Festgruss Bernhard Stade zur Feier seiner 25 jährigen Wirksamkeit als Professor dargebracht [Reprint 2019 ed.] 9783111572918, 9783111200965


199 82 15MB

German Pages 342 [352] Year 1900

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Hochverehrter Lehrer!
INHALT
ZUSAMMENSETZUNG UND HERKUNFT DER BILEAM-PERIKOPE IN NUM. 22—24
DE BILDERSPRACHE JESU IN IHRER BEDEUTUNG FÜR DIE ERFORSCHUNG SEINES INNEREN LEBENS
DAS LEBEN JESU BEI PAULUS
DIE APOKRYPHEN GNOSTISCHEN ADAMSCHRIFTEN AUS DEM ARMENISCHEN ÜBERSETZT UND UNTERSUCHT
DIE BEDEUTUNG DER BEIDEN DEFINITORIALORDNUNGEN VON 1628 UND 1743 FÜR DIE GESCHICHTE DES DARMSTÄDTER DEFINITORIUMS EINE STUDIE ZUR GESCHICHTE DES HESSISCHEN KIRCHENRECHTS
LUTHERS AUSLEGUNG DES ALTEN TESTAMENTS
Recommend Papers

Festgruss Bernhard Stade zur Feier seiner 25 jährigen Wirksamkeit als Professor dargebracht [Reprint 2019 ed.]
 9783111572918, 9783111200965

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

FESTGRUSS FÜR

BERNHARD STADE.

FESTGRUSS B E R N H A R D STADE ZUR FEIER SEINER

25 JÄHRIGEN WIRKSAMKEIT ALS PROFESSOR DARGEBRACHT VON

SEINEN SCHÜLERN

W.DIEHL. R. DRESCHER. K. EGER. A. v. GALL. E. PREUSCHEN. H. WEINEL.

GIESSEN J. RICKER'SCHE

VERLAGSBUCHHANDLUNG

(ALFRED TÖPELMANN) I9OO.

DRUCK VON W. DiUGULIN IN LEIPZIG.

Hochverehrter Lehrer! D e r festliche Tag, zu dem wir Ihnen diese Gabe überreichen wollen, hat vor allem Bedeutung für Hessen. Es sind nun fünfundzwanzig Jahre verflossen, seit Sie an Hessens Hochschule wirken. Dass Ihre Wirksamkeit in dieser Zeit nicht vergeblich gewesen ist, sollen Ihnen und Andern auch die folgenden Blätter zeigen; dass sie nicht als selbstverständlich und danklos hingenommen wird, wollen auch wir Ihnen mit unsrer Gabe beweisen. Es wäre wohl nicht schwer gewesen, für diesen Festgruss einen grösseren Kreis von Schülern und Freunden zu versammeln, und wir sind sicher, dass sich dafür mancher klangvolle Name hätte gewinnen lassen. Aber wir dachten, dass es Ihren Wünschen nicht entsprechen würde, an solchem Tage eine möglichst geräuschvolle Kundgebung zu veranstalten. Wie gross auch die Gemeinde ist, zu der Sie in Ihren wissenschaftlichen Werken reden, die unablässige Sorge und die stille Arbeit, die Sie, unangefochten durch Verkennung und Anfeindungen mancher Art, auf die Ausbildung der jungen Theologen gewendet haben, gilt doch in erster Linie der hessischen Kirche. Ihre Diener vorzubereiten fiir ihren heiligen Beruf, in dem sie den verkündigen sollen, der grösser war als Gesetz und Propheten, das ist das letzte und höchste Ziel Ihrer Arbeit, der wissenschaftlichen sowohl, wie der praktischen gewesen in diesen langen Jahren. Und unvergessen soll daneben auch bleiben, was Sie der Gesamtheit der hessischen Kirche als Mitglied der hessischen Landessynode genützt haben durch besonnenen Rat und treue Warnung.

Die Arbeiten, die wir Ihnen im Folgenden vorlegen, wollen ein bescheidenes Bild dieser Ihrer nach so vielen Seiten anregenden Thätigkeit sein. Sie sind den Gebieten entnommen, auf denen sich unsere Studien bewegen. Was alle diese Arbeiten verbindet, ist nicht nur das Gefühl der Dankbarkeit Ihnen gegenüber, sondern auch das Bewusstsein, dass Sie es waren, der in uns die Lust zu wissenschaftlicher Thätigkeit erweckt, die Kräfte geschult und uns für unser Streben ein grosses Ziel gegeben hat, ohne das jede Arbeit unbefriedigend bleibt. Und wenn Sie aus den folgenden Blättern etwas von diesem Gefühl der Dankbarkeit und dem Streben, die Wahrheit zu erkennen und durch sie frei zu werden, herauslesen sollten, so hoffen und wünschen wir, dass Sie damit etwas von der Freude verspüren, die die Verheissung in sich birgt, dass das Wort Gottes nicht leer zurückkommt.

Wilhelm Diehl.

Richard Drescher.

Karl

Eger.

August Frh. v. GalL Erwin Preuschen. Heinrich Weinel.

INHALT. Seite

GALL, August, Freiherr von, Lic. theol., Dr. phil. in Mainz.

Zu-

sammensetzung und Herkunft der Bileam-Perikope in Num. 22

24

1

WEINEL, Heinrich, Lic. theol., Dr. phil. in Bonn.

I

Die Bilder-

sprache Jesu in ihrer Bedeutung für die Erforschung seines inneren Lebens

49

DRESCHER, Richard, Dr. phil. in Lampertheim.

Das Leben Jesu

bei Paulus

99

PREUSCHEN, Erwin, Lic. theol., Dr. phil. in Darmstadt.

Die

apokryphen gnostischen Adamschriften aus dem Armenischen übersetzt und untersucht

163

DIEHL, Wilhelm, Lic. theol., Dr. phil. in Hirschhorn.

Die Be-

deutung der beiden Definitorialordnungen von 1628 und 1743 für die Geschichte

des Darmstädter Definitoriums.

Eine Studie zur Geschichte des hessischen Kirchenrechts EGER, Karl, Lic. theol. in Darmstadt.

.

253

Luthers Auslegung des

Alten Testaments nach ihren Grundsätzen und ihrem Charakter an Hand seiner Predigten über das 1. und 2. Buch Mose (1524 ff.) untersucht

297

ZUSAMMENSETZUNG UND HERKUNFT DER

BILEAM-PERIKOPE IN NUM. 22—24

VON

A. FREIHERR v. GALL.

Das Manuskript vorliegender Untersuchung sollte am i. April d. J. fertig vorliegen. Einige Wochen vor diesem Tag erhielt ich die schon im 12. Hefte der theologischen Rundschau, B. II., 1899, S. '87, als Inaugural-Dissertation angekündigte Abhandlung von Lic. theol. Franz Wobersin, dem Direktor des evangelisch lutherischen Predigerseminars für Amerika in Kropp, über „die Echtheit der Biramsprüche", Gütersloh, Bertelsmann, 1900. Der Verlag, in dem die Arbeit erscheinen sollte, hatte mir von vornherein die Gewissheit gegeben, dass meine Untersuchung, mit der ich mich zur Zeit der Ankündigung der Schrift von Wobersin beschäftigte, die Komposition der Bileamperikope, dadurch nicht überflüssig gemacht würde, da unser Standpunkt doch wohl ein etwas verschiedener sei. Jetzt, wo mir Wobersins Arbeit vorliegt, muss ich sagen, dass ich mir so verschieden unsere Ansichten von dem gemeinsamen Ausgangspunkt doch nicht vorgestellt hätte. Wobersin hält an der völligen Einheit der Erzählung von Num. 22—24 fest; Quellen giebt es für ihn nicht. Moses selbst hat die Begebenheit, sowie die Segenssprüche von dem Überläufer Bileam erfahren, der damit das Geld zu verdienen gehofft hatte, das Balak ihm vorenthielt. Selbstredend hat die Eselin leibhaftig gesprochen, freilich „ob Gott zu diesem Zweck den Kehlkopf der Eselin verändert hat oder nicht, ist eine Frage, die nicht im Ernste gestellt werden darf" (S. 12). Um Bileams Verhalten zu verstehen, muss man an „die gubernatio Dei, wie die Dogmatik dieselbe gefasst hat", denken, an impeditio und directio. Bei dieser unwissenschaftlichen Methode von Wobersins Untersuchung wird man wohl ruhig an ihr vorübergehen dürfen, ohne sie weiter zu berücksichtigen, und von neuem die Frage nach der Zusammensetzung und Herkunft der Bileamperikope stellen können. Wir betrachten im Folgenden zuerst die Erzählungsstücke, 1*

sodann die Gedichte, um dann noch die in beiden Abschnitten gefundenen Resultate mit einander zu vergleichen und in Einklang zu bringen. I. Die Erzählungsstücke von Num. 22—24. Über die Quellenfrage der Erzählungsstücke von Num. 22—24 ist bis jetzt nur wenig und nicht erschöpfend gearbeitet worden. Ein endgiltiges Resultat liegt noch nicht vor. Noch in der jüngsten Auflage der Komposition des Hexateuchs 1 schliesst Wellhausen die Behandlung des ganzen in Betracht kommenden Abschnitts mit den Worten: „man kommt über Fragen und Zweifeln nicht hinaus". Gleichwohl ist zwischen den bedeutendsten, modernen Kritikern in Bezug auf die Quellenfrage der Erzählungsstücke eine gewisse Übereinstimmung erzielt worden. Nur Kuenen steht a l l e i n w e n n er ausser der Episode mit der Eselin keine andren Bruchstücke aus J anerkennen will und auch jene selbst als von E seiner Erzählung einverleibt sieht. Dillmann Kittel4, Wellhausen5, Meyer 6 , Cornill? und selbst Strack* haben dagegen mit Recht die Annahme vertreten, dass auch J ursprünglich eine grössere Erzählung von Bileam gehabt hat, von der sich noch deutliche Spuren vorfinden, und dass diese Erzählung erst durch dritte Hand, den R J E mit E vereinigt worden ist Wo man freilich solche Spuren von J vorzufinden hat, darüber ist man oft ganz gegenteiliger Ansicht. Es wird daher angebracht sein, die Quellenfrage nochmals gründlich zu prüfen. Man hat allgemein erkannt, dass in 22, 3 Dubletten vorliegen. V. 3 a K1.T21 -O 1KÖ DJ?H MBD 2K1D "W ist inhaltlich dasselbe wie das ^iOBP MED 3K1D in V. 3 b. Wegen des pluralischen » 3. Aufl., 1899, S. 351 f. Im Folgenden citiere ich die Auflage von 1889, soweit dieselbe sich mit der neuesten deckt. » TheoL Tijdsch., XVIII, 1884, S. 497 fr. 3 Die Bücher Num., Deot. und Jos., 1884, S. 136 ff. 4 Geschichte der Hebr., 1884, S. 183 ff.

3 a. a. O.

« ZAW, I, S. I2i. 7 EinL in das A T , 3. Aufl., S. 73. * Bücher Ex., Lev., Num., 1894, S. 441.



5



1 hat man auch V. 3 b allgemein E und demgemäss V. 3 a J zugewiesen. Aus' pp etwas zu folgern, ist gewagt. Allerdings findet es sich auch Ex. 1, 12 (E), doch muss man sich überhaupt davor hüten, auf sprachliche Eigentümlichkeiten bei der Quellenscheidung von J und E zuviel zu geben, da wir darüber zu wenig wissen. Die dialektischen Unterschiede zwischen Nord- und Südreich werden wohl nicht grösser gewesen sein als die heutigen von NordundSüddeutschland. BeiV.4beginnenschondieMeinungsverschiedenheiten der Kritiker. Was ging V. 3 a, bezw. V. 3 b voran, und was folgte ihnen ? V. 4 a scheint mir unbedingt zu E zu gehören 2 , da

Vnpn

als die Gemeinde Israels ausser in P und D sich nur in E findet (Num. 16, 33 b). Was die ^pl hier sollen, ist rätselhaft. Dillmann möchte ihretwegen den ganzen V. J zuweisen aber Wellhausen hat wohl mit Recht vermutet 4 , dass sie im Anschluss an P (Num 25, 6. 31, 8. 16) hier eingefügt sind. Auch ist die Ver, Jpt sehr sonderbar. bindung von 3N1Ö und Gehört V. 4b auch zu E, und der Grund zu einer gegenteiligen Annahme liegt nicht vor, so ergiebt sich als seine Parallele V. 2. Hier könnte das singularische auf J weisen. Der 'TBK bedingt nicht die Herkunft, aus E, wie man gewöhnlich denkt. Für J waren die Amoriter ein Volk, das ursprünglich jenseits des Jordans sass 5 ; erst fiir E und die späteren Quellen sind sie identisch mit den Kananitem, wohnen also auch wie diese im Westjordanland. In V. 2 wird einst ein 3N10 T^O gestanden haben, der wegen V. 4 von R getilgt wurde6. V. 5 schliesst sich gut an V. 4 an Nach ihm, also nach E, wohnte Bileam am Euphrat (VU), und zwar am rechten Ufer des oberen Flusses in "llfiß, dem alten Pitru 8 . Dem widerspricht aber das

' Holzinger, Einl. i. d. Hexateuch, 1893, S. 108. Wellh., a. a. O., S. 90, Dillmann, a. a. O., S. 141. 2 So auch Wellh., a. a. O., S. 112. 3 a. a. O., S. 141. 4 a. a. O., S. 112. 5 Nach Wellh., a . a . O . , S. 110, gehört 21, 21 ff. zu J . Zu den Amoritem vergl. Guthe, Geschichte d. Volkes Israel, 1899, S. 17. 34. 6 Strack, a. a. O., S. 431; vergl. auch Dillm., a. a. O., S. 141. 7 Dillm. muss freilich an V. 3 anschliessen, aber das ist hart 8 Schräder K A T * S. 155 f. — Marquart in Fundamente israel. und jüd. Geschichte, 1896, S. 74, erklärt freilich „die beliebte Gleichsetzung" für lautlich unhaltbar: „man würde im Assyrischen mindestens Pitaru erwarten" und kein



6



"6 iOpV )1DJJ p H , wie auch Pes. Sam. Vulg. zu verbessern ist 1 . Nach J, zu welchem das Sätzchen gehört, das mit Gewalt und ohne syntaktische Verbindung eingefugt ist, wohnt also Bileam in Ammon. A u c h das unverbundene 2 p N n ^J? J1N HD3 Hin ist schon wegen E x . 10, 5 J zuzuweisend Wegen p t t n AN HD3 itJn, was einen Einfall in das Land voraussetzt, stammt auch pNil )0 WlJKI in V . 6 aus J. Gehörte dieser Satz zum Vorangehenden, so müsste wie V . I i VflBHJI stehen; auch widerspricht der Sgl. dem ¡"133, das i Plr. Impf, ist und nimmermehr ein Infin. Das stammt aus V . 11 und ist von R hierher gesetzt worden. Dann wird V . 6 — 13 H31 zu E gehören; dazu findet sich 1JBD «in D1SJ? auch E x . i, 9 (E)«. Da V . 6 b sich das Verb "TIN aus 6 a wiederfindet, ist es wohl statthaft, auch V . 6b aus E herzuleiten. In V . 7 sind die 3K1Ö "Opt f1D *JpH wie in V . 4 auf Kosten eines im Sinn von P schreibenden Autors zu setzen. W a s einst da gestanden hat, weiss ich nicht, da die Zuteilung des Verses zu einer bestimmten Quelle gewagt ist. Ich möchte den Vers E zuweisen, mit Ausnahme von D'DDpI DT3 s, da gerade J von einer Beschenkung Bileams redet, wie wir sehen werden. Dann stand wohl für p D "Jptl 3K1D Up? einst ,3KI?0 Pitru. So ist denn für Marquart, dem sich Winckler (Gesch. Isr., I, 174, N. 2), anschliesst, "injn nicht der Euphrat, sondern der CIXO 1713, und Cheyne vermutet deshalb, (Expos. Times, X , 401), dass Num. 22, 5 rHWS aus niah"l verschrieben ist. Allerdings ist Marquarts Vermutung ansprechend, (Stärk, Studien zur Relig.und Sprachgeschichte des A T , II, S. 38), und wegen Gen. 36, 32 ist es ja sehr verlohnend, auch Num. 22 den Seher Bileam zum Edomiter zu machen. Doch, wenn ich von der assyrisch-hebräischen Sprachvergleichung, die ich nicht genug verstehe, und von der Unsicherheit der Bezeichnung des edomitisch-judäischen Grenzbaches als "injn absehe, so beachten die genannten Kritiker eines nicht, die Komposition von Num. 22. Die Möglichkeit, dass lb 1DS '32 f l N in V. 5 von Haus aus gar nicht mit der Umgebung, in der es jetzt steht, zu thun hat, wird von Marquart und den andern völlig ausser Acht gelassen. Und wie kann nach 22, 36, der wie 22, 5 zu E gehört (vergl. unten S. 9), Balak Bileam an den Arnon, die Nordgrenze Moabs, entgegengehen, wenn dieser aus dem Süden, aus Edom kommt! 1 Dillm., a. a. O., S. 142, Wellh., a. a. O., S. 112. Dass der historische Bileam in der Nähe Israels gewohnt hat, zeigt auch der König von Edom 1152 p aus Gen. 36, 32, der zweifellos mit unserm Bileam identisch ist (so auch Targ. Jon. und Targ. I Chron. I, 44). Das BaXctK der L X X könnte aus Num. 22 geflossen sein. 2 L X X Sam. Pes. haben die Kopula erst nachträglich eingefügt. 3 4 5 O., S.

Dillm., a. a. O., S. 142. Dillm., a. a. O., S. 142. Dillmann weist den ganzen V. 7 a J zu, ihm schloss sich Strack an, (a. a. 431).



7



3K10 (V. 5)- V. 8 stammte aus J 1 , wie der Gebrauch des auch nicht von der L X X geänderten mrp zeigt; auch redete E von D^kVo (V. 5) und nicht von denn dass D^liP ein hauptsächlich von E gebrauchtes Wort sei, ist eine unbewiesene Behauptung®, das Wort ist allen semitischen Sprachen gemeinsam. Umgekehrt lässt sich auch für J aus kein Kapital schlagen. V. 9. 10 werden durch ohne weiteres E zugeteilt. In V. 10 ist wohl nach L X X hinter il^t? ein DDK oder D'OKbörTTIN (LXX A) einzuschieben. Die Lesart des Alexandriners würde unsre Zuteilung zu E nur bestätigen. Das "IOK1? der L X X kann von R stammen, denn V. 11 passt nicht zum Vorangehenden. Gott will ja nicht wissen, was die Leute wollen, sondern wer sie sind. Auch enthält V. 11 Ausdrücke, die wir vorhin bei J fanden. Zu pKil j y HK D^l vergl. V. 5, zu 1 W U ) 11 DnW? V. 6aß. Gebrauchte E in V. 6 für fluchen 11K, so dürfen wir 23p als Eigenheit von J ansehen, obwohl sonst "TIN auch in andern Quellen vorkommt. In V. 12 weisen uns und "11N wieder auf E. V. 13—19 stammen wieder der Hauptsache nach aus J. In V. 13—16 haben wir wieder die D'lt? aus V. 8. ]ND wird von Dillmann3 als jahvistisch angesehen«. Auch ¡lliT, das noch L X X Luc. kennt, wofiir L X X , wie so häufig im Folgenden, eingesetzt hat, weist auf J. ]JÜ als „erlauben" wird freilich von Holzinger als Eigenheit von E angeführt (Gen. 20, 6) 5 , aber E x . 3, 19 zieht Wellhausen zu J, und über Num. 20, 21. 21, 23 kann man verschiedener Meinung sein. An V. 13 schliesst sich inhaltlich und sprachlich V. 14 an. Zu V. 15 ist zu merken, dass sich *)DW sehr häufig bei J findet.6 Da das «"Dp in V. 17 auf V. 11 weist, wird auch V. 17b zu J gehören, damit aber auch V. 16. 17a. Als Eigenheit von J hätten wir hier das Beschenken Bileams, wovon 1 Nicht aus E, (Dillm., a. a. O., S. 143). Vergl. Holzinger, a. a. O., S. 188. 3 Genes. 5A., S. 445. 4 Gen. 37, 35. 39, 8. Ex. 7, 14. 27 gehören sicher zu J ; Gen. 48, 19 wird von Ball (Book of Genes., 1896) auch zu dieser Quelle gerechnet Das will mir auch für Ex. 16, 28 dünken. Ex. 4, 23 ist Dt. Ursprungs, und Ex. 22, 16 gehört zum Bundesbuch, das wohl in Jerusalem entstanden ist, wenn auch in Kreisen ephraimitischer Priester. 5 a. a. O., S. 186. 6 Holzinger, a. a. O., S. 99. 2



8



wir schon zu DTO D^DDpI in V. 7 redeten*. Was soll nun aber V. 18? Auffällig ist hier 'Tay, wofür L X X allerdings "HP las; aber das Auffällige ist meist das Original. mrp ist auch sonderbar und sieht sehr nach R aus. Was soll überhaupt in V . 19 die Aufforderung Bileams an die Gesandten, noch eine Nacht dazubleiben, da er Jahwe fragen wolle, wenn er nach V . 18 seiner Sache so sicher ist? Alles wird klar, wenn V . 18 von ^TSJf bis nnj>! in V . 19 ein redaktioneller Zusatz ist. Bleibt 'il 13» IDfcTC DJ^3 so ist alles leicht verständlich. Die Sache ist die: Bileam wird auf das wiederholte Anerbieten Balaks stutzig und bittet die Fürsten, nochmals eine Nacht zu bleiben. Vielleicht, dass Jahwe ihm jetzt eine Zusage giebt. Denn dass V . 19 zu J gehört, zeigt schon das HD mrP f)Dl\ Nun fehlt aber weiterhin bei J einiges: Jahwe muss Bileam aufs neue verboten haben, mitzugehen. Da Bileam in der Perikope von der Eselin nur mit zwei Knaben zieht, darf man schliessen, dass Bileam die Fürsten entlassen hat mit dem Versprechen, nachzukommen. Mit V . 20 sind wir wieder bei E ; vergl. und die aus V . 9. Und S «1p ist noch kein Beweis für J, wie Stade will4, vergl. Gen. 20,8. 9. 31,4, welche Stellen alle zu E gehören 3. Zwischen V . 12 und V. 20 ist in E alles verloren gegangen; natürlich bedingen beide Verse auch bei E eine doppelte Botschaft. Von V . 21 gehört UflK n« » 3 m ip33 DJ^a DpM eng mit V. 22 zusammen. Die Eselin weist uns vorwärts. 3K1D ,TB> DJ> ist Glosse des R, die zwischen J und E vermitteln soll, denn nach E wird Bileam mit den Gesandten gegangen sein. Dass die nun folgende Geschichte V. 20 widerspricht, wird so ziemlich allgemein zugegeben; natürlich muss sie dann zu J gehören, wie die Kritiker auch zugestehen. Das passt zu der Angabe aus J in V . 5. Ein Ritt auf einem Esel durch die Wüste, denn nach E fuhrt so der Weg, ist undenkbar, und ohne Begleitung macht man eine solche weite Reise auch nicht 4 , auch giebts in der Wüste keine Weinberges. 1

V. 18 » 3 4 5

Vor ffDI in V. 15 wird wohl D'DDpl gestanden haben. auf das bestechende Gold an. ZAW., V. 298. Holz., a. a. O., S. 104. Wellh,, a. a. O., S. 347. Dillm., a. a. O., S. 146.

Es kommt j a nach



9



Nach V. 22 ff. wohnte Bileam in der Nähe Balaks, also wohl in Ammon. Das in V. 22 ist aus ni!T korrigiert, was noch Sam. hat. Auch sonst findet sich in diesem Abschnitt nur "Jt^D ¡TUT (V. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 31. 32. 341) oder in V. V. 21. 35. Wie jede der zwei Erzählungen einst gelautet hat, ist aus dieser Quellenverteilung leicht zu schliessen. J bot den Hergang ausführlicher, während E kürzer gehalten war. » Ausser in V. 31. 34 hat LXX ffiTP überall in DVl^K geändert. a. a. O., S. 152. 3 a. a. O., S. I I I . 4 a. a. O., S. 112. 347; vergebens suchen Kuenen und Dillm. das Gegenteil zu beweisen. 5 ij? für "Ii ist wohl Textfehler, vergl. Siegfried im Lexikon, S. 544. 6 Die Lage von 'Ar Moab ist noch nicht sicher ermittelt; Muhatet el hagg (Tristram, Land of Moab S. 124) ist nicht unmöglich. J



10



Gehen wir nun zu dem ausserordentlich komplizierten Text von 22, 39—23,6 über. In V. 36 (E) waren wir in 'Ar Moab. Warum geht nun V. 39 auf einmal Bileam mit Balak nach Kirjath Chuzoth? 1 Ein Platzwechsel ist kaum verständlich. Opfern konnte man auch in 'Ar Moab. Es wird am einfachsten sein, den V. 39 (J) die Fortsetzung von V. 37 sein zu lassen. Nachdem Balak persönlich Bileam gebeten hat, geht dieser mit ihm nach man XV"lp. Vielleicht kann aber auch in J zwischen V. 37 und V. 39 eine Entschuldigung Bileams gestanden haben, doch nötig ist sie nicht. Die nächsten Verse sind sehr konfus. Was soll das Opfern, von dem V. 40 berichtet ? Dass man es als Begrüssung und Ehrbezeugung für Bileam oder als „zur Einweihung der am andern Morgen zu beginnenden feierlichen Handlung" geschehend ansieht2, sind Verlegenheitsauskünfte. Auch hätte ein solches Präambulum nicht recht zur Notlage Balaks gepasst! In V. 40 ist Balak der, welcher opfert; dasselbe berichten nur noch 23, 3. 6; denn V. 2 b, der auch von einem Opfer Balaks redet, ist kaum intakt. Das tyM ist sonderbar; man erwartet doch ^JW. LXX kannte nicht, und nach V. 1 will ja gerade Bileam TB opfern O*?). Also wird es vielleicht gut sein, nur 1 zu streichen. Die Sache wird die sein, dass es eine Quelle gab, die nur von einem Opfer Balaks wusste. Diese Quelle war, wie sich uns weiterhin ergiebt, E; zu ihr gehört denn auch V. 40. Balak opfert, natürlich in 'Ar Moab, und überlässt3 Bileam Eingeweideteile4, die ihm zeigen sollten, dass es der Gottheit genehm sei, Israel zu fluchen. Bei dieser Auffassung dürfte IHN "IBM D,*lt5'bl Glosse sein, vielleicht um ein anstössiges TN zu entfernen und den Text nach Neh. 8 , 1 2 zu verstehen. An V . 40 schliesst sich sehr gut V . 3 (bis ns^Kl) an. 1

Die Lage ist ganz unbekannt. * Dillm., a. a. O., S. 1493 Das ist hier der Sinn von rbv-, ähnlich Joel 2,19. Job. 5,10 u. ö. vom Schenken Gottes. Bileam muss in der Nähe Balaks gestanden haben. 4 Dillm. erinnert an die nUD von Neh. 8,12 und hält sie für Ehrengaben. Ich vermute, dass es Eingeweide waren, aus denen Bileam erkennen sollte, dass es Gott wohlgefällig sei, den Fluch auszusprechen. Als ein solches Eingeweide wurde besonders die Leber benutzt, wie dies nach Ezech. 21, 26 gerade in Babylonien der Fall war. Und dies Land ist ja nach 22,5 die Heimat Bileams. Schon deshalb wird V. 40 aus E stammen.



II



Bileam verzichtet auf das ihm gebotene Anzeichen und fordert Balak auf, ruhig bei seinem Opfer zu bleiben, d a er selbst Gott fragen wolle. Hinter TTUm hat die L X X nun noch einiges, das nicht im Hebräischen T e x t steht. Ich halte dieses Plus der L X X nicht für eine spätere Wucherung, sondern für eine Übersetzung nach einer thatsächlichen Vorlage. U n d zwar muss nach dem Kontext das DT6K2 ^Kt^ DJ/ba "J^l Iflty ty pb* 32WV1 aus E s t a m m e n 1 ; hinter rD^M wird einst wohl, nach diesem aus L X X stammenden Satz zu schliessen, DTI^tO ^NtSW gestanden haben. D e r Sinn des Verses ist nun der: als Bileam die Eingeweide erhalten hat, sprach er zu Balak, er solle ruhig beim Opfer bleiben, er selbst wolle Gott fragen; beide thun darnach. D a r a n schliesst sich V. 5 gut an. W i r dürfen uns nicht an TWP stossen, das ist mit L X X in D T 6 K ZU ändern. D e r V. setzt 22, 38 voraus; vgl. die Redensart " m DW. Wir lernen Bileam bei E als einen Jahwepropheten kennen, der nichts nach Balaks Opfern fragt, sondern Gott selbst um R a t angeht und sich von ihm den Spruch sagen lässt. Zu V. 5 gehört natürlich V. 6 a ; V. 6 b ist Glosse wie in 22,40. Alles, was bei dieser Sichtung übrig bleibt, gehört nun zu J. A n 22,39 schliesst sich gut V. 41 an. Hier ist J1D32 nicht ein besondrer Ort sondern die Kultstätte von JYlSn J"Mp. V. 1 verlangt Bileam für sich, d. h. für seine Opfer, Altäre; J weiss also nichts von einem Opfer Balaks, Bileam braucht 7 Altäre, 7 Stiere und 7 Widder*. Bileam nimmt bei J eine ganz andre Stellung ein als bei E , er ist kein Prophet im s p ä t e m Sinn des Wortes, eher ein alter KähinS. Zu HD in 23,1 vergl. auch 2 2 , 1 9 (J). V. 3 a 1 Das 'BW ist der Rest des Ausgefallenen. Wer ' B ® übersetzen will, kann sich bei Dillmann etwas aussuchen. Ich sehe in ihm nur Buchstaben, Bruchstücke eines ganzen Satzes. 2

So ist zu lesen, vergl. meine Kultstätten S. 155. 3 Wie ich ebendaselbst irrtümlich gemeint habe. 4 E redet nur von 1 Altar und |Käl Ipa. 5 Man lese über den Kähin, den Seher, was Wellh. Reste arab. Heidentums, 1 . A., S. 129fr schreibt. Es sind oft Fürsten, sie gehören zu den Edelsten des Volks. „Der Einfluss solcher Seher reicht oft weit über die Grenzen ihres Stammes hinaus; von Mekka zum Beispiel pilgert man nach Jaman und nach Schäm (B. Hischäm 92), um seine Sache einem berühmten Kähin vorzutragen". Der Kahin ist „Organ der Gottheit." Wie wunderbar passt das alles für den Bileam des Jahwisten."



12



von an, der nach unsrer versuchten Wiederherstellung der Erzählung aus E jetzt in der Luft schwebt, kann einst nur die Fortsetzung von V. i gewesen sein, wie denn auch «TOV auf J weist. Aus den zugerichteten Opfern will Bileam heraussehen, was er nach Jahwes Willen sprechen soll. Jahwe soll ihm eine Vorbedeutung geben 1 , damit er sehen kann, ob er fluchen oder segnen muss. Die Sache ist also gerade umgekehrt wie bei E, wo sich Bileam lediglich an die Offenbarung Gottes hält und die Mantik Balaks zurückweist. Auf V. 3 a folgte in J einst V. 2a: Balak erfüllt Bileams Bitte und giebt ihm zur Antwort, was V. 4b steht. Die L X X hat V. 4b nicht mehr verstanden und schob, wohl im Sinn von R, hinter V^N ein ein. Aber es ist doch nicht einzusehen, weshalb Bileam Jahwe mitteilt, er habe alles bereit gestellt2, was ja nicht einmal richtig war, denn Balak hatte es ja gethan. Dem Sinn nach ist hinter V^K nur Balak zu ergänzen, der kann das folgende sagen. Aber im Text hat pi>a nicht gestanden, dafür ist der Anschluss an V. 2b zu eng. An V. 4b kann sich nur V. 2b in der von uns rekonstruierten Form angeschlossen haben. Und dann kam V. 4 a, wo natürlich m»T statt ZU lesen ist. Durch das Vorzeichen wird Jahwe Bileam gesagt haben, dass er nicht fluchen, sondern segnen sollte. Leider bricht der Text jetzt ab. Es wird uns nichts in J darüber berichtet — wenn wir vom Gedicht absehen — was Bileam that. Nur aus V. 1 1 , der wegen ap^ zu J gehört (vergl. 2 2 , 1 1 . 17), ersehen wir, dass auch bei J Bileam gesegnet hat. Ich versuche jetzt noch einmal von 22, 36 an den Text von J und E einzeln im Zusammenhang herzustellen, um den Überblick zu erleichtern. Für J ergiebt sich: »V ne^ ^ topi? I^N Tinte nbv t6n Dj^>a b« p^>a iDtn 37 m p iKm p^»a oy oj^a "j^i 39 J f 1 3 3 ^ i « »b aae«n ^K nato 1 Nach Gen. 2 4 , 1 2 . 27, 20 lese ich Num. 23,3. 4. 16 das hiph. statt des niph., was die Bedeutung nach Ex. 3 , 1 8 . S>3 abschwächt. Erst mit dem hiph. wird auch TUCp1? hinzugekommen sein; V. 4 steht b», wofür die L X X nur b hat; nach Gen. 2 4 , 1 2 . 27, 20 wird 'JB^ die richtige Präposition sein. » Wahrscheinlich ist aber natltt V w "IB b m Zusatz von R J E . Da V. 2 b sich an V. 4b schliesst, würde eine unschöne Wiederholung von Worten stattfinden. Das T » schliesst das Bereitstellen der Opfertiere ein, im Gegensatz zu nja in V. I.



