANN, Emil 345 BACHOFF VON ECHT, Ulrich Thomas Freiherr 64 BACON, Francis, Baron Verulam 356 BADEN, Luise, Großherzogin von geb. Prinzessin von Preußen 316 BÄUMER, Gertrud 24, 27, 96 BAHR, Hermann 79, 123, 289, 295 BARRÈS, Maurice 68 BARTELS, Adolf 8, 58, 104, 151f., 154, 221, 223, 233, 236ff., 241, 256, 296, 298ff., 337, 355, 365

BASISTA, Fritz 209f. BAUCH, Bruno 99 BAUDELAIRE, Charles 72 BAUDERT, August 206 BAUER, Bruno 237 BAUSZNERN, Waldemar von 97, 205, 308, 327 BAYERN, Luitpold, Prinzregent von 8 BEAULIEU-MARCONNAY, Henriette Freifrau von geb. Freiin von und zu Egloffstein, gesch. Gräfin von Egloffstein 199 BEAUMARCHAIS, Pierre Augustin Caron de 51 BEBEL, August 85, 168 BECHER, Emil 128 BECHSTEIN, Ludwig 248 BECKER, Josef 317 BECKER, Max Hermann 142 BECKMANN, Max 148 BEETHOVEN, Ludwig van 96, 158, 205 BEHMER, Elisabeth 38 BEHMER, Hermann 38f., 200f., 203 BEHMER, Marcus 38, 97 BEHRENS, Peter 297 BENDA, Georg Anton 104 BENEDIX, Julius Roderich 138, 296 BÉRANGER, Pierre-Jean de 172 BERGSON, Henri 227 BERNSTORFF, Anna Gräfin von 186 BEUST, Friedrich Hermann Graf von 44, 96 BEUTLER, Ernst 121 BIESTRAM, von 155 BINSWANGER, Emilie 99 BINSWANGER, Otto 99, 209, 350 BISMARCK, Otto Fürst von 56, 79, 115f., 128, 130, 278, 308 BIZET, Georges 144 BLAKE, Edith Lady 201 BLAKE, William 67 BLEIBTREU, Karl 269 BLUMENTHAL, Oskar 139, 288f., 299 BOCCACCIO, Giovanni di 67 BODE, Wilhelm 108, 134, 334

Personenverzeichnis

BODENHAUSEN, Eberhard Freiherr von 117, 181, 185, 196, 199, 202f. BÖCKLIN, Arnold 39f., 253 BÖHLAU, Helene (al Raschid Bey) 13f., 19, 26, 30–39, 43, 49f., 59, 112, 166, 185, 221f., 245, 317, 353 BÖHLAU, Hermann Ottokar (Omar) 19 BÖHME, Jakob 235, 255 BÖLSCHE, Wilhelm 81,152, 185 BÖRNE, Ludwig 237 BÖRNER, Helene 210 BOGER-LANGHAMMER, Margot 60, 321f. BOHNSTEDT, Ludwig Franz Karl 246 BOJANOWSKI, Eleonore von 20, 97, 160, 179 BOJANOWSKI, Fräulein von 97 BOJANOWSKI, Paul von 97, 125, 151, 179 BORKMANN, Rudolf 142 BORNMÜLLER, Josef Friedrich Nicolaus 133 BOTHMER, Emely Gräfin von 168, 179, 181 BOTHMER, Eugenie Gräfin von 179 BRAHM, Otto 83 BRAHMS, Johannes 66, 96, 104, 138, 158, 205 BRANDES, Georg 7, 71, 279 BRANDL, Alois 122 BRANDT, Frau von 66 BRANDT, Max von 65f. BRAUN, Heinrich 48 BRAUN, Lily geb. von Kretschman, verw. von Gizycki 13f., 20, 24, 26, 44–52, 54, 65, 78, 93f., 166, 222 BRENA, Jörg (eigentl. Georg Prinz von Sachsen-Weimar-Eisenach) 349 BRENDEL, Albert 39, 83, 166 BRENTANO, Clemens 185 BREYSIG, Kurt 101 BRONSART von Schellendorf, Hans 172, 192 BRUCKMANN, Hugo 225 BRÜTT, Adolf 147, 196, 212f. BUCHHOLZ, Karl 59, 62 BÜCHNER, Ludwig 253

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BÜLOW, Bernhard Fürst von 24 BÜLOW, Hans Freiherr von 21, 152, 172 BÜLOW, Marie Freifrau von geb. Schanzer 21, 23f., 26 BÜRKNER, Pfarrer 91 BULLE, Oskar 97, 101, 119 BUNKE, Heinrich 289 BUNSEN, Marie von 171, 365 BURCKHARDT, Jacob 235 BURKHARDT, Hugo 151f. BURMESTER, Georg 198 BURMESTER, Willy 148, 205 BYLANDT, Wilhelm Graf von, Baron zu Rheydt 203, 348f. BYRON, George Gordon Noël Lord 40 CAETANI, Roffredo Prinz von Bassiano und Fürst von Sermoneta 172 CALDERÓN de la Barca, Pedro 295, 299 CALLOT, Jacques 166 CALM, Marie 16 CARLYLE, Thomas 16, 233, 237 CARLYLE, Frau 16 CARMEN SYLVA (eigentl. Elisabeth, Königin von Rumänien geb. Prinzessin zu Wied) 185, 357 CARREÑO, Teresa 205 CARSTENSEN, B. 141 CAUER, Minna 24 CERVANTES SAAVEDRA, Miguel de 236 CÉZANNE, Paul 211, 226 CHAMBERLAIN, Houston Steward 264 CHÉLARD, André Hippolyte 136 CHEMNITIUS, Franz 136 COMTE, Auguste 100, 244 CONRAD, Michael Georg 308 CONSTANT DE REBECQUE, Henri Benjamin 222 COOK, Frederick Albert 139 COQUELIN, Benoît-Constant, genannt der Ältere 186 COQUELIN, Ernest-Alexandre-Honoré, genannt der Jüngere 346 CORINTH, Lovis 184 CORNELIUS, Peter 19, 29, 39 COUDRAY, Clemens Wenzeslaus 141 COUPERIN, François 104 COURTHS-MAHLER, Hedwig 289

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CRAIG, Edward Gordon 177f., 294f., 364 CRANACH, Hans Lucas von 107, 179, 208 CRANACH, Wilhelm Lucas von 286 CROMPTON, Evans von 82, 85 CROMPTON, Klara von geb. Wegelin 82 CRÜGER, Gustav von 86 DÄUBLER, Theodor 212 DAGHOFER, Fritz 137, 148 DAGOVER, Lil (eigentl. Lily Daghofer) 137 D’ANNUNZIO, Gabriele 67, 99, 172, 185 DANTE Alighieri 67, 101, 253 DARWIN, Charles 39, 244, 274 DAUDET, Alphonse 185 DEBUSSY, Claude 104 DEETJEN, Werner 61, 97, 151, 256 DEFREGGER, Franz von 166 DEGAS, Edgar (eigentl. de Gas) 211 DEHMEL, Ida 72, 178 DEHMEL, Richard 1, 72, 82, 99, 102, 123f., 152, 172, 178, 261 DEINHARDT, Karl 142 DEINHARDT, Robert 142 DELVARD, Marya 288 DEMMERING, Gerhard 125 DENIS, Maurice 72f. DERP, Clotilde von 162 DEUTSCHLAND, Ferdinand III., Deutscher König und römischer Kaiser 258 DEUTSCHLAND, Heinrich I., Deutscher König und römischer Kaiser 322 DEUTSCHLAND, Otto III., Deutscher König und römischer Kaiser 258 DIEDERICHS, Eugen 3, 107, 125f., 149, 160ff., 245, 275, 279, 301, 304 DIETRICH, Antonia 358 DINGELSTEDT, Franz (von) 45, 158 DINKLOH, Egon 213 DÖLLSTÄDT, Louis 28, 142, 299 DOHNA-SCHLODIEN, Margarethe Burggräfin und Gräfin zu 96, 328 DOHNA-SCHLODIEN, Nikolaus, Burggraf und Graf zu 320 DONNDORF, Adolf (von) 146

