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German Pages 450 [451] Year 2014
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) Tobias Nicklas (Regensburg)
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Ferdinand Christian Baur und die Geschichte des frühen Christentums herausgegeben von
Martin Bauspieß, Christof Landmesser und David Lincicum
Mohr Siebeck
Martin Bauspiess, geboren 1977; 2005–2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neues Testament an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 2006–2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neues Testament an der Eberhard Karls Universität Tübingen; 2011–2014 Vikar in Nürtingen; seit 2014 Pfarrer in Unterhausen und Honau. Christof Landmesser, geboren 1959; 2003–2006 Universitätsprofessor für Neues Testament an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; seit 2006 Universitätsprofessor für Neues Testament an der Eberhard Karls Universität Tübingen; Vorsitzender des Vorstands der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie e.V. David Lincicum, geboren 1979; 2009 D.Phil., Oxford; seit 2012 Associate Professor of New Testament Studies in Oxford und Caird Fellow für Theologie am Mansfield College.
e-ISBN PDF 978-3-16-153168-2 ISBN 978-3-16-150809-7 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb. de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Ferdinand Christian Baur (1792–1860) kann als einer der entscheidenden Impulsgeber für die Ausbildung der historisch-kritischen Forschung im 19. Jahrhundert gelten. Baurs wesentlicher und bis heute relevanter Beitrag zur Theologiegeschichte lässt sich darin sehen, dass er einen systematisch reflektierten Zugang zur Geschichte entwickelte und diesen in eine ganz bestimmte Methodik umzusetzen wusste. Diese Beobachtung überwiegt aus heutiger Sicht gegenüber den konkreten materialen Ergebnissen, die Baur in seinen Forschungen erzielte, und die vielfach als überholt gelten. Baur gehört zu jenen Theologen des 19. Jahrhunderts, die die spätestens seit der Aufklärung für die Theologie unhintergehbar gewordene Herausforderung der historischen Betrachtung des Christentums bewusst aufnahmen und auf ihre Weise bearbeiteten. Heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts steht die Frage nach der Geschichte in gewisser Weise wieder neu zur Verhandlung. Es ist deutlich geworden, dass geschichtshermeneutische und methodische Fragen zwar voneinander zu unterscheiden sind, nicht aber voneinander getrennt werden können. Gerade diesen Zusammenhang zwischen Geschichtsphilosophie und Methodik hatte Baur bereits im Blick. Es legt sich deshalb nahe, im Horizont gegenwärtiger Fragestellungen auch nach dem Beitrag Baurs zu fragen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass eine Rekonstruktion des Denkens Baurs nicht allein aufgrund der grundsätzlichen Erklärungen, die er etwa in den diversen Vorworten zu seinen Einzelveröffentlichungen abgegeben hat, vorgenommen werden kann. Denn Baur entwickelte seine Konzeption in der konkreten Arbeit am historischen Detail. Dieses Vorgehen kann den Zugang zu Baurs Denken durchaus erschweren. Wer seinem Denken auf die Spur kommen möchte, hat sich durch lange und manchmal auch langatmige Abhandlungen hindurchzuarbeiten. Es gibt inzwischen eine Fülle von Überblicksdarstellungen zu Baurs Denken. Der Beitrag der Aufsätze dieses Bandes ist demgegenüber darin zu sehen, das Denken Baurs von verschiedenen Seiten zu beleuchten und dabei ganz konkrete Zugänge über die Rekonstruktion seiner Untersuchungen zu bestimmten Forschungsfeldern zu eröffnen. Gegenwärtige Fragestellungen klingen dabei implizit und explizit zuweilen an, sie treten immer wieder aber auch zurück hinter der Darstellung der Sicht Baurs auf seinen Gegenstand. So soll dieser Aufsatzband in seiner Vielfältigkeit unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten für die Beschäftigung mit Ferdinand
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Martin Bauspieß / Christof Landmesser / David Lincicum
Christian Baur bieten, von denen aus die Leserin und der Leser dann selbst fragen kann, welchen Beitrag Baur für heutige Diskussionen bieten könnte. Auch wenn Baur seiner Profession nach seit 1827 für Kirchen- und Dogmengeschichte insgesamt zuständig war, so konzentrieren sich viele seiner Beiträge auf den Bereich des frühen Christentums und des Neuen Testaments. Auf diesem Themenbereich liegt der Fokus der meisten Beiträge dieses Bandes. Der Themenvielfalt von Baurs Werk wird aber dadurch Rechnung getragen, dass neben Neutestamentlern und Kirchengeschichtlern auch Systematische und Praktische Theologen zu Wort kommen, die je aus ihrer Perspektive einen Bereich des Denkens Baurs beleuchten. Dieses Denken entwickelte Ferdinand Christian Baur in der Aufnahme und Abgrenzung von bestimmten Konzeptionen. Drei solcher Konstellationen kommen im ersten Teil des Aufsatzbandes in den Blick: Ulrich Köpf beleuchtet noch einmal das facettenreiche Verhältnis zwischen Baur und seinem Schüler aus Blaubeurener Zeit, David Friedrich Strauß (1808–1874). Es wird deutlich, dass neben inhaltlichen Abgrenzungen auch das persönliche Verhältnis zwischen beiden nicht unproblematisch war, wie die unterschiedlichen Akzentuierungen, die Baur gegenüber Strauß vornimmt, erkennen lassen. Notger Slenzka erinnert an Baurs kontroverstheologische Auseinandersetzung mit Johann Adam Möhler (1796–1838) vor dem Hintergrund eines gegenwärtigen Verständnisses dessen, was als protestantisches Proprium gelten könnte, indem die ekklesiologischen Implikationen der formulierten Positionen durchsichtig gemacht werden. Martin Wendte stellt Baur schließlich als einen „historisch informierten Idealist eigener Art“ vor und stellt die Frage nach den Beziehungen des Baurschen Denkens zum Idealismus und speziell zur Philosophie Georg Friedrich Wilhelm Hegels (1770–1831). Der Hauptteil des Bandes widmet sich der Rekonstruktion der Beiträge Baurs zu bestimmten Forschungsfeldern. David Lincicum untersucht Baurs Konzeption der neutestamentlichen Einleitungswissenschaft als „Kritik des Kanons“ und bietet einige Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Diskussion um die Einleitungsfragen zum Neuen Testament im Gespräch mit Baur. Anders Gerdmar unterzieht Baurs umstrittene Rekonstruktion der frühchristlichen Bewegung einer eingehenden Prüfung, indem er das Ausmaß aufzeigt, in dem seine Theorie von einer angenommenen Kluft zwischen Judentum und Hellenismus und einer tendenziösen Lesart der „Hebräer“ und der „Hellenisten“ in der Apostelgeschichte abhängig ist. Volker Henning Drecoll wendet sich in seinem Beitrag Baurs Gnosis-Darstellung zu und stellt diese in den Kontext der zeitgenössischen Religionsphilosophie. Hier wird an der Betrachtung eines konkreten Phänomens deutlich, welche philosophischen und geschichtstheoretischen Implikationen die historische Arbeit Baurs hat. Christof Landmesser rekonstruiert Baurs Paulus-Verständnis vor dem Hintergrund
Vorwort
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seiner methodisch reflektierten historisch-kritischen Arbeit an den neutestamentlichen Texten. Exemplarisch wird dabei erkennbar, dass die Arbeit am historischen und exegetischen Detail für Baur immer mit einem in der eigenen Gegenwart liegenden Interesse verbunden ist. Martin Bauspieß bietet einen Überblick zu Baurs Sicht der synoptischen Evangelien und zeigt dabei auf, wie sich der Entwicklungsprozess der synoptischen Tradition für Baur darstellt. Der Anspruch, den Baur für seine historische Arbeit stellt, zeigt sich hier in dem Bemühen, anhand der Ursprünge der synoptischen Tradition beim historischen Jesus selbst das „Wesen des Urchristentums“ aufzuspüren. Jörg Frey widmet sich Baur als Johannes-Forscher und stellt seinen Beitrag im Kontext der Forschungsgeschichte zum Johannesevangelium dar. Hier klingt die Frage an, inwieweit Baurs systematisches Denken dem historischen Detail gerecht zu werden vermag. Robert Morgan stellt Baurs Theologie des Neuen Testaments als eine historisch-kritische Rekonstruktion vor, die die ethisch geprägte Religion Jesu zu ihrer Grundlage hat und gleichzeitig beabsichtigt, eine bleibende religiöse Wahrheit zum Ausdruck zu bringen, was vor dem Hintergrund von Baurs Geschichtsphilosophie zu verstehen ist. Stefan Alkier formuliert „theologiegeschichtliche Anmerkungen zur Wunderkritik Ferdinand Christian Baurs“. In der Auseinandersetzung mit Baur begründet Alkier seine Forderung nach einem „komplexeren Verständnis von Realität“ im Vergleich zu den Konzeptionen des Naturalismus und des Supranaturalismus. Indem er Baur im Kontext des europäischen Historismus betrachtet, schlägt Johannes Zachhuber eine Lesart von Baurs „Christlicher Gnosis“ vor, die auf Spannungen in Baurs Denken hinweist zwischen Baurs Insistieren auf der Objektivität der Geschichte einerseits und einem verborgenen historistischen Relativismus andererseits. Im abschließenden Teil des Bandes werden einige der Wirkungen des Werkes Baurs beleuchtet. James Carleton Paget bietet einen wichtigen Überblick über die Geschichte der Baur-Rezeption in Großbritannien, in dem er zeigt, dass Baur zwar gelegentlich britische Sympathisanten hatte, aufs Ganze gesehen aber kritisch rezipiert wurde, wenn auch nicht immer fair. Daniel Geese sucht nach Gemeinsamkeiten zwischen Baur und Adolf von Harnack (1851–1930), der die von Baur begonnene Erforschung der Dogmengeschichte in seiner Zeit weiterführte. Die Rekonstruktion macht zugleich deutlich, wie unterschiedlich Baur und Harnack ihren Versuch einer „Wesensbestimmung“ des Christentums unternehmen. Birgit Weyel bringt mit der Frage nach dem Verhältnis Baurs zur Praktischen Theologie eine weitere Facette seines Werkes ins Spiel. Sie zeigt auf, wie Baurs Art der Rekonstruktion von Geschichte für das Aufspüren konkret „gelebter Religion“ in ihrem jeweiligen historischen Kontext Impulse geben könnte.
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Martin Bauspieß / Christof Landmesser / David Lincicum
Der vorliegende Band bietet damit ein facettenreiches Bild von Ferdinand Christian Baurs Denken, das zahlreiche Anregungen bieten kann für gegenwärtige Fragestellungen und gleichzeitig dazu animiert, sich auch heute noch mit Ferdinand Christian Baur zu beschäftigen. Gegenwärtige Überlegungen zur historisch-kritischen Methode und ihrem Beitrag zum Verständnis des frühen Christentums und der für die christlichen Tradition grundlegenden Texte des Neuen Testaments sollten an Baurs Impulsen nicht einfach vorbeigehen, wenn sie das bei ihm gebotene Reflexionsniveau nicht unterbieten wollen. Ein herzlicher Dank der Herausgeber gilt der Autorin und den Autoren des Bandes, die sich auf dieses Projekt eingelassen haben. Ein besonderer Dank geht an Herrn Prof. Dr. Jörg Frey, der die Idee eines Aufsatzbandes zu Ferdinand Christian Baur von Anfang an unterstützt und die Aufnahme des Bandes in die Reihe der „Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament“ befürwortet hat. Auch Herrn Dr. Henning Ziebritzki vom Verlag Mohr Siebeck ist zu danken, dass er das Projekt wohlwollend aufgenommen und begleitet hat. Ebenso zu danken ist Herrn Matthias Spitzner für die Betreuung von Seiten des Verlags bei der Erstellung der Druckvorlage. Die „Hilfskräfte“ des Lehrstuhls von Herrn Prof. Dr. Christof Landmesser haben fleißig Korrekturen gelesen, wofür ihnen ebenfalls gedankt sei: Alexander Beyer, Christina Kuß, Nadine Quattlender und Nicole Sieber. Auch Friederike Portenhauser hat uns tatkräftig unterstützt. Raphael Zager hat bei der Erstellung der Register geholfen. Vielen Dank! Ein solcher gilt auch Nicholas Moore für seine Hilfe bei der Vorbereitung der Drucklegung der englischsprachigen Artikel. Tübingen/Oxford im Juli 2014 Martin Bauspieß Christof Landmesser David Lincicum
Inhalt Vorwort ........................................................................................................... V
Anknüpfung und Abgrenzung Ulrich Köpf Ferdinand Christian Baur und David Friedrich Strauß .................................... 3 Notger Slenczka Ethische Urteilsbildung und kirchliches Selbstverständnis. Ferdinand Christian Baurs Deutung des protestantischen Propriums in der Kontroverse mit Johann Adam Möhler als Korrektiv gegenwärtiger Selbstmissverständnisse ......................................................... 53 Martin Wendte Ferdinand Christian Baur: ein historisch informierter Idealist eigener Art ............................................... 75
Historische und exegetische Perspektiven David Lincicum Ferdinand Christian Baur and the Theological Task of New Testament Introduction ..................................................................... 91 Anders Gerdmar Baur and the Creation of the Judaism-Hellenism Dichotomy ..................... 107 Volker Henning Drecoll Ferdinand Christian Baurs Sicht der christlichen Gnosis und der zeitgenössichen Religionsphilosophie ............................................. 129 Christof Landmesser Ferdinand Christian Baur als Paulusinterpret. Die Geschichte, das Absolute und die Freiheit ............................................. 161
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Inhalt
Martin Bauspieß Das Wesen des Urchristentums. Zu Ferdinand Christian Baurs Sicht der synoptischen Evangelien ............................................................... 195 Jörg Frey Ferdinand Christian Baur und die Johannesauslegung ................................. 227 Robert Morgan F. C. Baur’s New Testament Theology ........................................................ 259 Stefan Alkier Wunderglaube als Tor zum Atheismus. Theologiegeschichtliche Anmerkungen zur Wunderkritik Ferdinand Christian Baurs........................ 285 Johannes Zachhuber The Absoluteness of Christianity and the Relativity of All History: Two Strands in Ferdinand Christian Baur’s Thought ................................... 313
Wirkungen James Carleton Paget The Reception of Baur in Britain.................................................................. 335 Daniel Geese Die Aehnlichkeit der beiden Meister. Ferdinand Christian Baur und Adolf von Harnack ....................................... 387 Birgit Weyel Ferdinand Christian Baur und die Praktische Theologie .............................. 405 Autorenverzeichnis ....................................................................................... 425 Stellenregister ............................................................................................... 427 Autorenregister ............................................................................................. 430 Sachregister .................................................................................................. 436
Anknüpfung und Abgrenzung
Ferdinand Christian Baur und David Friedrich Strauß ULRICH KÖPF Rolf Schäfer, dem Lehrer und Freund
1. Einleitung Ferdinand Christian Baur hat sich lange dagegen gesträubt, die durch seine Gegner um die Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts aufgebrachte Rede von einer mit seinem Namen verbundenen „Tübinger Schule“1 zu akzeptieren.2 Die Behauptung des Hannoverschen Hofpredigers Gerhard Uhlhorn, diese Schule sei in Auflösung begriffen,3 gab ihm Anlass, den Schulnamen endlich positiv aufzunehmen und der Schule eine eigene Schrift zu widmen.4 In die kurz vor seinem Tod erschienene Neuauflage dieser Schrift5 fügte er eine längere Fußnote ein, in der er selbst ein Argument für den von Uhlhorn behaupteten „Zersetzungsproceß“ der Schule anführte: „Wo sind denn die, die noch im eigentlichen Sinne die Schule bilden? Welche schmerzlichen Gefühle müßten mich ergreifen, wenn ich von diesem Gesichtspunkt als der Herr des Hauses
1 Vgl. U. KÖPF, Die theologischen Tübinger Schulen, in: ders. (Hg.), Historisch-kritische
Geschichtsbetrachtung. Ferdinand Christian Baur und seine Schüler. 8. Blaubeurer Symposion, Contubernium 40, Sigmaringen 1994, 9–51, bes. 13. 2 Vgl. F.C. BAUR, Paulus, der Apostel Jesu Christi. Sein Leben und Wirken, seine Briefe und seine Lehre. Ein Beitrag zu einer kritischen Geschichte des Urchristenthums, Stuttgart 1845, 2. Aufl. besorgt von Eduard Zeller, Leipzig 1866–1867 (danach im folgenden zitiert), Vorrede zur ersten Auflage, Bd. 1, VI: „Meine Methode der historischen Kritik kann ich als bekannt voraussetzen. Hat man mir ja neuestens sogar die zweideutige Ehre erwiesen, mich den Stifter und Meister einer neuen kritischen Schule zu nennen, eine Ehre, gegen welche ich, auch wenn ich sie ernstlicher nehmen wollte, als sie gemeint ist, nur protestiren könnte.“ 3 G. UHLHORN, Die älteste Kirchengeschichte in der Darstellung der Tübinger Schule. Eine Übersicht, in: JDTh 3 (1858), 280–349, hier 342f. (wieder abgedruckt in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Bd. V: Für und wider die Tübinger Schule, Stuttgart-Bad Cannstatt 1975, 221–291, hier 284f.). 4 F.C. BAUR, Die Tübinger Schule und ihre Stellung zur Gegenwart, Tübingen 1859. 5 „Zweite, neu durchgesehene und mit einigen Zusätzen vermehrte Auflage“, Tübingen 1860 (wieder abgedruckt in: BAUR, Ausgewählte Werke [s. Anm. 3], 293–465).
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Ulrich Köpf
die Häupter meiner Lieben überblicken wollte! Gerade die Besten, die mir Theuersten und Treuesten müßte ich in der Reihe der Meinigen vermissen.“
Anschließend nennt er vier Personen mit Namen, die nach seiner damaligen Meinung diesen engen Kreis ihm Nahestehender bilden: den inzwischen verstorbenen Albert Schwegler, der zuletzt als Herausgeber der aristotelischen Metaphysik und als Bearbeiter der römischen Geschichte tätig gewesen, Eduard Zeller, seinen Schwiegersohn, der aus der Theologie in die Philosophie verdrängt worden, Karl Christian Planck, der Gymnasiallehrer geworden, und Karl Reinhold Köstlin, der als Nachfolger Friedrich Theodor Vischers auf den Tübinger Lehrstuhl für Ästhetik berufen war.6 Diese Äußerung steht in seltsamem Gegensatz zu einer fast gleichzeitigen Aussage Eduard Zellers über die „Tübinger historische Schule“ und die für sie charakteristischen „Forschungen über die Geschichte der christlichen Kirche und insbesondere über ihre Urgeschichte“: „Die Männer, welche in diesen Forschungen seit einem Vierteljahrhundert einen neuen Weg einschlugen, Baur, Strauß und ihre jüngeren Meinungsgenossen sind zunächst, wie gewöhnlich, von den Gegnern unter dem Namen der ,Tübinger Schule‘ zusammengefaßt worden.“7 Auch wenn man in Rechnung stellt, dass sich der mit Strauß wie mit Baur befreundete Zeller um Ausgleich der Spannungen zwischen beiden bemühte, lässt sich sein Zeugnis für das zwischen ihnen bestehende Lehrer-SchülerVerhältnis nicht übergehen. Vor allem aber hat auch Baur selbst bereits 1849 in seiner Darstellung der jüngsten Fakultätsgeschichte öffentlich von Strauß als einem Repetenten gesprochen, „welcher schon vom Seminar in Blaubeuren her und sodann in Tübingen ein Schüler BaurҲs auch damals [zur Zeit des Erscheinens des „Leben Jesu“, U.K.] in freundschaftlichem Verkehr mit ihm stand“.8 Man geht also keineswegs von anachronistischen Vorstellungen aus, wenn man in Baurs Aufzählung den Namen von David Friedrich Strauß vermisst, der nach seiner ganzen Entwicklung, nach Inhalt und kritischer Ausrichtung seiner theologischen Schriften und auch im Blick auf seine Verdrängung aus der akademischen Theologie ohne Zweifel hierher gehört hätte. Dass der Lehrer ihn einfach übergeht, weist vielmehr auf eine tiefgehende Störung im Verhältnis zu seinem berühmtesten Schüler hin. Diese Störung hatte ihre Geschichte. Sie wurde bereits früh von den beiden Beteiligten und von ihren 6 BAUR, Die Tübinger Schule (s. Anm. 5), 58f. (Ausgewählte Werke, 352f.), Anm. 1. 7 E. ZELLER, Die Tübinger historische Schule, in: Historische Zeitschrift 4 (1860), 90– 173, hier 91. Im Wiederabdruck in: DERS., Vorträge und Abhandlungen geschichtlichen
Inhalts, Leipzig 1865, 267–353, fehlen die den Erstdruck einleitenden Seiten 90–93. 8 F.C. BAUR, Die evangelisch-theologische Fakultät vom Jahr 1812 bis 1848, in: K. KLÜPFEL, Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen (DERS./M. EIFERT, Geschichte und Beschreibung der Stadt und Universität Tübingen, Abt. 2), Tübingen 1849, 389– 428, hier 411.
Ferdinand Christian Baur und David Friedrich Strauß
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Freunden erkannt, ausgiebig erörtert und auch später wiederholt untersucht.9 Wenn sie hier erneut dargestellt wird, dann in der Absicht, sie als Geschichte eines sehr persönlichen Lehrer-Schüler-Verhältnisses zu betrachten, in dem sich zugleich die Spannung zwischen zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen auf dem Boden derselben wissenschaftlichen Grundhaltung widerspiegelt.10
2. Baur als Lehrer in Blaubeuren und Tübingen Der 1808 geborene David Friedrich Strauß wurde zum Schüler des sechzehn Jahre älteren Ferdinand Christian Baur bereits während seines Aufenthalts am niederen Seminar in Blaubeuren vom 21. Oktober 1821 bis zum 27. September 1825. In der Biographie seines frühverstorbenen Freundes Christian Märklin hat Strauß das „Klosterleben“ in dem ehemaligen Benediktinerkloster anschaulich geschildert; dieser autobiographische Bericht wurde von der Forschung immer wieder als Quelle ersten Ranges ausgebeutet.11 Strauß charakterisiert Baur hier im Vergleich mit seinem Kollegen, dem zwei Jahre älteren Friedrich Heinrich Kern (1790–1842), eindeutig positiv. Seit ihrer gemeinsamen Repetentenzeit am Tübinger Stift waren Baur und Kern befreundet; 1817 wurden sie gleichzeitig zu Professoren in Blaubeuren und 1826 zu Professoren an der Tübinger Theologischen Fakultät ernannt. Hier konnte Baur allerdings nicht sicher auf die Unterstützung seines Kollegen rechnen; als er sich etwa 1839 für die Berufung Märklins auf eine freigewordene Professur an der 9 Sie spielt eine wichtige Rolle in der noch immer grundlegenden Biographie: T. ZIEGLER, David Friedrich Strauß, 2 Bde., Straßburg 1908. Vgl. ferner: W. LANG, Baur und Strauß, in: Im neuen Reich 4 (1874), Bd. 1, 841–861; mit Änderungen wieder abgedruckt in: DERS., Von und aus Schwaben, 3. Heft, Stuttgart 1886, 1–31; DERS., Ferdinand Baur und David Friedrich Strauß, in: PrJ 160 (1915), 474–504; 161 (1915), 123–144; A. RAPP, Baur und Strauß in ihrer Stellung zueinander und zum Christentum, in: BWKG 52 (1952), 95–149; DERS., Baur und Strauß, in: BWKG 54 (1954), 182–186; E. BARNIKOL, Das ideengeschichtliche Erbe HEGELs bei und seit STRAUSS und BAUR im 19. Jahrhundert, in: WZ(H).GS X/1, 281–328; DERS., Der Briefwechsel zwischen Strauß und Baur. Ein quellenmäßiger Beitrag zur Strauß-Baur-Forschung, in: ZKG 73 (1962), 74–125. Für Strauß ist daneben noch immer die unkritische Ausgabe unentbehrlich: Ausgewählte Briefe von David Friedrich Strauß, hg. und erläutert von Eduard Zeller, Bonn 1895. Eine neue Edition von Baurs Briefwechsel ist bisher über den ersten Band nicht hinausgelangt: F.C. BAUR, Die frühen Briefe (1814–1835), hg. von Carl E. Hester, Contubernium 38, Sigmaringen 1993. 10 Die folgende Darstellung beruht weitestgehend auf Quellen; allerdings musste ich aus Rücksicht auf die mir zur Verfügung stehende Zeit und auf den begrenzten Umfang des Beitrags auf die Heranziehung ungedruckter Quellen verzichten. 11 D.F. STRAUSS, Christian Märklin. Ein Lebens- und Charakterbild aus der Gegenwart, Mannheim 1841, 13–27.
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Ulrich Köpf
Fakultät einsetzte, ließ ihn Kern im Stich.12 Aus späterer Sicht erinnerte sich Strauß an gewisse Schwächen, die bereits in Blaubeuren zu erkennen waren: „Denn ein solches Paar von Männern, wie unsere Lehrer Kern und Baur, jeder so trefflich für sich selbst, und überdieß so schön sich ergänzend, mag wohl selten an einer Anstalt sich zusammenfinden. Von beiden hat Baur in erweitertem Wirkungskreise, als akademischer Lehrer und Schriftsteller, verdienten Ruhm erlangt; Kern zeigte sich der höheren Stellung, die ihm mit dem bisherigen Collegen und Freunde angewiesen wurde, nicht gewachsen [...].“13
Zwar schien ihm Kern in Blaubeuren „ein vortrefflicher Lehrer“.14 Doch betont er, Baurs Leben sei „ganz in der Wissenschaft“ aufgegangen, „er kannte außer seinen Studien kaum einen Genuß, und ist in dieser Beziehung uns [...] ein Ideal geblieben“. Dagegen war Kern „eine weichere, bequemere Natur“; „dabei war er aber leichter durch den Schein einzunehmen und reizbarer, begünstigte oder drückte nicht selten [...]; während Baur immer und überall gerecht und unparteiisch“, freilich in der Beurteilung jugendlichen Leichtsinns „bisweilen zu schroff war“.15 Kern behandelte in Blaubeuren die antike Dichtung sowie das Hebräische, Psalmen und Propheten; Strauß nennt seine Behandlung „eine im besten Sinne geschmackvolle“.16 Baur hatte in Blaubeuren griechische und römische Prosa, dazu alte Geschichte und Mythologie zu lehren. Aus seinem Unterricht gewann Strauß neben vielem anderen ein Zweifaches, das später für seine Arbeit wichtig wurde. Zum einen erwähnt er, Baur habe „bei Livius in die Probleme der Niebuhrތschen Geschichtskritik“ eingeführt. Grundlage dafür war das Werk, in dem der dänische Finanzmann Barthold Georg Niebuhr (1776–1831) seine 1810/11 in Berlin gehaltenen Vorlesungen über die Römische Geschichte veröffentlicht hatte.17 Darin hatte er erstmals die Geschichtsschreibung über die Frühzeit Roms einer Kritik unterzogen, die sich freilich nicht in der Widerlegung der Überlieferung erschöpfte, sondern auf ein neues, kritisch gereinigtes Bild des Geschehenen abzielte. Baur lernte hier eine Unterscheidung zwischen dem bloßen Kritiker und dem Historiker kennen, die später für sein Verhältnis zu Strauß grundlegende Bedeutung gewinnen sollte.18 Zum andern hielt er vor Strauß und seiner Promotion in den Jahren 1824 12 Genaueres bei U. KÖPF, Christian Märklin und der württembergische Pietismus, in: ders. (Hg.), Historisch-kritische Geschichtsbetrachtung (s. Anm. 1), 165–208. 13 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 17. 14 Ebd. 15 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 18f. 16 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 18. 17 B.G. NIEBUHR, Römische Geschichte, 2 Bde., Berlin 1811/12. 18 NIEBUHR, Römische Geschichte (s. Anm. 17), IXf.: „Die Geschichte der vier ersten Jahrhunderte Roms ist anerkannt ungewiß und verfälscht. [...] Wir müssen uns bemühen Gedicht und Verfälschung zu scheiden, und den Blick anstrengen um die Züge der Wahrheit,
Ferdinand Christian Baur und David Friedrich Strauß
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und 1825 einen regelrechten Unterricht in Mythologie, wie das Blaubeurer „Diarium“ bezeugt.19 In seiner Märklin-Biographie berichtet Strauß, Baur habe „bei Herodot uns in die höhere Mythologie“ eingeführt,20 und die Lehrer hätten ihre Schüler „gleichsam an ihren Entdeckungsreisen theilnehmen“ lassen, „Baur insbesondere an seiner mythologischen, die er damals noch ohne rechten Kompaß anstellte, doch aber auf derselben schon manche der Küsten streifte, von denen er nachher, bei geregelterer Fahrt, so reichen, bleibenden Ertrag für die deutsche Wissenschaft heimgebracht hat.“21 Offenbar erlebten die Schüler unmittelbar mit, wie Baurs erstes großes Buch entstand.22 Wieviel er davon im Unterricht vortrug, wissen wir nicht und können auch nur einzelnes daraus fassen. So scheint er Dschemschid, eine Gestalt der persischen Religionsgeschichte, die ihm aus Creuzers „Symbolik und Mythologie“ bekannt war,23 so eindrucksvoll dargestellt zu haben, dass die Schüler dem Lehrer diesen Namen als Necknamen beilegten. Dschemschid, auch Mithras (persisch: Mitra), war „der erste Stifter der Landescultur“, der „mit seinem goldenen Dolch das Erdreich spaltete“.24 „Nach den Zendbüchern ist Dschemschid ein reiner Bewahrer des Gesezes, aber nach dem Schahnameh trübte schon Dschemschid die Reinheit des alten reinen Feuerdienstes [...].“25 Anlässlich der dritten Heirat des Blaubeurer Ephorus Jeremias Friedrich Reuß schrieb Strauß im Januar und Februar 1826 eine humoristische „romantische National-Tragödie“ mit dem Titel „Zauberei und Spengler“.26 Darin trat Baur als befreyt von jenen Übertünchungen, zu erkennen. Jenes, die Trennung der Fabel, die Zerstörung des Betrugs, mag dem Kritiker genügen: er will nur eine täuschende Geschichte enthüllen, und er ist zufrieden einzelne Vermuthungen aufzustellen, während der größere Theil des Ganzen in Trümmern bleibt. Der Historiker aber bedarf Positives: er muß wenigstens mit Wahrscheinlichkeit Zusammenhang, und eine glaublichere Erzählung an der Stelle derjenigen entdecken welche er seiner Überzeugung aufopfert.“ 19 G. MÜLLER, Identität und Immanenz. Zur Genese der Theologie von David Friedrich Strauß. Eine theologie- und philosophiegeschichtliche Studie, Basler Studien zur historischen und systematischen Theologie 10, Zürich 1968, 176: „Nach Auskunft des ,Diariums ދbegann er am 2. Januar 1824 mit einem einstündigen (bisweilen auch zweistündig erteilten) Unterricht über ,Mythologieދ, den er das ganze Jahr über bis zum letzten Schultag der Promotion in Blaubeuren, dem 23. September 1825, fortsetzte.“ 20 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 17. Gelegenheit dazu gaben die ethnographischen Exkurse Herodots mit ihren Ausführungen über die Religion. 21 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 18. 22 F.C. BAUR, Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Alterthums, 2 Teile in 3 Bdn., Stuttgart 1824/25. 23 G.F. CREUZER, Symbolik und Mythologie der alten Völker besonders der Griechen, 4 Teile, Leipzig/Darmstadt 1810/12. Über Dschemschid vgl. bes. 2. Theil, 1811, 210, 252–255; 4. Theil, 1812, 67f.; 76. 24 BAUR, Symbolik und Mythologie (s. Anm. 22), Bd. 1, 230. 25 BAUR, Symbolik und Mythologie (s. Anm. 22), Bd. 1, 324. 26 MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19), 279–310.
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unbeholfener Zeremonienmeister27 Dschemschid auf, der sich nur in stockender Rede äußern konnte.28 Noch zehn Jahre später erinnerte sich Friedrich Theodor Vischer, Mitschüler und Freund von Strauß,29 bei der Schilderung seiner eigenen Habilitations-Disputation an die komische Rolle des Lehrers in dem Schauspiel.30 Ein weiterer Begriff aus der persischen Religion, der hier begegnet und offenbar großen Eindruck auf die Schüler machte, ist der des „Ferver“.31 Von Baur hatten sie erfahren, dass die dritte Gruppe von Geistern in „Ormuzdތs Lichtreich“ aus „unzählichen Fervers“ bestehe.32 – Ob Strauß bereits als Schüler Baurs Werk las, wissen wir nicht; doch gehörte es zu der Literatur, die er selbst besaß und die sein Studium begleitete.33 Während die Blaubeurer Schüler Baurs und Kerns bereits zum Wintersemester 1825/26 an das Tübinger Stift wechselten, um hier – wie üblich – zunächst zwei Jahre hindurch „philosophische“ Studien zu treiben, folgten die beiden Lehrer erst zum Wintersemester 1826/27. Zum Pensum der ersten beiden Jahre gehörten „außer der Philosophie im engern Sinne, Philologie und Geschichte“34 auch Mathematik, Geographie, Astronomie u.ä.35 Tatsächlich handelte es sich dabei um den Rest des artistischen Studiums, das an den abendländischen Universitäten seit dem 13. Jahrhundert dem Theologiestudi27 MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19), 284 – zugleich ein Hinweis auf die hochgewachsene Gestalt des Lehrers: „Baur mit die lange Bein / Muß Ceremonienmeister sein“. S. 291 wird Dschemschid ausdrücklich mit „Prof. Baur“ identifiziert. 28 MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19), 290f. zur Königin: „Ihr majestätischer Gemahl – Die Liebe – [...] Die Ceremonien - - - [...] Sonst weiß – ich heute nichts. ([...] Dschemschid setzt sich ermattet, Schweiß abtrocknend, einer Ohnmacht nahe, auf einen Stein am Grabe und seufzt): Gott sei mir gnädig!“ 29 F. SCHLAWE, Friedrich Theodor Vischer, Stuttgart 1959; vgl. auch U. KÖPF, Friedrich Theodor Vischers Verhältnis zu Theologie und Kirche, in: Friedrich Theodor Vischer. Leben – Werk – Wirkung, hg. von B. Potthast/A. Reck, Heidelberg 2011, 67–78. 30 Vischer an Strauß, 3. Dezember 1836 (Briefwechsel zwischen Strauß und Vischer, hg. von A. Rapp, 2 Bde. [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft 18/19], Stuttgart 1952/53, Bd. 1, 23): „[G]anz schön war Baur, nicht anders wie in ,Zauberei und Spenglerދ. Er hatte mir das Opponieren zwar abgeschlagen, übrigens verstand ich ihn so, er wolle mir wenigstens eine Begrüßung gestatten. Er hatte es aber anders gemeint und kam auf nichts gefaßt im Flauß, und setzte sich unter Nichtkombattanten in der Tiefe des Saals behaglich nieder, als ich ihn plötzlich aufrief. Er soll seinem Nebenmann ins Ohr gesagt haben: ,was sagt er? ދMan machte ihm feierlich Platz, und in einem Meer von Verlegenheit sagte er: Sie – verzeihen – ich – bin nicht – vorbereitet – etc. etc., kurz: reiner Dschemschid.“ 31 Zauberei und Spengler, bei MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19), 306: „Das Bild dort ist, ich habތs genau betrachtet,/ nichts als der Ferver [...]. Denn jedes gute Ding hat seinen Ferver/ [...].“ 32 Vgl. BAUR, Symbolik und Mythologie (s. Anm. 22), Teil 2/1, 21. AaO., 25: „Sie sind seit Urbeginn da, und alles was in der Zeit geschaffen worden ist, hat einen Ferver.“ 33 Strauß an Baur, 1. Mai 1836 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 82). 34 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 31. 35 MÜLLER, Identität und Immanenz (wie Anm. 19), 266f.
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um voranging. Vom Winterhalbjahr 1828/29 bis zum Sommerhalbjahr 1830 hörte Strauß theologische Vorlesungen, auch bei den ehemaligen Blaubeurer Lehrern Baur und Kern.36 In seiner Märklin-Biographie schreibt Strauß über den Beginn ihrer Lehrtätigkeit im Herbst 1826: „Von diesem Tage an schwand die alte, von Storr ausgegangene Tübinger Schule sichtlich dahin und ging später mit Steudel zu Grabe, während mit Baur und seinen Jüngern eine neue, wissenschaftlich ungleich bedeutendere, Tübinger Schule erwuchs.“37 Doch fällte er damit im Rückblick ein Urteil, das eine längere Entwicklung zusammenfasst. In den ersten beiden theologischen Semestern hörte Strauß jedoch noch nicht bei Baur, sondern bei Kern ohne große Begeisterung Synoptiker38 und bei Johann Christian Friedrich Steudel geradezu mit Abneigung Apologetik und Alttestamentliche Theologie.39 Erst in den letzten vier Semestern besuchte er Baurs Vorlesungen über Dogmengeschichte, Kirchengeschichte und Symbolik, über die Apostelgeschichte und die Korintherbriefe.40 Daneben musste er aber auch noch bei dem ungeliebten Christian Friedrich Schmid41 drei Semester hindurch Moral sowie Homiletik und Katechetik belegen.42 Strauß lernte also mit Steudel und Schmid noch die letzten Vertreter des Tübinger Supranaturalismus kennen. Über die Unfähigkeit Kerns war er enttäuscht,43 während er bei Baur erlebte, wie der bewunderte Lehrer neue Erkenntnisse erarbeitete und seinen Schülern bereits „ein kritisches Licht, obwohl erst in der Ferne, zeigte“.44 Das weist darauf hin, dass Baur, der einst selbst bei den Vertretern der älteren Tübinger Schule studiert hatte, seine konsequent historisch-kritische Arbeitsweise damals noch nicht voll entwickelt und auch noch nicht auf das ganze Gebiet der christlichen Überlieferung ausgedehnt hatte. Seine Antrittsvorlesung widmete er der Gnosis,45 mit der er sich bis zu seiner großen Monographie von 1835 befasste.46 Daneben führte er seine religionsgeschichtlichen Studien fort47 und setzte sich besonders 36 Ebd. 37 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 37. 38 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 41; MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19),
266. 39 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 38f. 40 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 39–41; 51. 41 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 51f. 42 MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19), 266. 43 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 17; 41f. 44 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), 51. 45 F.C. BAUR, Primae Rationalismi et Supranaturalismi historiae capita potiora. Pars I:
De Gnosticorum Christianismo ideali, Tübingen 1827. 46 F.C. BAUR, Die christliche Gnosis oder die christliche Religions-Philosophie in ihrer geschichtlichen Entwiklung, Tübingen 1835. 47 F.C. BAUR, Das manichäische Religionssystem nach den Quellen neu untersucht und entwikelt, Tübingen 1831, und mehrere Aufsätze.
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1833/34 intensiv mit seinem katholischen Kollegen Johann Adam Möhler auseinander.48 Neutestamentlichen Themen wandte er sich seit 182949 nur allmählich zu, wobei die Apostelgeschichte und die Briefliteratur zunächst im Vordergrund standen. Der erste Beitrag, der auf ein neues Gesamtbild der Frühgeschichte des Christentums abzielte, hatte den Gegensatz zweier Parteien in der frühen Christenheit zum Thema.50 Dabei arbeitete er sich auffallend langsam in eine kritische Sicht des Neuen Testaments ein. Eduard Zeller, der von Herbst 1831 bis Sommer 1836 in Tübingen studierte, berichtet im Alter von einem Erlebnis, das er in den Winter 1834/35 datiert. Damals habe er einmal Baur besucht und ihm erzählt, dass ihm „die Darstellung des sogenannten Apostelkonzils im dreizehnten Kapitel der Apostelgeschichte mit der des Paulus im Galaterbrief unvereinbar zu sein scheine“, worauf Baur nach einem Blick in die Texte geantwortet habe, „diese Bemerkung habe sich ihm bis jetzt nicht aufgedrängt, er halte sie aber für wohlbegründet“. Zeller beendet den Bericht mit der Feststellung über Baur: „Seine neutestamentliche Kritik bewegte sich eben damals noch in ihren Anfängen und wagte ihre kühnen Flüge erst nach Jahren, nach dem Erscheinen von Strauß ތLeben Jesu und der Vollendung von Baurs großen dogmengeschichtlichen Arbeiten.“51
3. Straußens wissenschaftliche Anfänge bis zum ersten Zerwürfnis mit Baur (1836) Während seines Vikariats in Kleiningersheim verfasste Strauß im Frühjahr 1831 einen Aufsatz über das vom Besigheimer Dekan gestellte Thema: „Die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge in ihrer religionsgeschichtlichen Entwicklung“,52 den er noch im Oktober desselben Jahres als Dissertation bei der Tübinger Philosophischen Fakultät einreichte.53 Eine wichtige Quelle 48 F.C. BAUR, Der Gegensatz des Katholicismus und Protestantismus nach den Principien und Hauptdogmen der beiden Lehrbegriffe. Mit besonderer Rücksicht auf Herrn D. Möhlerތs Symbolik, TZTh 7, 3–4 (1833), 1–438; separat Tübingen 1834; DERS., Erwiderung auf Herrn Dr. Möhlers neueste Polemik gegen die protestantische Lehre und Kirche, Tübingen 1834. 49 F.C. BAUR, De orationis habitae a Stephano Acta Cap. VII consilio, Tübingen 1829. 50 F.C. BAUR, Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde, der Gegensatz des petrinischen und paulinischen Christenthums in der ältesten Kirche, der Apostel Petrus in Rom, in: Tübinger Zeitschrift für Theologie 1831, H. 4, 61–206; wieder abgedruckt in: DERS., Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Bd. I: Historisch-kritische Untersuchungen zum Neuen Testament, Stuttgart-Bad Cannstatt 1963, 1–146. 51 E. ZELLER, Erinnerungen eines Neunzigjährigen, Stuttgart 1908, 93f. 52 Edition bei MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19), 50–82; über Quellen und Entstehung aaO., 83–89. 53 Zur Promotion MÜLLER, Identität und Immanenz (s. Anm. 19), 119–126.
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dieser Arbeit war Baurs „Symbolik und Mythologie“.54 Der erste Band des „Leben Jesu“, das unter den Augen Baurs entstanden war, erschien im Juni 1835, der zweite mit dem Erscheinungsjahr 1836 noch im November 1835.55 Strauß hatte das Werk mit annähernd 1500 Seiten seit Sommer 1833 binnen eines guten Jahres niedergeschrieben; den Rest der Zeit nahmen Druck und Korrekturen in Anspruch. Den Inhalt des Werks – eine kritische Sichtung der Darstellung des Lebens Jesu in den vier Evangelien nach einzelnen Erzähleinheiten und die weitgehende Destruktion ihrer Geschichtlichkeit unter Anwendung des Mythus-Begriffs – kann und muss ich hier nicht vorstellen. Das „Leben Jesu“ ist zwar ein Beitrag zur neutestamentlichen Wissenschaft; es muss jedoch unter einer weiteren Perspektive gesehen werden. Strauß war kein Neutestamentler im heutigen Sinne; ihn bewegten zunächst systematische Fragen, zu denen er durch seine Erfahrungen in der Gemeinde angeregt wurde.56 Aus seinem Studium der Philosophie Hegels ging ein umfassender Plan hervor, zu „jeder Lehre der christlichen Dogmatik in drei Schritten zuerst die neutestamentliche Vorstellung verständig in Begriffe“ zu fassen, sodann „auf negativ vernünftige Weise“ darin die Widersprüche nachzuweisen und sie dadurch zu vernichten, schließlich die Begriffe „durch das positiv vernünftige Verfahren“ wieder herzustellen.57 Als er von seiner Studienreise nach Berlin zurückkehrte, hatte er dieses umfassende Projekt bereits auf den Entwurf einer Vorlesung über das Leben Jesu reduziert. Auf eine religionsphilosophische Einleitung sollte eine dreigeteilte Abhandlung folgen, die einen „unmittelbar positiven“, traditionellen Teil mit der kirchlichen Vorstellung vom Leben Jesu, einen negativen, kritischen Teil und einen dogmatischen, das von der Kritik Vernichtete wieder herstellenden Teil enthalten sollte.58 In der 1835/36 erschienenen Fassung bietet das „Leben Jesu“ nach einer Einleitung den sorgfältig ausgeführten kritischen Teil dieses Plans mit einer kurzen dogmatischen „Schlussabhandlung“. Es ist übrigens bemerkenswert, wie unbefangen Strauß bei der Skizzierung seines Vorhabens von Anfang an den Begriff „negativ“ gebraucht, während er später stets sehr empfindlich auf die Bezeichnung seines Vorgehens und seiner Ergebnisse durch Baur als „negativ“ reagiert. 54 BAUR, Symbolik und Mythologie (s. Anm. 22), Teil 2/2, 383–454. 55 D.F. STRAUSS, Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet, Tübingen 1835/36. 56 Vgl. U. KÖPF, Der kritische evangelische Theologe David Friedrich Strauß (1808–
1874), in: ThRv 104 (2008), 443–454. 57 Strauß an Ludwig Georgii, 1. Januar 1831 (Briefe von David Friedrich Strauss an L. Georgii, hg. v. H. Maier, Tübingen 1912 [Universität Tübingen. Doktoren-Verzeichnis der Philosophischen Fakultät 1905], Tübingen 1912, 4). 58 Strauß an Märklin, 6. Februar 1832 (hg. von J.F. Sandberger, David Friedrich Strauß als theologischer Hegelianer, SThGG 5, Göttingen 1972, 195f.).
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Wie weit sich Strauß bei der Abfassung dieses Werks als Schüler Baurs empfand, ist schwer zu sagen. Weder hatte Baur bisher eine Vorlesung über die Evangelien gehalten, da dieser Stoff von seinem Kollegen Kern behandelt wurde, noch hatte er eine größere Arbeit darüber publiziert. Die einzige Veröffentlichung des Lehrers, die Strauß im „Leben Jesu“ einmal zitiert, ist Baurs „Symbolik und Mythologie“.59 Allerdings beruft er sich für seine Ausführungen über den Begriff des „Mythus“ nicht auf Baurs grundsätzliche Erörterungen,60 sondern setzt gleich bei der Anwendung des Begriffs auf die Bibel ein, wie er sie bei den Bibelwissenschaftlern Johann Gottfried Eichhorn, Johann Philipp Gabler, Georg Lorenz Bauer und anderen vorfand.61 Doch war die konsequente Anwendung des Mythus-Begriffs auf die Geschichte Jesu über die vorliegenden Ansätze hinaus die selbstständige Leistung von Strauß. Welchen unauslöschlichen Eindruck sein Vorgehen auf die ersten Leser machte, hat Zeller im Alter festgehalten: „Man muß es miterlebt haben, um sich eine ausreichende Vorstellung von dem Eindruck zu machen, den dieses Werk auf die Zeitgenossen, besonders auf die Theologen hervorbrachte, unter die es wie eine Bombe fiel, sie für immer aus der Sorglosigkeit und Vertrauensseligkeit aufschreckend, mit der Männer aller Parteien, Rationalisten wie Supranaturalisten und nicht zum wenigsten die Schüler Schleiermachers und Hegels, fast ohne Ausnahme die evangelischen Erzählungen behandelten. Wir jungen Leute, soweit wir auf der Seite des wissenschaftlichen Fortschritts standen, nahmen für Strauß sofort entschieden Partei [...].“62
Die unmittelbare Folge dieses Buches war freilich, dass Strauß – bereits bevor der erste Band gelesen war, allein auf Grund seiner buchhändlerischen Anzeige in der „Schwäbischen Kronik“ des „Schwäbischen Merkur“ vom 6. Juni 1835 – am 11. Juni vom Königlichen Studienrat in Stuttgart angeklagt und trotz eines ausweichend-abwartenden Votums des Inspektorats des Tübinger Stifts am 28. Juli aus seiner Repetentenstelle entfernt wurde. Dieser Vorgang braucht hier nicht näher dargestellt zu werden.63 Es reicht, daran zu erinnern, 59 STRAUSS, Leben Jesu (s. Anm. 55), Bd. 1, 3 Anm. 2 mit Hinweis auf BAUR, Symbolik und Mythologie (s. Anm. 22), Bd. 1, 343ff. 60 Vgl. STRAUSS, Leben Jesu (s. Anm. 55), Bd. 1, 27–76. 61 Dazu: C. HARTLICH/W. SACHS, Der Ursprung des Mythosbegriffs in der modernen Bibelwissenschaft, Schriften der Studiengemeinschaft der evangelischen Akademien 2, Tübingen 1952. 62 ZELLER, Erinnerungen (s. Anm. 51), 100. 63 Vgl. die Schilderung des als außerordentliches Mitglied des Inspektorats daran beteiligten BAUR, Die evangelisch-theologische Fakultät (s. Anm. 8), 410–414; ausführlicher C. WEIZSÄCKER, David Friedrich Strauß und der Württembergische Kirchendienst, in: JDTh 20 (1875), 641–660, darin 648–653 Strauß ތ$QWZRUW YRP -XOL DQ GHQ 6WXGLHQUDW ZIEGLER, Strauß (s. Anm. 9), 181f.: Paraphrase der Antwort des Inspektorats vom 20. Juni; 183–190: Strauß ތAntwort vom 12. Juli. Dazu ergänzend: F. TRAUB, Die Stiftsakten über David Friedrich Strauß, in: BWKG 27 (1923), 48–64; 28 (1924), 15–22.
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dass er für Strauß bereits das Scheitern einer kirchlichen oder akademischen Laufbahn einleitete. Daneben löste das „Leben Jesu“ eine Welle von Entgegnungen aus. Bereits im Juli 1835 unterzeichnete der Tübinger Theologieprofessor Steudel sein Vorwort zu einem Aufsatz über das „Leben Jesu“ in der „Tübinger Zeitschrift für Theologie“, der sogleich separat abgedruckt wurde.64 Darin bekennt er sich zu einem „Supranaturalismus“, den er „nach Form und Inhalt mit dem Urglauben der Christenheit“ gleichsetzt.65 Im Übrigen tritt er weitschweifig und in einer sehr allgemeinen Weise, die keine nähere Bekanntschaft mit dem „Leben Jesu“ über die „Einleitung“ hinaus verrät, für die Geschichtlichkeit des Jesusbildes, das in den harmonisierend gesehenen Evangelien enthalten sei, und gegen die Verwendung des Mythusbegriffs ein.66 In einleitenden Bemerkungen „über den Stand der Theologie“ spricht er von „einer gewissen Schule“, die mit der rationalistischen auch die supranaturalistische Auffassung des Christentums für veraltet halte.67 Ohne Strauß mit Namen zu nennen, redet er vom „Schüler einer neuen Schule“,68 freilich noch nicht in dem prägnanten Sinn, in dem später die Rede von einer „neuen Tübinger Schule“ üblich wurde,69 sondern in der allgemeinen Bedeutung einer theologischen Richtung. Obwohl Baur einmal als „mein verehrtester Freund und College“ bezeichnet wird,70 konnte er sich durch den Tadel mit angesprochen fühlen. Strauß reagierte heftig und warf Steudel in der bereits im Oktober 1835 unterzeichneten Vorrede zum zweiten Band des „Leben Jesu“ vor, es sei „unschicklich [...], wissenschaftliche Verhandlungen auf das moralische Gebiet hinüberzuspielen, dem Gegner seine Ansichten inތs Gewissen zu schieben, und den Nichtorthodoxen als Irreligiösen zu brandmarken.“71
64 J.C.F. STEUDEL, Vorläufig zu Beherzigendes bei Würdigung der Frage über die histo-
rische oder mythische Grundlage des Lebens Jesu, wie die canonischen Evangelien dieses darstellen, vorgehalten aus dem Bewußtseyn eines Glaubigen, der den Supranaturalisten beigezählt wird, zur Beruhigung der Gemüther, TZTh 1835, 3. Heft, 117–199; separat Tübingen 1835. 65 STEUDEL, Vorläufig zu Beherzigendes (s. Anm. 64), 7. Vgl. 9: „Er ist somit nichts anders als der Glaube selbst, wie er von Anbeginn an in der Christenheit lebte, nur nach Bedürfniß zu einem bestimmten Bewußtseyn seiner guten Begründung als des göttlich beglaubigten gefördert.“ 66 Vgl. eines seiner Argumente STEUDEL, Vorläufig zu Beherzigendes (s. Anm. 64), 45: „Ohne Christus kein Christenthum; eben darum kein Christenthum, das seinen Christus erst hintennach durch Mythen sich gestaltet hätte.“ 67 STEUDEL, Vorläufig zu Beherzigendes (s. Anm. 64), 5. 68 STEUDEL, Vorläufig zu Beherzigendes (s. Anm. 64), 19. 69 Vgl. STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11), oben bei Anm. 37. 70 STEUDEL, Vorläufig zu Beherzigendes (s. Anm. 64), 12 Anm. 71 STRAUSS, Leben Jesu (s. Anm. 55), Bd. 2, VI.
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Bald nach Steudel ließ der Tübinger Philosophieprofessor Carl August Eschenmayer eine Streitschrift unter dem aggressiven Titel „Der Ischariothismus unserer Tage“ ausgehen.72 Im Unterschied zu Steudel setzt er sich mit den exegetischen Ausführungen von Strauß bis zum dritten Kapitel (von acht) des zweiten Abschnitts auseinander. Er nennt häufig den Namen des Verfassers, dem er selbstbewusst entgegentritt: „Ich, als Laie, arbeitete mich in das Evangelium hinein und überzeugte mich immermehr von der factischen Wahrheit desselben [...]. Strauß hingegen, als Theolog, arbeitet sich aus dem Evangelium hinaus und überzeugt sich immermehr von der mythischen Beschaffenheit desselben [...].“73
Das Vorgehen des jungen Autors stellt er in einen „Zug durch alle Jahrhunderte, der immer bemüht ist, durch kritische und dialectische Künste theils die historische Grundlage zu verstümmeln, theils die Würde der Offenbarung zu profaniren, theils die Person des Stifters, nicht wie er sich selbst ankündigt, sondern etwa nach dem Maßstab großer Individuen zu betrachten. Alle diese Widersprüche gegen den klaren Sinn und Buchstaben des Evangeliums kann man füglich unter dem Namen Ischariothismus zusammenfassen.“74
Am Ende schildert er die erschütternde Wirkung des Werks auf die Theologie. „Die dialectische Stratageme sind mancherlei, und die neuere kritische Schule ist wirklich Meisterin darinn geworden. Ihr Vormann ist unstreitig Schleiermacher, aber die Schüler haben bereits ihren Meister übertroffen.“75 Strauß bezeichnete die Schrift als „Ausgeburt der legitimen Ehe zwischen theologischer Ignoranz und religiöser Intoleranz, eingesegnet von einer schlafwandelnden Philosophie“.76 Baur wurde von Eschenmayer nicht erwähnt; aber er musste sich durch dessen Polemik gegen die kritische Richtung ebenfalls getroffen fühlen. 1849 berichtet er im Rückblick auf die Fakultätsgeschichte, dass Strauß „ihm über die Idee seines Werkes und dessen Ausführung schon vor seiner Erscheinung Vieles mitgetheilt hatte.“77 Anscheinend hatte Baur die Pläne seines Schülers nicht getadelt; Strauß konnte also darauf rechnen, der Lehrer werde ihm gegen Angriffe beistehen. Andererseits hatte Baur selbst im Juni 1835 eine neue kritische Abhandlung, nunmehr über die Pastoralbriefe, abge-
72 C.A. VON ESCHENMAYER, Der Ischariothismus unserer Tage. Eine Zugabe zu dem jüngst erschienenen Werke: Das Leben Jesu von Strauß, I. Theil, Tübingen 1835. 73 VON ESCHENMAYER, Der Ischariothismus unserer Tage (s. Anm. 72), VIf. 74 VON ESCHENMAYER, Der Ischariothismus unserer Tage (s. Anm. 72), III. 75 VON ESCHENMAYER, Der Ischariothismus unserer Tage (s. Anm. 72), 103. 76 STRAUSS, Leben Jesu (s. Anm. 55), Bd. 2, VII. 77 BAUR, Die evangelisch-theologische Fakultät (s. Anm. 8), 410.
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schlossen, deren Brisanz ihm bewusst sein musste.78 Anfang August bot er seine Arbeit der Cottaތschen Buchhandlung zum Verlag an.79 Das Buch,80 das er „theils als einen Nachtrag“ zu seiner Schrift über die christliche Gnosis, „theils als einen Beitrag zu der immer noch nicht [...] abzuschließenden Kritik des neutestamentlichen Kanons“ betrachtete,81 dürfte Anfang November ausgeliefert worden sein; denn Strauß bedankte sich bereits am 6. November für die Zusendung und äußerte sich erfreut über ihre Vorrede, „da doch manche in den näher gelegenen Kreisen sie zugleich als ein gelegentliches Votum in meiner Sache ansehen werden.“82 In der Tat hatte Baur sich in seiner Vorrede zu dieser Untersuchung klar vom Pochen auf den „Grundsaz der Auctorität und Stabilität“ distanziert83 und sich zu exegetisch-kritischen Studien auf dem Boden der Altertumswissenschaft bekannt.84 Mit den Ergebnissen seiner Untersuchung, die dem Apostel Paulus die Pastoralbriefe absprach, musste Baur ebenfalls auf heftigen Widerspruch rechnen, wenn auch sein Thema emotional bei weitem nicht so hoch besetzt war wie die Kritik an der Geschichte Jesu. Kurz nach dem Erscheinen seiner Untersuchung wurde Baur zu einer internen Äußerung genötigt. „In Tübingen bestand ein Evangelischer Verein, dem Mitglieder der Fakultät und die Geistlichen der Stadt (wohl auch Laien) angehörten.“85 Sein Vorsitzender Steudel stellte gegen Ende des Jahres die vor allem durch das „Leben Jesu“ veranlasste Frage: „Wie sich der evangel[ische] Christ bei der gegenwärtigen Gefährdung des christ[lichen] Glaubens durch neuere Erscheinungen auf dem Gebiete der Wissenschaft zu verhalten habe, 78 Bezeichnenderweise erwähnt er beide Werke im selben Brief an seinen Bruder Friedrich August Baur, 11. Juni 1835 (BAUR, Briefe [s. Anm. 9], 118,21–25): „Meine Abhandlung über die Pastoralbriefe ist eigentlich schon seit einiger Zeit fertig, ich bin aber aus dieser Veranlassung noch auf andern Scrupel wegen der paul[inischen] Briefe gestoßen. [...] Hast Du auch schon von dem Straußތschen Leben Jesu gehört?“ 79 Baur an die Cottaތsche Buchhandlung, 3./6. August 1835 (aaO., 119). 80 F.C. BAUR, Die sogenannten Pastoralbriefe des Apostels Paulus aufs neue kritisch untersucht, Stuttgart/Tübingen 1835. 81 BAUR, Pastoralbriefe (s. Anm. 80), IIIf. 82 Strauß an Baur, 6. November 1835 (BAUR, Briefe [s. Anm. 9]), 123f., hier 123,20–22). 83 BAUR, Pastoralbriefe (s. Anm. 80), VII. 84 BAUR, Pastoralbriefe (s. Anm. 80), VIII: „So lange die Thatsache nicht geläugnet werden kann, daß die Urkunden des Christenthums Erzeugnisse einer in weiter Ferne hinter uns liegenden Vergangenheit sind, wird es ewig ein eitles Unternehmen seyn, über diese Urkunden anders ins Reine kommen zu wollen, als durch alle jene, so vieles umfassende, Studien, durch welche für uns überhaupt die Kenntniß des Alterthums vermittelt wird, und vor allem durch eine Kritik, die es sich nicht verdrießen läßt, durch die, gleich Trümmern, umherliegenden Ueberreste längst vergangener Jahrhunderte mühevoll und beschwerlich sich hindurchzuarbeiten.“ 85 LANG, Ferdinand Baur und David Friedrich Strauß (s. Anm. 9), 479.
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besonders in der Beziehung, sofern die unter das Volk kommende Kenntniß dieser Erscheinungen den Glauben des Volks zu erschüttern droht?“
Baur antwortete mit einer ausführlichen, ins Grundsätzliche gehenden Stellungnahme.86 Zunächst erörtert er das Verhältnis von Wissenschaft und Glauben im allgemeinen, geht dann auf die Wirkung wissenschaftlicher Werke auf das Publikum ein und erläutert sie am Bericht des „Christenboten“ über das „Leben Jesu“, um sich darauf in erweiterter Weise der Argumentation der Gegner zuzuwenden. Sodann leitet er das Vorgehen der Wissenschaft aus dem Wesen des Protestantismus her: „Der Protestant unterscheidet sich dadurch vom Katholiken, daß er nicht nur an nichts andres glaubt, als an das Wort Gottes, sondern sich auch von den Gründen seines Glaubens Rechenschaft gibt, diese Rechenschaft aber kann nicht wieder der Glaube geben, sondern nur das Wissen, das Wissen vom Glauben.“
Dieses Wissen sei „eine nie ruhende Untersuchung, die keinen bestimmten Grenzpunct hat, und sich ihre Resultate nicht vorausbestimmen läßt“.87 Man könne nicht bis auf die Schrift zurückgehen, „vor der Schrift selbst aber einen absoluten Stillstand [...] machen, und nicht auch in Beziehung auf die Schrift [...] fragen, ob nicht auch hier menschlich Traditionelles vom göttlichen Inhalt der Schrift zu sondern ist? Der oberste Grundsaz des Protest[antismus] verbietet dieß nicht nur nicht, er gebietet es sogar [...]. Darum haben in der protest[antischen] Kirche seit ihrem Ursprung historisch-kritische Untersuchungen nie geruht [...].“88
Diese Einsicht wird breit erläutert. Gegen den Einwand, es müsse „doch immer noch etwas geben, was sich der Glaube vom Wissen nicht nehmen lassen darf“,89 weist Baur darauf hin, es sei „keinem der neuern Philosophen und Kritiker in den Sinn gekommen, dem historischen Christenthum seinen historischen Christus zu nehmen, und sein geschichtliches Daseyn für eine bloße Fabel zu erklären“.90 Er stellt sich auf die Seite von Strauß, wenn er betont: „Auch die mythische Auffassungsweise läßt das historische Individuum stehen, mit einem unantastbaren Kern seines Lebens und Wirkens, an welchen der Glaube sich halten kann [...].“91 Erneut verwirft er den Gedanken, die evangelische Geschichte dürfe mit Rücksicht auf den Glauben nicht der historischen Kritik unterworfen werden. Im Gegenteil: „unsere Kirche“ habe „mit Recht, je höher ihr ein lebendiger Glaube gilt [...], die freie Forschung in der 86 Baur an den Evangelischen Verein, 20. Dezember 1835 (BAUR, Briefe [s. Anm. 9], 129–144). Darin (aaO., 129,27–31) die zitierte Frage. 87 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 133,25–32. 88 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 134,1–8. 89 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 135,28f. 90 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 136,12–15. 91 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 136,22–25.
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Schrift und über die Schrift für ihr theuerstes Kleinod gehalten“.92 Bereits der Apostel Paulus habe „die Tiefe und Fülle des christlichen Glaubens“ entwickelt, ohne auf Einzelheiten der Lebensgeschichte Jesu einzugehen, und dementsprechend sei es für den Glauben unwichtig, „ob man dieß oder jenes in der evangel[ischen] Geschichte für minder zuverlässig historisch und somit für traditionell hält“, was „auch von angesehensten Theologen [...] ohne Bedenken zugegeben“ werde.93 Baur tadelt es, wenn dem, der in der Geschichte Jesu „nicht alles für gleich beglaubigt hält“ und Begriffe wie „Tradition“ und „Mythus“ gebraucht, unterstellt wird, er rede von „Fabel und Erdichtung, Täuschung und Betrug“.94 Er verteidigt sodann die Bemühung darum, in Christus nicht bloß ein menschliches Individuum, sondern auch ein Prinzip oder eine Idee zu sehen, und führt die Kontroverse darüber auf die Frage zurück, „ob der ganze Inhalt des christlichen Glaubens am bloßen Buchstaben hängt, oder ob man sich vom Buchstaben zum Geist erheben darf“.95 Über die Leugnung einer solchen Möglichkeit, „die Opposition gegen jede wissenschaftliche Verständigung des Glaubens“, für die er jetzt auch die Bezeichnung „supranaturalistisch“ gebraucht, also die Reduktion des geistigen Lebens „auf einen Grad [...], bei welchem die ganze geistige Thätigkeit nur noch in der einfachen Operation besteht, das einfache Wort der Schrift in andere Worte zu fassen, was freilich manchem auch als wissenschaftliche Operation gelten mag“,96 ruft er aus: „[W]elche Monotonie, welche Todesstille müßte herrschen, wer möchte in einer solchen Welt leben wollen, und welche Ursache haben wir, Gott zu danken, daß er in einer Welt uns leben läßt, in die er die Fülle seiner Geister aussendet, und in einer Kirche, die er durch die schöne Harmonie der Charismen seines Geistes sich auferbaut!“97
Um negative Folgen zu vermeiden, führt er drei „einfache Grundsäze“ für den Umgang mit der Wissenschaft an.98 Nach diesen grundsätzlichen Darlegungen geht er auf das Geschenk ein, zu dessen Beurteilung er aufgefordert worden war: die vom Vereinsvorsitzenden dankend angenommene Schrift Eschenmayers. Baur erklärt: „Es gibt wenige literarische Erscheinungen, die einen so traurigen und abstoßenden Eindruk auf mich gemacht haben wie dieser Ischariotismus unserer Tage“, und urteilt: „Ich halte es für ganz unchristlich und unevangelisch, über das Straußތsche Buch und den Verfasser selbst [...] ein Verdammungsurtheil dieser Art zu fällen [...]. Für ebenso unchristlich 92 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86),137,21–25. 93 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 137,28–138,2. 94 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 138,11–19. 95 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 139,28f; ähnlich aaO., 140,1–3. 96 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 140,28–141,1. 97 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 141,1–5. 98 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 141,25–142,31.
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und unevangelisch zum wenigsten muß ich es aber auch erklären, daß der Herr Verfasser [...] mit demselben Kezernamen des Ischariothismus die ganze neuere Kritik brandmarkt [...].“
Sodann stellt er eine Verbindung zu seiner eigenen Forschung her: „Ich selbst beschäftige mich mit Kritik, habe erst kürzlich eine auf das N[eue] T[estament] sich beziehende kritische Untersuchung herausgegeben, und bin nicht gesonnen, mich durch diesen Kezerruf von der weitern Ausübung meiner evangelischen Lehr- und Schreib-Freiheit zurükschreken zu lassen.“99
Baurs Konsequenz aus dem Vorgang war es, sich „nicht mehr als Mitglied des Vereins betrachten zu können“.100 Sein Brief war allerdings nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und konnte daher die von Strauß ersehnte Unterstützung nicht bieten. Baurs Erklärung zeigt, wie sehr er durch Eschenmayers Angriff auf Strauß und auf die von diesem ausgeübte historische Kritik sich selbst getroffen fühlte. Wenn er mit seinem Schüler im Grundsätzlichen einig war, so bedeutet das jedoch nicht, dass er ihm im Ganzen zustimmte. Zunächst äußerte er sich darüber nur vertraulich. Seinem Freund Ludwig Heyd schrieb er im Februar 1836: „Ich bin weit davon entfernt, ihm meinen unbedingten Beifall zu geben, und ich weiß gar wohl, was daran zu tadeln und zu vermissen ist.“ In der „Hauptfrage“, seinen „Grundsätzen“, jedoch „sollte man ihm weit mehr, als man bisher hierzu geneigt zu sein scheint, Recht geben [...]“.101 Sodann betont er – durchaus im Sinn von Strauß selbst: „das Werk enthält eigentlich nichts Neues, es verfolgt nur einen längst eingeschlagenen und betretenen Weg bis zu seinem natürlichen Ziel [...]“. Deshalb findet er das Ergebnis „nicht so revolutionär“ wie sein Freund. Zweierlei tadelt er aber an dem Buch: „neben der öfter verletzenden Kälte, besonders gegen die Person Jesu, das gar zu Negative der Kritik. Ich glaube auch, von diesem kritischen Standpunkt aus läßt sich doch für das Geschichtliche im Leben Jesu eine breitere Basis gewinnen, und die aufbauende Kritik ist neben der zerstörenden gar zu wenig zum Worte gekommen.“102
Gleichzeitig stand er aber weiterhin in engem Austausch mit Strauß und gab ihm Ratschläge zur Verbesserung seines Werks. Aus dessen Antwortbrief vom 1. Mai 1836 lässt sich erkennen, dass Baur vor allem zwei Vorschläge machte: Zum einen solle Strauß „der Einleitung eine Ausführung über das Verhältnis des Mythus zum Christentum“ hinzufügen, wofür er den Lehrer um Literaturhinweise bittet. Zum andern solle er „die äußeren Zeugnisse für 99 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 143,6–32. 100 Baur an den Evangelischen Verein (s. Anm. 86), 144,4f. 101 Baur an Ludwig Heyd, 10. Februar 1836 (LANG, Ferdinand Baur und David Friedrich
Strauß [s. Anm. 9], 483). 102 Baur an Ludwig Heyd (s. Anm. 101), 484.
Ferdinand Christian Baur und David Friedrich Strauß
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die Echtheit und das Alter der Evangelien“ durchgehen. Strauß bekennt, dass er sich „hierin unsicher fühle“ und aus Mangel an einschlägiger Literatur sich „nicht besser belehren zu können hoffen“ dürfe.103 Strauß befolgte die Ratschläge Baurs in der zweiten Auflage des „Leben Jesu“ vor allem, indem er der Einleitung drei neue Paragraphen über die Möglichkeit von Mythen im Neuen Testament nach äußeren wie nach inneren Gründen und über die Kriterien des Mythischen in der evangelischen Erzählung hinzufügte.104 „Unstreitig hat Strauß durch diese Ergänzungen den mythischen Standpunkt noch besser begründet.“105 Im Laufe des Jahres 1836 mehrten sich nicht nur die Schriften gegen Strauß. Die Angriffe gegen die „neuere Theologie“ in der kirchlichen Presse entwickelten sich so, dass Baur nicht länger schweigen konnte. Ernst Wilhelm Hengstenbergs „Evangelische Kirchen-Zeitung“ eröffnete den neuen Jahrgang mit einem „Vorwort“, das sich vom 2. bis zum 20. Januar über sechs Nummern erstreckte und mit den „Zeiterscheinungen“ abrechnete.106 Es entwickelte ein apokalyptisches Bild von der „Nachtseite unserer Zeit“,107 führte die negative Entwicklung auf französischen Einfluss zurück, namentlich auf Napoleon, und deutete die Freiheitskriege als Zeit Johannes des Täufers, die eine „bis auf den heutigen Tag“ anhaltende „Bewegung zu Christo“ hervorgerufen habe.108 Als negative Zeichen der Zeit betrachtete es ebenso den Pietismus109 wie den Supranaturalismus,110 vor allem aber den „Pantheismus“, dem auch „die Hegelsche Schule“ ergeben sei.111 1830 sei „die zum Heile Deutschlands eine Zeitlang unterbrochene geistige Verbindung mit Frankreich wieder eröffnet worden“: das Einfallstor alles Verderblichen, das bis zur Gegenwart fortwirke.112 Damit wendet sich der Verfasser der theologischen Entwicklung zu: „Aber auch auf dem Gebiete der Theologie zeigt das vergan103 Strauß an Baur, 1. Mai 1836 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 82). 104 Die 2. Auflage des „Leben Jesu“ war mir nicht zugänglich; ich stütze mich deshalb auf die Berichte von ZIEGLER, Strauß (s. Anm. 9), Bd. 1, 224–226, und LANG, Ferdinand
Baur und David Friedrich Strauß (s. Anm. 9), 487f. Die Erweiterung der Einleitung über die zwölf Paragraphen der 1. Auflage hinaus findet sich in den §§ 13, 14 und 16 der 3. Auflage wieder. 105 LANG, Ferdinand Baur und David Friedrich Strauß (s. Anm. 9), 488. 106 EKZ 1836, 2. 107 EKZ 1836, 3. 108 EKZ 1836, 10. 109 Ebd.: „In den niederen Ständen besonders hie und da noch ein Ansatz von Pietismus, d.h. von christlicher Form, welche nicht von christlichem Wesen gesättigt ist, nicht unmittelbar aus dem Geiste hervorwächst“. 110 EKZ 1836, 11f.: „[D]er Supranaturalismus hatte in wichtigen Beziehungen mit dem Rationalismus gleichen Boden, und mußte schon deshalb mit ihm zusammen fallen“. 111 EKZ 1836, 20. 112 EKZ 1836, 18.
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gene Jahr einen unverkennbaren Fortschritt zum Schlechteren.“113 Nachdem bereits die Literatur zum Alten Testament nur Tadel verdienen konnte,114 rufe die jüngste Erscheinung zum Neuen Testament geradezu Abscheu hervor. Das „Leben Jesu“ von Strauß sei „eben dadurch so bedeutend, daß es nicht etwas absolut neues gibt [...], sondern daß es nur consequente Durchbildung und Zusammenfassung von Elementen ist, die in der ganzen Zeit schon vorliegen“.115 Stärksten Anstoß erregt bereits die Erklärung des Verfassers im Vorwort zum 1. Band des „Leben Jesu“, das „Grunderforderniss“ seiner Arbeit sei „die innere Befreiung des Gemüths und Denkens von gewissen religiösen und dogmatischen Voraussetzungen“,116 was nach Hengstenberg bedeutet, die Philosophie, die Strauß bei dieser Befreiung beigestanden habe, feiere „hier einen Triumph ähnlich dem Satans, als er in Judas gefahren“.117 Den Vergleich mit Judas hatte der Verfasser von Eschenmayer, den er im folgenden Heft ausdrücklich zitiert.118 Baur las dieses „Vorwort“ mit Unbehagen, sah jedoch darin so wenig Anlass, Strauß beizustehen, wie in weiteren Artikeln, die seinen Schüler erwähnten oder gar kritischer Literatur über das „Leben Jesu“ gewidmet waren. Am 4. und 7. Mai erschien jedoch ein Beitrag über „Die Zukunft unserer Theologie“,119 in dessen zweitem Teil auch Baur angegriffen wurde. Nachdem der unbekannte Verfasser120 zunächst ganz im Sinne des „Vorworts“ das „Entscheidungsjahr 1830“, Napoleon und die Französische Revolution heraufbeschworen und das „Leben Jesu“ von Strauß als „Ausgangspunkt der neuen Gestaltung der Dinge“ im Christentum121 und als „das vollkommenste Organ des Geistes, welcher die gebildete Welt unter uns regiert“,122 dargestellt hat – „Von Strauß empfangen sie die Religion, die dem ehebrecherischen Geschlechte zupaßt“123 – richtet er im folgenden seinen Angriff gegen die Pro113 EKZ 1836, 29. 114 EKZ 1836, 28–31, 33–35. 115 EKZ 1836, 35. 116 STRAUSS, Leben Jesu (s. Anm. 55), Bd. 1, VI. 117 EKZ 1836, 36. 118 EKZ 1836, 41. 119 EKZ 1836, No. 36, 281–285; No. 37, 289–291. 120 Später – EKZ 1836, 641 Anm. – behauptet der Herausgeber Hengstenberg, nicht Ver-
fasser dieses Artikels gewesen zu sein, und schließt aus der „Zuversicht“, mit der Baur ihn dazu erklärt habe: „Damit liefert er eine recht handgreifliche Probe von dem Werthe seiner gerühmten objektiven Kritik. Die Zuversicht, mit der er den Aposteln ihr Eigenthum abspricht, wird nun so leicht Niemand mehr irre machen.“ 121 EKZ 1836, 281f.; hier 282: „Durch die Wendung der Dinge, welche mit dem Werke von Strauß in der Theologie eingetreten ist, sind wir auf den Punkt geführt worden, die Bibel als Glaubensurkunde, wie das Institut der Kirche abrogirt zu sehen.“ 122 EKZ 1836, 284. 123 EKZ 1836, 285.