13



rnp Dt?o « t i byz noa inSjn n« p^>a np^i npaa \TI 41 5 nran nta ^ p m nnato n j n » nta *b naa pi>a l o t n 1 : nyn 3 D^K nyatri o n s nyat? : -¡b vnani -OKT no -ian ^sb nirp mp_ : vaiy nnamn nyat? n« vb« notn 4 : a j ^ a u m q p^a t?jm 2 t nyba ^B!? n w ip^ 4 : mroa na oybn byv 2 Für E ergiebt sich: toa by im awio na m«ipi> ren nyba «a -a p^a vaan 36 nny T^n T K a nan p"?a oy'ja io«>i 38 jbiaan nspa n»« p-is n a n 40 : lan« in« « a d^ nann n a w e -ian ^ai« asvin pW? o ^ a natw 3 ; [naan m ] a j ? ^ )tcn ipa p^a nyba inty by pba a s w a\-6ita nabwi i n t y by n a m nai

/N ait?

aen 5 : [B\"tf>NA : mby by axa nini v t e atri 6 Lassen wir einstweilen V. 6—10 ganz beiseite und fahren mit V. 1 1 fort, so sahen wir schon, dass dieser V. zu J gehört. Dagegen stammt V . 12 wieder aus E, denn "fia *iaT D ^ trafen wir ja 22, 38. 23, 5. nirp ist dann in B t 6 n ZU ändern, was auch die L X X hat. In V. 13 fordert Balak nun den Seher auf, mit ihm an einen andern Ort zu gehen, um von da aus Israel zu fluchen. Dieser neue Standort ist nach V . 14 der Pisga, auf dessen Gipfel das B^X mV) liegt. Aber da wären wir ja auf einmal mitten im feindlichen Gebiet, denn der Pisga ist ja wohl der Ras Siagh n. des Arnon 1 . Und über den Arnon heraus konnte ja Balak nicht gehen (22,36), denn dieses Land hatte Israel in Besitz (21,24). Vom Pisga aber hat man nach Deut. 3 4 , 1 eine treffliche Aussicht in das Westjordanland. Der, welcher Num. 23, 13 ff. schrieb, dachte nicht mehr daran, dass das Volk ja noch jenseits des Jordan wohne. Er sah Israel bereits im Land der Verheissung, denn ihm schwebte Deut. 3 4 , 1 vor. Diese Unaufmerksamkeit des Autors ist für unsre Kritik von grösstem Wert. So sind Num. 2 3 , 1 3 ff. weder aus Quellen zusammengesetzt, wie denn auch eine Quellenscheidung unmöglich ist, noch ist ihr Verf. R J E . Ihm lag bereits das aus J und E zusammengearbeitete Werk fertig vor. Nur V. 13 hat eine noch spätere Überarbeitung erfahren. Nehmen wir 1^31 ilKTil IHXp QBK nton aus, so ist doch die Vorstellung die, dass Bileam das

I Kultstätten, S. 152.

NEIN

Djrba

^A

TAN B Y 6 K



14



ganze Volk vom Pisga aus sehen kann. Erst von 23,28. 24,2 aus ist der Zusatz veranlasst 1 ; dadurch ist aber der Unterschied von 22,41 nicht verwischt worden9. Denn sieht Bileam von der nö3 das „Ende des Volkes", d. h. kann er bis zum äussersten Ende schauen 3, so erblickt er doch auch das ganze Volk. Also 22,41 und 2 3 , 1 3 meinten ursprünglich dasselbe. Nicht weil Bileam 22,41 nur einen Teil des Volkes erblickt hätte, liess ihn ein Spätrer nochmals auf den Pisga gehen, sondern weil er die Erzählung noch ein bischen ausschmücken wollte — die ersten Heiligtümer hatten Balak nicht den gewünschten Fluch gebracht, vielleicht ging es an andern Plätzen besser. Erst ein noch später lebender Leser verstand das Dyn HSp in 22,41 wie Dillmann wünscht, und da auch er gern noch etwas bringen wollte, schob er in V. 13 seine Bemerkung ein. Die Erzählung 23, 13 fif., deren Verfasser wir R II nennen wollen, ist, da sie J E voraussetzt und aus einem Guss besteht, leicht verständlich. Balak fuhrt den Seher auf den Pisga mit der Aufforderung, dort zu fluchen; er baut ihm sieben Altäre und opfert auf jedem Altar einen Stier und einen Widder4. Bileam 5 fordert Balak auf, bei seinem Opfer stehen zu bleiben, während er sich von Gott Weisung holen will6. Jahwe begegnet Bileam und legt sein Wort in des Sehers Mund, der nun zurückkehrt und Balak verkündigt, was Jahwe will. Über die Herkunft von V. 18—24 ist damit noch nichts gesagt, über sie reden wir erst später. Was von 23, 13—17 galt, gilt auch von V. 25 fr. Auch hier ist eine Quellenscheidung unmöglich, wie schon Wellhausen gezeigt hat'. Aber einmal sind nicht nur 23,26—24,1 aus einem Guss, sondern auch 23,25 und 24,2 gehören dazu, und sodann ist der 1 So schon Dillm., a. a. O., S. 1 5 1 f. 2 Dillm., ebendaselbst. 3 ffitp kann sowohl das dem Betrachtenden abgewandte Ende einer Sache sein, als das zugewandte; vergL Stade im Lexik., S. 670. 4 Wegen V. 15 ist Balak gemeint. 5 So ist in V. 15 nach L X X zu ergänzen. 6 Der Text J13 inj?« in V. 1 5 ist kaum echt, L X X las wie in V. 3. Vielleicht ist hier und V. 16 das niph. ursprünglich und nach Ex. 3 , 1 8 zu verstehen (so schon Wellh., a. a. O., S. 350). 7 a. a. O., S. H 3 .

Autor dieser Verse nicht R J E noch auch der Verfasser von 23,13ff., sondern der, welcher in 23,13 den Zusatz einschob; wir nennen ihn RIII. Die Verse 2 3 , 2 5 — 2 6 , 2 sind durchaus einheitlich und frei nach der Vorlage J E gearbeitet. Ihr Verfasser setzt J E voraus, wie vor allem V . 29f. zeigen, wo er sich an seine Vorlage noch genauer als RII anschliesst. Aber auch dieser wird vorausgesetzt. Denn vom Peor zu reden (V. 28), lag doch am nächsten, wenn schon von seinem Pendant, dem P i s g a d i e Rede gewesen war 3. Das JDWn "OD ty *)ptMiT in 23, 28 und das W l Vis " m a n b« in 24, 1 knüpfen, da die Wüste wohl die nmj? ist, an 22,1 an, einen V., der zu P gehört. Es scheint, als wenn die Unaufmerksamkeit von RII bezüglich des Wohnortes des Volkes übersehen würde. Aber noch ein Umstand zeigt die Verschiedenheit des Ursprungs von 23,13 ff. und 23,250"., worauf schon Wellhausen aufmerksam gemacht hat*. 24,1 heisst es, dass diesmal Bileam nicht auf D^ETD d. i. auf Zaubereien geachtet habe, aber schon 23,13 ff. war davon keine Rede mehr. Es wäre nun noch die Frage zu erörtern, wenn ich wieder vom eigentlichen Segensspruch absehe, warum ich 23,255 nicht zu RII gezogen habe. Ich glaube, dass R I I seine Geschichte zwischen 23,12 und 24,10a. 11 einschob, und dass 24,10a. 11 zu J E gehört haben, so dass für R II kein Schluss mehr nötig war. V . 11 giebt deutlich eine sich bei J findende Verstellung wieder (22,17), so dass nichts dagegen spricht, auch V . 10 a (mit aus V . b) dieser Quelle zuzuweisen. Vielleicht war die Reihenfolge i n j dereinst 24,10 a. 23,11. 24,11. Schon wegen DVsyB Vfbttf gehört 24,10 b nicht zu J; denn diese Quelle sagt in unserer Erzählung dafür D^JI tffbtff (22,33). Auch die V . V . 24,12f. scheinen mir kaum aus J oder J E zu stammen. Die wahre Fortsetzung zu der Aufforderung in V . 11 steht V . 25, W i e Wellhausen meint. Vergl. Kultstätten S. 153. 3 Identisch sind Peor und Pisga keineswegs, wie Wellh., a. a. O., 113 will. 4 a. a. O., S. 113. 5 Was Balak jetzt in V . 25 sagt, ist sinnlos. Weshalb führt Balak den Bileam doch auf den Peor, wenn er weder fluchen, noch segnen soll? Der jetzige Text ist von einem geschrieben worden, der daran Ärgernis nahm, dass ein Heide überhaupt eine auf Israel bezug habende heilige Handlung vornahm. 1

2



i6



und dieser wohl aus J stammende V. bildete auch einst den Schluss der Bileamserzählung von J E . Denn man erwartet nach der unhöflichen Aufforderung Balaks in V. n die schleunige Abreise Bileams. Für die späte Einfügung der V.V. 12 f. sprechen auch sonst gewichtige Gründe. V. 13 knüpft an 22,18 an, welchen V. wir als R J E zugehörig anerkannten. Aber dort war davon die Rede, dass Bileam für keine Schätze der Welt abreisen dürfe; hier, dass er um ihretwillen nichts von sich aus reden dürfe. Auch ist der V. nicht genau citiert; vergl. ."Ijn 1« .1310 für IN HJDp. Wie 23,25 ff. die Einleitung zum dritten Segenspruch sein sollten, so dienten 24, 12 f. dazu, den vierten Spruch einzuführen. Denn mit V. 12 f. hängt der Eingang des Spruches in V. 14 eng zusammen. Der Verf. der V.V. 12 —14 sei RIV. Auch die Einreihung des fünften und sechsten Spruches in V. 20. 21 f., die durch ihren gleichmässigen Anfang sich als zusammengehörig erweisen, beanspruchen einen besonderen Verf., R V so gut wie die des siebenten Spruches in V. 23 f. RVI. Alle diese letzten Sprüche gehören schon ihrer Tendenz nach nicht in die eigentliche Erzählung herein. Als das Resultat unsrer Untersuchung bezüglich der Quellenscheidung ergiebt sich: es waren ursprünglich zwei Bileamerzählungen vorhanden, eine aus J, die andre aus E, jede kannte nur eine Segnung Israels. Beide Erzählungen wurden von R J E zusammengearbeitet, und zwar so, dass man wieder nur von einer Segnung berichtete. In diese Erzählung wurden von zwei unter sich verschiedenen Händen zwei weitere Segnungen eingefugt. An diese drei Segnungen Israels wurden später von verschiedenen Verfassern Weissagungen über andre Völker angehängt. Damit dürfte der alte Streit entschieden sein, ob C. 23 zu J und C. 24 zu E oder umgekehrt gehören. II. Die poetischen Stücke von Num. 22— 24. a) 23,7—10. V. 7: l^tPD NEH ist die Einleitung des Gedichtes, zu dem es notwendig gehört. btfO bedeutet ursprünglich das Sprüchwort, sofern es etwas vergleichen will, der Sinnspruch, worauf schon die Wurzel-



17



bedeutung des Gleich- und Ähnlichseins fuhrt. Es wird daher von der LXX mit irapaßoXn wiedergegeben. Als Sprichwort findet sich ^Bto vorzugsweise in der älteren Literatur, womit natürlich ein junger Gebrauch nicht ausgeschlossen ist; vgl. i Sam. 10,12.24,14. Mich.2,4». Ezech. 12,21. 23. 14,5. 18,2.3. Ps. 49, 5*. Abgeleitet ist schon die Bedeutung des Gleichnisses bei Ezechiel, vergl. 17,2 (parallel ¡TPn); 21, 5. 14; 24,3 (mit von denominierten Verbum). In späterer Zeit ist tyn dann allgemein der Spruch geworden, sofern er Kunstprodukt i s t v e r g l . 1 Reg. 5, 12 4, Prov. 1,1. 6. 10,1. 25,1. 26,7. 9. Job. 13,12. 27,1 29,1. Dass das Sprichwort häufig etwas Spöttisches an sich hat, macht es erklärlich, wie b\tfO zum Spottlied, ja zum Spott selbst werden konnte. Aber das gilt erst für die Zeit kurz vor und nach dem Exil, vergl. Deut. 28,37. 1 Reg. 9, 7. Jes. 14,4. Jer. 24, 9. Hab. 2,6. Ps. 44,15. 69,12. 2 Chron. 7, 20. Aus dem Spottlied ist dann schliesslich die allgemeine Bedeutung des Liedes überhaupt geworden. Sie findet sich ausser in Ps. 78, 2 nur noch — Num. 23, 7.18.24, 3- 1 5- 2 °- 21.23. Das dürfte uns doch schon an dem Alter der Bileamsprüche stutzig machen. Aber vielleicht reichen diese doch in eine hohe Zeit hinauf, und man hat sie nur spät mit einem jeweiligen l^tPD Nt?1! eingeführt. Untersuchen wir daher, ob diese Vermutung stichhält. D"1K als Landsname findet sich a) zur Bezeichnung der Gegend zwischen Euphrat und Chaboras 5 , dann aber steht DIN nie ohne nähere Bezeichnung. Vielmehr heisst das Land bei J in alten oder davon abhängigen Stellen D,"im DIN (Gen. 24,10. Deut. 23, 5. Jud. 3,8. Ps. 60,2. 1 Chron. 19,6), bei P DI« pB (Gen. 25,20.28, 2. 5. ff. 31, 18. 33» 18. 35,9. 46, i5)undbeiHos. 12, 13 D1K ¡TW. b) ist es Bezeichnung für ptrai DI« (2 Sam. 8, 5. 6. 1 Chron. 18. 5. 6), wofür auch sehr häufig einfach DIN steht — die Belegstellen sind zahlreich und leicht zu 1 Hier ist btffD nicht Spott, denn im Folgenden finden sich sprichwörtliche Redensarten. 2 Es ist nach Duhm KHAT Psalmen S. 137 nach V. V. 13. 21 das ursprüngliche Sprichwort zu ergänzen. 3 Darnach ist die Definition von Wildeboer in KHAT Sprüche S. 3 zu ergänzen; auch Frankenberg, Sprüche S. 18 ist nicht klar genug. 4 Zur späten Abfassung vergl. Wllh. a. a. O. S. 274. 5 Meyer Gesch. I 218. Riehm» HBA II 1003. Festschrift. 2



i8



finden, c) ausserdem finden sich noch «31X DIN (2 Sam. 10,6.8. Ps. 60,2), d) ¡1101 nu DI« (2 Sam. 10,6) und roye DI« (1 Chron. 19, 6). Achten wir darauf, dass sich ausser bei Aram Dammesek Dl« stets mit näherer Bestimmung findet. Aber das Reich der Aramäer von Damaskus kann Num. 23, 7 nicht gemeint sein, denn nach Deut. 23,5 lag "IlfiB ja in D^HJ Dl«, eine Notiz, die von Marquart 1 ohne Grund für wertlos erklärt wird. Dann kann Dl« eben nur gleich D'lftt Dl« sein, und dies eigentliche Zweiströmeland reicht ja vom Chaboras bis an den w. Teil des Euphrat und umfasst jene Gegend, dessen Hauptstadt Harrän war, so dass Pethor, auch wenn es an der rechten Seite des Euphrat lag, ganz gut zu diesem Bezirk gehört haben kann. Nur fällt dann die einfache Bezeichnung Dl« auf, das uns auf sehr jungen Sprachgebrauch schliessen lassen müsste. Schwieriger gestaltet sich die Sache schon bei den Dlp "Hin. Die reduplizierte Form D^lin, "'ITH findet sich nur an jungen Stellen; vergl. Gen. 14,6. Deut. 8,9. 33,15 2. Jer. 17, 33. Hab. 3,6. Ps. 30, 8. 36,7. 50,10. 75, 5. 87, 1. 133, 3. Cant. 4,8. Was heisst nun an unserer Stelle Dlp? Dies Wort bedeutet ursprünglich „das, was voran ist", erst in allerdings früh abgeleiteter Bedeutung „das Östliche." Ganz jung ist dagegen die Bedeutung „alt". Vergl. die Dlp O^D Jes. 19, IM, den Dlp \~6« Deut. 33,27s, die Dlp ">30 nVTTI Ps. 78,2 und die Dlp VTV Job. 29,2. Auch die Dlp "Hin von Deut. 33, 156 können nach dem Zusammenhang nur die uralten Berge sein. Von den Dlp U'1 reden 2 Reg. 19,25. Jes. 37,26?.

1 a. a. o. s. 74. » Es ist sehr fraglich, ob Deut. 33,13 —16 echt sind: 1JB findet sich nur noch Cant 4,13. 16. 7, 14. Und zu mp vergl. die weiteren obigen Bemerkungen. Wahrscheinlich fing der Segen Josephs mit V. 17 an. 111B ist dann allerdings unpassend, es ist mit LXX. Sam. Pes. 11® zu verbessern (Bertholet KHAT Deut S. 109). 3 V. 1—4 fehlen in der LXX; 16,19 —17,18 sind schon von Stade (ZAW. in. S. 15) angezweifelt worden. 4 Zur späten Abfassung von Jes. 19 vergl. Duhm Jesaja 1892 S. i l 6 f . Cheyne Einl. i. d. Buch Jesaj. 1897. S. 100ff. Marti KHAT Jesaja 1900 S. 155. 5 Es spricht alles für nachexilische Abfassung des Rahmens von Deut 33, vergl. Bertholet a. a. O. S. 104. 6 Vergl. oben N. 2. 7 Zur jungen Herkunft von 2 Reg. 19,25. Jes. 37, 26 vergl. Stade ZAW. VL 179. Duhm a. a. O. S. 246. Marti a. a. O. S. 256.



IQ —

23,7 51» 9-J er - 46» 26 2 . Mich. 7, 20. Ps. 44,2. Thren. 1,7. 2, 17, und Ps. 55,20 von dem Dlp 3t?\ Absolut steht DHp als „Vorzeit" Jes. 45, 21. 46,10. Mich. 5,1. Hab. 1,12. Ps. 74,12. 77,6.12. 119,152. 143,5. Neh. 12,46. Was bedeuten nun die Eflp "Hin Num. 23,7 ? Sind sie nach Deut. 33,15 zu verstehen oder sind es die Berge des Ostens? Für letzteres könnte man sich auf die im Osten gelegene Heimat des Bileam berufen, wie denn auch thatsächlich das Sagurthal von hohen Bergen eingeschlossen ist 3. Aber diese können doch nicht die Mp ^"IH sein, denn der DTp liegt näher bei Israel, er ist der Palästina benachbarte Osten, wie Stärk gezeigt hat*. Aber dieser Osten kann Num. 23,7 nicht das Land Midian, bezw. Edom sein, wie Stärk meint. Der Parallelismus verlangt unter mp einen D"IK parallelen Ausdrucks. Also bleibt nichts andres übrig, als unter Dlp "Hin die Berge der Vorzeit zu verstehen, die eben nach der Überlieferung im Bezirk von Harran gefunden wurden. So fuhren uns die DHp "'Tin aus zwei sprachlichen Gründen in eine junge Zeit. Es käme nun darauf an, die parallelen Ausdrücke und 3py\ womit das Volk Israel bezeichnet wird, auf ihren Sprachgebrauch hin zu untersuchen. Über apjP als Bezeichnung des Volkes Israel hat m. W. zum letzten Mal Stärk gesprochen 6 . Seine Untersuchungen, deren Resultate der Hauptsache nach richtig sind, bedürfen jedoch der Ergänzung, die ich im Folgenden zu geben versuche, ohne aber jedesmal die Berührungspunkte mit Stärk und die Abweichungen von ihm anzugeben, wozu ich mir das Recht nehme, da ich unabhängig von Stärk die Untersuchungen gefuhrt habe. Für Arnos und Hosea ist apy* stets Bezeichnung des Nordreichs, mag es in Parallele mit ^KIE?1 stehen oder nicht; vergl. Am. 3,13 (hier a p y rva). 6,8. 7,2. 5. 8,7. Hos. 10,11. 12,3 (parallel IWW)»1 Zur nichtjesajanischen Abfassung von C. 23 vergl. Stade G. V. J. IL 208. Duhm a. a. O. S. 142. Cheyne a. a. O. S. 139 ff. Marti a. a. O. S. 18. » Die Reden an die Heiden sind nach Schwally ZAW. VIII. 177 ff. zu beurteilen. Ihre Echtheit kann nicht erwiesen werden. 3 vergi. Sachau, Reise in Syrien u. Mesopot. 1883. S. 159 ff 4 a. a. O. II. S. 37. 5 Wenn nicht mit Marquart a. a. O. S. 38 DIR in OTK zu ändern ist, wozu aber kein Grund vorliegt, vergi, oben S. 5 N. 8. 6 a. a. O.I. 77ff.; vergl. auch Diehl Erklärung von Psalm 47. S. 25 £ 7 vergi. Nowack, kl. Proph. S. 72.



20



Auch Mich. 1,5 ist das Nordreich gemeint. Anders steht es mit Mich. 3 , 1 . 8 . 9 (2pJP JY2), wo es jedesmal ^NIB^ als Parallele hat. Hier kann nach dem Zusammenhang nur Juda gemeint sein. Man könnte das daher erklären, dass das Südreich der Erbe des Nordreichs geworden sei und damit auch dessen Name übernommen habe. Doch will mir plausibler dünken, dass wir in Mich. 3,1 ff. Reden Michas gegen das Nordreich haben, die der Prophet selbst später überarbeitet hat, um sie wieder gegen Juda zu gebrauchen. Auch Jes. 8, 17 kann f V l nur das Nordreich sein. Das „Thor der Hoffnung mag sich fiir das Haus Jakobs geschlossen haben" 1 . Das Gleiche gilt für Jes. 2, 6. 9,7. 17,4, Verse, die in Drohreden wider das Nordreich stehen. Dass der Dpy T2K, der „Stier Jakobs" 2 in Gen. 49, 24, der Gott des Nordreichs ist, zeigt der Segen, in dem er erwähnt wird. Jakob konnte ja auch von Haus aus nur Bezeichnung der Josephstämme sein, denn der Ahnherr, der den Namen gab, ist ja eben im Nordreich zu Haus 3, während es sich wohl versteht, dass der genuine Name der Stämme war, die einst im Ostjordanland zusammengesessen hatten, denn Israel liegt ja hier begraben 4 . Dagegen fängt man in der Zeit kurz vor dem Exil an, Jakob als allgemeine Bezeichnung des Volkes zu nehmen. Denn man hat sich daran gewöhnt, das Nordreich als vernichtet anzusehen; vergl. dazu Nah. 2,35 (parall. ^nty). Jer. 2,26. 30,7.18. 3 1 , 7 ; die letzten drei Stellen sind alle nach 586 geschrieben. Von nun an wird apJP allgemein poetische Bezeichnung des gesamten Israel, und zwar ist Jakob, soweit nicht wie in einigen Psalmen geschichtliche Reflexion vorliegt, lediglich die Gemeinde oder das ideale, der messianischen Hoffnung angehörende Volk 6 . Ich trage die hier in Betracht kommende Stellen kurz zusammen, indem ich, wo noch über die späte Herkunft der Stellen Zweifel sein könnte, kurz auf die Kritiker und ihre Resultate verweise. Cheyne a. a. O. S. 41. Vergl. meine Kultstätten S. 99. 3 ebds. S. 95 ff. 4 ebds. S. 148 f. 5 V. 2 gehört wohl zu dem eschatologischen, jungen Psalm, den Gunkel aus C. I rekonstruiert hat (ZAW. XIII. 223 ff.). 6 Stärk a. a. O. I. S. 82. 1

2



21



a) npjp in Parallele mit ^«"ltr findet sich: Gen. 49,7 (der letzte Stichos ist überflüssig). Deut. 33,10 (vergi. Steuernagel Deut. S. 125). Deut. 33,28 (vergi. Steuernagel a.a. 0 . S. 129. Bertholet a.a.O. S. 104. Diehl a. a. O. S. 15. Stärk a. a. O. I. S. 73). Jes. 14,1 (vergi. Duhm a. a. O. S. 93 ; Cheyne a. a. O. S. 68ff. Marti a. a. O. S. 128). 27,6 (zu C. 24—27 vergi. Duhm a. a. O. S. 149. Cheyne a. a. O. S. 146 ff. Marti a. a. O. S. 182fr.). 29,22 (vergi. Duhm a. a. O. S. 188 ; Cheyne a. a. O. S. 179). 40, 27. 41, 8. 14. 42, 24. 43, 1. 28. 22. 44, 1. 2 (parali. 5. 21. 23. 45,4. 48,12.49, 5. 6.59,20 (parali. )VS). 65,9 (parali, min1), alles Verse, die aus Deutero-Jesaja stammen. Jer. 10,16 10,25 30.10 31.11 46,27.

(vergi. Cornili, Book of Jerem. S. 74). (ebds.; Stade G. v. J. I. 676. Anm.). (Cornili a. a. O. S. 66; Giesebrecht Jerem. S. 161). (Cornili a. a. O. S. 66; Giesebrecht a. a. O. S. 165). 28 (vergi, oben S. 19 N. -2).

Ezech. 39, 25. Mich. 2,12 (vergi. Wellhausen, a. a. O. S. 200). 5,6.7. 7,20. Ps. 14,7. 53,7. 78,71. 135,4Thren. 1, 17 (par. )VS). 2,2. 3. Als 2 p r rvo in der Parallele Ex. 19, 3 (zu P gehörig). Jes. 10,20 (vergi, die Literatur 46,3. 48,1. Ps. 114,1.

kl. Proph. i A . S. 137. Nowack,

147,19mit

findet

es sich:

bei Cheyne a. a. O. S. 48 ff.).

b) Ohne die Parallele mit bsrW1 findet sich SpJT: Deut. 32,9 (vergi. Cornili Einl. S. 12). Jes. 10, 21 (vergi, oben zu Jes. 10,20). 27,9 (vergi, oben zu 27,6). 45,19. 48, 20. 49,20. Ps. 44, 5- 47,5- 59.14- 78, 5- 21. 79,7- 85,2. 87,2. 99,4.



22



Von Vl^K ist die Rede: Jes. 2, 3 (vergl. Stade Z A W . IV. S. 292; Cheyne a.a.O. S. 14). 29,23 (3pJP tmp) (vergl. oben S.21). 41.21 (apjn ^O). 49, 26. 60,16. 2 Sam.23,1 (vergl. Wellhausen, Komp. S. 264, CornillEinl. 107). Ps. 20,2. 2 4 , 6 . 4 6 , 8 . 1 2 . 75,10. 76,7. 81,2.5. 84,9. 94,7. 114,7 ( a p r nÄH). 1 3 2 , 2 — 5 ( a p r van). 146,5 ( a p r b»). 3pJP XV3 findet sich: Jes. 2, 5.6 (vergl. zu V. 5 Cheyne a. a. O. S. 14; Duhm a. a. O. S - 1 8 ; Marti a . a . O . S. 27). 14,1 (vergl. oben S. 21). 29.22 (vergl. oben S. 21). S8,i. Jer. 5,20 (vergl. Stade Z A W . III. S. 15 f.). A m . 9,8 (vergl. Wellhausen, kl.Proph.S. 93; Nowack a.a.O. S. 158). Mich. 2,7 (vergL Wellhausen, ebds. S. 136). Ob. 17,18. Ist das das Resultat über 3pJP als Bezeichnung des Volkes, so muss das für Num. 23,7 aufs schwerste in die Wagschale fallen ist V . 7 Bezeichnung des ganzen Volkes und geht als solche, wenn auch nicht auf die Zeit der Wüstenwandrung, so doch afif die T a g e der gemeinsamen Ansässigkeit im Ostjordanland mK stammt aus der Erzählung, vergl. oben S. 6. DJft findet sich nur in der jungen Literatur, mag es nun „zürnen" heissen (Jes. 66,14 3 . Sach. 1,12. Ps. 7,12. Prov. 22,14. Dan. 11,30) oder „fluchen'-, wie an unsrer Stelle (vergl. Mich. 6, xo. Mal. 1,4. Prov. 24,24, wo es M p parallel steht). V . 8: Für ^ las L X X ill.T und für fl1.T wieder eine Entscheidung ist wertlos. Das HD 1« der L X X für HD1 ist durch einen Schreibfehler entstanden. Luc. L X X fängt den V . an mit Kai eine > So schon Diehl a. a. O. S. 8; Diehl hat m. W . zum erstenmal die Herkunft der Bileamsprüche erfasst und kurz ausgesprochen, was mehr bekannt sein dürfte. 3 Vergl. oben S. 20 und Stärk a. a. O. II. S. soff. 3 Es ist natürlich 109t zu verbessern.



23



BaXaan Ttpöq BaXax. Das dürfte vielleicht durch ein Versehen aus V. 7 gekommen sein. Wenn Luc. L X X für apaTOtt auch KaTapaTCu hat, so darf man daraus nicht schliessen, dass das Gedicht jedesmal dasselbe Wort für „fluchen" gebraucht hätte. Das wäre unschön. Wohl dürfen wir aber aus ¡13]? schliessen, dass L X X mit ihrem ÜDJN recht hat. Für die „Echtheit" der Sprüche könnte man die altertümliche Suffixform anfuhren. Doch hat man gerade in später Zeit antiquarische Gelehrsamkeit geliebt, und dazu hat Sam. 13p. Wir sahen oben, dass 33p und "I1N sich auf J undE verteilen ; hier (V. 7.8) werden beide Worte unterschiedlich gebraucht. Also dürfte der Verf. von Num. 23,7 fr. schon deshalb einige Zeit nach der Vereinigung von J und E gelebt haben. ist die allgemeinste Bezeichnung fiir Gott, ursprünglich die Lokalgottheit, die später von Jahwe verdrängt wurde und deshalb im abgeleiteten Sinn den Titel eines Götzen erhielt. Diese alte Bedeutung findet sich an folgenden Stellen: Gen. 16, 13. 21,33 (alle zu J). 31, 13. 33,20. 35, 1. 3. 46, 3 (alle zu E); 49,25. Ex. 20, 5. 34,6.14 bis (alle zum Dt.). Num. 12,13 ist für bü zu lesen. Deut. 3,24. 4,24.31. 5,9. 6 , 1 5 . 7 , 9 . 2 1 . 10,17. 32,4-12- 18.21. 33,26 (lies Jos. 3,10. 22,22 bis. 24,19. 1 Sam. 2,3. 2 Sam. 22,32. Jes. 5,16. 9,5. 10,21. 12,2. 14,13. 31,3. 43,10. 44,10.15.17. 45,15. 20. 2 i . 46,6. Jer. 32,18. 57, 56. Ezech. 28, 2 bis. 19. Hos. 11,9'. Mich. 7,18. Jon. 4,2. Nah. 1,2. Mal. 2 , 1 0 . Ii.

Ps. 5» 5- 29,3- 3i, 6- 36,7- 43,4- 44- 21. 68,21. 36. 81,10 bis. 82,1. 86,15. 9 4 » 9 5 , 3 - 99.8. 118,27. Dan. 9,4. 11,36. Neh. 1, 5. 9, 31- 32. Wir sehen, alte und junge Stellen wechseln in folge. Anders ist es bei den Stellen, in denen 1

Hos. 12, I ist völlig unübersetzbar.

77,1.14. 80,11. 136, 26. 146,5.

bunter Reihenohne weiteres

— identisch mit niiT ist. einen

andern

24



Man kann sich gar nicht vorstellen, dass es

als Jahwe

giebt.