Personenverzeichnis

DONNDORF, Martin 127, 161, 189, 219, 345 DORÉ, Adele (eigentl. Milan) 74 DORFNER, Otto 126, 210 DREYER, Max 289 DROSTE-HÜLSHOFF, Annette Freiin von 16, 274 DUCA, Lucie 65 DÜHRING, Eugen 274 DÜRCKHEIM-MONTMARTIN, Charlotte Gräfin von 66, 126, 320 DÜRCKHEIM-MONTMARTIN, Friedrich Graf von 66, 320 DÜRER, Albrecht 119 DUMONT, Louise 197, 265, 289, 293, 295f., 300, 364 DUNCAN, Isadora 301, 365 DUNCKER, Alexander 222 DUNGERN, Otto Freiherr von 202 DUSE, Eleonora 59 EBERS, Georg 164 EBERT, Friedrich 367 EBNER-ESCHENBACH, Marie Freifrau von 16, 21, 23, 28f., 171f., 174, 185 ECKHART, Meister 224, 255, 263 EELBO, Bruno Heinrich 132, 154, 231, 246ff., 299, 356 EGGELING, Johann Ernst August Heinrich von 184 EGGER-LIENZ, Albin 211f. EGLOFFSTEIN, Caroline Gräfin von und zu 199 EGLOFFSTEIN, Henriette siehe Beaulieu-Marconnay EGLOFFSTEIN, Hermann Freiherr von und zu 20, 46, 57ff., 65, 105, 184, 188, 195, 198f., 201f., 204 EGLOFFSTEIN, Julie Gräfin von und zu 199 EHRHARDT, Alma 130 EHRHARDT, Max 130 EICHEL, Karl von 179 EICHENDORFF, Joseph Freiherr von 262 EICHSTÄDT, Hermann 137 EICKEMEYER, Willy 205 EINSIEDEL, Friedrich Hildebrand von 32 ELSTER, Gottlieb 206, 213

Personenverzeichnis

EMERSON, Ralph Waldo 41, 185, 223, 228, 233 ENDELL, August 210 ENGELMANN, Richard 98, 206, 213f., 308 ENGELS, Friedrich 237f. ENGLAND, Richard I. Löwenherz, König von 83 ENKING, Ottomar 123f. ERNST, Else verw. von Schorn geb. Apelt 222, 266 ERNST, Otto (eigentl. Otto Ernst Schmidt) 204 ERNST, Paul 5, 103, 126, 160, 221f., 265–275, 279, 283, 292, 360 ERNST, Pfarrer, Vorstand des Sophienhauses 157 ERNST, Wilhelm 268 ESCHSTRUTH, Nataly von 271 EUCKEN, Ida Maria 104, 205 EUCKEN, Irene 99 EUCKEN, Rudolf 99, 104, 167, 209, 213, 274, 300 EUNIKE, Anna verehel. Steiner 85, 136 EURIPIDES 295 EWERS, Hanns Heinz 292 FALK, Johannes Daniel 102 FALKE, Gustav 124, 241, 262 FAßBENDER, M. 290 FEININGER, Lyonel 62, 212, 244 FEUERBACH, Ludwig 244 FICHTE, Johann Gottlieb 168 FICKER, Ludwig von 212 FISCHER, Albert, Edler von Zickwolff 107 FISCHER, Kuno 164, 192 FLAISCHLEN, Cäsar 124 FLEX, Walter 308 FÖRSTER, Bernhard 99 FÖRSTER, Berthold Paul 206, 211 FÖRSTER-NIETZSCHE, Elisabeth 21f., 58, 72, 91, 94–110, 125, 155, 160, 173, 176, 178, 208, 274, 327ff. FONTANE, Theodor 41, 130 FORTUNY, Mariano 177 FRANKE, Willibald 107 FRANKREICH, Jérôme Napoleon, König von Westfalen 44 FRANKREICH, Ludwig XVI., König

393

von 51 FRANKREICH, Napoleon I. Bonaparte, Kaiser von 61, 161, 273 FRANKREICH, Napoleon III., Kaiser der Franzosen 65 FRANKREICH, Orléans, Helene, Herzogin von geb. Prinzessin von Mecklenburg- Schwerin 45 FRENSSEN, Gustav 185 FRENZEL, Karl 172 FRESENIUS, August 82 FREUD, Sigmund 92 FREYTAG, Alwine 95 FREYTAG, Gustav 185, 194, 299 FREYTAG-LORINGHOVEN, Maria Freiin von 28f., 39, 59, 168 FREYTAG-LORINGHOVEN, Karl Gottlob Baron von 59 FREYTAG-LORINGHOVEN, Mathilde Baronin von geb. Kalkmann 39, 59, 168 FREYTAG-LORINGHOVEN, Mathilde Freiin von 28f., 39, 56, 59–63, 65, 160f., 168, 188, 253 FRICK, Wilhelm 63, 213 FRIEDRICHS, Hermann 241 FRITSCH, Hugo Freiherr von 65, 186, 201, 205 FROEBEL, Otto 207 FRÖHLICH, Otto 326 FROMENTIN, Eugène 185 FRORIEP, Bertha 153 FRORIEP, Clara 153 FRORIEP, Robert 115 FUCHS, Georg 297 FÜRBRINGER, Finanzrat 130 FULDA, Ludwig 204 FULLER, Loie 301f., 304, 365 GABELENTZ-LINSINGEN, Georg von der 124 GABELENTZ-LINSINGEN, Hans von der 66, 97, 124 GAST, Peter (eigentl. Heinrich Köselitz) 154f., 299 GAUDY, Alice Freiin von 102 GAUDY, Franz Freiherr von 102 GAUGUIN, Paul 71, 196 GAUL, August 184 GEBAUER, Carl 207

394

GEIBEL, Emanuel 172 GEIBEL, Margarethe 97 GEIGER, Ludwig 45, 125 GEIßLER, Max 222, 241, 256, 353 GENAST, Eduard 136 GENELLI, Bonaventura 159 GEORGE, Stefan 99, 155, 230, 268, 297, 324 GERSDORFF, Ernst Christian August Freiherr von 45 GERSON, Firma 210, 350 GERVINUS, Georg Gottfried 164 GIDE, André 99, 172, 179f. GIOTTO di Bondone 225 GIZYCKI, Georg von 46f. GLEICHEN-RUßWURM, Carl Alexander Freiherr von 29, 46, 299f. GLEICHEN-RUßWURM, Ludwig Freiherr von 59 GLEIM, Johann Wilhelm Ludwig 152 GMÜR, Rudolf 148, 274 GOBINEAU, Arthur Graf von 233 GOEBEN, August von 96, 181 GOEBEN, Marie Amalie Theresa Luise geb. Freiin von Wendland („Mary“) 65, 96, 111 GÖRTZ Graf von siehe Schlitz GOETHE, August von 143 GOETHE, Christiane von geb. Vulpius 33f. GOETHE, Elisabeth geb. Textor 34 GOETHE, Johann Wolfgang (von) 2, 6, 10, 25, 28, 31–36, 44f., 49, 51, 56, 69f., 74ff., 77–80, 82–86, 88–93, 99, 113, 118, 121ff., 125, 131, 133f., 139, 141, 143, 147ff., 151ff., 155, 157ff., 161f., 164, 166f., 173, 177f., 180, 185, 187, 192ff., 197, 199, 229ff., 234, 239–242, 252, 268, 272, 274, 280, 285, 293, 298f., 306, 309, 326, 346 GOETHE, Ottilie von geb. von Pogwisch 45, 50, 66 GOETHE, Walther Wolfgang von 45, 66, 77f., 166 GOETHE, Wolfgang Maximilian von 45, 66 GOETZ, Wolfgang 293f.

