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German Pages 192 [194] Year 2010
Fernerkundung im urbanen Raum
Hannes Taubenböck/Stefan Dech (Hrsg.)
Fernerkundung im urbanen Raum Erdbeobachtung auf dem Weg zur Planungspraxis
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http//dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.
© 2010 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
Die Herausgabe dieses Werks wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Einbandabbildung: Fernerkundungsdaten am Beispiel der Stadt München. Das Bildmaterial für den Einband wurde von den Herausgebern zur Verfügung gestellt. Einbandgestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Typografie und Satz: Lohse Design, Büttelborn Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-23481-3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
4.3
Erfassung und Bewertung der Bodenversiegelung 58 T. Esch
4.4
Temperatureffekte in der Stadt-Umland-Region München 62 T. Ruppert, N. Sparwasser & H. Taubenböck
Danksagung 9
1. 2. 3. 4. 4.1
4.2
Die Stadt im Blick – eine Annäherung 11 H. Taubenböck & S. Dech
München: ›Wachstum nach Innen‹ – Nachhaltige Stadtentwicklung zwischen Wandel und Identität 15 S. Reiß-Schmidt
Fernerkundung im urbanen Kontext 31 H. Taubenböck & A. Roth
Die regionale Ebene: Raumbezogene Analysen von Stadt und Umland 44 Landbedeckungsklassifikation der Stadt-Umland-Region München und Analyse ihrer raumzeitlichen Entwicklung 45 H. Taubenböck & M. Thiel Charakterisierung urbaner Räume anhand räumlicher Maße – Die Städte München und Köln im Vergleich 51 H. Taubenböck & M. Wegmann
5.
Die lokale Ebene: Raumbezogene Analysen auf Gebäudelevel 66
5.1
Das 3-D-Stadtmodell als planungsrelevante Grundlageninformation 66 M. Wurm & H. Taubenböck
5.2
Automatische Erkennung von Oberflächenmaterialien städtischer Objekte 76 U. Heiden & W. Heldens
5.3
Selektive Identifikation umweltrelevanter Oberflächenmaterialien auf der Basis von Hyperspektraldaten: Beispiel Solarflächen 83 W. Heldens & U. Heiden
5.4
Physische Indikatoren für die Stadtplanung 86 H. Taubenböck, W. Heldens, U. Heiden & M. Wurm
5.5
Fernerkundung als Grundlage zur Identifikation von Stadtstrukturtypen 94 M. Wurm & H. Taubenböck
6
Inhaltsverzeichnis
5.6
6. 6.1
Reale Welt? − Ein virtueller Spaziergang durch die 3-D-Welt 103 F. Siegert & F. Lehmann
Satelliten- und luftgestützte Verkehrserfassung 106 F. Kurz, D. Rosenbaum, J. Leitloff & P. Reinartz Automatische Analyse von Menschenmassen aus Luftbildsequenzen 116 S. Hinz
6.3
Änderungserkennung in Radaraufnahmen – Die Aufbauarbeiten zum Münchner Oktoberfest 123 A. Schmitt
7.1
7.2
Integration raumrelevanter Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen 153 M. Wurm, J. Goebel & G. G. Wagner
7.4
Potenzialmodellierung von Wärmenetzen basierend auf höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten 162 C. Geiß, M. Nast, C. Schillings, H. Taubenböck, T. Esch & M. Wurm
7.5
Analyse stadtklimatischer Aspekte auf Basis von Hyperspektraldaten 170 W. Heldens & U. Heiden
Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung 106
6.2
7.
7.3
Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen 129 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung – was leisten hoch aufgelöste Fernerkundungsdaten? 129 S. Fina, H. Taubenböck, M. Wurm & S. Siedentop Abschätzung der Bevölkerungsverteilung mit Methoden der Fernerkundung 143 M. Wurm & H. Taubenböck
8. 9.
Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext 175 H. Taubenböck
Stadtplanung und Fernerkundung: eine gemeinsame Zukunft? 185 H. Taubenböck & S. Dech
Herausgeber und Autoren 187 Register 189
Vorwort
Weltraumtechnologien zum Nutzen der Gesellschaft Erdbeobachtung mithilfe von Satelliten oder flugzeuggestützten Systemen ist eine zentrale Forschungsaufgabe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Mit unseren nationalen Missionen, aber vor allem auch im europäischen und internationalen Verbund, sind wir heute in der Lage, in verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen die Veränderungen der Landoberfläche, der Meere und der Atmosphäre zu beobachten. Die gewonnenen Daten liefern eine wichtige Grundlage zur Dokumentation dieser Veränderungsprozesse. Die Abholzung von Regenwäldern, das Schmelzen des Polareises, die Verschmutzung der Meere und die Beobachtung des explosiven Wachstums der Megastädte rund um den Globus sind nur einige von vielen wichtigen Indizien für den globalen Wandel und die damit einhergehende Klimaveränderung. Es ist aber längst nicht mehr nur die Wissenschaft, die aus diesen Daten ihren Nutzen zieht. Konkret tragen wir im DLR beispielsweise dazu bei, auch in Krisensituationen wie Naturkatastrophen oder bei humanitären Notfällen aktuelle Kartierungen durchzuführen und damit Entscheidungsträger oder Hilfsorganisationen mit einsatz- und managementrelevanten Informationen zu versorgen. Mit diesem Buch schließen die Autoren eine Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis, die sich im modernen Alltag des städtischen Lebensraumes auftut. Die rasch wachsende urbane Bevölkerung vor allem in Großstädten stellt Stadtentwickler vor immer größere Herausforderungen. Die neuen Fernerkundungsprodukte, die in diesem
Buch am Beispiel Münchens dargestellt werden, zeigen die Zukunft der Raum- und Stadtplanung auf der Grundlage einer multidimensionalen Daten- und Informationsbasis. Das Produkt-Spektrum reicht von der räumlichen Veränderungsanalyse über das hoch detaillierte 3-D-Stadtmodell bis hin zu verkehrs-, energie- oder klimarelevanten Fragestellungen. Das Buch zeigt, dass die Erdbeobachtung die nachhaltige Stadtentwicklung wirksam unterstützt. Deshalb hoffe ich, dass dieses Buch ein weiterer Meilenstein sein wird auf dem Weg, wissenschaftliche Fernerkundung in die Planungspraxis zu überführen.
Prof. Dr. Johann-Dietrich Wörner Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
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Vorwort
Ideen für die Zukunft der Stadt Seit dem Jahr 2007 leben zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit weltweit mehr Menschen in den Städten als auf dem Land. In Industrieländern liegt der Anteil der urbanen Bevölkerung sogar noch höher. Heute leben drei Viertel aller Deutschen in Städten. Die diesjährige Weltausstellung (EXPO) in Shanghai rückt mit dem Motto »Better City, Better Life« die Tendenzen einer zunehmend urbanisierten Welt in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Für die Zukunft bedarf es daher innovativer Ideen und Konzepte, vielleicht sogar utopischer Denkansätze, damit urbane Räume diesen Herausforderungen buchstäblich gewachsen sein werden. Auch München muss sich diesen Herausforderungen stellen. Wer München ins Herz geschlossen hat, liebt neben seinen Menschen auch seine Sehenswürdigkeiten, seine Tradition, seine Weltoffenheit, seine Lebendigkeit und seinen Charakter. Wie aber können wir den Charakter unserer Stadt dauerhaft bewahren und trotzdem auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren? Wie können wir München mit einem ressourcenschonenden Städtebau sozialverträglich, ökologisch durchdacht und ökonomisch erfolgreich zukunftsfähig entwickeln? Im Spannungsfeld von prognostiziertem Bevölkerungszuwachs und Raumknappheit, umweltrelevanter und wirtschaftlicher Belange sowie lokalen Interessen und Globalisierung brauchen München und sein Umland eine intelligente Entwicklungsplanung. Damit Investitionsentscheidungen auf der Grundlage fundierter Informationen getroffen werden können, brauchen wir daher auch zuverlässige und vergleichbare Stadtplanungsdaten. Die Erdbeobachtung verschafft uns aus großer Höhe einen Überblick, einen Eindruck des räumlichen Gefüges urbaner Landschaften. Ihre Daten und Methoden erlauben uns den urbanen
Raum nicht nur visuell zu erfassen, sondern auch konsistente, raumbezogene Planungsinformationen zu verschiedensten Themenfeldern wie Stadtgeographie, Verkehr, (Geo-)Risiken, Energie oder sozialen Fragestellungen abzuleiten. Daraus ergeben sich viele Möglichkeiten, mit diesen Informationen die stadtplanerische Datenbasis erheblich zu erweitern. Ich sehe dieses Buch als Chance, Anstoß und Motivation, um offen über innovative Ideen, Methoden und Konzepte nachzudenken, zu philosophieren und neue Wege für eine nachhaltige Regionalplanung und Stadtentwicklung zu beschreiten.
Christian Ude Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München und ehemals Vorsitzender des Deutschen Städtetages
Danksagung
Seit etwa sechs Jahren beschäftigt sich das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Anwendungen der Fernerkundung im urbanen Raum. Dieses Buch wäre ohne die tatkräftige Unterstützung vieler engagierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und deren Begeisterung für dieses Thema nicht möglich gewesen. Hierfür möchten wir uns ganz herzlich bedanken. Ein besonderes Dankeschön gilt allen Kollegen, die mit hoher Motivation und Begeisterung als Autoren zu diesem Projekt essentiell beitrugen. Besonders bedanken möchten wir uns auch bei allen Kollegen der Städte München und Köln sowie entsprechender Planungsverbände, deren Kenntnisse der Planungspraxis zum Gelingen dieser Arbeit entscheidend beitrugen. Ein herzlicher Dank gilt allen Korrektoren, die mit ihren Beurteilungen und Verbesserungsvorschlägen maßgeblich die Sicherung der wissenschaftlichen und sprachlichen Qualität der Beiträge gewährleisteten. Als wissenschaftliche Gutachter bzw. Lektoren fungierten: • Dipl.-Geogr. Markus Breunig, Dipl.-Ing. Thomas Engelbrecht, Dr. Thomas Esch, Christian Geiß, Dipl.-Inform. Martin Habermeyer, Dr. Uta Heiden, Wieke Heldens, M.Sc., Dipl.-Ing. Achim Roth, Dipl.-Ing. Andreas Schmitt und Dr. Hannes Taubenböck vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). • Dr. Franz Kurz und Dr. Dominik Rosenbaum vom Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
• Dr. Mathias Bochow und Dr. Sigrid Rößner aus der Sektion 1.4 Fernerkundung des Helmholtz-Zentrums Potsdam − GFZ Deutsches GeoForschungsZentrum. • Dipl.-Geol. Eike Nolte vom Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM), Geophysikalisches Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). • Dipl.-Geogr. Stefan Fina vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS) der Universität Stuttgart. Prof. Dr. Stefan Hinz, Institut für Photo• grammetrie und Fernerkundung (IPF) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). • Dr. Doris Klein, Dipl.-Umweltwiss. Michael Thiel, Dr. Martin Wegmann und Mag. rer. nat. Michael Wurm vom Lehrstuhl für Fernerkundung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. • Dipl.-Ing. Alexandra Hill vom Institut für Raumplanung (IRPUD) der Technischen Universität Dortmund. • Dr. Jan Goebel und Prof. Dr. Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. • Susanne Krings von der United Nations University, y Institute for Environment and Human Security (UNU-EHS) in Bonn. • Dipl.-Geogr. Hubert Müller vom Sachgebiet Regionales der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung des Planungsreferats der Landeshauptstadt München. Wolhard Geile von Geomatics Consult• Dr. W ing, Canadian Office Ottawa. • Päd. M.A. Kerstin Mayr-Strotmann, Lektorin. • Caroline Stöss, M.A. (Geogr.), freie Lektorin. Die Beiträge zu diesem Buch sind u. a. im Rahmen verschiedenster Projekte erarbeitet worden:
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Danksagung
• Feasibility- und Planungs-Studie zur grundlegenden V Verbesserung und Erweiterung der Längschnitt-Infrastrukturrstudie »Soziooekonomisches Panel (SOEP)«, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (FZK 01UW0706). • TSX-urban: Automatisierte und robuste Erfassung von Siedlungsräumen aus hochauflösenden SA S R-Daten, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi; FKZ: 50EE0619). • Refina: Entwicklung und Evaluierung eines fernerkundungsbasierten Flächenbarometers als Grundlage für ein nachhaltiges Flächenmanagement, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF; FKZ: 0330737A) V • Indikatoren zur Abschätzung von Vulnerabilität und Bewältigungspotenzialen − am
Beispiel von wasserbezogenen Naturgefahren in urbanen Räumen, gefördert vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) (FZK: AZ BBK F2-440-00-280). • Last-Mile: Numerisches Last-mile Tsunami Frühwarn- und Evakuierungsinformationssystem, gefördert durch das Programm Geotechnologien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) (FZK: 03G0666A-E). • DeSecure – Satellitengestützte Kriseninformation für Deutschland, gefördert vom Projektträger DLR Raumfahrt-Agentur (FZK 50EE0606). I der • Doktorandenprogramm »EOS I & EOS II« Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V. V
1. Die Stadt im Blick – eine Annäherung H. Taubenböck & S. Dech
Städte sind Orte ständiger, dynamischer Veränderung. Eine Stadt mag vor 50 Jahren noch als erfolgreich, lebenswert oder zukunftsträchtig gegolten haben, hat heute aber, im Zuge von veränderten Rahmenbedingungen, ihre Konkurrenzfähigkeit verloren. Dementsprechend müssen sich Stadtregionen permanent in einem regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten. Sie müssen sich ständig verändern, anpassen und ausrichten, um auf neue Voraussetzungen zu reagieren. Allerdings können sich Städte nicht gezielt selbst regieren. Sie können sich selbst nicht schnell genug verändern oder anpassen, wie das folgende Beispiel verdeutlichen soll: Viele Großstädte haben noch nicht ihren Frieden mit dem Automobil geschlossen. Die Autos drücken den Städten neue räumliche Strukturen auf, da die Menschen immer weiter vom Stadtzentrum entfernt wohnen können. Wie viel Verkehr benötigt also ein urbaner Raum und wie viel verträgt er? Um der steigenden Mobilität gerecht zu werden, um attraktiv für Bewohner, aber auch für die Wirtschaft zu bleiben, müssen Großstädte ihre physische Struktur ändern. Die hohe Konzentration von Menschen, Infrastruktur und Wirtschaftskraft, aber auch die Gleichzeitigkeit, Komplexität und Überlagerung verschiedener Prozesse in immer unüberschaubareren urbanen Systemen, stellt verantwortungsbewusste, zukunftsweisende und ganzheitliche Stadtplanung vor immer größere Herausforderungen. Moderne Stadtplanung kann aber nur erfolgreich sein, wenn man die Stadt in dieser Vielschichtigkeit versteht. Natürlich gibt es verschiedene Varianten, sich dem urbanen Raum und seinem Wirkungsgeflecht anzunähern. In unserer modernen Gesellschaft wird das Schlüsselwort ›Erfolg‹ überwiegend mit ökonomischem Wachstum assoziiert. Ballungsräume
sind die wirtschaftlichen Motoren von Regionen, sind geistiges Zentrum für Innovationen, bieten ein diversifiziertes Spektrum an Arbeitsplätzen, usw. Mit dieser Assoziation verkaufen Städte Träume und versprechen individuellen Aufstieg. Eine erfolgreiche Stadt kann so − aus der ökonomischen Perspektive heraus − als eine Ansammlung individueller Träume, aber auch als Massentraum der Menge definiert werden. Für eine lebenswerte Stadt bzw. StadtUmland-Region kann ökonomischer Erfolg allerdings nur einen Teil des integralen Ganzen darstellen. Ein erfolgreiches, lebenswertes System ›Stadt‹ bedingt eine systematische und integrale Entwicklung und Planung vielfältiger öffentlicher und privater Belange: ökonomische Interessen, urbanmorphologische Planung, demographische und soziale Ausgewogenheit, ökologische Nachhaltigkeit, klimatologische Belange, kulturelle Vielfalt, politische Leitlinienentwicklung sowie zur Umsetzung nötige Strukturen und Instrumente. Es wird also deutlich, dass die planerische Entwicklung urbaner Räume über rein ökonomische oder architektonische Gesichtspunkte hinausgeht und einem ganzheitlichen Ansatz genügen muss. Die dramatischen Konsequenzen voranschreitender Urbanisierung − insbesondere in Entwicklungsländern oder aufstrebenden Industrienationen − werden sichtbar in Städten, die unter dem Druck dynamischen Zustroms eigenmächtig und unkontrolliert wachsen, sich gar organisch verändern und beinahe unregierbar werden. Getrieben von der gigantischen Ausstrahlung von Erfolg, oder zumindest basierend auf der Illusion ökonomisch erfolgreich sein zu können, drängen mehr und mehr Menschen immer schneller in die Metropolen. Weltweit leben heute bereits mehr Menschen in Städten als auf dem Land und auch zukünf-
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1. Die Stadt im Blick – eine Annäherung
tig wird der Anteil der städtischen Bevölkerung rasant steigen. Diese Entwicklung geht nicht nur mit gravierenden demographischen, sondern auch ökonomischen und sozialen Veränderungen einher. Unkontrollierte bauliche Entwicklung, fehlende öffentliche Infrastruktur, Überlastung des Verkehrsnetzes, soziale Fragmentierung, Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität oder ökologische Überlastungserscheinungen sind nur einige der Probleme ungesteuerter urbaner Entwicklungen. Deshalb sind Städte die Brennpunkte der Gegenwart. In ihnen werden Entscheidungen für die künftige Lebensqualität der Menschheit getroffen. Stadtpolitik als globale, nationale, regionale und lokale Aufgabe erhält daher eine weitreichende Bedeutung. Seit jeher hat der Mensch mit mehr oder weniger großem Erfolg versucht, urbane Räume zu strukturieren und nach theoretischen Konzepten lebenswert zu gestalten. Nicht alle dieser Stadtplanungskonzepte sind allerdings erfolgreich − wie die am Reißbrett entstandenen Hauptstädte Astana, Brasilia oder Canberra beispielhaft beweisen. Mit ihren, an geometrische Muster angepassten, geplanten, weitläufigen physischen Baustrukturen, wurde nie das Ziel einer lebendigen lebenswerten erfolgreichen Stadt erreicht. Grundsätzlich ist Planung ein gegeneinander Abwägen von Vor- und Nachteilen verschiedener Aspekte: Planung ist Wissensverarbeitung. Die wichtigste Voraussetzung für das Abwägen von Für und Wider und daraus folgende strategische Ausrichtungen zukünftiger planerischer Aktivitäten ist umfassendes Wissen über ihren Gegenstand: Kenntnis über die Bewohner der Stadt, über die baulichen Strukturen, über Auswirkungen zukünftiger Veränderungen, uvm.. Die meisten urbanen Aspekte beinhalten von Natur aus eine räumliche Komponente und im besten Fall stehen den Akteuren und Entscheidungsträgern auf kommunaler und regionaler Ebene vielschichtige raumbezogene Informationen zur Abwägung, Meinungsbildung und Strategieentwicklung zur Verfügung. Oft aber sind relevante Datensätze für die Wissensverarbeitung nur eingeschränkt vorhanden oder zugänglich, weil sie teuer, generalisiert oder veraltet sind.
Die Erdbeobachtung stellt für den urbanen Raum ein sehr junges Medium zur Daten- und Informationsgewinnung dar. Sie ist ein unabhängiges, vergleichsweise günstiges, flächendeckendes und vor allem aktuelles Instrumentarium zur Gewinnung von raumbezogenen Informationen in urbanen Räumen. Die Stadt von einer erhöhten Position im Blick – aus einem Flugzeug oder aus dem All − ist eine andere Form der Annäherung an den urbanen Raum, an seine räumlichen Komponenten, Objekte und Zusammenhänge. Die im vergangenen Jahrzehnt rasanten technischen Entwicklungen flugzeug- und satellitengestützter Sensoren ermöglichen nun die kleinräumige, heterogene Charakteristik urbaner Räume geometrisch und thematisch hoch detailliert und in kurzen Zeitintervallen zu erheben. Die damit einhergehenden Entwicklungen verschiedener Methoden und Verfahren ermöglichen die Entfaltung eines weiten Anwendungsspektrums. Allerdings − so zeigt die Erfahrung in der Praxis – werden fernerkundliche Daten- und Informationsgrundlagen bis heute nur rudimentär im stadtplanerischen Alltag genutzt (vgl. Kap. 2). Wie schon erwähnt, ist eine nachhaltige Planung nur über eine ganzheitliche Betrachtung eines konkreten Problems erfolgversprechend. Im urbanen Raum prallen so verschiedene Disziplinen wie Planung, Architektur, Sozialgeographie, Klimatologie, Energiewissenschaft, Geschichte, Verkehr oder Politik mit ihren jeweils eigenen Fragestellungen aufeinander. Die Fernerkundung versteht sich dabei als integrierendes Medium, das zu den vielfältigen Arbeitsbereichen auf direktem oder indirektem Wege unabhängige flächendeckende Datenund Informationsgrundlagen beisteuern kann. Dieses Buch konzentriert sich darauf, neue Potenziale, aber auch vorhandene Limitierungen, der Fernerkundung für vielfältige raumbezogene und planerische Fragestellungen im urbanen Raum aufzuzeigen. Das vorliegende Buch soll als Brücke zwischen Wissenschaft und Anwendung fungieren und die Vielschichtigkeit aktueller fernerkundlicher Möglichkeiten im Kontext raumplanerischer Aktionen im Planungsalltag aufzeigen. Damit adressiert
1. Die Stadt im Blick – eine Annäherung
es in erster Linie Akteure und Entscheidungsträger der regionalen und kommunalen Verwaltungen. Um dieser Zielsetzung gerecht zu werden, gibt dieses Buch einen Überblick über die verwendeten Sensoren, deren technische Details und Datensätze sowie Verweise auf weitere aktuell verfügbare Systeme (Kap. 3). Die Potenziale dieser Datensätze werden anhand der Stadt-Umland-Region München mit Anwendungen auf regionaler Maßstabsebene sowie räumlich höchst aufgelöst, auf Gebäudelevel, vorgestellt. Kapitel 4 beschäftigt sich mit fernerkundlichen Potenzialen auf der regionalen Ebene: von der Veränderungsanalyse des urbanen Fußabdruckes seit den 1970er Jahren (Kap. 4.1), über die räumliche Analyse der physischen Struktur der Stadt-Umland-Region München sowie der raumzeitlichen Entwicklung dieser Region im Vergleich zu Köln und seinem Umland mit Landschaftsstrukturmaßen (Kap. 4.2). Des Weiteren wird die Bodenversiegelung als ein konkreter physischer Parameter auf regionaler Ebene für München sowie im Verhältnis zu anderen Regionen in Deutschland erfasst und bewertet. Dieser Bezug zu anderen Regionen bietet oftmals die einzige Referenz, um die räumlichen Entwicklungen einer Region einordnen zu können (Kap. 4.3). Schließlich werden auf regionaler Ebene die räumlichen Differenzen von Landoberflächentemperatur im Vergleich versiegelter und naturrbelassener Räume gezeigt (Kap. 4.4). Im Kapitel 5 werden Potenziale der Fernerkundung auf höchster geometrischer Maßstabsebene, auf Gebäudelevel, vorgestellt. Beginnend mit der Ableitung eines dreidimensionalen Stadtmodells (Kap. 5.1) sowie urbaner Oberflächenmaterialien (Kap. 5.2) wird als exemplarische Anwendung die Identifikation von Solaranlagen auf Gebäudedächern thematisiert (Kap. 5.3). Basierend auf dieser hoch genauen Erfassung der verschiedenen Objekte im urbanen Raum, werden planungsrelevante Indikatoren wie beispielweise die Geschossflächendichte oder der Vegetationsanteil quantifiziert (Kap. 5.4) sowie deren Kombination für eine Stadtstrukturtypenkartierung eingesetzt (Kap. 5.5). Schließlich präsentiert Kapitel 5.6. einen virtu-
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ellen Spaziergang durch eine 3-D-Welt, die es auf Knopfdruck ermöglicht die Realität urbaner Wahrnehmung zu vermitteln. Das Kapitel 6 beschäftigt sich mit Anwendungen im Bereich der Verkehrs- und Lageerfassung. So ermöglichen fernerkundliche Analysemethoden auf höchstem geometrischem Niveau sowie in naher Echtzeit die aktuelle Verkehrssituation zu erfassen oder Reisezeiten zu ermitteln (Kap. 6.1). Des Weiteren ist es möglich, die aktuelle Lage zu erfassen und einzuschätzen, um für Krisen- oder Einsatzmanager bei Großereignissen jederzeit eine Informationsgrundlage bereitzuhalten. Als Anwedungsbeispiel wird das Überwachen von Besucherströmen auf dem Münchner Oktoberfest vorgestellt (Kap. 6.2). Längerfristige Veränderungen können mit multitemporalen fernerkundlichen Datensätzen ermittelt werden. Dazu wird die kontinuierliche Veränderung beim Aufbau des Münchner Oktoberfestes von Juni bis Oktober gezeigt (Kap. 6.3). Schließlich wird für die bis dato ausschließlich physischen Analysen des urbanen Raumes mittels interdisziplinärer Ansätze ein zusätzlicher planungsrelevanter Mehrwert generiert. Eine Einordnung des Potenzials aus Fernerkundungsdaten abgeleiteter, planungsrelevanter Messgrößen, in gängige Daten- und Informationsgrundlagen der Stadt- und Regionalplanung bietet Kapitel 7.1. Exemplarisch wird deren Einsatzmöglichkeit für Stadtentwicklungsplanung im Städtevergleich München und Köln erörtert. Die Kombination physisch urbaner Strukturen mit demographischen und sozioökonomischen Parametern führt zur räumlichen Abschätzung der Bevölkerungsverteilung (Kap. 7.2) sowie zur Integration räumlicher Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen (Kap. 7.3). Die interdisziplinäre Kombination fernerkundlicher Resultate mit Methoden zur Planung von Wärmenetzen steht in Kapitel 7.4 im Fokus. Damit wird eine räumliche Priorisierung von strukturell begünstigten Gebieten für diese Art der Energieversorgung angestrebt. Des Weiteren zeigt die Analyse des städtischen Mikroklimas in Ergänzung zur großflächigen regionalen Temperaturanalyse in Kapitel 4.4 einen weiteren relevanten räumlichen Aspekt
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1. Die Stadt im Blick – eine Annäherung
zum Verstehen der komplexen Zusammenhänge urbaner Systeme (Kap. 7.5). Diese Zusammenschau stellt das breite Anwendungsspektrum fernerkundlicher Daten und Methoden für urbane Räume vor. Diese werden am Beispiel der Stadt München, sowie für vergleichende Analysen für die Region Köln dargestellt. Das Potenzial der Fernerkundung weitere, für andere Regionen relevante Fragestellungen, zu beleuchten, wird in Kapitel 8 in einer zusammenfassenden Übersicht dargestellt. Beispiele sind dabei krisenrelevante Fragestellungen, wie z. B. Risikoanalysen im Falle
von Naturkatastrophen. Zudem wird eine Übersicht zu aktuell verfügbaren nationalen, kontinentalen oder globalen Datensätzen zu urbanen Räumen rekapituliert. Kapitel 9 versucht schließlich auf Basis der Zusammenschau fernerkundlicher Anwendungsmöglichkeiten im urbanen Raum zu erörtern, ob und wie die Lücke zwischen Wissenschaft und Anwendung geschlossen werden kann. Genau diese Lücke zu schließen und damit Stadtplanung und Fernerkundung in eine gemeinsame Zukunft zu führen, ist das übergeordnete Ziel dieses Buches.
2. München: ›Wachstum nach Innen‹ − Nachhaltige Stadtentwicklung zwischen Wandel und Identität S. Reiß-Schmidt
Zusammenfassung Aus den Erfahrungen mit einem seit Mitte der 1990er Jahre in München konsequent verfolgten ›Wachstum nach Innen‹ können einige verallgemeinerbare Schlussfolgerungen und Empfehlungen für eine Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung und für den Einsatz von Daten aus der Fernerkundung abgeleitet werden. Die kompakte, nutzungsgemischte und sozial integrierende Europäische Stadt erweist sich − insbesondere vor dem Hintergrund des sozialen und demografischen Wandels der Stadtgesellschaft und des Klimawandels − als das zukunftsfähigste Modell (LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2005; REISS-SCHMIDT, 2007 & 2009). Seit der Erhebung Bayerns zum Königreich vor rund 200 Jahren wird die räumliche Entwicklung Münchens durch wirtschaftliche und demografische Dynamik ebenso wie durch zukunftsweisende Visionen, Konzepte und Pläne bestimmt. Für die Stadt München sind dabei ihre enge räumliche Begrenzung, eine monozentrische Ordnung und eine dadurch bedingte hohe urbane Dichte und kompakte Raumstruktur prägend. In den 1980er Jahren schien München am Ende seiner Wachstumsmöglichkeiten angelangt zu sein. Durch die Reaktivierung der Flächen des 1992 ins Erdinger Moos verlagerten Flughafens in Riem sowie brachliegender Bahn-, Post-, Kasernen- und Industrieareale gelang es aber ein ›Wachstum nach Innen‹ mit hoher städtebaulicher Qualität in Gang zu setzen. Mit dem Stadtentwicklungskonzept »Perspektive München« wurde 1998 diese Strategie der Innenentwicklung unter dem Slogan
»kompakt, urban, grün« zum Markenzeichen für eine sozial, kulturell, ökologisch und wirtschaftlich gleichermaßen erfolgreiche Stadtentwicklung (LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 1995; REISS-SCHMIDT 2005b, 2006; THIERSTEIN & REISSSCHMIDT, 2008). Daten aus der Fernerkundung können künftig einen zunehmend wichtigeren Beitrag zu einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung auf städtischer und regionaler Ebene leisten, wenn es gelingt, durch technische Innovationen und geeignete Modelle die Qualität der Daten, wie z. B. Auflösung oder Interpretationszuverlässigkeit, zu verbessern und die Kosten für kommunale Anwender zu senken. Zukünftige Errwartungen der Stadtentwicklungsplanung an Fernerkundungsdaten bestehen vor allem für Aufgaben wie Flächenmonitoring (siehe Kap. 4), Typisierung von Freiräumen und Siedlungsbereichen (s. Kap. 5), regionale Klimaanalysen (s. Kap. 4.4 und 7.5) und Vulnerabilitätsstudien (s. Kap. 8), Ermittlung von Eignungsräumen für die Erzeugung regenerativer Energien (s. Kap. 7.4) sowie zur Bereitstellung von Grundlagen für großräumige Umweltprüfungen und Sensitivitätsanalysen z. B. im Zusammenhang mit großen Infrastrukturprojekten.
Innenentwicklung und strategisches Flächenmanagement 150 Jahre lang wuchsen mit der industriellen Entwicklung fast alle Städte Europas an Einwohnern, Arbeitsplätzen und besiedelter Fläche. Stadtentwicklung und eine radiale oder
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2. München: ›Wachstum nach Innen‹
ringförmige Stadterweiterung nach Außen schienen lange Zeit Synonyme zu sein. Heute sind in Deutschland wachsende Stadtregionen wie Hamburg, Köln, Rhein-Main, Stuttgart oder München eher die Ausnahmen. Mit der Krise der Textil- und Montanindustrien begannen Mitte des letzten Jahrhunderts in Nordengland, Nordfrankreich, Belgien und im Ruhrgebiet die Städte dramatisch zu schrumpfen. Riesige Flächen wurden mitten im Stadtgebiet zu Brachland. Auch von modernen Industrien und Dienstleistungen geprägte Städte verloren im Zuge der Suburbanisierung seit den 1960er Jahren Einwohner und Arbeitsplätze an ihr Umland, während die Stadtregionen immer weiter wuchsen und mehr Fläche in Anspruch nahmen. Der planerische und politische Umgang mit dem demografischen Wandel, also mit sinkenden Bevölkerungszahlen und einer zunehmenden Alterung der Bevölkerung, sind dagegen heute das vorrangige Thema. Seit 50 Jahren sinkt mit dem zunehmenden Flächenbedarf pro Einwohner und Arbeitsplatz, trotz teilweise erheblicher Zunahme der baulichen Dichte, die funktionale bzw. soziale Dichte. Betrug die durchschnittliche Wohnfläche in Deutschland 1950 noch 15 m² pro Person, so waren es 2006 bereits 43 m². Dies hat gravierende Folgen für die Nutzung des öffentlichen Raumes, für die Tragfähigkeit von öffentlichem Nahverkehr, Einzelhandel und sozialer Infrastruktur. Folgen sind eine steigende − im Umland deutlich größere − absolute und relative Flächeninanspruchnahme und vor allem ein dramatisch zunehmender Kraftfahrzeugverkehr zwischen Stadt und Umland, der zu Lasten der Mobilität und der Lebensqualität (nicht nur) in der Kernstadt geht (REISS-SCHMIDT, 2007). Ökologische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Gründe sprechen eindeutig für die ›kompakte Stadt‹ als Pfad einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung. Ein ökologisch-sozialer Stadtumbau, die Auseinandersetzung mit dem Bestand und die intelligente Nutzung seiner Potenziale, das heißt die Innenentwicklung zu einer ›Stadt der kurzen Wege‹, erhält unter dem Aspekt des Klimaschutzes künftig ein noch größeres Gewicht. Der physi-
sche Bestand ist, neben dem sozialen, das größte Kapital unserer Städte. (REISS-SCHMIDT, 2007; THIERSTEIN & REISS-SCHMIDT, 2008). Die hierzu notwendige konsequente Innenentwicklung setzt eine nachhaltige Flächenkreislaufwirtschaft voraus, das heißt in erster Linie laufendes Flächenmonitoring sowie planerische Zuweisung neuer Nutzungsansprüche vorrangig auf bereits erschlossene, jedoch unter- oder ungenutzte Siedlungsflächen. Temporäre Nutzungen spielen beim Abgleich von Flächennachfrage und Flächenangebot eine ebenso große Rolle wie neue Instrumente, so wie z. B. Baurecht auf Zeit oder durch Bürgschaften abgesicherte Verpflichtungen zum Rückbau veralteter baulicher Anlagen und Wiederauffbereitung der Fläche für eine Folgenutzung. Dieser rationale und nachhaltige Umgang mit Siedlungsflächen ist in einer komplexen, von privaten Eigentumsrechten und zahlreichen zum Teil gegenläufig wirkenden planerischen und fiskalischen Regulierungen geprägten Regional- und Stadtentwicklung allerdings kein Selbstläufer. Seine Umsetzung bedarf, neben der klassischen Stadtentwicklungs- und Bauleitplanung, aktiver und gezielter Strategien und (ökonomischer) Anreizsysteme: Strategisches Flächenmanagement steuert und optimiert die Flächennutzung und Baulandproduktion nach städtebaulichen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien in Bezug auf Menge, Qualität und Lage. Flächenmanagement ist ein kommunikativer und kooperativer Prozess (Definition nach: DEUTSCHER STÄDTETAG, 2002). Zum strategischen Flächenmanagement gehören vor allem ein ressortübergreifendes Flächenmonitoring, eine Kombination hoheitlicher (z. B. Bauleitplanung, Umlegung) und privatrechtlicher Instrumente (z. B. Verträge) sowie die Verknüpfung der Baulandentwicklung und ihrer Investitionskosten mit der mittelfristigen Investitionsplanung. Von besonderer Bedeutung sind dabei einheitliche und transparente Verfahrensgrundsätze der Sozialgerechten Bodennutzung, auf deren Grundlage städtebauliche Verträge zur Finanzierung der entwicklungsbedingten Infrastrukturkosten eingesetzt werden können. Un-
2. München: ›Wachstum nach Innen‹
verzichtbar für ein zielgerichtete Flächenmanagement sind darüber hinaus eine aktive Bodenwirtschaft durch kommunale Bodenfonds, wie z. B. zur Wirtschaftsförderung, für Ausgleichsmaßnahmen (z. B. Öko-Konto) oder für Infrastruktur (z. B. Gemeinbedarfsflächen-Pool) sowie insbesondere gezielte Aktivierungsstrategien für brachliegende Bundesliegenschaften durch Rahmenvereinbarungen oder Verträge über die Folgenutzung ehemaliger Bahn- und Militärflächen. Wegen der enger werdenden Verflechtungen zwischen den Kernstädten und ihrem Umland ist ein strategisches Flächenmanagement künftig vor allem auf der stadtregionalen Ebene weiter zu entwickeln. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist die seit 2003 bestehende, aus einem bundesweiten »Modellprojekt der Raumordnung (MORO)« hervorgegangene »Arbeitsgemeinschaft Siedlungsentwicklung«, in der die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus bislang zehn Städten und Gemeinden im Umland und die Landeshauptstadt München zusammen arbeiten und die sich die Förderung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung in der Region
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zum obersten Ziel gemacht hat. Für die durch interkommunale Kooperation nicht konsensual auflösbaren Konfliktfälle muss die Regionalplanung gestärkt werden − etwa durch die Möglichkeit verbindlicher Vorgaben für Menge und Struktur der künftigen Siedlungsflächenentwicklung, wie z. B. ihre Lage oder die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln (REISSSCHMIDT, 2003a; THIERSTEIN & REISS-SCHMIDT, 2008). Zum besseren Verständnis der Voraussetzungen für die Planungen neueren Datums folgt zunächst ein Blick auf die historischen Entwicklungen in der Stadt München.
Planung und räumliche Entwicklung Münchens bis 1990 Vor ungefähr 850 Jahren verlegte Heinrich der Löwe zum Ausbau seiner Handelsbeziehungen und zur Steigerung der Zolleinnahmen und damit zu seiner Machterweiterung, den − u. a. für den Salzhandel bedeutenden − Isarübergang, der zur Handelsstraße von Aquileia über Salzburg nach Augsburg gehörte, von der alten Bi-
Abb. 2-1: Mittelalterliche Erweiterungen und Mauerringe in München (Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung)
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2. München: ›Wachstum nach Innen‹
Abb. 2-2: Stadterweiterungsplan München von Theodor Fischer 1904/12 (Landeshauptstadt München, Münchner Stadtmuseum)
schofsstadt Freising nach Süden auf sein eigenes Territorium. Aus der dort angelegten kleinen Ansiedlung wurde die heutige Millionenstadt München. Mit mehreren Erweiterungen des zunächst winzigen mittelalterlichen Stadtkerns ab Ende des 13. Jahrhunderts erreichte München im 14. Jahrhundert eine stattliche Fläche von 91 Hektar und eine Einwohnerzahl von immerhin 10 000 Menschen. Die ummauerte und begrenzte Stadtfläche verdichtete sich durch ein ›Wachstum nach Innen‹ bis 1771 sogar auf 31000 Einwohner – eine kompakte, aber durch die zahlreichen Hausgärten mit Nutztierhaltung und Gemüseanbau auch grüne ›Stadt der kurzen Wege‹ Mit der Schleifung der Stadtmauer und der Einrichtung des Englischen Gartens begann un-
ter Kurfürst Karl-Theodor ab 1791 eine neue Epoche der ›unbegrenzten Stadtentwicklung‹ und der Aufbruch in die Moderne. Als Residenzstadt und später auch als Standort für Industrie- und Dienstleistungsunternehmen wuchs München von 40 000 Einwohnern im Jahr 1800 auf eine halbe Million einhundert Jahre später. Aus der Fußgängerstadt des Mittelalters war damit eine Stadt der Pferdegespanne und (Pferde-)Trambahnen sowie bald auch des Fahrrades und des Automobils geworden. Zentrale Wasserversorgung und Schwemmkanalisation schufen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die infrastrukturellen Voraussetzungen für ein weiteres Wachstum der Stadt. Die Verkehrserschließung durch Eisenbahnlinien ab 1840 und neue befestigte
2. München: ›Wachstum nach Innen‹
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Abb. 2-3: Stadtentwicklungsplan 1963 (»Jensen-Plan«) (Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung)
Straßen bescherte bereits im 19. Jahrhundert auch dem ländlichen Umland der Residenzstadt eine erste Welle der Siedlungs- und Einwohnerentwicklung. 1892 lobte der Magistrat der Stadt einen reichsweiten Wettbewerb für ein Gesamtkonzept der künftigen Stadterweiterung aus, der mit vier gleichrangigen Preisen endete. Der Architekt Theodor Fischer, der nicht zu den Wettbewerbsteilnehmern gehört hatte, wurde 1893 mit dem Aufbau eines Stadterweiterungsbüros und der Erarbeitung eines Stadterweiterungsplans auf Basis der Wettbewerbsergebnisse beauftragt. Bis etwa 1960 vollzog sich die Siedlungsentwicklung Münchens im Wesentlichen auf der Grundlage seiner 1904 vorgelegten Staffelbauordnung (»Gemeindeverordnung zur Bebauung der Landeshauptstadt München«). Sie ging von der Vorstellung geschlossener Straßenbilder aus und regelte das Maß der Nutzung in den einzelnen Baugebieten, den so genannten Staffeln. Der von den Nationalsozialisten geplante größenwahnsinnige Umbau Münchens zur so genannten »Hauptstadt der Bewegung« konnte, bis auf wenige Bereiche, z. B. um den Königsplatz, an der Prinzregentenstraße oder am Flughafen in Riem, den Stadtgrundriss nicht wesentlich verändern. Mit Krieg und Zerstörung
endete 1945 die Nazidiktatur; auch München stand nun vor der Aufgabe des Wiederaufbaus. Mit knapper Mehrheit im Stadtrat fiel 1949 die Entscheidung gegen eine durchgreifende Modernisierung nach internationalen Leitbildern der gegliederten und aufgelockerten Stadt und für einen Wiederaufbau der Innenstadt auf dem historischen Stadtgrundriss. Grundlage dafür bildete das schon 1946 von Stadtbaurat Karl Meitinger vorgelegte Konzept, das mit dem Ausbau des Altstadtrings im Verlauf des mittelalterlichen Mauer- und Grabenrings auch die Voraussetzung für die spätere Einrichtung der Fußgängerzone schuf. Als der Wiederaufbau zu Ende ging und die dynamische Wirtschaftswunder-Entwicklung der Stadt bereits im Gange war, wurde München 1957 zur Millionenstadt. Zwei Jahre später beauftragte der Stadtrat die Professoren Steiner, Guther und Leibbrand mit einer Beurteilung des Wirtschaftsplanes und der übrigen planerischen Grundlagen. Sie empfahlen, eine systematische städtebauliche Planung für die Entwicklung der Stadt aufzustellen. Mit der Durchführung dieser Aufgabe wurde 1960 eine Arbeitsgemeinschaft von Stadt- und Verkehrsplanern unter der Leitung von Prof. Jensen beauftragt. Wesentlicher Inhalt dieses 1963 vom Stadtrat beschlossenen Stadtentwicklungs- und
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Generalverkehrsplans (»Jensen-Plan«) war eine langfristige räumliche Ordnungsvorstellung über die Grenzen der Stadt hinaus. Der Stadtentwicklungsplan sah eine Gliederung in Stadtteile mit jeweils eigenen Zentren für Schulen, soziale und kulturelle Einrichtungen sowie Einzelhandel und eine sternförmige Entwicklung entlang leistungsfähiger öffentlicher Massenverkehrsmittel vor. Zur Auflockerung und für die Naherholung dienten gliedernde Freiflächen und Grünzüge in Verbindung mit der freien Landschaft im Umland. Der erwartete Zuzug sollte durch den Bau von drei ›Entlastungsstädten‹ im Norden (Oberschleißheim, nicht weiterverfolgt), r Süden (Neuperlach, weitgehend realisiert) und Westen (Freiham, in Planung/ Realisierung) bewältigt werden. Bereits 1969, unter dem Eindruck des Booms, den die bevorstehenden Olympischen Sommerspiele 1972 ausgelöst hatten, beschloss der Stadtrat die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans von 1963. Die Arbeiten dazu wurden mit einem umfangreichen Forschungsprogramm unter Federführung des damaligen Investitionsplanungs- und Olympia-Amtes, dem Kern des 1972 gegründeten Referates für Stadtforschung und Stadtentwicklung, eingeleitet. 1972 hatte die Einwohnerzahl Münchens bereits 1,3 Millionen überschritten. Wachstumsprobleme wie die Zweckentfremdung von Wohnraum, Bodenspekulation und steigende Mieten und Bodenpreise waren durch den Boom der Olympiavorbereitungen noch verstärkt worden. Hinzu kamen wachsende Anforderungen an die Integration einer steigenden Zahl ausländischer Bürgerinnen und Bürger. Der seit 1945 unveränderte Burgfriede von 310 km² setzte der räumlichen Weiterentwicklung enge Grenzen. Die Folge war ein beschleunigter Suburbanisierungsprozess und eine wachsende Zahl von Arbeits- und Ausbildungspendlern, die trotz des 1972 gestarteten Münchner Verkehrsverbundes (MVV) und des hervorragenden S-Bahnnetzes zum überwiegenden Teil mit dem privaten Auto in die Stadt fuhren und zu Verkehrsstaus und Umweltproblemen führten. Die Stadt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, negative Entwicklungen zu korrigieren
und die Lebensqualität zu verbessern waren die vorrangigen Ziele des Stadtentwicklungsplans 1975. Eine weitere Ausweitung der Kerngebiete mit Büro- und Einzelhandelsnutzungen wurde − soweit die damaligen planungsrechtlichen Instrumente das ermöglichten − begrenzt. Die Entwicklung eines dezentralen Netzes von Stadtteilzentren sollte den Druck auf die Innenstadt reduzieren und zugleich die Infrastrukturund Einzelhandelsversorgung im äußeren Stadtbereich verbessern. Zugleich wurde auch vom Leitbild der autogerechten Stadt und von dem umfangreichen Ausbau des innerstädtischen Hauptverkehrsstraßennetzes mit der Einführung und Verknüpfung der Autobahnen in die innere Stadt endgültig Abschied genommen. Stattdessen wurden Bündelung des Kraftfahrzeugverkehrs und Verkehrsberuhigung von Wohnquartieren zur neuen Planungsphilosophie. Das Baugeschehen verlagerte sich in den 80er Jahren mehr und mehr ins Umland, der überlastete und beengte ›Dampfkessel‹ München schien für viele Bürgerinnen und Bürger und für nicht wenige Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker am Ende weiterer Neubautätigkeit und damit einer aktiven Stadtentwicklung angelangt zu sein. Stadtsanierung, Wohnungsmodernisierung und kleinteilige Lückenschlüsse und Umstrukturierungen bestimmten nun das Bild (zur räumlichen Entwicklung und zur Planungsgeschichte Münchens bis 1990 vgl. insbesondere BAYERISCHER ARCHITEKTEN- UND INGENIEUR-VERBAND, 1984; LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 1970, 2004).
Perspektive München 1998: »KOMPAKT, URBAN, GRÜN« Strategiewechsel Die 1998 vom Stadtrat erstmals beschlossenen und seither mehrmals fortgeschriebenen Leitlinien und Leitprojekte des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes »Perspektive München« (vgl. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2005) basieren auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit und der Urbanität. Wirtschaftliche Prosperität mit
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Abb. 2-4: Leitbild der Siedlungsentwicklung »Perspektive München« (Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung)
sozialem Frieden, ausgewogener Stadtteilentwicklung und einer hohen Lebensqualität zu verbinden ist seit dem Wiederaufbau in München besser als in mancher anderen Großstadt gelungen – und bleibt auch angesichts von Globalisierung und sozial-demografischem Wandel die zentrale Herausforderung (zu Definition und Aufgabe »integrierter Stadtentwicklungskonzepte« generell vgl. DEUTSCHER STÄDTETAG, 2003). Der Grundsatz ›Innenentwicklung vor Außenentwicklung‹ ist ebenso im Stadtentwicklungskonzept festgeschrieben und durch zahlreiche Projekte mittlerweile in die Tat umgesetzt, wie das Ziel einer stadtverträglichen Mobilität mit Priorität für den Umweltverbund (zur Evaluierung der Perspektive München vgl.
LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2007; THIERSTEIN & REISS-SCHMIDT, 2008). Anfang der 1990er Jahre wurde zunehmend deutlich, dass man mit der bisherigen ›Dampfkesseltheorie‹ die neuen Herausforderungen der Stadtentwicklung nicht bewältigen konnte. Es mussten angesichts der wachsenden Konkurrenz der Stadtregionen in Europa vor allem Wohnungen, aber auch Raum für moderne Arbeitsplätze geschaffen werden. Gleichzeitig kamen durch den Strukturwandel, den Fall des Eisernen Vorhangs und durch die Umwandlung von Bahn und Post in Aktiengesellschaften, die plötzlich den Wert ihrer Immobilien erkannten und mobilisieren mussten, ungeahnte Chancen und vor allem Flächenpotenziale auf die Stadt zu:
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• frei werdende Bahnflächen (ehemaliger Containerbahnhof, Rangierbahnhof, usw.) • frei werdende Flächen des ins Umland verlagerten Flughafens • frei werdende Kasernenflächen und • brach gefallene Gewerbe- und Industrieflächen. Dieser Strategiewechsel wurde mit einem Gutachten »Grundlagen für ein Dichtemodell« Anfang der 90er Jahre eingeleitet. Es wurde im Rahmen der Arbeiten zum neuen Stadtentwicklungskonzept »Perspektive München« 1994 unter dem Titel publiziert, der seitdem ein populärer Slogan zur Beschreibung des Siedlungsleitbildes geworden ist: »München kompakt, urban, grün« (L ANDESHAUPTSTADT M ÜNCHEN , 1995). Die Strategie der Innenentwicklung ist für München von besonderer Bedeutung, denn, die mit heute fast 1,4 Mio. Einwohnern drittgrößte Stadt Deutschlands, ist − gemessen an ihrer Fläche mit 310 km² − eine sehr kleine Stadt. Die Prognose der Einwohnerentwicklung geht von ca. 5 % Zuwachs zwischen 2006 und 2020 aus. Wegen der wachsenden Zahl der Haushalte und des steigenden Wohnflächenkonsums je Einwohner, aber auch wegen der anhaltenden Zuwanderung, müssen in München Jahr für Jahr auch künftig bis zu 7000 Wohnungen gebaut werden, davon bis zu 1800 öffentlich geförderte, damit der angespannte Wohnungsmarkt halbwegs ausgeglichen ist und die Mieten noch bezahlbar bleiben (REISS-SCHMIDT, 2003b, 2005a).
Flächenmanagement durch Sozialgerechte Bodennutzung Ein zentrales Instrument des Flächenmanagements und der Infrastrukturfinanzierung ist in München die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) (vgl. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2009). Das ist der vom Stadtrat in Form von Verfahrensregeln erstmals 1994 beschlossene Grundsatz, dass Baurechtsneuschaffung oder -mehrung nur erfolgt, wenn sich die Baurechtsbegünstigten bereit erklären, bis zu zwei
Drittel der Erlöse aus Bodenwertsteigerungen für die Infrastruktur und andere ursächlich ausgelöste Lasten einzusetzen. Dieser Grundsatz gilt gegenüber allen Eigentümern. Im Einzelnen handelt es sich dabei um: • Flächenabtretungen und Geldleistungen für Erschließung, soziale Infrastruktur, r Grün-/ Ausgleichsflächen • Bindungen, z. B. für den geförderten Wohnungsbau (grundsätzlich 30 % des neu festgesetzten Wohnbaurechts) W • Förderung des klassischen Gewerbes Wettbewerbs-, Gutachten- und Planungs• W kosten. Die operative fallbezogene Steuerung erfolgt durch eine entscheidungsbefugte referatsübergreifende Arbeitsgruppe, die die finanzielle und zeitliche Koordination zwischen den beteiligten Ressorts sichert und eine einheitliche und abgestimmte Behandlung aller Einzelfälle gewährleistet. Jedes Projekt durchläuft dabei ein dreistufiges Verfahren mit Grundzustimmung (vor Aufstellungsbeschluss), städtebaulichem Vertrag (vor Billigungs- bzw. Satzungsbeschluss) und ggf. Ausführungsverträgen. Bei komplizierten Eigentümerstrukturen wird dieses Verfahren mit freiwilligen und einvernehmlichen Umlegungsverfahren kombiniert (REISSSCHMIDT, 2005b).
Umstrukturierung − zwischen Wandel und Identität Besonders in den letzten 15 Jahren hat ein beschleunigter Stadtumbau, innerhalb der ohnehin schon dicht bebauten Siedlungsbereiche, München stark verändert − fast wie in den Jahren des Olympiabaubooms zwischen 1968 und 1972 (REISS-SCHMIDT, 2005a). »Stadt der Kräne« titelte die Süddeutsche Zeitung im Februar 2005. Münchens relativ kleine Innenstadt beispielsweise schien bereits vor zwei Jahrzehnten fertig gebaut zu sein. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen ließen dann in den 1990er Jahren in der Innenstadt neue Akteure auf den Plan treten und bei den bisheri-
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Umstrukturie Ums ur rung n en in de der Innen nne stadt
Abb. 2-5: Innenstadtkonzept/Projektplan (Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung)
Abb. 2-6: Luftbild Flughafen Riem 1990 (Photo: Photogrammetrie GmbH)
gen ein Bewusstsein für bislang ungenutzte Potenziale ihrer Immobilien und für den Standortfaktor ›Urbanität‹ entstehen. Banken und auch der Süddeutsche Verlag begannen über die Verlagerung der nicht repräsentativen oder kundenbezogenen Funktionen an den Stadt-
rand nachzudenken und schufen damit Platz für attraktive Ladenfläche, Büros und vor allem auch Wohnungen (Schäfflerblock, Fünf Höfe, ›Mitten in München‹/ehem. SZ-Gelände). Der Freistaat sann unter dem Eindruck der Haushaltsnöte über die Aktivierung seines wertvollen Immobilienbesitzes in zentraler Lage nach und verlagerte Universitätsinstitute und Behörden an die Peripherie (Marstallplatz, Alter Hof, Alte Chemie, Alte Akademie). Am St.-JakobsPlatz, der seit den Kriegszerstörungen weitgehend brach lag, ergriff die Stadt gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde die Chance, einen würdigen Ort für eine neue Synagoge, ein Gemeindezentrum und das Städtische Jüdische Museum zu schaffen. Wo 1992 am östlichen Stadtrand noch Flugzeuge in alle Welt starteten, strömen heute die Besucher aus der neuen U-Bahn in das stadtteilintegrierte Einkaufszentrum »Riem Arcaden«, in den mit der Bundesgartenschau 2005 eröffneten Riemer Park und in die neuen Messehallen der Messestadt Riem mit ca. 16 000 Einwohnern und 13 000 Arbeitsplätzen. Und wo sich vor zehn Jahren noch brachliegende Gewerbeflächen zwischen Mülldeponien und Autobahnkreuz im Norden der Stadt bei Freimann
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2. München: ›Wachstum nach Innen‹
Abb. 2-7: Masterplan für die Messestadt Riem (Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung)
왔 Abb. 2-8: (a) Luftbild
und (b) Masterplan für Zentrale Bahnflächen der Stadt München 1990/ 2008 (Landeshauptstadt München, Kommunalreferat, Vermessungsamt & Referat für Stadtplanung und Bauordnung)
erstreckten, ertönte im Frühjahr 2005 der Anpfiff des ersten Bundesligafußballspiels in der neuen Allianz Arena − bevor ein gutes Jahr später hier das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft vor 66 000 Zuschauern stattfand. Durch die Entscheidung, die Messe von ihrem beengten Standort auf das alte Flughafengelände zu verlagern, standen ab 1998 fast 47
Hektar bester innerstädtischer und im Eigentum der Stadt befindlicher Flächen auf der Theresienhöhe zur Verfügung. Dort wuchs seither nach dem Konzept des Wettbewerbssiegers Prof. Otto Steidle ein lebendiges neues Quartier mit 1500 Wohnungen, 4−5000 Arbeitsplätzen, Einzelhandelsflächen zur Stärkung des Quartierszentrums, mit Schule, Jugendfreizeitein-
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richtung, mehreren Kindertagesstätten sowie mit über 25 Hektar Freiflächen. In drei denkmalgeschützten Jugendstil-Messehallen hat dort das Deutsche Museum sein neues Verkehrszentrum eröffnet. Ein weiteres Paradebeispiel der Münchner Flächenkreislaufwirtschaft ist die mittlerweile Kontur gewinnende Urbanisierung von ca. 170 Hektar ehemaliger Bahnflächen (Containerund Rangierbahnhof, Abstellanlagen, usw.) zwischen der Hackerbrücke in der Nähe des Hauptbahnhofes und dem acht Kilometer westlich gelegenen Stadtteilzentrum Pasing. 15 000 Menschen werden hier wohnen und ebenso viele arbeiten, 75 Hektar neuer Grünflächen,
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Parks und Sportanlagen verbessern die Lebensqualität auch für angrenzende dicht bebaute Stadtviertel. Mit einer durchgehenden Freiraumverbindung von der Innenstadt über den Hirschgarten und den Nymphenburger Schlosspark bis nach Pasing tragen sie ganz erheblich zur Verbesserung der Stadtqualität und des Wohnumfeldes in den westlichen Stadtteilen bei. Ein mehrstufiger internationaler städtebaulicher Ideenwettbewerb lieferte – wie bei fast allen größeren Stadtumbauprojekten in München − die Grundlagen für die Bauleitplanung (zu den Projekten der Innenentwicklung vgl. im Einzelnen REISS-SCHMIDT, 2005a, 2007).
Abb. 2-9: Siedlungsflächenpotenziale bzw. Große Projekte in der Stadt München (Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung)
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Flächenpotenziale und langfristige Siedlungsentwicklung Weitere wichtige Flächenreserven für die kommenden Jahre sind die nach und nach frei werdenden oder schon geräumten großen Kasernenareale vor allem im Münchner Norden. Nach der überwiegend fertig gestellten Siedlung Nordheide, eines Teils des ehemaligen Standortübungsplatzes ›Panzerwiese‹ mit 2500 Wohnungen und 650 Arbeitsplätzen und dem weitgehend fertig gestellten und fast ebenso großen Quartier am Schwabinger Ackermannbogen (ehemalige Waldmann- und Stetten-Kasernen), kommt bald die benachbarte Luitpoldkaserne mit ca. 400 Wohnungen sowie der Bereich der ebenfalls von der Stadt bereits erworbenen ehemaligen Funkkaserne nördlich der Domagkstraße auf die Agenda des Stadtumbaus. Zusammen mit ehemaligen Industrie- und Gewerbeflächen werden dort auf 63 Hektar in den nächsten Jahren etwa 1800 Wohnungen und 2500 bis 3000 Arbeitsplätze entstehen. Dazu kommen 60 000 m² Freiflächen sowie eine größere Anzahl Künstlerateliers. Es folgen die, ebenfalls mittlerweile im Eigentum der Stadt befindliche, 30 Hektar große Prinz-Eugen-Kaserne in Bogenhausen mit fast 2000 Wohnungen sowie längerfristig die ebenfalls von der Stadt erworbene Bayern-Kaserne mit bis zu 2000 Wohnungen und 1500 Arbeitsplätzen auf 48 Hektar Fläche. Trotz der klaren Priorität für die Innenentwicklung wird es daneben aber mittel- und langfristig auch in München noch Außenentwicklung geben müssen, um die notwendige Baurechtschaffung vor allem für den Wohnungsbau zeitgerecht zu gewährleisten. Das bedeutendste Beispiel dafür ist der 350 Hektar umfassende neue Stadtteil Freiham im Westen (ca. 20 000 Einwohner und 7500 Arbeitsplätze). Dort erfolgten im Südteil bereits Gewerbe- und Einzelhandelsansiedlungen. Demnächst wird ein neuer Haltepunkt der S-Bahn eröffnet und in wenigen Jahren wird mit der Realisierung eines neuen Stadtteilzentrums und der ersten neuen Wohnquartiere im Nordteil von Freiham begonnen. Eine wesentliche Ausweitung der Siedlungsflächen über den derzeitigen Stand
des Flächennutzungsplans (FNP) und des Landschaftsplans (LP) hinaus wäre allerdings nicht mit der Qualität der Stadt und der nötigen Freiraumversorgung vereinbar (LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2005, 2008). Der Anteil der Innenentwicklung und des Flächenrecyclings an der Neuschaffung von Baurecht wird dennoch in Zukunft auf über 50 % steigen. Die heute erkennbaren Flächenpotenziale von über 600 Hektar Wohnbauflächen werden allerdings in spätestens 20 Jahren ausgeschöpft sein (REISS-SCHMIDT, 2007). Im Rahmen des 2009 gestarteten Projektes »Langfristige Siedlungsentwicklung« sollen anhand von Strategie-Szenarien (›Umstrukturierung‹, ›Stadtrand und Landschaft‹, ›Verdichtung und städtebauliche Qualifizierung‹ sowie ›Regionale Kooperation‹) die darüber hinaus gehenden Optionen für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung in Stadt und Region untersucht werden. Auf dieser Grundlage soll die Strategie der Innenentwicklung der »Perspektive München« überprüft und weiterentwickelt werden. Eine von der interkommunalen Arbeitsgemeinschaft Siedlungsentwicklung initiierte und von der Obersten Baubehörde geförderte Studie »Siedlungsentwicklung und Mobilität« hat 2008 noch erhebliche Siedlungsflächenpotenziale für jeweils 100 000 Einwohner und ebenso viele Arbeitsplätze in den Einzugsbereichen bestehender S-Bahn- bzw. Regionalzug-Haltepunkte in der Region München ermittelt (THIERSTEIN & REISS-SCHMIDT, 2008).
Digitale Rauminformation und Fernerkundung in der Planungspraxis Digitale Datengrundlagen haben mit zunehmender IT-Unterstützung der Planungsprozesse für die räumliche Planung in mehrfacher Hinsicht an Bedeutung gewonnen als • Informationsquelle: Das gilt vor allem für Geodaten − und hier gleichermaßen sowohl für Ve V ktordaten (z. B. Flächenpotenziale der Siedlungsentwicklung, FNP, verschiedene Ebenen der Stadtgrundkarte) als auch für Rasterdaten (z. B. Luftbilder und Schrägluftaufnahmen). Bedeutsam sind daneben auch
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räumlich verortbare Sachinformationen (z. B. Einwohnerdaten, KFZ-Bestand, geschätzte Beschäftigtendaten, zentrale Einrichtungen, Gebäude und Baufertigstellungen mit genauer räumlicher Lage). Als Quellen für GeoInformationen auf regionaler Ebene sind vor allem »Vektor 500 Bayern« des Bayerischen Landesamtes für Vermessung und Geoinformation sowie das Raumordnungskataster der Regierung von Oberbayern (Rasterdaten) zu nennen. • Grundlage für räumliche Analysen: Durch die digitale V Verfügbarkeit lassen sich z. B. die Ermittlung von Dichten und Einzugsbereichen, Strukturanalysen oder Überlagerungen und Verschneidungen unterschiedlicher Sachverhalte sehr einfach erzeugen und damit auch in einer großen Breite nutzen. Im Rahmen der Stadtentwicklung beschränkten sich diese Analysen bislang überwiegend auf die Nutzung von Vektordaten, während Luftbilder und Rasterdaten in der Münchner Stadtentwicklungsplanung bisher nicht für automatische Analysen herangezogen wurden (z. B. Einwohnerdichten, Geschoss- und Grundflächenzahl GFZ/GRZ, Einwohnerpotenziale im Umkreis von ÖV-Haltestellen, Bau- und Verdichtungspotenziale, Defizite bei der Grünversorgung, usw.). • Aufeinander bezogene Rauminformationen: Eine entscheidende V Verbesserung und Effizienzsteigerung insbesondere bei räumlichen Verschneidungen ist mit Rauminformationen verbunden, die verschiedene Themen nicht mehr isoliert, sondern miteinander vernetzt erfassen. In München geschieht das derzeit vor allem auf der grafischen Ebene (und ansatzweise auf der Sachebene). Übereinstimmende Linien oder Flächengrenzen werden aus anderen Objekten übernommen oder deckungsgleich nachgefahren. Eine zentrale Stellung haben hierbei die Flurstücke, an deren Grenzen sich viele andere, auch planerische Sachverhalte orientieren. Aufgrund dessen ist das Vermessungsamt dazu übergegangen, z. B. die Grenzen der Baublöcke konsequent an die Flurstücksgrenzen anzupassen (derzeitiger Fertigstellungsgrad ca. 2⁄3 des Stadtgebietes). Diese
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räumliche Übereinstimmung ist bei zahlreichen raumbezogenen Analysen die Grundvoraussetzung für eine schnelle und effiziente Analyse ohne zeitraubende Verschnittflächen. • Basis für die Pflege eigener Datenbestände: Die verfügbaren Geo-Informationen − insbesondere der Stadtgrundkarte − werden bei der Erstellung und Fortschreibung eigener Datenbestände und Pläne bereits in hohem Maße direkt genutzt: zum Einen um eigene Grundlagen stimmig mit vorhandenen Daten zu erzeugen und zum Anderen als differenzierte, direkt verfügbare Information für die Entscheidung und Abgrenzung eigener Planungsflächen. In diesem Zusammenhang finden auch Luftbilder immer häufiger Verwendung. Es ist bereits gängige Praxis, V dass die notwendigen Datengrundlagen direkt im Editierprozess zur Verfügung V stehen. • (Räumliche) Informationsträger für fachspezifische Informationssysteme: zur Unterstützung in den Bereichen, in denen eine schnelle und zunehmend flexiblere Informationsabfrage zur Grundvoraussetzung für eine effiziente räumliche Planung wird. Ein wesentlicher Baustein hierzu wurde aktuell mit der Einführung eines modernen, webbasierten raumbezogenen Auskunftssystems Vermessungsamt (Geodurch das städtische V InfoWeb) geschaffen. Dadurch sind die Voraussetzungen für eine Verknüpfung dieses Rauminformationssystems mit fachspezifischen Lösungen wie z. B. dem Flächennutzungsplan-Informationssystem (FIS) gegeben. In der Planungspraxis gehören neben Satellitenaufnahmen vor allem Luftbilder und Schrägluftaufnahmen zum Bereich der Fernerkundung und werden aktuell immer intensiver als Bildquellen genutzt. Das geschieht nicht mehr nur als getrenntes Bild, sondern in vielen Fällen auch direkt überlagert mit anderen räumlichen Informationen. Bislang ohne echte Anwendung in der Münchner Stadtentwicklungsplanung sind Luftbildanalysen. Hier wird es vor allem im Hinblick auf den Klimawandel im Zusammen-
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2. München: ›Wachstum nach Innen‹
hang mit Vulnerabilitätsanalysen sowie Konzepten für Anpassungs- und Schutzmaßnahmen in Zukunft mit Sicherheit zahlreiche neue Anwendungsbereiche geben (REISS-SCHMIDT, 2009). Für räumliche Analysen der regionalen Entwicklungen spielte die Fernerkundung – nicht zuletzt wegen der meist als unzureichend empfundenen Datenschärfe sowie aus Kostengründen – bislang in der Region München nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich zur Ermittlung von Versiegelungsgraden existiert eine breitere Anwendung durch Umweltverwaltungen auf Landes- und zum Teil auch regionaler bzw. kommunaler Ebene. In München wurden diese Daten z. B. für eine differenzierte Analyse der Siedlungstätigkeit in den Haupt- und Nebenorten der Umlandgemeinden versuchsweise eingesetzt. Durch verfeinerte und hoffentlich auch kostengünstigere Methoden scheint derzeit eine Entwicklung in Gang zu kommen, auch in der räumlichen Planung verstärkt Fernerkundungsdaten einzusetzen. Im Rahmen des REFINA-Programms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wurde von einem Forschungsverbund der DLR und der Universität Würzburg in Kooperation mit dem Planungsverband »Äußerer Wirtschaftsraum München« das Flächenbarometer als Instrument eines nachhaltigen Flächenmanagements entwickelt. Es handelt sich dabei um ein indikatorengestütztes Informations- und Bewertungsinstrument für die Siedlungsentwicklung und die Flächeninanspruchnahme auf der Basis von Fernerkundungsdaten (siehe Kap. 4.3). Neben automatisierten Flächennutzungsdaten bieten insbesondere Hyperspektralanalysen neue Grundlagen für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (z. B. Oberflächentemperaturen und -materialien, Vegetationsindizes, usw.) (siehe Kap. 4.4, 5.2, 5.3, 5.4 & 7.5). Weitergehende Ansätze in Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis wie das unter anderem von der DLR in einem Forschungsverbund in Kooperation mit Stadt und Landkreis
München sowie mit dem Regionalen Planungsverband München entwickelte Projekt ResSourceSys (Regionales Analyse- und Bewertungssystem zur nachhaltigen Ressourcennutzung in den Sektoren Energie, Siedlung und Mobilität), mit dem der Einsatz von Daten aus der Fernerkundung für Fragestellungen des Klimaschutzes, der Klimaanpassung und der Ressourcenknappheit mit räumlichen Effizienzstrategien in den Bereichen Flächeninanspruchnahme, Siedlungsentwicklung, Energieversorgung und Mobilität kombiniert und in ihren Wechselwirkungen betrachtet werden, konnten bislang noch nicht realisiert werden. Zukünftige Erwartungen der Stadtentwicklungsplanung an eine Datenbereitstellung durch Methoden der Fernerkundung bestehen vor allem zu folgenden Fragestellungen: • Kleinräumige Klimaanalysen im bebauten und unbebauten Bereich (Kap. 4.4), Analysen von Teilräumen durch Folder Vulnerabilität V gen des Klimawandels (Kap. 8); • Laufendes Monitoring der Siedlungsentwicklung (Kap. 4 & 5); Analyse von Siedlungstypologien (Kap. 5.5) u. a. hinsichtlich Siedlungsdichte (Kap. 5.4), Energieeffizienz (7.4), usw.; • Analyse von Freiflächentypologien und ihren Nutzungs- und Strukturveränderungen im Tages-, Monats- oder Jahresgang (Kap. 6.3); • Ermittlung von Potenzialen bzw. Eignungsräumen für großflächige Sondernutzungen wie z. B. Erzeugung regenerativer Energie (Wind, Sonne, Biomasse) (Kap. 5.3), Bodenund Bauschuttrecycling, Kiesabbau, Logistik, naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen usw. (Kap. 5.2); • Ermittlung von potenziellen Überschwemmungs- und Retentionsräumen entlang von Fließgewässern sowie der Konflikte mit Siedlungs- und anderen Nutzungen (Kap. 8); • Bereitstellung von Grundlagen für großräumige Umweltprüfungen und Sensitivitätsanalysen auf den Ebenen Regional- und Flächennutzungsplanung (Kap. 4).