Diese Stellen sind

sämtlich

jungen Ursprungs;

findet

Bezeichnung

Gen. 14,18. 19. 20. 22. Ps. 78, 35, in

sich als Bezeichnung Jahwes in der ^

Gen. 17, 1. 28,3. 35, 11.

Hos. 2,1». Ps. 42, 3. 9. 84,3 und in ^

4 3 , 1 4 " . 48,3. 49,253. E x . 6, 3. — alles aus P. — Ezech. 10, 5«. Absolut steht

gleich Jahwe:

Num. 16,22 (P R ). 2. Sam. 22,31. 33.48(Ps. 18). 23, 5

Jes. 8,8. i o 6 .

40,18. 42,5. 43,12. 4 5 , 1 4 . 2 2 . 46,9. Mal. 1,9. Ps. 7 , 1 2 . 1 0 , 1 1 . 12. 16.1.

17,6. 18,31.33.48. 1 9 , 2 . 4 2 , 1 0 .

73,11.x7. 90.2.

104,21.

Job. 5,8. 16,11.

50,1. 52,3-7- 55»20. 57,3.

74,8. 7 7 , 1 0 . 1 5 . 7 8 , 7 . 8 . 1 8 . 1 9 . 3 4 . 4 1 . 106,14.21.

8,3.5.13.20. 18,21.

19,22.

25,4.27,2.9.11.13. 12.23.31. 37.

107,11.

9,2.

12,6.

20,15.29.

31,14.23.28.

83,2.

85,9.89,8.

139,17.23.

149,6.

13,3-7-8.

15,4.11.13.25.

21,14.22. 32,13.

150,1.

22,2.13.17.

33,4.6.14.29.

23,16. 34,5.10.

3 5 , 2 . 1 3 . 36,5. 22. 26. 37, 5 . 1 0 . 1 4 . 38,41. 4 0 , 9 . 1 9 .

Thren. 3,41. D a s Gleiche gilt für die Anrede

(Ex. 15,2. Ps. 18, 3. 22,2. I i .

63,2. 68,25. 89,27. 102,25. 118,28. 140,7), obwohl man bx hier auch in der allgemeinen Bedeutung Gott verstehen könnte. geht

Jes. 4 4 , 1 7

an den heidnischen Gott.

Bei dieser Verteilung der Stellen kann es keine Frage mehr sein, in welche Zeit wir mit gefuhrt werden.

Wie

in Num. 23,8. (19.22. 23. 2 4 , 4 . 8 . 1 6 . 2 3 ) schon

der Parallelismus zeigt, ist

hier

Bezeichnung Jahwes; aber das würde unser Gedicht in eine junge Zeit hinabdrücken'. V . 9 : T?ßf „sehen"

findet

sich

ausser in den

Bileamsprüchen

(23,9. 24,17) nur an jungen Stellen; vergl. Job. 7,8. 20,9. 33,14. 2 7 . .34,29 (unsicherer Text).

35, 5 . 1 2 . 1 4 . Cant. 4 , 8 ;

24,15. denn

» Vergi. Wellh. kl. Proph. S. 97. Nowack a. a. O. S. 15. 2 Hier i s t ^ t f bx Glosse, vergl. Holzinger KHAT Gen; S. 241. 3 Zu Gen. 49,24b~ — 26 vergi. Frippe ZAW. XI. 262 ff. .Für DKÌ 1. mit Sam.LXX. Pes. i « ) 4 Vergi, meine Herrlichkeit Gottes S. 30. 5 Vergl. Cornili Ein!. S. 107. 6 Vergi. Duhm a. a. O. S. 59f.; Cheyne a. a. O. S. 38f. Marti a. a. O. S. 85. 7 Diehl hat a. a. O. S. 9 kurz darauf hingewiesen.



25



Jer. 5,26 ist der L X X unbekannt; Hos. 13,7 ist das "Wttfl* nach der L X X wohl in "UtSte zu ändern; und Hos. 14,9 verbessert Wellhausen 1 WlitfN] W3JJ in sehr richtigem Takt in 'JVJB'Kl VI», gleichwohl scheint mir von V. 5 an alles unecht zu sein. pt?"1 TD1? Dj; ist nur im Parallelismus mit 31WUV 0^331 zu verstehen. Er bezeichnet also nicht das sichere, friedliche Wohnen Israels, sondern dessen Abgesondertheit von den Heiden. Aber die Vorstellung, dass Israel nichts mit den andern Völkern gemein hat und gemein haben darf, „ist erst als Folge der Predigt Ezechiels zu begreifen" 2 . Dieser hat Israel in seinem messianischen Programm eine rein exklusive Stellung angewiesen. Die D^J sind eben schon nicht mehr „die Völker", sondern „die Heiden". Das ist aber auch erst eine im Exil entstandene Auffassung 3. TO* ist die reduplizierte Form von — allein, das sich in alten Stücken ebenso gut findet (Jud. 7, 5), wie in jungen (Ex. 26,9. 36,16. Jes. 26,13. Sach. 12,12 ff. Eccl. 7, 29). Dagegen findet sich die reduplizierte Form n a (TO*) nur in später Zeit, vergl. Lev. 13,46. Deut. 32,12. 33,28*. Jes.27, ios. Jer. 15,17 6 . 49,317. Mich. 7,14. Thren. 1,1. 3,28. Ps.4,9. V . i o : Zu apjp und ^«"Ity vergl. oben S. 19fr. 3pJT 1SJ> raa ""D setzt Gen. 13,16. 28,14. 32,13 aus J und Gen. 15, 5 aus E voraus. Für wie auch Sam. hat, ist mit L X X "IBD NM zu verbessern. Statt des sinnlosen V?^ = Viertel ist mit L X X ni33"l (vergl. Deut. 33,17) zu schreiben. Sehen wir einstweilen von V . 10b ab, so ergiebt sich uns von V . 7 b — 1 0 a ein Gedicht, das in zwei Strophen zerfällt. Die erste beginnt mit D"IN )D und handelt vom Fluch, die zweite mit und handelt vom Segen. Jede Strophe hat drei Distichen. Alles in in allem ein hübsches, künstlerisch aufgebautes Gedicht. Dann aber hinkt V . 10 b entsetzlich nach. Der Höhepunkt ist mit V . 10 a erreicht. Das Ganze wird nur abgeschwächt, wenn auf einmal wieder Bileam reden soll. Aber was will der Schluss des Gedichts? Bei 1 K l . Proph. S. 131. 2 Diehl a. a. O. S. 8. 3 Bertholet, Stellung der Israel, und Juden zu den Fremden S. • vergl. oben S. 18 N. 5. und S. 21. 5 vergl. o b e n S . 21. vergl. Stade G. V. J. I. S. 676 Anm. I. 7 vergl. oben S. 19 N. 2.

6

loj{.



26



n n t r denkt man vielfach an ) W 1 (Deut. 32, 15. 33, 5. 26. Jes. 44, 2). Aber wie kann Israel ein Ende haben? Das ist doch nach dem Vorangehenden ganz undenkbar. Es müsste denn JTinN zur Bezeichnung des Anbruchs des messianischen Reichs dienen2. Aber worin soll dann die Parallele mit dem Einzelnen, der sich etwas wünscht, bestehen? Und von einem Einzelnen ist doch die Rede. Die Sache wird so liegen: ein frommer Mensch, der gerade unsere Geschichte und unser Gedicht las, und dem Bileam als der Inbegriff aller Gottlosigkeit erschien, wünschte sich den Tod der Gerechten, zu denen eben Bileam nicht gehört hatte. Da W"int< parallel zu YllD steht, kann es eben nur das sein, was am Leben hinten kommt, das Lebensende (vergl. Deut. 32, 20. 29. Pro'v. 5,4. 11. 29, 21.) und nicht die Nachkommenschaft (LXX). Dann wird es auch erlaubt sein, nach LXX das sgl. V11D3 in das plr. D.TID3 zu ändern. V. 10b ist also eine Glosse. Fragen wir nun abschliessend, in welche Zeit der Zukunft uns das Gedicht, dessen nachexilische Herkunft aus sprachlichen und theologischen Gründen feststeht, versetzen will, so scheint es weniger eine Weissagung auf die nachexilische Zeit, in der es entstanden ist, sein zu wollen; denn so ideal, wie es hier erwartet wird, hat die jüdische Gemeinde nie gewohnt, dass sie sich mit Jakob und Israel hätte identificieren können. Das erwartete man vielmehr erst von der Zukunft. So führt uns unser erster Bileamspruch in die messianische Zeit hinein. In dieser wird allerdings das Volk eine ausgezeichnete Sonderstellung in der Welt einnehmen. .Erst durch die Heimfuhrung aller Zerstreuten wird Israel und Jakob neu erstehen •», zahlreich wie der Sand am Meer und die Sterne am Himmel (Sach. 8, 5. 10, 10. Jes. 49, 2off. 54, 1. 65, 21). b) 23, 18—24. V. 18: Zu bvt> vergl. oben S. i6f. Auffällig ist 133, denn das 1 ist der Rest einer alten Nominativendung. • Aber sonderbarerweise 1

Stärk, * 3 4

Dillm., a . a . O . , S. 151. Zum Namen J1W und seiner jungen Herkunft siehe a. a. O., II. S. 75 f. Stärk, ZAW, XI., S. 247 er. Vergl. oben S. 20. Gesenius-Kautzsch hebr. Gramm., 26A. $90. n. Stade, Hebr. Gramm. S 344 c.

— 27 — finden sich alle diese alten Endungen nur in jungen Stücken. So p s urn Gen. i, 24. Jes. 56, 9. Zeph. 2, 14. Ps. 50, 10. 79,2. 104, Ii. 20, wenn W n nicht aus )1JVn entstanden ist 1 , und D'D WJJö Ps. 114, 8. Gerade in später Zeit kramte man gern alte Formen wieder aus, das gab der Sache gleich ein anderes Aussehen. "IJ? ptKn findet sich nur noch Job. 32, 11. V. 19: Zu vergl. oben S. 23 f. Einer Untersuchung bedarf der Ausdruck D*TK p . Ursprünglich ist Dltt nicht der einzelne Mensch, sondern der Mensch als Gattung, DIN ist von Haus aus ein Kollektivum 2 . Nur ganz vereinzelt ist DHK Individualwort im Sinne von „jemand", und das in sehr jungen Stellen (Lev. 1, 2. 13, 2. Eccl. 2, 12. Prov. 27, 19. Neh. 2, 10. 12), oder steht gar im Gegensatz zu ntPK (Eccl. 2, 28). Will man individualisieren, so gebraucht man BPH. Das ist wenigstens in alter Zeit das Gebräuchliche, und Belegstellen ohne Zahl kann man sich leicht zusammen suchen. Will man aber D1M selbst individualisieren, so thut man das durch ein vorausgesetztes p . Wir erhalten so ein DIN p als „das einzelne Exemplar der Leute d. h. der Mensch". Aber dieser Ausdruck findet sich erst seit Ezechiel, der ihn wohl dem Aramäischen entnommen hat. Bei diesem Propheten steht er 90 mal und zwar nur in der Anrede; vergl. 2, 1. 3. 6. 8; 3, 1. 3. 4. 10. 17. 25. 4, 1. 16. 5, 1. 6, 2. 7, 2. 8, 5. 6. 8. 12. 11, 2. 4. 15. 12, 2. 3. 9. 18. 22. 27. 13, 2. 17. 14, 3. 13. 15, 2. 17. 16, 2. 17, 2. 20, 3. 4. 27. 21, 2. 7. 11. 14. 17. 19. 24. 33; 22, 2. 18. 24; 23,2. 36. 24,2. 16. 25. 25, 2. 26, 2. 27, 2. 28, 2. 12. 21. 29, 2. 18. 30, 2. 21. 31, 2. 32, 2. 18. 33, 2. 7. 10. 24. 30. 34, 2. 35, 2. 36, I. 17. 37, 3.9. II. 16. 38, 2. 14. 39,1. 17. 40, 4. 43, 7. 10. 18.44,5. In der späteren Literatur finden sich dann auch DTK p abgesehen von Anreden; vergl. Jes. 51, 12. 56, 2, Jer. 49, 18. 33. 50, 40. 51, 43,3 Ps. 8, 5. 146, 3, lob. 25, 6. 35, 8*. Dan. 8, 17. Diese Zusammenstellung ist flir die junge Herkunft von Num. 23, 19 beweisend. Ob aus dem hithpa. Dfüm in der Bedeutung „sich gereuen", das nur hier in dieser Bedeutung vorkommt, sich etwas entnehmen « Stade ebds. 3 Vergl. oben S. 4 lob. 16, 21 ist S. 149, Budde, Hiob,

» Siegfried im Lex., S. 9, Wellh. Sk. u. Vorarb., VI., S. 196. 19, N. 2. p wohl = p (Ewald, J. B. IX. 38, Dillmann, Hiob 2. A. S. 87, Duhm, Hiob, S. 90, Siegfried, Book of Job, S. 35).



lässt, steht dahin.

28



D o c h ist zu beachten, dass in alten Stücken

nur das niph. diese Bedeutung

hat

(Jer. 4, 28. 8, 6.

15, 6. 18, 8.

10, A m . 7, 3. 6 u. ö.). V . 20: ist mit L X X S a m . V u l g .

für "J"D1 zu lesen, während in

V . 21 das COK des S a m . wohl aus dem Vorhergehenden flossen

ist.

vergl. oben S. 19 fr.

Zu 2pjP und

ge-

^OJi und )1N

w e r d e n von V u l g . Onk. auf den Götzendienst bezogen, so auch von Ewald1

unter Berufung auf 1 S a m .

hat L X X

poxOog,

und ihr schliesst sich O o r t

TTÖVO?,

Hoffmann 3 ist nun „die

15, 23, Jes. 66, 3.

Dagegen

an 2 .

Nach

älteste und allgemeinste Bedeutung

von

III* . . . . die der Falschheit des W o r t e s oder des Gedankens"; vergl. Jes. 10, 1. Mich. 2, 1. und viele jungen Stellen.

S o ist das W o r t

auch zu verstehen, w o es Arnos und Hosea v o m Kultus gebrauchen. Dieser ist eben ein falscher, kein wahrer Gottesdienst ( A m . 5, 5. Hos. 4, 15. als

5 , 8 . 6,8. 1 0 , 5 . 8.

„Mühe",

das Ethische

in

12, 12).

Dagegen

das Physische

findet

sich |1K

umschlagend 4 ,

nur

in späten Stellen, so Ps. 55, 4 und in Verbindung oder Parallele mit ^Dy Jes. 59, 4. Ps. 7, 15. 10, 7. 90, 10. Job. 5, 6. 15, 35.

E b e n diese

letzten Stellen werden wohl erweisen, dass N u m . 23, 21 ]1N und VDJJ von der L X X

richtig

verstanden worden sind 5 .

D a n n aber führt

uns in V . 21 auch ]lt< auf eine junge Zeit der Herkunft des Gedichts. Über T^a n j n v i hat schon Diehls gehandelt, indem er ausführte, dass ilJJVin in exilischen und vorexilischen Stellen das Kriegs- (Jos. 6, 5. 20) und Jubelgeschrei (1 S a m . 4, 5 . 6 ) sei.

Diese Behauptung

ist dahin richtig zu stellen, dass ilJNm stets an solchen Stellen das Kriegsgeschrei ist, auch 1 S a m . 4, 5. 6.

Denn die L a d e w a r eben,

wie die Geschichte von 1 S a m . 4 zeigt, ein Kriegsheiligtum wurde wenigstens zu Kriegszwecken benutzt. ist aber auch 2 S a m . 6, 15 zu beurteilen. 2

oder

N a c h 1 S a m . 4, 5. 6

A m . I, 14 wird

nyWQ

' Gesch., HI., S. 52. Disputatio de pericop. Num. 22, 2—24, S-. 20. 3 ZAW, III., S. 104. 4 Neben findet sich 11» als Kraft in Gen. 49,3. Deut. 21, 17. Ps. 78, 51- »05,36. Grammatisch könnte ]1K die kontrahierte Form von)1K sein (Stade, Gramm. S 98.194b), nnd „ob die vormassoretische Nominalform von on und awen verschieden war, ist zweifelhaft". Darum wird auch wohl „Kraft" mit ßK zusammenhängen, wenn es auch nicht zu entscheiden ist, wie es dazu kam (Hoffmann, a. a. O., S. 105). Aber „von dieser Wurzelentwicklung ganz zu trennen ist ]W ? iriv6o? Deut. 26, 14, D-1W DrA Hos. 9, 4, die zu ÜJK oder auch pts, vergl. IVJQI, gehören." 5 a. a. O., S. 28. .



29



durch darauffolgendes n o n ^ D DV3 hinreichend erklärt, und njflTTl nar6ö in Jer. 4 , 1 9 ; 49, 2 erklären sich selbst. Ezech. 2 1 , 2 7 ist die Rede von der Berennung Jerusalems durch die Chaldäer. Und Am. 2, 2. Seph. 1, 1 6 ist doch vom Gerichtstage die Rede, denn der an beiden Stellen sich vorfindende ist nicht das friedliche Musikinstrument der späteren Zeit, sondern die K r i e g s d r o m m e t e A u c h Jer. 20, 1 6 scheint njJlVI, wo es parallel HpJN steht, das Kriegsgeschrei zu sein. Jedenfalls ist hier ¡"Ijmn kein freudiger Jubel. Auch nach Job. 39, 25 ist nynn das Kriegsgeschrei. Ganz anders liegt die Sache in der nachexilischen Zeit.2 nyiVI ist einmal der freudige Jubel der Menschen (Ps. 2 7 , 6 . 4 7 , 6 . 89, 16. Job. 8, 2 1 . 33, 26. Esr. 3 , 11 ff. 2 Chron. 15, 14), und sodann der Lärm der Tempelinstrumente (Lev. 2 5 , 9 . Num. 10, 5. 6 . 3 1 , 6 . Ps.33, 3 . 150, 5. 1 Chron. 1 5 , 28.3 2 Chron. 1 3 , 2 ) . Auch der HJ?nn DV von Lev. 2 3 , 2 4 . Num. 29, 1. ist so als ein Fest des Lärmblasens zu verstehen. Diese Auffassung von der Entwicklung der Bedeutung von njNTTI ist noch gut durch JPVJ zu bestätigen. • In der Bedeutung „ein Kriegsgeschrei erheben" findet sich J^IH Jos. 6, 5. 1 0 . 1 6 . 2 0 . Jud. 7 , 2 1 . 15, 14. i S a m . 4 , 5. 1 0 , 2 4 . 5 1 7 , 20. 52. Jes.6 4 2 , 13. Hos. 5 , 8. Mich. 4 , 9.7 Dagegen heisst y v i „jubeln" Jes. 44, 23. Jer. 50, 1 5 . 8 Seph. 3, 1 4 9 . Sach. 9 , 9 . Ps. 4 1 , 12. 4 7 , 2 . 6 6 , 1 . 8 1 , 2 . 94, 1. 2. 98, 4. 100, 1. Job. 38, 7. Esr. 3, 11. 13. Zu y i n „schreien" vergl. Job. 30, 5 und zu „trompeten" Num. 10, 7 , 9 . Joel 2, 1. Ps.

» Diehl, a. a. O., S. 29. 3 Hier schliesse ich mich im wesentlichen Diehls Ausfuhrungen auf S. 28 an. 3 I Chron. 15, 28 ist von Diehl übersehen. Die Aufzählung der musikalischen Instrumente in V. 4 zeigt, wie anders man in später Zeit 2 Sam. 6, 15 verstand. 4 Über n n redet Diehl a. a. O., S. 2. 5 Ein Kriegsgeschrei versteht sich bei der Wahl eines Königs im a l t e n Israel von selbst, denn das Königtum ist aus dem Krieg heraus entstanden. 6 Jes. 15, 4 zittern die Lenden Moabs (LXX), aber nicht schreien seine Gewappneten (Mass.). 7 Auch hier ist n i l vom Kriegsgeschrei gebraucht, denn die Stadt soll belagert werden. Mir will dünken, als hätten wir Mich, 4, 9. 10 alte, wenn auch überarbeitete, vorexilische Texte vor uns. 8 Vergl. oben S. 19, N. 2. 9 Zu Seph. 3, 8—20 vergl. Schwally, ZAW., X., 230 ff„ Wellh., Kl. Proph., S. 154, Nowack, a. a. O., S. 294.

— 30 — 98, 6. 2 Chron. 13, 12. 15. Die Bedeutung „jubeln" haben auch das pol. (Jes. 16, io 1 ) und das hithpol. (Ps. 60, 10. 65, 14. 108, 10). Um nun zu entscheiden, welche Bedeutung Num. 23, 21 njflin hat, müssen wir den Sinn des von ihm abhängigen "jbo zu ermitteln suchen. Das dem 13 njmm parallele 10J? VTI^N HliT zeigt, dass unter "J^D nur Jahwe gemeint sein kann, wie dies auch der folgende Vers voraussetzt. Dass Jahwe "J^ö genannt wird, ist in der vorexilischen Literatur nur zweimal der Fall: Jes. 6, 5. Jer. 8, 19, wenn wir von den mit zusammengesetzten Eigennamen absehen. Anders ist es mit der nachexilischen Literatur. Jahwe ist hier "J^D als König des messianischen Reiches. Den Nachweis dafür nochmals zu fuhren ist nach Diehls gründlicher, leider noch viel zu wenig berücksichtigter Untersuchung 1 überflüssig. Und von der messianischen Zeit ist doch im Zusammenhang von Num. 23, 21 die Rede, denn erst in ihr hat Israel weder )1K, noch ^ejJ; vergl. Jes. 25, 8. 35,10. 51, 11. 65, 19b. Joel 2, 21 ff. Nun verstehen wir auch den HJ?Wl, er ist der Freudenruf über den Beginn des messianischen Reiches d. h. der Königsherrschaft Jahwes". 3 V . 22: Nach L X X (A. F.), Vulg. ist uwne zu lesen. Dass Gott sein Volk aus Ägypten geführt hat, beweist, dass er auch in der messianischen Zeit ihm DKT nbjjirß sein kann. fiBJJin kommt nur noch Num. 24, 8. Ps. 95, 4. Job. 22, 25 vor. Sehen wir von der Bileamperikope ab, so käme dies seltsame Wort nur noch in zwei nachexilischen Stellen vor, was allerdings Zufall sein kann, ebenso wie bei Dtn (vergl. Num. 24, 8. Jes. 34, 7. Ps. 22, 22. 29, 6. Job.39, 9 f. — nur Deut. 33, 17 ist alter Herkunft). Was allerdings nBJJW heisst, ist nicht sicher; doch ist es plausibler, das überlieferte Wort beizubehalten und als „Hörner" zu verstehen, denn es in mKBn zu verändern*. V . 23: Mit Recht macht Dillmann s darauf aufmerksam, dass nicht gleich ist, und dass man darnach zu übersetzen hat: „Denn nicht hat Zeichendeutung statt in Jakob, noch Wahrsagung in Israel". Fasst man nun das Folgende als „gemäss der Zeit ( = wann es 1 a 3 4 5

Vergl. Schwally, ZAW., XIII., 208 ff., Duhm, Jes., S. 202. Marti a. a. O. S. 140. a. a. O., S. I I ff. Diehl, a. a. O., S. 3. Cheyne, Expos. Tim. X. 401. a. a. O., S. 154.



3i



Zeit ist) wird gesagt u. s. w.," so ist dagegen zu bemerken, dass nj?3 nie = WJ?3 ist, sondern = „jetzt". Wellhausen hat nun darauf hingewiesen1, dass 23, 23 den Zusammenhang zerreisst, und Dillmann zeigte auf die in unsern Sprüchen befremdliche Wendung von 2 , „wogegen die Ausscheidung des V. 22 als eines aus 24, 8 hereingekommenen Einsatzes (Oort, Kuenen) sich weniger empfiehlt und die Streichung von V. 23b (E. Meier, Nation. Lit. 355) gar nicht hilft" Die Ausscheidung von V. 23 würde auch dem Aufbau des Gedichtes entsprechen. Wir erhielten so drei Strophen mit je drei Distichen. Die erste Strophe beginnt mit Dlp und enthält die Versicherung der Gültigkeit des ersten Segens. Die zweite Strophe beginnt mit f D ittiT, die dritte Strophe mit lK^lD und beide preisen die messianische Zeit. V. 23 ist also Glosse, und zwar zu V. 21, wo man und VdJ? falsch als Götzendienst verstand. Der Glossator wollte sagen, dass jetzt d. h. in der messianischen Zeit, das Grosse, das Israel erreicht hat, nicht etwa der Zauberei, sondern allein Jahwe zu verdanken ist. Übrigens vergl. zu b» oben S. 23 f. und zu 2p}P oben S. 19fr. V. 24: Hat seine Vorlage in Gen. 49, 9. 27 und handelt von der Vernichtung aller Heiden durch Israel, entsprechend der einstigen Grossthat Jahwes an Ägypten (V. 23), so dass V. 23 und V. 24 eng zusammen gehören. Diese Vernichtung der Heiden findet aber erst mit der neuen, messianischen Zeit statt. Und da sollte das zweite Gedicht alter Herkunft sein! c) 24, 3—9. V. 3: Zu ^tfD vergl. oben i6f. und zu oben S. 26f. DtJ3 wird in der ganzen alten und jungen Literatur fast ausschliesslich nur mit folgendem Gottesnamen verbunden. Ausser in unsrer Stelle und Num. 24, 4—16 findet sich DtO als Ausspruch von Menschen nur in sehr späten Stellen, wie 2 Sam. 23, i.« Prov. 30,1. Ps. 36, 2, wo mit Duhm 5 JrtSh1? JHSfe DNJ zu lesen ist. Das ist aber für die alte Herkunft von Num. 24, 3. 4 . 1 5 . 16 nichtsehr günstig. 1

Kompos., S. 113. a. a. O. 3 Dillm., a. a. O., S. 155. 4 Zu der sehr jungen Entstehung von 2 Sam. 23, 1—7, vergl. Coraill, Einl. S. 107. 5 KHAT, Psalmen S. 102. 2



32



Schwierig ist ^JJH Dnttf zu erklären, was auch V. 15 wieder vorkommt. LXX hat 6 dXnÖivuiq öpwv, Onk. W "VBDT; beides führt auf D i l — u n d Wellhausen vermutet daher 1 fJJ iHSnE1, „dessen Auge vollkommen ist". Aber warum lässt man ¡1 nicht vor ^J?? Freilich geht es nicht an, wie Dillmann gezeigt hat 2 , Dil als st. constr. zu nehmen. Wohl aber kann man, wenn man Dflt? nicht als ein Wort und ein Verbum auffassen will ',]^n DFlB' lesen und übersetzen „der vollkommen am Auge ist". Der Acc. pjffl ist zu verstehen wie der Acc. in i"6n in I Reg. 15, 23. Aber die Partikel tSf findet sich nur an jungen Stellen, vor allem im Eccl. und Cant., und auch im Psalter. Als alte Stellen, um seine nordsemitische Herkunft zu erweisen, sieht man gewöhnlich an Jud. 5, 7. 6, 17. 7, 12. 8, 26. Aber nicht nur 5, 7 ist G l o s s e s o n d e r n auch die andern Stellen sind interpoliert s, und in Gen. 6, 3 ist wohl überhaupt keine Partikel & vorhanden. Steckt also in Dflt? die Partikel t?, so würde das nur für eine junge Herkunft des Verses sprechen. V. 4: ^ n o « JJOb> Di« fehlt in Sam. und könnte aus V. 16 genommen sein, wo es auch ein paralleles Glied hat. Wahrscheinlicher aber ist, dass in V. 4 aus V. 16 ein ]1,I7J> n j n jnM heraufzuholen ist6, wofür der sich uns später herausstellende vierstrophische Aufbau des Gedichtes spricht. Zu vergl. oben S. 23f., zum nachexilischen Gebrauch von vergl. die Darlegungen von Diehl, a. a. O., S. 7 f. Ht? findet sich von Haus aus nur in der Zusammensetzung "Ht? und zwar zum erstenmal in P (vergl. Gen. 17, 1. 28,3. 35, 11. 43,14 7 . 48,3. 49, 25. Ex. 6, 3.—Ezech. 10, 5, wo es sich auch findet, ist unecht 8 . Dagegen finden wir das einfache "Ht? nur in der jüngsten Literatur; 1

Kompos. S. 350. = a. a. O., S. 156. 3 DJ"© Aboda Zara 5, 4 heisst durchbohren, aber nicht öffnen, und Dritf = DJTiD zu setzen (Dillm. a. a. O., S. 156) giebt gerade einem dem 'ÄJ entgegengesetzten Sinn. 4 Marquart, a. a. O., S. 4. 5 Budde, KAHT, Richter, S. 42. 6 Oort, a. a. O., S. 27. 7 43, 14 ist n » b* Glosse. 8 Vergl. Cornill, Buch des Froph. Ezech-, S. 231 und meine Herrlichkeit Gottes, S. 30.



33



vergl. Jes. 13, 6 1 . Ezech. 1,24*. Joel 1, 15. Ps. 68, 15. 91, 1. Job. 5, 17. 6, 4. 14. 8, 3. 5. Ii, 7, 13, 3. 15, 25. 21, 15. 20. 22, 3. 17. 23. 25. 26. 24, 1. 27, 2. 10. 11. 13. 29, 5. 31, 2. 35. 32, 8. 33, 4. 34, 10. 12. 35, 13. 37, 23. 40, 2. Ruth 1, 20. 21. Und da soll Num 24, 4 eine Ausnahme machen? Zu ^Bi ist viel geraten worden. Man dachte an 1 Sam. 19, 24; aber das passt gar nicht hierher. Wellhausen 3 vermutete einen st. constr. part. niph. von j / ^ B und Oort« dachte an j/7l^B (YK^B). Aber man wird gut thun, nicht ohne weiteres von y^BJ abzugehen. Jes. 9, 7 lesen wir btat^a apyo ^T« rbo "Ol. Das göttliche Wort fällt gewissermassen herab auf den Propheten. Vielleicht hilft das! Achten wir darauf, dass OHT H» WO* und DWJ? i?BJ parallele Glieder sind. I^Jl ^Bi müssen dem MHD entsprechen. Das Gesicht Jahwes ist eben seine Offenbarung, es geht mit dem Wort Hand in Hand (Ezech. 13, 7), daher von diesem gleich in •"toi die Rede ist. ist das herabfallende Wort (auch Jes. 9, 7), und zu vergl. 1 Sam. 3, 7. Dan. 10, 1. Schliesslich ist r 6 j j n Deut. 29, 28 nichts andres wie ^ J , findet sich dieses doch sogar von irdischen Befehlen (Esth. 3, 14. 8, 13). Bei dieser Auffassung von ''ibi! muss dann DT)? Acc. sein, wofür in Prosa D'2'JD stehen würde. Es gehört unter die Rubrik, wovon Kautzsch in seiner Grammatik 25A. § 117,3 redet; vergl. auch Jes. 52, 8, wo es von den Spähern heisst FJJ^ py 1KT6. Zu übersetzen ist nun: „die Gesichte Sadais sieht er, Herabfallendes und Offenbartes mit (seinen') Augen". V. 5: „Zu tontP und a p r vergl. oben S. 19fr. Von den riJ3B>0 DpJP ist Ps. 87, 2 die Rede; es sind die Städte Judas und nicht wie Ps. 84, 2 der Tempel. V. 6: ^DJ geht auf D^ni 8 : „laudantur igitur rivuli, quibuscum Israel comparatur, quia late se extendunt et magnam partem terrae 1 2

3 4 5 6 7 8

Vergl. Cheyne, a. a. O., S. 79, Duhm, Jes., S. 89. Marti, a. a. O., S. 128. Ezech. I, 24 fehlt im Äthiop. und ist aus dem unechten V. Io, 5 geflossen. a. a. O., S. 112. Anders wieder S. 351. Theol. Tijdschr. XII. 102. Das I M ist hässlich und nach V. 16 zu streichen. Duhm, a. a. O., S. 363. Nötig ist es nicht, mit LXX Vl'S zu lesen. Oort, a. a. O., S. 27f., Dillm., ä. a. O., S. 157.

Festschrift.