Personenverzeichnis

GÖTZE, Marie 205 GOLTZ, Colmar Freiherr von der 128 GONCOURT, Edmond de 222 GONCOURT, Jules de 222 GORKI, Maxim (eigentl. Alexei Maximowitsch Peschkow) 29, 185 GORNIAK-GORNADI, Sigismund 287 GOTTSCHED, Johann Christoph 83 GOULLON, Charlotte 190 GOUNOD, Charles-François 144 GRAEF, Botho 99, 212, 328 GRÄF, Hans Gerhard 125, 151 GRANT DUFF, Sir Mountstuart Elphinstone 55 GREGOROVIUS, Ferdinand 166 GRENZDÖRFFER, Reinhold 1, 158 GRIESHEIM, Max von 190f. GRILLPARZER, Franz 185, 299 GRIMM, Franz 335 GRIMM, Herman 91 GRISEBACH, Eberhard 99 GROPIUS, Walter 134, 210ff., 215, 244, 350 GROß, Rudolf Freiherr von 112, 168 GROßBRITANNIEN, Viktoria (Victoria), Königin von 56 GROSSE, Julius 274 GROTH, Klaus 237 GÜNDERODE, Caroline von 61f. GÜNZEL, Klaus 189 GÜTERSLOH, Albert Paris (eigentl. Albert Conrad Kiehtreiber) 212 GUGLIA, Eugen 303 GUMPPENBERG, Hanns von 65 GURLITT, Cornelius 185 GUSTEDT, Jenny Freifrau von geb. von Pappenheim 44f., 47ff., 166 GUTHEIL-SCHODER, Marie 59, 143, 205, 272, 309 GUYET, Adolf 18 HAAR, Georg 113 HAAR, Max 136 HAAR, Otto 10, 136 HAECKEL, Ernst 39f., 53, 77, 81, 85, 93, 121, 133f., 148, 209, 213, 253, 274, 278, 299 HÄUSSER, Ludwig 164 HAGEN, Theodor 39, 83, 148f., 183, 211

Personenverzeichnis

HALBE, Max 185 HALLER, Albrecht von 242 HAMERLING, Robert (eigentl. Rupert Johann Hammerling) 172 HAMSUN, Knut 260 HANNEKEN, Adele von 97 HARDEN, Maximilian (eigentl. Witkowski) 203 HARDT, Ernst (eigentl. Stöckhardt) 55, 66f., 72ff., 124, 272f. HARDT, Polyxeni geb. von Hoeßlin 66 HART, Heinrich 269 HART, Julius 269 HARTLEBEN, Frau 85 HARTLEBEN, Otto Erich 85, 289 HARTUNG, Albert 125 HAUPTMANN, Gerhart 1, 71ff., 84, 99, 112, 172, 178, 185, 194, 198, 216, 236, 269f., 284, 289, 295, 298 HAUSSA-WACHLER, Käthe 107 HAUSSKNECHT, Karl 133 HAYDN, Joseph 150 HEBBEL, Friedrich 161, 178, 237, 241, 272, 277, 298f., 309 HECKEL, Karl 101, 308 HECKER, Max 121, 125, 358 HEGEL, Georg Wilhelm Friedrich 80 HEGELER, Wilhelm 67, 104, 124 HEILMANN, Jakob 197 HEINE, Heinrich 152, 237 HEINE, Otto 151 HEITMÜLLER, Franz Ferdinand 79–84 HELD, Louis 136, 291 HELDBURG, Helene Freifrau von (eigentl. Ellen Franz) 172 HELLDORFF, Therese von geb. von Gerstenbergk 55, 66 HELLEN, Eduard von der 39, 79f., 82, 85–91, 153, 163f. HELLEN, Martha von der geb. von Crüger 39, 80, 86 HELMHOLTZ, Hermann von 164, 167 HENNEBERG, Alfred Freiherr von 66, 320 HENNEBERG, Freifrau von 66 HENNING, Pfarrer in Lehnstedt 306 HERDER, Hermann 125, 256 HERDER, Johann Gottfried 18, 240 HERGT, Bernhard Eduard Julius 133

395

HERMENS, Willibald 97 HERRIG, Hans 298, 365 HERTEL, Friedrich 136 HERWIG, Franz 8, 224, 253f., 256–261 HESS, Ulrich 188 HESSE, Hermann 124 HESSEN UND BEI RHEIN, Ernst Ludwig, Großherzog von 194 HEUSS, Theodor 281 HEYMANN, Walther 110 HEYMEL, Alfred Walter (von) 1, 73, 125 HEYMEL, Ida (von) 73 HEYSE, Paul 152, 172, 185, 293 HILDEBRAND, Adolf von 160 HILLE, Peter 84 HINDEMITH, Paul 99 HINZE-REINHOLD, Bruno 97, 205 HIRSCH, Jenny 15 HITZ, Dora 198 HITZ, Luise 17 HODLER, Ferdinand 212 HÖFER, Conrad 9, 125, 151, 153, 248 HÖFLICH, Lucie 71 HÖLDERLIN, Friedrich 269 HOFFMANN, Hans 154, 274, 293, 299 HOFMANN, Eleonore von geb. Kekulé von Stradonitz 72, 103 HOFMANN, Ludwig von 12, 72, 103, 184, 196, 198, 216, 302f. HOFMANNSTHAL, Gertrud von 74 HOFMANNSTHAL, Hugo von 1f., 29, 67, 72–75, 95, 100, 102, 117, 122, 156, 172, 177f., 185, 204, 230, 235, 264, 268, 294f., 297, 299, 301, 303f., 309, 366 HOGARTH, William 166 HOMER 235 HORN, Lehrer des Prinzen Wilhelm Ernst 191 HORNEFFER, August 334 HORNEFFER, Ernst 308, 334 HORNY, Familie 141 HUBERMAN, Bronislaw 186 HUCH, Ricarda 16, 152 HÜBBE-SCHLEIDEN, Willhelm 93 HUGO, Victor 185, 222 HUMMEL, Johann Nepomuk 136 HUMPERDINCK, Engelbert 148

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HUNNIUS, Johannes 158 HUSCHKE, Alexander 118, 142 IBSEN, Henrik 77, 185, 235, 265, 269, 284, 289, 293, 295–298 ILLIGER, Hans 300 IMMERMANN, Karl Leberecht 295 INNFELDER, Norbert 288f. JAHN, Friedrich Ludwig 115 JANK, Angelo 206 JAQUES-DALCROZE, Emilie 304 JAWLENSKY, Alexey von 62 JENSON, Nicolaus 126 JIMÉNEZ, Juan Ramón 69 JOACHIM, Josef 205 JÖCK, Hermann 126 JOHN, Alois 242 JOUKOWSKY (auch Shukowski), Paul von 57ff. JOUKOWSKY (auch Shukowski), Wassili von 57 KADELBURG, Gustav 139, 288f. KÄMMER, Paul 209 KAFKA, Franz 6, 38, 270, 287 KAINZ, Josef 9, 74 KALCKREUTH, Leopold Graf von 59, 148, 198 KÁLMÁN, Péter 206 KAMPF, Arthur von 185 KANDINSKY, Wassily 42, 62, 212 KANHOLD, Friedrich 137 KANT, Immanuel 94, 153 KATTNER, Emma 17 KAUFMANN, Johann Peter 146 KEHRBACH, Karl 153 KEKULÉ von Stradonitz, Anna 12 KEKULÉ von Stradonitz, Reinhard 12 KELLER, Gottfried 248, 302 KELLER, Hermann 104, 205 KENDLER, Alfred von 139 KENNAN, George 165 KERR, Alfred (eigentl. Kempner) 326 KESSLER, Harry Graf 3f., 6, 55, 58, 64ff., 70–74, 77, 95, 98ff., 105, 107f., 110, 117, 126, 156, 175, 177– 180, 183ff., 187f., 194ff., 198f., 201ff., 204, 206, 208f., 221, 223– 227, 271, 286, 294f., 296, 300–304, 309, 327, 347, 366 KETTLER, Hedwig 12f., 15–19