Ferdinand Christian Baur und David Friedrich Strauß
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fessoren Christian Hermann Weiße in Leipzig und Ferdinand Christian Baur. Baur sei „schon bisher als ein zwar sehr talentvoller und gründlicher, aber auch sehr skeptischer Forscher bekannt gewesen“; in seiner Schrift über die Pastoralbriefe trete „eine Willkühr des Skepticismus“ hervor, „die in der That nur mit der von Strauß verglichen werden“ könne. Durch das ganze Werk gehe „eine bittere und gereizte Stimmung gegen alle diejenigen, welche der skeptischen Kritik feindlich entgegentreten, die man sich kaum anders als aus einer Beziehung auf den Vorgang mit dem ihm befreundeten Dr. Strauß erklären“ könne.124 Baur wird „Willkühr und Dreistigkeit der Kritik“ vorgeworfen,125 seine Argumentation durch Formulierungen wie „unbegreiflicher Weise“, „ganz leichtfertige Gründe“ und „einen einzigen, ganz willkührlichen Grund“ charakterisiert. Man müsse „in der That glauben, daß Herr Baur bereits die geschichtliche Auctorität des Evangelii Johannis, eben so wie Strauß, über Bord geworfen“ habe. Zusammenfassend redet der Verfasser davon, Baur habe sich einer „schwindelnden, ja berauschten kritischen Skepsis“ hingegeben.126 Auf diesen Angriff antwortete Baur überraschend ausführlich in einer Weise, die zeigte, wie ernst er ihn nahm.127 Aus seiner Antwort, die ins Grundsätzliche geht und dabei größere Partien aus seinem oben vorgestellten Brief an den Evangelischen Verein wiedergibt, soll hier vor allem das hervorgehoben werden, was Baurs Verhältnis zu Strauß betrifft. Zuerst richtet er sich gegen die Beschuldigung, durch sein ganzes Werk gehe eine bittere und gereizte Stimmung gegen alle Feinde der „skeptischen Kritik“, die man sich nur aus seiner freundschaftlichen Beziehung zu Strauß erklären könne.128 Dagegen wendet er ein, er habe den größten Teil seiner Untersuchung in den Herbstferien 1834 niedergeschrieben, als weder der erste Teil des „Leben Jesu“ vorlag noch seine Folgen für den Verfasser absehbar waren; sie sei aus seinen schon vor 1830 begonnenen Studien über die Gnosis herausgewachsen und sei nicht das Ergebnis einer Stimmung, sondern folge nur dem Gange seiner kritischen Untersuchungen.129 Das Vorwort seiner Buches habe er allerdings unter dem Eindruck „der ersten Kunde von Eschenmayers Ischariotismus unserer Tage“ und in der Vorahnung der Polemik in der „Evangelischen Kirchen-Zeitung“ verfasst, deren Ausführungen in einer „rohen, ent124 EKZ 1836, 290. 125 Ebd. 126 EKZ 1836, 291. 127 F.C. BAUR, Abgenöthigte Erklärung gegen einen Artikel der evangelischen Kirchen-
zeitung, herausgegeben von D.E.W. Hengstenberg, Prof. der Theol. an der Universität zu Berlin, in: TZTh 1836, 179–232. 128 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 184. 129 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 184–188.
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setzlichen Sprache“ nicht „aus dem Munde eines evangelischen Christen und Theologen“ kommen durften.130 In einem zweiten Schritt wendet er sich argumentierend gegen die Verunglimpfung seiner kritischen Untersuchung der Pastoralbriefe,131 um anschließend (3.) wieder auf die Absicht des Artikels zurückzukommen, ihn „in die gleiche Kategorie mit Strauß zu bringen“, ja ihn „als einen solchen, welcher die gleiche Ansicht mit Strauß über das Evangelium Johannis habe, vor dem Publikum zu denunciren“.132 Gegen diese Unterstellung führt er an, er habe sich bisher nie „irgend ein Urtheil über die geschichtliche Auktorität des johanneischen Evangeliums erlaubt, nicht nur, weil sich“ seine „kritischen Untersuchungen bisher noch nicht auf dasselbe erstreckten, sondern auch weil“ er „gar kein Interesse habe, ihm seine geschichtliche Auktorität abzusprechen, und etwas zu behaupten, was“ er „nicht beweisen könnte“.133 Die Beschuldigung hinsichtlich des Johannesevangeliums erkläre er „nicht blos für eine Unwahrheit, sondern [...] für eine Verläumdung“.134 Noch energischer wehrt er sich gegen den Vorwurf, die „Willkühr des Skepticismus“ in seiner Schrift über die Pastoralbriefe könne nur „mit der von Strauß verglichen werden“.135 „Die ganze Tendenz“ der Beschuldigungen gegen seine Schrift über die Pastoralbriefe gehe dahin, seine „Kritik völlig in Eine Kategorie mit der Straußތschen zu setzen“.136 Gegen diese Behauptung wehrt sich Baur entschieden, indem er seine Arbeitsweise von der seines Schülers abgrenzt.137 Während „das Eigenthümliche der Straußތschen Kritik [...] in der mythischen Erklärung der Thatsachen der evangelischen Geschichte“ bestehe, argumentiere er selbst in seiner Schrift über die Pastoralbriefe ganz anders. Nur beiläufig weist er dabei zunächst auf den Unterschied der von ihm und Strauß behandelten Texte hin.138 Gewichtiger ist, wie er die Differenz zu Strauß als einen Unterschied der Methode darstellt. Er selbst gehe bei seinen „kritischen Combinationen“ immer „von bestimmten geschichtlich erhobenen Thatsachen aus“; das „Festhalten am ge130 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 189 Anm. 131 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 190–200. 132 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 200. 133 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 201. 134 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 202. 135 Ebd. 136 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 205. 137 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 205f.: „Was aber meine und die
Straußތsche Kritik betrifft, so wird kaum jemand, welcher überhaupt eines Urtheils in solchen Dingen fähig ist, und nicht aus bösem Willen ein besonderes Interesse hat, die Wahrheit zu läugnen, den Unterschied meiner Behandlungsweise und der Straußތschen verkennen.“ 138 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 206: Er redet von der Straußތschen Kritik im Leben Jesu, „bei welcher übrigens auch schon das Eigenthümliche des Gegenstandes keine ganz adäquate Vergleichung mit der meinigen zuläßt“.
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schichtlich Gegebenen“ sei „das Eigenthümliche“ seiner Kritik, deren „objektiven Standpunkt“ er in immer neuen Formulierungen betont,139 um schließlich zu fragen: „Wird denn durch meine Untersuchung auf gleiche Weise wie durch die Straußތsche die ganze objektive Grundlage des Christenthums in Frage gestellt [...]?“140 Nachdem Baur die in der Evangelischen KirchenZeitung ausgesprochene Befürchtung zitiert hat, mit der ihm vorgeworfenen „kritischen Skepsis“ könne womöglich noch „sämmtlichen Paulinischen Briefen ihre Authentie“ abgesprochen werden, möchte er zeigen, dass hinter solcher Furcht „ein gar arger Unglaube“ stecke.141 Hier folgen (4.) längere Ausführungen über Glauben und Wissenschaft, in die Baur Stücke aus seinem Brief an den Evangelischen Verein einfügt.142 Dabei kommt er zu dem Ergebnis, eine Kritik, die nicht skeptisch sein dürfe, sei keine Kritik.143 Danach (5.) kommt er noch einmal kurz auf sein Verhältnis zu Strauß zu sprechen.144 Er bekennt, er stehe „in einem befreundeten Verhältniß zu Dr. Strauß“, und versichert, in ihm in den Jahren ihrer Bekanntschaft nie „die dämonische Natur“ gesehen zu haben, „die der Herausgeber der evangelischen Kirchenzeitung mit den Argusaugen seiner christlichen Liebe in ihm erblicken will“.145 Während er den Vorwurf der Freundschaft als Mittel zur Verurteilung zurückweist,146 reagiert er mit besonderer Erbitterung auf die Behauptung, er stehe „unter Straußތschem Einfluß“. Dies bezeichnet er als „durch nichts bewiesene, gehässige, meine theologische Selbstständigkeit verdächtigende, und somit auch meine Ehre verletzende Beschuldigung“.147 Abschließend (6.) stellt er die Kontroverse in die Auseinandersetzungen der Zeit um den Einfluss Schleiermachers und Hegels auf Theologie und Kirche hinein.148 So klar sich Baur in diesem Aufsatz für das Recht historischer Kritik ausgesprochen hatte, so wenig konnte Strauß damit zufrieden sein. Zwar nahm 139 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 206f. 140 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 207. 141 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 208. 142 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 208–220. 143 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 219 Anm.: „Eine Kritik, welche nicht
auch eine skeptische seyn darf, ist keine Kritik, weil so oft nur der Zweifel zur Wahrheit führen kann, und eine Theologie, welche schlechthin den Grundsatz aufstellt, daß man überhaupt nicht zweifeln und sichten dürfe [...], thut am besten, die historische Kritik geradezu aus der Reihe der theologischen Wissenschaften zu streichen.“ 144 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 220-222. 145 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 221. 146 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 221f.: „Es ist ja nicht das erstemal, daß um theologischer Meinungen willen Freundschaft als Verbrechen gilt, mit dem Schüler auch der Lehrer verfolgt, um der Lebenden willen selbst Todten ihre Ruhe nicht gegönnt wird.“ 147 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 220. 148 BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 127), 222–232.
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ihn Baur gegen die Dämonisierung durch die „Evangelische Kirchen-Zeitung“ wie durch Eschenmayer in Schutz und bekannte sich zu ihrer freundschaftlichen Beziehung. Doch wo es um das konkrete Vorgehen ging, redete er ohne merkliche Sympathie von seinem Schüler, distanzierte sich vielmehr von ihm und nahm für sich das – wenn auch kritisch prüfende – Festhalten am geschichtlich Gegebenen in Anspruch, während er wie selbstverständlich davon sprach, Strauß stelle „die ganze objektive Grundlage des Christenthums in Frage“. Damit begründete er eine immer wieder aufgegriffene Unterscheidung zwischen seiner eigenen kritischen Arbeitsweise und der seines Schülers. Dieser Artikel brachte eine spürbare Störung in das Verhältnis zwischen Strauß und Baur, auch wenn ihr Verkehr in freundschaftlichen Umgangsformen fortdauerte. Den ersten Beleg dafür bietet Strauß in einem Brief an Baur vom 19. August 1836.149 Er beginnt mit der Anrede „Verehrtester Freund!“ und fährt mit dem Dank für Verschiedenes fort. Die „Abgenöthigte Erklärung“ nennt er „ein Meisterstück von einer Streitschrift“, beklagt aber, dass der Verfasser sich durch Hengstenbergs Argumentation mit seiner Beziehung zu Strauß veranlasst sah, sich so deutlich von seinem Schüler zu distanzieren.150 Er schließt seinen Brief mit dem Bekenntnis, gerade weil er sich Baur „auf die innigste Weise durch Freundschaft und Dankbarkeit verbunden“ wisse, glaube er „diese Bemerkungen nicht verschweigen“ und ihm „nicht verhehlen zu dürfen, daß in dieser Hinsicht Ihre Abhandlung zu dem Betrübendsten gehört, was mir in Rücksicht auf mein Buch widerfahren ist.“ Durch solche Erlebnisse werde man zwar „gegen Unglimpf von Fremden und Gleich149 BARNIKOL, Briefwechsel (s. Anm. 9), 88–90. 150 BARNIKOL, Briefwechsel (s. Anm. 9), 88f.: „Es ist ein Meisterstück von einer Streit-
schrift, nicht bloß durch die Klarheit der Exposition und das Schlagende der Beweisführung, sondern hauptsächlich durch die sittliche Würde, welche Sie der frommen Niederträchtigkeit dieser Leute auf eine Weise entgegenstellen, wie ich sie kaum sonst irgendwo gefunden zu haben mich erinnere. Für mich freilich (da doch auch Sie selbst der Sache neben der rein wissenschaftlichen zugleich eine Beziehung zu mir geben) hat es sich nicht glücklich getroffen, daß Sie durch die unbefugte Vermischung, welche Hengstenberg mit unsern beiderseitigen Werken und Tendenzen vorgenommen, veranlaßt waren, Ihrerseits nun die Verschiedenheit und das Nichtzusammengehören beider so stark als möglich hervorzukehren und zur sichern Bürgschaft daran einen Tadel meiner Arbeit und Methode auszusprechen, von welchem ich nicht weiß, ob er für Ihre Sache notwendig war (denn für die meinige, die schon so viele Tadler gefunden, war er es gewiß nicht), und ob er durch die nachträglich eingeschaltete, nicht ganz deutliche Bemerkung, daß zum Teil auch die Verschiedenheit des Gegenstands eine Vergleichung unsrer beiderseitigen Kritik unmöglich mache, gehörig eingeschränkt wird. Ich wenigstens glaube mir bewußt zu sein, daß dasjenige, was Sie auch brieflich meine Negativität nennen, zur Hälfte zwar wohl in einer persönlichen Unzulänglichkeit seinen Grund hat, aber gewiß zur andern Hälfte darin, daß für die Zeit und die Begebenheiten des Lebens Jesu es an sonstiger geschichtlicher Kontrolle auf ganz andre Weise fehlt, als z.B. schon für die Zeit der Pastoralbriefe.“
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gültigen [...] abgehärtet, aber gegen Verletzungen von Freunden, seien sie auch noch so leicht, um so empfindlicher“.151 Eine Woche später berichtete er seinem Freund Ludwig Georgii über seine üble Behandlung durch Baur,152 und Ende August beklagte er sich bei seinem Freund Ernst Rapp, wobei er den Mangel in Baurs Vergleich beider Arbeitsweisen klar bezeichnete.153
4. Die Beziehungen bis zum Bruch 1846 Trotz dieser zunächst heftigen Verstimmung setzte sich der freundschaftliche Verkehr zwischen Baur und Strauß ein Jahrzehnt lang fort, wie ihr Briefwechsel und andere Äußerungen erkennen lassen.154 Strauß fragte Baur weiterhin gerne um Rat;155 er bat ihn auch immer wieder um Literatur, die er aus der Stuttgarter Bibliothek nicht erhalten konnte, und empfing sie in der Regel durch Vermittlung des Tübinger Verlegers Osiander. Beide sahen sich auch 151 BARNIKOL, Briefwechsel (s. Anm. 9), 89. 152 Strauß an Georgii, 26. August 1836 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 16): „Ad vocem
abgenötigte Erklärung bemerke ich, dass durch dieselbe Dr. Baur, mein bisher treuester Freund auf dem kritischen Felde, so ziemlich den Schlechten an mir gemacht hat, indem er, um der Beschuldigung Hengstenbergs, dass seine Pastoralbriefe die gleiche Tendenz mit meinem Leben Jesu haben, zu entgehen, jede Gemeinschaft mit mir abschwört und sogar nicht undeutlich tadelnde Bemerkungen gegen mich fallen lässt. Nun kann mich zwar tadeln, wer der Meinung ist, dass ich Tadel verdiene, dagegen kann ich nichts haben; aber wenn's ein Freund in gegenwärtiger Zeit tut, um vor der evangelischen Kirchenzeitung Ruhe zu bekommen, so ists mit der Freundschaft am Ende.“ 153 Strauß an Rapp, 31. August 1836 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 24): „Was Gegner und überhaupt Litterarisches betrifft, so ist kürzlich von Baur ,eine abgenöthigte Erklärung gegen Hengstenberg ދin der Tübinger Zeitschrift erschienen. Von Hengstenberg [...] wegen seiner Pastoralbriefe beschuldigt, mit mir auf gleichem Standpunkt zu stehen, läugnet er nun jeden Zusammenhang unserer Sachen und bekräftigt dies sogar durch einen Tadel, den er gegen meine kritischen Grundsätze ausspricht. Nun, unter den gegenwärtigen Umständen, sollte mich ein Freund doch gewiß nicht öffentlich tadeln, selbst wenn der Tadel gerecht wäre. Das aber ist der von B. nicht einmal. Er tadelt, daß ich meistens bloß aus den inneren Widersprüchen der Erzählungen mit einander oder mit sich selbst und der Vernunft, ihre Unmöglichkeit erschließe, ohne, wie er, auch äußere Zeugnisse, d.h. widersprechende Data der sonst beglaubigten Geschichte zu Hülfe zu nehmen, - als ob sich für den größeren Theil der evangelischen Geschichte solche Parallelen von anderswoher finden ließen.“ 154 So schrieb Strauß bereits am 4. November 1836 an Georgii (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 17): „Mit BAUR habe ich mich teils schriftlich, teils, da er in der Vakanz mich besuchte, mündlich, ausgeglichen – namentlich in der unmittelbaren Gegenwart kann ich dem redlichen Mann nie widerstehen“. 155 Vgl. Strauß an Baur, 4. März 1837 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 96): „Nun aber verzeihen Sie die vielen Fragen. Mich dauert selber die Zeit, die Sie darauf verwenden, sie zu lesen und zu beantworten. Und doch mache ich an niemand so gerne Fragen, als an Sie.“
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nicht selten, vor allem in Stuttgart156 und in Markgröningen, wo Baur bei seinem gleichaltrigen Freund, dem Stadtpfarrer Friedrich Ludwig Heyd, manchen Urlaub verbrachte.157 Mit mehrmonatiger Verspätung zeigte ihm Strauß am 2. August 1842 seine Verlobung an und lud ihn zu baldigem Besuch am neuen Wohnsitz Sontheim bei Heilbronn oder gar zur Trauung ein,158 die am 20. August stattfand.159 Baur gratulierte Strauß am 12. Oktober mit dem Geschenk eines Bildes der hl. Cäcilie, das auf den Beruf der Ehefrau Agnese Schebest, einer Sängerin, anspielte.160 In seinen wiederholten Einladungen an Baur bezeichnete sich Strauß ausdrücklich als dessen Schüler und geistigen Sohn.161 Schon im Herbst 1837 hatte er Baur nach einer Begegnung geschrieben, wie wertvoll es für ihn gewesen sei, „nach so vielen widrigen Berührungen auch einmal wieder die einer befreundeten, väterlichen Hand zu empfinden“.162 Damals schrieb er an Georgii: „Dass Du unsern lieben BAUR freundlicher behandelst, ist für mich sehr wohltuend; er war Sonntag vor acht Tagen zweimal bei mir, und ich habe aufs neue den Eindruck eines väterlichen Freundes von ihm bekommen.“163 Im April 1843 besuchte Baur endlich das Ehepaar.164 Während Baur sich Gedanken um das berufliche Fortkommen seines Schülers machte,165 unterstützte Strauß den Lehrer bei seinen Bemühungen, eine theologische Professur in Tübingen mit Christian Märklin zu besetzen166 und einen Universitäts-Kassierer zu finden.167 Er stellte auch auf
156 Vgl. z.B. Strauß an Baur, 31. März 1837 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 98); Strauß an Vischer am 4. April 1842 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], 117). 157 Vgl. z.B. Strauß an Baur am 9. November 1838 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 107). Am 17. März 1838 deutete Strauß gegenüber Georgii an, er hoffe in der Ostervakanz Baur zu sehen (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 22). 158 BARNIKOL, Briefwechsel (s. Anm. 9), 113. 159 ZIEGLER, Strauß (s. Anm. 9), Bd. 2, 385. 160 BARNIKOL, Briefwechsel (s. Anm. 9), 114f. 161 Strauß an Baur am 2. August 1842 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 113): „Freund und Schüler“; am 29. Oktober 1842 (aaO., 115): „[A]uch meine Frau hatte sich so gefreut, in Ihnen meinen Papa im Geiste kennenzulernen“; Strauß an Rapp am 20. April 1843 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 151): seine Frau habe gesagt, „so sehr auch wir Drei (Zeller, Märklin u. ich) ganze Kerls seien, so merke man doch, daß er der Vater von uns allen sei“. 162 Strauß an Baur, 12. Oktober 1837 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 101). 163 Strauß an Georgii, 18. Oktober 1837 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 21). 164 Strauß an Rapp, 20. April 1843 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 151); Strauß an Georgii, 27. April 1843 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 42). 165 So berichtet Vischer am 27. Mai 1838 Strauß (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 1, 59): „Kürzlich bei Baur kam dieser darauf zu reden, Du solltest es eben doch in Heidelberg als Privatdozent der Philosophie versuchen; und ich gestehe, ich bin gestimmt, Dir auch hiezu zuzureden.“ 166 Strauß an Baur, 12. Oktober 1837 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 114f.); Strauß an Vischer, 16. März 1839 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 1, 86); dazu U.
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Baurs Wunsch Überlegungen darüber an, wie das nachgelassene Werk Friedrich Heinrich Kerns über Moraltheologie herausgegeben werden könne168 – freilich erfolglos.169 Als das 25jährige Professoren-Jubiläum Baurs (von seiner Berufung ans Blaubeurer Seminar 1817 an gerechnet) nahte, planten Strauß und Märklin, ihm im Frühjahr des folgenden Jahres einen von seinen Schülern finanzierten Pokal zu schenken.170 Das von den Schülern unterschiedlich aufgenommene171 Vorhaben scheiterte an Baurs Ablehnung.172 Es gab also vielfältige Kontakte zwischen Baur und Strauß, die zeigen, dass ihr persönliches Verhältnis durch Baurs „Abgenöthigte Erklärung“ nicht dauerhaft getrübt war. Vor allem aber sandten sich beide jeweils ihre neuesten Veröffentlichungen zu und tauschten ihr Urteil darüber aus. Dabei musste sich manche Differenz im Verständnis ihrer Arbeit klären. Strauß war seit Herbst 1836173 vor allem damit beschäftigt, mit verschiedenen Gegnern seines „Leben Jesu“ im weitesten Sinne abzurechnen. 1837174 erschienen seine „Streitschriften“, in denen er nicht nur sein „Leben Jesu“ verteidigte, sondern sich zugleich mit einigen Tendenzen des zeitgenössischen Denkens auseinandersetzte.175 Baur KÖPF, Christian Märklin und der württembergische Pietismus, in: ders. (Hg.), Historischkritische Geschichtsbetrachtung (s. Anm. 1), 165–208, bes. 165–170. 167 Strauß an Baur, 29. April 1842 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 112f.). 168 Strauß an Vischer, 4. April 1842 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 9], Bd. 1, 117); Strauß an Baur, 5. April 1842 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 111). 169 Strauß an Baur, am 29. April 1842 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 113). 170 Strauß an Vischer, 9. Dezember 1842 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 1, 122); an Zeller, 20. Dezember 1842 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 144); an Rapp, 27. Januar 1843 (Briefe, hg. Zeller, 147) mit Planung des „BaurތV -XELOlXP >@ DXI $QIDQJ -XQL³ DQ Georgii, 7. Februar 1843 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 42); an Rapp am 23. Februar 1845 (Briefe, hg. Zeller, 148). 171 Vgl. Vischer an Strauß, 12. Januar 1843, und Strauß an Vischer, 15. März 1843 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 1, 123–125). 172 AaO., 127. Strauß an Georgii, 27. April 1843 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 42): „Das Jubiläum hat sich Baur, der vor 8 Tagen hier war, zu besorgender Missdeutung wegen verbeten“. 173 Am 11. November 1836 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 90f.) berichtet er Baur von seinem Plan, mit Steudel abzurechnen, nachdem er schon am 28. Oktober Vischer gegenüber seine Bereitschaft erklärt hatte (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], 22): „Auf den Fall, daß Dich Menzel anpacken sollte, erlaube mir irgendwo – etwa in Lewaldތs Europa oder wo man sonst darf – ihm hinauszugeben.“ 174 Am 20. Januar hatte das 1. Heft die Zensur passiert und wartete nur auf den Druck; Strauß dachte damals – wie er an Baur schrieb – noch an den Reihentitel „Galerie der Gegner meiner kritischen Bearbeitung des Lebens Jesu“ (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 93). 175 D.F. STRAUSS, Streitschriften zur Vertheidigung meiner Schrift über das Leben Jesu und zur Charakteristik der gegenwärtigen Theologie. 1. Heft: Herr Dr. Steudel oder die Selbsttäuschungen des verständigen Supranaturalismus unserer Tage. 2. Heft: Die Herren Eschenmayer und Menzel. 3. Heft: Die evangelische Kirchenzeitung, Die Jahrbücher für
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dankte am 10. April 1837 für das 1. Heft und lobte seinen „Titel, Ton und Inhalt“.176 Außer an den „Streitschriften“ arbeitete Strauß auch an seinem „Leben Jesu“ weiter. Nachdem 1837 die zweite, relativ wenig veränderte Auflage erschienen war, machte er sich jetzt an eine dritte, „mit Rücksicht auf die Gegenschriften verbesserte Auflage“, die 1838 und 1839 erschien. An dieser Neubearbeitung zeigte sich jedoch, wie wenig er – im Gegensatz zu Baur – in seinen sachlichen Überzeugungen und seiner persönlichen Haltung gefestigt war. Bereits im Vorwort zur dritten Auflage erklärt er: „Die Veränderungen, welche diese neue Auflage darbietet, hängen mehr oder weniger alle damit zusammen, daß ein erneuertes Studium des vierten Evangeliums an der Hand von de WetteҲs Commentar und NeanderҲs Leben Jesu Christi mir die früheren Zweifel an der Aechtheit und Glaubwürdigkeit dieses Evangeliums selbst wieder zweifelhaft gemacht hat. Nicht als ob ich von seiner Aechtheit überzeugt worden wäre: nur auch von seiner Unächtheit bin ich es nicht mehr.“177
Bemerkenswert ist auch, dass er meint, mit dieser Einarbeitung der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern in das Hauptwerk „die weitere Fortsetzung der ,Streitschriften‘ überflüssig gemacht“ zu haben,178 die dann tatsächlich unterblieben ist. Als der erste Band der dritten Auflage des „Leben Jesu“ erschien, bereitete sich Baur gerade darauf vor, erstmals über das Johannes-Evangelium zu lesen.179 Am 29. Mai 1838 berichtete er Strauß, er sei noch nicht über die ersten Kapitel des Evangeliums hinausgekommen, und bestätigte damit seine Behauptung in der „Abgenöthigten Erklärung“.180 Doch bereits die Beschäftigung mit diesen Kapiteln vermittelte ihm den Eindruck, die historische Wahrheit dürfe nicht bei Johannes, sondern nur bei den Synoptikern gesucht werden, und veranlasste ihn zu zurückhaltender Kritik an der Neuauflage des
wissenschaftliche Kritik, und Die theologischen Studien und Kritiken in ihrer Stellung zu meiner Kritik des Lebens Jesu, Tübingen 1837. 176 BARNIKOL, Briefwechsel (s. Anm. 9), 99: „Ich habe es sogleich uno tenore gelesen und glaube, daß Sie in Titel, Ton und Inhalt das Rechte getroffen haben. So sehr ich meinen Freund Steudel dabei bedauern muß, so kann ich nur anerkennen, daß es ein unvergleichliches Meisterstück einer vernichtenden Polemik ist.“ 177 D.F. STRAUSS, Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet, Dritte mit Rücksicht auf die Gegenschriften verbesserte Auflage, 1. Bd., Tübingen 1838, IVf. 178 STRAUSS, Das Leben Jesu, dritte Auflage (s. Anm. 177), III. 179 Nach Ausweis der Tübinger Vorlesungsverzeichnisse las Baur über das JohannesEvangelium erstmals im Wintersemester 1838/39, sodann im Sommersemester 1841, Sommersemester 1843, Sommersemester 1845, Wintersemester 1847/49 u.ö. Im Sommersemester 1847 las er erstmals die „Einleitung in die Schriften des neuen Testaments“, in der er sich über die bisher von einem Kollegen behandelten Synoptiker äußern musste. 180 Oben bei Anm. 133.
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„Leben Jesu“.181 Strauß bekannte denn auch schon 1840, in der vierten Auflage des Werks, er habe sich bei der erneuten Durchsicht der dritten Auflage selbst über die hier von ihm vorgenommenen Änderungen gewundert und sie wieder zurückgenommen.182 Ein bemerkenswertes Zeichen seiner Unsicherheit! Es dauerte allerdings noch einige Zeit, bis Baurs Untersuchung über das Johannes-Evangelium 1844 als Aufsatz183 und drei Jahre später als umfangreichster Teil seines Buches über die kanonischen Evangelien erschien.184 Vor diesem Werk veröffentlichte er ein Lehrbuch der Dogmengeschichte,185 das bereits im November 1846 ausgeliefert wurde; denn Strauß bedankte sich am 17. November bei ihm. Hatte ihn bereits Baurs Untersuchung über das Johannes-Evangelium enttäuscht, so führte die Dogmengeschichte – zehn Jahre nach der „Abgenöthigten Erklärung“ – zu einer erneuten heftigen Reaktion des Schülers, die sich am deutlichsten in den Briefen an Märklin vom 22. Juli 1846 und an Baur vom 17. November 1846 ausdrückt. Märklin gegenüber beklagte Strauß sich über seine Behandlung in Baurs Untersuchung über Johannes, deren Verdienste er allerdings ohne Vorbehalt anerkannte, obgleich sie ihn „persönlich nicht angenehm“ berühre.186 Dass 181 Baur an Strauß, 29. Mai 1838 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 104): „Diese neue Ausgabe ihres Werkes kommt mir sehr erwünscht, da ich jetzt erst aus Veranlassung der Vorlesung über das Evangelium Johannis, für die ich mich vorbereite, zum spezielleren Studium desselben komme. Ich bin zwar noch nicht über die ersten Kapitel des Evangeliums Johannis hinausgekommen, aber schon dieses Wenige hat auf mich den sehr entschiedenen Eindruck gemacht, daß die historische Wahrheit, d.h. die relativere, nur auf der Seite der Synoptiker gesucht werden kann, und es will mir fast scheinen, ob Sie in der neuen Ausgabe nicht zu viel zugegeben haben.“ 182 D.F. STRAUSS, Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet, 4. Auflage, 2 Bde., Tübingen 1840, hier 1. Bd., Vorrede zur vierten Auflage, X: „Doch auch des Irenischen hatte sie [die dritte Auflage, U.K.] zu viel. Die sich durchkreuzenden Stimmen der Gegner, Beurtheiler und Mitarbeiter, nach denen aufmerksam hinzuhören ich mir zur Pflicht machte, hatten die Idee des Werkes in mir übertäubt; über dem emsigen Vergleichen abweichender Ansichten hatte ich die Sache selbst aus dem Gesicht verloren. Daher fanden sich, wie ich in gesammelterer Stimmung diese letzte Ueberarbeitung wieder durchsah, Aenderungen, über die ich mich wundern mußte, und durch die ich offenbar mir selbst Unrecht gethan hatte. In allen diesen Stellen sind jetzt die früheren Lesarten hergestellt [...].“ 183 F.C. BAUR, Über die Composition und den Charakter des johanneïschen Evangeliums, in: ThJb (T) 3 (1844), 1–191.397–475.615–700. 184 F.C. BAUR, Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältniß zu einander, ihren Charakter und Ursprung, Tübingen 1847, 77–389. Baur schreibt in der „Vorrede“ (IIIf.), er habe die „Abhandlung über das johanneische Evangelium“ von 1844 „in ihrem ganzen Umfange wiederholt geprüft, und alles, was sich mir von verschiedenen Seiten zur Berücksichtigung darbot, für sie benützt“. 185 F.C. BAUR, Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte, Stuttgart 1847. 186 Strauß an Märklin, 22. Juli 1846 (RAPP, Baur und Strauß [s. Anm. 9], 118–120, hier 118f.): „Zuerst nahm ich Baurތs Johannes vor, in den ich bis dahin nur hineingesehen hatte.
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Baur Straußens Haltung zum vierten Evangelium als ungenügend bezeichnete und die „Hauptaufgabe“ seiner eigenen Untersuchung darin sah, „das auch von STRAUSS noch so unbestimmt gelassene Verhältniss des johanneïschen Evangeliums zu den synoptischen auf die der Sache adäquate Ansicht zu bringen“,187 konnte Strauß anerkennen. Aber er war darüber enttäuscht, dass der Lehrer nirgends darauf hinweise, was die Kritik der Evangelien, auch des vierten, Strauß verdanke, sondern ihn nur zitiere, um ihn abzulehnen, und ihn unfreundlich behandle.188 In der Tat fällt auf, dass Baur seinen Schüler vor allem kritisch erwähnt.189 So tadelt er Strauß neben Bruno Bauer dafür, dass beide Joh 1,32 „arglos“ übergingen,190 kritisiert die Anwendung seiner mythischen Ansicht auf das Johannes-Evangelium,191 lehnt die Argumente von Strauß für die johanneische Datierung des ersten Auftretens Jesu in Jerusalem (Joh 2,12f.) ab,192 zeigt am Vergleich mit Lücke und im Blick auf die verschiedenen Auflagen des „Leben Jesu“ die Haltlosigkeit aller Untersuchungen über Einzelheiten der Evangelien ohne grundsätzliche Feststellungen über ihr Verhältnis,193 hebt hervor, wie sehr Strauß bei der Auslegung von Joh 12, 20– 36 „die eigenthümliche Tendenz“ des Evangeliums verkenne194 und wider-
Ich freue mich, daß, unerachtet mich diese Arbeit persönlich nicht angenehm berührt, ich doch fähig bin, sie von Herzen zu loben und ihre Resultate in vollstem Maße anzuerkennen. Jetzt, aber auch jetzt, ist dies Gespenst des angeblichen Johannes gebannt, das mich und andere immer wieder geäfft hatte, und immer wiederkehrte, wenn wir es eben beschworen zu haben glaubten.“ 187 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 434; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 270. 188 Strauß an Märklin, 22. Juli 1846 (RAPP, Baur und Strauß [s. Anm. 9], 119): „Ich selbst werde in Baurތs Abhandlung oft polemisch berücksichtigt, und mein Standpunkt für das vierte Evangelium als ungenügend bezeichnet. Das ist in der Ordnung, und B. hat, wo er mir entgegentritt, durchweg Recht. [...] Nun aber stellt mich Baur immer mit Lücke usw. in eine Reihe, hebt nirgends hervor, was die Kritik der Evangelisten, und auch die des vierten, mir verdankt, und zeigt überhaupt gegen meine Arbeiten eine unfreundliche, abgeneigte Stimmung.“ 189 Diese kritischen Bemerkungen finden sich auch noch in der Buchfassung, wie die folgenden Nachweise zeigen. 190 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 30; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 104. 191 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 52; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 121f. 192 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 58; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 127: „Diese Gründe scheinen mir jedoch kein großes Gewicht zu haben.“ 193 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 67–69; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 134–136. 194 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 142; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 197.
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spricht seiner Deutung der Fußwaschungsszene Joh 13.195 Immerhin gesteht er Strauß die treffende Bezeichnung des Wunders in Kana als „Luxuswunder“ zu196 und hebt hervor, Strauß habe „zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass das vierte Evangelium in dem Verhältniss, in welchem Petrus und Johannes zu einander erscheinen, eine gewisse Absichtlichkeit verrathe [...]“.197 Im Rückblick schreibt Strauß an Märklin freilich, er könne „nirgends ein anerkennendes Wort Baurތs“ für seine Arbeiten erkennen, und meint zusammenfassend: „Es ist keinem Lehrer angenehm, wenn sein Schüler zu früh, und gewissermaßen vor ihm selbst, sich einen Namen macht“. Er stellt Baur in eine Linie, die von Steudel über Kern führe, wenn auch mit nachlassender Schärfe. In glänzenden Formulierungen, aber mit großer Bitterkeit charakterisiert er Baurs Verhalten gegen ihn, zumal in einem Vergleich mit jüngeren Mitschülern, der nicht frei ist von Eifersucht.198 Am Ende muss er gestehen: „[M]ein persönliches Verhältnis zu Baur ist durch diese Sache gestört, deswegen preise ich aber doch sein Werk als ein Meister- und Musterwerk der Kritik“.199 Als Strauß drei Monate später wieder an Baur schrieb, hatte er bereits dessen jüngstes Werk in Händen, das ihm freilich neuen Kummer bereitete: das Lehrbuch der Dogmengeschichte.200 In § 6 seiner Einleitung über „Die Geschichte der Dogmengeschichte“ geht Baur auch auf die „Straussތsche Dog-
195 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 424 Anm.; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 261 Anm. 196 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 49; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 119. 197 BAUR, Composition (s. Anm. 183), 627; DERS., Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 322. – Dagegen weist er erst in den Kritischen Untersuchungen darauf hin (S. 319 Anm., auf S. 320), Strauß habe die Unmöglichkeit eines doppelten Einzugs Jesu in Jerusalem „evident gezeigt“. 198 Strauß an Märklin, 22. Juli 1846 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 119f.): „Kurzum: Es ist keinem Lehrer angenehm, wenn sein Schüler zu früh, und gewissermaßen vor ihm selbst, sich einen Namen macht. Sag Du mir dagegen, was Du willst, es ist doch so, und von Steudel durch Kern zu Baur nur eine absteigende Linie. Beim ersten hat dieses Schülerverhältnis den Haß geschärft, beim zweiten sein Schwanken für die Gegenseite entschieden, beim dritten die Anerkennung zurückgehalten. Ich bin der Sohn, der ihm zu früh aus dem Geschäft getreten ist, um ein eigenes zu begründen, das anfangs das seinige verdunkeln zu wollen schien; daher war er nur gut auf die junge Firma zu sprechen, und jetzt, da er mit seinem festina lente weiter gekommen ist als ich, sagt er: sieh, da hast Du's nun. Wie ganz anders, wie schonend, hervorziehend, schützend, wie die Henne ihre Küchlein, behandelt er seine jüngeren Söhne, Zeller, Schwegler, die wenigstens die Rücksicht beobachteten, nur nach und in Verbindung mit ihm, als jüngere Associés seines Geschäfts, sich einen Namen zu machen.“ 199 Strauß an Märklin (s. Anm. 198), 120. 200 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 185).
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matik“201 ein, durch die sich sein Schüler nach dem Scheitern seiner Berufung nach Zürich202 endgültig von einer theologischen Laufbahn verabschiedet hatte. In diesem Werk203 behandelt Strauß die Apologetik („Die formalen Grundbegriffe der christlichen Glaubenslehre“) und die Dogmatik („Der materiale Inbegriff der christlichen Glaubenslehre“) dergestalt, dass er die einzelnen Themenkomplexe in ihrer geschichtlichen Entwicklung von den biblischen Grundlagen über ihre theologie- und dogmengeschichtliche Entfaltung bis zur Diskussion in der Gegenwart verfolgt. Sein Werk „soll [...] der dogmatischen Wissenschaft dasjenige leisten, was einem Handlungshause die Bilanz leistet“.204 Dass in der Darstellung des Gegebenen205 zugleich seine Kritik sichtbar wird, spricht der Verfasser mit klassisch gewordenen Worten aus: „Es ist nämlich dieser kritische Process nicht erst von dem heutigen Theologen zu veranstalten, sondern er liegt in der ganzen Entwicklungsgeschichte des Christenthums, speciell der Dogmengeschichte, bereits vor, und der jetzt lebende Theologe hat ihn blos begreifend zusammenzufassen. [...] Die wahre Kritik des Dogma ist seine Geschichte.“206
Doch erschöpft sich das Werk keineswegs in dieser kritischen Tendenz; es bietet vielmehr in seinem größten Teil eine Fülle quellengestützter historischer Darlegungen. Strauß schreibt auch selbst: „Ich bin der Entstehung und Ausbildung jedes Dogma Schritt für Schritt nachgegangen, habe mich in den Geist der Zeiten und Bewusstseinsstufen, aus denen es organisch hervorgewachsen, zu versetzen gesucht, und das Wahre, Große und Schöne, was ich auf diesem Wege fand, gebührend inތs Licht gesetzt.“207
Baur allerdings verneinte den Wert des Werks als Geschichtsdarstellung gänzlich.208 In seinem wissenschaftsgeschichtlichen Überblick rechnet er es zum Rationalismus, der „an sich, der Natur der Sache nach, keinen historischen Sinn“ habe. Es sei „das Einseitige und Subjective dieses dogmengeschichtlichen Standpunkts, dass die Geschichte des Dogmaތs nur zur Kritik dienen soll“. Die „Straussތsche Dogmatik“ gebe den „glänzendsten Beleg 201 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 185), 42. 202 Dazu ZIEGLER, Strauß (s. Anm. 9), Bd. 1, 288–324. 203 D.F. STRAUSS, Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung
und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft dargestellt, 2 Bde., Tübingen/Stuttgart 1840/1841. 204 STRAUSS, Die christliche Glaubenslehre (s. Anm. 203), Bd. 1, Xf. 205 STRAUSS, Die christliche Glaubenslehre (s. Anm. 203), Bd. 1, IX. 206 STRAUSS, Die christliche Glaubenslehre (s. Anm. 203), Bd. 1, 71. 207 STRAUSS, Die christliche Glaubenslehre (s. Anm. 203), Bd. 1, VIIIf. 208 Dagegen wird es in Baurs postum herausgegebenen Vorlesungen über die christliche Dogmengeschichte, Bd. 3: Das Dogma der neueren Zeit, hg. von F.F. Baur, Leipzig 1867, relativ häufig und meist beifällig zitiert.
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dafür“, dass die Dogmengeschichte „in einer solchen Verbindung mit der Dogmatik nie zu ihrem Rechte“ komme.209 „Nicht die Geschichte als solche ist die Hauptsache, sondern die Kritik“, wobei „die Kritik sich nicht an das Positive, sondern an das Negative“ halte. Kurz: „Der Rationalismus kann sich zur Geschichte des Dogmaތs nur negativ verhalten.“210 Strauß musste eine derartige Charakterisierung seines zweiten großen Werks verletzen, und er drückt dies auch in seinem Antwortbrief an Baur sehr deutlich aus.211 Er sieht sich darin als den „Feigenbaum“ des Evangeliums (Mk 11,13f.; Mt 21,19), von dem „niemand mehr Früchte [...] essen solle“. Baurs Urteil aufnehmend fährt er selbstironisch fort: „Zum Glück ist an diesen Früchten wenig verloren, da sie von jeher keine süßen historischkritischen Feigen, sondern saure rationalistische Herlinge waren, wie davon Ihre Dogmengeschichte aufs neue Zeugnis gibt.“ Zunächst entschuldigt er sich damit, er habe seine Glaubenslehre „niemals für eine Dogmengeschichte, sondern nur für eine historisch gehaltene Dogmatik gegeben“.212 Dann geht er jedoch zum Gegenangriff über: „Wegen des negativen Resultats aber, das mir dort vorgeworfen wird, kann ich ruhig fragen, worin denn Ihre Resultate positiver sein sollen?“213 Und nun wendet er sich unter Einbeziehung von Baurs Abhandlung über das johanneische Evangelium dessen Gebrauch der Begriffe „positiv“ und „negativ“ für seinen eigenen und Baurs Umgang mit den Quellen zu. Dabei versucht er, den Unterschied der so bezeichneten Verfahrensweisen zu relativieren, indem er darauf hinweist, dass Baurs Redeweise über sich selbst und über Strauß in den Augen der Gegner kein unterscheidendes Merkmal bezeichne. Es „ist ein falscher Paß, den Sie den Zionswächtern vorweisen, wenn Sie immer und immer wieder versichern, daß Ihre Kritik nicht wie die Ihres verrufenen Schülers, mit welchem verwechselt zu werden, Sie sich höchlich verbitten müßten, eine negative sei“.214 Doch nicht nur im Blick auf die kirchliche Seite stimme die Unterscheidung nicht; denn „in der Dogmengeschichte sind Sie, was die Resultate betrifft, auch im wissenschaftlichen Sinne, der dort mit dem kirchlichen zusammenfällt, nicht positiv, und auch in der neutestamentlichen Kritik mußte meine Negation Ihrer Position vorangehen“.215 Hier erinnert Strauß den Lehrer daran, dass seine „negative“ Kritik die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, dass die betreffenden Fra209 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 185), 42. 210 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 185), 43. 211 Strauß an Baur, 17. November 1846 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 117–
120). 212 Strauß an Baur (s. Anm. 211), 117. 213 Strauß an Baur (s. Anm. 211), 117f. 214 Strauß an Baur (s. Anm. 211), 118. 215 Ebd.
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gen heute „so ruhig vom rein historischen Standpunkte aus verhandelt werden könnten“.216 Er geht in seinen Klagen so weit, Baur eine bereits gegenüber Märklin geäußerte Vermutung vorzuhalten: „Bin ich Ihnen etwas zu früh berühmt geworden, so bin ich dafür jetzt verschollen; die angemessenste Strafe für das allzu frühe Anfangen ist frühzeitiges Aufhören.“ Und der Achtunddreißigjährige fährt fort: „Sie leben und wachsen, ich nehme nicht mehr ab, sondern bin schon tot“. Wie schwer belastet er seine „bisherige Freundschaft“ mit Baur sieht, zeigt seine Aussage, er würde dessen „Stellung“ (d.h. Einstellung) „selbst an einem Fremden feindselig und ungerecht finden“.217 Es fällt Strauß merklich schwer, „einen Schluß zu diesem Brief zu finden“; er „möchte ihn am liebsten zurückhalten, da er auf keine Weise etwas nützen oder unser gegenseitiges Verhältnis verbessern kann; die Sache zwischen uns liegt eben wie sie liegt, und weder diese Zeilen noch eine Antwort von Ihnen kann sie anders legen“. Nach all diesen Vorwürfen, die das Verhältnis zwischen ihm und Baur dauerhaft zerstören konnten, fährt er mit dem Bekenntnis fort: „[D]ennoch mußte ich früher oder später, schriftlich oder mündlich Ihnen dieses sagen“, um sich am Ende doch noch versöhnlich zu zeigen: „und schließe nun mit der Versicherung, daß alle die Röm 8,38f. aufgeführten Mächte die Verehrung und Dankbarkeit nicht in mir auslöschen werden, mit welcher ich bin Ihr ergebenster Schüler (darf ich das sagen?) D. F. Strauß“.218
5. Nach dem „Absagebrief“ von 1846 Es ist verständlich, dass Baur auf die trotz ihres versöhnlichen Schlusses sehr deutliche Absage nicht mehr unmittelbar an Strauß schreiben wollte. Dass er aber dennoch darum bemüht war, die Verbindung mit seinem Schüler aufrecht zu erhalten, zeigt sich daran, dass er den „von Strauß aus bitterster Seele gegen mich geschriebenen Brief“ am 26. November mit einem ausführlichen Begleitschreiben an den gemeinsamen Freund Märklin sandte.219 In seinem Brief begründet er zunächst sein Urteil im Lehrbuch der Dogmengeschichte und verteidigt seinen Gebrauch der Begriffe „positiv“ und „negativ“, um anschließend ausführlicher auf die Evangelienkritik einzugehen. Dabei erklärt er, „nicht nur auf einem andern Standpunkt“ zu stehen als Strauß, sondern mit seinen Untersuchungen zu den Evangelien „über Strauß hinauszugehen, und zwar“ weil er „nicht glaube, daß man bei einem so negativen Resultat stehen 216 Strauß an Baur (s. Anm. 211), 118f. 217 Strauß an Baur (s. Anm. 211), 119. 218 Strauß an Baur (s. Anm. 211), 119f. 219 Baur an Märklin, 26. November 1846 (bei RAPP, Baur und Strauß, 1954 [s. Anm. 9],
183–185.
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bleiben kann“. Indem er den von ihm schon früher gebrauchten Begriff „Tendenz“ aufgreift, spricht er davon, „daß mehrere der Ev[angelien] offenbar Tendenzschriften sind“, und meint: „man erhält so den Kanon [d.h. die Richtschnur zur Beurteilung, U.K.], daß die historische Wahrheit da am wahrscheinlichsten vorauszusetzen ist, wo am wenigsten ein Tendenzcharakter sich zeigt. In diesem Sinne nenne ich meine Kritik eine positive im Unterschied von jener negativen, weil sie wenigstens Einem Ev[angelium] [gemeint ist das Matthäus-Evangelium, U.K.] die historische Glaubwürdigkeit nicht geradezu abspricht, sondern, freilich nur relativ, wie hier alles bloß relativ zu nehmen ist, zugesteht.“220
Was sein persönliches Verhältnis zu Strauß betrifft, zeigt sich Baur am empfindlichsten durch den Vorwurf getroffen, er sei durch Strauß zu seinem Standpunkt hingeführt worden. Er sieht durchaus die „große Bedeutung“ seines Schülers und bekennt, „viel von ihm gelernt“ zu haben, wehrt sich aber heftig dagegen, eine Abhängigkeit von ihm anzuerkennen.221 Als stärkste Kränkung, auf die er nicht näher eingehen will, empfindet Baur jedoch die Verdächtigung seiner Gesinnung, als wolle er „nur deswegen ihm [d.h. Strauß, U.K.] gegenüber positiv erscheinen, um mich und meine Freunde möglich zu machen“.222 Er empfindet Straußens Brief deutlich als „Absagebrief“, zeigt zwar viel Verständnis und „Mitgefühl“ für sein „wundes Gemüt“, will sich aber „ihm mit einem Briefe nicht aufdringen“ und bittet auch Märklin nicht um Vermittlung, sondern möchte ihm nur seinen Eindruck mitteilen und versichert ihm, über alles „Bittere und Kränkende“ des Schreibens hinwegzusehen und die alte Gesinnung gegen Strauß bewahren zu wollen.223 Märklin antwortete Baur am 6. Dezember und teilte ihm sein Urteil mit, dass der gemeinsame Lehrer Straußens Glaubenslehre „ihr Recht nicht zukommen lasse; man dürfe sie nicht unter ,Rationalismus‘ unterbringen, und wenn Auflösung der Dogmen ihr Ergebnis sei, werde keine Dogmengeschich220 Baur an Märklin (s. Anm. 219), 183. 221 Baur an Märklin (s. Anm. 219), 184: „Ich weiß gewiß so gut als irgend jemand seine
große Bedeutung zu schätzen und habe sie auch immer in meinen Schriften anerkannt, aber ich glaube auch so gut als ein Anderer zu wissen, welchen Trieb der weiteren Forschung seine Kritik selbst in sich hat. Auch hat mir keineswegs erst er, wie er in seinem Briefe zu verstehen gibt, durch sein Leben Jesu zu dem dogmatisch freiern Standpunkt verholfen[,] auf welchem ich stehe. Ich habe nie weder in meinen Schriften noch sonst mir das Verdienst angemaßt, daß er mir irgend etwas zu verdanken habe, ich gestehe im Gegenteil gern, daß ich viel von ihm gelernt habe, aber warum will er nun für sich in Anspruch nehmen, was ich mir am wenigsten werde nehmen lassen, daß ich meinen Standpunkt mir selbständig errungen habe? Es hat mich noch keiner meiner schlimmsten Gegner von dieser Seite angegriffen, und es möchte wohl eine solche Behauptung, wie ich sie nun von Strauß höre, wohl auch künftig keinen großen Glauben finden.“ 222 Baur an Märklin (s. Anm. 219), 184. 223 Baur an Märklin (s. Anm. 219), 184f.
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te heute mehr bei etwas anderem enden“.224 Am 8. Dezember schrieb Strauß an Zeller, bei aller sachlichen Zustimmung müsse er sich über Baurs persönlichen Umgang mit ihm beklagen: „seit dem ,Leben Jesu‘ sei Baur nicht bloß unfreundlich, sondern unrechtlich gegen ihn zu Werke gegangen; es sei System darin“.225 Doch hinderte ihn seine Verärgerung nicht daran, im Brief vom 1. Februar 1847 an Zeller mit der Gratulation zu seiner Berufung nach Bern und zu seiner Verlobung mit einer Tochter Baurs diesen als „unsern gemeinschaftlichen Papa“ zu bezeichnen. „Denn das bleibt er mir, mag er auch von mir als einem halbverstoßenen Simeon sich zu Euch jungen Josephen und Benjaminen gewendet haben“.226 Andererseits bemühte sich Baur, die alte Verbindung zu Strauß wieder herzustellen, auch wenn der Briefwechsel zwischen ihnen ruhte. Am 4. Juli 1847 sandte er Märklin seine soeben erschienenen „Kritischen Untersuchungen“ und bat ihn um sein Urteil über den darin enthaltenen Abschnitt über Strauß. Zugleich bat er Strauß durch Märklin um eine öffentliche Äußerung über „die kritische Frage in Betreff der Evangelien“, d.h. um eine Besprechung der „Kritischen Untersuchungen“ – am besten in den „Theologischen Jahrbüchern“, die Zeller seit 1842 unter Mitwirkung Baurs herausgab.227 Strauß hat Baurs Wunsch nicht entsprochen. Aber was hätte er auch über dieses Buch sagen können, das einerseits im Teil über das JohannesEvangelium die vorwiegend ablehnenden Bemerkungen über Strauß aus der Untersuchung von 1844 beibehielt, andererseits eine Einleitung vorausschickte, die Strauß noch weniger gefallen konnte. In ihr gibt Baur einen Überblick: „Die Geschichte der Evangelienkritik und der Standpunkt der gegenwärtigen Untersuchung.“228 Nach Ausführungen über die „dogmatische Auffassung des Verhältnisses der vier Evangelien“ von Augustin bis Storr und über die „abstrakt kritische Auffassung“ von Eichhorn bis de Wette und Credner beschreibt er die „negativ kritische oder dialektische Auffassung“ von Strauß bis Bruno Bauer und Wilke, der er am Ende seine eigene als die „geschichtliche Auffassung“ gegenüberstellt. In dem Strauß gewidmeten Abschnitt äußert er sich wiederholt anerkennend über den Schüler: „Eine neue Epoche der neutestamentlichen Kritik bezeichnet das berühmte Straußތsche Werk über das 224 Referat bei RAPP, Baur und Strauß (s. Anm. 9), 125. 225 Referat ebd. 226 Strauß an Zeller, 1. Februar 1847 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 190); vgl. auch oben
Anm. 161. 227 Baur an Märklin, 4. Juli 1847 (bei RAPP, Baur und Strauß [s. Anm. 9], 186); hier die Beteuerung: „Es war mir um nichts anderes zu tun, als um eine unbefangene geschichtliche Würdigung seiner Kritik, woran man bisher über dem beständigen Schimpfen und Verketzern eigentlich noch gar nicht gedacht hat.“ 228 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 1–76.
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Leben Jesu [...].“229 „Mit allen originellen, wahrhaft genialen Werken theilt das Straußތsche den großen Vorzug ebensosehr über der Zeit, als in der Zeit zu stehen.“230 Baur erwähnt die „mit so meisterhafter Dialektik und Darstellungsgabe durchgeführte Kritik“231 wie „die wahrhaft geschichtliche Bedeutung der Straußތschen Kritik der evangelischen Geschichte“.232 Dies alles konnte Strauß freuen; aber es wurde überlagert von der beharrlichen Charakterisierung seiner Kritik als „negativ“. Mit Recht betont Baur immer wieder, „nicht mit der Kritik der Schriften, sondern nur mit der Kritik der Geschichte“ habe Strauß zu tun:233 „Die größte Eigenthümlichkeit des Werkes ist, daß es eine Kritik der evangelischen Geschichte ohne eine Kritik der Evangelien gibt.“234 Diesen Fehler findet Baur „auf dem damaligen Standpunkt der Kritik sehr natürlich“; er sieht darin „auch ein nothwendiges Moment der Vermittlung für die weitere Entwicklung der Kritik“.235 Doch heftet er bei allem Verständnis und aller Würdigung Straußens dessen Kritik der Geschichte, die sich von der Kritik der Schriften völlig gelöst habe, in geradezu penetranter Wiederholung das Stigma des „Negativen“ an.236 Seine Art von Kritik führe zu einem durch und durch „negativen Resultat“, zur „Negativität der Resultate“, ja „aller Resultate“, zur „reinen Negativität ihrer Resultate“. Diese Charakterisierung wiegt umso schwerer, als Baur ihr seine eigene lapidar als „die geschichtliche Auffassung“ entgegensetzt. Er vermeidet jetzt allerdings, durch die Proteste des Schülers sensibilisiert, seine eigene Haltung durch den missverständlichen Begriff „positiv“ zu kennzeichnen. Aber er legt den Finger auf die Schwäche der dritten Auflage des „Leben Jesu“, die zeige, „wie am johanneischen Evangelium selbst die Straußތsche Kritik an sich irre wurde“.237 Der „negativen Kritik“ stellt er in großer Entschiedenheit sein eigenes Vorgehen gegenüber. Den schon seit langem von ihm gebrauchten Begriff aufgreifend geht er davon aus, dass jedes Evangelium „einen so eigenthümlichen Charakter und eine so bestimmte Tendenz“ habe, dass man daraus auf seinen Ursprung schließen könne. Aus ihrer Erkenntnis als „Tendenzschrift“, aus ihrem „Tendenzcharakter“, der zeige, dass sie kein „authentischer historischer Bericht“ seien, könnten die Evangelien als „Produkte ihrer Zeit“ verstanden
229 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 40. 230 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 47. 231 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 46. 232 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 51. 233 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 40. 234 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 41. 235 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 71f. 236 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 42–46.50–52.71f.75. 237 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 75.
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werden. Die Kritik, die sie unter diesem Gesichtspunkt betrachte, nenne sich mit Recht die „geschichtliche Kritik“.238 Strauß hat sich mit Baurs Sicht nicht öffentlich auseinandergesetzt. Dass er trotz aller Enttäuschung und Verärgerung an seiner Verehrung Baurs festhielt, zeigt die Biographie, die er bald nach dem allzu frühen Tode des gemeinsamen Freundes Christian Märklin veröffentlichte.239 In ihr entwirft er zugleich ein eindrucksvolles Bild des gemeinsamen Lehrers Baur in seiner Blaubeurer und frühen Tübinger Zeit. Von Vorbehalten des Verfassers gegenüber Baur ist hier nichts zu spüren. Wenn aus den fünfziger Jahren kein Briefwechsel zwischen Baur und Strauß und keine Auseinandersetzung des Schülers mit dem Lehrer überliefert ist, so liegt das vor allem daran, dass Strauß sich in dieser Zeit ganz von der Theologie abgewandt und sich nach seinem kurzen, bald gescheiterten Auftreten in der Politik (1848) biographisch-literarischen Arbeiten von stark journalistischem Zuschnitt zugewandt hatte, außerdem wiederholt seinen Aufenthaltsort wechselte. Immerhin gibt es viele Zeichen für Kontakte durch Vermittlung Dritter, vor allem Friedrich Theodor Vischers in Tübingen, der intensiv mit Baur verkehrte und den Austausch zwischen ihm und Strauß vermittelte. So erhielt Strauß über Vischer von Baur Material für seine Märklin-Biographie;240 er übernahm auch Änderungen, die Baur in sein Manuskript eingetragen hatte.241 Vischer teilte ihm mit, Baur lehne seinen Plan ab, ein „Dictionnaire“ in der Art des Bayleschen zu schreiben.242 Er versuchte auch 1850 – vergeblich – ein Wiedersehen zwischen Baur und Strauß zu vermitteln.243 Über Pfingsten 1855 kam es aber schließlich doch zu einem mehrtägigen Treffen mit Freunden und Kollegen in Auerbach an der Bergstraße, zu dem auch Baur und sein Sohn angereist waren.244 Drei Jahre später erinnerte 238 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 184), 75f. 239 STRAUSS, Märklin (s. Anm. 11). 240 Vischer an Strauß, 26. November 1849 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 1,
237); Strauß an Vischer, 30. November/1. Dezember 1849 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 251). 241 Strauß an Vischer, 16. März 1850 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 1, 249). 242 Strauß an Zeller, 3. November 1852 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 310). 243 Vischer an Strauß, 15. Juni 1850 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 1, 261): „Den D. Baur hatten wir schon wacklig gemacht in seinem Widerstreben gegen eine Badekur in Kissingen; die Aussicht auf ein Zusammensein mit Dir reizte ihn: aber dieser Erz-Arbeitsund Ordnungsmann schnappte mir wieder um [...].“ 244 Strauß an Rapp, 31. Mai 1855 aus Heidelberg (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 339): „Ich habe angenehme Pfingsten gehabt. Zeller kam mit Frau und Kind nach Auerbach an der Bergstraße, wo ich 5 Tage gleichfalls war; Baur und Sohn kamen von Tübingen, Mohl, Gervinus, Fischer von hier auf kürzere Zeit; so war man von Anfang beim herrlichsten Wetter, in reizender Gegend, unter trefflichen oder doch interessanten Menschen, recht vergnügt. Vater Baur war sehr kordial – doch ziemlich alt und engbrüstig geworden. [...] Mir war diese Zusammenkunft um so mehr werth, da ich sie gleichsam als einen Kongreß der philosophisch-
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sich Strauß noch gerne daran und schlug Zeller eine Wiederholung vor,245 die im Spätsommer zu Stande kam.246 Mit der Abgrenzung seiner eigenen Kritik gegen die Straußތsche in der Einleitung zu den „Kritischen Untersuchungen“ hatte Baur Formulierungen gefunden, die fortan stereotyp sein Selbstverständnis besonders im Vergleich mit seinem Schüler Strauß ausdrückten. Seit Sommersemester 1850 hielt er mehrmals eine Vorlesung über die neueste Kirchengeschichte oder Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts, in der er auch sein eigenes Wirken und sein Verhältnis zu Strauß darstellte.247 Wilhelm Lang schildert aus persönlicher Erinnerung die Spannung, mit der die Hörer dieser Vorlesung auf die Darstellung von Strauß warteten.248 Baur geht in der Tat mehrfach auf seinen Schüler ein und würdigt ausführlich das „Leben Jesu“ mit all seinen Folgen249 sowie kürzer die „Glaubenslehre“.250 Einerseits hebt er die epochemachende Bedeutung des „Leben Jesu“ klar und ohne Einschränkung hervor.251 Andererseits betont er, die Schrift habe nichts wesentlich Neues zu Tage gefördert, kritischen und historischen Richtung betrachtete, und ich werde mir, wie auch schon bisher angelegen sein lassen, diese Coalition zu befestigen und womöglich fruchtbar zu machen.“ Strauß berichtet an Vischer, 4. Juni 1855 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 2, 83): „[E]s waren ein paar recht genußreiche Tage, und wir haben Dich oft herbeigewünscht“ und fügt hinzu: „Unter Andrem haben wir in Auerbach auch den Plan einer zu gründenden Zeitschrift ernstlich besprochen [...]“. 245 Strauß an Zeller, 21. Januar 1858 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 384). 246 Strauß an Kuno Fischer, 4. September 1858 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 400). 247 Erstmals im Sommersemester 1850: „Neueste Geschichte der christlichen Theologie und Kirche vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart“, zuletzt im Wintersemester 1859/60: „Neueste Kirchengeschichte seit dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts mit besonderer Rücksicht auf den Entwicklungsgang der Theologie“. Diese Vorlesung hat sein Schwiegersohn postum nach dem Manuskript des Verfassers herausgegeben: F.C. BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, hg. von E. Zeller, Tübingen 1862 (ich zitiere die 2., wenig veränderte Aufl., Leipzig 1877). 248 Am ausführlichsten von LANG, Baur und Strauß 1874 (s. Anm. 9), 846; etwas verkürzt: LANG, Baur und Strauß 1885 (s. Anm. 9), 8f.; ganz knapp LANG, Ferdinand Christian Baur und David Friedrich Strauß (s. Anm. 9), 2. Teil, 144. 249 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 380–404. 250 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 424–427. 251 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 384: „Man muss die Periode des Straussތschen Buches selbst durchlebt haben, um sich eine Vorstellung von der Bewegung machen zu können, die es hervorrief. Nicht leicht hat eine literarische Erscheinung so schnell und so allgemein so grosses Aufsehen erregt, und alle Streitkräfte mit so regem Interesse auf einen Kampfplatz gerufen, auf welchem die verschiedensten Parteien einander entgegenstanden und den Eifer des Widerspruchs selbst bis zur heftigsten Leidenschaft steigerten. Das Straussތsche Buch war der zündende Funke, durch welchen der schon lange zusammengehäufte Brennstoff in lichterlohe Flammen gerieth.“ AaO., 400: „Es gibt keine Schrift der neuern theologischen Literatur, welche so sehr, wie die Strauss'sche, eine Epoche machende ist.“
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sondern erstmals klar und übersichtlich zusammengefasst, was bisher bereits weit verstreut vorlag.252 Ihre große Bedeutung liege „überhaupt darin, dass sie zuerst das religiöse und theologische Bewusstsein über den Standpunkt, auf welchem es sich befand, aufklärte“.253 Dadurch schwächt er freilich das fachtheologische Gewicht des „Leben Jesu“ zu Gunsten einer von Strauß gar nicht beabsichtigten allgemeinen Erhellung des religiös-theologischen Zeitgeistes ab. Die „Glaubenslehre“ bezeichnet Baur als die „bei weitem wichtigste Erscheinung auf dem dogmatischen Gebiet“,254 erkennt in ihr aber wieder keinen historischen Gewinn, sondern meint, sie ende „mit einer ebenso grossen Negativität“ wie das „Leben Jesu“.255 Auch hier betont er die „Negativität des Resultats“,256 die er schon im Blick auf das erstere Werk beschworen hatte.257 Dem unbefriedigenden Resultat des „Leben Jesu“ stellt Baur die Ergebnisse seiner eigenen „Bemühungen zur Erforschung des Urchristenthums“ gegenüber. Besonders wichtig ist ihm, festzuhalten, dass er seine „kritischen Untersuchungen“ bereits „lange vor Strauss“ begonnen habe und „daher auch von einem ganz andern Punkte ausgegangen“ sei. Die Beschäftigung mit den beiden Korintherbriefen habe ihn veranlasst, das Verhältnis des Paulus zu den anderen Aposteln genauer zu betrachten, und durch seine weiteren Untersuchungen sei er dazu geführt worden, das bisher übliche Bild einer Harmonie zwischen allen Aposteln durch die Einsicht in den Gegensatz zweier Parteien – der Pauliner und der Petriner oder Judaisten – zu ersetzen.258 Von hier aus sei er durch seine Untersuchungen über die Gnosis zu den Pastoralbriefen, zu umfassender Beschäftigung mit den Paulusbriefen und der Apostelgeschichte, schließlich auch zur Behandlung des Johannesevangeliums geführt worden.259 Während er beim Erscheinen des Straußތschen „Leben Jesu“ „ruhiger Zuschauer“ geblieben sei, zumal er seine Entstehung miterlebt habe,260 sei er erst durch eigene Beschäftigung mit Johannes zu einer sicheren Beurteilung der vier Evangelien gekommen. Die Einsicht, daß das johanneische und ande252 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 400f. 253 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 401. 254 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 424. 255 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 426. 256 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 427. 257 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 416f. 258 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 417. 259 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 418f. 260 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 419: „Als das
Straussތsche Leben Jesu erschien und die bekannte Bewegung hervorrief, blieb ich ruhiger Zuschauer. Die Sache hatte ohnediess für mich nichts Neues, da ich das Werk in meiner nächsten Nähe hatte entstehen sehen und mit dem Verfasser oft genug darüber gesprochen hatte.“ Vgl. dazu oben bei Anm. 77.
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re Evangelien eine „innere Tendenz“ besitzen, habe ihn davor bewahrt, sie – wie Strauß – als vermeintlich historische Quellen kritisch gegeneinander auszuspielen, und ihm erlaubt, sie als Zeugnisse aus nachapostolischer Zeit in die geschichtlichen Zusammenhänge hineinzustellen, deren Erkenntnis er schon in seinen Untersuchungen über die Briefliteratur und die Apostelgeschichte gewonnen hatte.261 Im Übrigen sah er bei Matthäus die größte Nähe zur ursprünglichen evangelischen Tradition gegeben.262 Nach dem Hinweis auf mehrere Schüler, die seine „Ansichten und Grundsätze weiter ausgeführt“ hätten, und auf die Bezeichnung „neue Tübinger Schule“, als deren Stifter er betrachtet werde, fasst er noch einmal seinen Unterschied zu Strauß zusammen: „Mein kritischer Standpunkt ist der einzige, von welchem aus die Straussތsche Kritik sowohl berichtigt als weiter geführt werden kann. Meine Kritik ist methodischer als die Straussތsche, weil sie auf die Frage zurückgeht, welche Strauss vor allem hätte inތs Reine bringen sollen. Man kann das Leben Jesu nicht zum Gegenstand der Kritik machen, solange man sich nicht über die Schriften, welche die Quelle unserer Kenntnis desselben sind, und ihr Verhältniss zu einander eine bestimmte kritische Ansicht zu bilden im Stande ist. Meine Kritik ist ebendesswegen auch conservativer, als die Straussތsche, sofern sie nach einem bestimmten Gesichtspunkt die geschichtlichen Elemente von den nichtgeschichtlichen zu scheiden weiss.“263
Aus dieser Darstellung wird verständlich, weshalb Baur in seiner zu Beginn dieser Studie zitierten späten Schrift „Die Tübinger Schule“ gerade Strauß nicht zu seinem Schülerkreis zählte. Noch anderthalb Monate vor seinem Tode betonte Baur seine Distanz zu Strauß gegenüber Eduard Zeller. Er hatte den kürzlich in der „Historischen Zeitschrift“ erschienen Aufsatz Zellers über „Die Tübinger historische Schule“ gelesen.264 Sein Schwiegersohn hatte hier zunächst das „Leben Jesu“ charakterisiert265 und war anschließend zur Würdigung Baurs übergegangen. Er berichtet, dieser habe seine Untersuchungen „zwar schon vor dem Erscheinen des ,Leben Jesu‘ begonnen“, meint aber, 261 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 419f., vgl. bes. 419: „Ist das johanneische Evangelium kein geschichtliches Evangelium wie die andern, will es selbst kein eigentlich geschichtliches sein, hat es unläugbar eine ideelle Tendenz, so kann es auch nicht mehr mit den synoptischen zusammengenommen und ihnen entgegengestellt werden. Es ist daher nicht mehr möglich, mit der Straussތschen Taktik und Operationsmethode einestheils die Synoptiker mit dem Johannes und anderntheils den Johannes mit den Synoptikern zu schlagen, wovon die Folge nur die sein kann, dass man gar nicht mehr weiss, woran man sich in der evangelischen Geschichte halten soll.“ 262 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 420: „Die ganze Frage concentrirt sich auf das Matthäusevangelium.“ 263 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (s. Anm. 247), 421. 264 ZELLER, Die Tübinger historische Schule (s. Anm. 7). Der Verfasser hatte das Manuskript schon im August 1859 dem Herausgeber Heinrich von Sybel übergeben. 265 ZELLER, Die Tübinger historische Schule (s. Anm. 7), 100-106.
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ihre „volle und rücksichtslose Durchführung“ sei ihm „doch erst durch Strauß ތkritische Wirksamkeit möglich gemacht“ worden. Bevor er die Unterschiede zwischen beiden formuliert, betont er: „die Baurތsche Geschichtsconstruktion ist insofern durch die Straußische Kritik bedingt, und sie konnte nicht eher zur Reife kommen, als bis ihr jene freie Bahn gemacht hatte“.266 Damit traf er aber – wie er genau wissen musste – gerade den Punkt, an dem Baur besonders empfindlich war. Dieser tadelte ihn denn auch: „Es scheint mir, Du habest das Straußތsche Leben Jesu gar zu überwiegend in den Vordergrund gestellt [...]. Ich bin gewiß weit entfernt, der Originalität und hohen Bedeutung des Straußschen Werkes irgendwie zu nahe treten zu wollen, ich habe es nie gewagt, auch nur auf etwas anzuspielen, was mich Strauß gegenüber als den Stifter einer Schule erscheinen lassen könnte, ebendeßwegen scheint es mir um so mehr darauf anzukommen, auch den Unterschied der beiden Richtungen scharf hervorzukehren.“
Und nach Charakterisierung des Unterschieds – „Strauß ތKritik sei die Kritik der Geschichte, die meinige die Kritik der Schriften als der Quelle der Geschichte“ – fährt er in seinem Tadel der Darstellung Zellers fort: „Meine Kritik soll ganz durch die Straußތsche bedingt sein, ich habe aber schon vor Strauß den mir eigentümlichen Weg eingeschlagen, auf welchem erst die Kritik zu einer streng historischen werden kann.“267 Zeller bemühte sich, seine Darstellung zu verteidigen268 und behielt sie trotz des erneuten Widerspruchs seines Schwiegervaters269 bei der Aufnahme in seine erste Aufsatzsammlung bei.270 266 ZELLER, Die Tübinger historische Schule (s. Anm. 7), 106. 267 Baur an Zeller, 19. Oktober 1860 (bei LANG, Ferdinand Baur und David Friedrich
Strauß [s. Anm. 9], 137). 268 Zeller an Baur, 23. Oktober 1860 (aaO., 138–140). S. 139 erläutert Zeller die Bedeutung des „Leben Jesu“ als „Unterstützung“ für Baur: „Denn so gewiß die Kritik des geschichtlichen Verlaufs unvollkommen bleibt, so lange man sich nicht durch Untersuchungen, wie die deinigen, über die Quellenschriften orientiert hat, so unmöglich können andererseits diese Untersuchungen mit wissenschaftlicher Freiheit angestellt werden, ehe der Schein zerstört ist, daß jene Schriften einfache Geschichtsbücher seien. Diesen Schein aber, wenn ihn auch vielleicht Andere gleichfalls hätten zerstören können, hat doch tatsächlich und vor den Augen der wissenschaftlichen Welt Strauß zuerst vernichtet, und diese Sachlage fandst du vor, als deine Kritik von den neutestamentlichen Briefen und der Apostelgeschichte auf die Evangelien überging.“ Gegen Ende (S. 140) gießt er in der Absicht, zu vermitteln, neues Öl ins Feuer: „Du hast ihm für deine Person vielleicht mancherlei Förderung, aber keinen neuen Standpunkt, wir hatten ihm damals eine uns noch völlig neue Weite des kritischen Gesichtskreises und Entfesselung des kritischen Muts zu verdanken.“ 269 Baur an Zeller, 6. November (aaO.,149f.): „Die Hauptsache ist doch, daß Strauß die schon längst vorhandene Ansicht von der unhistorischen Realität der Wunder methodisch und prinzipiell zu einer rein negativen Geschichtsansicht durchgeführt hat, aber dabei blieb er auch [...]; erst durch eine ganz andere Kritik kann seine Ansicht aus ihrer Negativität auf einen Boden herabkommen, in welchem es auch eine wahre und wirkliche Geschichte gibt.