3



34



irrigunt", giebt Oort den Sinn richtig wieder. Man hat sich vielfach an dem überlieferten Text gestossen. Aus D^flK will man D'VS1» B ^ I S 1 oder gar D^IP 3 machen, da die hier gemeinte Aloeart eine Zierpflanze sei. Aber der überlieferte Consonantentext wird durch CTKtivai der L X X gehalten. Allerdings würde die Erwähnung einer Zierpflanze sich nicht mit der herkömmlichen Auffassung von dem Alter der Bileamsprüche vertragen. Denn im alten Israel hat man keine indischen Zierpflanzen gehabt, und fll^iW, D'SlK, ntolK finden sich nur Ps. 45, 9. Prov. 7, 17. Cant. 4, 14, wie denn B^HK jedenfalls mit den indischen Dialektnamen aghil, haloha zusammenhängt, also ein Lehnwort ist. Es kommt für uns nicht auf eine botanische Bestimmung des Baumes an*, es genügt uns seine späte Erwähnung. Eine andre Frage ist, warum gerade D^n« von Jahwe gepflanzt sind. Da wird Cheyne 5 nach Ps. 104, 16 richtig vermutet haben, dass die Baumnamen einfach umzustellen sind. Ob allerdings die fftaM feucht gehalten werden mussten (D^Ö-ty), kann ich nicht sagen. V. 7: Der jetzige Text von V. 7a ist jedenfalls nach Gen. 49, 25. Deut. 33, 23 zu verstehen als Preis von „Israels Wohnland als mit Wasser reichlich gesegnet, mit Wasser von unten und oben" 6 . Eine solche Auffassung knüpft an V. 6 an. Aber des Wassers würde so des Guten zuviel, die schönen poetischen Verse würden nur verwässert. Auch muss man darauf achten, dass V. 6. 7 a doch nur Vergleiche bieten, um Israels herrliche Wohnungen zu schildern. Auch zeigt der Umstand, dass in V. 7 die Anrede aufgegeben wird, eine neue Strophe an. Und in der nächsten Strophe dreht es sich nach V. 7b. 8 um etwas ganz anderes, nämlich um die Königsherrschaft Israels. Nun hat L X X in V. 7 folgenden Text: ¿EeXeöaeToi ävÖpWTro? ¿k toO «rnipnoTOs aCuoö xai Kuptettoei iöviiiv noXXuiv, ähnlich Onk. titoy] 7TD3D KS^O und Syr. wot&ia « o o ä j . Aber diese Versionen scheinen schon einen unsicheren Text vor sich gehabt zu haben und mit ihrer Über1 * 3 4 5 «

Dillm., ebds. Siegfried im Lexik. Cheyne, Ezp. Tim. X. 401. VergL den Artikel Aloe in Riehm I. S. 71. Exp. Tim. X. 401. Dillm., a. a. 0 . , S. 157.



35



setzung zugleich eine Erklärung geben zu wollen. Doch sind sie der Wahrheit entschieden näher als der jetzige hebräische Text, der gar nicht zur Strophe passt, wenn auch ihre Deutung auf den Messias sicher verkehrt ist — sie stammt aus V. 17 (vergl. unten S. 37) —> da im Folgenden wieder vom Volke die Rede ist. Aus dem D"^ DNöa Ijnn des Hebr. und dem xai Kupieucrei £8vüjv itoXXiLv der LXX hat Cheyne 1 ausgezeichnet rekonstruiert: D-DJ£ IJTiri „und sein Arm ist über viele Völker," während „es beben Völker vor seiner Kraft" entstanden sein wird. wäre niph. von Y^ht, vergl. J ud - 5,5"; als das ursprüngliche anzunehmen (Cheyne), ist durch den überlieferten Konsonantentext nicht angezeigt. Aber ist so der Text richtig hergestellt, so würde uns ein Wort in eine späte Zeit hinabführen, D'DK^. Wie Diehl gezeigt hat 3, findet sich dies Wort fast nur an jungen Stellen. Auch CCJ? als Bezeichnung der Heiden — und die sind doch hier gemeint, ist gerade dem Psalter eigen 4. Von der Königsherrschaft Israels ist V. 7b die Rede. Da 13^0 parallel 1X13^0 steht, wird es vielleicht angebracht sein, statt zu lesen, worunter die Massora den Messias verstanden hat. Was der 33« hier soll, ist erst recht nicht einzusehen. Cheynes Vorschlags 31JJ0 zu lesen, dürfte aus der irrigen Vorstellung herausgeflossen sein, dass die Bileamsprüche aus der Zeit Mosis heraus verstanden werden müssten. Sam. LXX haben statt dessen 313D, was keine spätere, erklärende Umschreibung ist6, sondern den richtigen Text bietet. In die heidnische Umgebung passt Gog vortrefflich. Er ist der Repräsentant der heidnischen Weltmacht, über die in der messianischen Zeit Israel triumphieren soll. Wir haben also auch im dritten Gedicht einen messianischen Ausblick. Die Ausbreitung des Volkes und seine herrlichen Wohnungen werden ja gerade von der letzten Zeit erwartet. In ihr werden die Heiden zagen und beben und Israel zu Füssen liegen, dessen 1

Exp. Tim. X. 401.

2

J u d - S, 5. kommt lSu nicht von V» fliessen (Budde K H A T , Richter, S. 41). a. a. O., S. 19. Diehl, a. a. O , S. 5. a. a. O. Geiger, Urschrift, S. 366 f.

3 4 5 6

3*

-

36

-

Königreich herrlicher denn je aufblüht. Natürlich würde uns die Erwähnung des Gog auch in die Zeit nach Ezechiel führen. Auch tvabü ist ein junges Wort, vergl. Jer. 10,7'. 49,34. 52, 312. Ps. 45» 7- i3» 19- 145, 12. 13- Esth. 1, 2. 4. 7. 9. 11. 14. 19. 20. 2, 3. 16. 17. 3, 6. 8. 5, 1. 3. 6. 6, 8. 7, 1. 8, 15. 9, 30. Eccl. 4, 14. D a a 1, 1. 20. 2, 1. 8, 1. 15. 22. 23. 9, 1. 10, 13. 11, 2. 4. 9. 17. 20. 21. Esr. 1, 1. 4, 5. 6. 7, 1. 8, 1. Neh. 9,35. 12,22. 1 Chron. n , 10. 12,23. 14,2. 1 7 , 1 1 , 1 4 . 22,10. 26,31. 28,5.7. 29,25.30. 2 Chron. 1, 1. 18. 2, 11. 3, 2. 7, 18. 11, 17. 12, 1. 15, 10. 19. 16, 1. 12. 20, 30. 29, 10. 33, 13. 35, 19. 36, 20. 22. Es bleiben von anscheinend alten Stellen nur 1 Sam. 20, 31. 1 Reg. 2, 12. Aber 1 Reg. 2, 10—12 gehört zu R3. 1 Sam. 20 ist allerdings trotz seines jungen Ursprungs (Wellhausen, Stade) schwerlich nachexilisch. Aber vielleicht stand 1 Sam. 20, 31 sowie 1 Sam. 13, 13. 14. 2 Sam. 7, 16. 1 Reg. 9, 5 auch einst "jrO^ÖO. Mit V. 8 a schliesst die dritte Strophe, die von der Königsherrschaft des Volkes handelt, die es Jahwe verdankt, denn dies letztere soll V. 8a besagen, der aus 23, 22 stammte; vergl. übrigens oben S. 30. Sam. LXX haben inni für WX1D. V. 8 b und V. 9 bilden die vierte Strophe und handeln von der Unwiderstehlichkeit des messianischen Volkes, das denen, die es segnen, den Segen zurückgiebt, während die es fluchen, Fluch erben. Die ganze Strophe ist V. 23, 24 nachgebildet. Wellhausen4 will nach Dillmann s das sinnlose fnc^ VSffi in nSD'". VSn^l ändern, das mag richtig sein, aber es ist doch nur eine Glosse, denn es fällt aus dem Strophenaufbau heraus. Zu V. 9a vergl. oben S. 31. V. 9b stammt aus Gen. 27, 29. d) 24,15—19. Zu V. 15. 16 vergl. oben S. 31.fr. V. 17 enthält drei Distichen, die dem Sinn nach zusammen 1 * 3 4 5

Vergl. Cornill, Book of Jer., S. 38, Giesebrecht, a. a. O., S. 62. VergL oben S. 19, N. 2. Benzinger, KHAT, Könige, S. io, Kittel, Könige, S. 17. Kompos., S. 351a. i . O., S. 159.



37



gehören. Wie V. 16 die erste Strophe bildet, so bildet V. 17 die zweite. Von wem ist nun V. 17 die Rede? Die Suffixe in 1JK1K und 1JWK weisen nur auf 23D und SOt?1. V. 17 fuhrt uns in die Zukunft. Es bleibt daher am geratensten, den Stern 2 und das Scepter auf den messianischen König zu deuten. Denn den V. von David oder seiner Dynastie oder sonst einem König zu verstehen, ist durch nichts nahegelegt. Dagegen spricht alles für die messianische Beziehung. V. 14 ist davon die Rede, dass Bileam künden will, was dem Volk geschieht D^Dfl /Vinte 3. Das ist hier keine „blosse Formel und Phrase", wie Stärk meint S sondern, wie er selbst erwiesen hat, bezeichnet die fragliche Redensart „deutlich den Anbruch des messianischen Reiches". Demgemäss hat Onkelos schon dahin die Stelle richtig erklärt: KrTOö K31/V1 3pJTö KS^D Dip"1 bsiB^D. Ist die Stelle messianisch zu verstehen, dann kann sie freilich nicht von Bileam stammen, und wir würden mit der Entstehung des Spruches in die nachexilische Zeit verwiesen, denn der Glaube an den Messias ist ohne Ezechiel undenkbar'. Auch sprachliche Gründe führen uns in eine junge Zeit. Stärk hat nachgewiesen, dass „die Wendung D , ö , n IWtttt erst im Exil gebildet worden" ist6. Zu vergl. oben S. 24. f. Vom Messias gilt das V. 17 b gesagte. Für Iplp hat Sam. richtig ip1|J; Scheitel und Schläfen gehören zusammen. Auch liest so die Parallelstelle Jer. 48,45, die wohl die Vorlage unsrer Stelle ist, was uns natürlich auch in eine späte Zeit fuhren würde Nach dieser Vorlage ist auch das sinnlose ritt*8 in )1NtS' zu ändern», was wohl die Bezeichnung der Akropolis von 'Ar Moab gewesen sein 1

Dillmann, a. a. O., S. 159. * Wellhausen korrigiert a. a. O., S. 351 "JVI gut in mt. 3 Wie sehr der Sprach mit den vorangehenden Versen zusammenhängt, zeigt leicht sein Inhalt • ZAW, XI. 252. 5 Vergl. die grundlegende Untersuchung von Volz, Die vorexilische Jahweprophetie und der Messias. 1897. « Stärk a. a. O. 7 Vergl. oben S. 19. N. 2 ; ganz anders freilich Giesebrecht a. a. O., S. 240. 8 Für Sayce Hebraica IV I—6 ist Jltf gar nicht sinnlos, es ist = Phallus und ein Gottesname des Baal Feor. 9 Wellhausen Komp., S. 351.

-

38

-

wird denn das 3K1D bedingt als Parallele einen Stadt- oder Landnamen, so dass die Übersetzung „Getümmel" ausserordentlich flach wäre. Gegen die späte Abfassung des Liedes könnte man nun gerade die Erwähnung der Moabiter anführen, die in nachexilischer Zeit so wenig hervortreten, umsomehr als sie im folgenden zusammen mit den Edomitern erwähnt werden. Eine gleichzeitige Unterjochung soll nämlich nur unter David geschehen sein®. Sehen wir von Edom einstweilen ab, so dürfte man doch an nachexilischen Stellen wie Jes. 16,13.fr. (zu 15,1—16,12) 25,9—11 \ Seph. 2 , 8 — 1 1 5 . Jer. 486 nicht ohne weiteres vorbeigehen, die gerade von der messianischen Zeit den Untergang Moabs erwarten. Mit ihnen steht unser V . auf einer Stufe; die Aufgabe des Messias ist, die verhassten Moabiter zu vernichten. V . 18. 19 sind im jetzigen Text heillos verderbt. Zusammen gehören nach dem Parallelismus die Stichen in folgender Reihenfolge: r a. narp n n « n\n 1. { b. V^K TJW ntrv «Till Vti nt?j> ^ w i apjrö m 3. TJ?O Titr Ta«ni In 1. ist von Edom die Rede. Für "VJJt? mit Sam. L X X 1E>J? zu lesen, ist nicht nötig (vergl. Jud. 5, 4). Es fällt aber auf, dass i b fast wie i a lautet. Welches Armutszeugnis hätte sich der Dichter damit ausgestellt. Auch ist W V unerträglich; denn wie will man es übersetzen? Va'K wäre eine eigentümliche hebräische Apposition. Das fühlte schon Onkelos, der deshalb das Wort mit tyD^ wiedergab. Nun fällt 3 auf. Ein zweiter Stichos

{

fehlt hier völlig; er könnte ausgefallen sein. Das liegt nahe, weil wir dann für die dritte Strophe auch drei Distichen erhielten. Aber die dritte Strophe kann von Haus aus gar nichts mit dem Gedicht 1 H o f f m a n n Z A W , III., S. 97. * Dillmann, a. a. O., S. 161. 1 Vergl. Marti, a. a. O., S. 141. 4 Vergl. D u h m , a. a. O., S. 159. Marti, a. a. O., S. 190 f. 5 Vergl. Schwally Z A W , X. 165.fr. Budde St. Kr. LXVI. S. 393 ff. Nowack, a. a. O., S. 28 7 f. 6 VergL oben S. 19, N. 2.



39



zu thun haben; sie handelt ja von Edom und nach V. 14 will Bileam nur über Moab weissagen. Also V. V. 18. 19 sind Anhänge, die deshalb auch nicht mit dem ursprünglichen Gedicht im Versaufbau zu stimmen brauchen1. Vergleichen wir nun einmal i b mit 3, wieviel gemeinsame Buchstaben enthalten beide Stichen! Sehen wir von i J H ab, können denn nicht i b und 3 eine gemeinsame Vorlage haben oder beide Stichen ursprünglich dasselbe bedeutet haben? Ich wage, aus i b u n d 3 folgende Zeile herzustellen: YJ>»ö T I C "DKl. Das ist wenigstens verständlich, was man von "VJJD Y3Kffi gerade nicht sagen kann, wie schon Dillmanns Klage zeigt, dem es nicht klar wurde, „ob YJfD als parallel dem apJPD den Herrschersitz des Y2KD (Zion) bezeichnen soll, oder ob es kollektiv (Ps. 72,16. Job. 24,12) gemeint ist und von der Austilgung der entronnenen Volksreste aus den Städten (als ihren Zufluchtsstätten Jos. 10,20) die Rede ist"*. Wir haben uns vorzustellen, dass 3 (rekonstruiert) eine nach einer guten Handschrift gemachte Randglosse eines vernünftigen Lesers zu einem verdorbenen Text war, die ein unvernünftiger Abschreiber später hintenanstellte. Es bleibt nun noch 2. 2 b ist entschieden zu kurz. Und "ITl apJPD ist auch kein Hebräisch, das fühlten schon L X X Luc. mit seiner Ergänzung avöpujTrog und Onkelos mit in. Alles wird klar, wenn V^K in 1 b durch ein Versehen aus 2b an seine jetzige Stelle kam. Hier war es ein von YV1 abhängiger Acc. (Jes. 14,6 Ezech. 34,4), dann ist 13 vor apjP wohl erst mit der Lücke hinzugekommen, da man an V. 17b dachte. Der ursprüngliche Text der V. V. 18 und 19 war also: mrr a n « rrm YJHHS Tity ist« ^n tonen WN a p y TT An Sprachlichem und Sachlichem ist noch folgendes zu bemerken: ilBh,1 findet sich nur Num. 24,18, sonst ist nah1; das gebräuchliche Wort, und in der That hat auch Sam. iWTV. Aber 1

Dillmann hält nur V. 19 a für unecht (a. a. O., S. 161). Ebendaselbst. 3 Doch vergl. zu Jer; 32 Stade ZAW, III. 1 5 ; V. 175. S. 160. Giesebrecht, a. a. O., S. 175. 2

Comill Einleitung,



40



auch letztres kommt ausser in Jer. 32,8 3 nur in sehr jungen Stellen vor (Deut. 2,5. 9. 12. 19. 3,20, Jos. 1 , 1 5 . 12,6. 7, Jud. 2 1 , 1 7 , Ps. 6 1 , 6 , 2. Chron. 20, Ii). Für ^n 7Wy „Macht gewinnen" gilt das Gleiche, vergl. Deut. 8 , 1 8 f., 1 Sam. 14,48'. Ezech. 28,4. Ps.6o, 14, 108,14. Prov. 31,29. Ruth 4 , 1 1 . Zu 2pj>\ ^KH^ vergl. oben S. I9.ff. Dass gerade in exilischer und nachexilischer Zeit der Hass gegen Edom glühte, ist sattsam bekannt, ebenso dass man seine Vernichtung mit dem Eintritt der messianischen Zeit erhoffte; vergl. Jes. 34,5f. Ezech.25,12ff. 3 5 , 1 — 1 4 . Obad. iff. Ps. 137, 3. Thren.4,2if. e) 24,20—22. V. 20 handelt von 'Amalek. Die Verfasser der letzten Sprüche werden anscheinend immer geheimnisvoller; „die letzten Sprüche machen einen apokalyptischen Eindruck" meint Wellhausen. Aber das ist wohl zu viel gesagt. Wohl im Anschluss an die im Zusammenhang mit der Zukunftshoffnung gethane Erwähnung von Moab und Edom meinte ein neuer Verfasser 2 , er müsse auch über die andern Völker, die zur Zeit Bileams lebten, etwas nachtragen und über ihr Endgeschick berichten. Die Völker, die so noch besonders in Betracht kamen, waren 'Amalek und £ain — Ammon ist ja in Moab aufgegangen — umsomehr, als sie ja in verwandtschaftlicher oder freundnachbarlicher Beziehung zu Israel gestanden zu haben scheinen (1 Sam. 15, 6). 'Amalek war DU n w i , der Anfang der Heiden, d. h. eines der ältesten Völker, mit denen Israel in Berührung getreten ist 3, doch sind die 'Amalekiter früh völlig aus der Geschichte geschwunden*. Cheyne meint im Anschluss an Budde, diese Ausrottung sei durch Edom geschehen s . Das mag sein. Aber trotzdem braucht man nicht mit Cheyne zu rekonstruieren n n « nato vmntn. Freilich ist der überlieferte Text etwas sehr allgemeiner Art, aber nicht mehr und nicht weniger als das erste Glied: p^DJJ DU fVtMO. Zwar ist "Dfc HJf a stränge expression, aber harte Ausdrücke hatten wir doch schon in den früheren 1 * 3 4 5

1 Sam. 14, 47—51 gehört zu Dt., vergl. Budde Book of Sam., S. 1 2 . Vergl. oben, S. 16. So wegen Win«, und nicht nach Am. 6 , 1 zu verstehen. Buhl R E 3 I. 432 f. Exp. Tim., X . 400.



41



Gedichten mehrere. Auch kann liWlK nie heissen: its last man. Und schliesslich ist die Ausrottung "Amaleks durch die Edomiter immer nur eine Hypothese. Und Hypothesen auf Hypothesen zu gründen, giebt doch ein gefährliches Kartenhaus. Auch ist dem überlieferten Text unschwer ein Sinn abzugewinnen. Für "HJJ haben Sam. Onk. Pes. hier und V. 24 13*0 wozu Dillmann bemerkte 1 , dass das wegen des masc. nicht angehe. Aber kann l?«"1 nicht auf pbö)> gehen? Gleichwohl möchte ich am überlieferten Text festhalten, der zu übersetzen ist: „und sein Ende (wird kommen) bis zum Untergehenden", d. h. bis dass er untergeht. Es scheint, als ob mit dieser Drohung auf das Gebot Deut. 25,17ff. angespielt wäre, welche Verse wieder von E x . 1 7 , 1 4 f . abhängig sind2. Wir würden damit natürlich in eine späte Zeit versetzt. Es ist auch kaum anzunehmen, dass uns in den letzten Sprüchen auf einmal wieder alte Stücke vorgesetzt würden, wie Cheyne will nachdem sich uns die vier ersten grossen Gedichte als von junger Herkunft erwiesen haben. Auch sahen wir früher*, dass die letzten Sprüche ihrer Umgebung nach schon die ersten voraussetzten. Aber auch sprachlich fuhrt uns V. 20, falls er richtig überliefert ist, in eine späte Zeit. Zu vergl. oben S. 16. f. "HJ? ist zwar älter als IJf, dies ist erst aus jenem entstanden5, aber die alten Formen haben sich häufig in der Poesie erhalten, und findet sich nur an jungen Stellen, vergl. Jes. 65,18. Ps. 83,18. 92,8. 104,23. 1 3 2 , 1 2 . 1 4 . 147,6. Job. 7 4 20,5. V. V. 21. 22: Der Spruch über die Ifeniter hat denselben Verfasser, wie der vorangegangene Spruch. Auch die &eniter spielten zur Zeit der Wüstenwanderung eine grosse Rolle 6 . Dass diese Num. 24,21 f. gemeint sind, erhellt aus der Schilderung ihrer Wohnungen. Die Felsennester sind heute noch im Süden Judas vorhanden. Aber wann sind die Keniter von Assur exiliert worden? 1

a. a. O., S. 163.

* Bertholet K H A T Deuter., S. 79. 3 a. a. O., S. 400 f.

4 Oben S. l 6 f . 5 Stade, Gramm. S 375. Anm. I . 6

Vergl. meine Knltstätten, S. 2 1 .



42



Es ist uns darüber nichts bekannt. Aber deshalb ist es doch eine Gewaltthat Cheynes "ptWl HPK HD ohne Grund in tüMT D11K 2 12&D zu ändern'. Wellhausen meinte, unter den Kenitern seien hier die Nabatäer zu verstehen, und ihr Land die Gebalene. Dafür würden eben wieder die Felsennester sprechen 3. Die Nabatäer scheinen für unsern Verfasser an die Stelle der alten Keniter getreten zu sein. Das ist immerhin eine plausible Vermutung. Resigniert meint nun Wellhausen: „von einer Gefangenführung derselben durch Assur ist freilich nichts bekannt". Aber UCK ist auch Bezeichnung für das spätere Syrien (Jes. 10,24*. n , 11?. 14, 25 6 . 19,237.fr. 27,13®; 30,31». Sach. 10, 10f. 10 ; Ps. 8 3 , 9 " ) , wie denn Zupia nichts als ein verkürztes 'Acrcrupia ist. Und in der That hat man von Syrien aus häufige Versuche gemacht, auch Se'ir unterzukriegen, in das seit dem 4. Jahrhundert die Nabatäer eindrangen. Athenäus, Feldherr des Antigonus, nahm, nachdem Syrien dem Antigonus wieder ganz zugefallen war, 311 sogar das alte Felsennest Petra, doch wurde sein Heer vernichtet. Ebenso missglückte ein zweiter Einfall unter Demetrius 13 . Im Gegensatz zu der herrlichen Aussicht über 'Amalek scheint das Geschick Ifains für den Verfasser zur Zeit, da er schrieb, noch nicht entschieden — beachte das fragende HD IJf. Kains Wohnsitze sind dauernd und seine Behausungen in Felsen (Petra?) angelegt. Doch hofft der Dichter, dass es Syrien noch gelingen wird, die gefahrlichen Feinde, die immer weiter um sich greifen, unschädlich zu machen. Wir stehen mit unsern Versen wohl anfangs der Mitte des dritten Jahrhunderts, denn den Namen Zupia dürften wohl erst die Seleuciden aus ihrem alten Herrschafts« Exp. Tim. x., s. 399. a Komp. 3A., S. 351. 3 Über die Wohnungen der Nabatäer vergi. Niese, Geschichte der griechischen und mak. Staaten I. 1893, S. 300. 4 Vergi. Duhm, a. a. O., S. 79. Marti, a. a. O., S. 106. 108. 5 Vergi. Duhm, a. a. O., S. 86. Marti, a. a. O., S. 114. 6 Vergi. Marti, a. a. O., S. 130. 7 Vergi. Duhm, a. a. O., S. 123. Marti, a. a. O., S. 158. 8 Vergi. Duhm Jes., S. 170. Marti, a. a. O., S. 201. 9 Vergi. Marti, a. a. O., S. 228. 230. Vergi. Nowack, a. a. O., S. 367. 1 1 Vergi. Baethgen Psalm., S. 255. Duhm Psalm., S. 292. li Diodor. XIX. 95 (doch siehe Niese, a. a. O., S. 301 Anm.) XIX. 96,4.



43



gebiet1 mitgebracht haben. Das wäre allerdings von den Tagen Bileams recht entfernt, aber es stimmt mit dem seither gewonnenen Resultat. Noch ist die Frage nach der richtigen Überlieferung der Verse zu erledigen. Das "pt^in IlBWö des Sam. giebt keinen Sinn, wird nach Klostermann von Hommel» in "DJ^ geändert. Das ist wegen V. 24 eine sehr plausible Vermutung. Die Frage ist nur, was hier unter "Oy gemeint ist. In V. 24 wird *13J? von LXX. Vulg. Pes. als Israel verstanden. Das ist hier nicht gut möglich, denn nach V. 24 muss "QJ? mit 11BW einen Begriff bildend "I3y ist die Abkürzung von "litJn "Oy. Im Zusammenhang mit I f K kann der TO nur der Euphrat sein (Gen. 31,21. Ex. 23, 31. Num. 22, 5 u. ö.). Was ist nun der Standpunkt, von dem aus dieses Land "DJf genannt wird. Ein Zweifaches ist möglich: "Dy ist das Land östlich des Euphrat, dann steht man in Palästina (Jos. 24, 2 f.. 2 Sam. 10,16. 1 Reg. 14,15); oder aber "Dy liegt westlich des Euphrat, und der Standpunkt ist Babylonien (1 Reg. 5,4. Esr. 8,36. Neh. 2,7. 6. 3, 7). Aber „in dieser Bedeutung ist es nicht alt"«. Doch ist an unsrer Stelle eine Entscheidung, von wo aus das Land "Oy genannt wurde, nicht möglich. "ny und UtSW scheinen für unsern Verfasser die zwei grossen, durch den Euphrat getrennten Hälften der seleucidischen Monarchie gewesen zu sein5. Zu DK "O vergl. Kautzsch hebr. Gramm. 25A. § 163. 1 Anm.; und zu «TO iy „wie lange" Ps. 4, 3. 74,9. 79, 5. 89,47. f) 24,23. 24. Die LXX hat, wovon aber die altlateinische Übersetzung nichts weiss, als Überschrift ein Jiy N"V1 gelesen, doch hat LXXLuc. für Jiy sinngemässer Jti. Gleichwohl wird jede Überschrift Glosse sein, da es sich im Folgenden um keines der beiden handelt, wenn man nicht JU als Bezeichnung der heidnischen Weltmacht annehmen 1

» 3 4 5

Niese, a. a. O., S. 298 f. Altisraelit. Überlieferung, S. 245. Was Hommel, a. a. O., S. 206 ff. bringt, sind Phantasien. Wellhausen Kompos. 3A., S. 351. Ähnlich Cheyne Exp. Tim. VIII, S. 120.



44



will. Noch weniger geht es an, die vom hebräischen Text überlieferte Einleitung in V. 23 einfach wegzulassen 1 . V . 23 ist nach dem massoretischen Text (vergl. auch LXX., Pes., Onk., Vulg.) zu übersetzen: wehe, wer wird leben, nachdem Gott es bestimmt hat? IDtfD ist = iDlt? )ö. Das dem Infinitiv angehängte Suffix kann nicht gut auf das Volk bezogen werden®, da doch angegeben sein müsste, wozu es Gott bestimmt hat. Näher liegt es, das Suffix auf das Folgende zu beziehen: nachdem Gott solches, was im Folgenden geschildert wird, bestimmt hat, wer kann da bestehen? vergl. übrigens zu oben S. 23.f. Nun ist aber der überlieferte Text angefochten worden. H. Müller J liest fiir ^ lütjfö und versteht darunter die nordöstliche Gegend des Golfs von Antiochia. Auch Cheyne 4 schloss sich dieser Vermutung an, wogegen Wellhausen s mit Recht bemerkte, dass damit nichts anzufangen ist. Ungeheuerlich ist Hommels Rekonstruktion der Verse 6 . Nach ihm ist ^tf&tPD „von Norden her" zu lesen; in 13 MK stecken die D^N, die Schakale sind die „Seevölker, die genau um die Zeit, wo Bileam weissagte, von Kleinasien aufbrachen, um im 8. Jahr des Ramses III. d.i. etwa 1332 vor Christus in Syrien und Palästina einzufallen". Es ist schade, dass nur Hommel so scharf wie Bileam sieht! Auch V . 24 lässt man nicht unangetastet, und doch ist er so einfach zu übersetzen: „und Schiffe von Seiten Kittim, und bedrängen Assur und bedrängen Eber." D^ kann nur von ''S „Schiff" kommen, das sich nur Jes. 33,21 findet. Richtig ist nun, dass für D"1? Sam. DNW und L X X Kai ¿EeXeuatTai haben. Daraus will Cheyne als ursprünglichen Text ein SSM herstellen, das noch von der vorangehenden Frage abhängig sein soll. Hommel dagegen schafft als Pendant zu den Schakalen noch Wildkatzen (D^JO, während er ebenso gewaltthätig ein TJJO aus TO macht. Für die Beibehaltung von DSS „Schiffe" spricht nun aber Dan. 11,30, wo wir auch von D^S lesen, und wo der Text doch auch

1 Cheyne Exp. Tim. X, S. 399. Dillm., a. a. O., S. 165 denkt an Assur. 3 Die Propheten, S. 215. 4 Exp. Tim. VHI. 520. X. 399. Im Weitern citiere ich den letzten Aufsatz. 5 Komp. 3A., S. 351. 6 a. a. O., S. 245. 2



45



nicht angefochten ist. Der kontrahierte Plural D^S kommt allerdings nur Ezech. 30,9 vor, wo Cornill im Anschluss an L X X B^K verbessern will. Doch fragt sich, ob wir dazu gewichtige Gründe haben. Man kommt zu Schiff stromaufwärts rascher nach Kus als zu Land 1 . Sehen wir aber von Ezech. 30,9 ab, so kann doch die kontrahierte Form Q'S nicht befremden, wenn wir die Kontraktion auch bei D^fD finden, wie wir gleich sehen werden. Sprachlich scheint nun "'S, D^S ein junges Wort zu sein, da es sich erst sehr spät und vereinzelt findet2. Wenn wir nun auch als ursprünglichen Text halten, so brauchen wir doch das andre nicht zu lassen und können nach Sam. und L X X auch 1N2P ergänzen, was aus Versehen ausgefallen sein wird. D*ra wird durch Dan. 1 1 , 3 0 gehalten, so dass ein Vnni-J oder gar ein dem unglückseligen Sam'al entsprechendes /UJO4 zu rekonstruieren, reine Willkür ist. Das unkontrahierte D^PO findet sich Jes. 2 3 , 1 2 (Ketib). Jer. 2,10. Ezech. 27,6 (i£eri). dagegen das kontrahierte D'M ausser Num. 24, 24 nur Gen. 10,4 (P). Jes. 2 3 , 1 . Dan. 11,30. 1 Chron. 1,7. Die unkontrahierten Formen stehen in relativ älteren Texten vorexilischer und exilischer Zeit. Alle anderen sind nachexilisch —, Jes. 23,1 b ist prosaische Glosse», so dass es gar nicht nötig ist, nach V. 12 D^fD zu lesen. DVD von VD, einer Stadt Cyperns6, diente als Bezeichnung der Cyprier oder ihrer Insel selbst7. Erst in sehr später Zeit ist DVD Bezeichnung aller Abendländer, speziell der Römer (Dan. n , 308) oder Griechen (1 Macc. 1 , 1 . 8,5). Was DVO Num. 24,24 bedeutet, sehen wir gleich. 1 Amenophis I fuhr auch zu Schiff „südwärts nach Nubien" (Steindorff, die Blütezeit des Fharaonenreichs 1900. S. 23), das muss der kürzeste Weg gewesen sein, denn im Krieg, zumal wenn es gilt, Unruhen zu unterdrücken, eilt man sich. Man zog auf dem Nil eben die Segel auf, „wenn es galtt stromaufwärts) nach Süden zu fahren" (Steindorff ebendaselbst, S. 28). 2 Nach Spiegelberg ZDMG. LÜI, S. 683 stammt es aus dem Ägyptischen. 3 Cheyne Exp. Tim. VIII, S. 520. 4 Cheyne Exp. Tim. X, S. 399. 5 Cheyne Book of Isaj. (sog. Regenbogen Bibel) S. 92. 6 Corp. Inscr. Sem. I. I, 37. 7 Joseph. Antiq. L 6,1. 8 Vergl. meine Einheitliche d. B. Daniel, S. 65.