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Resümee Die kompakte, nutzungsgemischte und sozial integrierende ›Europäische Stadt‹ erweist sich auch für die postindustrielle Wissensgesellschaft als das stadtwirtschaftlich, ökologisch, sozial und städtebaulich zukunftsfähigste Modell. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des sozio-demografischen Wandels und des Klimawandels. Innenentwicklung bietet stadt- und immobilienwirtschaftlich, ökologisch, sozial und städtebaulich zahlreiche Chancen zum ›Wachstum nach Innen‹ und zur qualitativen Verbesserung der bestehenden Stadtstruktur. Erfolgreiche Innenentwicklung setzt ein ebenen- und ressortübergreifendes strategisches Flächen- und Projektmanagement voraus, das auch private Akteure mit einbezieht. Hoheitliche Planungsinstrumente sind dabei durch ökonomische Lenkungsimpulse (z. B. Steuern, Abgaben, Förderprogramme) und privatrechtliche Kooperationsformen mit Investoren zu ergänzen (z. B. städtebauliche Verträge, öffentliche oder private Projektgesellschaften). Anstelle eines Ausverkaufs kommunaler Grundstücksreserven ist eine strategisch angelegte kommunale Bodenwirtschaft, z. B. mit Hilfe revolvierender Bodenfonds oder Flächenpools notwendig (DEUTSCHER STÄDTETAG, 2002). Wegen der enger werdenden Verflechtungen zwischen den Kernstädten und ihrem Umland ist ein strategisches Flächenmanagement künftig vor allem auf der stadtregionalen Ebene weiterzuentwickeln, beispielsweise durch ein gemeinsames räumliches Leitbild, durch regionales Siedlungsflächen-Monitoring, durch regionale Einzelhandelskonzepte, durch eine Gemeindegrenzen überschreitende Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten oder durch die Schaffung von weiträumigen, für Klimaschutz, Naherholung und stadtnahe Landwirtschaft gleichermaßen bedeutsamen regionalen Landschaftsparks. Die Balance zwischen notwendiger Wirtschaftlichkeit und städtebaulicher Qualität bleibt ein schmaler Grat. Ohne klare Strategien, Konzepte und fachliches wie politisches Stehvermögen ist nachhaltige Qualität nicht erreichbar. Wettbewerbe, Gestaltungsbeiräte und
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eine begleitende Evaluierung sind zur Qualitätssicherung notwendig. Dies ist die Aufgabe einer demokratisch legitimierten öffentlichen Planung (REISS-SCHMIDT, 2006). Daten aus der Fernerkundung können künftig einen zunehmend wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung auf städtischer und regionaler Ebene leisten, wenn es gelingt, durch technische Innovationen und geeignete Modelle die Qualität der Daten zu verbessern und die Kosten für die kommunalen Anwender zu senken. Zukünftige Erwartungen der Stadtentwicklungsplanung an Fernerkundungsdaten bestehen vor allem für Aufgaben wie Flächenmonitoring, Typisierung von Freiräumen und Siedlungsbereichen, regionale Klimaanalysen und Vulnerabilitätsstudien, Ermittlung von Eignungsräumen für die Erzeugung regenerativer Energien sowie zur Bereitstellung von Grundlagen für großräumige Umweltprüfungen und Sensitivitätsanalysen z. B. im Zusammenhang mit großen Infrastrukturprojekten.
Referenzen BAYERISCHER ARCHITEKTEN- UND INGENIEUR-V VERBAND E. V. (Hrsg.) (1984): München und seine Bauten nach 1912. München. DEUTSCHER STÄDTETAG (Hrsg.) (2002): Strategisches Flächenmanagement und Bodenwirtschaft, Aktuelle Herausforderungen und Handlungsempfehlungen – Positionspapier. Köln – Berlin. DEUTSCHER STÄDTETAG/FACHKOMMISSION STADTENTWICKLUNGSPLANUNG (2003): Zukunftssicherung durch integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement – Positionspapier. Köln – Berlin. KRAU, I. (2003): Mobilität und Kommunikation. Schlussbericht des Teilprojektes »Mobilität und Kommunikation« im Forschungsprojekt Zukunft München 2030 – Visionen und Strategien für Stadt und Region. München. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN/BAUREFERAT (Hrsg.) (1970): Bauen in München 1960 bis 1970. München.
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2. München: ›Wachstum nach Innen‹
LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, REFERAT FÜR STADTPLANUNG UND BAUORDNUNG (Hrsg.) (1995): München kompakt, urban, grün – Neue Wege der Siedlungsentwicklung. München. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, MÜNCHNER STADTMUSEUM/REFERAT FÜR STADTPLANUNG UND BAUORDNUNG/STADTARCHIV MÜNCHEN (Hrsg.) (2004): München wie geplant – Die Entwicklung der Stadt von 1158 bis 2008. München. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, REFERAT FÜR STADTPLANUNG UND BAUORDNUNG (Hrsg.) (2005): Die Zukunft der Stadt gestalten – PERSPEKTIVE MÜNCHEN, Leitlinien und Leitprojekte. München. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, REFERAT FÜR STADTPLANUNG UND Bauordnung (2006): Verkehrsentwicklungsplan 2005. München. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, REFERAT FÜR STADTPLANUNG UND BAUORDNUNG (2007): Evaluierungsbericht Perspektive München 2007. München. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, REFERAT FÜR STADTPLANUNG UND BAUORDNUNG (2008): Flächennutzungsplan mit integrierter Landschaftsplanung, Stand März 2008, Information zur Stadtentwicklung. München. LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, REFERAT FÜR STADTPLANUNG UND BAUORDNUNG, KOMMUNALREFERAT (Hrsg.) (2009): Die Sozialgerechte Bodennutzung. Der Münchner Weg. München. REISS-SCHMIDT, S. (2003a): Herausforderungen und Chancen kooperativer Regionalentwick-
lung – Perspektiven für die Region München. − DISP, 152: 71–79. REISS-SCHMIDT, S. (2003b): Wachstum nach Innen? Innenentwicklung und Flächenmanagement in München. − vhw Forum Wohneigentum, 3: 141–146. REISS-SCHMIDT, S. (2005a): Perspektiven und Projekte der Stadtentwicklung – München zwischen Wandel und Identität. − Umrisse – Zeitschrift für Baukultur, 4(5): 11–14. REISS-SCHMIDT, S. (2005b): Strategie und Umsetzung integrierter Stadtentwicklungsplanung, PERSPEKTIVE MÜNCHEN. − Klotz, A. & Frey, O. (Hg.): Verständigungsversuche zum Wandel der Stadtplanung. Wien – New York: 127−142. REISS-SCHMIDT, S. (2006): Stadtentwicklungsmanagement als Instrument der Qualitätssicherung. − Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften (DfK): 80–98. REISS-SCHMIDT, S. (2007): Wachstum nach Innen – Das Beispiel München: Nachhaltige Stadtentwicklung zwischen Wandel und Identität. − SCHOLL, B. (Hrsg.): Stadtgespräche. Zürich: 45−54. REISS-SCHMIDT, S. (2009): Climate Change: Integrated Strategies – Case Study Munich, Germany. Paper for the 45th ISOCARP World Planning Congress in Porto. Den Haag. THIERSTEIN, A. & S. REISS-SCHMIDT (2008): Urban Development Management in Munich, Germany: Integrated Strategy, Impacts, Learning from External Evaluation. Paper for the 44th ISOCARP World Planning Congress in Dalian (China). Den Haag.
3. Fernerkundung im urbanen Kontext H. Taubenböck & A. Roth
»Distanz schafft Klarheit« – diese Redewendung lässt sich besonders gut auf die Fernerkundung anwenden: Vom Weltraum aus beobachten Satelliten die Erde und sammeln wertvolle Daten für Forschung und Anwendung: einerseits flächendeckend für ganze Kontinente, andererseits auch mit höchster Detailschärfe − wobei ihre Fähigkeit der Erfassung des Lichtspektrums über die des menschlichen Auges hinausgeht. In Bildern umgesetzt liefern sie nicht nur beeindruckende Perspektiven, sondern auch überraschende Erkenntnisse über die Städte dieser Erde (DECH, 2005).
Physikalische Grundlagen der Fernerkundung Fernerkundung im umfassenden Sinne ist die Aufnahme oder Vermessung von Objekten, ohne mit diesen in direkte körperliche Berührung zu kommen. Die Fernerkundung ist daher ein indirektes Beobachtungsverfahren (ALBERTZ, 2009). Im Allgemeinen erfolgt dies durch verschiedene Aufnahmegeräte wie z. B. Kameras, optische Sensoren, Laser oder Radargeräte. Diesen ist gemeinsam, dass die zu beobachtenden Objekte durch eine Strahlungsquelle beleuchtet, die reflektierten Signale aufgenommen und dann ausgewertet werden. Kameras und optische Sensoren sind passive Systeme, d. h., sie zeichnen − vergleichbar unseren Augen − das von der Erde reflektierte Sonnenlicht auf. Die so entstehenden Bilder sind für uns Menschen leicht zu interpretieren, da sie der gewohnten Art entsprechen, die Welt zu sehen. Im Gegensatz zu diesen passiven Systemen beleuchten aktive Sensoren, wie beispielsweise Radarsensoren, die Erde mit einer eigenen Strahlungsquelle und zeichnen die
zurück gestreuten Signale (Rückstreuung) wieder auf. Die passive, optische Fernerkundung ist auf einen kleinen Teil des elektromagnetischen Spektrums begrenzt, nämlich auf den Bereich des sichtbaren Lichts bzw. die nah daran liegenden Frequenzen im Ultravioletten bzw. Infrarot-Bereich (Abb. 3-1). Sie nutzt dabei die natürliche Strahlungsenergie im Wellenlängenbereich zwischen 0,3 und 3 μm (Mikrometern) sowie die objekteigene thermale Ausstrahlung der Objekte von 3 bis 14 μm. Die Aufnahmesysteme der Sensoren sind so ausgelegt, dass sie in Zonen des elektromagnetischen Spektrums aufzeichnen, in denen es nicht zu atmosphärischen Absorptions- und Reflexionsprozessen kommt, den so genannten Atmosphärischen Fenstern. Für die Aufzeichnung von Wärmestrahlung werden Thermalscanner eingesetzt. Aufnahmen aus den für uns Menschen nicht sichtbaren Wellenlängenbereichen werden in so genannten Falschfarbenbildern dargestellt, wie z. B. farbkodierten Wärmebildern (blau = kalt, rot = warm). Die auf die Erdoberfläche einfallende Strahlung der Sonne wird von den Objekten jeweils zum Teil aufgenommen (absorbiert), t zurückgestrahlt (reflektiert) t und durchgelassen (transmittiert) t (HILDEBRANDT, 1996). Die Fernerkundung macht sich zu Nutze, dass unterschiedliche Objekte auf Grund unterschiedlicher physikalischer und chemischer Eigenschaften ein unterschiedliches Reflexionsverhalten, eine Art ›spektralen Fingerabdruck‹, zeigen. Somit weist jedes Material bzw. jeder Oberflächentyp über das gesamte Spektrum gesehen einen charakteristischen Verlauf der Reflexionen auf – die spektrale Signatur (Abb. 3-2). Für das menschliche Auge ist lediglich der untere Bereich zwischen 0,4 und 0,7 μm für die farbliche
3
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3. Fernerkundung im urbanen Kontext
Unterscheidung von Objekten erkennbar. Wiesen erscheinen uns grün, weil diese im Wellenlängenbereich um 0,5 μm besonders stark reflektieren, die Reflexion zum roten Bereich hin (0,7 μm) aber abfällt. Anders sieht es bei Ziegeldächern aus, die in diesem Bereich eine hohe Reflexion zeigen und für uns damit auch in verschiedenen Rottönen sichtbar sind. In der Fernerkundung werden je nach Auslegung des Beobachtungssystems Sensoren verwendet, die für die verschiedenen Wellenlängenbereiche empfindlich sind. Die hochauflösenden optischen Systeme wie IKONOS, GeoEye oder QuickBird (www.geoeye.com; www.digitalglobe.com) zeichnen in vier verschiedenen Frequenzen auf, drei im sichtbaren und eine im Infrarotbereich und unterstützen damit die visuelle Interpretation, wobei der Infrarotkanal die Identifikation von Vegetation erleichtert. Mit dem Start des WorldView-2 im Herbst 2009 ist nun erstmals auch bei einem geometrisch höchst auflösenden Sensor eine hohe spektrale Auflösung von acht Kanälen verfügbar. Zur Erreichung einer hohen Bodenauflösung steht zusätzlich ein panchromatischer Kanal zur Verfügung, der den gesamten Bereich der einzelnen Spektralkanäle umfasst. Durch eine Nachbearbeitung, dem so genannten Pan-Sharpening, wird seine hohe räumliche
Abb. 3-1: Elektromagnetisches Spektrum und Aufnahmebereiche verschiedener Sensortypen (Albertz, 2009)
Auflösung vor der Auswertung auf die anderen Kanäle übertragen. Multispektralsensoren, die bis zu acht verschiedene Wellenlängenbereiche aufzeichnen, waren für lange Zeit das Rückgrat der Erdbeobachtung und werden für eine Vielzahl von Untersuchungen eingesetzt. Neben bautechnischen Grenzen limitiert auch die anfallende Datenmenge die Kapazitäten von flugzeuggestützten Systemen. Jeder hinzukommende Spektralkanal muss zusätzlich an Bord gespeichert und dann zum Boden übertragen werden werden.
Abb. 3-2: Charakteristische Reflexionskurven verschiedener Objekte (DLR)
3. Fernerkundung im urbanen Kontext
Eine Neuentwicklung, die z. Zt. noch vorwiegend flugzeuggestützt betrieben wird, sind so genannte Hyperspektralsysteme. Sie zeichnen die von der Erdoberfläche reflektierte elektromagnetische Strahlung in vielen schmalen Kanälen auf. Jeder Messpunkt eines Kanals steht für einen Reflexionswert in einer bestimmten Wellenlänge. Damit kann ein nahezu kontinuierliches Spektrum abgebildet werden. Wie groß der Vorteil einer solchen Auswertung sein kann, zeigt Abbildung 3-3. Links sind die Spektren von rotem Betondachziegel sowie Boden mit der spektralen Auflösung des hyperspektralen HyMap-Sensors (125 spektrale Kanäle) dargestellt. Rechts sind die spektralen Reflexionskurven dieser Materialien aufgezeichnet mit dem multispektralen Landsat ETM+ Sensor visualisiert. Obwohl der Verlauf beider Spektren größtenteils gleich ist, ermöglicht das hochgenaue Nachzeichnen der Spektrenverläufe mittels hyperspektraler Sensoren Details wie die Absorptionsmerkmale von Eisen und anderen Mineralien zu identifizieren. Der multispektrale Sensor ist dagegen durch die vergleichsweise geringe spektrale Auflösung von nur wenigen Aufnahmekanälen nicht in der Lage diese Nuancen abzubilden. Daher ist die Trennung von Oberflächenmaterialien mit multispektralen Daten schwieriger. Im Gegensatz zu diesen passiven Systemen beleuchten aktive Sensoren die Erde mit einer eigenen Strahlungsquelle und zeichnen die zurück gestreuten Signale (Rückstreuung) wieder auf. Hierzu zählen LIDAR- (Liight Detection and Danging) und Radarsensoren. Beide Systeme senden einen Impuls zur Erdoberfläche und messen die Laufzeit sowie die Stärke des zu-
Abb. 3-3: Vergleich Multispektraler und Hyperspektraler Betondachziegelund Boden-Spektren (DLR)
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rückkehrenden Signals. Aus der Laufzeit wird dann der Abstand zum Bodenpunkt ermittelt, während die Intensität für die Ermittlung der Bodenbedeckung verwendet wird. Bei Radarsystemen stehen zusätzlich noch Informationen über die Phase der zurückkehrenden Welle zur Verfügung, die bei Kombination von zwei Aufnahmen mittels der so genannten SAR(Synthetic Aperture Radarr) Interferometrie die Erfassung von Bodenbewegungen oder Geländehöhen erlaubt. Radarsysteme arbeiten im Mikrowellenbereich von wenigen Zentimetern bis zu einigen Dezimetern und können daher, im Gegensatz zu den optischen Systemen, unabhängig von der Wolkenbedeckung und dem Tageslicht die Erdoberfläche beobachten. Seit 1991 stehen verschiedene Radarsysteme für die Erdbeobachtung zur Verfügung, die gesichert Aufnahmen zu vorgegebenen Zeitpunkten liefern können. Zur Erreichung der erforderlichen Bodenauflösung werden SARSysteme eingesetzt. Diese beleuchten die Geländepunkte am Boden mehrfach während des Überflugs. Die einzelnen Signale werden dann in einer Nachbearbeitung am Boden zu einem Bild zusammengesetzt. Die Rückstreuung der Radarsignale am Boden wird durch das verwendete Aufnahmesystem und die Beschaffenheit der Geländeoberfläche bestimmt. Die Parameter der Radarsysteme sind die verwendete Trägerfrequenz (f) bzw. Wellenlänge (λ), die Polarisation, also der Schwingungsrichtung der ausgesandten und empfangenen Radarsignale und der Blickwinkel, unter dem die Erde beobachtet wird. Bei der Reflexion an der Erdoberfläche spielen neben den elektrischen Materialeigenschaften die Oberflächenrauhigkeit und
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3. Fernerkundung im urbanen Kontext
Feuchtigkeit eine Rolle. In der flugzeuggestützten Erdbeobachtung werden vor allem X-Band ( λ = 2,4−4,5 cm; f = 7−12 GHz), C-Band ( λ = 4,5−7,5 cm; f = 4−7 GHz) und L-Band ( λ = 15−30 cm; f = 41−2 GHz) eingesetzt. Weltraumgestützte LIDAR-Systeme vermessen Höhenprofile hochgenau, d. h. bis zu maximal wenigen Zentimetern Bodenauflösung. Sie arbeiten aber nicht flächendeckend und werden daher für die, in diesem Buch behandelten Fragestellungen nicht eingesetzt. Flugzeuggestütztes Laserscanning liefert ebenso detaillierte und für die entsprechenden Flugstreifen flächendeckende Höheninformationen. Die Flugbahn wird mittels Global Positioning System (GPS) hochgenau vermessen. Der Laser scannt das Gelände unter dem Flugzeug und mittels Laufzeitmessung wird der exakte Abstand zwischen Sensor und Bodenpunkt bestimmt. Dadurch kann neben der genauen Position auch die absolute Höhe der einzelnen Bodenpunkte vermessen werden. Die Auswertung der erzeugten fernerkundlichen Bilddaten der unterschiedlichen Sensoren (siehe unten) erfolgt durch visuelle Interpretation, meist gestützt durch automatisierte oder halbautomatisierte Verfahren, um eine schnellere Bearbeitung zu ermöglichen. Diese Verfahren verfolgen das Ziel, die einzelnen Bildpunkte nach spektralen Signaturen zu gruppieren und so als thematische Klassen quantitativ auszuweisen (Klassifikation). Für Klassifikationen gibt es verschiedene mathematische und methodische Ansätze (vgl. Kap. 4.1 & 5.1). Beispiele sind Schwellwertverfahren, überwachte bzw. nicht überwachte Klassifizierungen oder hierarchische Verfahren (SCHOWENGERDT, 1997). Bei überwachten Verfahren wird mit Testgebieten ermittelt, welche Klasse welche spektralen Merkmale besitzt. Zu den spektralen Merkmalen kann der Satz an verfügbaren Parametern für eine Automatisierung der Klassifikation erweitert werden. Bei der so genannten objektorientierten Klassifikation wird z. B. die Bildmatrix zunächst in homogene Gebiete eingeteilt, die ein gleichförmiges Spektralverhalten zeigen. Die erzeugten Objekte (Segmente) besitzen dadurch, neben der Spektralinformation, auch Informationen zu Form, Größe oder Nach-
barschaft und können zusätzlich zur Klassifikation herangezogen werden. Ausführliche Einführungen in die theoretischen Grundlagen der Fernerkundung und der Bildanalyse bieten ALBERTZ (2009), DECH (2005), HILDEBRANDT (1996), LILLESAND & KIEFER (2000), MATHER (2004), RICHARDS & JIA (1999) sowie SCHOWENGERDT (1997).
Der fernerkundliche Blick auf den urbanen Raum Den Begriff ›Urbaner Raum‹ einheitlich und global eindeutig zu definieren ist schwierig. Dem Stadtbegriff können, je nach Kulturraum der Erde und Entwicklungsstand, verschiedene Bestimmungskriterien zugrunde gelegt werden. Im europäischen Mittelalter bestimmte die Stadtmauer die Grenzen einer Stadt, doch aufgrund des Bevölkerungsdrucks und sich ändernder Lebensumstände auch einer ständigen Änderung unterworfen hat sich diese klare Grenze zum Umland inzwischen aufgelöst. »Distanz schafft Klarheit« – gerade für die kleinräumigen Strukturen der Städte in den Zentren oder die großflächigen Übergänge zwischen Stadt und Land, ist die flächendeckende Perspektive ein entscheidender Vorteil, um Zusammenhänge zu erkunden und zu verstehen. Aus Erdbeobachtungsdaten kann das physische Erscheinungsbild, also der bebaute Raum, die Verkehrsinfrastruktur, oder Frei- und Gewässerflächen der Stadt und ihres Umlandes abgeleitet werden. Je nach Sensor können verschiedene Auflösungsstufen gewählt werden, die die Erfassung auf einer regionalen Stadt-UmlandEbene, über Stadtstruktur- bzw. Blockebene bis hin zur gebäudescharfen Kartierung erlauben (vgl. auch Abb. 5-5-1). Die Fernerkundung bietet aber auch die Möglichkeit, durch die Analyse von Zeitreihen, also Aufnahmen über mehrere Jahre hinweg, die ständige Weiterentwicklung urbaner Räume und ihrer Umgebung zu beschreiben und zu analysieren. Für die fernerkundliche Herangehensweise spielen administrative, historische, soziologische und wirtschaftliche Definitionen zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Zur Beantwor-
3. Fernerkundung im urbanen Kontext
tung planungsrelevanter Fragestellungen jedoch ist eine ganzheitliche simultane Analyse des komplexen Systems ›Stadt‹ erforderlich. Dazu müssen physische, demographische, ökonomische, soziale, ökologische oder auch politische Informationen unbedingt mit einbezogen werden, denn das physische und architektonische Erscheinungsbild einer Stadt spiegelt immer auch die Gesellschaft wider, die sie geschaffen hat (GONZALEZ & MEDINA, 2004). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die physischen Strukturen einer Stadt indirekt Schlüsse auf demographische oder sozioökonomische Parameter zulassen. Vor diesem Hintergrund soll hier der Versuch stattfinden, multiskalige, multitemporale und multisensorale Fernerkundungsdaten und Methoden im Hinblick auf ihre Potenziale zur direkten Ableitung physischer Informationen über die Art der Urbanität herauszuarbeiten. Ergänzend werden die Potenziale auf Basis indirekter Analysen sowie unter Einbindung externer Datensätze aufgezeigt, um zusätzliche planerisch relevante Mehrrwerte zu generieren.
Fernerkundliche Datensätze Eine satelliten- oder flugzeuggetragene Aufnahme baut sich aus einer Matrix identischer räumlicher Einheiten auf, den so genannten Picture Elements (Pixeln). Diese bilden den Betrag der elektromagnetischen Strahlung, die für eine bestimmte Raumeinheit am Boden in einem proportionalen Messwert abgebildet wird (MATHER, 2004). Diese Fernerkundungsdaten charakterisieren sich durch ihre geometrische, spektrale, radiometrische und temporale Auflösung. Die geometrische Auflösung definiert sich durch die Pixelgröße der Aufnahme und hat damit erheblichen Anteil am Potenzial eines Sensors, Objekte der Erdoberfläche räumlich voneinander abgrenzen zu können. Die Anzahl, Bandbreite und Positionierung der Aufnahmekanäle bestimmt die spektrale Auflösung, und damit das Potenzial, objektspezifische Reflexionscharakteristiken ableiten zu können. Die Sensitivität des Sensors, empfangene Energieunterschiede differenzieren zu können, be-
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stimmt seine radiometrische Auflösung. Die temporale Auflösung schließlich beschreibt das Zeitintervall, innerhalb dessen ein Ort der Erdoberfläche von demselben System, das in einer Umlaufbahn um die Erde kreist, erneut aufgenommen werden kann (ALBERTZ, 2009). Die große Stärke der Fernerkundung besteht darin, raumbezogene Fragestellungen schnell und aktuell, flächendeckend und dabei relativ kostengünstig bearbeiten zu können. Hierfür stehen Daten unterschiedlicher Systeme und Sensoren zur Verfügung, welche aufgrund ihrer jeweils besonderen Eigenschaften spezifische Charakteristika und Potenziale aufweisen. Kommerzielle Satellitenfernerkundungsdaten sind – spätestens seit dem Start des ersten Satelliten der Landsat-Missionen im Jahr 1972 – eine entscheidende Informationsgrundlage für flächendeckende Erdbeobachtung. Mit der technischen Weiterentwicklung der Sensoren und der Auswertemethoden steht heutzutage eine Vielzahl an unterschiedlichen Datenquellen zur Verfügung, um ein breiteres Spektrum an Fragestellungen zu bearbeiten. Im Folgenden werden alle in diesem Buch verwendeten fernerkundlichen Datensätze, gegliedert nach passiven und optischen Sensoren sowie nach deren geometrischer Auflösung von gering zu hoch detailliert unterteilt, explizit vorgestellt und weitere verfügbare und vergleichbare Systeme angesprochen.
Fernerkundungsdaten aus passiven Aufnahmesystemen/ Optische Sensoren Passive Erdbeobachtungssysteme zeichnen die von der Sonne ausgesendete und von der Erde reflektierte elektromagnetische Strahlung in verschiedenen Wellenlängenbereichen auf. Weit verbreitet ist der Einsatz von Satelliten (z. B. NOAA, Landsat, IKONOS) wie auch flugzeuggestützten Multispektralscannern (z. B. HRSC) sowie klassischen Luftbildern. Das Potenzial von Hyperspektralsystemen wird anhand des HyMap-Sensors aufgezeigt.
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3. Fernerkundung im urbanen Kontext
NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) Der Begriff NOAA wird sowohl für die Wetterund Ozeanographiebehörde der USA verwendet, wie auch für eine Flotte von ihr betriebener Satelliten. Bisher wurden 19 Satelliten erfolgreich gestartet und liefern seit 1970 von einer polaren Umlaufbahn aus, kontinuierlich Aufnahmen von der Erdoberfläche und den atmosphärischen Bedingungen. Mit den MetOp-Satelliten betreibt Europa einen ähnlichen Service. Die primäre Aufgabe ist es Informationen zu klimatischen Verhältnissen sowie für eine verbesserte Wettervorhersage zu liefern. Allerdings werden die Daten auch großflächig für Vegetationsuntersuchungen eingesetzt.
Sensor
NOAA
Missionszeitraum
seit 1970
Flughöhe
870 km
Wiederholungsrate
9 Tage
Streifenbreite
3000 km
Geometrische Auflösung 1,1 km Spektrale Auflösung
5 Kanäle (2 optische & 3 thermale Kanäle)
Prozessierungsaufwand
gering
Datenkosten
kostenlos
Landsat Um der physischen Kleinräumigkeit und Heterogenität urbaner Räume gerecht zu werden bedarf es einer höheren geometrischen Aufflösung als es die NOAA-Satelliten bieten (vgl. Abb. 3-4). Die Serie der Landsat-Satelliten bietet seit 1972 die Möglichkeit geometrisch mittel aufgelöste Datensätze zu verwenden. Als geometrisch ›mittel aufgelöst‹ werden in diesem Buch Pixelgrößen verstanden, die eine räumliche Abgrenzung von Einzelobjekten, wie z. B. Gebäude, nicht ermöglichen, aber dennoch eine grundsätzliche Differenzierung zwischen versiegelten und nichtversiegelten Arealen zu-
Abb. 3-4: Technische Details der NOAA-Sensoren und Daten von Europa sowie einem Ausschnitt der Region München (DLR)
lassen. Landsat nimmt einen 185 km breiten Streifen (Schwadbreite) auf, der die komplette Erfassung von Stadt-Umland-Regionen ermöglicht. Die geometrische Auflösung im Bereich von 59 m bis maximal 15 m spiegelt allerdings die kleinräumigen Details urbaner Strukturen nicht wider. Auf Grund der langen kontinuierlichen Laufzeit des Landsat-Programms seit 1972 ergibt sich eine lange Zeitspanne für raumzeitliche Änderungsanalysen zur Überwachung, Quantifizierung und Analyse urbaner Entwicklungen, wobei Landsat 7 seit 2003 auf Grund technischer Probleme nur noch eingeschränkt nutzbar ist. Vergleichbare Systeme sind das
3. Fernerkundung im urbanen Kontext
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Sensor
Landsat MSS
Landsat TM
Landsat ETM+
Missionszeitraum
1972 − 1983
seit 1982
seit 1999
Flughöhe
705 km
705 km
705 km
Wiederholungsrate
16 Tage
16 Tage
16 Tage
Streifenbreite
185 km
185 km
185 km
Geometrische Auflösung
59 s 59 m
28,5 s 28,5 m
28,5 s 28,5 m bzw. 15 s 15 m (panchrom.)
Spektrale Auflösung
4 Kanäle
6 + 1 (Thermal)
6 + 1 (Thermal) + 1 (panchrom.)
Prozessierungsaufwand
gering
gering
gering
Datenkosten
kostenlos
kostenlos
kostenlos
Tab. 3-1: Technische Details der Landsat-Sensoren
Abb. 3-5: Landsat-ETM+-Daten von München aus dem Jahr 2000 in der Übersicht und im Detail (NASA (National Aeronautics and Space Administration))
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3. Fernerkundung im urbanen Kontext
französische SPOT-Programm (seit 1986), indische IRS-Satelliten (seit 1988) oder das neue deutsche RapidEye-System (seit 2008), das mit einer Konstellation von fünf Satelliten im Orbit für eine wesentlich höhere zeitliche und räumliche Abdeckung der Erdoberfläche sorgt. Die Abbildung 3-5 zeigt ETM+-Daten des Landsat-Sensors der Stadt-Umland-Region München. Der Vergleich zu den NOAA-Daten zeigt deutlich, dass diese Daten es ermöglichen physische Strukturen und Muster der urbanen Landschaft zu detektieren. Der Detailausschnitt verdeutlicht allerdings, dass die räumliche Auflösung dieser Datensätze nicht ausreicht, um individuelle Objekte der urbanen Landschaft, wie beispielsweise Einzelgebäude, zu identifizieren.
komplexen Anordnung von Gebäuden, Straßen und Freiflächen. Mit Quickbird, GeoEye, CARTOSAT und WorldView stehen mittlerweile weitere geometrisch höchst auflösende Sensoren zur Verfügung. Diese hohe Auflösung der Daten stellt durch den höheren Grad an Details auch erhöhte Herausforderungen an die automatisierte Bildanalyse, was sich in einem größeren Prozessierungsaufwand widerspiegelt. Wie in Abbildung 3-6 zu erkennen ist (Bereich zwischen Isartor und Deutschem Museum, vgl. Abb. 3-5), kann man unterschiedliche Typen an Objekten wie z. B. Straßen, Einzelgebäude, Freiflächen, Gewässerflächen, Wiesen, Waldgebiete, u. v. a. m. differenzieren. Gleichzeitig wird auch das strukturelle Gefüge auf der Erdoberfläche bzw. im kleinräumigen urbanen Raum erkennbar.
IKONOS HyMap Mit dem Start des multispektralen IKONOSSensors im Jahr 1999 trat die kommerzielle Satellitenfernerkundung in eine neue Ära ein. Die bis dahin nicht erreichte geometrische Auflösung von bis zu einem Meter im panchromatischen Band ermöglicht Anwendungen im hoch strukturierten urbanen Raum mit seiner
Sensor
IKONOS
Missionszeitraum
seit 1999
Flughöhe
681 km
Wiederholungsrate
3–5 Tage
Streifenbreite
11 km
Geometrische Auflösung
4 m bzw. 1 m
Spektrale Auflösung
4 Kanäle + 1 (pan.)
Prozessierungsaufwand
hoch
Datenkosten
mittel (~17 $/km²)
Im Vergleich zu multispektralen Systemen zeichnen sich hyperspektrale Sensoren, wie z. B. der HyMap-Sensor (COCKS et al., 1998), durch sehr viele spektrale Kanäle mit geringen Bandbreiten aus und erfassen so fast kontinuierlich das elektromagnetische Spektrum (Abb. 3-7).
Abb. 3-6: Technische Details des IKONOS-Sensors und visuelle Echtfarbendarstellung (RGB) (EUSI (European Space Imaging))
3. Fernerkundung im urbanen Kontext
Sensor
HyMap (hyperspektraler whisk broom-Sensor)
Flughöhe
Variabel, hier 2000 m über Grund
Streifenbreite
3,5 km
Geometrische Auflösung
4 s 4 m (in Abhängigkeit von der Flughöhe)
Spektrale Auflösung
0,4 bis 2,5 μm; 125 Kanäle
Sensor-Blickwinkel
61°
Wiederholungsrate
beliebig
Prozessierungsaufwand
hoch
Datenkosten
hoch
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Da die meisten hyperspektralen Sensoren flugzeuggetragen sind, ist auch die räumliche Auflösung sehr hoch (2 bis 10 m Pixelgröße). Die Hyperspektraldaten, die für die Studie in diesem Buch verwendet wurden, sind am 17. und 25. Juni 2007 mit dem HyMap-Sensor aufgenommen worden. Sieben Flugstreifen von je 3,5 km Breite und 13 km Länge decken einen Großteil des Stadtgebiets von München ab. Die deutsche EnMAP-Mission arbeitet darauf hin − voraussichtlich ab dem Jahr 2013 − auch einen hyperspektralen Sensor in den Weltraum zu bringen.
High Resolution Stereo Camera Airborne Extended (HRSC-AX)
Abb. 3-7: Technische Details des Hyperspektralsensors HyMap (Kanalkombination – Swir1, NIR, GRÜN) (DLR)
Abb. 3-8: Technische Details der High Resolution Stereo Camera (HRSC) und visuelle Bilddatendarstellung (DLR)
Die HRSC ist eine flugzeuggetragene Stereokamera (LEHMANN et al., 2000). Auf Basis von Stereobildern, die diese Kamera aufnimmt, können digitale Geländemodelle erstellt werden (Abb. 3-8). Die angegebene Höhe in dem HRSCDatensatz entspricht der Höhe des Geländes plus Objekt (Gebäude, Bäume). Da nur die Höhe der Objekte für die weitere Verarbeitung nötig war, wurde diese mit Hilfe des Geländemodells SRTM DGM (s. u.) (HABERMEYER et al.,
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3. Fernerkundung im urbanen Kontext
Sensor
HRSC (High Resolution Stereo Camera)
Flughöhe
Variabel, meist im Bereich von 1000–3000 m
Streifenbreite
Variabel je nach Flughöhe, im Bereich von wenigen Kilometern
Geometrische Auflösung
x,y: 1 m (resampled von 4 m), z:10 cm
Spektrale Auflösung
4 Kanäle (b, g, r, nir)
Wiederholungsrate
beliebig
Prozessierungsaufwand
hoch
Datenkosten
hoch
2008) extrahiert. Die Genauigkeit der Objekthöhe liegt bei +/– 2 m. Die aus den HRSCHöhendaten abgeleiteten Objekthöhen (Bäume und Gebäude) spiegeln das urbane System in Bezug auf die dritte Dimension wider.
Aktive Systeme sind nicht auf das Vorhandensein von natürlicher elektromagnetischer Strahlung angewiesen, sondern beleuchten das untersuchte Gebiet mit Mikrowellen selbst.
TerraSAR-X Luftbilder/Orthophotos Das DLR-3K-Kamerasystem ist ein optisches Luftbildsystem, das aus drei 16MPix-Kleinbildkameras besteht (K KURZ et al., 2007). Es wurde 2006 für automatisiertes Verkehrsmonitoring am DLR entwickelt und wird oft bei Katastrophen und Großereignissen eingesetzt. Abhängig von der Flughöhe kann mit einer Aufnahme ein Gebiet von bis zu 7 s 2 km abgedeckt werden. Durch kontinuierliche Aufnahmen können so z. B. in 10 Minuten 42 s 7 km in einem Streifen aufgenommen werden. Im Normalfall werden Flughöhen zwischen 1000 m bis 3000 m ü. G. angestrebt. Dies entspricht einer Auflösung von 15 cm aus 1000 m bzw. von 45 cm aus 3000 m Höhe. Das abgedeckte Gebiet ist bei 3000 m Höhe 7 s 2 km groß bzw. bei 1000 m Höhe 2,4 s 0,6 km. Die Bilder werden als RGB-Farbbilder (Rot/ Grün/Blau) aufgenommen.
Ein deutscher Erdbeobachtungssatellit ist TerraSAR-X. Als Nutzlast trägt er einen Radarsensor, der in verschiedenen Modi betrieben wird, um Aufnahmen mit unterschiedlichen Streifenbreiten, Auflösungen und Polarisationen zu ermöglichen. TerraSAR-X bietet dadurch Beobachtungsmöglichkeiten, die bisher aus dem All nicht verfügbar waren (Abb. 3-9). Die Ziele der
Fernerkundungsdaten aus aktiven Aufnahmesystemen Im Gegensatz zu optischen Systemen spielen Witterungseinflüsse bei aktiven Fernerkundungssensoren eine untergeordnete Rolle und spiegeln sich kaum in der Datenqualität wieder.
Abb. 3-9: Technische Details des TerraSAR-X-Sensors und visuelle Bilddatendarstellung von StripMapDaten (DLR)
3. Fernerkundung im urbanen Kontext
Sensor
TerraSAR-X
Missionszeitraum
2007–2012 (mindestens)
Flughöhe
514 km
Wiederholungsrate
2−4 Tage (über Deutschland) 11 Tage mit gleichem Einfallswinkel
Streifenbreite
variiert je nach Betriebsmodus 5−10 km (Spotlight) 30 km (Stripmap) 100 km (Scansar)
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Geometrische Auflösung variiert je nach Betriebsmodus 1 m (Spotlight) 3 m (Stripmap) 1 6 m (Scansar) Spektrale Auflösung
1 Kanal mit 9,65 GHz (X-Band); verschiedene Polarisationen möglich
Prozessierungsaufwand
hoch
Datenkosten
Mittel
Mission sind die Bereitstellung von hochwertigen SAR-Daten im X-Band für Forschung und Entwicklung sowie für wissenschaftliche und kommerzielle Anwendungen. Vergleichbare Systeme sind der kanadische RADARSAT, der italienische CosmoSkyMed oder der japanische Sensor ALOS.
Shuttle Radar Topography Mission (SRTM) Für großräumige Anwendungen wurden im Rahmen einer Kampagne der SRTM (Shuttle Radar Topography Mission) im Jahr 2000 Höhendaten von beinahe der gesamten Landoberfläche der Erde zwischen 60° N und 60° S aufgezeichnet und in Form eines digitalen Geländemodells (DGM) aufbereitet. Mit einer räumlichen Auflösung von bis zu 30 m können großräumige Landschaftselemente erfasst und die Topographie analysiert werden. In Abbildung 3-10 wird das von Süd nach Nord abfallende Gelände der Münchner Schotterebene in einem SRTM-Höhenmodell abgebildet. Das
Isartal im Süden, das Isarhochufer östlich des Zentrums sowie die Erhebungen des Olympiaberges und des Müllberges im Norden sind die markantesten Geländepunkte. Zukünftig soll mit der deutschen TanDEM-X Mission ein globales digitales Höhenmodell der Erdoberfläche in bislang nicht verfügbarer Genauigkeit von ca. 10−12 m horizontaler Auflösung und relativer Höhengenauigkeit von etwa 2 m erstellt werden.
Sensor
SRTM
Missionszeitraum
2000
Flughöhe
233 km
Wiederholungsrate
keine
Streifenbreite
variabel
Geometrische Auflösung 30 m bzw. 90 m Spektrale Auflösung
1 Kanal (Höhe)
Prozessierungsaufwand
gering
Datenkosten
kostenlos
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3. Fernerkundung im urbanen Kontext
Abb. 3-10: Höhenmodell errechnet aus Daten der SRTM-Mission für den Großraum München (DLR)
LIDAR
Referenzen
Flugzeuggestütztes Laserscanning liefert Oberflächen- und durch Nachbearbeitung auch Höhenmodelle hoher Qualität. Mit einer möglichen geometrischen Auflösung im Zentimeterbereich erlaubt dies besonders in städtisch geprägten Gebieten die gebäudescharfe Identifikation unterschiedlicher Bebauungsstrukturen und der Topographie. Die erzeugten Datensätze sind dem oben gezeigten Oberflächenmodell des HRSC-Datensatzes in ihren Eigenschaften sehr ähnlich. Diese exemplarische Auflistung von Fernerkundungssystemen unterschiedlichster Technik und Datensätze lässt bereits auf vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in urbanen Räumen schließen. Im Folgenden werden Methoden, Ergebnisse, Genauigkeiten und Interpretation zur Anwendung dieser Datensätze im Überblick dargestellt.
ALBERTZ, J. (2009): Einführung in die Fernerkundung – Grundlagen der Interpretation von Luft- und Satellitenbildern. 4. Aufl., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. DECH, S. & R. MESSNER (2005): Berge aus dem All. Frederking und Thaler, München. DECH, S. (1997): Anwendung der Satellitenfernerkundung. Von der geowissenschaftlichen Forschung zum operationellen Einsatz. − DLR-Forschungsbericht 97(52), Köln, Habilitationsschrift zur Erlangung der Venia Legendi für Geographie an der Geowissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg. COCKS, T., JENSSEN, R., STEWART, A., WILSON, I. & T. SHIELDS (1998): The HyMap Airborne Hyperspectral Sensor: the System, Calibration and Performance. Presented at 1st EARSeL Workshop on Imaging Spectroscopy. Zürich. GONZALEZ, R. R. & J. S. MEDINA (2004): Theories, Models and Urban Realities. From New York to Kathmandu. − Dela 21: 64−81. HABERMEYER, M., MARSCHALK, U., & A. ROTH (2008): Digital Elevation Model Database
3. Fernerkundung im urbanen Kontext
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4
4. Die regionale Ebene: Raumbezogene Analysen von Stadt und Umland Wo beginnt eine Stadt, wo endet sie? Heutzutage sind Städte räumlich und funktional untrennbar mit ihrem Umland verwoben und der Übergang zwischen ihnen ist fließend. Die Beziehungen zwischen Stadt und Umgebung beruhen auf vielen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten. So pendeln beispielsweise viele Menschen zum Arbeiten in die Stadt, wohnen aber im Umland. Dementsprechend wirkt die Stadt weit über ihren Kern hinaus gestaltend auf die Landschaft ein. Der Prozess der Suburbanisierung, also die Abwanderung der Stadtbevölkerung und städtischer Funktionen aus der Kernstadt in das Umland, ist seit Jahrzehnten in den USA und in Westeuropa die prägende Kraft der Siedlungsentwicklung. Folgen sind u. a. Zersiedlungstendenzen, Verkehrsüberlastung, Bebauung von Grünarealen, stadtklimatische Aufheizung oder Ausbildung von Trabantenstädten. Dies führt zu der Notwendigkeit, dass die Stadtplanung nicht an der administrativen Stadtgrenze halt macht, sondern größere, räumlich und funktional zusammenhängende Gebiete, betrachtet und analysiert. Dafür fehlen aber oft großflächige und über einen längerfristigen Zeitraum kontinuierlich und konsistent aufgenommene Datensätze. Gerade die großflächige Abdeckung vieler Fernerkundungsdatensätze ermöglicht es, über administrative Grenzen hinweg räumliche Ausprägungen und zeitliche Entwicklungen von Stadt-Umland-Regionen zu analysieren. Dabei steht nicht die geometrisch und thematisch hoch detaillierte und kleinräumige Heterogeni-
tät urbaner Objekte im Stadtkern im Fokus, sondern die räumliche Dimension urbanisierter Areale bzw. der unbebauten Gebiete im Umland, sowie deren Anordnung, Muster und Veränderung. Die Vielzahl von Möglichkeiten, die sich aus der Analyse von Fernerkundungsdaten für die Beschreibung urbaner Räume ergeben, wurde gerade in den letzten Jahren erkannt und in einer Reihe von Fachliteratur exemplarisch dargestellt (WENG & QUATTROCHI, 2007; WENG, 2008; NETZBAND et al., 2007; GAMBA & HEROLD, 2009). In diesem Kapitel werden die planungsrelevanten Anwendungsmöglichkeiten fernerkundlicher Datensätze in Bezug auf Stadt-Umland-Beziehungen aus physischer und klimatologischer Sicht vorgestellt und erörtert.
Referenzen GAMBA, P. & M. HEROLD (2009): Global Mapping of Human Settlements: Experiences, Data Sets, and Prospects. Taylor & Francis Group, Boca Raton (USA). V, W. L. & C. REDMAN NETZBAND, M., STEFANOV (EDS.) (2007): Applied Remote Sensing for Urrban Planning, Governance and Sustainability. Springer, Berlin. WENG, Q. (ED.) (2008): Remote Sensing of Impervious Surfaces. CRC Press, Taylor & Francis Group, Boca Raton (USA). WENG, Q. & D. A. QUATTROCHI (Eds). (2007): Urban Remote Sensing. CRC Press, Taylor & Francis Group, Boca Raton (USA).
4.1 Landbedeckungsklassifikation der Stadt-Umland-Region
45
4.1 Landbedeckungsklassifikation der Stadt-UmlandRegion München und Analyse ihrer raumzeitlichen Entwicklung H. Taubenböck & M. Thiel
Als Grundlage für die raumbezogene Analyse einer Stadt und des angrenzenden Umlandes ist eine, unabhängig von administrativen Grenzen, flächendeckende Erfassung der Landbedeckung erforderlich. Als Beispiel soll die Landbedeckung der Stadt-Umland-Region München und − für einen räumlichen Vergleich − der Stadt-Umland-Region Köln aktuell ermittelt und anhand multitemporaler fernerkundlicher Datensätze deren zeitliche Entwicklung abgeleitet werden. Diese Analysen setzen notwendigerweise voraus, dass die genutzten Datensätze eine räumliche Abdeckung haben, die über das Kerngebiet des urbanen Raumes hinausgehen. Das Kerngebiet der Stadt München deckt grob eine Fläche von 20 s 20 km ab. Um dieser großräumigen Erfassung nachzukommen, eignen sich vor allem Datensätze der Landsat-Sensoren oder des TerraSAR-X-Sensors, die eine Schwadbreite von ca. 185 km bzw. 30 km liefern (vgl. Kap. 3). Technische Schwierigkeiten der Landsat-Mission führen allerdings dazu, dass diese Datensätze für hoch aktuelle Analysen nicht zur Verfügung stehen. Das menschliche Auge ermöglicht es intuitiv, in den exemplarisch visualisierten fernerkundlichen Bilddaten, Objekte der urbanen Landschaft und deren räumliche Zusammenhänge zu interpretieren. Allerdings ist es für den Menschen schwer, diese Eindrücke quantitativ einzuschätzen oder Veränderungen der Landoberfläche in multitemporalen Bilddaten zu erkennen. Um aus den Bilddaten direkt Informationen ableiten zu können, muss zunächst ein Klassifikationsprozess stattfinden, bei dem diese Daten in eine thematische Karte umgewandelt werden. Diverse Studien beschäftigen sich mit der Abgrenzung bzw. Klassifikation von urbanen
Räumen aus Fernerkundungsdaten. Zumeist nutzen diese Studien Daten optischer Sensoren (z. B. HEROLD et al., 2003; TAUBENBÖCK, 2008; XU, 2008). Des Weiteren gibt es auch Studien, die sich mit der Ermittlung von Siedlungsräumen auf der Grundlage von Radardaten beschäftigen (DELL’ACQUA & GAMBA, 2003; ESCH, 2006; STASOLLA & GAMBA, 2008). Die im Folgenden thematisierte aktuelle Erfassung der Landbedeckung der Stadt-UmlandRegion München stützt sich aus oben genannten Gründen auf StripMap-Daten des TerraSARX-Sensors. Radardaten sind jedoch trotz der hohen geometrischen Auflösung von 3 m, nicht so einfach zu interpretieren wie optische Fernerkundungsdaten (vgl. Abb. 3-8). Zur Verdeutlichung der Problematik von Radardaten werden im Folgenden einige Beispiele erläutert: So ist das Rückstreuverhalten in Radardaten für homogene Areale sehr ähnlich, wie z. B. bei Ackerflächen und Weiden, die aus diesem Zweck zu einer Klasse ›Offenland‹ zusammengefasst werden. Dementsprechend beinhaltet diese Klasse sowohl Elemente der Vegetation als auch des offenen Bodens. In optischen Systemen verhält sich im Allgemeinen jede Art von Vegetation sehr ähnlich, während sich der Wald in Radaraufnahmen meist deutlich von flachen Weiden unterscheidet. Daher wird für ein qualitativ hochwertiges Ergebnis die Landbedeckungsklassifikation auf vier Basisklassen, namentlich ›Bebautes Areal‹, ›Wald‹, ›Wasser‹ und ›Offenland‹, beschränkt. Die Klassifikation von vielen und/oder großen Datensätzen benötigt eine Automatisierung des Prozesses, da eine manuelle Bearbeitung zu zeitintensiv wäre und zudem subjektive Einschätzungen verschiedener Bearbeiter inkonsistente Resultate erzeugen würden. Der hier verwendete vollautomatisierte Klassifikations-
46
4. Die regionale Ebene
Abb. 4-1-1: Links: TerraSAR-X-Szene von München und Umland. In der unteren linken Ecke ist der Starnberger See zu erkennen. Rechts: Landbedeckungsklassifikation auf Grundlage der TerraSAR-X-Szene und eines davon abgeleiteten Texturdatensatzes (DRL/ Universität Würzburg)
algorithmus bedient sich eines pixelbasierten Verfahrens. Die Klassifikation für das Jahr 2009 basiert dabei sowohl auf den Intensitätsinformationen der Rückstreuung des Radarsignals als auch auf Informationen, die die Textur der fernerkundlich abgeleiteten Landbedeckung (Szenentextur) r betreffen. Die Textur beschreibt die Heterogenität der Werte innerhalb der Szene. So werden die einzelnen Bildelemente in einem hierarchisch gegliederten Prozess, der die Abhängigkeiten von der Intensitätsinformation und der Textur berücksichtigt, den entsprechenden Klassen zugewiesen. (ESCH, 2006; ESCH et al. 2010). Abbildung 4-1-1 zeigt das Klassifikationsergebnis für die Stadt-Umland-Region Mün-
chen. Die Stadt München zeichnet sich im Wesentlichen als kompakter Siedlungskörper gegenüber dem Umland ab. Der urbane Fußabdruck wird als Siedlungsfläche eines urbanen Raumes und seines Umlandes verstanden. Die großen Waldgebiete im Süden bilden eine deutliche Grenze zwischen urbanisiertem Gebiet und Freiflächen im Umland. In den deutlich erkennbaren Rodungsinseln zeichnen sich die Umlandgemeinden ab. Allerdings erscheint − bedingt durch die großen Waldgebiete − der Süden weniger zersiedelt als der Münchner Norden. Im Südwesten ist der Starnberger See und im Osten der große Speichersee zu erkennen. Der Lauf der Isar durchschneidet die Stadt München von Süd nach Nord. Die Einschätzung der Genauigkeit bzw. der Verlässlichkeit des Klassifikationsergebnisses ist für den Nutzer der Resultate von essentieller Bedeutung. Zu diesem Zweck werden Klassifikationsergebnisse entweder mit Referenzdaten, oder mittels eines visuellen Abgleichs mit den Eingangsdaten verglichen. Für die Einschät-
4.1 Landbedeckungsklassifikation der Stadt-Umland-Region
zung der Genauigkeit wird zwischen den Anforderungen von Herstellern und Nutzern der jeweiligen thematischen Karte unterschieden. Der Kartenhersteller interessiert sich dafür, ob alle Referenzpixel klassifiziert wurden, welche (Klassifizierungs-)Genauigkeit also formell angegeben werden kann. Das Interesse des Kartennutzers hingegen besteht darin, zu wissen, inwieweit er sich auf die dargestellte Klassifikation verlassen kann, welcher Anteil der klassifizierten Pixel also korrekt klassifiziert worden ist. Basierend auf In-situ-Validierungsaufnahmen wurde für die vier Klassen im Testgebiet München eine Gesamtgenauigkeit von 85,6 % (Tab. 4-1) ermittelt. Ein genauerer Blick auf das Ergebnis zeigt, dass die Klassen ›Wasser‹ und ›Stadt‹ mit 95,6 % respektive 87,8 % am besten klassifiziert werden. Das schlechteste Ergebnis wird mit etwa 65 % für die Klasse ›Wald‹ erzielt. Dies ist damit zu begründen, dass die Radartextur von Waldgebieten sowohl der Textur in stark durchgrünten Wohngebieten als auch der Textur in Randgebieten von Äckern ähnelt und es dadurch bedingt zu Fehlklassifikationen in diesen Bereichen kommen kann. Deutlich zeigt sich auch, dass die Gleislinien zu den Münchener Bahnhöfen im Osten und Westen der Stadt in der Klassifikation als schmale Waldstreifen in Richtung Stadtzentrum erscheinen, auch dies ist durch eine Ähnlichkeit der Textur dieser Areale mit der Textur von Waldgebieten zu erklären. Die erzielten Genauigkeiten, mittels automatisierter Algorithmen Stadtgebiete aus TerraSARX-Daten zu extrahieren, machen das Potenzial der Fernerkundung deutlich. Damit wird eine konsistente, aktuelle und flächendeckende Landbedeckungsinformationen als regionalund stadtplanerische Basisinformation möglich.
Klasse
Nutzer
Hersteller
Siedlung
87,8 %
81,8 %
Wald
71,2 %
65,0 %
Offenland
80,6 %
85,3 %
Wasser
95,6 %
89,3 %
Gesamt
85,6 %
47
Das Ergebnis der Landdeckungsklassifikation zeigt, dass die vier Landbedeckungsklassen mit unterschiedlicher Güte automatisiert aus Radaraufnahmen extrahiert werden können. Die Spezialisierung der Prozesskette innerhalb der einzelnen Klassen führt noch zu einer Steigerung der Genauigkeit. Für den urbanen Raum ist eine solche spezialisierte Lösung entwickelt worden, mit der die absolute Genauigkeit der reinen Abgrenzung der Siedlungsflächen für die Stadt München auf eine Genauigkeit von über 94 % erhöht werden konnte. Dabei kommen der Analyse gerade die speziellen Eigenschaften der Stadtgebiete mit ihren orthogonalen, linienhaften Strukturen und vertikalen Objekten zugute, da diese Strukturen die Rückstreueigenschaften im Radar Frequenzbereich sehr stark beeinflussen. Fehlklassifikationen basierend auf dieser spezialisierten Prozedur sind in den Bereichen zu finden, die direkt an die bebauten Areale angrenzen. Das ist darin begründet, dass die Radartextur lokal berechnet wird und sich somit die heterogene Struktur des bebauten Areals zum Teil in ihr direktes Umfeld überträgt. Zudem sind speziell im Umfeld von künstlichen Wasserlaufbegrenzungen Fehlklassifikationen zu verzeichnen, da auch hier meist scharf abgegrenzte vertikale Strukturen vorhanden sind. Fehlklassifikationen innerhalb der bebauten Areale finden sich insbesondere in stark durchgrünten Bereichen, da diese in ihren Eigenschaften große Ähnlichkeit mit Waldgebieten zeigen, sowie aber auch bei sehr großen Flachdächern, wie sie auf großen Fabrikhallen zu finden sind, die in den Radar-Aufnahmen als große dunkle homogene Flächen erscheinen und somit kleineren Wasserflächen ähneln. Die großflächige Landbedeckungsklassifikation ermöglicht es, dem »Was ist Wo« im StadtUmland zu einem gegebenen Zeitpunkt nachzugehen und diese Informationen räumlich zueinander in Beziehung zu setzen (vgl. Kap. 4.2). Aus raumplanerischer Sicht ist zudem die zeitliche Entwicklung einer räumlichen Veränderung des Stadt-Umland-Bezugs von zentralem
Tab. 4-1: Genauigkeitsanalyse für die Landbedeckungsklassifikation in der Region München
48
4. Die regionale Ebene
Abb. 4-1-2: Raumzeitliche Veränderungsanalyse der Stadt-Umland-Region München seit Anfang der 1970er Jahre mittels multisensoraler Fernerkundungsdaten (DLR/Universität Würzburg)
Interesse. Damit ermöglicht man zum Einen die räumliche Entwicklung im zeitlichen Verlauf nachzuvollziehen, und zum Anderen die Umsetzung raumplanerischer Zielvorhaben der Vergangenheit auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Das Monitoring einer Region bedarf einer konsistenten Datenbasis sowie eines konsistenten Bewertungsschemas über einen langen Zeitraum hinweg. Für eine lange zurückreichende Zeitreihe eignen sich die Datensätze des oben verwendeten TerraSAR-X-Satelliten nicht, da
sich dieser erst seit 2007 im Orbit befindet. Datensätze der Landsat-Satelliten sind seit 1972 kontinuierlich verfügbar und gestatten die zeitliche Entwicklung von Stadt-Umland-Regionen über annähernd 40 Jahre nachzuvollziehen. Die Datensätze der Landsat-Satelliten ermöglichen es zwar nicht, auf Grund einer maximalen geometrischen Auflösung von 28,5 m die kleinräumige Heterogenität urbaner Landschaften im Detail zu erfassen, sie können aber die Landbedeckung auf einer den TerraSAR-X-Ergebnissen vergleichbaren thematischen Auflösung
4.1 Landbedeckungsklassifikation der Stadt-Umland-Region
49
Abb. 4-1-3: Raumzeitliche Veränderungsanalyse der Stadt-Umland-Region Köln seit Anfang der 1970er Jahre mittels multisensoraler Fernerkundungsdaten (DLR/Universität Würzburg)
mit hoher Qualität abbilden. Die Limitierung liegt dabei in der Größe der Bildelemente, die je nach Sensor der Landsat-Reihe zwischen 59 und 28,5 m liegt. In den stark heterogenen Siedlungsräumen findet man bei dieser Größe in hohem Maße Mischpixel, d. h. die am Sensor ankommende Strahlung resultiert in diesen Bildelementen aus einer Mischung verschiedener Oberflächen wie beispielsweise Vegetation, Gebäuden und/oder Straßenflächen. Dementsprechend sind diese Daten für Detailanalysen ungeeignet, ermöglichen aber dennoch auf re-
gionaler Ebene die Entwicklung einer StadtUmland-Region in ihrer Dimension richtig abzubilden. Mit einem semiautomatischen Verfahren, das ein objektorientiertes, hierarchisches und auf Fuzzylogik basierendes Regelwerk beinhaltet (T TAUBENBÖCK, 2008), werden Informationen zur Landbedeckung aus Landsat-Szenen extrahiert. Um die Entwicklung der Stadt-Umland-Region München in den letzten drei Dekaden abzubilden, stehen Landsat-Datensätze der Jahre 1973, 1989 und 2000 zur Verfügung. Dabei extrahiert
50
4. Die regionale Ebene
Klasse
Landsat ETM+ 2000
Landsat TM 1987
Landsat MSS 1973
Hersteller
Nutzer
Hersteller
Nutzer
Hersteller
Nutzer
Siedlung
89,72 %
85,00 %
88,07 %
91,00 %
87,33 %
89,00 %
Vegetation
87,23 %
88,00 %
94,24 %
81,00 %
91,74 %
92,00 %
Boden
81,06 %
76,00 %
86,27 %
75,00 %
84,71 %
77,00 %
Wasser
97,01 %
100,00 %
96,19 %
97,00 %
98,01 %
99,00 %
Gesamt
91,2 %
Tab. 4-1-2: Genauigkeitsanalyse der Klassifikationen von Landsat-Daten am Beispiel München
der Klassifikationsansatz die thematischen Klassen ›urbaner Fußabdruck‹, ›Vegetation‹, ›offener Boden‹ und ›Wasserflächen‹. Abbildung 4-1-2 visualisiert für die genannten Jahre die Änderungsanalyse des Stadt-Umlandes der Region München anhand der Klasse ›urbaner Fußabdruck‹. Besonders kristallisiert sich dabei der flächige Neubau des Flughafens in den 1980er Jahren heraus, sowie die zunehmende Zersiedlung des Umlandes. Der multisensorale Ansatz dieser Änderungsanalyse birgt vor allem in der Identifikation von kleinräu-miger Zersiedlung im Umland einige Unsicherheiten auf Grund der Schwierigkeiten, in Landsat-Daten mit einer geringen geometrischen Auflösung Einzelobjekte zuverlässig zu extrahieren. Die Fortführung der Änderungsanalyse vom Jahr 2000 auf 2009 ergibt durch den multisensoralen Ansatz eine Steigerung der geometrischen Auflösung auf 3 m und erlaubt daher die wesentlich zuverlässigere Identifikation kleinerer Gebäudestrukturen. Vor diesem Hintergrund bringt die Datenbasis hier eine Überschätzung der Zersiedlung in diesem Zeitraum mit sich, allerdings – so zeigt die Genauigkeitsabschätzung – ist die Tendenz zur Zersiedlung durchaus mit hohen Genauigkeiten erfasst. Des Weiteren wird, wie in Kapitel 2 beschrieben, das Wachstum der Stadt nach Innen durch die Nachverdichtung ehemaliger Brachflächen nördlich der Bahnflächen oder der Flächen östlich der Theresienwiese deutlich. Um die Entwicklung von München und der Stadt-Umland-Beziehung in Relation zu anderen Stadtentwicklungen zu setzen, wird analog
89,4 %
90,9 %
zur Veränderungsanalyse in München die StadtUmland-Region Köln analysiert. Auch hier werden für die Zeiträume 1975, 1989, 2000 und 2009 die individuellen ›urbanen Fußabdrücke‹ aus Satellitendaten abgeleitet. Die Ergebnisse werden überlagert und zeigen die Veränderung bzw. das Wachstum in dieser Stadt-UmlandRegion. Auch in Köln zeigen sich im Vergleich mit München grundsätzlich ähnliche Tendenzen zunehmender Zersiedelung des urbanen Hinterlandes sowie Nachverdichtungsprozesse im Kerngebiet der Stadt. Im Unterschied zu München ist das Kerngebiet von Köln wesentlich kleiner, und bei weitem weniger kompakt. München weist somit ein monozentrischeres und kompakteres räumliches Muster als Köln auf. Auch die Landbedeckungsklassifikationen aus Landsat-Daten wurden hinsichtlich ihrer jeweiligen Genauigkeit eingeschätzt. Da für die Jahre 2000, 1987 und 1973 keine In-situReferenzdaten zur Verfügung standen, wurde für die Genauigkeitsanalyse ein anderes Verfahren angewandt. Im Folgenden sind für eine visuelle Genauigkeitsabschätzung pro Klasse je 200 zufällig verteilte Referenzpunkte genutzt worden. Diese wurden mit den individuell erzeugten Klassifikationen der Referenzjahre und den Satellitendaten abgeglichen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4-1-2 aufgeführt. Die Abschätzung der Genauigkeit zeigt, dass die Landbedeckung mit einer Genauigkeit um 90 % extrahiert werden kann. Dieses Ergebnis kann zwar nicht mit Datensätzen der Katasteroder Vermessungsämter konkurrieren, dafür bietet es aber eine unabhängige, flächendekkende, zeitlich weit zurückreichende, konsistente und in der Dimension richtige Informationsgrundlage.
4.2 Charakterisierung urbaner Räume anhand räumlicher Maße
Mit diesem multisensoralen Ansatz lässt sich also großräumig die Veränderung von städtisch geprägten Gebieten über einen entsprechenden Zeitraum nachvollziehen und quantifizieren. Gerade das Potenzial der Fernerkundung mit vergleichbaren Datensätzen und derselben Methode verschiedene Regionen konsistent zu untersuchen, ermöglicht Entscheidungsträgern, Planern oder Politikern die Entwicklung einer Region im Verhältnis zu anderen Regionen besser einzuschätzen und zu verstehen. Eine vergleichbare Analyse wurde bereits auch für die Stadt-Umland-Region Dresden durchgeführt (BBK, 2010). Dort stand die räumliche Lokalisierung und Quantifizierung urbanisierter Flächen im Falle verschiedener Hochwasserszenarien im Fokus.
Referenzen BUNDESAMT FÜR BEVÖLKERUNGSSCHUTZ UND KATASTROPHENHILFE (BBK) (Hg.) (im Druck): Verwundbarkeitsassessment gegenüber Hochwasserereignissen auf kommunaler Ebene. (=Schriftenreihe Praxis im Bevölkerungsschutz, Bd. 4). DELL’ACQUA, F. & P. GAMBA (2003): Texturebased Characterization of Urban Environments on Satellite SAR Images. − IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing, 41(1): 153−159.
51
ESCH, T., THIEL, M., SCHENK, A., ROTH, A., MÜLLER, A. & S. Dech (2010): Delineation of Urban Footprints from TerraSAR-X Data by Analyzing Speckle Characteristics and Intensity Information. − IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing – Special Issue on TerraSAR-X, 48(2): 905−916. ESCH, T. (2006): Automatisierte Analyse von Siedlungsflächen auf der Basis höchstaufflösender Radardaten. Dissertation, Universität Würzburg. http://www.opus-bayern.de/ uni-wuerzburg/volltexte/2006/1886/ HEROLD, M., GOLDSTEIN, N. C. & K. CLARKE (2003): The Spatiotemporal Form of Urban Growth: Measurement, Analysis and Modeling. − Remote Sens. of Environ., 86: 286−302. STASOLLA, M. & P. GAMBA (2008): Spatial Indexes for the Extraction of Formal and Informal Human Settlements from High-Resolution SAR Images. − IEEE Journal of Selected Topics in Applied Earth Observation and Remote Sensing, 1(2): 98−106. TAUBENBÖCK, H. (2008): Vulnerabilitätsabschätzung der erdbebengefährdeten Megacity Istanbul mit Methoden der Fernerkundung. Dissertation. Universität Würzburg. http://www.opus-bayern.de/uni-wuerzburg/volltexte/2008/2804/ XU, H. (2008): A New Index for Delineating Built-Up Land Features in Satellite Imagery. − International Journal of Remote Sensing, 29(14): 4269−4276.