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Als Baur Heilung von seinem ersten Schlaganfall in Baden-Baden suchte, schrieb ihm Strauß und dankte ihm für die Zusendung der 2. Auflage seines „Werkes über die drei ersten christlichen Jahrhunderte“.271 Sodann entwarf er in blumigen Worten ein Bild der gegenwärtigen theologischen Lage, wobei er die Verdienste des Lehrers hervorhob272 und die Hoffnung auf sein weiteres Wirken ausdrückte.273 Vischer berichtet erfreut darüber, daß Baur ihm bei seinem Besuch in Baden-Baden diesen Brief zu lesen gab.274 Damals lebte der gemeinsame Lehrer bereits nicht mehr; am 2. Dezember 1860 war er an einem zweiten Schlaganfall gestorben. Wie sehr Strauß durch seinen Tod bewegt war, zeigt sein Brief an Zeller, in dem er die Meinung ausspricht, mit Baur sei „der letzte große Theologe zu Grabe gegangen“.275 An der Beerdigung des Lehrers hat Strauß jedoch nicht teilgenommen; offenbar wollte er eine Begegnung mit den Institutionen vermeiden, die ihn abgewiesen hatten und mit denen er inzwischen zerfallen war.276 Seit 1836 hatte er Tübingen gemieden.277
Dies hätte, wie ich glaube, mit noch bestimmterem Nachdruck hervorgehoben und als Hauptmoment des Unterschieds bezeichnet werden dürfen.“ 270 E. ZELLER, Vorträge und Abhandlungen geschichtlichen Inhalts, Leipzig 1865, 267– 353, 282. 271 F.C. BAUR, Das Christentum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, Tübingen 1853. 272 Strauß an Baur am 5. September 1860 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 123f., hier 123): „Während Sie in Ihren Schriften und Ihrer Schule der Wissenschaft eine feste Burg gegründet haben, ist das platte Land der Theologie in einen Zustand unglaublicher Verwilderung versunken. [...] Insbesondere seit Sie dem Zeitalter sein Lieblingsevangelium genommen haben [...], rennen die Theologen wie ein gestörter Ameisenhaufen durcheinander.“ 273 Er schließt aaO., 124 mit den Worten: „Also erlauben Sie, verehrter alter Feldherr, daß ein ehemaliger Offizier, der sich aber lange in Zivil umgetrieben, unter veränderten Zeitumständen als Freiwilliger in Ihr Corps eintrete, das Sie bald wieder frisch und rüstig als bewährter Marschall Vorwärts zum Kampf und Siege führen mögen!“ 274 Vischer an Strauß, 20. Dezember 1860 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 2, 167): „In Baden-Baden war er gar noch so gut und liebenswürdig, und ich las auch Deinen schönen Brief an ihn, den ich gerne gedruckt sähe.“ 275 Strauß an Zeller, 4. Dezember 1860 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 423): „Was die Angehörigen, die Freunde, an ihm verloren haben, fühlen und wissen diese; was der Welt mit ihm genommen ist, werden Viele ahnen, Manche auch zum Theil begreifen; ganz und voll empfinden und ermessen werden es jetzt nur die Wenigen, die sein Geist dazu erzogen hat, es zu können. Aber die Zeit wird kommen, daß man in den weitesten Kreisen verstehen wird, wie mit ihm der letzte große Theologe zu Grabe gegangen.“ 276 Er deutet das aaO., 423f., an: „Dürfte ich meinem Herzen folgen, so würde ich mich zu der Leichenfeier persönlich einfinden; da sie jedoch vorzugsweise eine akademische sein wird, so will ich mich nicht zudrängen.“ 277 Vgl. Strauß an Zeller, 24. September 1862 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 445).
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6. Nach Baurs Tod Auch nach Baurs Tod bewahrte Strauß seine ambivalente Haltung gegenüber dem Lehrer, über den er sich in kleineren Beiträgen wiederholt äußerte. Neben der Anerkennung und Verehrung des großen Gelehrten stand immer die Erinnerung an die Ablehnung seiner eigenen Arbeitsweise, die Strauß erfahren hatte. So veröffentlichte er in der Frankfurter Tageszeitung „Die Zeit“ einen Nachruf, in dem Baur als „einer der Stammhalter deutscher Wissenschaft, ein Gelehrter im echten und großen Stil“, einer der „großen Produzenten im Reiche des Gedankens“ charakterisiert wird.278 Strauß nimmt hier die Unterscheidung zwischen bloßer Kritik und dem genuin historischen Nachweis des Geschehenen, die Baur einst von ihm getrennt hatte, ohne Einschränkung auf.279 Daneben konnte er sich in seiner im Übrigen sehr anerkennenden Besprechung von Baurs „Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts“280 eine Kritik an Baurs Darstellung seines Verhältnisses zu Strauß nicht versagen.281 Zeller schrieb er im Blick auf diese Besprechung, bei der erneuten Lektüre der neutestamentlichen Arbeiten Baurs, die ihn doch sachlich längst überzeugt hatten, habe er immer wieder Bitterkeit über seine
278 Die Zeit. Tageblatt für Politik, Wirtschaft, Handel und Kultur, Frankfurt a.M., Probenummer vom 21. März 1861. Da diese Nummer in dem in Tübingen vorhandenen Band fehlt, stütze ich mich auf den Bericht von ZIEGLER, Strauß (s. Anm. 9), Bd. 2, 577–579; die Zitate 577f. 279 AaO., 578: „Er war Historiker und betonte es gerne, daß sein Standpunkt nur der geschichtliche sei. Er suchte den Glauben an das Übernatürliche des Schriftinhalts nicht dadurch zu erschüttern, daß er das Irrige in demselben nachwies, sondern dadurch, daß er zeigte, wie es bei der Entstehung der Schriften, der Ausbildung der Lehren und Erzählungen des Neuen Testaments so ganz natürlich zugegangen. In der Aufgabe, die er sich stellte, die Entstehung des Christentums geschichtlich zu begreifen, war die Ausscheidung alles Übernatürlichen von selbst enthalten.“ 280 Süddeutsche Zeitung, Frankfurt a.M., 14. August 1862 (Nr. 83, 85) und 16. August 1862 (Nr. 87). Der Artikel beginnt mit den Worten (Nr. 83): „Der verewigte Gründer der Tübinger Schule setzt das von ihm so rühmlich geführte Lehramt auch nach seinem Hingang noch fort.“ 281 AaO., Nr. 85: Baur „ist dem Verfasser des Lebens Jesu, der vermöge einer eigenthümlichen Verflechtung zugleich sein Schüler und sein Vorgänger gewesen ist, in diesen Vorlesungen gerechter geworden als in seinen bei Lebzeiten herausgegebenen Schriften, wo die politische Absicht, die eigene Sache von der Sache des in Acht und Aberacht gefallenen Vorgängers zu trennen, mitunter allzu merklich war.“ Die Abgrenzung gegenüber Baur endet mit der Bemerkung: „Wir haben Baurތs Bestreben, seine Kritik der Straußތschen neben anderen Vorzügen, die sie vor derselben haben mag, zugleich als die positivere und conservativere entgegenzustellen, von jeher als eine Schwachheit des vortrefflichen Mannes betrachtet, die uns aber freilich nur zeigt, wie auch der Stärkste es mit seiner Zeit und ihren Vorurtheilen nicht ganz und geradezu verderben mag.“
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Behandlung durch den verehrten Lehrer empfunden.282 Es ist verständlich, dass er in dieser zwiespältigen Stimmung Zellers Bitte abschlug, die sich angesichts seines Buches über Märklin und der weiteren seither erschienenen Biographien283 nahelegte, ein entsprechendes Werk über den gemeinsamen Lehrer zu schreiben. Neben der Frage, ob er sich die Einzelheiten von Baurs Forschungen aus den letzten zwei Jahrzehnten angemessen aneignen könnte, führt er „noch ein tieferes Bedenken“ ins Feld: Baur wäre, hätte man ihm den Vorschlag gemacht, gewiss nicht mit Strauß als seinem Biographen einverstanden gewesen. Den „wunden Fleck“ in seinem Verhältnis zu Baur umschreibt er durch den biblischen Vergleich, dass Baur ihn immer als „seinen Ruben betrachtet“ habe, d.h. als seinen Erstgeborenen, der das Bett des Vaters entweiht hatte (Gen 49,3f.). „Erwäge nun aber, welcher innere Widerstand meiner Arbeit in dem Bewußtsein entgegenstehen müßte, als ein Unberufener die Hand daran gelegt zu haben und wenn ich das Bild des Verstorbenen, statt freundlich mir zuwinkend, vielmehr mit abwehrend aufgehobenem Finger mir gegenüber sähe.“284
Die Beschäftigung mit Ulrich von Hutten führte Strauß nach jahrelanger Enthaltsamkeit wieder zu Fragen von Religion und Theologie, und in der im Mai 1860 unterzeichneten Vorrede zur Übersetzung der Gespräche Huttens schlug er einen weiten Bogen von der Reformationszeit zur Gegenwart.285 Beim Blick auf die theologische Entwicklung über Schleiermacher hinaus kommt er auch auf sein „Leben Jesu“ zu sprechen, das nach Meinung mancher „ja 282 Strauß an Zeller, 24. September 1862 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 445): „Ich leugne nicht, daß in den letzten Jahren, seit ich mich wieder mit Theologie beschäftige, beim Durchlesen der Arbeiten Baur's über die Evangelienkritik in Deiner Zeitschrift und sonst, mich öfters eine bittre Stimmung beschleichen wollte über die wegschiebende, überhinsehende Art, die er gegen mich beobachtet; eine solche Stimmung gegen einen Mann, den ich, er mochte es mir machen, wie er wollte, dennoch nicht umhin konnte zu verehren und zu lieben, war mir überaus peinlich“. 283 Vgl. besonders D.F. STRAUSS, Leben und Schriften des Dichters und Philosophen Nikodemus Frischlin. Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1856 (erschienen 1855); DERS., Ulrich von Hutten, 2 Bde., Leipzig 1858 (erschienen 1857). 284 Strauß an Zeller, 15. Mai 1861 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 432). 285 Gespräche Ulrichs von Hutten, übersetzt und erläutert von David Friedrich Strauß (= Ulrich von Hutten, 3. Theil), Leipzig 1860; hier XIX: „So gewiß er [Hutten, U.K.] auf eine protestantische Kirche hingearbeitet hat, so zweifelhaft ist, ob er in der unsern, wie sie jetzt ist, die erkennen würde, die ihm im Sinne lag.“; AaO., XIXf.: „Das Princip, aus dem der Protestantismus hervorwuchs, ist freie Überzeugung des Einzelnen: sich nichts vorglauben zu lassen, sondern nur zu glauben, was man selbst persönlich im eignen Innern erlebt. [...] Sobald an die Stelle dieses lebendigen und freien Glaubens ein todter und knechtischer Symboloder Bibelglaube trat, war der Protestantismus von sich selbst abgefallen: und wo hätte er denn seitdem bis auf den heutigen Tag dieses Afterprincip von sich gethan?“
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längst widerlegt sei“.286 Eine gewisse „Widerlegung“ möchte er tatsächlich einräumen.287 Er beschreibt nun zwei Aspekte, in denen sein Lehrer über ihn hinausgekommen war, ohne freilich dessen Namen zu nennen. Zum einen betont er jetzt mit Baur den „Tendenzcharakter“ der Evangelien: „Es ist nachgewiesen, daß ein großer Theil dieser Erzählungen gar sehr absichtlich zu bestimmten und bewußten Parteizwecken erdichtet ist.“288 Zum andern gesteht er: „Das vierte Evangelium ging in meiner Rechnung nicht auf [...]. Ich hatte das Wort dieses Räthsels noch nicht gefunden: seitdem ist bewiesen worden, daß das vierte Evangelium eine Composition ist, deren Verfasser sich seines freien Schaltens mit dem geschichtlichen und Sagenstoff zu philosophisch-dogmatischen Zwecken so bewußt war“ wie Platon bei der Darstellung des Sokrates in seinen Dialogen.289 Seltsamerweise nennt er den Urheber dieser weiterführenden Einsichten nicht, während er später auf Heinrich Georg August Ewald unter Nennung seines Namens eingeht: Er habe „seit zwanzig Jahren gegen die Tübinger Schule, die Trägerin der theologischen Kritik, vom vermeintlich wissenschaftlichen, religiösen und sittlichen Standpunkt aus“ unermüdlich „gepoltert“.290 Auch als er von „Einem Manne besonders“ spricht, dem Ewalds „Fach ihn nahe stellte“, dem er an Gelehrsamkeit, philosophischer Durchbildung des Denkens wie humaner Charakterbildung jedoch nicht gewachsen war und dem ebenso wie seinen Schülern und der ganzen Universität Tübingen „bald die wüthenden Ausbrüche seines Hasses“ galten, verschweigt er den Namen des Betroffenen.291 Dennoch wird deutlich, dass er sich in der Formulierung dieser Vorrede dazu durchgerungen hat, Baurs Kritik an seinem „Leben Jesu“ zu akzeptieren.292 Nachdem Strauß die Arbeiten über Hutten abgeschlossen hatte, wandte er sich erneut dem „Leben Jesu“ zu. Bereits bei der Vorbereitung der „Vorrede“ zu Huttens Gesprächen im Winter 1859/60 hatte er sich über die neuere theologische Literatur geärgert und an die „Wolfenbüttelschen Fragmente“ des Hermann Samuel Reimarus erinnert, die er schon vor drei Jahrzehnten kennengelernt hatte. Bevor er an die Abfassung eines neuen „Leben Jesu“ ging, widmete er Reimarus und seinem bibelkritischen Werk die aus einer Abschrift des Wolfenbütteler Manuskripts erarbeitete Monographie, deren Vor-
286 AaO., XXX. 287 AaO., XXXI. 288 AaO., XXXIIf. 289 AaO., XXXIII. 290 AaO., XXXVIII. 291 AaO., XLIV Anm. 1 (auf S. XLV). 292 Noch am 26. Februar 1860 hatte er an Rapp geschrieben (Briefe, hg. Zeller [s. Anm.
9], 412): „Ich werde sagen, meine Arbeit sei nicht widerlegt, wohl aber fortgebildet worden.“
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wort er im Oktober 1861 unterzeichnete.293 Ende 1860 bewegte ihn noch der Plan, neben der Neuauflage des alten „Leben Jesu“ eine volkstümliche Ausgabe zu besorgen.294 Ende Januar 1861 wollte er sich ganz auf die letztere beschränken;295 aber Ende März zeigte er sich wieder schwankend.296 Doch im Sommer des folgenden Jahres berichtete er, sein Leben Jesu sei ihm ganz fremd geworden.297 Gegen Ende 1863 lag das Manuskript des neuen Werks vor; er sandte es Zeller zur Durchsicht.298 1864 erschien das neue Buch.299 In der „Vorrede“ verzichtet Strauß auf eine Überarbeitung des „Leben Jesu, kritisch bearbeitet“ und erklärt dessen 1. Auflage mit wenigen Verbesserungen für verbindlich.300 Er schreibt, er habe die „Auseinandersetzung mit den neu293 D.F. STRAUSS, Hermann Samuel Reimarus und seine Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes, Leipzig 1862. Im Vorwort berichtet er (S. VII): „Da hatte ich mir im Laufe des vergangenen Winters bei einer Musterung der neueren theologischen Literatur durch das schale apologetische Gebräu, das insbesondere die neutestamentliche Kritik in den letzten Jahren so reichlich zu Markte gebracht hat, den Magen gründlich verdorben, und indem ich mich nach etwas kräftig Zusammenziehendem umsah, fiel mir der alte Reimarus ein.“ Vgl. Strauß an Rapp, 26. Februar 1860 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 412): „Ich sammle jetzt Stoff für eine Vorrede zu meinen übersetzten Huttenތs-Dialogen und sehe mich deswegen ein wenig in der heutigen Theologie um, lese Kirchenzeitungen u.dgl. Aber Himmel, was ist das für ein Zustand! Welche Verwilderung, welche Zuchtlosigkeit, welche Mißgeburten, welches Lügen- und Heuchlerwesen, wo man hinsieht.“ 294 Strauß an Rapp, 2. Dezember 1860 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 422): „Und doch hätte ich sowohl von meinem Leben Jesu, als von meiner Dogmatik neue Ausgaben zu besorgen, und möchte außerdem das Leben Jesu populär bearbeiten, um den Theologen in den Rücken zu fallen.“ 295 Strauß an Vischer, 29. Januar 1861 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 2, 170): „Mit Deiner Ästhetik wird es Dir wahrscheinlich gerade so gehen, wie mir mit dem L[eben] J[esu]. Beide werden wir neue Bücher machen müssen; was jedenfalls auch viel leichter ist, als die alten umbauen. [...] Was mir in Berlin Freund Vatke eingeredet, erst das alte gelehrte Buch wieder aufzulegen, dann das neue populäre zu machen, habe ich so viel wie aufgegeben.“ 296 Strauß an Gervinus, 26. März 1861 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 431): „Ob ich [...] zunächst eine neue Auflage des alten oder gleich ein neues populäres Buch machen soll, darüber schwanke ich noch und will mir die Entscheidung bis zuletzt vorbehalten.“ 297 Strauß an Kuno Fischer, 10. Juli 1862 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 443): „[I]ch lese mein mir ganz fremd gewordenes Leben Jesu wieder“. 298 Strauß an Zeller, 28. November 1863 (Briefe, hg. Zeller [s. Anm. 9], 467): „Du wirst auch ein paar Stellen finden, die sich auf Baur beziehen; mit der Art, wie ich sein Werk über Johannes einführe, wirst Du zufrieden sein; wo ich mich abwehrend zu ihm verhalte, habe ich mich bestrebt, zwischen dieser nothgedrungenen Abwehr und der Liebe und Verehrung, die ich für ihn habe, die Mittellinie zu finden“. 299 D.F. STRAUSS, Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet, Leipzig 1864. 300 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), XIII: Das ursprüngliche „Leben Jesu“ sei „nicht allein das geschichtliche Denkmal eines Wendepunkts in der Entwicklung der neuern Theologie“, es werde „auch vermöge seiner Anlage noch langehin ein brauchbares Bildungsmittel für die Lernenden sein. Also bleibe das alte Leben Jesu wie es ist,
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eren Forschungen“ über die Evangelien eingearbeitet und betont: „Am meisten Belehrung verdanke ich allerdings Baur und den Männern, die in seinem Sinne weiter geforscht haben; konnte ich auch nicht mit allen ihren Ergebnissen einverstanden sein, so war ich es doch um so mehr mit dem Geist und der Art ihrer Forschung“.301 Der Einfluss Baurs ist das einzige, das uns in unserem Zusammenhang interessiert. Er zeigt sich zunächst darin, dass Strauß Baurs Forderung, einer Kritik der Geschichte müsse die Kritik der Quellen vorangehen, eingehend berücksichtigt hat. In einer „Einleitung“ behandelt er nach den „verschiedenen Bearbeitungen des Lebens Jesu“302 ausführlich „die Evangelien als Quellen des Lebens Jesu“ im Blick auf die äußeren Zeugnisse über ihren Ursprung und ihr Alter sowie auf ihre innere Beschaffenheit und ihr Verhältnis zueinander.303 Dabei räumt er „Baurތs Untersuchungen über das johanneische Evangelium, deren Fortsetzung und Bestreitung“ einen eigenen Abschnitt ein,304 an dessen Beginn er die Auseinandersetzung um die Kritik des Johannes einem „Kampfe auf Leben und Tod“ vergleicht: „Diesen Kampf aufgenommen und auf eine Weise durchgefochten zu haben, wie noch selten kritische Kämpfe durchfochten worden sind, ist der unvergängliche Ruhm des verewigten Dr. Baur.“ Er hebt an Baur hervor, was dieser an Strauß einst vermißt hatte: „daß er sich zu seinem Gegenstande nicht blos negativ verhielt.“305 Im „Rückblick auf die drei ersten Evangelien“ greift er Baurs Einsicht auf, dass diese Quellen nicht getreue historische Berichte sind, sondern „Tendenzschriften“.306 Außerdem bekennt er sich zu Baurs Überzeugung, das Matthäus-Evangelium sei „das ursprünglichste und beziehungsweise glaubwürdigste“ unter den Evangelien.307 Seine Ausführungen zeigen, wie viel er von der Evangelienkritik Baurs gelernt hat. Die „Einleitung“ schließt mit allgemeinen Bemerkungen über den Wunderbegriff und den Begriff des Mythos sowie über den Plan des Buches; bei der Begründung seiner Rede vom Mythischen setzt sich Strauß auch mit Baurs Kritik auseinander und weist darauf hin, dass der Begriff des „Tendenzmäßigen“, den Baur an die Stelle des von Strauß gebrauchten Mythosbegriffs setze, oder die Rede vom „Tendenzcharakter“ ebenfalls „ein Kriterium des Unhistorischen“ einführe, betont aber zugleich, er habe, „hauptsächlich in Folge von Baurތs Nachweiund sollte sich je einmal eine neue Auflage des vergriffenen Buchs als Bedürfniß herausstellen, so werde diese (das will ich letztwillig verordnet haben) nach der ersten, mit Zuziehung weniger Verbesserungen der vierten Auflage, veranstaltet.“ 301 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), XVI. 302 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 7–39. 303 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 40–144. 304 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), Abschn. 18, 107–114. 305 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 108. 306 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 114. 307 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 115.
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sungen, der Annahme bewußter und absichtlicher Dichtung weit mehr Raum als früher zugestanden“.308 Den Hauptteil des Werks gliedert er in zwei „Bücher“: Das erste enthält „Das Leben Jesu im geschichtlichen Umriß“, in dem er die nach den biblischen Quellen rekonstruierten und mit manchen überlieferungskritischen Akzenten versehenen „Umrisse einer wirklichen Lebensgeschichte Jesu“ mitsamt ihren geschichtlichen Voraussetzungen erzählt.309 Das zweite Buch, in dem für Strauß „der Schwerpunkt des Werks“ liegt,310 breitet „Die mythische Geschichte Jesu in ihrer Entstehung und Ausbildung“ vor dem Leser aus.311 Darin versucht der Verfasser, von den historischen Grundlagen ausgehend unter Verzicht auf gelehrte Polemik die Entstehung auch der unhistorischen, der wunderhaften Überlieferungen mit Hilfe des Mythosbegriffs zu erklären.312 Eine kurze „Schlußbetrachtung“ schließt seine Ausführungen ab.313 Es ist nicht möglich und nötig, das Werk hier eingehender zu würdigen. Die Feststellung mag genügen, dass Strauß am kritischen Grundgedanken seines ersten „Leben Jesu“ festhält, aber in mehrfacher Hinsicht die weiterführenden Einsichten Baurs aufnimmt und damit in seiner letzten großen historisch-theologischen Arbeit Übereinstimmung mit seinem Lehrer wie Abstand zu ihm bezeugt.
7. Epilog Die Geschichte der Beziehungen zwischen Baur und Strauß zeigt ein fast vier Jahrzehnte andauerndes wechsel- und spannungsvolles Lehrer-SchülerVerhältnis, in dem zwei sehr verschiedene Menschen auf der gemeinsamen Grundlage freiheitlich-offenen Denkens zwei unterschiedliche Arten kritischer Theologie hervorgebracht haben. Baur bietet das Bild eines in seiner Arbeit bedächtig fortschreitenden, allein dem Streben nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis verpflichteten, dabei keine Konsequenzen seiner kritischen Forschung scheuenden, in der Darbietung seiner Ergebnisse bei aller Vorsicht selbstbewusst in sich ruhenden Gelehrten. Strauß dagegen erscheint mit seinen früh entwickelten, weit ausgreifenden Plänen als viel kühner und zugleich unvorsichtiger, durch erste Erfahrungen in der kirchlichen 308 Alles Abs. 25. 309 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 310 Strauß an Vischer, 2. Mai 1864 (Briefwechsel, hg. Rapp [s. Anm. 30], Bd. 2, 189). 311 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 319–620. 312 In einem vorbereitenden kurzen Abschnitt 51 „Anordnung“ nennt er seine Absicht
provozierend: das „Medium selbst zu zersetzen, d.h. die darin sichtbaren Scheinbilder dadurch aufzulösen, daß wir die Bedingungen nachweisen, unter denen sie entstanden sind“. 313 STRAUSS, Leben Jesu für das deutsche Volk (s. Anm. 299), 621–627.
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Praxis wie durch die ihn begeisternde Philosophie Hegels angeregt, von vornherein zu rücksichtsloser Kritik bereit, in seiner ungesicherten Stellung freilich stets gefährdet und schwankenden Stimmungen ausgesetzt. Während Baur Schritt für Schritt seine konsequent historische Betrachtung der frühchristlichen Quellen und der aus ihnen erkennbaren Geschichte entwickelt, strebt Strauß immer wieder über das historische Erkennen hinaus und gibt sich dabei gefährliche Blößen. Baur hat aus der Sicht des Historikers das Vorgehen und die Ergebnisse seines Schülers häufig als „negativ“ bezeichnet, sein eigenes Verfahren dagegen – nicht selten mit hohem Pathos314 – schlechtweg als „geschichtlich“. War er in seiner Darstellung des Schülers tatsächlich so ungerecht, wie Strauß trotz aller Anhänglichkeit und Verehrung an den Lehrer meinte? Strauß hat sich selbst immer wieder über die Eigenart seines wissenschaftlichen Arbeitens geäußert. Schon nach Erscheinen des ersten Bandes seines „Leben Jesu“ bekennt er dem Heidelberger Systematiker Carl Daub, die darin geübte Kritik sei „nur der Weg zur spekulativen Dogmatik“.315 Als ihm 1838 sein Freund Ludwig Georgii mitteilt, auch er wolle sich um die freigewordene Züricher Professur für Kirchengeschichte und Dogmatik bewerben, antwortet ihm Strauß: „ich kann mir auch nicht verbergen, dass für eine Stelle, bei der Kirchengeschichte die Hauptsache ist, Du ungleich besser taugst als ich, der ich doch eigentlich nur aus Not und weil ich sonst nichts haben kann, also nicht mit ganz gutem Gewissen, mich nach dieser Stelle gelüsten lasse“.316 Als er Georgii den zweiten Band seiner Glaubenslehre zusendet, schreibt er im Begleitbrief: „Hier lege ich den zweiten Band meiner Dogmatik bei, die Du gewiss gnädig beurteilen wirst, wenn Du sie nicht als historisches, sondern als polemisches Buch betrachtest. Denn von dem rein historischen Interesse, das ich Dir zuerkenne, habe ich keinen Blutstropfen in mir [...]“.317 1844, als er gerade den Aufklärungshistoriker Ludwig Timotheus Spittler liest, erklärt er Georgii lapidar: „Du bist Historiker, ich nicht.“318 Als er sich 1846 bei Märklin über seine unfreundliche Behandlung durch Baur beklagt, räumt er ein: „ich bin kein Historiker, es ist bei mir Alles vom dogmatischen (resp. antidogmatischen) Interesse ausgegangen, und das mag er mit Recht von seinem historisch-kritischen Standpunkt aus mißbilligen“. Freilich betont 314 Vor allem in den programmatischen Einleitungen zu seinen großen Monographien. 315 Strauß an Daub, 11. August 1835 (bei ZIEGLER, Strauß [s. Anm. 9], Bd. 2, 767):
„[F]ür mich ist sie nur der Weg zur spekulativen Dogmatik, die dialektische Vermittlung, durch welche die biblische Vorstellung hindurch muß, um zum Begriff zu werden; ich sehe kein Auferstehen der Idee, wenn nicht die Historie zu Grunde geht“. 316 Strauß an Georgii, 19. Juni 1838 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 23). 317 Strauß an Georgii, 2. Juli 1841 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 37). 318 Strauß an Georgii, 1. November 1844 (Briefe, hg. Maier [s. Anm. 57], 46).
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er hier wie so oft sogleich seine Überzeugung, durch die Kritik im „Leben Jesu“ einer ungehinderten historisch-kritischen Arbeit den Weg bereitet zu haben.319 In seinem „Absagebrief“ an Baur verbindet er beide Aspekte erneut: „Wenn ich auch an einem geborenen Historiker, wie Sie es sind, den Widerwillen gegen ein Verfahren begreifen kann, dem wie dem meinigen die Geschichte nur Mittel zu einem dogmatischen, d.h. antidogmatischen Zwecke ist, [...] so meine ich doch gerade von einem Historiker die Einsicht verlangen zu können, daß die betreffenden kritischen Fragen heute nicht so ruhig vom rein historischen Standpunkte aus verhandelt werden könnten, wenn nicht der dogmatische Punkt – ich sage nicht: durch mich, aber durch die von mir angeregten Verhandlungen – im Grund und im innern Bewußtsein auch der Orthodoxen negativ erledigt wäre.“320
Durch all diese Äußerungen erweist sich Strauß als primär von systematischen und praktischen Überlegungen motivierter Kritiker der christlichen Tradition. Er bestätigt damit die Vergleiche, die Baur zwischen der Art seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit und der seines Schülers zieht. Auf einem anderen Blatt steht freilich der persönliche Umgang Baurs mit Strauß. Die angeführten Zeugnisse zeigen, dass über diesen Umgang nicht nur der Betroffene unglücklich war, sondern auch die gemeinsamen Freunde. Eduard Zeller, der Vertrauteste seiner Schüler, hat Baur diesen Eindruck noch in dessen letzten Lebenswochen vorgehalten und versucht, in seinen eigenen Veröffentlichungen Strauß zu seinem Recht zu verhelfen. Auch im heutigen Betrachter bleibt ein Bedauern darüber zurück, dass der so sehr um historische Sachlichkeit bemühte Gründer der Jüngeren Tübinger Schule nicht vermocht hat, seinem Schüler Strauß volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
319 Strauß an Märklin, 22. Juli 1846 (RAPP, Baur und Strauß [s. Anm. 9], 119). 320 Strauß an Baur, 17. November 1846 (BARNIKOL, Briefwechsel [s. Anm. 9], 118f.).
Ethische Urteilsbildung und kirchliches Selbstverständnis Ferdinand Christian Baurs Deutung des protestantischen Propriums in der Kontroverse mit Johann Adam Möhler als Korrektiv gegenwärtiger Selbstmissverständnisse
NOTGER SLENCZKA 1. Einleitung: Ekklesiologische Implikationen öffentlicher Stellungnahmen der Institutionen der Evangelischen Kirche Ethische Stellungnahmen von Kirchen haben über die Sachfragen, denen sie gelten, hinaus weitreichende Implikationen, deren interessanteste die unausgesprochenen ekklesiologischen Implikationen sind. Ein vielsagendes Beispiel solcher Implikationen bietet ein bereits etwas älteres Zitat des vormaligen Ratsvorsitzenden der EKD und Bischofs von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber, der im Zusammenhang seiner Wahl zum Ratsvorsitzenden der EKD im Jahr 2003 folgendes sagte: „Die Kirche ist nicht ein politischer Akteur unter anderen, sondern mischt sich um Gottes willen politisch ein.“1 Offensichtlich war diese Aussage bezogen auf die Haltung der Evangelischen Kirche zur Bioethik, denn Huber „bekräftigte mit Entschiedenheit den forschungskritischen Standpunkt der EKD in der Bioethik“2. Diese Äußerung ist in vieler Hinsicht hochinteressant. Zunächst im Blick auf die darin vorgenommene Verortung der Kirche im Kontext der öffentlichen Meinungsbildung. Es ist deutlich, dass diese Äußerungen in der negativen Formulierung des ersten Halbsatzes einer in der öffentlichen Diskussion vertretenen Einschätzung der Rolle der Kirche in der Gesellschaft widerspricht; die negative Formulierung setzt damit die Diagnose voraus, dass die Kirche faktisch als ein politischer Akteur unter anderen wahrgenommen wird. Der Hintergrund der Äußerung ist somit die Erfahrung der Nivellierung des Wertes kirchlicher Stellungnahmen. Diesem Faktum, das im Kontext einer pluralistischen Gesellschaft unausweichlich und natürlich ist, versucht Huber dadurch zu entgehen, dass er für die Kirche und ihre öffentlichen Verlautba1 W. HUBER, nach: FAZ v. 6.11.2003, 1. 2 Ebd.
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rungen eine Dignität in Anspruch nimmt, die diejenige sonstiger politischer Akteure übersteigt; er hält fest, dass die Kirche ,um Gottes willen‘ sich einmische. Die Formulierung ist unscharf, aber man wird doch vermuten dürfen, dass Huber die Assoziation eines stellvertretenden Handelns der Kirche (,umwillen‘ als ,im Interesse von‘) zumindest zugelassen hat. Während sonstige Akteure welche Interessen auch immer vertreten, ist in der Kirche das Interesse der Instanz, „über die hinaus nichts Höheres gedacht werden kann“, im politischen Gespräch präsent. Damit wird die Äußerung aber auch ekklesiologisch hochinteressant. Denn es ist ja unselbstverständlich, daß eine kirchliche Institution wie der Rat oder bestenfalls die Synode der EKD, die in irgendeiner Weise die Protestanten repräsentiert, beanspruchen kann, die Stimme ,der Kirche‘ im theologischen Sinne zu sein, die nach reformatorischem Verständnis allenfalls beanspruchen könnte, sich – was immer das heißt – ,um Gottes willen‘ einzumischen. Die Umstandslosigkeit, mit der hier reformatorische Grundunterscheidungen – etwa die von sichtbarer und unsichtbarer Kirche und die Einsicht in die Fehlbarkeit jeder kirchlichen Verlautbarung – aufgegeben sind, hat man doch bisher nicht ohne Grund eher bei der katholischen Schwesterkirche gesucht. Vollends fragwürdig wird dieser Satz dadurch, dass die von der kirchlichen Institution vertretene politische Option mit aller Selbstverständlichkeit mit der Stimme Gottes im Bereich politischer Meinungsbildung identifiziert wird – womit eben auch anders votierenden Christen gleichsam ex cathedra das Recht abgesprochen wird, die jeweils eigene Option als im Einklang mit Gottes Willen zu betrachten;3 die ,forschungskritische‘ Option des Rates der EKD scheint die Stimme Gottes im Feld der Politik zu sein. Die Mündigkeit des Christen, die Unmittelbarkeit seines Gottesverhältnisses und der daraus fließenden Lebensorientierung stehen hier zur Debatte – und das Recht dieses Gottesverhältnisses und der Lebensorientierung unter den Vorbehalt der Übereinstimmung mit der Lehrmeinung der Institution zu stellen, galt doch bislang ebenfalls – jedenfalls theoretisch – eher als ein Proprium der Schwesterkirche. Dem entspricht nun, dass insbesondere in den bioethischen und medizinethischen Debatten die beiden Konfessionen einen bewussten Schulterschluss vollzogen haben4; sie werden daraufhin in der öffentlichen Diskussion in der
3 Vgl. dazu: R. Anselm u.a. (Hg.), Streitfall Biomedizin. Urteilsbildung in christlicher
Verantwortung, Göttingen 2003. 4 Vgl. etwa die gemeinsamen Erklärungen der EKD und der DBK: „Gott ist ein Freund des Lebens“ (1991, u.a. zum Thema Bioethik); die gemeinsame Stellungnahme des Vorsitzenden des Rates der EKD und des Vorsitzenden der Dt. Bischofskonferenz von 30.01.04 (http://www.ekd.de/EKD-Texte/2086_pm9 _2002_kock_lehmann_embryonen).
Ethische Urteilsbildung und kirchliches Selbstverständnis
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Tat als gemeinsamer, in ihrer Position rein religiös begründeter Block wahrgenommen – dafür ein Indiz unter vielen: Die Sonntagszeitung der FAZ hatte im Jahr 2002 die in der Frage der Forschung an embryonalen Stammzellen vertretenen Positionen vorgestellt und dort eben auch die Perspektive der ,Religion‘ aufgeführt – hier wurde nun ,der jüdisch-christliche‘ Standpunkt knapp referiert, und zwar konzentriert um drei Aspekte: Das Tötungsverbot und seine Sanktionierung als Ausdruck des göttlichen Willens; die Gottebenbildlichkeit des Menschen im Sinne der Ausstattung des Menschen mit einer unsterblichen Seele als Alleinstellungsmerkmal gegenüber der übrigen Schöpfung; und die – nun de facto gerade nicht vom Judentum vertretene – Fixierung des Lebensbeginns auf die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, die „die katholische wie die evangelische Kirche“ in der Auseinandersetzung mit der Evolutionstheorie und jüngst mit den Biowissenschaften vollzogen habe und die dazu führe, dass schon von diesem Zeitpunkt an das werdende Leben unter dem Schutz des Tötungsverbotes stehe5. Der Artikel beabsichtigte eine Auflistung von faktisch vertretenen Positionen in der Bioethik-Debatte und war daher vom Genre her natürlich nicht dazu da, feine Differenzen zu notieren – aber es stimmt schon nachdenklich, wenn diese Position als diejenige der ,Katholischen und Evangelischen Kirche‘ notiert wird und die Differenzen im Selbstverständnis der Kirchen und damit eben auch die Differenzen im theologisch-ethischen Stellenwert und der Verbindlichkeit der Position schlicht verwischt werden. Der Schulterschluss der Kirchen in der BioethikDebatte mag um der politischen Wirksamkeit willen sinnvoll sein – im Sinne der damit verbundenen Klerikalisierung des Selbstverständnisses der kirchlichen Institution und im Blick auf die Folge, dass der theologische Anspruch der institutionellen Vertretungen der beiden Kirchen im öffentlichen Bewusstsein identifiziert wird, ist dieser Schulterschluss ruinös. Es ist daher nicht ganz sinnlos, an Zeiten zu erinnern, in denen das Gespräch über die Konfessionsgrenzen hinweg und das beiderseits klare Bewusstsein der Probleme, vor die die Kirchen in den entstehenden säkularen Gesellschaften gestellt sind, verbunden war mit einem ebenso klaren Bewusstsein der Differenzen im Prinzip, die den Katholizismus einerseits vom Protestantismus andererseits unterscheiden und die sich im Blick auf die Funktion der Kirche bei der ethischen Urteilsbildung ausformulieren lassen.
import.html ) und das gemeinsame Schreiben der Kirchen an die Abgeordneten des Dt. Bundestages während der Diskussion um das „Stammzellengesetz“ 2002 (etwa: http://www.ekd.de/EKD-Texte/2086_pm6_2002_kirchenbrief_mdbs_menschenschutz.html). 5 FAZ-Sonntagszeitung vom 13.1.02, 66.
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2. Johann Adam Möhler und Ferdinand Christian Baur – Erinnerung an eine Debatte 2.1. Der äußere Rahmen Damit bin ich bei Johann Adam Möhler und Ferdinand Christian Baur. Ich glaube nicht, dass es nötig ist, hier die beiden Tübinger vorzustellen6; und ich glaube auch nicht, dass es nötig ist, daran zu erinnern, dass Möhler, der röm.kath. Professor für Kirchengeschichte, 1832 eine Symbolik vorlegte, die den Untertitel trug: ,Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten nach ihren öffentlichen Bekenntnisschriften‘ und die den tiefen Unwillen seines Kollegen von der Evangelischen Fakultät erregte. Baur ritt einen vehementen Gegenangriff und legte 1834 unter dem Titel ,Der Gegensatz des Katholizismus und Protestantismus nach den Principien und Hauptdogmen der beiden Lehrbegriffe‘ eine detaillierte und entsprechend langatmige Widerlegung der Möhlerschen Darstellung vor. 2.2. Der Grund und die Anliegen von Baurs Widerspruch Ich erinnere ganz knapp an die Hauptpunkte, die Baurs besonderen Unwillen hervorriefen: Zum einen die seiner Meinung nach unbillige Darstellung des Zentrums der protestantischen Lehrinhalte und der Einzellehren des Protestantismus; zum anderen aber und mehr noch die Tatsache, dass Möhler den Protestantismus als Subjektivierung im schlechten Sinne auslegte: Er sei begründet in dem Anspruch eines individuellen Subjektes, Martin Luther, die eigene Erfahrung und die eigene Einsicht gegen und über die Einsicht des Kollektivsubjekts der Kirche zu stellen; in diesem Sinne sei der Protestantismus ein zum Verschwinden bestimmtes Phänomen.7 Bringt man den Gegensatz Baurs gegen diese Darstellung der Reformation auf einen Begriff, so kommt es ihm darauf an, zu zeigen, in welchem Sinne in der Tat der Protes6 Ich verzichte im folgenden darauf, jeweils weiterführende Literatur über das unabdingbar Notwendige hinaus zu verzeichnen; ich habe die Debatte zwischen Ferdinand Christian Baur und Johann Adam Möhler bereits an anderer Stelle unter einem anderen Aspekt analysiert und verweise summarisch auf die dort angegebene Literatur: N. SLENCZKA, Die Einheit der Kirche und die Wahrheit der Reformation, in: KuD 48 (2002), 172–196, hier bes. Anm. 20.22.43.46.53. 7 Vgl. J.A. MÖHLER, Symbolik oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten (etc.), Mainz 1832; hier wird der Text der 2. Auflage zitiert nach der kritischen Edition von Rupert Geiselmann (2 Bde., Köln/Olten 1958; Bd. 1 als Lizenzausgabe der Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1958) I, 26f.; vgl. 616f. Zur Kritik Baurs an dieser Darstellung vgl.: F.C. BAUR, Der Gegensatz des Katholizismus und Protestantismus nach den Principien und Hauptdogmen der beiden Lehrbegriffe (etc.), Tübingen 1834, 9– 15.389–405.412ff.; zur Notwendigkeit des Protestantismus bzw. der Reformation: 414–421, vgl. 424ff.
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tantismus einen Umbruch in der Christentumsgeschichte darstellt, der den Titel der Subjektivierung des Christlichen verdient; dass aber diese Subjektivierung einen notwendigen, folgerichtigen und irreversiblen Schritt in der Geschichte des Christentums darstellt, der nun seinerseits die vorangehende Epoche der mittelalterlichen Kirche und deren Nachwirkung im zeitgenössischen Katholizismus zum Übergangsphänomen macht, ihm damit sein geschichtliches Recht zu-, aber eben auch seine Zukunftsbedeutung abspricht: „Eins mit Gott und ebendamit seiner Seligkeit gewiß kann sich der Mensch auf dem Standpunkt des protestantischen Princips nur wissen, wenn er sich auch in sich selbst frei weiß, und sich im Staate in die Sphäre einer vom Absolutismus der Kirche freien Existenz hineingestellt sieht. Hiemit ist aber dem Katholicismus und dem Papstthum ihre Berechtigung keineswegs auch in Hinsicht der Vergangenheit abgesprochen, vielmehr ist sie jetzt erst wahrhaft anerkannt, sofern nur unter ihrer Voraussetzung die Idee der Kirche zu einer neuen Form ihrer Realisirung und das christliche Bewußtsein zu einer höheren Stufe seiner Entwicklung fortschreiten konnte.“8
In dem Zitat ist bereits angedeutet, worin der Fortschritt des protestantischen Prinzips liegt: in der Freisetzung des Subjekts einerseits und des Staates andererseits von der Bevormundung durch die kirchliche Institution. Dieser Schritt ist – kurz sei es als etwas Bekanntes angedeutet – darum in der Geschichte der Christentumsentwicklung bedeutsam, weil damit in der Reformation das Grundthema und die Idee der Religion – die Einheit von Gott und Mensch – eine Neubestimmung erfährt: Während die Alte Kirche und das Mittelalter diese Idee objektiv darstellte: in Gestalt des Dogmas und der im Papsttum kulminierenden Hierarchie, so macht nun die fremdbestimmte Subjektivität ihr Eigenrecht gegen die Instanzen der Fremdbestimmung geltend, so aber, dass sie sich nicht einfach von ihnen und damit vom Christentum befreit. Vielmehr erfasst und realisiert die Subjektivität sich selbst bzw. folgeweise den Staat als Ort der Darstellung der Einheit von Gott und Mensch. Der Vorgang, der sich in der Reformation vollzieht, ist der, dass das Subjekt das Dogma und die in der Kirche objektiv dargestellte Einheit von Gott und Mensch in sich aufnimmt und so verwirklicht.9 Da ich alle diese Elemente für die folgende Darstellung brauche, füge ich noch einen letzten Punkt an: Baur geht davon aus, dass die Grundidee des Christentums die Einheit von Gott und Mensch ist, die zugleich den Gehalt der geschichtlichen Entwicklung der Kirche darstellt und damit auch den leitenden Gesichtspunkt jeder Kirchengeschichtsschreibung (nach dem Baur in 8 F.C. BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung, Nachdruck der Ausgabe Tübingen 1952, Darmstadt 1962, 258f. Dazu genauer: SLENCZKA, Einheit (s. Anm. 6) 184ff. 9 Vgl. BAUR, Epochen (s. Anm. 8) 250ff.; DERS., Gegensatz (s. Anm. 7), 414–421; weiter: SLENCZKA, Einheit (s. Anm. 6), 184–188.
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der im zuletzt gebotenen Zitat angezogenen Schrift fragt). Die Geschichte der Kirche ist nichts anderes als eine Vielfalt von Gestalten der Realisation der Einheit von Gott und Mensch für das christliche Bewusstsein, wobei die Abfolge dieser Realisationsgestalten für Baur alles andere als beliebig ist – es ist hier nicht notwendig, diese Bezüge im Einzelnen auszuweisen.10
3. Das Anliegen und das Profil der Ekklesiologie Johann Adam Möhlers Damit stehen – skelettiert auf das Allernotwendigste – die Grundrisse der Deutung der Christentumsgeschichte und des Wesens der Reformation durch Baur bereits vor uns. Ich lasse sie nun erst einmal stehen und wende mich Johann Adam Möhler zu, dessen Position eine ganz spezifische Reaktion auf die Legitimationsprobleme des Katholizismus im deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts darstellt. Ich greife dafür nun nicht gleich zur Symbolik, dem Werk, auf das sich Baur bezieht, sondern zu der bereits 17 Jahre zuvor, 1825, erschienenen Schrift ,Die Einheit in der Kirche oder das Princip des Katholizismus dargestellt im Geiste der Kirchenväter der drei ersten Jahrhunderte‘. 3.1. Der Hintergrund Die Schrift gewinnt ihr eigentümliches Profil auf dem Hintergrund eines in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neuerwachten theologischen Interesses an der Ekklesiologie, das nun nicht mehr oder nicht mehr allein kontroverstheologisch motiviert war, sondern von dem Bemühen getragen war, die Rolle der transnationalen Kirche im entstehenden Europa der Nationalstaaten zu legitimieren und eine Institution zu rechtfertigen, deren Aufbau von einer göttlich sanktionierten Leitung her dem sich im öffentlichen Bewusstsein durchsetzenden Prinzip der Legitimation von unten widersprach. Im romanischen Sprachraum bietet die Erfahrung der Revolution und der Delegitimation traditionaler Herrschafts- und Ordnungsstrukturen den Anknüpfungspunkt für derartige Rechtfertigungsversuche; zu nennen ist etwa in Frankreich de Maistres ,Du Pape‘11, erschienen 1819, oder in Spanien etwas später, 1852, Donoso Cortés ތ,Essay über den Katholizismus (etc.)‘12. Diese beiden Texte 10 Dazu: C. ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft neuzeitlicher Christentumspra-
xis, BhTh 114, Tübingen 2000, 74–88. 11 J. DE MAISTRE, Du Pape [21820], nouv. éd. Paris 1878; im folgenden zitiert nach der dt. Übersetzung von M. Lieber (Vom Papste, hg. v. J. Bernhart, München 1923). 12 J.D. CORTÉS, Ensayo sobre el catolicismo, el liberalismo y el socialismo considerados en sus principios fundamentales, Madrid 1851. Zu den Ausgaben des Essay vgl. die im fol-
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sind darum interessant, weil sie die Stoßrichtung und den Kontext zu identifizieren erlauben, unter der im Kontext des genannten Werkes Möhlers die Ekklesiologie und eben auch der dort vertretene Anspruch der Kirche auf eine unfehlbare Orientierung in Fragen des Glaubens und der Sitte reformuliert wird: De Maistre interpretiert den traditionellen Anspruch der Kirche auf den Supremat auch im weltlichen Bereich als Antwort auf die angesichts der bürgerlichen und sozialistischen Revolution drängenden Frage nach einer Instanz, die zur friedlichen Beilegung von Konflikten zwischen den traditionalen Herrschaftsinstanzen und der Volksvertretung fähig ist13: Nach ihm ist der Papst die Instanz, die den Wunsch einer Volksvertretung nach einem Herrschaftswechsel auf seine Berechtigung hin prüfen und gegebenenfalls den Herrschaftswechsel durch Einsetzung eines neuen Monarchen ohne Bruch der Regierungsform sanktionieren kann unter Wahrung des Prinzips, dass Herrschaft menschlicher Verfügung entzogen ist.14 Donoso Cortés wiederum betrachtet die Theologie insgesamt als Schlüssel und Wertmaßstab der zeitgenössischen politischen Entwicklungen und identifiziert in der Folge dieses Gedankens in den zeitgenössischen politischen Bewegungen die Grundbewegung der Sünde: den Aufruhr, die Revolution15; und er identifiziert die Kirche als diejenige Instanz, die als unfehlbare Wächterin über den Kategorien von Gut und Böse eine legitime Erziehungsdiktatur ermöglicht in den Gesellschaften, die an ihren inneren Widersprüchen und Konflikten zerbrechen und in denen die traditionalen Institutionen ihre Akzeptanz verloren haben.16 genden genannte dt. Übersetzung von G. Maschke, 429ff. Der Essay wurde 1933 von Ludwig Fischer unter dem Titel „Der Staat Gottes“ übersetzt (Nachdruck Darmstadt 1966); im folgenden zitiere ich nach der Ausgabe von G. MASCHKE, Juan Donoso Cortés, Essay über den Katholizismus, den Liberalismus und den Sozialismus, Donoso Cortés Werke 1, Weinheim 1989. 13 Vgl. dazu DE MAISTRE, Vom Papste (s. Anm. 11) I, 187ff., bes. 189–195. 14 Vgl. dazu DE MAISTRE, Vom Papste (s. Anm. 11) I, 200–209. 15 Vgl. bes. DONOSO CORTÉS, Rede über die Diktatur, in: DERS., Drei Reden, übers. J. Langenegger, Zürich 1948, hier 28f. und Kontext; DERS., Essay (s. Anm. 12), 83 und Kontext. Zum Verhältnis von Politik und Theologie vgl. das erste Kapitel des Essay, das auch im Hintergrund der berühmten These Carl Schmitts über den theologischen Sinn der zentralen staatsrechtlichen Begriffe steht. 16 Vgl. DONOSO CORTÉS, Rede (s. Anm. 15); zum Hintergrund vgl. das Gesamtkonzept des „Ensayo“, in dem Donoso Cortés die gegenwärtigen sozialen Handlungsträger (Liberale, Sozialisten und die Katholische Kirche) in ein heilsgeschichtliches Konzept einordnet (vgl. DONOSO CORTÉS, Essay [s. Anm. 12], bes. das erste Buch) und als die jeweils konsequenten Positionen den anarchistischen und atheistischen Sozialismus (116–137; 167–187; Proudhon 72ff.) und die Katholische Kirche identifiziert, zwischen denen der bürgerliche Liberalismus als zum Untergang verurteilte Position der Unentschiedenheit steht; Donoso Cortés betrachtet den politischen Katholizismus als die Partei, die allein fähig ist zur Lösung der mit der bürgerlichen Revolution entstandenen Legitimitätskrise des politischen Systems, die nach Donoso Cortés mit Notwendigkeit zur Errichtung einer politischen Diktatur führt, deren Gegenmo-
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Beide bieten die kirchliche Institution und ihren Anspruch auf unfehlbare Autorität in Fragen nicht nur der Glaubenswahrheit, sondern auch der ethischen Orientierung und der Sanktionierung von Macht den in ihrer Legitimität korrodierten Machtinstitutionen an als Gegenhalt gegen die Forderung nach der Volkssouveränität, die ihrer Meinung nach nur zum Zerbrechen aller staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung führen kann. Die Kirche und ihre Autorität soll die Legitimationsinstanz darstellen für autoritäre Institutionen, deren selbstverständliche Akzeptanz aufgrund des Dranges des dritten und vierten Standes zur Machtteilhabe verlorengegangen ist. 3.2. Möhler: Die kirchliche Institution und die Anliegen der religiösen Subjektivität Im Vergleich mit diesen Entwürfen profiliert sich die Position Möhlers, die natürlich eine gänzlich andere soziopolitische Situation der römischen Kirche im Deutschen Reich voraussetzt, wo sie nach dem Reichsdeputationshauptschluss die Basis ihrer institutionellen Macht und ihrer Selbständigkeit verloren hatte und nun einer Neuformulierung ihres Selbstverständnisses bedarf und nach Instanzen suchen muss, die ihren Anspruch auf Selbständigkeit gegenüber der staatlichen Gewalt stützen; dafür bietet sich dem deutschen Katholizismus eine verstärkte Orientierung am Institut des Papstamtes an. Möhlers Anliegen ist der Ausweis der Legitimität einer kirchlichen, mit jurisdiktioneller Autorität und der Prärogative der Unfehlbarkeit in Fragen der Lehre und des Lebens ausgestatteten Institution – das Buch mündet aus in einer Herleitung des ekklesiologischen Rechtes und der Unverzichtbarkeit des Papstamtes.17 Für meine Zwecke genügt es, wenn ich den Text nur sehr knapp charakterisiere, so dass deutlich wird, in welcher Front Möhler spricht. Ihm kommt es darauf an, den in der zeitgenössischen Kirchenkritik empfundenen Hiat zwischen kirchlicher Organisation einerseits und religiöser Subjektivität dell nicht die Freiheit, sondern die religiöse Diktatur ist – vgl. DONOSO CORTÉS, Essay (s. Anm. 12) 196.196–226; bes. aber DONOSO CORTÉS, Rede (s. Anm. 15) 17–49; vgl. dort die Diagnose bezüglich des Endes der Monarchie (25ff.); und das Heilmittel einer religiösen, auf das Gedankengut der römischen Kirche gestützten und durch es legitimierten Diktatur: 36– 45.47f., vgl. 19–25. 17 MÖHLER, Die Einheit in der Kirche, Tübingen [1825] 21843 (unverändert). Das Werk ist der genannten Absicht entsprechend so aufgebaut, dass Möhler zunächst die Kirche als organische Einheit oder als von der Einheit eines Geistes durchwaltetes Corpus mysticum vorstellt, und dann die anstaltliche Seite der Kirche als Darstellung und Garanten dieser Einheit herleitet (bereits in Teil I die Lehre: Kap. 2, dann aber die Stufen des Amtes in Teil 2) und beide Aspekte der Ekklesiologie einander als „Geist“ und „Körper“ der Kirche zuordnet (vgl. die Titel). Das letzte Kapitel blickt über das 3. Jh. hinaus auf die Ausbildung des Papstinstitutes, das Möhler als den krönenden und durch die Aufgabe der Kircheninstitution geforderten Abschluss der Entwicklung darstellt.
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andererseits dadurch zu transzendieren, dass er die kirchliche Organisation in allen ihren Manifestationen – in der Lehre, im Ritus, im Amt – als die äußere Manifestation und sichtbare Darstellung einer kollektiven Innerlichkeit – des ,Gemeingeistes‘ der Kirche, rekonstruiert und legitimiert.18 Dabei sind drei Punkte entscheidend: Zum einen definiert er den christlichen Glauben nicht im Ausgang vom Individuum, sondern vom Kollektiv, einer Gemeinschaft, die von einem gemeinsamen Geist erfüllt und zur Einheit zusammengefasst ist.19 Zum anderen fasst er dieses Kollektiv aber eben nicht als Anstalt der Heilsvermittlung, sondern über den Begriff des ,Gemeingeistes‘ oder des ,gemeinsamen Lebens‘ als einen zwar kollektiven, aber subjektiven Vollzug, an dem somit einzelne Subjekte ohne Verlust ihrer subjektiven Authentzität teilhaben können.20 Sie werden nicht mit einer gegenständlichen Gnade beschenkt und sie treten auch nicht in einen Religionsverein ein, gegen den die religiöse Innerlichkeit gleichgültig ist, sondern die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Kirche manifestiert sich in der Teilhabe an einem subjektiven Vollzug. „Der wahre Glaube [...] ist also bedingt nach der Lehre der ältesten Kirche durch den heiligen Geist und die Mittheilung desselben durch die Verbindung mit der Kirche [...] Das in der Kirche verbreitete heilige Leben solle der Einzelne durch unmittelbaren Eindruck in sich aufnehmen, durch unmittelbare Anschauung die Erfahrung der Kirche zur eigenen umgestalten, einen heiligen Sinn und Wandel in sich erzeugen, und aus dem geheiligten Gemüthe die christliche Erkenntnis entwickeln.“21
Als diesen subjektiven Vollzug identifiziert Möhler die Liebe als Ausfluss des Heiligen Geistes, durch die eben alle Glaubenden zu einer Einheit verbunden sind.22 Gerade dadurch, dass Liebe als Gemeinschaftsphänomen als das Zentrum religiöser Subjektivität bestimmt wird, kommt es schon hier zu einer prinzipiellen Vorordnung der Gemeinschaft und des Kollektivsubjektes vor das Individuum; entsprechend sagt man nicht zu viel, wenn man feststellt, dass Möhler Sünde als Verstoß gegen das Liebesgebot, als Beharren auf der Individualität gegen die Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftspflichtigkeit identifiziert.23 Religion heißt: Zugehörigkeit zur Kirche – aber eben nicht als äußere Obödienz gegenüber einer Autorität, sondern als subjek18 Vgl. zur Lehre: MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), Kap 2, bes. §§ 9 und 10; vgl. die Zuordnung von Geist und Lehre in § 7; vgl. die Zuordnung von religiösem Vollzug und Kultus (§ 47 und Kontext); vgl. die Zuordnung von äußerer Gestalt und Geist: § 49 und ff. 19 MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), bes. § 1–7. 20 MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), ebd. Alle anstaltlichen Momente sind diesem subjektiven Moment programmatisch nachgeordnet – vgl. bes. und exemplarisch: § 52 (bes. 187). 21 MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), 10f. 22 Vgl. bes. MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), § 49 (175ff.) und §§ 3, 4 und 7. 23 Dazu bes. MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), Kap. 3 (57ff.), bes. auch §§ 52–54.
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tiv authentische Einordnung in eine (in einem Vollzug begriffene) Gemeinschaft. Dieser nun zunächst rein spiritualistische, nichtinstitutionelle Kirchenbegriff wird nun dadurch mit der anstaltlichen Seite der Kirche in Verbindung gebracht, dass – das ist Gegenstand des zweiten Teils der Schrift – alle äußeren Institutionen als Manifestationen des Gemeingeistes und seiner Einheit zugeordnet werden – das gilt für Schrift und Tradition sowie die Liturgie ebenso wie für das hierarchische Amt; zudem werden diese anstaltlichen Elemente im Ausweis ihrer im Laufe der Kirchengeschichte der ersten drei Jahrhunderte notwendigen Entwicklung gerechtfertigt.24 Im Zentrum seines Interesses steht dabei das bischöfliche Amt, dessen Zuordnung zu höheren Einheitsbildungen (Metropolit, Primas); der zweite Teil des Werkes schließt ab mit einem Ausblick auf die Ausbildung des Papstamtes, das in den ersten drei Jahrhunderten, auf die die Schrift Möhlers sich dem Untertitel entsprechend beschränkt, nicht zur expliziten Ausbildung kam, aber – darauf zielt Möhlers Darstellung ab – darin als grundlegendes und den Bau der Kirche abschließendes und vollendendes Erfordernis angelegt ist; das kirchliche Amt insgesamt ist zunächst Repräsentation und Manifestation der Einheit des Gemeinschaftsgeistes25, dann aber eben auch das Mittel seiner Durchsetzung gegen die dem Menschen eigentümlichen und in der ecclesia militans unvermeidbaren Tendenz zur Verselbständigung des Individuums oder der Verwirklichung von partikularen Gruppeninteressen gegen die Gemeinschaft.26 3.3. Der Gewinn dieser Position liegt zunächst darin, dass die Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche nicht als Gegeninstanz subjektiver Selbstbestimmung gefasst wird, ohne dass das Gottesverhältnis individualisiert wird.27 Vielmehr wird die subjektiv authentische Integration in eine Gemeinschaft als das Wesen der christlichen Religion bestimmt, in der eben der Anspruch des Individuums auf Authentizität nicht frustriert, sondern in seiner ursprünglichen Bestimmung zur Geltung gebracht 24 Die Abfolge der Kapitel im zweiten, das Recht und die Notwendigkeit einer Kircheninstitution ausweisenden Teil des Werkes vollzieht zugleich die historische Entwicklung des Amtsinstituts nach und vermittelt dabei insbesondere die ekklesiologisch fundamentale Funktion des Papstamtes mit der historischen Einsicht, daß sich das Papstamt erst im Laufe einer historischen Entwicklung ausbildet und nicht zu allen Zeiten mit den Prärogativen ausgestattet war, die von ihm seit dem Hochmittelalter in Anspruch genommen werden: dazu bes.: § 71. 25 MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), 187. 26 MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), § 49 – entscheidend ist eben die Feststellung Möhlers, daß die innere Einheit der Kirche sich im Amt nicht nur darstellt, sondern ausbildet und erhält (etwa: 179; §§ 53 und 54). 27 Vgl. MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), 29 mit 192.
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wird. Möhler, so könnte man sagen, nimmt den Anstoß, den seine Zeitgenossen an einem rein äußerlichen Verständnis des religiösen Verhältnisses nahmen, auf und versucht, das Wirken des Heiligen Geistes im Glaubenden als Integration in eine Gemeinschaft zu fassen.28 Auf der anderen Seite kommt er damit einem protestantisch geprägten Verständnis des religiösen Verhältnisses als subjektiver Vollzug so weit wie möglich entgegen, verbindet es aber mit einer Begründung der Prärogative der kirchlichen Institution, die systematisch ihren Anhalt in der Überordnung des Kollektivs über das Individuum hat. 3.4. Gegenwartswirkungen Diese Position Möhlers ist nicht nur theologiegeschichtliche Erinnerung. Über die Tübinger Schule und deren Wirkungsgeschichte hat diese von der romantischen Bewegung geprägte Reformulierung der Ekklesiologie die erste Diskussionsvorlage der Kirchenkonstitution des Vaticanum I geprägt29, die wie Möhler die anstaltliche Struktur der Kirche von ihrer Verfasstheit als Kollektivsubjekt her begründet. Das Vaticanum I führte dann allerdings im Ergebnis zu einer in extremer Weise an der äußeren Institution orientierten Ekklesiologie, die aber in der Folgezeit durch die großen Kirchenenzykliken Leos XIII. und Pius ތXII.30 sowie schließlich durch die Kirchenkonstitution des Vaticanum II ergänzt wurde; bekanntlich wurde hier jedenfalls der Versuch unternommen, die institutionell-anstaltliche Struktur der Kirche mit der Beschreibung der Kirche als kollektives Organ des Wirkens Gottes zu vermitteln und das Amt in der Bestimmung der Kirche als Sakrament des Heils oder als Volk Gottes zu begründen.31 Man kann ohne weiteres behaupten, dass diese doch 28 Vgl. bes. MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), 192, dazu 178f.; vgl. bereits zur Verbindung von individuellem und kollektivem religiösen Selbstbewußtsein: § 4. 29 Das Schema I De ecclesia, die ursprüngliche Diskussionsvorlage für die Kirchenkonstitution des Vat I setzt ein mit der programmatischen Definition der Kirche als „Corpus mysticum Christi“ und leitet unter dieser Voraussetzung die anstaltlichen Elemente der Kirche her und rechtfertigt sie auf diese Weise: Primum schema constitutionis „De ecclesia Christi“, in: Joannes Dominicus Mansi, Sacrorum Conciliorum (etc.) collectio 51, Nachdr. Graz 1961, 539ff. Dass im Laufe des Konzils lediglich die um die Definition der Unfehlbarkeit des Papstes erweiterten letzten Kapitel dieses Schema verabschiedet wurden, liegt nicht nur an den politischen Wirren im Rom des Jahres 1870, sondern auch am Eingreifen des Papstes Pius IX.; vgl. im Ganzen: R. AUBERT, Vaticanum I, Mainz 1965; zur Traditionslinie von Möhler zum Schema I vgl. N. SLENCZKA, Realpräsenz und Ontologie, Göttingen 1993, 19–33, bes. 19f., dort Lit. 30 Vgl. nur die Enzykliken „Satis cognitum“ von Leo XIII. (1896; DS 330–3310) und „Mystici corporis“ von Pius XII (1943; DS 3800–3822). 31 Dazu G. PHILIPS, Die Geschichte der Dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, in: LThK.Erg 1, 139–155, hier 139; vgl. die Selbstverortung der Kirchenkonstitution im Verhältnis zu „Pastor aeternus“: Lumen gentium 1.
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relativ geschickte Zuordnung von kollektiver und individueller Subjektivität und der Anspruch, dass das bischöfliche Amt das Kollektivsubjekt gegenüber der Welt einerseits und auch gegenüber den innerkirchlichen Verselbständigungstendenzen von Einzelnen und Gruppen andererseits repräsentiert, bis heute die Grundlage dafür darstellt, dass die Römische Kirche im Verhältnis zu innerkirchlichen Partikularinteressen und im Verhältnis zum säkularen Staat in der Tat beansprucht, ,um Gottes willen‘ ihre Stimme zu erheben.
4. Transformation des Christlichen – Ferdinand Christian Baur Damit nun zu Baur. Er setzt sich nicht mit Möhlers ,Einheit in der Kirche‘ auseinander, sondern mit dessen Symbolik, in der Möhler eine modifizierte Form seiner Ekklesiologie vorträgt, die die konstitutive Funktion der anstaltlichen Seite der Kirche erheblich stärker betont und die Institutionalität der Kirche aus der Analogie zur und als Prolongation der Inkarnation begründet – ich komme darauf zurück.32 4.1. Das Zentrum der konfessionellen Differenz: Ekklesiologie und Rechtfertigung Baur markiert an zwei Stellen seiner Schrift ausdrücklich, dass er jeweils dort am zentralen Punkt der Wesensdifferenz zwischen Katholizismus und Protestantismus angekommen sei – das eine Mal in der Frage nach der Kirche, das andere Mal in der Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Werk bzw. im Verständnis der Rechtfertigung als Sündenvergebung und Begabung mit der heiligmachenden Gnade.33 Ich wende mich dem in der Literatur seltener behandelten zuletzt genannten Punkt zu – nicht nur, weil hier nun ausdrücklich der Ort der Ethik im Ganzen der beiden konfessionellen Theologien zur Debatte steht, sondern weil sich hier die Grundlage auch des ekklesiologischen Gegensatzes zeigt und von dort aus Licht auf den Ausgangspunkt meiner Überlegungen fällt.
32 Vgl. MÖHLER, Einheit (s. Anm. 17), § 36, hier bes. 388ff.; der entscheidende über die „Einheit“ hinausführende Gedanke ist die Deutung der Kirche als Prolongation der Inkarnation, die eben zu einer deutlichen Neubewertung und Vorrangstellung der Vermittlungsfunktion der „sichtbaren“ Kirche führt – vgl. bes. § 37, in dem Möhler die begründende Funktion der Momente der Sichtbarkeit der Kirche für die Konstitution der Zugehörigkeit zur unsichtbaren Kirche darstellt. 33 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 304 und 155f.
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4.2. Die Unterscheidung von Glaube und Werk als Entdeckung der Subjektivität Zunächst einige wenige orientierende Bemerkungen zur Einordnung der Passage, die ich näher betrachten werde. Die Schrift Baurs ist eine kontinuierlich den Text Möhlers kommentierende Auseinandersetzung mit diesem – was den Text übrigens ausgesprochen schwer lesbar macht. Entsprechend handelt Baur zunächst über die Lehre von Urstand und Fall (erster Abschnitt); sodann über das Thema Rechtfertigung und gute Werke (zweiter Abschnitt); schließlich im dritten und vierten Abschnitt über die Sakramentenlehre und die Ekklesiologie, bevor er im fünften Abschnitt mit zusammenfassenden Reflexionen auf den Wesensunterschied zwischen Protestantismus und Katholizismus und das geschichtliche Recht des Protestantismus die Untersuchung abschließt. Ich greife aus den Untersuchungen zu Rechtfertigung und guten Werken zwei Passagen heraus; die erste erwähne ich nur als Hintergrund: Baur untersucht hier im Anschluss an die von ihm als Verwischung der Gegensätze gedeutete Darstellung Möhlers die weitergehende, von protestantischen Theologen vertretene These, dass näher betrachtet eigentlich keine Differenz zwischen der reformatorischen und der römisch-katholischen Rechtfertigungslehre bestehe.34 Ich übergehe die Einzelheiten der Auseinandersetzung Baurs mit dieser Behauptung; er nimmt zunächst die These positiv auf und sucht seinerseits nachzuweisen, dass die entscheidenden von den römischen Theologen namhaft gemachten Fehler des protestantischen Verständnisses der Rechtfertigung – gerade der Problemkreis der nach der Rechtfertigung bleibenden Sünde – auch die römische Position prägen und somit zu den unverzichtbaren Elementen jeder sinnvollen und der Selbsterfahrung des ethischen Subjekts Rechnung tragenden Rede von der Rechtfertigung im christlichen Kontext gehören.35 Baur setzt nach dieser Passage neu ein und stellt fest: „Hat nun diese vergleichende und ausgleichende Betrachtung der beiden Rechtfertigungstheorien gezeigt, daß das katholische System, ungeachtet seines Widerspruchs gegen das protestantische, um dem Begriffe der Rechtfertigung seine reelle Bedeutung zu geben, und den Anforderungen des sittlichen Bewußtseins nicht zu offen entgegenzutreten, sich doch wieder auf denselben Standpunkt [...] stellen muß, so daß es scheinen könnte, der Unterschied beruhe in letzter Beziehung in einer bloßen Verschiedenheit des Ausdrucks [...] so müssen wir nun auf der andern Seite auch wieder die wahren Differenzpunkte der beiden Systeme um so schärfer ins Auge zu fassen, und auf den wesentlich verschiedenen Charakter derselben zurückzuführen versuchen.“36
34 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 132–155. 35 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 138f. und ff., bes. 145.151f.154f. 36 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 155f.
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Baur kündigt an, dass der Differenzpunkt im Wesentlichen darin zu suchen sei, dass im römischen Verständnis der Rechtfertigung ein Äquivalent für den Begriff des Glaubens fehlt, und dass in dem Begriff der Liebe, der an diese Stelle tritt, sich die pelagianische Grundfärbung des römischen Katholizismus geltend mache.37 Das klingt brav und konventionell, ist aber in der Einzeldurchführung hochinteressant. Es ist ja bekannt, dass Baur als Grundentdeckung der Reformation und als Wesensprinzip des Protestantismus das Prinzip der Autonomie des Subjekts betrachtet. In dieser Passage wird nun deutlich, was genau Baur darunter versteht, wenn man den folgenden, auf den ersten Blick überraschenden Text liest: „Der Glaube ist ihm [dem Protestanten] [...] die den ganzen Menschen umfassende und auf das Höchste, das ihm zu seiner Beseligung dargeboten ist, hinziehende Richtung des Gemüths, das innerste den Menschen beseelende Princip seines religiösen Lebens. Während er seine Tiefe und Innigkeit darin hat, daß er von dem Mittelpunkt ausgeht, in welchem alle geistige Thätigkeit des Menschen sich concentrirt, und das individuelle persönliche Leben seinen innersten Sitz und Heerd hat, ist er doch zugleich ein Verzichtthun auf alles Persönliche, auf das eigene Selbst, eine bloße Richtung auf das von Gott Dargebotene, eine reine, vom tiefsten Gefühle der eigenen Bedürftigkeit durchdrungene, Hingebung an dasselbe, ein Act, welcher, so intensiv und inhaltsreich er ist, doch nur ein Act der Receptivität ist, nur als Organ das Gegebene aufnehmen und sich nicht in eigener, selbständiger Bedeutung fixiren will.“38
Diese Feststellung scheint das Gegenteil der oben zitierten Behauptung zu sein, dass die Entdeckung der Autonomie des Subjekts das Zentrum der Reformation und des Protestantismus sei39 – ist aber näher betrachtet nur deren präzise Fassung. Knapp erläutert: Baur weist darauf hin, dass es im römischen Verständnis der Rechtfertigung ein vergleichbares Konzept nicht gebe. Der römische Begriff des Rechtfertigungsverständnisses kreise um die Begriffe des Glaubens einerseits und der Liebe andererseits, wobei unter Glaube eben ein intellektuelles, erkennendes Verhältnis zum religiösen Gegenstand, unter Liebe aber ein wesentlich praktischer Vollzug und soweit eine Bestimmung des Willens gefasst werde. Sowohl unter dem einen wie unter dem anderen Begriff werde die Rechtfertigung in nach außen orientierten Akten anthropologisch verortet:
37 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 156. 38 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 157. 39 Vgl. SLENCZKA, Einheit (s. Anm. 6), 184ff. – ich ziehe hier die dort nur angedeutete
Linie ausdrücklich aus.