-

46

-

Für das zweimalige 13JN lesen wir am besten mit Sam. 13JP und 13JP1l. Assur und Eber können auch V. 24 (vergl. oben S. 42 f.) nur das seleucidische Reich sein. Das fuhrt uns aber auf den Sinn von V. V. 23. 24. Im vorletzten Gedicht war Syrien als die augenblickliche Weltmacht hingestellt worden. Auf dieses Reich geht die Frage in V. 23. Syrien hört auf zu existieren, weil Gott es so will (V. 23). Und zwar kommen seine Vernichter mit kittischen Schiffen. Diese gehören aber nach Dan. 11,30, wovon unsre Stelle abhängig ist, den Römern. Die Römer haben in der That a. 64 unter Pompejus den Trümmern des Seleucidenreiches ein Ende bereitet und Syria zur römischen Provinz gemacht. In diese Zeit würden uns unsere Verse fuhren'. Was soll nun der Schluss von V. 24 "HN HJJ Hin Dil, der aus V. 20 stammt. Es giebt bei der Annahme der Unversehrtheit des Textes 3 nur zwei Möglichkeiten: 1) Assur und Eber ist der K1H (Dillmann) oder 2) ist Rom damit gemeint. Das letzte dürfte des guten Anschlusses wegen das Wahrscheinlichere sein. Wie das seleucidische Reich von Rom gestürzt wurde, so hoffte man später auch einmal für dieses Volk ein Ende. Wir würden dann wohl mit "DK Kin DJ1 in die Zeit nach Pompejus oder in die Tage kurz vor Christus gewiesen.

III. Zusammenfassendes Resultat. Aus dem letzten Abschnitt ersahen wir, dass die poetischen Stücke von Num. 22—24 durchaus junger Herkunft sind. Sie stammen aus der nachexilischen Zeit und gehen zum Teil bis auf » Cheyne ändert Exp. Tim. VIII. 521 USl auch in Mi] und lässt IltffN und "OP Subjekt sein: The Assyrians and peoples from beyond the Euphrates harassed and destroyed the kingdom of Sham'al. Neuerdings (Exp. Tim. V. 399 f.) macht er aus dem zweiten Glied in V. 24: n'nSBlK "tttfK rnp\ 2 Die späte Herkunft von V. 24 hat auch Comill Einl. S. 63 herausgefühlt. 3 Cheyne erblickt als wahren Text ein 1S")K '"IS IBtfn) (Exp. Tim. V. 399 ff.)« den Beweis bleibt er uns auch hier schuldig.



47



die Tage Jesu herab. Damit ist aber auch die alte Streitfrage entschieden, wie sich in C. 23 und 24 die Sprüche auf die beiden alten Quellen J und E verteilten l . Keine der Quellen kann einen der vorhandenen Sprüche enthalten haben, denn die Vereinigung dieser Quellen hat noch vor dem Deuteronomium stattgehabt. E s ist dann aber überhaupt so gut wie ausgeschlossen, dass in J und E ältere Sprüche^gestanden haben, die von jüngeren verdrängt worden seien, da hierzu ein Grund schlechterdings nicht vorstellbar ist. Auch das li>t?ö NB^I kann nicht in den alten Erzählungen gestanden haben (vergl. oben S. i6f.) E s bleibt hiermit am -wahrscheinlichsten, dass J und E überhaupt keine Gedichte enthielten, und dass die Erzählung erst von dem Verfasser des ersten Gedichts diesem zulieb an ihrem Schluss geändert wurde. Vielleicht lautete V . 5 f. (vergl. oben S . 13) einst: H31 pl?3 b« mm 'B3 .1312 Dtän ^tnti" " p ^ 1 inty by a s i nam

amtynn

Diese Verse wurden später umgeändert in den jetzigen Text, um einen ad hoc verfertigten Segensspruch einzuführen (23,7—10). Ein späterer wollte nach vorliegendem Muster auch ein Gedicht verfassen — es war RII (vergl. oben S. 14) und schob es (23,18—24) samt dem nötigen Rahmen ( 2 3 , 1 3 — 1 7 ) ein. RIII (Vergl. oben S. 15), der Verfasser von 23,25—24,2, ist auch zugleich der Autor des dritten Gedichts (24,3—9); und R I V hat, wie wir schon sahen (vergl. S. 16) nicht nur 2 4 , 1 2 — 1 4 , sondern auch die Verse 1 5 — 1 9 hingeschrieben Ohne weitere prosaische Ergänzungen hingen dann noch R V und R V I ihre Sprüche an, die dann durch einen zur Zeit Christi lebenden Frommen in V . 24 ihren Abschluss erhielten. Gegen diese äusserst späte Datierung der Bileamsprüche könnte man einwenden, dass sie nicht nur in der L X X , sondern auch im Sam. wesentlich in derselben Form wie im hebräischen Text ständen. Aber L X X und Sam. haben ihre Geschichte, sie sind mehr wie einmal nach dem hebräischen Text der Juden korrigiert worden, selbst noch was den Samaritaner betrifft, in nachchristlicher Zeit. Vielleicht kann ich dies einmal später an andrer Stelle erweisen. 1

Siehe auch Cornill, a. a. O., S. 63.

DE

B I L D E R S P R A C H E JESU IN IHRER BEDEUTUNG FÜR

DIE

ERFORSCHUNG SEINES INNEREN LEBENS. VON

HEINRICH WEINEL.

Die Arbeit, die ich Ihnen, verehrter Lehrer, zum heutigen Tage als ein Zeichen meiner Dankbarkeit darbringe, beschäftigt sich scheinbar nicht mit dem Gebiete der Theologie, dem Sie Ihre Lebensarbeit gewidmet haben und in dessen Grenzen ich unter Ihrer guten und sicheren Führung die ersten Schritte auf dem Wege der Wissenschaft habe machen dürfen. Dennoch hoffe ich, dass Sie diese kleine Gabe nicht unfreundlich aufnehmen werden. Haben Sie doch selbst den paradox klingenden, aber wertvollen Satz ausgesprochen, „dass das Neue Testament eine der besten Quellen für die Theologie des Alten Testamentes ist," und die Regel aufgestellt: „Soll die Darstellung (der biblischen Theologie des Alten Testamentes) einen Ruhepunkt finden, so wird als Abschluss der ganzen Entwicklung die Predigt Jesu in kurzen Umrissen zu geben sein. In dieser finden alle die Fragen ihre Beantwortung, mit denen sonst die Darstellung in unbefriedigendster Weise schliessen müsste. Wer das religiöse Leben des Judentums in der neutestamentlichen Zeit in erschöpfender Weise zeichnen will, hat so notwendig die Predigt Jesu in die Gesamtdarstellung einzuzeichnen, wie derjenige, welcher die Predigt Jesu deutlich zeichnen will, jenes als des Hintergrundes bedarf." Und in diesem Sinne haben meine Freunde und ich unter Ihrer Leitung das Alte Testament verstehen lernen. So ist denn was ich Ihnen hier zueigne nach Ihren eignen Worten ein Beitrag zu dem Schlusskapitel der biblischen Theologie des Alten Testaments. Ein Zeichen meines herzlichen Dankes sollen Ihnen diese Zeilen sein, des Dankes nicht nur dafür, dass Sie mir zuerst den Mutterboden des Christentums in lebendiger und lebenschaffender Weise vor Augen gemalt haben, sondern mehr noch dafür, dass ich unter 4*

Ihrer Leitung einen starken Eindruck von jenen gewaltigen Männern, den Propheten Israels, gewonnen habe, deren Reihe der Grosse und Einzige schliesst, der mehr war als ein Prophet. Diese meine Arbeit will von seinem inneren Leben Kunde geben; es wird mir eine grosse Freude sein, wenn Ihnen meine Worte als ein Wiederhall dessen klingen, was Sie uns einst aus dem Leben der alten Propheten erzählt haben. Was ich Ihnen darbringe ist die Antrittsvorlesung, die ich bei der Übernahme meines neuen Amtes in Bonn gehalten habe. Ich habe ihr begründende und ausfuhrende Zusätze beigegeben, aber die Form der Vorlesung nicht zerschlagen, um Ihnen dadurch zu sagen, dass ich Ihres Unterrichts auch deshalb dankbar gedenke, weil er mir dazu mitgeholfen hat, in die Laufbahn des akademischen Lehrers einzutreten, die unter der harten Schale manches Verzichtes den süssen Kern reicher innerer Freude birgt.

I. In seinem grossen und bedeutenden Werke über die Gleichnisreden Jesu charakterisiert J ü l i c h e r an einer Stelle (I. S. 73) unser modernes Verfahren der Schriftauslegung im Gegensatz zu der alten Art als eine „psychologisch orientierte Hermeneutik." Natürlich meint er damit nicht, dass zu irgend einer Zeit der psychologische Analogieschluss in der Exegese gefehlt habe. Ist doch in der That ohne seine Anwendung überhaupt keine historische Urkunde auch nur im bescheidensten Masse aufzuschliessen. S o haben denn auch mit Recht zu allen Zeiten die eigene religiöse Erfahrung und die Beobachtung des eigenen und fremden Seelenlebens, die erst den Analogieschluss möglich machen, als Haupterfordernisse des Exegeten gegolten. Dieser Grundsatz hat sich sogar eine Zeit lang in sehr eigentümlicher Weise unter dem Stichwort der Theologia regenitorum zum herrschenden Prinzip in der Theologie machen wollen. Dennoch ist Jülichers Charakteristik gerechtfertigt: denn jene vorwissenschaftliche Exegese war stets bereit, einzelne Wörter und Sätze der heiligen Urkunde aus ihrem Zusammenhang zu reissen und aus jeder Analogie mit unserem eigenen Seelenleben zu lösen, um irgend ein religiöses oder theologisches Bedürfnis des Augenblicks zu befriedigen. Diese Willkür ist überwunden, wenn sie auch noch hier und da in Dogmatiken und Predigten ihr Leben fristet. Der Sieg kam in erster Linie nicht durch richtigere und konsequenter durchgeführte psychologische Einsicht, sondern durch Grammatik und Lexikon. Mit Eifer und selbst mit einer gewissen Begeisterung machte man sich an die Untersuchung der Sprache des Neuen Testamentes wie seiner einzelnen Schriftsteller, um von geistreichen Einfällen und dogmatischen Voreingenommenheiten frei zu werden. Dabei wurde man aber Schritt für Schritt tiefer in die psychologische Art der Arbeit hineingeführt. Die grammatisch korrekte Erklärung



54 —

der Sätze führte auf die Beobachtung des Zusammenhangs im Ganzen, die Feststellung des Wortsinnes auf den dahinterliegenden Gedanken und die dahinterliegende Gedankenwelt. Und wie man nicht bloss die Sprache der einzelnen Schriftsteller des Neuen Testamentes, sondern das Griechisch der Zeit überhaupt zu studieren beginnen musste, so machte sich bald fühlbar, dass der Exeget neben der Kenntnis der Gedankenwelt der einzelnen Schriftsteller, eben um sie richtig zu erfassen und zu erklären, auch das Verständnis für die Art und Höhenlage der Gedankenwelt jener Zeit überhaupt gewinnen müsse. So ward die Exegese zu gleicher Zeit immer mehr historisch und immer mehr psychologisch. Nun zieht die historische Betrachtung immer weitere Kreise, sie sieht sich gezwungen, immer mehr Religionen und Philosophieen in den Kreis ihrer vergleichenden Untersuchung hereinzuziehen. Ebenso ist die psychologische Betrachtungsweise von dem unaufhaltsamen Bestreben geleitet, immer tiefer in das Geheimnis der Persönlichkeit einzudringen, das hinter ihrer ausgesprochenen Gedankenwelt ruht. Es beschäftigt sie aber nicht nur das Geheimnis des seelischen Lebens der Einzelp e r s o n e n , sondern ebenso sehr auch das Seelenleben der Masse, welches seine eigenen inneren Gesetze und Lebensäusserungen hat. Freilich im letzten Grunde sind beide Geheimnisse unerforschlich und von uns nur nachzufühlen, da wir selbst ja Persönlichkeiten und doch auch wieder Teile der Masse sind. Aber zwischen dieser geheimnisvollen Tiefe, aus deren Grunde die ewigen Brunnen des Geisteslebens entspringen, und der an der Oberfläche liegenden, fest formulierten Gedankenwelt erstreckt sich ein grosses und höchst bedeutungsvolles Gebiet seelischen Lebens, das der Forschung eben noch zugänglich ist. Die Theologie scheint mir gegenwärtig, ebenso wie die Psychologie, auf dem Wege zu sein, dieses Gebiet zu durchdringen und sein Halbdunkel mit ihrem Schein zu erleuchten. Und das ist sehr nötig und wichtig. Denn von diesem Gebiete des Halb- oder Unbewussten gehen in mindestens ebenso hohem Masse wie vom bewussten Gedanken und gesprochenen Wort diejenigen Wirkungen aus, die wir mit dem Worte Eindruck oder Zauber einer Persönlichkeit uns deutlich machen; in diesem Gebiete haben auch die meisten Entschlüsse und Handlungen ihre Wurzeln. Bei historischen Persönlichkeiten, von denen wir nur in Worte gefasste Gedanken



55 —

besitzen, können wir uns durch zwei Mittel den Weg in jenes wichtige, aber zunächst verschlossene Gebiet suchen. Zum ersten: wir beobachten die Wirkung einer Persönlichkeit bei anderen, und zum zweiten: wir versuchen aus der in Worte gefassten Gedankenwelt durch den Analogieschluss das dahinter liegende s e e l i s c h e E r l e b e n zu erkennen. Ich möchte nun in dieser Stunde Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die Bilder, die Jesus gebraucht hat, einer der gangbarsten Wege sind, auf dem wir tiefe Einblicke in die Seele dessen gewinnen könnten, der nicht nur gesagt hat: „Niemand kennt den Vater denn nur der Sohn", sondern auch jenes andere: „Niemand kennt den Sohn denn nur der Vater". Und er hat nicht hinzugefugt : und wem sich der Sohn will offenbaren, sondern er hat sich als ein Problem und eine Aufgabe den Menschen und selbst den Jüngern dargestellt. Dass ich von allen Wegen, dies Problem zu lösen, Ihnen heute den über die Gleichnisse führenden zeigen will, dazu bin ich durch Jülicher veranlasst. Mir scheint ein gewisser Mangel seines ausgezeichneten Buches zu sein, dass er fast ganz verschmäht hat, diesen Weg zu gehen, ganz in Anspruch genommen von der Erklärung ihres jetzigen Textes und der Ermittlung ihrer ursprünglichen Gestalt. Gewiss finden sich bei ihm zahlreiche feine und tiefe Bemerkungen über Jesu inneres Leben, und man wünscht oft, er hätte mit Derartigem noch viele Seiten angefüllt, die nun der Polemik gegen zum Teil ganz veraltete und abstruse Ansichten gewidmet sind. Immerhin, wollte man alle hierher gehörenden treffenden Beobachtungen Jülichers zusammenstellen, so würden sie gewiss viel mehr enthalten, als was ich hier bieten kann. Aber sie treten bei ihm nicht prinzipiell genug hervor, sondern erscheinen fast stets als blosse Mittel zur Worterklärung, stellen sich also meist nicht als etwas dem Gleichnis Entnommenes, sondern als etwas erst an es Herangebrachtes dar. Was ich hier im Anschluss an Jülicher und über sein Buch hinaus geben möchte ist ein Hinweis auf die Wichtigkeit einer Frage, die Jülicher fast ganz und meist mit Absicht bei Seite geschoben hat, obwohl sie einen Weg zu wichtigen Erkenntnissen erschliessen kann, ich meine die Frage: wie ist im einzelnen Fall ein Bild und der in ihm dargestellte Gedanke zu stände gekommen?

-

56

-

II. Ich will von dem ausgehen, was wohl allgemeiner Zustimmung sicher ist. Jesus hat nicht aus einer grösseren Fülle von Bilderreihen, die ihm zu Gebote gestanden hätten, gerade diejenige Art von Bildern, die wir bei ihm finden, in bewusster Absicht ausgewählt, etwa um sich den Anschauungen der Menschen oder seines Volkes zu akkommodieren. Auch ist er nicht ein Dichter, der absichtlich ein bestimmtes Genre der Ausdrucksweise anschlägt und aus ihm seine Bilder nimmt. Nein, aus der Überfülle des Herzens hat bei ihm der Mund gesprochen, und seine Gedankenwelt hat er nach dem geformt, was ihm im Innersten zu eigen war. Seine Bilder sind der naturgemässe Widerschein der Anschauungswelt, die er sich erworben hatte durch die Eindrücke seines Vaterhauses und seiner Heimat und durch die Erziehung, die er durchgemacht hatte. Je unbeabsichtigter aber die Erwerbung dieser Anschauungselemente sich vollzieht, ein um so genauerer Ausdruck der Innenwelt wie Aussenwelt eines Menschen sind sie, so dass man an ihnen jemand erkennen würde, selbst wenn er sich verbergen wollte. Dadurch gewinnt die Bildersprache Jesu einen bedeutenden Wert fiir die Erforschung des grossen dunkeln Zeitraumes in seinem Leben, von dem wir keine Nachricht haben und der doch so sehr wichtig ist, weil sich in ihm Jesu innere Entwickelung zum grossen Teil vollzogen hat. Der Niederschlag dieser Jahre liegt in seinen Bildern zu Tage. Da stellt sich uns denn zuerst eine ganz bestimmte A u s s e n w e l t dar. Der Mann, der das Evangelium gebracht hat, ist ein Kind des kleinen stillen Landstädtchens oder des Dorfes in Palästina gewesen. Schon oft ist diese Thatsache besprochen worden, zuletzt wieder in schlichter, anziehender Weise von H. J. H o l t z m a n n . Da hat man denn wohl alle Bilder Jesu zusammengestellt, um zu zeigen, wie sich die einfache, vom Tagewerk des Bauern belebte Natur in Jesu Bildern spiegelt und wie anschaulich uns in ihnen das kleine Städtchen entgegentritt; hier das schlichte Haus mit der einen Stube, in der sich die Familie am Abend sammelt beim Schein der Lampe, die das ganze Haus erhellt, dort die Hofhaltung des. reichen Bauern und Grundherrn, der viele Knechte hat und sich



57



noch Tagelöhner mietet, vor dessen Thür der arme Bettler liegt, während man drinnen im Haus alle Tage herrlich und in Freuden lebt, (i) Ich brauche das hier nicht zu wiederholen. All das gewinnt noch an Farbe und Leben, wenn man es mit der Bildersprache des Apostels Paulus vergleicht, der ein grossstädtischer Rabbi und Handarbeiter, wir würden sagen Fabrikarbeiter, gewesen ist und zumeist in hellenistischen und hellenischen Städten gelebt hat. (2) Bis in die kleinsten Einzelheiten hinein lässt sich dieser Gegensatz verfolgen. Ein Zug möge das belegen. Wenn Paulus die Tierwelt beobachtet, so hört und sieht er das Seufzen der Kreatur, die sich aus dem Knechtsdienst der Vergänglichkeit nach der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes sehnt, durch die auch sie frei werden und aufatmen soll. Jesu erzählen die kleinen Vögel von dem, der sie nährt, ohne dass sie sich Sorge machen müssten. Und der Sperling, der vom Dache fällt, hat ihm nicht die Vergänglichkeit der Kreatur, sondern das Allwalten des Vaters im Himmel gepredigt. Dort sieht der Grossstädter mit dem von dem Pessimismus der untergehenden Antike geschärften Auge die geplagte und im Dienste der Kulturmenschheit gemarterte Tierwelt, hier spricht das Kind der freien, ewig kräftiggesunden Natur, in der selbst der Tod von der Fülle des Lebens verschlungen wird. Nach dieser Seite hin ist die Bildersprache des Evangeliums einer der sichersten Beweise für die Echtheit der Überlieferung von Jesus im Ganzen. Denn seit durch den grossen Apostel das Christentum eine Religion der unteren Schichten in den hellenischen und hellenistischen Städten geworden war und andrerseits das palästinensische Christentum sich dem Judentum pharisäischer Richtung wieder stark genähert hatte, wäre eine Erfindung dieser Bilder und Gleichnisse in ihrer originalen, freien und doch echt heimatlichen Art einfach eine Unmöglichkeit gewesen. Das unpsychologische und darum gewaltthätige Verfahren der Kritik, welche die Geschichtlichkeit Jesu bestreitet und meint, solche Bilder und Gleichnisse seien in der Christenheit des ausgehenden ersten oder gar des zweiten Jahrhunderts erfunden worden, zeigt sich nirgends deutlicher als auf diesem Punkte. Unter den bezeichneten Einflüssen hat sich das Innenleben Jesu entwickelt. Wieder zeigen uns die Bilder, dass das in einer

-

58

-

eigentümlich geraden, freien, aufrechten und frohen Art geschah. Jesus hat sich nicht, wie Paulus, durch einen Bruch mit seiner Vergangenheit hindurch entwickelt. (3) Auch das Lächeln, mit dem Zarathustra die Welt begrüsste, hat Nietzsche sehr mit Unrecht an Jesus vermisst. S o furchtbar Jesus im heiligen Zorn aufflammen kann, und so drastisch und ingrimmig seine Bildersprache dann werden mag: er hat in der Natur doch nicht n u r den Herrn den Bäumen die A x t an die Wurzel legen und die Tenne fegen sehen mit der Wurfschaufel in der Hand, wie der grosse finstere Prophet vor ihm. Nein, weit öfter haben ihm die Blumen erzählt von dem Vater, der sie kleidet, und die Senfstaude und die Vögel in ihren Zweigen vom Reiche Gottes, und die Art oder die Unart der Kinder hat ihm tiefe Lehren verkündet. In all dem tritt uns kein finsterer Drohprophet, kein rauher Asket entgegen, auch darin nicht, dass er oft launige und scherzhafte Obertöne anschlägt, selbst wo er sehr Ernstes zu sagen hat, wie in dem Gleichnis von dem diebischen Haushalter, der sich so verschmitzt vor den kommenden bösen Tagen zu schützen weiss, dass selbst sein bestohlener Herr ihn loben muss. Natürlich fehlt die gewaltige, ja finstere Seite bei Jesus nicht. Aber der ganze Jesus ist grösser. Während so viele Züge in seiner Bildersprache zeigen, wie er unter den Menschen gelebt und sie teilnehmend und scharf beobachtet hat, legt kein Zug davon Zeugnis ab, dass er es, bevor er öffentlich auftrat, mit der Einsamkeit und dem Peinigungsleben des Asketen versucht habe wie Johannes. Eine Ausnahme davon, allerdings eine grosse und wesentliche, tritt da zu T a g e , wo er im Bild von den Eunuchen über den Verzicht auf die Ehe spricht. Die ganze A r t dieses Bildes, das, von einer gewissen geheimnisvollen Erregung durchzogen, halb verhüllt, halb zur Nachahmung auffordert, bezeugt unwillkürlich, dass ihm Erlebtes und ein erkämpfter Entschluss zu Grunde liegt: 6 buvdnevog x^peiv x^pemu. Man kann auch die Frage aufwerfen, ob Jesus nicht zu den Pharisäern in die Schule gegangen sei und es einmal mit dem Pharisäismus versucht habe. Wenn Jesus im Bilde von den grossen Lasten spricht, die die Pharisäer auferlegen und die zu tragen sie selbst keinen Finger rühren, so könnte man auch darin Selbsterlebtes suchen. Man hat ferner allerlei Parallelen zu seiner Lehre



59



aus den Anschauungen der Pharisäer beigebracht, ja sogar einen Teil seiner Bilder im Talmud als Gut der Rabbinen belegen zu können geglaubt. Aber leicht verwechselt man da den allgemeinen Volksglauben und die „Ethik" des spätem Judentums mit pharisäischer Schullehre. Und Bilder so einfacher Natur wie die Jesu können überall genuin entstehen; jedenfalls steht Jesus der Volkspoesie näher als dem Rabbinismus und hat, wie dieser, aus der Volkspoesie geschöpft. Das hat er selbst angedeutet im Bild von dem klugen Haushalter, der aus seinem Schatze altes und neues hervorholt. Um zu sehen, wie weit Jesus vom Pharisäismus nicht bloss in der Zeit seines öffentlichen Auftretens, sondern auch vorher und stets abgestanden hat, vergleiche man wieder die Bildersprache des Paulus. Welche Rolle spielen bei Jesus die Bilder von der Rechtfertigung d. h. Freisprechung, von dem Todesurteil und der ganze pharisäische Sprachgebrauch, der lauter juristische Bilder enthält? (4) Noch nach einer anderen Seite hin ist der Vergleich mit Paulus und seiner Bildersprache von Interesse. Paulus wendet öfters und mit sichtlicher Freude auf sein Leben das Bild des Soldaten oder des Läufers im Wettkampf an, ein treuer Ausdruck seines kampflustigen, vorwärtsdringenden, aggressiven Temperaments. Jesus hat auch das Bild vom Kriegführen fiir die Jüngerschaft gebraucht, Lc. 14,28 — 33, und das herbe Wort gesprochen: „Ich bin nicht gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen, sondern das Schwert", Mt. 10,34- Aber charakteristisch ist, dass neben jenem Bild vom Kriegführen das andere vom Turmbau steht und dass nur das Thun eines kriegführenden, Söldner mietenden Königs zum Vergleich herangezogen wird. Wahrscheinlich sind zudem beide Worte in der späteren Zeit gesprochen, da Jesu der Kampf auf Leben und Tod von seinen Gegnern aufgezwungen worden war. Im Anfang hat er lieber im Thun des Arztes, des Säemanns, des Kaufmanns, des Hirten und des Fischers die Bilder für seine Gedanken gesucht oder unwillkürlich gefunden. Den Kampf hat Jesus, als er ihm aufgezwungen wurde, mit aller Macht geführt, aber weil er im tiefsten Grund, wie wieder seine Bilder zeigen, nicht auf Kämpfen, sondern auf Aussäen und Sammeln, auf Heilen und Hüten, auf Zurechtbringen und Gewinnen gerichtet war, bleibt eine erhabene gütevolle Ruhe über- all seinen heftigen Kampfesworten und -thaten ausge-



6o



breitet. Das Unbewusste in der Grundstimmung und Grundhaltung seiner Seele, wie sie seine Bilder verraten, wirkt selbst in der späteren Zeit durch alle Leidenschaftlichkeit. des Augenblicks hindurch. Und darauf beruhte und beruht zum Teil die anziehende und emporhebende Kraft seiner Person, dass man diesem Leben unbewusst anfühlt, dass es gewaltigere Stürme überstanden hat als wir Kleinen und dass diese Stürme doch nicht vermocht haben, den ewigen Grund zu erschüttern, auf dem es ruhte. (5)

III. Habe ich aber damit nicht die Bildersprache und besonders die Gleichnisse Jesu in einer unerlaubten Weise ausgebeutet? Ist es zu billigen, dass ich aus den Gleichnissen Einzelbilder ausgelöst und sie, wenn auch nicht für den Vergleichungspunkt, so doch in ihrer Vereinzelung für wichtige Bilder genommen habe? So das Heilen aus dem Spruche: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken", Mc. 2,17, oder aus dem Worte: „Arzt, heile dich selbst!" Lc.4,23. Oder das Säen aus dem Gleichnis vom viererlei Ackerland oder das Behüten und Suchen aus dem Gleichnis vom verlorenen Schaf? (6) Hat uns nicht Jülicher in durchschlagender Weise gezeigt, dass es lediglich auf den Vergleichungspunkt ankommt, und dass dieser stets in dem V e r h ä l t n i s der Begriffe, nie aber in irgend einem Einzelbegrifif zu suchen ist? Ich glaube, dass Jülicher in der Konsequenz seiner richtigen Erkenntnis wichtige Nebenpunkte nicht genügend gewürdigt hat. Das wird besonders deutlich an einem frappierenden Satze, den er einmal halb im Scherz hingeworfen hat: „Wenn statt Salz die Steinkohle aufträte, wäre das Gleichnis gerade so treffend," II. S. 71. Gewiss, aber Jesus hätte es nicht bilden können; die psychologische Unmöglichkeit liegt auf der Hand. Die Vorstellung „Steinkohle" gehört nicht zu dem Anschauungskreis, den Jesus besessen hat. Und was an diesem Scherzwort besonders sichtlich zu Tage tritt, gilt auch sonst: es ist durchaus nicht gleichgültig, aus welchem Bilderkreis Jesus seine Gleichnisse genommen hat oder vielmehr empfangen hat. Wie die



6i



Bilder im allgemeinen Jesu Besitz an anschaulichen Vorstellungen zeigen, so ist auch das Einzelbild, welches dem Gedanken Form giebt, durch eine ganz bestimmte Einzelvorstellung mit dem Gedanken verknüpft, wenn man auch vielleicht nicht in jedem Fall mit Sicherheit mehr sagen kann, warum gerade dieser oder jener Bilderkreis durch den dargestellten Gedanken ausgelöst worden und in Thätigkeit getreten ist. Im allgemeinen lassen sich hier zwei Fälle unterscheiden. Die Association eines Gedankens mit einer anschaulichen Vorstellung kann entweder durch die Vermittelung des Erinnerungsbildes von einem Gegenstand oder Vorgang oder durch die Vermittelung seiner gegenwärtigen Anschauung eintreten. So wirkt das Erinnerungsbild ein bei dem Gleichnis vom Sauerteig, so die lebendige Anschauung, wenn Jesus, als man Kinder zu ihm brachte, sagte: „Solcher, d. h. Menschen, die wie Kinder sind, ist das Reich Gottes," Mc. 10,14. Beides kann zusammenkommen: wenn Jesus im Bilde von einem Kinde sprechen will, nimmt er. wohl einmal eins bei der Hand und stellt es in die Mitte seiner Jünger, Mc. 9,36. Es ist nicht gleichgültig, ob ein Bild so oder so zu stände gekommen ist. Beruht eine Vergleichung auf dem Erinnerungsbild, so wird sie, entsprechend der Art der Erinnerungsbilder, sich viel mehr an die allgemeinen Züge halten, und ihre Entstehung wird viel leichter zu durchschauen sein, als wenn sie auf gleichzeitiger Anschauung ruht und darum leicht einen zufälligen und überraschenden Charakter an sich tragen wird. Wenn Jesus z. B. seinen Jüngern den Gedanken, dass was sie sind und haben nicht verborgen bleiben kann und darf, an dem Bild vom Licht und von der Stadt auf dem Berge klar macht, Mt. 5, 14.15, so wird sich die Zusammenstellung beider Bilder wohl dadurch erklären, dass jenes auf einer naheliegenden Association vom Begriff „leuchten" aus, dieses aber auf einem gegenwärtigen Anschauungsbild beruht. (7) Mit einem Lächeln diese Möglichkeit beiseite zu schieben, wie Jülicher, II S. 89, zu thun scheint, geht nicht an, wenn man doch nicht leugnen kann, dass Jesus zu Simon und Andreas nur deshalb gesagt hat: „Ich will euch zu Menschenfischern machen", weil er sie beim Fischen angetroffen hatte, Mc. 1,7. Mt. 4,19. Und wie hier, so ist es oft gewesen. (8) Noch nach einer anderen Seite hin ist dieser Unterschied wichtig.