4.2 Charakterisierung urbaner Räume anhand räumlicher Maße – Die Städte München und Köln im Vergleich H. Taubenböck & M. Wegmann
Jede Stadt für sich ist einzigartig. Es gibt keine zwei Städte auf der Welt, deren räumliche Ausdehnungen sich exakt entsprechen. Zudem verändern sich die räumliche Anordnung und die daraus resultierenden Muster bzw. Strukturen urbaner Areale im zeitlichen Verlauf stetig (vgl. Kap. 4.1). Abgesehen von der visuellen Inter-
pretation gibt es auch andere Methoden die komplexen Muster urbaner Fußabdrücke mittels räumlicher Indizes objektiv zu quantifizieren. Diese räumlichen Indizes werden auch Landschaftsstrukturmaße genannt und ermöglichen es, die räumliche Struktur einer Landschaft mittels Fernerkundungsdaten abgeleitet, in Bezug
52
4. Die regionale Ebene
auf ihre Fläche, ihre räumlichen Muster, ihre Form, ihre Diversität und ihre Nachbarschaftsbeziehungen zu quantifizieren (MCGARIGAL, 1995). Landschaftsstrukturmaße sind damit ein quantitatives Maß, um vergleichende Analysen durchzuführen, sowie zeitliche Veränderungen von Städten zu erfassen. Der Ursprung der Landschaftsstrukturmaße ist in der Landschaftsökologie zu finden. In diesem Forschungsfeld werden diese Maße zur Charakterisierung der räumlichen Attribute einer Landschaft verwendet und meist im Kontext von Habitatzerstörung und unter dem Begriff Fragmentation eingeordnet (FAHRIG, 2003). Die Anzahl dieser Landschaftsstrukturmaße ist hoch und steigt weiterhin an (z. B. SAURA & PASCUAL-HORTAL, 2007). Jedoch führt diese hohe Anzahl von teilweise nur leicht modifizierten Indizes auch zu einer hohen Korrelation zwischen Indizes, die zu verfälschten Ergebnissen führen kann (GRAHAM, 2003; RIITTERS et al., 1995). Auf einen derartigen Zusammenhang wurden 1995 insgesamt 55 Indizes in 85 unterschiedlichen Landschaften untersucht und es wurden sechs statistisch unabhängige Landschaftsstrukturmaße postuliert. Diese verschiedenen Indizes haben zur Aufgabe, die räumlichen Attribute einer Landschaft objektiv zu beschreiben und zwar bezüglich ihrer Form, Anordnung, Zusammensetzung und Verbundenheit auf drei Ebenen, der Landschafts-, der Klassen- und der Patch-Ebene (FAHRIG, 2003). In der hier vorgestellten Untersuchung wurden nur klassenbasierte Indizes verwendet, die z. B. die Form, die Dominanz einer Klasse, oder die Anordnung der Landschaft charakterisieren, wobei die Berechnung dieser Attribute auf Ebene der einzelnen unverbundenen Stadtgebiete, der Patch-Ebene, erfolgt. Im Kontext urbaner Räume werden Landschaftsstrukturmaße immer mehr zum quantitativen Vergleich urbaner Muster sowie zur Analyse der zeitlichen Entwicklung bzw. Veränderung einer Stadt herangezogen. Die Ansätze reichen von der, wie in unserer Studie verwendeten, regionalen Ebene (JAT, GARG & KHARE, 2008; SUDHIRA, RAMACHANDRA & JAGADISH, 2003; TAUBENBÖCK et al., 2009) bis hin zur lokalen Ebene (BANZHAFF & HÖFER, 2008; TAUBEN-
BÖCK,
2008). Mit diesen Verfahren zur Analyse räumlicher Muster wird ein Vergleich raumbezogener Daten quantitativ ermöglicht. Neben etablierten Werten, wie z. B. der Fläche des urbanen Raums, lassen sich weiterführende räumliche Informationen, wie z. B. die räumliche Anordnung von Stadtgebieten, zueinander ins Verhältnis setzen. Dem Stadtplaner wird es dadurch ermöglicht, die räumliche Entwicklung einer Stadt mit objektiven Maßen zu beobachten bzw. durchgeführte Maßnahmen auf Effizienz zu überprüfen, sowie raumbezogene Entwicklungen auch im Verhältnis zu anderen urbanen Räumen einzuschätzen. Des Weiteren können beispielsweise Stadt-Umland-Beziehungen detaillierter unter Verwendung von Maßen, wie z. B. der Länge der Grenzflächen des urbanisierten Gebiets zu Grünflächen (siehe u. a. Grenzeffekte im tropischer Wald: PHILIPPS ET AL., 2006) untersucht werden. Die Berechnung der folgenden Indizes wurde mit Hilfe von Fragstats (MCGARIGAL et al., 2007; MCGARIGAL & MARKS, 1995), dem am weitesten verbreiteten Programm (TURNER & TJØRVE, 2005) zur Analyse von räumlichen Attributen durchgeführt. Weitere Programme zur Analyse räumlicher Indizes, wie r.le oder dessen Nachfolger r.li (BAKER & CAI, 1992; BAKER, 2001) oder LEAP-II (PERERA et al., 1997), sowie APACK (MLADENOFF & DEZONIA, 2000) liefern ähnliche Berechnungsoptionen von Indizes. Weiterführende Analysen der räumlichen Anordnung werden von den Programmen r.pi (WEGMANN et al., 2010) oder mehr mit statistischem Fokus von den Programmen PASSAGE (ROSENBERG, 2008) bzw. Spatstat (BADDELEY, 2008) angeboten. Die in dieser exemplarischen Untersuchung genutzten Landschaftsstrukturmaße sind CA (Class Area – Fläche der Klasse), NP (Number of Patches – Anzahl der Teilflächen einer Klasse), MPS (Mean Patch Size – Mittlere Größe der Patches), PLAND (Percentage of the LANDscape – prozentualer Anteil einer Klasse an der gesamten Landschaft), SHAPE (Mittelwert) sowie LPI (Largest Patch Index – Einfluss des größten Patches einer Klasse). Hierbei ist Patch ein unverbundenes urbanes Gebiet und die Summe aller urbanen Gebiete in einer Land-
4.2 Charakterisierung urbaner Räume anhand räumlicher Maße
schaft wird als Klasse bezeichnet. Auf Landschaftsebene kommen neben der Klasse urban weitere Landbedeckungsklassen hinzu, z. B. Wasser oder Grünflächen. Für jede dieser 3 Ebenen stehen unterschiedliche Indizes zur Verfügung und liefern verschiedene Aussagen bezüglich der untersuchten Landschaft. Das Landschaftsstrukturmaß CA quantifiziert die absolute Fläche einer Klasse innerhalb des jeweiligen Bezugsgebiets. Das Maß NP quantifiziert die räumlich separierten Bereiche einer Klasse, d. h. die Anzahl nicht zusammenhängender urbanisierter Flächen. Eine zersiedelte, fragmentierte Landschaft weist damit wesentlich höhere NP Werte auf, als eine Stadt, die aus einigen wenigen kontinuierlichen, zusammenhängenden Flächen besteht. Der MPS-Index mittelt die Flächengrößen aller Teilflächen einer Klasse. Eine kontinuierliche Abnahme der MPS-Werte über die Zeit ist daher ein Indikator für Zersiedlung oder urbanem Rückbau. Der Index PLAND beschreibt den prozentualen Anteil einer Klasse in Bezug auf die komplette Landschaft. Die Werte sind niedrig, wenn eine Klasse sehr selten vorkommt und gehen gegen 100 %, wenn die Landschaft nur aus dieser einen Klasse besteht. Ein verwandtes Maß ist die CA, die absolute Fläche der jeweiligen Klasse, wobei PLAND unabhängig von der Größe der Landschaft ist und somit Vergleiche von zwei unterschiedlich großen Regionen erlaubt. Der SHAPE-Wert wird für alle urbanen Patches der Landschaft einzeln berechnet und über die Landschaft gemittelt. Er beschreibt die Form der urbanen Flächen. Der Wertebereich des SHAPE-Indexes reicht von eins bis unendlich, wobei der Wert eins eine höchstmögliche Kompaktheit der Klasse bedeutet und höhere Werte auf komplexere Formen in der Landschaft hinweisen. So sind rechteckige oder quadratische urbane Gebilde mit niedrigen Werten versehen, wogegen ausgefranste, zersiedelte urbane Muster zu sehr hohen Werte führen. Dies liefert dem Planer weiterführende Informationen, wie viel Grenzflächen zwischen Stadt und nichturbanem Raum bestehen, wobei im Gegensatz zur reinen Berechnung des Umfangs auf die Größe des jeweiligen Patchs korrigiert wird. Außerdem wird der LPI-Index genutzt: Dieser quantifiziert
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die Dominanz der größten zusammenhängenden Teilfläche prozentual zu allen Teilflächen einer Klasse. Die Index-Werte sind niedrig, wenn die größte urbane Teilfläche in der Landschaft sehr klein ist, und steigen bis 100 % an, wenn die größte Teilfläche den Großteil der Landschaft einnimmt. Er beschreibt somit, wie dominant die Kernstadt räumlich gesehen gegenüber dem Umland ist. Zur vergleichenden raumbezogenen Analyse der beiden Städte München und Köln werden jeweils zwei unterschiedliche Ansätze zur Definition der Stadtausdehnung genutzt: Zum einen werden die Stadtzentren beider Städte mit einem Rechteck der Kantenlänge 13 km ausgeschnitten, um eine räumlich exakt vergleichbare Fläche um das Kerngebiet der urbanen Räume herzustellen. Für München wurde als Zentrum der Marienplatz und für Köln der Dom festgelegt. Zum anderen werden zur Analyse des Kerngebiets zusammen mit dem Stadt-Umland für die Regionen München und Köln die, durch die Satellitendaten maximal verfügbaren Ausdehnungen der Veränderungsanalysen, wie sie in den Abbildungen 4-1-2 und 4-1-3 dargestellt wurden, als Bezugsflächen herangezogen. Diese Flächen sind ca. 50 s 30 km groß, entsprechen sich jedoch nicht exakt, weshalb Indizes verwendet werden, die unempfindlich gegenüber unterschiedlich große Landschaften sind. Diese Unterteilung in zwei unterschiedliche Ausdehnungen erlaubt es, die Kerngebiete, sowie die Stadt-Umland-Regionen separat räumlich miteinander zu vergleichen. Beginnend werden für die beiden Kerngebiete von München und Köln, die Indizes CA, NP und MPS im zeitlichen Verlauf und im Verhältnis zueinander analysiert (vgl. Abb. 4-2-1). In Bezug auf die flächige Entwicklung zeigen beide Städte einen generellen Trend zur urbanen Verdichtung im Kerngebiet und den damit verbundenen Flächenzuwachs. Wie im oberen Teil der Abbildung zu sehen ist, zeigt sich bei beiden Städten eine kontinuierliche, fast parallele Zuwachsdynamik. Jedoch weist das Kerngebiet von Köln verhältnismäßig konstant weniger als die Hälfte an urbanisierten Flächen im Vergleich zu München auf. Wie schon in Kapitel 2 erläutert, liegt der Grund darin, dass der
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4. Die regionale Ebene
Abb. 4-2-1 a–c: Vergleich der Siedlungsentwicklungs-charakteristik im Kerngebiet der beiden Städte München und Köln (DLR/Universität Würzburg)
Stadt München nur begrenzt Areale für ein flächenhaftes Wachstum zur Verfügung standen und stehen, und zum ›Wachstum nach Innen‹ sozusagen gezwungen wurde. Drastische Unterschiede zeigen die Landschaftsstrukturmaße bei Indizes, welche die Konfiguration der räumlichen urbanen Muster beschreiben. So zeigt die absolute Anzahl der Teilflächen (NP) eine gegenläufige Entwicklung auf. Das Kerngebiet in München weist im Verhältnis zu Köln eine geringere Anzahl separater
urbanisierter Teilflächen auf, wobei grundsätzlich ein Anstieg zu verzeichnen ist. Köln dagegen weist in den 1970ern das Fünffache an urbanen Teilflächen auf und verzeichnet eine kontinuierliche Abnahme, was ein Indikator für Nachverdichtung ist. Somit zeigt dieser Indikator, dass das urbane Muster im Kerngebiet von Köln wesentlich zersiedelter ist als in München, während München sich im Kerngebiet durch ein kompaktes Siedlungsgefüge auszeichnet. Ein weiterer Parameter zur Beschreibung des Siedlungsgefüges ist der MPS, also die mittlere Flächengröße der urbanisierten Teilflächen. Dort spiegelt sich deutlich das kompaktere, zusammenhängende Stadtgebiet Münchens im Vergleich zu Köln wider. Wobei der Flächenzuwachs bzw. die Nachverdichtung in Köln einen kontinuierlichen Anstieg der durchschnittlichen Flächengrößen bewirkt. Interessant sind allerdings aus städte- bzw. raumplanerischer Sicht nicht nur die Kerngebiete der urbanen Räume, sondern auch deren räumliches Beziehungsgeflecht zum Umland. Im Folgenden wird daher für beide Regionen die maximal verfügbare Ausdehnung der raumzeitlichen Veränderungsdetektion zur Analyse herangezogen. Da diese Bezugsflächen sich für München und Köln nicht vollständig entsprechen, wird anstatt des CA-Indexes nun der PLAND-Index genutzt, um vergleichbare Aussagen zum Flächenwachstum machen zu können. Um die räumliche Konfiguration der Regionen zu analysieren, werden der SHAPEIndex, der als Indikator zur Beschreibung der Komplexität der urbanen räumlichen Muster gilt, sowie der LPI-Index genutzt, der die Dominanz des urbanen Kerngebietes gegenüber dem Umland quantifiziert. Die einzelnen Indizes sind in Abbildung 4-2-2 dargestellt: der PLAND-Index wurde auf der x-Achse und der SHAPE-Index auf der y-Achse abgetragen, sowie der LPI-Index in Form der Größe der Datenpunkte dargestellt. Die vier analysierten Zeitpunkte, also 1973 bzw. 1975, 1989, 2000 und 2009, können in der Reihenfolge von links nach rechts gelesen werden. Generell zeigt die Stadt-Umland-Analyse, dass Köln geringere SHAPE, LPI und PLAND Werte im Gegensatz zu München aufweist.
4.2 Charakterisierung urbaner Räume anhand räumlicher Maße
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Abb. 4-2-2: Ausgewählte Landschaftsstrukturmaße der Regionen München und Köln (DLR/Universität Würzburg)
Abb. 4-2-3: Ausgewählte Landschaftsstrukturmaße der Kernregionen München und Köln (DLR/Universität Würzburg)
Beide Städte haben über die vier Zeitpunkte hinweg einen kontinuierlich ansteigenden PLAND-Index. Somit sind beide Regionen, München wie Köln, durch einen stetig ansteigenden Grad der urbanen Landbedeckung charakterisiert, wobei der prozentuale Anteil urbanisierter Fläche in der Münchner Region um ein Drittel höher ist als in Köln. Die Komplexität der urbanen Areale dieser Regionen ist gegenläufig, d. h. sie nimmt für München beträchtlich ab während sie in Köln ansteigt. Dies zeigt, dass Münchens urbaner Raum im Laufe der Zeit immer kompaktere Formen annimmt. Dabei überwiegt laminares, also flächenhaftes Wachstum und komplexe, ausgefranste Formen des Wachstums werden minimiert. Die Verringerung des SHAPE-Index deutet entweder auf ein Zusammenwachsen ehemals individueller urbaner Flächen oder auf eine Nachverdichtung (siehe ›Wachstum nach Innen‹ in Kapitel 2) im Kerngebiet und damit einhergehend auch auf die Versiegelung von ehemaligen Freiflächen hin. Die SHAPE-Werte für Köln hingegen steigen im Zeitverlauf an. Dies zeigt, dass der urbane Raum in Köln komplexere Formen annimmt. Er ist gleichzeitig ein Indikator für eine steigende Zersiedelung der Region. Zugleich nimmt der LPI im letzten Zeitschnitt für Köln stark zu, wobei er generell und auch 2009 immer noch wesentlich niedriger als das Münchener LPI-Minimum ist. Die Dominanz des LPI für München im Gegensatz zu Köln liegt in der wesentlich kompakteren Entwicklung im Kerngebiet, u. a. bedingt durch das ›Wachstum nach Innen‹ (vgl. Kap. 2). Köln hat allerdings im letz-
ten Zeitschnitt eine Erhöhung des LPI-Index erfahren, also räumlich gesehen eine steigende Dominanz, während in München die LPI Werte nahezu gleich bleiben. Die beiden bisherigen Analysen hatten zwei unterschiedliche Bezugseinheiten: Zum einen wurde der Stadtkern und zum anderen die räumliche Beziehung zwischen Stadt und Umland analysiert. Die Indikatoren PLAND, SHAPE und LPI wurden dabei äquivalent zu der kompletten Region als auch für die Bezugsfläche des Kerngebietes analysiert. Hierbei sollte jedoch bedacht werden, dass Faktoren wie die unterschiedliche räumliche Auflösung oder die räumliche Ausdehnung das Ergebnis maßgeblich verändern können (SAURA & MARTINEZ-MILAN, 2001; TURNER et al., 1989; WU, 2004). Die Darstellung in Abbildung 4-2-3 bezieht sich auf das Kerngebiet und arbeitet anhand der gleichen Indikatoren den Unterschied zum Stadt-Umland-Ergebnis deutlich heraus. Der generelle Trend in der Kernstadt entspricht auch der ganzen Region: Beide Städte weisen heute mit 21,8 % bzw. 20,6 % prozentualen Flächenanteil des urbanen Fußabdruckes ähnliche Werte im Kerngebiet auf. Interessant ist dabei die hohe Dynamik über den betrachteten Zeitraum in Köln, das von 11,5 % fast eine Verdopplung erfuhr, während in München, durch begrenzte potenzielle räumliche Wachstumsflächen die Dynamik von 16,3 % auf 21,8 % verhältnismäßig gering war. Ähnlich wie auf regionaler Ebene ist eine gegenläufige Entwicklung im Bezug auf den SHAPE-Index zu betrachten, d. h. Mün-
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4. Die regionale Ebene
chens urbaner Fußabdruck wird kompakter. Die stärkste Diskrepanz zwischen Stadt-UmlandRegion und Kerngebiet ergibt sich für die LPIWerte: Das stark zersiedelte Umland und das nicht flächige Stadtgebiet in Köln resultieren auf regionaler Ebene in geringen LPI-Werten, während der LPI im Kerngebiet eine wesentlich höhere räumliche Dominanz aufweist. Zusammenfassend kann aufgrund der hier gezeigten exemplarischen räumlichen Untersuchungen zweier deutscher Städte postuliert werden, dass sich diese Städte bezüglich der hier verwendeten Indizes zwar über die Zeit ähnlicher werden, doch in ihrer strukturellen Ausprägung grundsätzliche Unterschiede zeigen. In Bezug auf die räumliche Zusammensetzung (PLAND) sowie bezüglich der Komplexität (SHAPE) von urbanen Strukturen nähern sich München und Köln einander an. Dagegen ist München im Verhältnis zu Köln weniger zersiedelt (NP) und besitzt einen kompakten urbanen Kern (LPI & MPS). Diese Studie zeigt, dass die Verwendung von räumlichen Maßen zu einem verbesserten Verständnis der räumlichen Dynamik von Städten beiträgt − besonders wenn vergleichende Untersuchungen angestrebt werden. Somit ermöglicht ein Städtevergleich im raumplanerischen Kontext räumliche Entwicklung im Vergleich zu anderen Regionen ins Verhältnis zu setzen, und damit eine Evaluierung über die Zeit durchzuführen. Darauf basierend können raumplanerische Ziele im Bezug auf planungsrelevante Parameter, wie z. B. maximal zulässige Zersiedelung, festgelegt und über die Zeit überwacht werden, um Erfolge und Misserfolge von Maßnahmen, Richtlinien oder Bauleitplänen zu ermöglichen. Jedoch sollte der starke Einfluss des gewählten Ausschnitts der Analyse berücksichtigt werden, da für unterschiedliche Ausdehnungen des Stadtgebiets teilweise bedeutsame Unterschiede in den Werten des gleichen Index resultieren. Dies kann signifikante Folgen für die Stadt- und Regionalplanung haben, da es zu fehlerbehafteten Schlussfolgerung führen kann. Nur die Berücksichtigung unterschiedlicher räumlicher Auflösungen und Ausdehnungen, sowie das kritische Hinterfragen der Aussagekraft der räumlichen Indizes im
jeweiligen Kontext, können derartige Fehler ausschließen. Abgesehen von den hier beschriebenen Verfahren gibt es basierend auf der Verknüpfung raumzeitlicher Änderungsanalysen der multisensoralen Fernerkundung mit Methoden der Landschaftsstrukturmaße weiterführende wissenschaftliche Ansätze, um räumliche Prognosen für urbanes Wachstum zu modellieren (HEROLD et al., 2002). Als zusätzliche Einflussparameter nutzen diese Verfahren fernerkundliche Datensätze wie z. B. Hangneigungsanalysen oder externe Datensätze wie Regional- oder Bebauungspläne (CLODT, 2009) für ein räumliches Vorhersagemodell.
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4.2 Charakterisierung urbaner Räume anhand räumlicher Maße
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4. Die regionale Ebene
4.3 Erfassung und Bewertung der Bodenversiegelung T. Esch
Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch auf globaler Ebene ist ein stetiges Anwachsen der Siedlungs- und Verkehrsfläche zu verzeichnen (vgl. auch Kap. 4.1 & 4.2). Die aus der Urbanisierung resultierende Flächeninanspruchnahme ist eng verknüpft mit einer zunehmenden Versiegelung des belebten Bodens. Die Folgen sind unter anderem der Verlust fruchtbarer Anbauflächen für die Landwirtschaft, die Verstärkung von Hochwasserereignissen, eine Reduzierung der Grundwasserneubildung oder die Veränderung des lokalen Klimas durch verringerte Luftfeuchte und verstärkte Aufheizung sowie Staubentwicklung. Vor dem Hintergrund des engen Zusammenhangs zwischen Urbanisierungsprozess und Zunahme der Bodenversiegelung wird diese Kenngröße als Schlüsselindikator zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Siedlungsentwicklung und des Umweltzustandes im Allgemeinen angesehen. Auf der Grundlage der amtlichen Flächenstatistik, die wiederum auf dem Liegenschaftskataster beruht, findet in der Bundesrepublik Deutschland eine Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung statt. In diesem Kontext wird mit der sogenannten ›Siedlungs- und Verkehrsfläche‹ (SuV) ein Summenparameter erhoben, über den sich der Grad der Bodenversiegelung lediglich indirekt abschätzen lässt, wobei man von einem Versiegelungsgrad der SuV von etwas unter 50 % ausgeht. Ebenfalls basierend auf der amtlichen Statistik wurde im Jahre 2006 auf Betreiben der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) ein verbessertes Schätzverfahren entwickelt, um die Versiegelung innerhalb der SuV bundesweit vergleichbar ermitteln zu können (FRIE & HENSEL, 2007). Dazu wurden den jeweiligen Nutzungsarten der Flächenerhebung spezifische Versiegelungsgrade zugewiesen, die wiederum in Abhängigkeit des Verdichtungsgrades räumlich variieren können. Der Verdichtungsgrad definiert sich dabei als Anteil der
SuV an der Gesamtfläche der jeweiligen Regionaleinheit. Mit Blick auf eine lokal differenzierte, systematische Erfassung und Analyse der Bodenversiegelung stehen jedoch zurzeit weder eine geeignete Datenbasis noch eine etablierte Methodik zur Verfügung. Mit der Fähigkeit einer flächendeckenden sowie räumlich und zeitlich flexibel fortschreibbaren Erfassung der Bodenbedeckung kann die Erdbeobachtung mittels multispektraler Satellitensysteme an dieser Stelle eine vielversprechende Technik zur quantitativen Charakterisierung der Bodenversiegelung bereitstellen. Für einen Einsatz in der Bundesrepublik Deutschland haben Esch et al. (2008, 2009) zu diesem Zweck einen Ansatz zur kombinierten Auswertung von Satellitendaten und Informationen des Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystems (ATKIS) entwickelt. Dabei erfolgt zunächst über Techniken der digitalen Bildanalyse eine Modellierung des Versiegelungsgrades auf Grundlage von Aufnahmen des Landsat-7-Satelliten (vgl. Kap. 3). Dieses System weist bei einer flächenhaften Abdeckung von etwa 170 s185 km pro Szene eine Bodenauflösung von 30 s 30 m pro Bildelement (Pixel) auf. Damit bieten die Daten einen optimalen Kompromiss aus Flächenabdeckung und räumlichem Detaillierungsgrad – eine zentrale Voraussetzung für kosteneffiziente Auswertungen im regionalen und überregionalen Maßstab. Die Ableitung des Versiegelungsgrades über die Landsat-Daten erfolgt auf Basis eines halbautomatischen Verfahrens der digitalen Bildanalyse, das für jeden einzelnen Bildpunkt der Satellitenaufnahme eine Modellierung des Versiegelungsgrades durchführt. Dazu wird ein mathematisches Regressionsmodell genutzt, das zuvor unter Verwendung von Referenzdaten zur reellen Situation der Bodenversiegelung in einem räumlich begrenzten Areal erstellt wurde und welches die Beziehung zwischen spektraler Information der insgesamt acht Auf-
4.3 Erfassung und Bewertung der Bodenversiegelung
nahmekanäle des Landsat-Systems und Versiegelungsgrad beschreibt (ESCH et al., 2009). Um die Modellierung zu beschleunigen und die inhaltliche Genauigkeit der Analyse zu erhöhen, wird die Auswertung über die Einbindung entsprechender Informationen aus dem ATKIS gezielt auf Siedlungs- und Verkehrsareale fokussiert. Dabei wird nur für jene Areale der Versiegelungsgrad aus den Landsat-Daten berechnet, die in den ATKIS-Daten als Siedlungs- oder Verkehrsfläche ausgewiesen sind. Mit Blick auf das räumliche Auflösungsvermögen des Landsat-Satelliten ist eine exakte Erfassung linienhafter Strukturen mit begrenzter Breite – etwa Straßen oder Eisenbahnlinien – nur bedingt möglich. Daher werden diese Infrastrukturelemente in Form entsprechender ATKIS-Daten in die Auswertung eingebunden, wobei jeder Objekttyp mit einer spezifischen Breite und gegebenenfalls mit einem spezifischen Versiegelungsgrad versehen wird. Abbildung 4-3-1 zeigt den resultierenden Datensatz zur Versiegelungssituation am Beispiel der Stadt München. In dunklen Rottönen
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Abb. 4-3-1: Bodenversiegelung im Raum München (Jahr 2000), erfasst über die kombinierte Auswertung von Satellitenaufnahmen und Informationen des Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystem (DLR/Universität Würzburg)
gut zu erkennen sind die hoch versiegelten Regionen, allen voran das Stadtzentrum, die Industrie- und Gewerbeflächen im Norden (u. a. Euro Industriepark; BMW Betriebsgelände, Industriegebiet Milbertshofen-Am Hart), Süden (u. a. Siemens Betriebsgelände, Gewerbeparks in Obersendling) und Osten (Neue Messe). Die großflächigen Grünanlagen, Freizeitgelände und Friedhofflächen − etwa Englischer Garten, Olympiapark, Westfriedhof, Nymphenburger Schloss, Westpark, Waldfriedhof, Südpark, Tierpark, Ostfriedhof und Ostpark – treten als grüne Inseln im Stadtgebiet in Erscheinung. Die kleinteilig strukturierten Außenbezirke mit ihrem Nebeneinander von Häusern und Gärten weisen mittlere Versiegelungsgrade – also Orange- und Gelbtöne – auf. Dies liegt in der
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4. Die regionale Ebene
Abb. 4-3-2: a Versiegelungsgrad der Gemeindefläche und b versiegelte Fläche pro Kopf in der Bundesrepublik Deutschland. Die Analyse wurde auf der Basis von Landsat-, ATKIS- und ›Statistik Kommunal‹Daten aus dem Jahr 2000 erstellt. (DLR/Universität Würzburg)
recht begrenzten räumlichen Auflösung der verwendeten Landsat-Daten begründet, da mit jedem Bildelement (Pixel) eine Fläche von 30 s 30 m auf der Erdoberfläche abgedeckt wird. In der Folge erfasst ein Bildpixel in den kleinteiligen Stadtregionen in der Regel stets versiegelte (z. B. Häuser und Straßen) und unversiegelte Flächen (z. B. Gärten) – mit dem Resultat einer Mischinformation mit mittleren Versiegelungswerten. Der kombinierte Datensatz aus fernerkundlich modellierter Bodenversiegelung und linienhaften Infrastrukturelementen aus ATKIS kann nun über Techniken Geographischer Informationssysteme (GIS) räumlich auf beliebige administrative oder raumstrukturelle Gebietseinheiten aggregiert werden. Dies ermöglicht vergleichende Aussagen zur Versiegelungssi-
tuation oder aber die Verknüpfung der Versiegelungsdaten mit statistischen Informationen – etwa zur Bevölkerung (siehe Abb. 4-3-2). Abbildung 4-3-2 zeigt im linken Bild den Versiegelungsgrad der Gemeindefläche, wobei städtisch geprägte Kommunen – in der Regel die bekannten urbanen Ballungszentren wie Hamburg, Bremen, Ruhrgebiet, Großraum Frankfurt, Region Mannheim/Ludwigshafen, Raum Stuttgart, München, Nürnberg, Dresden, Leipzig und Berlin – mit ihren hohen Versiegelungswerten klar hervorstechen. Ebenfalls gut zu erkennen sind die stark ländlich geprägten Regionen – etwa Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder die Region des Schwarzwalds. Im rechten Bild zeigt die versiegelte Fläche pro Kopf demgegenüber ein nahezu umgekehrtes Bild. Je ländlicher und damit geringer besiedelt die Region, desto mehr versiegelte Fläche entfällt dort auf die einzelnen Bewohner. Das zuvor beschriebene Verfahren ist als modulares System ausgelegt, so dass sich die verwendete Datenbasis flexibel variieren lässt. So können von fernerkundlicher Seite auch Satel-
4.3 Erfassung und Bewertung der Bodenversiegelung
Abb. 4-3-3: Veränderungsanalyse zwischen Liegenschaftsdaten (o. l.) und aus aktuelleren Luftbildaufnahmen (o. r.) abgeleiteten Versiegelungsdaten (u. l.). Das Ergebnis der Auswertung (u. r.) gibt Flächen mit einer Zunahme der Versiegelung in pink, mit einer Abnahme hingegen in gelb an. (DLR/Universität Würzburg)
litendaten von Sensoren mit höherer räumlicher Auflösung oder Aufnahmen flugzeuggetragener Systeme, wie z. B. Luftbilder, eingebunden werden. Folglich erlaubt diese Technik, den räumlichen Detaillierungsgrad bei Bedarf weiter zu steigern, was speziell für kommunale Anwendungsfelder von hohem Interesse ist. Abbildung 4-3-3 zeigt dies am Beispiel einer Versiegelungsmodellierung, die auf der Grundlage von Luftbilddaten (Falschfarben-NahinfrarotAufnahmen) erstellt wurde (BACHOFER et al., 2009). Darüber hinaus ist in dieser Abbildung das Ergebnis einer Veränderungsanalyse aufgeführt. Im Rahmen der Veränderungsanalyse wurde ein Vergleich zwischen Liegenschaftsinformationen und der Versiegelungsmodellierung auf Grundlage der zeitlich aktuelleren
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Luftbilderdaten durchgeführt. Areale in denen die Versiegelung zugenommen hat, werden dabei pink dargestellt, während Bereiche mit einer Abnahme der Bodenversiegelung gelb wiedergegeben werden. Im aufgeführten Bildbeispiel rührt die vermeintliche Abnahme der Bodenversiegelung von einer begrünten Dachfläche, die aufgrund der Vegetationsbedeckung vom Auswertealgorithmus als unversiegelte Fläche ausgegeben wird – eine Limitierung des Verfahrens, die im übrigen auch im Falle unterirdischer Strukturen, z. B. Tiefgaragen, auftritt. Die Güte der Ergebnisse und die Erfahrungen mit der vorgestellten Technik haben gezeigt, dass sich die Bodenversiegelung über eine Auswertung von Satellitenaufnahmen – insbesondere in Kombination mit Daten der amtlichen Vermessung – zeitlich und räumlich flexibel in einer hinreichenden Genauigkeit erheben lässt. Im Rahmen der Ziele einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie kann diese innovative Methodik damit einen wichtigen Beitrag zur erweiterten Berichterstattung im Rahmen von Flächenpolitik, Klimaschutz und Biodiversität leisten.
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4. Die regionale Ebene
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4.4 Temperatureffekte in der Stadt-Umland-Region München T. Ruppert, N. Sparwasser & H. Taubenböck
Der Klimawandel ist in vollem Gange und der Mensch verändert das Klima in zunehmendem Maße und nachhaltig. Im Gegensatz zu den langsam ablaufenden globalen Prozessen, wie dem Anstieg des Meeresspiegels, dem Abtauen von Gletschern oder der Verschiebung von Lebensräumen, ist der Mensch einem unmittelbaren lokalen Klimawandel ausgesetzt, der unser tägliches Leben begleitet. Durch die Veränderung unserer direkten Umwelt, vor allem in städtischen Verdichtungsräumen, bildet sich in den unteren Luftschichten ein lokal stark differenziertes Klimasystem aus, das als Stadtklima bezeichnet wird (BRUST, 2003). Das Klima in Städten unterscheidet sich zumeist erheblich von den durchschnittlichen Bedingungen in seinem Umland. Typische Phänomene sind dabei z. B. erhöhte Oberflächen- und Lufttemperaturen oder Veränderung der Windströmung. Mit punktuellen Messungen der Oberflächentemperaturen im Gelände ist es schwierig, kontinuierlich und vor allem flächendeckend Informationen über das urbane Klima zu sammeln. Mit den Daten von Erdbeobachtungssatelliten (hier NOAA 19) wird hingegen eine flächendeckende Erfassung der Landoberflä-
chentemperaturen für Städte inklusive ihrer Umland-Regionen möglich (vgl. Kap. 3). Die Landoberflächentemperatur (engl. Land Surface Temperature (LST)) ist ein Schlüsselparameter bei der Beobachtung der physikalischen Prozesse der Erdoberfläche. Sie kombiniert die Wechselwirkung des Bodens mit der Atmosphäre sowie den Energieflüssen zwischen Boden und Luft. Die LST kann bei vielen wissenschaftlichen Fragestellungen Informationen liefern − sei es in der Klimatologie, der Hydrographie oder der Biologie. Grundsätzlich können Temperaturen von Oberflächen auf verschiedene Weise gemessen werden: Bei der thermodynamischen Messung mit Hilfe von Thermometern steht das Instrument im direkten Kontakt mit dem zu messenden Körper. Diese In-situ-Messungen erfordern eine genaue Definition der Instrumentenposition, was insbesondere bei vegetationsbestandenen Oberflächen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Der hohe Aufwand der Messungen erlaubt daher nur punktuelle Messungen. Für großflächige Anwendungen werden aus sehr vielen Einzelmessungen die Werte für die Gesamtfläche interpoliert, was eine hohe Fehleranfälligkeit zur Folge hat.
4.4 Temperatureffekte in der Stadt-Umland-Region
Bei radiometrischen Messungen wird hingegen die von einem Körper aufgrund seiner Temperatur ausgesandte Strahlung kontaktlos aus der Ferne gemessen (Fernerkundung). Beispiele für derartige Messinstrumente sind Wärmebildkameras oder Satellitenscanner. Bei der radiometrischen Messung wird die Strahlung über große Flächen hinweg einheitlich erfasst. Mit Hilfe von satellitengetragenen Sensoren werden selbst Abdeckungen im europäischen oder globalen Ausmaß möglich. Nachteil dieser Methode ist unter anderem, dass nur dann die exakte Temperatur einer Oberfläche ermittelt werden kann, wenn ihre Beschaffenheit (Emissionsgrad) bekannt ist. Andernfalls müssen Annahmen getroffen werden, die die Genauigkeit des Messverfahrens verringern. So hängt es vom Einsatzzweck ab, welche der Methoden zur Anwendung kommt. Die Daten für Temperaturkarten werden bislang punktuell an meteorologischen Stationen in ca. zwei Meter Höhe gemessen. In stark besiedelten Regionen ist dieses Netz relativ dicht, in den meisten ländlichen Regionen der Welt fehlen solche Daten jedoch gänzlich. Hier ist die Fernerkundung im Vorteil, da ihre Messdaten einheitlich, flächendeckend, kontinuierlich und schnell verfügbar sind. Mit der aus den Daten abgeleiteten Temperaturinformation können thermische Belastungsgebiete in Städten oder landwirtschaftlichen Gunst- und Ungunstgebieten kartiert und ausgewiesen werden. Temperaturkarten erlauben unter anderem auch das Auffinden so genannter Hot Spots in Städten und die Analyse des ausgleichenden Einflusses der Vegetation. Seit Mitte 1998 stellt das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR tagesaktuell berechnete Temperaturkarten auf Basis operationeller Wettersatelliten (der amerikanischen NOAA Serie − zurzeit NOAA-19) zur Verfügung. Die Karten werden in stereografischer Projektion mit eine räumlichen Auflösung von 1,1 km über den Online-Katalog (EOWEB) des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums (DFD) zur Verfügung gestellt. In Zukunft werden die Messdaten auch über das neue Geoportal des DFD als WebMap Service verfügbar sein. Dadurch kann mit jeder GIS Applikation auf die
63
Daten zugegriffen und diese in eigenen Projekten verwendet werden. Zur Bestimmung der Landoberflächentemperaturen wird die so genannte Splitt WindowMethode verwendet. Hierbei werden die dicht nebeneinander liegenden Wasserdampfabsorptionsfenster (10,5 μm & 11,5 μm) zur Korrektur des atmosphärischen Einflusses genutzt (BECKER & LI, 1990). Zur Bestimmung der Emissionsgrade der Landoberflächen wird eine empirische Methode verwendet (V VAN DE GRIEND & OWE, 1993). Diese Autoren stellten dafür in einem aufwendigen Feldexperiment einen direkten Zusammenhang zwischen dem Emissionsgrad der Vegetation und dem Vegetationsindex (Normalized Difference Vegetation Index – NDVI) her (vgl. Kap. 3). In der Vorbereitungsphase wird jede Satellitenbildszene mit Hilfe der Bahnparameter des Satelliten georeferenziert und manuell nachkorrigiert. Mit einer automatisch berechneten Wolkenmaske werden eventuell vorhandene Wolken von der weiteren Berechnung ausgeschlossen. Die Einzelpassagen werden mit Hilfe der Georeferenzierung in eine Kartenprojektion überführt. Als erstes Produkt wird dann für die Tagpassagen, der für die Abschätzung des Emissionsgrads benötigte NDVI berechnet. Dieses Produkt steht ebenfalls über die oben beschriebenen Schnittstellen zur Verfügung. Nach Berechnung der LST werden die jeweils drei Tag- bzw. Nachtüberflüge zu den entsprechenden Tag- bzw. Nachkompositen zusammengefügt. Für die Tagpassagen ist das Kriterium für die Verschneidung zum Komposit der maximale Vegetationsindex am Messpunkt. Für die Nachtpassagen wird die maximale LST verwendet. Neben den Tagesprodukten werden auch Wochen- und Monatsprodukte, die durch die jeweilige Mittlung der Tageswerte erzeugt werden, angeboten (vgl. Abb 4-4-2). Die Genauigkeit der bei routinemäßiger Berechnung ermittelten Bodentemperaturen hängt von vielen Faktoren ab. Diese beinhalten die Kalibrierung des Sensors, die Korrektur störender Atmosphäreneinflüsse, die Korrektur unterschiedlicher Emissivitäten der Oberfläche oder die Korrektur der Abbildungsgeometrie des Sensors. Trotz der systembedingten Unterschie-
64
4. Die regionale Ebene
Abb. 4-4-1: Landoberflächentemperatur (LST) für die Stadt-UmlandRegion München (DLR)
de von punktuellen Stationsmessungen mit Thermometern und den über großen Flächen mittelnden Satellitenmessungen kann eine gute Übereinstimmung der Temperaturen aus beiden Verfahren festgestellt werden. Exemplarische Vergleiche der LST Temperaturen mit In-situ-Messungen in fünf Zentimetern sowie in zwei Metern Höhe für mehr als 120 meteorologische Stationen in ganz Deutschland zeigen Abweichungen mit einem mittleren Fehler von ca. 3 °C. Abbildung 4-4-1 zeigt die ermittelten Oberflächentemperaturen (LST) der Stadt-UmlandRegion München. Zur räumlichen Einordnung wurden die vom Satelliten ermittelten LST-Werte vom 29. Juli 2009 mit einem geometrisch höher aufgelösten Satellitenbild (Landsat) überlagert. Der dargestellte Temperaturbereich reicht von 25 °C bis 42,5 °C und wird entsprechend in den Farben von blau über grün/gelb bis rot dargestellt. Zur besseren räumlichen Orientierung sind die Namen einiger Orte im Umland sowie einiger Gewässer eingeblendet. Da über den
großen Seen die Ermittlung von LSTs technisch nicht möglich ist, sind diese Werte ausgespart. Im Überblick stechen der Stadtkörper Münchens und seine Vorstädte mit wesentlich höheren Temperaturen klar gegenüber den gering oder unbebauten ländlichen Regionen hervor. Die maximale Temperaturdifferenz zwischen dem urbanen Raum und dem nahen Umland liegt bei etwa 8 °C. Diese ernorme Differenz ist zwischen Münchens dicht besiedeltem Zentrum und den Kaltluftseen der großen, zusammenhängenden Waldgebiete des Ebersberger und Perlacher Forsts (östlich von Vaterstetten bzw. zwischen Grünwald und Oberhaching) sowie dem Forstenrieder Park (östlich von Gauting) ersichtlich. Offensichtlich wird auch die relative Kaltluftschneise, die der Englische Garten und der Isarlauf mit seinen Auen im Münchner Norden bilden. Auffallend ist auch, dass durch die räumliche Einengung dieser Freiräume auf den Isarlauf im Münchner Zentrum, die Fläche offensichtlich nicht mehr für eine signifikant geringere LST gegenüber den bebauten Arealen
4.4 Temperatureffekte in der Stadt-Umland-Region
65
Abb. 4-4-2: Landoberflächentemperatur (LST) im Tages-, Wochen- und Monatsgang für die StadtUmland-Region München (DLR)
ausreicht. Die Analyse zeigt zudem, dass einige, nicht direkt mit dem Stadtkörper verbundene Münchner Vorstädte wie Gilching, Fürstenfeldbruck, Wolfratshausen oder Neufahrn sowie der Münchner Flughafen eigene Wärmeinseln bilden. Im Vergleich dazu zeigt Abbildung 4-4-2 nicht nur die LST-Werte eines Tages, sondern über eine Woche bzw. einen Monat hinweg gemittelte Werte. So stehen die LST-Werte vom 29. Juli 2009, dem Wochenkomposit (vom 27. Juli 2009 bis zum 02. August 2009) und dem Monatskomposit (Juli 2009) gegenüber. Alle Darstellungen zeigen die Region München und ermöglichen somit eine Beurteilung des Temperaturverhaltens über einen längeren Zeitraum. Abbildung 4-4-2 macht deutlich, dass die Temperaturunterschiede zwischen den hoch versiegelten und den gering bebauten Arealen in der Region München kein zufälliger oder singulär auftretender Effekt sind. Sowohl im Wochen- als auch im Monatsmittel kristallisiert sich der Münchner Großraum als relative Wärmeinsel gegenüber seinem Umland heraus. Im Detail zeigt sich, dass es Areale gibt, die eine konstante Wärmeinsel darstellen. Das Münchner Zentrum spiegelt kontinuierlich, über einen Monat hinweg, ein Temperaturmaximum wider. Im Gegensatz dazu lassen sich aber auch Regionen identifizieren, die wohl aufgrund lokaler, struktureller, klimatischer oder lagespezifischer Effekte, deutlichen Temperaturschwankungen unterliegen. So kristallisiert sich beispielweise für Wolfratshausen heraus, dass sich die LST-Werte dieses urbanen Raumes im
Monatsmittel wesentlich geringfügiger vom Umland unterscheiden, als es für den 29. Juli exemplarisch gemessen wurde. Die fernerkundliche Ableitung der LST auf regionaler, nationaler oder gar kontinentaler Ebene zeigt das Potenzial dieser Datensätze, klimatische Effekte und Auswirkungen zu identifizieren und zu beschreiben. Schon auf diesem geometrischen Level wird deutlich, dass das Mikroklima und die Luftqualität in Städten durch eine angemessene Stadtplanung in hohem Maße positiv beeinflusst werden kann. Vor allem durch die Planung von Grünanlagen sowie die Erhaltung von großflächigen, unzersiedelten Arealen im nahen Stadt-Umland kann hierbei die Lebensqualität in Städten gesteigert werden (BRUST, 2003). Der sehr lokale Einfluss der kleinräumigen Strukturen des urbanen Raumes auf das Mikroklima kann allerdings mit diesen Datensätzen nicht analysiert werden. Eine Studie zur Modellierung dieser lokalen Effekte wird in Kapitel 7.5 vorgestellt.
Referenzen BECKER, F. & Z.L. LI (1990): Towards a local split window method over land surface. − Int. J. Rem. Sens., 3: 369−393. BRUST, M. (2003): Stadtgrün und Stadtklima. − LÖBF-Mitteilungen, 1: 66−70. VAN DE GRIEND, A.A. & M. OWE (1993): On the Relationship Between Thermal Emissivity and the Normalized Difference Vegetation Index for Natural Surfaces. − Int. J. Rem. Sens., 14: 1119−1137.
5
5. Die lokale Ebene: Raumbezogene Analysen auf Gebäudelevel Wer neu in eine fremde Stadt kommt, erlebt sie auf den ersten Blick meist als ein unüberschaubares Labyrinth. Räumliche und funktionale Zusammenhänge lassen sich in dem chaotisch erscheinenden Häusermeer nicht sofort erschließen. Grundsätzlich aber sind Städte aus einander ähnlichen Strukturelementen aufgebaut. Deren Anzahl, physische Erscheinung, räumliche Ausdehnung und Anordnung charakterisiert Städte oder Stadtteile. Erst nach und nach offenbaren sich diese strukturierenden Elemente und räumlichen Gesetzmäßigkeiten im urbanen Gefüge. Durch die Distanz der fernerkundlichen Perspektive wird es möglich, die städtischen Sied-
lungselemente in ihrer Gesamtheit zu erfassen und zu einem physischen System ›Stadt‹ zusammenzufügen. Neue Fernerkundungssensoren verschaffen uns die Möglichkeit, selbst die kleinräumigen Strukturen im städtischen System zu erkennen und die Gesamtstadt wiederum als ein heterogenes System von Gebäuden, Straßen und Freiflächen auflösen und begreifen zu können. Während die regionalen Analysen in Kapitel 4 diese geometrischen und thematischen Details komplexer urbaner Strukturen und Muster nur im Überblick betrachten, fokussiert Kapitel 5 darauf, die innerstädtischen Details gebäudescharf zu erfassen und das Gefüge abzubilden.
5.1 Das 3-D-Stadtmodell als planungsrelevante Grundlageninformation M. Wurm & H. Taubenböck
Hintergrund Der städtische Raum ist ein komplexes Gebilde aus physischen Strukturen und den Menschen, die ihn bewohnen und lebendig machen. Die sichtbarsten und greifbarsten Formen einer Stadt sind jedoch die Elemente der gebauten Landschaft. Diese sind in ihrer Form, Größe, Funktion und ihrem Erscheinungsbild durch kulturelle Einflüsse, wirtschaftliche Möglichkeiten, technische Standards, soziale Strukturen, historische Entwicklungen oder politische Ideologien beeinflusst. Somit können stadtstrukturelle Elemente aufgrund ihrer Physio-
gnomie einem bestimmten Kulturraum zugewiesen werden, oder Gruppen ähnlicher Einheiten bestimmt werden. Für die Erfassung der physischen Ausprägung des städtischen Raumes erweisen sich Fernerkundungsdaten als besonders geeignet, da sie große Gebiete zu einem einzigen Zeitpunkt erfassen und abbilden können und somit gleichbleibende Datengrundlagen gewährleisten können. Aufgrund des breiten Spektrums an verfügbaren Fernerkundungssensoren und –plattformen (vgl. Kap. 3) ist ein breites Spektrum an Daten vorhanden, aus welchen man für die Beantwortung verschiedener Fragestellun-
5.1 Das 3-D-Stadtmodell
gen wählen kann. Auch die Komplexität der physischen urbanen Strukturen lässt sich dadurch in unterschiedlicher thematischer Tiefe in Abhängigkeit der Datengrundlage charakterisieren. Während für die Erfassung raumzeitlicher Entwicklungen multitemporale Auswertungen auf der räumlichen Ebene der Gesamtstadt (vgl. Kap. 4) ausreichen, bedürfen detailliertere Beschreibungen der innerstädtischen Merkmale höher aufgelöste Datengrundlagen. Für die thematische Charakterisierung der einzelnen städtebaulichen Elemente und Strukturen sind Fernerkundungsdatensätze mit einer Maschenweite von einem Meter und besser verfügbar. Um der Vielfältigkeit der urbanen Strukturen gerecht zu werden, sind sowohl die flächenhaften als auch die physisch-strukturellen Elemente im städtischen Raum zu charakterisieren. Diese Informationen können mit Methoden der Fernerkundung über die Verknüpfung klassischer, optischer Satellitenbilddaten und dreidimensionaler Oberflächendaten erstellt werden. Erst die gleichzeitige Auswertung beider Datengrundlagen erlaubt die präzise Beschreibung der natürlichen und physiognomischen Ausstattung des urbanen Systems.
Einleitung Die Auswertung traditioneller, monoskopischer Fernerkundungsaufnahmen stützt sich vordergründig auf die Betrachtung der flächenhaften, zweidimensionalen Ausdehnung des städtischen Gefüges und erlaubt, mit Ausnahme der indirekten Abschätzung von Gebäudehöhen über deren Schattenlängen (HARTL & CHENG, 1995), keine weiterführende physiognomische Analyse der städtischen Strukturen. Um die urbanen Erscheinungsformen in allen Ausprägungen (linear, flächenhaft und räumlich) erfassen zu können, ist die vertikale Komponente der urbanen Elemente in der Untersuchung zusätzlich zu berücksichtigen. Nur durch die dritte Dimension in der Betrachtung können detaillierte Erkenntnisse über physische Standortmerkmale, Bautypologien und strukturelle Besonderheiten ermöglicht werden. Um die
67
kleinräumige Strukturierung des städtischen Raumes zu erfassen, ist eine entsprechend ausreichende geometrische Auflösung notwendig. Die Aufnahme der dritten Dimension mit Fernerkundungssensoren wird in der Regel mit einer von zwei gängigen Methoden durchgeführt. Die klassische, aus der Photogrammetrie stammende Methode beruht auf der Auswertung stereoskopischer Aufnahmen, welche in herkömmlichen Verfahren nicht ohne hohen manuellen Einsatz hergestellt werden konnten. Mit der Entwicklung der High Resolution Stereo Camera – Airborne Extended (HRSC-AX) konnte die Prozessierungskette der Daten von den Rohdaten bis zum digitalen Oberflächenmodell weitgehend automatisiert werden (SCHOLTEN et al., 2003). Eine andere, immer stärker verbreitete Methode für die Erstellung digitaler Oberflächenmodelle (DOM) ist mittels Airborne Laser Scanning (ALS). Über die Messung der Laufzeit eines Laserstrahls (Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation) von der Quelle bis zum reflektierenden Objekt auf der Erdoberfläche und zurück zum Sensor wird die Distanz ermittelt und durch GPS/INS (Global Positioning System/Inertial Navigation System) räumlich exakt verortet (WEHR & LOHR, 1999). Das Ziel dieses Beitrages ist es, das Potenzial fernerkundlicher Methoden und Daten aufzuzeigen, um das bauliche Gefüge des Systems Stadt in seinen kleinräumigen Details weitgehend automatisiert zu erfassen. Diese Methode beinhaltet die synergetische Auswertung von höchstaufgelösten Satellitenbilddaten, wie IKONOS, QuickBird, etc. und DOM aus unterschiedlichen Aufnahmesystemen. Mit der Unabhängigkeit dieses Ansatzes von den fernerkundlichen Eingangsdaten wird eine Übertragbarkeit der Methode auf andere städtische Räume mit vergleichbaren Fernerkundungsdaten gewährleistet. Viele Entwicklungen in den vergangenen Jahren zeigen das große Interesse und die Potenziale, welche von dreidimensionalen Grundlagendaten in Städten ausgehen. Für viele Städte in Deutschland wurden dreidimensionale Stadtmodelle oder sogar Stadtinformationssysteme – in teils sehr aufwändigen Verfahren – angefertigt. Die Herausforderung
68
5. Die lokale Ebene
bestand hier meist in der möglichst detailgetreuen Wiedergabe der Wirklichkeit in einer virtuellen Umgebung. Diese stark aus der Richtung von Computervision motivierten Umsetzungen ermöglichen dem Anwender virtuelle Stadtrundgänge vor Gebäuden mit digitalisierten, originalgetreuen Fassaden (vgl. Kap. 5.6). Neben der reinen Visualisierung von Gebäuden oder Stadtteilen können mit Stadtmodellen Veränderungen im zeitlichen Verlauf – in der Vergangenheit oder der Zukunft – dargestellt werden und somit als Grundlage für planerische Aufgaben dienen. Stadtmodelle werden zusätzlich zum Städtebau für weitere Anwendungen wie für die Beantwortung umweltrelevanter Fragestellungen, Navigation, Katastrophenschutz und Risiko- und Vulnerabilitätsabschätzungen (T TAUBENBÖCK et al., 2009) herangezogen.
Methode Die Datengrundlage für die Herstellung des 3-D-Stadtmodells in diesem Kapitel besteht zum einen aus geometrisch höchstaufgelösten optischen Satellitenbilddaten des Sensors IKONOS und zum anderen aus einem digitalen Oberflächenmodell, hergestellt aus stereoskopischen HRSC-AX-Aufnahmen. Beide Datensätze sind in einer geometrischen Auflösung von einem Meter verfügbar (vgl. Kap. 3), wodurch eine detaillierte Charakterisierung der städtischen Landschaft auf Einzelhausniveau ermöglicht wird. Die angewendete Methode zur Ableitung des 3-D-Stadtmodells ist grundsätzlich unabhängig davon, auf welche Art und Weise − photogrammetrisch oder mittels ALS − das Oberflächenmodell erzeugt wurde. Primär handelt es sich um einen automatischen, übertragbaren und objektorientierten Ansatz welcher aus zwei Modulen aufgebaut ist: der Segmentierung und der Klassifizierung. Seit Satellitenbilddaten geometrische Auflösungen von rund einem Meter erreichen, ist die Segmentierung ein essentieller Schritt in der Bildanalyse dieser Daten. Traditionelle, pixelbasierte Klassifikationsmethoden haben auf Grund der durch die hohe geometrische Auflösung entstehenden spektralen Heterogenität in-
nerhalb von Objekten (z. B. ein Dach mit kleinen Fenstern, oder Autos auf Straßen) nicht mehr das ausreichende Potenzial mit entsprechender Genauigkeit, Objekte richtig zu klassifizieren. Objektorientierung bedeutet in der Fernerkundung, dass nicht einzelne Bildelemente (Pixel) in ihrer spezifischen spektralen Ausprägung betrachtet werden, sondern vielmehr Cluster angrenzender Pixel, so genannte Segmente. Die grundlegende Funktion von Segmentierungsalgorithmen ist die Fusion von Pixeln basierend auf ihrer spektralen Homogenität beziehungsweise ihre Differenzierung von Nachbarregionen auf Grund ihrer Heterogenität (SCHIEWE, 2002). Mit Hilfe dieser Segmente ist es möglich, realitätsnahe und damit thematisch bedeutsame Objekte zu erstellen, welche mit räumlichen Mustern – der Wirklichkeit entsprechend – übereinstimmen (BLASCHKE & STROBL, 2001). Die Segmentierung im vorliegenden Ablauf wird hierarchisch durchgeführt und ermöglicht dadurch die Auswertung auf verschiedenen räumlichen Ebenen. In einem ersten Segmentierungsschritt wird eine übergeordnete Raumeinheit erstellt, welche durch ›Baublöcke‹ repräsentiert ist. Diese sind meist durch ein Straßengeviert nach außen hin abgegrenzt und häufig durch ähnliche Bebauungsstrukturen geprägt. Die durch diese Blockstrukturen repräsentierte räumliche Ebene wird durch Einlesen externer Datenquellen hergestellt. Diese können sowohl durch deutschlandweit verfügbare Informationsebenen aus dem ATKIS Basis DLM (Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem) oder anderen Datenquellen stammen. Alternativ können sie auch aus digitalen Datensätzen über Straßenverläufe gebildet werden. Diese Information ist für viele Gebiete in Deutschland frei über das Internet verfügbar (HAKLAY & WEBER, 2008) und kann nach entsprechender Vorverarbeitung ebenfalls als Baublockgrenzen in den Arbeitsablauf eingebunden werden. Diese Basisebene der Baublöcke bildet die räumliche Grundlage für die darauffolgende Berechnung von statistischen Kennwerten. Für jeden einzelnen Baublock werden sowohl der kleinste und der größte Grauwert, sowie unterschiedliche Quantile berechnet. Letztere zeich-
5.1 Das 3-D-Stadtmodell
69
Abb. 5-1-1: a Digitales Oberflächenmodell vom Zentrum Münchens; b Überlagerung mit Blockgrenzen; c klassifizierte Einzelgebäude und d Geschossflächendichte (GFD) auf Blockebene (DLR/Universität Würzburg)
nen sich im Gegensatz zu Extremwerten (Minimum und Maximum) weniger beeinflusst von stark abweichenden Einzelwerten (Ausreißer). Sie kennzeichnen als Eingangsparameter den Wertebereich für die darauffolgende, detailliertere Segmentierung der Einzelgebäude. Durch diese lokale Anpassung der Wertebereiche kann einerseits die Prozessierungsdauer verkürzt werden und andererseits der Einfluss besonderer topographischer Gegebenheiten minimiert werden. Das Ergebnis der Segmentierung des DOM zeigt eine Differenzierung der einzelnen Blöcke in helle (relativ hohe) und dunkle (relativ niedrige) Bereiche. Anhand charakteristischer Eigenschaften der entstehenden Objekte wird eine Klassifizierung durchgeführt. Sie weist die Objekte aus, welche vor allem durch ihre relative Höhendifferenz gegenüber benachbarten Objekten als Gebäude identifiziert wurden. Zusätzlich gehen Formkriterien in die Klassifikation ein, welche charakteristische Formen von Gebäuden und natürlichen Formen unterscheidet. Das Resultat ist eine Gebäudemaske (vgl. Abbildung 5-1-1c), in welcher die deutliche Differenzierung des Stadtgebietes in Baustruktur und andere städtische bzw. nicht-städtische Erscheinungsformen zu erkennen ist. Abbildung 5-1-1 zeigt das DOM für einen Ausschnitt
vom Zentrum Münchens, überlagert mit dem Straßennetz aus OpenStreetMap (OPENSTREETMAP, 2009), welches die Blockgrenzen darstellt. Die Anwendung dieser Methode wurde erfolgreich in anderen Untersuchungsgebieten durchgeführt (W WURM et al., 2009a). Die im Oberflächenmodell enthaltene Information über die absolute Höhe der einzelnen Bildelemente wird darauffolgend für die Berechnung der Höhe der abgeleiteten Gebäude herangezogen. Aus der Differenz der mittleren Objekthöhe des Einzelgebäudes und der mittleren Blockhöhe ohne Gebäude wird die relative Höhe der Gebäude berechnet. Sie stellt die Grundlage für die Abschätzung der Anzahl der Geschosse der Gebäude dar. Aus Referenzdaten (Schrägluftbilder) wurden für repräsentative Gebäudestrukturen die Geschosszahlen visuell ausgewertet und mit der ermittelten Gebäudehöhe in Verbindung gesetzt. Dadurch kann die mittlere Geschosshöhe abgeschätzt werden. Abhängig von der individuellen Gesamthöhe eines Gebäudes kann somit die Anzahl der Geschosse in diesem Gebäude abgeschätzt werden. Sie wird für die dreidimensionale Darstellung und Quantifizierung der Gebäude benötigt und findet in weiterführenden Analysen, wie z. B. Bevölkerungsabschätzungen, Anwendung (Kap. 7.2).
70
5. Die lokale Ebene
Die Prozessierung des optischen Satellitenbilddatensatzes wird ebenfalls in einem hierarchischen Ablauf durchgeführt, wobei aber in diesem Verarbeitungsschritt nur mehr jene Bildbereiche analysiert werden, welche nicht von Gebäuden aus der Gebäudemaske überlagert sind. Die Ableitung der Landbedeckung beruht auf einer Segmentierungsoptimierung (ESCH et al., 2008) und einer anschließenden hierarchischen Klassifikationsmethode (T TAUBENBÖCK et al., 2010). Rekapitulierend zielt die Methode auf die Bildung von realitätsnahen Segmenten ab, welche die Elemente in der urbanen Landschaft möglichst naturgetreu repräsentieren. In mehreren Optimierungsschritten werden über- und untergeordnete Segmente der Objekthierarchie statistisch miteinander verglichen und bei entsprechender Übereinstimmung der Homogenitätskriterien der einzelnen Objekte zusammengefasst. So können besonders große, homogene sowie kleine, strukturierte Objekte in derselben Segmentierungsebene gleichzeitig dargestellt werden. Dies hat zur Folge, dass Größen- und auch Formmerkmale der Objekte bei der darauffolgenden Klassifizierung berücksichtigt werden können. Während spektral homogene Wiesen- oder Wasserflächen durch verhältnismäßig große Objekte repräsentiert werden, sind urbane Elemente wie Gebäude durch kleine Objekte dargestellt. Die Übertragbarkeit der Methode auf andere, ähnliche Datensätze und Untersuchungsgebiete wurde bei der Auswahl der Klassifikationsmerkmale berücksichtigt. Neben form- und größenbasierten Merkmalen wurde die spektrale Information der einzelnen Objekte nur über Ratios, wie z. B. dem Normalized Difference Vegetation Index NDVI (ALBERTZ, 2009) eingebunden. Er eignet sich besonders gut für die Klassifizierung von Vegetationsflächen und ist unter ähnlichen Ausgangsbedingungen weitgehend übertragbar. Dadurch wird der Klassifikationsalgorithmus belastbarer im Hinblick auf Übertragbarkeit in andere Regionen und ermöglicht durch kleine Anpassungen eine wesentlich stabilere Anwendung. Die bereits für die lokale Berechnung der statistischen Kennwerte auf Blockebene verwendete Vektorinformation der Straßen wird auch bei der Klassifikation der Landbede-
ckung herangezogen. Ausgehend von den Straßen werden mittels region-growing-Verfahren (SCHOWENGERDT, 2007) benachbarte Objekte ebenfalls als ›Straße‹ klassifiziert, wenn zusätzlich sowohl die formbasierten als auch spektralen Merkmale übereinstimmen. Neben dieser Klasse sind noch ›Gebäude‹ aus dem Segmentierungsablauf des digitalen Oberflächenmodells klassifiziert und stellen neben den weiteren Klassen ›Wiese/Grasland‹, ›Wald/ Gebüsch‹, ›Wasser‹, ›versiegelt‹ und ›offener Boden‹ insgesamt sieben verschiedene Landbedeckungsklassen dar.
Ergebnis Die zweidimensionale Klassifikation der Landbedeckung der urbanen Landschaft Münchens ist im Überblick in Abbildung 5-1-2 dargestellt. Die urbanmorphologischen Bausteine (Gebäude, Verkehrsflächen, versiegelte Areale, Freiräume, etc.) können eindeutig für eine Beschreibung der Stadtlandschaft identifiziert, quantifiziert und charakterisiert werden. Der Überblick in Abbildung 5-1-2a visualisiert die Isar und seine Auen als trennendes Band durch den urbanen Raum Münchens von Südwesten nach Nordosten. Der Englische Garten verbreitert im Nordosten dieses Band erheblich. In der Ost-West-Achse sticht als Pendant die Bahnstrecke hervor. Auffallend ist die visuell deutlich hervortretende Abnahme der Gebäudedichte vom Zentrum (innerhalb des Altstadtringes) in Richtung Peripherie. Die Strukturen der Randgebiete weisen einen hohen Vegetationsanteil mit klar erkennbaren Einzel- bzw. Doppelhausbebauungen auf. Die Gewerbegebiete im Norden (u. a. BMW) und im Südwesten (Siemens) bzw. in der Nähe des Ostbahnhofs (u. a. Kunstpark Ost) sind gekennzeichnet durch ihren hohen Versiegelungsgrad. Die Ausschnitte der Landbedeckungsklassifikation um den Ostbahnhof (Abbildung 5-1-2b & 2c) zeigen das Potenzial der multisensoralen Auswertung fernerkundlicher Datensätze in voller Auflösung. Basierend auf der räumlichen Erscheinungsform sind homogene Bautypologien und indirekt dadurch auch Stadtentwick-
5.1 Das 3-D-Stadtmodell
71
Abb. 5-1-2: a Landbedeckungsklassifikation der Stadt München b & c Detailausschnitt um den Ostbahnhof (DLR/Universität Würzburg)
lungsphasen (Altstadt, gründerzeitliche Stadterweiterungen in den Vorstädten, Alte Dorfkerne, etc.) (siehe auch Abb. 5-1-3) ableitbar und für ein Erfassen der Stadt in seiner Form hilfreich. Die einzelnen Gebäude und ihre charakteristische Physiognomie werden in weiterer Folge für zusätzliche Auswertungen verwendet (vgl. Kap. 5.4, 5.5, 7,1, 7.2 & 7.3).
Abbildung 5-1-3 ermöglicht durch seine perspektivische Darstellung einen räumlichen Eindruck der städtischen Strukturen. Die Einbindung der Gebäudehöhen, abschätzungsweise der Vegetationshöhen sowie der Geländeoberfläche erlaubt im Vergleich zur zweidimensionalen Landbedeckungsklassifikation einen entscheidenden Mehrwert, um das physische
72
5. Die lokale Ebene
Abb. 5-1-3: Dreidimensionale Darstellung vom Zentrum Münchens aus Blickrichtung Südost (DLR/ Universität Würzburg)
Gefüge ›Stadt‹ in seiner Komplexität erfassen zu können. Das gesamte Potenzial, Erkenntnisse über lineare, flächige und räumliche Strukturen und Bautypologien zu gewinnen, wird durch die Analyse und Darstellung der horizontalen und vertikalen Stadtstruktur ersichtlich. Eine vergleichbare Datenbasis wurde für hochwasserrelevante Fragestellungen bereits für die Städte Köln und Dresden genutzt (WURM et al., 2009b). Die räumliche Überlagerung von Überschwemmungsszenarien mit der urbanen Morphologie erlaubt potenziell betroffene Gebäude, Infrastrukturflächen, etc. zu lokalisieren und zu quantifizieren (vgl. Abb. 8-1).
Genauigkeitsanalyse Die Resultate visualisieren das Potenzial der Fernerkundung, die Kleinräumigkeit und Komplexität urbaner Strukturen im Detail abbilden zu können. Dennoch können die Ergebnisse in ihrer Genauigkeit nicht an jene von Katasterdaten heranreichen. Die Genauigkeit der Landbedeckungsklassifikation wird über einen visuellen Abgleich des Klassifikationsergebnisses mit Referenzdaten, im vorliegenden Fall mit den IKONOS-Ausgangsdaten, abgeschätzt. Basis hierfür bilden 200 zufällig über die gesamte Szene verteilte Referenzpunkte für jede thematische Klasse. Für alle Punkte wird visuell bestimmt, in welcher Klasse sie zu liegen kommen. Die Ergebnisse werden in einer Konfusionsmatrix (MATHER, 2004) gegenübergestellt und erlauben somit eine Beurteilung der Güte des
5.1 Das 3-D-Stadtmodell
73
Kl ifik i Klassifikation
Referenzdaten Klassen
Wasser
Wiese
Bäume
Wasser
188
2
0
0
0
2
192
97,9
Wiese
0
191
12
1
0
0
204
93,4
Bäume
0
7
187
0
0
0
194
96,4
Strassen
0
0
0
192
0
1
193
99,5
Versiegelt
8
0
1
4
186
15
214
86,9
Boden
4
0
0
3
14
182
203
89,7
200
200
200
200
200
200
1200
Total
Hersteller [%] 94,0
95,5
Straßen
93,5
Tab. 5-1-1: Genauigkeitsabschätzung der Landbedeckungsklassifikation
Klassifikationsergebnisses in Hersteller- und Nutzergenauigkeit. Erstere beschreibt den Anteil der Referenzdaten, der bei der Klassifikation erfasst wurde, die zweite den Anteil der Klassen der mit den Referenzdaten übereinstimmt (CONGALTON & GREEN, 2008). Im Mittel kann die Gesamtgenauigkeit für die die thematische Erfassung der urbanen Landschaft für das vorliegende Untersuchungsgebiet mit knapp 94 % angegeben werden. Die Ergebnisse der Methode weisen hohe Genauigkeiten auf, wodurch eine aussagekräftige,
96,0
Versiegelt Boden
93,0
Total
Nutzer[%]
91,0
93,8
detaillierte Charakterisierung der stadtstrukturellen Bausteine gegeben ist. Ein Vergleich der abgeschätzten Geschosszahlen mit offiziellen Referenzdaten aus einem digitalen Gebäudemodell zeigt, dass für beinahe die Hälfte aller überprüften Gebäude die exakte Anzahl der Geschosse ermittelt wurde (rund 46 %; vgl. Tab. 5-1-2). Unter der Annahme, dass trotz einer Über- bzw. Unterschätzung der jeweiligen Geschosszahl um ein einziges Geschoss der Charakter des betreffenden Gebäudes im Wesentlichen beschrieben wird, wird eine Genauigkeit von beinahe 87 % erreicht (vgl. Tab. 5-1-2). Der Vorteil der vorliegenden Methode liegt allerdings eindeutig in der Möglichkeit zur raschen Charakterisierung der Bebauungsstrukturen aus Oberflächenmodellen unterschiedlicher Daten-
G h Geschosszah h
Abweichungen der berechneten Stockwerkszahlen in % b -2
-1
2
0,00
22,87
3
2,33
4
2,96
5 r6 Mittelwert
+1
r +2
66,83
7,73
2,58
24,42
50,00
13,18
10,08
25,61
27,76
32,35
11,32
8,48
15,63
44,64
27,68
3,57
15,73
24,72
39,33
10,11
10,11
5,90
22,65
45,71
18,21
7,53
Summe Tab. 5-1-2: Genauigkeitsanalyse der abgeleiteten Geschosszahlen.
0
86,57
74
5. Die lokale Ebene
grundlagen. Der gewählte Ansatz zur automatischen Ableitung der Stockwerkszahlen hat eine starke Nivellierung der Ergebnisse zur Folge, da viele Schwierigkeiten zu Gunsten der Robustheit und Geschwindigkeit unberücksichtigt bleiben. Es konnte beobachtet werden, dass insbesondere die Ausweisung des Dachgeschosses bei Häusern mit Giebeldächern als zusätzliches Vollgeschoss sich als schwierig herausstellte. Ein visueller Abgleich mit Referenzdaten (Schrägluftbildaufnahmen) zeigte, dass selbst eine optische Interpretation ohne Einbeziehung von zusätzlichem Wissen häufig nicht die Geschosszahlen der offiziellen Referenzdaten ergibt. Eine Weiterentwicklung des bestehenden Ansatzes ist vorgesehen, wobei unter anderem eine gebäudetypenabhängige mittlere Geschosshöhe für die Abschätzung der Geschosszahlen berücksichtigt werden soll. Die auf diese Weise erfassten und charakterisierten individuellen Strukturelemente sind die Basis für die Berechnung von weiteren stadtstrukturellen Kennwerten auf Baublockebene. Auf dieser Ebene kann nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Strukturierung geschaffen werden, und Vergleichbarkeit mit anderen städtischen Räumen hergestellt werden. Einen solchen Indikator stellt die Dichte der bebauten Grundstücksfläche dar. Sie ist als Geschossflächenzahl (GFZ) ein Maß der baulichen Nutzung (§16 Baunutzungsverordnung; BGB1-I). Dieses ist ein städtebauliches Steuerungsinstrument und reguliert über die Grundflächenzahl, GFZ, Zahl der Vollgeschosse und der Höhe baulicher Anlagen die örtlichen Bauvorhaben. Mit der Geschossflächenzahl (GFZ, §20 BauNVO) wird das Verhältnis der gesamten Geschossfläche sämtlicher baulicher Anlagen zur Grundstücksfläche beschrieben. Sie kann näherungsweise aus dem erstellten 3-D-Stadtmodell aus den abgeschätzten Geschosszahlen der einzelnen Gebäude im Verhältnis zur gesamten Blockfläche bestimmt werden (vgl. Abb. 5-1-1d). Diese Geschossflächendichte (GFD) gibt das Verhältnis von tatsächlich gebauter Bruttogeschossfläche zur Gesamtfläche der Struktureinheit wieder (P PAULEIT, 1998).
Zusammenfassung Die Fernerkundung ermöglicht die Bereitstellung einer aktuellen, flächendeckenden und vergleichsweise kostengünstigen Geo-Informationsbasis, um das kleinräumige physische urbane System räumlich zu erfassen. Städtische Strukturen können auf diese Weise in Form von dreidimensionalen Grundlagendaten weitgehend automatisiert hergestellt werden und mit hoher geometrischer Genauigkeit und thematischer Tiefe unabhängig von administrativen Grenzen bereitgestellt werden. Mit einer Klassifikationsgüte von über 90 % in der thematischen Erfassung der Landbedeckung wird bei weitgehender Automatisierung des Prozessablaufes ein hoher Genauigkeitsgrad erzielt. Trotz hoher Genauigkeiten und Übertragbarkeit der Klassifikationsansätze kann die hohe räumliche und thematische Qualität und Verlässlichkeit von Katasterinformationen nicht erreicht werden. Diese Daten werden unter einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand hergestellt und bilden den städtischen Raum bis ins kleinste Detail realitätsgetreu ab. Im Gegensatz dazu bietet die Fernerkundung dem Stadtplaner wertvolle raumbezogene Grundlageninformationen, die unabhängig von administrativen Einheiten, flächendeckend und hoch aktuell bereitgestellt werden können. Es stellt sich daher die Frage, wie genau die Informationen für bestimmte planungsrelevanten Fragestellungen sein müssen und ob die Ergebnisse, die in ihrer Dimension korrekt sind, der Beantwortung dieser Fragestellungen bereits genügen. Der hier vorgestellte Arbeitsablauf zeigt wie anhand großteils automatisierter und übertragbarer Methoden die Stadtstruktur und ihre individuellen Stadtbausteine erfasst werden können. Die Anordnung der Elemente im öffentlichen Raum wie Gebäude, Straßen und Freiflächen gibt Auskunft über regionale, historische und strukturelle Besonderheiten welche in eine zukunftsorientierte Stadtplanung einfließen können. Die Stadtstruktur wird über die Identifikation und Messung einzelner Stadtbausteine, sowie deren räumliche Anordnung verständlicher (vgl. Kap. 5.4). Die umweltgetreue Visualisierung der physischen Strukturen ist ein be-
5.1 Das 3-D-Stadtmodell
deutendes und eindrucksvolles Instrument, den Stadtraum zu erfassen und Zusammenhänge begreifbar zu machen.
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76
5. Die lokale Ebene
5.2 Automatische Erkennung von Oberflächenmaterialien städtischer Objekte U. Heiden & W. Heldens
Der Lebensraum Stadt ist durch eine hohe Dichte von Objekten unterschiedlicher Größe und Anordnung und unterschiedlicher Funktionen gekennzeichnet. Zur flächendeckenden Erfassung der komplexen städtischen Lebensräume werden in der Stadtplanung häufig räumlich hoch aufgelöste Color-Infrarot-Luftbilder eingesetzt und stereoskopisch ausgewertet. Unter Verwendung dieser analogen Aufnahmemethodik entstehen geometrisch sehr genaue und thematisch detaillierte flächendeckende Kartierungen, die für Erstkartierungen unerlässlich sind. Aufgrund des hohen Kosten- und Zeitaufwandes manueller Erfassungsmethodik spiegeln die städtischen Kartierungen selten den aktuellen Stand wider. Für die Stadtplanung steht daher der Einsatz automatisierter Methoden für eine effektive Aktualisierungsstrategie im Mittelpunkt des Interesses. Um städtische Objekte anhand ihrer Farbe, Form und ihres Kontextes automatisiert zu identifizieren, werden vor allem Fernerkundungsdaten mit hohen räumlichen Auflösungen von wenigen Zentimetern bis Metern eingesetzt (vgl. Kap. 3). Dazu zählen u. a. multispektrale Satellitenbilddaten (Ikonos, Quickbird, Rapid Eye). Mit räumlich hoch aufgelösten hyperspektralen Fernerkundungssystemen lassen
sich urbane Objekte aufgrund ihres Oberflächenmaterials jedoch wesentlich zuverlässiger automatisiert erfassen. So kann beispielsweise ein mit Dachziegeln gedecktes Einfamilienhaus von einem mit Bitumen gedeckten Reihenhaus oder ein mit roten Betonverbundsteinen gepflasterten Rad- und Gehweg unterschieden werden. Die Materialinformation kann für verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Zum einen lassen sich über das Material die Objektfunktionen wie z. B. Haus oder Straße zuordnen. Materialien geben aber auch Auskunft über stadtplanerisch relevante Eigenschaften der Objekte. Dachmaterialien können Gebäuden und somit den versiegelten Flächen zugeordnet werden, während eine Rasenfläche zu den unversiegelten Flächen gehört (siehe Kap. 5.4). In diesem Kapitel wird eine automatisierte Methodik zur flächendeckenden Identifizierung städtischer Oberflächenmaterialien auf der Basis hyperspektraler HyMap-Daten für den Untersuchungsraum München dargestellt. Die Ergebnisse zeigen die Potenziale dieser Erfassungsmethodik für die städtische Planung. Abb. 5-2-1: Darstellung spektraler Reflexionskurven für häufig vorkommende Oberflächenmaterialien in der Stadt (DLR)
5.2 Automatische Erkennung von Oberflächenmaterialien
Spektrale Signaturen von Oberflächenmaterialien Das menschliche Auge erfasst die von der Erdoberfläche reflektierte elektromagnetische Strahlung (Sonneneinstrahlung) im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichtes von Blau (0,4 μm – 0,5 μm) über Grün (0,5μm – 0,6 μm) bis zum Rot (0,6 μm – 0,7 μm). So erscheinen Dachziegel rot, da das Reflexionsmaximum im sichtbaren roten Wellenlängenbereich des Lichtes liegt. Hyperspektrale Fernerkundungssensoren nehmen die elektromagnetische Strahlung in vielen schmalen Kanälen auf. Gleich dem menschlichen Auge erfassen sie die Strahlung im sichtbaren Wellenlängenbereich und erweitern ihr Betrachtungsspektrum bis hin zum kurzwelligen Infrarot (vgl. Kap. 3). Aus diesen komplexen Informationen können spektrale Signaturkurven abgeleitet werden, die für jedes Oberflächenmaterial einen charakteristischen Verlauf besitzen. Abbildung 5-2-1 zeigt Beispielspektren häufig vorkommender städtischer Oberflächenmaterialien, die vom hyperspektralen HyMap-Sensor aufgenommen wurden. Jedes Pixel in den HyMap-Bilddaten hat ein charakteristisches spektrales Signal. Das Spektrum von Ziegeln ist beispielsweise durch eine niedrige Reflexion im blauen und grünen Wellenlängenbereich und dem Reflexionsmaximum im roten Bereich gekennzeichnet. Der hyperspektrale Sensor erfasst zusätzlich einen Anstieg der Reflexion im kurzwelligen Infrarotbereich. Mit diesen erweiterten Informationen werden die Unterscheidungsmöglichkeiten von anderen Materialien deutlich verbessert. Asphalt hat im Unterschied dazu generell eine niedrige Reflexion. Polyethylen (PE) wird häufig als Dachmaterial auf großen Gebäuden verwendet. Das spektrale Reflexionssignal von PE zeigt für dieses Material typische Absorptionsbanden (lokale Minima im Spektrum) bei 1,2 μm und bei 1,7 μm.