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„[...] so ist [...] der Blick des Menschen auf beiden Seiten seines Wesens, der Erkenntnis- und der Willens-Seite, nach außen gerichtet, aber auch in diese beiden Richtungen so geteilt, daß keine Nöthigung vorhanden ist, ihn auch in die Tiefe seines Innern zu richten.“40
Der protestantische Begriff des Glaubens ist nun nach Baur weder Erkennen noch Praxis, sondern ein Selbstverhältnis, das dem Erkennen und der Praxis vorausgeht und die beiden im Katholizismus unverbundenen Aspekte des Menschseins in eine sie beide begründende Einheit zusammenbindet; in diesem Sinne sind im Protestantismus eben nicht nur Akte oder Anlagen des Menschseins thematisiert, sondern die Tiefe des Wesens des Menschen selbst: der Mensch als Selbstverhältnis.41 Dieses Verständnis des Menschen als Selbstverhältnis, das Baur als die Grundentdeckung der Reformation fasst, hat nun seinen Anhalt in der reformatorischen Theologie zunächst in der Figur der Selbstreferentialität, die nach reformatorischem Verständnis die Verfassung des Sünders prägt: In ihr wird der Mensch sich seiner selbst in der Weise bewusst, dass er in sich einen Grund des Heilsbewusstseins nicht findet; damit wird er sich zugleich Gottes in der Weise bewusst, dass er in ihm und nur dort den Grund seines Heils findet.42 Das reformatorische Verständnis der Rechtfertigung steht von daher nach Baur für die These, dass der Mensch, bevor er Erkennen und Praxis ist, ein Selbstverhältnis darstellt, das im Falle der Rechtfertigung ein extern konstituiertes Selbstverhältnis ist: Es enthält zum einen das Bewusstsein des eigenen Unwertes, andererseits das Bewusstsein des Verhältnisses zu Gott bzw. der Gemeinschaft mit Christus: „Soll nun aber der Glaube nicht blos eine einzelne Seite und Richtung des menschliche Wesens darstellen, sondern die Totalität desselben umfassen, so kann der Glaube nur der Mittelpunct seyn, in welchem sich der Mensch seines Verhältnisses zu Gott, sofern es sich auf die Erlösung bezieht, bewußt wird, und der Glaube wird auf diese Weise von selbst zu derjenigen Richtung des Gemüths, vermöge welcher der Mensch das ihm von Gott dargebotene Heil in sich aufnimmt, und sich in die lebendige Gemeinschaft mit Christus versetzt wird.“43
Der Glaube, so betont Baur ausdrücklich im Kontext, impliziert die Beziehung auf ein Objekt – auf Gott und die Zusage der Gnade; auf Christus und seinen Tod pro me; aber der entscheidende Punkt für Baur ist dabei der, dass das Verhältnis des Christen zum Gegenstand seines Glaubens im reformatorischen Verständnis der Rechtfertigung gerade nicht das Verhältnis der anschauenden Kenntnisnahme eines äußeren Gegenstandes, aber auch nicht das 40 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 158; zur Bestimmung jeweils des Glaubens und der
Liebe nach röm.-kath. Verständnis vgl. 156–158; vgl. die Vorordnung der Liebe vor den Glauben als Indiz des durchgängigen Pelagianismus: 162ff. 41 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 157.159f. 42 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 157, vgl. dazu 159. 43 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 183.
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Verhältnis einer Liebe, die sich in eine konkrete äußere Praxis der Liebe übersetzt, darstellt, sondern eine diesseits von Erkennen und Praxis liegende Bewusstseinsbestimmung darstellt, in der sich der Glaubende als des Heils unwürdig einerseits und mit dem Grund seines Heils verbunden andererseits selbst weiß. Die Entdeckung, dass christlicher Glaube nicht Erkenntnis, aber auch nicht Befähigung zur Praxis, sondern eine Bestimmung des Selbstbewusstseins diesseits auch der Praxis ist, ist nach Baur die entscheidende Entdeckung der Reformation.44 4.3. Ekklesiologische Implikationen Damit leite ich nun über zu den ekklesiologischen Implikationen dieser Position; sie erschließen sich dann, wenn man die eigentümliche, von Baur festgehaltene Rede von einer Beziehung des Glaubens auf ein Objekt weiterverfolgt. Das Wesen des Glaubens – der ja Selbstverhältnis ist – besteht in der Richtung auf sein Objekt, so hatte er gesagt,45 was ja zunächst für ein relativ äußerliches Verhältnis des Glaubens zu einem anderen seiner selbst zu sprechen scheint. Das wird nach meinem Eindruck nur dann näher verständlich, wenn man es in Beziehung setzt zu der eingangs referierten Grundthese Baurs, dass in der Reformation sich eine Bewegung der Transformation des zuvor verobjektivierten Wesens des Christlichen Glaubens – der Idee der Einheit von Gott und Mensch – vollzieht und diese sich im Medium des Bewusstseins realisiert: „Je äußerlicher aber alles das ist, was seine Wahrheit nur in seiner innersten Beziehung auf das Subjekt hat, nur darin, daß es für das Subjekt ist, das Subjekt in ihm sich selbst hat, und in ihm seines Heils und seiner Einheit mit Gott sich unmittelbar bewußt ist, um so gewisser muß endlich auch der Wendepunkt eintreten, in welchem das Subjekt aus dieser Aeußerlichkeit seines religiösen Bewußtseins sich in sich selbst zurücknimmt, und es sich bewußt wird, daß es selbst das absolute Subjekt für alles ist, was den wesentlichen Inhalt seines religiösen Bewußtseins ausmacht.“46
Die Transformation, die sich in der Christentumsgeschichte zur Zeit der Reformation vollzieht und in der Baur das Wesen der Reformation erkennt, ist die Übersetzung der Einheit von Gott und Mensch aus der Gestalt der Verwirklichung in der kirchlichen Institution und deren Lehre in die Gestalt des Bewusstseins der Einheit von Gott und Mensch als Bestimmung des frommen Selbstbewusstseins. Die Zentralstellung des Glaubens in den reformatorischen Bekenntnisschriften, um die es in der Auseinandersetzung mit Möhler geht, eine Zentralstellung, die ihre Selbständigkeit gegen das Erkennen einerseits 44 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 183–185, vgl. 173f. 45 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 183 und f. 46 BAUR, Epochen (s. Anm. 8), 257.
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und gegen die ohne den Übergang in die Praxis nicht denkbare Liebe andererseits behauptet,47 ist für Baur zum einen die Entdeckung der jeden rezeptiven und gestaltenden Außenbezug erst begründenden Tiefe des Menschseins – dass er Selbstbewusstsein ist; und dann eben die Entdeckung des Ortes, an dem die Einheit von Gott und Mensch ihre neuzeitliche Verwirklichungsgestalt erfährt: Als Bestimmung des Selbstbewusstseins, das um die eigene Bedürftigkeit und Angewiesenheit ebenso weiß wie um die geschenkte Einheit mit der Person Christi. 4.4. Die Freiheit des Subjektes Daran – an dieser These, dass im Zentrum des Protestantismus jener beschriebene Vorgang der Transformation der objektiven Darstellung der Idee des Christentums zur Darstellung derselben an der Subjektivität steht – hängt die weiterführende Grundthese Baurs, dass der Grundsatz des Protestantismus im Verhältnis zur kirchlichen Institution die Glaubens- und Gewissensfreiheit sei: „Jedes durch die sichtbare Kirche begründete Verhältniß der Abhängigkeit kann nur ein solches seyn, das auf der freien Ueberzeugung des Einzelnen beruht, und es ergibt sich hieraus für jeden Einzelnen in Allem, was sich auf die religiöse Ueberzeugung bezieht, das volle Recht der Selbständigkeit und Unabhängigkeit von äußerem Zwang. [...] Es begreift demnach die protestantische Lehre von der Kirche, der Begriff der wahren Kirche [...] den höchsten Grundsatz in sich auf welchem der Protestantismus beruht, den Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit, oder den Grundsatz, daß jeder Einzelne in allem, was sich auf sein Verhältnis zu Gott und Christus bezieht, keiner äußern Vermittlung bedarf [...]“48
Das ist eben in der Tat das direkte Implikat der Einsicht, dass sich mit der Reformation in der Entdeckung der jedem Außenbezug zugrundeliegenden Innerlichkeit eine Transformation der zuvor in der kirchlichen Institution objektivierten Einheit von Gott und Mensch vollzieht, die nun als Bestimmung des individuellen Bewusstseins gefasst wird, das also selbst die Manifestation dessen ist, was die Kirche zur Darstellung zu bringen beansprucht. 4.5. Idee und Wirklichkeit Die ethischen und sozialethischen Implikationen liegen auf der Hand, wenn man sich abschließend des Sinnes vergewissert, den eine weitere Grundunterscheidung Baurs hat, nämlich die immer wieder von ihm angezogene Unter47 Vgl. BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 157f.164. Das römische Verständnis von Glaube
und die Liebe als Zentralort der Rechtfertigung setzt nach Baur, wie gezeigt, ein defizitäres Verständnis des Menschseins voraus: Der Mensch wird von seinen Anlagen und Vermögen her, nicht in der diesen noch zugrundeliegenden Verfasstheit als Selbstbewusstsein wahrgenommen. 48 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7), 329.
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scheidung von ,Idee‘ und ,Wirklichkeit‘ oder ,Abstraktem‘ und ,Konkretem‘. Baur subsumiert unter dieser Unterscheidung eine Fülle reformatorischer Theologumena; sie gewinnt in jeder Reformulierung dieser Theologumena einen jeweils eigentümlich schillernden Sinn, den ich hier nicht vollständig aufklären will – nur so viel: Baur kann etwa in der eben zitierten ,Epochen‘Schrift mit dieser Unterscheidung die Differenz der unsichtbaren – idealen – und der sichtbaren – empirischen – Kirche bezeichnen.49 Oder, so in der Gegensatz-Schrift: es sei dem Protestantismus eigentümlich, das Konkrete vom Abstrakten zu scheiden und dem Abstrakten einen Wert vor jeder Verwirklichung zuzuschreiben – dies bezogen auf das Verständnis der Rechtfertigung als Gerechterklärung, der (noch) keine Umsetzung dieser zugesprochenen Gerechtigkeit in eine aktuelle oder habituelle Gerechtigkeit entspricht: „Denn was ist die blos zugerechnete Gerechtigkeit Christi, im Gegensatz gegen die Gerechtigkeit Christi, wie sie nach dem katholischen System als immanentes Princip der Heiligung und justificatio im eigentlichen Sinn in den Menschen selbst gesezt, und in ihm wirkend und sich entwickelnd gedacht wird, anders, als die Gerechtigkeit Christi an und für sich, sofern sie als Idee in ihrer reinen Abstractheit über dem Menschen steht, ehe sie in ihm real wird.“50
Die Unterscheidung ist genau darum wichtig, weil Baur mit dieser Differenz von Abstraktem und Konkretem einerseits die traditionelle Unterscheidung von Glaube und Werk, andererseits die Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche parallelisiert; dies eben in beiden Hinsichten mit dem genannten Ziel, als Proprium der Reformation zum einen die Ablösung der Idee des Christentums von der Gestalt ihrer objektiven, veräußerlichenden Realisierung – in dem vom Selbstbewusstsein unterscheidbaren Werk bzw. Erkennen einerseits und von der kirchlichen Anstalt und ihren Institutionen andererseits herauszustellen; beides sind Gestalten der Objektivation der Einheit von Gott und Mensch. 4.6. Die Auswirkungen der gläubigen Subjektivität Diese individuelle Subjektivität ist nun aber zugleich das Mittel der Verallgemeinerung und nach außen tretenden Darstellung der Einheit von Gott und Mensch über die Grenzen der Heilsanstalt hinaus, indem nun die Kirche nicht mehr der institutionelle Ort der Fremdbestimmung des Staates ist, sondern die Idee des Christentums den Staat durch seine Bürger bildet zum Ort der Verwirklichung dessen, was die Kirche in einem Exemplar – Jesus von Nazareth – für die Anschauung realisiert sieht: Die Einheit von Gottheit und Menschheit. Die Idee, die sich in der Reformation von ihrer objektivierenden Darstellung unterscheidet und im Selbstbewusstsein manifestiert, tritt nun durch das 49 BAUR, Epochen (s. Anm. 8), 250f.255–257. 50 BAUR, Gegensatz (s. Anm. 7) 186, vgl. 185f.
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Selbstbewusstsein im Kulturbildungsprozess der Menschheit wieder in Erscheinung. Der von kirchlicher Bevormundung freie Staat bzw. die von kirchlicher Bevormundung freie Gesellschaft wird zum Ort der Realisierung dieser Einheit. So schreibt Baur in seiner Darstellung der Theologie Schleiermachers im letzten Band der ,Geschichte der christlichen Kirche‘ in einem wunderbaren, Kritik und tiefe Bewunderung verbindenden Rückgriff von der – seiner Meinung nach zu ihrem Nachteil dem historischen Exemplar Jesus von Nazareth verhafteten – Christologie der Glaubenslehre auf die ,Weihnachtsfeier‘: „Zu diesem nicht blos idealen, sondern wirklichen, nicht blos in einem einzelnen Individuum existirenden, sondern in der Menschheit selbst substantiell gegenwärtigen Christus hatte sich Schleiermacher früher erhoben, wenn er [...] den Menschen die Erlösung nur in dem Menschen an sich finden läßt, in welchem kein Verderben noch Abfall, und kein Bedürfniss der Erlösung ist, und von diesem Menschen an sich sagt, erlöst werde der Mensch nur, wenn der Mensch an sich in ihm aufgehe, die Einheit des ewigen Seins und Werdens. Die Menschheit werde ewig dieser Mensch an sich, aber er müsse aufgehen in dem Menschen als ein Gedanke, das Bewusstsein und den Geist der Menschheit müsse der Mensch in sich tragen, müsse die Menschheit anschauen und erbauen als eine lebendige Gemeinschaft der Einzelnen, nur so habe er das höhere Leben und den Frieden Gottes in sich. Das geschehe in der Kirche, in ihr sei und werde der Mensch an sich dargestellt. Jeder, in welchem jenes Selbstbewusstsein aufgehe, komme zur Kirche, sie sei gleichsam das Selbstbewusstsein der Menschheit.“51
Der Unterscheidung von Idee und Konkretion, in der sich (in der Reformation) die Idee des Christentums von der Verwirklichung im Außen (der Institution; dem Dogma; dem durch die Gnade ermöglichenden Werk) unterscheidet und ins Innere, in das Selbstverhältnis des Subjektes transformiert, entspricht nach Baur also die Gegenbewegung der Verwirklichung der Einheit von Gott und Mensch in der Menschheit in einem Prozess, in dem die Menschheit „ewig dieser Mensch an sich“ wird. Ich lasse das so stehen, frage also nicht nach der Grenze dieses optimistischen Programms, in dessen Rahmen die Kirche eben gerade nicht dazu bestimmt ist, geheiligte Sonderinstitution zu sein, die Stimme Gottes in der säkularen Welt politischer Auseinandersetzungen; sie ist vielmehr als Institution Medium der Bildung von Menschen, in denen und durch die sich die Menschheit Gottes verwirklicht.
51 BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, hg. v. E. Zeller, Tübingen 1862, 211f.
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5. Noch einmal Möhler: Die Kirche als normative Bildungsinstitution Die Besonderheit dieses Programms Baurs wird am besten deutlich, wenn man sich abschließend noch einmal der Ekklesiologie Möhlers versichert, nun in der Gestalt, die sie in der Symbolik gewonnen hat. Hier sucht Möhler im Rahmen einer ausführlichen Darstellung des katholischen Verständnisses der Kirche (§ 37) zu zeigen, dass die Orientierung an der kirchlichen Institution die fromme Subjektivität gerade nicht durch Fremdbestimmung frustriert, sondern zur Bedingung der Möglichkeit der Freiheit individueller religiöser Subjektivität gehört. Möhler geht so vor, dass er zeigt, dass und inwiefern der Katholik in der kirchlichen Idee der Gemeinschaft die Anliegen der individuellen frommen Subjektivität befriedigt weiß52, und zwar in drei Hinsichten, die ganz äußerlich an Schleiermachers Trias von Gefühl, Wissen und Tun orientiert ist: Das Gefühl und die Einbildungskraft werden befriedigt, indem die Kirche als Verkörperung und Darstellung der Wahrheit ein Gegenstand der Liebe und Verehrung des Christen ist; seine Vernunft, indem die Kirche verlässliche Autorität in der Frage nach der Wahrheit bietet; „und die ganz lebendige Aufnahme dieser Idee in seinen Willen scheint ihm 3. mit der höchsten religiös-sittlichen Aufgabe des Menschen in eins zusammenzufallen.“53 Am interessantesten in der Durchführung ist jener dritte Abschnitt, in dem Möhler die Kirche als Institut der ,religiös-sittlichen Veredelung‘ des Menschen empfiehlt. Er verweist darauf, dass es dabei nicht nur um die zuvor unter dem Stichwort der Leitung der Vernunft durch die Kirche dargestellte äußere Leitung in der Darstellung der unwandelbaren Wahrheit geht, sondern um die Integration des Gesamtwillens in den individuellen Willen, um die Bewegung der subjektiven Aneignung des Kollektivwillens, der sich gerade darum, und zwar mit Notwendigkeit, in einem äußeren Institut und in verbindlichen Regeln darstellen müsse. Möhler weist in der Durchführung darauf hin, dass die Autonomie im Sinne der Selbstgenügsamkeit kein Indiz menschlicher Höherentwicklung, sondern im Gegenteil des Zustandes der ,Wildheit‘ ist, während Kultur immer Gestalten des Austausches mit anderen impliziert: „Die Unterhaltung des Verkehrs und der Gemeinschaft mit Fremden, und hiermit die freiwillige Festsetzung eines Verhältnisses der Abhängigkeit von ihnen ist also mit der allgemeinen menschlichen Bildung schlechthin gegeben.“54
52 Zum folgenden vgl. MÖHLER, Symbolik (s. Anm. 7), 392–404. 53 MÖHLER, Symbolik (s. Anm. 7), 392; zum Gefühl: 392–395; zur Vernunft: 395–401;
zur Sittlichkeit: 401–404. 54 MÖHLER, Symbolik (s. Anm. 7), 403.
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Kultur gibt es also nur im Medium der Abhängigkeit, die aber selbst nicht Aufgabe der Freiheit, sondern eine freiwillige Abhängigkeit und insofern Selbstverpflichtung ist; und das heißt mit Bezug auf das Verhältnis eines Einzelnen zum Kollektiv, dass der Einzelne entweder selbstgenügsam und kulturlos (im Zustand der Wildheit) bzw. als ,wilder‘ gefangen ist, oder aber in freier Selbstbestimmung abhängig, so dass das Fremde im Zuge der Durchbildung des eigenen Willens den Charakter des Fremden verliert und sich das Individuum als eins mit dem anderen in der Einheit eines Willens weiß, mit der Folge, dass „[...] je mehr diese Gemeinschaft und gegenseitige Anhängigkeit sich erweitert, d.h. je mehr der Begriff eines uns Fremden verschwindet, desto mehr die Humanität hervortritt“55, wobei Möhler eben unter ,Humanität‘ die vergemeinschaftete Gestalt des Menschseins versteht. In der Anwendung auf die Kirche sieht Möhler das Verhältnis von Einzelnem und kirchlicher Gemeinschaft eben so gestaltet, dass die Kirche gerade darin ihr Wesen hat, dass sie eine wirkliche Gemeinschaft ist, die dem Glaubenden zunächst als etwas Fremdes gegenübersteht, in das der Mensch im Verlauf einer inneren Aneignung hineinwächst und so sich die Abhängigkeit in freie Selbstbestimmung zur Einheit mit dem Willen des Kollektivs weiterbestimmt; genau zur Ermöglichung dieses Prozesses bedarf es der Sichtbarkeit der Kirche als Instanz der ,fremden‘, objektiven Gestalt des Gemeingeistes: „[...] eben diese Bande, durch welche die Gemeinschaft erst als eine wirkliche sich darstellt, erzielen das Gegenteil von sich selbst und setzen den inneren Menschen in Freiheit oder bewirken die lauterste Humanität; denn auch dieses Ausdruckes dürfen wir uns hier bedienen, da Gott Mensch geworden ist. Ohne äußere Bande aber gibt es auch keine wahre geistige Verbindung, so daß die Idee [!! N.Sl.] einer bloß unsichtbaren allverbreiteten Gemeinschaft, der wir angehören sollen, ein unfruchtbares unnützes Gebilde der Einbildungskraft und verirrter Gefühle ist, welches wirkungslos im Menschen bleibt.“56
Es ist hier das oben für die frühere Schrift Möhlers ausgewiesene Bestreben, die Anstaltlichkeit und Autorität der Kirche mit dem Anliegen der Freiheit der religiösen Subjektivität zu vermitteln, mit Händen zu greifen. Möhler kommt es durchaus darauf an, zu zeigen, dass die kirchliche Anstalt gerade ihren Sinn und ihre Bestimmung darin hat, freie Gemeinschaft frommer Individuen zu stiften, und dass sie nichts anderes als die – freilich als Medium unverzichtbare – äußere Gestalt solcher Gemeinschaft ist. Mit Händen zu greifen ist aber eben auch die Differenz zur Gestalt christlicher Freiheit, die Baur in der Reformation realisiert sieht; hier steht eben jede institutionelle und jede ethische Realisationsgestalt des Christlichen unter dem Vorbehalt der von ihr unter55 Ebd., direkte Fortsetzung des vorangehenden Zitates. 56 MÖHLER, Symbolik (s. Anm. 7), 404f.
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schiedenen, individuellen gläubigen Subjektivität, die sich selbst als unmittelbar eins mit Gott weiß und selbst nicht unter dem Vorbehalt einer erzieherischen Einflussnahme der Institution steht, die ihr gegenüber immer die Prärogative hätte. Die Einheit des Geistes, die Gemeinschaft ermöglicht und sich im Handeln in der menschlichen Gemeinschaft auswirkt, hat keinen Ort seiner Verwirklichung als die Subjektivität selbst, und die Einheit dieses Geistes ist der Gemeinschaft nicht in Institutionen vorgegeben, sondern weist sich in der Einmütigkeit der Gemeinschaft aus.
6. Schluss Damit leite ich zu dem eingangs gebotenen Zitat des Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Huber, zurück. Denn eines ist deutlich: dass sowohl Baur wie auf seine Weise auch Möhler der Tatsache Rechnung tragen, dass sich der christliche Glaube nicht anders als im Medium freier Subjektivität vollzieht, und dass jede objektivierte Gestalt sich dadurch in ihrem Recht ausweist, dass sie in freie Subjektivität übersetzt werden kann. Davon ist eben, wie gesagt und oben dargestellt, auch Möhler durchdrungen, wenn er freilich auch ganz deutlich darauf abzielt, das Recht der Subjektivität durch die Instanz des Amtes zu limitieren und unter die Bedingung des Gemeingeistes der Kirche zu stellen. Die auch in der Gegenwart weiterführende Besonderheit Baurs liegt darin, dass er die Situation, an der sich der Ratsvorsitzende der EKD offenbar erfolglos abarbeitet, als legitime und nicht revidierbare Kulturwirkung des Protestantismus versteht: zum einen das Phänomen einer Öffentlichkeit, die gegenüber jeder institutionellen Bevormundung den Anspruch auf Autonomie erhebt, und das heißt: den Anspruch, nicht anders als durch den gewaltfreien Zwang des Arguments, durch aneignungsfähige Wahrheit und Weisung überzeugt zu werden. Und zum anderen das Phänomen eines Staates, in dem die Kirche als Gemeinschaft glaubender Individuen ihren Ort hat und wirkt, darin aber auch in ihren institutionellen Verlautbarungen auf freien Konsens zielt und sich nur im gestaltenden Wirken gottunmittelbarer Individuen, nicht aber als institutionalisierte Stimme Gottes durchzusetzen beanspruchen kann. Und drittens schärft die Erinnerung an die Position Baurs die Verpflichtung der protestantischen kirchlichen Repräsentativinstitutionen ein, die Besonderheit ihres Selbstverständnisses und die Selbstunterscheidung der Institution von der Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden auch öffentlich zu dokumentieren auch dann, wenn sie um der politischen Wirksamkeit willen mit einer Institution zusammenarbeiten, die ein gänzlich anderes Selbstverständnis unterhält.
Ferdinand Christian Baur: ein historisch informierter Idealist eigener Art MARTIN WENDTE War Baur ein Idealist, war er gar ein Hegelianer? Baur war vor allem ein höchst eigenständiger und produktiver Kopf. Dabei war er zugleich ein Idealist, wenn ein Idealist die Position vertritt, dass die Geschichte als Ganze und zumal die Geschichte des Christentums und die Kirchen- und Dogmengeschichte einen einheitlichen Entwicklungsgang darstellt, den Entwicklungsgang der einen Idee. Und er war Hegelianer, wenn ein Hegelianer die Position vertritt, dass dieser Entwicklungsgang die Entwicklungsgeschichte Gottes ist, welche sich in dialektischer Form – durch gegensätzliche Positionen hindurch – vollzieht und durch diesen Gang hindurch Freiheit in der Geschichte realisiert. Aber Baur war ein Idealist und Hegelianer ganz eigenen Formats, aus mindestens drei Gründen. Erstens entwickelte er seine Positionen in freier Übernahme von Impulsen anderer und in sorgfältiger Auseinandersetzung mit dem historischen Material, das er bearbeitete. Seine hegelianisierenden Grundideen entwickelt er teils sogar vor genauerer Kenntnis von Hegels Werk selbst. Sosehr er Hegel in vielem zustimmte und dessen Grundfiguren in seinem Forschungsbereich, der Dogmengeschichte durchführte, so war er somit nie im engeren Sinne ein Schüler Hegels oder gar einer, der Hegels Grundeinsichten aufnahm und gleichsam äußerlich auf sein Material anwandte. Die Einschätzung von Emanuel Hirsch hat nichts von ihrer Aktualität verloren, wenn Hirsch schreibt: „Wer ihm (sc. Baur) apriorische Geschichtskonstruktion vorwirft, hat ihn wohl nie ernsthaft gelesen.“1 Zweitens führte Baur seine geschichtsphilosophische Grundposition mit einer Methode durch, die den Idealisten und auch Hegel noch fremd war, die bis heute aber den Standard des Umgangs mit diesen Quellen darstellt: Baur bearbeitete seine Quellen mit der historisch-kritischen Methode. Alle Ergebnisse seiner neutestamentlichen wie dogmengeschichtlichen Forschung erzielt er aufgrund der konsequenten Anwendung historischer Kritik. Man mag das als folgerichtige Weiterentwicklung der Position Hegels unter den Voraussetzungen einer neuen Zeit 1 E. HIRSCH, Geschichte der neuern evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens, Fünfter Band, Gütersloh 31964, 521.
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ansehen oder – wie Baur selbst – als entschiedene Korrektur an Hegel. Wohl auch angeregt durch die Ergebnisse seiner historischen Kritik vollzog Baur – drittens – um 1852/53 eine Wende in der Bestimmung des Wesens des Christentums, die ihn weit von dessen idealistischen Bestimmungen entfernte. Um diese komplexen Zuordnungen Baurs zum Idealismus und zumal zu Hegel in hinreichend detaillierter Form in den Blick zu bekommen, wäre eine eigene Monographie vonnöten. Das liegt nicht nur darin begründet, dass das Werk Baurs ausgesprochen umfangreich ist und die einzelnen Bücher oftmals sehr materialreich. Vielmehr liegt es auch daran, dass Baur zwar zuweilen – vor allem in den Vorreden seiner Werke – seine eigene Position deutlich benennt, dass er aber vor allem als Dogmengeschichtlicher arbeitete, nicht als Systematiker, so dass seine eigene Position bisweilen aus seiner Darstellung anderer Positionen herausgelesen werden muss.2 Das Folgende kann daher nur die Knotenpunkte der Entwicklung rekonstruieren und die groben Linien skizzieren, welche sich zwischen ihnen abzeichnen, und soll damit als Ausgangspunkt für weitergehende, detailliertere Forschung dienen. Dazu soll zuerst die Entwicklung der idealistischen Position Baurs skizziert werden (I.), ehe dessen hegelianisierende Ausformung dargelegt wird (II.) und schließlich die Differenzen Baurs zu Hegel namhaft gemacht werden (III.), ehe die Ergebnisse nochmals kurz resümiert werden (IV.).
1. Gegen Suprarationalismus und Rationalismus: Die Entwicklung der idealistischen Position Ferdinand Christian Baur studierte von 1809 bis 1814 als Mitglied des Evangelischen Stifts Evangelische Theologie an der Universität Tübingen.3 Er war damit zu einer Zeit in Tübingen immatrikuliert, als die Fakultät noch von einer Riege von Professoren geprägt wurde, die als Mitglieder der später so genannten „Älteren Tübinger Schule“ supranaturalistische Positionen vertraten. Storr und andere meinten somit, in Abwehr gegen die Bibelkritik der Aufklärung Beweise liefern zu können, welche die Bibel als göttliche Offenbarungsurkunde ausweisen und das Christentum als eine Religion, die in gänzlichem Unterschied zu ihren antiken Nachbarreligionen allein in dem wunderbaren Handeln Gottes in der Geschichte gegründet ist. Baur jedoch nutzte bereits die ersten Semester des Studiums, die vor allem philosophi2 Siehe dazu auch P.C. HODGSON, The Formation of Historical Theology. A Study of Ferdinand Christian Baur, New York 1966, 91. 3 Siehe dazu F.W. GRAF, Ferdinand Christian Baur (1792–1860), in: H. Fries/G. Kretschmar (Hg.), Klassiker der Theologie, zweiter Band: Von Richard Simon bis Dietrich Bonhoeffer, München 1983, 89–110, 91–93.
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scher Lektüre gewidmet waren, um die Schriften Kants, Fichtes und Schellings zu lesen. So vertritt Baur in seiner ersten großen, eigenständigen Veröffentlichung, der „Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Altertums“ von 1824/25 eine Position, die sich sowohl von der der Suprarationalisten wie von der ihrer aufklärerischen Gegenspieler grundlegend unterschied. Trotz einer nicht eindeutigen Bemerkung in der Vorrede zu diesem Werk4 war Baur bereits zu diesem Zeitpunkt – und stärker noch in späteren Phasen – entgegen der Position des Suprarationalismus bereit, das Christentum in die allgemeine religionsgeschichtliche Entwicklung der Antike einzuordnen und in seiner Genese von daher verständlich zu machen. Damit näherte er sich der Position der rationalistischen Aufklärung an. Allerdings warf er dieser vor, die Geschichte bloß als eine gleichsam zufällige Ansammlung von Ereignissen anzusehen, nicht als einheitlichen Entwicklungszusammenhang. Erst durch diesen aber wird Geschichte überhaupt als Geschichte begreifbar. So kam Baur später zu dem berühmten Verdikt, dass „der Rationalismus an sich, der Natur der Sache nach, keinen historischen Sinn hat.“5 Zwei Autoren halfen Baur vor allem, seine eigene Position zu entwickeln: Schleiermacher und Schelling. Nach seinem Studium unterrichtete Baur am Seminar in Blaubeuren und lernte dort bald nach dessen Veröffentlichung Schleiermachers „Der christliche Glaube“ von 1821 kennen. Bei aller Kritik im Einzelnen verstand Baur im Zuge seiner eigenen (und eigentümlichen) Lesart Schleiermachers die christliche Religion auch als Ausdruck des subjektiven Vermögens des Menschen und nicht primär als ein Gebilde, dessen Inhalte dem Menschen durch Offenbarung gleichsam äußerlich vorgegeben sind.6 Die Inhalte des Glaubens soll der Mensch in sich erzeugen können, da Christus als Kraft in jedem Menschen zu begreifen ist. Auch wenn Baur in der Vorrede zu seiner „Symbolik“ ausdrücklich allein Schleiermacher als geistigen Ahnen erwähnt7, war Schelling für die Entwicklung seiner Position von mindestens ebenso großer Bedeutung. Denn Schelling griff in charakte4 Sie dazu F.C. BAUR, Symbolik und Mythologie oder die Naturreligionen des Althertums Stuttgart 1824, viif., der dort schreibt, dass das Christentum „kein menschliches System, sondern eine göttliche Offenbarung“ ist – welche allerdings (und damit erfolgt die Korrektur dieses scheinbar eindeutigen supranaturalistischen Halbsatzes) – „nur auf dem höchsten Standpunkt der menschlichen Weltgeschichte richtig gewürdigt werden kann.“ 5 F.C. BAUR, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Tübingen 1858; siehe zu dieser Diskussion auch W. GEIGER, Spekulation und Kritik. Die Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs, FGLP XXVIII, München 1964, 34f. 6 Siehe zum Einfluss von Schleiermacher und Schelling auf Baurs frühe Entwicklung GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 3), 94f. sowie J. ROHLS, Ferdinand Christian Baur. Spekulation und Christentumsgeschichte, in: P. Neuner/G. Wenz, Theologen des 19. Jahrhunderts. Eine Einführung, Darmstadt 2002, 40f. 7 Siehe BAUR, Mythologie (s. Anm. 4), vii.
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ristischer Weise in den damaligen Diskurs um das rechte Verständnis der Mythen ein, der etwa von Friedrich Creutzer geprägt war. Creutzer stellte die Mythen in den Zusammenhang einer universalen Religionsgeschichte und zeigte, dass die Religionsgeschichte als Geschichte der Freiheit verstanden werden kann.8 Schelling hatte in seinem „System des transcendentalen Idealismus“ (1800) die gesamte Geschichte und namentlich die Religionsgeschichte als sukzessive, übergreifende Offenbarung der absoluten Vernunft von einem Zustand anfänglichen, relativen Chaos hin zu zunehmend vernünftigeren Konstellationen begriffen. Entsprechend behandelte er auch die griechische und die römische Mythologie als Ausdrucksgestalt dieser Selbstoffenbarung des Absoluten. Baurs daran angelehnte, eigene idealistische Grundanschauung kommt in der Vorrede zur „Mythologie“ deutlich zum Ausdruck. Da bei aller späteren Fortentwicklung die hier erreichte Position für Baur Zeit seines Lebens in Gültigkeit blieb,9 sei sie etwas ausführlicher zitiert und kurz kommentiert. Baur entwickelt zuerst den Gedanken, dass aufgrund der Struktur des menschlichen Geistes selbst in allen Wissenschaften auf die Idee der Einheit des Wissens abgezielt werden muss: „Die Mythologie hat in mir […] dadurch ein immer steigendes Interesse geweckt, dass ich in ihr und durch sie der Idee der Einheit des Wissens näher zu kommen glaubte, welche, vorgebildet in dem Organismus des menschlichen Geistes, das wahre Ziel jedes besonnen wissenschaftlichen Strebens sein muss.“10
Dann wendet er sich gegen die aufklärerisch geprägte Mythen- und Geschichtsforschung, indem er betont, dass bei intensiver Betrachtung das Material selbst einen inneren Zusammenhang der verhandelten Sache zu erkennen gibt: „Je mehr ich durch ein genaueres Studium der Mythologie das rege, wundervolle Leben, das sie in sich schließt, […] kennen lernte, desto mehr befestigte sich in mir die Ueberzeugung, dass sie nicht blos ein zufälliges Aggregat irgendwie zusammengekommener Atome seyn könne, sondern in dem ganzen Umfange ihrer Erscheinungen […] eine in einem organischen Zusammenhange sich entwikelnde Philosophie darstelle.“11
Schließlich betont er, dass dieser Zusammenhang nicht allein als Eintrag der Struktur des endlichen Geistes in die Geschichte zu begreifen ist, sondern vielmehr deswegen aus dem Material selbst herausgelesen werden kann, weil er in der einheitlichen Geschichte der Selbstoffenbarung Gottes gegründet ist: 8 Siehe dazu GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 3), 94; zur kritischen Aufnahme Creutzers bei Baur siehe BAUR, Mythologie (s. Anm. 4), vii–x. 9 Siehe dazu mit vielen Belegen auch GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 5), 37. 10 BAUR, Mythologie (s. Anm. 4), ivf. 11 BAUR, Mythologie (s. Anm. 4), v.
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„Ist die Weltgeschichte überhaupt, in ihrem weitesten und würdigsten Sinne, eine Offenbarung der Gottheit […], so kann sie, da überall, wo geistiges Leben ist, auch Bewusstsein ist, als Einheit desselben nur als Entwiklung eines Bewussteins angesehen werden, welche zwar nur auf eine der Entwiklung des endlichen Bewusstseins analoge Weise zu denken ist, aber mit dem beschränkten Maßstabe desselben nicht gemessen werden darf.“12
Offenbarung ereignet sich somit nicht bloß an einem Ort oder einer Person – etwa in der von Jesus Christus –, sondern Gottes Wirklichkeit prägt den Geschichtsverlauf als Ganzen. Die hiermit erreichte Position sieht Baur nun gerade nicht als unsachgemäßen theologisch-philosophischen Eintrag in seine Arbeit als Historiker, sondern als notwendige Verbindung von Geschichtsphilosophie und Quellenstudien: „Den bekannten Vorwurf der Vermengung der Philosophie mit der Geschichte fürchte ich dabei nicht: Ohne Philosophie bleibt mir die Geschichte ewig todt und stumm.“13 Die einzelnen Erscheinungen in der Geschichte sind nur dann mehr als abstrakte Einzelfälle und damit überhaupt vernünftig rekonstruierbar, wenn sie Momente einer sie übergreifenden Einheit und Entwicklungslinie des absoluten Geistes sind – diese idealistische Grundüberzeugung hat Baur früh entwickelt und Zeit seines Lebens durchgehalten, indem er sie aus verschiedensten Geschichtsquellen heraus(und in diese hinein) las.14 Gegen den Widerstand konservativer Kreise wurde Baur im Jahr 1826 auf einen Lehrstuhl an die Tübinger Universität berufen, auf dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1860 Kirchen- und Dogmengeschichte, Konfessionskunde und Neues Testament lehrte. Hier entwickelte er auch seinen Idealismus zu einem Hegelianismus eigener Ordnung weiter und führte seine historisch-kritischen Untersuchungen zum Neuen Testament sowie – bei aller Schwerpunktsetzung in dem Gebiet der Alten Kirche – fast zur gesamten Kirchen- und Dogmengeschichte weiter. Beides machte ihn laut Emanuel Hirsch gemeinsam mit Schleiermacher zu dem „größten und umstrittensten“15 Theologen zumindest des 19. Jahrhunderts.
2. Gnosis und Versöhnung: Methodische und inhaltliche Nähen Baurs zu Hegel Dass die Geschichte eine einheitliche Offenbarungsgeschichte Gottes ist, hatte Baur bereits vor seiner Zeit als Tübinger Professor festgehalten. Während dieser Zeit entdeckte er nun, dass sich die Offenbarungsgeschichte Gottes in 12 BAUR, Mythologie, v. 13 BAUR, Mythologie, xi. 14 Siehe dazu unter II. mehr. 15 HIRSCH, Geschichte (s. Anm. 1), 518.
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dialektischer Form vollzieht, also im Gang durch voneinander divergierenden und miteinander streitenden Positionen hindurch, welche in neuere, reichere Vermittlungen hineinführen. Baur selbst hielt fest, dass er diese gemeinhin Hegel zugeschriebene Sichtweise eigenständig und allein in minutiöser Auseinandersetzung mit dem historischen Material entdeckte, bevor er sich ausführlicher mit Hegel auseinandersetzte.16 Denn Hegels Werke begann er erst genauer zu lesen, als diese ab 1832 in allgemein verfügbaren Ausgaben publiziert wurden. Seine dialektische Sichtweise der Geschichte aber konnte er bereits im Jahre 1831 der Öffentlichkeit präsentieren, als er seine Schrift zur „Christuspartei in der korinthischen Gemeinde“17 publizierte. Mit dieser Schrift revolutionierte er zugleich das bis dahin allgemein vertretene Verständnis der urchristlichen Gemeinde. Denn während die damalige neutestamentliche Wissenschaft in ihrer Mehrheit in enger Anlehnung z.B. an das Bild, das die Apostelgeschichte zeichnete, die Anfangszeit der christlichen Gemeinde als Bild der Einheit und Harmonie verstand, betonte Baur, dass hinter der in 1Kor 1,12 genannten Kephas- und der Pauluspartei das Judenbzw. das Heidenchristentum standen, welche von Beginn an miteinander diskutierten und stritten. Entsprechend vertritt auch jeder neutestamentliche Autor eine bestimmte, von anderen divergierende Sichtweise – eine bestimmte Tendenz – und diese ist in der Exegese zu erheben und genauer zu konturieren. Nachdem Baur begann, die Werke Hegels zu lesen, fand er seine bisher entwickelte Perspektive gestärkt und auf hohem Niveau ausgearbeitet. So ist es nur folgerichtig, dass er in seiner nächsten großen Veröffentlichung, dem Buch zur Gnosis von 1835, Hegel als Höhepunkt der Entwicklung der Religions- und Dogmengeschichte darstellt.18 Das Gnosis-Buch ist damit in dreierlei Hinsicht charakteristisch für das Werk Baurs zu dieser Zeit. Ähnlich wie in anderen Schriften – etwa der Schrift zu Sokrates und Christus19 – bettet Baur das Christentum, erstens, in die allgemeine Religionsgeschichte ein. Nur in 16 Siehe dazu F.C. BAUR, Abgenöthigte Erklärung gegen einen Artikel der evangelischen Kirchenzeitung, hg. von Dr. E.W. Hengstenberg, Prof. d. Theol. an der Universität zu Berlin, Mai 1836, in: Ferdinand Christian Baur, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Band I: Historisch-kritische Untersuchungen zum Neuen Testament, Stuttgart-Bad Cannstatt 1963, 267–320, 274. 17 F. C.BAUR, Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde, der Gegensatz des paulinischen und petrinischen Christentums in der ältesten Kirche, der Apostel Petrus in Rom, in: TübZTh 1831, 4. Heft, 61–206; siehe dazu auch ROHLS, Baur (s. Anm. 6), 45f. 18 F.C. BAUR, Die christliche Gnosis oder die christliche Religionsphilosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Darmstadt 1967, 686ff. 19 F.C. BAUR, Das Christliche des Platonismus oder Sokrates und Christus. Eine religionsphilosophische Untersuchung, Tübingen 1837, siehe dazu ROHLS, Baur (s. Anm. 6), 42– 44.
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der Erörterung der Differenzen und der Nähen zu den anderen Religionen lässt sich das Christentum begreifen. Dabei aber wird deutlich, dass das Christentum die Erfüllung unerfüllter Hoffnungen und Grundkonstellationen der anderen Religionen ist. Im Christentum kommen jüdische und heidnische Gnosis zu sich. Zweitens legt Baur den Schwerpunkt seiner Studien auf die Zeit des Neuen Testaments und der Alten Kirche, endet aber mit Kapiteln zum Mittelalter und zur Neuzeit. Die Gnosis etwa vollzieht die Religion vor allem als Religionsphilosophie, und dieser Ansatz findet sich laut Baur auch bei Jakob Böhme, bei Schelling und vor allem bei Hegel als dem End- und Höhepunkt dieser Entwicklung.20 Durch die Geschichte hindurch entwickelt sich eine einzige Religionsphilosophie, die die Geschichte der Selbstvermittlung des absoluten Geistes ist.21 Baur betreibt somit Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte mit dem Ziel der Aufklärung seiner eigenen Zeit.22 Drittens vollzieht sich die Geschichte ganz im Sinne Hegels für Baur damit eben als Entwicklungsgeschichte des lebendigen Gottes. Nun in ausdrücklicher Ablehnung der Position Schleiermachers sind die religiösen Inhalte nicht als Ausdruck des Gefühls des religiösen Subjekts zu lesen, sondern als Selbstbewusstsein Gottes im endlichen Geist,23 wobei sich dieses dialektisch entwickelt. Gott in ursprünglicher Einheit – im Reich des Vaters – begibt sich in sein Anderes hinein, in die Welt und ihre Geschichte, welche das Reich des Sohnes darstellt, ehe er dann zu sich zurückkehrt, um im Reich des Geistes in der Gemeinde und der Philosophie ganz er selbst zu werden.24 In dieser inhaltlichen Bestimmung gleicht Hegel laut Baur wiederum der Gnosis und stellt ihren Vollendungspunkt dar.25 Eine besondere Stärke der Position Hegels sieht Baur darin, dass in diesem Entwicklungsgang Gottes für Gott Freiheit und Notwendigkeit zusammenfallen und er sich somit bei allem Zugewinn an Freiheit durch die Geschichte hindurch gerade in dieser Vermittlung als dem Wesen des Geistes entsprechend erweist.26 In dem nächsten großen Werk nach dem Gnosis-Buch, der Arbeit zur Geschichte der Versöhnungslehre von 1838,27 wird die Nähe Baurs zu Hegel noch greifbarer. Diese Nähe wird hier gleichsam selbst auf den Begriff gebracht, und daher soll dieses Werk kurz vorgestellt und in seiner Nähe zu He20 Siehe BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 670. 21 Siehe zusammenfassend BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 735–740. 22 So auch GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 3), 90. 23 Siehe BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 672. 24 Siehe BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 681–700; siehe auch GEIGER, Spekulation und Kri-
tik (s. Anm. 5), 45. 25 BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 681. 26 BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 702. 27 F.C. BAUR, Die christliche Lehre von der Versöhnung in ihrer geschichtlichen Entwicklung und von der ältesten Zeit bis auf die neueste, Tübingen 1838.
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gel durchsichtig gemacht werden. In seiner Vorrede konstatiert Baur, dass die bisherigen Autoren die Dogmengeschichte entweder als abstrakte Ansammlung von Fakten ohne inneren Zusammenhang darstellten (und damit gleichsam dem Geschichtsverständnis der Aufklärung folgten) oder einen Zusammenhang bloß durch die subjektiven Interessen des Autors in Bezug auf ein abgegrenztes Gebiet hergestellt hätten. Demgegenüber fordert Baur ganz in Übereinstimmung mit seinen eigenen, früheren Einsichten und den Grundeinsichten Hegels in methodischer Hinsicht Folgendes: „Nur wenn in der geschichtlichen Darstellung das Wesen des Geistes selbst, seine innere Bewegung und Entwicklung, sein von Moment zu Moment fortschreitendes Selbstbewusstseyn sich darstellt, ist die innere Objektivität der Geschichte erkannt und aufgefasst. Dieser Gesichtspunkt, von welchem aus es insbesondere die Aufgabe der Dogmengeschichte ist, das christliche Dogma im Ganzen und Einzelnen so zu behandeln, dass alle zeitlichen Veränderungen als die wesentlichen und nothwendigen Momente erscheinen, durch die sich der Begriff hindurchbewegt, um von der Negativität der zeitlichen Form immer weiter getrieben, Wesentliches und Unwesentliches mit dem immer strengern Gericht des reinen Gedankens zu scheiden, und durch alle Momente hindurch sich selbst in seinem eigenen innersten Wesen zu erfassen, liegt der hier gegebenen Darstellung zu Grunde, in der festen Überzeugung, dass nur auf diesem Wege die Geschichte für den denkenden Geist das seyn kann, was sie ihrer göttlichen Bestimmung für ihn seyn soll, die Selbstverständigung der Gegenwart aus der Vergangenheit.“28
Baur vollzieht seine Rekonstruktion der Dogmengeschichte an demjenigen Inhalt, der laut ihm ebenso wie laut Hegel nicht nur für das Christentum, sondern für jede Religion der Zentrale ist: dem der Versöhnung.29 Denn die Versöhnung ist Implikat des Wesens jeder Religion, nämlich des Verhältnisses Gottes zum Menschen. Dieses Verhältnis ist durch den Unterschied beider voneinander geprägt, welcher jedoch in neue, vermittelte Einheit aufgehoben werden soll. Das Christentum ist gerade darin die „absolute Religion“30 und somit das Ziel des Heidentums wie des Judentums und damit der ganzen Religionsgeschichte, dass die vermittelte Einheit Gottes mit dem Menschen in der geschichtlichen Person Jesu Christi erscheint und somit in unüberbietbarer Weise ontologisch wirklich wird. Indem die Einheit Gottes mit dem Menschen die objektive Grundlage der Versöhnung ist, ist das Christentum zugleich diejenige Religion, in der die Versöhnung Gottes mit dem Menschen selbst vollendete Wirklichkeit wird. Allerdings hat das Neue Testament diese unüberbietbare Wirklichkeit allererst in recht unmittelbarer, theoretisch noch nicht ausgefalteter Form erfasst.31 Die Geschichte des Dogmas der Versöh28 BAUR, Versöhnung (s. Anm. 27), vif. 29 Siehe hierzu BAUR, Versöhnung (s. Anm. 27), 1f. und GRAF, Ferdinand Christian
Baur (s. Anm. 3), 100–102. 30 BAUR, Versöhnung (s. Anm. 27), 5. 31 Siehe BAUR, Versöhnung (s. Anm. 27), 11–16.
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nung ist zugleich die Geschichte der Entwicklung der Theorie des Dogmas und vollzieht sich wie jeder Gang des Geistes in einem Dreischritt. Er beginnt mit der Betonung der objektiven Seite des Geschehens als der erster Unmittelbarkeit. Bei der Versöhnungslehre wird dabei die Versöhnung Gottes mit sich betont, und diese Seite der Lehrentwicklung findet in der Satisfaktionslehre Anselms ihren Höhepunkt. Der zweite Schritt betont die subjektive Aneignung des Geschehens und vollzieht sich in der Reformation bis hin zur Aufklärung. Im dritten Schritt wird der objektive mit dem subjektiven Teil vermittelt, indem die subjektive Aneignung allgemein ausweisbaren Prinzipien folgt, und findet sich in der Geschichte der Versöhnungslehre bei Kant, Schleiermacher und dann vor allem bei Hegel. Resümierend gesprochen zeigt sich Baur in diesem Werk ebenso wie in anderen Werken dieser Zeit, etwa dem großen Werk zur Trinitätslehre32 als Denker, der in methodischer wie inhaltlicher Hinsicht in großer Nähe zu Hegel steht. Denn aufgrund eigener Überlegungen und minutiöser Arbeiten an den Quellen wendet Baur Hegels methodische wie inhaltliche Grundbestimmungen auf sein eigenes Forschungsgebiet, das der Dogmengeschichte, an – und genauso lässt sich sagen: Baur sieht in seiner Arbeit, dass sich ihm die Hegelschen Grundbestimmungen aus dem Material selbst heraus nahelegen. Eisegese und Exegese scheinen nicht eindeutig voneinander trennbar zu sein. In methodischer Hinsicht stellt sich die gesamte Geschichte eines Dogmas als einheitliche Bewegung des Geistes dar, die in dialektischer Bewegung zu einer alle Differenzen einschließenden Synthese gelangt, die im Werk Hegels ihren geschichtlichen Ausdruck findet. In materialer Hinsicht vollzieht sich das in ausgezeichneter Form an der Versöhnungslehre. Diese ist deshalb das wichtigste Dogma des Christentums und aller Religionen, weil die Versöhnung Implikat der Einheit des Seins Gottes mit dem Menschen als dem Wesen der Religion ist, welche im Christentum ihren unüberbietbaren Höhepunkt erfährt.
3. Historisch-kritische Methode und die Bestimmung des Wesens des Christentums in Kategorien der praktischen Vernunft: Differenzen Baurs zu den Idealisten und zumal zu Hegel Diese und die weiteren Arbeiten Baurs sind somit durch große Nähe zu Hegel in methodischer und inhaltlicher Sicht geprägt. Doch es gibt auch mindestens zwei gravierende Differenzen, die Baur von Hegel unterscheiden. Die eine 32 F.C. Baur, Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 3 Bände, Tübingen 1841.1842.1843.
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Differenz ist methodischer Art und trennt das gesamte Werk Baurs von dem Hegels und der Idealisten; Baur war sich ihrer sehr bewusst und hat bereits früh darauf hingewiesen: Anders als Hegel geht Baur konsequent historischkritisch mit seinen Quellen um. Die andere Differenz ist inhaltlicher Art und trennt das Spätwerk Baurs von seinem Frühwerk sowie dem Werk Hegels und der Idealisten; Baur war sich ihrer evtl. nicht bewusst und hat sie jedenfalls nicht eigens ausgewiesen: Baur bestimmt ab 1852/53 das Wesen der Religion und des Christentums nicht mehr als Einheit des Seins Gottes mit den Menschen, sondern in Kategorien der praktischen Vernunft als Einheit des Willens. Beide Differenzen seien genauer dargestellt. Auch beeinflusst von den Einsichten des Historikers Niebuhr, die er bereits zu Studienzeiten kennenlernte und in Blaubeuren selbst vermittelte,33 ist Baur der erste Religions- und Dogmengeschichtler, der seine umfangreichen Darstellungen konsequent aus kleinschrittiger, historisch-kritischer Auseinandersetzung mit den Quellen gewinnt. Die Vermittlung Gottes mit den Menschen muss sich auch aus der Perspektive des endlichen Bewusstseins sauber rekonstruieren lassen. Das heißt nicht nur, dass das Christentum konsequent in die allgemeine Religionsgeschichte einzuordnen ist. Vielmehr bedeutet es vor allem, dass die Quellen des Christentums selbst als geschichtlich bedingt anzusehen sind und insofern auf die ihnen innewohnenden Positionen und Tendenzen hin zu befragen sind, um zu dem zu gelangen, was sich geschichtlich ereignet hat oder was hier gedacht wird.34 Baur ist sich bewusst, dass er in der Anwendung dieser historischen Kritik auf alle Quellen von Hegel divergiert. Das wird in einer grundlegenden Anfrage deutlich, die Baur in seinem Gnosis-Buch an Hegel richtet. Denn nach der Feststellung aller Ähnlichkeiten wirft Baur Hegels Christologie vor, dass sich in ihr ein Problem manifestiert, das bereits die antike Gnosis und dann die gesamte Christentumsgeschichte prägt: Der „historische und der ideelle Christus“35 sind nicht angemessen miteinander vermittelt. Zwar rekonstruiert Hegel den ideellen Christus – also den des Dogmas und der spekulativen Geschichtsbetrachtung –, aber er gleicht ihn nicht unter historisch-kritischem Rekurs auf die Quellen mit dem historischen ab. Mit Hegel meint Baur, dass sich der ideelle Christus für den Glauben in seiner Auferstehung in der Menschheit als Ganzer vollendet, die das „allgemeine Individuum“36 ist. Baur
33 Siehe GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 3), 94. 34 Siehe auch U. KÖPF, Ferdinand Christian Baur als Begründer einer konsequent histori-
schen Theologie, ZThK 89 (1992), 440–461, 455–457. 35 BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 711. 36 BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 715, siehe dazu auch GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 5), 70f.
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selbst aber will auch diejenige „historisch gegebene, objective Realität“37 des geschichtlichen Jesus erforschen, die dem Glauben allererst den Anlass zu seiner Entwicklung gab und der damit der wahre Maßstab des Verständnisses des Wesens des Christentums ist. Bei aller sonstigen methodischen Nähe zu Hegel liegt an diesem Punkt ein methodischer Dissens zu Hegel vor, der dem Werk Baurs eine gänzlich andere und gleichsam viel „modernere“ Gestalt gibt als dem Hegels. Auch um die historisch gegebene, objektive Realität Jesu als dem wahren Maßstab des Wesens des Christentums zu erforschen, legt Baur umfangreiche neutestamentliche Studien vor, die an seine Überlegungen zur „Christuspartei“ anknüpfen und sich beinahe auf das gesamte Gebiet neutestamentlicher Wissenschaft erstrecken.38 Denn Baur legt zuerst Untersuchungen zu Paulus und dem Urchristentum vor, ehe er die Evangelien historisch-kritisch untersucht. Er wies auf, dass das Johannesevangelium in stärkerem Maße ein theologisches Konstrukt als die Synoptiker ist und fand im Matthäusevangelium und besonders in der Bergpredigt historisch gesicherte Aussagen über die Lehre und das Leben von Jesus.39 Der Kern von Jesu Lehre besteht darin, dass Jesus die Menschen auf ihr sittliches Bewusstsein hin anspricht und eine vollkommene Gesinnung fordert, in der der Mensch sich innerlich ganz ungeteilt Gottes Willen hingibt. Diese reine sittliche Gesinnung setzt den Menschen in das angemessene Verhältnis zu Gott.40 Damit dieser Kern der Lehre sich als Kern einer neuen Religion durchsetzen konnte und nicht einfach nur eine interessante Lehre unter vielen blieb, musste sie an einen Stifter gebunden sein, der für seine Umgebung von herausragender Bedeutung war. Die damals dafür relevante Bezeichnung war die des Messias. Tatsächlich hat sich Jesus selbst als Messias verstanden, der zugleich die geforderte sittliche Gesinnung im Höchstmaß verkörperte. Jesu Tod stellte sein Messiassein in Frage. Die historisch nur im Glauben der Jünger greifbare Auferstehung aber führte dazu, dass die Jünger Jesus mit Gewissheit als Messias anerkannten. Mit diesen Ergebnissen liegt in inhaltlicher Hinsicht wohl eine massive Umakzentuierung Baurs gegenüber Hegels Ansatz und seiner eigenen, früheren, von Hegel geprägten Bestimmung des Wesens der Religion, des Christentums und der Religionsgeschichte vor, die Baur zudem selbst nicht als solche auswies. Denn ab 1852/53 beschrieb Baur nicht nur den Kern der Lehre Jesu als den einer sittlich reinen Gesinnung, sondern meinte, dass diese Sitt37 BAUR, Gnosis (s. Anm. 18), 712. 38 Siehe dazu im Überblick auch ROHLS, Baur (s. Anm. 6), 45–90. 39 Baur fasst seine Ergebnisse selbst zusammen in F.C. BAUR, Das Christenthum und die
christliche Kirche der ersten drei Jahrhunderte, Tübingen 1853, 21–40, siehe zu einem umfassenden Bild auch HODGSON, Formation (s. Anm. 2), 100–121 und 221–237. 40 BAUR, Christenthum (s. Anm. 39), 31.
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lichkeit (und nicht die Erscheinung der Einheit der göttlichen mit der menschlichen Natur in der Person Jesus Christus) den inneren Kern des Christentums ausmacht und so das „ursprünglichste Element seines Wesens“41 ist. Es bedarf weiterer Forschung, um diese Verschiebung zu erklären. Wohl hat bereits der ganz frühe Baur einmal eine solche Position vertreten;42 vielleicht kehrt der späte dazu zurück. Der Grund dafür mag darin liegen, dass Baur diese Neubestimmung als inhaltliches Ergebnis seines konsequent angewandten historisch-kritischen Umgangs mit den Quellen ansieht.43 Was auch immer im Einzelnen die Gründe sind, vertritt Baur damit ab 1852/53 eine Bestimmung des Wesens des Christentums und der Christologie, die diese in Kategorien der praktischen Vernunft bestimmt und damit eher an Kant als an Hegel gemahnt.
4. Baur: ein historisch informierter Idealist eigener Art Fassen wir abschließend zusammen, was die Ergebnisse dieses Überblicks über wichtige Entwicklungspunkte und Einsichten Baurs in Bezug auf die Frage sind, ob oder inwieweit er Idealist oder Hegelianer war. Klar ist, dass Baur in Aufnahme von Impulsen Schleiermachers, vor allem aber Schellings den Suprarationalismus seiner Tübinger Lehrer ebenso hinter sich ließ wie den aufklärerischen Rationalismus, gegen den sich der Suprarationalismus stellte. Denn gegen den Atomismus der Rationalisten stellte er das Christentum als einheitliche Entwicklungsgeschichte dar, welche die Offenbarungsgeschichte Gottes ist. Gegen die Position der Suprarationalisten ist diese Entwicklungsgeschichte nur verständlich, wenn sie in die allgemeine Religionsgeschichte eingeordnet wird, welche ihr Telos im Christentum hat. Damit vertritt Baur eine idealistische geschichtsphilosophische Position. Einen hegelianisierenden Zug bekommt diese idealistische Position, da er betont, dass die Offenbarungsgeschichte Gottes sich in dialektischer Form vollzieht und sich in neuen Synthesen vollendet, die in der Dogmengeschichte historisch meist im Werke Hegels greifbar sind. Wiederum im Gefolge idealistischer Positionen und zumal im Gefolge Hegels steht Baur, wenn er seine dogmengeschichtlichen Studien an denjenigen Inhalten durchführt, die laut der Idealisten das Wesen der Religion ausmachen: der Einheit Gottes mit dem Menschen, die zur Versöhnung führt und einen dreieinigen Gott als Vorrausetzung hat. In gewisser Hinsicht kann Baur somit als ein Hegelianer gelten, der des41 BAUR, Christenthum (s. Anm. 39), 35. Siehe zu diesem Kritikpunkt vor allem GEIGER,
Spekulation und Kritik (s. Anm. 5), 76–95. 42 Siehe GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 3), 93. 43 Siehe dazu auch die Überlegungen von Martin Bauspieß in diesem Band.
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sen Grundeinsichten auf eigenem Forschungsgebiet – dem der Dogmengeschichte – durcharbeitete. Und doch scheint diese Zuordnung zu eng zu sein, aus mindestens vier Gründen. Erstens hat Baur die Einsicht in den dialektischen Verlauf der Geschichte in eigenständiger Auseinandersetzung mit neutestamentlichen Quellen entdeckt, ehe er Hegels Werk genauer kannte. Hegel bestärkte ihn somit in Einsichten, die er bereits selbst erlangt hatte. Zweitens ist Baur Zeit seines Lebens ein Forscher, der seine Ergebnisse aus minutiöser Arbeit an den Quellen erlangte. Auch wenn er vom Idealismus und zumal von Hegel geprägt war, las er deren Kategorien nicht einfach in das Material hinein, sondern versuchte, es aus diesem herauszulesen. Eisegese und Exegese sind selbst wesentlich miteinander vermittelt; auch in seiner eigenen Forschung sind Philosophie und Geschichte dialektisch aufeinander verwiesen. Drittens scheint die enge Fokussierung auf Hegel als herausragende Quelle Baurs die Gefahr einer Verengung mit sich zu bringen. Denn dasjenige, was er von Hegel übernahm – die Grundeinsicht in einen dialektischen Geschichtsverlauf als Geschichte der Selbstwerdung des Absoluten –, hätte er auch vom späten Schelling lernen können, wenn dessen Schriften zur damaligen Zeit genauso verbreitet gewesen wären wie die Hegels seit Beginn der Publikation von dessen Werken im Herbst 1832.44 Dies gilt umso mehr, als Baur dasjenige, was für Hegel selbst gerade in der Strenge der Durchführung auch gegenüber Schelling charakteristisch ist, gerade nicht anstrebt oder durchführt: dass die Welt- und Religionsgeschichte nicht nur allgemein geprägt ist von einem (oder vielen) dialektischen Dreischritten, sondern dass spezifische Abschnitte und Epochen mit spezifischen Formen der Dialektik zu parallelisieren sind, welche Hegel in seiner „Wissenschaft der Logik“ eigens und minutiös entwickelt.45 Aus diesen genannten Gründen scheint es mir angemessener zu sein, Baur (wie in meiner Überschrift) allgemein als „Idealist“ zu charakterisieren und nicht spezieller als „Hegelianer“. Zudem – viertens – sei erneut betont, dass Baur seine Quellen mit der Methode historischer Kritik bearbeitete und somit ihre eigene Geschichtlichkeit in anderer Weise zu begreifen suchte als bei den großen Idealisten. Auch wenn Baur sich der Differenz in der Arbeitsweise gegenüber der der Idealisten sehr bewusst war, scheint er mir damit von der Sache her jedoch nicht den Idealismus verlassen zu haben, sondern diesen als historisch informierten gerade erst modernitätskompatibel gemacht zu haben. Wenn der Idealismus der Selbstvermittlung der Vernunft oder des Absoluten in die Geschichte 44 M. KRÜGER, Göttliche Freiheit. Die Trinitätslehre in Schellings Spätphilosophie, Tü-
bingen 2008. 45 Siehe dazu M. WENDTE, Gottmenschliche Einheit bei Hegel. Eine logische und theologische Untersuchung, Berlin/New York 2007.
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nachdenkt, dann haben seine Ergebnisse auch unter gegenwärtigen Bedingungen nur dann Aussicht auf Plausibilität, wenn die Geschichtlichkeit in allen Bereichen ernstgenommen wird. Baur betrieb mit seiner Durchführung der historisch-kritischen Methode unter Aufnahme des Grundimpulses des Idealismus somit die Aufhebung des Idealismus in eine andere Zeit – in unsere Gegenwart – hinein. Baur ist ein „historisch informierter Idealist eigener Art.“ Inwieweit er das auch nach 1852/53 noch blieb, als er die Wesensbestimmung der Religion und des Christentums mit Kategorien der praktischen Vernunft vornahm, kann zu Recht diskutiert werden. Zumindest behielt er aber die Idee der sich dialektisch vermittelnden Einheit der Geschichte als Geschichte der Offenbarung des Absoluten bei – vielleicht kann der späte Baur damit als ein „historisch informierter Idealist der ganz eigenen Art“ bezeichnet werden.
Historische und exegetische Perspektiven
Ferdinand Christian Baur and the Theological Task of New Testament Introduction DAVID LINCICUM Since the year 2000, there have been over forty Introductions to the New Testament published in English alone,1 with several further books in other mod1 Although I have not cast eyes on every volume, I am aware of the following books that have appeared since the year 2000: P. Tarazi, The New Testament: An Introduction (4 vols.; Yonkers, NY: St Vladimir’s Seminary Press, 1999–2009); H. Koester, Introduction to the New Testament (2nd ed.; 2 vols.; Berlin: W. de Gruyter, 1995–2000); L. M. McDonald and S. E. Porter, Early Christianity and its Sacred Literature (Peabody: Hendrickson, 2000); P. Achtemeier, J. Green and M. M. Thompson, Introducing the New Testament (Grand Rapids: Eerdmans, 2001); D. Burkett, An Introduction to the New Testament and the Origins of Christianity (Cambridge: Cambridge University Press, 2002); D. C. Duling, The New Testament (4th ed.; Belmont: Wadsworth, 2002); W. Telford, The New Testament (London: Oneworld, 2002); G. Theissen, Fortress Introduction to the New Testament (Minneapolis: Fortress, 2003); T. Lea and D. Black, The New Testament (2nd ed.; Nashville: Broadman & Holman Academic, 2003); D. deSilva, An Introduction to the New Testament (Downers Grove, IL: IVP Academic, 2004); D. E. Smith, ed., Chalice Introduction to the New Testament (St. Louis, MO: Chalice, 2004); C. Holladay, A Critical Introduction to the New Testament (Nashville: Abingdon, 2005); D. Carson, and D. Moo, An Introduction to the New Testament (2nd ed.; Grand Rapids: Zondervan, 2005; French translation, 2007; German translation, 2010; abridged edition with A. Naselli, 2010); C. Cousar, An Introduction to the New Testament (Louisville: Westminster John Knox, 2006); J. F. Kelly, An Introduction to the New Testament for Catholics (Collegeville: Michael Glazier, 2006); C. Blomberg, From Pentecost to Patmos and Jesus and the Gospels (Nashville: Broadman & Holman, 2006, 2009 respectively); W. Loader, The New Testament with Imagination (Grand Rapids: Eerdmans, 2007); T. L. Wilder, J. D. Charles and K. H. Easley, Faithful to the End: An Introduction to Hebrews through Revelation (Nashville: Broadman & Holman, 2007); D. L. Barr, New Testament Story (4th ed.; Belmont: Wadsworth/Cengage Learning, 2008); C. Puskas and D. Crump, An Introduction to the Gospels and Acts (Grand Rapids: Eerdmans, 2008); K. Berding and M. Williams, What the New Testament Authors Really Cared About (Grand Rapids: Kregel Academic, 2008); G. Burge, L. Cohick, and G. Green, The New Testament in Antiquity (Grand Rapids: Zondervan, 2009); M. A. Powell, Introducing the New Testament (Grand Rapids: Baker Academic, 2009); A. Kostenberger, L. S. Kellum and C. Quarles, The Cradle, the Cross, and the Crown: An Introduction to the New Testament (Nashville: Broadman & Holman, 2009); R. Pregeant, Encounter with the New Testament (Fortress, 2009); D. Aune, ed., The Blackwell Companion to the New Testament (Malden, MA: WileyBlackwell, 2010); J. Drane, Introducing the New Testament (3rd ed.; Minneapolis: Fortress, 2010); L. T. Johnson, The Writings of the New Testament (3rd ed.; Minneapolis: Fortress,
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ern European languages.2 Like the commentary, the Einleitung is a staple genre of biblical studies. The reasons for this prominence are not far to seek: ushering students into some preliminary understanding of the foundational scriptural texts of the Christian church is one of our central pedagogical tasks. The proliferation of published options no doubt owes equally to publishers’ interests in the financial benefits of marketing textbooks to legions of undergraduates, and to the fact that (from an author’s perspective) lecture notes can often be converted into book with relative ease. With the sheer number of Introductions currently on offer, one would expect to find a concomitant volume of sophisticated reflection on the nature and purpose of Einleitungswissenschaft. Such reflection is naturally far from absent, but one does notice a certain disproportion between the significance of 2010); idem, The New Testament (A Very Short Introduction; Oxford: Oxford University Press, 2010); S. Harris, The New Testament (7th ed.; Boston: McGraw-Hill, 2011); D. Wenham and S. Walton, et al., Exploring the New Testament (2nd ed.; 2 vols.; Downers Grove: IVP, 2011); C. B. Puskas and C. M. Robbins, An Introduction to the New Testament (2nd ed.; Eugene, OR: Wipf & Stock, 2011); B. Ehrman, The New Testament (5th ed.; New York: Oxford University Press, 2011); idem, A Brief Introduction to the New Testament (3rd ed.; New York: Oxford University Press, 2012); E. Boring, An Introduction to the New Testament (Louisville: Westminster John Knox, 2012); P. Perkins, Reading the New Testament (3rd ed.; New York: Paulist Press, 2012); D. Hagner, The New Testament (Grand Rapids: Baker Academic, 2012); R. Gundry, A Survey of the New Testament (5th ed.; Grand Rapids: Zondervan, 2012); B. Witherington III, Invitation to the New Testament (New York: Oxford University Press, 2012); D. Martin, New Testament History and Literature (New Haven: Yale University Press, 2012); W. Elwell and R. Yarbrough, Encountering the New Testament (3rd ed.; Grand Rapids: Baker Academic, 2013); R. Spivey, D. M. Smith, and C. Black, Anatomy of the New Testament (7th ed.; Minneapolis: Fortress, 2013); W. Carter and A.-J. Levine, The New Testament: Methods and Meanings (Nashville: Abingdon, 2013). 2 In other major European research languages, the volume of publication of these textbooks has been less intense, but still notable are the following (excluding translations from other languages). In German: P. Pokorný and U. Heckel, Einleitung in das Neue Testament (Tübingen: Mohr Siebeck, 2007); Karl-Wilhelm Niebuhr, Grundinformation Neues Testament (3rd ed.; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008); Karl Jaroš, Das Neue Testament und seine Autoren (Köln: Böhlau, 2008); Ingo Broer, Einleitung in das Neue Testament (3rd ed.; Würzburg: Echter, 2010); P. Pilhofer, Das Neue Testament und seine Welt (Tübingen: Mohr Siebeck, 2010); U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament (8th ed.; UTB 1830; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013); M. Ebner and S. Schreiber, eds., Einleitung in das Neue Testament (2nd ed.; Stuttgart: Kohlhammer 2013). In French: Y. Simoens, Entrer dans l’Alliance. Une introduction au Nouveau Testament (Paris: Médiasèvres, 2001); D. Marguerat, C. Combet-Galland, E. Cuvillier and A. Dettwiler, Introduction au Nouveau Testament (4th ed.; Geneva: Labor et Fides 2008); P. Rolland, Et le verbe s’est fair chair: Introduction au Nouveau Testament (Paris: Presses de la Renaissance 2005). In Spanish: Aquiles Ernesto Martínez, Introducción al Nuevo Testamento (Nashville: Abingdon, 2006). I have not been able to locate an Introduction composed in Dutch or Italian and published since 2000, though there have been a handful of translations and reprinted editions without updating.
Ferdinand Christian Baur and New Testament Introduction
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Introduction for the discipline, on the one hand, and the relative lack of critical reflection on its aims, on the other.3 But for perhaps the majority of students we teach, their sole exposure to the Hebrew Bible/Old Testament or the New Testament is in ‘intro’ courses, guided by these textbooks, and so it is well worth asking about the hermeneutical nature of New Testament Introduction as a discipline. Less than half a century ago, the matter seemed relatively settled. Reginald Fuller, in his A Critical Introduction to the New Testament, could confidently taxonimize New Testament study in this way: The modern study of the New Testament is divided into three main disciplines: Introduction, Exegesis, and the Theology of the New Testament. Introduction, in turn, is divided….into general introduction (the history of the text and Canon) and special introduction….Special introduction deals with the history of the individual New Testament books, their sources (if any), the history of those sources before they were used in the particular book, the date the book was written, the place of its writing, the identity of its author and its intended readers, the question of its integrity (i.e. the history of the book between its first writing and its inclusion in the New Testament), the occasion of its writing (what need was it meeting?) and the content of the book.4
All this description of the tasks of Introduction is relatively familiar to those who know the genre. Before Fuller, James Moffatt, in his widely used introductory text, suggested, “An introduction to any literature ancient, mediaeval, or modern, is concerned primarily with literary problems, and with other questions only as these impinge upon the central issue, namely, the literary genesis and growth of the writings under review.…The origin and the objects
3 Notable recent exceptions include H. Koester, “New Testament Introduction: A Critique of a Discipline,” in Christianity, Judaism, and Other Greco-Roman Cults. Studies for Morton Smith at Sixty (Part One: New Testament; SJLA 12; Leiden: Brill, 1975), 1-20; and Brevard Childs, The New Testament as Canon (London: SCM, 1984), inter alia. In addition to the standard histories of New Testament research (Kümmel, Neill/Wright, Riches, Reventlow, Baird), for the history of New Testament Introduction, see H. J. Holtzmann, Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in das Neue Testament (2nd ed.; Freiburg: Mohr Siebeck, 1886), 1–20; J. Moffatt, An Introduction to the Literature of the New Testament (Edinburgh: C. Scribner’s Sons, 1911), 5–8; R. Bultmann, “Neues Testament. Einleitung,” TRu 17 (1914): 41-46; 79-90; 125-30; Philipp Vielhauer, “Einleitung in das Neue Testament,” TRu 31 (1966): 97–155; 193–231; 42 (1977): 175-210; M. Rese, “Zum gegenwärtigen Stand der neutestamentliche Einleitungswissenschaft,” Verkündigung und Forschung 12 (1976): 29–38; W. G. Kümmel, “Einleitungswissenschaft II. Neues Testament,” TRE 9 (1982): 469-482; Jürgen Roloff, “Neutestamentliche Einleitungswissenschaft: Tendenzen und Entwicklungen,” TRu 55 (1990): 385–423; Friedrich Wilhelm Horn, “Einleitung in das Neue Testament. Tendenzen und Entwicklungen,” TRu 68 (2003): 45–79; 129–50. 4 Reginald H. Fuller, A Critical Introduction to the New Testament (London: Duckworth, 1966), 1.