62



Die auf der Erinnerung ruhenden Bilder werden sich stets leichter als festgeprägte Einzelbilder darstellen, während, wo wirklich nur das Verhältnis der Begriffe entscheidend und Grundlage des Bildes ist, das Bild meist als solches erlebt sein wird. So ist „Licht" in allen Sprachen eine übliche Metapher für hervorragende, fromme oder weise Männer, und wir sind daher nicht verwundert, losgelöst von dem eigentlichen Tertium comparationis neben dem Gleichnis auch die Metapher „Ihr seid das Licht der Welt" zu finden. Aber sehr schwierig ist es, das fühlt jeder, die Metapher zu bilden: „Ihr seid die Stadt auf dem Berge", weil hier nur das Verhältnis verglichen ist: „sie kann nicht verborgen bleiben." (9)

IV. Die Erinnerungsbilder sind nun entweder aus eigener früherer Erfahrung oder aus der Sprache des Volkes oder aus der Lektüre, bei Jesus aus dem A.T., geschöpft. Auch können zwei oder alle drei Momente zusammenwirken. Die Erinnerungsbilder sind die Elemente, aus denen sich die grösseren Bildreden, Gleichnisse und Allegorieen, zum Teil zusammensetzen. Metapher und einfache Vergleichung stehen sich dabei so nahe, dass beide Grundlagen von Gleichnissen oder von Allegorieen werden können. So ist das Gleichnis: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken: ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder", Mc. 2,17, auf lauter unter sich verglichenen Einzelbegriffen aufgebaut, die ebensogut Metaphern wie Vergleichungen sein können: Gesund ist der Gerechte, krank der Sünder, ein Arzt, wer aus Sündern Fromme macht. Die verglichenen Einzelbegriffe sind hier wie oft die Grundlage, aus der das Gleichnis erwachsen ist. Selbst Jülicher muss beim Hinblick auf solche Fälle eingestehen: „Wenn wir uns die Entstehung einer Parabel in der Seele des Redners klar machen, werden wir in vielen Fällen die Ähnlichkeit zwischen zwei Einzelbegriffen als ihren Urkeim anerkennen," I. S. 108. Eben diese Erkenntnis hätte Jülicher in ihrerrichtigenBedeutung werten müssen, um in gleicher Weise vor übertriebenem Purismus wie vor

-

63

-

manchen allzu herben Urteilen über seine Vorgänger bewahrt zu bleiben. Es gilt hier, einen festen Massstab zu finden, nach dem man die Deutung der Parabel vorzunehmen hat. Jülichers Bemerkung, dass der Redner nicht wie der Schriftsteller eine Musterleistung zu stände bringen könne, genügt doch nicht, um z. B. die Congruenz zwischen Sach- und Bildhälfte bei der Säemanns- und Unkrautparabel, wie sie auch ohne die Deutung bis zu einem hohen Grade vorhanden ist, abzulehnen. (10) Gleichnisbilden ist immer eine dichterische Thätigkeit, mag sie der Dichter oder der Redner üben. Deshalb wird sie sich meist an einen konkreten Einzelbegriff heften. Wiederum ist es bei einem Dichter keineswegs auffallend, dass hier und da einmal eine Reihe von Einzelbildern in untadelhafter Congruenz zu den einzelnen Teilen des Gedankens steht, den sie ausdrücken will. Dass aber Jesus ein Dichter gewesen ist, wer will das im Hinblick auf die Gleichnisse leugnen, wenn er auch — darin anders als die alten Propheten — selten oder gar nicht die Formen poetischer Rede angewandt hat. ( I i ) Wenn ferner die Gleichnisse zum grossen Teil aus Einzelvergleichungen entstanden sind, ja zum Teil aus gebräuchlichen Metaphern, wie Jülicher ebenfalls sich genötigt sieht zuzugeben (I. S. 79), so ist es doch ganz erklärlich, wenn hier und da einmal eine Metapher am Anfang und Schluss stehen geblieben ist. Wir werden sie nicht als unecht streichen, sondern von einer psychologischen Betrachtung aus im Munde Jesu so gut wie bei einem Bearbeiter für möglich halten. In der That ruhen viele Gleichnisse Jesu auf solchen, ihm aus dem Alten Testament oder des Volkes Sprache geläufigen Metaphern: so zum Beispiel das Gleichnis vom Licht auf dem Leuchter, Mc. 4 , 2 1 . Mt. 5 , 1 4 f. L c . 8 , 1 6 f. 1 1 , 3 3 , das andre von Blinden als Blindenführern, L c . 6, 39. Mt. 15,14. 2 3 , 1 6 — 2 4 , und das Gleichniswort: E s ist nicht fein, dass man den Kindern das Brot nehme und werfe es den Hunden hin, Mc. 7,27. Ebenso hat das altprophetische Bild von Israel als dem Weinberg Gottes den äusseren Rahmen zu der Geschichte von den bösen Weingärtnern geliefert. Dies Gleichnis ist auf einer ganzen Reihe von Einzelbildern aufgebaut und wird deshalb von Jülicher eine Allegorie genannt, obwohl es als Parabel sehr wohl verständlich ist, freilich als Parabel, bei der wegen ihrer Entstehung wie bei der andern vom viererlei Ackerland auch die Einzelzüge ihre Bedeutung

-

64

-

haben. (12) Aus den in der apokalyptischen Sprache geläufigen Bildern vom himmlischen Mahl, von der Himmelshochzeit und vom Messias als dem Bräutigam hat Jesus eine Reihe von Motiven zu Bildern und Gleichnissen genommen. Andere Beispiele übergehe ich hier. (13) Wie diese Gleichnisse von einzelnen Metaphern und Bildern aus, so sind andere deutlich von einem einzelnen Hauptbegriff aus gefunden und entfaltet. So hat der Begriff des Verlorenen und eifrig Gesuchten die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen veranlasst. So sind die Bilder vom Arzt und Kranken und vom bittenden Sohn entstanden; das letzte ist vom Hauptbegriff bitten aus gebildet mit Geltendmachung der Metapher, dass es ein himmlischer V a t e r ist, den man bittet. Und so noch viele andere, zumal die Gleichnisse, in denen Jesus die alte Metapher von Gott als dem Hausherrn und vom Menschen als Knecht (oder Hausverwalter) auf das Verhältnis von Gott und Mensch oder von sich und seinen Jüngern angewandt hat. An zwei Parabeln will ich das im besonderen entwickeln. Das Gleichnis von dem in der Nacht um Brot bittenden Freund und von der um ihr Recht bettelnden Witwe sind von dem Begriff des inständigen und dringenden Bittens aus entstanden. Was diesem Hauptbegriff nun notwendig vorausgeht, ist deshalb gleichfalls noch dem Bild wie der Sache mit Notwendigkeit gemeinsam: die drängende Not als Ursache des Bittens. Von hier aus ist das weitere Bild geworden; das eine Mal ist die drängende Not auf das heilige Gastrecht und seine unbedingte Forderung, das andere Mal auf die Armut der ungerecht behandelten Witwe zurückgeführt, naheliegende Beispiele aus dem täglichen Leben. Hiermit sind dann im ersten Fall der besuchende und der schläfrige Freund, im zweiten der ungerechte Richter unmittelbar gegeben. Diese sind bereits ganz zufällig. Gott ist direkt weder mit dem schläfrigen Freund noch mit dem ungerechten Richter verglichen. Ergiebt sich aber jetzt noch zufällig eine Ähnlichkeit, so kann sie von dem Erfinder ausgenutzt werden, wenn wir auch gar kein Recht haben, ohne irgend ein andeutendes Wort sie auszunutzen. Nun steht hinter dem einen Gleichnis die Klimax: „Höret, was der ungerechte Richter (zu der Frau) sagt! Gott aber sollte nicht seinen Auserwählten Recht (und Rache) schaffen, wenn sie Tag und Nacht zu ihm schreien, und ihnen gnädig

-

65

-

sein?" Diese Worte sind, wie Jülicher richtig bemerkt hat, II S. 286, ein Zusatz, nicht weil sie das Bild des ungerechten Richters in der Klimax verwenden — das thut in seiner Gleichnisdeutung auch Jülicher (14) —, auch nicht weil sie noch einen weiteren Zug, das Recht und Rache schaffen, so verwenden, sondern weil sie deutlich den Sprachgebrauch und das Interesse der sehnsüchtig auf den Herrn wartenden und um Rache schreienden Gemeinde verraten. Daher folgt auch der Trost: „Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze!" Hier treffen wir auf jene allegorisch-eschatologische Ausdeutung der Gleichnisse, die Jülicher so schlagend auch an vielen andern Stellen nachgewiesen hat. Die Evangelisten geben wie die Gemeinde diese Auslegung für den eigentlichen tiefen Sinn der Parabeln Jesu aus, und von ihr aus sind mannigfache Zusätze im Laufe der Zeit gemacht worden. Deutlich schreiben nämlich die Evangelisten den Gleichnissen einen Doppelsinn zu, wie Mc. das 4, 33f. mit klaren Worten sagt: „Und in vielen solchen Gleichnissen sprach er ihnen das Wort, wie sie es hören (und natürlich auch verstehen, nämlich als Gleichnis verstehen) konnten. Ohne Gleichnis aber sprach er nicht zu ihnen. Seinen Jüngern jedoch löste er, wenn sie allein waren, alles auf", d. h. ihnen deutete er die Gleichnisse auch noch als A l l e g o r i e e n . (15) So ist z. B. die Deutung vom viererlei Ackerland deshalb für später zu halten, weil sie deutlich Gemeindeglieder, Leute, die vom Christentum ihres Reichtums und der Verfolgung wegen abfallen, im Auge hat. Auf Gemeindezustände und auf das Weltende bezog man also die Parabeln allegorisch. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich nun zwei oberste Grundsätze für die Behandlung der Gleichnisse. Ein Grundsatz für ihre Kritik: Mit Sicherheit kann als Deutung und Zusatz der Gemeinde nur das und alles das angesehen werden, was einzelne Züge der Gleichnisse auf Gemeindezustände oder eschatok>gische Gedanken der Gemeinde bezieht. Dieser Massstab, den auch Jülicher neben andern angewandt hat, ist der einzig zuverlässige, um echtes Gestein vom Gerölle der Überlieferung zu unterscheiden. Ein zweiter Grundsatz für die Parabelerklärung: Neben dem eigentlichen Tertium comparationis nehmen meist noch andere Begriffe an der Vergleichung teil. Um diese festzustellen, hat man vom V e r g l e i c h u n g s p u n k t Festschrift.

aus r ü c k w ä r t s zu gehen und die 5



66



Entstehung des Gleichnisses zu verfolgen. Je näher dem Vergleichungspunkt und in je engerem Zusammenhang mit dem Vergleichungspunkt ein Begriff oder Bild stehn, umsomehr werden sie an der Vergleichung teilnehmen. Nach diesem Gesetze lässt sich die Mitte halten zwischen dem Purismus Jülichers und jener unmethodischen Ausdeutung der Gleichnisse, die alles allegorisch fassen will, was sich „ungezwungen" so fassen lasse. In dem Wort „ungezwungen" hat sich ein richtiges Gefühl davon geltend gemacht, dass es einen Massstab geben müsse, noch ausser dem Vergleichungspunkt verglichene Einzelbegriffe zu finden. Ich hoffe, diesen Massstab richtig angegeben zu haben.(16)

V. Eine Gruppe von Gleichnissen, deren besondere Art der Entstehung sich dem Betrachter sofort aufdrängt, gestattet uns vor allen anderen einen tiefen Einblick in das innere Erleben Jesu unmittelbar vor und während der Zeit seines öffentlichen Auftretens. Immer noch ist leider die Betrachtungsweise die herrschende, die in Jesus, dem öffentlich auftretenden, in erster Linie, ja vielleicht nur den L e h r e r sieht. Aber Jesus ist nicht gekommen, um die Menschen zu belehren, er hat nicht eis TÖV KO(J>IOV geredet, wie man bald nachher meinte, sondern er ist gekommen wie ein Prophet und hat gesprochen, nicht wie die Schriftgelehrten, sondern wie einer, der Macht hat, wie ein Prophet. Gewiss, im allgemeinen erkennen jetzt alle Richtungen der Theologie den Satz an, dass Jesus nicht „Lehrer" gewesen ist, aber wenn es sich darum handelt, die Worte Jesu darzustellen und verständlich zu machen, so treten diese doch mit ebenso unfehlbarer Sicherheit stets unter den Gesichtspunkt der „Lehre". Welcher Theolog wagt es heute noch, eine „Lehre" des Jeremia zu schreiben? Eine „Lehre" Jesu gilt aber immer noch als die richtige Art, dieses P r o p h e t e n Worte zu fassen. (17) Und so fragt man denn auch heute noch gewöhnlich nicht: „Was hat Jesus erlebt? Was für ein Innenleben offenbaren seine Worte?" sondern: „Was hat er gelehrt? Welchen nach aussen ge-

-

67

-

wandten Sinn haben seine Aussagen?" Und man stellt in den Vordergrund nicht die Frage: „Auf welche sittliche und religiöse Gegenbewegung in seinen Hörern hat Jesus hingearbeitet?" sondern die andere: „Welche religiösen und sittlichen Begriffe lassen sich aus seinen Worten ableiten?" Alles, was Jesus zu sagen hatte, liess sich in die Worte fassen: „Kehret um, das Himmelreich hat sich genaht!" Er will nicht belehren, sondern zum Himmelreich weisen, dessen Kommen er weissagt; er will religiös und sittlich beeinflussen, wie wir Modernen sagen würden. In seiner prophetischen Art ist seine dichterische eingeschlossen. Deshalb sollte man zunächst nicht nach einem Z w e c k e der Gleichnisrede Jesu fragen. In erster Linie hat sie keinen Zweck, weder den zu verstocken, noch den anzureizen, noch den zu veranschaulichen, noch den zu beweisen, sondern zunächst hat sie nur einen G r u n d : Jesu prophetisch-dichterischen Genius, dem alles Irdische ein Gleichnis des Ewigen, Himmlischen ist und wird. Einen berechtigten Kern wird man an all den Jesu Gleichnisreden zugeschriebenen „Zwecken" entdecken können, und viele Parabeln hat Jesus sicherlich gebildet, um zu veranschaulichen und zu beweisen: aber keiner jener Zwecke passt fiir alle. Was wollte Jesus wohl mit dem Gleichnis vom verschiedenen Ackerland b e w e i s e n ? Oder mit dem Gleichnis vom Senfkorn? Und mit dem von der selbstwachsenden Saat? Es ist doch kein B e w e i s dafür, dass das Evangelium notwendiger Weise nicht überall Eingang findet, wenn die ausgestreute Saat ebenfalls nicht stets aufgeht und Früchte bringt. Nein, solche Gleichnisse hat Jesus nicht gebildet, um zu beweisen und zu belehren, sondern sie sind in erster Linie Erlebnisse und Marksteine seiner eigenen inneren Entwickelung, ausgesprochen aus dem Drang des Geistes, aus dem heraus der Prophet spricht. Ihm sind sie Beweise, ihm sind sie mehr, ihm sind sie Offenbarungen Gottes gewesen. Und das sind sie ihm gewesen, weil e r, nicht die Volksmenge, denselben Vatergott und sein Wirken ebenso an den Blumen und Bäumen und Vögeln sich offenbaren sah, wie in seinem eignen Innern. Jesus hat während der Zeit seines öffentlichen Auftretens, so kurz sie war, eine grosse Entwickelung erlebt. Wie er sich nicht selbst zum Messias gemacht, sondern in einer grossen Stunde seines 5*



68



Lebens seine Berufung erlebt hat, so ist er auch nicht mit einem fertigen Programm aufgetreten. Von jenem Tage an, wo er des Täufers Botschaft, den alten prophetischen Bussruf, aufnahm, führt ein weiter W e g seelischen Erlebens bis zu der Stunde, da er sprechen konnte: „Grösser ist unter den Weibgeborenen keiner als Johannes; der kleinste aber im Reiche Gottes ist grösser als er". (18) Das kann nicht heissen sollen, dass Johannes sittlich unter den Reichsgenossen stehe oder in das vollendete Herrlichkeitsreich nicht gehöre, sondern es will sagen, dass Jesu so viel mehr als ihm vom Himmelreich kund geworden ist, dass selbst der geringste Jünger besser belehrt ist, als Johannes es war. „Denn niemand kennt den Vater als der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren", Mt. I i , 27. Darum „gehen das Gesetz und die Propheten bis auf Johannes; von da an wird die Königsherrschaft Gottes verkündigt", L c . 16, 16. Jesus ist sich seiner eigenen Entwickelung wohl bewusst gewesen, wie die Stelle von Johannes beweist, wie auch jenes schon angeführte Wort vom rechten Schriftgelehrten zeigt, der, dem guten Haushalter gleich, Altes und Neues in seinem Besitz hat und hervorholt. (19) An einigen Stellen können wir noch deutlich sehen, wie solche Erlebnisse vor sich gegangen sind. Man bringt Kinder zu Jesus, damit er sie segne. Durch das Abwehren der Jünger wird seine Gegenrede wachgerufen. Sofort treten seine tiefsten Gedankenreihen in Bewegung. Hier sind Jünger, welche die Kinder abweisen. Wie falsch! Solcher gerade ist das Himmelreich, Mc. 10, 14. Einen neuen Ausdruck hat er so für die Art seiner Jüngerschaft gewonnen, ein Bild, das neben andere tritt, die er vielleicht ebenso gewonnen hat, wie z . B . dies, dass, sein Jünger sein, heisse: allen dienen. Dies Bild ist ihm erwachsen, als eine gute Mutter für ihre beiden Söhne oder diese selbst hohe Herrscherstellen im Reiche Gottes gewünscht hatten, Mc. 10, 35—45. — Auch in Bezug auf sein eigenes Schicksal hat Jesus solches und Tieferes oft erlebt. Er hat von anfang an mit der Möglichkeit des Leidenmüssens oder sogar eines gewaltsamen Todes rechnen können. (20) Hatte er doch die Botschaft des Täufers in dem Augenblick aufgenommen, da Herodes den Propheten hatte ins Gefängnis werfen lassen. Dass für Jesus die Möglichkeit seines gewaltsamen Todes erst allmählich zur Gewiss-

-

69

-

heit wurde, und dass er um diese Gewissheit noch bis in die letzten Tage gekämpft und um ihre Deutung gerungen hat, ist heute fast allgemein anerkannt. Gerade aber solche Deutungen seines Todes hat Jesus nach unsern Quellen mehrmals, durch äussere Erlebnisse veranlasst, in Bildern gefunden, und gewiss hat er in ihnen eine Bestätigung des gottgewollten „Müssen" gesehen. An der eben berührten Stelle hat Jesus von der äusseren Veranlassung aus seinen Tod als ein Dienen bezeichnet. Später, als jene Frau zu ihm kam und ihn mit köstlicher Narde salbte, ward ihm auch das eine Weissagung auf sein Sterben. In das ärgerliche Schelten seiner Jünger hinein, spricht er: „Lasst sie, das hat sie in Beziehung auf mein Begräbnis gethan." Genau so ist ihm ja auch die Deutung und das Symbol seines Todes beim Abendmahl durch den Anblick des gebrochenen Brotes und des roten, ausgegossenen Weines erwachsen. Die Dinge haben zu ihm, der Dichter und Prophet zugleich war, ihre deutliche, göttliche Sprache gesprochen. Eine ganze Reihe von Gleichnissen — und gerade die bekanntesten — machen den deutlichen Eindruck, solche und noch weit wesentlichere Erlebnisse zum Hintergrund zu haben und für Jesus Offenbarung Gottes gewesen zu sein. Als Jesus mit dem grossen Ruf zur Umkehr auf Grund der frohen Botschaft vom Nahesein des Reiches auftrat, hat er wie wohl jeder Gottgesandte und Prophet gehofft und geglaubt, man müsse den Menschen nur das Wunderbare, Herrliche versprechen und verheissen, sie würden dann schon alles daran setzen, es zu erlangen. Und wenn Johannes als finsterer Asket gekommen war, und sie wollten ihn nicht hören, so bot er als ein frohes, unbefangenes Gotteskind die grossen Güter des Reiches an. Selig sind die Armen, die Hungernden und Dürstenden, die Barmherzigen, die Friedfertigen. Er musste, wie jeder Prophet, die herbe Enttäuschung erleben. Wohl gab es solche, die das Wort aufnahmen und bewahrten in einem feinen und guten Herzen, aber wie oft trat auch das Gegenteil ein! Da hat das Saatfeld zu Jesus gesprochen: einerlei Samen, gutes Saatkorn hat der Säemann ausgestreut, und doch steht nur hier die Frucht wogend in goldenen Ähren, da neben am .Weg ist alles zertreten, dort drüben am Feldrain haben Dornen und Disteln die Saat erstickt, kümmerlich ist, was da wächst, und hinten, wo der Acker



7 °



an den Fels stösst, hat die glühende Sonne rasch vertrocknet, was unter ihren warmen Strahlen rasch aufgeschossen war. Der Same war gut, der Boden ist ungleich. Da ist Jesu das Ackerfeld eine Offenbarung geworden, ihm, der in allem des grossen Gottes grosses Thun sah, des Gottes, der überall lebendig in und mit der Natur und durch sie hindurch wirkt. Eine der schmerzlichsten Sorgen jedes wandernden Propheten und Apostels ist die, dass sein ruheloses Leben ihn immer wieder weiter treibt und er nicht pflegen kann, was er gesät hat. Paulus hat diese Sorge auch gekannt und sich mit dem Glauben getröstet: „Ich hoffe: der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollenden bis zu dem Tage Christi Jesu", Phil, i, 6. Jesus selbst hat wiederum in der Natur Trost in dieser Sorge gefunden. Die junge, frische Saat draussen auf dem einsamen Felde hat ihm erzählt, dass der Säemann weit weg sei und wache und schlafe, und sie wachse doch, ohne dass er es wisse. Denn von selbst trägt die Erde, hat sie die Saat aufgenommen, Gras, Halme, Ähren und volles Korn in den Ähren, dann sendet der Bauer die Schnitter aus, die Ernte heimzuholen, Mc. 4, 26 ff. Das Gleichnis sagt also nicht, dass man nichts thun könne oder solle, um den Samen zum Wachsen und Fruchttragen zu bringen, sondern es tröstet den, der nur aussäen kann, weil sein Beruf ihn weiter treibt, darüber, dass er nicht mehr thun kann. Diese rein religiöse und psychologische Auffassung der beiden Gleichnisse vom Ackerland und von der selbstwachsenden Saat beseitigt alle Schwierigkeiten, die jede, auch nicht allegorische Deutung hat, sowie sie sich auf das sittliche Gebiet begiebt und eine Lehre für jedermann aus den Gleichnissen machen will. (21) Die grösste Frage und Sorge Jesu, wie der kleine Anfang des Reiches Gottes, das sich auf Erden durch seine Thätigkeit entfaltete, in Einklang zu bringen sei mit den gewaltigen Verheissungen von dem Herrlichkeitsreiche, sie hat sich ihm gelöst beim Anblick der Senfstaude, die aus einem so kleinem Korn so mächtig emporwächst. Mit Gottes Macht lehrt sie ihn sich trösten. Im Leben jedes Propheten giebt es ferner einen Augenblick, in dem die Eliasnatur durchbricht und Feuer und Schwefel vom Himmel dem Propheten als die rechte Antwort auf die Stumpfheit



7i



und Bosheit der Welt erscheinen. Dass nicht nur die Jünger später einmal Feuer haben regnen lassen wollen, sondern dass diese Stimmung auch Jesu nicht fremd gewesen ist, dass er nicht der ewig Sanfte war, als den man ihn gern zeichnet, das zeigen neben vielem andern deutlich seine Weherufe über die Reichen, über die Pharisäer und über die Städte seiner Heimat. Dennoch hat er diese Stimmung niedergekämpft. Eine Spur dieses Kampfes haben wir in dem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen, das nicht eine spätere Allegorie ist, sondern deutlich Erfahrungen Jesu widerspiegelt. Durch sein Verständnis für das Wachsende und Werdende und sein unerschütterliches Gottvertrauen, das warten kann bis zur Ernte, hat er die Ausbrüche der Eliasnatur übenvunden. (22) Ich kann nicht alle Gleichnisse anführen, die nach dieser Seite hin noch weitere Einblicke in Jesu inneres Leben gewähren. Nur darauf will ich noch aufmerksam machen, dass wir auch aus der grossen Entscheidungszeit seines Lebens, die mit der Taufe am Jordan endet, noch Niederschläge in Bildern besitzen: die Parabeln vom Schatz im Acker und von der köstlichen Perle, Mt. 13, 44ff. Die ruhige Art, mit der hier die ungeheure religiöse Forderung der unbedingten Entsagung schlicht wie etwas Selbstverständliches erzählt wird, kann nur aus der Seele dessen entsprungen sein, der um des Reiches willen selbst alles dahingegeben hatte: die Stille der Heimat, die ruhige Arbeit seines Berufes, die Sicherheit und den Frieden seines Lebens und selbst das Vaterhaus. In diesen beiden Gleichnissen liegt nicht ein aufgeregtes So-soll-es-sein, sondern ein stilles, entschlossenes So-ist-es und So-war-es. Dass ich mit diesem Jesus, der so in und aus der Natur Offenbarungen seines himmlischen Vaters erlebt hat, nicht einen falschen Jesus gezeichnet habe, will ich noch an einem Zuge seines innersten religiösen Lebens erhärten, an seinem Gebet. In den entscheidenden Stunden seines Lebens, wo er mit seinem Gott ganz allein sein wollte, ist er nicht in das „Kämmerlein" gegangen, von dem er einmal gesprochen hat, sondern hinaus in die Einsamkeit der Natur. Nach dem grossen Erlebnis bei der Taufe hat er die Wüste aufgesucht; nach jenem bedeutungsvollen T a g in Kapernaum, an dem er die erste Heilung durch die Kraft, die in ihm wohnte, für ihn selbst überraschend und geheimnisvoll in ihren Wirkungen, erlebt

hatte, ist er in der Stille des frühen Morgens hinaus vor die Stadt geeilt, um Zwiesprache zu halten mit seinem Vater. Als er nach Jerusalem zog, um sein Volk vor die grosse Entscheidung zum letzten Mal zu stellen und, wenn es Gottes Wille wäre, zu sterben, ist er hinaufgestiegen auf einsame Bergeshöh; und in der Nacht vor seinem Tod hat er unter den Ölbäumen vor den Mauern der Stadt in heissem Gebet zum letzten Male seines Lebens grosse Frage an Gott gerichtet. An solchen Orten hat er mit Gott geredet. Dort hat ihm Gott geantwortet. Aus solchen grossen, einsamen Stunden stammt auch ein Teil seiner Gleichnisse.

Zusätze. ( i ) Z u S e i t e 57. Vergl. H. J. H o l t z m a n n , Lehrbuch der Neutestamentlichen Theologie, Freiburg

1897, I S . 1 1 0 — 1 1 5 .

Auch

Jülicher hat über diese Seite der Parabeln Jesu schöne und treffende Worte gesagt (I S. 157 fF.).

Nur scheint mir seine Ausdrucksweise

zu oft mit einer bewussten Absicht Jesu zu rechnen, die doch keinesfalls vorauszusetzen ist.

So sagt Jülicher z. B.: „Trotz seines Reich-

tums ist dieser Parabelredner nie der Versuchung unterlegen, mit seinen Gaben zu prunken, zu viel zu bieten . . . (158) oder: „Dieses Fehlers hat sich Jesus nicht schuldig gemacht" (159) oder: „Die Fabeln Jesu beweisen in dieser Beziehung eine rührende Enthaltsamkeit" (160).

Doch wird solche Ausdrucksweise

dadurch

ver-

anlasst sein, dass Jülicher von den Eigenschaften ausgeht, die eine gute Parabel zeigen soll, und an diesem Massstab Jesu Gleichnisse misst. Übrigens ist Jesu Reichtum an Bildern nicht so gross, als es nach manchen Darstellungen, auch nach Jülichers Worten, scheinen mag.

W a s Jesus vom Königshofe und vom Kriegführen weiss,

reicht doch nicht über die Vorstellungen hinaus, die sich jedermann im Volke davon macht.

Er weiss, dass man am Hof in „weichen"

Kleidern lebt (Mt. 11,8), dass Könige herrschen, indem sie Gewalt üben (Lc. 22,25) und von Fremden Steuern nehmen (Mt. 17,25); er weiss oder meint, dass Könige Abrechnung halten mit ihren Beamten und Dienern, wobei er sich augenscheinlich den Königshof nach dem Muster des Bauernhofes vorstellt (Mt. 18,23).

Vom

Kriegführen weiss er, was alle Welt weiss: dass man seine K r a f t vorher genau kennen muss, und, ist man zu schwach zum Sieg, lieber Frieden halten soll (Lc. 14,31).

(In Mt. 22, 2 ff. ist der „König"

erst bei der Ausgestaltung durch Mt. in die Parabel hereingekommen, vergl. Jülicher II S. 419).



74



(2) Zu S e i t e 57. H a u s r a t h (Der Apostel Paulus, Heidelberg 1872, S. 5—18) hat diesen Vergleich an einigen entscheidenden Punkten durchgeführt, auch hat er den Wert und die Bedeutung, den die Bildersprache eines Mannes für die Kenntnis seiner Jugendentwickelung hat, erkannt: „Die ersten Eindrücke der Jugend verwachsen sich nicht, und wenn unsere geistige Individualität die Summe unserer Vorstellungen ist und die eigentümliche Art, wie wir sie verknüpfen, so dürfen wir die Bedeutung eines solchen Heimatsortes auch für die spätere geistige Eigentümlichkeit nicht gering anschlagen. Wer möchte in dem Kontrast der Bergrede und der Paulinischen Briefe verkennen, dass der Redende im Evangelium seine Bilder schöpft aus der Erinnerung an das Leben des Sees, der Berge, der Fluren und Wälder, dass der Schreiber der Episteln aber aufgewachsen ist in der engen Strasse einer Grossstadt unter dem Eindruck eines regen Verkehrs, der von aller Welt Enden sich hierher zusammendrängt", S. 14L 2

(3) Zu S e i t e 58. Ganz das Gegenteil dieser Aussage hat Chr. S c h r e m p f in seinem neusten Buche „Menschenloos" (Stuttgart 1900) zur Gi^jndlage seiner Darstellung Jesu gemacht. Ihm ist Jesus „ein Hiob redivivus, sogar ein Oedipus redivivus", „ein Mann, der eine Tragödie hinter sich hatte, eine gebrochene und wieder aufgerichtete, eine in sich zerrissene und wieder mit sich versöhnte Persönlichkeit", S. 73. Nun wird Schrempf wohl kaum wollen, dass seine religiöse Spekulation über Jesus in die histor i s c h e Debatte hineingezogen werde; er selbst hat auch an einer Stelle angedeutet, dass er vielleicht nicht schreibe, was war, sondern was hätte sein sollen (S. 8of.): dennoch scheint es mir angezeigt, hier kurz auf seine Auffassung Jesu einzugehen, weil sie, wie alles Echte, Erlebte und Erkämpfte, tiefen Eindruck machen wird, und weil Schrempf selber versucht hat, sie auch historisch zu rechtfertigen. Er sagt, indem er den Bericht des Mc. von der Taufe Jesu im grossen und ganzen als historisch gelten lässt: „Dieses Gotteswort (Du bist mein lieber Sohn . . .) brachte ihn in so furchtbare Aufregung, dass er in die Wüste entwich, dort mit den Tieren lebte, von Dämonen versucht, von Engeln bedient wurde; dass er dort durch wochenlanges strenges Fasten seiner selbst wieder mächtig werden musste".