77
Ebene I
Ebene II
Ebene III
Gebäude
Ziegeldach
Rote Tonziegel Dunkle Tonziegel Graue Ziegel
Betondach
Beton
Metalldach
Aluminium Kupfer Zink/Galvanisiertes Eisen Beschichtetes Metall
Synthetikdach
PVC Polyethylen Glas Bitumen Teer
Begrüntes Dach Vegetation
Nichtbebaute, vollversiegelte Oberflächen
Nichtbebaute, teilversiegelte Oberflächen
Kiesdach
Kies
Andere Dächer
Fassadenmaterial Andere Dachmaterialien
Straßen
Beton Asphalt
Künstliche Oberflächen
Tartan Kunstrasen Polyethylen
Gepflasterte Flächen
Kopfsteinpflaster Rotes Betonpflaster Ziegelpflaster
Bestreute Flächen
Splitt
Bahngelände
Materialgemisch
Offene Flächen Böden
Sandige Böden Humose Böden
Gewässer
Wasser
Fluss See Schwimmbad
Vegetation
Bäume
Laubbäume Nadelbäume
Grünflächen
Rasen/Wiese
Schatten
Schatten
Schatten
Tab. 5-2-1: Klassifikationsschema zur Zuordnung der Oberflächenmaterialien zu Objekten
78
5. Die lokale Ebene
Vom Oberflächenmaterial zum städtischen Objekt Die Oberflächenmaterialien können Informationen liefern, die es ermöglichen städtische Objekte zu erkennen und zusätzliche materialbasierte Eigenschaften, wie z. B. die Infiltrationsfähigkeit, zuzuordnen. Dazu wird ein Klassifikationsschema benötigt, welches die Zuordnung der Materialien zu Objektklassen erlaubt. Tabelle 5-2-1 zeigt das dreistufige Klassifikationsschema, welches von ROESSNER et al. (2001) und HEIDEN et al. (2007) adaptiert wurde. Die Ebene III enthält alle für deutsche Städte typische Oberflächenmaterialien, die spektral in den HyMap-Daten unterschieden und dadurch automatisiert erfasst werden können. Diese Materialien werden in Ebene II zusammengefasst und Objekten zugeordnet. So werden beispielsweise Gebäude mit unterschiedlichen Dachmaterialien sowie Straßen mit unterschiedlichen Belägen unterschieden. Die oberste Ebene I repräsentiert die Objektgruppen mit Eigenschaften, wie z. B. dem Infiltrationsvermögen von Oberflächen.
Automatisierte Detektion von Oberflächenmaterialien Die Methodik zur Ermittlung städtischer Oberflächenmaterialien ist geprägt durch die Besonderheiten urbaner Fernerkundungsdaten. Die Darstellung der sehr heterogenen städtischen Oberfläche erfolgt in Form von Pixeln. Dieses regelmäßige Raster (Abb. 5-2-2a) führt dazu, dass es zwei Arten von Pixeln gibt: (a) die spektral reinen Pixel und (b) die Mischpixel (Beispiel SM). Die spektral reinen Pixel decken genau ein Material an der Erdoberfläche ab und können damit genau einem Material zugeordnet werden. Mischpixel decken mindestens zwei Materialien ab, wie das Beispiel SM (Abb. 5-2-2b) zeigt. Beide Arten von Pixeln müssen mit unterschiedlichen Methoden analysiert werden. Für die spektral reinen Pixel kann man ein Klassifikationsverfahren wie zum Beispiel die Maximum-Likelihood-Klassifizierung (RICHARDS, 1999) verwenden. Dabei werden Pixel nach ei-
nem statistischen Verfahren und auf der Basis einer Bibliothek bekannter Materialspektren einer bestimmten Materialklasse (z. B. Dachziegel) zugeordnet. Die Mischpixel enthalten spektrale Informationen einer bestimmten Anzahl von Materialien. Sind die Materialien bekannt, können die flächenmäßigen Anteile der Materialien am Pixel ebenfalls auf der Basis einer spektralen Bibliothek (Abb. 5-2-2) modelliert werden. Dieses Verfahren wird Lineares Spektrales Entmischen (Linear Spectral Unmixing) genannt. Für die in diesem Kapitel dargestellte Analyse der hyperspektralen Daten wird ein Algorithmus eingesetzt, welcher speziell für die Identifizierung von Oberflächenmaterialien urbaner Gebiete entwickelt wurde. Er kombiniert die Vorteile der Maximum-Likelihood-Klassifizierung mit denen der Linearen Spektralen Entmischung (ROESSNER et al., 2001; SEGL et al., 2003), um beide Pixelarten im Bild zu identifizieren und quantifizieren zu können. Der Maximum-Likelihood-Klassifizierer, r der diesem Algorithmus zu Grunde liegt, wurde mit Hilfe einer spektralen Bibliothek trainiert, welche Spektren von Oberflächenmaterialien aus verschiedenen deutschen Städten (München, Dresden, Berlin, Potsdam) enthält. Auf diese Weise ist eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien gespeichert, die möglicherweise an der Bildung eines Mischspektrums beteiligt sind. In verschiedenen, aufeinanderfolgenden Schritten kann die spektrale Entmischung großteils automatisch durchgeführt werden. Mit der dargestellten Methodik können zumindest zwei Informationen pro Pixel abgeleitet werden: (1) Materialarten, (2) flächenmäßige Anteile der Materialien am Pixel. Im Untersuchungsgebiet von München haben wir ca. 44 % reine Pixel und 56 % spektrale Mischpixel.
Unterstützung der Materialerkennung mit Höhendaten Aufgrund von spektralen Ähnlichkeiten zwischen bestimmten Dach- und Freiflächenmaterialien kann es zu Zweideutigkeiten bei der Zuordnung dieser zu den Objektklassen kommen
5.2 Automatische Erkennung von Oberflächenmaterialien
79
Abb. 5-2-2: Schematisch he D Darstellung der Linearen Spektralen E Enttmischung (DLR)
(Abb. 5-2-3). Bitumen wird beispielsweise sowohl als Basismaterial beim Bau von Straßen als auch bei der Herstellung von Dachbitumen verwendet. Ein weiteres Beispiel sind Ziegel, welche sowohl als Dachbedeckung als auch zerkleinert als Gehwegbelag verwendet werden (roter Splitt). Durch den Einsatz einer Gebäudemaske im Rahmen des vorab vorgestellten Algorithmus zur kombinierten Klassifizierung und Entmischung wird eine Trennung dieser Materialien möglich. Wenn für ein Pixel die Eigenschaften Bitumen und Nichtgebäude gelten, ist es sehr wahrscheinlich, dass dieses Pixel die Objekteigenschaft Straße bekommt. In dieser Studie wurde die Gebäudemaske aus der Digitalen Flurkarte (DFK) der Stadt München abgeleitet.
Zinkdach vollständig abdecken, hab h ben den Wert 100 %. Wenn das Pixel nur ein e nen Teil des Daches abdeckt, kann es z. B. den n Wert 67 % haben. Die restlichen 33 % sind dann durch ein anderes Material repräsentiert. In Abbildung 5-2-4 ist das Vorkommen von Dachziegel-, Aluminium- und Bitumendächern für einen Ausschnitt südöstlich des Münchener Ostbahnhofs dargestellt. Deutlich zu sehen sind die mit Dachziegeln gedeckten Gebäude der Blockbebauung. Auch in Gebieten, die hauptsächlich durch Einzel- und Doppelhausbebauungen geprägt sind, wird häufig Ziegel als Dachmaterial verwendet. Aluminium wird vor allem in dicht bebauten Stadtgebieten und Industriegebieten auf sehr großflächigen Gebäuden verbaut. Ein
Ergebnisse 25 Oberflächenmaterialien konnten in dem Untersuchungsgebiet in München unterschieden und identifiziert werden. Das Ergebnis des Entmischungsalgorithmus stellen daher 25 Materialkarten dar, eine Karte für jedes Material. Jedes Pixel einer Materialkarte, z. B. das Material Zink, enthält Informationen zum Flächenanteil dieses Materials am Pixel. Pixel, die ein
Abb. 5-2-3: Spektrale Ähnlichkeiten zwischen Dachund Freiflächenmaterialien (DLR)
80
5. Die lokale Ebene
Abb. 5-2-4: Vorkommen und Flächenanteil von drei ausgewählten Dachmaterialien für ein Beispielgebiet südöstlich des Münchner Ostbahnhofes (zur Orientierung sind die HyMap-Daten in Graustufendarstellung hinterlegt) (DLR)
sehr häufig verwendetes Dachmaterial ist Bitumen. Diese Materialkarten können für flächenstatistische Analysen verwendet werden. In Abbildung 5-2-5 sind die prozentualen Flächenanteile aller in dem dargestellten Baublock vorkommenden Materialien errechnet. Der Anteil der Rasenfläche in diesem Baublock ist beispielsweise 26,9 %. 4 % der Fläche sind mit den teilversiegelnden Materialien Betonpflaster und Splitt bedeckt. Ca. 45 % des Blocks sind bebaut, davon sind 38,7 % der Gebäude mit Dachziegeln gedeckt. Das ist typisch für Baublöcke des Stadtstrukturtyps ›Blockbebauung‹. Es handelt sich meist um ca. 1910 gebaute Gründerzeitviertel (vgl. Kap. 5.5). Eine Zusammenfassung aller Materialien zu einem Bild kann einen ersten Eindruck von der Verteilung der im Untersuchungsgebiet vorkommenden Materialien geben (siehe Abb. 5-2-4). Diese visuelle Darstellung kann aller-
Abb. 5-2-5: Flächenstatistische Erfassung der Oberflächenmaterialien für einen Baublock aus dem Untersuchungsgebiet in München (DLR)
dings aufgrund der Subpixelinformation nur einen Teil der Ergebnisse zeigen und somit den Eindruck erwecken, dass die Form der Objekte nicht richtig identifiziert wurde. Dies ist allerdings nur ein Darstellungsproblem, denn es kann nur ein Material pro Pixel in einem Bild gezeigt werden. In Abb. 5-2-6 wird für jedes Pixel das Material mit dem höchsten Flächenanteil (dominantes Material im Falle eines Mischpixels) an dem entsprechenden Pixel dargestellt. Die Materialkarte gibt mit dichter Bebauung im Zentrum und immer lockerer Bebauung stadtauswärts die grundsätzliche Struktur der Stadt wieder. Dachziegel sind das am häufigsten vorkommende Dachmaterial. Größere Beton-, Bitumen- oder Synthetikdächer (respektive Orange, Blau und Rosa in der Karte) sind meistens ein Hinweis auf Gewerbegebiete. Im Zentrum sieht man auch häufig Metalldächer.
5.2 Automatische Erkennung von Oberflächenmaterialien
81
Abb. 5-2-6: Dominantes Oberflächenmaterial in München als Ergebnis des Algorithmus zur kombinierten Klassifizierung und spektralen Entmischung der HyMap-Daten (DLR)
Genauigkeitsabschätzung Um die Genauigkeit der Materialkarten einschätzen zu können, sind diese, mit Referenzdaten aggregiert, auf Objektebene (siehe Ebene II Tab. 5-2-1) verglichen worden. Die Referenzdaten bestehen aus flächendeckenden Materialkarten für 14 unterschiedliche Baublöcke, die auf Basis von Luftbildern und mit dem Wissen aus Feldbegehungen erfasst und digitalisiert wurden. Für die Bewertung der Genauigkeit der aus den HyMap-Daten errechneten Flächenanteile wurden diese pro Baublock mit den Flächenanteilen aus den Referenzdaten verglichen. Die über alle Baublöcke gemittelten Abweichungen der prozentualen Flächenanteile sind für einen Großteil der Materialien in Tabelle 5-2-2 aufgelistet. Tabelle 5-2-2 stellt die mittlere Abweichung in Prozent dar. Negative Werte bedeuten, dass dieses Material mit der HyMap-Analyse unterschätzt wurde. Positive Werte zeigen Überschätzungen an. Die Dachmaterialien wurden mit einer hohen Genauigkeit erkannt. Die Werte der mittleren Abweichung übersteigen bei keinem Material die +/– 10 %. Auch die Werte für Asphaltstraßen, Pflaster- und Splittflächen stimmen sehr gut mit der Referenz
überein. Unterschätzungen gibt es bei den Betonflächen (Abweichung von – 7,8 %) und den Bäumen (– 9,4 %). Das Spektrum von Beton wird öfter mit durch Staub verunreinigtem Tab. 5-2-2: Abweichungen zwischen den mit HyMap berechneten prozentualen Flächenanteilen und der Referenz, gemittelt über alle Baublöcke
Objekte
Mittlere Differenz der Flächenanteile pro Baublock [%]
Gesamt Ziegeldach
1,4
Betondach
- 0,6
Metalldach
- 0,3
Betonfläche
- 7,8
Asphaltstraße
1,6
Gepflasterte Wege
2,1
Bestreute Flächen (Splitt)
1,5
Wasser
0,6
Bäume
- 9,4
Rasen
1,9
82
5. Die lokale Ebene
Asphalt verwechselt. Zusätzlich kann es als Straßenmaterial auch im Schatten von Gebäuden und Vegetation liegen. Diese Flächen werden durch den Algorithmus als Schatten und nicht als das eigentliche Material identifiziert. Da in der Referenz die realen Bedeckungen und nicht die Schattenflächen erfaßt wurden, kommt es zur Unterschätzung der vom Schatten bedeckten Betonflächen. Ähnliches gilt für Bäume und Sträucher, die beschattet sein können. Die Genauigkeit der hyperspektralen Ergebnisse ist sehr hoch in den Referenzgebieten, denn der Durchschnitt der mittleren absoluten Abweichungen aller Oberflächenmaterialien beträgt nur 2,1 % des Flächenanteils. Die Genauigkeit kann jedoch je nach Stadtstrukturtyp sehr unterschiedlich ausfallen. In Gebieten mit sehr großflächigen städtischen Objekten wird sie sogar noch höher sein, wohingegen die Qualität der Ergebnisse in Gebiete mit sehr kleinflächigen Objekten, wie z. B. in Kleingartensiedlungen oder Villen- und Einfamilienhausgebieten deutlich geringer ausfällt.
Zusammenfassung Mit Hilfe von flugzeuggetragenen Hyperspektralsensoren können eine Vielzahl von unterschiedlichen Oberflächenmaterialien automatisiert erkannt werden. Die Genauigkeit der Materialidentifizierung wird durch die Integration von Höhendaten zusätzlich verbessert. Die Materialinformation wird dazu genutzt, städtische Objekte zu erkennen (z. B. Asphalt = Straße) und ihnen zusätzliche materialbasierte Eigenschaften, wie z. B. der Infiltrationsfähigkeit, zuzuordnen. Auf dieser Basis können z. B. prozentuale Flächenanteile von Oberflächenmaterialien in einer räumlichen Einheit, wie z. B. dem Baublock, ermittelt werden. Die Vielzahl der automatisiert erfassten Oberflächenmaterialien gibt einen Eindruck von der Heterogenität des städtischen Raumes. Die Genauigkeit der Flächenanalyse im Baublock ist sehr hoch. Bei keinem der Materialien übersteigt die Abweichung zur Referenz die 10%-Marke. Um die Genauigkeit weiter zu erhö-
hen, muss besonders die alters- bzw. nutzungsbedingte Heterogenität städtischer Oberflächen noch weiter untersucht werden. Das spektrale Signal von Schatten enthält ebenfalls Informationen zum Material der beschatteten Fläche, dessen Potenzial noch nicht vollständig untersucht ist. Die flächendeckende Erfassung städtischer Oberflächenmaterialien kann ein flexibles Hilfsmittel sein, um beispielsweise die stadtplanungsrelevante Wirkung der Umwidmung von versiegelten Flächen zu Grünanlagen oder der Teilversiegelung abzuschätzen. Die automatische Erkennung ausgewählter umweltrelevanter Materialien im Stadtgebiet auf der Basis hyperspektraler Fernerkundungsdaten, wie z. B. Asbest oder Solarflächen sind ebenfalls von hohem stadtplanerischen Interesse (siehe Kapitel 5.3). Auch unter dem Aspekt stadtklimatischer Betrachtungen spielen die städtischen Oberflächenmaterialien eine große Rolle (siehe Kapitel 7.5). Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades ist die hyperspektralbasierte quantitative Erfassung der städtischen Oberflächen vor allem für regelmäßige Aktualisierungen bestehender flächendeckender Kartierungen eine kostengünstige Alternative zu den Auswertungen von Luftbildbefliegungen. Der räumliche sowie thematische Detaillierungsgrad dieser Erfassungsmethodik ermöglicht es, luftbildbasierte Basiskartierungen sinnvoll zu ergänzen und damit die Datengrundlage für stadtplanerische Analysen sinnvoll zu erweitern.
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5.3 Selektive Identifikation umweltrelevanter Oberflächenmaterialien
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5.3 Selektive Identifikation umweltrelevanter Oberflächenmaterialien auf der Basis von Hyperspektraldaten: Beispiel Solarflächen W. Heldens & U. Heiden
Neben einer flächendeckenden Kartierung der Oberflächematerialien (vgl. Kap. 5.2.) ist oft auch die gezielte Erfassung ausgewählter Materialien von großem Interesse für stadtplanerische Fragestellungen. Das Baumaterial Asbest beispielsweise birgt wegen seiner gesundheitsschädlichen Fasern ein hohes Gesundheitsrisiko und ist in der Europäischen Union (EU) verboten. In einigen Ländern, wie z. B. in Südtirol in Italien, hat man daher begonnen, die bisher verbauten Asbestmaterialien mit Hilfe von Fernerkundungsdaten systematisch zu erfassen. Mit Hyperspektraldaten kann man Asbest aufgrund seiner materialspezifischen Reflexionsmerkmale erkennen (BASSANI et al., 2007; CLARK et al., 2001). Ein weiteres Anwendungsfeld ist z. B. die Detektion ölverschmutzter Flächen (HÖRIG et al., 2001), die in der Stadt insbesondere auf alten Industrieflächen vorkommen können. Solarzellen oder Photovoltaikanlagen gelten als umweltfreundliche Energieversorger, die sowohl industriell als auch privat eingesetzt und genutzt werden. Dies ist für viele Städte eine förderungswürdige Entwicklung, jedoch fehlt
den meisten Gemeinden der Überblick über die potenziellen und bereits genutzten Flächen für Solarzellen (pers. Mitteilung Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München). Im Folgenden wird die fernerkundungsgestützte Erkennung von Solarflächen an einem Beispielgebiet der Stadt München erläutert. Aufgrund ihrer spektralen Charakteristik können Solarflächen mit Hilfe von Hyperspektraldaten automatisiert erkannt werden. Abbildung 5-3-1 zeigt ein typisches spektrales Reflexionsspektrum von Solarzellen, die zum großen Teil aus dem Material Polyethylen bestehen. Die chemische Zusammensetzung dieses Materials spiegelt sich im Reflexionsspektrum wider. Charakteristisch für Polyethylen ist das lokale Minimum (Absorption) bei 1740 nm (a). Zusätzlich haben Solarzellen eine niedrige Reflexion im grünen, roten und nahinfraroten (NIR) Bereich des Spektrums (b). In diesem Wellenlängenbereich ist die Energie der gemessenen Strahlung am stärksten. Die Sensoren, welche das Licht in Strom umsetzen, sind daher zwischen 500 nm und 1000 nm am sen-
84
5. Die lokale Ebene
Abb. 5-3-1: Spektrale Reflexion einer Solarzellenplatte; die Reflexionskurve zeigt charakteristische Merkmale von Polyethylen (a) und eine niedrige Reflexion im sichtbaren und nahinfraroten (NIR) Wellenlängenbereich (b). (DLR)
sibelsten. Sie absorbieren fast die gesamte Energie, was sich in der niedrigen Reflexion ausdrückt. Dieses Merkmal ist wichtig, um Solarzellen von anderen mit Polyethylen gedeckten Flächen (Dächer, Sportplätze) abzugrenzen. Zur automatischen Erkennung der Solarzellen kann man den von KÜHN et al. (2004) entwickelten Ansatz (Hydrocarbon-Index) x anwenden und zusätzlich mit dem Merkmal der niedrigen Reflexion zwischen 500 nm und 1000 nm kombinieren.
Abb. 5-3-2: Klassifikationsschema für die Identifikation von Solarzellen auf der Basis hyperspektraler HyMapDaten (DLR)
Zur automatisierten Identifikation der Solarzellen wurde ein Klassifikationsschema entwickelt, welches beide Merkmale integriert und für jedes Pixel drei Kriterien prüft (Abb. 5-3-2). Als Erstes wird die Anwesenheit von Polyethylen im Pixel auf der Basis des Hydrocarbon-Index geprüft. Danach erfolgt die Berechnung der Höhe der Reflexion im sichtbaren und im nahen Infrarot-Wellenlängenbereichs (NIR). Als letztes und drittes Kriterium wird mit Hilfe einer Gebäudemaske die Anwesenheit eines Gebäudes im Pixel abgefragt, da Photovoltaikanlagen in der Stadt in den meisten Fällen auf Dächern installiert sind. Das Ergebnis dieses Klassifikationsschemas ist eine Karte mit vier Wahrscheinlichkeitsklassen: (1) Hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von Solarzellen (alle 3 Kriterien sind erfüllt); (2) Mittlere Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von Solarzellen (beide spektralen Merkmale wurden gefunden, aber das Pixel stellt kein Gebäude dar); (3) Niedrige Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von Solarzellen (allein das Material Polyethylen stimmt mit den Kriterien überein); (4) Hier befinden sich keine Solarzellen.
5.3 Selektive Identifikation umweltrelevanter Oberflächenmaterialien
85
Abb.5-3-3: Details der Solarzellenidentifikation für vier ausgewählte Gebiete (DLR)
In Abbildung 5-3-3 sind die Ergebnisse an ausgewählten Beispielen dargestellt. Auf der Südseite der Gebäude im Baublock des ersten Beispiels befinden sich Solarzellen. Auf jedem dieser Gebäude konnten diese mit hoher (rot) und mittlerer (orange) Wahrscheinlichkeit identifiziert werden. Die im zweiten Beispiel gezeigten Solarflächen wurden ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit erkannt. Die mit Polyethylen ausgestatteten Sportflächen dagegen sind richtig mit niedriger Wahrscheinlichkeit (blau) klassifiziert worden. Die Solarflächen auf den Hochhäusern im Beispiel drei und auf den großflächigen Gebäuden in Beispiel vier wurden ebenfalls richtig erkannt. Auch im letzten Beispiel wurden Flächen mit niedriger Wahrscheinlichkeit (blau) detektiert. Aus dem Luftbild lässt sich allerdings nicht bestimmen, ob es sich um echte Solarzellen oder um Dachfenster aus Polyethylen handelt.
Eine Genauigkeitsanalyse der Klasse ›Solarzellen mit hoher Wahrscheinlichkeit‹ hat ergeben, dass 85 % der ermittelten Objekte dieser Klasse auch tatsächlich Solarzellen sind. Dieses Ergebnis ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass ein Pixel im hyperspektralen Bild eine Fläche von ungefähr 4 s 4 m abdeckt. Um eine Solarzellenplatte darin erkennen zu können, muss sie eine kritische Größe überschreiten. Die Zahl der tatsächlich vorhandenen Solarzellenplatten könnte daher noch höher sein. In zukünftigen Studien muss untersucht werden, wie groß der Anteil der nicht erfassten Solarzellen ist. Das hohe Potenzial der Hyperspektraldaten zur Erkennung von Solarplatten ist noch nicht völlig ausgeschöpft. In jedem Fall können die aktuell vorhandenen Solarflächen einer bestimmten Größe identifiziert werden. Für Solarflächen, die deutlich kleiner sind als die räumliche Auflösung der hyperspektralen Daten (Pixelgröße,) müssen spezielle Verfahren einge-
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5. Die lokale Ebene
setzt werden. Um die Erkennung von kleinen Solarflächen deutlich zu verbessern, wird daher in zukünftigen Arbeiten der Einsatz von Subpixel-Verfahren eine große Rolle spielen. Zusätzlich werden auch die spektralen Reflexionseigenschaften der Solarzellen weiter untersucht, um die Variation zwischen Produkten verschiedener Hersteller besser beschreiben zu können. Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist der Einfluss von Umgebungsvariablen wie der Dachneigung und der Ausrichtung des Daches zur Sonne. Die identifizierten Solarflächen stellen eine aktuelle Bestandsaufnahme dar. In einer denkbaren Anwendung könnte durch einen Abgleich mit den nicht genutzten Dachflächen die potenzielle Fläche zur Solarenergiegewinnung ermittelt werden. Damit wäre es für Entscheidungsträger möglich, die grundsätzlichen Potenziale dieser Energiegewinnung in einem bestimmten Raum abzuschätzen. So erhalten Stadtplaner oder Politiker quantitative und raumbezogene Entscheidungsgrundlagen, um gezielt dort Solarenergiegewinnung zu fördern, wo diese bisher nur wenig zum Einsatz kam.
Referenzen BASSANI, C., CAVALLI, R. M., CAVALCANTE, F., CUOMO, V., PALOMBO, A., PASCUCCI, S. & S. PIGNATTI (2007): Deterioration Status of AsbestosCement Roofing Sheets Assessed by Analyzing Hyperspectral Data. − Remote Sensing of Environment, 109: 361−78. CLARK, R., GREEN, R., SWAYZE, G., SUTLEYY, S., HOEFEN, T., LIVO, K.E., LUMLEE, G., PAVRI, B., SARTURE, C., WILSON, S., HAGEMAN, P., VANCE, J., BOARDMAN, J., BROWNFIELD, I., GENT, C., MORATH, L., TAGGART, J., THEODORAKOS, P. & M. ADAMS (2001): Environmental Studies of the World Trade Centre Area after the September 11, 2001 attack. − U.S. Geologycal Survey. HÖRIG, B., KÜHN, F., OSCHÜTZ, F. & F. LEHMANN (2001): HyMap Hyperspectral Remote Sensing to Detect Hydrocarbons. − International Journal of Remote Sensing, 22: 1413−1422. KÜHN, F., OPPERMANN, K. & B. HÖRIG (2004): Hydrocarbon Index − an Algorithm for Hyperspectral Detection of Hydrocarbons. − International Journal Of Remote Sensing, 25: 2467−2473.
5.4 Physische Indikatoren für die Stadtplanung H. Taubenböck, W. Heldens, U. Heiden & M. Wurm
Eine flächensparende Siedlungs- und Verkehrspolitik zählt seit vielen Jahren zu den, auch gesetzlich geforderten, Zielen der Raumordnungs- und Siedlungspolitik (Siedentop et al., 2007). Die in den vorangegangenen Kapiteln mittels Fernerkundung abgeleiteten physischen Objekte dienen einer flächendeckenden bzw. einer auf spezifische Aufgabenstellungen angepassten aktuellen Bestandsaufnahme des urbanen Raumes. Daraus lassen sich je nach Zieldefinition aussagekräftige stadt- und raumplanerisch relevante Indikatoren auf lokaler Ebene ableiten, die in diesem Kapitel beispielhaft an einem Testgebiet von München beschrieben sind.
Die Analyse mittels Landschaftsstrukturmaßen (vgl. Kap. 4.2) sowie die Erfassung und Bewertung der Bodenversiegelung (vgl. Kap. 4.3) zeigen auf regionaler Maßstabsebene, wie planungsrelevante Aussagen über das urbane Strukturgefüge und deren Änderungen im Zeitverlauf gemacht werden können. Sie erlauben eine Einordnung in und einen Vergleich mit positiv- oder negativplanerischen Zielen und Grundsätzen der Raum- und Siedlungspolitik. Mit positivplanerischen Zielen und Grundsätzen lenkt die Raumordnung unmittelbar die Ausweisung von Bauland für Siedlungszwecke (FINA & SIEDENTOP, 2009). Positivplanung beinhaltet die mengenmäßige Regulierung des
5.4 Physische Indikatoren für die Stadtplanung
bauleitplanerischen Flächenausweisungsverhaltens der Kommunen (Mengensteuerung) wie auch die, von den Gemeinden realisierte Standortwahl (Standortsteuerung). Demgegenüber versucht die Raumordnung mittels negativplanerischer Ziele und Grundsätze, bestimmte Gebiete vor einer baulichen Nutzung zu schützen (Freiraumschutz) (FINA & SIEDENTOP, 2009). Eine solche Einordnung, Bewertung und Abwägung der Ziele und Grundsätze ist auch auf der lokalen Ebene mittels Fernerkundung möglich. Das Kapitel 5 fokussiert auf die geometrisch hoch aufgelöste Extraktion von physischen Objekten und deren Eigenschaften in der urbanen Landschaft. Der urbane Raum definiert sich aus physischer Perspektive aber nicht nur über die individuellen Objekte, sondern auch über deren räumlich strukturelles Muster, die städtebauliche Struktur. Unter Struktur versteht man ganz allgemein ein Gefüge aus Teilen des Ganzen und deren Beziehungen zueinander. Im Falle eines urbanen Systems können folgende Strukturen voneinander unterschieden werden: baulich-räumliche Struktur, Nutzungsstruktur, Wirtschaftsstruktur und Sozialstruktur (STREICH, 2005). Nach dem Motto »Distanz schafft Klarheit« (vgl. Kap. 3) eignet sich die Perspektive der Fernerkundung in erster Linie für eine baulich-räumliche Annäherung an die Strukturen und Muster in der Stadt. Die Draufsicht ermöglicht es, intuitiv Stadtquartiere abzugrenzen, Freiflächen und urbanisierte Areale, deren Bebauungsdichten, verschiedene Gebäudetyzu pen sowie das Straßen- und Wegesystem W identfizieren (vgl. Abb. 5-1-2). Beispielsweise zeichnen sich zentrumsnahe urbane Areale durch höhere Gebäudedichten im Vergleich zu dünner besiedelten Randzonen aus. Diese subjektiv erfassten Eigenschaften der städtebaulichen Struktur lassen sich mit einer Reihe von Indikatoren auf der Basis hoch aufgelöster Fernerkundungsdaten objektiv quantifizieren. Für die Ableitung dieser Indikatoren ist eine räumliche Bezugsfläche notwendig. Dafür sind verschiedene Einheiten möglich: Administrative Einheiten umfassen Stadtviertel, Stadtbezir-
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ke oder Flurstücke; Struktur gebende Bezugsflächen sind Baublöcke oder das Straßennetz. Raster oder Ringflächen (vgl. Kap. 7.1) zählen zu den künstlichen Einheiten. Die Analyse in diesem Kapitel für das Untersuchungsgebiet der Stadt München basiert auf der räumlichen Bezugseinheit ›Baublock‹. Im Folgenden werden sechs ausgewählte Indikatoren, basierend auf den fernerkundlich abgeleiteten Ergebnissen in Kapitel 5.1 & 5.2, präsentiert. Jeder einzelne Indikator ermöglicht stadtplanerisch relevante Aussagen. Die zusammenhängende Betrachtung von Indikatoren kann zusätzliche bzw. ergänzende Informationen aufzeigen, was am Beispiel des Untersuchungsgebiets in München demonstriert wird. Der Bebauungsgrad, auch Gebäudedichte genannt, wird berechnet durch das Verhältnis aller Gebäudegrundflächen zu der entsprechenden Bezugsfläche ›Baublock‹. Die Geschossflächendichte (GFD) gibt den prozentualen Anteil der Summe aller Gebäudeflächen an der Bezugsfläche an (vgl. Geschossflächenzahl Kap. 5.1). Die Gebäudeflächen ergeben sich aus der Summe der Flächen aller Vollgeschosse. Dazu ergänzend ermöglicht die Betrachtung des dominanten Dachmaterials in einem Baublock indirekt Aussagen zur vorherrschenden Nutzung der Gebäude und/oder zur Bauweise bzw. zum Bauzeitpunkt zu treffen. Diese drei ersten Indikatoren können einzeln und im Zusammenhang interpretiert werden. Einen weiteren Indikator stellt der Vegetationsanteil dar. Er entspricht dem Verhältnis der Vegetationsflächen zur Bezugsfläche. Der klassische Versiegelungsgrad (Anteil aller voll- und teilversiegelten Materialien) und der prozentuale Anteil der teilversiegelten Materialien (Kopfsteinpflaster, Bahngleise, Splittflächen) können ebenfalls, im Zusammenhang betrachtet, die stadtplanerisch relevante Datenbasis erweitern. Eine weitere Möglichkeit ihrer gemeinsamen Interpretation, die hier nicht präsentiert ist, besteht in der Berechnung eines gewichteten Versiegelungsgrades. Dieser integriert die vollversiegelten Oberflächen mit einem Gewichtungsfaktor von 1 und die teilversiegelten Materialien entsprechend ihrer Infiltrationsfähigkeit von 0 bis 1.
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5. Die lokale Ebene
Die Indikatoren ›Bebauungsgrad‹, ›Geschossflächendichte‹, ›Vegetationsgrad‹ und ›Versieglungsgrad‹ wurden von den Satellitendaten des räumlich hoch auflösenden Sensors IKONOS sowie von den Daten des flugzeuggetragenen Hyperspektralscanners HyMAP und der flugzeuggetragenen HRSC Stereokamera abgeleitet. IKONOS-Daten sind durch eine hohe geometrische Auflösung von einem Meter gekennzeichnet. Damit wird die Abgrenzung von Einzelobjekten mit einer Größe ab 1 s 1 m möglich. Zusätzlich decken sie eine, für diese hohe Auflösung, vergleichsweise große Fläche von ca. 11 s 11 km pro Satellitenszene ab. Die Aufnahmegebiete des hyperspektralen HyMAPSensors erreichen bei einer räumlichen Auflösung von 3 m eine Breite von ca. 2 km pro Flugstreifen. Die Vorteile dieses Sensors liegen in seiner hohen spektralen Auflösung, wodurch man Oberflächenmaterialien identifizieren kann (vgl. Kap. 3). Damit können Flächen mit unterschiedlichen Infiltrationseigenschaften unterschieden werden. Zudem weisen bestimmte Oberflächenmaterialien auf die Funktion städtebaulicher Strukturen hin. So weist beispielweise die Anhäufung von Metalldächern auf ein Industriegebiet hin. Mit Hilfe der Stereobilder des HRSC-Datensatzes kann die dritte Dimension zur Analyse urbaner Strukturen integriert werden. In den Abbildungen 5-4-1 und 5-4-2 sind der Bebauungsgrad, die GFD, das dominante Dachmaterial, der Versiegelungsgrad, der Vegetationsgrad und der Anteil teilversiegelter Flächen für einen Ausschnitt der Münchner Stadtlandschaft rund um den Ostbahnhof dargestellt. Die Einbettung in den gesamtstädtischen Kontext sowie die entsprechende Landbedeckungsklassifikation ist in Abbildung 5-1-2a & b dargestellt. Zur besseren räumlichen Einordnung bietet Abbildung 5-4-1 zusätzlich einen Überblick über die Stadtviertel. Der Bebauungsgrad weist für diesen Ausschnitt der Stadt grundsätzlich eine Abnahme vom Zentrum im Nordwesten (Isarvorstadt) bis zur Einzelhausstruktur im Südosten (Ramersdorf-Perlach) auf. Die höhere Gebäudedichte der zentrumsnahen Viertel Isarvorstadt und AuHaidhausen ist im Vergleich zu den Arealen
südlich und südöstlich des Ostbahnhofs deutlich zu erkennen. Ein ähnlicher Trend im Untersuchungsgebiet lässt sich auch für die GFD ableiten. Die generelle Verteilung der GFD liegt bei Werten von 0 bis 3,5 für das Stadtgebiet von München. Niedrige Geschossflächendichten weisen auf Bebauungstypen mit geringer Gebäudedichte und/oder niedrigen Gebäudehöhen hin. Einzel- und Doppelhausbebauungen haben typischerweise Werte um 0,5 (P PAULEIT, 1998). Im Ausschnitt sind das z. B. die Gebiete in Berg am Laim und Ramersdorf-Perlach. Werte über 3 deuten auf hoch verdichtete Areale mit mehrstöckigen Gebäuden hin. Diese sind im Untersuchungsgebiet in zentrumsnahen Gebieten im Nordwesten sowie in Au-Haidhausen zu finden. Die dort vorherrschende Blockrandbebauung (vgl. Kap. 5.5) haben meist mindestens fünf Stockwerke bei einer hohen Gebäudedichte. Im Zusammenhang mit den vorhergehenden Indikatoren ermöglicht die Karte der dominanten Dachmaterialien die Ableitung weiterer Informationen zur baulichen Struktur. Die dicht bebaute Isarvorstadt ist durch die Verwendung von Dachziegeln geprägt. Dieses Dachmaterial ist typisch für die dort vorherrschende Blockrandbebauung. In den südöstlichen Vierteln wird es ebenfalls dominant verwendet. Zusammen mit der geringen Bebauungsdichte sowie der geringen GFD weist dies auf Einzel- und Reihenhausbebauung hin, welche typisch für Ramersdorf-Perlach ist (vgl. Kap. 5.5). Beton, Bitumen und andere synthetische Materialien eignen sich vor allem für große Flachdächer und werden daher meist für große Hallen bzw. industrielle Großbauten eingesetzt. In der Abbildung 5-4-1 ist eine Häufung dieser Materialien in den Gewerbe- und Industriegebieten südlich des Ostbahnhofes zu sehen. Der Vegetationsgrad zeigt im Wesentlichen die bereits beschriebene siedlungsstrukturelle Zonierung des Stadtgebietes in dicht bebaute Innenstadtgebiete und locker bebaute Stadtrandgebiete, bzw. unbebaute Bereiche. Mit Hilfe dieses Indikators werden die Isarauen und vor allem auch das Isarsteilufer, das sich wie ein Band durch die Stadt zieht, sichtbar und quantifizierbar. Zudem sticht der Ostfriedhof als Grünareal aus den dicht bebauten Stadtteilen
5.4 Physische Indikatoren für die Stadtplanung
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Abb. 5-4-1: Geographische Einordnung, Bebauungsgrad, Geschossflächendichte (GFD) und dominantes Dachmaterial für einen Ausschnitt rund um den Ostbahnhof (DLR)
hervor. Auffallend ist der geringe Vegetationsanteil im Übergangsbereich zwischen Ober- und Untergiesing. Der Versiegelungsgrad zeigt ein sehr ähnliches Muster mit einer generellen Abnahme vom Zentrum weg. Auffallend sind einige Baublöcke südlich und südöstlich des Ostbahnhofes, die dem generellen Trend entgegenstehen. In den Baublöcken neben dem Ostbahnhof (unter Anderen ›Kunstpark Ost‹) sind viele
Freiflächen (oftmals großflächige Parkplätze) versiegelt. In Kombination mit den dort dominierenden synthetischen Dachmaterialen (vgl. Abb. 5-4-1) wird es mit hohen Wahrscheinlichkeiten möglich, indirekt auf die dort vorherrschende gewerbliche bzw. industrielle Nutzung zu schließen. Der Anteil der teilversiegelten Fläche fällt für die dicht bebauten Zentrumsgebiete (Isarvorstadt) deutlich differenzierter aus als der klassi-
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5. Die lokale Ebene
Abb. 5-4-2: Vegetationsgrad, Versiegelungsgrad und teilversiegelte Flächen für einen Ausschnitt rundum den Ostbahnhof (DLR)
sche Versiegelungsgrad. Die vermehrte Verwendung teilversiegelnder Materialien in den besonders stark versiegelten Baublöcken birgt daher große Potenziale in Richtung eines nachhaltigen Regenwasserabflussmanagements. Generell sind die Werte sehr niedrig und bewegen sich zwischen 0 und 20 %. Sie werden vorwiegend auf kleinen Flächen, wie z. B. Gehwegen eingesetzt. Bei den Baublöcken mit Werten bis 45 % handelt es sich z. B. um großflächige Sportanlagen (Sportstadien, Tennisanlagen), die mit Splitt abgedeckt sind. Der Anteil der teilversiegelten Fläche ist ein wichtiger Indikator für die Bewertung und Berechnung städtischer Abflussmodelle. Einen weiteren physischen Parameter stellt das mittlere Bauvolumen dar. In Abbildung 5-4-3 wird das berechnete Bauvolumen für das
komplette Stadtgebiet München gezeigt, um mit einem flächendeckenden Beispiel der Hypothese Rechnung zu tragen, dass das Bauvolumen vom Zentrum in Richtung Peripherie abnimmt. Das Bauvolumen wird direkt aus den relativen Objekthöhen aus dem 3-D-Stadtmodell (vgl. Kap. 5.1) hergeleitet. Es berechnet sich aus der Fläche der einzelnen Objekte und ihrer mittleren relativen Höhe. Anschließend wurden die Werte pro Baublock gemittelt. In der Abbildung ist der Unterschied zwischen der dicht bebauten Innenstadt und den umliegende Wohngebieten mit niedrigem Bauvolumen zu sehen. Innerhalb des Stadtzentrums fallen die Isarauen und die Theresienwiese durch deren niedriges Bauvolumen auf. Außerhalb des Zentrums sind vor allem entlang der Ost-West-verlaufenden Bahnlinie immer wieder höhere Bauvolumina zu
5.4 Physische Indikatoren für die Stadtplanung
erkennen. Hier befinden sich viele Industrieund Gewerbegebiete mit großen und hohen Gebäuden. In Obersendling, im Südwesten Münchens, ist das Siemensgelände mit erhöhten Bauvolumina zu sehen. Ins Auge sticht auch die sich deutlich von der Umgebung abhebende rote Fläche im Norden. Das im Vergleich zur Umgebung hohe Bauvolumen erklärt sich durch das BMW-Werk nördlich vom Olympiagelände, das sehr dicht mit großen und hohen Hallen bebaut ist.
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Abb. 5-4-3: Bauvolumen berechnet auf Basis von der aus den HyMap-Daten abgeleitete Materialkarte und HRSC-Höhendaten (DLR
Abb. 5-4-4: Differenz zwischen den mit HyMapDaten berechneten Indikatoren beziehungsweise von der Stadt München erstellten Indikatoren und dem Referenzdatensatz (DLR)
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5. Die lokale Ebene
Genauigkeitsabschätzung Für die Abschätzung der Genauigkeit bzw. Verlässlichkeit der ermittelten Planungsindikatoren wurden auf Basis der Luftbildauswertungen Referenzwerte berechnet (siehe auch Kap. 5.2). Der Vergleich der Referenzen mit den HyMAP-basierten Indikatoren ist in Abbildung 5-4-4a dargestellt. Zusätzlich sind Indikatoren, die von der Stadt München erstellt wurden, mit den Referenzdaten verglichen und in Abbildung 5-4-4b präsentiert. Die Differenzen beider Indikatorensets liegen mit 7 bis 10 % im Mittel in der gleichen Größenordnung. Unter Verwendung einer Gebäudemaske mit hoher Genauigkeit, z. B. aus der Digitalen Flurkarte (DFK), können die Fehler bzw. Abweichungen zur Referenz vom Versiegelungsgrad, Bebauungsgrad und Vegetationsgrad noch mal deutlich reduziert werden. Auffallend ist, dass die Differenzen zwischen den aus der HyMap-Auswertung berechneten Indikatoren und der Referenz deutlich weniger um die Nulllinie streuen, als die Differenzen zwischen den Indikatoren der Stadt München und der Referenz. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Indikatorenwerte aus der HyMap-Auswertung besser mit den Referenzdaten übereinstimmen. Eine differenziertere Fehlerbetrachtung ergab, dass die berechneten Indikatoren für große Flächen leicht unterschätzt und für kleine Flächen etwas überschätzt wurden. Dieses Phänomen wurde auch in anderen Studien beobachtet, die spektrale Entmischungsalgorithmen zur Bilddatenauswertung einsetzen (WU & MURRAYY, 2003; PU et al., 2008). Des Weiteren erhöht sich der Fehler mit der Abnahme der Flächengröße. Dies ist auf Ko-Registrierungsfehler zwischen den Baublockumrissen und den HyMap-Daten zurückzuführen. Dennoch ist die Genauigkeit der aus den multisensoralen Fernerkundungsdaten abgeleiteten Planungsindikatoren im Vergleich mit der Referenz mit einer mittleren Abweichung von +/– 10 % und ihrem Streuverhalten etwas genauer als die Indikatoren der Stadt München. Die Unter- und Überschätzungen sind minimal und liegen im angegebenen Fehlerintervall. Die
Fernerkundung erhebt nicht den Anspruch Genauigkeiten von Liegenschaftskatastern zu erreichen. Gerade vor diesem Hintergrund ist noch mal zu betonen, dass die ermittelten Resultate in ihrer Größenordnung richtig sind und damit als eine relevante Grundlage für planungsrelevante Entscheidungen dienen können.
Schlussfolgerung Die in diesem Kapitel vorgestellten Indikatoren sind wertvolle quantitative Maße zur baulichräumlichen Beschreibung urbaner Strukturen. Die Indikatoren besitzen das Potenzial, den Entwurf verschiedener Entwicklungsszenarien zu unterstützen, um im Anschluss planungsrelevante Entscheidungen treffen zu können oder Zielcontrolling durchzuführen. Die vorgestellten Indikatoren stellen wichtige Messgrößen dar, um eine an Nachhaltigkeit orientierte Raumnutzungsplanung zu unterstützen. Eine nachhaltige Raumnutzungsplanung bedingt • mit Siedlungsflächen sparsam umzugehen, um möglichst viele Freiflächen zu erhalten; • eine optimale, d. h. einerseits für den Nutzer brauchbare und andererseits für Gesellschaft und Umwelt noch tragbare Dichte und • eine auf hochwertige urbane Standorte hin gerichtete oder abgestufte Dichte zu erreichen (MICHAEL, 1999). Der für die Siedlungsflächenentwicklung von Stadt und Umland entscheidende Regionalplan bietet eingeschränkte Informationen über Entwicklung und Zustand des betrachteten Raumes. Die Stärke der Verwendung multisensoraler Fernerkundungsdaten liegt in der flächendeckenden aktuellen und jederzeit unter gleichen objektiven Bedingungen wiederholbaren quantitativen Erfassung der Indikatoren. Die Erfassungsbedingungen sind zudem für jeden Baublock im Untersuchungsgebiet identisch. Meist ist dies bei einer, von mehreren Bearbeitern durchgeführten, stereoskopischen Auswertung von Luftbildern, nicht der Fall. Diese Methodik eignet sich hervorragend für eine regelmäßige Erfassung der Veränderungen auf der
5.4 Physische Indikatoren für die Stadtplanung
Grundlage einer räumlich sehr hoch aufgelösten und thematisch detaillierten Basiskartierung, die beispielsweise mit Luftbildern und durch Feldbegehungen erstellt wird. Grundsätzlich, so zeigt dieses Kapitel, weisen urbane Räume eine ausgeprägte physische Differenzierung auf. Der Raum wird hierbei über Merkmale wie ›Dichte‹, ›Lage‹, etc. charakterisiert. Diese physischen Merkmale erlauben indirekt auch auf eine unterschiedliche Verteilung der Ressourcen im Raum zu schließen. Die Idee, diese physischen Merkmale, zu homogenen räumlichen Einheiten, sogenannten Stadtstrukturtypen, zusammenzufügen, wird im folgenden Kapitel 5.5 präsentiert. Um also über die physische Komponente urbaner Struktur hinaus zu denken, und eine sozialräumliche Differenzierung städtischer Bevölkerung vorausgesetzt wird, dann wirkt der Raum in der Art seiner Ausstattung und Nutzung und über seine Nutzergruppen prägend auf den einzelnen Bewohner (Hoffmeyer-Zlotnik, 2000). Unter diesen Annahmen wird die physische Struktur des Raumes auch bei der Erklärung sozialen Verhaltens zu einer zentralen Variablen und ermöglicht es der Fernerkundung über direkt abgeleitete physische Indikatoren auch indirekt auf sozioökonomische Parameter zu schließen (vgl. Kap. 7.2 u. 7.3).
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teneinsatzes in vier Modellregionen. − Land Use Economics and Planning, 09/10. HOFFMEYER-ZLOTNIK, J. (2000): Das »Wohnquartier« als Hintergrundmerkmal zur Erklärung von Umfragedaten. − MOHLER, P. P. & P. LÜTINER (Hrsg.): Querschnitt: Festschrift für Max Kaase. Mannheim. MICHAEL, R. (1999): Zukunftsfähige Region München? (= Studien zur Raumplanung, 2). Technische Universität München. PAULEIT, S. (1998): Das Umweltwirkgefüge städtischer Siedlungsstrukturen: Darstellung des städtischen Ökosystems durch eine Strukturtypenkartierung zur Bestimmung von Umweltqualitätszielen für die Stadtplanung. Dissertation, Technische Universität München. PU, R., GONG, P., MICHISHITA, R., & T. SASAGAWA (2008): Spectral Mixture Analysis for Mapping Abundance of Urban Surface Components from the Terra/Aster Data. − Remote Sensing of Environment, 112(3): 939–954. SIEDENTOP, S., HEILAND, S., LEHMANN, I. & N. SCHAUERTE-LÜKE (2007): Regionale Schlüsselindikatoren nachhaltiger Flächennutzung für die Fortschrittsberichte der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie − Flächenziele (Nachhaltigkeitsbarometer Fläche). (= Reihe »Forschungen«, 130). Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn. STREICH, B. (2005): Stadtplanung in der Wissensgesellschaft. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. WU, C. & A. T. MURRAY (2003): Estimating Impervious Surface Distribution by Spectral Mixture Analysis. − Remote Sensing of Environment, 84(4): 493–505.
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5. Die lokale Ebene
5.5 Fernerkundung als Grundlage zur Identifikation von Stadtstrukturtypen M. Wurm & H. Taubenböck
Hintergrund Das ›Ökosystem Stadt‹ hat sich über viele Jahre hinweg entwickelt. Diese Entwicklung hat eine Vielfalt an stadträumlichen Teilelementen hervorgebracht, welche in ihrer Gesamtheit wiederum das individuelle städtische Ökosystem charakterisieren. Die Identifikation dieser heterogenen stadträumlichen Einheiten kann als Grundlage für eine ökologisch-nachhaltige Stadtplanung dienen (P PAULEIT, 1998). Eine zukunftsfähige, nachhaltige Stadtplanung ist nicht allein vor dem Hintergrund notwendig, dass ein Großteil der Bevölkerung in Industrieländern in Städten lebt (UNITED NATIONS, 2008), sondern insbesondere zur Erhaltung einer lebenswerten Umwelt in seiner größtmöglichen Vielfalt für zukünftige Generationen. Eine Reihe politischer Entscheidungen seit der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 fördert die Vision einer zukunftsbeständigen Entwicklung der Städte und Gemeinden. Um diese übergeordneten Leitvorstellungen in eine lokale Planung zu überführen, sind Daten, Konzepte und Instrumente erforderlich, welche das ökologische, ökonomische und soziale Wirkungsgefüge auf kleinräumiger Ebene erfassen können (P PAULEIT, 1998). In einer nachhaltigen Stadtplanung werden gesamtstädtische Kenngrößen der Vielfalt des urbanen Raumes (z. B. strukturelle, sozioökonomische oder naturräumliche Unterschiede) genauso wenig gerecht wie auf künstlichen, administrativen Raumeinheiten basierende Unterteilungen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Stadt räumlich in homogene Areale zu differenzieren. Um dieser Aufgabe zu begegnen, wurden Struktur- und Nutzungstypen definiert, welche für die jeweilige Gebietskörperschaft charakteristisch sind (SOCHER, 1999). Diese Idee der als Stadtstrukturtypen bezeichneten Raum-
einheiten haben einige Städte in Form einer Kartierung als Grundlage für die Planungspraxis umgesetzt. Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, das Potenzial multisensoraler Fernerkundungsdatensätze im Hinblick auf eine für verschiedene Gebiete gleichermaßen anwendbare Stadtstrukturtypenklassifikation vorzustellen. Das übergeordnete Ziel ist es, mit dieser weitgehend automatisierten Methode Gebiete strukturell homogener Parameter innerhalb des Stadtgefüges auszuweisen und zu Stadtstrukturtypen zusammenzufassen.
Einleitung Die Idee der Stadtstrukturtypen zielt auf eine stadträumliche Flächengliederung auf Basis homogener physischer Parameter sowie homogener Flächennutzung ab. Diese Differenzierung des Stadtraumes ist vor allem vor dem Hintergrund erstrebenswert, da auf diese Weise unterschiedliche Themen und Fragestellungen in einer gemeinsamen räumlichen Abgrenzung zusammengeführt und ausgewertet werden können (Breuste et al., 2001). Somit soll u. a. auch eine Einbindung von Daten aus anderen Quellen und Forschungsergebnissen ermöglicht werden. Vorrangig werden die Teilflächen nach funktionalen (Sukopp et al., 1980) und strukturellen Unterschieden, also baulichen Strukturen, für die Zuweisung zu einer entsprechenden Klasse genutzt. Um die Vergleichbarkeit der Methode auf andere Untersuchungsräume sicherzustellen, werden nach Duhme und Pauleit (1992) diverse Kriterien definiert. Demnach sollen Repräsentanten gleicher Flächentypen eine homogene Merkmalsausprägung aufweisen, wodurch gewährleistet werden soll, dass alle Flächen einer bestimmten Nutzung dem gleichen Strukturtyp zugewiesen werden. Zusätzlich ist besonders relevant, dass die Flächen-
5.5 Fernerkundung als Grundlage zur Identifikation von Stadtstrukturtypen
einheiten aggregiert werden können und die Übertragbarkeit der Ergebnisse gewährleistet wird sowie eine Integrierbarkeit in bestehende kommunale Planungsprozesse besteht. Während sich der Begriff der Stadtstrukturtypen erst später herauskristallisiert hat, hat es methodisch bereits in der Mitte der 1960er Jahre Arbeiten zur Gliederung in homogene Nutzungseinheiten, sogenannte Stadtlandschaftszellen inklusive deren Typisierung, gegeben (MÜLLER, 1965). Auch Flächennutzungskartierungen waren in der Stadtgeographie üblich. In den 1970er Jahren führten Forschungsarbeiten zum Thema »Stadtökosystem« zur Entwicklung von Biotopkartierungen, welche besonders im Rahmen von vegetationskundlichen und landschaftsökologischen Arbeiten in Städten in den 1980er Jahren verstärkt durchgeführt wurden (AMMON, 1982; RICHTER, 1984). Seit 1985 wurde vor allem durch die Arbeitsgruppe »Methodik der Biotopkartierung im besiedelten Bereich« ein Konzept entwickelt, welches von vielen Städten Deutschlands angewendet wurde (BOCHOW, 2010). Stadtbiotopkartierungen mit Schwerpunktsetzung bei ökologischen Aspekten wurden in München vom Lehrstuhl für Landschaftsökologie zwischen 1978 und 1983 zunächst als studentisches Projekt und in Folge als gesamtstädtische Kartierung durchgeführt (P PAULEIT, 1998). Eine Stadtstrukturtypenkartierung für München wurde in der Pilotstudie Duhme und Pauleit (1992) vorgestellt und mit dem Ziel einer ökologisch differenzierten Betrachtung für ein 50 km² großes Untersuchungsgebiet angewendet (P PAULEIT, 1998). Hierfür gingen sowohl die physischen Strukturmerkmale und deren Nutzungen, als auch klimatische und hydrologische Eigenschaften in den einzelnen Strukturtypen ein, sowie auch der Heizenergiebedarf. Als Quelle für die visuelle Interpretation der Strukturen dienten schwarz-weiß Luftbilder im Maßstab 1: 5000. Insgesamt wurde eine Untergliederung in 24 Strukturtypen mit einer Differenzierung in acht verschiedene Bebauungsformen getroffen. Als eine der ersten Städte in den neuen Bundesländern hat die Stadt Leipzig zwischen 1992 und 1994 eine Stadtbiotopkartierung durchge-
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führt und sie zwischen 1997 und 2000 aktualisiert (BREUSTE et al., 2001). In diesen Untersuchungen wurden zunächst insgesamt 78 und für den aktualisierten Zeitraum 47 Biotoptypen unterschieden. Ausgewertet wurden sowohl Farbinfrarotluftbilder und panchromatische Aufnahmen des französischen SPOT-Satelliten (1994) und des indischen Satelliten IRS-1C (1998). Kombiniert mit Ergebnissen der Karte »Flächennutzung 1992 der Stadt Leipzig« diente die Auswertung der Stadtbiotopkartierung zur Herstellung der »Stadtstrukturtypenkarte Leipzig«. Zusätzlich wurden Schwarzweiß- und Thermalluftbilder in die Auswertung einbezogen. Kriterien für die Ausweisung der einzelnen Klassen waren: Nutzung, Gebäudetyp, Baustruktur und –dichte, Grünflächenanteil und Art der Begrünung sowie Versiegelungsgrad der Teilfläche. Insgesamt wurden 25 Stadtstrukturtypen bestimmt, wovon acht verschiedene Gebäudetypen unterschieden wurden. Nach Socher (1999) wurden für die Stadt Dresden Struktureinheiten sowie deren Anteil an versiegelter Fläche einerseits durch visuelle Auswertung von Luftbildern und andererseits durch terrestrische Erhebungen abgeleitet. Der hohe personelle und finanzielle Aufwand dieser Erfassung ging jedoch zu Lasten der Aktualität der Auswertungen. Aus hoch aufgelösten Satellitenbildern des indischen Erdbeobachtungssystems IRS-1C aus dem Jahr 1997 und der Blockkarte von Dresden wurde der Versiegelungsgrad in fünf Klassen geschätzt und gemeinsam mit blockscharfen statistischen Daten sowie dem Flächennutzungsplan ausgewertet. Eine Ausweisung von insgesamt 20 Stadtstrukturtypen mit sechs verschiedenen Bebauungsklassen wurde durchgeführt. Für die Stadt Halle wurden zunächst von Walossek (1981) und Ammon (1982) Gliederungsmöglichkeiten aufgezeigt und später in Form einer Stadtstrukturtypenkartierung (ZIERDT & DIPPMANN, 1995) durchgeführt. Diese wurde 2002 von Sauerwein und Fornacon (2002) im Rahmen einer aktualisierten Stadtstrukturtypenkartierung erweitert. Es wurden homogene Einheiten in einem mehrstufigen Verfahren unter Zuhilfenahme der digitalen
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5. Die lokale Ebene
Abb. 5-5-1: Maßstabsabhängige Analyse und Bewertung von Stadtstrukturtypen (Sukopp & Wittig, 1998).
Stadtgrundkarte und dem Flächennutzungsplan abgeleitet. Zudem wurden Farbinfrarotbilder nach festgelegten Abgrenzungskriterien ausgewertet (SAUERWEIN, 2004) und insgesamt 29 verschiedene Stadtstrukturtypen klassifiziert, mit Berücksichtigung des Gebäudetyps in acht spezifischen Klassen. Die 1981 für das Landschaftsprogramm Berlin erarbeitete Karte der Freiraumtypen auf der räumlichen Bezugsebene von Blöcken diente als Grundlage für die Klassifizierung der Flächentypen für West-Berlin 1988. Die Ergebnisse flossen dann in ein Umweltinformationssystem ein. Die Klassifizierung von Strukturtypen wurde das erste Mal 1995 auf Basis von Farbinfrarotbildern durchgeführt und für 2002, 2005 und 2008 aktualisiert (SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG, 2007). Es wurden elf unterschiedliche Klassen der Baustruktur mit überwiegender Wohnnutzung, drei mit überwiegender Nutzung durch Handel, Dienstleistung, Gewerbe und Industrie und drei Klassen mit anderen Nutzungen dargestellt. Eine Abgrenzung von Flächeneinheiten für Stadtstrukturtypen erfolgt üblicherweise nach der Nutzung oder nach statistischen Baublökken, d.h. auf relativ kleinräumiger Ebene. Der
besondere Vorteil dieser Maßstabsebene ist, dass eine gewisse Übertragbarkeit und Vergleichbarkeit gegeben ist. Vor allem aber fügen sich Stadtstrukturtypen ideal in die hierarchische administrative Gliederung von städtischen Räumen ein, mit zusätzlicher Berücksichtigung von physiognomischen Kriterien. Wie in Abbildung 5-5-1 ersichtlich, ist auf diese Weise ein direkter Bezug zwischen dem einzelnen Strukturelement (Gebäude, vgl. Kap. 5.1) und den administrativen Gliederungseinheiten der Stadt (Stadtbezirk) herstellbar. Ein besonderer Mehrwert von Stadtstrukturtypen liegt darin, dass sie als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und städtebaulicher Planung dienen können, da direkte Bezüge mit den Gebietstypen der Bauleitplanung hergestellt werden können (BREUSTE et al., 2001). Anwendung findet der Stadtstrukturtypenansatz wie gezeigt in der Planungspraxis und in vielen unterschiedlichen Forschungsdisziplinen. Neben stadtökologisch orientierten Ansätzen (P PAULEIT, 1998; WITTIG et al., 1998a; WITTIG et al., 1998b) und geoökologischen Forschungen zu urbanen Böden (SAUERWEIN, 2004) findet das Stadtstrukturtypenkonzept auch bei energierelevanten Fragestellungen Anwendung
5.5 Fernerkundung als Grundlage zur Identifikation von Stadtstrukturtypen
(vgl. Kap. 7.4). Anknüpfungspunkte ergeben sich auch mit sozialgeographischen Fragen (LICHTENBERGER, 1998) und der Analyse von Zusammenhängen zwischen (Stadt-)Umwelt und Gesellschaft bzw. Gesundheit (BREUSTE et al., 2001). Rekapitulierend zeigt sich, dass das Konzept der Stadtstrukturtypen in vielen deutschen Städten Anwendung findet. Die ungleiche Datenbasis sowie die subjektive, oft zeit- und kostenintensive visuelle Auswertung führt allerdings zu einer unterschiedlichen Anzahl und Ausprägung der kartierten Stadtstrukturtypen. Die Fernerkundung erlaubt es, eine vergleichbare Datenbasis für die verschiedensten urbanen Räume zu schaffen. Das 3-D-Stadtmodell, wie im Kapitel 5.1 dargestellt, kann in vergleichbarer räumlicher und thematischer Tiefe sowie Güte bei Verfügbarkeit der gleichen Datenbasis für jeden beliebigen urbanen Raum hergestellt werden (vgl. Abb. 5-1-3 & 8-1b). Der hier beschriebene Ansatz zielt darauf ab, mittels eines einheitlichen, objektiven, quantitativen Verfahrens aus Fernerkundungsdaten vergleichbare Stadtstrukturtypen abzuleiten.
Methode Methodisch läuft die Zuordnung von Flächen zu Strukturtypen grundsätzlich deduktiv ab. Damit ist gemeint, dass auf Basis der vorkommenden Strukturelemente die jeweilige Flächeneinheit nach ähnlichen Umwelt- oder Nutzungsverhältnissen zusammengefasst wird (Breuste et al., 2001). Die Vorgehensweisen der oben aufgeführten Strukturtypenkartierungen sind einander weitestgehend ähnlich. Unter Zuhilfenahme von Vorarbeiten, Geländebegehungen und Flächennutzungskartierungen werden hauptsächlich Fernerkundungsdaten, meist in Form von Farbinfrarotluftbildern, ausgewertet. Aus dieser Datengrundlage werden in der Regel zunächst die einzelnen Strukturelemente eines Baublocks identifiziert und danach auf selbigen zusammengefasst. Traditionellerweise werden diese Arbeiten visuell/manuell von einem Auswerter durchgeführt und in ein Geographisches Informationssystem (GIS) übertragen. Der
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Zeit-, Kosten- und Arbeitsaufwand hierfür ist allerdings beträchtlich, was häufig zu Lasten einer Aktualisierung der Kartierung geht. Luftbilder waren sehr lange die einzige fernerkundliche Datengrundlage, um auf geometrisch sehr hohem Niveau die kleinräumig strukturierten Elemente der urbanen Landschaft identifizieren zu können. Der große Aufwand zur Planung und Durchführung von Städtebefliegungen mit flugzeuggetragenen Aufnahmesystemen und deren darauffolgende meist analoge Auswertung der Daten konnte mit dem Aufkommen von geometrisch höchstauflösenden Erdbeobachtungssatelliten reduziert werden. Obwohl viele Kartierungen Fernerkundungsdaten als Grundlage für die Auswertung verwenden, ist der Auswerteprozess aber zu einem geringen Grad automatisiert. Mit dem Start des ersten kommerziellen Satelliten IKONOS mit einer Bodenauflösung von einem Meter in vier spektralen Kanälen im Jahr 1999 wurde der globale Zugang zu höchst detaillierten optischen Satellitenbilddaten erheblich vereinfacht (vgl. Kap. 3). Der hohe Detailgrad in den Daten erforderte auch die Weiterentwicklung der Auswertemethoden. Bei diesen objektorientierten Methoden wird das einzelne Bildelement nicht mehr isoliert von seiner Umgebung betrachtet, sondern im Kontext zu seinen angrenzenden Pixeln (BLASCHKE & STROBL, 2001; siehe auch Kap. 5.1). Die Weiterentwicklung von computergestützten, weitgehend automatisierten Auswertemethoden fand auch in der Kartierung von Stadtstruktur- und Biotoptypen Anwendung. Banzhaf & Höfer (2008) präsentierten eine semiautomatische Analyse von Farbinfrarotluftbildern mit dem Ziel des Monitorings von Stadtstrukturtypen in Leipzig. Auf Basis eines objektorientierten Ansatzes wurden sowohl spektrale als auch textur- und formbasierte Merkmale verwendet, um insgesamt 15 unterschiedliche Stadtstrukturtypen zu unterscheiden. Einen weitgehend automatisierten Ansatz, wenn auch nicht direkt auf Fernerkundungsdatengrundlagen beruhend, wurde von Meinel et al. (2007; BMVBS, 2008) entwickelt. Als Grundlage diente die Auswertung topographischer Karten im Maßstab 1: 25 000 (DTK25-V). Zu-
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5. Die lokale Ebene
nächst wurden die Einzelgebäude aus der Karte selektiert, um sie dann nach formbasierten Merkmalen in einem Entscheidungsnetzwerk einem bestimmten Gebäudetyp zuzuweisen. Auf der Ebene eines Blocks der ATKIS-Geometrie wurden die Einzelgebäude zur Ausweisung von unterschiedlichen Siedlungskennwerten herangezogen und letztlich die Blöcke nach neun unterschiedlichen Klassen eingeteilt. Bochow (2010) stellt eine Methode vor, um aus Aufnahmen flugzeuggetragener Hyperspektralsensoren und der zusätzlichen Einbindung eines digitalen Oberflächenmodells, Biotoptypen automatisiert abzuleiten. Die hohe spektrale Auflösung des Sensors ermöglicht die Erstellung einer großen Anzahl an Klassifikationsmerkmalen. Unter anderem wurden dabei, ähnlich wie im Kapitel 5.2 dargelegt, unterschiedliche Materialien der Oberflächen in speziellen Entmischungsverfahren erfasst. Die somit erstellte Bibliothek an Materialien und form- und größenbasierten Merkmalen aus dem normalisierten Oberflächenmodell werden für die Zuordnung eines Blocks zu einem bestimmten Biotoptyp verwendet. Basierend auf diesen Studien hat der vorliegende Beitrag das Ziel, gängige Fernerkundungsdaten für die Ausweisung von urbanen Siedlungsstrukturen heranzuziehen. Der entwickelte Arbeitsablauf knüpft an die Extraktion urbaner Elemente aus den vorangegangenen Kapiteln an (vgl. 5.1). Aus dem 3-D-Stadtmodell bzw. der Ableitung von planungsrelevanten Indikatoren (vgl. 5.4) liegen Informationen zu physischen Parametern der urbanen Objekte bzw. des Gefüges quantitativ vor. Die Datengrundlagen haben eine geometrische Auflösung von einem Meter und erlauben dadurch eine zuverlässige Identifikation von physiogno-mischen Strukturelementen. Als Aggregierungslevel für die Ausweisung von Stadtstrukturtypen wird die Baublockebene herangezogen. Das relevante Kriterium für die Ausweisung einer Fläche als bestimmter Strukturtyp ist neben der Nutzung auch die bauliche Struktur. Da die Gebäudenutzung nur indirekt aus fernerkundlichen Daten abgeleitet werden kann, zielt die Methode darauf ab, basierend auf quantifizierbaren physischen Parametern ho-
mogene Flächen zu Stadtstrukturtypen zusammenzufassen. Dabei spielen physische Parameter wie Form, Größe oder Höhe der jeweiligen Gebäude genauso eine Rolle wie deren Einbindung in das räumliche Gefüge, definiert über Parameter wie Gebäudedichte, Geschossflächenzahl oder Vegetationsanteil. Aus dem 3-DStadtmodell bzw. der Ableitung stadtplanerischer Indikatoren (siehe Kap. 5.4) liegen die benötigten Parameter quantitativ vor. Die unterschiedlichen Strukturtypen weisen mehr oder weniger charakteristische physische Merkmale auf. So sind zum Beispiel für Einzelund Doppelhausbebauungen Eigenschaften wie ein hoher Grünanteil oder eine geringe Gebäudedichte charakteristisch. Sie sind zudem geprägt von allgemein geringen Grundflächen, kurzen Seitenlängen und geringen Stockwerkszahlen (vgl. Abb. 5-5-2, links unten). Die Zeilenbebauung (vgl. Abb. 5-5-2, rechts oben) wiederum lässt sich anhand der besonders langen Gebäude und des hohen Verhältnisses zwischen Länge und Breite des Gebäudes feststellen. Blockbebauungen (Abb. 5-5-2, links oben) haben eine lange Tradition und können in unterschiedlicher Ausprägung vorkommen (offen, geschlossen, Blockrand). Doch nicht nur konventionelle Bauformen sind in der heterogenen Stadtlandschaft vorzufinden, sondern es gibt auch zahlreiche moderne Gestaltungsformen. Geschossbaukomplexe können unterschiedliche Formen annehmen und sind hauptsächlich durch ihre Gesamthöhe bzw. Stockwerksanzahl als auch durch die komplexe Form erkennbar (vgl. Abb. 5-5-2, rechts unten). Die Beschreibung der Physiognomie der Einzelgebäude ist letztendlich gestützt auf objektive und übertragbare Merkmale. Sie ist auch die Basis nach welcher die gesamte Blockeinheit, welche die jeweiligen Gebäude umschließt, klassifiziert wird. Die Merkmale nach denen die Aggregierung der Strukturelemente auf Blockebene stattfindet sind zunächst die Häufigkeit eines vorkommenden Gebäudetyps pro Block und in weiterer Folge sein Bauvolumen. Im vorliegenden Beitrag werden sechs verschiedene Stadtstrukturtypen auf der Basis physischer Parameter, weitgehend automatisiert
5.5 Fernerkundung als Grundlage zur Identifikation von Stadtstrukturtypen
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Abb. 5-5-2: Unterschiedliche Bebauungsstrukturen in München dargestellt mit höchstaufgelösten optischen Satellitenbilddaten (DLR/Universität Würzburg) (Links oben: geschlossene Blockrandbebauung zwischen Weißenburger Platz und Pariser Platz. Rechts oben: Zeilenbebauung in der Nähe des Michaelibads. Links unten: Einzel- und Doppelhausbebauung in Ramersdorf. Rechts unten: Komplexe Geschossbauten östlich des Ostfriedhofs)
aus Fernerkundungsdaten abgeleitet: Einzelund Doppelhausbebauung, Zeilenbebauung, Blockbebauung, Hochhäuser, Geschossbauten und Gebäude, welche aufgrund ihrer Form und Größe auf keine Wohnnutzung schließen lassen. Auf Basis der Daten aus dem 3-DStadtmodell werden die einzelnen Gebäude einer Klassifizierung zugeführt, die charakteristische Merkmale von unterschiedlichen Stadtstrukturen in einem vordefinierten Prozessablauf ausweist. Die Merkmale, welche für die Klassifikation der jeweiligen Strukturen verwendet werden, sind so formuliert, dass sie eine Übertragbarkeit auf andere Untersuchungsgebiete ermöglichen. Neben der Charakterisierung des Gebäudes aufgrund seiner Form und Größe werden außerdem Merkmale auf Blockebene für die Klassifikation der Struktureinheit verwendet. Um diesen Ansatz zu verdeutlichen werden nun exemplarisch für den Stadtstrukturtyp Blockrandbebauung die relevanten Merkmale und Bedingungen für eine thematische Zuweisung aufgeführt: Zusammenhängende Häuserfront, Innenhof, Gebäudehöhe mindestens drei und nicht mehr als zehn Stockwerke, Geschossflächendichte höher als 1,75, Versieglungsgrad höher als 60 %.