Personenverzeichnis

KETTLER, Julius Iwan 15 KEUDELL, Robert von 152 KEY, Ellen 28, 102, 118, 151, 321, 329 KEYSERLING, Eduard Graf von 68 KIEPENHEUER, Gustav 97, 123 KIEPENHEUER, Irmgard 97, 110 KIPPENBERG, Anton 66, 68, 121, 125, 216 KIRCHHOFF, Gustav 164 KIRCHNER, Ernst Ludwig 98, 328 KLAGES, Ludwig 53 KLAR, Carl 137 KLEE, Paul 62 KLEINHEMPEL, Fritz 207 KLEIST, Heinrich von 185, 277, 298f., 302f. KLEMM, Walther 212, 214 KLIMSCH, Fritz 185 KLINGER, Friedrich Maximilian 167, 347 KLINGER, Max 22, 39, 73, 98, 148, 184, 196 KLOPFER, Paul 307 KLOPSTOCK, Friedrich Gottlieb 356 KLUGE, Friedrich 168 KNEIPP, Sebastian 134 KOEGEL, Fritz 82 KÖHLER, Wilhelm 62 KÖRNER, Christian Gottfried 158 KOETSCHAU, Karl Theodor 143 KOKOSCHKA, Oskar 212 KOLLWITZ, Käthe 212, 266 KOTZEBUE, August von 272 KRÄUTER, Friedrich Theodor David 122 KRALIK, Richard von 231, 243 KRAUS, Karl 152, 235 KRAUSE, Lies von 97, 252 KRAZE, Friede H. (eigentl. Friederike Henriette Marie Kraze) 8, 59, 97, 134, 224, 252–255, 358 KREHAN, Arno 115, 142, 144 KREHAN, Familie 136 KRETSCHMAN siehe Braun KRÖBER, Hans-Timotheus 97 KROEBER-ASCHE, Lili 104 KRUPP, Alfred 85 KRZYZANOWSKI, Rudolf 148, 159, 172 KUBIN, Alfred 212

Personenverzeichnis

KUHNT, Baumeister und Fabrikant aus Halle 300 KUNST, Carl 207 KUNTZE, Franz 151 KURTH, Amandus 292 KURTH, Karl Eduard 136 KURZ, Isolde 16 LAEMMERHIRT, Familie 136, 141 LAEMMERHIRT, Hugo 151 LAEMMERHIRT, Philipp 115, 142 LAGARDE, Paul Anton de (eigentl. Paul Anton Bötticher) 264 LAMPE von Guaita, Else 66, 71, 126 LAMPE, Walter 66, 71, 73, 96, 104 LANGE, Helene 23 LAOTSE (auch Laozi, Laudse, eigentl. Li Er) 263 L’ARRONGE, Adolf 144 LASKER-SCHÜLER, Else 266, 277 LASKER-SCHÜLER, Paul 266 LASSALLE, Ferdinand 165 LASSEN, Eduard 19, 46, 148 LATZKO, Ernst 104 LAVATER, Johann Kaspar 86 LECHLEITNER, Franz 241 LEHFELD, Otto 136 LEHMANN-HOHENBERG, Johannes 299 LEHMBRUCK, Wilhelm 213 LEIBL, Wilhelm 206 LENAU, Nikolaus (eigent. Nikolaus Franz Niembsch Edler von Strehlenau) 172 LENBACH, Franz von 166 LENGEFELD, Selma von 23, 27, 97 LENZ, Max 309 LEPEL, von, Oberst und Regimentskommandeur 161 LEPPMANN, Wolfgang 332 LESSING, Gotthold Ephraim 113, 168, 185, 299 LESSING, Otto 122 LESSING, Theodor 281 LEVETZOW, Ulrike von 167 LEWALD-STAHR, Fanny 13, 15, 136, 314 LICHTWARK, Alfred 117f., 185 LIEBERMANN, Max 98, 183f., 212 LIENHARD, Friedrich 4ff., 8, 29, 57ff, 63, 104, 109, 118, 185f., 204,

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221,223, 227–236, 241f., 245, 253, 263, 265, 280, 297f., 300, 304f., 312, 330 LILIENCRON, Detlev von (eigentl. Friedrich Freiherr von Liliencron) 102, 184, 327, 334 LIMAN, Paul 66 LIMBURG-STIRUM, Sophia Gräfin von geb. von Buchwald 168 LINDAU, Paul 80, 125, 172, 293, 299 LINDEMANN, Gustav 293, 295 LINDENAU, Bernhard August von 64 LINZEN, Karl 260 LISZT, Franz 19, 39, 44, 55ff., 66, 82, 96, 104, 119, 154, 157f., 166, 169, 172, 180, 190, 192, 197f., 260, 271, 274 LITTMANN, Max 197f. LITZMANN, Berthold 167f. LÖFFLER, Johann Heinrich 241 LOËN, August Freiherr von 42f. LOEPER, Gustav von 79, 167 LOEPER-HOUSSELLE, Marie 27 LORENZ, Konrad 60 LORTZ, Pfarrer aus Deutsch-Oth 131 LUBLINSKI, Ida 99, 266, 279, 281 LUBLINSKI, Nathan 277 LUBLINSKI, Samuel 99f., 102f., 221f., 266ff., 271, 277–283, 361f. LUDWIG, August 133 LUDWIG, Otto 124, 298f. LÜTZELER, Ivo 28 LUKÁCS, Georg (von) 266 LUKIAN 288 LUTHER, Martin 168 MACKAY, John Henry 21, 81, 91, 125 MACKENSEN, August (von) 218 MACKENSEN, Fritz 98, 161, 184, 206f., 209ff., 213f., 350f. MADELEINE, Tänzerin („Traumtänzerin“) 287 MAETERLINCK, Maurice 29, 139, 185, 229, 230, 262, 295, 346 MAHLER, Gustav 72, 99 MAILLOL, Aristide 72 MALLARMÉ, Stéphane 226 MANDELKOW, Karl Robert 332 MANET, Edouard 211