75



„Warum brachte das Gotteswort Jesus in diese an Wahnsinn grenzende Aufregung?" „Hätte er es schon zuvor gewusst, wäre ihm dieser Gedanke vorher auch nur nahe gestanden, dass er Gottes geliebtes Kind sei, dass er Gottes Wohlgefallen habe: so hätte er darin niemals eine „Offenbarung" sehen können, so hätte ihn diese Offenbarung (wenn wir die blosse Bekräftigung eines schon vorhandenen Gedankens je so nennen wollten) niemals in solche Aufregung versetzen können. In aller „Offenbarung" enthüllt sich dem Menschen das Sinnlose als Weisheit, das Unglaubliche als Wirklichkeit, das Leid als Freud', das Hässliche als schön, das Böse als gut, — deshalb ist eine „Offenbarung" auch immer eine Sache, die den Menschen leicht den Verstand kostet". „Jesus kam zur Taufe elend und schuldig." So Schrempf an der angeführten Stelle. So packend das alles geschrieben ist, so ist doch diese Argumentation von der Vision aus sicher nicht zutreffend. Ich würde vielmehr nach meiner Kenntnis von „Offenbarungen" und Visionen sagen: allerdings sind sie meist Lösungen innerer Kämpfe, aber so, dass der Gedanke oder die Vorstellung oder der Entschluss, den die Vision auslöst, stets eine bereits vorher im Bewusstsein vorhandene Möglichkeit war. Sie kann nur sehr schwach vorhanden gewesen sein, weil des Menschen Demut an seine hohe Bestimmung oder an Gottes Gabe nicht zu glauben wagte, sie kann sogar bewusst zurückgedrängt, ja unterdrückt werden: aber vorhanden ist sie. Jesus muss die Möglichkeit, dass er der Sohn Gottes in einem bestimmten auszeichnenden Sinne sei, schon beschäftigt haben, vielleicht als Frage — bin ich der Sohn Gottes? —, wenn die Stimme nachher so lautete, wie sie nach Markus gelautet hat. Indessen sind solche allgemeinen Erwägungen nicht ausschlaggebend. Es fragt sich, in welchem Sinne Jesus die Gottesstimme verstanden hat. Ihr Wortlaut schliesst Schrempfs Deutung aus. Dieser fügt schwer betonte Wörter ein, die den Sinn des Satzes völlig ändern, indem er ihn so wiedergiebt: „Du bist ja s c h o n mein lieber Sohn", nämlich trotzdem dir Leid widerfahrt und du Schuld auf dich gehäuft hast. Nach Markus aber sagt die Stimme: „Du (gerade Du, nicht ein anderer) bist mein lieber Sohn". Die

-

76

-

Worte sind also im exklusiven Sinne einer Berufung gerade dieses Einen zur Gottessohnschaft gemeint. In welchem Sinne diese Sohnschaft aufzufassen ist, hat man aus dem zu erkennen, was Jesus danach that: er trat auf und predigte. „Der" öffentlich auftretende Gottessohn aber kann kein anderer als der Messias sein. Weiter lässt sich auch aus dem Inhalt der ersten Verkündigung Jesu ein Grund gegen Schrempfs These entnehmen. Das Erlebnis Jesu soll nach Schrempf gewesen sein, dass er „als der erste durch die G e s p e n s t e r des Leidens und der Schuld h i n d u r c h g e s c h r i t t e n sei"; all das ist von ihm als „Wahn" erkannt worden. Wäre dem so, dann hätte die Botschaft nicht so lauten können, wie sie gelautet hat: Kehret um, vollzieht in euch die grosse Wendung! Die Schuld und das Leiden sind flir Jesus nicht Gespenster, sondern Wirklichkeiten; nicht „hindurchschreiten", sondern umkehren ist die entscheidende That. Wer aber in dieser Weise mit dem Befehlsruf Gottes auftritt, ist nicht eben noch selbst der schuldbeladene Un„bekehrte" gewesen — oder es drückt sich, wie bei Paulus oder in geringerem Masse bei Jesajas (6,7), in der Botschaft selbst aus. Von diesem Bruch mit seiner Vergangenheit, den Jesus erlebt hätte, finden wir aber in Jesu Predigt keine Spur. Auch ist ihm des Paulus Lebenserfahrung: „Sie sind allzumal Sünder", Rm. 3, 23, niemals Axiom gewesen. Weiter argumentiert Schrempf: „Jesus ist chemisch rein von jedem Unbehagen beim Anblick des Leidens, von jedem Ekel vor der Sünde; . . . J e s u s hat den Glauben, dass jeder Mensch, einer wie der andere, unendlichen Lebensgefühls, einer wirklichen und wahrhaftigen Seligkeit, fähig sei. — Damit beweist er auch, dass er so wurde, wie wir anzudeuten versuchten. Das ist keine natürliche, sondern eine erworbene Liebe. Erwerben kann der Mensch aber nur durch Erleben. Jesu Liebe wurde dadurch erworben, dass er das Unbehagen beim Anblick des eigenen Schmerzes, den Ekel vor der eigenen Sünde ü b e n v a n d . . . " Dagegen ist zu sagen: Liebe zu den Elenden braucht ein Menschenherz nicht erst durch eigenes Elend zu gewinnen und Liebe zu den Schuldigen nicht erst durch eigene Schuld, und Verständnis für Schuldige gewinnt man auch durch die Vorstellung und die Möglichkeit eigener Schuld. Jesus hat Versuchungen und innere Kämpfe genug durchgemacht,



77



vor und nach seiner Berufung, um Sünder und Sünde zu verstehen; aber Oedipuslasten hat er nicht getragen. Das würde deutlichere Spuren hinterlassen haben. Man vergleiche damit, welche tiefen seelischen Eindrücke die Schuld bei Schrempf selbst nach seinem Buche hervorgebracht hat, obwohl man stark den Eindruck hat, dass viele gerade der finstersten Gedanken Schrempfs nur in der Phantasie von ihm erlebt sind und nicht, wie bei Strindberg, in der Wirklichkeit. Ähnliches hat Schrempf in keiner Weise bei Jesus nachgewiesen. Und jenes eine Wort: „Keiner ist gut ausser Einem: Gott" beweist nur den steten sittlichen Kampf, den Jesus gekämpft hat bis zu der Nacht in Gethsemane und bis an das Kreuz. Schrempfs Buch ist der erschütternde Versuch eines tief angelegten, aber von der Lebensmattigkeit unserer dekadenten Zeit angekränkelten Mannes (vgl. bei ihm z. B. S. 2 f.), seine Religion in den absoluten Prädestinationsglauben zu retten. Leider bleibt hier wieder einmal die Theologie hinter dem Fortschritt unsers allgemeinen geistigen Lebens zurück, indem der Theologe Schrempf gerade in dem Augenblick die Schuld zu leugnen beginnt, wo unsere Litteratur sie nach jahrelanger Ableugnung wieder anerkennt, wenn sie auch nicht bei jedem Einzelnen so erschütternd in das eigene Leben eingreift und den Hunger und Durst nach Gott weckt wie etwa bei einem Strindberg. Was übrigens die Geschichtlichkeit des Taufberichts betrifft, so sind die Einwände U s e n e r s gegen die Glaubwürdigkeit der Überlieferung auch des Markus von Johannes B o r n e m a n n (Die Taufe Christi durch Johannes, Leipzig 1896) zum grossen Teil widerlegt, ja sie sind nur verständlich, wenn man bedenkt, dass Usener nicht in Betracht zieht, dass bereits Paulus und nach oder neben ihm fast die gesamte neutestamentliche Litteratur eine Christologie vertritt, der die Taufgeschichte mit ihrer Bedeutung (Kommen des Geistes, Gottessohnschaft) grosse Schwierigkeiten machen musste. Selbst wenn die Geschichte an einem abgelegenen Ort in judenchristlichen Gemeinden aufgekommen wäre, wie ja Usener gar nicht annimmt, so wäre undenkbar, dass sie später in Gemeinden mit paulinischer Christologie hätte eindringen können. Abgesehen davon erfordert die Analogie aller prophetischen Persönlichkeiten, dass Jesus unmittelbar vor seinem Auftreten seine Berufung erlebt habe.

- 7« Kein Prophet spricht, es sei denn „das Wort Gottes zu ihm gekommen". „Die Unbeugsamkeit des Täufers, die unüberwindliche Glaubensgewissheit Jesu — sie zwingen zu dem Schlüsse, dass überwältigende religiöse Erfahrungen vorhergegangen sein müssen. Nur so ist die für uns unfassbare Kühnheit zu erklären, mit' der sie den Untergang Israels und das Ende der Welt ansagen." Dies bemerkt treffend J o h a n n e s W e i s s in der zweiten Auflage seines Buches über die Predigt Jesu vom Reiche Gottes, S. 67. Es steht nicht mehr so, wie es einst bei S t r a u s s war: entweder ist die rationalistische Erklärung richtig oder die supranaturale, und wenn keine von beiden zutrifft, bleibt nur noch die mythische; wir haben vielmehr aus der Religionsgeschichte und Religionspsychologie gelernt, dass starke religiöse Erlebnisse, wie „Berufungen" und „Bekehrungen", sich oft in Visionen einkleiden, die aus dem Mythus ihre Form gewinnen können. Jes. 6 ist auch kein Mythus, sondern Erlebnis. Und wie Jes. 6, so will auch Mc. 1, iof. eine Vision erzählen, nichts anderes. Freilich hielt man zur Zeit des Jesaja und des Markus Visionen für ein Sehen objektiver Dinge; wenn wir nicht mehr so denken, so darf uns das nicht dazu veranlassen, das Erlebnis selbst zu bestreiten. (4) Zu S e i t e 59. Mit Recht urteilt Holtzmann, a. a. O. I S. 120, dass Jesus sich niemals „bewusster und ausgesprochener Massen unter den Bann des pharisäischen Religionsmechanismus gestellt habe". Er hat die Pharisäer genau gekannt, wie er ja sichtlich das ganze Leben des Volkes sehr scharf beobachtet hat. Ebenso gewiss ist, dass er manche Anschauung mit ihnen teilt. Aber stets wird der Gegensatz so zu formulieren sein, wie Holtzmann es auch S. 119 thut: Jesus tritt als „Theologe" nur insofern auf die Seite der Pharisäer, als er „auf der Seite des Spätjudentums im Gegensatz zu der älteren, prophetischen Anschauung" steht. Als Prophet und religiöser Genius steht er genau umgekehrt. Der Sprachgebrauch Jesu berührt sich mit dem pharisäischen nur in sehr geringem Grade, derdurchaus nicht hinreicht, um eine Abhängigkeit Jesu zu beweisen, bixatouv steht im Sinne göttlichen Freisprechens nur Mt. 12, 37 und in ähnlichem Sinne Lc. 16,15, wo Jesus zu denPharisäern sagt: unei? ¿ffre ol bttcaiouvTeg ¿auxouq ¿vumiov TUIV ävöpumujv. Lc. 18,14 Kcrreßn O U T O ? beötKcuu)|ievos EIQ xöv otxov auToö ist nicht nach



79



der Analogie dieser Stellen, sondern nachjer. 3, II zu deuten: in den Augen Gottes w e n i g e r s c h u l d i g als jener. „Über das Eingehen des Zöllners zur ewigen Seligkeit ist damit nichts Definitives ausgesagt", urteilt Jülicher, II S. 606, mit Recht aus anderen Gründen über diese Stelle; er hätte sogar sagen können: ist gar nichts ausgesagt. — Natürlich teilt Jesus ferner mit seinem Volke die Anschauung vom Gericht und von allem, was damit in Zusammenhang steht; aber Schulterminologie der Pharisäer ist das nicht. Sehr selten wird einmal eine „Parabel" erzählt (Mc. 7,15), die aus dem Leben unter dem Gesetz hergenommen ist: „Nichts giebt es in der Aussenwelt der Menschen, das den Menschen verunreinigen könnte, wenn es in ihn eingeht; sondern was vom Menschen a u s geht, das ist es, was den Menschen unrein macht". (5) Zu S e i t e 60. In ausgezeichneter |Weise hat Joh. Weiss, a. a. O., S. 50—53, im Gegensatz zu dem so lange Zeit herrschenden sanften Jesusbild, „die ungemeine Stärke und Überschwänglichkeit des Empfindens", „die herbe Innerlichkeit des Gefühls" und die kühne Redeweise Jesu geschildert, die „der unverfälschte Ausdruck seiner heroischen Stimmung" ist, indem er dabei gerade von den Metaphern Jesu ausgeht, bei denen nicht immer deutlich ist, ob eine Metapher vorliegt oder eigentliche Rede. „Geschichtlich erkennbar ist nur das gewaltige, ungestüme, leidenschaftliche und daher oft einseitige religiöse Gefühl, das sich in ihnen (den Worten Jesu) einen gewaltsamen Durchbruch schafft. Wie sich ein gefrorener Springquell in seiner wunderbaren regellosen kühnen Schönheit von dem Spiegel einer Eisfläche unterscheidet (offenbar ein erlebtes Bild), so wollen diese Ergüsse einer kämpf- und sturmbewegten Seele, die uns in zufälligen und unzusammenhängenden Resten erhalten sind, mit anderem Mass gemessen werden, als das harmonisch abgeklärte System eines friedlichen Ethikers". Diese Schilderung ist gewiss richtig; sie schliesst was ich oben gesagt habe nicht aus, sondern fordert es als Grundlage so sicher, wie der Springquell erst dann rauschend durchbrechen und emporschiessen kann, wenn er in stiller Tiefe, verborgen dem Auge, Triebkraft gewonnen hat. (6) Zu S e i t e 60. Jülicher hat, II S. 331 f., treffend gezeigt, dass Lukas mit seiner Einleitung der Gleichnisse vom verlorenen Schaf



80



und Groschen, die er polemisch gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten gehalten denkt, mehr recht hat als Mt., der wie im Folgenden (Mt 18, 15—20) so auch hier schon spätere Gemeindeverhältnisse im Auge hat. Sind aber diese Gleichnisse polemisch gegen Vorwürfe gerichtet, so sind sie zugleich eine Apologie fiir Jesu e i g e n e s T h u n . E r handelt wie der Bauer, der sein verlorenes Schaf sucht, und er freut sich so sehr wie jener über das wiedergefundene Verlorene. Denn er ist es, der die Gerechten sich selbst überlässt, um die Sünder zu suchen: „Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder", Mc. 2, 17. (7) Zu S e i t e 61. Vielleicht bezog sich das Wort vom Licht auf dem Leuchter ursprünglich gar nicht auf die Jünger, sondern auf Jesus selbst, wie L c . 1 1 , 3 3 es meint. Dann wäre von hier aus jene Metapher als unrichtig nachgewiesen. Aber das ist nur eine Möglichkeit; für sie spricht, dass L c . im Überliefern des Zusammenhangs der Redequelle meist treuer ist als der stärker komponierende Mt. Nach L c . würde das Wort sagen wollen: Wie niemand ein Licht anzündet, um seinen Schein zu verbergen, so hat Gott Jesus und seine Predigt gegeben, damit sie von allen gehört werden. E s wäre noch eine Deutung möglich, die ich nicht übergehen will, weil sie für die Gleichnisse von Wichtigkeit ist. Vielleicht ist das Wort wirklich bei Mc. an rechter Stelle: hinter dem Gleichnis vom Säemann, Mc. 4 , 2 1 — 2 2 . Dann würde Jesus damit sagen wollen: Was ich in der Stille erlebt habe, was mir dort kund geworden ist, das muss jetzt ans Tageslicht kommen. Keiner zündet ein Licht an, und stellt es unter das Scheffelmass — Gott hat mir Offenbarung nicht gegeben, damit ich sie verschweige. Das würde auf eine Wertung der Gleichnisse durch Jesus fuhren, wie sie sich später auch aus einzelnen Gleichnissen selbst uns ergeben wird. (8) Zu S e i t e 6 1 . Ähnlich ist auch der Täufer durch den Anblick der Steine, die um ihn her lagen, zu dem packenden Bilde gekommen: „Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken". Hier ist nicht auf die Ähnlichkeit der Wörter zurückzugreifen — abanim : banim, abnaja : b'naja —, sondern, wie das Wort „diese" und die Handbewegung, die es begleitete, beweisen, auf das Anschauungsbild, das sich dem Täufer bot.



8i



So hat auch Jesus selbst nach Mt., anknüpfend an das Anschauungsbild, das sich ihm gerade bot, die Metapher gebildet: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so sagt zu diesem Berg: wandere von hier dorthin! und er wird wandern" (Mt. 17,20), oder wie Lc. sagt: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Maulbeerfeigenbaum sagen . . ." Lc. 17, 6 vgl. Mc. 11, 23, Mt. 21,21. Ähnlich ist vielleicht auch das Wort entstanden: „Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien, Lc. 19,40; allerdings fehlt hier das charakteristische „diese" bei dem Worte „Steine", auch ist in Hab. 2,11 eine alttestamentliche Parallele zu dem Worte vorhanden, was mir jedoch bei einem derartigen einfachen und kraftvollen Bilde nichts für Entlehnung zu beweisen scheint. Hierher gehört aber jedenfalls die eindrucksvolle Metapher: „Lass die Toten ihre Toten begraben". Jesus nennt mit einem bei ihm sonst nicht nachzuweisenden Ausdruck die Unempfänglichen Tote, weil ihm das die Bitte des Mannes nahelegte, der sein Jünger werden und ihm nachfolgen wollte, aber zugleich bat, zuerst noch einmal den Meister verlassen und seinen toten Vater begraben zu dürfen. Ähnlich ist Mc. 8, I4f. durch die Sorge der Jünger um Brot und durch ihr Gespräch darüber das Wort bedingt: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer. An ein Gastmahl knüpfen sich in Lc. 14 allerlei Bilder und Gleichnisse aus dem naheliegenden Vorstellungskreis an. Über Mc. 10,44 vgl- S. 68, auch Lc. 12,35 fr. geht von dem Dienen bei Tisch aus. (9) Zu S e i t e 62. Mitunter bietet allerdings Mt. neben Gleichnissen Metaphern, wo sie Lc. nicht hat, Mt. 5,13. 14; 15,14. Aber auch Lc. hat derartige auffallende Mischungen von allegorischmetaphorischen Zügen mit dem Gleichnis z. B. Lc. 12, 36 f. Jülicher, der diese Vermischung nicht als von Jesus herrührend anerkennt, lässt doch den Hauptinhalt dieser Bildrede als echt gelten. Weshalb soll aber Jesus nicht auch einmal mit solcher Vermischung der Bildreden gesprochen haben, wenn er irgendwie möglichst drastisch den Gedanken aussprechen wollte: der von der Hochzeit kommende Herr wird seine Knechte belohnen? Hier den Text wegen der Metaphern für unecht zu halten, geht ebensowenig an wie aus dem Täuferwort: er wird die Spreu verbrennen mit unauslöschlichem Feuer, das Wort „unauslöschlich" als „allegorisch" zu Festschrift

g



82



streichen (Joh. W e i s s in Meyers Kommentar 8 1892, S. 354). Kann denn nicht einmal Jesus oder Johannes ebensogut aus dem Bild in die Wirklichkeit fallen wie ein Redaktor? (10) Zu S e i t e 63. G o e b e l s (Die Parabeln Jesu, Gotha 1879«".) konservative Stellung zu der überlieferten Deutung des Gleichnisses vom viererlei Ackerland vermag ich mir freilich aus Gründen, die ich noch angeben werde, nicht anzueignen. Wohl aber halte auch ich nicht für richtig, dass Jesus bloss um des stärkeren Eindruckes willen, wie Jotham in seiner Fabel drei edle Gewächse gegenüber dem Dornbusch nennt (Jülicher I S. 1 iof.), drei unfruchtbare Ackerarten gegenüber dem fruchtbaren Land angeführt habe (vgl. Goebel, 1 4 7 f.). Vielmehr wird Jesus aus einer grösseren Fülle von Möglichkeiten — es giebt ja doch noch andersartigen unfruchtbaren Acker — diese drei Fälle gerade „ausgewählt" haben, weil ihn in der That Einzelähnlichkeiten dazu führten: hart und undurchdringlich, oberflächlich und bald erschlaffend, das Gute wollend aber vom bereits vorhandenen Bösen überwältigt. Dabei stehen die B e g r i f f e in leicht erklärlichem Verhältnis: die beiden ersten sind Kontraste, das dritte ein Mittleres. Über die Unkrautparabel wird später zu handeln sein. (11) Zu S e i t e 63. So viel ich sehe, sind neben anderen Aussprüchen Jesu, die etwas wie Parallelismus membrorum zeigen, nur zwei überliefert, deren Form stark an Poesie erinnert. Der eine ist der Jubelruf Mt. 11,25—27 (vgl. Lc. 10,21 f. und Lc. 10, 23f.; Mt. 13,16f.), der andere, besonders schöne Lc. 13, 34f. Mt. 23, 37—39: 'lepoucraXrm 'lepouaaXnn, i) airoKTeivouffa TOU? rcpcxpiiraq Kai XiOoßoXoCcra Toug örrreaTaXfievous Trpöq aÜTrjv, iroactKis rjöeXriCTa imffuvaYaYeiv T& Texva auf der Erde, die das Blut deines Bruders getrunken hat; 3) du sollst die Erde bearbeiten unter Schmerzen und Mühen. 4) Und die Erde soll dir nicht ihre Frucht geben, denn du hast sie befleckt mit dem Blute eines Gerechten. 5) Zittrig sollst du sein, wie ein Baum im Winde. 10 6) Du sollst schaudern, wie das Meer, das von Wellen gekräuselt wird. 7) Gott machte über ihm ein Zeichen, dass ihn Jedermann erkennen könnte. Und das Zeichen war folgendes: es entstand ihm nämlich ein Horn auf der Stirn, sodass jeder, mit dem er zusammentraf, (328) laut schrie: „Da kommt Kain, der Bruder15 mörder." 6. Und so lebte er fort 800 Jahre. E r zitterte beständig und schweifte wandernd über die Erde, fortwährend bei Nacht und bei Tag. Und dadurch wuchs immer mehr die Trauer Adams und Evas 1) weil sie wider Gott gesündigt hatten; 2) weil sie des 20 Lichtes beraubt waren; 3) weil sie aus dem Paradies vertrieben waren; 4) weil sie auf Erden dem Fluche unterworfen worden waren; 5) weil sie den Tod als Lohn empfangen hatten; 6) weil sie von Gott entfernt waren; 7) weil sie der Gnade beraubt waren; 8) weil sie den Tieren ähnlich geworden waren; 9) weil sie kinder25 los geworden waren und bittern Schmerz erfahren hatten; 10) weil sie ihren ältesten Sohn als Brudermörder gesehen hatten, verdammt und gestraft von Gott. Dies alles war eine untröstliche Trauer für Adam und ein harter Schmerz für Eva und eine sehr grosse Reue und Busse der Protoplasten. 30 7. Da weinten sie beständig angesichts des Paradieses alle Tage ihres Lebens und sprachen: „O herrliches Paradies, ihr schönen Blumen, du duftender Garten, du lieblicher Weinberg, du von Gott gepflanzter Garten! Habt Mitleid, habt Mitleid, mit denen, die an euch Unrecht thaten, die eurer Güter bedürfen. Habt Mitleid, dass 35 wir auf euren Anblick hoffen. Wer giebt mir, euch zu sehen, ihr 1

Fehlt im Text, ist aber sicherlich zu ergänzen. [43]



206



fruchtbaren Bäume? Wer giebt uns, euch zu schauen, ihr duftenden Blumen? Wer giebt uns, euch zu schauen, ihr unverwelklichen Blätter? Wer giebt uns, von euch zu kosten, ihr süssen Früchte? Wer giebt uns, in dich einzutreten, von Gott gepflanzter Garten? Wer giebt uns Ruhe in dir, Ort der Freude? Wehe euch Augen, 5 die ihr auf die Frucht saht; warum wurdet ihr nicht verdunkelt? Wehe euch Füssen, die ihr zu dem todbringenden Baume ginget, warum brächet ihr nicht ? Wehe euch Händen, die ihr die Frucht brächet, warum verdorrtet ihr nicht?" Und so blieb Adam weinend und in Weinen und Klagen 830 Jahre. Und dann erkrankte er an 10 seinem Bauch. 8. Und es versammelten sich bei Adam alle seine 60 Söhne und Töchter, die Eva dem Adam geboren hatte, (329) 30 Paare, männlich und weiblich, die zusammen 60 betrugen. Es versammelten sich seine Söhne und Töchter bei dem erstgeschafifenen Menschen 15 Adam. Und er lag elend und bewusstlos da. Und es ging mit ihm zum Sterben vor heftigem Schmerz, den sein Leib ausstand. 9. Eva aber und alle ihre Nachkommen beweinten und beklagten den Adam. Und Adam lag vor ihnen, heftig gequält von seiner Krankheit. Da sagt Eva zu Adam: „Mein Herr, nenne meine 2° Zeit, ob ich noch auf der Erde bleibe, oder ob ich sofort sterbe. Was soll ich nach dir thun; denn ich weiss nichts." Spricht Adam: „Du wirst nicht bleiben, sondern wir werden zusammen sterben. Und man wird mich und dich in ein Grab legen. Aber du, mache dich nun auf und bitte den Herrn, ob er dir vielleicht 25 von dem Öle des Baumes gebe, dass ihr damit meinen Leib salbet, damit ich eine Erleichterung meiner Schmerzen habe." 10. Und Eva machte sich auf zu Seth und er ging1, um den Herrn zu bitten, dass er einen Ölzweig hole von den Bäumen des Paradieses um der Gesundung des Adam willen. Und es begegnete 30 ihm die furchtbare Bestie Behemoth. Die stürzte sich auf Seth und wollte ihn fressen. Da stiess Eva einen Schrei aus, schrie der Bestie entgegen und sagte: „Schliesse deinen Mund, und nicht sollst du es wagen, dich dem Knechte Gottes zu nähern. Denke daran, dass bei uns die Herrschaft war und du wirst nicht die 35 * Vielleicht zu lesen: „sie gingen".

1443



207



Kühnheit haben, meinem Sohne Gewalt anzuthun." Da Hess die Bestie Seth los, den sie fressen wollte, und sprach zu E v a : „Euch war ich damals unterthan, als ihr Gott unterthan wäret. Da ihr euch aber jetzt vergangen habt, und das Gebot Gottes übertratet, 5 so fallen wir über euch her und misshandeln euch und wenden uns wider euch." Dies redete die Bestie auf Befehl Gottes und sprach mit Eva in menschlicher Sprache mit drohendem und furchtbarem Antlitz. Und dann Hess sie sie los und Hess sie vorüber und ging weg. 10

I i . Und während die Mutter und der Sohn, Eva und Seth, angesichts des Paradieses beteten, kam der Erzengel Gabriel zu ihnen und sprach: „Auf! und geht, denn Adam ist gestorben in der dritten Stunde nach Sonnenuntergang." Und sie gingen hinaus und kamen weinend und klagend und sahen den Adam (330) gestorben 15 und sie erhoben eine grosse Trauerklage über ihn. Und nachdem drei Stunden verflossen waren über dem Tode Adams, während Eva weinte und klagte, da schmerzte sie ihr Kopf und sie sprach: „O mein Kopf, o mein Kopf!" Und sie starb mit Adam. Bei der Schöpfung war Adam am Morgen des Freitags geschaffen worden, 20 und in der dritten Stunde des Tages war Eva aus der Rippe Adams geschaffen worden; bei dem Tode aber starb Adam in der zweiten Stunde des Tages und Eva starb in der dritten Stunde der Nacht. Aber ihre Söhne und Töchter beklagten sie 30 Tage. Und nachdem sie sie gewaschen hatten, begruben sie sie und wickelten sie 25 in süsse Spezereien und in reine Linnen und legten sie in einen hölzernen Sarg. Und es erwiesen den von Gott geschaffenen Körpern der Protoplasten die Ehren ihre Söhne und die Söhne der Söhne bis auf Noe. 12. Als nach dem Tod des Adam 3000 Jahre und 12 Tage 30 verflossen waren, da kam die Sündflut und Noe damit sie nicht beschädigt würden und untergingen in der Sündflut. Und als Noe aus der Arche ging, gab er die Leiber der Protoplasten seinem ältesten Sohne Sem. Der nahm sie und brachte sie an seinen Wohnort, der noch jetzt „Haus des Sam" heisst, d. h. Haus 35 des Sem und dort begrub er sie, indem er sie in eine Grotte zu 1

Im Text ist eine Lücke. In ihr muss etwas von einer Vorsichtsmassregel wegen der Körper der Protoplasten gestanden haben. [45]



208



Bethlehem legte, wo später Christus von der heiligen Jungfrau Maria geboren wurde über dem Grabe der Eva.

Und den A d a m legte

er nieder auf Golgatha, wo Christus von den Juden gekreuzigt wurde über dem Haupte des A d a m .

Und er machte die Ver-

söhnung auf dem Nabel der Erde. Darum wurde er auch bestimmt

5

und eingesetzt zum ersten der Heiligen und zum Inspirierten der Männer am Freitag, zum Gedächtnis an die in Christus Entschlafenen. 13. Durch ihn ist uns Erbarmung zu Teil geworden und unsern Entschlafenen und allen, die an den Herrn glauben.

Vielmehr die

Besitzer der heiligen Bücher des Stephanus und Thomas und ihres 10 Oheims Gregorius und des Mitbruders Zacharia und Avetis werden die Schrift verbergen und ihre Eltern.

Amen.

8. Worte des Adam zu Seth 1 . 1. A d a m sagt zu Seth: „Mein Sohn, wir haben hier keine feste Wohnstätte. Denn hier (331) ist die Wohnung der wilden und 15 unvernünftigen Tiere. Und unsre Wohnstätte war zu Eden nach Sonnenaufgang zu im Paradies. Denn Gott hatte uns geschaffen und setzte uns in das Paradies, und er befahl uns, von welcher Frucht wir essen dürften und von welcher nicht. A b e r wir beobachteten sein Gebot nicht und wir entblössten uns vor dem gött- 20 liehen Angesicht und wurden des Paradieses beraubt." 2. Und Seth, der Sohn des Trostes, hörte diese Worte von seinem Vater, und er nahm es zu Herzen und er machte sich auf, 40 T a g e und 40 Nächte lang ass er kein Brot und trank kein Wasser. Und er sprach zu dem Herrn in seinem Gebet: „AH- 25 mächtiger, allmächtiger Herr, erfülle im Guten meine Bitte." Und zur Stunde sah er einen Engel, der kam und hielt einen Zweig der Freude in seiner Hand. Und er gab ihn Seth und sprach: „Das ist der Trost für deinen Vater." Und Seth dankte Christus für die Lebensfrucht, der seine Bitte im Guten ausgeführt und er- 30 füllt hatte. 3. Und Seth nahm jenen Zweig, gab ihn seinem Vater A d a m und sprach: „Dies stammt aus deiner (früheren) Wohnstätte." ' Stammt ebenfalls aus der oben unter No. I genannten Handschrift A . [4«]



209



Und Adam nahm jenen Zweig und legte ihn auf seine Augen und seine Augen wurden aufgethan und indem er aufschaute, sah er den Zweig, dass (332) er von jenem Baum war, von dem er den Tod gekostet hatte. Und er sprach zu seinem Sohne: „Mein 5 Sohn Seth, dies ist von jenem Baume, von dem uns der Herr verboten hatte zu essen." Und Seth sprach zu seinem Vater: „Vater, wisse, wie er den Tod bringt, so wird er auch Leben spenden und Licht gewähren." 4. Und Adam pries Gott und seinen Sohn Seth und er wandte 10 sich im Geist dem Herrn zu, durch den er geschaffen war. 5. Und nach dem Verlauf einiger Zeit besprach Seth das Wort mit Enos und sagte: „So spricht mein Vater Adam, dass wir hier keine Wohnstätte haben; sondern dies ist eine Wohnstätte der Tiere und der andern Gottesgeschöpfe und unsre Wohnung ist in 15 Eden nach Sonnenaufgang. Und als Gott unsern Vater geschaffen und in das Paradies versetzt hatte, da gab er ihm ein Gebot, von welchem Baume er von der Frucht kosten dürfe und von welchem nicht. Er aber bewahrte das Gebot nicht, und er wurde daher des göttlichen Lichtes beraubt und aus dem Paradiese entfernt 20 und er wurde gleichgestellt den unmündigen Tieren." 6. Und Enos 1 nahm sich dies Wort zu Herzen und während ganzer 40 Tage und 40 Nächte nahm er keine Speise. Und danach pflanzte er einen schönen Garten und setzte in ihn alle Fruchtbäume. Und er blieb in dem Garten 543 Jahre und danach wurde 25 sein Leib in die Erde gelegt und der gotterschaffenen Herrlichkeit und des Lichtes wurde er gewürdigt.

II.

Abhandlungen. Es ist nicht die Absicht, hier die Litteratur der Adamsschriften in ihrem gesammten Umfang zu untersuchen. Das würde den 1

So ist zu lesen statt des Enoh des Textes.