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of these documents in their own age forms its special business”.5 This recalls, of course, the basic tasks of historical criticism – concerns that still matter to most interpreters of the New Testament today. It is striking how similar the concerns of the Introductions to the New Testament published in the last decade are to those published a hundred years ago. The answers and a few of the questions may differ, but on the whole the genre has remained remarkably stable over time, with a predictable span of voices arguing, then as now, over questions about textual archaeology. But the discipline since the twentieth century proceeds on the basis of a consensus only achieved with difficulty over the course of the nineteenth. In mid-nineteenth century German theological circles, we find a robust discussion of the method, aims and inner organization of biblical Introduction.6 What now appears settled and uncontroversial was then a matter of dispute and debate. Animating questions included: what is the scope of New Testament Introduction? Does it have a method proper to it? Can one specify its fundamental ‘concept’ (Begriff)? Should it be a theological or a historical discipline? How might it fit in the broader encyclopedia of theological disciplines? Should it focus strictly on the composition of the writings of the New Testament, or also include their subsequent history in reception? And how should it relate to the canon? Ferdinand Christian Baur never wrote an Introduction to the New Testament, but arguably many of the concerns of his New Testament scholarship over the course of his academic career either concern directly or impinge on
5 J. Moffatt, An Introduction to the Literature of the New Testament (Edinburgh: C. Scribner’s Sons, 1911), 1-2; cf. further W. G. Kümmel’s various works for the history of NT Introduction. 6 See, e.g., F. Lücke, Review of H. A. Schott, Isagoge historico-critica in Göttingische gelehrte Anzeigen 180 (1832): 1787–96; Lücke, Vorrede to Schleiermacher’s Einleitung ins neue Testament (ed. G. Wolde; Friedrich Schleiermachers Sammtliche Werke 1.3; Berlin: G. Reimer, 1845), esp. xi-xiv; H. Hupfeld, Über Begriff und Methode der sogen. biblischen Einleitung (Marburg, 1844); Andreas Gottlob Rudelbach, “Über den Begriff der Theologie und den der neutestamentlichen Isagogik,” Zeitschrift für die gesammte lutherische Theologie und Kirche 9 (1848): 1–58; Anonymous (Franz Delitzsch?), “Über Begriff und Methode der sogenannten biblischen und insbesondere alttestamentlichen Einleitung,” Zeitschrift für Protestantismus und Kirche 28 (1854): 133–90; H. J. Holtzmann, “Über Begriff und Inhalt der biblischen Einleitungswissenschaft,” Theologische Studien und Kritiken 33.2 (1860): 410–16. Hupfeld responded to Baur and Holtzmann in “Noch ein Wort über den Begriff der sog. Bibl. Einleitung,” Theologische Studien und Kritiken 34 (1861): 3–28. On this general discussion, see esp. Kümmel, “Einleitungswissenschaft”; idem, “‘Einleitung in das Neue Testament’ als theologische Aufgabe,” EvTh 19 (1959): 4–16; repr. in idem, Heilsgeschen und Geschichte. Gesammelte Aufsätze, 1933–1964 (Marburger theologische Studien 3; Marburg: N. G. Elwert, 1965), 340–50.
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questions of Einleitung.7 He did, moreover, compose a book-length essay with the expansive title, “New Testament Introduction as theological science: its concept and task, its history of development and its inner organization,” which was published in the Theologische Jahrbücher serially over 1850 and 1851.8 In this essay we find Baur’s fullest thoughts on the tasks and nature of New Testament Introduction as a critical science, and within the midnineteenth century debate he takes a number of distinctive positions that mark him out from his peers. An analysis of this essay provides the most fruitful entry into Baur’s thinking on the subject. Baur’s essay is divided into three unequal parts, as suggested by his title: first, he discusses, “Der Begriff und die Aufgabe der Einleitungswissenschaft” (463–83); then, in the longest part of the essay, he offers an extended critical review of “Der Entwicklungsgang der Einleitungs-Wissenschaft (484–566; 70–94; 222–53; 291–307); and finally concludes with a brief section devoted to “Der innere Organismus der Einleitungswissenschaft” (307–29). 7 Baur’s concrete exegetical and critical conclusions have been often discussed. To mention only some influential discussions in English, see, e.g., H. J. Holtzmann, “Baur’s New Testament Criticism in the Light of the Present,” The New World: A Quarterly Review of Religion, Ethics and Theology 3 no. 10 (June 1894): 201–18; M. Andrews, “Tendenz versus Interpretation: F. C. Baur’s Criticisms of Luke,” JBL 58 (1939): 263–76; eadem, “The SuperHistorical Gospel: F. C. Baur’s Criticism of the Gospel of John,” Anglican Theological Review 26 (1944): 212–24; Peter C. Hodgson, The Formation of Historical Theology: A Study of Ferdinand Christian Baur (Makers of Modern Theology; New York: Harper & Row, 1966), 285-91; Horton Harris, The Tübingen School: A Historical and Theological Investigation of the School of F. C. Baur (2nd ed.; Grand Rapids: Baker, 1990 [orig. OUP, 1975]), 11–54; Robert Morgan, “F. C. Baur’s Lectures on New Testament Theology,” ExpT 88 (1977): 202-206; idem, “Baur’s Paul,” ExpT 90 (1978): 4-10; idem, “Ferdinand Christian Baur,” in vol. 1 of Nineteenth Century Religious Thought in the West (Cambridge: Cambridge University Press, 1985), 261-89; R. H. Fuller, “Baur versus Hilgenfeld: A Forgotten Chapter in the Debate on the Synoptic Problem,” NTS 24 (1978): 355–70; William Baird, History of New Testament Research, Volume 1: From Deism to Tübingen (Minneapolis: Augsburg Fortress, 1992), 258-69; Roy A. Harrisville and Walter Sundberg, The Bible in Modern Culture: Theology and Historical-Critical Method from Spinoza to Käsemann (Grand Rapids: Eerdmans, 1995), 111-30; J. C. Verheyden, “The DeJohannification of Jesus: The Revisionist Contribution of Some Nineteenth-Century German Scholarship,” in John, Jesus, and History, Volume 1: Critical Appraisals of Critical Views (ed. P. N. Anderson, F. Just and T. Thatcher; Atlanta: Society of Biblical Literature, 2007), 109–20; Henning Graf Reventlow, History of Biblical Interpretation, Volume 4: From the Enlightenment to the Twentieth Century (trans. Leo G. Purdue; Atlanta: Society of Biblical Literature, 2010), 276–85. See also the other chapters in this volume. 8 Baur, “Die Einleitung in das Neue Testament als theologische Wissenschaft. Ihr Begriff und ihre Aufgabe, ihr Entwicklungsgang und ihr innerer Organismus,” Theologische Jahrbücher 9.4 (1850): 463-566; 10.1, 2, 3 (1851): 70-94, 222-53, 291-328. I will refer to page numbers from this essay in the footnotes without specifying from which number of the journal they come, since the page numbers are non-overlapping.
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Baur begins by distinguishing three principal definitions of Introduction, and by setting his own proposal over against these. First, he rejects W. M. L. de Wette’s approach to Introduction as too broad, a “wissenschaftliches Aggregat” that touches on all the most important questions of relevance to understanding the Bible in its original context, rather than specifying precisely the task and concept of Introduction as opposed to exegesis, archaeology, and other auxiliary disciplines. Baur also finds H. Hupfeld’s approach to New Testament Introduction as the history of New Testament literature to be too broad. His approach includes “biblical philology, biblical archaeology, biblical theology, and the history of biblical literature,” but according to Baur, this makes Introduction not so much a science as a circle of sciences.9 In both of these instances Baur seeks the proper limiting characteristics of the intellectual field of Introduction, and this requires a specification that is narrow enough to be both analytically precise and heuristically useful – something Baur thinks niehter de Wette nor Hupfeld has achieved. Finally, Baur distinguishes his own approach from that of F. Schleiermacher, whose fault is to remain at the level of external details, without penetrating to the essence of the matter itself by asking about the inner motive of the New Testament writings and not simply their circumstances of origin.10 Throughout his essay, Baur criticises those who feel their task is complete once they have offered a formal catalogue of opinions on the authorship, date and provenance of the New Testament texts, without penetrating to the Tendenz of individual writings and their place in a broader reconstruction of earliest Christian history and literary production. By contrast, Baur advances the view that the task of New Testament Introduction is “criticism of the canon,” not simply a general criticism that has the writings of the canon as its particular object, but rather a criticism that can call the canon itself into question, particularly by asking whether the canon can be historically justified.11 This is the point to which he returns again and again in this essay. Thus, “Kritik des Kanons wird die EinleitungsWissenschaft mit Recht genannt.”12 The emphasis on “criticism” (Kritik) is 9 “Einleitung,” 464. 10 “Einleitung,” 476. 11 “Einleitung,” 467. Similar phraseology was already used by F. Lücke in the Vorrede to
Schleiermacher’s Einleitung, esp. xi-xiv; cf. Lücke, Review of H. A. Schott: “Mir scheint, dass die Disciplin der sogenannten Einleitung nur dann eine wahre theologische Wissenschaft wird, wenn man sie als historische Kritik des Kanons auffast” (1792). He goes on, “Ihre [sc. Wissenschaft] Aufgabe also ist, die Erscheinung des Kanons mit seiner Idee zu vergleichen und so zu bestimmen, ob und inwiefern derselbe im Ganzen, wie im Einzelnen seiner Idee entspricht. Diess aber ist eben Kritik” (1793). Kümmel calls attention to this review in his “Aufgabe,” 344 [9]. 12 “Einleitung,” 474; cf. 483
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important: to conceive of Introduction as criticism is the only way, in Baur’s view, to avoid it devolving into a “rein empirisches Wissen”, rather than a principled science.13 One may recall Baur’s consistent attempt to hold ‘facts’ together in a higher philosophical key throughout his career. In his early work, Baur utters his famous – perhaps infamous – phrase, “Ohne Philosophie bleibt mir die Geschichte ewig todt und stumm.”14 And in the preface to the first edition (1847) of Baur’s Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte, written just a few years before the essay on Einleitung, Baur says: “Only the coarsest empiricism can think that one should simply surrender oneself to the materials, that the objects of historical reflection could be taken just as they lie before us.”15 Baur defines Old and New Testament Introduction as “that theological science which investigates the formation and initial conception and character of the writings belonging to the canon, and one that in so far as possible gives a defined and objectively grounded notion of those matters”. Its task can also be understood as “a critical history of the canon, or criticism of the canon.” Introduction therefore must investigate whether these writings also in themselves are what they are taken to be by dogmatic thought, and so its first task is answering the question “with what right are they passed off as apostolic writings”. Introduction therefore performs a sort of passport control for writings purporting to have apostolic credentials, and this also means that ‘doubt’ (Zweifel) is the operative principle inspiring critical consciousness. “Das Element der Kritik ist der Zweifel.” But this should not be taken to imply a destructive task, for “one must not forget that, as much as one may regret the destructiveness of criticism, yet nothing can be destroyed which is not in itself destructible,” although Baur also rejects the concordance of historical criticism with “the old dogmatic view, developed in the church, of divine revelation and inspiration”. One might not unjustly look back to Luther’s Sachkritik as a predecessor to Baur’s own approach to the canon (a fact that Baur later acknowledges). This also means that Introduction must look beyond external circumstances to the internal motivation and the Grundidee of a writing. In this sense, New Testament Introduction has characteristically, according to Baur, stopped short of fulfilling its task, which would require a grasp of the ideas of the 13 “Einleitung,” 478. Further on Baur’s understanding of theology as Wissenschaft, see Johannes Zachhuber, Theology as Science in Nineteenth-Century German: From F. C. Baur to Ernst Troeltsch (Oxford: Oxford University Press, 2013). 14 Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Alterthums (2 vols.; Stuttgart: J. B. Metzler, 1824-25), 1.XI. 15 Cited in Peter C. Hodgson, ed., Ferdinand Christian Baur on the Writing of Church History (New York: Oxford University Press, 1968), 364 n. 45.
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writings themselves. It is in this sense that “the goal of criticism gives Introduction its general scientific form and material connection to exegesis, as philological art”.16 Exegesis is to be distinguished from Introduction, but Baur’s conception of the latter ties it intrinsically to the former. Baur’s telling of the history of New Testament Introduction is teleologically directed, so that it reads as the history of a quest to arrive at his own achievements. Criticism of the canon cannot happen if the canonical writings are held to be inspired and divine, and so, while the Reformation was a significant step in introducing “the epoch of growing critical consciousness”17 it is really only with Richard Simon, Spinoza, the eighteenth-century textual critics, Michaelis and especially J. S. Semler that Introduction as a discipline begins to realize its critical task. While Michaelis published the first book to bear the title Einleitung in the modern sense, he remained too uncritical,18 and it was Semler’s genius to force the question of canon. Baur, however, views Semler as confused and unprincipled in the application of his critical principles, and as still operating with a dogmatic conception of the canon. It is especially with J. G. Eichhorn that “New Testament criticism takes a new upswing,” and it is Eichhorn’s work that initiates a new epoch in the history of New Testament Introduction.19 Baur offers selective praise for some of his predecessors, but on the whole complains about the “purely formal goal” of too many of them.20 For example, he views Credner as indecisive and marked by inconsistency, though Baur sees this ‘duality of consciousness’ to be the characteristic direction of this entire period of criticism.21 A critic’s stance toward the Fourth Gospel often functions as the litmus test by which Baur judges many of his more recent predecessors (esp. Schleiermacher, but others as well). Baur champions a “presuppositionless” exegesis, but by that he intends not a sort of tabula rasa approach to the text, but rather a critical freedom from
16 For the quotations in this and the preceding two paragraphs, see “Einleitung,” 475, 478, 479, 480, 484, 480, 470, 482, 474 respectively. 17 “Einleitung,” 487 18 As J. P. Gabler had already complained, in his “Wann ist eine vollendere Einleitung in das neue Testament zu erwarten?” JTL 23 (1803): 292–94, reprinted in idem, Kleinere theologische Schriften (ed. T. A. Gabler and J. G. Gabler; Ulm: Verlag der Stettinischen Buchhandlung, 1831), vol. 1, 315–16; cf. Kümmel, “Einleitungswissenschaft”. 19 “Einleitung,” 542; cf. 542–66. 20 E.g., “Einleitung,” 82. 21 “Einleitung,” 253; cf. 238–53. Baur will later contest Credner’s account of the term ‘canon’ by arguing that the fourth century sees the development of the term to designate a list of authoritative books; see Baur, “Bemerkungen über die Bedeutung des Wortes ȀĮȞȫȞ,” ZWT 1.1 (1858): 141–50.
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dogmatic opinion.22 Strauss’s Leben Jesu ushered in a new epoch in New Testament criticism by forcing a critical question to scholarship, though Baur here characterizes, as elsewhere, Strauss’s critique as purely ‘negative’.23 Baur rather points to his own work on the Pauline epistles as inaugurating a new stage in New Testament criticism, beginning with his 1831 essay on the Christ-party at Corinth, and then surveying the rest of his individual results.24 He concludes his survey of the history of New Testament Introduction on a somewhat triumphalist note: So the most recent criticism is, in the end, nothing other than the natural and necessary development of the stages contained in the concept of New Testament criticism, the casting off of constraints which critical consciousness can less and less allow to remain, the more clear it becomes about itself, the broadening of the historical realm which must be encompassed in view to include the entire sphere.25
Baur positions himself, in other words, as the fullest unfolding of the inner potential of his concept of Introduction as criticism of the canon. The final part of Baur’s essay discusses the division and ordering of the contents of New Testament Introduction, suggesting that the widespread deviations in organization betray a more fundamental lack of clarity about the nature of the science.26 The correct division requires the customary separation between a general and a special introduction (pace Credner), and the question about the formation of the canon is the most important of the questions belonging to the general introduction. Here the question is, once more, simply “whether the dogmatic concept of the canon is identical with that resulting from criticism”.27 General Introduction should also include the more formal elements of language, text and translation. Special introduction must ask of each writing by what right it belongs in the canon, whether it is actually by an apostle, and once its “external origin” is ascertained, one must go on to investigate “das Innere der Schrift” – not just who wrote it, but “under what spiritual impulse, from which context of thought, with which tendency and practical goal”.28
22 “Einleitung,” 508. 23 “Einleitung,” 291. 24 “Einleitung,” 294–307. 25 “Einleitung,” 307.
26 Compare the discussion of organization in E. J. Goodspeed, New Chapters in New Testament Study (New York: Macmillan, 1937), 50-74 (‘A New Organization of New Testament Introduction’). 27 “Einleitung,” 314. 28 “Einleitung,” 317.
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Finally, Baur once more sketches his chronological periodisation of early Christian writings, familiar from other places in his œuvre,29 as the concrete results of his work on New Testament Introduction. In a first period, up to 70 CE or so, Baur places the four Pauline Hauptbriefe and the Apocalypse of John. In the second period, from roughly 70-130 CE, Baur sees the original form of the Gospel of Matthew, Luke, Hebrews, 1-2 Thessalonians, Ephesians, Colossians, Philippians and Philemon, followed by 1 Peter and James. At the end of this period, one finds Acts, with Jude and 2 Peter between 130– 140 CE and the Gospel of Mark not before 140. The third period, from 130 CE to the end of the second century, sees the appearance of the Pastoral Epistles and the Johannine literature. Naturally with this chronological spread, only a very few writings in the New Testament can pass muster and earn the designation of apostolic, and so find a rightful place in the Christian canon. Baur’s work thus calls the significance of the New Testament canon into question by the task he envisages critical questions of New Testament Einleitung to play.30 In his Lectures on New Testament Theology, Baur speaks of the “close connection” between the results of New Testament criticism and New Testament theology.31 If non-apostolic authorship is enough to call into question the legitimacy of a writing’s place in the canon,32 then one must soon reckon with at least a radically different content to the canon, if not a fundamentally different concept of the canon itself. Parenthetically, one may note that there is some circularity in Baur’s logic, since one of the means by which one might judge the authorship of a writing to be non-apostolic is precisely the Tendenzkritik that Baur has developed as a way to discern the true conflicts in the apostolic church. By these means he famously reduced the number of authentic Pauline letters to the four Hauptbriefe. But this process is
29 See esp. volume 1 of Baur, The Church History of the First Three Centuries (2 vols.; Theological Translation Fund Library; transl. Allan Menzies; London: Williams and Norgate, 1878). 30 For this and the next paragraph, see D. Lincicum, “Ferdinand Christian Baur and Biblical Theology,” AES 30.1 (2013): 85–98 31 Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (ed. F. F. Baur; Leipzig, Fues, 1864), 20–21, 42; “Einleitung,” 319. Cf. Morgan, “New Testament Theology,” 203; Otto Merk, Biblische Theologie des Neuen Testaments in ihrer Anfangszeit: Ihre methodischen Probleme bei Johann Philipp Gabler und Georg Lorenz Bauer und deren Nachwirkungen (Marburger Theologische Studien 9; Marburg, N. G. Elwert, 1972), 230, 235. More broadly, see Lincicum, “Biblical Theology,” and Morgan, in hoc voluminis. 32 “Einleitung,” 472, 478, etc.; in criticism, see W. G. Kümmel, The New Testament: The History of the Investigation of its Problems (London: SCM, 1973), 131-32, though for a strangely similar judgment, coming from an opposite starting point, note S. E. Porter, “Pauline Authorship and the Pastoral Epistles: Implications for Canon,” BBR 5 (1995): 105124.
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effectively the substitution of one guiding holistic construct (a certain picture of early Christian history) for the normative holistic construct of the canon. It is interesting that in Baur’s Lectures on New Testament Theology he does retain the focus on the twenty-seven writings of the New Testament, though this retention has no clear justification in Baur’s thought and appears to be a concession to normal practice. If one should, as Baur suggests, attempt an Entwicklungsgeschichte der neutestamentlichen Theologie,33 rather than a static homogenizing picture of New Testament doctrine, and if it is possible to judge, paradoxically, some canonical writings to be noncanonical, then it seems to make more sense for Baur’s project to be a Theologiegeschichte des Urchristentums rather than a New Testament theology per se.34 Arguably, this is one of the more important of Baur’s exegetical legacies.35 For Baur and some of his contemporaries, in apparent contrast to many textbooks published recently in English, Einleitung is a Wissenschaft, a principled and critical organization of a field of (in this case) historical knowledge, before it is a genre of writing. In some of his conceptions of New Testament Introduction, Baur was agreeing with a critical majority that would shape the Introduction as we know it today. In other instances, his ideas found a less hospitable reception. Hupfeld already complained in 1861 that Baur had made criticism an end in itself.36 Baur’s criticism of the traditional authorship of the New Testament and the canon as it had been known contributed to his rather cool reception in English-speaking scholarship, especially in the UK and in a lesser degree in North America.37 33 Vorlesungen, 24.
34 Pace Merk, who says that Baur follows G.L. Bauer in that both “halten darüberhinaus aus inneren und äußeren Gründen an der neutestamentlichen Kanonsgrenze in ihren Theologien des Neuen Testaments fest” (Biblische Theologie, 235). 35 See Stefan Alkier, Urchristentum: Zur Geschichte und Theologie einer exegetischen Disziplin (BHT 83; Tübingen: Mohr Siebeck, 1993). 36 Hupfeld, “Noch ein Wort”. 37 For reflections on the reception of Baur in British scholarship, see Robert Morgan, “Non Angli sed Angeli: Some Anglican Reactions to German Gospel Criticism,” in New Studies in Theology, vol. 1 (edited by S. Sykes and D. Holmes; London: Duckworth, 1980), 1-30; Matthew W. Mitchell, “Scholars of Repute,” in Voyages in Uncharted Waters: Essays on the Theory and Practice of Biblical Interpretation in Honor of David Jobling (eds. Wesley J. Bergen and Armin Siedlecki; Sheffield: Sheffield Phoenix, 2006), 63-78; and James Carleton Paget in hoc voluminis. The story of Baur’s reception in America is yet to be written, though there are several interesting lines explored in Elizabeth A. Clark, Founding the Fathers: Early Church History and Protestant Professors in Nineteenth-Century America (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2011). Note that within Baur’s own lifetime, two partial translations of his works appeared in American periodicals: L. Swain, trans., “The Grotian Theory of the Atonement,” Bibliotheca Sacra 9 (1852): 259–72 (an extract from Baur’s Die Christliche Lehre von der Versöhnung) and A. H. Guernsey, trans., “The Gospel
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But there may be a lasting ambiguity in Baur’s legacy. He suggests that Introduction, in order to be critical, must proceed by doubt to investigate critically the canon and its traditional basis. This means that Introduction remains for Baur a canon-centered discipline, even if he wants to dissent from many of the traditional authorial claims embodied in that canon. But although Baur is certainly aware that other literature from beyond the New Testament was composed in the same period as the New Testament writings – indeed the number of such contemporaneous writings is greater for Baur than for most, given the long period of time he allots to the writing of the New Testament – he nowhere eschews entirely the significance of canon for describing Christian origins. There may be a sort of de facto marginalization of the canon in his approach, but it is more by exclusion of what is traditionally in the canon than by inclusion of what is beyond it. Helmut Koester suggested that Baur “recognized that the real task was to reconstruct, on the basis of a critical evaluation of the sources, the primary issues of the historical process”.38 Koester went on to suggest that, “The tragedy of the subsequent development of the Tübingen School which derived from Baur’s work and of scholarship thereafter is that the comprehensive task which Baur had formulated became divided into several separate enterprises which all rested on Baur’s results rather than taking his methodological insights as a challenge.”39 Koester is certainly correct to recognize the priority that Baur places on history over text, and equally correct to see the necessary corrective Baur brought about in viewing the writings of the New Testament as documents of their time with distinct theological tendencies and discrete social locations. But because of Baur’s historicizing idealism, history itself bore the weight of theological truth for him. Because Baur’s idealist vision no longer holds sway at the beginning of the twenty-first century, we find ourselves in the curious position of having inherited his historicism without the broader philosophical framework that supplied lasting meaning to the historical details he uncovered. Baur might well complain that much of today’s Einleitungswissenschaft remains at the level of course empiricism, rather than being able to supply those details with a framework of meaning by virtue of of John as Indicating the State of the Christian Sentiment of Its Times,” Biblical Repository and Classical Review – American Biblical Repository, October (1849): 636–50 (an extract from Baur’s Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien). See also Edward Everett Hale, “Dr. Ferdinand Christian Baur,” The Christian Examiner 64 (January 1858), 139, for an early appreciative, though not uncritical, assessment of Baur by an American Unitarian minister. 38 H. Koester, “New Testament Introduction: A Critique of a Discipline,” in Christianity, Judaism, and Other Greco-Roman Cults. Studies for Morton Smith at Sixty (Part One: New Testament; SJLA 12; Leiden: Brill, 1975), 1–20, here 2. 39 “New Testament Introduction,” 3.
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philosophy. Absent any appeal to divine intention in the canon or its constituent writings, Baur’s view today seems to fall into the meaninglessness he deplored. Historical criticism, of course, has as its concern the origins of a text – as do arguably all three ‘branches’ of New Testament study signaled by Fuller (the taxonomy is open to dispute, but it does not matter for my purposes).40 The recent upsurge of interest in reception history can be viewed in historicist perspective as merely an attempt to supply interesting footnotes to how such texts were (mostly mis-)understood in different contexts and interpretative traditions. From a more properly hermeneutical perspective, however, the interpreter is never free of a horizon of understanding from which she interprets the ancient text. We stand on the far side of the history of interpretation and so our approach to the origins of a text is always a re-approach through tradition, broadly conceived, to the point of origin. Therefore, the contemporary interest in Wirkungsgeschichte is not – or need not be – merely antiquarian, but has to do with the very nature of our understanding itself as historically-bound. To recognize the importance of a text’s later effects for its understanding is to pose the question of whether reception history might find a proper place not as a distinct category to add to Introduction, exegesis and theology, but should rather as something that suffuse them all – as a pervasive element within each of those categories. In this sense, Baur may have been too quick to dismiss Hupfeld’s emphasis on biblische Literaturgeschichte, which intentionally included elements of the subsequent interpretation of the New Testament texts in his concept of Introduction. Arguably we would benefit from more variety in both the conception and execution of New Testament Introduction today. If there is an unquestioned validity and important place to be assigned to historical criticism in Einleitung, one must also recognize the validity of approaching texts through their effective history. Were one to compare pre-modern Introductions, as perhaps Hadrianus’s ǼǿȈǹīȍīǾ ǼǿȈ ȉǹȈ ĬǼǿǹȈ īȇǹĭǹȈ or Junillius’s Instituta regularia divinae legis might be characterized, a question is raised as to whether such introductory remarks have the same object in view as historical critical Introductions. One could adapt David Kelsey’s famous thesis (in his Proving Doctrine)41 and suggest that there is a significant shift in the move from introducing, say, John as divinely authorized witness to Jesus to introducing John as the composite literary product of an internally conflicted community also undergoing tensions with its non-Christian Jewish neighbors. 40 This and the following three paragraphs depend on my “Reception History and New
Testament Introduction,” The Bible and Interpretation (February 2013) 41 David H. Kelsey, Proving Doctrine: The Uses of Scripture in Modern Theology (Harrisburg, PA: Trinity Press International, 1999 [orig. 1975]).
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That is, one is always introducing a text as something, in a way that entails a construal about its subject matter. In this sense, there is often a major disconnect between the way in which most Introductions to the New Testament construe the text and the expectations of those who first naively turn to seek an Einleitung to the New Testament in the first place.42 This is not to suggest that Introduction to the New Testament needs to be confessional; rather it is to make the point that our students – whether they are of the Christian faith or belong to another religious tradition, whether agnostic or atheist – are interested in the New Testament precisely because of its churchly reception as Scripture and the subsequent political, aesthetic, theological and societal implications that reception has yielded. Or, as Brevard Childs memorably argued with reference to Old Testament Introduction, “the issue is not whether or not an Old Testament Introduction should be historical, but the nature of the historical categories being applied.”43 Would including elements of reception in New Testament Introduction produce an “ideal of a Juvenalian farrago” (as Moffatt suggested of some attempts to broaden the concept of Introduction)? Would it be to return to the pre-Hupfeld days in which Einleitung became an unwieldy omnibus of biblical knowledge? There are certainly dangers to be carefully avoided in moving reception history from periphery to center in New Testament scholarship. The experiment would arguably be worth the risks involved, however, and a provocative foray into this territory may well supply an injection of exciting intellectual stimulation into a genre that is often vies with the commentary for the award of least creative. Baur’s clarion call for a New Testament Einleitungswissenschaft conceived as criticism of the canon is bold and salutary. But Baur’s idea that New Testament writings could somehow cease to be canonical on the basis of judgments about the author and location of the original text betrays an assumption that appears from today’s vantage point to be historically foundationalist. If Baur’s programme is in certain respects untenable today, this is not to discount or downplay his significance in the history of the discipline of New Testament Introduction. It was arguably Baur more than any other figure who made apparent the way in which a judgment about the circumstances of a text’s origins should affect the interpretation of that text and any historical reconstruction of which that text is part. Baur’s punchy originality is sorely lacking from so many of the Introductions published today, and a return to 42 Here one might compare the instructive reflections of Dale B. Martin, Pedagogy of the
Bible: An Analysis and Proposal (Louisville: Westminster John Knox, 2008). 43 Brevard Childs, Introduction to the Old Testament as Scripture (Philadelphia: Fortress 1979), 41.
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serious engagement with his thinking about the discipline could spark new life to a discipline whose proliferating publications may mask an intellectual stagnation. This is not to say that Baur’s thinking could somehow be repeated or translated without remainder into today’s discussions, but he posed basic questions about the hermeneutical and theological tasks of New Testament Introduction that remain with us in the present.
Baur and the Creation of the Judaism-Hellenism Dichotomy ANDERS GERDMAR During the two first centuries of scholarly New Testament exegesis, the Judaism-Hellenism dichotomy has served as a basic pattern for historiography. But only one single verse in the whole New Testament, Acts 6:1, mentions the socalled Hebrews and Hellenists in one breath, and this only in post-1800 translations. Nowhere else in the New Testament is there any mention of these categories. Still the understanding of this verse has been instrumental in constructing a fundamental division in earliest Christianity. This dichotomy is in turn connected with the dichotomies Palestinian versus Hellenistic Judaism, Palestinian versus Diaspora Judaism, Jewish versus Gentile or Hellenistic Christianity, Peter versus Paul,1 and by and by two opposed theologies, the Jewish Christian versus the Hellenistic church theologies.2 Behind this lies the tale of the way from a divided Jerusalem church to a Hellenistic church in Antioch. According to this picture, the party of the Hebrews, which later became dominant in the church of Jerusalem, is the traditionally Jewish or rather Jewish Christian party. Pioneered by Antioch, the churches of the Hellenists began by a separation from the ‘Hebrew’ Jerusalem church, but eventually became the triumphant form of Christianity. The latter is described as a “law-free” development of apostolic Christianity, considered the true heir of Jesus’ own teaching. Often a fundamental split in the Jerusalem church is postulated, or even that there were two separate churches in Jerusalem which for primarily linguistic reasons held separate services.3
1 See Michael Goulder, St. Paul versus St. Peter: A Tale of Two Missions (Louisville, Kentucky: Westminster John Knox, 1995), who sharply opposes the Paulinists and the Jewish Christians, without, however, using the term Hellenistic. 2 See e.g., W. Heitmüller, “Zum Problem Paulus und Jesus,” ZNW 13 (1912): 320–37; R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments (5., durch einen Nachtrag erweiterte Auflage; Tübingen: Mohr [Siebeck], 1965). 3 Gerd Luedemann, Opposition to Paul in Jewish Christianity (trans. M. Eugene Boring; Minneapolis: Fortress, 1989), 40–2.
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The catastrophe after the martyrdom of Stephen did have an effect on the Jewish Christian church, but hit the “Hellenist sister church” harder,4 since the Hebrews were able to better adjust to the spiritual climate of Palestine.5 The Hellenists were, however, routed out of Jerusalem and subsequently began the first mission to Samaria, the coastal cities and Antioch. Their message was one that fit their task of reaching Gentiles, the gospel without the demand for circumcision.6 Due to their more liberal standpoint in relation to the Law and the temple – I am still telling the tale – these Hellenists had come into deep conflict with the temple cult and their leader Stephen was stoned for this crime. It was, then, with the Hellenists, that the message of the new eschatological Jewish sect received a universal form (the Hebrews are readily described with the opposed term, particularistic). Hence the Hellenists became the real bridge between Jesus and Paul, the latter considered the main proponent of “law-free” Christianity.7 In this logic, that the Hellenists should have formulated Christian doctrine in Greek and that they had a more liberal attitude to the law played an important role.8 Some scholars also suggest that the Hellenists from the Diaspora had a spiritulising tendency of the kind found in, e.g., Philo.9 The development of a Hellenistic church theology finally leads to
4 Martin Hengel, Between Jesus and Paul: Studies in the Earliest History of Christianity (London: SCM Press, 1983), 25. In fact, the evidence of separate churches in Jerusalem is too spurious. 5 Hengel, Between Jesus and Paul, 55–6. 6 Gerd Theissen, A Theory of Primitive Christian Religion (trans. John Bowden; London: SCM Press, 1999), 253–4, 166. See also idem, “Hellenisten und Hebräer (Apg 6,1–6). Gab es eine Spaltung der Urgemeinde?” in Geschichte-Tradition-Reflexion: FS Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Band III: Frühes Christentum (ed. H. Lichtenberger; Tübingen: Mohr [Siebeck], 1996), 323–43. 7 Hengel, Between Jesus and Paul, 26–9. 8 See also Martin Hengel (in cooperation with Christoph Markschies), “Zum Problem der ‘Hellenisierung’ Judäas im 1. Jahrhundert nach Christus,” in Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I unter Mitarbeitung von Roland Deines, Jörg Frey, Christoph Markschies, Anna Maria Schwemer mit einen anhang von Hanswulf Bloedhorn (ed. Martin Hengel and Otfried Hofius; WUNT 90; Tübingen: Mohr [Siebeck], 1996), 71–2. To Hengel, the “hellenists” are an avant garde, with a more free view of the law: “the special concerns of the Diaspora Jews, ethical monotheism and the idea of a universalist mission …”, Hengel, Between Jesus and Paul , 57. 9 Heikki Räisänen, “Die ‘Hellenisten’ der Urgemeinde,” in Aufstieg und Niedergang der römischen Welt 2.26.2 (Berlin: de Gruyter, 1995), 1503; idem, “The Hellenists: A Bridge between Jesus and Paul,” in The Torah and Christ: Essays in German and English on the Problem of the Law in Early Christianity (ed. Ann-Marie Enroth; Publications of the Finnish Exegetical Society 45; Helsinki: Finnish Exegetical Society, 1986), 286–8.
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Paul.10 So far the narrative of the Hebrews and Hellenists as reconstructed by the exegetical research tradition.11 In my methodological investigation of the dichotomy, Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy,12 I studied the heuristic mechanisms of the dichotomy in New Testament exegesis. I then observed that there is a broad consensus regarding the verse speaking of “Hellenists” as a specific group and that its history can be reconstructed from Acts 6–8:1, 11:19f.13 However, considering how spurious the actual evidence for the Hebrews and Hellenists in Acts is, such a consensus is surprising. During the last decades, however, in monographic studies a “competent minority” has raised strong arguments against this consensus, notably Hill’s Hellenists and Hebrews. Even earlier Edvin Larsson argued against the traditional position.14 In spite of their substantial criticisms of central points in this construct, prominent exegetes and a broad consensus basically retain their position. Not only is such a fundamental disagreement of what happened in the cradle of Christianity dissatisfying, it also awakes suspicion as to the methodological foundation for the construct.
Baur and the creation of the Judaism-Hellenism dichotomy I will argue that the making of the Hebrews and Hellenists narrative, while difficult to explain from the evidence in Acts, is conceivable only as a product of the 19th century historiographical model grounded in a Judaism-Hellenism dichotomy. The roots of the dichotomy are found in 19th century scholarship, 10 Räisänen, “Die ‘Hellenisten’ der Urgemeinde,” 1476. 11 Above I have only listed a few scholars who fully or mainly agree on this historiog-
raphy. Interestingly, scholars who seldom agree on other issues may consent to this picture. 12 Anders Gerdmar, Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy: A Historiographical Case Study of Second Peter and Jude (ed. Birger Olsson and Kari Syreeni; ConBNT 36; Stockholm: Almqvist & Wiksell International, 2001). 13 As Räisänen, “The Hellenists: A Bridge between Jesus and Paul,” 242, notes. 14 Craig C. Hill, Hellenists and Hebrews: Reappraising Division within the Earliest Church (Minneapolis: Fortress, 1992); see also Wolfgang Reinbold, “Die ‘Hellenisten’: Kritische Anmerkungen zu einem Fachbegriff der neutestamentlichen Wissenschaft,” BZ 42, no. 1 (1998), see e.g., 241–52; Edvin Larsson, “Hellenisterna och urförsamlingen,” in Judendom och kristendom under de första århundradena (ed. S. Hidal et al.; Oslo: Universitetsforlaget, 1986), 145–64; idem, Apostlagärningarna 1–12 (Kommentar till Nya Testamentet 5A; Stockholm: EFS-Förlaget, 1983), idem, “Paulus och den hellenistiska församlingsteologin: Ett blad i den vetenskapliga dogmbildningens historia,” SEÅ 28–29 (1963–64), 81–110; idem, “Die Hellenisten und die Urgemeinde,” NTS 33 (1987), 205–25; idem, “TempleCriticism and the Jewish Heritage: Some reflecions on Acts 6–7,” NTS 39 (1993), 379–95. See also I. Howard Marshall, “Palestinian and Hellenistic Christianity: Some Critical Comments,” NTS 19 (1973), 271–87.
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especially that of the great theological polyhistor Ferdinand Christian Baur.15 However, it seems that this was not a one man thing, but is part of a historiographical complex which was in vogue during the beginning of the 19th century. Different dichotomistic constellations of, e.g., Hebrew or Jewish vs. Hellene can be traced down at least to that time.16 In 1813 W. M. L. de Wette had divided early Christianity into Jewish Christian, Alexandrian or Hellenistic Christian and Pauline Christian.17 Another decisive step was taken when Droysen in his Geschichte des Hellenismus, 1836, promoted the term Hellenism to Epochenbegriff.18 This was done out of a Hegelian view. On similar grounds, in the 1830s, Baur began to develop a dialectical historiography of Christianity from the Jerusalem church to early Catholicism. In this, PetrineJewish Christianity and Pauline-Gentile Christianity became the antitheses, and for Baur and his followers, the ideological content of Hellenism was “die Verschmelzung des Judenthums mit griechischer Sitte und Bildung”.19 Similar ideas pervade Baur’s work on Church History.20 With the Religionsgeschichtliche Schule, Hellenism assumed a new meaning of Hellenistic syncretism. The results of e.g., Bousset and Reitzenstein were that early Christianity was created in a milieu of Hellenistic-Oriental 15 For Baur, his role in New Testament exegesis, especially regarding the view of Jews and Judaism, see Anders Gerdmar, Roots of Theological Antisemitism: German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann (ed. Hava TiroshSamuelson and Giuseppe Veltri; Studies in Jewish History and Culture 20; Leiden: Brill 2009), 97–120. 16 James Pasto, “Who Owns the Jewish Past? Judaism, Judaisms, and the Writing of Jewish History” (PhD diss., The Cornell University Graduate School, 1999), 544–5, shows how early historiography of Judaism assumed a rupture between ‘Hebraism’ and post-exilic ‘Judaism’, the latter representing a degeneration, 93–102, especially 95. The two terms ioudaismos and hellenismos appear in 2 Macc 2:1; 4:13 but not as a dichotomy. 17 W. M. L. de Wette, Biblische Dogmatik Alten und Neuen Testaments oder kritische Darstellung der Religionslehre des Hebraismus, des Judenthums und Urchristentums, Kritik der Israelitischen Geschichte. Erster Theil. Kritik der Mosaischen Geschichte (Berlin: Realschulbuchhandlung, 1813), 223. 18 See also Reinhold Bichler, ‘Hellenismus’: Geschichte und Problematik eines Epochenbegriffs (Impulse der Forschung 41; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983), for a broad presentation of the concept ‘Hellenismus’ and its history. Bichler’s study ends in a warning about coupling an epoch with a spirit (Wesen). Fora modern critique, see Jørgen Podemann Sørensen, “Det religionshistoriske element i Grønbechs ‘Hellenismen,’” in Aspekter af hellenismen (ed. Troels Engberg-Pedersen et al.; Aarhus: Aarhus Universitetsförlag 1990), 18–23, who rightly notes that in all its fascinating scope, Grønbech’s ambition is never to describe Hellenism as a historical entity. 19 F.C. Baur, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte (ed. Klaus Scholder; Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, vol. 3; Stuttgart: Friedrich Frommann, 1966 (1860)), 18. 20 F. C. Baur, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, 1–8; 42–6.
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syncretism with elements from Gnosticism, the mysteries, and Hermetic piety.21 In a famous article, Heitmüller formulated an etiology of Paul’s theology: this emanated from the Hellenistic Christianity which had been developed in an Antioch which was detached from the Jerusalem church.22 In the wake of this, Bultmann continued and developed the duality between Urchristentum and Hellenistic Christianity with his influential Theologie des Neuen Testaments. Here, the theologies of the Urgemeinde and of the hellenistische Gemeinde are strongly contrasted;23 the whole plan of the book following the dichotomy and the interpretation of Hellenism is the syncretistic one of the Religionsgeschichtliche Schule. Moreover, also in Die Geschichte der synoptischen Tradition, the heuristic principle of dividing Jewish and Hellenistic is fundamental to Bultmann’s analysis. An extreme which uses the dichotomy in a racist way is that of Walter Grundmann, 1940, when he argues that Jesus was not Jewish but Hellenistic, since his parents did not have Jewish blood in their veins. Galilee is constructed as a Hellenistic area where Jesus grew up.24 Here the dichotomy is one between two complementary concepts; something is either Jewish or Hellenistic. Hellenistic becomes a category used to “rescue” Jesus from being Jewish.25 This example also demonstrates how the two parts of the dichotomy have come to exclude each other. In 1966, Hengel set out to challenge the separation between Judaism, with its roots in the Old Testament, and Hellenism which is traced back to classical Greece. Hengel complained that such dichotomies too lightly pass over the fact that by the time of Jesus, Palestine had already been under ‘Hellenistic’ rule and cultural influence for 360 years.26 Hengel’s impressive study intends 21 A. F. Verheule, Wilhelm Bousset, Leben und Werk: Ein theologiegeschichtlicher Versuch (Amsterdam: Uitgeverij Ton Bolland, 1973), 182; Werner Georg Kümmel, Das Neue Testament: Geschichte der Erforschung seiner Probleme (Freiburg: Karl Alber, 1970), 340; Hans Dieter Betz, Hellenismus und Urchristentum: Gesammelte Aufsätze (Tübingen: Mohr [Siebeck], 1990), 2–3. 22 Heitmüller, “Zum Problem Paulus und Jesus.” 23 Rudolf Bultmann, Theologie des Neuen Testaments (Tübingen: Mohr [Siebeck], 1948– 1953). Larsson was an early critic of the thought of a Hellenistic church theology: Larsson, “Paulus och den hellenistiska församlingsteologin”; idem, “Die Hellenisten und die Urgemeinde”. 24 For this and the construction of Galilee in modern interpretation, see Halvor Moxnes, “The Construction of Galilee as a Place for the Historical Jesus,” BTB 31, no. 1 (2001): 26– 37; 31, no. 2 (2001): 64–77. 25 Walter Grundmann, Jesus der Galiläer und das Judentum (Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben; Leipzig: Georg Wigand, 1940); see also Gerdmar, Roots of Theological Anti-Semitism, 562–3. 26 Martin Hengel, Judentum und Hellenismus: Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh.s v. Chr. (2nd ed.; WUNT 10;
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to show how Palestine by this time was pervaded by “der alles durchdringenden und prägenden, agressiven und rezeptiven Kraft der griechischen Geistes.”27 In contrast to the adherents to a dichotomy between JewishPalestinian Christianity and Hellenistic-Diaspora Christianity, Hengel stated the verdict that has become classical: “Das gesamte Judentum ab etwa der Mitte des 3. Jh.s v. Chr. müßte im strengen Sinne als ‘hellenistisches Judentum’ bezeichnet werden.”28 With this step, Hengel had also extended the Hellenistic ‘umbrella’ over Palestine: the wall between Palestine and the Diaspora was removed. Palestinian Judaism was Hellenistic too. In his treatment of the Hellenization of Judaea in the 1st century C.E., Hengel maintains his view and develops his thoughts of a religious koine that existed at the time of the New Testament. This made it possible for the message of the early church to be understood and received in the time of the early mission.29 In spite of his view that the term is ambiguous, Hengel maintains the use of ‘Hellenistic’, however not as a religionsgeschichtliche classification, as the syncretism of the Religionsgeschichtliche Schule, but for the synthesis between Old Testament-Jewish and Greek thinking.30 It was thus exactly the “Greek-speaking Hellenists in Jerusalem” – not the Aramaic speakers – who quickly accepted the new Gospel and became instrumental as carriers of the message of Jesus beyond the boundaries of Israel.31 Hengel thus maintains a dichotomy between the little group of Aramaic-speaking Jewish Christians and the Hellenists. Only these, and eminently Paul, would be the ones to really make Christianity a world religion.32 Without these, Christianity would have remained a Messianic sect at the margins of Judaism. In spite of some criticisms,33 Hengel’s work has since maintained its dominating role. Tübingen: Mohr [Siebeck], 1973). In 1934, Odeberg critically discussed the dichotomy, Hugo Odeberg, “Några synpunkter på den judiska litteraturens betydelse för den nytestamentliga exegetiken,” STK 10, no. 2 (1934): 107–19. 27 Hengel, Judentum und Hellenismus, 107. To Hengel, this included literature, philosophy, and religion. 28 Hengel, Judentum und Hellenismus, 193. 29 Hengel, “Zum Problem der ‘Hellenisierung’ Judäas,” 72–3. 30 Hengel, “Zum Problem der ‘Hellenisierung’ Judäas,” 80. 31 Hengel, “Zum Problem der ‘Hellenisierung’ Judäas,” 71. 32 Martin Hengel and Anna Maria Schwemer, Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum (WUNT 72; Tübingen: Mohr [Siebeck], 1998), 461. 33 See e.g., criticisms to Hengel’s views of Hellenisation: Arnaldo Momigliano, “Review of Hengel, Judentum und Hellenismus 1969,” JTS 21 (1970): 149–53; Fergus Millar, “The Background to the Maccabean Revolution: Reflections on Martin Hengel’s Judaism and Hellenism,” JJS 29 (1978): 1–21; Lester L. Grabbe, Judaism from Cyrus to Hadrian (London: SCM Press, 1992), 150–3; Louis H. Feldman, “Hengel's Judaism and Hellenism in Retrospect,” JBL 96 (1977): 371–82; idem, “How much Hellenism in Jewish Palestine?” HUCA
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This brief sketch indicates that the dichotomistic view of Judaism and Hellenism has assumed an almost axiomatic role in New Testament exegesis. The dichotomy is often used in commentaries and in New Testament introductions as well as in courses for new students, thus retaining its power. As this study will show, not least F. C. Baur’s early work on this vital piece of historiography is the reason for this development.
Revisiting the textual base Before turning to Baur we will return to the textual base in Acts, in an attempt to read them without the Tübingen spectacles. Linguistic aspects: what does hellƝnistai mean? The oldest translations render hellƝnistƝs Greek (e.g., the Vulgate: “Graecarum”, the Bohairic and Sahidic translations: Greek).34 Only in newer translations does the translation “hellenists” seem to appear, which may be due to a shift in the understanding of hellƝnistƝs.35 The Swedish translation of 1917 has “the Greek Jews” (“the grekiska judarna”). These translations thus seem to reflect the two dominant views of the word. The translations Greek or Hebrew or “Greek-speaking” concentrates on the language and does not presuppose a certain formation with more characteristics than the language. Such a category could basically be constituted by their need to communicate in a certain language. With “Hellenists”, however, a certain group lies closer, with perhaps cultural or ideological characteristics. The shift in translations surmises a shift in outlook: Hellenists have become a distinct group. Now the question of the role of Greek in Palestine is not easy and this very text may indicate that knowing only Greek may have been a handicap.36 But it 57 (1986): 83–111. See also an overview in Lee I. Levine, Judaism and Hellenism in Antiquity: Conflict or Confluence? (The Samuel and Althea Stroum Lectures in Jewish Studies; Seattle: University of Washington Press, 1998), 13–14, for scholarly reactions to Hengel’s theses. 34 So do also e.g., Luther’s translation: “den griechischen Juden”; the KJV: “Grecians against the Hebrews …”, and old Swedish translations (Gustav Wasa’s and Karl XII’s). The old versions naturally had no vocable for this rare word, but made neither attempts at circumlocutions or transcriptions to render a certain group. The Syriac, however, translates “Jews who understood Greek”. 35 Nova Vulgata: “Hellenistarum”, the Jerusalem Bible: “hellenists”, RSV: “hellenists”. 36 The dominant view since J. N. Sevenster, Do You Know Greek? How Much Greek Could the First Jewish Christians have Known? (NovTSup 19; Leiden: Brill, 1968) and Martin Hengel, Judentum und Hellenismus, is that Greek had thoroughly permeated Palestine by the 1st century C.E. There are, however, reasons not to exaggerate its influence, see Gerdmar, Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy, 266–9, 276–7 where I suggest that a reasona-
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is well evidenced that Jerusalem had a mixed population with large groups of Greek speakers, not least due to Diaspora Jews moving to Jerusalem. Those from the western Diaspora had their lack of knowledge of the indigenous Aramaic and their ability to use Greek as a common denominator. This lingua franca may have functioned analogously to when people from different countries with a common lingua franca communicate in English. By the same token, the Jews from the Diaspora did come from different cultures: Mediterranean, Black Sea, African, Median, etc. The Jews of Jerusalem were thus hardly a homogenous group, but were mainly united by their common Jewish identity. What does then hellƝnistƝs mean? The word is found only in Acts and three times here, in 6:1, 9:29 and 11:20. The cognate hellƝnisti (dative singular) is in John 19:20 for the Greek language. In Acts 9:29, the newly converted Paul is disputing with some hellenistai (nominative plural) in Jerusalem. These are obviously Greek-speaking Jews who are not Christian, viz., it is another group than in 6:1, perhaps from the synagogue mentioned in 6:9, to which Paul may have belonged.37 These did not appreciate Paul and his teaching, but began to fiercely and physically attack him. Now, nothing more than the language seems to connect the people in 6:1 with those in 9:29. What the hellƝnistai here seems to have in common with those in 6:1 is the language.38 The context of 11:20 is Peter’s account of what according to the author was the first breakthrough of the gospel into the non-Jewish world: the nonJewish Cornelius and his friends have experienced an outpouring of the Spirit of the same kind as that on the day of Pentecost (11:17). Even the brethren “of the circumcision” (11:2) conclude while praising God: “Then to the Gentiles also God has granted repentance unto life.” (11:18). Now the author adds a similar event, the preaching to non-Jews in Antioch. The people driven out of Jerusalem after the martyrdom of Stephen spread to Cyprus, Phoenicia and Antioch, only preaching to Jews, i.e., parallel to the mission before Peter and Cornelius. Some men from Cyprus and Cyrenaica, Greek-speaking areas, now began speaking to non-Jews, in the spirit of Peter. Their target group is called hellƝnistai (11:20). Hengel suggests that the hellƝnistƝs to the author of Acts was confined to Jerusalem and reads hellƝnes.39 Firstly, however, the cognates hellƝnizǀ and hellƝnisti were, howble description of the linguistic situation in Palestine at this time is that it was a “patchwork culture”, and that there scarcely is evidence of all inhabitants knowing Greek. 37 Cf. Rainer Riesner, Paul’s Early Period: Chronology, Mission Strategy, Theology (trans. Doug Stott; Grand Rapids, Michigan: Eerdmans, 1998), 153–4. 38 So also Hengel, “Zwischen Jesus und Paulus: Die ‘Hellenisten’, die ‘Sieben’ und Stephanus (Apg 6,1–15; 7, 54–8,3),” ZTK 72, no.2 (1975), 161. 39 Hengel, “Zwischen Jesus und Paulus,” 164–5.
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ever, part of Greek language for “speaking Greek”, “speaking Greek correctly”, “Greek” since Plato, Xenophon, Aeschines and Aristotle.40 Therefore there is no need to confine the word to a special group of Greek-speaking Jews; as Aeschines shows, a person hellƝnizǀn may as well be Scythian. The word stands in opposition to ioudaioi, thus scarcely meaning Jews, but probably Greek-speaking inhabitants in the Aramaic and Greek-speaking Antioch.41 Secondly, from a text critical point of view, the most likely reading in 11:20 is hellƝnistƝs.42 The choice of word may indicate that not only ethnic Greeks were intended but the wider category Greek speakers, a category which included Romans and others.43 That precisely Cypriots and Cyreneans approached these is not surprising due to the language; as will be argued there were probably Aramaic speakers among the Christians who came from Jerusalem to Antioch. There is, however, no indication that these Jews would have fewer scruples than Aramaic speakers about approaching Gentiles. In sum, hellƝnistai is here most likely to mean “Greek speakers,” regardless of ethnic background. Thus, what the people called hellƝnistai in 11:20 have in common with those of 9:29 is the language. Finally, 6:1 can be studied in this light. The context speaks of the relationship among the mathƝtai, viz., believers,44 probably Greek-speaking Jewish 40 Plato, Men. 82b, Prot. 328a; Aesch. 3.172 SkythƝs barbaros hellƝnizǀn tƝ phone a Scythian barbar of Greek-speaking language; Ar. Rh. 1407a 19. Note also hellƝnisti for “Greek” in Plato, Tim. 21e; Xen. An. 7.6.8. In later Greek (Lucian) this may also mean Greek lifestyle. 41 Rüdiger Schmitt, “Die Ostgrenze von Armenien, über Mesopotamien, Syrien bis Arabien,” in Die Sprachen im Römischen Reich der Kaiserzeit: Kolloquium vom 8.–10. April 1974 (ed. Günther Neumann and Jürgen Untermann; Beihefte der Bonner Jahrbücher 40; Köln: Rheinland-Verlag, 1980), 200–1; Fergus Millar, “The Problem of Hellenistic Syria,” in Hellenism in the East: Interaction of Greek and non-Greek civilizations from Syria to Central Asia after Alexander (ed. Amelie Kuhrt and Susan Sherwin-White; London: Duckworth, 1987), 110–33. 42 So NA27, GNT4, Bruce M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament, 2 ed. (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1994), 340–2 and Wolfgang Reinbold, “Die ‘Hellenisten,’” 97. hellƝnistai is probably the better reading than hellƝnes, since ʠ2 corrects a faulty euagellƝnistas to hellƝnas, the scribe of A substituted hellƝnas for hellƝnistas, the scribe of D did the opposite, see Reinbold, “Die ‘Hellenisten,’” 97; Metzger, A Textual Commentary, 341–2. These variants replace the rare hellƝnistai with the common hellƝnes, which is also the common counterpart to ioudaioi. The juxtaposition is common in Acts: 14:1; 18:4; 19:10, 17; 20:21. hellƝnistas is thus the lectio difficilior, since hellƝnas is familiar, easy and natural as counterpart to ioudaioi. 43 Greek was the language of the western Roman empire, Ladislav Zgusta, “Die Rolle des Griechischen im römischen Kaiserreich,” in Die Sprachen im Römischen Reich der Kaiserzeit: Kolloquium vom 8.–10. April 1974 (ed. Günther Neumann and Jürgen Untermann, Beihefte der Bonner Jahrbücher 40; Köln: Rheinland-Verlag, 1980), 137–9. 44 This is the meaning of the 28 instances of mathƝtƝs in Acts.
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Christians. They are, thus, not synonymous with the ones with whom Paul disputes, nor with the people in Antioch. Hence, the three instances of hellƝnistai have one common denominator, the language, but the text indicates nothing else in common. The people described are different religiously, 6:1 Christian Jews, 9:29 probably Jews, 11:20 Gentiles, but ethnically, those in 6:1 and 9:29 were probably Jewish. They probably differed ideologically: in 6:1, they belong to the category mathƝtai; in 9:29 they fiercely opposed Christianity, and in 11:20 they went from being Gentiles to being disciples (11:26). Hence, Hengel is right that hellƝnistai has “einen konzentrierten sprachlichen Sinn.”45 Here it probably is used since it contains all Greek speakers, irrespective of ethnicity or religion. But according to these three instances, hellƝnistƝs is neither confined to Jerusalem nor to Jews, nor has it any other common denominators than the language. Social aspects: should hellƝnistai and hebraioi be considered parties? Hence, the mere use of hellƝnistai contradicts the idea that the word designates a certain group. Yet, as noted, often it is stated that there were two separate churches in Jerusalem, with different languages in the liturgy, some negative social consequences as reflected in Acts 6:1, and differences in doctrine.46 An organizational split is, however, questioned by Gerd Theissen, even if he still maintains the existence of two theological currents.47 Firstly, the general dichotomy between Palestine and the Diaspora, between Jewish and Hellenistic is due for serious reconsideration, not only because the Hellenistic “umbrella” had been extended over Palestine due to Hellenization, but due to the fact that there was a pluralism of thought among Jews both inside and outside Palestine. Hence, to automatically consider a Diaspora Jew theologically different than a Palestinian Jew does not hold water and all too often refers to one Diaspora Jew, Philo.48 There is, thus, a risk 45 Hengel, “Zwischen Jesus und Paulus,” 166. Only during the third century does the word acquire the meaning “Gentile.” See Richard Laqueur, Hellenismus. Akademische Rede zur Jahresfeier der Hessischen Ludwigs-Universität am 1. Juli 1924 (Schriften der hessischen Hochschulen, Universität Giessen, Jahrgang 1924 Heft 1; Giessen: Alfred Töpelmann, 1925), 22–7; for the patristic usage, see G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon (Oxford: Clarendon, 1961) s.v. hellƝnizǀ, hellƝnistƝs. 46 Hengel, Between Jesus and Paul, 55; doctrinal difference more stressed in Räisänen, “Die ‘Hellenisten’ der Urgemeinde,” 1502–3. The existence of two churches is a mere inference from the fact that they may have needed separate services due to the language, but does not rest on evidence. 47 Theissen, “Hellenisten und Hebräer,” 340. 48 Gerdmar, Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy, 244–77, 324–30; see also L. V. Rutgers, The Hidden Heritage of Diaspora Judaism (ed. Tj. Baarda, A. van der Kooij, and A.S. van der Woude; CBET 20; Leuven: Peeters, 1998), Paul R. Trebilco, Jewish Communi-
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that one reads a certain but questionable historical dichotomy into the texts. Secondly, however, it must be said that the hellƝnistai in 6:1 do behave as a group with certain interests: the Greek speakers’ widows are being neglected. But the problems occur when this group, constituted by its language – and lack of the indigenous language – is regarded as a party. Such a party not even mentioned in Acts; the only time the hellƝnistai of 6:1 is mentioned is here. It is further suggested that the author plays down tensions between such groups.49 This is of course possible, but not evidenced in the text. In that case it would perhaps be even more likely for the author to have played it down even more radically, to fit with the standard epi to auto (1:15; 2:1, 44, 47; 4:26) and homothumadon (1:14; 2:46; 4:24; 5:12). The more likely reason to include the story seems to be that 6:1–6 is only considered a presentation of Stephen, whose speech and destiny cover the whole of chapters 6–7.50 The unity of the church was considered important, and therefore men who could handle the problems both spiritually and practically were chosen, not only to serve the Greek-speaking widows but to handle the whole food program (6:2, 4). The Seven are often regarded as the leadership of the Hellenists as a distinct group with a certain tendency. This once again presupposes the specific group of Hellenists. The hypothesis rests on the Greek names of the servants, the theological tendency of the speech of Stephen and their subsequent role in mission, leading to a “law-free” Christianity.51 It is true that all of the seven have Greek names, but this neither means that all came from the Diaspora or that they had a certain profile distinct from the rest of the church. It has already been noted that Diaspora Jews cannot be considered as having certain theological tendencies. There are reasons to believe that those who moved to Jerusalem indeed did this out of a “conservative” tendency where it was considered important to observe the law properly, especially in relation to the temple, being the nave of Israel. But of the seven we get no more information than their names, the preaching activity of two members, Stephen and Phil-
ties in Asia Minor (ed. G. N. Stanton; SNTSMS 69; Cambridge: Cambridge University Press, 1991), Bezalel Bar-Kochva, Pseudo-Hecataeus On the Jews: Legitimizing the Jewish Diaspora (ed. Anthony W. Bulloch et al.; Hellenistic Culture and Society 21; Berkeley: University of California Press, 1996) and John M. G. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE) (Edinburgh: T&T Clark, 1996). 49 Ernst Haenchen, Die Apostelgeschichte (12 ed., KEK 3; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1959), 219. 50 See Joachim Jeska, Die Geschichte Israels in der Sicht des Lukas: Apg 7,2b–53 und 13, 17–25 im Kontext antik-jüdischer Summarien der Geschichte Israels (FRLANT 195; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2001). 51 For the theological profile, see the next section.
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ip,52 and of Stephen’s martyrdom. Hence, the material is too scant to make the Seven a specific “Hellenistic” group. The names also give limited information as to the men. Firstly, names say little about origin and ideological profile. Greek names had been used in Palestine for two to three hundred years, and by this time had become no abnormal part of Palestinian culture.53 It is evident that Nicolaos was from the Diaspora (6:5). Philip carries the same name as the Galilean apostle, a name well evidenced among Palestinian Jews. There were many other Greek names in 1st century Palestine, as in the New Testament, e.g., Nicodemus, the Pharisee leader, and Andreas and Petros.54 Theissen contends that it is not evident that the Seven were only Diaspora Jews.55 But even if we knew that the seven had come from the Diaspora that would have said little of their theological bias, as indicated above. Indeed, that Nicolaos is singled out could point to the fact that he was different than the others. There is thus slight evidence that the seven were the kernel of a “party” of Hellenists. What seems likely, though, is that they were chosen because of bilinguality. The Seven as a group are also singled out, since the evangelist Philip is presented as one of the seven. But they are not explicitly connected with any mission work outside Palestine; Philip is related to Caesarea (21:8). There is no evidence for more connections between the Greek speakers (6:1) and the Seven than that the latter were thought to deal with the social problems. In fact, it is not sure that the Seven were recruited from the hellƝnistai. As to the rest of early Christian texts, one searches in vain for information about “Hellenists”, or about a split in the first church. Two groups like this are neither really featured in Acts; they are evidently there in the modern interpreters’ horizons but less clearly in that of the author. The term hebraioi is only there in 6:1. The word hebraistƝs is evidenced nowhere in Greek literature; in the New Testament all but the Pauline uses of hebraioi with cognates 52 This information is not enough to consider the Seven a (competing) group of church leaders. They may have been involved in practical matters and two of them still active in preaching and ministering to sick people. According to Acts 8:14, the apostles were considered “necessary” to confer the Spirit to the new Christians in Samaria. To see the Seven as “preachers” instead of co-workers in the church reflects a stiff and probably anachronistic view of “office” in the early church. 53 G. Mussies, “Greek in Palestine and the Diaspora,” in The Jewish People in the First Century (ed. S. Safrai and M. Stern; CRINT I:2; Assen: Van Gorcum, 1976), 1051–2. 54 See Margaret H. Williams, “Palestinian Jewish Personal Names in Acts,” in The Book of Acts in its Palestinian Setting (ed. Richard Bauckham, vol. 4 of The Book of Acts in its First Century Setting; Grand Rapids, Michigan: Eerdmans, 1995), 97, 98, 104, 110–12. Aeneas was another Greek name of a Palestinian Jew (Acts 9:33). Stephanos is evidenced in Palestine but it may be a Roman slave, Jos. Ant. 20.113, BJ 2.228. 55 Theissen, “Hellenisten und Hebräer,” 339.
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refer to language, and Paul’s use refers to ethnicity.56 There is no information in Acts as to the meaning of hebraioi, but the usage in the New Testament points to an ethnic and linguistic category. That it would have ideological connotations is not supported by the texts and is unlikely due to the diversity among ethnic and linguistic hebraioi. The juxtaposition with hellƝnistai supports that hebraioi is basically an ethnic and linguistic designation. Hence, support for two competing parties is hardly to be found in Acts. The notice in Acts 6:1 stands alone, the rest being fairly adventurous reconstructions. To let the hypothesis of Hebrews and Hellenists play such an important role in earliest Christian historiography, one would need more. The evidence points to a more down-to-earth understanding of 6:1. The reason it is there is to introduce Stephen and Philip. The group designated hellƝnistai is an immigrant group in the church, easily marginalised for the same reasons as immigrants perennially seem to have a problem becoming established and respected in the new environment. Probably the widows were in need since they with their husbands had lost their financial security, having also left their original social environment with the support the family would have offered.57 Thus, according to Acts, the hellƝnistai were Diaspora Jews who were Christian and had practical interests to look after since they were easily socially marginalised. Ideological aspects: Did the hellƝnistai have a certain theology? It is commonplace to hold that these held the seed of a Hellenistic or Antiochene theology. However, after chapter 8, there is no mention of either hellƝnistai or the Seven (except of Philip in Caesarea). The hypotheses about the Hellenists are related to Stephen and his speech and based on the fact that it was Stephen’s followers who were driven out of Jerusalem and became the founders of the church of Antioch. This is founded on the interpretation of the speech of Stephen in Acts 7, on Acts 8:1 and 11:19–20. The speech of Stephen would be worth its own chapter.58 The charges against Stephen for criticism of Moses and the temple are considered false by the author (6:11). The speech is often considered critical of the law. But in fact, the Jerusalemites get a good rating for not keeping the law. The law is not described in negative terms, to the contrary as living words, logia zǀnta (7:38), given through angels (7:53) and the hearers in Jerusalem are called 56 John 5:2; 19:13, 17, 20; 20:16; Acts 6:1; 21:40; 22:2; 22:14; Rev 16:16. Paul uses it in
ethnic sense in 2 Cor 11:22 and Phil 3:5. 57 See Niels Hyldahl, Udenfor og indenfor: Sociale og økonomiske aspekter i den ældste kristendom (ed. Niels Hyldahl, Eduard Nielsen, and Børge Salomonsen; Tekst og Tolkning 5; København: G. E. C. Gads Forlag, 1974). 58 For the speech, see Larsson, “Temple-Criticism and the Jewish Heritage.”
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“uncircumcised in their hearts” (7:51). The speech as we find it in Acts is apologetic against the two charges mentioned, slander of Moses and the temple. The utterances on the temple can hardly be considered critical of the temple. They are also carefully wrought to be defensible in a theological scrutiny; he uses two scriptural texts to show that God does not live in humanly made houses, Isa 66:1, which is quoted, but may also allude to 2 Chr 6:18.59 The legitimacy of the temple or its cult is not questioned, only whether God lives there. In fact, the theme was part of the common summaries of the history of Israel, as Jeska has demonstrated.60 Hence, to call Stephen temple-critical or “liberal” is scarcely possible on the evidence in Acts 7. Nevertheless, the continued logic of the Hellenist hypothesis builds on the fact that precisely Stephen’s followers, by scholarship called Hellenists, but not the Hebrew part of the church, were driven out of Jerusalem. This is, however, not supported in the source, Acts 8:1: And on that day a great persecution arose against the church in Jerusalem; and they were all (pantes) scattered throughout the region of Judea and Samaria, except the apostles (plƝn tǀn apostolǀn).
Pantes is interpreted so that it does not include the Hebrews; only the Hellenists would have been spread out and then the missions would have begun. Behind this thought is the idea that the apostles are Hebrews, and that the Hebrew part of the church remained with them in Jerusalem, which, however, has no support. Instead, that conclusion is reached by inference: “Tatsächlich kann die Verfolgung nicht die ganze Gemeinde außer den ‘Aposteln’ betroffen haben, da diese auch nachher vorhanden ist […] vertrieben wurde die hellenistische Gruppe.”61 Yet, the term “apostle” is in Acts used only for the twelve plus Paul and Barnabas and can hardly designate the Hebrew part of the church. Neither is it stated that the persecution did not affect the apostles, only that they remained, and the church is presented as one, just as in Acts at large. The outcome of this is indeed interesting for the history of early Christian mission. Since the whole church spread, the whole church, according to Acts, becomes the pioneers of the gospel to Samaria and “the ends of the earth”, Greek and Hebrew-Aramaic speakers alike. 11:19–20 resumes the narrative of dispersed church members, arriving at Phoenicia, Cyprus and Antioch. These spread the gospel, but to Jews only. 59 It is as unnecessary to go to Zenon’s temple criticism to evidence such temple criticism as it is to regard it specifically Hellenistic, see Theissen, “Hellenisten und Hebräer”, 336. For the thought that God has a katoikƝtƝrion in heaven but a holy place on earth, see 3 Macc 2:14–15. 60 Jeska, Die Geschichte Israels in der Sicht des Lukas, 182–3. 61 Hans Conzelmann, Die Apostelgeschichte (ed. Günther Bornkamm, HNT 7; Tübingen: Mohr (Siebeck), 1963), 52.
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Naturally, language played its role in approaching different groups. Probably Greek proficiency in Palestine has been exaggerated,62 and it is not selfevident that all the dispersed knew much Greek. In Phoenicia and Syria, however, they probably could use Aramaic. The Jews they were talking to there may have been Greek or Aramaic speakers.63 But in approaching Greekspeaking non-Jews in Antioch, some Greek-speaking men from Cyprus and Cyrenaica, now approached this new group, hellƝnistas, in Greek. The simplest explanation is that this was due to language. There are no indications that Jews from these areas were especially liberal regarding the inclusion of non-Jews in the church, and as intimated above, the idea that Diaspora Jews in general were more “liberal” is due for revision.64 In fact, in the historiography of Acts, Peter and “those of the circumcision” had accepted gentiles into the church (Acts 11:18). Cephas himself was, according to this narrative, the first to walk into a Gentile home to share the Gospel (10:28). Hence, since the dispersed (8:1) according to Acts included what are traditionally called Hebrews and Hellenists, i.e., Greek and Aramaic speakers, there is no reason to think that no Aramaic speakers were involved in missions outside of Palestine. The link between the ‘Hellenists’ of Jerusalem and the followers of Stephen is thus hardly there, even if Stephen would have been a proponent of a “liberal” position. Hence, the classical suggestion of Heitmüller, that there was a specific Hellenistic theology, less preoccupied with the law, which was developed in Antioch and through which Paul’s theology was formed, has little foundation.65 Results of the exegetical analysis The above reconsideration of the textual base suggests that the hypotheses of Hebrews and Hellenists, of a Hellenist pioneer mission and a certain Hellenistic theological profile, has a weak support, if any. This is especially surprising considering the importance given to this dichotomy for understanding early 62 Gerdmar, Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy, 269. 63 This is not surprising, since Paul seems to have been able to speak Aramaic, Acts
21:40; 22:2. 64 In fact, the Jewish war 115–117 C.E. against the Roman authorities is an incident which may be telling as to what kind of sentiments were possible among Diaspora Jews, even if this cannot prove that the Jews of Cyrene of the 30s C.E. were of similar spirit. With clear “iconoclastic” traits, including the destruction of a range of temples in Cyrene (those of Apollos, Artemis, the Dioscuri, Hekate, Demeter, perhaps Pluto and Isis), they followed the ‘Messiah’king Loukas-Andreias, see CPJ I, 86–93, II, 225–60. The revolt spread to several countries of the eastern Diaspora. 65 Heitmüller, “Zum Problem Paulus und Jesus.”
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Christian historiography, theology and mission history. In what follows, I will suggest that that the Hebrews and Hellenists hypothesis is scarcely comprehensible if we do not understand the ideology, theology and culture of its modern constructors; the scant material in Acts would not have sufficed as building material.
The Jerusalem church through Tübingen spectacles With Baur the Judaism-Hellenism dichotomy begins to penetrate scholarship, the split between Hebrews and Hellenists having up till then been considered a marginal phenomenon.66 It seems like his dialectical method furthered the development of precisely two opposing entities, a tendency also present in Baur’s description of “the parties” in Corinth, reducing the four mentioned to two (!).67 The dialectical heuristics in itself fosters the finding of two opposing entities, as developed in Tendenzkritik. Thus, the philosophicalintellectual horizon is then not without relevance for understanding the origin of the historiography of earliest Christianity, at least insofar as it is influenced by Baur. Hardly any modern scholar, however, would find a Hegel-influenced dialectic feasible as theoretical model, the idealism and determinism connected with this dialectic being other questionable features in Hegelian and Baurian historiography. Yet, the dichotomy is still alive and well. The dichotomistic thinking is fundamental to Baur, and his writings must be read with his overarching ideas in mind. He already operated with dichotomistic oppositions in interpreting the past and the present, and Baur’s historical sweeps not only pertained to a time past, but to an idealistic interpretation of the present. In a typical Orientalistic way (using Said’s terminology68), Baur used the analogy with the transition from the Orient to the West, Greece, which he saw as the victory of freedom over the Oriental despotism, characterised by blind obedience and force. It seems that Baur interpreted both history and the present in Orientalistic terms. The Greek-Turk conflict 1821–1830, a liberation war, which resembled the ones recently won in Germany, could 66 Susannah Heschel, “The Image of Judaism in Nineteenth-Century Christian New Testament Scholarship in Germany,” in Jewish-Christian Encounters over the Centuries (ed. Marvin Perry and Frederick M. Schweitzer; American University Studies Series 9: History; New York: Peter Lang, 1994), 221. 67 Ferdinand Christian Baur, “Die Christuspartei in der korintischen Gemeinde, der Gegensatz der petrinischen und paulinischen Christenthums in der alten Kirche, der Apostel Petrus in Rom,” in Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, vol. 1 (ed. Klaus Scholder; Stuttgart: Friedrich Frommann, 1963 [1831]), 74–6. 68 Edward W Said, Orientalism: Western Conceptions of the Orient (London: Penguin Books, 1991).