398

MANN, Thomas 4, 6, 40f., 68, 123, 185, 268, 277, 281 MARHOLM, Laura 21, 26 MARINETTI, Filippo Tommaso 124f. MARLITT (eigentl. Eugenie John) 16, 28 MARSCHALL, Mundkoch 141 MARX, Karl 47, 237f., 244, 269 MAUERSBERGER, Volker 189, 345 MAUTHNER, Fritz 230 MAYER, Anton 71 MECKLENBURG-SCHWERIN, Caroline, Erbgroßherzogin von geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 45 MECKLENBURG-SCHWERIN, Elisabeth, Herzogin von geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 55, 129, 170, 172, 192, 345 MECKLENBURG-SCHWERIN, Johann Albrecht, Herzog von 129 MEDEM, Karl Graf von 22, 65, 186 MEDEM, Meta Gräfin von 66 MEDICI, Guiliano de’ 51 MEERHEIMB, Henriette von (eigentl. Gräfin Bünau) 101f., 323 MEHRING, Franz 49 MEIER-GRAEFE, Julius 184 MELANCHTHON, Philipp(us) (eigentl. Schwarzerd) 153 MELCHERS, Gari 206, 212 MENDEL, Familie 210 MENDELSSOHN, Arnold 99 MENDELSSOHN, Moses 99 MENDELSSOHN Bartholdy, Felix 99 MENSCH, Ella 30 MERIAN-GENAST, Emilie 19 MERSEBURGER, Peter 189 MEUNIER, Constantin 212 MEYENDORFF, Olga Baronin von geb. Prinzessin Gortschakow (auch Gortschakoff) 55, 96, 172 MEYER, Conrad Ferdinand 275 MEYER, Joseph 127 MEYER, Lehrer des Prinzen Wilhelm Ernst 191 MEYERBEER, Giacomo 100, 138 MEYER Cohn, Alexander 125 MICHELANGELO Buonarroti 166, 253 MICHELLE, Frederic 289

Personenverzeichnis

MIELKE, Robert 242 MILDE, Franz von 20 MILDE, Hans Feodor von 19, 172 MILDE, Natalie von 1, 12ff., 15f., 18, 19–30, 39ff., 58, 95, 97, 116ff., 127, 149, 157f., 171–174, 181f., 187, 195, 329 MILDE, Rosa von geb. Agthe 19f., 23, 29, 149, 159 MILL, John Stuart 18 MITTERWURZER, Friedrich 148, 166, 303 MÖRBITZ, Bernhard 289 MÖRIKE, Eduard 248 MOLIÈRE, Jean Baptiste Poquelin 185 MOMBERT, Alfred 226 MOMMSEN, Theodor 125 MONET, Claude 183, 226 MORÉAS, Jean (eigentl. Joannis Papadiamantopoulos) 262 MORGNER, Wilhelm 62 MORRIS, William 11, 42, 125, 208, 244, 246, 252 MOSCH, Hans von 130 MOSER, Gustav von 144 MOTTL, Felix 172 MOZART, Wolfgang Amadeus 29, 71, 104, 138, 144 MUCK-LAMBERTY, Friedrich 304 MÜLLER, Felix von 66, 111 MÜLLER, Nicolaus 153 MÜLLER, Theodor 115, 120, 136 MÜLLERHARTUNG, Carl 154 MÜNCHHAUSEN, Börries Freiherr von 64, 108, 124, 222, 241 MÜNCHHAUSEN, Max Freiherr von 72, 96, 107f., 155, 204 MÜNSTER von Derneburg, Georg Herbert Fürst 71 MUNCH, Edvard 1, 63, 73, 98, 111f., 184, 216, 327 MURATORI, Georg 148 MUSIL, Robert 38 MUTHESIUS, Karl 248 NADLER, Josef 298 NATHUSIUS, Marie 185 NAUMANN, Friedrich 21, 65, 116 NEIDHART von Reuenthal 149 NEUFFER, Dagobert 119, 326

Personenverzeichnis

NEUSCHILD, Paul 104 NIEDERLANDE, Anna Pawlowna, Königin der geb. Großfürstin von Rußland 164 NIEDERLANDE, Wilhelm II., König der 164 NIEDERLANDE, Wilhelmina, Königin der 183 NIELSEN, Asta 291 NIETSCHMANN, Familie 141 NIETZSCHE, Friedrich 1f., 35, 42, 47, 53, 58, 66ff., 71, 77, 79, 81–85, 89ff., 93–110, 113, 135, 155, 173, 176, 180, 205, 208f., 213, 221f., 234ff., 245, 248, 251, 261, 267, 273f., 277f., 281, 297, 304f., 307, 329, 334 NISAMI (auch Nizami, Nezami) 231 NOSTITZ-WALLWITZ, Alfred von 71, 74, 96, 103, 111 NOSTITZ-WALLWITZ, Helene von 56, 70–75, 96, 103, 110f., 126, 301 NOVALIS (eigentl. Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg) 167 OBRIST, Aloys 42f., 55, 57, 67f., 132, 149, 154, 172, 287f., 299 OBRIST, geschiedener Gatte von Alisa Obrist-Grant-Duff 55 OBRIST, Hermann 42f., 55, 126, 160 OBRIST-GRANT-DUFF, Alisa 41f., 55, 154 OBRIST-JENICKE, Hildegard 11, 23, 26f., 43, 55, 68, 159f., 168, 172 OEHLER, Richard 101 OEK, Theodor 242 OESTERHELD, Louis 137 ÖSTERREICH, Franz Joseph, Kaiser von 164 OETTINGEN, Wolfgang von 97, 119, 205, 212 OLBRICHT, Alexander 148 OLDE, Hans 21, 58f., 103, 105, 107, 121, 132, 183f., 195f., 198, 207, 212 OLDEN, Grete 39, 80ff., 91 OLDEN, Hans (eigentl. Oppenheim) 39, 77, 80ff., 91 OLDENBURG, Therese, Prinzessin von 169f. ORBAN-LINDNER, Lucy 84 ORLÉANS siehe Frankreich

399

ORTELLI, Familie 136 ORZESZKOWA, Eliza 18 OSKAR, Berliner Hofschauspieler 139 OSTWALD, Wilhelm 118 OTTO-PETERS, Luise 174 PALÉZIEUX GENANNT FALCONNET, Aimé von 65, 105, 143, 182, 184, 199–204, 296 PALÉZIEUX, Elisabeth von geb. Freiin von Werthern-Beichlingen 203 PANIZZA, Oskar 93 PANSE, Karl 136 PANTEO, Bianca 186 PAOLI, Betty 16 PARRY, James Patrick von 136 PAULI, Gustav 185 PAULSSEN, Arnold 96, 103 PAYERN, Arthur von 196 PEARY, Robert Edwin 139 PEEZ, Alexander von 242 PERFALL, Karl von 166 PETZET, Walter 104, 205 PFANNSTIEL, Bernhard 184 PFEIFFER, Bernhard, Bürgerschuldirektor 136 PFEIFFER, Ludwig, Geheimer Hof- und Medizinalrat 344 PHILIPSBORN, Ernst von 96f. PISCHEL, Felix 151 PLATEN-HALLERMÜNDE, August Graf von 151, 217 PLATON 51, 265 PLOTIN 265 POSSART, Ernst von 157 POST, Bernhard 189, 216, 347f. PREL, Carl du 93 PRELLER, Ludwig 274 PREUßEN, Augusta, Prinzessin von, Königin von, Deutsche Kaiserin geb. Prinzessin von Sachsen-WeimarEisenach 6, 50, 169 PREUßEN, Friedrich II., der Große, König von 144, 179 PREUßEN, Friedrich Wilhelm, Kronprinz von, König von, Deutscher Kaiser (Friedrich III.) 79 PREUßEN, Hermine, zweite Gattin des Deutschen Kaisers Wilhelms II. geb.