Festschrift

14



2IO



Rahmen einer Abhandlung weit übersteigen und ein eignes Buch erfordern. E s würde dazu nicht nur eine Untersuchung der syrischen, aethiopischen, griechischen, lateinischen und slavischen Bücher notwendig sein, sondern ebenso eine Sammlung des bei den Kirchenvätern, namentlich Orígenes, Ephraem und Hieronymus zerstreuten Materiales, sowie der von der späteren jüdischen Tradition wahrten Elemente. Weise

durch eine möglichst vielseitige Betrachtung

aufgeklärt werden.

be-

Allerdings könnte mancher Punkt nur auf diese vollkommen

A b e r es wird auch so möglich sein, wenigstens

einige Richtlinien für die hier untersuchte armenische Litteratur zu zeigen. — Seth. Die Frage, wie weit in den jetzigen Adamsbüchern eine jüdische Grundlage anzunehmen ist, kann hier nicht erörtert werden. Sie ist auch zunächst gleichgültig, da jedenfalls alle auf uns gekommenen Recensionen in ihrer gegenwärtigen Form christliche Bearbeitungen darstellen. Dass auch die jüdische Legende sich vielfach mit A d a m befasste und dass von ihr aus zahlreiche Einzelzüge der Schriften erst verständlich werden, ist bekannt. Deutlicher, als der Hinweis auf die DltO KTBD, die im Talmud vorkommt 1 , sind die Parallelen, die sich aus den reichhaltigen, aber nicht genügend verarbeiteten Stoffsammlungen von Eisenmenger, Dreyfus, Grünbaum und Ginzburg entnehmen lassen 2 . Schon Josephus hat derartige Legenden gekannt und benutzt 3 . Wenn wir den in den verschiedenen Erzählungen mitgeteilten Stoff genauer mustern, so ist sofort deutlich, dass die Hauptperson, an der das Interesse der Verfasser haftet, weder A d a m noch Eva, weder Kain noch Abel ist, sondern Seth. Dieser ist der Ersatz für Abel, den Gerechten; er ist der Wortführer der Kinder Adams; » Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes III, 288. * V g l . I. Dreyfus, Adam und E v a nach Auffassung des Midrasch. Dissert. Stxassburg 1894. M. Grünbaum, Neue Beiträge zur semitischen Sagenkunde, 1893, S. 54 ff. L. Ginzberg, Die Haggada bei den Kirchenvätern u. i. der apokr. Litteratur (Monatsschr. f. Geschichte u. Wissenschaft des Judentums 1899. 1900.) Unerschöpflich ist auch hier der alte Eisenmenger, Entdecktes Judentum, der durch seine vorzüglichen Register die Benutzung leicht macht. i Joseph., Antiquit. I, 1,4. 2, 1 ff. [48]

211

er wird, als Adam erkrankt, auservvählt hinzugehen zu dem Paradies und Gott um ein Medicament vom Lebensbaume zu bitten. Seth braucht bloss den Mund zu öffnen und die Bestie, die ihn auf dem Wege nach dem Paradiese angefallen hat, muss von ihm ablassen (s. S. 10, 19ff.). Mit Seth verhandelt der Erzengel, nicht mit Eva (S. 10,27fr.). Er sieht die Vorgänge im Himmel nach Adams Tod, von denen seine Brüder nichts merken (S. 19, 22 ff). Endlich wird ihm die Sorge um das Begräbnis von Adam und Eva, wie über die Begräbnisbräuche allgemein und über die Sabbathfeier anbefohlen, sodass er damit recht eigentlich als der Stammvater für die Menschheitsentwicklung insgemein bezeichnet werden soll. Diese Züge, die sich in der Vita des Adam und der Eva finden, lassen sich auch in den andern hier mitgeteilten Apokryphen nachweisen. Man kann wohl soweit gehen und sagen, dass dieser ganze Schriftencomplex mehr oder weniger keinem andern Zwecke dienen soll, als dem, Seth durch Zusammenstellung mit Adam und Eva einerseits, mit den andern Nachkommen Adams, namentlich Kain, andererseits zu glorificieren. Damit ist aber bewiesen, dass die Vita des Adam und der Eva in ihrem letzten Grunde auf einen Kreis zurückgeht, für den Seth eine ganz besondere Bedeutung gewonnen hatte. Ob dieser Kreis ursprünglich jüdisch war, oder ob er christlichen Charakter trug, kann hier noch auf sich beruhen. Diese Frage lässt sich erst entscheiden, wenn die andern hier in Betracht kommenden Schriften einer Musterung unterzogen sind. Auch in der kurzen Erzählung vom Tode des Adam spielt Seth dieselbe Rolle. E r empfängt die Gnade des Abel; Adam freut sich an ihm und liebt ihn (S. 25, 3 f.). Von den andern Nachkommen Adams ist gar nicht weiter die Rede; Seth allein wird erwähnt mit seiner Nachkommenschaft. Er hat Visionen, — wie Eva —, er empfängt die Gebote Adams, er mit seiner Zwillingsschwester Erna stimmte die Totenklage über Eva an. Auch hier sind die andern Nachkommen Adams nur Staffage. Sie treten völlig zurück hinter Seth, dem Sohne der Gnade, dem „Tröster", der allein die Stütze seiner Eltern ist. Die „Erzählung von der Erschaffung und dem Sündenfall des Adam" scheint zunächst nichts weiter zu sein als ein Midrasch über Gen. 2. 3. Seth spielt allerdings dabei keine Rolle. Aber das ist T49] H*



212



auch durch das Thema völlig ausgeschlossen. Denn wenn der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradiese das Endziel der Erzählung sein soll, darf nicht von Seth die Rede sein, der erst lange danach geboren wurde. Dass aber auch diese Schrift zu demselben Cyclus gehört, ergiebt sich aus dem Inhalt, sowie aus dem Umstände, dass sie sich mit den folgenden Stücken zusammen in einer Handschrift befindet. Ahnlich ist es mit der folgenden „Erzählung von der Austreibung des Adam und der Eva". A u c h hier ist es durch das Thema bedingt, wenn Seth keine Rolle spielt. Und auch für sie gilt dasselbe, dass sie durch den Inhalt mit dem vorhergehenden und den folgenden Stücken zusammengehört. Die „Erzählung von den Söhnen Adams, Kain und Abel", die oben im Auszug wiedergegeben ist, darf als eine andere Recension der „Busse" des Adam angesehen werden, die unter Nr. 7 folgt. Auch hier ist mit dem Schluss, der Erwähnung des Seth als eines Ersatzes für Abel, der Zusammenhang mit den andern Schriften hergestellt. Dagegen steht Seth vollständig in dem Mittelpunkte des nächsten Stückes. Schon der Titel „Evangelium von Seth, das uns zu wissen not ist", weist auf die besondere Stellung hin, die hier dem Seth eingeräumt wird. Dem entspricht denn auch der Inhalt. Schon bei der Verkündigung von Seth's Geburt, die durch einen Engel erfolgt, wird dieser als ein Haupt von Völkern bezeichnet, dessen Nachkommen die Erde gehören soll. Dieser Stamm repräsentiert die Guten, wie der des Kain die Bösen (S. 37,12 ff.). Tritt in dem weiteren Verlauf der Erzählung auch die Person des Seth wenig hervor, so ist dafür desto mehr von dem Geschlechte die Rede, dessen Stammvater er ist. Und indem von eben diesem Geschlechte, nicht nur von Henoch und Noe, sondern überhaupt von dem ganzen Stamm nur Rühmliches berichtet wird, dient die ganze Erörterung dazu, Seth selbst in seiner Nachkommenschaft zu verherrlichen. Daher kann man wohl sagen, dass der Titel, wenn er auch zunächst andere Vorstellungen zu erwecken scheint, doch nicht ganz unpassend gewählt ist. Es ist in der That ein Evangelium von Seth, das uns da erzählt wird. Auch für die „Busse des Adam und der Eva" ist die Rolle, die Seth spielt, bedeutungsvoll. Auch hier wird, wie sonst, die Geburt Seths durch einen Engel, und zwar durch den Erzengel t5°]



213

-

Michael verkündigt. Auch hier ist Seth Ersatz für Abel, den guten; auch hier ist er der „Sohn des Trostes". Seth muss zum Paradiese gehen, um dort das Medicament zu holen; er wird von dem Behemoth nicht gefressen. Dass die Erzählung eine andere Form der Vita des Adam und der Eva darstellt, bei der oben dieselben Züge nachgewiesen wurden, sei hier nur nebenbei bemerkt. Gerade bei der grösseren Kürze, in der die Erzählung plastischer hervortritt, hebt sich auch die Person Seths stärker aus dem Rahmen hervor und bestätigt insofern das oben Ausgeführte. Das Eintreten Seths für seinen kranken Vater, das sich auch in der Vita findet, ist weiter ausgesponnen in dem letzten Stück, das mit wenig Recht die Überschrift „Worte des Adam an Seth" führt. Denn die Hauptsache in der Erzählung bilden nicht Ermahnungen oder Gebote, die Seth von Adam empfangt, sondern ein Bericht darüber, wie Seth in das Paradies kommt und dort von einem Engel (Christus?) einen Zweig von einem Lebensbaume empfängt. Diesen Zweig überbringt er seinem Vater, der ihn auf seine Augen legt und nun erkennt, dass der Zweig von dem Baume des Lebens stammt. Was aber der Zweig Adam sonst nützte, erfahren wir nicht. Wir haben es also hier mit einer selbständigen Ausspinnung eines Zuges der Adamlegende zu thun, die sich insofern passend zu den vorhergehenden Schriften fiigt, als sie dieselbe Schätzung der Person des Seth zeigt wie die übrigen. Die vorstehenden Andeutungen zeigen, dass uns in diesen Schriften ein Legendencomplex erhalten ist, der sich nur nominell mit Adam und seinen Nachkommen befasst. Das eigentliche Interesse haftet vielmehr nicht an Adam, sondern an dessen Sohne Seth. Adam ist der Vater des Verderbens. Er hat Sünde und Tod über seine Nachkommen gebracht. Seth aber ist der Sohn des Trostes, der thut, was er kann, um die Folgen von Adams Fehltritt wieder gut zu machen. Ihm zürnt Gott nicht; sondern er wird der Gnade gewürdigt, einen Zweig (oder Ol) von dem Baume des Lebens zu empfangen. Er ist der eigentliche Held der Legende. Er ist aktiv, während die Andern nur Statistenrollen spielen und wo die Andern handelnd auftreten, wird doch stets wieder die Aufmerksamkeit auf ihn hingelenkt. rso



214



Zur Dogmatik der Adamsschriften.

In zwei von den oben abgedruckten Stücken spielt Seth keine Rolle. Es ist bereits darauf hingewiesen, dass er in ihnen der Natur der Sache nach auch gar keine Rolle spielen kann. Trotzdem wird man mit Sicherheit sagen können, dass der ganze Schriftencomplex ein zusammengehöriges Ganze ausmacht, weil dieselben Grundgedanken gleichmässig in allen Schriften wiederkehren. Eine Zusammenstellung dieser Gedanken wird das deutlich machen und zugleich die Lösung der Frage vorbereiten, wo wir den Ursprung der Schriften zu suchen haben. Das Hauptproblem, dem die Schriften alle irgendwie gewidmet sind, ist das von Sünde und Erlösung. Es sind die Fragen, nach dem Ursprung und Wesen der Sünde, nach den Veränderungen, die sie bei dem Menschen und überhaupt in der Schöpfung hervorgerufen hat und ferner die Frage nach der Beseitigung der infolge des Sündenfalles hervorgetretenen Schäden. Diesen Problemen sind die legendenhaften Erzählungen gewidmet und um ihre Lösung hat man sich bemüht, indem man Menschen und Tiere redend und handelnd auftreten liess. Als Gott den Menschen schuf, gab er ihm einen strahlenden, mit der göttlichen Herrlichkeit umkleideten Lichtleib*. So I, 21, wo Adam der Eva vorwirft, dass sie ihn der göttlichen Herrlichkeit beraubt habe. Nach II, 2 sieht Eva den Adam im Traum „gleich einem Licht, wie vordem, als sie in dem Garten waren". Auch III, 7 ff. ist diese Lichtnatur bei Adam und Eva vorausgesetzt und VII, 6 wird als einer der Gründe für die Trauer der Protoplasten der angeführt, dass „sie des Lichtes beraubt" waren. Nach VIII, 3 vermag der Lebensbaum im Paradiese nicht nur Leben zu gewähren, sondern auch Licht zu spenden. Ja sie sind so sehr an dieses Licht gewöhnt und können dessen Glanz so wenig entbehren, dass Todestraurigkeit sie befällt, als sie aus dem Paradiese vertrieben sind und sie nun Dunkelheit umgiebt (IV, i. VII, i). Dieser Zug findet sich auch sonst. Auch die jüdische Legende weiss davon, 1 Ich bezeichne im Folgenden die einzelnen Schriften der Kürze halber mit der Nummer, die sie oben in der Ubersetzung führen und setze dazu die $-Zahl.

[52]



215



dass Adam ursprünglich einen solchen Lichtleib besass. So in den Pirke Rabbi Eliezer I i : „und als die Geschöpfe ihn sahen, wie er dastand, ein Abbild von Gottes Herrlichkeit, da glaubten sie, er habe sie erschaffen und kamen alle herbei, um ihn anzubeten1." Dasselbe sagt der alberne rabbinische Ausspruch (Rabbi Lakis im Namen des R. Simeon), dass schon die Rundung der Ferse Adams den Glanz der Sonne verdunkelt habe, um so viel mehr sein Angesicht 2 . Dieselbe Anschauung findet sich dann auch im aethiopischen Adambuch 3 sowie in der syrischen Schatzhöhle*. So lebten die Protoplasten mit ihrem von Licht umkleideten Leibe in einem Lichtreiche, in dem sie Teil hatten an dem Glänze der göttlichen Herrlichkeit. Als die Stätte dieses Lichtreiches ist das Paradies gedacht, in dem Gott Alles das zusammengebracht hat, was den Menschen irgend ergötzen kann. Solange der Mensch nun als Ebenbild Gottes in diesem Lichtreiche lebte, waren ihm alle Tiere unterthan. Als Eva das Gebot Gottes übertrat, heisst es I, Ii, da wurde die Natur der Tiere zum Ungehorsam gegen die Menschen verändert. Ähnlich VII, 10, wo die Bestie Behemoth zu Eva spricht: „Euch war ich damals unterthan, als ihr Gott unterthan wäret." Wie also Gott über das Engel- und Geisterreich herrscht, so herrscht sein Ebenbild, der in göttlicher Herrlichkeit erschaffene Mensch, über das niedere Tierreich. Wie Gott in den Engeln und Erzengeln seine Diener und Heerscharen hat, so Adam in den Tieren. Er ist gleichsam ein Stellvertreter Gottes den niederen Wesen gegenüber, aber ein Stellvertreter, der nicht nur an den Attributen der Gottheit Teil hat, an Unvergänglichkeit und göttlicher Herrlichkeit, sondern der auch in dem Reiche des göttlichen Lichtes ein Dasein der Freude führt. Das wird anders durch den Sündenfall, mit dem sich mehrere Stellen dieser Schriften ziemlich ausfuhrlich befassen. In I, 15 ff. 1

Vgl. GrSnbaum, Neue Beiträge z. semit. Sagenkunde S. 56. Vajikra rabba 20,2 s. Dreyfus, Adam und Eva nach Auffassung des Midrasch. S. 16 f. Andere Stellen ebenda. 3 z. B. S. 19 der deutschen Übersetzung von Dillmann (Jahrbücher d. bibL Wissenschaft V [1853]). 4 z. B. S. 3 der Übersetzung von Bezold. 4

[531



216



wird die Sache so dargestellt, dass der Satan, neidisch auf die Herrlichkeit und Ehre des Menschen, die Schlange bestimmt habe, indem er auch deren Eifersucht aufstachelte, dass sie Eva verführte. Die Schlange selbst wird dabei als das willenlose Werkzeug angesehen, das der Satan benutzte, sie ist nur ein Sprachrohr, durch das er redet (I, 16). In dem Folgenden ist das Subjekt häufig vertauscht. Die Schlange und der Satan wechseln ab, sodass man nicht genau mehr entscheiden kann, wie sich der Verfasser den Vorgang gedacht hat. Der Satan verwandelt sich zunächst, als die Engel zum Hymnengesang weggegangen sind, in einen psalmodierenden Engel und verführt unter dieser Verkleidung Eva vom Baume zu essen, indem er ihr verspricht, Eva werde durch den Genuss der Frucht das Gute und Böse erkennen — dies nach Gen. 3, S — und die Herrlichkeit des Allerhöchsten schauen. Was unter dem Letzteren zu verstehen ist, wird nicht deutlich, da sie ja an der Herrlichkeit Gottes Teil hat. Es mag dem Verfasser wohl eine Steigerung des himmlischen Lichtglanzes vorgeschwebt haben, dessen höchste Stufe eben nur Gott zukam. Darauf isst Eva, nachdem sie der Schlange bei dem „Throne des Herrn und bei den Cherubim und bei dem Holze des Lebens" geschworen hat, auch Adam davon essen zu lassen, und wird sofort von der „Gerechtigkeit 1 " entblösst. Danach veranlasst sie auch Adam, von der Frucht zu essen, dem dann dasselbe Schicksal zu Teil wird, wie Eva. Auch er verliert seine Herrlichkeit und steht bloss da. Etwas abweichend ist der Sündenfall in III erzählt. Danach war der böse Engel Sada'el (Satan) ursprünglich Diener Gottes. Als er sich aber neben Gott erheben wollte, wurde er samt seinem Anhang durch die Diener Gottes aus dem Himmel herabgestürzt und beherrschte nun die Luft. Daher schuf sich Gott neue Diener in Adam und Eva und gab ihnen die Verheissung, dass sie, wenn sie ihm gehorsam wären, sich an Herrlichkeit über „Jerusalem, den 1

Hier scheint eine Correctur vorzuliegen. Es wird ursprünglich wohl „der Herrlichkeit" (b&tlCi VI vgl. Bereschit rabb. 12) geheissen haben, wie im Folgenden immer nur von „Ehre" oder „Herrlichkeit" die Rede ist. Das Gewand, das Eva trug, war eben die „Herrlichkeit" d. h. der göttliche Lichtglanz. In dem Augenblicke, wo ihr die Augen geöffnet werden, erblickt sie ihren Leib ohne dies Gewand und sucht ihn zu verhüllen. £543

— 217 — Ort der gefallenen Engel" erheben sollen 1 . Darüber wird nun der Satan wieder eifersüchtig und lehrt die Schlange, Adam und Eva zu verführen. Das geschieht, indem die Schlange Eva vorredet, dass Gott seinen Lichtglanz erst erhalten habe, als er von der Frucht jenes Baumes gegessen hätte. Als nun Eva isst, wird sie des unvollkommeneren Lichtglanzes, den sie besitzt, beraubt. Ebenso Adam, als er Eva folgend, von der Frucht geniesst. Es ist deutlich, dass diese beiden Erzählungen im Grunde auf denselben Vorstellungen und Anschauungen beruhen. Aus Neid und Eifersucht wird vom Satan (oder Sada el) die Verführung der Protoplasten in Scene gesetzt. Die verheissene Erkenntnis von Gut und Böse spielt gar keine Rolle mehr — denn darin ist der Text von I, der sich aus Gen. 3, 5 bereichert hat, sicherlich secundär — sondern nur noch die Begierde nach einer höheren Lichtnatur und damit der Teilnahme an Gottes Regiment, oder wie es III, 6 ausgedrückt ist, mit Gott ffüvöpovo? und (XuvöoEo? zu werden. Adam und Eva genügt also nicht das ihnen zu Teil gewordene Mass von Teilnahme an dem Lichtreich. Freilich entsteht in ihnen selbst nicht die Lust, zum höchsten Lichtreich aufzusteigen. Der Satan bringt ihnen erst diesen Gedanken nahe. Aber als der Gedanke erst einmal in Eva Platz gegriffen hat, kann sie ihm nicht mehr widerstehen und sie reisst nun auch Adam hinab ins Verderben, in das Reich der Finsternis. Sogleich macht sich die Folge des Ungehorsams gegen Gott geltend. Adam und Eva werden ihres eignen Lichtglanzes, ihrer boia, beraubt und aus dem Paradiese, d. h. aber aus dem Lichtreiche vertrieben. Sie kommen aus dem ewigen Licht an einen „dunkelen und schrecklichen Ort" (III, 11), wo sie untröstlich sind und bitterlich weinen und klagen. Derselbe Gedanke findet sich weiter ausgeführt in IV. Danach kamen Adam und Eva, als sie aus dem Paradiese ausgetrieben wurden, auf die Erde, als noch die Sonne schien. Sie freuten sich des Lichtes, das sie umgab, wenn es sich auch mit dem Lichtglanz der oberen Welt nicht messen konnte. A m Abend aber überfiel sie von Neuem grosse 1 Diese bissige, antijüdische Polemik ist bezeichnend für die Stimmung, aus der heraus der Verfasser schreibt, und giebt einen Fingerzeig zur Beurteilung der Frage, wer die Kainiten und Sethiten in dieser Litteratur sind.

[55]



218



Traurigkeit, weil sie meinten, nun gänzlich des Lichtes beraubt zu sein. Da kommt kurz vor Sonnenaufgang der Satan zu ihnen und fragt sie nach dem Grunde ihrer Thränen. Sie geben den Grund an: die Trennung von dem göttlichen Licht und den Verlust des Sonnenlichtes. Der Satan deutet darauf an, dass er Kunde vom Licht' geben kann, und Adam verspricht ihm, dass er samt seinen Nachkommen dem Satan dienen wolle, wenn dieser das Licht noch einmal zu bringen vermag. Der tritt zur Seite und Adam sieht die Vorboten der aufgehenden Sonne. Nun verspricht Adam, mit seinen Nachkommen dem Satan dienen zu wollen und gelobt das, indem er die Hände auf einen Stein legt. Erst am Abend merkt er, dass er von dem Satan betrogen worden ist. In dieser Erzählung tritt der oben angedeutete Gedanke mit völliger Klarheit hervor. Der Mensch hat nicht nur seine Lichtnatur durch den Sündenfall verloren, sondern ist auch aus dem Lichtreich in die Finsternis getrieben worden. Erst infolge seines jämmerlichen Klagens lässt Gott ihn durch einen Engel auf die Erde führen, wo wenigstens einiges Licht herrscht. Die Sehnsucht nach dem Lichte ist aber so gross, dass der Mensch, um nur das schwache Licht der Sonne nicht zu verlieren, sich und seine Nachkommen freudig an den Satan verkauft. Der Sündenfall aber hatte noch eine weitere Folge für die Protoplasten. Im Paradiese lebten sie in vollkommener Enthaltsamkeit. Erst als sie aus dem Paradiese ausgetrieben sind, bekommen sie Nachkommenschaft. Dieser asketische Zug wird jedenfalls aus Gen. 3, 16 gefolgert worden sein. Wenn dort für Eva als Strafe in Aussicht gestellt wird, dass sie unter Schmerzen Kinder gebären muss, so lag die Speculation nicht ferne, dass der Aufenthalt im Paradiese, wie er sonst schmerzenslos ist, so auch diese natürlichen Schmerzen nicht kennt, weil die Menschen eben hier rein, ohne geschlechtliche Vermischung leben. In diesem Sinne ist die Genesisstelle III, 10 verwendet und weiter ausgesponnen (vgl. auch I, 25). Für den Verfasser lag in der nun geschaffenen Situation ohne Zweifel eine Verschlechterung des Zustandes des Menschenpaares. Wäre das Gift der Begierde, mit dem der Satan die Eva bei dem Genüsse der Frucht inficiert hat, nicht in die Menschen eingedrungen, so hätten sie auch weiterhin noch in derselben Enthaltsames]



219



keit leben können. Auf der Erde gehorchen sie den irdischen Trieben, die nichts zu schaffen haben mit der Welt des Lichtes, aus der die Menschen herabgestürzt sind. Darüber giebt uns das „Evangelium des Seth" sehr eingehenden Aufschluss. Es handelt zwar nicht in erster Linie von den Protoplasten, sondern von den Nachkommen des Seth und denen des Kain. Die ersteren stellen das Geschlecht der Guten und Enthaltsamen, die letzteren das der Wollüstigen dar. Unter den Nachkommen Seths ragt Enoh hervor, der einen Weinberg pflanzt, aber von seiner Frucht nicht kostet, ja sich den Kopf mit einer eisernen Sturmhaube beschwert, dass er nicht aufblicken kann. Für solche Enthaltsamkeit wird er durch directe Aufnahme in das Paradies belohnt — nach Gen. 5, 24. (VI, 4). Dies Beispiel begeisterte dann noch viele aus dem Geschlechte, sich abzusondern und in den Bergen ein Asketenleben zu fuhren. Daher gab es unter den Sethiten 520 Enthaltsame. Diese aber wurden von den Töchtern der Kainiten verführt, die sich auf alle mögliche Weise schmückten und so jene frommen Asketen veranlassten, den schmalen Pfad selbsterwählter Tugend zu verlassen und sich auf den breiten Weg der Welt zu begeben, wo sie bald unreiner wurden, als ein Hund (VI, 6). Wegen dieses Abfalls strafte sie Gott durch die Sündflut, in der nur Noah, der Enthaltsame, der von Gott zur Ehe gleichsam gezwungen werden muss, gerettet wird. Hier ist die asketische Tendenz deutlich genug ausgesprochen. Enthaltsamkeit von Wein und vom Geschlechtsgenuss, die alten essenischen Ideale, treten uns hier in anderem Gewände entgegen. Den Nachkommen Seths, die in Henoch und Noah ihre Vorbilder sehen dürfen, stehen die Kainiten, die Unenthaltsamen, bei denen Unzucht aller Art im Schwange geht, feindlich gegenüber. Zwischen beiden Gruppen besteht keine Gemeinschaft, bis die mannstollen Jungfrauen aus Kains Geschlecht ausziehen in die Berge, um die frommen Sethiten zu verführen. Aber die Strafe für den erneuerten Fall folgt in der Sündflut nach. Auf solche Weise ist es möglich, sich das Paradies wieder zu verdienen. Wer enthaltsam lebt und wer sich in seiner asketischen Strenge durch nichts beirren lässt, sondern tapfer jede Versuchung niederkämpft, der wird, wie Henoch, von der Erde entrückt. Das [57]



220



ist der eine W e g , den uns diese Schriften zeigen: der Weg der Selbsterlösung. Aber es ist nicht der einzige, den sie kennen. Sie wissen auch von einem Erlöser. A n einigen Stellen ist deutlich auf Christus bezug genommen. S o II, 3 in der nächtlichen Vision, die Seth und seine Schwester Erna hatten. Sie sehen Adam und E v a im Dunkel. D a tritt plötzlich ein schönes Weib zu ihnen mit einem Knaben auf dem A r m und sofort strahlt ein helles Licht auf. E v a aber umfangt den Knaben und küsst ihn — Maria mit dem Jesusknaben, der Licht in die Finsternis bringt. Ebenso IV, 3: Adam empfangt seine Schuldverschreibung 1 zurück von Gott; dann nach sechs Zeitaltern sendet dieser seinen lieben Sohn aus dem Lichte seiner Gottheit. „Der wird kommen und von deinem Samen Fleisch annehmen in einer heiligen und unschuldigen Jungfrau. Denn er wird ein Sohn des heiligen Geistes sein. Und mein Sohn wird deinen Schuldschein vernichten und er wird dich befreien aus der Gefangenschaft des Satan und er wird dir deine frühere Herrlichkeit wieder geben." Also, Jesus die Emanation aus dem Lichte der Gottheit, der den Menschen zur früheren Lichtherrlichkeit zurückfuhrt. Auch VIII, 2 taucht Christus in einer nicht sehr klaren Weise als der Spender der Lebensfrucht auf.® Die alte Fabelei, der zufolge Christus über dem Grab der Maria geboren und über dem des Adam gekreuzigt wurde, findet sich VII, 1 1 vor.3 Daneben aber findet sich noch ein anderer Gedankengang über die Person des Erlösers, der aus diesen Schriften mit genügender Deutlichkeit hervortritt. Wir finden überall Seth mit dem bedeutungsvollen Amt ausgerüstet, zum Paradiese vorzudringen und für den todkranken Adam eine Frucht von dem Lebensbaum im Paradiese 1 Warum die Schuldverschreibung in einem Steine besteht, ist nicht ganz deutlich. Vielleicht liegt darin eine Anspielung auf die steinernen Tafeln des mosaischen Gesetzes. 2 In dem Gebet um die Frucht wendet sich Seth an den „allmächtigen Herrn". Es scheint, dass das „Christus" nachher an Stelle von „Herr" eingesetzt ist. Gemeint war ursprünglich dem ganzen Zusammenhang nach Gott 3 Bereits Epiphanius kennt die Letztere (haer. 46, 5) und will sie ¿v ßißXoi; gefunden haben. Leider sagt er nicht, wo er die Kunde gefunden hat. Aber seine Worte zeigen deutlich, dass sie in irgend einer Weise auf unsern Schriftenkreis zurückgehen. Die Sage von Bethlehem als Grab der Maria ist wohl erst im Anschluss an die von Golgatha als dem Grabe Adams entstanden. [58]



221



zu holen. Nach I, 13 fr. erhält Seth zwar nicht die gewünschte Frucht, aus der das Öl der Barmherzigkeit fliesst; aber er erhält eine Verheissung, die dem Werte der Frucht fast gleich kommt. Der Erzengel Michael eröffnet ihm in Gottes Auftrag, dass er von der Frucht nichts erhalten könne. Dafür aber solle ihm in einer Vision die „herrliche und erstaunliche Himmelfahrt" seines Vaters gezeigt werden. Damit kann sich aber Seth trösten. Wenn er auch seinen Vater nicht von den Schmerzen heilen kann, so vermag er doch zu sehen, dass sein Vater in den Himmel entrückt wird. Da Gott dem Adam bei der Austreibung aus dem Paradiese gesagt hat, dass er erst nach der Auferweckung von der Frucht des Baumes zu kosten bekommen werde (I, 27), so ist es durchaus logisch, wenn Seth hier mit leeren Händen abgeschickt wird. Aber es kann in dem jetzigen Texte doch nicht Alles in Ordnung sein. Nach 33 ff. hat nicht Seth die Vision von der Himmelfahrt des Adam, sondern Eva. Sie ruft erst Seth zu, dass er das Gesicht schauen soll. Hier steht also Eva im Vordergrunde, während sie vorher völlig gegen Seth zurücktrat, ja, wie die Episode mit der den Seth unterwegs anfallenden Bestie zeigt, sogar mit offenbarer Nichtachtung behandelt wird. Dagegen ist 42 wieder Seth als der Empfanger dieser Offenbarung vorausgesetzt. Niemand weiss von den wunderbaren Vorgängen, die sich bei der Himmelfahrt des Adam abspielen, ausser Seth. Hier mag also der T e x t da und dort Verderbnissen ausgesetzt gewesen sein, die sich jetzt nicht mehr heilen lassen. Soviel aber ist auch jetzt noch aus dem Texte deutlich, dass Seth eine besonders hervorragende Rolle spielt und mit besonderer Auszeichnung behandelt wird. In VIII, 2 erhält Seth auf seine Bitten wirklich einen Zweig von dem Baume des Lebens. Der Text redet gleich darauf von der Lebensfrucht und darin wird man einen Hinweis darauf erblicken dürfen, dass hier eine zweite Form derselben Sage vorliegt. Danach hat Seth wirklich die Frucht auf seine Bitte erhalten und sie seinem Vater A d a m überbringen können. Mit dieser Frucht bringt er das verlorene Leben und das entschwundene Licht wieder zurück. In dieser letzten Gestalt haben wir wohl den Schlüssel zu dem ursprünglichen Sinn des ganzen Mythus. Adam ist das Urbild des infolge seiner Begierde von Gott abgefallenen Menschen, der nun [59]



222



dem unreinen Triebe hingegeben, des Lebens und des Lichtes beraubt ist Seth ist Christus, der dem Menschen das verlorene Paradies zurückbringt, indem er zu Gott selbst, von dessen Licht er ausgegangen ist, vordringen darf und von ihm den Weg der Erlösung, die Gott den Menschen bestimmt hat, erfährt. E r hört, dass Gott diejenigen, die sich der Begierde erwehren und die unreinen Triebe bekämpfen, in dem Paradiese wohnen lässt und sieht, wie Adams Leib im Paradiese begraben und dort verwahrt wird bis zu dem grossen T a g der Auferweckung, an dem der Verfuhrer von seinem Thron gestürzt wird. Ophiten und Consorten. Über die Ophiten und die von ihnen ausgegangenen beiden Richtungen der Sethianer und Kainiten hat Hippolyt im Syntagma einen knappen Bericht geliefert (vgl. Pseudotertull. [Victorin], im Anhang zu de praescript. haeret. 47; Philastr., de haeres. 1 — 3 ; auch Epiphanius, haer. 37—39 hat das Syntagma neben andern Quellen benutzt). Der Name wird hier so erklärt, dass die Schlange bei ihnen göttliche Verehrung genossen habe, weil sie nach Gen. 3, 5 Kenntnis des Guten und Bösen vermittelt habe. Auch die eherne Schlange Num. 21 und das Wort Jesu Joh. 3, 14 werden in derselben Weise gedeutet. Die Deutung des Namens beruht auf einem offenbaren Missverständnis des Berichterstatters, sofern in der weiteren Darstellung die Schlange gar keine Rolle weiter spielt, jedenfalls nicht die, die ihr nach dieser Erklärung zukommen müsste. Das System wird im Folgenden genauer dargestellt, am Besten von Pseudotertullian. Danach stammen von dem höchsten Äon eine Reihe niederer Äonen ab, an deren Spitze der Jaldabaoth steht. Der Name ist wohl aus dem Syrischen zu erklären llo^A» „der Vater der Begierde". 1 Der habe wegen seiner Vermischung mit niederen Äonen, als er sich in die obere Welt aufschwingen wollte, 1 Die herkömmliche Ableitung nimmt an JW13 j n ^ „Sohn des Chaos". Abgesehen davon, dass dies sprachliche Bedenken hat, steht dem auch die Rolle entgegen, die Jaldabaoth im Systeme spielt. Will man eine aramäische Grundlage, so würde am passendsten sein: PUK 3K J H ^ „Sohn des Vaters der Begierden". [60]



223



dies nicht vermocht, sondern sei unten geblieben und fülle den Himmel aus. Darauf schuf er sieben Söhne, denen er den Anblick der oberen Welt versperrte, sodass sie von dieser nichts wussten und ihn als den einzigen Gott ansahen. Diese untergeordneten Engelwesen (virtutes = öuvd|uet