Ergebnis Das entwickelte und im vorliegenden Beitrag beschriebene Klassifikationsschema wurde auf ein Testgebiet im Raum um den Münchener Ostbahnhof angewendet (vgl. Kap. 5.4). Um eine Abschätzung über die Genauigkeiten des Algorithmus zum derzeitigen Entwicklungsstand geben zu können, wurde das vorläufige Klassifikationsergebnis mit der manuell erstellten Stadtstrukturtypenklassifikation Münchens verglichen. Diese wurde basierend auf dem Stadtstrukturtypenkonzept von Duhme und Pauleit (1992) anhand von Farbinfrarotluftbildern, Nutzungsarten sowie statistischen Informationen manuell erstellt (Fischer, 2002). Insgesamt weist diese visuell abgeleitete Klassifikation 46 Strukturtypen mit 19 unterschiedlichen Gebäudetypen aus. Zur Herstellung einer solchen Klassifikation ist ein großer zeitlicher und finanzieller Aufwand notwendig, was in entsprechenden Genauigkeiten seinen Niederschlag findet. Der beschriebene automatisierte Ansatz hingegen, zielt vor allem auf eine Übertragbarkeit der Anwendung auf unterschiedliche Untersuchungsgebiete − bei ähnlicher Datengrundlage − ab. Zusätzliche Infor-
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5. Die lokale Ebene
Abb. 5-5-3: Ergebnis einer automatisierten Stadtstrukturklassifikation rund um den Ostbahnhof (DLR/Universität Würzburg)
mationen wie die Nutzung der einzelnen Flächeneinheiten können automatisiert mit Methoden der Fernerkundung nicht direkt abgeleitet werden, daher kann diese essentielle Information nur teilweise und indirekt über besonders charakteristische Form- und Größenmerkmale der Gebäude berücksichtigt werden. Der oben beschriebene Ausschnitt beinhaltet insgesamt 1086 Einzel- bzw. Teilflächen aus der manuell erstellten Stadtstrukturtypenklassifikation Münchens. Mit der automatisierten Methode wurden knapp 83 % der Flächen einer der definierten Klassen zugewiesen, wobei mehr als die Hälfte auf die Klassen Blockbebauung, Einzel- und Doppelhausbebauung und Vegetation entfiel. Ein Vergleich des objektorientierten Klassifikationsergebnisses aus Fernerkundungsdaten mit der visuellen Auswertung gestaltet sich schwierig: Zum einen kann aus rein physischen Parametern keine vergleichbare thematische Tiefe an Stadtstrukturtypen erreicht werden. Zum anderen sind die Kriterien für die Zuweisung zu einer Klasse zwar verbal beschrieben und mit einer Luftbildabbildung beispielhaft dargestellt, aber es sind keine exakten Kennwerte für bestimmte Merkmale (z. B. Fläche, Stockwerkszahl, etc.) angegeben. Zusätzlich ist die unterdurchschnittliche Belegung mancher Klassen (Hochhausbebauung: unter 2 %) im untersuchten Ausschnitt für eine
valide Aussage über die Qualität der Klassifikation zu gering. Dennoch soll hier versucht werden, eine Aussage über die Genauigkeit zu geben. Eine erste Abschätzung beruht auf einem visuellen Abgleich des Klassifikationsergebnisses mit einer subjektiven Einschätzung der Strukturtypen des Betrachters der Satellitenaufnahme. Das Resultat des entwickelten Ansatzes spiegelt dabei grundsätzlich das subjektive Empfinden über die Ausprägung der physischen Strukturen des urbanen Raumes wider. Das Ergebnis des entwickelten Klassifikationsansatzes ist in Abbildung 5-5-3 dargestellt. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Blockbebauung großteils im Gebiet nordwestlich des Ostbahnhofes dominiert. Dies entspricht den im Zuge der geplanten Stadterweiterungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erbauten Mietskasernen (LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2009a). Im starken Gegensatz dazu heben sich deutlich die weitläufigen Einzel- und Doppelhausbebauungen rund um den historischen Dorfkern von Ramersdorf vom übrigen Bild ab. Hier entstanden westlich der Kirche Maria Ramersdorf in der ›Mustersiedlung Ramersdorf‹ knapp 200 Häuser, welche im Rahmen der 1934 stattgefundenen ›Deutschen Siedlungsausstellung‹ erbaut wurden (LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2009b). Die weitläufige Anlage des Ostfriedhofs ist
5.5 Fernerkundung als Grundlage zur Identifikation von Stadtstrukturtypen
außer dem als große Vegetationsfläche zu erkennen. Eine vollständige und objektive quantitative Genauigkeitsanalyse des Klassifikationsansatzes gestaltet sich im Vergleich mit den Referenzdaten der Stadt München als schwierig. Die sich bereits bei der qualitativen Beschreibung des Klassifikationsergebnisses durchgezeichneten Strukturen, bilden sich auch im quantitativen Vergleich ab. Die höchste Übereinstimmung der automatisierten Methode ist für den Bebauungstyp der Blockbebauungen zu erkennen. Für insgesamt fast 80 % der als Blockbebauung klassifizierten Blöcke gibt es eine entsprechende Klasse in der Stadtstrukturtypenklassifikation (Blockbebauung, Blockrandbebauung). Knapp 12 % dieser klassifizierten Blöcke sind in der Referenzkartierung als kleine oder große Geschossbaukomplexe ausgewiesen. Diese sind in ihrer Physiognomie nicht grundsätzlich unterschiedlich zu diversen Blockbaustrukturen, was eine eindeutige, automatische Klassifikation schwierig gestaltet. Differenzierter erscheint das Ergebnis der Klassifikation für die anderen Klassen. Ein Vergleich der als Zeilenbebauung klassifizierten Blöcke zeigt, dass knapp 60 % mit der Referenzklasse ›Zeilenbebauung‹ oder der physiognomisch sehr ähnlichen Klasse der ›Reihenhäuser‹ übereinstimmen und rund 24 % in der Referenz als unterschiedliche Blockbebauungsstrukturen ausgewiesen sind. Für die Klasse der als Einzel- und Doppelhausbebauung ausgewiesenen Blöcke ist eine eindeutige thematische Übereinstimmung für etwa die Hälfte der Blöcke gegeben, rund 15 % entfallen sowohl auf Geschossbauten als auch auf Reihenhausbebauungen. Die Abschätzung der Güte der Klassifikation der Vegetationsflächen ist in Kap. 5.1 im Rahmen der Landbedeckungsklassifikation ersichtlich. Sie beträgt für punktuell erhobene Vergleichswerte im Mittel beider Vegetationsklassen 94,5 %. Der mittlere Vegetationsanteil sämtlicher als Vegetationsflächen ausgewiesener Flächen beträgt 84,6 % laut Landbedeckungsklassifikation (Standardabweichung: 16,1 %). Im Vergleich beträgt der visuell erhobene Vegetationsanteil für die gleichen Flächen im Mittel 76,9 % (: 31 %). Gebäude, welche wegen ihrer besonderen Größe und
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Form (große Flächen) auf keine Wohnnutzung schließen lassen, wurden der Klasse Industrie/Gewerbe zugewiesen. Das Ergebnis zeigt, dass Klassen, die aufgrund ihrer charakteristischen Form und Größe klar definierbare Merkmale aufweisen, auch mit hohen Genauigkeiten um die 80 % vollautomatisiert klassifiziert werden können. So sind physiognomisch charakteristische Strukturen wie die Blockbebauung leichter zu identifizieren als andere Klassen, welche ohne die Zuhilfenahme von Zusatzinformation nur sehr schwer zu differenzieren sind. Die beschriebene Methode zeigt den derzeitigen Entwicklungsstand des Klassifikationsansatzes auf und eine Weiterentwicklung ist in Bearbeitung. Diese Erweiterung zielt auf die zusätzliche Integration von Oberflächenmaterialien oder auch externer Gebäudenutzungsdaten für den Klassifikator ab.
Zusammenfassung Die Erfassung der physischen Strukturierung eines Stadtgebietes mit Methoden der Fernerkundung wurde in vielen deutschen Städten in Form von stadtökologischen Kartierungen und Stadtbiotoptypenkartierungen durchgeführt. Neue Entwicklungen, insbesondere in der Satellitenfernerkundung und zeitgemäße Datenauswertungsansätze, lassen eine teilweise Automatisierung der Arbeitsabläufe bei einer Kartierung zu. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wie geometrisch höchstaufgelöste optische Satellitenbilder und ein digitales Oberflächenmodell für die Ausweisung von Strukturmerkmalen im urbanen Raum verwendet werden können. Nach der Ableitung der stadtstrukturellen Elemente wie Einzelgebäude und Landbedeckung in Form eines 3-D-Stadtmodells (vgl. Kap. 5.1) werden objektorientierte Methoden angewendet, um mittels übertragbarer Merkmale bauliche Strukturen auf Basis ihrer Physiognomie zu unterscheiden. Im Vergleich mit dem für München verfügbaren Referenzdatensatz konnten räumliche und thematische Übereinstimmungen für die Klassen ›Blockbebauung‹, ›Zeilenbebauung‹ und ›Einzel- und Doppelhausbebauung‹ gefunden
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5. Die lokale Ebene
werden. Die Referenzdaten wurden durch visuelle Auswertung von Farbinfrarotluftbildern und Einbinden von zusätzlichen Daten erstellt. Informationen wie die Nutzung einer Flächeneinheit können mit automatisierten Klassifikationsmethoden nur indirekt abgeleitet werden. Die vorgestellte Methode ist in einen weitgehend automatisierten Arbeitsablauf eingebunden, wodurch eine relativ rasche Prozessierung bis zum vorliegenden Ergebnis erzielt wird. Eine detaillierte thematische Differenzierung unterschiedlicher Bebauungstypen, wie sie durch visuelle Interpretation geschehen kann, wird im vorliegenden Entwicklungsstand noch nicht erreicht. Physiognomisch stark unterschiedliche Bebauungsstrukturen können voneinander unterschieden werden (vgl. Abb. 5-5-3) und stellen eine Möglichkeit dar, den städtischen Siedlungsraum auch anhand seiner Bebauungsstrukturen zu differenzieren und mit anderen Untersuchungsgebieten zu vergleichen (vgl. WURM et al., 2009). Ziel ist es zudem, den methodischen Ansatz unter Einbeziehung weiterer physischer Parameter, wie dem Oberflächenmaterial oder einer indirekten Abschätzung der Gebäudenutzung, auf die Erfassung von zusätzlichen Strukturtypen auszudehnen.
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5.6 Reale Welt? – Ein virtueller Spaziergang durch die 3-D-Welt
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5.6 Reale Welt? – Ein virtueller Spaziergang durch die 3-D-Welt F. Siegert & F. Lehmann
Wie nehme ich die Stadt, ihr Gefüge und ihre äußere Erscheinung wahr? Durch lebenslange Erfahrung hat der Mensch gelernt zweidimensionale Bilder visuell zu verarbeiten und in Bezug zur dreidimensionalen realen Welt setzen zu können. Dreidimensionale Bilder bieten nun
die Möglichkeit Sehgewohnheiten aufzubrechen und einen Blick auf ein virtuelles, aber real erscheinendes, Bild zu werfen, ohne selbst vor Ort zu sein. Wie sieht es also am Münchner Marienplatz, im Olympiapark oder in Haidhausen aus? Die bisher in Kapitel 5 vorgestellten fern-
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5. Die lokale Ebene
erkundlichen Produkte basieren auf einer Abstraktion der Realität, beispielweise dargestellt durch das Klötzchen 3-D-Stadtmodell (vgl. Abb. 5-1-3). Mit Daten neuester digitaler Luftbildkameras, wie der Ultracam von Microsoft, der DMC von Zeiss oder der MFC des DLR, wird es auf Knopfdruck möglich die Realität urbaner Wahrnehmung aus vielen Perspektiven darzustellen. Ein virtueller Spaziergang in einer 3-DWelt vermittelt einen detailgetreuen, fotorealistischen Eindruck von Straßenzügen, Fassaden oder der Stadtmorphologie, ohne jemals an dem entsprechenden Ort gewesen zu sein.
Realtexturierte 3-D-Stadtmodelle Mit neuester Stereo-Luftbildtechnologie, die von den DLR-Instituten für ›Optische Informationstechnologien‹ in Berlin und ›Robotik und Mechatronik‹ in Oberpfaffenhofen entwickelt wurden, können detailgenaue fotorealistische 3-D-Stadtmodelle hergestellt werden. Dabei konnte die Qualität und die Automatisierung
Abb. 5-6-1: Realtexturiertes 3-D-Stadtmodell von München (3D RealityMaps GmbH/DLR)
bei der Herstellung und Visualisierung in den letzten Jahren wesentlich verbessert werden. Dies hat zu einer erheblichen Kostenreduktion geführt, die den Einsatz von 3-D-Stadtmodellen für verschiedene Anwendungen wie zum Beispiel Immobilienmarketing, Navigation, Tourismus, Stadtplanung und Solarenergie wesentlich attraktiver macht. Hochaufgelöste, lagegenaue und realtexturierte 3-D-Stadtmodelle werden über eine komplexe, rechenaufwändige und mehrstufige Prozesskette hergestellt. Am DLR wurden Verfahren entwickelt, die es erlauben aus Luftbildern, die mit Matrix- oder Zeilenluftbildkameras aufgenommen wurden, mittels des sogenannten semiglobal-matching-Algoritmus (SGM) ein exaktes digitales Oberflächenmodell (DOM) und ein nearly true ortho photo zu berechnen. Dabei entstehen hoch auflösende Oberflächenmodelle mit bis zu 5 cm Auflösung. Dieses Verfahren liefert bei bis zu 400 Messpunkten pro Quadratmeter eine vielfach bessere Auflösung, z. B. von Dachstrukturen, als flugzeuggestützte Laser-Scanningsysteme (LIDAR).
5.6 Reale Welt? – Ein virtueller Spaziergang durch die 3-D-Welt
Diese lagegenauen Oberflächenmodelle werden von einem Industriepartner des DLR, der in Potsdam und München ansässigen Firma 3D RealityMaps GmbH genutzt, um in einem automatisierten Verfahren Gebäudegeometrien einschließlich First- und Traufhöhen mit und ohne Nutzung der Allgemeinen Liegenschaftskarte (ALK) zu extrahieren. Anschließend werden die extrahierten Gebäude mit Fassadenbilder texturiert, die direkt aus den Schrägansichten der Luftbilder berechnet werden oder mittels terrestrischer Fotografie erfasst wurden. Stadtbildprägende Gebäude wie Kirchen, Oper und Museen werden als Computer Aided Design (CAD) Modelle realisiert, die direkt in das automatisiert erzeugte Stadtmodell eingebunden werden können (siehe: www.realitymaps.de). Die wesentlichen Vorteile der neuen Technologien sind im Vergleich zu LIDAR ein schnelleres und kostengünstigeres Erfassen großer Flächen in 3-D, bei dem in einem Bildflug trueortho-Luftbilder mit bis zu 5 cm Bodenauflösung und ebenso hoch aufgelöste digitale Oberflächenmodelle (DOM) erzeugt werden, eine verbesserte Bildqualität durch eine radiometrische Auflösung von 12 Bit sowie die Möglichkeit der automatischen Texturierung von Fassaden aufgrund einer hochgenauen Erfassung der Kameraposition und Lage mittels Differential Global Positioning System (DGPS) und Inertial Measurement Unit (IMU). Die riesigen erzeugten Datenmengen in Echtzeit darzustellen ist eine große Herausforderung. Mittels einer 3-D-Grafik-Engine wird es möglich diese 3-DLandschaften und Städte in einzigartiger Qualität auch über das Internet zu streamen (SIEGERT & LEHMANN, 2010). Abbildung 5-6-1 zeigt einen Blick von Süden über die errechnete 3-D-Welt von München. Das Ergebnis spiegelt ein realitätsnahes Abbild der Münchner Innenstadt wider, bei dem zu dem automatischen Matching-Verfahren zusätzlich exponierte Gebäudefassaden, wie die des Rathauses oder der Frauenkirche, mit terrestrischen Aufnahmen detailgetreu nachgebildet wurden. Der Ausschnitt der 3-D-Welt
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visualisiert im Nordosten das Südende des Englischen Gartens und den Übergang zum Hofgarten sowie die bayerische Staatskanzlei. Des Weiteren werden die Theatinerkirche, das Nationaltheater und schließlich der Marienplatz samt Rathaus sowie der Frauendom abgebildet. Ganz im Vordergrund werden die Kirche St. Peter und der Viktualienmarkt visualisiert.
Ein Ausblick auf Anwendungsmöglichkeiten der 3-D-Welten Diese neue Qualität fernerkundlicher Datensätze eröffnet ein breit gefächertes Anwendungsspektrum gerade für den kleinräumig strukturierten urbanen Raum. Mit einer geometrischen Auflösung von bis zu 5 cm können nun Objekte erfasst werden, die in den bisherigen Analysen auf Gebäude- oder Blocklevel noch keine Rolle gespielt haben. Beispiele dafür sind die Identifikation von Dachdetails, Straßenmarkierungen, Kanaldeckel, Hydranten oder die Einschätzung über den Asphaltzustand. Damit birgt die Fernerkundung zukünftig auch Potenziale für das Katasterwesen im Bereich Aktualisierung oder Neuerfassung. Des Weiteren haben interaktive 3-D-Stadtmodelle im Inter- und Intranet Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Standort- und Wirtschaftsförderung, Immobilienvermarktung (Informationen zu Lage und Umfeld von Wohn- und Gewerbeimmobilien), zur Unterstützung der inneren Sicherheit (Einsatzplanung, Flucht- und Rettungswege), für Umweltanalysen (Verkehrsplanung und Lärmausbreitung, Feinstaub, Grünflächen) oder im Tourismus für die Planung des Urlaubs.
Referenzen SIEGERT F. & F. LEHMANN (2010): 3D RealityMaps for Vacation Planning. − GEOconnexion International, December 2009 − January 2010: 40−43.
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung Eine Stadt ist nicht nur eine Ansammlung von Gebäuden und Strassen. Die Menschen, die in ihr leben, ihre Mobilität und ihr Veränderungswille, machen eine Stadt auch zu einem lebendigen System. Die Darstellung des physischen Erscheinungsbilds einer Stadt zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt lediglich eine Momentaufnahme dieser Dynamik. Die starren Elemente, die Gebäude, Strassen und Freiflächen (vgl. Kap. 4 & 5), stellen die Kulisse für tagtäglich ablaufende dynamische Prozesse dar. Menschliche Mobilität, ob mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß, wird fernerkundlich sichtbar in den städtischen Verkehrsströmen. Diese Verkehrsströme können nur in sehr kleinen Zeitintervallen adäquat erfasst werden. Satellitengetragene Aufnahmesysteme sind so
konzipiert, dass sie in regelmäßigen Orbits den gleichen Punkt auf der Erdoberfläche immer zur gleichen Tages- oder Nachtzeit überfliegen. Auch wenn mit Hilfe unterschiedlicher Blickwinkel eine höhere zeitliche Abdeckung erreicht werden kann, so liegt der minimale Abstand zwischen zwei Aufnahmen des gleichen Gebiets heute im Bereich von Tagen. Die vor allem für Verkehrsströme benötigten deutlich kleineren Wiederholungsintervalle lassen sich aktuell nur durch spezielle flugzeuggetragene Sensoren erreichen. Die flächendeckende Datenerfassung vom Flugzeug aus erlaubt − gerade in kritischen Situationen − die momentane Dynamik objektiv zu erfassen und dementsprechend schnell auf eventuell sich gefährlich zuspitzende Situationen zu reagieren.
6.1 Satelliten- und luftgestützte Verkehrserfassung F. Kurz, D. Rosenbaum, J. Leitloff & P. Reinartz
Verkehr und Verkehrsströme sind der sichtbare Ausdruck der Mobilität der Menschen in einer Stadt. Der Transport von Personen und Gütern innerhalb eines Stadtgebietes spielt bei der Stadtplanung eine sehr wichtige Rolle und daher ist ein leistungsfähiges Verkehrssystem für eine Stadt von außerordentlicher Relevanz. Besonders das Straßennetz, die Verkehrsadern der Stadt, sind so zu planen bzw. anzupassen, dass ein möglichst freier Verkehrsfluss gewährleistet ist, denn lange Stauzeiten erzeugen Zeitverluste und sind auch unter Umweltgesichtspunkten möglichst zu vermeiden.
Um dies zu erreichen ist es zunächst von Interesse den Status quo möglichst genau, das heißt z. B. mittlere Fahrzeuggeschwindigkeiten und Fahrzeugdichten je Streckenabschnitt, Wochentag und Uhrzeit, zu erfassen. Um Verkehr großräumig zu beschreiben, wären Messstellen, verteilt über das gesamte zu untersuchende Netz, nötig. Lokal sind daher entweder Induktionsschleifen in den Asphalt eingelassen oder Kameras stationär an Brücken oder Verkehrsleitsystemen montiert. Daneben erheben speziell ausgerüstete Fahrzeuge, so genannte floating-cars-Daten entlang der Hauptverkehrsrouten. Mit diesen Daten können verschiedene
6.1 Satelliten- und luftgestützte Verkehrserfassung
Parameter der aktuellen Verkehrssituation abgeleitet werden. Die Information ist jedoch meist nur für Hauptstraßen und dort auch nur an einzelnen Messpunkten gewährleistet. Auch die Verkehrsflussmodelle und Simulationsberechnungen beruhen auf diesen sporadischen Messwerten oder gehen von sehr vereinfachten Annahmen über das Streckennetz aus. Ergänzend hierzu zeigt sich zunehmend das große Potenzial der Verkehrserfassung aus Fernerkundungsdaten (REINARTZ et al., 2006). Besonders die durch die synoptische Übersicht mögliche flächendeckende Datenerhebung des Gesamtverkehrs in einer Stadt liefert wertvolle Information über Verkehrsdichten und Verkehrsflüsse in Haupt- und Nebenstraßen. Daneben können Staulängen und Stauverhalten (z. B. lokale Ausweichrouten), Parkplatzfüllungsgrade und andere verkehrsrelevante Größen erfasst werden. Mit Hilfe dieser Daten können Verkehrsmodelle mit realistischen Daten gefüttert werden, um die avisierten Maßnahmen auf den Straßenverkehr besser zu prognostizieren und Verkehrsplaner bei ihren Aufgaben zu unterstützen. In diesem Beitrag werden zwei Verfahren zur automatischen Verkehrsdatenextraktion vorgestellt: ein Verfahren speziell für optische Satellitendaten und eines für luftgestützte Bilder. Primär können mit diesen Verfahren die Positionen der einzelnen Fahrzeuge im Bild und beim luftgestütztem Sensor zusätzlich auch die Fahrzeuggeschwindigkeit abgeleitet werden. Abgeleitete Verkehrsgrößen sind die Verkehrsdichte und der Verkehrsfluss. Neben einer kurzen Beschreibung der Methoden zur automatischen Verkehrsdatenextraktion werden Beispiele für stadtplanerische Anwendungen skizziert. Schließlich wird ein Verfahren zur Reisezeitenbestimmung vorgestellt, das auf den primär extrahierten Verkehrsparametern Fahrzeugposition und Fahrzeuggeschwindigkeit aufbaut.
Verkehrslageerfassung aus optischen Satellitenbildern Der erste Satellit mit einer Bodenauflösung im 1-Meter- bzw. Submeterbereich stand nach dem
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erfolgreichen Start des IKONOS Satelliten im Jahr 1999 zur Verfügung. Da zumindest visuell eine Erkennung von Fahrzeugen auf diesem hochaufgelösten Bildmaterial möglich scheint (vgl. Abb. 6-1-1a & 6-1-1e), ist seitdem die automatische Erfassung von verkehrsrelevanten Größen Gegenstand der Forschung. Begünstigt werden diese Bestrebungen vor allem durch die bis dahin unerreichte räumliche Abdeckung durch Satellitenbilder und den Umstand, dass sich inzwischen bereits fünf Systeme (IKONOS, QuickBird, WorldView-1 & 2, CARTOSAT-2 und GeoEye-1) dieser Auflösungsklasse im Orbit befinden. Vor allem ältere Aufnahmen dieser Satelliten sind leicht und zudem kostengünstig zugänglich. Aufgrund der festgelegten Überflugszeit werden die Daten in der Regel zur Mittagszeit aufgenommen, da zu dieser Tageszeit mit den geringsten Störungen durch Schatten zu rechnen ist. Neben der benötigten Auslieferung von mindestens zwei Tagen, welche die Anwendung in Echtzeitapplikationen verhindert, stellt dies die größte Einschränkung von optischen Satellitensystemen dar, da hierdurch eine ganztageszeitliche Abdeckung mit gewonnenen Verkehrsdaten nicht möglich ist. Die hier vorgestellte Methode zur Fahrzeugerkennung basiert auf einem zweistufigen Fahrzeugmodell, welches eine getrennte Behandlung von isolierten und gruppierten Fahrzeugen vornimmt (LEITLOFF, HINZ & STILLA, 2006). Dies erscheint notwendig, da in Fahrzeugreihen der Abstand aufeinander folgender Fahrzeuge zu gering ist, als dass deren eindeutige Separierung möglich ist (Abb. 6-1-1d). Neben dieser Modellierung kommen Straßenobjekte aus dem ATKIS Basis-DLM zum Einsatz. Durch die Reduzierung der zu bearbeitenden Bildbereiche wird zum einen die Berechnungszeit der Fahrzeugerkennung verringert, zum anderen ist dies notwendig, um die Falscherkennungsrate möglichst gering zu halten. Isoliert stehende Fahrzeuge werden aufgrund der fehlenden Sichtbarkeit einzelner Fahrzeugteile, wie z. B. Front- oder Heckscheibe, als Blobs, d. h. als ellipsenförmige Objekte, modelliert. Hierfür kommen moderne Klassifikationsalgorithmen zur Anwendung, welche
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
zunächst die manuelle Erfassung einiger hundert Beispielbilder erfordern (JIAN, DIUN & MAO, 2000). Diese müssen sowohl repräsentative Ausschnitte mit einzelnen Fahrzeugen wiedergeben, als auch eine möglichst umfangreiche
Menge an ›Nicht-Fahrzeugen‹ enthalten. Aus diesen Beispielen werden Merkmale berechnet, welche den Klassifikationsalgorithmen die statistische Unterscheidung zwischen beiden Klassen ermöglichen. Abbildung 6-1-1b zeigt das Ergebnis der Klassifikation des Bildes in Abbildung 6-1-1a. Helle Werte entsprechen hierbei einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass das entsprechende Pixel Bestandteil eines Autos ist. Dunkle Bereiche wurden hingegen der Fahrzeuggegenklasse zugeordnet. Im Anschluss an die Klassifikation werden die hellen Bereiche (umrandet durch farbige Linien in Abb. 6-1-1c) bezüglich geometrischer und radiometrischer
Abb. 6-1-1: a) Ausschnitt der QuickBird Szene b) Konfidenzbild des Ausschnittes c) Regionen des Konfidenzbildes d) Fahrzeugreihen in QuickBird Bildern e) Erkennung von Fahrzeugreihen durch Linienextraktion (DLR)
6.1 Satelliten- und luftgestützte Verkehrserfassung
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Abb. 6-1-2: a) Grauwertprofile entlang einer extrahierten Fahrzeugreihe b) An das Grauwertprofil (farbig) angepasste generische Funktion (grau) (DLR)
Eigenschaften gefiltert. Die Erkennung von gruppierten Fahrzeugen erfolgt zunächst durch Extraktion von hellen und dunklen Linien (Abb. 6-1-1e). Entlang dieser Linien werden nun Grauwertprofile erfasst (Abb. 6-1-2a). Die Erkennung einzelner Fahrzeuge erfolgt abschließend durch die Anpassung einer generischen Funktion, welche Fahrzeuge als dreidimensionale Glockenkurven repräsentiert (Abb. 6-1-2b). Dies ist notwendig um anhand der aus einer Parameterschätzung gewonnenen Kenngrößen dieser Funktion eine Identifikation in der Reihe enthaltener Fahrzeuge durchzuführen.
Nach der Zusammenführung der Teilergebnisse der verschiedenen Modellierungen weist der Ansatz überwiegend sehr hohe Erkennungsraten auf. Abbildung 6-1-3 zeigt einen Ausschnitt mit erkannten Fahrzeugen. Hierbei steht das Sternchensymbol für richtig erkannte Fahrzeuge, falsche Detektionen sind mit einem Kreuz und fehlende Fahrzeuge mit Kreisen gekennzeichnet. In solch günstigen Situationen erreicht der vorgestellte Ansatz eine Erkennungsrate von ca. 82 % bei einer Zuverlässigkeit von 95 %. Die numerische Evaluierung ist allerdings stark abhängig von der jeweils bearbeiteten
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
Abb. 6-1-3 a + b: Ergebnisbeispiel der Fahrzeugdetektion (DLR)
Szene. So sinkt beispielsweise die Erkennungsrate im Fall sehr starker Abschattungen durch Gebäude und Vegetation auf unter 50 %. Die Zuverlässigkeit wird in erster Linie durch Fehler in der verwendeten Straßendatenbank beeinflusst. Durch darin enthaltene Generalisierungs- und Positionsfehler ist eine genaue Lokalisierung der im Bild vorhandenen Straßen nicht immer möglich. In diesen Fällen kommt es zu einigen Fehldetektionen neben den Straßen, welche die Zuverlässigkeit stark beeinflussen. Aufgrund eines internen Evaluierungsschemas können den gewonnen Daten Fehlermaße zugewiesen werden, auf deren Basis eine fehlertheoretische Abschätzung des gesamten Verkehrsvolumens auf designierten Straßen möglich ist. Hierdurch ist eine besondere Eignung der Ergebnisse zur Initialisierung und Stützung von Verkehrssimulationen zu sehen. Zudem wurden statistische Untersuchungen zur Berechnung des durchschnittlichen Tagesverkehrsaufkommens pro Jahr erfolgreich durchgeführt (MCCORD et al., 2002; LARSEN, ALDRIN & HAUG, 2008). Trotz der bereits umfangreichen Untersuchungen auf diesem Forschungsgebiet bleibt abschließend anzumerken, dass bisher kein System existiert, welches kontinuierlich optische Satellitenbilder bezüglich der Gewinnung von Verkehrsdaten auswertet. Dies liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass potentielle Anwender aus der Verkehrsforschung diese Informationsquelle bisher nicht für sich erkannt haben bzw. noch nicht nutzen können.
Verkehrsanalyse aus luftgestützten optischen Luftbildsequenzen Großflächige Bilder aus dem Flugzeug bieten die Möglichkeit, die Verkehrslage flächendekkend und mit hoher räumlicher Auflösung zu erfassen. Zudem ist das Flugzeug verglichen mit einem Satelliten zeitlich und örtlich flexibler einsetzbar. Durch echtzeitfähige automatische Bildprozessierung direkt an Bord des Flugzeugs und durch verbesserte Algorithmen ist es in den letzten drei Jahren möglich geworden, Verkehrsdaten mit hoher Aktualität zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck wurde in einem Forschungsflugzeug des DLR die digitale Luftbildkamera 3K-Kamera sowie ein Rack (Baugruppenträger) mit mehreren Industrie-PCs und eine Funkantenne installiert. Am Boden steht eine Bodenstation mit Empfangsantenne und weiteren Computern mit Internetanbindung zur Verfügung. Der in das Flugzeug eingebaute Sensor besteht aus drei Kameras mit drei Blickrichtungen (Nadir, Links- und Rechtsblick), die eine großflächige Aufnahme ermöglichen. Gleichzeitig bietet das Kamerasystem eine hohe Bildwiederholrate von bis zu drei Bildern pro Sekunde, welche eine Erfassung von Bewegungen am Boden in den Bilddaten erlaubt. Die digitalen Luftbilder werden in Sequenzen aufgenommen. Dabei nehmen die Kameras vier bis fünf Bilder mit hoher Bildwiederholrate von bis zu 3 Hz auf und pausieren dann für
6.1 Satelliten- und luftgestützte Verkehrserfassung
mehrere Sekunden, um den internen Kameraspeicher wieder frei zu bekommen. Damit erhält man vier bis fünf digitale Luftbilder mit hoher Überlappung. Während der Aufnahmepause bewegt sich das Flugzeug über Grund weiter, so dass die Kameras einen neuen Bereich am Boden sehen. Dann wird eine neue Bildsequenz ausgelöst. Durch die Zuhilfenahme der Positions- und Fluglagedaten aus einem GPS und einem Trägheitsnavigationssystem, welche sich ebenfalls an Bord des Flugzeugs befinden, werden die digitalen Luftbilder ohne Verwendung von Passinformation georeferenziert. Dies ist Voraussetzung für die automatische Extraktion von Verkehrsdaten aus Luftbildern. Im Folgenden wird ein automatisches Verfahren zur Fahrzeugdetektion und Fahrzeugverfolgung beschrieben (ROSENBAUM et al., 2008). Dieses Verfahren erkennt die Position der Fahrzeuge in den einzelnen Luftbildern und deren Bewegung innerhalb aufeinanderfolgender Bilder. Dabei wird die Fahrzeugdetektion durch einen Maschinen-Lern-Algorithmus ausgeführt, wobei ein Klassifikator auf die Erkennung von Fahrzeugen im Bild trainiert wird (SCHAPIRE, 1998). Dies geschieht durch eine Merkmalsextraktion auf den Trainingsdaten bestehend aus Bildern von mehreren Beispielautos und Gegenbeispielen, wie z. B. Fahrbahnmarkierungen, Schilderbrücken, Baumschatten
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und ähnliches. Während der Trainingsphase, die vor Einsatz des Systems am Boden einmalig durchgeführt wird, sucht sich der Algorithmus in verschiedenen Iterationen die zur Trennung der beiden Klassen ›Fahrzeuge‹ bzw. ›Nicht-Fahrzeuge‹ am besten geeigneten Merkmale aus der Menge aller Merkmale (in diesem Fall die so genannten Haar-Merkmale) heraus. Während des Betriebs des Systems in der Luft wird der auf Fahrzeugerkennung trainierte Klassifikator auf die aufgenommenen Luftbilder angewandt. Das Ergebnis ist eine qualitativ hochwertige Fahrzeugdetektion, wie sie in Abbildung 6-1-4 dargestellt ist. Dort ist eine Fahrzeugerkennung aus Luftbildern der 3K-Kamera im Bereich des Luise-Kiesselbach-Platzes in München zu sehen. Die Fahrzeugdetektion ist nahezu vollständig bei gleichzeitig sehr niedriger Fehlerrate. Die beschriebene Fahrzeugerkennung wird immer auf dem ersten Bild einer Bildsequenz durchgeführt. Die dadurch detektierten Fahrzeuge werden dann durch die gesamte Bildsequenz hinweg verfolgt. Diese Verfolgung geschieht durch ein Matching-Verfahren unter Verwendung der normierten Kreuzkorrelation (ROSENBAUM, 2008). Um jedes detektierte Fahrzeug wird ein kleiner Bereich des Bildes ausgeschnitten. Dieses kleine Bild mit dem detektierten Fahrzeug wird dann über einen Suchraum im zweiten Bild der Bildsequenz verschoben und dabei an jeder Verschiebungsposition mit dem zweiten Bild korreliert. Wird nun der Bereich erreicht, in dem sich das Fahrzeug im zweiten Bild befindet, so ergibt sich ein besonders hoher Wert für die Korrelation. Dadurch wird das Fahrzeug aus dem ersten Bild im zweiten Bild wiedergefunden. Dieser Vorgang wird für die restlichen Bilder einer Sequenz wiederholt. Der Suchraum für das Fahrzeug wird dabei durch die erwartete Fahrtrichtung und Maximalgeschwindigkeit auf dem Straßenbereich eingeschränkt. Aus dem Versatz der verfolgten Fahrzeuge und der Zeitdifferenz zwischen den Aufnahmen wird dann die Geschwindigkeit ab-
Abb. 6-1-4: Fahrzeugdetektion aus Luftbildern der 3K-Kamera (DLR)
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
Abb. 6-1-5: Fahrzeugverfolgung aus Luftbildern der 3K-Kamera. Detektierte Fahrzeuge (links) wurden im zweiten Bild der Bildsequenz (rechts) automatisch wiedergefunden (gestrichelte Linien) (DLR)
geleitet und dem entsprechenden Fahrzeug wiederum zugeordnet. Das Ergebnis der Korrelation zur Fahrzeugnachverfolgung ist in Abbildung 6-1-5 zu sehen. Dort werden die im ersten Bild einer Sequenz detektierten Fahrzeuge (linkes Bild) und die im zweiten Bild der Sequenz wiedergefundenen Fahrzeuge (rechtes Bild) durch Linien verbunden dargestellt. Insgesamt können so 80 % − 90 % der im Bild sichtbaren Fahrzeuge bei einer Fehlerrate von etwa 10 % erfasst werden. Abbildung 6-1-6 zeigt die gesamte Verkehrslage im Bereich des Luise-KiesselbachPlatzes nach Auswertung mit den oben beschriebenen automatischen Verfahren. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge ist dabei farblich kodiert. Die so gewonnenen Verkehrsdaten werden wenige Sekunden nach der Aufnahme der Luftbilder an die Bodenstation gefunkt. Durch die Internetanbindung der Computer am Boden werden die hoch aktuellen Verkehrsdaten in ein Verkehrsportal eingespeist und dort von einer Vielzahl an Nutzern zur Darstellung der aktuellen Verkehrslage abgerufen. Gleichzeitig können die aus Luftbildern gewonnen Verkehrsdaten als Eingabeparameter in eine Verkehrssimulation eingebracht werden, um daraus in Verbindung mit den aus bodengebundener Infrastruktur gewonnenen Verkehrsdaten eine Verkehrsprognose zur weiteren Entwicklung der Verkehrslage abzuleiten. Werden diese Daten in Nahe-Echtzeit zur Ver-
fügung gestellt kann diese Prognose den Mitarbeitern der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und weiteren Nutzern zur schnellen Entscheidungsfindung zur Verfügung gestellt werden. Wie auf den Luftbildern in Abbildung 6-1-6 zu erkennen ist, erfassen die automatischen Verfahren zur Fahrzeugdetektion und Fahrzeugverfolgung auch parkende Autos. Damit eignet sich das System auch zur Parkraumüberwachung. Das beschriebene System bietet über die Anwendung bei Katastrophen und Großereignissen hinaus großes Potenzial zur Nutzung im Bereich Verkehrsplanung und Analyse problematischer Verkehrsbereiche und Knotenpunkte. Wenn man beispielsweise das Flugzeug während der Hauptverkehrszeit über diesen Bereichen kreisen lässt, erhält man fast vollständige, räumlich hoch aufgelöste Verkehrsdaten, die nicht nur die Verkehrssituation auf den Hauptstraßen, sondern auch auf allen Nebenstraßen erfassen. Somit ist eine Optimierung der kritischen Verkehrsknotenpunkte und Bereiche unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Nebenstraßen möglich.
Bestimmung von Reisezeiten aus optischen Luftbildsequenzen Hohe Verkehrsauslastung und die daraus entstehenden Staus führen zu erhöhtem Bedarf an intelligenten Verkehrsinformationssystemen. Besonders in urbanen Verkehrsnetzen treten immer wieder Verkehrsstörungen auf, welche die Reisezeit für den Verkehrsteilnehmer spürbar verlängern. Aus einer genauen Dokumentation der Reisezeiten auf bestimmten Routen
6.1 Satelliten- und luftgestützte Verkehrserfassung
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Abb. 6-1-6: Verkehrsdaten aus Luftbildern der 3KKamera. Die Geschwindigkeit der gemessenen Fahrzeuge ist in der Farbe der darüberliegenden Punkte kodiert. Wie in den Wohngebieten ersichtlich, erfasst das System auch parkende Fahrzeuge. (DLR)
LER, 2009). Eine w weiitere Möglichkeit Reisezeiten
können Stadtplaner wichtige Informationen über die Mobilität der Einwohner und Pendler einer Stadt gewinnen. Dabei ist die automatisierte Messung oder Bestimmung von Reisezeiten eine komplexe Aufgabe, die hohe Anforderungen an die Datenerfassung und an die Verkehrsmodelle stellt. Eine Möglichkeit zur direkten Messung der Reisezeit ist die Wiedererkennung von Fahrzeugen mit einer automatischen Kennzeichenauswertung basierend auf Bildern stationärer terrestrischer Kameras. Neben datenrechtlichen Aspekten sind auch Ungenauigkeiten aufgrund von Fahrzeugen, die auf der Strecke zwischen zwei Messpunkten ihre Fahrt unterbrechen, als Nachteil zu nennen (LEONHARDT, 2008; SPANG-
abzuleiten besteh ht darin, Messwerte aus Induktionsschleifen in d der Straße auszuwerten. Hier wird die Reisezeit nicht direkt gemessen, sondern mit Hilfe eines Verkehrsmodells geschätzt. Eingabeparameter in dieses Modell sind gemessene Verkehrsdichten und Geschwindigkeiten an verschiedenen Messstellen. Voraussetzung für diese Methode sind eingebaute Messanlagen auf den entsprechenden Routen, die oftmals nur auf Hauptstrecken vorzufinden sind (vgl. Überblick in LEONHARDT, 2008). Abgesehen von den herkömmlichen und bereits in der Praxis eingesetzten Verfahren gibt es auch die Möglichkeit Reisezeiten mit Hilfe von luftgestützten Sensoren automatisch zu bestimmen. Aus den Daten dieser Sensoren können Fahrzeugpositionen und -geschwindigkeiten flächendeckend und automatisch abgeleitet werden. Diese Daten sind Eingabeparameter eines Verkehrsmodells, das die Reisezeit für eine
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
bestimmte Route berechnen kann. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Verkehrsmodelle, deren Vorstellung den Rahmen sprengen würde (vgl. Überblick HOOGENDORN & BOVY, 2001). Deshalb wird hier eine sehr einfache Methode zur Berechnung von Reisezeiten vorgestellt (K KURZ et al., 2007). Bei dieser Methode wird die Reisezeit segmentweise basierend auf der mittleren Geschwindigkeit in diesem Segment und der Länge des Segments L berechnet. Dabei wird die Definition eines Segments (Länge und Position) zur vereinfachten automatischen Auswertung einer Straßendatenbank entnommen. Die mittlere Geschwindigkeit berechnet sich dann aus dem Mittel der aus den Luftbildern abgeleiteten Geschwindigkeiten von einzelnen Fahrzeugen. Die Reisezeit T auf einer Route entspricht dann letztendlich der Summe der Reisezeiten über alle Segmente. Nachteil bei der luftgestützten Erfassung ist, dass − abgesehen von stationären Flugkörpern − ein Segment in kurzer Zeit überflogen wird und dementsprechend sich bei sehr langsamem Verkehr oder Stillstand eine unrealistische Reisezeit ergibt. Deshalb wird in diesen Fällen eine einheitliche Mindestgeschwindigkeit für dieses Segment von vmin = 7.2km/h angenommen. Die Berechnung erfolgt dann durch folgende einfache Formel:
Die luftgestützte Erfassung von Reisezeiten wurde bei einer Feldkampagne getestet und mit einem Verfahren zur Reisezeitbestimmung aus Induktionsschleifen und mit der Reisezeit eines Referenzfahrzeugs verglichen. Die ausgewählte Route ist die Autobahn A8 südlich von München bei hohem Verkehrsaufkommen zwischen den Anschlussstellen Weyarn und Holzkirchen. Die Ergebnisse dieser Kampagne einschließlich des Vergleichs der Ergebnisse sind in Abbildung 6-1-7 dargestellt. Dabei stimmen die Ergebnisse aus den Luftbildern gut mit den Reisezeiten des Referenzfahrzeugs und mit den aus Induktionsschleifen abgeleiteten Reisezeiten überein.
Abb. 6-1-7: Vergleich der unterschiedlich bestimmten Reisezeiten bei einer Messkampagne am 2. September 2006 auf der Autobahn A8 südlich von München. Das Bild zeigt die aus Luftbildern abgeleitete Geschwindigkeit einzelner Fahrzeuge. (DLR)
Zusammenfassung und Ausblick In diesem Beitrag werden zwei Verfahren zur automatischen Verkehrsdatenextraktion vorgestellt: ein Verfahren speziell für optische Satellitendaten und eines für luftgestützte Bilder. Darüber hinaus wurde ein Verfahren zur Reisezeitenbestimmung vorgestellt, welches auf den primär extrahierten Verkehrsparametern ›Fahrzeugposition‹ und ›Fahrzeuggeschwindigkeit‹ aufbaut.
6.1 Satelliten- und luftgestützte Verkehrserfassung
Es wurde gezeigt, dass mit diesen Verfahren aus Satellitendaten und Luftbildern relevante Verkehrsparameter, wie Verkehrsdichte und Verkehrsfluss sowie Reisezeiten, flächendekkend abgeleitet werden können. Die Erhebung von Serienbildern im Falle von Katastrophen und Großveranstaltungen könnte zukünftig den zuständigen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zusätzliche aktuelle Information über die Lage und das Verkehrsgeschehen liefern. Der Einsatz dieser Daten zur Optimierung von Verkehrsmodellen ist zurzeit Gegenstand von Forschungsarbeiten. Hinderlich für einen flächenweiten praktischen Einsatz von Fernerkundungsmethoden zur Verkehrsdatenerfassung sind im Moment der experimentelle Status der vorgestellten Verfahren und Systeme, sowie die hohen Kosten für die Erfassung von satelliten- und luftgestützten Daten und den operationellen Betrieb. Eine kostengünstige und operationelle Weiterentwicklung des luftgetragenen Systems und der Einsatz auf anderen Plattformen wie Helikoptern oder unbemannten Fluggeräten könnten in Zukunft zu einer weiten Verbreitung für das Verkehrs- und Lagemonitoring in Stadtgebieten führen. Dies würde stadtplanerische Maßnahmen im Bereich Verkehr deutlich erleichtern, da eine wesentlich bessere Datenbasis vorläge. Auch der Einsatz von Satellitendaten, die in Zukunft häufiger und günstiger vorliegen werden, könnte hierfür wertvolle Dienste durch regelmäßige flächendeckende Verkehrsinformation liefern.
Referenzen HOOGENDOORN, S. & P. BOVY (2001): State-of-theArt of Vehicular Traffic Flow Modelling. − Special Issue on Road Traffic Modelling and Control. Journal of Systems and Control Engineering, 215(4): 283−303. JAIN, A. K., DUIN, R. P. & J. MAO (2000): Statistical Pattern Recognition: A Review. − IEEE Transaction on Pattern Analysis and Machine Intelligence, 22: 4−37.
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KURZ, F., CHARMETTE, B., SURI, S., ROSENBAUM, D., SPANGLER, M., LEONHARDT, A., BACHLEITNER, M., STÄTTER, R. & P. REINARTZ (2007): Automatic Traffic Monitoring with an Airborne Wide-Angle Digital Camera System for Estimation of Travel Times. PIA07 − Photogrammetric Image Analysis, 19−21 September 2007, Munich (Germany). LARSEN, S. I., ALDRIN, M. & O. HAUG (2008): Average Daily Traffic AADT Based on Extremely Sparse Traffic Count. Norwegian Space Centre. LEITLOFF, J., HINZ, S. & U. STILLA (2006): Detection of Vehicle Queues in Quickbird Imagery of City Areas. − Photogrammetrie − Fernerkundung − Geoinformation, 4: 315−325. LEONHARDT, A. (2008): Ein instanzbasiertes Lernverfahren zur Prognose von Verkehrskenngrößen unter Nutzung räumlich-zeitlicher Verkehrsmuster. Dissertation, Lehrstuhl für Verkehrstechnik, Technische Universität München. MCCORD, M., GOEL, P., JIANG, Z., COIFMAN, B., YANG, Y. & C. MERRY (2002): Improving AADT and VDT Estimation with High-Resolution Satellite Imagery. − J. Proc. Pecora 15/Land Satellite Information IV Symposium. REINARTZ, P., LACHAISE, M., SCHMEER, E., KRAUSS, T. & H. RUNGE (2006): Traffic Monitoring with Serial Images from Airborne Cameras. − ISPRS Journal of Photogrammetry and Remote Sensing, 61: 149−158. ROSENBAUM, D., KURZ, F., THOMAS, U., SURI, S. & P. REINARTZ (2008): Towards Automatic Near Real-Time Traffic Monitoring with an Airborne Wide Angle Camera System. − European Transport Research Review, 1. SCHAPIRE, R. E., FREUND, Y., BARTLETT, P. & W. S. LEE (1998): Boosting the Margin: a New Explanation for the Effectiveness of Voting Methods. − Ann. Stat., 26(5): 1651–1686. SPANGLER, M. (2009): Reisezeitbasierte Verfahren für die Verkehrszustandsanalyse von städtischen Hauptverkehrsstraßen. Dissertation, Lehrstuhl für Verkehrstechnik, Technische Universität München.
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
6.2 Automatische Analyse von Menschenmassen aus Luftbildsequenzen S. Hinz
Großereignisse wie z. B. Rockkonzerte, Weltjugendtage, Sportveranstaltungen oder Volksfeste locken oft Hunderttausende Menschen an. Die Sicherheit solcher Veranstaltungen ist daher von höchstem Interesse, so dass nicht nur präventive Maßnahmen, sondern auch schnelle und großflächig einsetzbare automatische Verfahren zur Situationsbewertung künftig immer größere Bedeutung gewinnen werden. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der automatischen Erfassung und Beschreibung von Menschenmassen mit fernerkundlichen Datensätzen, um Planern und Einsatzleitern räumliche Informationen zur Lageerfassung zur Verfügung zu stellen. Aktuell handelt es sich bei der automatischen Bewegungsanalyse von Menschenmassen auf Großveranstaltungen noch um eine Forschungsaufgabe. Daher wird zunächst auf die existierenden Möglichkeiten und Herausforderungen der automatischen Bildanalyse für solche Anwendungsfälle eingegangen und dabei vor allem auf die Unterschiede zwischen terrestrischer Datenaufnahme mittels stationärer Videokameras und flugzeuggestützter Erfassung mittels Luftbildkameras fokussiert. Anschließend wird die synergetische Nutzung von Informationen aus Geodatenbanken (Geoinformationssysteme: GIS) und Luftbildern skizziert und einige Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zur Bewegungsanalyse von Menschenmassen mittels Luftbildern gezeigt.
Automatische Erfassung von Personen in Bildsequenzen Die derzeit am häufigsten verwendete Methode zur automatischen Erfassung von Einzelpersonen oder Personenströmen ist die mittels terrestrischer Videosequenzen. Dabei handelt es sich in der Regel um handelsübliche Video-
kameras, die über Eingängen, an Gebäuden, Masten oder Brücken montiert sind und einen bestimmten Bereich des Objektraumes kontinuierlich aufzeichnen. Die Bildwiederholrate kann variieren, liegt aber üblicherweise im Bereich von Millisekunden, so dass auch schnelle Bewegungen von Personen oder Fahrzeugen sich bei stationären Kameras nur durch wenige Pixel Versatz von Bild zu Bild auszeichnen. Ein weiteres Charakteristikum solcher Bilddaten ist die häufig verwendete Schrägsichtgeometrie. Diese ist einerseits oft durch die örtlichen Gegebenheiten der Kameramontage bedingt, andererseits gewährleistet sie aber auch einen größeren Bereich des Objektraumes abzubilden − und damit auch eine großflächigere Analyse. Hinderlich an der Schrägsichtgeometrie sind jedoch Verdeckungen. Personen oder Objekte im Bildvordergrund verdecken den dahinter liegenden Objektraum teilweise oder vollständig, so dass die automatische Detektion und Analyse weiter entfernter Objekte erheblich erschwert wird. Abbildung 6-2-1 gibt den Eindruck einer typischen Schrägsichtaufnahme einer Videokamera wieder. Aufgrund der genannten Nachteile wird das zu analysierende Gebiet häufig nicht nur von einer, sondern von mehreren Kameras, die an unterschiedlichen Standpunkten stationiert sind, aufgezeichnet. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, dass die abgebildete Szene mittels photogrammetrischer Methoden auch in 3-D digital rekonstruiert werden kann (vgl. z. B. WU et al., 2009), sofern Objekte von mindestens zwei Kamerastandorten aus sichtbar sind. Um Personen vor beliebigem Hintergrund nicht nur zu detektieren, sondern auch deren Bewegung zu erfassen, müssen die Bildbereiche von zeitlich aufeinander folgenden Bildern einander automatisch zugeordnet werden. Hier ist zu berücksichtigen, dass es sich im Falle von vielen bewegten Objekten in einer Szene um ei-
6.2 Automatische Analyse von Menschenmassen aus Luftbildsequenzen
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Abb. 6-2-1: Schrägsichtaufnahme einer terrestrischen Videokamera (Thida et al., 2009)
ne rechenintensive und algorithmisch sehr anspruchsvolle Aufgabe handelt, die komplexe Softwaremodule benötigt, damit sie auch in Echtzeit – also innerhalb weniger Millisekunden – mit herkömmlichen Computern ausgeführt werden kann. Dieses Limit an Rechenzeit muss eingehalten werden, um mit den Bildaufnahmen Schritt zu halten. Ein Beispiel hierzu ist in Abbildung 6-2-2 skizziert, die die automatisch in 3-D rekonstruierten und in die Szene eingeblendeten Wegbahnen bzw. Trajektorien von Personen zeigt. Wie aus den Bildbeispielen leicht ersichtlich ist, ist das Sichtfeld von Videokameras für die Anwendung bei Großveranstaltungen jedoch immer noch vergleichsweise klein. Problema-
tisch ist dabei häufig nicht so sehr das limitierte Sichtfeld an sich – dieser Nachteil ließe sich ggf. durch den Aufbau eines Netzwerkes aus einer Vielzahl von Kameras beheben – sondern die beschränkten Montagemöglichkeiten bei Großveranstaltungen. Insbesondere Innenräume von Fußballarenen, Großflächen auf Volksfesten oder Open-Air-Veranstaltungen können ohne aufwändige Konstruktionen mit einer Vielzahl an Masten und Kränen nicht mit handelsüblichen Videokameras in ausreichend hohem Detaillierungsgrad aufgezeichnet werden. Daher wird derzeit ergänzend zu terrestrischen Videokameras auch verstärkt an der Bewegungsanalyse von Menschen auf Grundlage von Luftbildern geforscht. Abb. 6-2-2: 3-D-Trajektorien einer kleinen Personengruppe ermittelt aus einer terrestrischen Videosequenz (DelBimbo et al., 2009)
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
Vorteile und Herausforderungen flugzeuggestützter Systeme Typische Sensorplattformen luftgestützter Systeme sind Kleinflugzeuge, doch können in Abhängigkeit des jeweiligen Anwendungsfalles auch Helikopter, Luftschiffe oder unbemannte Plattformen in Betracht gezogen werden. Vorteilhaft gegenüber der terrestrischen Bilderfassung ist die große Flächenabdeckung luftgestützter Systeme. Je nach Kameratyp und Flughöhe können Streifenbreiten von etlichen Kilometern pro Aufnahme erreicht werden (vgl. Kap. 6.1). Die große Flughöhe und das weite Sichtfeld stellen jedoch Kamerasystem und Bildauswertung vor große Herausforderungen. Denn zum einen soll eine für Bewegungsanalysen von Menschenmassen ausreichende Detailerfassung und Bildwiederholrate gewährleistet werden und zum anderen ist es nötig, die in-
Abb. 6-2-3: a) Oktoberfest 2007, Aufnahme der mittleren Kamera des DLR 3K-Systems; b) c) Personengruppen in aufeinanderfolgenden Bildaufnahmen d) Luftbildaufnahmen höherer Auflösung des Eingangsbereiches des Münchner Fußballstadions (DLR/KIT)
härente Eigenbewegung der Plattform aus der Bildsequenz zu eliminieren. Um diesen Anforderungen zu genügen, muss eine Balance aus Kosten für die Kamera, dem räumlichen Auflösungsvermögen, d. h. der Detailerfassung, und ausreichend hoher Bildwiederholrate zur Bewegungserfassung gefunden werden. Aus diesem Grund wurde in den folgenden Studien auf das DLR-interne 3K-Kamerasystem zurückgegriffen (vgl. Kap. 3, 5.6 & 6.1). Die drei Kameras liefern Aufnahmen mit einem Detailerfassungsgrad von wenigen Dezimetern – also wesentlich besser als Videokameras aus gleicher Flughöhe – und sind so ausgerichtet, dass ihre Einzelbilder zu einer flächendeckenden, panoramaähnlichen Aufnahme zusammengefügt werden können. Die Wiederholrate liegt je nach Einstellung dennoch im Bereich von mehreren Bildern pro Sekunde, so dass Bewegungen von Fahrzeugen und Personen über
6.2 Automatische Analyse von Menschenmassen aus Luftbildsequenzen
die Bildsequenz hinweg verfolgt werden können (vgl. auch Kap. 6.1). Abbildung 6-2-3a stellt die Aufnahme der mittleren der drei Kameras vom Oktoberfest dar. Daneben sind Detailausschnitte aufeinanderfolgender Bildaufnahmen gezeigt. Wie man sehen kann, ist die Bewegung der Personengruppen visuell nachzuvollziehen. Andererseits wird auch deutlich, dass die Identifizierung von Einzelpersonen bei dieser Auflösung – die Flughöhe betrug mehr als 2 km – sehr schwierig ist. Wie Abbildung 6-2-3d zeigt, ist dies bei einer Flughöhe von etwa 1 km (und verbesserten Kameraeinstellungen) leichter möglich. Die hier dargestellten Aufnahmen stammen vom Eingangsbereich des Münchner Fußballstadions vor einem Europapokalspiel.
Synergetische Nutzung von Luftbildern und Geobasisdaten Häufig sind zu den zu befliegenden Gebieten schon bestehende Informationen in einem einheitlichen Koordinatensystem in Geodatenbanken abgelegt. Hierzu zählen z. B. Straßen- und Gebäudeumrisse, Vegetationsflächen, topographische Punkte oder georeferenzierte Luftbildaufnahmen früherer Befliegungen. Zudem werden bei der aktuellen Befliegung neben den Luftbildern auch Daten über den Bildaufnahmezeitpunkt und die Koordinaten der Flugzeugtrajektorie aufgezeichnet. Diese Informationen ermöglichen es, die Vielzahl an Einzelbildern mittels automatischer Bildzuordnungsverfahren geometrisch so zu überlagern, dass sie zum Einen ein lückenloses Mosaik ergeben, zum Anderen aber auch Objekte aus mehreren Perspektiven aufnehmen, damit eine 3-D-Rekonstruktion der Objekte mittels Stereoauswertung möglich wird. Des Weiteren kann der gesamte Bildverband mittels der Flugdaten – und ggf. weiteren koordinatenmäßig bekannten Passpunkten am Boden – in das gleiche Koordinatensystem überführt werden, in dem auch die Geobasisdaten gespeichert sind. Diese Verschneidung unterstützt hochgradig die folgenden Auswerteschritte, da Bildund Geobasisdaten simultan analysiert und im
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Gegenzug auch eventuelle Lücken und Fehler in den Geobasisdaten korrigiert werden können. Die Überlagerung des Luftbildmosaiks eines Flugstreifens mit der korrespondierenden digitalen Karte ist exemplarisch in Abbildung 6-1-7 dargestellt.
Demonstrationsstudie zur Detektion und Bewegungsanalyse von Menschenmassen mittels Luftbildsequenzen In diesem Abschnitt wird eine Machbarkeitsstudie zur automatischen Analyse von Menschenmassen mittels Luftbildsequenzen vorgestellt. Das entwickelte Verfahren stützt sich auf eine Befliegung des Oktoberfestes aus dem Jahr 2007 in relativ großer Flughöhe (> 2 km) und fokussiert somit weniger auf die Bewegung von Einzelpersonen als vielmehr auf die Analyse von Menschenmassen. Das derzeit entwickelte Verfahren benötigt als Inputdaten die in standardisierten Vorverarbeitungsschritten geometrisch korrekt zueinander orientierten Einzelbilder sowie Grundrissdaten von Fußgängerbereichen und anderen relevanten Objekten wie Straßen, Gehwegen und Gebäuden. Die darauf aufsetzenden vollautomatischen Bildverarbeitungsverfahren haben die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Zielstellungen. Der an Implementierung und algorithmischen Details interessierte Leser sei auf die Veröffentlichung von Hinz (2009) hingewiesen.
Identifikation von Freiräumen und Abschätzung der Dichte von Menschenmassen Hier sollen potentielle Freiräume und Regionen, in denen eine Menschenansammlung kritisch dicht steht, identifiziert werden. Dies soll beispielsweise Einsatzleiter unterstützen, die richtigen Lenkungsmaßnahmen einzuleiten. Das Verfahren zur automatischen Ermittlung der Freiräume nutzt die Eigenschaft, dass Men-
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
Abb. 6-2-4: Automatisch detektierte Freiflächen zwischen Menschengruppen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten (DLR/ KIT)
Abb. 6-2-5: Ausschnitt des Oktoberfestes zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten (oben); korrespondierende Dichteschätzung der Menschenmenge (unten; hell = größere Dichte) (DLR/KIT)
schenmassen in Luftbildern meist stark texturiert erscheinen, der Untergrund, auf dem sie sich bewegen, aber relativ homogen ist. Eine kombinierte Textur- und Histogrammanalyse erreicht daher eine in vielen Fällen robuste Trennung von Bildregionen, die Menschenmengen bzw. Freiräume zwischen Menschengruppen umfassen. Abbildung 6-2-4 zeigt zwei Beispiele davon: eines einer lockereren und eines einer dichter stehenden Menschenmenge sowie die jeweils identifizierten Freiräume. Die in Abbildung 6-2-5 dargestellten Grafiken zeigen eine Abschätzung der Dichte der Menschenmassen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten (helle Grauwerte bedeuten größere Dichte). Wie zu sehen ist, herrscht zum zweiten Zeitpunkt entlang des Hauptweges eine größere – jedoch im vorliegenden Fall immer noch unkritische – Enge zwischen den Personen.
Bestimmung der Aktivität von Menschenmassen Dieser Verfahrensschritt soll vor allem schnelle Bewegungen innerhalb dichter Menschenmengen abschätzen, um Einsatzkräfte zu potentiell kritischen Regionen navigieren zu können. Hierzu wird pro Pixelposition im Objektraum die Veränderung der Farbwerte über die Zeit hinweg analysiert. Statische Regionen haben eine niedrige zeitliche Varianz, während aktive Regionen durch große Farbvarianz gekennzeichnet sind. Unterstützt wird diese Analyse wiederum durch Texturkriterien, um die durch Blickrichtungseffekte auftretenden Farbvarianzen von bewegungsinduzierter Farbvarianz zu trennen. In Abbildung 6-2-6 ist die Aktivität der Menschenmenge wieder zu zwei Zeitpunkten
6.2 Automatische Analyse von Menschenmassen aus Luftbildsequenzen
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Abb. 6-2-6: Schmale Gasse an einem Seiteneingang (oben); Ermittlung der Aktivität der Personen (unten; hell = höhere Aktivität) (DLR/ KIT)
Abb. 6-2-7: Bestimmung der Bewegungsrichtung; ermittelte Bewegungsvektoren für sieben aufeinanderfolgende Bilder (d. h. pro Bildposition sieben Vektoren (rote Striche)) (DLR/KIT)
grauwertkodiert dargestellt (helle Grauwerte bedeuten höhere Aktivität). Interessant ist die Beobachtung eines Seiteneingangs. Hier strömt zum zweiten Zeitpunkt eine größere Menschenmenge durch einen schmalen Zugang. Diese Begebenheit wurde vom Verfahren auch eindeutig indiziert.
Ermittlung von Bewegungsströmen Ziel dieses Schrittes ist die Detektion von Bewegungsströmen und deren zeitlicher Variation, um die Veränderungen innerhalb von Menschenmengen analysieren und – z. B. in nachfolgenden Simulationen – auch prognostizieren
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
zu können. Hierzu werden »regelmäßig über das Bild verteilt« an so genannten Gitterpunkten kleine Ausschnitte als Stichprobenmuster extrahiert und mittels automatischer Zuordnungsverfahren ähnlichen Mustern in Folgebildern zugeordnet. Der Verschiebungsvektor zwischen der Position im ersten und jeweils folgenden Bild wird gespeichert und aus allen pro Bildposition ermittelten Vektoren die Durchschnittsrichtung und deren Varianz ermittelt. In den in Abbildung 6-2-7 gezeigten Beispielen wurde dieses Verfahren an sieben aufeinanderfolgenden Bildern durchgeführt, so dass pro Gitterpunkt sieben Verschiebungsvektoren verfügbar sind (dargestellt durch die kurzen, roten Striche an jedem Gitterpunkt). Wie an den zwei Bildausschnitten zu sehen ist, lässt sich jeweils eine dominante Bewegungsrichtung erkennen – im linken Ausschnitt z. B. in einem Bogen um die Gebäudeecke.
Ausblick Das vorgestellte Verfahren zeigt das große Potenzial der automatischen Detektion und Bewegungsanalyse von Menschenmengen. Zu einer prototypischen Umsetzung ist jedoch noch eine Reihe von Erweiterungen nötig. So müssen die automatisch ermittelten Muster und Indizes noch in semantisch eindeutige Parameter transformiert werden, damit das Verfahren in der Praxis rasch Akzeptanz finden kann. Die dafür nötigen Kalibrier- und Klassifikationsverfahren müssen noch entwickelt werden. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch die Verschneidung der luftgestützten Analyseergebnisse mit terrestrisch erfassten Daten. Des Weiteren ist eine Verfeinerung der Analyseverfahren hinsichtlich Einzelpersonen wünschenswert, um Auffälligkeiten innerhalb einer Menschenmenge leichter identifizieren zu können. Weitere Entwicklungen bezüglich der In-
tegration von Kontextinformation über Straßen, Gehwege und Gebäude aus den Luftbilddaten sind vor allem für solche Fälle nötig, in denen keine digitalen Informationen aus Geodatenbanken zur Verfügung stehen. Dies kann hauptsächlich beim Einsatz des Systems in Krisensituationen auftreten. Schließlich ist noch eine vollständige Integration der entwickelten Algorithmen in eine durchgängige modulare Prozessierungskette am DLR nötig. Zusammenfassend sei festgehalten, dass luftgestützte Systeme die automatische Bewegungsanalyse von Menschmengen hochgradig unterstützen können, jedoch nicht als Ersatz, sondern eher als Komplement, zur terrestrischen Datenerfassung gesehen werden sollten.
Referenzen DEL BIMBO, A., LISANTI, G. & F. PERNICI (2009): Scale Invariant 3D Multi-Person Tracking Using a Base Set of Bundle Adjusted Visual Landmarks. Proc. of ICCV International Workshop on Visual Surveillance, October 2009. DVD. HINZ, S. (2009): Density and Motion Estimation of People in Crowded Environments Based on Aerial Image Sequences. − International Archives of Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences, 38(14-7/W5). CD-ROM. THIDA, M., REMAGNINO, P. & H.-L. ENG (2009): A Particle Swarm Optimization Approach for Multi-Objects Tracking in Crowded Scene. Proceedings of International Conference on Computer Vision 2009. DVD. V, N., HEDRICK, T., KUNZ, T. & M. WU, Z., HRISTOV BETKE (2009): Tracking a Large Number of Objects from Multiple Views. − Proceedings of International Conference on Computer Vision 2009. DVD.