400

Prinzessin Reuß ältere Linie 186, 203, 343 PREUßEN, Luise, Königin von geb. Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz 291 PREUßEN, Wilhelm I., Prinz von, König von, Deutscher Kaiser 79, 169, 278 PREUßEN, Wilhelm II., Prinz von, König von, Deutscher Kaiser 6, 66, 89, 105, 128, 130, 146, 156, 182f., 186, 190, 218, 271, 278 PREUßEN, Wilhelm, Kronprinz von und des Deutschen Reiches 291 PRIEßNITZ, Vinzenz 134 PROTT, Marie von 96 PROZOR, Gräfin 184 PROZOR, M. Graf 111, 184 PÜCKLER, Clementine Gräfin von 205 PUFENDORF, Samuel von 65 PUTTKAMER, Wanda von 59 QUENSEL, Paul 8, 130, 186, 221, 223, 248–251, 256, 269 RAABE, Peter 97, 150, 205 RAABE, Wilhelm 185, 274, 300 RÄHLMANN, Eduard 151 RAIMONDI, Marcantonio 166 RANTZAU, Graf zu, Oberst und Regimentskommandeur 168 RASCH, Otto 149 RECLAM, Hans Heinrich 125, 127 REDSLOB, Edwin 9 REDSLOB, Ernst 9 REGER, Max 104, 213, 274 REIN, Wilhelm 27 REINHARDT, Max (eigentl. Goldmann) 71, 99, 295 REITZ, Robert 97, 104 REITZENSTEIN, Werner Freiherr von 57, 65, 95, 111, 161 REMBRANDT (eigentl. Rembrandt Harmensz van Rijn) 263 REMMERT, Martha 172 RENOIR, Auguste 183 REUß (ältere Linie), Heinrich XXII., Fürst von 182, 343 REUß (ältere Linie), Ida, Fürstin von geb. Prinzessin zu SchaumburgLippe 182, 343 REUß, Heinrich XXXII., Prinz von 179

Personenverzeichnis

REUß, Heinrich XXXIII., Prinz von 179 REUß, Marie Alexandrine, Prinzessin von geb. Prinzessin von SachsenWeimar-Eisenach 170, 192, 345 REUTER, Fritz 119, 289 REUTER, Gabriele 13ff., 22, 26, 38–41, 43f., 55, 58, 77f., 80f., 91, 124, 134, 185 REVENTLOW, Franziska zu 30 RICHTER, Cornelia geb. Meyerbeer 55, 100 RICHTER, Raoul 100 RIEDINGER, Johann Elias 166 RIEGEL, Herman 340 RIEMANN, Karl 206 RIEMANN-RAABE, Hedwig 173 RILKE, Rainer Maria 37, 67, 69, 73, 178, 222, 230, 235, 262 ROBERT-TORNOW, Walter 152 RODENBERG, JULIUS (eigentl. Levy) 45, 152, 169, 172 RODIN, Auguste 38, 105, 154, 160, 179, 183, 197f., 200ff., 204, 207, 212, 347, 351 RÖHL, Peter 62 ROHLFS, Christian 148 ROI, Sophie 97 ROLLAND, Romain 58 ROLLERI, Oda geb. von Anderten 70 ROLLETSCHEK, Joseph 326 ROSEGGER, Peter 300 ROSENBERG, Adolf 185 ROSENHAGEN, Hans 98, 196f., 274 ROSENTHAL, Clara geb. Elstätter 99, 109 ROSENTHAL, Eduard 99, 109, 121, 209 ROSENTHAL, Kurt 109 ROSNER, Paul 157 ROSSI, Ernesto 166 ROTHE, Frau 96 ROTHE, Karl 21, 23, 96, 103, 105ff., 112, 158, 201f., 209, 299 ROUSSEAU, Jean-Jacques 253 RÜCKERT, Friedrich 151, 167, 172 RÜCKOLDT, Familie 141 RULAND, Carl 166, 199 RUMÄNIEN, Elisabeth, Königin von siehe Carmen Sylva

Personenverzeichnis

RUSKIN, John 11, 25, 171, 176, 185, 208, 233, 244, 246, 252 RUßLAND, Boris Godunow, Zar von 272 RUßLAND, Katharina II., Zarin von geb. Prinzessin von Anhalt-Zerbst 59 RUßLAND, Maria Fjodorowna, Zarin von geb. Prinzessin Sophie von Württemberg 159 RUßLAND, Peter I., der Große, Zar von 281f. RYSSELBERGHE, Maria van 179, 342 RYSSELBERGHE, Theo van 73, 179, 342 SAALBORN, Otto 137 SAALBORN, Richard 142 SAAR, Ferdinand von 300 SACHS, Hans 131, 298 SACHSEN, Friedrich August, König von 68 SACHSEN-EISENACH, Albrecht, Herzog von 141 SACHSEN-GOTHA-ALTENBURG, Ernst I, der Fromme, Herzog von 141 SACHSEN-MEININGEN, Georg II., Herzog von 160, 172, 198, 205, 365 SACHSEN-WEIMAR, Bernhard, Herzog von 41, 131, 141, 258 SACHSEN-WEIMAR, Ernst August I., Herzog von 141 SACHSEN-WEIMAR, Johann Ernst I., Herzog von 141 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Alexander, Prinz von 170 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Anna Amalia, Herzogin von geb. Prinzessin von Braunschweig 21, 56, 74, 86, 125, 147, 162, 170, 176, 178, 285, 358 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Augusta siehe Preußen SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Auguste geb. Prinzessin von Württemberg 170ff. SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Bernhard Heinrich, Prinz von 165, 170, 190f. SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Bernhard, Prinz von (seit 1901 Graf von Crayenberg) 170

401

SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Carl Alexander, Großherzog von 1f., 4f., 8, 13, 42, 44ff., 50, 54ff., 57f., 59, 65, 77, 84, 91f., 96, 128f., 142f., 145f., 148, 152, 160, 163–170, 172, 175ff., 179f., 189–294, 196, 200, 205, 213, 216f., 219, 225, 276, 340, 345, 348, 358, 364f. SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Carl August, Erbgroßherzog von 8, 57, 90, 92, 128, 143, 163–172, 189, 191, 194, 219, 348f. SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Carl August, Herzog, Großherzog von 20, 31, 141, 143, 146, 150, 163, 169 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Carl August Wilhelm Ernst, Erbgroßherzog von (ältester Sohn des Großherzogs Wilhelm Ernst) 208, 216, 218, 306 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Caroline, Großherzogin von geb. Prinzessin Reuß ältere Linie 20, 22, 66, 96, 112, 121, 142f., 149, 175, 181–187, 193, 195, 199, 343f., 344f. SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Elisabeth siehe MecklenburgSchwerin SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Ernst, Prinz von 170 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Feodora, Großherzogin von geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen 10, 12, 64, 128, 143, 149, 307f., 349 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Hermann, Prinz von 170, 72f. SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Luise, Herzogin, Großherzogin von geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt 20, 170 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Maria Pawlowna, Großherzogin von geb. Großfürstin von Rußland 10, 20, 29, 45, 56, 157, 167, 170, 174, 215, 316 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Marie Alexandrine siehe Reuß SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Olga, Prinzessin von 181 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Pauline,

402

Erbgroßherzogin von geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 11f., 22, 27, 92, 96, 121, 165f., 168–183, 186, 189f., 203, 205, 213, 215, 348 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Sophie, Großherzogin von geb. Prinzessin der Niederlande 8, 13, 54, 78, 142, 163, 165, 167, 169ff., 178, 190f., 203, 215, 348 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Sophie, Prinzessin von 216, 218 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Wilhelm, Prinz von 170, 181 SACHSEN-WEIMAR-EISENACH, Wilhelm Ernst, Großherzog von 8, 10, 22, 29, 57, 60, 64, 68, 77, 105, 112f., 115, 121f., 126, 128ff., 143, 146, 149, 159, 161, 165, 170, 175, 181–184, 186–220, 294f., 299f., 307, 343, 345f., 347, 350f. SACHSEN-ZEITZ, Moritz, Herzog von 251 SAHARET, Tänzerin 287 SAINT-DENIS, Ruth 302ff., 365f. SAINT-SAËNS, Camille 171 SALOMON, Alice 27 SAND, George (eigentl. Aurore Dupin, Baronin Dudevant) 16, 185 SANDVOß, Franz („Xanthippus”) 152 SAYN-WITTGENSTEIN, Carolyne Fürstin von geb. Iwanowska 56, 260 SCHACK, Karl 207 SCHÄFER, Wilhelm 360 SCHAUKAL, Richard 125 SCHAUMBURG-LIPPE, Adolf Georg Fürst zu 182 SCHAUMBURG-LIPPE, Georg Fürst zu 182 SCHEEL, Erica von 294 SCHEFFEL, Victor (von) 83, 169, 172, 185 SCHEFFLER, Karl 95, 98, 106, 212, 273f., 280, 328 SCHEIDEMANTEL, Eduard 130, 132, 159, 161 SCHEIDEMANTEL, Friedrich 115, 120, 136, 142, 176, 195 SCHELLENBERG, Elisabeth 222