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readily be interpreted in terms of the enlightened West in its struggle against the despotic East.69 Hegelian-type historiography merged with Philhellene interests both in Greek Antiquity and political present, and university people like Baur were typical representatives of this kind of liberalism. This early there is no evidence in Baur’s writings of a genetic dependence on Hegel, but similar ideas were in vogue, as for example, is evidenced in Schelling’s writings. Although the scope and date of Ferdinand Christian Baur’s more direct involvement with Hegelian ideas is disputed, Baur undoubtedly operated with an idealistic dialectical model of history. He did this in a similar vein to Hegel, regardless of whether it was initially the result of direct inspiration from Schelling or from Hegel himself.70 In any case, with Baur idealistic dialectical history in Baur’s specific conception became the vogue in the discussion of early Christian history, conditioning much of it for the rest of the century. At the same time the ongoing process in (some Lands of) Germany could be interpreted in similar terms. Baur’s own Württemberg had headed towards a new modern constitution,71 with right to vote for all citizens independent of estate, with free discussion and political parties. This was interpreted as a movement from (Oriental-type) despotism to (Greek-type) democracy. However, this was scarcely conceived in terms of modern democratic ideals. “The wars of liberation, the foundation of the Burschenschaft [nationalistic student league], the Wartburgfest, Jahn’s gymnastic societies, and the fight over the constitution of Württemberg: all had melted patriotic and emancipatory hopes together,” Hester writes.72 This synthesis included a national liberalism with 69 Carl E. Hester, “Baurs Anfänge in Blaubeuren”, in Historisch-kritische Geschichtsbetrachtung: Ferdinand Christian Baur und seine Schüler. 8. Blauberger Symposion (ed. Ulrich Köpf; Sigmaringen: Jan Thorbecke, 1994), 72–7, 78. On German Philhellenism, which was the strongest in Europe because of the massive classical tradition in Germany, see William St. Clair, That Greece Might Still Be Free: The Philhellenes in the War of Dependence (London: Oxford University Press, 1972), 60–5. 70 The dependence on Hegel is too evident to be disputed; according to Baur’s own confession from 1833, he was a Hegelian, W. Geiger, Spekulation und Kritik: Die Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs (Forschungen zur Geschichte und Lehre des 3URWHVWDQWLVPXV 0QFKHQ &KU .DLVHU-Verlag, 1962), 39. On Baur and the Tübingen school, see Horton Harris, The Tübingen School (Oxford: Clarendon, 1975), and on Baur and Hegel, Peter C. Hodgson, The Formation of Historical Theology: A Study of Ferdinand Christian Baur (ed. Jaroslav Pelikan; Makers of Modern Theology; New York: Harper & Row, 1966), 1–4, 265, with a nuanced view of Baur’s dependence on Hegel. Hester, “Baurs Anfänge in Blaubeuren”, passim, also notes the influence from Schelling. 71 B. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, vol. 3 (9th ed. Stuttgart: Union Verlag, 1970), 101; Hester, “Baurs Anfänge in Blaubeuren”, 69. 72 Hester, “Baurs Anfänge in Blaubeuren”, 70. On Jahn, see also Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band I: Reform und Restauration 1789 bis 1830 (Stuttgart: Kohlhammer, 1957), 704–5. The student leagues were committed to the freedom
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emancipatory dreams, and a Patriotism with a frontier against the current particularism, reflected in the fact that the German sphere was fragmented into more than 1800 political units.73 The empire was then dissolved into several independent states in 1806 as the emperor Franz II laid down his crown.74 Universalism was the vision of a unification of all of these into a viable political unit – here Baur accords with de Wette. Many liberals also were republicans with democratic ideals, among them Baur and his circles. This conglomeration of ideas is quite specific to Germany at this time, the background partly being the political particularism, but the shaking off of the Napoleonic yoke had also revived a spark of hope for a united Germany. This movement housed nationalist, as well as emancipatory ideas, but also dreams of German greatness, and, on the other side, negative views about Jewish influence on Germany. An overview of Baur’s highly integrated thinking can help in understanding his view of the Jews, in his present situation, but also when writing the history of early Christianity. I suggest that his dichotomising of the earliest history of Christianity into the Hebrews and Hellenists, as well as the two parties in Corinth are examples of this Hegelian-like historiography, as well as the dichotomy of particularism and universalism. Firstly, Baur frequently refers to the dichotomy universalism and particularism, and no doubt this use may well have had a political bearing, the Jews in Baur’s theology being the typos of particularists. In Baur’s idealistic-political project this was the negative counterpart to the universalism of which he dreamed. The negative rhetoric against Jews and Judaism disfavoured the Jews. Secondly, Baur also uses “Jewish-Christian” as a negative metaphor for aristocratic, theocratic, and Roman Catholic.75 The opposition between Protestant and Roman Catholic essential to him had its analogy in the relationship between Christianity and other religions. The Roman Catholic is then analogous with the “bad” side: primitive religion, Judaism, Islam, whereas the good side is connected with Protestant Christianity in Baur’s vein.76 Hester has rightly classified Baur’s and unity of Germany, against particularism, but for a Christian ethos, Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, 708. 73 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Band: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700– 1815 (München: C.H. Beck, 1987), 47. 74 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 43. 75 F. C. Baur, “Die Tübinger Schule und ihre Stellung zur Gegenwart,” in Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, vol. 5 (ed. Klaus Scholder; Stuttgart: Friedrich Frommann, 1975 [1859]), 75. 76 Peter Friedrich, Ferdinand Christian Baur als Symboliker (Studien zur Theologie und Geistesgeschichte des Neunzehnten Jahrhunderts 12; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1975), 122.
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view as Orientalist,77 something Baur shares with broad strata of the German philhellenic intelligentsia. The situation of the Jews in Württemberg during the late 1810s and 1820s was that the Land in 1828 added a specific law about the “Israelitic adherents”, the purpose of which was the education of the Jews. This also gave them citizenship without rights to vote, however appointing a church official to control their doings.78 Baur’s symbolic world is constructed with a set of dichotomistic oppositions, which represents such different fields as early Christian historiography, ancient and modern Greek history in Orientalist perspective, and current German politics interpreted out of Baur’s idealistic ideology. The place of the Jews is on the negative side of this opposition, the Jews (uninfluenced by Greek culture) being the symbol of limited- and narrowness, legalism, particularism and aristocracy/theocracy: Old Orient Particularism Palestinian Jewish Peter Roman Catholic Southern Sparta Aristocracy/Monarchy Austria Turks etc.
New Occident Universalism Alexandrian Jewish Paul Protestant Northern Athens Democracy/Republic Germany Greek
This shows the basic structures of Baur’s thinking, where the Jews are connected with what is negative. This is not surprising: Baur accords with the feelings common in circles close to the Burschenschaften, even with a broad Enlightenment tradition, where the Jews still held a negative place. A thorough discussion of Hegel and his historical philosophy does not belong here. Baur’s construction of history shares Hegel’s (and for that part Droysen’s79) general dialectical etiology of the emergence of Christianity or the Roman empire. However, Baur was as much influenced by general ideas in vogue as he was by specifically Hegel’s thought. Hegel, Droysen and Baur share fundamental Orientalist ideas, which are inherently racist, presupposing that in order to attain “freedom” the Jews or Jewish-Christians must be influenced by Greek thinking. Being a main architect of such Orientalist thinking 77 Hester, “Baurs Anfänge in Blaubeuren”, 74, 78, 80. 78 Ismar Elbogen, Die Geschichte der Juden in Deutschland (Athenäums Taschenbüscher
111; Frankfurt am Main: Athenäum, 1988), 195. 79 J. G. Droysen, Geschichte des Hellenismus (vol. 1. Hamburg: Friedrich Perthes, 1843); on this see Gerdmar, Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy, 245–8.
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in New Testament exegesis, Baur had created a dialectics where Jews would continue being the antithesis of everything Christian theology deemed valuable, the Hebrews being the example here. Thus, in spite of his general emancipatory ideas, historiography like Baur’s resulted in a systematic marginalisation of Jews and Judaism within Enlightenment theology. The Jews and Hebrews (and Jewish-Christians) held the position of black pawns in the historical play between the opposites that should lead to German Protestant religion, a religion pervaded by classical ideals, where Socrates and Christ are the teachers of a new and enlightened ethical religion. In Baur’s totally integrated philosophical and political theology, the particularistic Jews were more an obstacle than an asset to his construction. It is easy to see how this construct is applied to the Hellenist-Hebrew dichotomy in the Jerusalem church. Thus the pre-history of earliest Christianity is conceived as part of a development where the political history and the history of the emergence of Christianity are parallel. The universal overcomes its opposite, the particularism which was the enemy in both developments. Political particularism with the split in nation states was dissolved in the Roman empire under one monarch; national Jewish particularism was overcome by Christian universalism. Both ways to world dominion go from particularism to universalism. In a dialectic triad, it moves from Heidenthum over Judaism – from polytheism to monotheism – to Christianity. However, under the auspices of Palestinian Judaism, Christianity would never have been able to develop. Writes Geiger on the Hegelian approach of Baur: Seine Methode ist dem Ansatz nach echt dialektisch; sie ist spekulativ durch ihre Ausrichtung auf das in der Geschichte fortschreitend sich verwirklichende ‘Selbstbewußtsein des Geistes’80
To Hegel, the etiology explains the way of Prussia to greatness and universal monarchy, to Baur the history leading to the Roman empire runs parallel with that leading Christianity to become a “universal religion”. This drama is enacted in his perspective of conflict, formulated in his Tendenzkritik, clear in his opposition of “Paulinen” and “Petrinen”, according to Baur, the fundamental opposition between Paul and the older Apostles.81 The same dialectic as in Christian pre-history is back: a legalistic pre-form and a “liberal” development, one particularistic, legalistic, one “law-free”, universalistic.82 Acts 80 Geiger, Spekulation und Kritik, 47. 81 Ferdinand Christian Baur, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (ed. Klaus
Scholder; Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, vol. 4; Stuttgart: Friedrich Frommann, 1970 (1862)), 395–8. 82 Susannah Heschel, “The Image of Judaism in Nineteenth-Century Christian New Testament Scholarship in Germany,” 221.
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becomes the “peace proposal”,83 an attempt “einen Schleier auf das Vergangene zu werfen.”84
Baurian hermeneutics and the emergence of the Judaism-Hellenism dichotomy As noted in the beginning, only one verse, Acts 6:1, is the main, but very sparse explicit support for a dichotomy between Hebrews and Hellenists or Judaism and Hellenism in the New Testament.85 Thus a substantial heuristic edifice rests on fairly narrow ground. Nevertheless this dichotomy has become fundamental to New Testament historiography, the history of New Testament theology, missiology and the understanding of Christianity’s relation to Judaism. Without the Hegelian spectacles of the Tübingen School, perhaps this theme, so prominent in New Testament exegesis, would never have come into existence. And had not Baur and others used a dualist Tendenzkritik, would “Hebrews” and “Hellenists” have received leading parts in New Testament historiography at all? Nevertheless, these historiographical roots would grow into a strong tree, influencing generations of scholars up to this day. The reading of scholarship after that of Baur gives a sense of déjà vu: Bousset as historian of Judaism and Christology, Harnack as missiologist,86 Heitmüller as the creator of the so-called Hellenistic Church theology,87 Bultmann, who used the Baur-Heitmüller analysis as foundation of his magisterial Theologie des Neuen Testaments, and in fact Hengel, even though he challenges central aspects of the dichotomy. With Michael Goulder’s work of Pauline vs. Petrine Christianities he surprisingly becomes close to a Baur redivivus. Thus, more than offering an interesting tour to Jerusalem in the 30’s C.E. and Tübingen and F. C. Baur, these results call for a reconsideration of profound structures in New Testament historiography. And it also shows the importance of sometimes taking off the spectacles of our research tradition and 83 Roy A. Harrisville and Walter Sundberg, The Bible in Modern Culture: Theology and Historical-Critical Method from Spinoza to Käsemann (Grand Rapids, Michigan: Eerdmans, 1995), 122. 84 Baur, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte , 129. 85 This must be qualified through further study of, e.g., the hypothesis of possible special Hellenistic church traditions. 86 Adolf von Harnack, The Mission and Expansion of Christianity in the First Three Centuries (trans. James Moffatt; Gloucester: Peter Smith, 1972 [1902]), 44–72. 87 Heitmüller, “Zum Problem Paulus und Jesus.” For her most valuable help with the preparation of the manuscript I am very greatful to Ms Susanne Östling, BA.
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revisiting such texts on which we are building our understanding of early Christianity.
Ferdinand Christian Baurs Sicht der christlichen Gnosis und der zeitgenössischen Religionsphilosophie VOLKER HENNING DRECOLL Schon das Inhaltsverzeichnis von Baurs Monographie „Die christliche Gnosis“ zeigt die Besonderheit dieser Gnosisdarstellung. Denn neben dem grundlegenden Abschnitt „Begriff und Ursprung der Gnosis“ und den darstellenden Abschnitten „Die verschiedenen Hauptformen der Gnosis“ und „Der Kampf der Gnosis mit dem Neuplatonismus und der Kirchenlehre“ ist ein letzter Abschnitt zu finden, der „Die alte Gnosis und die neuere Religions-Philosophie“ behandelt. Hier wird nicht nur Jakob Böhme besprochen, sondern auch Schelling, Schleiermacher und Hegel. Die Darstellung der Gnosis steuert auf eine Darstellung der neueren Religionsphilosophie hinaus. Entsprechend lautet der Untertitel der Monographie „oder die christliche Religionsphilosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung“1. Baur geht es nicht nur um die Darstellung eines historischen Phänomens, sondern um eine geschichtliche Entwicklung, die in der Gegenwart und der kritischen Verarbeitung von Hegels Religionsphilosophie endet.2 Diese Zielsetzung ist bereits in der Beschreibung von „Begriff und Ursprung der Gnosis“ bemerkbar. Denn Baur versucht hier das „Wesen“ der 1 F.C. BAUR, Die christliche Gnosis oder die christliche Religionsphilosophie in ihrer ge-
schichtlichen Entwicklung, Tübingen 1835 (Nachdruck Darmstadt 1967). Das Buch erschien somit im selben Verlag und zur gleichen Zeit wie D.F. STRAUSS, Das Leben Jesu. Kritisch bearbeitet, 2 Bände, Tübingen 1835.1836 (vgl. F.C. BAUR. Die frühen Briefe (1814–1835), hg. von Carl E. Hester, Contubernium 38, Sigmaringen 1993, hier die Anmerkung des Editors auf S. 213–214 zur Eingrenzung des genauen Erscheinungsdatums beider Werke Anfang Juni 1835). Zum Verhältnis zwischen Baur und Strauß vgl. E. BARNIKOL, Der Briefwechsel zwischen Strauß und Baur. Ein quellenmäßiger Beitrag zur Strauß-Baur-Forschung, ZKG 73 (1962), 74–125; J. MEHLHAUSEN, Spekulative Christologie. Ferdinand Christian Baur im Gespräch mit David Friedrich Strauß und Julius Schaller, in: U. Köpf (Hg.), Historischkritische Geschichtsbetrachtung. Ferdinand Christian Baur und seine Schüler, 8. Blaubeurer Symposion, Contubernium 40, Sigmaringen 1994, 119–140 (mit weiteren Literaturangaben). 2 In der Forschung zu Baur gilt dieses Werk als das erste, das umfänglich Hegel rezipiert, vgl. z.B. W. GEIGER, Spekulation und Kritik. Die Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs, FGLP XXVIII, München 1964, 42–43; C. ANDREAE, Ferdinand Christian Baur als Prediger. Exemplarische Interpretationen zu seinem handschriftlichen Predigtnachlaß, AKG 61, Berlin/New York 1993, 366.
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Gnosis zu bestimmen. Seine Vorgänger bewertet er dabei kritisch, weil sie die Gnosis auf bestimmte, kontingente Einzelphänomene zurückführen, etwa Philo. Darin sieht Baur eine nur religionsgeschichtliche Ableitung der Gnosis, die dem Wesen der Gnosis nicht gerecht wird. Die Abgrenzung zu den Vorgängern spielt in der Einleitung an drei Stellen eine Rolle, nämlich a) um deutlich zu machen, dass die bisherigen Wesensbestimmungen der Gnosis unzureichend sind (12–18 [besprochen werden besonders Neander und Matter], vgl. bereits die Vorbemerkungen in 4–8), b) bei der Diskussion über den Ursprung der Gnosis (68–84, besprochen werden besonders Matter und Möhler) und schließlich c) bei der Diskussion, wie man die gnostischen Systeme einteilen muss (98–105; besprochen werden besonders Neander, Gieseler und Matter). Damit ergibt sich ein relativ klarer Bezugsrahmen von Vorgängerstudien, auf die sich Neander bezieht. Es handelt sich insbesondere um die folgenden vier Positionen: Neander3 möchte eine Perspektive, die „nicht durch eine von irgend einer Schule erborgte Brille“ (Neander IV) schaut, entwerfen. Nach einer Einleitung über „Elemente der Gnosis bei Philo“ unterscheidet er die „An das Judenthum sich anschließende Gnostiker“ (besonders Valentin und Basilides) und „Antijüdische Gnostiker“ (bes. Marcion) (Neander VII). Hinzu kommen „Kleinere gnostische Secten“ (Simon Magus und Karpokrates) (Neander VIII). Gieseler4 entwarf in einer in mehreren Teilen erscheinenden Rezension von Neander und Lewald eine Unterscheidung von ägyptischer und syrischer Gnosis; hinzu kommen Kerdo und Markion als eigener Typus (Gieseler 833). Die syrischen Gnostiker sind durch ihren Hang zur Askese und die Betrachtung der Materie als aktiven Widerpart Gottes geprägt, die ägyptischen durch ihre Neigung zur Spekulation und die Betrachtung der Materie als bloß ungeordnete Masse. Insofern versucht Gieseler entscheidende inhaltliche Ge-
3 A. NEANDER, Genetische Entwickelung der vornehmsten gnostischen Systeme, Berlin 1818. 4 J.C.L. GIESELER, Kirchengeschichte. 1) Heidelberg, b. Mohr und Winter: Commentatio ad historiam religionum veterum illustrandam pertinens de doctrina gnostica. Scripsit Ernest. Anton. Lewald, Dr. Phil. 1818. XIII u. 157 S. 8. 2) Berlin, b. Dümmler: Genetische Entwickelung der vornehmsten gnostischen Systeme, von Dr. Aug. Neander, ord. Prof. an d. Königl. Univ. zu Berlin und Consistorialrathe. 1818. VIII u. 421 S. 8., Allgemeine Literatur-Zeitung Jahrgang [ohne Zählung] 1823, Band 1, Hefte 104-107 (April 1823), 825–856. Neben Neander nennt Baur noch Ernst Anton Lewald, Commentatio ad historiam religionum veterum illustrandam pertinens de doctrina gnostica, Heidelberg 1818 [Nachweis Württembergische Landesbibliothek Signatur: Theol.oct.10663]. Lewalds Buch ist in Tübingen nicht vorhanden und wurde von Baur evtl. nur indirekt über die Besprechung von Gieseler rezipiert und dementsprechend nicht als eigene Position verarbeitet.
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sichtspunkte namhaft zu machen, die die gnostischen Systeme prägen (nicht ihr Verhältnis zum Judentum). Für Matter5 stand fest, dass „[l]’origine du gnosticisme est contemporaine de celle du christianisme lui-même“ (Matter xii) und dass der Zoroastrismus, die Kabbala und „le platonisme judaïque d’Alexandrie“ die Wurzeln des Gnostizismus sind. Er wendet sich explizit gegen Mosheims Zurückführung der Gnosis auf Euphrates (vgl. Matter 180–185) und folgt dann dem Zeugnis des Irenäus, indem er auf Simon Magus, Menander, Kerinth und Nikolaus hinweist (vgl. Matter 185–235). Aus der Tatsache, dass „Gnostiker“ keine Selbstbezeichnung ist, sondern es sich um eine Sammelbezeichnung durch die Gegner handelt (vgl. Matter 259), leitet er eine zunächst formale Einteilung ab, nämlich in eine geographisch orientierte Einteilung: „Les grandes écoles auxquelles se rattachent toutes les sectes gnostiques, sont celles de la Syrie, de l’Égypte et de l’Asie mineure“ (Matter 246). Dies stellt dann das Grundgerüst der weiteren Analyse dar. Der kurze Aufsatz von Möhler6 musste für Baur schon deswegen von besonderem Interesse sein, weil sein katholischer Tübinger Kollege explizit und mehrfach auf ihn Bezug nahm. Hintergrund war der Streit zwischen Baur und Möhler über die Eigenarten des Katholizismus und Protestantismus, die 1834 eskaliert war7. Nun spitzte er seine Betrachtung des Protestantismus dahingehend zu, dass er die Wurzel für die Entstehung der Gnosis nicht im Judentum oder Heidentum, Zoroastrismus oder Buddhismus suchte, sondern als genuin 5 J. MATTER, Histoire critique du Gnosticisme et de son influence sur les sectes religieuses et philosophiques des six premiers siècles de l’ère chrétienne, 2 Tomes, Paris/Strasbourg 1828. 6 Möhlers Aufsatz findet sich in: Beglückwünschung Seiner Hochwürden, dem Herrn D. Gottlieb Jac. Planck […] zur Feier seiner fünfzigjährigen Amtsführung am 15ten Mai 1831, dargebracht von der katholisch-theologischen Fakultät zu Tübingen. Nebst einem Versuche über den Ursprung des Gnosticismus von I.A. Möhler, Tübingen [ohne Jahr, also wohl 1831]. 7 Vgl. die Angaben bei U. KÖPF, Ferdinand Christian Baur als Begründer einer konsequent historischen Theologie, ZThK 89 (1992), 440–461, 446, Anm. 20. Am 21. Mai 1835 schrieb Baur erfreut an seinen Bruder, dass Möhler den Ruf nach München angenommen hat. Deutlich wird dabei das persönliche Ressentiment Baurs gegen Möhler: „An dem AbschiedsEssen, das ihm gegeben wurde, nahm ich natürlich nicht theil [...]. Ich bin seit dem Streit in gar keine Berührung mehr mit ihm gekommen“ (F.C. BAUR, Brief an Friedrich August Baur in Horrheim, in: Die frühen Briefe [siehe Anm. 1], 115f., 116). Anschließend beklagt sich Baur darüber, dass von katholischer Seite aus Baur vorgeworfen wurde, die Sache zu sehr ins Persönliche gezogen zu haben, vgl. auch die Bemerkung des Editors Hester hierzu, aaO., 212f. Vgl. weiterhin: P. FRIEDRICH, Ferdinand Christian Baur als Symboliker. Die Kontroverse zwischen Ferdinand Christian Baur und Johann Adam Möhler (Teildruck der Dissertation), Münster 1973 (masch.); T. KIRCHHOF, Kirche als Einheit. Zur Darstellung des Frühkatholizismus bei Johann Adam Möhler (1796–1838) und Ferdinand Christian Baur (1792– 1860), Leipzig/Berlin 2013, hier bes. 308–324, aaO., 298–308 zu den Ansätzen von Neander, Gieseler und Matter.
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im Christentum entstandene Bewegung verstanden wissen wollte. Durch das Christentum sei eine Hinwendung der Menschen ins Innere erfolgt, die sich als „Hyperchristentum“ zur Gnosis entwickelt habe. Entscheidend ist also keine inhaltliche oder spekulative Denkaufgabe, sondern eher eine Frömmigkeitshaltung. Der Protestantismus scheint Möhler genau auf dieser aus dem Ruder laufenden Verinnerlichungstendenz zu liegen. Baurs eigene Analyse leitet das Wesen der Gnosis aus einer spezifischen Verbindung von Religionsgeschichte und Religionsphilosophie ab. Die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung von Religion und die Betrachtung der Gottheit verbinden sich in der Gnosis „zu einem Ganzen“ (21)8. Genauer verbinden sich in der Gnosis die religionsgeschichtlichen Phänomene von Heidentum, Judentum und Christentum einerseits mit einer bestimmten Auffassung von dem ewigen „Wesen der Gottheit“ (22). Genauer ist die Religionsgeschichte für die Gnosis nicht „blos die Geschichte der göttlichen Offenbarungen, sondern diese Offenbarungen sind zugleich der Entwiklungsproceß, in welchem das ewige Wesen der Gottheit selbst aus sich herausgeht, sich in einer endlichen Welt manifestiert und sich mit sich selbst entzweit, um durch diese Manifestation und Selbstentzweiung zur ewigen Einheit mit sich selbst zurükzukehren“ (22). Damit ist ein geschichtsphilosophisches Konzept genannt, von dem aus sich die antiken gnostischen Systeme ebenso darstellen lassen wie Hegels Religionsphilosophie. Es handelt sich deutlich um ein DreiPhasen-Modell, das den absoluten, in sich ruhenden Gott von dem sich offenbarenden, aus sich herausgehenden Gott unterscheidet, der dann auf einer höheren Ebene zu sich zurückkehrt. Da für die Verbindung von Religionsphilosophie und Religionsgeschichte der Gedanke des Aus-sich-Herausgehens zentral ist, sind zwei Voraussetzungen für diese Konzeption bestimmend, nämlich a) Gott entzweit sich, wenn er sich offenbart, von sich selbst, er tritt in einen Gegensatz zu sich als absolutem Gott. Zum einen offenbart sich Gott also selbst, zum anderen umfasst diese Offenbarung nicht die gesamte Absolutheit Gottes, so dass Gott in der Offenbarung schlichtweg aufginge. b) Die Offenbarung, die als Selbstentzweiung zu beschreiben ist, verläuft zielgerichtet, nämlich mit dem Ziel einer Reintegration der Gottheit in sich selbst. Diese beiden Voraussetzungen bedeuten zum einen, dass die Geschichte eine religiöse Qualität hat, zum anderen, dass die Geschichte selbst als fortschreitende Entwicklung mit teleologischer Ausrichtung zu beschreiben ist. Geschichte kann in ihrem Kern nicht verstanden werden, wenn sie nicht als Offenbarung betrachtet wird – und umgekehrt ist die Offenbarung nur als Geschichte verstehbar. 8 Zahlenangaben in Klammern ohne weitere Angabe beziehen sich durchgängig auf Baurs Gnosisdarstellung.
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Der Gegensatz zwischen dem absoluten Gott und dem aus sich herausgehenden, sich offenbarenden Gott wird in der Gnosis besonders betont, weil einerseits für „die Idee des Absoluten in ihrer reinen Abstractheit“ „nicht Ausdrücke genug“ (22) gefunden werden, andererseits als „die bestimmende Ursache“ (22), die die Gottheit veranlasst, aus sich herauszugehen, beschrieben wird. Bei letzterem handelt es sich um die Materie, so dass der Gegensatz zwischen absoluter Gottheit und dem Grund, der die Offenbarung bzw. das Aus-sich-Heraustreten veranlässt, als „Gegensatz zwischen Geist und Materie“ (22) beschreibbar ist. „Die ganze göttliche Offenbarung und Weltentwiklung wird zu einem Kampfe zweier entgegengesezter Principien“ (22). Allerdings ist damit nicht gemeint, dass die Materie automatisch als „ein ihm [scil. Gott] gleich ewiges Princip“ (23) gedacht wird, die Materie kann auch „in das göttliche Wesen selbst gesezt“ werden. Man kann den Prinzipiencharakter der Materie reduzieren, so dass er nur in Gott „der nicht weiter erklärbare Hang, aus sich herauszugehen“ (23) ist, doch auch darin sieht Baur eine „höhere Nothwendigkeit“ (23), weil Gott „dem innern Drange seines Wesens nicht widerstehen kann, sich in einer Welt zu offenbaren, die nur eine materielle seyn kann“ (23). Die teleologische Ausrichtung der Offenbarung bzw. Geschichte zeigt sich in der Beschreibung der Rückkehr zur Einheit; „die göttliche Selbstoffenbarung kehrt dahin wieder zurük, wovon sie ausgegangen ist, darum ist aber doch das Ende dem Anfang nicht vollkommen gleich“ (24). Was sich verändert, ist, dass die Gottheit bzw. der Geist ein „Bewußtseyn“ hinzugewinnt, und zwar wird er sich „nun erst seiner Unabhängigkeit von der Materie, seiner absoluten Macht, sich wahrhaft bewußt“ (24). Auch der Endzustand kann ganz verschieden konstruiert werden, je nachdem in welchem Verhältnis Materie und Geist einander zugeordnet werden. Hier ist es jetzt die Annahme, dass die Materie dauerhaft als „selbständiges Princip dem Geiste gegenübersteht“ (24), die einer genaueren Erläuterung bedarf (beim Ausgang war ja gerade die Reduktion des Prinzipiencharakters der Materie erläuterungsbedürftig). Selbst wenn die Materie also als Princip dem Geiste gegenübergestellt wird (scil. und angenommen wird, dass dies am Anfang bereits auch so war, weil es sich eben um zwei ewige Prinzipien handelt), bleibt doch der Unterschied bestehen, weil nun – nach dem Kampf – das „Bewußtseyn ihres wahren Verhältnisses“ entstanden ist (24). Mit diesen Erläuterungen hat Baur vorläufig einen „klaren Begriff ihres eigenthümlichen Wesens“ (24) der Gnosis gefunden, den er seinen Vorgängern abspricht. Gnosis ist der „Versuch, Natur und Geschichte, den ganzen Weltlauf mit allem, was er in sich begreift, als die Reihe der Momente, in welchen der absolute Geist sich selbst objectivirt und mit sich selbst vermittelt, aufzufassen“ (24). Es lässt sich fragen, ob diese Beschreibung nicht viel eher an
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Schelling und Hegel denn an Valentin, Markion (den Baur auch zur Gnosis rechnet) und anderen gnostischen Denkern der Antike gefunden wurde. Hinzu kommt das Problem, dass Baur die Gnosis nur aufgrund der Widerlegung durch die Kirchenväter und Plotin kannte (die gnostischen Originaltexte waren ja noch weitgehend unbekannt). Diese Frage lässt sich auch dahingehend zuspitzen, dass sich der Verdacht ergibt, dass genau die Sicht, die Schelling und Hegel der Gnosisdarstellung der Kirchenväter entnommen haben, hier als Wesensbeschreibung der Gnosis wiederkehrt. Damit wäre zweierlei gesagt: a) Insofern, als die Referate der Kirchenväter tatsächlich zentrale Strukturen der Gnosis referieren, ist auch Baurs Analyse gehaltvoll, selbst in der Gegenwart und in Anbetracht eines komplexen und in sich differenzierten gnostischen Schrifttums. b) Der „Tübinger Platonismus“ von Schelling und Hegel (bei Böhme sind die Vermittlungswege vermutlich noch komplizierter) verdankt sich nicht nur der Lektüre heidnisch-platonischer Texte, sondern vermutlich gerade auch den Gnosisreferaten der Kirchenväter9. Die Wesensbestimmung der Gnosis nach Baur wäre jetzt noch nicht vollständig gegeben, wenn nicht a) der materielle Gehalt, den die Gnosis den historisch gegebenen Religionen entnommen hat, genauer untersucht würde und b) die Eigenart, wie sie diese Gehalte zu einer Religionsphilosophie verbindet (vgl. 25). Hieraus leitet Baur dann nämlich die Einteilung der Gnosis ab (womit dann zugleich die Gliederung des Zweiten Abschnitts begründet ist). Hierzu ordnet Baur in fast schematisch anmutender Weise die drei „Principien“, die in allen gnostischen Systemen vorkommen, nämlich „die Materie, der Demiurg und Christus“ (25), den drei Religionen zu: dem Christentum Christus, dem Judentum den Demiurgen – und schließlich dem Heidentum die Materie. Dies verbindet er mit der valentinianischen Einteilung der Menschheit in drei Klassen (Sarkiker, Psychiker und Pneumatiker), wobei die Christen etwas vorschnell als Pneumatiker eingestuft werden (im eigentlichen Sinne gilt das ja nur für die Gnostiker). Die Zuordnung der Materie zur heidnischen Religion kommt Baur dabei keineswegs als selbstverständlich vor, denn sie wird von ihm recht ausführlich begründet. Bereits die Einleitung, „so kann der heidnischen nur die Materie übrig bleiben“, zeigt, dass sich diese Zuordnung eher aus dem Schema ergibt. Die Verteidigung dieser Zuordnung, derzufolge es „nicht unpassend gefunden werden“ kann, „die Materie als das die heidnische Religion in den gnostischen Systemen repräsentierende Princip anzusehen“ (26), bestätigt diesen Eindruck. Nicht das Heidentum insgesamt wird hier als historische Größe beschrieben, Baur geht es um das, was die 9 Vgl. hierzu besonders M. FRANZ, Tübinger Platonismus. Die gemeinsamen philosophi-
schen Anfangsgründe von Hölderlin, Schelling und Hegel, Tübingen 2012, 21–71 (der aaO., 41–43.70f. auf die Bedeutung der Kirchenvätertexte für Schellings Gnostizismus-Studien hinweist).
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Gnosis als „Heidentum“ aufgefasst und entsprechend zu den eigenen Überlegungen in Beziehung gesetzt hat (vgl. das „repräsentierende Princip“). Damit ist zugleich nicht gesagt, dass das Heidentum eine Einheit bildet (wohl aber, dass die Gnosis einen bestimmten Begriff von Heidentum gehabt hat). Diese Zuordnung ist nicht parataktischer Natur, sondern enthält eine Wertung, in der das Christentum über dem Judentum und dieses über dem Heidentum steht. „So kommt jeder dieser drei Religionen in dem religiösen Entwiklungsprocesse, welchen die Menschheit auf dem ihr von der Religionsgeschichte vorgezeichneten Wege zu durchlaufen hatte, eine eigene Stelle zu“ (28). Der Gnosis zufolge enthält die Religionsgeschichte also einen Fortschritt, die Abfolge der Religionen ist zielgerichtet, entsprechend ist die Zuordnung der drei Religionen als teleologischer Prozess zu denken. Die Art und Weise, wie diese drei Principien und Religionen nun zu einer Religionsphilosophie verbunden werden, geht erneut von dem Prozesshaften aus. Die Grundannahme lautet: „Gott und Welt werden durch die Momente eines Processes vermittelt gedacht, der mehr oder minder den Character eines durch physische Geseze bedingten Naturprocesses an sich trägt“ (29). Dieser, sich gleichsam von selbst abspielende Prozess kann nun auf zwei Weisen gedacht werden, nämlich a) als Evolution, oder b) als Emanation. Ersteres identifiziert Baur als „Standpunct der griechischen Religion“ (30), letzteres als Ansicht, die „den orientalischen Religionssystemen eigen“ ist (30). Hiermit eröffnet sich für Baur die Möglichkeit, die Gnosis zu dem „Buddhaismus“ in Beziehung zu setzen, womit er der damals modernen Beachtung des Buddhismus Rechnung trägt. Baur geht hierauf ausführlicher ein (53–65), um zu zeigen, dass der Grundzug der Religionsphilosophie, die die drei Religionen zueinander in Beziehung setzt, sich besonders dem Heidentum verdankt. Er bezieht sich auf Bohlen, Das alte Indien10, und dann insbesondere auf verschiedene Beiträge von Isaak Jacob Schmidt11. Hintergrund ist u.a. der von Baur kurz zuvor ent10 P. VAN BOHLEN, Das alte Indien, mit besonderer Rüksicht auf Aegypten, 2 Bd.e, Königsberg 1830. 11 Neben der (in Tübingen nicht vorhandenen) Monographie von I.J. SCHMIDT, Ueber die Verwandtschaft der gnostisch-theosophischen Lehren mit den Religionssystemen des orients, vorzügl. dem Buddhaismus, Leipzig 1828 [Nachweis: Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Signatur: Mo 2124] bezieht sich Baur besonders auf zwei Aufsätze (die in Tübingen vorhanden sind): Ueber einige Grundlehren des Buddhaismus. Erste Abhandlung (Gelesen den 9. December 1829), Mémoires de l’Academie Impériale des Sciences de St. Petersbourg. VI. Série. Sciences politiques, Histoire, Philologie Tome I, St. Petersbourg: Imprimerie de l’Académie Impériale des Sciences 1832, 89–120; Zweite Abhandlung (Gelesen den 15. September 1830), aaO., 221–262 [vgl. noch: Ueber die sogenannte Dritte Welt der Buddhaisten, als Fortsetzung der Abhandlungen ueber die Lehren des Buddhaismus, Mémoires de l’Academie impériale des sciences de St. Petersbourg. VI. Série. Sciences politiques, Histo-
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wickelte Vergleich des Manichäismus mit dem Buddhismus12, den er in einer längeren Fußnote (Anm. 27 auf S. 63–65) gegen die Kritik besonders Gieselers verteidigt13. Hatte Baur seinen Vergleich zwischen Manichäismus und Buddhismus dahingehend ausgewertet, dass er auch „auf ein äußeres Verhältnis der Abhängigkeit“14 geschlossen hatte, ist Baur hier durchaus vorsichtiger, denn bei dem Vergleich von Gnosis und Buddhismus „ist es bei der gegebenen Zusammenstellung zunächst keineswegs um die Behauptung eines bestimmten äussern historischen Zusammenhangs zu thun“ (65), er nimmt vielmehr „eine Reihe von Mittelgliedern“ an, die bestimmte Gedanken eher indirekt vermittelt hat. Im Vordergrund steht für Baur vielmehr der Aufweis, dass die Gnosis in ihrem Wesen den „Grundcharacter, welcher der heidnischen Religion überhaupt in allen ihren Hauptformen eigenthümlich ist“ (65) aufweist. Hierfür ist nun der Gedanke der Emanation (im Gegensatz zu dem der Evolution) tragend. Für das Verständnis von Emanation sind drei Aspekte wesentlich: a) Zum einen wird das Aus-sich-Herausgehen des absoluten Gottes als Offenbarung zugleich als „die Genesis des göttlichen Selbstbewußtseyns“ (32) gedacht, also in gewisser Weise anthropomorph. b) Der Begriff der Emanation, der sich insbesondere an der Aeonenlehre festmachen lässt, führt dazu, dass auch jede untergeordnete Stufe der Wirklichkeit in letzter Hinsicht noch von Gott abhängig ist (vgl. 33). c) Der Emanation „muß auf der andern Seite auch wieder das Zurükgehen und Wiederaufgenommenwerden in die Einheit des göttlichen Wesens entsprechen“ (34). Emanation und Rückkehr sind demnach unlösbar miteinander verbunden. Aus der so erfolgten Bestimmung des Begriffes der Gnosis leitet Baur dann Betrachtungen „über ihren Ursprung“ (36) ab. Darin wird eine historische Arbeitsweise deutlich, die aus einer systematisierenden Begriffs- und Wesensbestimmung historische Folgerungen zieht. Zwar leitet Baur seine Begriffsbestimmung selbst aus historischen Details und einer enormen Textkenntnis ab, doch sieht er die Details in den historischen Texten und Ereignisire, Philologie, Tome II, St. Petersbourg: Imprimerie de l’Académie Impériale des Sciences 1834, 1–39]; Ueber die tausend Buddhas einer Weltperiode der Einwohnung oder gleichmäßigen Dauer, Mémoires de l’Academie impériale des sciences de St. Petersbourg. VI. Série. Sciences politiques, Histoire, Philologie, Tome II, St. Petersbourg: Imprimerie de l’Académie Impériale des Sciences 1834, 41–86. Kurz verwiesen wird außerdem auf O. FRANK, VjƗsa. Über Philosophie, Mythologie, Literatur und Sprache der Hindu. Eine Zeitschrift, München/Leipzig I. Bandes I. Heft 1826; I. Bandes II. Heft 1830; I. Bandes III. Heft 1830. 12 F.C. BAUR, Das Manichäische Religionssystem nach den Quellen neu untersucht und entwikelt, Tübingen 1831 (Nachdruck Hildesheim/New York 1973), besonders 433–451. 13 J.C.L. GIESELER, Uebersicht der neuesten kirchenhistorischen Litteratur, ThStKr 6 (1833), 1125–1236 (zu Baur: 1212–1215). 14 BAUR, Das Manichäische Religionssystem (s. Anm. 12), 451.
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sen in gewisser Weise als Ausdruck und Konkretisierung des jeweiligen Wesens an. Entsprechend greift er Neanders Zuordnung der Gnosis zum jüdischhellenistischen Platonismus Philos auf, bleibt dabei aber nicht stehen. Neanders Verhältnisbestimmung von Gnosis und Philo wurde bereits am Anfang der Darstellung ausführlich referiert (12–13). Bei seiner Argumentation, was aus dem Wesen und Begriff der Gnosis für ihren Ursprung zu schlussfolgern ist, setzt auch Baur beim hellenistisch geprägten Judentum ein: „Die ersten Elemente der Gnosis konnten daher nur da sich bilden, wo die jüdische Religion mit der heidnischen Religion und Philosophie in ein solches Verhältnis kam, daß man sich gedrungen fühlte, auf beiden Seiten ein immanentes Princip der Wahrheit anzuerkennen“ (37). Ausdrücklich stimmt er den Beobachtungen Neanders über die Nähe der christlichen Gnosis zu Philo zu. Doch handelt es sich Baur zufolge nicht um eine historisch-kontingente Ableitung, sondern um den Effekt, dass Philo in besonderer Weise seinen Platonismus mit Gedanken der jüdischen Religion verband, so besonders in der Unterscheidung eines höchsten Gottes von seinem Logos und der Gegensatz zwischen Geist und Materie (vgl. 39–41). Bei Philo verbindet sich bereits die Benutzung von historischem Material (eben des Judentums) und einem religionsphilosophischen Grundansatz (vgl. 41). Um das historische, jüdische Mateiral in die eigene Religionsphilosophie einbauen zu können, entwickelte Philo insbesondere das Mittel der Allegorie (vgl. 41). Den Anknüpfungspunkten in der Sophia-Spekulation und alttestamentlichen Weisheitstheologie geht Baur eigens nach (vgl. 41–47). Das Ergebnis, so Baur, war die Bereitschaft, über die Grenzen des eigentlichen Judentums hinauszugehen bzw. das Judentum entscheidend umzudeuten, und genau an dieser Stelle setzt der hinzutretende Einfluss des Christentums ein: „je geneigter man an sich schon war, über die beschränkte Sphäre des gewöhnlichen Judenthums hinauszugehen, mit desto größerem Interesse mußte man eine Religion aufnehmen, die sich selbst als die Ergänzung und Vollendung dessen ankündigte, was das Judenthum noch mangelhaft und unvollendet gelassen hatte“ (48). Durch die Aufnahme christlichen Materials ergab sich eine tiefgreifende Umprägung, die nun „den religiösen Entwiklungsgang der Menschheit in einer Reihe aufeinander folgender Momente als ein zusammenhängendes Ganzes aufzufassen bemüht war“ (49). Hieran wird deutlich, dass die christliche Gnosis die Fortführung und Weiterentwicklung, ja Vollendung eines Phänomens ist, das bereits vor dem Christentum da war. Eine Ableitung aus dem Judentum scheidet für ihn also genauso aus wie eine aus dem Christentum (entsprechend heftig reagierte Baur auf Möhlers kurz zuvor vorgelegte Ableitung aus dem Christentum). Das, was sich aus dem hellenistischen Judentum besonders platonischer Prä-
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gung entwickelt, ist „noch nicht die christliche Gnosis, um aber die Gnosis in ihrem wahren Wesen und Princip aufzufassen, müssen wir, das Wesentliche und minder Wesentliche trennend, in der Entstehung der Gnosis selbst verschiedene Momente unterscheiden. Wenn daher auch die christliche Gnosis die Vollendung der Gnosis ist, so ist doch das christliche Element der Gnosis kein so wesentliches, daß nicht die Gnosis auch ohne dieses Element immer noch Gnosis wäre“ (52). Für Baur ist „der christliche Inhalt der Gnosis nur ein einzelnes, nicht wesentlich nothwendiges Element derselben“ (37). Die christliche Gnosis setzt vielmehr fort, was bereits vorher da war, und zwar die spezifische Verbindung von Judentum und Heidentum, und ergänzt diese Verbindung nun um christliches Material. Eigentlich leitend bleiben dabei aber nicht die „historischen Elemente“ (52) (scil. des Judentums oder des Christentums), sondern der genuin heidnische religionsphilosphische Ansatz. Leitend ist dabei der religionsphilosophische Grundansatz, der sich „über die Religionsgeschichte“ (52) stellt. Entscheidend ist dabei die Auffassung von Gott, der nun – vom heidnisch-religionsphilosophischen Standpunkt aus – als Grundprinzip aufgefasst wird, das sich gleichsam notwendig emaniert und zu sich zurückkehrt – im Unterschied zu einem personal gedachten, mit Willen ausgestatteten Gott. „Denn nichts anderes greift so tief in das Wesen dieser Religionen ein, als der Unterschied zwischen einem,in freier ethischer Persönlichkeit über der Materie und der Welt stehenden, die Welt nur durch eine freie Willensthat sezenden Gott, und einem solchen, welcher in den Gegensaz zwischen Geist und Materie so hineingestellt ist, daß er ohne denselben gar nicht gedacht werden kann“ (52–53). Dieser eigentlich unchristliche, heidnische Grundansatz im Gottesbegriff erklärt auch die innere Verwandtschaft der Gnosis mit heidnischen Religionen, dem Zoroastrismus etwa oder dem Buddhismus, auf den Baur genauer eingeht (vgl. oben). Damit wird deutlich, dass Baurs Beschreibung der christlichen Gnosis zugleich zutiefst ambivalent ist. Zum einen ist die christliche Gnosis eine Religionsphilosophie, die in der Lage ist, eine umfassende Sicht der Religionsgeschichte zu geben und diese vom inhaltlichen Kern her zu entwickeln. Zum anderen zeigt sich aber gerade in diesem Ansatz etwas an sich Unchristliches, weil sie die freie ethische Persönlichkeit Gottes eliminiert. Die hiermit verbundene Einschätzung eines genuin heidnischen Grundzuges der Gnosis wird nicht nur für die Einteilung der Hauptformen der christlichen Gnosis entscheidend, sondern auch für die Verfolgung der Gnosis in der christlichen Geistesgeschichte. Zugleich deutet sich als Aufgabe einer christlichen Religionsphilosophie ab (wie Baur es für die Gegenwart im 19. Jh. sieht), sich aus dem Ansatz der antiken christlichen Gnosis herauszuarbeiten, und zwar, indem der Gottesbegriff nicht mehr durch den Gegensatz zwischen Geist und Materie mit der Religionsgeschichte verknüpft wird.
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Für die Einteilung der gnostischen Systeme wird die Verhältnisbestimmung von Heidentum, Judentum und Christentum entscheidend. Er lehnt dabei die bisherigen Einteilungen als „höchst schwankend, unsicher und willkhürlich“ (105) ab, wobei er einzelnen Momenten der vorgelegten Einteilungen durchaus ein gewisses Wahrheitsmoment zumisst. Die Neander’sche Einteilung in antijüdische und judaisierende bzw. an das Judentum anknüpfende Gnostiker (hinzu kommen dann noch eklektische Systeme) macht zumindest das innere Verhältnis zwischen Christentum und Judentum geltend (allerdings ohne das Heidentum angemessen zu berücksichtigen). Die Einteilung in eine ägyptische, eine syrische und eine kleinasiatisch-italische (gemeint ist besonders Marcion) durch Gieseler und Matter (vgl. 105–106) sieht Baur als „eine rein äußerliche Betrachtungsweise“ an, „die für jeden, der diese ganze Erscheinung nach ihrem tiefern Zusammenhang auffassen will, zu unbefriedigend ist, als daß man dabei stehen bleiben könnte“ (106). Dies zeigt sich bereits darin, dass der äußerlichen Einteilung in Länder doch noch inhaltliche Charakteristika untergeschoben werden, die die äußerliche Einteilung auch inhaltlich stützen soll (vgl. 106–107). In diesem Sinne ist die Beachtung des unterschiedlichen Dualismus zwischen ägyptischen und syrischen Gnostikern durchaus sinnvoll, allerdings ist sie als grundlegendes Einteilungsprinzip ungeeignet, weil sich dann Cerdon und Marcion nicht mit demselben Prinzip einteilen bzw. zuordnen lassen (vgl. 107). Dem stellt Baur seine eigene Einteilung gegenüber, die „das Verhältnis“, „in das die drei Religionsformen, mit welchen die gnostischen Systeme es zu tun haben, zu einander traten“ (114). Dabei ergibt sich zunächst eine Einteilung in „zwei Hauptformen des Gnosticismus“ (114), nämlich ob das Verhältnis zwischen dem Christentum einerseits und dem Judentum und dem Heidentum andererseits eher „ein mehr annäherndes Verhältnis“ ist oder „ein mehr abstoßendes“ (114). Ersteres setzt Baur für die Großzahl der gnostischen Systeme an (besonders Valentin), letzteres für Marcion. Dabei sind nun noch zwei Zwischenformen denkbar, die Baur aus seiner begrifflichen Bestimmung ableitet und für die er historische Repräsentanten sucht, nämlich, dass die Distanz des Christentums sich nicht auf Judentum und Heidentum in gleicher Weise bezieht, sondern das Christentum entweder an das Judentum anlehnt (und entsprechend das Heidentum abstößt) oder umgekehrt sich an das Heidentum anlehnt (und entsprechend das Judentum abstößt)15. Daraus
15 Diese Einteilung hatte Baur bereits 1828 entwickelt, vgl. F.C BAUR, Selbstanzeige von: Primae rationalismi et supranaturalismi historiae capita potiora. Pars I. De Gnosticorum Christianismo ideali, Tübingen 1827, 34, Anm. 14 (vgl. TZTh1 [1828], 220–264, 263). Vgl. G. FRAEDRICH, Ferdinand Christian Baur, der Begründer der Tübinger Schule, als Theologe, Schriftsteller und Charakter, Gotha 1909, 109.
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ergibt sich die folgende Systematik, wobei die Konkretisierungen bereits mitnotiert sind: Christentum knüpft an Judentum und Heidentum an. (Valentin, Basilides, Ophiten = 1. Hauptform) Christentum knüpft an Heidentum an und lehnt Judentum ab. (löst sich in Philosophie auf, nicht existent, vgl. aber Manichäismus)
Christentum knüpft an Judentum an und lehnt Heidentum ab. (Pseudoclementinen = 3. Hauptform) Christentum lehnt Judentum und Heidentum ab (Marcion = 2. Hauptform)
Dass Baur auch hier von der Begriffsbildung ausgeht, zeigt sich deutlich, wenn er sagt: „Man müßte sich in der That wundern, wenn bei der so reichen Producitivität des Gnosticismus diese Form (scil. die 3. Hauptform), die sich der allgemeinen Betrachtung als eine mögliche darstellt, nicht auch wirklich zum Vorschein gekommen wäre“ (116). Entsprechend dankbar verweist Baur auf die Pseudoklementinen, in denen er exakt die (so weit möglich erfolgende) Identifikation des Christentums mit dem Heidentum als Grundlage des gnostischen Systems findet16. Entsprechend muss Baur nun noch erklären, wieso er für die verbleibende Form keinen Repräsentanten benennen kann. Dies erklärt Baur damit, dass dann, wenn das Christentum mit dem Heidentum identifiziert wird, „das Christliche in seinem eigenthümlichen Werth“ (118) nicht mehr wichtig wird, es sich also um einen „völligen Indifferentismus“ (im Hinblick auf die Religion) handelt. Dadurch aber tritt ein solches Denken (für das man Karpokrates oder Epiphanes namhaft machen könnte) „nicht blos aus dem Gebiete der christlichen Gnosis, sondern überhaupt der eigentlichen Gnosis“ (118) heraus. Das Christentum „auf gleiche Linie mit dem Heidentum herabzusezen“ (119), widerspricht der Eigenart des Christentums. Somit kommt Baur von seiner „allgemeinen Betrachtung“ (118) des Begriffs und Wesens der Gnosis zu seiner dann in der materialen Durchführung bestimmenden Einteilung in drei Hauptformen.
16 NEANDER, Genetische Entwickelung (s. Anm. 3), 361–421, hatte in einer Beilage auf die Pseudoklementinen hingewiesen, allerdings nur als „Beitrag zur Geschichte der Ebioniten“ (so der Untertitel der Beilage bei NEANDER, aaO., 361, vgl. BAUR, Gnosis [s. Anm. 1], 117), vgl. zur Bedeutung von dieser Beilage für Baurs Verständnis von Gnosis FRAEDRICH, Baur (s. Anm. 15), 109.
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2. Die Beschreibung der Konzeptionen von Schelling, Schleiermacher und Hegel als Gnosis Der zweite Teil von Baurs Monographie verfolgt den Gedanken, dass die neuere Religionsphilosophie an sich eine Art neuere Gnosis sind. Hierzu stellt Baur die Gedanken von Schelling, Schleiermacher und Hegel dar. Dem stellt er eine Darstellung von Böhmes Denken voran. Am Anfang des zweiten Teils steht ein gut zehnseitiges Scharnierstück, das für die Gesamteinschätzung des Projekts nicht unwesentlich ist. Baur entwickelt zwei Gedanken, nämlich zum einen, dass gnostische oder manichäische Gedanken aufgrund des Systems Augustins im Mittelalter keinen größeren Erfolg zeitigen konnten, zum anderen, dass im Protestantismus eine Grundfrage der Gnosis in modifizierter Weise aufgenommen ist. In dem Verlauf der Darstellung soll der Abschnitt u.a. erklären, wieso im Anschluss an die Darstellung spätantiker Denker und Texte mit Böhme erst wieder ein Denker der Frühen Neuzeit zur Sprache kommt. Zugleich bereitet Baur hier seine eigene Sicht auf Schelling, Schleiermacher und Hegel vor. Den Manichäismus unterscheidet Baur (wie er es schon in seiner Darstellung des Manichäismus getan hatte) von der Gnosis, stellt aber verschiedene Konvergenzen und Parallelen fest. Entscheidender Grundzug des Manichäismus ist, dass „an die Stelle des Christenthums eigentlich geradezu das Heidenthum gesezt ist“ (546). In einer längeren Anmerkung vergleicht er dies mit der Identifikation von Christentum und Judentum in den Pseudoklementinen und verweist ausdrücklich auf die (auf den S.114–118 entwickelte) Systematisierung. Die dort getroffene Aussage, dass die Identifikation von Christentum und Heidentum in Abgrenzung vom Judentum in der Gnosis nicht existiere (weil das eben dem Christentum wesensfremd wäre), modifiziert er nun leicht. Sehr wohl kann man den Manichäismus mit der Gnosis unter den Begriff des Gnosticismus fassen (und ihn dann entsprechend einordnen), der eigentliche „Begriff der christlichen Gnosis“ (547 Anm.) kann jedoch nicht mehr auf den Manichäismus angewandt werden, weil Mani nur versucht habe, „seinem nach Inhalt und Character wesentlich heidnischen Religionssystem eine christliche Farbe zu leihen“ (546 Anm.). Die Abwehr Augustins sticht nun dadurch hervor, dass sie die Ursünde als heilsgeschichtliches Datum entwickelt und so „das ganze Leben der Menschen, wie in den Gegensaz von Sünde und Gnade, so auch in den Gegensaz von Irrthum und Wahrheit, von Gebundenheit und Freiheit sich theilt“ (549). Damit ist der Betonung der Willensfreiheit durch die antignostischen Kirchenväter eine besondere Spitze gegeben, die in der Folgezeit prägend werden sollte (vgl. 549). Im Mittelalter ging die Auseinandersetzung mit dem Heidentum und dem Judentum insgesamt zurück, so dass man „in der Stabilität des Dogmas“ (550) lebte.
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Erst durch die Reformation änderte sich dies erneut. Hier weist Baur auf zwei Dinge hin: a) den Antinomismus der Reformation, der mit dem der Gnosis zu vergleichen ist (vgl. 551–552). Beidem liegt „ein tieferes Bewußtseyn des Bösen“ (553) zugrunde, besonders aber zielt b) der Protestantismus darauf, „die wahre Vermittlung für das Bewußtseyn der Erlösung in seinem Glauben zu gewinnen“ (553). Die Wahrheit kann nur bewußt werden, wenn „man sich auch ihrer Vermittlung bewußt wird“. Daraus folgt, dass man „denselben Vermittlungsproceß, welchem das religiöse Leben des Einzelnen unterworfen ist, auch als den Gesichtspunkt anzuerkennen [hat], von welchem aus der Entwicklungsgang des religiösen Geistes in der Religionsgeschichte zu betrachten ist“ (554). Baur greift hier zurück auf seine Veröffentlichung „Der Gegensatz des Katholicismus und Protestantismus“, in der er sich u.a. mit der von Möhler vertretenen These, „der Protestantismus sey seinem wesentlichen Character nach nichts anders, als eine Erneuerung des alten Gnosticismus“ (552), auseinandersetzt.17 Der zugleich geschichtliche wie individuelle Vermittlungsprozess als Erkenntnisbedingung der Wahrheit ist für Baur gerade eine Stärke des Protestantismus, der ihn mit der Gnosis (scil. und der neueren Religionsphilosophie) verbindet. Allerdings unterscheidet sich der Protestantismus zugleich auch an zentraler Stelle von der Gnosis: „Der wesentliche Unterschied der religiösen Weltansicht des Gnosticismus und Protestantismus aber muß immer darin erkannt werden, daß der höchste Gegensaz, auf welchen der Protestantismus zurükgeht, nur der ethische der Erwählung und Verwerfung, der Gnade und der Sünde, des Geistes und des Fleiches seyn kann, nicht aber der metaphysische oder naturphilosophische des Geistes und der Materie, der Gottheit und der Welt, des Absoluten und des Endlichen“ (555). In diesem überleitenden Abschnitt wird deutlich, in welcher Richtung Baur sich eine Aufnahme des Anliegens der Gnosis wünscht, zugleich aber modifiziert wissen will. Diese Modifikation trägt eine deutliche konfessionelle Ausrichtung, die mit der eigenen Betrachtung des Protestantismus konvergiert. Entscheidend ist der Prozess der Vermittlung, der nun in besonderer Weise auf den Gegensatz von Gnade und Sünde, Erwählung und Verwerfung bezogen werden soll. Das dadurch entstehende Problem der Zurückführung von Erwählung und Verwerfung auf Gott wird hier nicht weiter thematisiert. Zunächst einmal wird nur die rein ethische Unterscheidung zwischen Erwählten und Verworfenen der metaphysischen Unterscheidung zwischen Geist und Materie gegenübergestellt (der eine Unterscheidung verschiedener Menschenklassen wie im Valentinianismus entspricht). Hierin konvergiert der Hinweis 17 Zusätzlich verweist Baur noch auf T. MOORE, Travels of an Irish Gentlemen in Search of a Religion, London 1833.
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auf die Erbsündenlehre Augustins mit dem Verweis auf das tiefere „Bewußtseyn des Bösen“ (553) im Protestantismus. Entscheidend ist jedoch die gemeinsame Methodik von Wahrheit und Vermittlung, die Baur indirekt befürwortet. Damit ist zugleich eine umfassende Geschichts- und Erkenntnisphilosophie gegeben, die bei der Besprechung von Schelling, besonders aber von Schleiermacher und Hegel leitend wird. Schelling bespricht Baur überraschend kurz, wesentlich kürzer als Böhme, Schleiermacher und Hegel. Nur 15 Seiten stellen den Ansatz der Freiheitsschrift Schellings dar18. In der Perspektive Baurs ist der Entwurf der Freiheitsschrift nur „eine wissenschaftliche Verarbeitung und Durchbildung der Ideen [...], die Böhme aus der mystischen Tiefe seines reichen Geistes zunächst als rohes Material zu Tage gefördert hat“ (611). Es lässt sich sogar sagen, dass „Schelling nur ergänzt, was Böhme noch unvollendet gelassen hat“ (619). Schellings Ansatz wird so vorgestellt, dass zugleich die Kritik an seinem Denken deutlich wird. Bereits die Überschrift „Schelling’s Naturphilosophie“ verweist auf den Vorwurf, dass Schelling Gott gleichsam einem Naturprozess unterwirft. Es wird „Gott denselben Gesezen einer zeitlichen Entwiklung unterworfen, unter welchen jedes Naturwesen steht“ (623). Grundlage ist dabei eine besondere Fassung des Dualismus, eine Hineinverlagerung zweier Principien in Gott. Durch den Gedanken des Grundes in Gott wird Schelling aber, so Baurs kritische Darstellung, das Problem des Dualismus deswegen nicht los, weil der Wille des Grundes (als „Sehnsucht des Einen, sich selbst zu gebären“ [612]) sich von dem Willen der Liebe, „durch den Gott sich selbst persönlich macht“ (612) unterscheidet. Zwar muss die Liebe die Überhand gewinnen, „damit eine Offenbarung sey“ (612), doch wird die Differenz zwischen der Sehnsucht des Grundes und dem Willen der Liebe zur entscheidenden Dynamik des göttlichen Lebens. „In diesem göttlichen Lebensproceß ist auch nach Schelling der lebendige Mittelpunct, um welchen sich der Gegensaz bewegt, der Mensch“ (613). Genauer entspricht dem Willen der Liebe das Gute, und dem Willen des Grundes der Eigenwille, auf den das Böse zurückgeht (vgl. 614). Der Vorwurf des nicht überwundenen Dualismus durchzieht denn auch die weitere Darstellung. Um Schellings Ansatz mit der Gnosis zu vergleichen, entwickelt Baur zwei Gedankengänge: 1. Es gibt dieselbe Abfolge von Gott an sich, der Ausbrei18 Baur benutzt F.W.J. SCHELLING, Philosophische Schriften. Erster Band, Landshut 1809, aaO., 397–511: „Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände“ (vgl. BAUR, Gnosis [s. Anm.1], 611). Vgl. in der Münchener Ausgabe: Schellings Werke. Nach der Originalausgabe in neuer Anordnung herausgegeben von Manfred Schröter. Vierter Hauptband. Schriften zur Philosophie der Freiheit 1804–1815, München 1927, 223–307 (Freiheitsschrift) und 395–511 („Denkmal der Schrift von den göttlichen Dingen“).
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tung Gottes (in der Welt oder Schöpfung, in der sich der Grund und der Wille der Liebe gleichsam entfalten), und schließlich einen „Wendepunct, in welchem der aus seinem An-sich-seyn in die Besonderheit des Seyns, die Welt, die Natur herausgetretene Geist sich gleichsam sammelt und concentrirt, um zu sich zu kommen“ (618), was im Menschen geschieht. Diese Abfolge ist mit den Denksystemen der alten Gnosis durchaus vergleichbar. 2. Die Momente werden in Beziehung zur Religionsgeschichte gesetzt. Genauer wird das Heidentum mit dem Willen bzw. der Sehnsucht des Grundes verbunden, der Wille der Liebe und Offenbarung mit dem Christentum. Das Judentum wird nur nachträglich eingebunden, als Ahnung dessen, was im Christentum geschehen wird (vgl. 621). Mit diesen beiden Momenten hat Baur den gnostischen Charakter des Schelling’schen Ansatzes doppelt herausgestellt, denn auf der einen Seite wird deutlich, dass das Absolute nur erkannt werden kann durch die Vermittlung des Gegenstandes des Wissens: „Das Wissen ist nur insofern ein absolutes, sofern es sich seiner Vermittlung bewußt ist, dieser Vermittlung kann es sich aber nur dadurch bewußt werden, daß das Object des Wissens selbst, das Absolute, nach den verschiedenen Momenten, in die es, um sich mit sich selbst zu vermitteln, auseinander geht, erkannt wird“ (616). Diese Vermittlung wird aber nicht zuletzt als geschichtliche gedacht: „Dasselbe Verhältniß, in welchem die beiden Principien, speculativ betrachtet, zu einander stehen, stellt sich auch in der Geschichte dar“ (619). Dass damit eine insuffiziente Sicht der Wahrheitsvermittlung in der Geschichte vorgelegt worden ist, zeigt sich in Baurs Darstellung besonders darin, dass er an das Ende des Abschnittes über Schelling schlichtweg zwei Schellingkritiker stellt und ausführlich zitiert19, die Schellingkritik also nicht einmal selbst formuliert und vorträgt, bevor er abschließend festhält: „Nach den Principien des Systems [scil. von Schelling] ist dieser Dualismus [scil. zwischen dem Alleinwirken des Grundes und Gott] allerdings nur scheinbar, aber auch schon der Schein eines solchen Dualismus ist, wie bei J. Böhme, zu groß“ (626). In diesem „zu groß“ kommt Baurs Kritik an Schellings Philosophie konzentriert zum Ausdruck20. Den eigentlichen Zielpunkt des zweiten Teils erreicht Baur mit der Gegenüberstellung von Schleiermacher und Hegel. Die Dialektik von Betonung der Subjektivität bei Schleiermacher und der Objektivität bei Hegel führt Baur zu 19 Es handelt sich um F.G. SÜSKIND, Prüfung der Schellingischen Lehren von Gott, Weltschöpfung, Freyheit, moralischem Guten und Bösen, Magazin für christliche Dogmatik und Moral 17 (1812), 1–164 und G.F. BOCKSHAMMER, Die Freyheit des menschlichen Willens, Stuttgart 1821. 20 Zur Prägung des frühen Baur durch Schelling vgl. F.W. GRAF, Ferdinand Christian Baur (1792–1860), in: H. Fries/G. Kretschmar (Hg.), Klassiker der Theologie, Zweiter Band: Von Richard Simon bis Dietrich Bonhoeffer, München 1983, 89–110, 94.
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grundlegenden Erwägungen über die Aufgabe der Religionsphilosophie, mehr noch: der wissenschaftlichen Durchdringung von Religion überhaupt. Erst durch das Gegenüber dieser beiden Ansätze ist „der Religions-Philosophie die höhere selbstständige Bedeutung [...], die ihr nun nicht mehr abgesprochen werden kann “ (668) zugekommen. Diese höhere selbständige Bedeutung der Religionsphilosophie liegt darin, dass „der dem Christentum unläugbar zukommende Begriff der absoluten Religion einer wissenschaftlichen Rechtfertigung fähig seyn soll“ (669). Hinter Schleiermacher und Hegel kann man also nicht zurück. Im Vergleich mit ihnen erscheint „jeder andere mögliche Standpunct als ein mehr oder minder untergeordneter“ (669). Allerdings ist das Gegenüber von Schleiermacher und Hegel nicht einfach ein Wechselspiel, vielmehr ist von Schleiermacher zu Hegel überzugehen. „Enthält der Schleiermacher’sche Standpunct der Subjectivität, dieser Standpunct eines absoluten Abhängigkeitsgefühls, ohne ein Absolutes mit einem objectiven Inhalt, von selbst die Nöthigung in sich, in den Hegel’schen Standpunct der Objectivität überzugehen, so muß dagegen auch wieder zugegeben werden, daß dieser Uebergang von keinem Puncte aus auf eine nähere und unmittelbarere Weise geschehen kann, als vom Standpuncte der Schleiermacher’schen Glaubenslehre aus“ (668–669). Die Einordnung von Schleiermachers Glaubenslehre21 in die Geschichte der christlichen Gnosis knüpft an Baurs ältere Kritik an Schleiermacher an, geht aber insofern hier neue Wege, als sich Baur in seiner Gnosisdarstellung auf die Entleerung des Gottesbegriffes und die Christologie konzentriert. Im Gesamtduktus der Baur’schen Darstellung wird sie zu einem essentiellen Bestandteil der geschichtlichen Wahrheitsvermittlung, eine gleichsam notwendige, wenn auch einseitige und noch unvollkommene Entwicklungsstufe. Dar21 BAUR, Gnosis (s. Anm. 1), 634 nennt „die vorsichtige Hand, die in der zweiten Ausgabe über dieses Werk gegangen ist“, kennt also beide Ausgaben: F. SCHLEIERMACHER, Der
christliche Glaube nach den Grundsäzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, 2 Bände, Berlin 1821.1822; DERS., Der christliche Glaube nach den Grundsäzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Zweite, umgearbeitete Ausgabe, 2 Bände, Berlin: Reimer 1830.1831. Zur (anfänglichen) Begeisterung für Schleiermachers Glaubenslehre vgl. GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 20), 94f. Baur zitiert in der Gnosisdarstellung nach der zweiten Ausgabe. Vgl. die modernen kritischen Ausgaben: F.D.E. SCHLEIERMACHER, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (1821/1822), Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe, Erste Abteilung, Band 7. Teilbände 1–2, hg. von H. Peiter. Teilband 3. Marginalien und Anhang unter Verwendung vorbereitender Arbeiten von H. Gerdes und H. Peiter hg. von U. Barth, Berlin/New York 1980.1984; bzw. F.D.E. SCHLEIERMACHER, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Zweite Auflage (1830/1831), Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe Erste Abteilung, Band 13. Teilbände 1-2, hg. von R. Schäfer, Berlin/New York 2003.
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stellung und Kritik laufen daher auch hier unmittelbar zusammen22. Zunächst hält Baur als Grundansatz der Schleiermacher’schen Glaubenslehre, in dem er mit der Gnosis methodisch übereinstimmt, fest: „Der absolute Begriff der Religion wird nur dadurch gewonnen, daß man sich der Momente seiner Vermittlung bewußt wird“ (627). Im Gegensatz zu Schelling nimmt Schleiermacher nun jedoch nicht an, „daß das Absolute selbst sich nicht mit sich selbst vermittle“, sondern ordnet „alles vermittelnde nur dem Standpunct des erkennenden Subjects“ zu. Dadurch, so der zentrale Einwand Baurs gegen Schleiermacher, wird aber die Idee Gottes selbst gleichsam „entleert“. Alle konkreten Bestimmungen werden nur über die Subjektivität gemacht. Somit wird der „Gottesbegriff eine bloße Abstraction, der abstracte Inbegriff aller jener Beziehungen, die vom absoluten Abhängigkeitsgefühl aus in den Begriff einer absoluten Causalität zusammenlaufen“ (628). Daraus ergeben sich vier Probleme: a) „Von einem Anfang der Welt und einer Weltschöpfung kan daher auf diesem Standpuncte nicht die Rede sein“ (629), weil das Verhältnis Gottes zur Welt nicht von Gott aus konstruiert wird (etwa als eine Tätigkeit im Unterschied zum Ruhen Gottes), sondern das Abhängigkeitsgefühl wird nur “auf das gesammte endliche Seyn übertragen“ (629). b) „Ebenso wenig kann durch die Sünde ein Unterschied oder Gegensaz irgend einer Art in Gott gesezt seyn“ (629), denn das würde bedeuten, dass es auch für Gott die Notwendigkeit einer Vermittlung gäbe. Baur führt diesen Gedanken nicht weiter aus. Gedacht ist daran, dass die Sünde nur eine Begrenzung der Realisierung der Abhängigkeit von Gott als absoluter Kausa22 Dass Schleiermacher Baurs Vergleich seiner Glaubenslehre mit dem Gnostizismus zur Kenntnis genommen hat, zeigt schon Marginalie 595 in Schleiermachers Handexemplar der ersten Ausgabe, vgl. Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe. Erste Abteilung, Band 7. Teilband 3 (wie oben in dieser Anm.) Marginalie 595 (S. 107 und dazu die auszugsweisen Editionen von F.C. BAUR, Primae rationalismis et supranaturalismi historicae capita potiora. Pars II in qua comparatur Gnosticismus cum Schleiermacherianae theologiae indole [Festum Paschale Anno MDCCCXXVII [...] indicit Facultatis Evangelico-Theologicae collegium, daher: sog. Osterprogramm], Tübingen 1827; und von F.C. BAUR, Selbstanzeige von: Primae rationalismi et supranaturalismi historicae capita potiora, in: TZTh 1 [1828], 220–264 im Anhang aaO., 243–277). In letzterer gliedert Baur seinen Vergleich Schleiermachers mit dem Gnostizismus übersichtlich in fünf Punkte: 1. Ausgangspunkt ist das religiöse Gefühl, das sich auf Sünde und Erlösung bezieht, 2. Der ideale, urbildliche Christus wird über den historischen gestellt, 3. Gott wird nach Analogie des menschlichen Bewußtseins als ein sich entwickelnder dargestellt, 4. Die Willensfreiheit wird aufgehoben oder zumindest stark eingeschränkt, 5. Beide Systeme sind im Grundzug idealistisch (vgl. Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe. Erste Abteilung, Band 7. Teilband 3, 274–277). Vgl. sodann Schleiermacher, Friedrich: Dr. Schleiermacher über seine Glaubenslehre, an Dr. Lücke. Zweites Sendschreiben, ThStKr 2 (1829), (481–532) 505–507.514–515. Schleiermacher hat Tübingen 1830 besucht und auch Baur getroffen, vgl. FRAEDRICH, Baur (s. Anm. 15), 77; GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 20), 95 mit Anm. 13.
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lität ist, so dass sie nur von der Erlösung her gedacht werden kann. Ort dieser Realisierung ist das Bewusstsein, nicht Gott, so dass die Sünde nur eine vorübergehende Erscheinung im subjektiven Bewusstsein im Unterschied zur Erlösung ist – nicht aber ein Gegensatz, der auf Gott zurückgeführt werden könnte. c) Es wird „auch jeder der Trinitätslehre entsprechende Unterschied des göttlichen Wesens geläugnet“ (630), denn: „Die Voraussezung von einer ewigen Sonderung im höchsten Wesen ist keine Aussage über ein frommes Selbstbewußtseyn“ (630). Schließlich ist d) „Christus die vollendete Schöpfung der menschlichen Natur ebendadurch, daß in ihm das im Selbstbewußtseyn mitgesezte Gottesbewußtseyn ein schlechthin kräftiges war“ (631). Die göttliche Seite in Christus ist nur vom Selbstbewußtseyn aus denkbar, also als besonderes Abhängigkeitsgefühl beschreibbar, das „die absolute göttliche Causalität“ (631) voraussetzt. Zusammenfassend hält Baur fest: „So sehr schließt diese Ansicht alles aus, was einen objectiven Unterschied im Wesen Gottes selbst voraussezte“ (631). Die Vermittlung des Absoluten erfolgt also nicht durch vermittelnde Momente in Gott selbst, sondern „nur durch genaue Unterscheidung und Bestimmung der verschiedenen Formen, die das Abhängigkeitsgefühl annimmt und durchläuft, bis es auf der höchten Stufe seiner Entwicklung sich zum christlichen gestaltet“ (633). Diesen geschichtlichen Vermittlungsprozess stellt Baur anschließend kurz dar. Über den Polytheismus, den Monotheismus, der „noch eine polytheistische Form“ hat (also das klassische Heidentum der Griechen), den jüdischen Monotheismus gelangt das Gottesbewusstsein schließlich zum Christentum. Es steht fest, dass „das absolute Abhängigkeitsgefühl erst im Christenthum, als der absoluten Religion, vollkommen realisirt“ (635) ist. Dabei ist auch im Christentum das Abhängigkeitsgefühl nicht unvermittelt gegeben, sondern erhebt sich erst als zweite Stufe über einer ersten, noch nicht spezifischen auf den Gegensatz von Sünde und Erlösung bezogenen Stufe. Diese Stufe bezieht sich auf „das Bewußtseyn des allgemeinen Naturzusammenhangs“, also ein Weltbewußtseyn“ (637), auf das sich das christliche Abhängigkeitsgefühl zunächst bezieht, bevor es „auf den eigentlichen Inhalt des christlichen Bewußtseyns“ (637) übergeht, „den Gegensaz der Sünde und Erlösung“ (637). Spezifisch christlich ist dieser Gegensatz, weil das Christentum „die Religion der Erlösung, oder Christus der Erlöser ist“ (637). Genau diese aus dem Bewusstseinsprozess abgeleitete Konstruktion des Erlöserbegriffs wird nun aber zum zentralen Einwand Baurs gegen Schleiermacher. Denn Baur diagnostiziert bei Schleiermacher eine unüberlegte Identifikation von ideellem Erlöser und historischem Jesus. Er fragt, „mit welchem Rechte die Person Jesu von Nazareth mit dem Erlöser so identificirt wird, daß dieselben Begriffe, mit welchen der Erlöser gedacht werden muß, auch als Eigenschaften Jesu von Nazareth anzusehen sind“ (638). Hierin liegt
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nicht nur eine Nähe zu den gnostischen Konzepten, die eine „Trennung [...] zwischen Christus und Jesus annahmen“ (639), sondern auch ein methodisches Manko in Schleiermachers Konzeption. Denn Schleiermacher kann weder die Einheit von Göttlichem und Menschlichem in Christus richtig darlegen noch aufweisen, inwiefern Christus sich grundlegend von allen anderen Menschen unterscheidet. Zum einen „ist es überhaupt nur die Religionsphilosophie, die dem Christenthum die Würde und Bedeutung, die es als die absolute Religion hat, zuerkennt und sicherstellt“ (638)23, konkret im Bereich der Christologie ist nur die religionsphilosophische Konstruktion der Erlösergestalt, der ideelle Christus, entscheidend (vgl. 638). Zum anderen zweckt „die ganze Behandlung des Geschichtlichen in dem Erlöser dahin, ihn den übrigen Menschen gleichzustellen“ (639); entsprechend unwichtig sind die Wunder „wie die übernatürliche Erzeugung, die Auferstehung, die Himmelfahrt, die Wiederkunft zum Gericht“ (639–640). Dadurch hat sich Schleiermacher in einen Widerspruch verwickelt, denn einerseits postuliert er die Realisierung des Urbildes in dem historischen Jesus (und setzt für diesen eine „specifische Dignität“ [642] an), zum anderen ist, weil das Göttliche in Christus nur als Sonderfall des Abhängigkeitsgefühls beschrieben werden kann, Christus letztlich mit den Menschen gleich, der Unterschied ist „auch wieder nur ein gradueller“ (642). „Ich bin weit entfernt, der Schleiermacher’schen Glaubenslehre zum Vorwurf zu machen, was die Natur der Sache nicht anders mit sich bringt“ (640– 641). Mit diesem zwischendurch eingestreuten Satz lässt Baur durchblicken, dass er keineswegs die Unterscheidung zwischen ideellem Erlöser bzw. dem Urbild und dem historischen Jesus als solche ablehnt. Er findet nur, dass Schleiermacher diese beiden Aspekte nicht sauber dialektisch aufeinander bezieht, sondern vorschnell und unbegründet identifiziert24. Entsprechend dient die weitere Darstellung dazu, Baurs eigene Konzeption der Frage zu erläutern, wie sich Urbild bzw. Idee und Geschichte bzw. Realisierung zueinander verhalten. Die Argumente Schleiermachers für diese Identifizierung lehnt er dabei ab. Weder lässt sich postulieren, dass man die Annahme ausschließen müsse, „das Menschengeschlecht werde noch einmal, wenn auch nur in seinen Edelsten und Trefflichsten, über Christum hinausgehen“ (644– 645), noch kann man darauf verweisen, dass die „Productivität“ (645), die man bei Christus annehmen muss, dass er nämlich in der Lage ist „jede mögliche Steigerung in der Gesammtheit zu bewirken“ (645), nur mit dem Begriff des Urbildlichen adäquat ausgedrückt ist. Und schließlich kann man die Ge23 Vgl. GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 2) 158. 24 Vgl. P.C. HODGSON, The Formation of Historical Theology. A Study of Ferdinand
Christian Baur, New York 1966, 48f.