6.3 Änderungserkennung in Radaraufnahmen – Die Aufbauarbeiten zum Münchner Oktoberfest
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6.3 Änderungserkennung in Radaraufnahmen – Die Aufbauarbeiten zum Münchner Oktoberfest A. Schmitt
Überblick Die urbane Fernerkundung basiert heutzutage größtenteils auf der Auswertung optischer Daten. Da satellitengestützte optische Sensoren schon seit Jahren Bilder in ausreichend feiner Auflösung liefern, so dass detaillierte Analysen selbst in eng bebauten städtischen Gebieten ermöglicht werden, ist die Entwicklung der Auswerteverfahren bis hin zur (semi-) automatischen Objekterkennung und Klassifizierung bereits sehr weit fortgeschritten. Diese Systeme operieren jedoch im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums und sind daher auf eine ungehinderte Sichtverbindung zwischen Sensor und Objekt angewiesen. Wolken, Dunst und Nebel stellen undurchdringbare Hindernisse dar. Handelt es sich zudem um passive Systeme, wie bei den meisten bildgebenden Sensoren der Fall, ist eine ausreichende und möglichst gleichmäßige Beleuchtung der beobachteten Szene durch die Sonne erforderlich. Der Einsatz optischer Systeme beschränkt sich daher im Allgemeinen auf die Mittagszeit, wobei weit im Norden sowie im Süden während des jeweiligen Winterhalbjahrs wegen der kurzen Tageslänge und der flachen Sonneneinstrahlung nahezu keine direkt verwertbaren Aufnahmen möglich sind. In den beschriebenen Schwächen der optischen Sensoren liegen gerade die Stärken der Radarsysteme. Als aktive Sensoren senden sie elektromagnetische Strahlung im Mikrowellenbereich aus und messen die Stärke der von der Erdoberfläche zurückgestreuten Strahlung (vgl. Kap. 3). Daher sind sie weder von den Wetterbedingungen noch von der Tageszeit bzw. der Sonneneinstrahlung abhängig. Die Auflösung am Boden wird durch den Einsatz einer so genannten synthetischen Apertur, r die dank des kohärenten Aufnahmeprinzips rein rechnerisch durch die Kombination mehrerer Einzelaufnah-
men während eines Überflugs erzeugt werden kann, deutlich erhöht und erreicht mittlerweile mit optischen Sensoren vergleichbare Größen. Leider fällt die Interpretation von Radarbildern aufgrund der geometrischen und radiometrischen Abbildungseigenschaften recht schwer. Vor allem in fein strukturierten Bereichen wie Stadtzentren überlagern sich die Signaturen verschiedener Objekte und sind kaum voneinander zu trennen. Veränderungen an den beleuchteten Objekten hingegen, beispielsweise das Hinzukommen bzw. das Verschwinden eines Objekts, sind recht einfach durch den Vergleich zweier Radaraufnahmen zu detektieren. Demnach ergeben sich mit Radarsystemen neue Möglichkeiten zur Überwachung sensibler Strukturen, sowohl kurzfristig als auch über längere Zeiträume. Insbesondere mit der steigenden Anzahl von Radarsatelliten im All und der somit verbesserten räumlichen und zeitlichen Abdeckung wird der Einsatz von Radarsystemen zukünftig einen unverzichtbaren Bestandteil der urbanen Fernerkundung darstellen. Das hier vorgestellte Verfahren verwendet hoch aufgelöste Bilddaten des deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X (vgl. Kap. 3) und leitet daraus durch den Vergleich mehrerer zeitlich versetzter Aufnahmen des gleichen Gebiets vollautomatisch die Veränderungen in der Szene ab. Das Potenzial dieser Anwendung wird am Beispiel des Münchner Oktoberfests gezeigt. Während der Aufbauarbeiten verändern sich ständig die Radarsignaturen im Bild. Mit dem Aufstellen der Zelte kommen einerseits neue helle Bereiche hinzu, andererseits fallen vormals helle Bereiche wieder weg, wenn beispielsweise kurzfristig zwischengelagertes Material entfernt wird. Beides wird zuverlässig und vollautomatisch aus den Bilddaten abgeleitet und ist aufgrund der Verwendung geokodierter Bilddaten bereits im gebräuchlichen Koordinatensystem verortet, damit die erkannten Ände-
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
rungen auch schnell in der realen Welt wiedergefunden werden können. Was hier am Beispiel des Oktoberfests wie eine nette Spielerei klingt, kann im Katastrophenfall jedoch das Überleben von vielen Menschen sichern, wenn das Verfahren nicht mehr Festzelte, sondern zerstörte Gebäude anzeigt und so einen großen Beitrag zur schnellen und effizienten Planung großflächiger Rettungseinsätze leistet.
Grundlagen Um zwei beliebige Radaraufnahmen des gleichen Gebiets ohne weitere Vorverarbeitungsschritte miteinander vergleichen zu können, müssen sie hochgenau verortet sein, was bedeutet, dass die geometrischen Beziehungen zwischen den Koordinaten eines Objekts im Bild und den Koordinaten eines Objekts in der realen Welt bekannt sein müssen. Einerseits braucht man dazu die exakte Position des Satelliten zum Zeitpunkt der Aufnahme, andererseits ein gut aufgelöstes Höhenmodell der Erdoberfläche, um topographische Effekte berücksichtigen zu können (HUBER, WESSEL & ROTH, 2006). Beides ist im Falle von TerraSAR-X gewährleistet: Mithilfe verschiedener Navigationssysteme wird die Bahn des Satelliten auf wenige Zentimeter genau vermessen und mit diesem Wissen das Bild auf das aus der Shuttle-Radar-Topography-Mission (SRTM) resultierende Höhenmodell entzerrt (vgl. Abb. 3-10). Da
Abb. 6-3-1: Synthetisches Beispiel zur Bildverbesserung mit Curvelets: a stark verrauschtes Grauwertbild, b Amplitude des Curvelet-Koeffizienten, c Amplitude der verbesserten Koeffizienten, d strukturverstärktes Grauwertbild (DLR)
in urbanen Gebieten durch Gebäude zusätzlich kleinräumige Variationen im Höhenmodell auftreten, empfiehlt es sich, entweder ein höher aufgelöstes Höhenmodell zu verwenden oder die Stadt immer aus dem gleichen Blickwinkel zu betrachten, um diese kleinräumigen Verzerrungen möglichst konstant zu halten. Somit wäre der geometrische Aspekt abgehandelt. Die radiometrischen Unzulänglichkeiten lassen sich in den Griff bekommen, indem man sich einer sogenannten alternativen Bilddarstellung bedient. Die bekannteste Anwendung dürfte wohl das komprimierende Bildspeicherformat JPEG sein, bei der das Bild nicht in gleichabständigen Grauwerten (Pixel), sondern in verschieden starken, wellenartigen Formen abgelegt wird. Einem ähnlichen mathematischen Konzept folgt die Curvelet-Transformation, die ein Bild in lineare Elemente zerlegt und sich daher speziell für die Modellierung der vielen geradlinigen und gekrümmt linearen Strukturen in Stadtgebieten eignet (CANDÈS & DONOHO, 1999). Jedes Element wird durch einen Koeffizienten repräsentiert, dessen Amplitude den Einfluss des Elements auf das Gesamtbild und somit die Stärke der jeweiligen linearen Struktur angibt (siehe Abb. 6-3-1). Zusätzlich kann über die Skalierung der Elemente, ihre Orientierung und ihre Position im Bild eine weitere Auswahl getroffen werden. Praktisch bedeutet dies, dass sowohl die Form (über die verwendete Transformation) als auch die Größe (über die Skalierung) der je nach Anwendung interessanten Änderungen frei gewählt werden können. Diese Eigenschaften der Transformationen, die ursprünglich dazu gedacht waren, den Spei-
6.3 Änderungserkennung in Radaraufnahmen – Die Aufbauarbeiten zum Münchner Oktoberfest
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Abb. 6-3-2: Datengrundlagen – Radarbilder und optische Aufnahme: a TerraSAR-X (18.06.2008), b TerraSAR-X (23.08.2008), c IKONOS (03.09.2001) (DLR)
cherplatz für ein Bild ohne großen Informationsverlust zu minimieren, macht man sich jetzt zu Nutze, um die Bilder zu verbessern, in dem man die vorhandenen Strukturen gegenüber dem Hintergrundrauschen extrem verstärkt (SCHMITT, WESSEL & ROTH, 2009a). Dies geschieht durch eine geschickte Gewichtung der Koeffizienten, nachdem aus der Menge aller Koeffizienten diejenigen selektiert worden sind, die sich aufgrund ihrer hohen Amplitude von den übrigen − im Allgemeinen Rayleigh-verteilten − Koeffizienten unterscheiden. Auf diese Weise lässt sich störendes Bildrauschen zu einem beträchtlichen Anteil minimieren, was in Abb. 6-3-1a-d an einem synthetischen Beispiel anschaulich demonstriert wird. Die Kombination der soeben beschriebenen Vorgehensweisen zur geometrischen und radiometrischen Zusammenführung mehrerer Radaraufnahmen ergibt einen zuverlässigen Algorithmus zum automatischen Erkennen von Änderungen in fein strukturierten Bereichen (SCHMITT, WESSEL & ROTH, 2009b). Die geokodierten Radaraufnahmen werden zunächst in den Curvelet-Koeffizientenraum transformiert und anschließend differenziert. Die Differenzbilder werden wie oben beschrieben verbessert und zur Anzeige in den Bildraum zurücktransformiert. Nun lassen sich noch positive und negative Veränderungen (heller bzw. dunkler) durch entsprechende Farbkodierung kennzeichnen.
Anwendung Ausgangspunkt für die praktische Anwendung ist das Vorhandensein zweier TerraSAR-XAufnahmen des gleichen Gebiets aus dem gleichen Blickwinkel, doch zu verschiedenen Zeiten. Um die automatisch entdeckten Änderungen auch eindrucksvoll interpretieren zu können, wurde der Aufbau des Münchner Oktoberfests als Demonstrationsbeispiel gewählt. Die Zeitreihe wurde dem Datenarchiv entnommen und nicht explizit zur Überwachung des Aufbaus angelegt. Sie enthält beginnend mit dem 18.06.2008 bis zum 23.08.2008 sechs Aufnahmen mit dem zeitlichen Abstand von elf bzw. zweiundzwanzig Tagen im letzten Zeitschritt, die jeweils morgens um 07:18 Uhr beim Überflug des Satelliten im höchst aufgelösten Modus (Pixelgröße etwa 1 m) gemacht wurden. Zur besseren Vorstellung, wie ein Radarbild im Vergleich zu einer optischen Aufnahme eine Szene wiedergibt, sind die erste und die letzte Aufnahme der Zeitreihe in Abb. 6-3-2a & b einer optischen Aufnahme vom 03.09.2001 (Abb. 6-3-2c) gegenübergestellt. Die Bilder können direkt als sogenannte EEC-Produkte (Enhanced Ellipsoid Corrected) bestellt werden und sind somit bereits bei der Auslieferung auf das allgemein gebräuchliche UTM-Koordinatensystem umgerechnet. Für je zwei Aufnahmen wird nun mithilfe der Curvelet-Transformation ein Differenzbild erzeugt,
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
Abb. 6-3-3: Differenzbilder zeitlich benachbarter TerraSAR-X-Aufnahmen der Zeitreihe (2008): a 18.06.−29.06., b 29.06.−10.07., c 10.07.−21.07., d 21.07.−01.08., e 01.08.−23.08. (DLR)
das in rot alle Bereiche zeigt, die bei der zweiten Aufnahme weniger zurückstreuten als bei der ersten, also dunkler geworden sind, und in grün alle Bereiche, die bei der zweiten Aufnahme stärker zurückstreuten als bei der ersten, folglich heller geworden sind (Abb. 6-3-3). Im Hintergrund befindet sich zur besseren Orientierung das Ausgangsbild der jeweiligen Differenz. Zur Darstellung der gesamten Zeitreihe werden die ursprünglich kontinuierlich vorliegenden Differenzbilder binarisiert, das heißt ausgehend vom Helligkeitsunterschied wird eine Entscheidung (ja/nein) getroffen, ob eine nennenswerte Änderung stattgefunden hat oder nicht. Hier kommt ein iteratives Verfahren zum Einsatz, welches das Hintergrundrauschen von tatsächlichen Änderungen nun anhand der Helligkeitsunterschiede einzelner Pixel trennt. Beschränkt man sich zusätzlich auf ausschließlich aufgehellte Bereiche, die erwartungsgemäß im gewählten Beispiel überwiegen, kann man den zeitlichen Verlauf der Veränderungen während der Aufbauarbeiten übersichtlich in einer Grafik festhalten (Abb. 6-3-4). Da eine Überführung der gefundenen Änderungen in semantische Objekte bzw. Veränderungen an semantischen Objekten noch nicht automatisch stattfindet, liegt die Interpretation der Differenzbilder, also der Schritt von der detektierten Veränderung im Bild zur realen Veränderung vor Ort, derzeit vollständig beim Betrachter.
Interpretation Wie im vorhergehenden Abschnitt erwähnt, erscheinen in den Differenzbildern aufgehellte und abgedunkelte Bereiche. Während die Deutung dieser Effekte im ländlichen Raum äußerst schwierig ist, kann man im städtischen Bereich sowie auf versiegelten Flächen die Änderungen recht einfach konkreten Ereignissen zuordnen. In grün werden neu hinzugekommene, in rot verschwundene Objekte dargestellt. Deutlich wird dies bei der Gegenüberstellung benachbarter Differenzbilder, wo grüne Bereiche im linken Bild als helle Strukturen im Hintergrund des rechten Bilds wieder auftauchen (vgl. Abb. 6-3-3d & e). Kleinräumige Veränderungen (beispielsweise in der Größe eine Schubkarre), die in der gewählten Anwendung eher von geringem Interesse sind, werden von vornherein ausgeschlossen. Die kartierten Änderungen decken infolgedessen die Größenordnungen von einzelnen Hütten, über abgestellte Lastkraftwagen bis hin zu den großen Zelten ab. Die in Abbildung 6-3-3 dargestellten Differenzbilder jeweils benachbarter Aufnahmen zeigen sehr eindrucksvoll, wie mit dem Herannahen des Oktoberfests die Aktivitäten auf der Theresienwiese zunehmen. Während in Abb. 6-3-3a & b nur einige wenige Änderungen verzeichnet sind, steigt die Anzahl der Änderungen in Abb. 6-3-3c & d merklich an. Auffallend ist zudem, dass es sich in den ersten beiden Differenzbildern ausschließlich um kleinräumige Veränderungen handelt, die meist in Abb. 6-3-3a grün und in Abb. 6-3-3b rot erscheinen. Folglich geht es um Objekte, die während des
6.3 Änderungserkennung in Radaraufnahmen – Die Aufbauarbeiten zum Münchner Oktoberfest
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Abb. 6-3-4: Gemeinsame Darstellung sämtlicher positiver Helligkeitsänderungen in der Zeitreihe (2008) (DLR)
zweiten Überflugs vorhanden waren, dann aber wieder verschwunden sind. Auch die lineare Ausdehnung der Veränderung rechts im Bild weist darauf hin, dass hier mit großer Wahrscheinlichkeit Lastkraftwagen, die Material anliefern, erfasst worden sind. Beim Übergang von der dritten zur vierten Aufnahme (Abb. 6-3-3d) kommen große flächenhafte Änderungen in grün hinzu. Da die Lage dieser Änderung mit der Position einiger großer Zelte übereinstimmt (vgl. Abb. 6-3-2c), kann der Aufbau dieser Zelte auf die Zeit zwischen dem 10.07. und 21.07.2008 datiert werden. Auch in den letzten drei Zeitschritten (Abb. 6-3-3c & d) sind am rechten Rand wieder lineare Formen erkennbar, die auftauchen (grün) und wieder verschwinden (rot) und somit auf das zwischenzeitliche Abstellen von Fahrzeugen bzw. Material zurückzuführen sind. Direkt nach dem Aufstellen der Zelte können vor allem kleinräumige Änderungen beobachtet werden, die sicherlich Arbeiten um die Zelte herum markieren (Abb. 6-3-3d). Im letzten Zeitschritt (zweiundzwanzig Tage) sind
demgegenüber langgestreckte grüne Bereiche vor den Zelten zu sehen, die entweder auf Vorbauten oder wieder auf davor abgestelltes Material hindeuten. Klärung hätte eine Ausdehnung der Zeitreihe bringen können, die aufzeigt, ob diese Objekte dauerhaft installiert sind oder in der verbleibenden Zeit bis zum Beginn des Oktoberfests wieder verschwinden. Um den Verlauf der Aufbauarbeiten anschaulich darzustellen, wurden sämtliche positiven Änderungen aus Abbildung 6-3-3a−e in einer Grafik (Abb. 6-3-4) zusammengefasst. Die Flächen gleicher Färbung bezeichnen dabei die in einem Zeitschritt hinzugekommenen Objekte. Aus den Einzelbildbetrachtungen gewonnene Erkenntnisse bestätigen sich: kleinräumige Aktivitäten zu Beginn, dann großflächige, neue Objekte und schließlich nur noch kleinere Veränderungen am Rand der großen Objekte aus den vorangegangenen Zeitschritten. Wegen der nicht berücksichtigten negativen Änderungen sind nur kurzzeitig vorhandene Objekte, innerhalb und außerhalb der Theresienwiese (links oben im Bild), ebenso erfasst wie längerfristig installierte Objekte (z. B. Festzelte). Die Illustration hilft, den Aufbau der einzelnen Komponenten (Zelte, Vorbauten, Hütten) in einen relativen zeitlichen Zusammenhang zu stellen. Auch zeichnen sich Plätze, an denen wahrscheinlich Material lediglich zwischengelagert wird, ganz deutlich durch ständige Veränderungen über fast alle Zeitschritte hinweg ab, siehe zum Beispiel die langgestreckten fast senkrecht verlaufenden Änderungen am rechten Rand. Die noch leeren Bereiche weisen auf das frühe Ende der aus dem Datenarchiv zusammengestellten Zeitreihe, etwa einen Monat vor der Eröffnung des Oktoberfests, hin.
Zusammenfassung Am Beispiel des regelmäßig eintretenden und durchorganisierten Oktoberfestaufbaus auf der Münchner Theresienwiese wurden die
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6. Fernerkundliche Anwendungen zur Verkehrs- und Lageerfassung
Anwendungsmöglichkeiten eines Verfahrens demonstriert, das in der Lage ist, anhand von Radaraufnahmen des deutschen Satelliten TerraSAR-X Änderungen in städtischen Bereichen vollautomatisch zu kartieren. Durch die ausschließliche Verwendung von Radardaten erfolgt die Aufnahme komplett unabhängig von der Tageszeit und den Wetterverhältnissen, so dass sowohl eine langfristige Überwachung zuverlässig geplant als auch im Katastrophenfall eine schnelle Änderungskartierung gewährleistet werden kann. Voraussetzung für die Notfallanwendung ist jedoch das Vorhandensein einer passenden, aktuellen Referenzaufnahme aus der Zeit vor dem Krisenfall. Die Empfindlichkeit des Radarsystems gegenüber kleinsten Änderungen der Oberflächeneigenschaften bedingt, dass nicht alle detektierten Änderungen direkt Schäden an Gebäuden entsprechen. Man kann aber im Gegensatz dazu davon ausgehen, dass eine einschneidende Veränderung an den abgebildeten Gebäuden auch eine ausgeprägte Veränderung der Radarsignatur hervorruft und somit kartiert werden kann. Auch wenn eine Abschätzung, inwiefern die detektierten Änderungen tatsächlich Schäden bezeichnen, aufgrund des immens hohen Aufwands praktisch kaum durchführbar ist, legen die bisherigen Ergebnisse nahe, dass mit dem beschriebenen Algorithmus alle radiometrischen Änderungen und somit auch alle in den Radardaten sichtbaren Schäden erfasst werden. Genauere Informationen über die Art der Veränderung könnten mehrfach polarisierte Radaraufnahmen liefern, die eine Aussage über den der Rückstreuung zugrunde liegenden Streumechanismus zulassen. Ebenso ist zur einfacheren Interpretation eine Verschneidung der Ergebnisse mit bereits vorhandenen Geodatenbeständen denkbar und aufgrund der Verwendung bereits geokodierter Radarbilder auch ohne zusätzlichen Aufwand durchführbar. Vor dem Hintergrund der ständig zunehmenden Gefahr von schweren Unwetterereignissen auch hier in Deutschland, bietet sich unter anderem mit TerraSAR-X also die Möglichkeit, regelmäßig Referenzaufnahmen zu sammeln, um einerseits langfristige Entwicklungen
auszumachen und andererseits im Katastrophenfall schnell und flächendeckend eine zuverlässige Datengrundlage zur Verfügung zu haben, damit selbst großflächige Rettungseinsätze effizient koordiniert werden können. Während die Nutzung von Radarsystemen zur Datenerfassung dabei unumstritten ist, besteht in der Entwicklung für den urbanen Bereich geeigneter Auswertemethoden noch immer Forschungsbedarf. Angesichts des aufgezeigten hohen Potenzials von Radaranwendungen wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Informationsextraktion aus Radarbildern zu einem Standardwerkzeug nicht nur der urbanen Fernerkundung, sondern auch des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe entwickeln wird.
Referenzen HUBER, M., WESSEL, B. & A. ROTH (2006): The TerraSAR-X Orthorectification Service and its Benefit for Land Use Applications. IEEE International Geoscience and Remote Sensing Symposium (IGARSS), 31 July − 04 August 2006, Denver, Colorado (USA). CANDÈS, E. J. & D. L. DONOHO (1999): Curvelets – a Surprisingly Effective Nonadaptive Representation for Objects with Edges. − SCHUMAKER, L. L. et al. (Ed.): Innovations in Applied Mathematics – Curves and Surface Fitting. Vanderbilt University Press, SaintMalo (France): 105−120. SCHMITT, A., WESSEL, B. & A. ROTH (2009a): Curvelet-based Change Detection for Manmade Objects from SAR Images. − IEEE International Geoscience and Remote Sensing Symposium (IGARSS), 12−17 July 2009 in Cape Town (South Africa), 3: 1059−1062. SCHMITT, A.; WESSEL, B. & A. ROTH (2009b): Curvelet Approach for SAR Image Denoising, Structure Enhancement, and Change Detection. − IAPRS Proceedings of City Models, Roads and Traffic Conference (CMRT), 03−04 September 2009 in Paris (France), 38(3/W4): 151−156.
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen »Sag mir, wo du wohnst, und ich sage dir, wer du bist!« In dieser provokanten Aussage wird deutlich, dass der Raum durchaus prägend auf die dort lebenden Menschen einwirkt. Die Fernerkundung erlaubt es, den Lebensraum einer Person in Form physischer Komponenten hoch detailliert zu beschreiben (vgl. Kap. 4, 5 & 6). Der Vielschichtigkeit, die den Lebensraum tatsächlich ausmacht, wird diese Herangehensweise aber nicht vollauf gerecht. Eine Forschungsdisziplin allein kann die ganzheitliche Beschreibung der Umwelt daher nicht liefern. Eine komplementäre Integration von Daten und Methoden anderer Forschungsdisziplinen zielt auf eine zusätzliche Inwertsetzung fernerkundlicher Produkte ab. So stehen viele direkt
abgeleitete Ergebnisse im Zusammenhang mit Informationen, die nicht in den fernerkundlichen Daten wiedergegeben sind. Die ermittelte Anzahl, Größe und Höhe von Gebäuden ist beispielsweise ein indirekter Hinweis auf die Anzahl der dort lebenden Personen. Die Lage und physische Struktur mag zudem indirekt Aufschluss über Umwelt- und Lebensbedingungen geben. Anhand verorteter sozioökonomischer Information können Zusammenhänge zwischen der gebauten und der gelebten Stadt untersucht werden. Im Folgenden zeigen Beispiele interdisziplinärer Methodenentwicklung das Potenzial, im Verbund verschiedener Forschungsdisziplinen planungsrelevante Mehrwerte zu erzielen.
7.1 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung – was leisten hoch aufgelöste Fernerkundungsdaten? S. Fina, H. Taubenböck, M. Wurm & S. Siedentop
Einleitung Die Aufgabenstellungen einer modernen Raumplanung erfordern in immer größerem Umfang, dass planerisch relevante Messgrößen auf der Grundlage umfassender quantitativer Analysen statistischer und räumlicher Daten zur Verfügung gestellt werden. Erst aus der Aufbereitung dieser Informationen entstehen die notwendigen Kenntnisse, um raumbezogene Entwicklungstrends zu erfassen, Planungserfordernisse abzuleiten und die Wirkungen planerischen Handels zu beurteilen. Grundlage hierfür sind
zum Beispiel räumlich und zeitlich differenzierte Informationen zu Demografie, Wirtschaftsstruktur, Umweltbelastungen oder Landnutzung. Im Zuge technologischer Fortschritte, insbesondere im Bereich der Geoinformatik, entwickeln sich auch die Potenziale der raumbezogenen Datenanalyse − allerdings nur wenn die Bereitstellung der benötigten Datengrundlagen mit den technologischen Entwicklungen Schritt halten kann. So sind zum Beispiel die Analysemöglichkeiten räumlicher Daten häufig nicht mehr durch die Werkzeuge der Softwareumgebungen eingeschränkt, sondern vielmehr
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
durch den Mangel an qualitativ hochwertigen Geodaten mit ausreichender Aktualität, gesicherter Fortschreibung und großmaßstäblicher Auflösung. In Modellvorhaben konnte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder gezeigt werden, welches hohe Maß an Entscheidungsunterstützung durch moderne »Raumanalytik« möglich ist. Der Schritt vom Modellprojekt zum raumplanerischen Alltag scheitert aber häufig an der Datenverfügbarkeit, an der Unwirtschaftlichkeit der notwendigen Erhebungen und mancherorts auch am mangelnden politischen Interesse. Letzteres dürfte auch darin begründet sein, dass Entscheidungsträger häufig kaum eine Vorstellung davon haben, wie ein datengestütztes Monitoring und Controlling räumlicher Entwicklungen bzw. Planungen aussehen kann und welche Nutzeneffekte davon ausgehen. Dieser Beitrag zielt daher auf die Beschreibung von Diskrepanzen zwischen technischen Möglichkeiten und realer Anwendungsbreite ab, indem die derzeitigen Möglichkeiten zur Bereitstellung planerisch relevanter Messgrößen exemplarisch, und die Informationsgewinnung von Landnutzungsdaten im Besonderen dokumentiert werden. Dies soll zum einen die Relevanz der Daten- und Informationspotenziale für planerische Aufgabenstellungen verdeutlichen, zum anderen soll für das Monitoring der Landnutzung aufgezeigt werden, wo die Problemfelder der Datennutzung derzeit liegen und wie sie nach Möglichkeit zu überwinden sind. Hierzu werden mit Hilfe einer Literaturanalyse und eigener Erkenntnisse die Datengrundlagen der Flächenstatistik und des amtlichen Vermessungswesens einer Bewertung unterzogen. Im Anschluss werden im empirischen Teil die Potenziale von Fernerkundungsmethoden zur Extraktion von Planungsindikatoren aus Satellitenbildern dargestellt und exemplarisch für die Städte München und Köln berechnet und interpretiert. In der Synthese der Ergebnisse werden zusammenfassend der derzeitige Stand der Datenpotenziale für ein umfassendes Landnutzungs-Monitoring in Deutschland aufgezeigt und abschließend Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung benötigter (Geo-) Dateninfrastrukturen formuliert.
Monitoring und Zielcontrolling Hintergrund In der Stadt- und Regionalplanung beschäftigen sich Monitoring und Zielcontrolling mit der umfassenden Beobachtung und Dokumentation von Zuständen und Entwicklungen des Raumes und deren Bewertung anhand von in Plänen und Programmen festgelegten Zielen. Sie sind deshalb den Methoden der Raumbeobachtung zuzuordnen. Dabei muss prinzipiell zwischen den methodischen Ansätzen von Monitoring und Controlling unterschieden werden (BIRKMANN et al., 1999; JACOBY, 2009): • Monitoring beschreibt die weitgehend interessenneutrale Aufnahme und Analyse von Raumzuständen und Entwicklungen zur Bereitstellung objektiver Bewertungsgrundlagen. • Controlling bewertet räumliche Entwicklungen mit Blick auf planerische Zielsetzungen im Bezugsrahmen messbarer Kenngrößen und definierter Zielgrößen. Neben der ›Zielerreichungskontrolle‹ ist die ›Wirkungskontrolle‹ wesentlicher Gegenstand eines raumbezogenen Controllings. Die Wirkungskontrolle zielt auf die Erklärung festgestellter räumlicher Veränderungen durch Identifikation der auslösenden Ursachen. Für die Planung ist insbesondere wichtig, ob sich Veränderungen als (gewünschtes oder unerwünschtes) Ergebnis planerischer Interventionen oder als Resultat des Handelns externer räumlicher Akteure eingestellt haben. Grundlage für die Umsetzung beider Ansätze sind relevante Messgrößen oder Indikatoren, deren Rolle für die Operationalisierung von Monitoring und Zielcontrolling, zum Beispiel von Birkmann et al. (1999), beschrieben wird. Dabei stellen die Autoren fest, dass planerischer Handlungsbedarf erst aus der Kombination neutraler Beobachtungen mit normativen Zielsetzungen abgeleitet werden kann. In der Praxis bedeutet dies häufig, dass Datengrundlagen im Monitoring von Raumzuständen erhoben werden und über die Ableitung von Indikatoren mit normativem oder eindeutigem Zielbezug als
7.1 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung
Controlling-Instrument Verwendung finden. In diesem Sinne wurde zum Beispiel die Raumbeobachtung bereits seit 1965 als verpflichtende Aufgabe für die Raumplanung definiert. Mit Hilfe von Datengrundlagen aus der Bundesund Regionalstatistik, der Landesvermessung und anderer Quellen (z. B. Bundesagentur für Arbeit) werden »neutrale« Daten ausgewertet, die nicht spezifisch für die Zwecke der Raumbeobachtung entwickelt wurden. Sie werden allerdings als Indikatoren der Raumentwicklung in einen planerischen Zielbezug eingestellt (BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG, 2005). Seit den 1980er Jahren wurde die Raumbeobachtung sukzessive auf die Zielsetzungen nachhaltiger Entwicklung angepasst und gesetzlich verankert (JACOBY, 2009; KOCH, 2009). Ungeachtet anhaltender inhaltlich-methodischer Unsicherheiten in Fragen der Messbarkeit nachhaltiger Raumentwicklung sind seither zahlreiche Kriterien- bzw. Indikatorensysteme für ein nachhaltigkeitsorientiertes planerisches Zielcontrolling vorgeschlagen worden (LANDESANSTALT FÜR UMWELT, 2007; SIEDENTOP et al., 2007). Diese Arbeiten sind Ausdruck eines wesentlich breiteren inhaltlichen Verständnisses von nachhaltiger Raum- und Flächennutzungsentwicklung und haben zu deutlich höheren daten- und informationstechnischen Anforderungen an die Raumbeobachtung beigetragen. Neben der Weiterentwicklung spezifischer Messgrößen für einzelne Handlungsfelder wird nun vermehrt Wert auf die Abbildung systemischer Zusammenhänge gelegt, die als Zusammenspiel sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Belange den Zustand und die Entwicklung des Raumes prägen (BIRKMANN et al., 1999; LANG, 2005). Im Diskurs um die Auswirkungen der Stadtstruktur auf den Ressourcenverbrauch gewinnen kleinräumige Analysen bis hin zur Gebäudeebene an Bedeutung. Neben direkten Umweltbelastungen wie Luft- und Gewässerverschmutzung werden nun der zunehmende Flächenverbrauch und die damit einhergehende Ineffizienz von Infrastruktur und Gebäudeversorgung als umweltrelevant wahrgenommen und teilweise mit ControllingZielen versehen. Die Komplexität der bislang
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vorgeschlagenen Messmethoden zu dieser Thematik (in der Literatur als Urban Sprawl oder Zersiedelung/Flächeninanspruchnahme bekannt) belegen die besonderen Anforderungen an Monitoring und Zielcontrolling einer ressourcenschonenden Nachhaltigkeit ebenso wie die als Gegenentwurf postulierte Quantifizierung möglichst kompakter Formen der Siedlungsentwicklung (EWING, PENDALL & CHEN, 2002; WOLMAN et al., 2005; FRENKEL & ASHKENAZI, 2008). Nach drei Jahrzehnten muss allerdings nüchtern konstatiert werden, dass die hoch gesteckten Ziele einer ›messbaren‹ Nachhaltigkeit nur bedingt realisiert werden können. Quantitative Ansätze beruhen in der Regel auf der Auflösung komplexer Beziehungsgefüge in einzelne systemische Bestandteile, deren Zusammenspiel über multikriterielle Bewertungsmethoden nachgebildet und anhand einzelner oder zusammengesetzter Indikatoren gemessen werden kann (SIEDENTOP et al., 2007). Dabei kommt es selbstverständlich zu Unsicherheiten in der Bewertung, es kommt zu Vorwürfen normativer Abstraktionen einer noch viel komplexeren Umwelt und handwerklich missbräuchlicher Anwendung von Indikatoren (LI & WU, 2004). Hinzu kommt die oftmals erzwungene Akzeptanz inhaltlich-methodischer Einschränkungen in Form • sachlicher blinder Flecken als Folge der Nichtverfügbarkeit bestimmter Informationen als georeferenzierte oder geocodierte Daten, • des Fehlens belastbarer Zeitreihendaten mit der Folge hoher Unsicherheiten über Trendentwicklungen und • der nicht ausreichenden räumlichen Auflösung raumbezogener Informationen. Letzteres trifft insbesondere auf die kommunale Raumbeobachtung zu. So geht zum Beispiel die Siedlungs- und V Verkehrsflächeninanspruchnahme als die Summe aller Landnutzungsänderungen, aus denen Siedlungsfläche im Bezugszeitraum entstanden ist, in die Flächenstatistik ein. Nur wenige Kommunen erfassen systematisch Informationen zur Vornutzung, zum Verhältnis von Innen- zu Außenentwicklung, oder
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
zu Brachflächen- und Wohnungsleerständen. Ähnliches gilt für die Beobachtung der kleinräumlichen Bautätigkeit, der Beschäftigungsentwicklung oder sozialräumlicher Entwicklungen. Es sind aber gerade derartige räumlich-differenzierte Informationen, die planerisches Handeln erst möglich und damit nachhaltige Entwicklung bewertbar machen (LANDESANSTALT FÜR UMWELT, 2007; SIEDENTOP et al., 2007). Die Folge all dieser Restriktionen ist eine Fülle heterogener Monitoring- und ControllingAnsätze, deren analytische Kapazität den Informationsbedarf von Planern und Politikern häufig nicht befriedigen kann. Es sind deshalb aus planerischer Sicht zusammenfassend drei elementare Datenanforderungen zu formulieren, die für die Weiterentwicklung von Messkonzepten unabdingbar sind: • Regelmäßige Herstellung zeitreihenfähiger, hoch aufgelöster, konsistent klassifizierter Landnutzungsdatensätze auf Geodatenbasis (Flächenverbrauchsanalyse, Bodenversiegelung, Brachflächenkataster, etc.) (vgl. Kap. 4.1. & 4.3.); • Flächendeckende Erfassung und Typisierung von Gebäuden als dreidimensionales Geodatenobjekt (Stadtstrukturanalyse) (vgl. Kap. 5); • Verknüpfbarkeit statistischer Kennzahlen mit Geodatenobjekten (Ableitung von Bevölkerungsdichte (vgl. Kap. 7.2.), differenzierter Wirtschaftsfaktoren, Korrelation mit Umweltfaktoren, etc.). Erst aus der verlässlichen V Verfügbarkeit dieser Daten können die Anforderungen komplexer Zusammenhänge umfassend beschrieben, und derzeit angedachte und in Einzelstudien getestete Ansätze von Monitoring und Zielcontrolling flächenhaft umgesetzt werden.
Datengrundlagen Die Bereitstellung von Datengrundlagen, die den oben formulierten Anforderungen entsprechen, ist derzeit nur in wenigen Großstädten mit hochentwickelten Dateninfrastrukturen zu finden. Für die meisten Kommunen gilt, dass Ein-
schränkungen in der Datenverfügbarkeit in erheblichem Maße die Einführung von Raumbeobachtungsinstrumenten behindern. Auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht teils strikte Anforderungen an die zugrunde liegenden Indikatoren formuliert werden (siehe z. B. JAEGER & BERTILLER, 2006), wird in der Praxis aufgrund der Datensituation auch der ›Mut zur Lücke‹ oder die Verwendung von BAD (= Best Available Data) postuliert (JACOBY, 2009; KLOSTERMANN, 2008), oder wie im »Nachhaltigkeitsbarometer Fläche« des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung eine Unterscheidung zwischen Kern- und Ergänzungsindikatoren eingeführt (SIEDENTOP et al., 2007). Letztere begründet sich dadurch, dass ein umfassendes Indikatorenkonzept neben leicht verständlichen und gut kommunizierbaren Basisgrößen spezifischen fachlichen Anforderungen gerecht und um entsprechende Kennziffern ergänzt werden muss. Eine Reduktion der Informationstiefe findet sich auch bei den bislang verwendeten Indikatoren der amtlichen Flächenstatistik, die als Grundlage für Monitoring und Zielcontrolling des Flächenverbrauchs erheblichen steuerungspolitischen Einfluss haben (FLACKE, 2003; UMWELTBUNDESAMT, 2004; JÖRISSEN & COENEN, 2007). Einmal im politischen Diskurs angekommen, sind Zielgrößen wie die Siedlungs- und Verkehrsflächeninanspruchnahme trotz ihrer teils stark kritisierten methodischen und inhaltlichen Schwächen nicht mehr aus der Raumbeobachtung wegzudenken. Nachhaltigkeitsziele wie die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche pro Tag bis 2020 offenbaren die Abhängigkeit von einmal gewählten Zielbezügen über lange Zeiträume (RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG, 2004; RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG, 2008). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass der Indikator ›Siedlungs- und Verkehrsflächeninanspruchnahme‹ wesentliche qualitative Aspekte der Flächennutzung beziehungsweise deren Veränderung nicht abbilden kann. Genannt seien • Vornutzungskriterien: es werden keine Angaben dazu gemacht, welche Flächen mitsamt ihrer ökologischen Funktion umge-
7.1 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung
wandelt bzw. beeinträchtigt wurden. Im Extremfall kann dieses Beispiel bedeuten, dass die Neubebauung von einem Hektar naturnaher Fläche mit der Umwidmung von intensiv genutztem Ackerland in Erholungsnutzungen gleichgesetzt wird. • Stadtmorphologische Kriterien: die Lage neuer Siedlungs- und Verk V ehrsflächen in Bezug zu bestehenden Siedlungen und Infrastrukturen bleibt unberücksichtigt, es kann also keine Bewertung im Sinne einer ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung erfolgen. • Naturschutzkriterien: ebenfalls im Kontext des fehlenden Lagebezugs ist der Einfluss neuer Bebauung im Hinblick auf ihr StörpobeW tenzial für die ökologische Wertigkeit nachbarter oder betroffener Flächen oder Flächenverbünde nicht bewertbar (z. B. Zersiedelungs- und Zerschneidungseffekte durch neue Siedlungsgebiete).
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Neben diesen in der Literatur hinreichend beschriebenen Abstrichen an der Aussagekraft der Flächenstatistik (SIEDENTOP et al., 2007; EINIG, JONAS & ZASPEL, 2009) sind auch methodische Mängel evident (DEGGAU, 2006). Diese ergeben sich zum einen aus der föderal geprägten und uneinheitlichen Anwendung von Kataster-Erfassungskatalogen bei den zuständigen Behörden (zumeist Kreis- bzw. Stadtverwaltung). Zum anderen haben auch Änderungen an den Erfassungskatalogen im zeitlichen Verlauf Einfluss auf Qualität und Konsistenz der Datenfortführung. Nicht zuletzt aufgrund dieser methodischen und inhaltlichen Mängel werden vermehrt Forderungen laut, als Grundlage für das Monitoring und Zielcontrolling der Landnutzung künf-
Tab. 7-1-1: Geodateninfrastrukturen für den Einsatz im Landnutzungsmonitoring und –zielcontrolling
Datensatz
Einschränkungen
Referenz
ALK / ALKIS (Kataster)
Keine offizielle Historisierung, hohe Datenkosten, komplexe Prozessierung durch hohe Datenmengen, Einschränkungen durch Datenschutzbestimmungen
M EINEL , H EROLD & H ECHT, 2007
ATKIS Basis-DLM (Digitales Landschaftsmodell)
Keine offizielle Historisierung, d.h. Flächenverbrauchsanalysen können nur mit archivierten Zeitständen der drei bisher vorliegenden Ausbaustufen durchgeführt werden (seit 1998). Hierfür müssen in aufwändigen Nachbearbeitungen Abgleiche der jeweils gültigen Objektkartenkataloge unter Berücksichtigung länderspezifischer Umsetzungen geleistet werden. Hinzu kommt, dass die Aktualität der jeweiligen Ausbaustufen räumlich stark variiert und nur unzureichend dokumentiert ist.
L ANDESANSTALT U MWELT, 2007; M EINEL & K NOP, 2008
CORINE Land Cover
Einschränkungen bezüglich der Genauigkeit der erfassten Objekte: Flächengrößen unter 25 Hektar gehen in Abhängigkeit der umgebenden Nutzung in benachbarten Nutzungsarten auf. Nutzungsänderungen werden im Mittel ab Flächengrößen von 5 Hektar sichtbar. Zeitstände existieren derzeit für das Jahr 1990 und 2000, die Veröffentlichung für das Jahr 2006 war ursprünglich für Ende 2009 angekündigt, steht aber noch aus.
K EIL , K IEFL & S TRUNZ , 2004; E UROPEAN E NVIRONMENT A GENCY, 2006; M EINEL et al., 2007; E INIG , J ONAS & Z AS PEL , 2009
Fernerkundung
Aufbereitung der Datenbasis durch manuelle oder automatisierte Objektklassifikation, kann bislang in der Regel nur auf Projektbasis für abgegrenzte Gebiete geleistet werden, sonst entspricht der Detaillierungsgrad nicht der benötigten geometrischen und thematischen Tiefe. Bislang fehlen lange Zeitreihen durch inkompatible Sensorengenerationen (unterschiedliche räumliche Auflösung).
T AUBENBÖCK , 2008; E SCH et al., 2009; W URM et al., 2009
FÜR
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
tig standardisierte Geodateninfrastrukturen zu verwenden. Damit wäre zum einen dem fehlenden Lagebezug der Flächenstatistik Rechnung getragen, zum anderen könnten auf Basis dieser Daten Methoden aus der Geoinformationstechnologie Einsatz finden, die eine vertiefende Analyse räumlicher Aspekte der Landnutzung erlauben. Tabelle 7-1-1 (S. 131) zeigt derzeit verfügbare Datengrundlagen, deren Eignung für kommunale und regionale Monitoring- und Controlling-Anwendungen allerdings aufgrund spezifischer Schwächen (siehe Spalte ›Einschränkungen‹) begrenzt ist. Abhilfe versprechen derzeit laufende Projekte zur Standardisierung und Ausweitung von Geodateninfrastrukturen auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene (ESPON, INSPIRE, ALKIS, 3A-Modell), von denen eine deutliche Verbesserung der Datengrundlagen erwartet wird (H EIDBRINK & SCHMIDT-SEIWERT, 2006; BEHNISCH, 2007). Aus planerischer Sicht ist dabei insbesondere die Weiterentwicklung der Katasterdaten der Landesvermessung in ALKIS sowie die Zusammenführung von ALKIS und ATKIS-Datenbeständen im 3A-Modell (konzeptuelles Anwendungsschema für die Informationssysteme ALKIS, ATKIS und AFIS, dessen Umsetzung bis Ende 2012 abgeschlossen sein soll) von Bedeutung (ARBEITSGEMEINSCHAFT DER VERMESSUNGSVERWALTUNGEN DER LÄNDER DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, 2008). Diese Datenbestände gelten derzeit als die für den Maßstabsbereich stadt- und regionalplanerischer Fragestellungen relevantesten Geodaten. Allerdings ist zu befürchten, dass im Zuge der Umstellungen auch Änderungen in der Objektklassifizierung und Nutzungsartenzuordnung anstehen, die die Fortführung von Zeitreihen einschränken oder gar unmöglich machen.
Fernerkundungsdaten Aufgrund der angesprochenen Einschränkungen der Datenbestände der Landesvermessung und der unsicheren Übergangsphase zu neuen Dateninfrastrukturen kommt der Fernerkun-
dung als Datenlieferant für die Raumbeobachtung zukünftig eine hohe Bedeutung zu. So wurde zum Beispiel im Förderschwerpunkt REFINA (Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) das derzeit laufende Projekt »Entwicklung und Evaluierung eines fernerkundungsbasierten Flächenbarometers als Grundlage für ein nachhaltiges Flächenmanagement« mit dem expliziten Ziel konzipiert, ein »weiterentwickeltes Indikatorenset zur stetigen Beobachtung der Siedlungsflächenentwicklung unter besonderer Berücksichtigung von Fernerkundungsmethoden« als ›Flächenbarometer‹ zur Verfügung zu stellen (www.refina-info.de/projekte/anzeige. phtml?id=3103, 9. Dezember 2009; vgl. auch Kap. 4.3). Ein weiteres fernerkundliches Beispiel stellt das Projekt »Indikatoren für wasserbezogene Gefahren in urbanen Räumen Deutschland« dar (WURM et al., 2010). Dort wurde hochwasserrelevanten Fragestellungen mit fernerkundlich abgeleiteten Geländeoberflächenmodellen oder einem 3-D-Stadtmodell nachgegangen (vgl. Kap. 8). Insbesondere die Möglichkeiten zur Erstellung robuster Zeitreihen auf der Grundlage hochaufgelöster Satellitenszenen bieten im Vergleich zu den Daten der Landesvermessung große Vorteile für Zeitreihenanalysen in der Raumbeobachtung, im Langzeitmonitoring eines Untersuchungsraumes oder in der Querschnittsanalyse verschiedener Regionen (vgl. Kapitel 4.1. & 4.2.). Zudem ermöglichen technologische Fortschritte in der automatisierten Ableitung von Objekttypen neben erhöhter Genauigkeit auch die Möglichkeit, notfalls durch Anpassung der Objektdefinitionen und erneuten Durchlauf der Objektextraktion die Kompatibilität von Datenbeständen zu gewährleisten. Ein deutlicher Mehrwert für planerische Fragestellungen ergibt sich schließlich durch die Zuweisung von Höheninformationen für extrahierte Objekte (z. B. Gebäudehöhen, vgl. Kap. 5.1), da im wissenschaftlichen Diskurs wie auch in der Planungspraxis die dritte Dimension als Monitoring und Controllinggröße zunehmend an Bedeutung gewinnt (KOOMEN, RIETVELD & BACAO, 2009).
7.1 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung
Neben diesen Vorteilen kann generell gesagt werden, dass die Anbindung von Fernerkundungsdaten an statistische Kennziffern in der Regel deutlich schwieriger ist als bei geocodierten Daten der amtlichen Flächenstatistik und georeferenzierten Geodaten mit Katasterbezug. Bevölkerungs- und wirtschaftsbezogene Daten können nur indirekt mit extrahierten Objekten verknüpft werden (vgl. Kap. 7.2. & 7.3), eine Codierung über Flächen- oder Adressenschlüssel ist nur über Zusatzinformationen aus anderen Quellen möglich. Da diese Schlüssel allerdings auch über den Lagebezug hergestellt werden können und die benötigten Prozessierungsschritte standardmäßig in allen gängigen Geoinformationssystemen enthalten sind, können diese Limitierungen für georeferenzierte Daten bewältigt werden. Als weitere Einschränkung muss der Datenschutz erwähnt werden, der insbesondere bei der Verknüpfung von adressbezogenen Einwohnerdaten zu gebäudebezogenen Daten aus der amtlichen Statistik zum Tragen kommt. Als Alternative können fernerkundungsbasierte Gebäudetypen und die geschätzte Geschosszahl zur Verteilung von Bewohnern eines Blocks auf die darin befindlichen Gebäude verwendet werden (siehe Kap. 7.2). Die folgenden Anwendungsbeispiele beruhen auf dem fernerkundlich abgeleiteten dreidimensionalen Stadtmodell (vgl. Kap. 5.1.).
Anwendungsbeispiele In diesem Abschnitt werden beispielhaft Potenziale heutiger Fernerkundungsdaten und -methoden für die Bereitstellung planungsrelevanter Messgrößen der Stadtentwicklung dargestellt. Prinzipiell lassen sich die Anwendungsbezüge in zwei Gruppen gliedern: • Längsschnittanalysen betrachten Landnutzung und V Veränderung der Landnutzung über einen bestimmten Zeitraum anhand statischer und dynamischer Parameter für einen abgegrenzten Raum. • Querschnittanalysen vergleichen die Dynamik der Landnutzung zwischen zwei oder mehreren abgegrenzten Gebieten, meist Städten vergleichbarer Größenordnung.
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Eine Längsschnittanalyse für die Städte München und Köln wurde bereits in den Kapiteln 4.1. und 4.2. auf einer Maßstabsebene von so genannten ›urbanen Fußabdrücken‹ vorgestellt und mit Hilfe von Landschaftsstrukturmaßen für die beiden Stadt-Umland-Regionen durchgeführt. Auf höchst aufgelöster geometrischer Ebene (vgl. Kap. 5) existieren aktuell noch keine Zeitreihen, weshalb im Folgenden ausschließlich statische Parameter und Indikatoren für Querschnittanalysen präsentiert werden. Zu Analysezwecken wurde ein Zonenmodell mit 1 km weiten Ringen erzeugt, das radial vom Stadtzentrum bis zu den Rändern der Satellitenszenen verläuft. Dadurch werden für die Querschnittsanalyse von München und Köln vergleichbare räumliche Bezugseinheiten geschaffen. Es muss allerdings gesagt werden, dass die Satellitenszenen begrenzt sind und nur den zentralen Teil der Städte München und Köln abbilden. Vor diesem Hintergrund sind die hier dargestellten Kennziffern lediglich beispielhafte Umsetzungen ausgewählter Indikatoren für die Themenbereiche Stadtklimatologie, Flächennutzungsplanung und Infrastruktur. Eine Einschätzung der Datenpotenziale für ein umfassendes Monitoring und Zielcontrolling wird im Anschluss diskutiert.
Ausgewählte urbanmorphologische Indikatoren und stadtklimatologische Relevanz Der Leitgedanke für Münchens Stadtentwicklungskonzept lautet »kompakt, urban, grün« (vgl. Kap. 2). Die Strategie der Innenentwicklung nimmt deshalb einen hohen Stellenwert ein und ist für München von besonderer Bedeutung. Als drittgrößte Stadt Deutschlands ist München gemessen an seiner Fläche eine vergleichsweise kleine Stadt (vgl. Kap. 2; REISSSCHMIDT, 2002). Mit Hilfe von urbanmorphologischen Indikatoren lässt sich dieser Aspekt quantifizieren und im Hinblick auf ein Zielcontrolling überprüfen. Gerade der städteübergreifende Vergleich ermöglicht mittels einer Quer-
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
schnittanalyse urbanmorphologische Parameter im Verhältnis zueinander einzuschätzen. Im Folgenden werden deshalb beispielhaft Indikatoren wie Vegetationsanteil, Überbauungsgrad, Geschossflächendichte (GFD) oder Versieglungsgrad für die Städte München und Köln basierend auf dem Zonenmodell analysiert. Der Versieglungsgrad quantifiziert das Verhältnis aller versiegelten Oberflächen, also Gebäude- und Verkehrsflächen zur Bezugsfläche. Der Überbauungsgrad wird hier als das Verhältnis aller Gebäudeflächen pro Bezugsfläche definiert. Im Gegensatz zu der im nächsten Abschnitt vorgestellten Geschossflächenzahl (GFZ), die sich hier ausschließlich auf Wohnflächen bezieht, finden hier auch Gewerbe- und Industrieflächen Berücksichtigung. Der Vegetationsanteil entspricht dem Verhältnis der Vegetationsfläche pro Bezugseinheit. Die urbanmorphologischen Indikatoren Versieglungsgrad, Überbauungsgrad und Vegetationsanteil sind für die jeweilige Zone (Bezugsfläche) sowohl für München als auch für Köln berechnet (vgl. Abb. 7-1-1 & 7-1-2). Bei der
Abb. 7-1-1: Die räumliche Veränderung urbanmorphologischer Parameter – Vegetationsanteil, Versiegelungsgrad und Überbauungsgrad – mit der Distanz zum Zentrum in München (DLR/IREUS)
Abb. 7-1-2: Die räumliche Veränderung urbanmorphologischer Parameter – Vegetationsanteil, Versiegelungsgrad und Überbauungsgrad – mit der Distanz zum Zentrum in Köln (DLR/IREUS)
Analyse sind die Wasserflächen pro Zone zur Vergleichbarkeit beider Städte heraus gerechnet. Dies ist darin begründet, dass der Rhein in Köln eine ungleich größere Wasserfläche als die Isar in München hat. Grundsätzlich erwartet man typischerweise eine Abnahme von Versieglungsgrad und Überbauungsgrad mit zunehmender Distanz vom Zentrum, bei gleichzeitiger Zunahme des Vegetationsanteils. Diese Hypothesen werden für beide Städte im Wesentlichen bestätigt. In Bezug auf die Zielsetzungen des Münchner Stadtentwicklungskonzepts zeigt sich zudem, dass in der Tat der Überbauungsgrad durchgehend höher ist als in Köln, während für Versieglungsgrad und Vegetationsanteil nur geringfügige Unterschiede gemessen werden können. Für den Überbauungsgrad lässt sich daher schlussfolgern, dass die durchschnittlichen Gebäudehöhen in München im Mittel höher sind als in Köln. Dementsprechend kann man, zumindest im Städtevergleich, durchaus konstatieren, dass München bei ähnlicher Durchgrünung dichter, d. h. kompakter, als Köln ist. Auffallend ist zu-
7.1 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung
dem die sehr ähnliche Zunahme des Grünanteils in beiden Städten mit wachsender Distanz zum Zentrum. Im Bereich von fünf bis sechs Kilometern jedoch ist in Köln ein Anstieg auf knapp 70 % zu verzeichnen, während in München die Kurve nur geringfügig auf 53 % steigt. Hier zeichnet sich in Köln ein strukturierender, fast durchgehend zusammenhängender Grüngürtel ab (vgl. Abb. 4-1-3). Dieser Grüngürtel in Köln ist auch für den, im Vergleich zu München, auffallenden Abfall des Überbauungsgrades in dieser Lage hauptverantwortlich. Für München finden sich in dieser Lage Hochhauskomplexe, wie beispielweise im Olympiazentrum oder die BMW-Werke, die im Mittel den Überbauungsgrad heben. Die Grünflächen in München dagegen sind heterogener verteilt bzw. das durchgehende grüne Band entlang der Isar verläuft von Südwest nach Nordost und wird im Zonenmodel nicht sichtbar. Entsprechend den Grundsätzen der Bauleitplanung ist bei der Aufstellung städtebaulicher Pläne zukünftig auch der Schutz des Klimas zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Nr. 7 Baugesetzbuch). Eine Reihe von Untersuchungen belegt bei einer gesamtstädtischen Betrachtung den engen Zusammenhang zwischen den präsentierten urbanmorphologischen Indikatoren und den stadtklimatischen Verhältnissen (z . B . PAULEIT, 1998). Die innerstädtischen Lufttemperaturen können im Tagesgang um +2 °C für eine Kleinstadt und bis zu +12 °C für eine Millionenstadt über dem Umlandniveau liegen (OKE, 1987; vgl. Kap. 4.4 & Kap. 7.5). Das Fehlen latenter Verdunstungsenergie durch den hohen Bebauungs- bzw. Versieglungsgrad, die höhere Wärmespeicherkapazität, die Verringerung von Windgeschwindigkeiten durch die Bremswirkung von Gebäuden etc. tragen beispielsweise zur Erhöhung der städtischen Lufttemperaturen bei. Das mit Methoden der Fernerkundung abgeleitete 3-D-Stadtmodell sowie die Ableitung von Indikatoren wie Vegetationsanteil, Versiegelungsgrad und Überbauungsgrad eröffnen nun die Möglichkeit, beispielsweise Oberflächentemperaturen oder Windgeschwindigkeiten mit urbanmorphologischen Indikatoren quantitativ in Verbindung zu setzen.
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Bereits auf einer relativ groben geometrischen Einheit von 1 km zeigen zusammenhängende und hohe Vegetationsanteile, wie z. B. der Englische Garten oder das grüne Isarband inmitten der Stadt, die weitaus geringere Aufheizung und damit geringere thermische Belastung urbaner Teilgebiete (vgl. Kap. 4.4). Höher auflösende Thermalscanner, wie z. B. Landsat ETM oder flugzeuggetragene Systeme, eröffnen zukünftig ein weites Feld lokaler klimatischer Anwendungen, wie die Identifikation von Hitzeinseln und der Analyse ihrer urbanmorphologischen Ursachen (Voogt & Oke, 2003). Die Nutzung dieser Indikatoren und die Potenziale fernerkundlicher Daten zur Modellierung des städtischen Mikroklimas werden in Kapitel 7.5 im Detail thematisiert.
Flächennutzungsplanung Direkte Planungsrelevanz hat die Geschossflächenzahl (GFZ) eines Bebauungsplanes. Sie zeigt zum einen die Bebauungsdichte in der Flächennutzungsplanung an und steht daher in engem Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Überbauungsgrad. Zum anderen gibt die GFZ vor, wie viel Geschossfläche pro Grundstücksfläche in einem Bebauungsgebiet oder Baublock verbaut werden darf (§20 Baunutzungsverordnung) und definiert somit die Obergrenze der Bebauungsdichte. Für die folgenden Auswertungen wurde diese Berechnungsvorschrift auf die Gebäudegrundfläche x Anzahl der Stockwerke (= Geschossfläche) angewendet und in Bezug zur Fläche eines Baublocks gesetzt. Im Unterschied zum Überbauungsgrad werden hier nun definitionsgemäß ausschließlich Wohngebäude zur Berechnung berücksichtigt und nur auf die bebauten Blöcke statt der kompletten Ringfläche bezogen. Der besondere Wert von fernerkundlichen Datenquellen liegt nun darin, über ein Monitoring der GFZ die Ausnutzung der möglichen Bebauungsdichten flächenhaft erfassen und bewerten zu können. Dies ist bislang lediglich über Auswertungen einzelner Bebauungspläne und das Katasterwesen möglich und wird über Zeitreihen von Fernerkundungsdaten wesentlich vereinfacht.
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Abb. 7-1-3: Dichtegradienten im Vergleich (IREUS/DLR)
Abbildung 7-1-3 zeigt eine räumliche Darstellung der Geschossflächen pro Baublockfläche für die Städte München (links) und Köln (rechts), überlagert von 1 Kilometer breiten Ringzonen vom Zentrum. Die Klassifikation der GFZ unter 0,1 (kaum Bebauung) bis 0,5 (niedrig), 0,6 bis 1,0 (mittel), 1,1 bis 1,5 (hoch) und über 1,5 (sehr hoch) liefert einen ersten Eindruck über die infrastruktur-relevante Differenzierung der Bebauungsdichte. Konkrete Aussagen werden natürlich erst im Bezug zur spezifischen Aufgabenstellung möglich − z. B. bei der Berechnung von Einzugsbereichen für leitungsgebundene Infrastruktur oder soziale Einrichtungen. Entscheidend ist hier, dass die Analyse der Fernerkundungsdaten die Bereitstellung der Bewertungsgrundlagen ermöglicht. Im Ergebnis zeigt das Diagramm in Abbildung 7-1-3, dass sich in München im Durchschnitt der Ringzonen hohe GFZ-Zahlen wesentlich stärker um das Zentrum konzentrieren und in den äußeren Ringen stärker abfallen als in Köln. Im Zusammenhang mit dem konträren Verlauf des Überbauungsgrades in den Außen-
bereichen (vgl. Abbildung 7-1-2) muss dieses Ergebnis im Städtevergleich so interpretiert werden, dass die Wohn- und Gewerbedurchmischung in den Außenbereichen in München wesentlich höher ist als in Köln.
Infrastrukturplanung Mit Hilfe der Ringzonen können analog zu der Auswertung der GFZ weitere Dichtegradienten für die Fallbeispiele München und Köln gerechnet werden. Derartige Maße gelten als zusätzliche Indikatoren für das Auslastungsniveau von Infrastruktureinrichtungen. Dabei ist allerdings der Unterschied zwischen personenbezogenen (öffentlicher Nahverkehr, Kindergärten, Schulen, Bibliotheken, usw.) und gebäudebezogenen (Wasser, Gas, Elektrizität, Telekommunikation, usw.) Versorgungsleistungen zu berücksichtigen. Abbildung 7-1-4 zeigt für München das Gefälle der Bevölkerungsdichte (Einwohner pro Hektar) vom Stadtzentrum zum äußersten Analysering (schwarz), im
7.1 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung
139
A Abb. 7-1-4: Dichtegradienten Bevölkerung und Gebäude für München im Vergleich (IREUS/DLR) V
Vergleich dazu die Gebäudedichte (Gebäude pro Hektar) (grau). Daraus geht hervor, welch unterschiedlichen Ausgangssituationen personenund gebäudebezogene Ver- und Entsorgungsleistungen mit zunehmender Entfernung vom Zentrum Rechnung tragen müssen. Bei steigender Gebäudedichte hat man es in der Regel mit einer ›aufgelockerten Bebauung‹ zu tun. So sind in den äußeren Zonen vermehrt Einfamilienund Reihenhäuser statt großflächiger Gebäudekomplexe vertreten, deren Nutzungseffizienz vergleichsweise niedrig ausfällt. Normalerweise sinkt dann die Bevölkerungsdichte, da hier weniger Menschen leben. Dies bestätigt sich für die Münchener Außenbezirke ab 5 km Entfernung vom Zentrum. Die dichtesten Wohnformen sind im Ring zwischen 2 und 3 km vom Zentrum zu finden, wo die Bebauungsformen vor allem Wohnfunktion haben. Es ist anzunehmen, dass näher am Zentrum Verwaltungsund Geschäftsgebäude die Wohnfunktion überlagern und deshalb die Bevölkerungsdichte hier weniger hoch ist als im dritten Ring.
Interpretation und Ausblick Die exemplarisch aufgeführten Ergebnisse zeigen, dass Fernerkundungsdaten ein wichtiger Bestandteil für die Bereitstellung von Datengrundlagen für Monitoring und Zielcontrolling sind. Insbesondere die abgeleiteten Messgrößen zur Bewertung stadtklimatologischer Einfluss-
größen (Versiegelungsgrad, Vegetationsanteil, Überbauungsgrad) könnten ohne Fernerkundungsmethoden nicht zur Verfügung gestellt werden − werden aber dringend gebraucht. So wird von der Fachwelt seit vielen Jahren eine vergleichbare und kontinuierliche Informationsbasis zu Zustand und Veränderung des Versiegelungsgrades bzw. Überbauungsgrades für die Raumbeobachtung gefordert und in Abwesenheit von flächendeckenden Fernerkundungsdaten mit größtenteils unbefriedigenden Ergebnissen aus der Flächenstatistik abgeleitet (DEGGAU 2006; GUNREBEN et al., 2007). Ein zunehmend drängender Bedarf nach der systematischen Erfassung von Vegetationsanteilen (NOLON, 2009) besteht unter anderem auch durch die Herausforderungen des Klimawandels. Die automatisierte Lokalisierung von Baulücken im Gebäudebestand aus Fernerkundungsdaten oder Luftbildern ist aufgrund der fehlenden Zeitreihen hier noch nicht dargestellt, aber durchaus im Rahmen des Möglichen. Diese gelten als elementare Grundlageninformation für die Mobilisierung von Innenentwicklungspotenzialen in den Städten, und somit als wichtiger Baustein für Strategien zur Reduzierung des Flächenverbrauchs (SIEDENTOP, 2006). Andere Parameter wie die GFZ oder Dichtegradienten stellen Kennzahlen dar, die in Kombination mit Daten der Vermessung und des Katasterwesens multitemporale und flächenhafte Auswertungen erst ermöglichen oder aufgrund des Geodatenbezugs den Einsatz räumli-
140
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
cher Analyseinstrumente erlauben. Allgemein stehen Informationen zur Gebäudebasis als Geodatenobjekt nur im Katasterwesen (ALK, ALKIS) im Objektkartenkatalog. Flächenhafte Auswertungen sind damit sehr kostspielig, zudem werden Gebäudehöhen erst ab der in der Einführung befindlichen ALKIS-Ausbaustufe zur Verfügung stehen. Informationen wie zum Beispiel die Geschossflächenzahl können deshalb nur über die Auswertung von Bebauungsplänen oder vereinzelt zur Verfügung stehenden Geodateninfrastrukturen abgeleitet werden. Eine auf der Fernerkundung beruhende Datenbasis − wie die hier vorgestellten Gebäudeobjekte für München und Köln − stellt deshalb eine bedeutende Alternative dar. Gleichzeitig sind die genannten Möglichkeiten im Rahmen der derzeitigen Entwicklung beziehungsweise von Entwicklungshindernissen zu diskutieren, die einem weiter verbreiteten Einsatz von Fernerkundungsdaten in der Raumbeobachtung derzeit noch im Wege stehen. Eine zunächst auf absehbare Zeit lösbare Aufgabe scheint die Bereitstellung von Zeitreihen zu sein, die sich aus dem kontinuierlichen Einsatz homogener Methoden auf Satellitendaten vergleichbarer Qualität stützt. Auch wenn der Methodeneinsatz zur Ableitung von Zeitreihenindikatoren auf Basis von höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten in diesem Beitrag noch nicht aufgezeigt werden konnte, sind die Potenziale doch durchaus einschätzbar. Dies ergibt sich insbesondere aus der Verfügbarkeit dreidimensionaler Gebäudeobjekte, deren Analyse im Zeitverlauf ein exaktes Monitoring von Bautätigkeiten ermöglichen wird. In diesem Kontext muss allerdings deutlich darauf hingewiesen werden, dass es neben einer Standardisierung der Erhebungsmethoden einer Eingliederung von Fernerkundungsmethoden in standardisierte Geodateninfrastrukturen (GDI) bedarf. Bezugszeiträume, administrative Bezugsebenen, aber auch inhaltliche Konzeptionen wie Gebäudetypologien oder Vegetationsklassifikation bedürfen der dringenden Abstimmung mit den in den Planungsdisziplinen verwendeten Normen, aber auch mit den im Aufbau befind-
lichen europaweiten (INSPIRE) oder nationalen Geodateninfrastrukturen (AAA-Modell). Zudem sollten zukünftige Zeitreihen nach Möglichkeit die Integration bisheriger Raumbeobachtungsmethoden berücksichtigen, um Langzeitstudien zu ermöglichen. Dies betrifft vor allem die Kompatibilität von Landnutzungstypologien und Nutzungsartenkatalogen der Flächenstatistik sowie die Möglichkeit, Transformationen zwischen den heute stärker differenzierenden Nutzungstypen und den allgemeiner gefassten Typen der Vergangenheit ohne Informationsverlust vornehmen zu können. Eine weitere Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität besteht in der fehlenden bzw. im Moment noch zu kostspieligen flächendeckenden Datenverfügbarkeit höchst aufgelöster, homogener Fernerkundungsdaten für regionale oder überregionale Auswertungen. Das hauptsächliche Augenmerk für die Datenbereitstellung der Fernerkundung und darauf aufsetzender Analysen liegt bislang im Stadtbereich beziehungsweise in durch eine überschaubare Anzahl von Satellitenszenen abbildbaren Analyseräumen. Das Beispiel von CORINE Land Cover zeigt, dass die Koordinierung und Qualitätssicherung überregionaler, in diesem Falle sogar transnationaler, Datenbereitstellungen mit enormem Aufwand verbunden sind. Da die Raumbeobachtung aber vielfach mit nationalen oder überregionalen Zielbezügen arbeitet (zum Beispiel »30-Hektar-Ziel«), ist eine flächendeckende Datenverfügbarkeit unabdingbar (vgl. kontinental oder global verfügbare fernerkundliche Datensätzen in urbanen Räumen Kap. 8). Neben den technischen Herausforderungen zur Speicherung und Verarbeitung beträchtlicher Datenmengen ist hier vor allem der Kostenaspekt zu berücksichtigen. Die Bearbeitung landesweiter oder gar bundesweiter Fernerkundungsdatensätze in der hier vorgestellten geometrischen und thematischen Tiefe ist in diesem Kontext nur vorstellbar, wenn eine vollständige Automatisierung von Landnutzungsklassifikation, Gebäudeextraktion und -typisierung und akkurater Höhenzuweisung mit hoher Treffsicherheit erreicht werden kann.
7.1 Planungsrelevante Messgrößen der Stadtentwicklung
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
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7.2 Abschätzung der Bevölkerungsverteilung mit Methoden der Fernerkundung
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7.2 Abschätzung der Bevölkerungsverteilung mit Methoden der Fernerkundung M. Wurm & H. Taubenböck
Einleitung Der demographische Wandel in Deutschland ist durch Rückgang, Alterung und Wanderungsbewegungen der Bevölkerung gekennzeichnet (K KILPER & MÜLLER, 2005). Diese Prozesse sind räumlich stark unterschiedlich ausgeprägt, so wird für München im Vergleich zu Städten wie Leipzig auch zukünftig Bevölkerungswachstum prognostiziert. Diese Prozesse haben entscheidenden Einfluss auf die Siedlungsentwicklung und -dichte, den Flächenverbrauch, die Mobilität sowie die technischen Infrastruktursysteme. Eine nachhaltige Raumentwicklung muss daher, neben physischen Indikatoren wie in Kapitel 5 dargestellt, auch auf einer aktuellen Informationsgrundlage zur Bevölkerungsverteilung basieren. In Deutschland leben 73,5 % der Bevölkerung in Städten (UNITED NATIONS, 2008), während nur 8 % der Gesamtfläche des Bundesgebietes städtisch geprägt sind (STATISTISCHES
BUNDESAMT, 2009). Für die Raumordnung ist es daher von zentralem Interesse, Informationen zur heterogenen Verteilung der Bevölkerung im kleinräumigen urbanen Raum als Grundlage zu haben. Gerade auch global betrachtet, bedingt die explosiv voranschreitende Urbanisierung flächendeckende und aktuelle räumliche Informationen für planungsrelevante Entscheidungen. Daten zur Bevölkerungsverteilung sind allerdings oftmals nicht verfügbar, veraltet, generalisiert oder unterliegen − wie oft in Deutschland der Fall − datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Aufgrund der großen Dynamik vieler urbaner Räume muss diese Information allerdings besonders intensiv gepflegt und ständig aktualisiert werden. Fernerkundliche Methoden zielen darauf ab, unabhängige − im Vergleich zu Zensuserhebungen − kostengünstige und flächendeckende Abschätzungen der Bevölkerungsverteilung in einem indirekten Messverfahren bereitzustellen. Indirekt deshalb,
144
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
weil Informationen zur Bevölkerung nicht direkt aus den fernerkundlichen Daten ableitbar sind, sondern nur über korrelierende Parameter, wie z. B. der Anzahl, Größe oder Höhe der Gebäude, darauf geschlossen werden kann. In Deutschland ist es Aufgabe des Statistischen Bundesamtes die offiziellen Zahlen über Bevölkerungsgrößen auf Gemeindeebene zu erheben und regelmäßig zu aktualisieren (BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ, 2009). Abhängig von der Größe und administrativen Struktur kann jede Gemeinde zusätzlich ihre eigenen Aufzeichnungen führen. Diese sind unterteilt in untergeordnete Verwaltungseinheiten wie beispielsweise Stadtbezirke oder Stadtviertel. Räumlich detailliertere Daten, wie auf Baublockebene, sind häufig nicht verfügbar, beziehungsweise werden aus datenschutzrechtlichen Gründen in dieser hohen räumlichen Auflösung von Seiten der Gemeinden nicht an Dritte weitergegeben. Aber gerade diese Informationstiefe ist nicht nur für eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen von besonderem Interesse, sondern kann auch den einzelnen Verwaltungseinheiten der Gemeinden als Basis für weiterführende Analysen dienen. Ein räumlich hoch detailliertes Wissen über die Anzahl und Verteilung der Bevölkerung in einem bestimmten Gebiet, ist auch besonders für Vulnerabilitäts- und Gefährdungsabschätzungen wichtig. Das Potenzial von kleinräumiger Bevölkerungsinformation zeigt sich bei Anwendungen von Vulnerabilitätsabschätzungen hinsichtlich Erdbeben oder Tsunamis (T TAUBENBÖCK et al., 2009) und für Hochwässer in Deutschland (W WURM et al., 2009a; BBK, 2010). Die Bereitstellung von Informationen geeigneter Analysen kann beispielsweise bei der Entwicklung von Evakuierungsplänen oder bei der Dimensionierung von Vorsorgemaßnahmen (Einrichtung von Notunterkünften, flächenhaftem Hochwasserschutz, etc.) von Bedeutung sein. Auch die im Städtevergleich zwischen München und Köln differierende Bevölkerungsdichteverteilung vom Zentrum in Richtung Stadtrand ist ein Beispiel einer analytischen Herangehensweise (vgl. Kap. 7.1). Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, Möglichkeiten der Fernerkundung und Geographi-
scher Informationssysteme (GIS) aufzuzeigen, um mit Hilfe von Fernerkundungsdaten und kommunalstatistischer Informationen, detailliertes Wissen über die Bevölkerungsverteilung in städtischen Räumen abzuleiten. Um dieses Ziel zu erfüllen, ist eine Datengrundlage mit entsprechend hoher Qualität erforderlich. Sowohl satelliten- als auch flugzeuggetragene Fernerkundungssysteme kommen zum Einsatz, um dem Anspruch einer hohen räumlichen Auflösung gerecht zu werden. Für die Erfassung der stadtstrukturellen Grundlageninformation zur Ableitung der kleinräumigen Bevölkerungsabschätzung wurde ein objektorientierter (BAATZ & SCHÄPE, 2000), übertragbarer Prozessablauf entwickelt. Die dreidimensionalen Informationen eines digitalen Oberflächenmodells (DOM) werden mit Aufnahmen des höchst auflösenden, optischen Satellitenbildsystems IKONOS kombiniert (vgl. Kap. 3), um sowohl die physische Struktur als auch die Landbedeckung in hoher geometrischer Genauigkeit von bis zu einem Meter abzuleiten. Die für die Analyse in diesem Kapitel verwendete Methode zur Bildverarbeitung basiert auf Arbeiten von ESCH et al. (2008), TAUBENBÖCK & ROTH (2007) und WURM et al. (2009b). Die Herstellung der Datenbasis in Form des 3-D-Stadtmodells für die vorgestellte Bevölkerungsabschätzung ist in Kapitel 5.1 dargestellt. Die Verknüpfung von Fernerkundungsdaten und sozioökonomischer Information ist bereits Gegenstand einer Vielzahl an wissenschaftlichen Arbeiten. Dies zeigen Sutton et al. (1997), die nächtliche Satellitenaufnahmen mit einer räumlichen Auflösung von 1 s 1 km hinsichtlich der Bevölkerungsdichte analysieren. CHEN (2002) zeigt den Zusammenhang von Zensusdaten und Siedlungsdichte, abgeleitet aus Landsat-TM-Daten. LIU et al. (2006) entwickelten Methoden zur Verknüpfung von Bevölkerungsdichte und Texturinformation basierend auf Landschaftsstrukturmaßen. Bereits 1999 wies JENSEN auf die Identifikation von einzelnen Wohneinheiten aus höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten und deren hohe Korrelation mit statistischen Daten hin, was von AUBRECHT et al. (2009) durch die Integration von Höheninformation aus einem digitalen Oberflächenmodell
7.2 Abschätzung der Bevölkerungsverteilung mit Methoden der Fernerkundung
aus Airborne Laserscanning (ALS) gezeigt wird. Die in diesem Kapitel vorgestellte Methode zeigt, wie aus höchst aufgelösten optischen Satellitenbilddaten, digitalen Oberflächenmodellen (DOM) und zusätzlicher statistischer Information eine detaillierte Bevölkerungsabschätzung für München durchgeführt werden kann.