Personenverzeichnis

SCHELLENBERG, Ernst Ludwig 124, 222, 249, 261–265 SCHELLENBERG, Ernst Viktor 261 SCHELLHORN, Bertha 136 SCHELLHORN, Emma 136 SCHENNIS, Fritz von 13, 39 SCHERER, Wilhelm 79, 82 SCHERFF, Theodor 291, 307 SCHILLER, Charlotte (von) geb. von Lengefeld 23 SCHILLER, Friedrich (von) 10, 25, 31, 78, 92, 116, 123, 125, 139, 146, 153, 157–161, 192ff., 234, 239ff., 252, 272ff., 279, 285, 293, 299f., 326, 334, 356, 360 SCHIRACH, Carl Norris von 205 SCHLAF, Johannes 112, 124, 160, 222, 228, 245, 249, 262, 269, 358 SCHLEGEL, Caroline geb. Michaelis verw. Böhmer (später Schelling) 101 SCHLEGEL, Friedrich Wilhelm Joseph 227 SCHLEMMER, Oskar 63 SCHLITZ, Emil Friedrich Graf von und zu (genannt Graf Görtz) 168, 176 SCHLÖSSER, Rudolf 151 SCHMELLER, Johann Josef 135 SCHMETTAU, Friedrich Wilhelm Carl Graf von 353 SCHMIDT, Arthur 209f. SCHMIDT, Auguste 174 SCHMIDT, Emil 213 SCHMIDT, Erich 79, 167, 173 SCHMIDT, Friedrich 130 SCHMIDT, Hans W. 141ff., 149 SCHMITT, Askan 113f., 121 SCHNEIDER, Elisabeth 9, 159, 272 SCHNEIDER, Sascha 68, 184, 196, 211 SCHNELLE, Max 157 SCHNITZLER, Arthur 2, 29 SCHOBER, Franz von 260 SCHODER, Thilo 98 SCHÖNTHAN, Paul von 80 SCHOLZ, Adolf von 274 SCHOLZ, Irmgard von geb. Wallmüller 266 SCHOLZ, Wilhelm von 5, 102f., 108ff., 148, 154, 221, 228, 265–268, 273–276, 279, 281, 283, 330, 360

Personenverzeichnis

SCHOLZ, Wilhelm von (Sohn des Dichters) 266 SCHOPENHAUER, Arthur 39, 168 SCHOPENHAUER, Johanna Henriette geb. Trosiener 50 SCHOPENHAUER, Louise Adelaide Lavinia, gen. Adele 50 SCHORN, Adelheid von 13, 39, 47, 56ff., 65, 101, 149f., 172, 193f., 266, 330 SCHORN, Henriette von geb. Freiin von Stein zu Nord- und Ostheim 56 SCHORN, Ludwig (von) 56 SCHORN, von, erster Gatte Else Ernsts 266 SCHRADER, Auguste 190 SCHRADER, Hermann 151 SCHRÖDER, Rudolf Alexander 67, 73, 102, 124, 212 SCHRÖTER, Corona 149 SCHUBERT, Franz 39, 104 SCHÜCKING, Levin Ludwig 99 SCHÜDDEKOPF, Carl 9, 125, 151ff., 160 SCHULER, Alfred 53 SCHULTZE-NAUMBURG, Paul 58, 63, 132, 185, 186, 209, 212 SCHUMANN, Hanna 143 SCHUMANN, Robert 39 SCHWEDEN, Gustav II. Adolf Wasa, König von 131, 308 SCHWINDRAZHEIM, Oskar 242 SCKELL, Otto 28, 142 SCOTT, Robert Falcon 291 SEELIGMÜLLER, Dorothea 97, 210 SEIDL, Arthur 91 SERMONETA, Michelangelo Caetani Herzog von 172 SEUSE, Heinrich 255 SHAKESPEARE, William 122, 137, 146, 192, 204, 293, 298f., 309, 356 SILCHER, Friedrich 128 SLEVOIGT, Max 184 SMITH, Carl Fritjof 148, 211 SOHNREY, Heinrich 108f., 241 SOMMER, Anton 133 SONNENTHAL, Adolf (von) 59, 63, 66, 186 SOPHOKLES 119, 298f. SORET, Frédéric Jean 190

403

SORMA, Agnes 300 SPINNER, Frau 11 SPINNER, Wilfried 11, 151, 183 SPYRI, Johanna 185 STADELMANN, Carl Johann Wilhelm 121f. STAHR, Anna 13, 136 STAHR, Helene 13, 136 STARGARDT, J.A., Antiquar 21 STARK, Max 335 STARKE, Richard 157 STAUDACHER, Laura 345 STAVENHAGEN, Bernhard 21, 148, 172 STEIN, Charlotte Freifrau von geb. von Schardt 64, 69, 149, 151 STEIN, Heinrich von 57 STEIN, Leo 289 STEIN, Oktavie Freifrau von geb. Freiin von Berckheim 58 STEINER, Rudolf 1, 21, 39, 47, 79–82, 85f., 90–94, 136, 153, 167, 173, 229, 245, 313, 326 STEINIGER, Emil 115 STERN, Adolf 299, 337 STERN, Maurice Reinhold von 241 STERNBERG, Ludwig 119 STICHLING, Gottfried Theodor 18, 112 STIFTER, Adalbert 90, 185, 253 STIRNER, Max (eigentl. Kaspar Schmidt) 21, 77, 80f., 85 STORM, Theodor 166, 253 STRAUß, Johann 144 STRAUSS, Pauline geb. de Ahna 172 STRAUSS, Richard 77, 99, 148, 172, 235, 304, 309 STRITT, Marie 20, 23, 26f. STUCK, Franz von 184 SUCHODOLSKA, Lisbeth von geb. Brauer 39 SUCHODOLSKI, Zdzisław von 39 SUCHSLAND, Marie Rose geb. von Watzdorf gesch. von Anderten 70 SUDERMANN, Hermann 289, 298 SUPHAN, Bernhard 79, 90, 158, 167, 179, 274 SWINBURNE, Algernon Charles 72 TAINE, Hippolyte 100, 245 TAUBE von der Issen, Helene Baronin

404

von 67 TAUBE von der Issen, Otto Baron von 67f., 102, 151 TAUBE von der Issen, Otto Baron von (der Vater des Dichters) 67 TAULER, Johannes 255 TEXTOR, Johann Wolfgang 34 THACKERAY, William Makepeace 222 THEDY, Max 59, 206, 211, 214, 349 THELEMANN, Ludwig 91f., 123, 136 THIEL, Ernest 103 THIEL, Signe 103 THIENEL, Joseph 115 THODE, Daniela geb. von Bülow 172 THODE, Henry 201, 348 THON, Therese geb. Kirsten 31 THOREAU, Henry David 223, 229 THÜNA, Julie Freifrau von geb. von Hanneken 96 THÜNA, Lothar Freiherr von 96 THÜRINGEN, Elisabeth, Landgräfin von 260 THÜRINGEN, Friedrich I., der Freidige, Landgraf von, Markgraf von Meißen 329 TIBURTIUS-HIRSCHFELD, Henriette 15 TIECK, Ludwig 104 TILLE, Armin 151, 188 TOLSTOI, Leo 185, 269 TRAINER, Karl 307 TRAKL, Georg 212 TREITSCHKE, Heinrich von 169, 278 TRINIUS, August 185 TROLL-BOROSTYÁNI, Irma von 15 TSCHUDI, Hugo von 105, 109 TUAILLON, Louis 184, 212 TUCHOLSKY, Kurt 231 TÜBBECKE, Paul 148 UCKRO, Fritz von 350 UECHTRITZ, Axel von 129 UHLAND, Ludwig 10 ULRICH, Anna 134 URACK, Otto 96 URTEL, Elisabeth 28, 96, 110 VARNHAGEN von Ense, Rahel Antonie Friederike geb. Levin 16 VEGA CARPIO, Lope Félix de 236, 272 VELDE, Helen van de 106