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stalt Christi auch nicht auf eine Entwicklung in der Menschheit zurückführen, da die insgesamt der Sünde anheimgefallene Menschheit nicht das Urbild erzeugen konnte (vgl. 653). Hiergegen hält Baur nun zunächst fest, dass bei Gott sich nicht zwischen dem Begriff und dem „Seyn“ unterscheiden lässt. Mit „Seyn“ ist hier der gestaltete, mit Eigenschaften ausgestattete Vollzug bzw. die Realisierung gemeint. Es ergibt sich also bei Gott eine unauflösbare Identifikation von Begriff, Sein und Existenz, die für alles Absolute anzusetzen ist, also auch für das Urbildliche. „Ist im Urbildlichen Begriff und Seyn identisch, so kann nichts zu ihm hinzukommen“ (646). „Der urbildliche Mensch, oder der Gottmensch, hat seine objective Realität in seinem Begriff“ (646), diese darf gerade nicht mit einer historischen Erscheinung begründet werden, denn dann würde sie zu einer subjectiven Auffassung oder Bewertung. Zugleich ist aber festzuhalten, dass der Erkenntnisweg, die Wahrheit dieses Begriffes und seine objektive Realität anzuerkennen, historisch vermittelt wurde, und zwar nicht zeitlos in jedem Individuum aufs neue, sondern in einer bestimmten Erfahrung, und zwar „eine durch die religiöse Gemeinschaft, welcher der Einzelne angehört, bestimmte“ (654). „Man wird daher immer wieder auf einen historischen Anfangspunct zurükgeführt“ (654). Die Lösung ergibt sich für Baur also nicht durch eine rasche Identifikation von ideellem und historischem Jesus (was er als Schleiermachers Kardinalfehler ansieht), sondern als dialektisches Aufeinanderbeziehen. Man muss annehmen, „daß die Idee der Urbildlichkeit ihre Wahrheit zwar nicht in der historischen Erscheinung [...], sondern nur in sich selbst hat [...], daß sie uns aber auch nicht anders, als durch die Vermittlung jener historischen Erscheinung zum Bewußtseyn kommen kann“ (655). Der historische Jesus ist, so könnte man sagen, der Erkenntniskontext, aus dem sich die Anerkennung der Wahrheit des ideellen Erlösers ergibt – ohne dass der Wahrheitsgehalt dieses Begriffes empirisch (oder durch Wunder) aufgewiesen werden könnte. Damit hat Baur zugleich eine grundlegende Einsicht in seine Geschichtsphilosophie am Beispiel der Christologie vorgelegt. „Idealität und historische Realität bedingen sich so hier gegenseitig, aber es ist dieß nur derselbe Gegensaz des Idealen und Realen, in welchen wir uns überhaupt mit unserm ganzen Denken und Erkennen hineingestellt sehen. Die Idee hat ihre Wahrheit in sich selbst, sie ist wahr, nicht sofern sie von aussen gegeben wird, sondern nur durch die Vernunft, die sie erkennt, sie würde aber in uns nicht zum Bewußtseyn kommen können, ohne die stete Wechselbeziehung des Idealen und Realen“ (655). Für die Christologie folgt hieraus deutlich, dass zwischen dem Begriff des ideellen Erlösers und dem historischen Christus sehr wohl zu unterscheiden ist, Ideales und Reales aber aufeinander bezogen werden müssen (vgl. 654–655). Geschichtsphilosophisch zeigt sich so an der Christologie in besonderer Schärfe ein allgemeiner Sachverhalt. Das Ideale bzw. Urbildliche
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lässt sich niemals empirisch erheben oder darlegen, es hat seine Wahrheit in sich bzw. vom Begriff her. Dieser spekulative Bereich kann durch keine historische Betrachtung evident gemacht (oder widerlegt) werden. Zugleich aber kann dieser spekulative Bereich nur zu Bewusstsein kommen in der Betrachtung und Reflexion von Wirklichkeit (ohne dass man es aus dieser ableiten könnte). Die Betrachtung der Geschichte führt also nicht unmittelbar zu Ideen bzw. Begriffen und diskutiert deren Wahrheitsgehalt, sondern sie stellt nur die indirekte Vermittlung dar, und zwar insofern, als Vermittlungsmomente in der Realität Anlass geben, diese Momente auf grundlegende, nur spekulativ bildbare Begriffe zu beziehen und über deren Wahrheit nachzudenken. Erst durch diese Betrachtung lassen sich dann diese Momente auf die grundlegenden Begriffe und Ideen beziehen und als Vermittlung derselben betrachten. Hierdurch entsteht ein geistiger Prozess, der ein stetes Wechselspiel zwischen Idealem und Realem herstellt und so immer weiter und näher zu der Erfassung der Wahrheit bzw. des Ideellen gelangt. Dieser Progress in der Geschichte hat – nach Baurs Einschätzung – in der Religionsphilosophie von Hegel einen gewissen Höhepunkt erreicht. Baur bezieht sich dabei vor allem auf die 1832 von Marheineke posthum herausgegebenen „Vorlesungen über die Philosophie der Religion“25. Er geht dabei so vor, dass er zunächst einen kurzen Abriss des Hegel’schen Systems gibt (670– 675) und dessen Übereinstimmung mit der Gnosis herausstellt (675–682). Dann geht er nacheinander auf den Zusammenhang mit der Trinitätslehre 25 Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Nebst einer Schrift über die Beweise vom Daseyn Gottes. Hg. von Philipp Marheineke, 2 Bände, Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Werke. Vollständige Ausgabe Bde. 11 und 12, Berlin 1832. Hegel hatte zuletzt im Sommersemester 1831 über die Philosophie der Religion gelesen. Die einzelnen Fassungen und Manuskripte sind differenziert ediert in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Vorlesungen über die Philosophie der Religion. 3 Teile. Hg. von W. Jaeschke, in: G.W.F. HEGEL, Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte Bd.e 3–5 [Bd. 4 in zwei Teilen], Hamburg: Felix Meiner 1983.1985.1984. Strauß, der erst 1830 nach Berlin kam, hat eine Nachschrift dieser Vorlesung exzerpiert und zurück mit nach Tübingen genommen, dieses Exzerpt ist vermutlich auf Ende 1831 oder Anfang 1832 zu datieren (vgl. aaO. Bd. 3, XXXVII–XXXVIII) – also nur unwesentlich vor Marheinekes Ausgabe (daher ist für Baur ein besonderer Einfluss dieser Nachschrift eher unwahrscheinlich, doch könnten Baur und Strauß vor 1834 detailliert über Hegels Religionsphilosophie diskutiert haben). In diesem Exzerpt einer Nachschrift wird eine Abgrenzung Hegels gegen Schleiermacher bereits deutlich, vgl. R. SCHÄFER, Einleitung des Bandherausgebers, in: Schleiermacher, Der christliche Glaube […]. Zweite Auflage (1830/1831 (s. Anm. 21), LX– LXI. Allerdings wurde Hegels Philosophie bereits früher, ab 1828/1829, in Tübingen lebhaft diskutiert, insbesondere im Evangelischen Stift, vgl. dazu F.W. GRAF, Kritik und PseudoSpekulation. David Friedrich Strauß als Dogmatiker im Kontext der positionellen Theologie seiner Zeit, Münchener Monographien zur historischen und systematischen Theologie 7, München 1982, 69–75.
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(682–686), die Bedeutung des Menschen (686–689) und schließlich der Religionsgeschichte (689–700) ein. Erst in einem weiteren Abschnitt geht er auf Kritik an Hegels System ein, wobei er zwei Hauptpunkte bespricht, nämlich a) den Vorwurf, Hegel hebe den Gedanken eines persönlichen Gottes auf (700–706), und b) der Zusammenhang mit dem historischen Jesus Christus gehe verloren (707–721). Abschließend geht er auf die Bedeutung ein, die Hegel dem Heidentum (721–726) und den Judentum (726–734) gibt. Baur beginnt mit einem längeren Zitat aus den „Vorlesungen über die Philosophie der Religion“, durch das er den Übergang von dem Schleiermacher’schen Standpunkt auf den Hegels beschreibt. Danach kommt es auf dem Standpunkt der Subjektivität zu einem Verzicht des vereinzelten Ich auf sich selbst. „Es muß ein Objectives von mir anerkannt seyn, welches in der That für mich als Wahres gilt [...], in welchem ich als dieses Ich negirt bin, worin aber meine Freiheit zugleich erhalten ist“ (zitiert bei Baur 67126). Genau diese Denkbewegung ist die Denkbewegung der Religion, gegründet in der Einsicht: „und so schaue ich mich an als endlich, daß ich bin ein Moment in diesem Leben“ (zitiert bei Baur 67127). „Das Endliche ist wesentliches Moment des Unendlichen in der Natur Gottes, und so kann man sagen, Gott ist es selbst, der sich verendlicht, Bestimmungen in sich sezt.“ (zitiert bei Baur 67128). Das durch diese Setzung des Endlichen begründete Anderssein muss dann selbst wieder aufgehoben werden. Gott „ist die Bewegung zum Endlichen und dadurch als Aufhebung desselben zu sich selbst; im Ich, als dem sich als endlich aufhebenden, kehrt Gott zu sich zurük, und ist nur Gott als diese Rükkehr. Ohne Welt ist Gott nicht Gott“ (zitiert bei Baur 67229). Nachdem Baur einzelne Momente der Hegel’schen Philosophie der Religion mit Gedanken der (besonders valentinianischen) Gnosis verglichen hat, fasst er zusammen: „Die Verwandtschaft der Hegel’schen Religions-Philosophie mit der alten Gnosis [...] besteht demnach vor allem hauptsächlich darin, daß es hier, wie dort, derselbe Proceß ist, durch welchen der absolute Geist sich mit sich selbst vermittelt, der Proceß des Sich-unterscheidens, Dirimirens und Insich-zurükgehens“ (681). „Auch den gnostischen Systemen liegt die Voraussezung zu Grunde, daß Gott nur in diesem Proceß ein lebendiger Gott, der absolute Geist, die denkende Vernunft ist, weil das Leben nicht ohne Bewegung, das Denken nicht ohne vermittelnde Thätigkeit ist“ (681). Zugleich wird dabei aber ein entscheidender Unterschied deutlich, und zwar integriert 26 Das Zitat findet sich bei HEGEL, Vorlesungen (s. Anm. 25), Bd. 11, 117. 27 Baur überspringt in seinem Zitat größere Textabschnitte ohne Kennzeichnung und verändert hier und da den Text leicht. Das hier angegebene Zitat steht bei HEGEL, Vorlesungen
(s. Anm. 25) auf S. 120. 28 Das Zitat findet sich bei HEGEL, Vorlesungen (s. Anm. 25), 121. 29 Das Zitat findet sich bei HEGEL, Vorlesungen (s. Anm. 25), 122.
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Hegel die Setzung des Endlichen in den Lebensprozess des Geistes selbst (anstelle der Idee eines Falls oder eines latenten Dualismus in Gott, wie Baur es bei Schelling diagnostiziert hatte): „Zugleich erhellt aber auch schon hieraus der große Unterschied zwischen dem rein logisch bestimmten Begriff des Processes, und der schlechthin gesezten, nur postulirten, platonischgnostischen Idee eines Abfalls vom Absoluten, wie selbst noch in den frühern Darstellungen der Schelling’schen Philosophie [...] eine sehr wesentliche und tiefeingreifende Bedeutung hat“ (682). Zwar geht Baur an dieser Stelle nicht weiter darauf ein, doch zeigen die Bemerkungen, mit denen er seine Monographie insgesamt abschließt, dass er hierin einen wesentlichen Fortschritt der Hegel’schen Religionsphilosophie gegenüber den alten gnostischen Systemen sieht, dass der Gegensatz zwischen Geist und Materie jetzt gedacht wird als Gegensatz zwischen Unendlichem und Endlichem, Absolutem und Bestimmtem. Zunächst einmal geht Baur auf drei Aspekte ein, durch die die besondere Verbindung des Hegel’schen Systems mit dem Christentum erhellt. Zum einen wird der Lebensprozess des absoluten Geistes mit der Trinitätslehre verbunden: „Gott ist ebendadurch, daß er als der absolute Geist ewig sich selbst unterscheidet, und in dieser Unterscheidung ewig mit sich Eins ist, wesentlich der dreieinige“. Für die göttliche Selbstoffenbarung werden das Reich des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterschieden, wobei „alle drei Momente, das Eine, das Andere, und das aufgehobene, mit dem Einen identische Andere“ in jeder Form der Selbstoffenbarung enthalten ist. Die Unterscheidung des Endlichen vom Unendlichen findet „seine äusserste Spize“ (686) im Menschen. Auch hier wiederholt sich die Dialektik des Geistes. „Der Mensch ist von Natur gut, weil er an sich Geist und Vernünftigkeit ist“ (686), er ist gut „seinem Begriffe nach, ebendarum nicht seiner Wirklichkeit nach“ (686). Entsprechend muss er sich seiner Begrenztheit und des Gegensatzes zwischen Geist und Begriff einerseits, Wirklichkeit und seinem „Natürlichseyn“ bewusst werden. „Nur unter der Voraussezung also, daß der Gegensaz an sich aufgehoben ist, kann das Subject als solches in seinem Für-sich-seyn das Aufheben dieses Gegensazes, den Frieden, die Versöhnung erlangen“ (689). Dieses geschieht, wenn der endliche Geist die Welt und Natur so betrachtet, dass in ihr der Lebensprozess Gottes wahrgenommen wird, „die Natur ist nur noch die Umhüllung und unwahre Gestaltung, an ihr erhebt sich der Mensch zu Gott“ (689). Hieran schließt Baur eine kurze Darstellung der Hegel’schen Auffassung der Religionsgeschichte, in der sich eine ähnliche Dialektik erneut wiederholt, und zwar als „Erhebung des Bewußtseyns über die Natur“ (692). Durch die Menschwerdung wird dem Menschen (zunächst noch auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene des sinnlich Dargestellten) „die an sich seyende Einheit der göttlichen und menschlichen Natur“ (692) bewusst. „Gott wird
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Mensch, damit der endliche Geist das Bewußtseyn Gottes im Endlichen selbst habe“. Nächste höhere Stufe ist die Betrachtung des Glaubens, die sich insbesondere auf die Deutung des Todes bezieht. Denn zum einen wird dem Geist bewusst, dass im Tod Christi die Endlichkeit als solche überwunden, die Negation negiert wird (vgl. 694), zum anderen entsteht ein Übergang zum geistigen Wissen um die Einheit von Gott und Mensch, „daß der Mensch unmittelbarer präsenter Gott ist“ (695). „Es ist nicht um den Glauben an die äussere zeitliche Geschichte zu thun, die der Glaube in sinnlicher Weise vor sich hat, sondern der sinnliche Inhalt wird in einen ganz andern, geistigen, göttlichen verwandelt“ (696). „Der wahrhafte christliche Glaubensinhalt ist durch die Philosophie zu rechtfertigen, nicht durch die Geschichte. Was der Geist thut, ist keine Historie“ (696). „Das Wissen von Gott, als dem Dreieinigen, das Bewußtseyn der Identität des Göttlichen und Menschlichen, ist Gott als Geist, und dieser Geist als existierend ist die Gemeinde“ (696). Für das Leben der Gemeinde ergeben sich dann weitere dialektische Vermittlungen (vgl. 696-698). Insgesamt zeigt sich, dass Baur die Darstellung so angelegt hat, dass die Anthropologie auf die Selbst-Unterscheidung und das Reich des Sohnes verweist, die Religionsgeschichte in der Erhebung des Geistes über die Natur gipfelt, was auf die Gemeinde und das Reich des Geistes verweist. Der Bezug auf die Trinitätslehre setzt sich also im gesamten Abschnitt der Darstellung von Hegels System fort. Im Anschluss an diese Darstellung geht Baur auf Kritik an Hegel ein, wobei er ihn grundsätzlich „verteidigt“30. Dies kommt sprachlich schon darin zum Ausdruck, dass die Kritik an Hegel anonym und in der indirekten Rede vorgetragen wird (während die Kritik an Schelling seitenlang mit Namen zitiert wurde). Somit wird hier auch nicht deutlich, welche Kritik an Hegel Baur genau vor Augen hat31. Die Abwehr der Kritik an Hegel gibt Baur zugleich Anlass, zwei wichtige Grundgedanken seines Gottesbildes und seiner Geschichtsdeutung zu entwickeln, die sich an das anschließt, was er anhand seiner Schleiermacherkritik entfaltet hatte. Der erste Hauptpunkt der Kritik richtet sich darauf, „dieser unendliche Proceß der Welt- und Menschwerdung Gottes hebe die Idee Gottes selbst auf“ (701). Dies wird mit folgenden Punkten begründet: 1. Gott wird nur als Voraussetzung (bzw. Grund) seiner Offenbarung verstanden (701). 2. Gott kann nicht ohne diese Offenbarung sein, dadurch wird „Gott einem Fatum unterworfen“ (701). 30 Vgl. FRAEDRICH, Baur (s. Anm. 15), 106. 31 Denken ließe sich an kritische Rezensionen der Jahre 1833 und 1834, vgl. die Angaben bei W. JAESCHKE, Vorwort des Herausgebers, in: HEGEL, Vorlesungen (s. Anm. 25), Teil 1,
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3. In dem „dialectischen Proceß, in welchen alles hineingerissen werde, werde alles mechanisch“ (701). 4. Es widerspricht der Idee Gottes, dass eben nur durch die Bewegung zum Endlichen und die Rückkehr zu sich selbst lebendiger Gott sei (scil. weil nicht gezeigt ist, dass dies die einzige Möglichkeit des göttlichen Lebens ist) (701). 5. Gott wird „ganz wie ein Mensch gedacht“ (701), der aus einem rohen Zustand „erst durch ein Leben in der Zeit [...] mit Hülfe anderer“ (701) Gott werde. 6. Durch den notwendigen Offenbarungsprozess entfalle „der Gedanke eines persönlichen Gottes“ (701). 7. Ebenso entfällt die Möglichkeit „einer sittlichen Weltregierung“ (701; scil., weil eben alles nur mechanischer Selbstwerdungsprozess Gottes ist). 8. Wenn Gott erst durch den Prozess „seiner nothwendigen Manifestation“ (701) Gott und Geist wird, so liegt der Grund für die Schöpfung nicht in Gott, sondern in etwas, was noch nicht Gott bzw. Geist ist – also „in einer chaotischen nacht, einem finstern blind wirkenden Urgrunde, der noch nicht Gott sey, aber mit der Zeit, unter günstigen Umständen Gott werden könne“ (701). 9. Wenn der Prozeß von Entäußerung und Rückkehr als nicht abgeschlossener verstanden wird, so wird Gott „niemals der wahre Gott“ (702; scil. weil er niemals die endgültige Vollendung erreicht). Baur geht nicht auf alle Vorwürfe in gleicher Weise detailliert ein (sondern bestreitet eher pauschal, dass diese Vorwürfe wirklich auf Hegels System zutreffen), sondern konzentriert sich auf den Vorwurf, dass „die Idee des persönlichen Gottes“ aufgehoben werde. Dem hält er entgegen, dass bei Gott „das Freie zugleich auch das Nothwendige, das Nothwendige aber nichts anders als das Vernünftige ist“ (702). Dementsprechend kann man nicht die Liebe Gottes gegen die Notwendigkeit oder das Vernünftige ausspielen (vgl. 705). Allenfalls könnte man einwenden, dass „die Denkformen der menschlichen Vernunft auf das absolute Wesen Gottes übertragen werden“ (703). Dadurch würde sich ergeben, dass das, was für den menschlichen Geist vernünftig und notwendig ist, es für Gott keineswegs ist. Zugleich würde sich dadurch aber ergeben, dass man über Gott eigentlich gar nichts aussagen könnte (vgl. 705) und so auf den Standpunkt der Subjektivität zurückgeworfen wäre (vgl. 703). Baur möchte demgegenüber an dem „Standpunct der Objectivität“ (703) festhalten, von dem aus „das endliche Bewußtseyn nur als ein Moment des, zum Endlichen sich bestimmenden, absoluten Geistes“ (703) aufgefasst werden muss. Auch der Vorwurf der Entwicklung Gottes trifft Hegel laut Baur nicht, denn „der in die Endlichkeit herausgetretene, in jeder endlichen Form im Widerspruch mit sich selbst befindliche, und durch den steten Fortschritt seines Processes diese Negativität überwindende, und in sich zurückkehrende Geist ist zugleich ewig mit sich selbst identisch“ (704). Das
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„Ineinanderseyn von Gott und Welt, von Geist und Natur, des Unendlichen und Endlichen, ist allerdings das Characteristische des Hegel’schen Systems“, doch entzieht die Auffassung der Welt und Menschheit „als die nothwendigen Momente des, in dem dialectischen Proceß der Idee sich mit sich selbst vermittelnden, und in dieser Vermittlung mit sich selbst identischen, Geistes“ (704-705) dem Begriff Gottes an sich nichts. Das Geltendmachen einer persönlichen Seite Gottes hilft hier nicht, denn entweder wird Gott als Geist gedacht, „so ist entweder Gott als Geist unmittelbar auch der Persönliche, oder es ist nicht zu sehen, was zum Begriff Gottes, als des Absoluten, durch den Begriff des Persönlichen noch hinzukommen soll“ (706). Der zweite „Hauptpunct“ der Kritik an Hegels System richtet sich darauf, dass dann der historische Jesus in seiner Bedeutung enorm relativiert sei. Dabei geht es nicht darum, die Nähe von Hegels System zum Christentum zu bestreiten, sondern es geht erneut um die bei Schleiermacher bereits aufgeworfene Frage, wie das Verhältnis zwischen ideellem und historischem Christus zu beschreiben ist. Baur hält die bei Hegel zu beobachtende „Trennung des historischen und ideellen Christus“ (711)32 für einen Fortschritt, durch den die Christologie, die sich in der Gnosis „noch nicht zu einer reinen Form hindurcharbeiten“ (710) konnte, „nun zu ihrem wahren Begriff erhoben worden“ (710) sei. Anknüpfend an die Darstellung der drei Offenbarungsformen der Trinität geht Baur „drei Momente“ durch, die aufeinander aufbauen: Die niedrigste Stufe ist die „rein äusserliche, blos geschichtliche Betrachtung“ (711), die „in Christus nur einen gewöhnlichen Menschen, einen Märtyrer der Wahrheit, wie Sokrates“ (711) sieht. Das zweite Moment besteht in dem Glauben, der nun – vom Tode Christi aus – in Christus den Gottmenschen sieht und versteht, „daß er den Tod überwunden, den Tod getödtet, die Negation negirt, und dadurch das Endliche, das Böse, als etwas ihm Fremdes vernichtet, und so die Welt mit Gott versöhnt hat“ (712). Dabei ist es der Glaube, der diese Bedeutungsebene herstellt. „Christus ist mit Einem Worte Gottmensch nur durch die Vermittlung des Glaubens“ (712). „Die Frage ist nicht, ob Christus an sich, seiner objectiven historischen Erscheinung nach, der Gottmensch war, sondern nur darauf kommt es an, daß er dem Glauben der Gottmensch wurde“ (712). Allerdings haftet das Verständnis des Glaubens „noch an der äussern geschichtlichen Erscheinung“ (714). Entsprechend erreicht erst das dritte Moment die eigentliche Wahrheit, im Modus des Wissens. „Der Glaube muß daher nun erst zum Wissen erhoben, jener geistige Inhalt aus dem Element des Glaubens in das Element des denkenden Bewußtseyns erhoben werden, in welchem er nicht mehr durch die Geschichte, als Vergangenes und Geschehenes, sondern durch die Philosophie, oder den Be32 Vgl. GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 2), 68.71.
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griff, als das an sich seyende Wahre, schlechthin Präsente gerechtfertigt wird“ (714). Für das Wissen „ist die Menschwerdung Gottes keine einzelne, einmal geschehene, historische Thatsache, sondern eine ewige Bestimmung des Wesens Gottes“ (715). „Die Idee reißt sich in ihrer geistigen Reinheit von jeder irdischen, sinnlichen Hülle los, und alle Thatsachen der Geschichte, an welchen der Glaube noch hängt, erscheinen nur als der trübe Reflex des ewigen Processes des Geistes“ (716). Wird durch das Wissen die Bedeutung des historischen Christus in radikaler Weise relativiert, so hebt Baur zugleich hervor, dass der historischen Erscheinung gleichwohl eine einzigartige Bedeutung bleibt. Der Glaube, der auf der historischen Erscheinung fußt, ist zwar eine niedrigere Verstehensweise, doch kann sie nicht übersprungen werden. Denn nur weil „die an sich seyende Wahrheit, die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur, in Christus zuerst zur concreten Wahrheit, zum selbstbewußten Wissen wurde“ (717), entstand der Glaube, der in Wissen übergehen konnte. Baur gibt den Hegelkritikern also in gewisser Weise recht, auch seiner Einschätzung nach stellt Hegel „den gottwissenden Philosophen über den historischen Christus“ (718), doch sieht er hierin keinen Nachteil, sondern gerade einen Vorteil. Zum einen unterscheidet sich der Inhalt dessen, was der Glaube und was das Wissen annimmt, nicht (beide unterscheiden sich vielmehr nur in ihrer Form), zum anderen misst das Wissen gerade durch seine spekulative Ausweitung den Gedanken eine besondere Bedeutung zu, weil „der Gottmensch [...], die mit Gott einige Menschheit“ ist, „der historische Christus“ also „die in allen ihren Gliedern, die zusammen der lebendige Leib Christi sind, den Begriff der Religion realisirende, von der Erde zum Himmel aufstrebende, mit Gott sich einigende Menschheit“ (721) ist, womit er erneut auf den Gemeindebegriff Hegels rekurriert. Die Darstellung der Religionsphilosophie Hegels durch Baur erfolgt mit großer Zustimmung33. In ihr sieht er die Religionsphilosophie auf ihrem unbestreitbaren Höhepunkt angelangt. Die Schlussbemerkungen des Buches offenbaren die apologetische Zielsetzung deutlich. Angesichts der Kontinuitäten zur Gnosis „ist auch, was die christliche Religions-Philosophie auf ihrem neuesten Standpunct ist, nichts von heute oder gestern her, vielmehr so alt als die Entwiklung des christlichen Dogma selbst“ (735). Der Clou der Monographie liegt also genau darin, dass er die aktuelle Debatte um die Entstehung der Gnosis (Matters Darstellung stammt von 1828, Möhlers von 1831) und die Diskussion um Schleiermachers Glaubenslehre (die 2. Auflage erschien 1830) und Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion (1832 erschienen) 33 Im Brief an seinen Bruder gibt Baur dies offen zu erkennen: „Des lezteren [scil. He-
gels] Rel[igions]philos[ophie] hat mich diesen Winter besonders beschäftigt und vielfach angezogen.“ (F.C. BAUR, Brief an Friedrich August Baur in Horrheim vom 15.2.1835, in: Die frühen Briefe [s. Anm. 1], [112–114] 113).
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miteinander verbindet und hier eine strukturelle Kontinuität feststellt. Von hier aus wird deutlich, dass Baur, der schon länger eine Darstellung der Gnosis konzipierte (analog zur Darstellung des Manichäismus) sich insbesondere durch die posthume Herausgabe von Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion angeregt sah, die Darstellung mit einem Abschnitt über Hegel zu beschließen34. Den Vorwurf, bei Hegels System handele es sich letztlich um Gnosis, dreht Baur gerade um: „Wenn man den Namen der falschen Gnosis vorzugsweise der neuesten Religions-Philosophie mit so gutem Grunde geben zu dürfen glaubt“, dann gilt dies strenggenommen für jede Form einer Religionsphilosophie. Denn eigentlich lässt sich für Baur eine Religionsphilosophie gar nicht anders entwickeln, als es Hegel tat: „Entweder gibt es überhaupt nichts, was den Namen einer christlichen Religionsphilosophie verdient, oder die christliche Religionsphilosophie kann [...] nur auf dem einmal betretenen Wege ihr Ziel weiter verfolgen“ (735–736). Die Darstellung der Gnosis und der neuesten Religionsphilosophie zeigt laut Baur aber zugleich die Vorzüge der letzteren – und vollzieht damit den „Proceß der Vermittlung des Geistes mit sich“ (737) nach. Die Historiographie wird zu einer Schau und Analyse dieses Vermittlungsprozesses (und wirkt so an ihm mit). Im Hinblick auf die Gnosis bzw. Religionsphilosophie ist erst durch Hegel „die Idee des absoluten Geistes“ (740) richtig erkannt worden – darin liegt zugleich eine höhere Stufe des Vermittlungsprozesses des Geistes, durch den „alles Polytheistische und Dualistische, der so vielfach sich modificirende Gegensaz zwischen Geist und Materie, zwischen einem höhern und niedern Gott“ (740) überwunden ist. Daraus ergibt sich für die Geschichte eine eigentümliche Ambivalenz: Zum 34 Über die Entstehung der Schrift gibt Baur in dem in Anm. 33 erwähnten Brief an seinen Bruder Aufschluss: „Übrigens traust Du mir gar zuviel zu, wenn Du glaubst, von der Schrift, die ich gegenwärtig druken lasse, habe ich in der lezten Vacanz erst noch den Plan in mir getragen. Es fehlte nur an Zeit und Gelegenheit mich näher gegen Dich zu erklären. Sie war schon damals, bis auf den lezten Bogen und die Revision des Ganzen fertig“. Die Vacanz bezieht sich auf den Besuch bei seinem Bruder im Sommer 1834, vgl. F.C. BAUR, Brief an Friedrich August Baur in Horrheim vom 26.10.1834, in: Die frühen Briefe [wie Anm. 1], [109–110], 109, wo Baur auf das Treffen beider in der Vacanz, d.h. vor Beginn des Wintersemesters, zurückschaut. Demnach geht die Schrift in ihrer Substanz auf die erste Jahreshälfte 1834 oder in das (spätere?) Jahr 1833 zurück. Die Aussage, das Buch sei „bis zum lezten Bogen“ im Sommer 1834 fertiggewesen, setzt die Hegelrezeption Baurs in unmittelbare zeitliche Nähe zum Erscheinen der Marheineke’schen Ausgabe der Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Allerdings spricht Baur in dem genannten Brief anschließend davon, dass ihn Hegels Religionsphilosophie im Winter besonders beschäftigt habe (vgl. oben Anm. 33). Dies dürfte sich in erster Linie auf die eigene Religionsphilosophie-Vorlesung beziehen (Baur las Religionsphilosophie ab dem Wintersemester 1833/1834 und dann gleich noch einmal ab dem Wintersemestester 1834/1835, vgl. ANDREAE, Baur [s. Anm. 2], 371), stellt aber die Frage, ob Baur den letzten Teil im Winter 1834/1835 noch bearbeitet hat.
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einen enthält die Geschichte die niederen Stufen des Vermittlungsprozesses des Geistes, die als solche gerade nicht zum Begriff und zum Wissen führen (wie man insbesondere am historischen Christus sehen kann). Zum anderen aber sind diese Stufen als solche zu reflektieren und an ihrem Ort innerhalb des dialektischen Vermittlungsprozesses einzuordnen, um gerade zu dem höherwertigen Wissen, dem spekulativ erreichten Verstehen zu gelangen. Dieses Bemühen ist für Baur selbst wiederum Teil des Vermittlungsprozesses des Geistes, der als solcher nicht abgeschlossen ist. Dementsprechend schließt Baur seine umfängliche Darstellung mit der Zuversicht, dass alle Schwächen, die sich an Hegels System noch herausstellen sollten (scil. die bisher vorgebrachten Einwände sind für ihn nicht schlagend), durch „die durch Jahrtausende fortgehende Arbeit des Geistes“ (740) noch aufgehoben werden werden. Es kann hier nicht weiter verfolgt werden, wie diese ambivalente Sicht auf die Geschichte die Entwicklung einer Kritik an dem traditionellen Bild des Urchristentums und der frühen Christenheit – gleichsam als Katalysator – gefördert hat. Noch 1835 stellte Baur die Authentizität der Pastoralbriefe in Abrede35 und ging in den folgenden Jahren daran, seine historisch-kritische Sicht der ersten Jahrhunderte zu entwickeln und auszubauen. Bereits in der Darstellung der Gnosis wird ein Grundzug von Baurs Denken deutlich: Die historisch-kritische Arbeit hängt bei Baur mit der Bereitschaft zur Spekulation zusammen. Die Spekulation liefert nicht nur einen großen Gesamtblick, einen holistischen Narrativ auf die Gesamtwirklichkeit, sondern gibt den Ergebnissen der historischen Kritik zugleich einen höheren (theologisch wie philosophisch anschlussfähigen) Sinn, weil sie diese Ergebnisse auf die Resultate des spekulativen Denkens bezieht. Damit soll nicht gesagt sein, dass Baurs historische Kritik von seiner Hegelrezeption abhängig ist, also in gewisser Weise nur ein Nebeneffekt des Hegelianismus ist, doch soll durchaus die These vertreten werden, dass Baur die Religionsphilosophie Hegels besonders deswegen rezipiert hat, weil er hierin seiner Neigung zur Kritik mit seinem Bemühen um eine theologisch fruchtbare Synthese verbinden, ja begründen konnte. Wurde die (Jüngere) „Tübinger Schule“36 für die Radikalität ihrer Kritik berühmt, so wird man für Baur festhalten müssen, dass sein Ziel nicht die kritische Destruktion, sondern die positive Konstruktion ist37. Auf kritische Weise eine solche positive Konstruktion anzugehen, war ihm um so leichter, als er 35 F.C. BAUR, Die sogenannten Pastoralbriefe des Apostels Paulus aufs neue kritisch untersucht, Stuttgart/Tübingen 1835, vgl. FRAEDRICH, Baur (s. Anm. 15), 114–119. 36 Vgl. hierzu den maßgeblichen Aufsatz von U. KÖPF, Die theologischen Tübinger
Schulen, in: ders. (Hg.), Historisch-kritische Geschichtsbetrachtung (s. Anm. 1), 9–51, hier: 24f.30–33. 37 Vgl. GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 2), 189.
Ferdinand Christian Baurs Sicht der christlichen Gnosis
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von seiner Hegelrezeption aus geschichtliche Ereignisse als vorübergehende und vorläufige, zugleich aber unabdingbare Vermittlungsstadien des Gesamtprozesses ansah. Im Fall Baurs hat also die systematisch-philosophische Neigung die historische Kritik keineswegs behindert, sondern geradezu freigesetzt. Allerdings zeigen sich die Schattenseiten von Baurs Zugriff auch sehr schnell, etwa in der Bevorzugung der theologischen Lehrbildung und seiner eigentümlichen Sicht auf die Dogmengeschichte, die von den Voraussetzungen der Hegelschen Philosophie durchtränkt ist38. Die Schattenseiten zeigen sich in gewisser Weise auch schon in der Darstellung der Gnosis. Sie geht vom Begriff aus und ordnet dann die Phänomene ein. Natürlich kennt Baur seine Quellen und entwickelt seinen Begriff so, dass er die Phänomene zuordnen kann. Trotzdem ist sein Vorgehen insgesamt deduktiv. Eine offene Bildung von Kategorien aufgrund gemeinsamer Merkmale oder gar ein „typologisches Modell“ von Gnosis39 wäre für ihn also undenkbar. Das hat den Mehrwert, dass Baur Strukturparallelen zwischen der Gnosis und dem Idealismus nachgeht, die auch heute noch für die Philosophiegeschichte des Idealismus genauer zu bedenken wären40. Es hat zugleich den Nachteil, dass die Bandbreite gnostischer Modelle dadurch nur begrenzt in den Blick kommt (und dementsprechend nicht nur die umfangreichen Neufunde des 20. Jahrhunderts Baurs Definition von Gnosis heute nicht mehr brauchbar erscheinen lassen). Für Baur war der Vergleich von Hegel und Gnosis besonders erhel38 Vgl. BAUR, Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte, Leipzig 31867 (Nachdruck: Darmstadt 1979), 6, der von einem einheitlichen (ideellen) „Dogma“ ausgeht: „Object der Dogmengeschichte ist das in seine Unterschiede eingehende, mehr und mehr sich spaltende und theilende, seine Bestimmungen als einzelne Dogmen aus sich herausstellende und in ihnen selbst wieder auf verschiedene Weise sich modificirende Dogma“ (zur Abwehr des Vorwurfs gegen den Hegelianismus vgl. die Vorrede zur 3. Auflage VI; diesen Vorwurf hatte Baur schon 1835 gefürchtet, vgl. den bereits erwähnten Brief: Baur, Ferdinand Christian: Brief an Friedrich August Baur in Horrheim vom 21.5.1835, in: Die frühen Briefe [wie Anm. 1]: 115: „Wahrscheinlich werde ich dadurch, daß ich mich nicht entschiedener gegen den Hegelianismus erklärte, vielmehr mich im Ganzen zu ihm hinneigte, und ihm eine befriedigende Seite abzugewinnen suchte, bei manchen anstoßen, doch hoffe ich, wird der Zusammhang, in welchen ich den Hegelianismus hineinstellte, und die Nothwendigkeit, in ihm eine durch das ihm Vorangehende bedingte Entwiklungsform anzuerkennen, ihn selbst auch in einem andern Lichte erscheinen lassen.“). 39 Vgl. C. MARKSCHIES, Die Gnosis, München 2001, 25–26. Zur aktuellen Diskussion um die Benutzbarkeit der Kategorie Gnosis vgl. Verf., Martin Hengel and The Origins of Gnosticism, in: K. Corrigan/T. Rasimus (Hg.): Gnosticism, Platonism and the Late Ancient World. Essays in Honour of John D. Turner, Nag Hammadi and Manichaean Studies 82, Leiden/Boston 2013, 139–165, 143–145. 40 So wäre neben den Gostizismusstudien des jungen Schelling insbesondere die Kirchenväterkenntnisse weiter zu verfolgen.
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Volker Henning Drecoll
lend und produktiv, weil sich die Dynamik der Geschichte und ihre fortlaufende Weiterentwicklung als metaphysisch notwendig erwies und die Auseinandersetzungen der Gegenwart sich ihm als notwendige Stufen ein und desselben Vermittlungsprozesses darstellten. Dadurch, dass sich die Deutung der Gegenwart ebenso als Teil dieses Prozesses erweist wie der Gegenstand der Kirchengeschichtsschreibung insgesamt, konvergieren beide. Das stellt die Frage, ob darin allerdings nicht letztlich die Auflösung der Kritik liegt und die Geschichtlichkeit der Theologie latent untergraben wird. Die Gnosisdarstellung erweist sich somit nicht nur als ein entscheidender Punkt der Hegelrezeption in der neutestamentlichen Wissenschaft und Kunde der älteren Kirche, sondern auch als eine geschichtstheoretisch anspruchsvolle Konzeption41.
41 Vgl. hierzu GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 20), 109f.; KÖPF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 7), 451–457. Diesem Zusammenhang im Werk Baurs – z.B. ausgehend von seiner Vorlesung über Religionsphilosophie – weiter nachzugehen, ist ein dringendes Forschungsdesiderat, das allerdings die kritische Aufarbeitung des Baurnachlasses erfordert (vgl. hierzu: K. SCHUFFELS, Der Nachlaß Ferdinand Christian Baurs in der Universitätsbibliothek Tübingen und im Schiller-Nationalmuseum Marbach/Neckar, ZKG 79 [1968], 375–384; HODGSON, Formation [s. Anm. 24], 290).
Ferdinand Christian Baur als Paulusinterpret Die Geschichte, das Absolute und die Freiheit
CHRISTOF LANDMESSER Ferdinand Christian Baur spielt eine herausragende Rolle in der Entwicklung der historischen Erforschung der christlichen Tradition überhaupt und der neutestamentlichen Texte im Besonderen.1 Unter dem Titel der historischen Kritik2 werden bis in die Gegenwart diese Schriften in ihren geschichtlichen 1 Zur Einordnung Baurs in den zeitgenössischen geschichtstheoretischen Diskurs im Raum der Theologie vgl. etwa K. SCHOLDER, Ferdinand Christian Baur als Historiker, EvTh 21 (1961), 435–458; H. GRAF REVENTLOW, Epochen der Bibelauslegung, Band IV: Von der Aufklärung bis zum 20. Jahrhundert, München 2001, 269–278. – Vgl. auch C. ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft neuzeitlicher Christentumspraxis. Klassische Protestantismustheorien in ihrer Bedeutung für das Selbstverständnis der Praktischen Theologie, BHTh 114, Tübingen 2000, 74–88; U. KÖPF, Ferdinand Christian Baur als Begründer einer konsequent historischen Theologie, ZThK 89 (1992), 440–461; E.P. MEIJERING, F.C. Baur als Patristiker. Die Bedeutung seiner Geschichtsphilosophie und Quellenforschung, Amsterdam 1986, passim; F. COURTH, Das Wesen des Christentums in der Liberalen Theologie, dargestellt am Werk Fr. Schleiermachers, Ferd. Chr. Baurs und A. Ritschls, ThÜb 3, Frankfurt am Main u.a. 1977, 218–333, bes. 218–242; W.G. KÜMMEL, Zur Einführung, in: F.C. BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie, hg. von F.F. Baur, mit einer Einführung zum Neudruck von W.G. Kümmel (unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1864), Darmstadt 1973, V–XXVI, hier: VIII–XVI; P.C. HODGSON, The Formation of Historical Theology. A Study of Ferdinand Christian Baur, Makers of Modern Theology, New York 1966; E. SCHNEIDER, Ferdinand Christian Baur in seiner Bedeutung für die Theologie, München 1909, 44–231. – Wenn Hodgson in der Überschrift des ersten Kapitels seines Buches Baur als „The Author of Historical Theology“ bezeichnet (HODGSON, aaO., 1), dann ist dies zumindest erklärungsbedürftig. Heinz Liebing vertritt die These: „Historisch-kritische Theologie im vollen Sinne gibt es erst seit Ferdinand Christian Baur.“ (H. LIEBING, Historisch-kritische Theologie. Zum 100. Todestag Ferdinand Christian Baurs am 2. Dezember 1960, ZThK 57 [1960], 302–317, 303 [im Original kursiv].) Die historisch-kritisch fragende Theologie hat ihre Wurzeln mindestens in der Zeit der Aufklärung; Semler, Lessing und viele andere wären hier zu nennen. Verschiedene Varianten, den Beginn der historisch-kritischen Theologie geschichtlich zu verorten, deutet bereits K. SCHOLDER, Ursprünge und Probleme der Bibelkritik im 17. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Entstehung der historisch-kritischen Theologie, FGLP 10/33, München 1966, 7–10 an. 2 Das Syntagma ‚historisch-kritisch‘ zur Näherbestimmung einer exegetischen Methode erscheint im Jahr 1836 bei Baur in einem Aufsatz zum Römerbrief im Untertitel (F.C. BAUR,
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Christof Landmesser
Dimensionen und mit sich immer weiter ausdifferenzierenden exegetischen Methoden untersucht, interpretiert und diskutiert. Der historisch orientierte Zugang zu den biblischen Texten, der natürlich nicht erst mit Baur beginnt, der im 19. Jahrhundert durch die Arbeiten Baurs aber eine spezifische und für die Theologie besonders wirksame Gestalt erhält, prägt die wissenschaftlichen Diskurse bis heute ebenso wie manche kirchlichen Debatten, ohne dass dies den Beteiligten bewusst sein muss. Dies war zumindest auch dadurch möglich, dass Baur die historische Kritik gründlich methodisch reflektierte.3 Dies tut Baur freilich nicht im Sinne einer nur technisch anzuwendenden Methode, die ihrem Gegenstand äußerlich bliebe. Vielmehr entspricht die historische Kritik nach Baur tatsächlich den in der Geschichte vorhandenen und sich entwickelnden Ideen. Die von Baur praktizierte besondere Weise der Reflexion der historischen Methode kann als ein Einschnitt in der Entwicklung der geschichtlichen Erforschung der biblischen Texte wahrgenommen werden.4 Die Paulusinterpretation Baurs ist konkrete historisch-kritische Arbeit, wie er sie versteht. Historische Kritik ist für ihn nicht nur eine beliebige Methode, sondern die einzig angemessene Weise, den tatsächlichen Gehalt der neutestamentlichen Texte und der christlichen Tradition zu erfassen und zu begreifen. Und genau auf diesen Gehalt der paulinischen Briefe zielen die folgenden Überlegungen. Es soll also danach gefragt werden, welche theologischen oder für die Wahrnehmung der Geschichte bedeutsamen Einsichten Baur über sei-
Ueber Zweck und Veranlassung des Römerbriefs und die damit zusammenhängenden Verhältnisse der römischen Gemeinde. Eine historisch-kritische Untersuchung, in: DERS., Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Band I: Historisch-kritische Untersuchungen zum Neuen Testament, mit einer Einführung von E. Käsemann, Stuttgart-Bad Cannstatt 1963, 147–266). Nach Auskunft von Henning Graf Reventlow erscheint dieser Ausdruck zur Bezeichnung einer Methode hier erstmals (GRAF REVENTLOW, Epochen [s. Anm. 1], 272). Mit Ulrich Barth ist freilich bereits auf das Lexikon von P. BAYLE, Dictionaire historique et critique, 2 Bände, Rotterdam 1697 hinzuweisen, dessen Titel für den späteren gängigen Sprachgebrauch prägend gewesen sein dürfte (vgl. U. BARTH, Die Hermeneutik Johann Salomo Semlers, in: C. Danz [Hg.], Schelling und die Hermeneutik der Aufklärung, HUTh 59, Tübingen 2012, 29–50, hier: 39). Christian Albrecht erinnert noch folgenden Buchtitel: P.K. MARHEINEKE, Christliche Symbolik oder historischkritische und dogmatischkomparative Darstellung des katholischen, lutherischen, reformirten und socinianischen Lehrbegriffs; nebst einem Abriß der Lehre und Verfassung der übrigen occidentalischen Religionspartheyen, wie auch der griechischen Kirche. Erste (einzige) Abteilung: Das System des Katholicismus in seiner symbolischen Entwickelung, Bände 1 und 2, Heidelberg 1810, Band 3, Heidelberg 1813 (vgl. ALBRECHT, Kulturwissenschaft [s. Anm. 1], 82 Anm. 28). 3 Vgl. dazu meine Hinweise in C. LANDMESSER, Ferdinand Christian Baur, in: F.W. Horn (Hg.), Paulus Handbuch, Tübingen 2013, 16–19, hier: 16f. 4 So auch F.W. GRAF, Ferdinand Christian Baur (1792–1860), in: H. Fries/G. Kretschmar (Hg.), Klassiker der Theologie, 2. Band: Von Richard Simon bis Dietrich Bonhoeffer, München 1983, 89–110.443–447, hier: 89.
Ferdinand Christian Baur als Paulusinterpret
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ne historisch-kritische Untersuchung der Paulusbriefe in diesen Texten gewinnt.
1. Baurs kritische Betrachtung der Geschichte Die von Baur praktizierte und geforderte historische Kritik ist deutlich erkennbar von philosophischen Einflüssen geprägt.5 Wenn er Paulus erklärt, muss dieser Hintergrund auch bedacht werden. In der Vorrede zu seiner ersten großen Schrift Symbolik und Mythologie aus dem Jahr 1824 findet sich sein oft zitiertes Diktum: „ohne Philosophie bleibt mir die Geschichte ewig todt und stumm“.6 Dieser Satz ist für Baur Programm. Allerdings adaptiert er philosophische Systeme nicht einfach und verwendet diese auch nicht zur fremden Orientierung seiner historischen Untersuchungen. Die Aufnahme philosophischer Vorstellungen ist selektiv und seinem eigenen Verständnis von Geschichte verpflichtet. Auch wenn in den Jahren, in denen Baur seine Paulusinterpretation im Wesentlichen entfaltet7, der Einfluss Hegels zunehmend bestimmend wird, 5 Zur historischen Kritik und den mit dieser verbundenen Vorstellungen vgl. auch den Aufsatz von Martin Bauspieß in diesem Band. – In diesem Aufsatz zu Baur als Paulusinterpret kann die viel diskutierte Frage nach dem Geschichtsverständnis Baurs und den auf dieses wirkenden philosophischen Einflüssen nur in den hier erforderlichen Aspekten aufgenommen werden. Zum Verständnis der Geschichte bei Baur vgl. auch die unter Anm. 1 genannte Literatur; vgl. zudem M. BAUSPIESS, Geschichte und Erkenntnis im lukanischen Doppelwerk. Eine exegetische Untersuchung zu einer christlichen Perspektive auf Geschichte, ABG 42, Leipzig 2012, 62–71; S. ALKIER, Urchristentum. Zur Geschichte und Theologie einer exegetischen Disziplin, BHTh 83, Tübingen 1993, 200–221; W. GEIGER, Spekulation und Kritik. Die Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs, FGLP 10/28, München 1964, passim. 6 F.C. BAUR, Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Altertums. In 2 Teilen (Teil 2 in 2 Abteilungen). Teil 1: Allgemeiner Teil, Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1824, Aalen 1979; Teil 2: Besonderer Teil. Abteilung 1, Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1825, Aalen 1979; Teil 2: Besonderer Teil. Abteilung 2, Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1825, Aalen 1979, hier: Teil 1, XI. 7 Baur beschäftigt sich in seinen wissenschaftlichen Publikationen immer wieder intensiv mit Paulus. Eine für seine Paulusforschung markante Publikation ist sicher sein 1831 in der Tübinger Zeitschrift für Theologie veröffentlichter Aufsatz zu den Auseinandersetzungen in Korinth (F.C. BAUR, Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde, der Gegensatz des petrinischen und paulinischen Christenthums in der ältesten Kirche, der Apostel Petrus in Rom, in: DERS., Ausgewählte Werke in Einzelausgaben I [s. Anm. 2], 1–146). Von dieser Schrift aus entwickelte Baur sein Paulusbild konsequent weiter bis hin zu seinem Paulusbuch in erster und in zweiter Auflage (F.C. BAUR, Paulus, der Apostel Jesu Christi. Sein Leben und Wirken, seine Briefe und seine Lehre. Ein Beitrag zu einer kritischen Geschichte des Urchristenthums, Stuttgart 11845 [Paulus I]; Teil I und Teil II, hg. von E. Zeller, Leipzig 2 1866/1867 [Paulus II/1und II/2]). Vgl. auch F.C. BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 1), 128–207. – Zur Monographie Baurs über Paulus vgl. R. MORGAN,
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nimmt Baur zumindest auch Vorstellungen aus der kritischen Philosophie Kants und aus Schellings idealistischem Denken auf.8 Mit einem Einfluss Fichtes ist ebenso zu rechnen, und nicht zuletzt hat Schleiermacher zumindest in einer frühen Phase für Baur große Bedeutung. Manche Spuren philosophischer Diskurse können auch noch in seiner Paulusdeutung erkannt werden.9 Baur beschäftigt sich mit den neutestamentlichen Texten aus einem in seiner Gegenwart liegenden Grund. Er fragt letztlich nach nicht weniger als nach dem Wesen des Christentums. Im Christentum erkennt er „die grosse geistige Macht, durch welche alles Glauben und Denken der Gegenwart bestimmt wird, das absolute Princip, durch welches das Selbstbewusstsein des Geistes getragen und gehalten wird, das, ohne ein wesentlich christliches zu sein, in sich selbst keinen Halt und Bestand hätte“.10 Um diese Gegenwart zu versteBiblical Classics. II. F.C. Baur, ET 90 [1978/79], 4–10; zur Paulusinterpretation Baurs vgl. bereits COURTH, Wesen des Christentums [s. Anm. 1], 267–275; R. BULTMANN, Zur Geschichte der Paulus-Forschung, ThR 1 [1929], 26–59, hier: 27–33; A. SCHWEITZER, Geschichte der Paulinischen Forschung von der Reformation bis auf die Gegenwart, Tübingen 1911, 10–13). – Die Annäherung an Baur als Paulusinterpret erfolgt in diesem Aufsatz im Wesentlichen im Anschluss an verschiedene einschlägige Untersuchungen Baurs zu Paulus und an der zweiten, posthum herausgegebenen Auflage seines Paulusbuches. Zu den Unterschieden zwischen den Paulusbüchern in erster und in zweiter Auflage vgl. H.C. KNUTH, Ferdinand Christian Baurs „Paulus“ und sein Verhältnis zu Hegel in der Spätzeit, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi. Festschrift für Günter Klein zum 70. Geburtstag, Tübingen 1998, 227–244. 8 Zum Einfluss Hegels auf Baur vgl. auch den Aufsatz von Martin Wendte in diesem Band. Den Einfluss Hegels und Schellings auf Baur diskutiert ausführlich J. ZACHHUBER, Ferdinand Christian Baurs Schellingrezeption. Einige Gedanken zu den geschichtsphilosophischen Grundlagen der Tübinger Schule, in: C. Danz (Hg.), Schelling und die historische Theologie des 19. Jahrhunderts, Tübingen 2013, 151–170; vgl. bereits K. BERGER, Exegese und Philosophie, SBS 123/124, Stuttgart 1986, 34–37; GRAF, Baur (s. Anm. 4), 94. – Weitere Hinweise zu den verschiedenen philosophischen Prägungen Baurs finden sich bei J. ROHLS, Protestantische Theologie der Neuzeit, Band I: Die Voraussetzungen und das 19. Jahrhundert, Tübingen 1997, 450f.528f.; ALKIER, Urchristentum (s. Anm. 5), 200–244; BERGER, aaO., 27–48; H. HARRIS, The Tübingen School, Oxford 1975, 143–158; MEIJERING, Baur als Patristiker (s. Anm. 1), 51–84; HODGSON, Formation (s. Anm. 1); GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 5), passim; E. BARNIKOL, Das ideengeschichtliche Erbe HEGELs bei und seit STRAUSS und BAUR im 19. Jahrhundert, WZ(H).GS 10 (1961), 281–328; W. DILTHEY, Ferdinand Christian Baur, in: DERS., Die Jugendgeschichte Hegels und andere Abhandlungen zur Geschichte des deutschen Idealismus, Gesammelte Schriften 4, Stuttgart/Göttingen 21959, 403–432. 9 Klaus Berger versucht, die bei Baur auszumachenden philosophischen Einflüsse durch Fichte, Kant, Schelling, Schleiermacher und natürlich durch Hegel verschiedenen Phasen in der Biographie Baurs zuzuordnen (BERGER, Exegese und Philosophie [s. Anm. 8], 32f.). – Es ist hier nicht der Ort, die ideen- und philosophiegeschichtlichen Wurzeln Baurs genau nachzuzeichnen, dies wäre in je eigenen Untersuchungen zu leisten. Es ist aber grundsätzlich daran zu erinnern, in welchem gedanklichen Kontext Baur seine Paulusinterpretation entfaltet. 10 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 4.
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hen und zu begreifen, um also die in ihr liegenden Ideen tatsächlich zur Geltung zu bringen, ist ein Blick auf die Entfaltung dieser Ideen in der Geschichte und insbesondere auf deren Anfang erforderlich. Diese Perspektive macht die Frage nach dem Christentum zu einer ausdrücklich historischen Frage.11 Im Anfang sind die Momente der Idee des Christentums bereits vorhanden. Die Gegenwart hat demnach ein herausragendes Interesse an der historischen Untersuchung des Anfangs des Christentums, den Baur in neutestamentlicher Zeit und vor allem mit der Person des Paulus verbunden sieht. Als bestimmendes Ziel der historischen Erforschung des neutestamentlichen Kanons insgesamt und der paulinischen Briefe im Besonderen nennt Baur „eine genauere Kenntniß der historischen Verhältnisse, unter welchen diese Briefe entstanden sind, und des Zwecks, für welchen sie in Folge derselben bestimmt waren“12. Die Briefe des Paulus haben einen bestimmbaren historischen Ort, die ‚historischen Verhältnisse‘. Diese Texte können nur verstanden werden, wenn ihr vom Autor, also von Paulus beabsichtigter Zweck wahrgenommen wird.13 In Bezug auf die Paulusbriefe werden für Baur zwei Wahrnehmungen in grundlegender Weise bedeutsam. Die Briefe des Paulus wurden in bestimmbaren Konfliktsituationen geschrieben, und Paulus verfolgte mit ihnen ebenso deutlich erkennbare polemische oder apologetische Absichten. In der besonderen geschichtlichen Situation handelt Paulus als Briefautor und beeinflusst damit den Gang der Geschichte wesentlich. Der Blick auf die ganze Geschichte ist für Baur wesentlich.14 Aber schon für die geschichtliche Wahrnehmung des einzelnen Autors und seiner Texte ist der „Zusammenhang des Einzelnen und Ganzen“ entscheidend, um mit der Exegese „den Sinn und Gedankengang des Schriftstellers“ zu ermitteln.15 Erst in der Zuordnung auf das Ganze wird der einzelne Gedankengang durchsichtig auf seine tatsächliche Bedeutung und auf seine Funktion in der Gesamtheit des von einem Autor Gedachten. Die Bestimmung des Verhältnisses von Ein11 Vgl. ebd. 12 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 147. 13 Alle biblischen Texte haben einen bestimmten geschichtlichen Ort. Erst die Bestim-
mung dieses geschichtlichen Ortes ermöglicht ein Verstehen dieser Texte, und von diesem geschichtlichen Ort ist ihre Bedeutung abhängig. Die Texte wären falsch verstanden, würden sie ungeschichtlich, allgemeingültig und in dogmatischer Absicht geschrieben verstanden. Baur grenzt sich etwa ab gegen die Römerbriefkommentare von W.M.L DE WETTE, Kurze Erklärung des Briefes an die Römer, Kurzgefasstes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament 2/1, Leipzig 1835 und H. OLSHAUSEN, Der Brief des Apostels Paulus an die Römer, Biblischer Commentar über sämmtliche Schriften des Neuen Testaments zunächst für Prediger und Studirende 3/1, Königsberg 1835. 14 Vgl. dazu C. LANDMESSER, Mythos und Geschichte bei Ferdinand Christian Baur, in: Danz (Hg.), Schelling und die historische Theologie (s. Anm. 8), 131–149, hier: 146f. 15 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 147.
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zelnem und Ganzem, die Baur für die Gedanken des Autors wie für die Geschehnisse in der Geschichte unterstellt, ist aus seiner Sicht nicht nur einem abstrakten Systemgedanken verpflichtet. Vielmehr ist es der Gegenstand seiner Untersuchungen selbst, der ihm die Beachtung dieser Relation als unabdingbar erscheinen lässt. Denn die Auslegung der neutestamentlichen Texte ist nach Baur die Aufgabe der Gegenwart. Sie ist damit eine geschichtliche Aufgabe in dem doppelten Sinn, dass sie zum einen auf geschehene Geschichte ausgerichtet ist und dass sie zum anderen an einem geschichtlich bestimmbaren Ort stattfindet. Mit dem ersten Satz seiner Einleitung in beiden Ausgaben des Paulusbuches notiert Baur: „Es ist die grosse Aufgabe unserer Zeit, die Urgeschichte des Christenthums, seine Entstehung und erste Entwicklung, wie sie in der Reihe der Schriften, die den Inhalt unsers neutestamentichen [sic!] Kanons ausmachen, vor uns liegt, kritisch zu erforschen, eine Aufgabe, welche nur aus dem innersten Mittelpunkt der allgemeinsten Interessen und Bewegungen unserer Zeit hervorgehen kann.“16 Die gegenwärtige Zeit blickt nach Baur nicht nur darauf, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird, sie will also „nicht sowohl mit productiver Kraft eine erst werdende Welt schaffen, als vielmehr eine schon gewordene und vorhandene in den Momenten ihres Gewordenseins begreifen“.17 Die Geschichtsschreibung in der Gegenwart sieht nicht einfach auf einen fertig vor ihr liegenden Gegenstand zurück, der ihr äußerlich bliebe. Die ‚Momente des Gewordenseins‘ deuten vielmehr eine Entwicklung in der Geschichte an, die in die Gegenwart resultiert. Soll die Gegenwart verstanden werden, muss auch die Geschichte in ihrer Entwicklung begriffen werden. Die Entwicklung nicht nur in ihren Einzelheiten, sondern in ihrer Prozesshaftigkeit und in ihrer Zielgerichtetheit muss nachvollzogen werden. Nur mit einer solchen Wahrnehmung der zielgerichteten Entwicklung der Geschichte kann überhaupt nach der „geschichtlichen Berechtigung“ dessen gefragt werden, „was seine Geltung für die Gegenwart haben soll“.18 Das kritische Moment dieser Geschichtsbetrachtung besteht genau in der Bestimmung dessen, was für die Gegenwart Geltung haben und behalten soll. Die für die Gegenwart bedeutsame Geschichte ist nach Baur freilich kein stets gleichmäßig sich bewegender Fluss der Geschehnisse. Es gibt für das Verstehen der Geschichte in dieser besonders bedeutsame Einschnitte. Von größter Relevanz sind „die Anfänge und ersten Elemente, in welchen alles schon beschlossen liegt“19. Auf diese Anfänge muss die Geschichtsbetrachtung ihr besonderes Augenmerk richten, will sie die Gegenwart begreifen. 16 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 1; Paulus II/1 (s. Anm. 7), 3 (Zitat nach Paulus II/1). 17 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 1; Paulus II/1 (s. Anm. 7), 3 (Zitat nach Paulus II/1). 18 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 1; Paulus II/1 (s. Anm. 7), 3. 19 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 1; Paulus II/1 (s. Anm. 7), 3.
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Und auch seine eigene Gegenwart sieht Baur als eine in der Geschichte herausragende Zeit. In einer Jahrhunderte währenden „grosse[n] Anstrengung“ und in „mühevolle[r] Arbeit“ hat das Denken seine Selbständigkeit „errungen[-]“.20 Erst der „in sich“ und damit „in der Selbstgewissheit seines Bewusstseins“ ruhende Geist nimmt den Standpunkt ein, der es ihm ermöglicht, „das bewusstlos Gewordene mit dem Bewusstsein der innern Nothwendigkeit seines Werdens zu durchlaufen“.21 Der menschliche Geist hat also bereits eine Geschichte durchlaufen, auf die er zurückblicken kann und die ihn gegenwärtig in die Selbständigkeit und Selbstgewissheit versetzt, die Geschichte so zu betrachten, dass er ihre geradezu notwendige Prozesshaftigkeit erkennt. Die Betrachtung der Geschichte dient so tatsächlich „der Selbstverständigung des modernen Bewußtseins“.22 Über die Betrachtung der Geschichte kommt das Bewusstsein zu sich selbst. Wie sich nach dem Durchgang durch Baurs Paulusinterpretation zeigen wird, ist auch die Perspektive des menschlichen Geistes und des modernen Bewusstseins wiederum der Geschichte nicht äußerlich. Vielmehr hat der menschliche Geist in bestimmter Weise Anteil an dem sich in der Geschichte entfaltenden Geist, der kein anderer als der Geist Gottes ist. Die Möglichkeit überhaupt, die Geschichte so verstehend zu betrachten, ist an die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins gebunden.23 Für den Zugang Baurs zur Geschichte im Kontext seiner Paulusinterpretation ist ein weiteres Moment entscheidend. Die Entwicklung in der Geschichte geschieht immer in der Auseinandersetzung und vollzieht sich in Gegensätzen. Dieser Aspekt erinnert zumindest an Hegels dialektischen Geschichtsentwurf. Eine angemessene Geschichtsbetrachtung wird diese Gegensätze aufsuchen, um die Entwicklung in der Geschichte und nicht einen statischen und selbstzufriedenen oder scheinbar abgeschlossenen Zustand in den Blick zu bekommen. Denn die Geschichte hat als ihr Ziel die vollständige Entfaltung des Geistes, der Idee, des Absoluten. Das Absolute kommt freilich nicht erst am Ende der Geschichte, also mit seiner vollständigen Entfaltung zur Geltung. Auch in den vorläufigen sinnlichen Formen des Bewusstseins hat das Absolute seinen Ort. Es ist wohl verdeckt und wird überformt etwa durch 20 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 1; Paulus II/1 (s. Anm. 7), 3 (Zitat nach Paulus II/1). 21 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 1f.; Paulus II/1 (s. Anm. 7), 3f. (Zitat nach Paulus II/1). 22 GRAF, Baur (s. Anm. 4), 90. 23 Vgl. ebd.: Die historische Theologie hat „die geschichtliche Entwicklung des christli-
chen Geistes mit Hinblick auf dessen Gegenwart zu rekonstruieren bzw. die Gegenwart um das Wissen über das Woher ihres Gewordenseins zu bereichern.“ – Graf erinnert aaO., 94 gut begründet an Schellings System des transzendentalen Idealismus (1800). Die fortschreitende Selbstentfaltung der Vernunft im Prozess der Geschichte, der Zusammenhang von Einzelgeschehen und Gesamtprozess sowie die Notwendigkeit dieses vernünftigen Geschehens sind tragende Elemente in Baurs Geschichtsverständnis.
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Symbole und durch Mythen.24 Aber in allen Entwicklungsstufen ist in der Geschichte die Idee des Absoluten zu entdecken. Es bedarf deshalb der kritischen Geschichtsbetrachtung, die Idee muss von den sie begleitenden und zuweilen verdeckenden Vorstellungen unterschieden werden. Auch an dieser Stelle wird wieder sichtbar, wie das menschliche Bewusstsein in die Geschichte eingebunden ist. In seiner frühen Schrift Symbolik und Mythologie spricht Baur von den „der Vernunft angeborenen Ideen des Absoluten“25. Das vernünftige Bewusstsein kann genau wegen der seiner Vernunft angeborenen Ideen diese Ideen in der Geschichte auch aufsuchen. Das ist dem menschlichen Bewusstsein entsprechend seiner Entwicklungsstufen möglich. Für Baur ist es gerade das paulinische Christentum, das dem menschlichen Bewusstsein in spezifischer Weise die Einsicht in das Absolute verschafft. Baur will die historischen Verhältnisse und den Zweck der Paulusbriefe erkennen, um so ihren geschichtlichen Ort bestimmen zu können. Mit einer solchen historischen Verortung werden die Texte einer dogmatischen Verselbständigung und Verallgemeinerung entzogen. Baurs Blick ist sowohl auf das Einzelereignis als auch auf das Ganze der Geschichte gerichtet. Dies ermöglicht eine kritische Zuordnung des Einzelnen zum Ganzen und eröffnet auch den Raum für Kritik, um zu entscheiden, welches Einzelne etwa für das Ganze nicht von Belang ist. Die auf die Geschichte ausgerichtete Exegese ist ihrerseits ein Teil der Geschichte. Es ist also auch von Bedeutung, den eigenen geschichtlichen Ort zu kennen und zu bestimmen. Die Geschichte hat immer wieder Phasen, die von besonderer Bedeutung sind. Herausragend ist der Anfang einer Geschichte, in dem schon die Idee vorhanden ist, die sich während des Verlaufs der Geschichte entfalten wird. Geschichte ist nie ein fertiger und abgeschlossener Zustand, die Geschichte entwickelt sich vielmehr. Die Entwicklung geschieht in der Auseinandersetzung. Die Entwicklung in der Geschichte bedeutet eine Entfaltung der in der Geschichte vorhandenen Idee, des Geistes, der der Geist Gottes ist, kurz des Absoluten. Das Ziel der Geschichte ist die Entfaltung dieses Absoluten. Das menschliche Selbstbewusstsein, das dieses Absolute erfasst, kommt so zu seiner höchsten Entwicklungsstufe, und die bedeutet seine Freiheit. Mit der Paulusinterpretation Baurs werden mindestens diese Momente seines Zugangs zur Geschichte inhaltlich gefüllt und an die neutestamentlichen Texte zurückgebunden.
24 Vgl. dazu LANDMESSER, Mythos und Geschichte (s. Anm. 14), 135–139. 25 BAUR, Symbolik und Mythologie (s. Anm. 6), Teil 1, 85.
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2. Die authentischen Quellen für das Paulusbild Baurs In seiner Annäherung an die Person des Paulus orientiert sich Baur an den Paulusbriefen. Die Apostelgeschichte erscheint ihm zumindest im Verhältnis zu den echten Paulusbriefen als wenig aussagekräftig über die tatsächliche Entwicklung der urchristlichen Geschichte und Gedankenwelt.26 Die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe weisen deutliche Unterschiede in ihrer Geschichtsdarstellung auf, die nach der Einschätzung Baurs nicht nebeneinander bestehen können. Die Paulusbriefe haben nach Baur grundsätzlich gegenüber allen anderen Schriften des Neuen Testaments „den Vorzug einer authentischen Quelle“.27 Nur bei den Paulusbriefen gibt es eine Sicherheit über den Autor. Die Apostelgeschichte muss als Quelle für die urchristliche Zeit dagegen auch aufgrund des Interesses, das in ihr erkennbar wird, hinter den Paulusbriefen zurückstehen. Baur kann in der Apostelgeschichte „keine rein objective, sondern nur eine durch ein subjectives Interesse alterirte Darstellung erkennen“.28 Als Haupttendenz der Apostelgeschichte sieht Baur eine harmonisierende und apologetische Darstellung des Apostels Paulus, dessen Heidenmission gegenüber den Angriffen der „Judaisten“ verteidigt werden soll.29 Dazu werden nach Baur die zwischen den urchristlichen Protagonisten Paulus und Petrus über die authentischen Paulusbriefe erkennbaren theologischen Differenzen eingeebnet. Es werde die Gesetzesgerechtigkeit des Paulus hervorgehoben, die Darstellung „der allem Gesetzeswesen abgekehrten Seite der paulinischen Frömmigkeit“ fehle dagegen30, und damit fehlt nach Baur natürlich das Wesentliche in der Nachzeichnung der Person und der Frömmigkeit des Paulus. Die Beschreibung der Person des Paulus habe in der Apostelgeschichte einen „judaisirende[n] Charakter“31, der, so ist der Gedanke Baurs hier sachlich fortzusetzen, die christliche Perspektive des Paulus gerade ver26 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 7f. 27 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 8. 28 Ebd. Baur schließt sich hier ausdrücklich an die Untersuchung von M. SCHNECKENBURGER, Über den Zweck der Apostelgeschichte, zugleich eine Ergänzung der
neueren Commentare, Bern 1841 an. Zur Diskussion im 19. Jahrhundert um die Apostelgeschichte in ihrem Verhältnis zu den Paulusbriefen vgl. SCHNEIDER, Baur (s. Anm. 1), 182– 201. 29 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 8. – Das Problem ist nicht, dass die Apostelgeschichte eine Tendenz erkennen lässt. Baur sieht bekanntlich in allen neutestamentlichen Schriften eine Tendenz, die es zu erkennen gilt (zur Tendenzkritik Baurs, auch mit Blick auf die Apostelgeschichte, vgl. die Hinweise bei BAUSPIESS, Geschichte [s. Anm. 5], 63–68). Die historische Kritik hat die Aufgabe, diese Tendenz zu identifizieren und so den Weg zur Geschichte freizulegen. 30 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 9. 31 Ebd.