Räumliche Disaggregation von Bevölkerungsdaten Der Ansatz für die räumliche Disaggregation, also die Aufschlüsselung der statistischen Daten, basiert auf Bevölkerungsdaten von München, die auf der Ebene der Stadtbezirke zur Verfügung stehen. Die Methode zielt auf eine Verteilung der Bevölkerungsdaten auf die räumliche Einheit von Einzelgebäuden ab (STEINNOCHER et al., 2005; AUBRECHT et al., 2009). Diese Informationen auf Einzelhausniveau liegen mit dem abgeleiteten 3-D-Stadtmodell (vgl. Kap. 5.1.) aus IKONOS-Satellitenbilddaten und einem DOM aus HRSC-AX (High Resolution Stereo Camera – Airborne Extended) (vgl. Kap. 3) für das Jahr 2005 vor. Daten, die Auskunft über die Bevölkerungsverteilung der Stadt München geben, können vom Statistischen Amt der Stadt München (LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2009) bezogen werden. Die Bevölkerungsdaten werden für sechs hierarchisch gegliederte Organisationseinheiten aufbereitet und zur Verfügung gestellt (in Klammern deren Anzahl): Gesamtstadt (1), Stadtbezirke (25), Postleitzahlenbezirke (74), Stadtbezirksteile (106), Stadtbezirksviertel (455) und Stimmbezirke (656) (vgl. Abb. 7-2-1). Ferner kann auf Basis von Einzeladressen jede beliebige Gebietsgliederung vorgenommen werden (LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2009). Die Einwohnerzahlen der jeweiligen Stadtbezirke für die Jahre 2004 und 2005 sind Tabelle 7-2-1 zu entnehmen. Die Wohnbevölkerung für das Jahr 2005 ist zusätzlich angegeben, da für dieses Jahr Referenzdaten über die ansässige Bevölkerung auf Stadtbezirksteilebene vorliegen. Die Änderungsangaben EW (EW = Einwohner) zeigen, dass die beiden Jahre keine dynamische Bevölkerungsbewegung aufweisen. Eine Ver-
145
gleichbarkeit zwischen den beiden Jahren ist demnach gegeben und die Zahlen der Stadtbezirksteilebene von 2005 können für die Validierung der Ergebnisse über die Verteilung der Stadtbezirksbevölkerung von 2004 herangezogen werden. Die räumliche Disaggregation der Bevölkerungsdaten basiert auf drei aufeinander aufbauenden Annahmen: • Die Bevölkerung lebt innerhalb der untersuchten Stadtbezirke räumlich gleichmäßig verteilt. • Die Bevölkerung lebt in Gebäuden die einer Wohnnutzung zugeführt sind. W • Die Anzahl der Personen pro Gebäude ist abhängig von der Größe des W Wohnraums. Auf der Basis dieser vereinfachten Annahmen werden folgende Analyseschritte durchgeführt. Da vor allem die Abschätzung der kleinräumigen, lagetreuen Verteilung V der Bevölkerung von Interesse ist, werden Gebäude, welche mit großer Wahrscheinlichkeit zu industriellen oder gewerblichen Zwecken genutzt werden, von der Verteilung ausgeschlossen. Vor allem große Industrieanlagen würden in diesem Zusammenhang zu einer deutlichen Verzerrung der Ergebnisse führen. Die Gebäudenutzung ist aber nicht direkt aus Luft- oder Satellitenbildaufnahmen ableitbar, aber physische Strukturmerkmale können Hinweise auf die Gebäudenutzung geben. So wird beispielsweise angenommen, dass großflächige Hallenbebauung − oftmals mit Flachdächern ausgestattet − keine für Wohnnutzung typische Baustruktur aufweist. Somit lassen sich ohne Zuhilfenahme weiterer externer Zusatzdaten auch indirekt Aussagen zur Nutzung der Gebäude vornehmen. Die Einzelgebäude werden hierfür auf Basis von physischen Formkriterien wie beispielsweise Gebäudegrößen oder -höhen, in ›Wohnnutzung‹ und ›Nicht-Wohnnutzung‹ klassifiziert. Die Ergebnisse werden anschließend mit der Stadtstrukturtypenklassifikation (vgl. Kap. 5.5) verglichen und eindeutige Fehlklassifikationen manuell bearbeitet. Auf Basis der getroffenen Annahmen, wird die Verteilung der Gesamtbevölkerung nach folgender Gleichung (1) durchgeführt:
146
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Nr. Stadtbezirk
EW 2004
EW 2005
ΔEW ‰
0 München
1273180
1287975
0,116
1 Altstadt-Lehel
18210
18631
0,231
2 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt
43469
43954
0,112
3 Maxvorstadt
41581
42201
0,149
4 Schwabing-West
55231
56033
0,145
5 Au-Haidhausen
51383
52502
0,218
6 Sendling
35691
35966
0,077
7 Sendling-Westpark
48669
49472
0,165
8 Schwanthalerhöhe
25369
25507
0,054
9 Neuhausen-Nymphenburg
81921
82156
0,029
46856
47193
0,072
10 Moosach 11 Milbertshofen-Am Hart
63076
64612
0,244
12 Schwabing-Freimann
59602
59766
0,028
13 Bogenhausen
72982
73860
0,120
14 Berg am Laim
38145
39009
0,227
50990
0,424
15 Trudering-Riem
48914
16 Ramersdorf-Perlach
100845
100820 -0,002
17 Obergiesing
44473
45132
0,148
18 Untergiesing-Harlaching
46462
46857
0,085
19 Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln
78056
79147
0,140
20 Hadern
43396
43981
0,135
21 Pasing-Obermenzing
62081
62724
0,104
22 Aubing-Lochhausen-Langwied
37595
37560 -0,009
23 Allach-Untermenzing
27374
27586
0,077
24 Feldmoching-Hasenbergl
52958
53389
0,081
25 Laim
48841
48927
0,018
Tab. 7-2-1: Bevölkerungszahlen für die Stadtbezirke Münchens (Stand 31.12.2004 bzw. 31.12.2005) am Ort der Hauptwohnung (Statistisches Amt der Landeshauptstadt München, 2005 und 2006).
bezirksebene darstellt. Der Wohnraum ist definiert als das mathematische Produkt aus der Gebäudegrundfläche Ah und der Höhe des zugehörigen Gebäudes, angegeben in Anzahl der Geschosse hh, abzüglich des Wohnungsleerstandes L, falls bekannt.
Ph = Wrrh s Pg Wrrg
Wrrh = (Ah s hh) s (1– L)
wobei Ph die Bevölkerung pro Haus, Wrrh den Wohnraum pro Haus, Wrrg den Gesamtwohnraum und Pg die Gesamtbevölkerung auf Stadt-
Der Gesamtwohnraum für jeden Stadtbezirk Wrrg ergibt sich aus der Summe des Wohnraumes aller Einzelgebäude (3):
7.2 Abschätzung der Bevölkerungsverteilung mit Methoden der Fernerkundung
Für jene Münchener Stadtbezirke, welche räumlich vollständig von dem in Kapitel 5.1 abgeleiteten 3-D-Stadtmodell abgedeckt werden, wird die Gesamtbevölkerung (aus Tab. 7-2-1) kleinräumig nach Gleichung (1) auf die Einzelgebäude im jeweiligen Stadtbezirk verteilt: 1–10 (Altstadt-Lehel, Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, Maxvorstadt, Schwabing-West, Au-Haidhausen, Sendling, Sendling-Westpark, Schwanthalerhöhe, Neuhausen-Nymphenburg und Moosach), 17, 18 und 25 (Untergiesing-Harlaching, Obergiesing und Laim). Allerdings ist für das vorliegende Stadtmodell keine gesamte Überdeckung des Münche-ner Verwaltungsgebietes gegeben, da die Satellitenbildaufnahme des Sensors IKONOS mit einer West-Ost-Ausdehnung von ca. 11 km und einer Nord-Süd-Ausdehnung von 14,6 km (vgl. München: West-Ost: ca. 27 km, Nord-Süd: ca. 21 km) begrenzt ist (vgl. Abb. 7-2-1 und Kap. 3). Somit ist für die Stadtbezirke 11−14, 16, 19−21 und 23−24 (Milbertshofen-Am Hart, Schwabing-Freimann, Bogenhausen, Berg am Laim, Ramersdorf-Perlach, Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln, Hadern, Pasing-Obermenzing, Allach-Untermenzing und Feldmoching-Hasenbergl) nur eine teilweise räumliche Überdeckung mit dem 3-DStadtmodell gegeben. Für Gebäude, die in die-
147
Abb. 7-2-1: Die geographischen Untergliederungen der Münchener Statistik (verändert nach LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN, 2009)
sen Stadtbezirken liegen, wird die nächste untergeordnete Raumeinheit für die Verteilung der Gesamtbevölkerung herangezogen: Stadtbezirksteile werden von der amtlichen Statistik der Stadt München als vierte Hierarchiestufe geführt und beschreiben eine kleinräumigere administrative Einheit als die übergeordneten Stadtbezirke (vgl. Abb. 7-2-1).
Abb. 7-2-2: Bevölkerungsanzahl für die Stadtbezirke (links) und die Stadtbezirksteile (rechts) von München sowie die Ausdehnung der Fernerkundungsdaten (DLR/Universität Würzburg, Stadt München)
148
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Für die beiden Stadtbezirke 22 und 15 (Aubing-Lochhausen-Langwied und TruderingRiem) besteht keine Überlagerung mit dem 3-DStadtmodell. Sie werden daher bei der Abschätzung der lokalen Bevölkerungsverteilung nicht berücksichtigt.
Ergebnisse und Validierung Das Potenzial, das aus fernerkundlichen Datensätzen extrahierte 3-D-Stadtmodell als physische Grundlage zur räumlichen Verfeinerung von Bevölkerungsdaten zu nutzen, wird bei einer Gegenüberstellung der Abbildungen 7-2-2 und 7-2-3 deutlich: Die räumliche Verfeinerung zeigt die Bevölkerungsverteilung projiziert auf die individuellen Baustrukturen. Für planungs-
Abb. 7-2-3: Ergebnis der Bevölkerungsverteilung auf Gebäudeebene (BBK, 2010).
relevante Entscheidungen stehen somit Bevölkerungsdaten zur Verfügung, die, nicht wie in Abbildung 7-2-2 durch Generalisierung eventuell lokale Gegebenheiten verschleiern. Abbildung 7-2-3 zeigt exemplarisch die Bevölkerungsverteilung für einen Ausschnitt der Münchener Innenstadt. Um die Güte der ermittelten Verteilung der Stadtbezirksbevölkerung auf die kleinere räumliche Ebene der Einzelgebäude beurteilen zu können, muss das Ergebnis mit einem vergleichbaren Referenzdatensatz validiert werden. Die kleinräumigste Ebene, für welche Referenzzahlen vorliegen, ist jene der Stadtbezirksteile. Die Ergebnisse auf Einzelgebäudeebene werden für die Validierung deshalb auf Stadtbezirksteile zusammengefasst und mit den Referenzdaten verglichen. Vor allem die
7.2 Abschätzung der Bevölkerungsverteilung mit Methoden der Fernerkundung
innenstadtnahen Stadtbezirke sind in verhältnismäßig viele Stadtteilbezirksteile gegliedert und stellen somit eine valide, kleinräumige Vergleichsmöglichkeit dar (Anzahl der Stadtteilbezirke): Altstadt-Lehel (5), Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (8) und Maxvorstadt (9) (vgl. Abb. 7-2-2). Die Ergebnisse zeigen für Stadtbezirksteile mit hohem Wohnnutzungsanteil sehr hohe Genauigkeiten der Disaggregation der Bevölkerungsdaten. Beispiele sind das Lehel mit – 8,8 %, Am alten südlichen Friedhof mit – 3,2 %, die Untere Au mit – 2,9 % oder am Gärtnerplatz mit – 5,9 % mit einer geringfügigen Unterschätzung der Bevölkerung. Genauso gibt es vergleichbar hohe Genauigkeiten in Stadtbezirksteilen wie z. B. dem Sendlinger Feld mit + 4,3 %, Haidhausen-Süd mit + 2,7 % oder dem Westend mit + 5,5 % mit geringfügiger Überschätzung der Wohnbevölkerung. Dies zeigt das hohe Potenzial dieser interdisziplinären Verknüpfung statistischer Datensätze auf einer administrativen räumlichen Einheit mit räumlich höher aufgelösten Datensätzen basierend auf Daten und Methoden der Fernerkundung. In Gebieten mit einer höheren Durchmischung der Gebäudenutzung bzw. sogar einem überwiegendem Anteil gewerblich und industriell genutzter Areale, zeigen sich auch Limitierungen des fernerkundlichen Ansatzes. Auffällig sind die stark überschätzten Zahlen für die Stadtbezirksteile Kreuzviertel (vgl. Tab. 7-2-2; 1.4), Ludwigsvorstadt-Kliniken (2.7) und Königsplatz (3.1). Eine genauere Betrachtung dieser Gebiete zeigt, dass die automatische Klassifikation der Gebäudenutzungen auf Basis physiognomischer Merkmale nicht die erforderliche Verlässlichkeit aufweist. Vor allem hinsichtlich der Gebäude der Hauptgeschäftsstraße Münchens (Kaufingerstraße, Neuhauser StraßeKreuzviertel), vieler universitärer Einrichtungen (Königsplatz) und der Kliniken der Universität München (Ludwigsvorstadt-Kliniken) ist eine rein auf physiognomische Merkmale beschränkte Ableitung der wahrscheinlichen Gebäudenutzung fehlerbehaftet. Dieses Problem könnte theoretisch mit der Zuspielung externer Gebäudenutzungsdaten umgangen werden. Um aber, unabhängig von externen
149
Daten, die Genauigkeit der Disaggregation mit ausschließlich fernerkundlichen Informationen einschätzen zu können, zeigt Tabelle 7-2-2 den flächendeckenden Vergleich zwischen den abgeschätzten Personenzahlen und den Referenzdaten. Die Abweichungen der Ergebnisse zur Referenzinformation sind jeweils in der dritten Spalte dargestellt und zeigen den Messfehler (ƒ) sowohl in positiver (Überschätzung) als auch in negativer Richtung (Unterschätzung). Die mittlere absolute Abweichung der lokalen Disaggregation, ohne die drei bereits erwähnten Ausreißer, beträgt 20,8 %, der Median 16,4 % und die Standardabweichung 18,2 %. Für 25 % der abgeschätzten Personenzahlen wurde eine Abweichung von weniger als 8,2 % erreicht und drei Viertel lagen unter 29,9 %.
Zusammenfassung und Ausblick Der Beitrag zeigt eine Möglichkeit mit fernerkundungsbasierten und kommunal statistisch erhobenen Daten die Bevölkerungsverteilung dem kleinräumigen, heterogenen Stadtgebiet entsprechend, abzuschätzen. Dabei werden Bevölkerungsdaten von Stadtbezirksebene auf Gebäudelevel disaggregiert. Die Methode beruht auf der automatischen Identifikation von Einzelgebäuden aus Fernerkundungsdaten in Verbindung mit einer ebenfalls automatisierten Ausweisung von potenziellen Wohngebäuden. Wie eingangs erwähnt, kann es sich hierbei nur um eine Abschätzung der Größenordnung von Bevölkerungsverteilung handeln. Zum Einen müssen Unsicherheiten berücksichtigt werden, die sich aus der ungleichmäßigen Wohnraumausnutzung der Bevölkerung ergeben. Zum Anderen stellt die exakte, indirekte Bestimmung der tatsächlichen Nutzung jedes Gebäudes mit Fernerkundungsdaten und -methoden eine große Herausforderung dar. Eine Verbesserung der Genauigkeit der lokalen Disaggregation der Bevölkerung kann daher über visuelle Nachbearbeitung oder über die Integration von Zusatzdaten, welche Informationen zur Nutzung von Gebäuden beinhalten (AUBRECHT et al., 2009), erfolgen. Trotzdem zeigt die Validierung in urbanen Gebieten mit über-
150
Kolumne
Nr. Name
ƒ%
Nr.
Name
ƒ%
1.1 Graggenau
18,5
5.3 Haidhausen - Nord
-3,8
1.2 Angerviertel
-20,9
5.4 Haidhausen - Süd
2,7
1.3 Hackenviertel
17,1
5.5 Obere Au
-27,8
563,4
1.4 Kreuzviertel
5.6 Untere Au
-2,6
-8,8
6.1 Untersendling
-8,2
-61,2
6.2 Sendlinger Feld
4,3
-5,6
7.1 Mittersendling
-4,1
2.2 Deutsches Museum
-30,1
7.2 Land in Sonne
-8,4
2.3 Glockenbach
-36,3
7.3 Am Waldfriedhof
12,8
2.4 Dreimühlen
-60,6
8.1 Westend
1.5 Lehel 1.6 Englischer Garten Süd 2.1 Gärtnerplatz
2.5 Am alten südlichen Friedhof
-3,2
8.2 Schwanthalerhöhe
5,5 -11,0
2.6 Am Schlachthof
-47,5
9.1 Neuhausen
2.7 Ludwigsvorstadt-Kliniken
185,7
9.2 Nymphenburg
-27,7
48,9
9.3 Oberwiesenfeld
-11,5
2.8 St. Paul 3.1 Königsplatz 3.2 Augustenstraße
17,1
669,8
9.4 St. Vinzenz
3,9
21,9
9.5 Alte Kaserne
15,6
9.6 Dom Pedro
-1,3
3.3 St. Benno
-16,4
3.4 Marsfeld
-15,9
10.1
Alt Moosach
3.5 Josephsplatz
-37,1
10.2
Moosach-Bahnhof
3.6 Am alten nördlichen Friedhof
-41,3
17.1 Obergiesing
-16,8
39,3
17.2 Südgiesing
86,0
3.7 Universität 3.8 Schönfeldvorstadt 3.9 Maßmannbergl 4.1 Neuschwabing 4.2 Am Luitpoldpark
9,1 -12,2
9,9
18.1 Untergiesing
0,5
-24,9
18.2 Siebenbrunn
-29,9
21,9 -27,4
18.3 Giesing
-11,5
18.4 Neuharlaching
-10,8
4.3 Schwere-Reiter-Straße
52,5
18.5 Harlaching
30,2
5.1 Maximilianeum
24,5
25.1 Friedenheim
2,8
5.2 Steinhausen
33,8
25.2 St. Ulrich
Tab. 7-2-2: Genauigkeitsabschätzungen der Ergebnisse auf Stadtbezirksebene
-1,6
Kolumne
wiegender Wohnnutzung sehr hohe Genauigkeiten. Die mittlere Abweichung der Gesamtergebnisse von 20,8 % auf die Referenz, zeigen das Potenzial der Methode die Bevölkerungsdaten in der richtigen Dimension abzuschätzen. Die Ergebnisse spielen für weiterführende Analysen, wie z. B. Vulnerabilitätsabschätzungen oder Anforderungsanalysen für Verkehrsoder Infrastrukturplanung, eine wichtige Grundlage (vgl. Kap. 8). Im globalen Kontext stellt Fernerkundung oftmals die einzige verfügbare und unabhängige Datenquelle dar. Gerade vor dem Hintergrund der dynamischen weltweiten Urbanisierung wird es künftig auch von zentraler Bedeutung sein, die fernerkundlichen Methoden weiterzuentwickeln, um auch ohne externe statistische Zusatzdaten, verlässliche Bevölkerungsabschätzungen durchzuführen.
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152
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
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7.3 Integration raumrelevanter Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen
153
7.3 Integration raumrelevanter Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen M. Wurm, J. Goebel & G. G. Wagner
Einleitung Neben der Anwendung von Fernerkundungsmethoden zur Ableitung stadtstruktureller Information auf unterschiedlichen Maßstabsebenen für die vordergründig physische Charakterisierung der Stadt (vgl. Kap. 4 und 5), bieten Fernerkundungsdaten auch wichtige Grundlagen für andere Wissenschaftsgebiete. Mit dem technologischen Fortschritt und den daraus resultierenden Möglichkeiten, hat sich die Fernerkundung in den vergangenen Jahrzehnten Satelliten und Daten unterschiedlichster Eigenschaften zu Nutze gemacht und auch Anwendungen in urbanen Räumen vorangetrieben (MAKTAV, ERBEK & JÜRGENS, 2005; DONNAY, BARNSLEY & LONGLEY, 2001). Durch diese Entwicklungen ist neben der Fernerkundung als Spezialwissenschaft auch ein neuer Nutzerkreis auf Fernerkundungsdaten aufmerksam geworden. Der vorliegende Beitrag beschreibt neue Ansätze und erste Ergebnisse einer interdisziplinären Auswertung von sozialwissenschaftlichen Umfragedaten der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) in Kombination mit raumrelevanten Indikatoren, welche aus Fernerkundungsdaten gewonnen werden. Auf der Basis höchst aufgelöster Satellitenbilder (vgl. Kap. 3) und Höheninformation aus digitalen Oberflächenmodellen (DOM) können detaillierte 3-D-Stadtmodelle automatisiert mit Methoden der digitalen Bildverarbeitung hergestellt werden (vgl. Kap. 5.1). Dieses geht als Grundlage in die Aufbereitung raumstrukturierender Parameter, wie die Bebauungsdichte von Stadtteilen, oder umweltrelevanter Indikatoren wie die Ausweisung von Grünflächen(-anteilen) (vgl. Kap. 5.4) ein und wird als Kontextinformation mit den Befragungsdaten des SOEP verknüpft. Als zusätzliche, neue Variablen in der SOEP-Datenstruktur können diese Informatio-
nen mit den gängigen statistischen Programmen und Methoden ausgewertet werden. Die Anonymität der Befragten bleibt sowohl während der gesamten Analysen als auch in den Ergebnissen voll gewahrt.
Hintergrund Der Raum ist neben der Zeit das prägende Element menschlicher Erfahrungen, und ein Verständnis des Raumes ist im täglichen Leben ständig präsent. Zeit und Raum sind für alle sozialen Vorgänge somit eine Grundvoraussetzung. Entsprechend sollten Informationen über den Raum auch in Sozial- und Verhaltenswissenschaften berücksichtigt werden, sofern sie für soziale Prozesse von Bedeutung sind. Mangels Daten wurden in den Sozialwissenschaften, mit Ausnahme von Geographen, über lange Zeit überraschend wenige empirische Analysen durchgeführt, welche auf räumlichen Daten basierten (BRADBURN, 2004). TURNER (1998) erklärt die Skepsis von Sozialwissenschaftlern gegenüber der Fernerkundung damit, dass einerseits die erklärenden Variabeln nicht direkt aus der Luft gemessen werden (Regierungspolitik, Bodenbesitzverhältnisse, Verteilung von Reichtum und Macht, Marktmechanismen oder gesellschaftliche Standards) und damit, dass der Ursache von bestimmtem Verhalten mehr Gewicht gegeben wird, als seiner Lage im Raum. RINDFUSS und STERN (1998) beschreiben die mangelnde Integration von Sozialwissenschaftlern bei der Entwicklung neuer Fernerkundungssensoren und –techniken, sowie die geringe Bereitschaft der wissenschaftlichen Disziplinen, mit ihren Traditionen zu brechen und sich auf neue Entwicklungen in der Datenerhebung einzulassen. Des Weiteren weisen typische sozialwissenschaftlich relevante Daten keine geographischen Koordinaten auf, was die Ver-
154
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
ortung im Raum, und somit die integrierte Analyse mit Fernerkundungsdaten erschwert. Der Vorteil der interdisziplinären Analyse liegt auf der Hand: mit Daten und Methoden der Fernerkundung kann der den Menschen umgebende Raum erfasst und mit objektiven Verfahren beschrieben und bewertet werden (Bildklassifikation). Erst über die Kontextinformation bezüglich der Ausstattung des Raumes der verorteten Individuen, kann ein Beitrag über die Erforschung wechselseitiger Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, die sich unter anderem im Raum manifestiert, geleistet werden. Der Fortschritt in der Entwicklung von Geographischen Informationssystemen (GIS), die Erfassung von Geokoordinaten auf Personenebene und die gesteigerte Bereitschaft für interdisziplinäres Arbeiten haben in letzter Zeit unter anderem zu verstärkten integrativen Analysen von Sozialwissenschaften und Fernerkundung geführt, beziehungsweise zu vermehrter Berücksichtigung raumbezogener Daten bei Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern (LAKES, 2009; HINTZE & LAKES, 2009).
Datengrundlage SOEP Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine wissenschaftliche Wiederholungsbefragung von Haushalten und Personen, die in Westdeutschland seit 1984 jährlich durchgeführt wird und die Stichprobe bereits 1990 für Ostdeutschland erweitert wurde. Die Studie wird von der Abteilung Längsschnittstudie Soziooekonomisches Panel am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) geplant und durchgeführt (vgl. FRICK et al. 2010). Die Befragung ist eine Panelerhebung, wodurch dieselben Personen möglichst oft wiederholt befragt werden; einige Personen nahmen bereits 25mal teil (ca. 2500; vgl. WAGNER et al. 2007, WAGNER et al. 2008). Im Gegensatz zu Querschnittsstudien, welche eine Momentaufnahme der Personen zum einmaligen Befragungszeitpunkt, z. B. zum Familienstand (verheiratet, geschieden oder alleine lebend) sind, wird durch das Paneldesign der SOEP-Studie die Analyse von Ver-
änderungsprozessen sowohl auf individueller als auch auf Haushaltsebene möglich. So kann bei einem Panel-Ansatz bei der nächsten Befragung überprüft werden, ob zum Beispiel bei unverändertem Anteil armutsgefährdeter Personen an der Gesamtpopulation, dieselben Personen diesen Status zwei Jahre hintereinander inne hatten, oder nicht. Des Weiteren ist das SOEP mit einer Stichprobengröße von über 20 000 Personen, die in über 10 000 Haushalten (vgl. Abb. 7-3-1) leben, für eine wissenschaftliche Erhebung eine ungewöhnlich große Stichprobe. Diese große Fallzahl erlaubt es auch, Aussagen über den Einfluss kleinräumiger Charakteristika auf psychologisches, soziales und ökonomisches Verhalten zu machen. Zwar ist die Stichprobe von ca. 10 000 Haushalten in Gesamtdeutschland nicht auseichend für eine kleinräumige Beschreibung der gesamten Bundesrepublik, aber es ist möglich, für bestimmte geographisch abgegrenzte Typen von Wohnumfeldern, ihre Zusammenhänge mit psychosozialen, sozialen und ökonomischen Charakteristika zu überprüfen. GERSTORF et al. (im Druck) zeigen, dass die Zufriedenheit des Menschen in der letzten Lebensphase wesentlich von zwei Faktoren abhängig ist. Das ist zum Einen die Wirtschaftskraft und zum Anderen die Arbeitslosenquote des Landkreises, in dem er lebt. Dieses Beispiel macht nicht nur die Bedeutung kleinräumiger geographischer Charakteristika für menschliches Verhalten und Wohlbefinden deutlich, sondern zeigt auch, welches Potenzial eine Längsschnittstudie wie das SOEP beinhaltet. Die Vorteile des SOEP liegen einerseits in der Gesamtanzahl und andererseits in der inhaltlichen Breite der Variablen welche vor allem Auskunft über objektive Lebensbedingungen, Persönlichkeitsmerkmale, Wertvorstellungen, Risikoeinstellungen und subjektive Bewertungen des Lebens und vor allem auch über dynamische Abhängigkeiten zwischen allen Bereichen und deren Veränderungen geben. Das SOEP besteht aus über 300 Datensätzen (Dateien), welche zusammengesetzt über 41000 Variablen beinhalten. Der vorliegende Beitrag soll aufzeigen, welche zusätzlichen Möglichkeiten aus der Analyse der SOEP-Daten gewonnen
7.3 Integration raumrelevanter Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen
155
Abb. 7-3-1: Die Verteilung der SOEP-Haushalte in Deutschland (Gebietsstand der Kreisgrenzen: 31.12.2000) (SOEP 2009, eigene Berechnungen)
werden können, wenn Fernerkundungs- bzw. Geo-Informationen bei der Auswertung berücksichtigt werden. Den Datenschutzbestimmungen wird bei SOEP-Analysen in einer hierarchischen Struktur Rechnung getragen. Während dem SOEPStandarddatensatz lediglich das Bundesland in dem die Befragungsperson lebt, zu entnehmen ist, können Abfragen über die Raumordnungsregion im Rahmen eines speziellen Datenschutzkonzeptes durchgeführt werden. Die Ebene der Kreise und Postleitzahlen wird nur einem besonders kontrollierten Anwenderkreis zugänglich gemacht. Für Längsschnittanalysen auf Ebene der Kreise können mitunter
Änderungen über die Gebietsstände (vor allem in den neuen Bundesländern) die Auswertungen erschweren (SPIESS, 2005). Bisher waren somit regionale Analysen mit den SOEP-Daten immer an administrative Grenzen gekoppelt. Ein gänzlich neuer Zugang zur raumbezogenen Auswertung von SOEP-Daten wird über die derzeit im Aufbau befindliche Datenbank SOEPgeo möglich sein. Deren Konzept ermöglicht es, dass unter streng kontrollierten Datenschutzbedingungen, Mikrodaten des SOEP zusammen mit geokodierten Daten für wissenschaftliche Zwecke ausgewertet werden können. Als Grundlage des Konzeptes dient − in einem streng geschützten Bereich im DIW
156
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Berlin − die Verortung der SOEP-Haushalte auf Genauigkeit der Straßenabschnitte. Zentraler Teil des Datenschutzkonzeptes ist, dass die auf der Genauigkeit von Strassenabschnitten verortete Geokoordinate der SOEP-Haushalte von den Erhebungsinformationen grundsätzlich getrennt gehalten wird. Zur Erzeugung von inhaltlichen Indikatoren innerhalb eines speziell geschützten und abgeschotteten Geographischen Informationssystems (GIS) wird nur die Koordinate ohne weitere Informationen über die Person oder den Haushalt verwendet. Das eigentliche Verknüpfen von geokodierten Daten und SOEP-Daten wird automatisiert über eine spezielle, mehrfach geschützte Rechnerinfrastruktur durchgeführt, wobei jeder Datenzugriff vom System protokolliert wird. Die Ergebnisse werden nur streng anonymisiert präsentiert. Somit ist der größte Vorteil bei der Integration der räumlichen Komponente über die Verortung der Befragungshaushalte dargestellt: während herkömmliche SOEP-Auswertungen immer auf administrative Raumeinheiten beschränkt sind, kann über die Gebietsauswahl durch Geokoordinaten jeder beliebige Raum definiert werden und eine Unabhängigkeit von Gebietsstandsveränderungen in den Verwaltungseinheiten erzielt werden.
Methode Gegenstand der hier präsentierten Untersuchung ist die Ausweisung von Zusammenhängen zwischen objektiven und subjektiven Indikatoren aus raumbezogenen Geodaten und sozialwissenschaftlichen Befragungsdaten. Im konkreten Fall ist dies die oben beschriebene interdisziplinäre Analyse von Kontextinformation aus Fernerkundungsdaten und vergleichbaren Variablen aus dem SOEP-Datensatz. Eine Auswahl sämtlicher SOEP-Haushalte für München auf Basis der Gemeindekennziffer zeigt eine Bruttostichprobe von 489 Haushalten im Untersuchungsgebiet aus den vorangegangenen Kapiteln (vgl. Kap. 5.1) des 3-D-Stadtmodells (ausgewählt wurden alle Adressen in München des Jahres 2008, zuzüglich davon
unterschiedliche Adressen in den Jahren 2000−2007). Erfolgreich an der Befragung teilgenommen haben 270 Haushalte, für die restlichen 219 Haushalte liegen nur Koordinateninformationen vor. Die hohe Anzahl der lediglich als ›Brutto-Population‹ geführten Haushalte kommt durch die Erst-Erhebung für die Teilstichproben F und H des SOEP zustande. Für das SOEP wurden in diesen beiden Jahren ›Auffrischungsstichproben‹ gezogen, bei denen sich wie üblich nicht alle zufällig ausgewählten Haushalte beteiligt haben. Um die Anzahl der Fälle für die vorliegende Untersuchung zu erhöhen, werden die SOEPHaushalte mit der Gemeindekennziffer für Köln in der Untersuchung berücksichtigt. Damit erhöht sich die Anzahl der Haushalte auf insgesamt 491 auswertbare Fälle. Für beide Untersuchungsgebiete wurden aus räumlich höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten 3-D-Stadtmodelle abgeleitet (vgl. Kap. 5.1; WURM et al., 2009a und 2009b). Zusammenfassend wurde eine objektbasierte, übertragbare Methode entwickelt, um zunächst aus digitalen Satellitenbilddaten Einzelgebäude abzugrenzen und über die absolute Höheninformation die Anzahl der Geschosse für jedes Haus abzuleiten. Im nächsten Verarbeitungsschritt wird die Landbedeckungsinformation aus den optischen Satellitenbilddaten (IKONOS) in einer hierarchischen Segmentierung (ESCH et al., 2008) und Klassifizierung (T TAUBENBÖCK & ROTH, 2007) hergestellt. Diese Methode, unter Berücksichtigung adäquater Datengrundlagen, garantiert eine vergleichbare, objektive Datenbasis beider Untersuchungsgebiete für die darauf aufbauende synergetische Analyse mit Surveydaten. Das dreidimensionale Stadtmodell beschreibt unterschiedliche Klassen der Landbedeckung für das Stadtgebiet (›Straße‹, ›Wiese/Grasland‹, ›Wald/Gebüsch‹, ›Wasser‹, ›versiegelt‹ und ›offener Boden‹) und Einzelgebäude nach Größe und Form. Somit ist flächendeckende Information über Lage und Größe von Gebäuden und von Grünflächen im Stadtgebiet verfügbar. Für die vorliegende Untersuchung werden zunächst Zusammenhänge zwischen den subjektiven Befragungsinformationen und
7.3 Integration raumrelevanter Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen
den objektiven, aus Fernerkundungsdaten abgeleiteten Informationen untersucht. Dafür ist es erforderlich, vergleichbare Variablen im SOEP heranzuziehen.
Exemplarische Ergebnisse Eine einfache Möglichkeit, die Plausibilität der Verknüpfung der SOEP-Surveydaten mit georeferenzierten Daten zu prüfen, kann über die Korrelation zwischen geschätzter Distanz der Wohnung des befragten Haushaltes und dem nächsten Großstadtzentrum und der tatsächlichen Distanz, gemessen über die Koordinatenangaben, erfolgen. Hierfür werden aus den oben beschriebenen Lagekoordinaten der Haushalte auf Straßenabschnittsebene und den Koordinaten des jeweiligen Stadtzentrums Distanzen zwischen Wohnort und Stadtzentrum berechnet. Diese Distanz wird dem einzelnen SurveyHaushalt als neue Variable – unter Berücksichtigung der beschriebenen Datenschutzvorkehrungen – zugewiesen. Die letzte Erhebung der Haushalte bezüglich der Selbsteinschätzung der Befragten zur Distanz zum nächsten Großstadtzentrum fand 2004 statt. Dabei konnte aus sieben möglichen Antworten gewählt werden (›Keine Angabe‹, ›Wohnung liegt im Großstadtzentrum‹, ›unter 10 km‹, ›10 bis unter 25 km‹, ›25 bis unter 40 km‹, ›40 bis unter 60 km‹, ›60 km und mehr‹).
157
Den Vergleich zwischen den Schätzungen aus den gegebenen (subjektiven) Antworten und den gemessenen (objektiven) euklidischen Distanzen über die Koordinaten, stellt Abb. 7-3-2 dar. Die Boxplots zeigen für beide Untersuchungsgebiete, dass mit steigender objektiver Distanz zum Zentrum auch die subjektive Einschätzung über die Distanz steigt. Unterschiede in den Untersuchungsgebieten zeigen sich im Detail: Für die Klasse ›10 bis unter 25 km‹ liegt der Median bei 8,1 km in München und bei 8,8 km in Köln. Die gemessene Distanz bezieht sich auf die direkte Distanz zwischen zwei Punkten, während sich geschätzte bzw. empfundene Distanzen wohl meist auf die zurückgelegte Wegstrecke beziehen. Als Bewohner des Großstadtzentrums fühlen sich in Köln Personen, welche im Median in einer Distanz von 2 km vom Alten Markt entfernt leben (Mittelwert = 2,4 km). In München hingegen liegt der Wert bei 3,2 km (Mittelwert = 3,8 km) bis zum Marienplatz. Eine mögliche Ursache für den Unterschied in der Einschätzung mag in der jeweiligen Stadtstruktur begründet sein. Die Kölner Innenstadt ist von Grünanlagen umgeben, welche aus dem früheren Festungsgürtel der Stadt hervorgegangen sind. Dieser Ring befindet sich in einer Distanz zwischen 2,2 km im Westen und ca. 2,5 km im Norden und Süden vom Zentrum und ist sowohl ein prägendes als auch ein trennendes physisches Element im Stadtbild (vgl. Kap. 4.1). Weiterführende Ana-
Abb. 7-3-2: Vergleich zwischen geschätzter Distanz und gemessener Distanz zum Stadtzentrum (SOEP/DLR 2009, eigene Berechnungen)
158
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
lysen bezüglich der subjektiven Einschätzung zur Lage im Stadtgebiet sollen mögliche Zusammenhänge näher beleuchten. Doch nicht nur der Vergleich der Variablen ›Lage‹ innerhalb des Stadtgebietes aufgrund der Verortung der Haushalte mit Geokoordinaten zeigt eine Anwendung für die Einbindung von Rauminformation in SOEP-Analysen. Eine objektive Variable, die sich nur über die Einbindung von Zusatzinformation erstellen lässt, ist die ›Dichte‹ Dieser Indikator bezieht sich auf die bebaute Umwelt und stellt das Verhältnis der überbauten Fläche gegenüber der Bezugsfläche dar. Die überbaute Fläche ist die Fläche sämtlicher Vollgeschosse eines Gebäudes (vgl. Kap. 5.1) und kann aus dem dreidimensionalen Stadtmodell entnommen werden. HOFFMEYER-ZLOTNIK (2000) erhebt den Indikator ›Dichte‹ für die befragten Personen über die Bebauungsstruktur in der unmittelbaren Umgebung des eigenen Hauses. Diese Art der Beschreibung der Dichte der Nachbarschaft kann für sämtliche SOEP-Haushalte über das Stadtmodell erzeugt werden. Innerhalb eines Radius von 300 m um jeden Befragungshaushalt wird die Geschossfläche aller Gebäude berechnet und in ein Verhältnis zur Kreisfläche gesetzt. Diese relative Dichte kann wiederum mit subjektiven Merkmalen der SOEP-Befragten verglichen werden. Abbildung 7-3-3 zeigt beispielhaft die Gegenüberstellung von relativer Dichte mit dem im Haushaltsfragebogen direkt
Abb. 7-3-3: Vergleich zwischen der mittleren relativen Dichte und dem erfragten Haustyp (SOEP/DLR 2009, eigene Berechnungen)
erfragten Typ des Wohnhauses. Für beide Untersuchungsgebiete differenziert, zeigen die Mittelwerte, dass tendenziell mit steigender Anzahl der Wohnungen auch die relative Dichte in beiden Städten zunimmt (›Ein/Zweifamilienhaus‹ bis ›Wohnhaus mit 9 und mehr Wohnungen − aber höchstens 8 Stockwerken; also kein Hochhaus‹). Hier fallen auch besonders dichte und weitläufige Stadterweiterungsgebiete in Blockbauweise hinein. Es ist aber zu beobachten, dass die Hochhausbebauung in beiden Städten keine hohen Dichten aufweist. Die Dichte der Bebauung eines Grundstückes ist in der Bauleitplanung auf kommunaler Ebene festgelegt. Der Zusammenhang der beiden Variablen Dichte und Lage ist in Abb. 7-3-4 dargestellt (vgl. Kap. 5.4). Die Darstellung zeigt für alle in den Untersuchungsgebieten Köln und München betrachteten Haushalte den Bezug zwischen relativer Bebauungsdichte und räumlicher Distanz zum Stadtzentrum. Es ist zu beobachten, dass die relative Dichte der Bebauung mit zunehmender Distanz zum Stadtzentrum abnimmt. Dieser Zusammenhang ist bis zu einer Distanz von etwa 6 km zum Zentrum zu beobachten, danach verflacht die Kurve. Des Weiteren ist im Vergleich der beiden Städte miteinander in Zentrumsnähe eine höhere Dichte in München als in Köln zu erkennen. Eine weitere Variable, welche direkt aus Fernerkundungsdaten erhoben werden kann, ist
7.3 Integration raumrelevanter Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen
159
Abb. 7-3-4: Zusammenhang Dichte und Distanz zum Zentrum (SOEP/DLR 2009, eigene Berechnungen)
der relative Anteil der Grünfläche in der Nachbarschaft der befragten Haushalte. Die aus den optischen Satellitenbildern abgeleiteten Grünflächen, bestehend aus den Klassen ›Wiese/Grasland‹, und ›Wald/Gebüsch‹ (vgl. Kap. 5.1), können ebenfalls mit den Befragungsdaten verglichen werden. Ähnlich der Berechnung der relativen Dichte wird der Grünflächenaneil für jeden Befragungshaushalt und seiner nächsten Umgebung (r = 300 m) berechnet und mit SOEP-Indikatoren gegenübergestellt. Abbildung 7-3-5 zeigt die Korrelation der Variablen ›Wie sehr fühlen Sie sich hier in dieser Wohngegend durch folgende Umwelteinflüsse beeinträchtigt: Durch fehlende zugängliche Grünflächen?‹ mit dem relativen Grünflächenanteil aus dem dreidimensionalen Stadtmodell.
Es ist zu erkennen, dass die subjektive Beeinträchtigung durch fehlende Grünflächen mit steigendem Grünflächenanteil in der direkten Nachbarschaft tendenziell sinkt. Die beiden Klassen ›stark‹ und ›sehr stark‹ wurden zusammengefasst, da diese Antworten sehr selten gegeben wurden (zusammen 2,1% der gegebenen Antworten). Eine tiefer gehende und belastbare Analyse ist auf Grund der geringen Fallzahl in den beiden bisher vorliegenden Untersuchungsregionen nicht möglich. Weitergehende Analysen werden auf Basis des SOEP erst möglich werden, wenn für weitere Regionen – über München und Köln hinaus – entsprechend aufbereitete Fernerkundungsdaten zur Verfügung stehen werden.
Abb. 7-3-5: Grünflächenanteil aus Satellitenbilddaten und Beeinträchtigung durch mangelnde Grünflächen (SOEP/DLR 2009, eigene Berechnungen)
160
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Um aber zumindest die weitreichenden Analysepotenziale zu verdeutlichen sei an dieser Stelle noch eine multivariate Analyse zur Erklärung der gezahlten Bruttomiete in Köln und München angefügt. Im SOEP gibt der Haushaltsvorstand detaillierte Auskunft über Zustand und Ausstattung der Wohnung, sowie auch über die zu zahlende Brutto-Miete pro Quadratmeter. Um die zusätzliche Erklärungskraft der Variablen aus der Fernerkundung zu verdeutlichen, wurde folgendes Vorgehen gewählt: In einem ersten Modell wurden nur die Haupteffekte der Variablen aus der SOEP Befragung aufgenommen. Als erklärende Variablen wurden die folgenden Variablen genutzt: Haustyp (vgl. Abb. 7-3-3), Wohngebiet, Baujahr des Hauses, Renovierungsbedürftigkeit, Ausstattung mit Zentralheizung, Ausstattung mit Balkon oder Terrasse, Ausstattung mit Keller, Ausstattung mit Garten und eine Indikatorvariable für München als Wohnort. In einem zweiten Modell wurden die drei zusätzlichen Variablen ›Distanz‹ zum Zentrum, ›Grünflächenanteil‹ und ›Bebauungsdichte‹ in einem Umkreis von 300 m hinzugefügt. Beide
Modelle wurden dann mit Hilfe einer stepwiseProzedur (forward ( und backward selection) automatisiert optimiert − inklusive aller möglichen Interaktionseffekte. Die beiden letztlich gefundenen Modelle für die interessierenden Variablen sind in Tabelle 7-3-1 aufgeführt. Auf Grund der geringen Fallzahl und der damit verbundenen Begrenzung in der Anzahl der aufzunehmenden Variablen ist der Anteil der erklärten Varianz relativ gering. Durch die Aufnahme der Variablen aus der Fernerkundung steigt dieser Anteil aber immerhin (trotz des kleinen Samples) um drei Prozentpunkte auf gut 14 %. Die Information über das Wohngebiet und den Haustyp aus dem SOEP wurden im ersten Modell noch aufgenommen, wobei die Variable zum Wohngebiet sich allerdings als nicht signifikant erwies. In Modell zwei wurden nach der automatisierten Optimierung beide Variable nicht mehr in das Modell aufgenommen und anscheinend durch die zusätzlichen Variablen zum Grünflächenanteil, zur Bebauungsdichte und Distanz zum Stadtzentrum besser erklärt. Nach der Ausstattung mit einer Zentralheizung hat die Dichte der Bebauung den stärksten
Modell 1 Koeffizient Pr(>|t|)
Modell2 Koeffizient Pr(>|t|)
Wohngebiet (SOEP) Referenz: Reines Wohngebiet Altbau Reines Wohngebiet Neubau. – 0.04 Mischgebiet – 0.16
94.99 % 78.65 %
– –
– –
Haustyp (SOEP) Referenz: Freistehendes Ein- bis Zweifamilienhaus Wohnhaus (3−8 Wohnungen) Wohnhaus (mit mehr als 9 Wohnungen)
0.28 % 2.98 %
– –
– –
Fernerkundungsvariablen Anteil an Grünfläche (%) Dichte der Bebauung Distanz zum Stadtzentrum; Referenz: im Stadtzentrum Distanz 7 km N = 333 adj. R²:
1.57 1.13 – –
– –
0.03 3.33
9.87 % 0.29 %
– –
– –
- 1.23 - 1.69
7.80 % 0.94 %
0.11
0.14
Zusätzliche Kontrollvariablen: Baujahr des Hauses, Renovierungsbedürftigkeit, Ausstattung mit Zentralheizung, Balkon oder Terrasse, mit Keller und mit Garten, sowie eine Indikatorvariable für München als Wohnort.
Tab. 7-3-1: Beispielhafte Regression zur Erklärung der Bruttomiethöhe (SOEP/DLR 2009, eigene Berechnungen)
7.3 Integration raumrelevanter Indikatoren in sozial- und verhaltenswissenschaftliche Analysen
positiven Effekt auf die Quadratmetermiete der beobachteten Haushalte. Einen ebenfalls mietsteigernden Effekt hat der Anteil der Grünfläche in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung. Mit jedem Prozent Grünflächenanteil steigt der Quadratmeterpreis im Mittel um etwa 30 Eurocent. Im Gegensatz dazu sinkt die Mietzahlung mit der Entfernung zum Zentrum mit jedem Kilometer.
Zusammenfassung und Ausblick Der vorliegende Beitrag zeigt räumliche Auswertungsmethoden von Daten der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) auf der Basis von Geokoordinaten und der Einbindung von raumrelevanten Indikatoren die aus Fernerkundungsdaten gewonnen wurden. Durch die Verortung von Privathaushalten (ohne Darstellung der Identität und unter Gewährleistung vollständiger Anonymität) mit einer Genauigkeit auf Straßenabschnittsebene ist es erstmals möglich, Haushalte bzw. Personen im Zeitraum 2000−2008, die mit der Stichprobe des SOEP befragt wurden, im kleinräumigen Kontext zu analysieren. Bisherige regionale Analysen des SOEP waren immer an administrative Grenze gebunden, diese Restriktion ist mit der Verortung der Haushalte aufgehoben. Über die Geokoordinate und in Verbindung mit externen geokodierten Informationen ist jeder beliebige Raum definierbar. Aus den Strassenabschnitts-Koordinaten wird eine Variable ›Lage‹ erzeugt, welche über eine spezielle, technisch mehrfach gesicherte Rechnerinfrastruktur den anonymisierten Daten der Befragungshaushalte zugewiesen wird. Somit kann die subjektive Einschätzung der Befragten bezüglich der Lage des Wohnhauses des Befragten mit einer objektiven Variable überprüft werden. Beispielhaft können die Variablen ›Dichte‹ und ›Grünflächenanteil‹ aus höchstaufgelösten Fernerkundungsdaten für die Städte München und Köln abgeleitet und mit SOEP-Daten verglichen werden. Diese Datenverknüpfung stellt zugleich eine völlig neuartige Kombination zweier wissenschaftlicher Disziplinen dar. Es
161
wird anhand einiger Beispiele das Analysepotenzial aufgezeigt und diskutiert. Alle untersuchten Variablen bestätigen in ihrer Tendenz die Gleichgerichtetheit der objektiven und subjektiven Erhebung. Bei der Einschätzung der Distanz zum Zentrum zeigt sich jedoch mit steigender Distanz eine größere Varianz zwischen objektivem Merkmal und subjektiver Einschätzung. Über die Erstellung vergleichbarer, raumrelevanter Indikatoren aus Fernerkundungsdaten können hoffentlich in naher Zukunft für ganz Deutschland neue Variablen erstellt werden und gemeinsam ausgewertet werden.
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162
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
LAKES, T. (2009): Geodata. Working paper No.89. German Council for Social and Economic Data (RatSWD). V, D., ERBEK, F. S. & C. JÜRGENS (2005): ReMAKTAV mote Sensing of Urban Areas. − International Journal of Remote Sensing, 26(4). RINDFUSS R. R. & P. C. STERN (1998): Linking Remote Sensing and Social Science: The Need and the Challenges. − LIVERMAN, D., MORAN, E.F., RINDFUSS, R.R. & P. C. STERN (Hrsg.): People and Pixels. Linking Remote Sensing and Social Science. National Academy Press, Washington D.C. (USA). SPIESS, C. K. (2005): Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) und die Möglichkeiten regionalbezogener Analysen. − GRÖNZINGER, G. & W. MATIASKE (Hrsg.): Deutschland regional. Sozialwissenschaftliche Daten im Forschungsverbund. Rainer Hampp Verlag. TAUBENBÖCK, H. & A. ROTH (2007): A Transferable and Stable Object Oriented Classification Approach in Various Urban Areas and Various High Resolution Sensors. Urban Remote Sensing Joint Event 2007. TURNER, II B.L. (1998): Frontiers of Exploration: Remote Sensing and Social Science Research. Proceedings of Pecora 13, Symposium on Human Interactions with the Envi-
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7.4 Potenzialmodellierung von Wärmenetzen basierend auf höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten C. Geiß, M. Nast, C. Schillings, H. Taubenböck, T. Esch & M. Wurm
Einleitung Die Menge der verfügbaren fossilen Brennstoffe ist endlich und ihre Verbrennung erzeugt klimaschädliche Gase. Der weltweit dramatisch zunehmende Bedarf an Energie wird diese Situation zukünftig weiter verschärfen. Eine nachhaltigere Energieversorgung bedarf innovativer Ideen: Erneuerbare Energien und/oder Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bieten Lösungs-
wege, um eine unabhängigere und effizientere Energieversorgung zu gewährleisten. Für die Nutzung dieser nachhaltigen Wärmeerzeugungstechniken eignen sich allerdings nicht alle baulichen Strukturen gleichermaßen. Mit Methoden der Fernerkundung ist es möglich geeignete Bebauungsstrukturen räumlich hoch aufgelöst und flächendeckend zu identifizieren und zu priorisieren.
7.4 Potenzialmodellierung von Wärmenetzen basierend auf höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten
Die Wärmeversorgung von Wohngebäuden und Gebäuden des öffentlichen und privaten Dienstleistungssektors basiert primär auf der Nutzung von fossilen Energieträgern, die sehr häufig in überalterten Heizkesseln mit schlechten Wirkungsgraden und hohen Schadstoffemissionen verbrannt werden. Erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sind essentielle Bausteine für eine unabhängige, zukünftige Energieversorgung, welche sowohl die Endlichkeit der fossilen Rohstoffe als auch die bedrohlichen Auswirkungen eines zunehmenden Ausstoßes von Klimagasen berücksichtigt. In einer für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) erstellten Leitstudie (NITSCH, 2008) wird die Möglichkeit einer nachhaltigen Anpassung des deutschen Energiesystems bis zum Jahr 2050 aufgezeigt. Laut Studie soll das im Jahr 2050 genutzte Wärmepotenzial aus erneuerbaren Energien zu knapp 60 % auf Wärmenetzen beruhen. Im Wärmebereich ist hierzu ein erheblicher Zuwachs bei der leitungsgebundenen Wärmeversorgung erforderlich. Bis zum Jahr 2050 verdreifacht sich die über Netze verteilte Wärme gegenüber dem heutigen Stand. Der Anteil am Wärmemarkt steigt dabei unter Berücksichtigung von verbesserter Wärmedämmung und sonstigen Effizienzmaßnahmen von etwa 12 % auf 56 %. Dieses Ziel erscheint sehr anspruchsvoll, ist aber in einigen skandinavischen Ländern bereits erreicht. Auch in Deutschland ist daher der Ausbau von Wärmenetzen ein unverzichtbarer Baustein, um eine nachhaltige Energieversorgung zu erreichen. Besonders Nahwärme weist eine Reihe von Vorteilen auf, die sie für eine nachhaltige Wärmeversorgung nahezu unverzichtbar macht. In Abgrenzung zu Fernwärme bezeichnet Nahwärme eine leitungsgebundene Wärmeversorgung auf kleinräumiger Ebene mit geringer Transportentfernung. Als Orientierungsmarke kann eine Entfernung von etwa einem Kilometer zwischen Produzent und Verbraucher dienen (FISCHEDICK et al., 2007). Die technisch-ökonomischen Vorteile von Nahwärme basieren auf der Zusammenfassung mehrerer Verbraucher zu einem Großabnehmer.
163
Mit diesem Prinzip lassen sich Wärmeerzeugungstechniken einsetzen, die für kleine Abnehmer entweder zu teuer oder technisch schwer realisierbar wären. Dies ist für KraftWärme-Kopplungsanlagen der Fall, die erst ab einer Mindestgröße verwirklicht werden können, für solare Wärme, bei der eine saisonale Speicherung möglich wird, sowie für Geothermie, bei der aus Bohrungen sehr große Mengen an Wärme bereitgestellt werden. Auf die schwer vorhersagbare Kostenentwicklung der verschiedenen Energieträger kann mit einer zentralen Heizstation zudem besser reagiert werden als mit individuellen Lösungen für einzelne Gebäude, da für eine Brennstoffumstellung nur ein Heizkessel und nicht eine Vielzahl getauscht werden muss. Um die Perspektiven der Nahwärmeversorgung für raum- und regionalplanerische Fragestellungen sowie ökonomische Entscheidungsprozesse zur Standortplanung nutzen zu können, müssen die Ergebnisse auf räumlicher Ebene konkret verortet werden. Bestehende Regionalisierungsansätze beschränken sich entweder auf Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern und ausgewählte Referenzmodellstädte (LUTSCH et al., 2004) oder müssen auf einen hohen Detaillierungsgrad verzichten, um flächendeckende Ergebnisse liefern zu können (FISCHEDICK et al., 2007). Die Kombination dieser Anforderungen ist Gegenstand dieses Kapitels: Wie können Nahwärmepotenziale flächendeckend und mit einer hohen räumlichen Auflösung bestimmt werden? Die vorgestellte Methode basiert primär auf einem dreidimensionalen Stadtmodell (vgl. Kapitel 5.1), das aus der Kombination von höchst aufgelösten, optischen Satellitendaten und einem digitalen Oberflächenmodell – abgeleitet aus HRSC-Daten – erstellt wird. Zusätzlich werden räumliche Analyen in einem geographischen Informationssystem (GIS) durchgeführt. Durch einen sehr hohen Standardisierungs- und Automatisierungsgrad der Analyseschritte ist eine flächendeckende Prozessierung und Potenzialabschätzung möglich, ohne den Detaillierungsgrad der Ergebnisse reduzieren zu müssen. Ein räumlich hoch aufgelöster Vergleich von verschiedenen Regionen
164
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
und Standorten hinsichtlich ihrer Eignung für Nahwärmenetze ist somit realisierbar. Im Gegensatz zu proprietären Datengrundlagen wie z. B. örtlichen Begehungen, sind Aktualisierungen mit dem vorgestellten Ansatz zudem vergleichsweise einfach, kostengünstig und flächendeckend vorzunehmen.
Methodische Herangehensweise Die Ermittlung von Nahwärmepotenzialen beruht auf vielfältigen physischen Parametern bebauter Strukturen. Einen schematischen Überblick bietet Abbildung 7-4-1. Der zentrale Parameter ist der jährliche Wärmebedarf der Gebäude, der sich aus dem Volumen der Gebäude und einem spezifischen Wärmebedarfswert ableitet. Der spezifische Wärmebedarf stellt wiederum einen idealtypischen Kennwert, in Abhängigkeit des Gebäudetyps, der Nutzung des Gebäudes und des Baualters, dar. Für die Potenzialmodellierung wird zudem der wirtschaftliche Aufwand berechnet, der nötig ist, um den vorhandenen Wärmebedarf zu erschließen. Dazu werden zunächst die infrastrukturellen Kosten der Nahwärmebereitstellung aufsummiert: Kosten für das Nahwärmenetz, Anschlussleitungen zu den einzelnen Gebäuden sowie Hausübergabestationen. Um nur die Mehrkosten gegenüber einer konventionellen Wärmebereitstellung zu berücksichtigen, werden die Kosten eines Heizkesseltausches für Öl bzw. Gas von den Investitionskosten für Nahwärme subtrahiert. Die Analyse wird hauptsächlich auf einen bereits wärmeversorgten Gebäudebestand angewendet. Deshalb wird der
Abb. 7-4-1: Schema der Potenzialmodellierung otenzialmodellierung (DLR)
Restwert der Kessel zum Zeitpunkt des Anschlusses an das Wärmenetz mit einem Faktor von 0,5 (Schätzwert) berücksichtigt. Auf Grundlage dieser Daten lässt sich ein Kennwert ermitteln, mit dessen Hilfe eine Aussage über die Standortbedingungen für Nahwärme getroffen werden kann. Der Kennwert setzt sich aus der Division des jährlichen Wärmebedarfs durch die benötigten, infrastrukturellen Investitionskosten zusammen und repräsentiert die durch das Netz jährlich erschließbare Wärmemenge pro investierten Euro. Die Potenzialwerte werden auf Baublockebene in (kWh/Jahr)/_ ausgewiesen. Je höher dieser Wert ist, desto besser ist der jeweilige Baublock für Nahwärme geeignet. Der Ansatz zur Berechnung bzw. Modellierung von Nahwärmepotenzialen stützt sich auf folgende Datenquellen: Das dreidimensionale Stadtmodell sowie die raumbezogenen Informationen über die urbane Landbedeckung (vgl. Kap. 5.1) bilden die Basis, um aus physischen Parametern, wie beispielsweise Gebäudegrößen, -höhen oder Vegetationsanteilen pro Block, physisch homogene Einheiten, sogenannte Stadtstrukturtypen, abzuleiten (vgl. Kapitel 5.5). Durch die Verarbeitung der Daten in einem geographischen Informationssystem (GIS) ist ein räumlicher Bezug gewährleistet. Für die Bestimmung des spezifischen Wärmebedarfswertes sind neben dem Gebäudetyp zusätzliche Informationen über das Baualter und die Nutzung der Gebäude nötig. Hierzu kann auf Berechnungen aus früheren Studien zurückgegriffen werden (FISCHEDICK et al., 2007; SCHILLINGS et al., 2007). In diesen Arbeiten werden insgesamt sechs Gebäudetypen definiert,
7.4 Potenzialmodellierung von Wärmenetzen basierend auf höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten
die nach Größe und Nutzung unterteilt sind: Ein- bzw. Zweifamilienhäuser, kleine und große Mehrfamilienhäuser sowie kleine, mittlere und große Nichtwohngebäude. Die Berechnung des Wärmebedarfs für Wohngebäude erfolgt unter Berücksichtigung von insgesamt neun Baualtersklassen, für Nichtwohngebäude wurden keine unterschiedlichen Altersklassen herangezogen. Aus Fernerkundungsdaten lassen sich nur indirekt und mit hohem Aufwand Informationen über das Alter der Gebäude erheben. Zeitreihenanalysen über mehrere Jahrzehnte hinweg bieten nicht das geometrische Potenzial, um das Alter von Einzelgebäuden abzuschätzen (vgl. 4.1). Deshalb wurde der Wärmebedarfswert der Wohngebäude aus dem gewichteten arithmetischen Mittel zwischen dem altersabhängigen Wärmebedarf und der zugehörigen absoluten Gebäudeanzahl in den alten Bundesländern gebildet. Um die Angaben für die vorliegende Analyse nutzbar zu machen, müssen die Wärmebedarfswerte zusätzlich von einem Flächenbezug [kWh/(m² s Jahr)] in einen Raumbezug [kWh/(m³ s Jahr)] umgerechnet werden. Hierzu wird ein Umrechnungsfaktor aus Angaben der statistischen Jahrbücher (STATISTISCHES BUNDESAMT, 1991, 1998, 2004) zu Wohn- und Nichtwohngebäuden abgeleitet, der aus der Division des Rauminhaltes durch die zugehörige Gebäudefläche gebildet wird. In Tabelle 7-4-1 ist der spezifische Wärmebedarf der Gebäudetypen dargestellt.
Gebäudetyp
Die sechs beschriebenen Gebäudetypen lassen sich nicht direkt den Gebäudetypen aus der Stadtstrukturtypenklassifikation zuordnen, da diese primär auf Formparametern basieren und somit keine validen Aussagen über die Gebäudenutzung zulassen (vgl. Kapitel 5.5). Allerdings lagen in den vorangegangenen Studien Informationen über die Landnutzung der Gemeinden vor, die als Grundlage für verschiedene Berechnungen nötig waren. Es wurde u. a. zwischen Flächen dichter städtischer Bebauung (ST IIIb), städtischer Bebauung mittlerer Dichte (ST IIIa), Dorf- und Stadtrandgebieten (ST II) und Industrie- und Gewerbegebieten (ST IV) unterschieden (FISCHEDICK et al. 2007). Für diese Siedlungstypen liegen charakteristische Anteile der verschiedenen Gebäudetypen vor (vgl. Tab. 7-4-1). Diese Schnittstelle wurde genutzt, um die Daten der Stadtstrukturtypenklassifikation mit den Daten der vorherigen Studien zu verknüpfen. So entspricht der Siedlungstyp ›Dorf- und Stadtrandgebiete (ST II)‹ den Strukturtypen ›Ein- und Zweifamilienhäuser‹ sowie ›Reihenhäuser‹ und der Siedlungstyp ›dichte städtische Bebauung (ST IIIb)‹ entspricht den restlichen, für den betrachteten Raumausschnitt ausgewiesenen, Strukturtypen. Der spezifische Wärmebedarfswert der Siedlungstypen wird aus dem arithmetischen Mittel des Wärmebedarfs der Gebäudetypen gebildet, mit dem prozentualen Anteil der Gebäude als Gewichtungsfaktor. Mit diesen Angaben kann
Spezifischer Spezifischer Prozentualer Anteil Wärmebedarf Wärmebedarf der Gebäudetypen [kWh/(m² s Jahr)] [kWh/(m³ s Jahr)] am Siedlungstyp ST II
Prozentualer Anteil der Gebäudetypen am Siedlungstyp ST IIIb
1-/2-Familienhaus
181,2
39,7
93,6
2,3
Kleines Mehrfamilienhaus
144,0
31,6
3,6
36,8
Großes Mehrfamilienhaus
121,0
26,5
0
31,2
Kleines Nichtwohngebäude
151,8
24,8
2,0
25,9
Mittleres Nichtwohngebäude 135,9
22,2
0,4
2,2
Großes Nichtwohngebäude
21,6
0,4
1,6
131,9
165
Tab. 7-4-1: Kennzahlen der Gebäudetypen aus vorangegangenen Studien (Fischedick et al., 2007; Nast et al., 2005)
166
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Siedlungstyp
Spezifischer Raumwärmebedarf [kWh/ (m³ s Jahr)]
Netzkosten [_/m]
Anschlussleitungen [_/m]
Hausübergabestationen [_/Stück]
ST II
39,0
260
233
2602
6562
ST IIIb
28,1
310
276
4290
10728
Tab. 7-4-2: Spezifischer Raumwärmebedarf und Infrastrukturkosten (Fischedick et al., 2007; Nast et al., 2005)
der jährliche Wärmebedarf für jedes Gebäude berechnet werden. In Tabelle 7-4-2 sind die Kosten der verschiedenen Infrastrukturelemente dargestellt, deren Werte ebenfalls auf vorangegangenen Studien (FISCHEDICK et al., 2007; NAST et al., 2005) basieren. Für das Untersuchungsgebiet München wurde keine Anpassung an das zu erwartende Kostenniveau vorgenommen. Die Berechnung der Investitionskosten für die erforderliche Infrastruktur macht zusätzliche räumliche Analysen notwendig. Für die Errichtung eines Nahwärmenetzes hat die physische Struktur des Areals, also z. B. die Anordnung, Größe, Höhe etc., der Gebäude einen es-
Abb. 7-4-2: Gebäude umgeben von Straßen (Baublöcken) sowie Darstellung unterschiedlicher Gebäudetypen (DLR)
Heizkessel [_/Stück]
sentiellen Einfluss auf die Erschließungskosten. Abbildung 7-4-2 zeigt einen Raumausschnitt im Westen Münchens mit den aus Fernerkundungsdaten extrahierten Gebäuden und Baublöcken. Die Baublöcke sind von den umgebenden Straßenkarrees abgeleitet (vgl. Kap. 5.1). Die extrahierten Polygone, die Gebäude repräsentieren, entsprechen nicht für alle Gebäudetypen der tatsächlichen Gebäudeanzahl, wie sie nach dem Statistischen Jahrbuch definiert sind: »Gebäude sind selbstständig benutzbare, überdachte Bauwerke, die auf Dauer errichtet sind. Bei Doppel-, Gruppen- oder Reihenhäusern gilt jeder Teil, der von dem anderen durch eine Trennwand geschieden ist, als selbstständiges Gebäude« (STATISTISCHES BUNDESAMT, 2009). Für die drei markierten Gebäude in Abbildung 7-4-2 ist dieser Zusammenhang schematisch dargestellt. Während für Einfamilien-
7.4 Potenzialmodellierung von Wärmenetzen basierend auf höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten
häuser die extrahierte Polygonfläche mit der Anzahl der Gebäude übereinstimmt, ist dies beispielsweise für Reihenhäuser oder Blockrandbebauungen nicht der Fall. Da die Gebäudeextraktion aus Fernerkundungsdaten primär auf der Höhe der Gebäude basiert, ist eine derartige Unterscheidung schwer möglich. Relevant ist die tatsächliche Gebäudeanzahl für die Berechnung der Länge der Anschlussleitungen sowie der Anzahl der Hausübergabestationen und Heizkessel. Deshalb wird ein vom Gebäudetyp abhängiger Korrekturfaktor berechnet. Dazu werden Polygone der unterschiedlichen Gebäudetypen zufallsbasiert ausgewählt und mit Hilfe von Kartenmaterial die tatsächliche Gebäudeanzahl bestimmt. Anschließend wird der Mittelwert für jeden Gebäudetyp gebildet und auf die Umrisslänge der Polygone umgerechnet. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass den Polygonen, abhängig von Gebäudetyp und Umrisslänge, eine realistische Schätzung der Gebäudeanzahl zugeordnet wird. Eine visuelle Überprüfung der geschätzten Gebäudeanzahl ergab beispielweise für den Gebäudetyp ›Blockrandbebauung‹ eine Genauigkeit von über 90 %. Typischerweise werden Nahwärmeleitungen entlang der bestehenden Straßen verlegt. Die Berechnung der Länge des Nahwärmenetzes erfolgt auf Baublockebene und wird aus der halben Umrisslänge des umgebenden Straßenkarrees gebildet. Die verbleibende Hälfte wird den angrenzenden Baublöcken zugerechnet. Die komplexe Stadtstruktur bedingt eine differenzierte Längenberechnung der Anschlussleitungen und hängt vom betrachteten Gebäudetyp und der Lage des Gebäudes im Häuserblock ab (vgl. Abb. 7-4-3). Für Ein- und Zweifamilienhäuser ergeben sich die Längen der Anschlussleitung aus der kürzesten Distanz zwischen Gebäude und Straße (1). Für die restlichen Gebäudetypen, deren Polygone mehrere Gebäude repräsentieren, muss der Längenberechnung eine zusätzliche Abfragefunktion vorausgehen. Ist die Distanz zwischen Polygon und Straße (a) kleiner als die Distanz zum nächsten Hauseingang (b), wird für jedes Gebäude die kürzeste Distanz zur Straße (a) herangezogen (2). Ist die Distanz zwischen Polygon und Straße (a) größer als die Distanz zum nächsten Hauseingang
167
Abb. 7-4-3: Berechnung der Längen der Anschlussleitungen (DLR)
(b), werden die Distanzen zwischen den Hauseingängen (b) zur Distanz zwischen Polygon und nächstgelegenen Straße (a) hinzuaddiert (3). Die reale Gebäudeanzahl, die Länge des Nahwärmenetzes sowie die Länge der Anschlussleitungen werden mit den Kennwerten aus Tabelle 7-4-2 kombiniert, um die benötigten Investitionskosten zu bestimmen. Mit diesen Informationen sind die Werte aller Parameter aus Abbildung 7-4-1 gegeben und der Potenzialwert kann für jeden Häuserblock berechnet werden.