Personenverzeichnis

VELDE, Henry van de 12, 21f., 58, 65f., 70ff., 74, 77, 94f., 97, 99, 103, 105ff., 120f., 126, 134, 136, 161, 173, 175f., 178f., 182ff., 187ff., 195– 198, 200, 204, 206–211, 216, 246, 267, 274, 280, 286, 294, 296, 320, 343, 346, 350, 364 VELDE, Maria van de geb. Sèthe 71f., 96, 103, 105f., 179 VELDE, Nele van de 106 VERDI, Giuseppe 309 VERHAEREN, Emile 66, 222, 262 VERLAINE, Paul 72, 222, 262 VIARDOT-GARCIA, Pauline 19 VIEBIG, Clara 185 VIGNAU, Hippolyt von 83f., 121, 179, 183, 205, 286, 294f., 299 VIGNAU, Margarethe von geb. Mandel 204 VILLIERS DE L’ISLE-ADAM, Auguste Comte de 71 VINECKY, Josef 207 VINNEN, Carl 211 VOIGT, Wilhelm 360 VOIGT-DIEDERICHS, Helene 321 VOLLERT, Max 151, 158, 188, 218 VOß, Richard 58, 172, 185, 293 VULPIUS, Christian August 141 VULPIUS, Familie 118 VULPIUS, Rinaldo 136 VULPIUS, Walter 27, 142, 154, 299 WACHLER, Ernst 8, 58, 101, 107ff., 121, 124, 154f., 221, 223, 238–243, 256, 298 WACHNER, Sophie 300 WÄCHTLER, Fritz 248 WAGNER, Cosima geb. Liszt 101, 103f., 172 WAGNER, Mathilde 28, 97 WAGNER, R., Buchdrucker und Verleger in Weimar 126 WAGNER, Richard 12, 42, 44, 55, 57, 101, 103f., 131, 144, 155, 228, 244, 268, 284, 294, 297, 309 WAGNER, Siegfried 57 WAHLE, Julius 27, 91, 125 WALLPACH, Arthur von 241 WALTHA, Oskar 289

Personenverzeichnis

WARDENBURG, Friedrich von 164, 190f. WATZDORF, Curt von 64 WATZDORF, Werner von 64 WATZDORF-BACHOFF, Erika von 12, 28, 56, 58f., 63–71, 111, 124, 159f., 186, 188, 195, 203, 205, 221, 273, 320, 358 WATZDORFF, Augusta von 66 WEBER, Carl Maria von 144, 169 WEDEKIND, Frank 288, 295 WEDEL, Cecilie Gräfin von 96, 222 WEDEL, Georg Graf von 161 WEDEL, Marie Gräfin von geb. von Beust, gen. Marie Witilo 11, 96, 102, 111, 329 WEDEL, Oskar Graf von 57, 111, 203 WEGENER, Paul 292 WEICHARDT, Karl 246 WEICHBERGER, Eduard 136 WEINGARTNER, Felix 308 WEISE, Robert 214 WEISER, Karl 159, 300, 365 WEIßBACH, Hermann 15, 86 WEISSTEIN, Gotthilf 153 WENDLAND, Ernst Heinrich Ludwig August Freiherr von 65 WENDT, Hans Hinrich 168 WENIGER, Ludwig 151 WERNER, Dietrich 189, 347f. WERNER, Meike G. 3 WERTH, Jan von 258 WERTHEIMSTEIN, Josephine von 55 WERTHERN-BEICHLINGEN, Hans Graf von 105 WETTE, Theodor 299, 331 WHITMAN, Walt(er) 124, 222 WIBIRAL, Dora 97, 210 WIECKE, Alwine 326 WIECKE, Paul 148, 161, 326 WIED, Sophie zu, Fürstin von Albanien 253, 357f. WIED, Wilhelm zu, Fürst von Albanien 357 WIEDEY, Ferdinand 104 WIELAND, Christoph Martin 29, 31, 61, 143, 161, 288 WILDE, Oscar Fingal O’Flahertie Wills 38, 185, 235, 299, 304

405

WILDENBRUCH, Ernst von 56, 58, 98, 146, 149, 172, 176, 185, 193, 213, 277, 296, 299, 308 WILDENBRUCH, Maria von geb. von Weber 149, 176 WILDERMUTH, Ottilie 185 WILLE, Bruno 269 WINDSCHEID, Bernhard 159 WINDSCHEID, Charlotte geb. Pochhammer 159 WINTER, Amalie (eigentl. Amalie von Groß geb. von Seebach) 40, 164, 260, 318 WIRTH, Albrecht 101 WITKOWSKI, Georg 9, 125 WOLF, Hugo 104 WOLFF, Rentier in Weimar 143 WOLFSKEHL, Karl 53 WOLTZE, Berthold 39 WOLZOGEN, Ernst Freiherr von 286 WOLZOGEN, Hans Paul Freiherr von 228 WORMS, Carl 230 WÜNSCHMANN, Bruno 138 WÜRTTEMBERG, Friedrich I. Kurfürst, König von 51 WUNBERG, Gotthart 361 ZAPFE, Rudolf 142 ZECH, Anna Reichsgräfin von 11 ZEISS, Carl 85, 165 ZELLER, Heinrich 148 ZENKER, Carl 118 ZEPPELIN, Ferdinand Graf von 139 ZETKIN, Clara 24, 48 ZICHY, Géza 172 ZOBELTITZ, Fedor von 125 ZOLA, Emile 77, 269 ZUCKMAYER, Carl 360 ZWEIG, Stefan 281

Verzeichnis der Bildquellen Klassikstiftung Weimar/ Goethe- und Schiller-Archiv:

Abb.3 Abb.6

(10-166-55.tif) (10-177-175.tif)

Stadtarchiv Weimar:

Abb.5 Abb.10 Abb.11 Abb.16 Abb.18 Abb.21 Abb.22 Abb.23

(63 4/F) (63 0-2/K) (63 0-2/K) (60 3-0/1) (60 3-1/1) (NA II-8-548 Bd.6) (63 4/S) (60 3-1/1)

Stadtmuseum Weimar:

Abb.1 Abb.2 Abb.4 Abb.12 Abb.13 Abb.14 Abb.17 Abb.19 Abb.20 Abb.24

(Postkartensammlung) (8wU20524) (Sammlung Held) (Postkartensammlung) (Sammlung Held) (Sammlung Held) (8zzZF4994) (Bibliothek) (Sammlung Held) (Sammlung Held)

Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar:

Abb.7

(Armbrustschützen-Gesellschaft Weimar Nr. 239v.) Abb.8 (Armbrustschützen-Gesellschaft Weimar Nr. 270r.) Abb.9 (Vereinsgesellschaft Nr.33, Bl.122r.) Abb.15 (Großherzogliches Hausarchiv A XXXI, Nr.21, Bl.3v.)