Ergebnisse, Interpretation und Diskussion Ergebnis der Analyse ist eine relative, räumliche Abschätzung von Nahwärmepotenzialen. Auf Baublockebene werden also urbane Strukturen identifiziert, die sich für die Errichtung eines Nahwärmenetzes besser eignen als an-
168
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Abb. 7-4-4: Potenzialkarte für Wärmenetze in München
dere. Diese Analyse wurde für das Stadtgebiet von München durchgeführt (Abb. 7-4-5). Die ermittelten Potenziale werden in unterschiedlichen Farbskalen von Rot (maximale Werte) bis Blau (minimale Werte) dargestellt. Bereiche, in denen die unterlegte Satellitenszene zu sehen ist, sind nicht bebaute Freiflächen, die keinen Potenzialwert erhalten. Da die Methode gegenwärtig weiterentwickelt wird, werden an dieser Stelle keine quantitativen Potenzialwerte ausgewiesen, sondern qualitative Aussagen über die Standorte getroffen. Auffällig ist die Werteabnahme vom innerstädtischen Kern zu den Randbereichen. Dies ist primär auf die überdurchschnittliche Größe der Gebäude in der Innenstadt zurückzuführen, die
in Kombination mit vergleichsweise kurzen Leitungslängen insgesamt einen relativ hohen Potenzialwert bedingen. Randbereiche mit vielen Ein- und Zweifamilienhäusern erhalten dagegen relativ ungünstige Potenzialwerte. Daraus ist allerdings keine grundsätzliche Nichteignung für Nahwärme abzuleiten, sondern im Kontext des betrachteten Raumausschnitts und den sehr günstigen, alternativen Standorten zu sehen. In Gebieten mit einer heterogenen Bebauungsstruktur ist eine hohe Variabilität der Werte zu beobachten (siehe vergrößerter Kartenausschnitt). Die idealtypische, radiale Abnahme der Potenzialwerte vom Zentrum zu den Randbereichen wird besonders im Norden und Nordosten von Baublöcken mit
7.4 Potenzialmodellierung von Wärmenetzen basierend auf höchst aufgelösten Fernerkundungsdaten
sehr großen, gewerblich oder industriell genutzten Gebäudekomplexen perforiert. Analog sind auch relativ zentral gelegene Flächen mit niedrigen Potenzialwerten aufgrund sehr geringer Bebauung in Verbindung mit hohen Erschließungskosten zu finden (z. B. Englischer Garten, Theresienwiese). Besonders an den Rändern des betrachteten Raumausschnitts gibt es viele Baublöcke mit Ein- und Zweifamiliengebäuden. Teilweise werden für diese Baublöcke unterschiedliche Potenzialwerte ausgewiesen. Dies resultiert primär aus relativ ähnlichen infrastrukturellen Erschließungskosten pro Baublock bei gleichzeitig stark variierendem Wärmebedarf. So erhalten Baublöcke mit relativ vielen, eng zusammenstehenden und überdurchschnittlich großen Ein- und Zweifamiliengebäuden deutlich höhere Potenzialwerte als Baublöcke, die weniger dicht bebaut sind und gleichzeitig ähnlich hohe Netzkosten und insgesamt nur wenig niedrigere Erschließungskosten aufweisen. Ziel dieses Beitrags ist es, den Mehrwert aus der interdisziplinären Kombination fernerkundlicher Daten mit energierelevanten Fragestellungen aufzuzeigen. Es wird eine automatisierte Methode mit einer hohen räumlichen Auflösung angestrebt, um Nahwärmepotenziale identifizieren zu können. Dies ist beispielsweise nützlich, wenn ein bereits mit Nahwärme erfolgreich erschlossenes Gebiet mit einem anderen, möglicherweise weit entfernt liegendem Gebiet verglichen werden soll. Auf diese Weise lassen sich die Realisierungsmöglichkeiten eines Wärmenetzes für unerschlossene Gebiete abschätzen. Zusätzlich lassen sich innerhalb eines Untersuchungsgebietes günstige Strukturen identifizieren, für die ein detailliertes Planungsverfahren sinnvoll ist. Für das Erreichen dieses Ziels wurden erste methodische Entwicklungen geleistet, wenngleich weiterer Forschungsbedarf vorhanden ist. Der Fokus muss zukünftig in der Verfeinerung und Erweiterung bisher verwendeter Parameter liegen. Zudem müssen die ermittelten Ergebnisse mit In-SituDatensätzen für Testareale auf ihre Genauigkeit hin analysiert werden.
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Referenzen FISCHEDICK, M., NAST, M., SCHILLINGS, C., KREWITT, W., BOHNENSCHÄFER, W. & K. LINDNER (2007): Anforderungen an Nah- und Fernwärmenetze sowie Strategien für Marktakteure in Hinblick auf die Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung bis zum Jahr 2020. sonstiger Bericht. UFOPLAN Vorhaben 20541104. LUTSCH, W., NEUFFER, H., WITTERHOLD, F.-G., PFAFFENBERGER, W., BLESL, M., FAHL, U., KEMPE, S., VOSS, A., BARTELS, M., LINDENBERGER, D., SCHULZ, W., GRÖGER, J., SCHNEIDER, L., DÖTSCH, C., WIGBELS, M. & B. EIKMEIER (2004): Strategien und Technologien einer pluralistischen Fern- und Nahwärmeversorgung in einem liberalisierten Energiemarkt unter besonderer Berücksichtigung der KraftWärme-Kopplung und erneuerbarer Energien. AGFW-Bericht zur pluralistischen Wärme-versorgung. Frankfurt. NAST, M., KREWITT, W., EIKMEIER, B., GABRIEL, J. & W. SCHULZ (2005): Analyse des nationalen Potenzials für den Einsatz hocheffizienter KWK, einschließlich hocheffizienter KleinstKWK, unter Berücksichtigung der sich aus der EU-KWK-RL ergebenden Aspekte. Studie von bremer energie institut und DLR im Auftrag des BMWA. Stuttgart. NITSCH, J. (2008): Weiterentwicklung der »Ausbaustrategie erneuerbare Energien« vor dem Hintergrund der aktuellen Klimaschutzziele Deutschlands und Europas. Untersuchung im Auftrag des BMU. Stuttgart. SCHILLINGS, C., NAST, M., FISCHEDICK, M. & J. VENJAKOB (2007): Nutzung von Satellitendaten für die Regionalisierung des regenerativen Nahwärmepotenzials in Deutschland. − Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 10: 84− 88. STATISTISCHES BUNDESAMT STJB (Hrsg.) (1991, 1998, 2004, 2009): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden.
170
7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
7.5 Analyse stadtklimatischer Aspekte auf Basis von Hyperspektraldaten W. Heldens & U. Heiden
Einleitung Die Stadt hebt sich klimatisch deutlich von ihrem Umland ab. Dichte Bebauung, reduzierte Vegetation und Emission von Luftschadstoffen und Abwärme führen in Städten u. a. zu einer höheren Durchschnittstemperatur (Wärmeinsel) sowie zu niedrigeren Luftfeuchte- und Windgeschwindigkeitswerten. Die Stadt beeinflusst das Klimasystem auf verschiedenen Maßstabsebenen. Ein regional wirksamer Effekt ist die städtische Wärmeinsel. Auf lokaler Maßstabsebene wird das urbane Mikroklima wesentlich von den städtischen Strukturmerkmalen wie der Anordnung und den Oberflächeneigenschaften urbaner Objekte beeinflusst. Dies wirkt sich auf Temperatur, Wind, Luftfeuchte und Luftqualität aus (K KUTTLER, 1998). Diese mikroklimatischen Effekte steuern wiederum das ›klimatische Wohlbefinden‹ der Einwohner und können daher wichtige Indikatoren für die Stadtplanung sein. Mikroklimamodelle, wie das Modell ENVImet (BRUSE & FLEER, 1998), sind hilfreiche Mittel, um das Mikroklima besser zu verstehen. Sie bieten die Möglichkeit, verschiedene Planungsszenarien und ihre Wirkung auf das Mikroklima zu simulieren und städtebauliche Planungen vorab zu testen.
Fernerkundliche Erfassung mikroklimatischer Aspekte Die Berücksichtigung des Mikroklimas in der Stadtplanung hat sich aufgrund seiner Komplexität und seiner punktuellen Erfassungsmethodik noch nicht überall durchgesetzt. Oft fehlen flächendeckende Informationen, um Effekte baulicher Maßnahmen auf das Mikroklima z. B. für ein Wohngebiet einschätzen zu können (ELIASSON et al, 2002). Die Bereitstellung der zur Simulation notwendigen Informationen wird
durch Feldbegehungen und punktuelle Messungen vor Ort durch verschiedene Bearbeiter realisiert. Die Erfassung der Eingangsdaten für ein größeres Stadtgebiet ist daher mit einem hohen zeitlichen sowie personellen Aufwand verbunden. Die hyperspektrale flugzeuggetragene Fernerkundung bietet die Möglichkeit diese Parameter flächendeckend für ein großes Gebiet und räumlich sowie thematisch detailliert zu berechnen. Die Ableitung der Modellparameter aus hyperspektralen HyMap-Daten ist weitestgehend automatisiert und hat objektiven Charakter, da die Eingangsdaten nicht durch verschiedene Bearbeiter aufgenommen, sondern nach standardisierten Regeln berechnet werden (siehe auch Kapitel 5.2). Die Kartierung der Oberflächenmaterialien auf Basis von Hyperspektraldaten ermöglicht die Identifizierung der urbanen Objekte und die Zuweisung weiterer Informationen, wie z. B. thermischer Eigenschaften, Albedo und mehrere Vegetationsmerkmale wie dem Blattflächenindex. Diese Informationen sind wichtige Eingangsparameter für ein mikroklimatisches Modell sind.
Das Mikroklimamodell ENVI-met Das Mikroklimamodell ENVI-met simuliert die Interaktion zwischen Atmosphäre, Vegetation und Gebäuden. Auf der Basis numerischer Modelle werden eine Reihe von klimatischen Parametern, wie z. B. Temperatur, Luftfeuchte, Windrichtung und –geschwindigkeit berechnet. Zusätzlich wird der Behaglichkeitsindex Predicted Mean Vote (PMV) abgeleitet, der 1970 von Fanger entwickelt wurde. Er drückt die Wirkung klimarelevanter Faktoren auf die Behaglichkeit des Menschen in einem einzigen Wert aus. Demnach ist das thermische Wohlbefinden eines Menschen abhängig vom herr-
7.5 Analyse stadtklimatischer Aspekte auf Basis von Hyperspektraldaten
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Abb. 7-5-1: Aus hyperspektralen HyMap-Daten generierte Informationen als Input für das Mikroklimamodell ENVI-met (DLR)
schenden Mikroklima, der Bekleidung und den Körpereigenschaften, wie z. B. dem Energieverbrauch. Mikroklimatisch spielen Lufttemperatur und Wind die größte Rolle für die Bestimmung der Behaglichkeit. Dieser Wert ist gerade für stadtklimatologische Planungen von großer Bedeutung. Das Mikroklimamodell ENVI-met arbeitet auf Objektebene. Besonders die Lage und die Art der urbanen Objekte, wie z. B. Größe, Höhe, Dichte und Ausrichtung von Gebäuden und Bäumen, beeinflussen das Mikroklima. Die Evaporation wird wesentlich von der Art der Vegetation gesteuert. Die thermischen Eigenschaften von Gebäuden und Straßen sind u. a. abhängig von ihrem Oberflächenmaterial. Um das Mikroklima realistisch zu simulieren, sind daher verschiedene Eingangsdaten notwendig, die in dieser Studie aus Hyperspektraldaten abgeleitet werden.
Eingangsdaten für das Mikroklimamodell ENVI-met aus Hyperspektraldaten Ein erster Schritt ist die räumliche Beschreibung des Untersuchungsgebietes, bei der Lage und Höhe der Gebäude sowie der Vegetation in einem dreidimensionalen Raster angegeben werden. Als nächstes werden die Merkmale verschiedener Pflanzentypen anhand ihrer Höhe, ihres Photorespirationstyps und der Blattflächendichte bereitgestellt. Weitere notwendige Informationsquellen sind die thermischen und hydrologischen Eigenschaften der offenen Bodenflächen (Bodentyp) und die Beschreibung der Eigenschaften der Gebäudedächer und -wände mit Parametern wie der Albedo und der Wärmeleitfähigkeit ihrer Oberflächenmaterialien. Die Bereitstellung der oben genannten Informationen wird auf der Basis hyperspektraler
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
Abb. 7-5-2: ENVI-metInputdaten, abgeleitet aus den Hyperspektralprodukten und den HRSCHöhendaten (DLR)
HyMap-Daten realisiert. Im Kapitel 5.2 wurde die Kartierung von Oberflächenmaterialien auf der Basis von Hyperspektraldaten beschrieben. Mit Hilfe der Materialien können urbane Objekte erfasst und ihnen weitere Informationen, wie z. B. die thermischen Eigenschaften, zugewiesen werden. Zusätzlich werden mit den Hyperspektraldaten Informationen zur Albedo städtischer Objekte und mehrerer Vegetationsmerkmale wie dem Blattflächenindex abgeleitet. In Abbildung 7-5-1 sind die Informationen aus den Hyperspektraldaten dargestellt, die das ENVI-met-Modell als Eingangsdaten benötigt. Abbildung 7-5-1a zeigt die aus den Hyperspektraldaten abgeleiteten Oberflächenmaterialien, die mittels eines Entmischungsverfahrens generiert wurden (Kapitel 5.2). Als weitere hyperspektrale Produkte werden die Albedowerte (Abb. 7-5-1b) und der Blattflächenindex (Abb. 7-5-1c) integriert. Die Albedo wird aus dem Mittelwert der hyperspektralen Reflexion über alle Wellenlängen berechnet (vgl. SCHAEPMANSTRUB et al. 2006). Der Blattflächenindex wird auf Basis des Normalized Differenced Vegetation Index (NDVI) abgeleitet (K KNYAZIKHIN et al., 1999). Aus den Aufnahmen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) wurden Höhendaten errechnet (Abbildung 7-5-1d), die Informationen zu den Gebäude- und Vegetationshöhen liefern (siehe Kapitel 5.1).
Diese hyperspektralen Produkte werden automatisiert in ein von ENVI-met lesbares Format umgewandelt. In Abbildung 7-5-2 sind diese für ENVI-met abgeleiteten Eingangsinformationen dargestellt. Abbildung 7-5-2a zeigt die Lage der Gebäude und die Oberflächenmaterialien ihrer Dächer, Abbildung 7-5-2b und c zeigen die Lage und Typen der Vegetation und des Bodentyps. Abbildung 7-5-2d präsentiert das Untersuchungsgebiet in einer perspektivischen Darstellung. Zur Orientierung ist in Abbildung 7-5-2e ein Luftbild des Untersuchungsgebietes dargestellt. Dieses umfasst sechs Baublöcke verschiedener Stadtstrukturtypen. Dazu gehören Zeilenbebauung, Blockbebauung und Parkanlagen. Die Baublöcke unterscheiden sich u. a. in ihrer Vegetationsdichte, dem Versiegelungsgrad und der Lage und Orientierung der Gebäude.
Simulationsergebnisse Anhand der beschriebenen Inputdaten wurde das Mikroklima im dargestellten Untersuchungsgebiet über 24 Stunden simuliert. In den Abbildungen 7-5-3 und 7-5-4 sind ausgewählte Ergebnisse dieser Simulation dargestellt. Abbildung 7-5-3 zeigt die simulierte Lufttemperatur, Windrichtung und Windgeschwindigkeit
7.5 Analyse stadtklimatischer Aspekte auf Basis von Hyperspektraldaten
in 1,5 m Höhe über Grund zum wärmsten Zeitpunkt des Tages um 15:00 Uhr. In dieser Höhe wirkt das Mikroklima direkt auf den Menschen, womit vor allem der Behaglichkeitsindex (PMV) sinnvoll abgeleitet werden kann. Die absoluten Werte der Lufttemperatur unterscheiden sich nur marginal. Die Verteilung der Temperaturwerte im dargestellten Ausschnitt ist durch die Richtung und die Stärke des Windes geprägt. Während der gesamten Simulationszeit kam der Wind aus Südwesten und brachte wärmere Luftmassen in das Untersu-
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chungsgebiet. Die Gebäude haben einen großen Einfluss auf das Windfeld und damit auf die Lufttemperaturverteilung. Die Gebäude des umrahmten Baublocks a in Abbildung 7-5-3 stellen eine Barriere für die wärmeren Luftmassen aus dem Südwesten dar. Daher ist die Temperatur innerhalb des Baublocks durchschnittlich um ca. 0,5 °C niedriger. Der Park südlich des Baublocks a zeigt neben den deutlich niedrigeren Temperaturen eine höhere Luftfeuchte als die umliegenden Bereiche. In Abbildung 7-5-4a, welche einen Querschnitt
A Abb. 7-5-3: Simulierte Lufttemperatur und L siimuliertes Windfeld um 15:00 Uhr in einer Höhe von 1,5 m über dem v Boden (DLR) B
A Abb. 7-5-4: a) Simulierte Luftfeuchte für das im L L bild angegebene Profil Luft b Behaglichkeitsindex b) (P PMV) simuliert für einen Sommertag um 15:00 Uhr S (D DLR)
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7. Interdisziplinäre Forschungsansätze auf der Basis fernerkundlicher Informationen
der Luftfeuchte im Untersuchungsgebiet darstellt, ist dieser Effekt ebenfalls erkennbar. Abbildung 7-5-4b demonstriert den Betrag und die Verteilung des PMV. Während der Simulationen im Untersuchungsgebiet im Laufe eines Sommertages war die Modellperson sommerlich leicht gekleidet und ist im Spaziertempo gegangen. Die PMV-Werteskala reicht von −3 bis 3, wobei 0 eine neutrale, thermisch behagliche Umgebung für die Testperson indiziert. Negative Werte weisen auf Kältestress und positive Werte auf Wärmestress hin, wobei −3 und 3 als extrem unbehaglich gelten. In Abbildung 7-5-4b liegen die PMV-Werte hauptsächlich zwischen −1 und 2,5. Grüne Flächen zeigen die thermisch behaglichen Gebieten an (−0,5 bis 0,5). Im Westen des Untersuchungsgebietes befinden sich Bereiche, in denen Personen Wärmestress empfinden würden. Dort ist auch die Lufttemperatur am höchsten (vgl. Abb. 7-5-3). Kältestress würde man vor allem in den Gebäudeschatten im Osten des Untersuchungsgebietes empfinden.
Fazit Die aus den Hyperspektraldaten abgeleiteten Eingangsdaten besitzen ein hohes Potenzial für die Modellierung räumlich hoch detaillierter mikroklimatischer Eigenschaften im kleinräumigen und heterogenen Stadtgebiet. Die in diesem Kapitel an einem Beispielgebiet in München dargestellten mikroklimatischen Faktoren wurden mit Hilfe des Stadtklimamodells ENVImet beschrieben. Dieses Modell unterstützt die Integration flächenhafter Informationen, die aus Fernerkundungsdaten abgeleitet werden können. Die dazu notwendigen Eingangsdaten wurden semiautomatisch aus flugzeuggetragenen Hyperspektraldaten und HRSC-Daten be-
rechnet. Mit der fernerkundlichen und weitgehend automatischen Erstellung der Eingangsdaten ist man erstmals in der Lage, große Stadtgebiete und deren mikroklimatisches Wirkungsgefüge zu untersuchen. Dies ermöglicht eine stärkere Integration mikroklimatologisch relevanter Parameter und Szenarien bei der städtischen Planung unter Berücksichtigung der Wirkung dieser Parameter auf den Menschen.
Referenzen ELIASSON, I. (2000): The Use of Climate Knowledge in Urban Planning. − Landscape and Urban Planning, 48: 31−44. BRUSE, M. & H. FLEER (1998): Simulating Surface-Plant-Air Interactions Inside Urban Environments with a Three Dimensional Numerical Model. − Environmental Modelling and Software, 13: 373−384. FANGER, P. (1970): Thermal Comfort − Analysis and Applications in Environmental Engineering. McGraw-Hill Book Co. KNYAZIKHIN, Y., GLASSYY, J., PRIVETTE, J. L., TIAN, Y., LOTSCH, A., ZHANG, Y., WANG, Y., MORISETTE, J. T., VOTAVA, P., MYNENI, R., NEMANI, R. R. & S. W. RUNNING (1999): MODIS Leaf Area Index (LAI) and Fraction of Photosynthetically Active Radiation Absorbed by Vegetation (FPAR). Product (MOD15) Algorithm Theoretical Basis Document. KUTTLER, W. (1998): Stadtklima. − SUKKOP, H. & R. WITTIG (Hrsg.): Stadtökologie. Gustav Fischer Verlag: 125−167. SCHAEPMAN-STRUB, G., SCHAEPMAN, M., PAINTER, T., DANGEL, S. & J. MARTONCHIK (2006): Reflectance Quantities in Optical Remote Sensing − Definitions and Case Studies. − Remote Sensing of Environment, 103: 27−42.
8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext H. Taubenböck
Als der Hurrikan Katrina die Stadt New Orleans am 25. August 2005 traf, waren weder die Stadt noch ihre Bürger, noch nationale Organisationen auf seine verheerenden Auswirkungen vorbereitet. 80 % des Stadtgebietes waren in Folge von Deichbrüchen geflutet, knapp 2000 Todesopfer und tausende Obdachlose zu beklagen und es entstand ein ökonomischer Schaden, der mit über hundert Milliarden US-Dollar beziffert wurde (MÜNCHNER RÜCK, 2006). Viele krisenrelevante Fragestellungen vor, während und nach einer Katastrophe haben einen räumlichen Bezug und substantielle Entscheidungen für präventive oder Rettungsmaßnahmen bedingen quantitatives Wissen − Wissen, das über die Fernerkundung als Geoinformation in beliebigem digitalen oder Kartenformat mit kurzer Vorlaufzeit verfügbar wird. Dieses drastische Beispiel mag für die in diesem Buch exemplarisch gezeigten Ideen, Methoden und Lösungen für die Stadt-Umland-Regionen München und Köln nicht unmittelbar relevant erscheinen. Es macht aber deutlich, dass die Fernerkundung über die lokal dargestellten Lösungen hinausgehend zu anderen, im globalen Umfeld angesetzten Fragestellungen substantielle Beiträge liefern kann. Von Wetter beobachtenden Systemen bis hin zur Bereitstellung von Geoinformationsprodukten, wie z. B. dem 3-D-Stadtmodell, erlauben fernerkundliche Anwendungen vielfältige andere Themen von besonderer Relevanz zu bedienen. Das folgende Kapitel bietet einen Überblick über Potenziale und Visionen weiterer anwendungsorientierter Ansätze, verfügbarer Datenprodukte und transdisziplinärer Vorgehensweisen. Damit soll das Bild ferner-
kundlicher und interdisziplinärer Forschung für den urbanen Raum abgerundet und komplettiert werden.
Fernerkundliche und interdisziplinäre Anwendungsbereiche Ein Anwendungsbereich fernerkundlicher Daten und Methoden ist, wie oben angedeutet, die Bereitstellung krisenrelevanter Geoinformationen. Anwendungen befassen sich dabei einerseits mit Naturgefahren, wie beispielweise dem Überwachen der Zugbahnen von Zyklonen oder Hurrikanen, der Detektion von potentiellen Hangrutschungsgebieten (BERARDINO et al., 2003; XIA et al., 2004) oder dem Messen von Deformationen bei Vulkanen (LU et al., 1997; BERARDINO et al., 2002). Zudem zielen fernerkundliche Anwendungen auf die Abschätzung oder die Kartierung der Auswirkungen dieser Naturgefahren (Vulnerabilität). Der Sommer 2002 offenbarte in Deutschland eine hohe Verwundbarkeit urbaner Systeme gegenüber Extremereignissen. Für die aktuelle Kartierung der verheerenden Elbeflut waren fernerkundliche Datensätze essentiell. Abbildung 8-1a zeigt die synoptische Analyse gefluteter Bereiche entlang der Elbe mit aktuellen Satellitendaten, die zu einer koordinierten Unterstützung des Krisenmanagements beitrug (VOIGT et al., 2007; www.zki.dlr.de). Auf höherer Maßstabsebene ermöglichen die räumliche Überlagerung kartierter Überflutungsbereiche oder auch prognostizierter Hochwasserereignisse mit fernerkundlichen Produkten des urbanen Systems, Gefährdungspotenziale zu quantifizieren. Durch die Ver-
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8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext
schneidung mit dem 3-D-Stadtmodell (vgl. Kap. 5.1 & 5.6) oder der Bevölkerungsabschätzung (vgl. Kap. 7.2) kann nicht nur die räumliche Auswirkung der Flut, sondern auch die Anzahl vom Hochwasser eingeschlossener Gebäude, kritischer Infrastrukturen, betroffener Teile der Bevölkerung, oder der beschädigten beziehungsweise weiter verfügbaren Verkehrsinfrastruktur abgeschätzt werden (WURM et al. 2009; BBK, 2010). In der Katastrophenvorsorge und -hilfe sowie für Abflussschätzungen sind diese fernerkundlichen Datensätze wichtige Informationsebenen für hydrologische Modellierung und Simulation (JÜRGENS, 2001). Abbildung 8-1b zeigt die Verschneidung eines Extremhochwasserszenarios (EHQ) für Köln mit dem 3-D-Stadtmodell und darauf aufbauend eine quantitative Abschätzung der potentiell betroffenen Bevölkerung. Im globalen Kontext offenbarten die großen Naturkatastrophen des letzten Jahrzehnts, wie beispielweise der Tsunami im Indischen Ozean 2004, der Hurrikan Katarina in New Orleans 2005 oder die Erdbeben in Sichuan 2008 und Haiti 2010 die enorme Anfälligkeit der Städte unseres Planeten. Neben aktuellen Kartierungen von Schadensausmaßen im Post-Desaster-Fall (PESARESI et al, 2007; PLANETERDE, 2009; SAITO & SPENCE, 2003; siehe auch: www.zki.dlr.de) rücken interdisziplinäre Ansätze zur Abschätzung der Verwundbarkeit und damit Methoden zur Entwicklung präventiver Strategien zur Risikominimierung immer mehr in den Fokus wissenschaftlicher Arbeiten. Die höchste Gefährdung für Menschenleben geht im Katastrophenfall meist von statisch instabilen Gebäuden aus (ERDIK, 2002). Die hochgenaue Einschätzung der Gebäudestabilität ist für Bauingenieure ein zeitintensives, mit Feldbegehung verbundenes Verfahren. In akut erdbebengefährdeten Megastädten wie Mexico City, Istanbul oder Teheran mit jeweils mehr als einer Million Gebäuden ein unmögliches Unterfangen. Die Möglichkeit, einige der relevanten physischen Parameter zu Gebäuden wie Höhe, Größe, Form, Dachtyp, Dachmaterial, Alter oder Lage flächendeckend aus Fernerkundungsdaten ableiten zu können, führt dazu, die Methoden beider Disziplinen synergetisch zu
verknüpfen. Mittels Extrapolationsmethoden kann somit z. B. Gebäudestabilität nach Gebäudetypen für so große und dynamische urbane Areale wie Megastädte näherungsweise abgeschätzt werden (BOMMER et al., 2002; CROWLEY et al., 2004; MÜNICH et al. 2006; TAUBENBÖCK et al., 2009a). Natürlich gehen mit technischen Schwierigkeiten, die bei der interdisziplinären Integration von Methoden, Datenformaten oder Resultaten so unterschiedlicher Fachrichtungen entstehen, auch Einbußen in der Genauigkeit der Resultate einher. Analysen zu diesem konkreten Fall zeigen aber, dass die relative Einschätzung vulnerabler Areale mit Genauigkeiten über 80 % ermittelt werden konnten. Abbildung 8-1c zeigt die Abschätzung der Stabilität von Gebäuden für ein Stadtviertel der erdbebengefährdeten Megastadt Istanbul und erlaubt dem Planer, Gebiete für präventive Maßnahmen zu identifizieren, zu quantifizieren und zu priorisieren. Weiterführende interdisziplinäre Ansätze mit Fachleuten aus den Wirtschaftswissenschaften oder dem Versicherungswesen zielen darauf ab, potenzielle und reale Schäden in ökonomischen Werten abzuschätzen (THIEKEN et al., 2006; KREIBICH et al., 2008). Die Kombination dieser Resultate mit seismologischen Analysen, Modellierungsansätzen von Tsunamiwellen (GOSEBERG & SCHLURMANN, 2008) usw., sind weitere Möglichkeiten das komplexe Aufeinandertreffen von Naturgefahr und urbanen Objekten interdisziplinär auszuweiten. Die Abschätzung der tageszeitabhängigen Aufenthaltsorte und räumlichen Verteilung der Bevölkerung (vgl. Kap. 7.2) innerhalb des urbanen Raumes in Kombination mit Gebäudevulnerabilitätsanalysen, zielt im Risikokontext auf die Abschätzung potenziell gefährdeter Personen ab. Die Kombination der Bevölkerungsverteilung mit Informationen zur Verkehrsinfrastruktur eröffnet die Möglichkeit, diese Ergebnisse auch mit planungsrelevanten Verkehrs- bzw. Evakuierungsmodellierungsansätzen zu kombinieren. Damit lassen sich ganz allgemein Verkehrsflüsse modellieren oder am konkreten Beispiel für die Evakuierung eines Stadtteils oder einer Stadt, Engpässe identifizieren. Zudem lassen sich potenzielle Maß-
8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext
nahmen wie z. B. die Verbreiterung einzelner Straßen oder den Bau zusätzlicher Brücken auf deren Einfluss auf das Verkehrsaufkommen bzw. deren Auswirkungen auf die Evakuierungsdauer hin prognostizieren (LÄMMEL et al., 2010; NAGEL et al. 2008). Das Ergebnis einer entsprechenden Risikoanalyse der tsunamigefährdeten Stadt Padang in Indonesien ist in Abbildung 8-1d exemplarisch aufgezeigt. Damit lassen sich Evakuierungszeiten, Engpässe und hoch gefährdete Areale räumlich darstellen. Die physischen Strukturen des urbanen Raumes reflektieren die gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse der Menschen, die dort leben. Die Zusammenhänge räumlicher und sozialer Parameter wurden in Kapitel 7.3 ausführlich diskutiert. In urbanen Räumen der Entwicklungs- und Schwellenländer differieren die physischen Strukturen stärker als in München oder Köln − man denke nur an den Kontrast ungeordneter Slumhütten im Schatten moderner, repräsentativer Hochhäuser. Studien zeigen eindeutige Korrelationen zwischen sozioökonomischen Parametern der Bevölkerung und den Baustrukturen (BAUDOT, 2000; BIRKMANN et al., 2008; DONNAY et al., 2000; TAUBENBÖCK et al., 2009b). Die Objekte und Strukturen der Landoberfläche können mit Fernerkundungsdaten direkt extrahiert werden, auf die Nutzung der Gebäude lässt sich dagegen nur indirekt schließen (vgl. Kap. 7.2). Wissenschaftliche Studien bestätigen auch in diesem Feld Zusammenhänge zwischen den physischen Beschaffenheiten der Objekte und ihres räumlichen Gefüges mit den Nutzungstypen, wie z. B. Wohngebieten oder Industrieanlagen (BARNSLEY et al., 2000). Die Erfassung des urbanen Raums auf verschiedenen Maßstabsebenen mit Methoden der Fernerkundung ermöglicht es, umfangreiche Standortanalysen durchzuführen. Standortparameter, wie Gebäudestrukturen, Verkehrsinfrastruktur, Freiflächen, Wasserflächen, Wachstumsrichtungen und -dynamiken usw. dienen nicht nur dazu, den Ist-Zustand zu beschreiben, sondern erlauben auch wahrscheinlichkeitsbasierte, räumliche Wachstumsprognosen zu unterstützen (z. B. HEROLD et al., 2003; CHENG & MASSER, 2003). Nicht nur im Katastrophen-
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schutz, auch in der Stadtökologie bieten diese Datensätze die Möglichkeit, planungsrelevante Informationen, beispielweise zu Vegetationstypen und deren Vitalität, zu vorhandener Dachbegrünung oder zu Biomassepotenzialen im Stadt-Umland zu liefern (LAKES, 2006; FRITSCHE et al., 2008). Des Weiteren bieten fernerkundliche Standortanalysen die Möglichkeit, sich medizinischen bzw. epidemiologischen Fragestellungen analytisch zu nähern. So breitet sich beispielweise Malaria überwiegend in sehr warmen, wasserreichen und dicht besiedelten Gebieten aus (DHIMAN, 2000). Klimatische Einflüsse, wie die Identifikation urbaner Wärmeinseln (LO et al., 2005) oder Analysen zu Luftschadstoffen und Luftqualität (WENG & YANG, 2006) ermöglichen, weitere standortrelevante Informationen im kleinräumigen urbanen Raum zu liefern. Zudem eröffnet die neue Qualität flugzeuggetragener Sensoren, wie in Kapitel 5.6. präsentiert, mit einer geometrischen Auflösung von bis zu 5 cm ungeahnte Möglichkeiten bei der Inventarisierung von Katastern. Mit den detaillierten und fotorealistischen 3-D-Welten haben die Datensätze auch Anwendungspotenzial bei Standort- und Wirtschaftsförderung, Immobilienvermarktung, Umweltanalysen oder im Tourismus für die Planung des Urlaubs. Das Spektrum der Fernerkundung, Fragestellungen im urbanen Raum direkt, indirekt oder auch interdisziplinär zu bedienen ist also sowohl räumlich als auch thematisch sehr umfangreich und mit Sicherheit noch lange nicht ausgereizt. Gerade der angestoßene Paradigmenwechsel hin zu interdisziplinärer Forschung kann die Fernerkundung als Bindeglied zwischen vielen Forschungsrichtungen federführend vorantreiben. Mehr als nur Bindeglied zwischen verschiedenen Disziplinen der Stadtforschung, transferiert die Fernerkundung Parameter funktionaler urbaner Zusammenhänge in die Fläche, stellt zwei- und dreidimensionale Bezüge her und erlaubt, diese zu visualisieren. Allerdings kann das alles nur bei gleichzeitiger transdisziplinärer Kooperation und Anwendungsentwicklung langfristig zu Akzeptanz bei den Akteuren und Entscheidungsträgern und somit in der Anwendung zum Erfolg führen.
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8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext
Globale fernerkundliche urbane Datensätze Wenn jemand vor dem Jahr 2000 die Frage gestellt hätte »Wie viel Fläche unseres Planeten ist urbanisiert, und wo liegen diese Flächen?«, wäre der einzig verfügbare globale Datensatz ein digitalisiertes Mosaik von Karten und Bilder gewesen, das über 30 Jahre hinweg von 1960 bis 1990 erzeugt wurde (siehe Digital Chart of the World (DCW), ein Produkt des Environmental Systems Research Institute). Die hohe räumliche Dynamik urbaner Gebiete erzwingt es geradezu, die Fernerkundung für solche Fragestellungen zu nutzen. Die rasante technische Entwicklung bei tag- und nachtaufzeichnenden Satellitensystemen, Methoden zur Kartierung und der entsprechend benötigten Rechenleistung, beschert Anwendern heute bereits global (im Bereich von einer geometrischen Auflösung von 250 m – 2 km) oder kontinental bzw. national (bis zu maximal 2,5m) verfügbare planungsrelevante Produkte zu urbanen Räumen. Beispiele für globale Produkte sind Global Landcover 2000 (GLC 00) oder GlobCover (GLOBC), welche 22 verschiedene thematische Landbedeckungsklassen mit einer räumlichen Auflösung von 1 km bzw. 500 m erfassen. Darin enthalten ist u. a. eine Klasse ›urban‹, die aber nicht weiter differenziert wird. Die Produkte MOD1K, MODIS 500 und GRUMP (Global Rural-Urban Mapping Projectt) bieten in denselben geometrischen Auflösungen eine binäre Unterscheidung urbanisierter und nichturbanisierter Areale. Abbildung 8-1e) zeigt das Resultat des GRUMP Projektes zur Ausdehnung urbaner Bereiche in Deutschland. Diese Resultate basieren auf einem Mix an fernerkundlichen Datensätzen, Zensusdaten, vorhandenen GIS-Layern und Kartenprodukten (POTERE & SCHNEIDER, 2009). Als fernerkundliche Datensätze kommen überwiegend Datensätze folgender Sensoren derate Resolution Imaging zum Einsatz: Mod Spectroradiometer (MODIS), Meedium Resolution Imaging Spectrometer (MERIS), Landsat, SPOT oder vom Defense Meteorological Satellite Programm (DMSP) das Operational Linescan System (OLS). Letzteres System erlaubt es, die Lichtabstrahlung urbanisierter Gebiete zur
Nachtzeit global aufzuzeichnen. Abbildung 8-1f) zeigt dieses Produkt basierend auf einem 1-km-Raster für Europa und Nordafrika. Darauf aufbauend gibt es indirekte Abschätzungen von globalen Bevölkerungsverteilungen und -dichten (ELVIDGE et al., 2009). Das Urban Environmental Monitoring Project (UEM), auch unter dem Namen »100 cities project« bekannt, ist zwar nicht global ausgelegt, die meist mittels ASTER-Daten klassifizierten 100 Städte sind aber global verteilt. Mit acht verschiedenen urbanen Klassen (hoch, mittel und gering verdichtete urbane Gebiete, drei Vegetationstypen, offener Boden und Wasser) können damit so unterschiedliche Städte wie Berlin, Casablanca, Bangkok oder Buenos Aires thematisch und räumlich untereinander verglichen werden (WENTZ et al., 2009). Eine höhere thematische und geometrische Tiefe, wie sie in diesem Buch in vielen Varianten für München vorgestellt wurden, ist auf globaler Basis nicht flächendeckend verfügbar. Kontinental ausgelegte Projekte zielen auf urbane Produkte ab, die über den urbanen Fußabdruck hinaus eine thematische Differenzierung zulassen. Das europaweite Projekt CORINE Land Cover (CLC) hat die Bereitstellung von einheitlichen und damit vergleichbaren Daten der Bodenbedeckung für Europa zum Ziel. Es ist Teil des Programms CORINE (Coordination nformation on the Environmentt) der Euroof In päischen Union. Die Kartierung der Bodenbedeckung und Landnutzung wurde europaweit auf der Basis von Satellitendaten im Maßstab 1:100 000 für die Jahre 1990, 2000 und 2006 durchgeführt. Die Ersterfassung (CLC1990) wurde einheitlich nach 44 Landnutzungsklassen durchgeführt, wobei in urbanisierten Gebieten thematische Klassen wie zum Beispiel Industrie- und Gewerbeflächen, Straßen oder Wohnareale differenziert werden (K KEIL, KIEFL & STRUNZ, 2005). Damit ist ebenso wie mit Datensätzen des Projektes MURBANDY (Monitoring Urban Dy ynamics) die Analyse urbaner Änderungen und Trends europaweit möglich (LAVALLE et al., 2001). Innerhalb der EU-Initiative Global Monitoring for Environment and Security (GMES) ist als ein Service-Element das GMES Urban Services Project (GUS) entstanden (SEI-
8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext
a)
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b)
Abb. 8-1: a) Kartierung der Elbeüberflutung zwischen Torgau und Wittenberg basierend auf Landsat7-ETM+–Szenen vom 14. und 20. August 2002. Der reguläre Flusslauf ist in dunkelblau und die überschwemmten Gebiete in hellblau dargestellt. (DLR) b) EHQ Szenario für die Innenstadt von Köln überlagert mit dem 3-D-Stadtmodell und der Populationsabschätzung basierend auf IKONOS- und LaserScanDaten. (DLR/Stadt Köln) c) Flächendeckende Analyse der Gebäudestabilität im Stadtteil Zeytinburnu der Megastadt Istanbul, basierend auf einer Gebäudemaske abgeleitet aus IKONOSDaten. (DLR/CEDIM (Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology) FERT, 2009). Dies hat zum Ziel, mit Geoinforma-
c)
tionsprodukten nachhaltige Entwicklung und Sicherheit für Umwelt und Bevölkerung zu gewährleisten. Zur Bereitstellung von Landnutzungsdaten oder Umweltindikatoren spielen fernerkundliche Daten eine wesentliche Rolle. Mit der Initiative ›European Urban Atlas‹ zielt man auf eine europaweite Kartierung urbaner Bereiche auf der Basis von SPOT-5 Daten mit einer geometrischen Auflösung von 2,5 m ab. In Kombination mit TeleAtlasDaten zu Straßen und Topographischen Karten soll somit eine thematische Tiefe erreicht werden, die der räumlichen Komplexität urbaner Räume entspricht. Mit 26 thematischen Klassen − von ›dicht bebautem Wohngebiet‹ über ›Gewerbegebiete‹, ›Hafenanlagen‹ oder ›Grünflächen‹ − sollen auch interdisziplinäre Verschneidungen, z. B. mit sozioökonomischen Datensätzen, ermöglicht werden.
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8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext
Abb. 8-1: d) Evakuierungsmodellierung für die tsunamigefährdete Küstenstadt Padang in Indonesien basierend auf dem fernerkundlich bereitgestellten Verkehrswegenetz, einer indirekten Populationsabschätzung, der Abschätzung stabiler Gebäude zur vertikalen und Freiflächen zur horizontalen Evakuierung. (DLR/TU Berlin) e) Urbaner Fußabdruck für Deutschland (GRUMPProjekt). (Global RuralUrban Mapping Project (GRUMP))
d)
e)
8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext
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Abb. 8-1: f) Messung der Lichtausstrahlung zur Nachtzeit über Europa und Nordafrika mit dem Sensor DMSP-OLS. (National Geophysical Data Center (NGDC) – NOAA Satellite and Information Service)
f)
Transdisziplinäre Vernetzung Transdiziplinarität wird hier als Prinzip integrativen Arbeitens und Kooperierens von Forschungs- und Praxispartnern verstanden. Gerade über interdisziplinäre, also wissenschaftlich fächerübergreifende Ansätze hinaus, ist es von zentraler Wichtigkeit, den Blick auf das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die Wissenschaft kann nur einen Teil von Ansätzen auf dem Weg von ungelösten Fragen zu Ideen, Strategien, Lösungen und letztendlich Instrumenten zur Umsetzung beisteuern (T TAUBENBÖCK et al., 2009c). Gerade das Zusammenwirken und die Vernetzung verschiedener Akteure − von Politikern, Entscheidungsträgern, Vertretern aus Industrie, Wissenschaft und nicht zuletzt der betroffenen Bevölkerung − ist ein elementarer Baustein auf dem Weg von isolierten Ideen zu ganzheitlichen Lösungen. Die Fernerkundung im urbanen Raum als relativ neue Disziplin muss zum Ziel haben, sich verstärkt in diesen Prozess einzugliedern und die Kenntnis und das Bewusstsein über vorhandene Daten, Ergebnisse, Potenziale
und Visionen steigern, um diese transdiziplinär in konkreten praktischen Nutzen zu verwandeln. Dies muss auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene genauso wie auf internationaler und globaler Ebene verfolgt werden. Die folgende Liste an Plattformen ist keinesfalls vollständig, sondern nur eine Auswahl globaler bis kommunaler Beispiele: Ein Beispiel einer globalen top-down initiierten Vernetzungsplattform ist das United Nations Human Settlements Programm (UN-Habitat) mit dem Leitbild sozial und ökologisch verträglicher, nachhaltiger Stadtplanung. Dieses Ziel soll durch richtungweisende Initiativen in so verschiedenen Bereichen wie z. B. Stadtentwicklung, Ver- und Entsorgung, Ökonomie oder politische Steuerungsinstrumente sowie deren koordinierter Vernetzung umgesetzt werden. Aus der Not der extrem dynamischen globalen Veränderungen mit drastischen Auswirkungen im urbanen Raum ist die praxisnahe Idee des Urban-AgeNetzwerkes entstanden. Bottom-up schlossen sich Städte wie Mumbai, Johannesburg, Berlin, Istanbul, New York oder São Paulo zusammen,
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8. Urbane Fernerkundung: Vom lokalen zum globalen Kontext
um in Zeiten ökonomischer Globalisierung in inter- und transdisziplinärer Vernetzung voneinander zu lernen, Erfahrungen auszutauschen und neue Strategien nachhaltiger Planung zu erarbeiten. Die Plattform vereint zu diesem Zweck im Dialog Wissenschaftler aus den Themenfeldern Soziologie, Geographie, Ökonomie, Ökologie und Politik mit Praxispartnern wie Stadtplanern, Architekten, Bauträgern, Vertretern aus dem Verkehrswesen, Ingenieuren und mit Entscheidungsträgern (URBAN AGE 2010). Auf nationaler Ebene repräsentiert der Deutsche Städtetag als kommunaler Spitzenverband die Interessen der Städte gegenüber Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, Europäischer Union und zahlreichen Organisationen. Dachverbände, wie z. B. die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) oder die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) sehen ihr Ziel gerade darin, eine breite fachliche Mitwirkung zu erreichen, Offenheit für unterschiedliche Lösungen und den Meinungsaustausch aller in der räumlichen Planung tätigen Akteure zu fördern. Kommunale Planungsverbände, wie z. B. der Planungsverband Frankfurt/Rhein-Main oder der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München, nehmen Aufgaben wahr, wie die Entwicklung von Strukturkonzepten, Erstellung von Bauleitplänen, Koordination dieser Tätigkeiten oder Monitoring, also die systematische Beobachtung und Analyse der Entwicklung einer Region. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu), auf Initiative der deutschen Städte gegründet, setzt auf praxisorientierte Forschung, Fortbildung und Beratung bei der Lösung aktueller Probleme sowie bei der Erarbeitung langfristiger Perspektiven für eine zukunftsfähige städtische Entwicklung, um Kommunalverwaltungen durch wissenschaftlich fundierte Forschung und Fortbildung die Lösung ihrer kommunalen Aufgaben zu erleichtern. Die Fernerkundung für urbane Räume kann und muss die Grundlage für eine Bewusstseinsbildung bei allen beteiligten Akteuren und schließlich auch Akzeptanz ihrer Daten und Produkte selbst legen. Dafür bedarf es plausibler, robuster, kommunizierbarer und ausreichend dokumentierter Daten und Resultate, die
mit Sorgfalt und Genauigkeit erhoben wurden. Eine angemessene Aufbereitung bzw. Visualisierung der Resultate ist dabei von zentraler Wichtigkeit. Des Weiteren bedarf es einer wesentlich offeneren und weniger restriktiv gehandhabten Datenpolitik seitens der nationalen und supranationalen Raumfahrtagenturen und der kommerziellen Datenvertreiber. Dies erscheint als der richtige Weg von isolierter Forschung hin zu ganzheitlichen Lösungen, um die Herausforderung, den urbanen Raum nachhaltig zu entwickeln, bestehen zu können.
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9. Stadtplanung und Fernerkundung: eine gemeinsame Zukunft? H. Taubenböck & S. Dech
Was macht unsere Stadt aus? Wie ist sie strukturell aufgebaut? Wie hat sie sich entwickelt und wie geht es zukünftig weiter? Wie sieht ein Vergleich zu anderen Städten aus? Wo befinden sich klimatisch oder sozial gesehen die besten Wohngegenden? Wie viele Menschen leben dort? Wie und wo bewegen sich Menschen in der Stadt? Wie können Bewegungen von Menschenmassen bei Großereignissen effizient koordiniert werden? Welche Investitionen in die kommunale Infrastruktur sind aufgrund der Stadtstruktur überhaupt sinnvoll? Welche Wechselbeziehungen bestehen zwischen Bebauungsstrukturen, Freiflächen, Verkehrsaufkommen und klimatischen Verhältnissen? Das alles sind Fragestellungen, auf die Akteure und Entscheidungsträger im Planungsbereich Antworten brauchen. Die Fernerkundung ermöglicht es, diese sehr unterschiedlichen Themenbereiche mit für Planungsvorgänge neuartigen Daten und Informationsprodukten zu bedienen. Das Ziel der Regional- und Stadtplanung ist es, Siedlungsentwicklung effektiv in qualitativ hochwertige, lebenswerte und nachhaltige Strukturen zu lenken. Eine Schwierigkeit ist dabei, Orientierungsleitlinien von Landes- bzw. Regionalplanung mit unterschiedlichen politischen, ökonomischen, ökologischen oder sozialen Belangen der verbindlichen Bauleitplanung sowie privaten Interessen auf kommunaler Ebene in Einklang zu bringen. Planung bedeutet die konzeptionelle Vorwegnahme noch nicht existierender Zustände. Dabei konzentriert sich die gegenwärtige Praxis der Planung oftmals nur auf den Vergleich von Soll und Ist. Wesentlich für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist zudem auch eine Auseinandersetzung mit den Prozessen, die zu den jeweiligen Zuständen ge-
führt haben bzw. führen sollen. Sowohl eine vernetzte Analyse der für die städtische Entwicklung relevanten Zusammenhänge als auch eine bewusste Integration der Dynamik und der zeitlichen Eigenschaften von Prozessen sind dafür essentiell. Die oftmals mangelnde oder unzugängliche Daten- und Informationsbasis spielt in der Planungspraxis eine einschränkende Rolle, um Konzepte und Strategien auf der Grundlage umfassender quantitativer Analysen statistischer und räumlicher Daten entwickeln sowie Monitoring- und Controllingaufgaben wahrnehmen zu können. Die in diesem Buch dargestellten vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten fernerkundlicher Daten und Methoden im urbanen Raum zielen darauf ab, die existierende Lücke zwischen wissenschaftlichen Potenzialen und der Planungspraxis zu schließen. Die Fernerkundung ist, global betrachtet, bei der Bereitstellung einer unabhängigen, flächendeckenden und aktuellen räumlichen Informationsbasis nicht nur für urbane Räume konkurrenzlos. Gerade das explosive Wachstum heutiger und künftiger Megastädte zu überwachen, ist wohl nur mit fernerkundlichen Daten und Methoden effektiv realisierbar. Da in Deutschland oftmals geeignete Geobasisdaten zur Verfügung stehen, verlagert sich der Beitrag der Fernerkundung von der puren Erfassung hin zur räumlichen und thematischen Erweiterung und Verfeinerung. Die Stärken der Fernerkundung liegen in erster Linie darin, Fragestellungen in verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen und unabhängig von administrativen Verwaltungseinheiten flächendeckend zu bearbeiten. Mit Beiträgen zu physischen Aspekten der urbanen Morphologie, planungsrelevanten Messgrößen,
9
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9. Stadtplanung und Fernerkundung: eine gemeinsame Zukunft?
verkehrs- und lagerelevanten Komponenten oder klimatischen Analysen zeigt sich das Potenzial, Fragestellungen im urbanen Raum aus verschiedenen Perspektiven, aber auch thematisch vernetzt, betrachten zu können. Die Erkenntnis, dass einzelne Fachdisziplinen immer weniger in der Lage sein würden, methodische und inhaltliche Fortschritte zu erzielen, führte zu interdisziplinären Ansätzen. Mit Beiträgen zur Bevölkerungsabschätzung, zu energierelevanten oder sozioökonomischen Indikatoren erweitern sich fernerkundliche Möglichkeiten, planungsrelevante Themen anzugehen. Diese multidimensionalen Informationsprodukte eröffnen zukünftig weitere Anwendungsfelder, um thematische und räumliche Wechselbeziehungen und Auswirkungen im komplexen System ›urbaner Raum‹ genauer unter die Lupe zu nehmen, ganzheitlicher zu verstehen und daraus objektive Lösungsansätze und Strategien zu entwickeln. Ferner ergibt sich die Möglichkeit, mit vergleichbaren Daten und funktionsgleichen Verfahren verschiedene Städte räumlich und zeitlich miteinander zu vergleichen. Damit wird es machbar, urbane Entwicklungen im Verhältnis zu anderen Städten einzuordnen und planerische Zielvorgaben nicht anhand einer singulären Stadt zu erarbeiten. Dementsprechend gelingt es, durch eine Erhöhung der Fallzahl Zustände und Trends objektiver einzuschätzen und dadurch auch von anderen Metropolen bei planerischen Entscheidungen zu lernen. Obwohl viele der prä-
sentierten Ergebnisse in separaten Studien und Projekten unabhängig voneinander generiert wurden, eröffnet deren Zusammenschau richtungweisende Entwicklungspotenziale. Die vielfältigen Resultate sind somit nicht das Ende der Möglichkeiten, die Fernerkundung für urbane Fragestellungen einzusetzen, sondern vielmehr ein Anfang, die Fernerkundung für die Planung als relevante Informationsquelle ins Blickfeld zu rücken und zu einer ganzheitlicheren Betrachtung der oft komplexen Probleme zu verhelfen. Es stellt sich also nun abschließend für den deutschen Raum die Frage: Haben Stadtplanung und Fernerkundung eine gemeinsame Zukunft? Dass beide Disziplinen voneinander lernen und profitieren können, zeigen die Arbeiten in diesem Buch. Nun liegt es an uns, also an allen beteiligten Akteuren, eine interund transdisziplinäre Diskussion und Kooperation anzuregen. Die Bereitschaft, offen über gegenseitige Erwartungen, Anforderungen, Potenziale und Limitierungen unabhängig von festgefahrenen wissenschaftlichen Gemeinschaften und bestehenden Gremien von Planern und Entscheidungsträgern zu kommunizieren, wäre ein wegweisender Schritt zur Integration wissenschaftlicher Fernerkundungsanwendungen in die Planungspraxis. Unter dieser Prämisse haben wir gute Aussichten, mit innovativen Ideen und neuen Lösungsansätzen den urbanen Raum zukünftig nachhaltig und lebenswert zu gestalten.
Herausgeber und Autoren
Herausgeber
Autoren
Prof. Dr. Stefan Dech, Direktor des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Inhaber des Stiftungslehrstuhls Fernerkundung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Dr. Hannes Taubenböck, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Fernerkundung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Dr. Thomas Esch, Teamleiter ›Urbane Systeme und Ressourcenmanagement‹ am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dipl.-Geogr. Stefan Fina, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS) der Universität Stuttgart. Christian Geiß, Diplomand am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dr. Jan Goebel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Abteilung Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP). Dr. Uta Heiden, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Wieke Heldens, M. Sc., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) in Kooperation mit der Julius-MaximiliansUniversität Würzburg. Prof. Dr. Stefan Hinz, Institutsleiter am Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
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Herausgeber und Autoren
Dr. Franz Kurz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Frank Lehmann, Abteilungsleiter bei ›Optische Informationssysteme‹ am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). f wissenschaftlicher MitDipl.-Ing. Jens Leitloff, arbeiter am Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dipl.-Phys. Michael Nast, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technische Thermodynamik (ITT) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dr. Peter Reinartz, Abteilungsleiter Photogrammetrie und Bildanalyse am Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dipl.-Ing. Stephan Reiß-Schmidt, Stadtdirektor, Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung im Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München, Vorsitzender der Fachkommission Stadtentwicklungsplanung des Deutschen Städtetages, Vorsitzender der Landesgruppe Bayern der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Dr. Dominik Rosenbaum, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dipl.-Ing. Achim Roth, Stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Landoberfläche am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Thomas Ruppert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Fernerkundungsdatenszentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR).
Dr. Christoph Schillings, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technische Thermodynamik (ITT) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dipl.-Ing. Andreas Schmitt, Doktorand am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Prof. Dr. Stefan Siedentop, Inhaber des Lehrstuhls für Raumentwicklungs- und Umweltplanung an der Universität Stuttgart, Leiter des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS). Prof. Dr. Florian Siegert, Geschäftsführer der 3D RealityMaps GmbH. Lehrstuhlinhaber für Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dipl.-Geogr. Nils Sparwasser, Abteilungsleiter der Abteilung Wissenschaftskommunikation und Visualisierung am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Dipl.-Umweltwiss. Michael Thiel, Doktorand am Lehrstuhl für Fernerkundung der JuliusMaximilians-Universität Würzburg. Prof. Dr. Gert G. Wagner, Leiter der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Lehrstuhlinhaber für Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin. Max Planck Fellow am MPI für Bildungsforschung (Berlin). Dr. Martin Wegmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fernerkundung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Mag. rer. nat. Michael Wurm, Doktorand am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Register
100 cities project 178 3A-Modell 134 3D 104f. 3K Kamera 40, 110ff., 118 AAA-Modell 140 A Albedo 170ff. AFIS 134 ALKIS 133f., 140 Allgemeine Liegenschaftskarte (ALK) 105, 133, 140 ALOS 41 Änderungsanalyse 36, 50, 56 ASTER 178 ATKIS 58ff., 68, 98, 107, 133f. Atmosphärisches Fenster 31 Au-Haidhausen 88, 146f. Automatisiert 28, 34, 38, 40, 45, 47, 67, 74, 76, 78, 82ff., 94, 97ff., 105, 113, 133f., 139, 149, 153, 156, 160, 169ff. Auflösung 15, 32ff., 38ff., 55f., 58ff., 63, 70, 76, 85, 97, 104, 107, 110, 118f., 123, 130f., 133, 144, 163, 169 – geometrische 35ff., 45, 48, 50, 67f., 88, 98, 105, 177ff. – radiometrische 35, 105 – spektrale 32f., 35ff., 88, 98 – temporale 35 Baublock 27, 68, 74, 80ff., 85, 87, 89f., 92, 97f., 137f., 144, 164, 166ff., 172f. Bauleitplanung 16, 25, 96, 137, 158, 185 Baunutzungsverordnung 74, 137 Bebauungsgrad 87ff., 92 Behaglichkeitsindex 170, 173 Berg am Laim 88, 146f. Bevölkerung(s) 7f., 12f., 16, 34, 44, 60, 93f., 128, 135, 143ff., 176f., 179, 181, 186 -abschätzung 69, 144f., 151, 176, 186 -dichte 132, 138f., 144 Bewegung(s) 19, 33, 110f., 116, 118ff., 121f., 143, 145, 185 -analyse 116ff., 122 -strom 121
Bild 19ff., 27, 31, 33f., 40, 46, 49, 58, 60, 68, 70, 78, 80, 85, 97, 100, 103, 105, 107f., 110ff., 153f., 175, 178 -analyse 27, 34, 38, 58, 68, 116 -rauschen 125 Biotoptypen 95, 97f., 101 Blattflächenindex 170, 172 Blobs 107 Bodenfond 17, 29 Bodenversiegelung 13, 58ff., 86, 132 Brachfläche/nkataster 50, 132 CARTOSAT-2 107 C-Band 34 Computer Aided Design (CAD) 105 Controlling 92, 130ff., 139, 185 CORINE Land Cover (CLC) 133, 140, 178 CosmoSkyMed 41 Curvelet-Transformation 124f. Dachmaterial 76ff., 87ff., 176 Datenschutz 133, 135, 143f., 155ff. Demografie 129 Demografischer Wandel W 15f., 21, 29, 143 Digitale Flurkarte (DFK) 79, 92 Dichtegradient 138f. Dichtemodell 22 Digital Chart of the World (DCW) 178 Digitale Rauminformationen 26ff., 158 Digitales Geländemodell (DGM) 39, 41 Digitales Oberflächenmodell (DOM) 67, 69, 81, 101, 104f., 144f., 153 DMSP-OLS 181 Dom 53 Dresden 51, 60, 72, 78, 95 Echtzeit 13, 105, 107, 110, 112, 117 Einsatzplanung 105 Elektromagnetische Strahlung 33, 35, 40, 77, 123 Emissivität 63 Enhanced Ellipsoid Corrected (EEC) 125 EnMAP 39 ENVI-met 170ff. Erneuerbare Energien 162f. ESPON 134
190
Register
European Urban Atlas 179 Evaporation 171 Extremhochwasser (EHQ) 176, 179 Fahrzeug 16, 20, 106ff., 116, 118, 127 Fahrzeugdetektion 110ff. Fahrzeugverfolgung 111f. Feinstaub 105 Flächenanteil 55, 79ff., 95, 159ff. Flächen -inanspruchnahme 16, 28, 58, 131f., 134 -kreislaufwirtschaft 16, 25 -monitoring 15f., 29 -nutzungsplan 26ff., 95f., 135, 137 -recycling 26 -statistik 58, 130ff., 139f. -verbrauch 131ff., 139, 143 Flugzeug 12, 23, 34, 106, 110ff., 118f. Fragstats 52 Frauendom 105 Freifläche 20, 25f., 38, 46, 55, 66, 74, 87, 89, 92, 106, 120, 168, 177, 180, 185 Freiflächentypologie 28 Gebäude - dichte 70, 87f., 98, 139 - fassade 105 - typen 87, 95, 99, 135, 164ff., 176 Generalverkehrsplan 20 Genauigkeitsanalyse 47, 50, 72f., 85, 101 Geodatenbank 116, 119, 122 Geodateninfrastrukturen (GDI) 133f., 140 GeoEye 32, 38, 107 Geographisches Informationssystem (GIS) 60, 63, 97, 116, 144, 154, 156, 163f. Geoinformation 27, 74, 155 Geschossflächendichte (GFD) 13, 69, 74, 87ff., 99, 136 Geschossflächenzahl (GFZ) 74, 87, 98, 136, 140 Giesing 89, 146f., 150 Global Landcover 2000 (GLC 00) 178 Global Monitoring for Environment and Security (GMES) 178 Global Positioning System (GPS) 34, 67, 105, 111 Global Rural-Urban Mapping Project (GRUMP) 178, 180 GlobCover (GLOBC) 178 GMES Urban Services Project (GUS) 178 Großereignis/-veranstaltung 13, 40, 112, 115ff., 185 Grünflächen 25, 52f., 77, 95, 105, 137, 153, 156, 159ff., 179 Helikopter 115, 118 Herstellergenauigkeit 47, 73 Hot Spot 63 HRSC 35, 39ff., 67f., 88, 91, 145, 163, 172, 174
Hydrocarbon-Index 84 HyMap 33, 35, 38f., 76ff., 88, 91f., 170ff. Hyperspektral 28, 33, 35, 38f., 76ff., 82ff., 88, 98, 170ff. IKONOS 32, 35, 38, 67f., 72, 76, 88, 97, 107, 125, 144ff., 156, 179 Immobilienmarketing 104 Indikatoren 13, 28, 55, 86ff., 98, 130ff., 143, 153ff., 170, 179, 186 Inertial Measurement Unit (IMU) 105 Innenentwicklung 15f., 21f., 25f., 29, 135, 139 Innere Sicherheit 105 Integrierte Stadtentwicklungsplanung 15, 20f., 27ff. Interdisziplinär 13, 129f., 149, 153ff., 169, 175ff., 179, 181, 186 Interferometrie 33 Infrastrukturplanung 138, 151 INSPIRE 134, 140 IRS 38, 95 Isarvorstadt 88f., 146f. 149 Kaltluftschneise 64 Katastrophe 14, 40, 68, 112, 115, 124, 128, 175ff. Klassifikation 34, 45ff., 50, 68ff., 77f., 84, 88, 94, 98ff., 107f., 122, 133, 138, 140, 145, 149, 154, 165 Klima 58, 62, 137 -analyse 15, 28f. -anpassung 28 -schutz 16, 28f., 61, 169 -tologie (siehe: Stadtklima) -wandel 15, 27ff., 62, 139 Köln 13ff., 45, 49ff., 53ff., 72, 130, 135ff., 140, 144, 156ff., 175ff. Kommunale Bodenwirtschaft 17, 29 Konfusionsmatrix 72 Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) 162f. Lärmausbreitung 105 Landbedeckung (land-cover) 45ff., 70ff., 88, 101, 144, 156, 164, 178 Landnutzung (land-use) 129ff., 140, 165, 178f. Landoberflächentemperatur 13, 62ff. Landsat 33ff., 45, 48ff., 58ff., 64, 137, 144, 178f. Landschaftsstrukturmaße 13, 51ff., 86, 135, 144 Längsschnittanalyse 135, 155 Laserscanning (siehe auch: LIDAR) 34, 42, 145 L-Band 34 LIDAR (siehe auch: Laserscanning) 33f., 42, 104f. Lineare spektrale Entmischung 78ff., 92, 98 LST (Land Surface Temperature) 62ff. Luft 62 -bild 23ff., 35, 40, 61, 69, 74ff., 81f., 85, 92ff., 104f., 110ff., 139, 172
Register
-feuchte 58, 170ff. -qualität 65, 170, 177 Luftschiff 118 Luise-Kiesselbach-Platz 111f. Matching-Verfahren 105, 111 Maximum-Likelihood-Klassifizierung 78 MERIS 178 MetOp 36 Mikroklima 13, 65, 137, 170ff. Mischpixel 49, 78, 80 Mobilität 11, 16, 21, 26, 28, 106, 113, 143 MOD1K 178 MODIS 178 Monitoring 28f., 48, 97, 115, 130ff., 178, 182, 185 Multispektral 32ff., 38, 58, 76 MURBANDY 178 Nachverdichtung 50, 54f. Nadir 110 Nahwärme 163ff. National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) 35ff., 62f., 181 Navigation 68, 104, 111, 124 Normalized Difference Vegetation Index (NDVI) 63, 70, 172 Nutzergenauigkeit 46, 73 Oberflächenmaterial 13, 33, 76ff., 88, 101f., 170ff. Obersendling 59, 91, 146f. Objektorientiert 34, 49, 68, 97, 100f., 144 Oktoberfest 13, 118ff., 123ff. OpenStreetMap 69 Ostbahnhof 70f., 79f., 88f., 90, 99f. Ostfriedhof 59, 88, 99f. Pan-Sharpening 32 Parkplatz 89, 107 Parkraumüberwachung 112 Patch 52f. Pendler 20, 113 Perspektive München 15, 20ff., 26 Photovoltaik 83f. Pixel (Picture Element) 35f., 39, 46ff., 58, 60, 68, 77ff., 97, 108, 116, 120, 124ff. Polarisation 33, 40f. Predicted Mean Vote (PMV) 170, 173f. Prozessierungskette 67, 122 Querschnittanalyse 135 QuickBird 32, 38, 67, 76, 107f. Radar 31ff., 40, 45ff., 123ff., 128 RADARSAT 41 Radarsignatur 123, 128
191
Ramersdorf-Perlach 88, 146f. RapidEye 38, 76 Rasterdaten 26f. Rathaus 105 Raum (städtischer) 66f., 74, 82, 96, 144 -analytik 130 -bezogene Analysen 27, 44f., 53, 66, 129 -beobachtung 131f., 134, 139f. -bezogenes Auskunftssystem 27 -ordnung 17, 27, 86f., 132, 143, 155 räumliche Anordnung 38, 44, 51f., 66, 74, 76, 166, 170 räumliche Maße 51ff., 74, 92, 138 REFINA 28, 134 Reflexion 31ff., 76f., 83f., 172 Regionalplan 92 Regionalplanung 13, 17, 56, 130, 185 Region-growing 70 Reisezeit 13, 107, 112ff. Ressourceneffizienz 28 Risiko 14, 68, 154, 176f. Satellit 27, 31, 35ff., 48, 58ff., 95, 97, 107, 110, 124f., 128, 153, 178, 181 Schrumpfung 16 Schwadbreite 36, 45 Segment 34, 68, 70, 114 Segmentierung 68ff., 156 Semiglobal-Matching-Algorithmus 104 Sensitivitätsanalyse 15, 28f. Shuttle Radar Topography Mission (SRTM) 41f., 124 Siedlungsentwicklung 17, 19, 21, 26, 28, 44, 54, 58, 131, 133, 143, 185 Siedlungsleitbild 22 Siedlungstypologie 28 Siedlungs- und Verkehrsfläche 58, 131ff. Solar -energie 86, 104 -flächen 82ff. -zellen 83ff. Sozialgerechte Bodennutzung 16, 22 Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) 153ff. Sozialwissenschaften 153ff. Spektrale Signaturen/spektrale Signale 31, 34, 77, 82 Spektralkanal 32ff., 97 Split-Window-Methode 63 SPOT 38, 95, 178f. Stadt -entwicklung 13, 15ff., 27ff., 50, 129, 135, 181, 185 -entwicklungskonzept 15, 20ff., 135f. -grundkarte 26f., 96 -grundriss 19 -klima 44, 62, 82, 135ff., 170ff. -modell 13, 66ff., 90, 97ff., 134ff., 144ff., 153, 156ff., 163f., 175f., 179
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Register
-planung 11ff., 17ff., 44, 65, 74, 76, 82, 86, 94, 104, 106 -region 11, 16f., 21, 29, 60 -sanierung 20 -struktur/-typ 13, 29, 34, 66, 72ff., 80, 82, 93ff., 131f., 145, 157, 164ff., 185 -teilzentrum 25f. -umbau 16, 22, 25f. -wachstum 15ff., 50, 54ff., 177, 185 Städtebaulicher Vertrag 16, 22, 29 Städtische/urbane Objekte 44, 76ff., 98, 170ff., 176 Staffelbauordnung 19 Standort- und Wirtschaftsförderung 17, 105, 177 Stau 20, 106f., 112 Strategisches Flächenmanagement 15ff., 29 Struktur 11ff., 15, 17, 29, 34ff., 47, 51, 56, 59, 61, 65ff., 80, 87ff., 94f., 98ff., 123ff., 129, 144, 155, 162ff., 177, 185 Strukturtypen (siehe: Stadtstrukturtyp) Subpixelinformation 80 Suburbanisierung 16, 20, 44 Synthetic Aperture Radar (SAR) 33 TanDEM-X 41 TeleAtlas 179 Temperatur 62ff., 137, 170ff. -karte 63 TerraSAR-X 40f., 45ff., 123ff. Textur 46f., 97, 105, 120, 144 Thematische Karte 45, 47, 76 Theresienwiese 50, 90, 126f., 169 Topographie 41f. Tourismus 104f., 177 Trägerfrequenz 33 Trajektorie 117, 119 Transdisziplinär 175, 177, 181f., 186 Überbauungsgrad 136ff. Ultracam 104 Umstrukturierung 20, 22f., 26
Umweltprüfung 15, 28f. UN-Habitat 181 Urban-Age-Netzwerk 181 Urban Environmental Monitoring Project (UEM) 178 Urbaner Fußabdruck 13, 46, 50f., 55f., 135, 178 Urban Sprawl 131 UTM 125 Varianz 120, 122, 160f. V getationsanteil 13, 70, 87, 89, 98, 101, 136ff., 164 Ve Vegetationsgrad 88, 90, 92 Vektor 27, 121f. Vektordaten 26f. Veränderungsanalyse 13, 48ff., 53, 61 Verkehr(s) 11ff., 106ff. -aufkommen 110, 114, 177, 185 -dichte 107, 113, 115 -erfassung 106f. -fluss 106f., 115, 176 -monitoring 40 -planung 105, 112, 115 Versiegelung 13, 55, 58ff., 61, 82, 86, 132 Versiegelungsgrad 28, 58ff., 70, 87ff., 136ff., 172 Vulnerabilität 15, 28f., 68, 144, 151, 175f. Wärmeinsel 65, 170, 177 Wärmeleitfähigkeit 171 Wärmenetz 13, 162ff. Wärmeversorgung 163 Wellenlänge 33, 172 Wind 28, 62, 137, 170ff. Wirtschaftsplan 19 WorldView 32, 38, 107 X-Band 34, 41 Zeitliche Veränderung 52, 68, 126 Zersiedlung 44, 50, 53 Zielcontrolling 92, 130ff., 139 Zonenmodell 135f.