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kenne. Als Beleg dafür, dass die Apostelgeschichte nicht für eine geschichtlich zuverlässige Annäherung an die Person des Paulus taugt, erinnert Baur daran, dass die Apostelgeschichte über den in Gal 2 berichteten Konflikt zwischen Paulus und Petrus in Antiochien schweigt.32 Auch in der Darstellung der Entwicklung des Paulus unterscheidet sich die Apostelgeschichte vom Bericht des Paulus in Gal 1.33 Insgesamt vermittle die Apostelgeschichte ein „falsche[s] Bild von der Persönlichkeit des Apostels“34. Wir müssen nach Baur also für eine angemessene geschichtliche Wahrnehmung der Person des Paulus auf die Paulusbriefe zugehen. Den „geschichtlichen Werth[-] und Charakter[-]“ der Apostelgeschichte will Baur ausgehend von einem Vergleich mit dem „geschichtlichen Inhalt der paulinischen Briefe“ beurteilen.35 Die Apostelgeschichte habe eine insgesamt „idealisirende Tendenz“.36 Damit dokumentiere sie, „dass ihr ein anderes Interesse als das historische zu Grunde liegt“.37 Alles Störende sei aus der Erzählung über die ersten christlichen Gemeinden weitgehend ausgeschieden worden, es erscheine insgesamt ein harmonisches Bild der frühen christlichen Gemeinde. „Ein solcher Zustand fand aber in der Wirklichkeit nicht statt“.38 Diese Feststellung ist für Baur entscheidend, denn erst aus dem Widerspruch innerhalb der ersten Christengemeinden und vor dem Hintergrund der urchristlichen Auseinandersetzungen konnte die Entwicklung entstehen, die letztlich zur Entfaltung des christlichen Geistes in der Geschichte führen sollte. Erst die authentischen Briefe des Paulus machen für uns „die lebendige objektive Bewegung jener Zeit“ zugänglich.39 So kann man nach Baur über die historische Untersuchung der Paulusbriefe in der Frage nach der Entwicklung des Christentums auf den ‚Grund des Daseins‘ sehen, denn bei Paulus liegen „die Anfänge“, die Wurzeln und die „ersten Elemente“ des Christentums.40 Paulus war ein Gelegenheitsschreiber. Der Sinn und der Zweck seiner Briefe erschließen sich aus der jeweils historischen Situation, die wiederum über die Briefe selbst zugänglich ist. Die Paulusbriefe hatten nach Baur vor allem das Ziel, seine erfolgreiche Missionsarbeit gegen Angriffe zu verteidigen. Das sollte allerdings nicht in der harmonisierenden Weise der Apostelge32 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 10. 33 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 120f. 34 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 275. 35 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 17. 36 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 35. 37 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 37. 38 Ebd. 39 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 154. 40 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 1; Paulus II/1 (s. Anm. 7), 3.
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schichte geschehen, durch die das tatsächliche Profil der Theologie des Paulus nach Baur abgeschliffen wurde. Paulus war geradezu gezwungen, seine Briefe zu schreiben, „wenn er sein Werk nicht vereitelt sehen wollte“.41 Insofern die Antagonismen innerhalb der Urchristenheit in den Paulusbriefen deren Inhalt bestimmen, wird in diesen der „objektive[-] Entwicklungsgang“ der christlichen Gemeinden erkennbar.42 Paulus war nach Baur der herausragende Apostel in der urchristlichen Zeit. Das Denken aller Apostel unterlag allerdings auch einer Entwicklung.43 Die Ausdifferenzierung, die Kämpfe und die Streitigkeiten in den ersten christlichen Gemeinden förderten die Entwicklung, „die Erkenntniß der christlichen Wahrheit“, „die höhere Erleuchtung, die sie dem in ihnen waltenden göttlichen Geist verdankten“.44 In diesen Auseinandersetzungen und Konflikten, die eine höhere Erkenntnis hervorrufen, überragte Paulus die anderen Apostel. Bevor eine Annäherung an die Person des Paulus in der Perspektive Baurs unternommen werden kann, muss die Quellenlage noch präzisiert werden. Denn nicht alle Briefe im Neuen Testament, die als Absenderangabe den Namen Paulus tragen, können nach Baur auch tatsächlich diesem Apostel zugerechnet werden. Seine abschließende Sicht über die Paulusbriefe erörtert Baur in der Einleitung zum zweiten Teil seines Paulusbuches in zweiter Auflage.45 Der gesamte erste Teil dient dem Nachweis, „welches falsche Bild von der Persönlichkeit des Apostels wir uns machen müssten, wenn wir für unsere Kenntniss derselben keine andere Quelle hätten, als die Apostelgeschichte“.46 In den im Neuen Testament dem Paulus zugeschriebenen Briefen hat sich allerdings „derselbe Doppelgänger, dessen falsches Gegenbild sich in der Apostelgeschichte an die Stelle des wahren Apostels gesetzt hat, ihm zur Seite gestellt“.47 Baur kommt mittels seiner historisch-kritischen Arbeit zu dem Ergebnis, dass nicht alle diese Paulus zugeschriebenen Briefe auch von ihm verfasst worden seien.48 Er unterscheidet unter ausdrücklicher Aufnahme der 41 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 153. 42 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 154. Baur spricht vor-
zugsweise, aber doch anachronistisch vom ‚Christentum‘ oder von ‚der christlichen Kirche‘. 43 Vgl. BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 153f. S. dazu unten Anm. 156. 44 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 154. 45 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 275–279. 46 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 275. 47 Ebd. 48 Zum Kontext der Kanondiskussion im 19. Jahrhundert vgl. M. OHST, Aus den Kanondebatten in der Evangelischen Theologie des 19. Jahrhunderts, in: E.-M. Becker/S. Scholz (Hg.), Kanon in Konstruktion und Dekonstruktion. Kanonisierungsprozesse religiöser Texte von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch, Berlin/Boston 2012, 39–70 (Ohst berücksichtigt allerdings die Äußerungen Baurs zum Kanon nicht).
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Terminologie von Euseb von Caesarea zunächst zwei Klassen von Paulusbriefen49: die Homologumena und die Antilegomena. Zu den Homologumena, den unbestrittenen Paulusbriefen, zählt Baur in der Reihenfolge ihrer Abfassung den Galaterbrief, die beiden Korintherbriefe und den Römerbrief. Alle anderen Paulusbriefe gehören zu den Antilegomena, deren Echtheit nicht nachgewiesen werden könne. Gegen die paulinische Verfasserschaft der Antilegomena könne zumindest Widerspruch erhoben werden, „womit jedoch keineswegs … die positive Behauptung wirklicher Unächtheit ausgesprochen“ werden könne.50 Allerdings sind unter den Antilegomena auch solche Briefe, bei denen das kritische Urteil zunehmend wahrscheinlich macht, dass sie sicher keine Paulusbriefe sein können. Zu diesen Notha rechnet Baur die Pastoralbriefe.51 So kommt Baur letztlich zu drei Klassen von Paulusbriefen.52 Das Paulusbild, das Baur entwickelt, will er in den echten Paulusbriefen verankert sehen. Es soll deshalb im Folgenden seinen Analysen der vier unbestritten echten Paulusbriefe gefolgt werden, um den wesentlichen Linien seiner Vorstellung vom Denken und von der Person des Paulus näher zu kommen.
3. Das Paulusbild Baurs 3.1. Die geschichtliche Situation nach dem Tod Jesu Die Person des Paulus hat nach Baur ihren geschichtlichen Ort in einer Phase, die von der grundlegenden Auseinandersetzung zwischen Judentum und Christentum bestimmt ist. Dieser Konflikt ist bereits mit der Person Jesus wesentlich verbunden. Zum Bruch zwischen beiden Religionsformen kam es
49 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 276. – Die Einteilung der Schriften, deren Kanonizität diskutiert wird, in homologumena (unbestrittene Bücher), antilegomena (umstrittene Bücher) und notha (abzulehnende Bücher) findet sich in EUSEBIUS, he. III 25,1–7 (vgl. dazu B.M. METZGER, Der Kanon des Neuen Testaments. Entstehung, Entwicklung, Bedeutung, Düsseldorf 1993, 194–200). Die Verwendung dieser Begrifflichkeit mit leichten Variationen ist bereits bei Origenes zu finden (vgl. dazu H. VON LIPS, Der neutestamentliche Kanon. Seine Geschichte und Bedeutung, ZGB, Zürich 2004, 80–82 [zu Origenes].84–86 [zu Euseb].175 [knappe Hinweise zu Baur]). 50 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 276. 51 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 277. 52 Baur notiert die drei Klassen neutestamentlicher Schriften. Homologumena: Galaterbrief, Erster Korintherbrief, Zweiter Korintherbrief, Römerbrief; Antilegomena: Epheserbrief, Kolosserbrief, Erster Thessalonicherbrief, Zweiter Thessalonicherbrief, Philipperbrief, Philemonbrief; Notha: Pastoralbriefe (vgl. BAUR, Paulus II/1 [s. Anm. 7], 278f.).
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mit dem Tod Jesu.53 In diesem Tod erkennt Baur die Paradoxie, dass, „was der äussern Erscheinung nach nur Untergang und Vernichtung zu sein schien, … der entscheidungsvollste Sieg und Durchbruch zum Leben“ gewesen sei.54 Mit dem Tod Jesu kam nach Baur die Erwartung aus dem jüdischen Volk, dass Jesus der Messias sei, zu ihrem Ende. „Ein Tod, wie der seinige, machte es für den Juden, so lange er Jude blieb, zur Unmöglichkeit, an ihn als seinen Messias zu glauben.“55 Ein toter Messias sei für einen Juden nicht vorstellbar gewesen. Es gab nach dem Tod Jesu für Baur nur zwei sich ausschließende Möglichkeiten: „[E]ntweder musste in seinem Tode auch der Glaube an ihn erlöschen, oder es musste dieser Glaube, wenn er fest und stark genug war, nothwendig auch die Schranke des Todes durchbrechen und vom Tode zum Leben hindurchdringen“.56 Das durch eine geschichtliche Untersuchung nicht zu fassende Ereignis der Auferstehung Jesu begründet den Glauben der Jünger, der „zur festesten und unumstösslichsten Gewissheit geworden ist“.57 Dieser Glaube der Jünger bildet nach Baur die Voraussetzung für die folgende Entwicklung des Christentums.58 Auf diesen von Tod und Auferstehung Jesu ausgehenden Glauben trifft auch Paulus. In seiner Theologie findet der Gegensatz zwischen Judentum und Christentum einen besonderen Ausdruck, der eine Annäherung an das „Princip“ des Christentums ermöglicht. Nach dem Tod Jesu löste sich der Jüngerkreis nicht auf. In Jerusalem entstand die erste christliche Gemeinde, die bleibend „das Haupt für alle glaubigen Anhänger Jesu aus dem Judenthum“ wurde.59 Diese judenchristliche Gemeinde wird später für Paulus zu der Größe, mit der er sich innerchristlich auseinandersetzen wird. Auch wenn die Apostelgeschichte, wie bereits festgestellt, „nur ein sehr schwaches und unklares Bild“ über die geschichtlichen Abläufe vermittelt, gewinnt man doch mit der Person des Stephanus nach Apg 6f. „festern geschichtlichen Boden“.60 In Stephanus erkennt Baur den „Vorläufer des Apostels Paulus“.61 Stephanus setzte dem Tempelkult eine „geistigere Gottesverehrung“ entgegen, die ihn über das Judentum hinaus-
53 Vgl. F.C. BAUR, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, 2., neu durchgearbeitete Ausgabe 1860, mit einer Einführung von U. Wickert, in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Band III, Stuttgart-Bad Cannstatt 1966, 39. 54 Ebd. 55 Ebd. 56 Ebd. 57 Ebd. 58 Vgl. BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 39f. 59 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 42. 60 Ebd. 61 Ebd.
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führte.62 Bei dem Hellenisten Stephanus werde erstmals in der urchristlichen Gemeinde der entscheidende Gegensatz gegen das Judentum wahrnehmbar. Dieser Gegensatz zum Judentum führte auch innerhalb der urchristlichen Gemeinde zu verschiedenen Ausrichtungen.63 Nach dem Märtyrertod des Stephanus zerstreuten sich die hellenistischen Jerusalemer Gemeindeglieder nach Judäa und Samaria und bis nach Antiochien, wo die erste heidenchristliche Gemeinde entstand. Nach Baur blieben in Jerusalem nicht nur die Apostel zurück, sondern auch die aus dem Judentum kommenden Gemeindeglieder, die „Hebräer“.64 Fortan gab es zwei auch lokal bestimmbare Ausformungen des Christentums: die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem und die heidenchristliche Gemeinde in Antiochien. Die judenchristliche und die heidenchristliche Gestalt der beiden urchristlichen Gemeinden waren nach Baur nicht nur hinsichtlich der Herkunft ihrer Gemeindeglieder unterschieden, sie standen auch für inhaltlich geradezu gegenläufige Ausrichtungen, wie die Auseinandersetzungen, in die Paulus verwickelt werden sollte, erkennen lassen. 3.2. Das Paulusbild Baurs nach den ‚authentischen‘ Briefen Die Person des Paulus erhält für Baur erst über die von ihm für authentisch gehaltenen Briefe historisch nachvollziehbare Konturen. Im Anschluss an diese Briefe und in der Reihenfolge ihrer angenommenen Entstehung beschreibt Baur die Person und das Denken des Paulus. 3.2.1. Der Galaterbrief Mit dem Galaterbrief liegt nach Baur der älteste uns zugängliche Paulusbrief vor.65 Diesen Brief sieht Baur an eine heidenchristliche Gemeinde gerichtet; er bezweifelt, dass in den galatischen Gemeinden auch Judenchristen beheimatet waren.66 Allerdings traten in Galatien ‚judaisierende Gegner‘ auf.67 Die 62 Ebd. – Baur erkennt in der Anklage gegen Stephanus eine große Nähe zur Anklage, die zu Jesu Tod führte. 63 Vgl. BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 43. 64 Damit relativiert Baur die Aussage in Apg 8,1b, wonach sich außer den Aposteln alle Gemeindeglieder nach Judäa und nach Samaria zerstreuten. Die Verfolgung habe nur den Hellenisten gegolten (vgl. ebd.). Die Einschätzung Baurs ist historisch insofern nachvollziehbar, als dem Verfasser der Apostelgeschichte mit seiner Anmerkung in Apg 8,1b, dass alle Jerusalemer Gemeindeglieder aufgrund der Verfolgungssituation zerstreut worden seien und in der Folge die Mission ausbreiteten, daran gelegen war, das in Apg 1,8 angedeutete Missionskonzept narrativ weiter zu entfalten (vgl. dazu R. PESCH, Die Apostelgeschichte, 1. Teilband: Apg 1–12, EKK V/1, Solothurn u.a. 21995, 265). 65 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 287. 66 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 281. 67 Vgl. ebd.
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galatischen Gemeinden standen in der Gefahr, das von Paulus verkündigte Evangelium aufzugeben. Die Gegner des Paulus und seiner Evangeliumsverkündigung wollten zwar nach Baur nicht „verhindern, dass auch die Heiden zur Theilnahme am messianischen Heil berufen werden“.68 Die „Schranke des Judenthums“ sei auch für diese Gegner des Paulus schon „durchbrochen“ gewesen.69 Sie wollten allerdings daran festhalten, „dass auch in dieser weitern Sphäre alles Heil nur in der Form des Judenthums zu Theil werden kann“.70 Ohne eine Zuwendung zum Judentum bliebe den Heiden das Heil verschlossen.71 Mit der damit geforderten Einhaltung des Gesetzes stellten sie sich in einen Gegensatz zur Evangeliumsverkündigung des Paulus, die von der „Freiheit vom Gesetz“ bestimmt gewesen sei.72 Sie forderten eine absolute Geltung des Judentums.73 Der Galaterbrief gibt nach Baur einen Einblick in „die grosse Bewegung des jetzt gerade … begonnenen Kampfs zwischen dem Judenthum und Christenthum“.74 Die für das Christentum wesentliche Differenz zum Judentum sieht Baur erst durch Paulus zu seiner geschichtlichen Realität gekommen.75 Das eigentliche Thema des Galaterbriefes sei „die Rechtfertigung des paulinischen Christenthums“.76 Paulus steht im Zentrum der für die Entwicklung der urchristlichen Gemeinden wesentlichen Auseinandersetzung. Seine persönliche Autorität aber ist strittig. Er ist kein Apostel, der als Jünger im Umfeld von Jesus gewesen ist. Paulus steht deshalb vor der Notwendigkeit, die „Unmittelbarkeit seines apostolischen Berufs“ nachzuweisen.77 Dies versucht Paulus zu Beginn des Galaterbriefes. Die Begründung seiner apostolischen Autorität sieht Baur darin, dass Paulus diese nicht über eine „menschliche[-] Mittheilung“ erhalten habe, dass er sie vielmehr „nur durch einen unmittelbaren Akt seines Selbstbewusstseins“ gewonnen habe.78 Gegenüber den anderen Aposteln wisse sich Paulus völlig unabhängig. Seine apostolische Autorität sehe Paulus nach Gal 1,15f. in seinem Bekehrungserlebnis begründet.79 Mit diesem war zugleich
68 Ebd. 69 Ebd. 70 Ebd. 71 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 281f. 72 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 282. 73 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 283; vgl. auch aaO., 281. 74 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 283. 75 Vgl. ebd. 76 Ebd. 77 Ebd. 78 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 284. 79 Vgl. BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 44.
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seine Berufung zum Heidenmissionar begründet. Damit sah er sich den anderen Aposteln gleichgestellt.80 Mit seiner Hinwendung zu den Heiden geschieht nach Baur die entscheidende Öffnung zu dem „christlichen Universalismus in seinem principiellen Unterschied vom jüdischen Particularismus“.81 Es verbinden sich im Bekehrungsgeschehen „die Berufung zum Apostelamt und die Bestimmung des Christenthums zum allgemeinen Heilsprincip für alle Völker“.82 Baur beschreibt den Vorgang der Bekehrung des Paulus als ein Wunder, „da er in diesem Umschwung seines Bewusstseins auch die Schranken des Judenthums durchbrach und den jüdischen Particularismus in der universellen Idee des Christenthums aufhob“.83 Das Judentum mit seinem Partikularismus ist nicht einfach vernichtet, sondern in der Idee des Christentums mittels eines geistigen Prozesses aufgehoben. Damit ist das Judentum für Baur aber auch überwunden. Erst bei Paulus werde der den Partikularismus des Judentums durchbrechende christliche Universalismus „zur Gewissheit“.84 Baur schließt hier einen entscheidenden Gedanken an. Paulus sehe sich mit seinem universalen Christentum auch in einer Freiheit gegenüber der Person Jesus.85 Denn erst durch Paulus spreche sich der christliche Universalismus „in seiner vollen Bedeutung“ aus.86 Die Person Jesus trage an sich „das Beschränkende und Beengende der nationalen jüdischen Messiasidee“.87 Dies sei allerdings notwendig, weil gerade darin der „Anknüpfungspunkt für seine geschichtliche Entwicklung“ zu finden sei.88 Die Person Jesus habe aber „absolute Bedeutung“ aufgrund des anderen konstituierenden Elementes: „das sittliche Universelle, allgemein Menschliche, göttlich Erhabene“.89 Die Universalität des Christentums sieht Baur also bereits in der Person Jesu angelegt, sie kommt bei Jesus aber insofern noch nicht vollständig zur Geltung, als er sich in der Anknüpfung an die Messiasvorstellungen in den partikularen, nationalen Grenzen bewegen musste.
80 „Er wurde also nicht blos ein Jünger Jesu, wie andere zum christlichen Glauben bekehrte, er war es sich bewusst, auch ein Apostel Christi zu sein, wie die ältern Apostel, und doch auch wieder ein ganz anderer als sie, da er nur in der heidnischen Welt seinen apostolischen Beruf erfüllen zu können glaubte.“ (Ebd.) 81 Ebd. 82 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 45. 83 Ebd. 84 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 46. 85 Vgl. ebd. 86 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 46f. 87 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 47. 88 Ebd. 89 Ebd.
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Wie sich der Konflikt zwischen dem partikularistischen Judentum und dem universellen Christentum auch innerhalb der urchristlichen Gemeinde auswirkt, wird an der Auseinandersetzung des Paulus mit Petrus in Antiochien (Gal 2,11f.) erkennbar. Es zeige sich das Unrecht des Petrus. Ausgehend von dieser Auseinandersetzung gehe Paulus in den folgenden Passagen des Galaterbriefes in eine dogmatische Argumentation über.90 Paulus erweise das Christentum als „die absolute Religion, die Religion des Geistes und der Freiheit“.91 Das Judentum sei wie das Heidentum dem Standpunkt des Christentums untergeordnet.92 Im Galaterbrief werde der urchristliche Konflikt zwischen dem partikularen Judentum und dem universalen Christentum bereits klar erkennbar. Innerhalb der urchristlichen Gemeinde entstehe eine Auseinandersetzung zwischen dem Partikularismus derer, die auch für die Heiden eine Zuordnung zum Judentum forderten, und dem Universalismus der Heidenmission des Paulus, der ein vom Gesetz freies Evangelium verkündete. Dieser Konflikt setze sich in den weiteren authentischen Paulusbriefen fort. 3.2.2. Der Erste und der Zweite Korintherbrief Die beiden Korintherbriefe bilden den Gegenstand einer der bedeutendsten und frühen Untersuchungen Baurs zur Theologie des Paulus. In seiner Schrift Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde … aus dem Jahr 183193 entfaltet er ein detailliertes Bild der in den Korintherbriefen erkennbaren Theologie des Paulus und ihrer Auswirkungen auf Entwicklungen in der Zeit der Alten Kirche.94 Die beiden Korintherbriefe sind für Baur von besonderem Interesse, weil sie „in die lebendige Mitte einer erst sich gestaltenden christlichen Gemeinde hineinversetzen“.95 Er widmet ihnen besondere Aufmerksamkeit, weil sie nachvollziehbar machen, wie in der korinthischen Gemeinde der das frühe Christentum bestimmende Konflikt eine solche Gestalt gewinnt, durch welche die weitere Entwicklung der christlichen Gedankenwelt bestimmt wird. Die beiden Korintherbriefe stehen an herausgehobener Stelle am Anfang der Christentumsgeschichte.
90 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 284. 91 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 285. 92 Diese Gleichstellung des Judentums mit dem Heidentum bei Paulus behauptet Baur im
Anschluss an Gal 4,1–11 (vgl. ebd.). 93 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7). 94 Vgl. zu dieser Schrift die knappen, aber hilfreichen Anmerkungen bei SCHOLDER, Baur als Historiker (s. Anm. 1), 445–447. 95 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 1f.
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Auf den Konflikt in Korinth verweist Paulus gleich zu Beginn der korinthischen Korrespondenz (1Kor 1,11). Eine erste Voraussetzung für die Auseinandersetzungen in Korinth sieht Baur in der Zusammensetzung der dortigen Gemeinde, deren Mitglieder in der Mehrzahl Heidenchristen gewesen seien; in der Gemeinde gab es nach Baur aber auch Judenchristen.96 Die korinthischen Konflikte führten zu Parteibildungen. Die Parteien ordneten sich ausdrücklich namentlich genannten Autoritäten zu (1Kor 1,12). Für Baur legt es sich nahe, dass sich die Gruppe aus den Heidenchristen Paulus und Apollos zurechnete, während sich die Judenchristen in Korinth an Petrus orientierten.97 Paulus tadele den „Sectengeist der Korinthier“ und verweise auf die Hauptsache der Evangeliumsverkündigung, das İĮȖȖİȜȓȗİıșĮȚ.98 Mit dem Hinweis auf die Evangeliumsverkündigung rückt Baur „die einfache Lehre von gewißen historischen Thatsachen und vor allem von der großen Thatsache des Kreuzestodes Jesu“ in den Blick.99 Damit setze sich Paulus in einen Gegensatz sowohl zu den Vorstellungen der Heiden wie der Juden. Er wolle „das Eigenthümliche des christlichen Bewußtseyns“ entwickeln, und zwar „nach der Folge seiner einzelnen Momente“.100 Über die hier angedeuteten Momente der Auseinandersetzung in Korinth wird die Entwicklung des Christentums in Gang gesetzt. Das „Princip“ des Eigentümlichen des christlichen Bewusstseins ist nach Baur das ʌȞİ૨ȝĮ șİȠ૨.101 Damit der Geist Gottes im Selbstbewusstsein des Menschen auch etwas bewirken kann, muss „dem Pneumatischen, das das ʌȞİ૨ȝĮ șİȠ૨ mittheilen will, in dem Gemüthe des Menschen selbst etwas Pneumatisches“ entsprechen. Es ist also eine Empfänglichkeit des Menschen für das Pneumatische vorauszusetzen. Denn der Mensch kann von sich aus am Göttlichen keinen Anteil haben, „es muß ihm von Gott mitgetheilt werden“.102 Die Mitteilung des Göttlichen von Gott her geschieht nach Baur durch das Christentum, „durch welches in allen, die Empfänglichkeit dafür haben, ein ganz neues höheres Bewußtseyn geweckt worden ist“.103 Den Gegnern des Paulus in Korinth fehle diese Empfänglichkeit für das Pneumati-
96 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 2. 97 Vgl. ebd. 98 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 9. 99 Ebd. 100 Ebd. – Diese verschiedenen Momente entfaltet Baur in einer Anmerkung in subjektiver wie in objektiver Hinsicht (vgl. BAUR, Christuspartei [s. Anm. 7], 9f. [Anmerkung]). 101 Ebd. 102 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 10. 103 Ebd.
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sche.104 Die „Parteisucht“ der Korinther führt Baur auf die „noch so niedrige[-] Stufe des geistigen Lebens“ zurück.105 Es bedarf also schon einer bestimmten Entwickeltheit, um für das Pneumatische und für die Lehren des Paulus empfänglich zu sein. Die christlichen Lehrer reden nach Paulus nicht in eigener Sache. Das ist für ihre Autorität nach Baur entscheidend, denn sie sind „nur Diener der Absichten Gottes“.106 Sie führen die Gemeinde zu Christus und letztlich zu Gott. Gott ist „das Eine höchste Princip des wahrhaft geistigen Lebens“.107 Nach Baur beschreibt Paulus eine Reihung der Relationen. Die Lehrer sind an der Gemeinde orientiert, die Gemeinde ist auf Christus bezogen und Christus verweist auf Gott. „So hat alles seine letzte Beziehung auf Gott“.108 Den Hauptgegensatz der Parteiungen in Korinth sieht Baur zwischen deren Autoritäten Paulus als dem Heidenapostel und Petrus als dem Judenapostel.109 Es spiegelt sich in der korinthischen christlichen Gemeinde der bereits erwähnte Gegensatz zwischen Judentum und Christentum, jetzt gewissermaßen in einem christlichen Kontext. Anders als gelegentlich behauptet sei die Petruspartei freilich nicht durch eine „übertriebene Anhänglichkeit … an das mosaische Gesetz“ charakterisiert110, auch wenn das mosaische Gesetz eine wichtige „Triebfeder“ gewesen sein mochte.111 Die Differenz zu Paulus dürfe nicht einfach vorausgesetzt werden, sie sei vielmehr aus dem Inhalt der Korintherbriefe selbst zu erheben. Als „Hauptgegenstand des Inhalts der beiden Briefe“ erkennt Baur „eine Rechtfertigung des apostolischen Ansehens“.112 Paulus verteidigt seinen Apostolat. Im Zusammenhang der Apologie des Paulus bringe dieser zentrale theologische Fragen zur Sprache. 104 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 11. – Wenn den Gegnern des Paulus diese Empfänglichkeit für das Pneumatische fehlt, dann kann es sich bei dieser nicht um eine allgemein anthropologisch verankerte Disposition oder Struktur handeln. 105 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 11. 106 Ebd. 107 Ebd. – Vgl. auch BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 13: „Wie eure Lehrer auf euch Rücksicht zu nehmen haben, … so habt ihr auf Christus Rücksicht zu nehmen, er ist das höchste Princip, von welchem ihr euch in eurem ganzen religiösen und geistigen Leben als abhängig anerkennen müßt“. 108 Ebd. 109 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 16. Die apollonische Partei rückt Baur in die Nähe der Pauluspartei, es seien wahrscheinlich nur zwei verschiedene Namen einer Partei gewesen (aaO., 24). Die Christuspartei sieht er dagegen in der Nähe der Petruspartei (zu letzterer vgl. aaO., 23). 110 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 18. – Baur wendet sich hier gegen A.L.C. HEYDENREICH, Commentarius in priorem divi Pauli ad Corinthios epistolam, Marburg 1825, 28f. 111 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 23. 112 Ebd.
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Paulus wurde nach Baur von der Petruspartei angegriffen. Bereits die Namen Petrus und Christus, auf die sich die dem Paulus gegenüber gegnerischen Parteien beriefen, waren nach Baur gewählt worden, um „die unmittelbare Verbindung mit Christus als Hauptmerkmal des ächten apostolischen Ansehens“ hervorzuheben.113 Dieses Merkmal könne Paulus nicht aufweisen, weshalb seine Autorität als Apostel nicht mit der des Petrus gleichgesetzt werden könne. Paulus widersetze sich gerade diesem Angriff auf seine Autorität in verschiedenen Passagen der Korintherbriefe. In 1Kor 9,1 erinnert Paulus daran, den țȪȡȚȠȢ selbst gesehen zu haben, womit er sich ganz allgemein den übrigen Aposteln, die in der Nähe Jesu gewesen waren, gleichgestellt habe.114 In 1Kor 15,8 berufe sich Paulus darauf, dass auch ihm der Herr erschienen sei.115 Die anderen Apostel haben keine größere Nähe zum țȪȡȚȠȢ, Paulus hat in dieser Hinsicht keinen Mangel. Im Zweiten Korintherbrief sieht sich Paulus nach Baur noch stärkeren Angriffen auf seine apostolische Autorität ausgesetzt. Paulus versuche in diesem Brief, seine Adressaten mit dem Hinweis auf seine įȚĮțȠȞȓĮ IJોȢ țĮȚȞોȢ įȚĮșȒțȘȢ „von der Reinheit seiner Absichten und Bestrebungen zu überzeugen“.116 Im Anschluss an 2Kor 5,11–21 ist der Inhalt der įȚĮțȠȞȓĮ IJોȢ țĮȚȞોȢ įȚĮșȒțȘȢ die Versöhnung. Paulus sehe seine Evangeliumspredigt „in dem Geiste der Liebe, mit welcher Christus sich für uns … aufgeopfert hat“.117 Durch die Versöhnung sehen wir uns „in eine ganz neue Sphäre des Bewußtseyns und Lebens versetzt“.118 Paulus wirke nur im Namen Christi, durch dessen Tod Gott die Versöhnung mit den Menschen gestiftet habe. Vor dem Hintergrund des Motivs der durch den Tod Christi von Gott erwirkten Versöhnung für den Menschen kommt Baur zu einer nach seiner Einschätzung zentralen Aussage des Paulus. In 2Kor 5,16 reflektiert Paulus darüber, wie Christus erkannt werden könne. Baur interpretiert diesen Text so, dass es um ein ȋȡȚıIJઁȞ țĮIJ ıȐȡțĮ ȖȚȞȫıțİȚȞ gehe, wobei er țĮIJ ıȐȡțĮ adnominal, also auf ȋȡȚıIJȩȢ bezogen liest. Die Aussage wäre dann: ‚Einen Christus nach dem Fleisch kennen wir nicht‘. Baur sieht in 2Kor 5,16 einen Gegensatz zu der vorhergehenden Passage (2Kor 5,15), wo von dem neuen Leben der Glaubenden für den, der für sie
113 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 24. 114 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 27f. 115 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 28. – In 1Kor 15,8 ist allerdings nicht vom
țȪȡȚȠȢ die Rede, sondern von Christus. 116 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 29. Baur bezieht sich hier auf 2Kor 5,18; vgl. auch 2Kor 3,6. 117 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 30. 118 Ebd.
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gestorben ist, die Rede war.119 Diesem neuen Leben sieht Baur die ıȐȡȟ entgegengesetzt. Dem ‚eigentümlichen neuen Leben‘ stehe mit dem Ausdruck ıȐȡȟ „nur der Begriff des Angebornen, Angestammten, Althergebrachten, und darum Sinnlichen, Äußerlichen“ entgegen.120 ȈȐȡȟ sei „das durch das Nationalleben Überlieferte und Fortgepflanzte“ und stehe als solches „im Gegensatz gegen das neue Leben“.121 Nach weiteren Überlegungen interpretiert Baur den țĮIJ ıȐȡțĮ ȋȡȚıIJȩȢ als „Christus oder Messias des Judenthums“.122 Mit dieser Messiasvorstellung bliebe die Vorstellung von Christus im Bereich eben des durch das jüdische Nationalleben Überlieferte und es bliebe damit begrenzt, sinnlich und äußerlich und erreiche gerade nicht den im Versöhnungsgeschehen wirkenden Christus. Die Argumentation Baurs kann an dieser Stelle exegetisch nicht überzeugen. Der kurze Text in 2Kor 5,16 hat eine klare Struktur: ੶ıIJİ ਲȝİȢ ਕʌઁ IJȠ૨ Ȟ૨Ȟ ȠįȞĮ İੁ țĮ ਕȜȜ Ȟ૨Ȟ ȠțIJȚ
ȠįĮȝİȞ ਥȖȞઆțĮȝİȞ ȖȚȞઆıțȠȝİȞ
țĮIJ ıȡțĮ· țĮIJ ıȡțĮ [țĮIJ ıȡțĮ].
ȋȡȚıIJંȞ,
‚Daher gilt: wir kennen von jetzt an niemanden mehr nach dem Fleisch. Wenn wir aber [überhaupt] nach dem Fleisch Christus erkannt haben, so kennen wir ihn jetzt nicht mehr [nach dem Fleisch].‘ Dass wir niemanden mehr nach dem Fleisch kennen, ist die Konsequenz aus dem zuvor geschilderten heilvollen Tod Christi. Baur sieht richtig, dass dieser Satz nur vor dem Hintergrund des zuvor Gesagten verstanden werden kann. Eine genauere grammatische Analyse ist freilich notwendig. In der Wendung ȠįȞĮ ȠįĮȝİȞ țĮIJ ıȡțĮ ist ȠįȞĮ das Akkusativobjekt zu ȠįĮȝİȞ. Die Präpositionalwendung țĮIJ ıȡțĮ ist hier eine adverbiale Näherbestimmung zu ȠįĮȝİȞ. Das wird bereits durch die Stellung nach dem Verb nahegelegt, ein Bezug auf ȠįȞĮ wäre zumindest merkwürdig. Mit dem Ausdruck ਕʌઁ IJȠ૨ Ȟ૨Ȟ, ‚von jetzt an‘ ist nicht einfach nur der gegenwärtige Zeitpunkt gemeint, vielmehr qualifiziert Paulus mit Ȟ૨Ȟ die Gegenwart als eine durch das Christusgeschehen bestimmte Heilszeit. Den gesamten Abschnitt 2Kor 5,11–6,2 abschließend formuliert Paulus in 2Kor 6,2b: ੁįȠઃ Ȟ૨Ȟ țĮȚȡઁȢ İʌȡંıįİțIJȠȢ, ੁįȠઃ Ȟ૨Ȟ ਲȝȡĮ ıȦIJȘȡĮȢ, ‚siehe, jetzt ist die angenehme Zeit, siehe jetzt ist der Tag des Heils‘.123 Ein an Christus glaubender Mensch kann also jetzt, in der angebroche119 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 32. 120 Ebd. 121 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 33. 122 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 36. – Baur grenzt sich an dieser Stelle ausdrücklich
davon ab, dass der Ausdruck țĮIJ ıȐȡțĮ ȋȡȚıIJȩȢ den irdischen Jesus meine (aaO., 35). Wäre dies der Fall, dann könne Paulus die von ihm behauptete Bedeutung des Kreuzestodes Jesu nicht weiter verteidigen, da dieser ja auch zum irdischen Leben Jesu gehöre. 123 Das umfassende Heilsgeschehen wird auch noch in Röm 3,21.26; 5,9.11; 6,21f.; 8,1 und in Gal 2,20 mit Ȟ૨Ȟ oder ȞȣȞȓ zur Sprache gebracht (vgl. dazu C. LANDMESSER, Der Geist und die christliche Existenz. Anmerkungen zur paulinischen Pneumatologie im Anschluß an Röm 8,1–11, in: U.H.J. Körtner/A. Klein [Hg.], Die Wirklichkeit des Geistes. Konzeptionen und Phänomene des Geistes in Philosophie und Theologie der Gegenwart, Neukirchen-Vluyn 2006, 129–152, hier: 133 mit Anm. 10).
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nen Heilszeit, niemanden mehr unabhängig vom Christusgeschehen beurteilen. Dann aber gilt dies auch für unsere Wahrnehmung des Christus. Auch die Christuserkenntnis ist entscheidend geprägt vom Christusgeschehen, das ein alle Menschen umfassendes Heilsgeschehen ist. Das Christusgeschehen verändert den Blick auf die Menschen und auf Christus. Letzteres formuliert Paulus mit einem indefiniten Konditionalsatz. Die Präpositionalwendung țĮIJ ıȡțĮ bezieht sich auf ਥȖȞઆțĮȝİȞ. Die Apodosis ist elliptisch formuliert. Das Argumentationsgefälle macht es wahrscheinlich, dass auch hier aufgrund der Parallelität der drei Teilsätze in 2Kor 5,16 eine präpositionale Näherbestimmung des Verbs zu ergänzen ist. In allen drei Teilsätzen steht dann jeweils ein verbum cognoscendi, das mit einer propositionalen Näherbestimmung der Art und Weise der Erkenntnis verbunden ist. Wir erkennen also Christus nicht mehr auf fleischliche Weise, sondern nur als solche, die vom Christusgeschehen erfasst worden sind. Die Präpositionalwendung ȠțIJȚ … [țĮIJ ıȡțĮ] bezieht sich also nicht auf Christus, sondern auf unsere Erkenntnisweise mit Blick auf Christus vor dem Hintergrund des heilvollen Christusgeschehens.124
Nach Baur stehen die Gegner des Paulus jedenfalls „noch auf dem Standpunkte des Judenthums und des jüdischen Messiasbegriffs“.125 Zwischen dem jüdischen Messias und dem Christus müsse aber klar unterschieden werden. Der Kreuzestod im christlichen Sinn passe nicht zum jüdischen Messiasverständnis. Das İੇȞĮȚਥȞȋȡȚıIJ verdanke sich allein dem Tod Jesu, „sofern ja im Tode erst das alte Leben abstirbt“.126 Christus sei vom Messias im jüdischen Verständnis gerade durch sein Leiden und Sterben, also durch „die hohe Bedeutung des Kreuzestodes“ unterschieden.127 Der Kreuzestod bildet nach Baur den Mittelpunkt der Lehre des Paulus. Genau das sei dann auch der Grund, weshalb Paulus mit seiner Lehre nicht auf das irdische Leben Jesu schauen müsse. Die Beziehung zu Jesus in seiner irdischen Existenz bilde für die übrigen Apostel keinen Vorteil mehr. Denn auch Paulus könne beanspruchen, dem Auferstandenen begegnet zu sein, der „als der Gestorbene und aufs neue Lebende die volle Bedeutung des christlichen Bewußtseyns und Lebens in uns aufgehen läßt, und das wahre ȋȡȚıIJȠ૨ İੇȞĮȚ in uns gründet“.128 In der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern geht es Paulus nach Baur „um nichts Geringeres, als um das wahre und falsche Christenthum“.129 Seine Gegner nennt Paulus ironisch Ƞੂ ਫ਼ʌİȡȜȓĮȞ ਕʌȩıIJȠȜȠȚ, ‚die Überapostel‘ (2Kor 11,5; 12,11) oder auch scharf Ƞੂ ȥİȣįĮʌȩıIJȠȜȠȚ, ‚die falschen Apostel‘ (2Kor 11,13). Diese seien geborene Juden gewesen und hätten „mit den palästinen-
124 Zur Diskussion um die Auslegung von 2Kor 5,16 vgl. E. GRÄSSER, Der zweite Brief an die Korinther. Kapitel 1,1–7,6, ÖTBK 8/1, Gütersloh/Würzburg 2002, 217–221; C. WOLFF, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, ThHK 8, Leipzig 22011, 123–127. 125 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 37. 126 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 38. 127 Ebd. 128 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 38f. 129 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 42.
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sischen Judenaposteln in irgend einem Zusammenhang“ gestanden.130 Als Juden von „ächt israelitischer Abkunft“ rechnet sie Baur „der petrinischen Partei“ zu, die sich auf die Autorität des Petrus berufen habe.131 Damit beriefen sich die Gegner des Paulus auf eine Autorität, die eine „äußere Verbindung mit Jesus, und den Umgang mit ihm“ gehabt habe.132 Hier wird die Differenz zur Stellung des Paulus und seiner Gegner sichtbar. Während der Apostel Petrus ein „äußerlich Erlebte[s]“ aufweisen konnte, kann diesem Paulus „nur eine innere Erfahrung gegenüberstellen“, nämlich „außerordentliche[-] Erscheinungen, die als innere Anschauung und Offenbarung des Göttlichen, als Thatsachen seines unmittelbaren Bewußstseyns, den Glauben an Christus in ihm geweckt hatten“.133 Die äußere, sinnliche oder physische Begegnung mit Jesus erweist sich aber letztlich gar nicht als Vorteil für die früheren Apostel und mit ihnen für Petrus. Dem Paulus verschafften die erwähnten Offenbarungen in seinem unmittelbaren Selbstbewusstsein eine „Rechtfertigung und Feststellung seines apostolischen Ansehens“.134 Das „sectirerische Wesen der korinthischen Gemeinde“ blieb dagegen „in der Sinnlichkeit ihrer Geistesrichtung, in der Unfähigkeit, sich auf einen höhern Standpunkt, zur alles umfassenden Einheit zu erheben“.135 Die entscheidende Differenz ist damit zur Sprache gebracht. Die Gegner sind nicht offen für ein „Bewußtseyn des göttlichen ʌȞİ૨ȝĮ“136, und sie sind damit auch nicht bereit für eine Höherentwicklung ihres Bewusstseins. Das Wesen des Christentums können sie nicht erfassen oder begreifen.137 Die Argumentation des Paulus dient hier noch ganz seiner Apologie und noch nicht der systematischen Entfaltung des Wesens des Christentums. Diese Apologie hat vor allem zwei Aspekte. Zum einen betont Paulus nach Baur, dass seine eigene christliche Überzeugung nicht durch eine Belehrung der früheren Apostel entstanden ist. Und zum anderen steht die Lehre des Apostels nicht in einem Widerspruch zu der von den früheren Aposteln anerkannten Wahrheit.138 Damit erweist sich die apostolische Autorität des Paulus als „eine ebenso unmittelbare und objectiv gültige … wie die der übrigen“.139 130 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 42f. 131 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 43f. 132 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 45. 133 Ebd. 134 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 46. 135 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 47. 136 Ebd. 137 Es sei nur angemerkt, dass nach Baur Gegner dieser Art auch im Philipperbrief und im
Galaterbrief im Hintergrund stehen (BAUR, Christuspartei [s. Anm. 7], 47–49). 138 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 51. 139 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 53.
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Paulus seine apostolische Autorität in einer ਕʌȠțȐȜȣȥȚȢ ȘıȠ૨ ȋȡȚıIJȠ૨ und damit in einer „göttlichen Einwirkung“ gegründet sieht, „die sich ihm nur als eine innere Thatsache seines Bewußtseyns darstellte“.140 Das eigene Bewusstsein ist nach Baur der angemessene Ort für die Offenbarung der christlichen Wahrheit, wie seine Entfaltung der wesentlichen Merkmale des Christentums zeigen wird. Denn das ʌȞİ૨ȝĮ ist „als das christliche Princip die zur vollen Erkenntniss der Wahrheit aufgeschlossene, über alle blos äußerliche Vermittlung erhabene, in der Einheit mit Christus mit sich selbst identische absolute Selbstgewissheit des christlichen Bewusstseins“.141 Die Paulusbriefe lassen nach Baur erkennen, dass in der christlichen Gemeinde in Korinth der Grundkonflikt zwischen dem Judentum und dem Christentum in der Form einer Auseinandersetzung innerhalb der urchristlichen Gemeinde wieder erscheint. Spuren dieser Parteiungen findet Baur dann auch in der Entwicklung der frühen Kirche.142 Es ist ein Konflikt, in dem er die dialektische Dynamik angelegt sieht, durch welche die Entwicklung des Christentums bereits in der frühen Zeit der Kirche beginnt, die dann letztlich in der Gegenwart zur Entfaltung des Geistes führen wird. Die Einsicht gerade in diese Konflikte der urchristlichen und der altkirchlichen Zeit ist nach Baur deshalb für ein Verstehen der Gegenwart notwendig. Ausgehend vom Judentum über die frühchristliche bis in die altkirchliche Zeit hat der Konflikt nach Baur im Grundsatz die gleiche Gestalt, die im Gegensatz zwischen dem ‚Judaismus‘ und dem paulinischen Christentum deutlich sichtbar wird. Für den Judaismus sei Offenbarung „nur die mit der Zeit erfolgende allgemeine Enthüllung des schon früher Vorhandenen“, alle göttliche Offenbarung geschehe „nur auf dem Wege der äußern Belehrung“.143 Für das paulinische Christentum sei dagegen Offenbarung „eine țĮȚȞ țIJȓıȚȢ, die in der Tiefe des eigenen Bewußtseyns als ein durch den göttlichen Geist mitgetheiltes höheres Lebensprincip erfaßt werden muß“.144 Für den Judaismus in den urchristlichen Gemeinden sei Jesus nur ein Lehrer, für das paulinische Christentum sei er der Erlöser.145 Die Gegensätze sind vielfältig. Im Anschluss an 2Kor 3 sieht Baur im Judentum und Christentum die alte und die 140 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 54. Baur verweist auf Gal 1,15f. 141 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 316. 142 Baur verweist auf die von IRENAEUS (haer. I 26,2) und auf EUSEBIUS (h.e. III, 27) dargestellten Ebionäer (vgl. BAUR, Christuspartei [s. Anm. 7], 55). Einen besonderen Aus-
druck findet der in Korinth wahrzunehmende Konflikt nach Baur im Sinne einer „antithetische[n] Tendenz gegen den Apostel Paulus“ in den Clementinen (aaO., 62; vgl. aaO., 54–76, der insbesondere auf die pseudoclementinischen Homilien verweist). 143 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 75. 144 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 75f. 145 Vgl. BAUR, Christuspartei (s. Anm. 7), 76.
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neue įȚĮșȒțȘ gegenübergestellt. Die alte įȚĮșȒțȘ sei erloschen, die neue dagegen sei eine „helle und lichte“.146 Der entscheidende Unterschied liege im Geist „als dem Princip des christlichen Bewusstseins“.147 Letztlich könne Paulus seinen Gegnern nur „die Unvollkommenheit ihres religiösen Bewusstseins“ entgegenhalten.148 Alle Merkmale des paulinischen Christentums sieht Baur in dem Satz des Paulus in 2Kor 3,17 zusammengefasst: į țȡȚȠȢ IJઁ ʌȞİ૨ȝ ਥıIJȚȞ· Ƞ į IJઁ ʌȞİ૨ȝĮ țȣȡȠȣ, ਥȜİȣșİȡĮ, ‚der Herr aber ist Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit‘. Baur übersetzt etwas freier: „der Herr ist der Geist, der Geist aber ist Freiheit“149, wohl um den Geist noch enger mit dem Motiv der Freiheit zu verbinden. Die hier gemeinte Freiheit beschreibt nach Baur „das Princip und Wesen des Paulinismus“, und dieses bedeute „die Befreiung des Bewusstseins von jeder äussern nur durch Menschen vermittelten Auctorität, die Aufhebung aller hemmenden Schranken, die Erhebung auf einen Standpunkt, auf welchem alles in lichter Klarheit vor dem Auge des Geistes enthüllt und aufgeschlossen ist, die Autonomie und Unmittelbarkeit des Selbstbewusstseins“.150 Damit ist in 2Kor 3,17 mit der im Geist gesetzten Freiheit nach Baur das Prinzip des Wesens des Christentums beschrieben, das sich in der weiteren Entwicklung der urchristlichen Gemeinden und der Kirchengeschichte entfaltet. 3.2.3. Der Römerbrief Die wichtigste Epoche in der Entwicklung der Auseinandersetzung um die Theologie des Paulus sieht Baur mit dem Brief des Paulus an die Römer beschrieben.151 Dieser Brief sei an eine Gemeinde gerichtet, die Paulus nicht kannte. Paulus spreche die Gemeinde als „Vertreter der gesammten unter den heidnischen Völkern lebenden Judenchristen“ an.152 Der Ton sei im Römerbrief wohl gegenüber dem Galaterbrief und den beiden Korintherbriefen „milder, versöhnlicher, entgegenkommender“.153 Die „Schärfe der dialektischen Polemik“ dringe allerdings tiefer als in den anderen Briefen ein. Dies diene dem Zweck, „dem jüdischen Particularismus auch die letzte Wurzel 146 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 61. 147 Ebd. 148 Ebd. 149 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 62. 150 Ebd. 151 Vgl. ebd. – Gegenüber den Korintherbriefen sieht Baur im Römerbrief einen „innere[n] Fortschritt“ (BAUR, Paulus II/1 [s. Anm. 7], 343). 152 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 63. 153 Ebd.
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seiner Berechtigung abzuschneiden“.154 Allerdings unterscheide sich der Römerbrief nicht nur im Stil von den vorangehenden Paulusbriefen, er zeige vielmehr den „innere[n] Fortschritt“ und man übersehe erst im Römerbrief „den reichen Inhalt des geistigen Lebens, das der Apostel aus sich erzeugt, den strengen wohldurchdachten Zusammenhang, in welchem er sein christliches Princip entwickelt und durchführt und die Grossartigkeit der Verhältnisse, in welchen er sich bewegt“.155 Der Römerbrief beschreibt nach Baur die Theologie des Paulus in ihrer höchsten Entwicklung.156 Aber nicht nur die Theologie des Paulus erreichte mit dem Römerbrief eine besondere Entwicklungsstufe. Paulus hatte den „eigenthümliche[n] Vorzug“, dass er „ausgesprochen und zum allgemeinern Bewußtseyn gebracht [hat], was sich durch den objektiven Entwicklungsgang der christlichen Kirche selbst als ein neues Moment des christlichen Bewußtseyns herausgestellt hatte“.157 Paulus bringt die durch den göttlichen Geist veranlasste hohe Entwicklung des Christentums seiner Zeit zur Sprache. Insgesamt dient der Römerbrief nach Baur dem Ziel, den „paulinischen Universalismus im Gegensatz zu dem jüdischen Particularismus“ umfassend zu begründen.158 Dies unternehme Paulus vor dem geschichtlichen Hintergrund seiner inzwischen sehr erfolgreichen Heidenmission.159 Der Inhalt des Römerbriefs verdanke sich wie in den anderen Paulusbriefen wesentlich den Auseinandersetzungen in der adressierten Gemeinde, auf die Paulus reagiere.160 154 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 64. 155 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 343. 156 Auch in der Theologie des Paulus erkennt Baur eine Entwicklung: „Auch im Geiste
der Apostel lag die christliche Wahrheit keineswegs als ein von Anfang an fertiges in sich geschlossenes und vollendetes Ganze, sie mußte auch in ihnen erst allmählig zum klarern und umfassendern Bewußtseyn sich entwickeln“ (BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs [s. Anm. 2], 153f.). S. dazu oben mit Anm. 43. 157 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 154. 158 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 64. 159 Die erfolgreiche Heidenmission habe Fragen aufgeworfen: „Welches Missverhältniss stellte sich, seitdem die Heidenbekehrung sosehr ins Grosse ging und immer weiter sich erstreckte, in der heidnischen und jüdischen Welt vor Augen? Wie sollte man es sich erklären, dass einem so grossen Theile des jüdischen Volkes, das doch von Alters her das erwählte Volk Gottes … war, das in Christus erschienene Heil nicht wirklich zu Theil ward, dass dagegen vielmehr die Heiden die vom Volke Gottes leergelassene Stelle einnahmen?“ (Ebd.) 160 Vgl. BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 153. – Baur wendet sich damit gegen Kommentare zum Römerbrief, die nach seiner Auffassung die im Hintergrund stehenden Konflikte in der Gemeinde in Rom nicht hinreichend berücksichtigten. Er wendet sich gegen DE WETTE, Kurze Erklärung des Briefes an die Römer (s. Anm. 13) und OLSHAUSEN, Der Brief des Apostels Paulus an die Römer (s. Anm. 13). – Zur fortgesetzten Auseinandersetzung zwischen de Wette und Baur über den Anlass und Zweck des Römerbriefes vgl. E.W. STEGEMANN, Wilhelm Martin Leberecht de Wette und Ferdinand Christian
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Den Kern der strittigen Positionen in der römischen Gemeinde erkennt Baur in den Kapiteln Röm 9–11.161 Von diesen entscheidenden Passagen aus sei der gesamte Römerbrief zu lesen. Baur setzt voraus, dass in der römischen Gemeinde der judenchristliche Teil dominierte.162 Paulus beantworte mit diesem Brief die von den Judenchristen in Rom aufgeworfene Frage, warum „einem so großen Theile des jüdischen Volkes“, das doch das erwählte Gottesvolk sei, „das in Christus erschienene Heil nicht wirklich zu Theil werde“.163 Auch in Rom wurde nach Baur der paulinische Universalismus von Judenchristen bekämpft. Er sah sich dort Einwänden ausgesetzt, die „gegen die Theilnahme der Heiden an der Gnade des Evangeliums“ erhoben wurden.164 Damit sei der paulinische Universalismus bestritten worden mit dem Argument, „daß, so lange nicht Israel als Nation, als das von Gott erwählte Volk, an dieser Gnade Theil nehme, die Theilnahme der Heiden an ihr als eine Verkürzung der Juden, als eine Ungerechtigkeit gegen sie … erscheine“.165 Die Judenchristen sahen nach Baur ihren „Primatsanspruch“ gefährdet.166 Anders als die Juden setzten die Judenchristen „die Wahrheit des Christenthums und die Nothwendigkeit des Glaubens an Christus“ voraus.167 Die Judenchristen bestreiten nach Baur allerdings, „daß derselbe Weg zur Seligkeit auch den Heiden offen stehe“.168 Das theologische Problem für die Judenchristen ist nach Baur die Herabminderung der Bedeutung des Gesetzes innerhalb der christlichen Gemeinde, wenn die Heidenchristen im Anschluss an Röm 9,30 die Gerechtigkeit und das Heil aus Glauben, nicht aber aus dem Gesetz erhielten.169 Die Judenchristen befürchteten nach Baur aufgrund der steigenden Baur über Zweck und Veranlassung des Römerbriefes, in: M. Kessler/M. Wallraff (Hg.), Biblische Theologie und historisches Denken. Wissenschaftsgeschichtliche Studien. Aus Anlass der 50. Wiederkehr der Basler Promotion von Rudolf Smend, Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel NF 5, Basel 2008, 226–255. 161 Vgl. BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 158. 162 Vgl. BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 370; vgl. auch DERS., Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 203. 163 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 158. 164 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 160; vgl. aaO., 188. 165 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 160. 166 BAUR, Paulus II/1 (s. Anm. 7), 356. 167 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 164. 168 Ebd. 169 So BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 212; vgl. DERS., Paulus II/1 (s. Anm. 7), 375. Das jüdische Gesetz, das nur durch Werke erfüllt werden könne, markiere gegenüber der aus dem Glauben kommenden įȚțĮȚȠıȪȞȘ geschichtlich betrachtet eine „untergeordnete[-] Stufe der religiösen Entwicklung“ (aaO., 376). – Der Gedanke, dass das Judentum und das Christentum zwei aufeinanderfolgende Phasen in der Entwicklung darstellen, findet sich bezogen auf die beiden biblischen Testamente bereits bei Lessing, wenn er vom Alten und vom Neuen Testament als den beiden Elementarbüchern für die Erziehung
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Zahl der Heidenchristen in der Gemeinde, dass „der auch von den Judenchristen noch immer festgehaltene Gegensatz zwischen Judenthum und Heidenthum seine Bedeutung verlieren mußte“.170 Die Judenchristen waren nach Baur in der Sorge, durch den erfolgreichen paulinischen Universalismus als erwähltes Volk Gottes verdrängt oder ersetzt zu werden.171 Der paulinische Universalismus wurde so von den Judenchristen in Rom grundsätzlich in Frage gestellt. Es wurde bestritten oder zumindest hinterfragt, dass die Heiden als Heiden in die Gemeinde aufgenommen werden sollten.172 Damit war im Kern die den Paulus provozierende Frage gestellt, „ob das christliche Heil eine particuläre oder universelle Bestimmung habe, ob die Mittheilung der Gnade des Evangeliums auf einem nationalen Vorrecht, oder einem allgemein menschlichen Bedürfniß beruhe“.173 Dem „absoluten Vorzug des Judenthums“, den die Judenchristen auch in Rom behaupteten, setze Paulus die im Christentum aufgenommene „Allgemeinheit des menschlichen Heilsbedürfnisses, dem absoluten Mangel des menschlichen Ruhmes vor Gott“ entgegen.174 In Röm 1,18–3,20 spreche Paulus von der Strafbarkeit der Heiden wie der Juden.175 Damit sei eine zweifache Aussage verbunden. Zum einen sei kein Mensch vor Gott gerecht. Dieser des Menschengeschlechts redet (vgl. G.E. LESSING, Die Erziehung des Menschengeschlechts, in: DERS., Werke und Briefe in zwölf Bänden, hg. von W. Barner u.a., Band 10: G.E. LESSING, Werke 1778–1781, hg. von A. Schilson/A. Schmitt, Frankfurt am Main 2001, 73–99, hier: §§ 20.51 u.ö.; vgl. dazu C. LANDMESSER, „Elementarbuch“ oder „Kanon“. Lessings Deutung des Neuen Testaments, in: C. Bultmann/F. Vollhardt [Hg.], Gotthold Ephraim Lessings Religionsphilosophie im Kontext. Hamburger Fragmente und Wolfenbütteler Axiomata, Frühe Neuzeit 159, Berlin/New York 2011, 200–218, hier: 214–218). 170 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 164. 171 „[D]ie Heiden schienen nun ja in die nach der Ansicht der Judenchristen den Juden im wahren Volke Gottes vorbehaltene Stelle einzurücken, sie für sich einzunehmen und auf eine solche Weise auszufüllen, daß die Ausschließung der zur Zeit noch unglaubigen Juden die nothwendige Folge dieser Aufnahme der Heiden in das Volk Gottes seyn mußte.“ (BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs [s. Anm. 2], 165.) 172 Vgl. BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 167. 173 Ebd. 174 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 167f. 175 Vgl. BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 168. – Baur sieht es als ein Zugeständnis des Paulus an die Judenchristen, dass er in Röm 1,18–32 zuerst von der Strafbarkeit der Heiden rede. Diese Einschätzung ist allerdings exegetisch nicht haltbar, Paulus redet auch schon in diesem Abschnitt in einer grundsätzlichen Weise von der Sündenverfallenheit aller Menschen (vgl. dazu meine Argumente und weitere Literatur in C. LANDMESSER, Eschatologie im Galaterbrief und im Römerbrief, in: H.-J. Eckstein/C. Landmesser/H. Lichtenberger [Hg.], Eschatology – Eschatologie. The Sixth Durham-Tübingen Research Symposium: Eschatology in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity [Tübingen, September, 2009], unter Mitarbeit von J. Adam/M. Bauspieß, WUNT 272, Tübingen 2011, 229–246, hier: 239 mit Anm. 34).
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negativen Aussage setze Paulus mit seiner Theologie die „positive Behauptung“ entgegen, „daß der Mensch nur durch den Glauben Gerechtigkeit erlange“.176 Dies führe Paulus im Römerbrief ab Röm 3,21 genauer aus. Mit Röm 5,12 erreiche Paulus „den höchsten und umfassendsten Standpunkt der Betrachtung“, es erweitere sich „der Blick des Apostels auf das Ganze der Menschheit, und Adam und Christus treten einander gegenüber“.177 Die allgemeine anthropologische Perspektive wird dort erreicht, wo Paulus nach Baur von der Sünde Adams redet als von der „allgemeine[n] Sündhaftigkeit als ein der Natur des Menschen inwohnendes Princip der Sünde“.178 In den Kapiteln Röm 6–8 werde diesem Prinzip der Sünde mit Blick auf das „inner[e][-] Leben des Einzelnen“ die Gerechtigkeit aus Glauben „als das höchste Princip der von der Herrschaft der Sünde befreienden sittlichen Heiligung“ gegenübergestellt.179 Die ersten acht Kapitel des Römerbriefes dienen nach Baur in konsequenter Argumentation der Abwehr des jüdischen Partikularismus, die Paulus in Röm 9–11 entfalte.180 Das Verfahren des Paulus entspreche der „eigenthümlichen Entwicklungs-Methode aufs beste“, Paulus bleibe nicht bei „den empirisch gegebenen Verhältnissen“ stehen, er strebe vielmehr danach, seinen Gegenstand „sogleich unter den höchsten und allgemeinsten Gesichtspunkt“ zu stellen.181 Er gehe von seinen Beobachtungen aus, er gehe alle Momente und Gegensätze durch, aus denen sich das Allgemeine zusammensetze, um letztlich „das Allgemeine auf das empirisch Gegebene anzuwenden“.182 Baur nennt dies ein ‚synthetisches‘ Verfahren, wenn Paulus „über alle blos untergeordnete Momente hinweggehend, einen absoluten Standpunkt der Betrachtung zu gewinnen weiß“.183 Von diesem absoluten Standpunkt aus werde der einzelne Gegenstand wieder in den Blick genommen. Damit habe das Vorgehen des Paulus die Richtung „von oben nach unten“.184 Im Anschluss an 1Kor 1f. sieht Baur im Unterschied vom „subjektiv menschlichen Standpunkt“ damit den „objektiv göttlichen [Standpunkt]“ erreicht, der „in dem
176 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 168. 177 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 169. 178 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 170. 179 Ebd. 180 Vgl. BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 174.176. 181 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 176. 182 Ebd. 183 BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs (s. Anm. 2), 176f. 184 „Die ganze Richtung des Apostels geht nicht von unten nach oben, sondern von oben
nach unten, nur wenn das Allgemeine und Absolute mit aller Schärfe und Consequenz des Denkens ins Auge gefaßt ist, kann vom Besondern und Empirischen die Rede seyn.“ (BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs [s. Anm. 2], 177.)
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Christenthum eine ıȠijȓĮ șİȠ૨ ਥȞ ȝȣıIJȘȡȓ“ bedeute.185 Das höchste und absolute Prinzip dieser geoffenbarten Weisheit ist nach Baur im Anschluss an Paulus das ʌȞİ૨ȝĮ in Gott, „dasselbe ʌȞİ૨ȝĮ, das das Princip des göttlichen Selbstbewußtseyns ist“.186 Der Glaube an Jesus Christus, durch den die Gerechtigkeit Gottes zugänglich werde, entspreche „dem universellen Begriff Gottes“.187 Dies geschehe durch den Geist, der den Menschen in die Gotteskindschaft versetze, wodurch „für ihn in seiner Einheit mit Christus alles den Menschen von Gott Trennende so aufgehoben ist, dass nichts ihn scheiden kann von der Liebe Gottes“.188
4. Der Lehrbegriff des Paulus Paulus steht nach Baur in einer bedeutenden Phase der Entwicklung des Christentums. Das Denken des Paulus stellt er in verschiedenen Schriften im Anschluss an die Paulusbriefe dar, die ihre Ausrichtung den geschilderten Konflikten verdanken. Dieses Vorgehen verfolgt Baur auch in seinem Paulusbuch in beiden Auflagen, wobei er in einem ersten Teil Leben und Wirken des Apostels in Auseinandersetzung mit der Apostelgeschichte entfaltet.189 Im zweiten Buchabschnitt wendet sich Baur den Briefen des Paulus zu,190 wobei er diese jeweils in drei Klassen je nach Einschätzung ihrer Echtheit behandelt. Beide Paulusbücher schließt Baur mit einem großen Kapitel unter der Überschrift „Der Lehrbegriff des Apostels“ ab.191 In einer knappen Skizze, die längst nicht alle Elemente erfassen kann, sollen abschließend einige wichtige Aspekte dieses Lehrbegriffs des Paulus nach Baur notiert werden. Mit dem Durchgang durch die Paulusbriefe wollte Baur die geschichtliche Entwicklung im Denken des Paulus nachzeichnen. Mit dem Lehrbegriff des
185 Vgl. 1Kor 2,7 (BAUR, Zweck und Veranlassung des Römerbriefs [s. Anm. 2], 178). 186 Ebd. 187 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 66. 188 BAUR, Christenthum (s. Anm. 53), 67. Damit erinnert Baur den Abschluss der von
Röm 3,21–8,39 reichenden Argumentation des Paulus in Röm 8,31–39. – Vgl. BULTMANN, Paulus-Forschung (s. Anm. 7), 31: „Der Glaube ist die subjektive Form, in der der Mensch Gott in sich aufnimmt“. 189 Diesem ersten Teil ist ein grundsätzlicher Abschnitt zur Einschätzung der Apostelgeschichte als Quelle vorangestellt (BAUR, Paulus I [s. Anm. 7], 1–14; Paulus II/1 [s. Anm. 7], 3–18). Es folgt jeweils „Erster Theil. Das Leben und Wirken des Apostels Paulus“ (BAUR, Paulus I/1 [s. Anm. 7], 15–243; Paulus II/1 [s. Anm. 7], 19–272). 190 „Zweiter Theil. Die Briefe des Apostels Paulus“ (BAUR, Paulus I [s. Anm. 7], 245– 504; Paulus II/1 [s. Anm. 7], 273–409 und Paulus II/2 [s. Anm. 7], 1–122). 191 BAUR, Paulus I (s. Anm. 7), 505–670; Paulus II/2 (s. Anm. 7), 123–315.
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Paulus zielt Baur auf das „Wesentliche und Allgemeine“192, es geht ihm um die Einsicht in die tatsächliche Entwicklung des Geistes. Seine Erörterungen beginnt er unter der Überschrift „Das Princip des christlichen Bewusstseins“.193 Das christliche Bewusstsein des Apostels sei durch die Bekehrung geprägt.194 In der Bekehrung zeige sich die Macht und Kraft des Christentums. Die Bekehrung führe Paulus im „frischen Bewusstsein eines mit aller Kraft und Energie erst errungenen Standpunkts“ zur „Absolutheit seines christlichen Standpunkts“.195 Die Bekehrung versteht Baur als geistigen Prozess, der zu der Absolutheit des christlichen Standpunktes führt. Diese Absolutheit als Prinzip sieht Baur ausschließlich darin begründet, „dass es wesentlich identisch ist mit der Person Christi“.196 Das Prinzip des Christentums und damit des christlichen Bewusstseins ist also christologisch bestimmt. Die Person Jesu werde dem Paulus im Anschluss an Gal 1,15f. als Sohn Gottes enthüllt.197 Durch den Tod Jesu werde dieser dem nationalen Zusammenhang entzogen „und in eine freiere, universellere, reingeistige Sphäre hineingestellt“.198 Damit rücke Christus „in das wahrhaft geistige Bewusstsein, in welchem Christus erst als das absolute Princip des geistigen Lebens aufgefasst werden konnte“.199 Das christliche Bewusstsein ist nach Baur durch den Geist bestimmt, es ist geradezu wesentlich geistiges Bewusstsein.200 Der „in uns sich aussprechende Geist Gottes“ schafft dem christlichen Bewusstsein „absolute Gewissheit in dem an sich seienden absoluten Geiste Gottes selbst“.201 Baur nimmt die engst mögliche Beziehung zwischen dem Geist Gottes und dem göttlichen Geist an. Mit dem Geist ist für das christliche Bewusstsein im Anschluss an 2Kor 3,17 auch wesentlich „das Princip der geistigen Freiheit“ gesetzt.202 Das Absolute erschließt sich nach Baur nur in diesem Geist. Genauer wird dem
192 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 125. – Selbstverständlich orientiert sich Baur bei der Rekonstruktion dieses Lehrbegriffs nur an den von ihm für echt gehaltenen Paulusbriefen (vgl. aaO., 126). 193 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 133–145. 194 Vgl. BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 133. 195 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 134. 196 Ebd. 197 Damit werde die völlig unangemessene Messiasvorstellung des Paulus aufgehoben (vgl. ebd.). 198 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 135. 199 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 136. 200 Vgl. BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 137. – Es ist durchaus angemessen, wenn Albert Schweitzer notiert, dass die Entfaltung des Lehrbegriffs des Paulus auf eine „Lehre vom Geist“ ziele (SCHWEITZER, Paulinische Forschung [s. Anm. 7], 12). 201 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 137. 202 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 143.
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christlichen Selbstbewusstsein durch den Geist die „Gemeinschaft und Einheit mit Gott“, also die „Versöhnung mit ihm“ vermittelt.203 Was Versöhnung bedeutet, entfaltet Baur im Anschluss an das Motiv der Rechtfertigung bei Paulus.204 Für die įȚțĮȚȠıȪȞȘ șİȠ૨ sei der Glaube das wesentliche Prinzip.205 Der Glaube sei zunächst ein Fürwahrhalten des Inhalts des Evangeliums.206 Der auferstandene Jesus als das Objekt dieses Glaubens (Röm 4,24f.) erhalte „nach seiner subjectiven Seite eine immer intensivere Bedeutung“.207 Das „innerste Interesse des Menschen“ werde durch die Versöhnung angesprochen, es entstehe Vertrauen und Gewissheit.208 Baur entfaltet im Folgenden das Rechtfertigungs- und Versöhnungsgeschehen nach Paulus facettenreich mit Blick auf das christliche Selbstbewusstsein. Der glaubende Mensch sieht sich nach Paulus in den Tod des Christus mit einbezogen. Im Anschluss an Gal 2,20 stellt Baur fest: „[W]er mit Christus gekreuzigt ist, mit dem gekreuzigten Christus sich Eins weiss, hat auch das Leben Christi in sich“.209 Diese Einheit verdankt sich wiederum der Liebe Christi zu uns Menschen (2Kor 5,14).210 Auch hier ist letztlich die Einheit mit dem Absoluten gemeint. In einem vierten Abschnitt beschreibt Baur „Christus als Princip der durch ihn gestifteten Gemeinschaft“.211 Die Lehre von der Rechtfertigung und von der Versöhnung bleibe zunächst „innerhalb der Sphäre des individuellen Bewusstseins“.212 Mit Blick auf 1Kor 12 lässt sich nach Baur aber sagen, dass die christliche Gemeinde einen Leib, eine organische Einheit bilde. Diese Einheit gründe wiederum in Christus. Schien mit der Bestimmtheit des glaubenden Selbstbewusstseins die individuelle Perspektive bislang dominierend zu sein, so erscheint der gemeinschaftliche Aspekt jetzt als geradezu notwendige Dimension des Glaubens und der Bestimmtheit durch den göttlichen Geist. „Das Princip der Einheit dieses geistigen Leibs ist an sich Christus, wirksam aber erweist sich Christus in dieser Beziehung durch den Geist. Im Geiste werden also alle, welche Christen werden, so verschieden sie auch
203 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 145. 204 Vgl. BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 145–183. 205 Vgl. BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 161. 206 Vgl. ebd. 207 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 162. 208 Ebd. 209 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 181. 210 „Alles Particuläre, Individuelle, Selbstische ist in ihm aufgehoben zur Allgemeinheit
eines geistigen Princips, in dem Gedanken an seine aufopfernde hingebende Liebe.“ (Ebd.) 211 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 184–197. 212 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 184.
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nach ihrer natürlichen Abkunft und nach ihren sonstigen Verhältnissen sein mögen, Ein Leib.“213 Der Geist bestimmt das individuelle Bewusstsein. Da es aber der eine Geist ist, der die Glaubenden bestimmt, ist es letztlich auch die „Selbstbewegung“ des Geistes, wodurch die Einheit der Gemeinde geschaffen wird.214 Der Geist erzeugt so eine Einheit, in der die Differenzen aufgehoben sind215, und diese Einheit wird in der Liebe realisiert.216 So entstehe eine Einheit mit Christus, und das In-Christus-Sein erweise sich als das innerste Prinzip, durch das alles Störende aufgehoben werde.217 Das ਥȞ ȋȡȚıIJ İੇȞĮȚ gelte sowohl für den Einzelnen wie für die Gemeinschaft218, „in dieser Einheit mit Christus sind alle unter sich Eins“.219 Die Einheit mit Gott und dem Geist, die Einheit durch den Geist mit Christus, die nichts anderes als die Einheit mit dem Absoluten ist, bildet die höchste Entwicklungsstufe für das individuelle Selbstbewusstsein wie auch für die christliche Gemeinschaft. Vom Heidentum über das Judentum hat die Menschheit nach Baur den entscheidenden Fortschritt „von der Knechtschaft zur Freiheit, von der Unmündigkeit zur Mündigkeit, dem Jugendalter der Menschheit zur Periode männlicher Reife, vom Fleische zum Geist“ gemacht.220 Das paulinische Christentum ist für Baur eine Religion des Geistes, der Freiheit und der Klarheit. Das Selbstbewusstsein komme zu einer „klare[n], durch nichts getrübte[n] Identität … mit sich“.221 Durch Christus ist für Baur das Christentum die absolute Religion. Mit der Feststellung, dass für Baur das paulinische Christentum die absolute Religion ist, kann die Darstellung der Rekonstruktion des paulinischen Denkens abbrechen. Baur spürt noch viele, durchaus bedeutsame Momente der Theologie des Paulus auf und beschreibt sie in vielfältigen Varianten. Er hat seine Untersuchung in einer konsequent historischen Perspektive aufgenom213 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 185. 214 „[D]er Geist geht ja nur dazu aus sich heraus, um auch wieder in sich zurückzugehen,
und die Erscheinungen, in welchen er sich selbst äusserlich und gegenständlich geworden ist, in sich zurückzunehmen.“ (BAUR, Paulus II/2 [s. Anm. 7], 190.) 215 Vgl. BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 191. 216 „In der alle Glieder der Kirche beseelenden Liebe soll sie die Idee ihrer Einheit realisiren, in ihr aus allen ihren Differenzen zu ihrer Einheit zurückstreben.“ (BAUR, Paulus II/2 [s. Anm. 7], 190f.) 217 Vgl. BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 191f. 218 Vgl. BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 192. 219 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 193. – Diese Einheit kommt dann in Taufe und Abendmahl zur Geltung. 220 BAUR, Paulus II/2 (s. Anm. 7), 232. 221 Ebd.
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men. Er verfolgt die in der Geschichte für ihn erkennbare Idee der fortschreitenden Realisierung des Absoluten im Selbstbewusstsein des glaubenden Menschen und in der christlichen Gemeinde.222 So überformt er das paulinische Denken mit den Mitteln seines Verständnisses einer dialektischen und teleologischen Entwicklung des Geistes in der Geschichte. Der Baursche Paulus lässt freilich wenig erkennen vom eschatologischen Denken des Paulus, das immerhin auch in den von Baur als echt anerkannten Paulusbriefen nachzuvollziehen und für die gesamte Theologie des Paulus wesentlich ist.223 Aber auch wenn weder der Entwicklungsgedanke noch die Baursche Form der Dialektik und auch nicht seine Teleologie bei Paulus selbst zu entdecken sein dürften, so erfasst Baur doch eindrucksvoll den paulinischen Gedanken der durch den Geist in den Glaubenden und in der christlichen Gemeinde sich realisierenden Freiheit. Wie dieser unter gegenwärtigen Bedingungen zu entfalten ist, muss neu beantwortet werden. Dass dieses Thema für die Theologie des Paulus zentral ist,224 bleibt eine von Baur mit historisch-kritischer Methode und spekulativer Interpretation gewonnene und gut begründete Einsicht.
222 Geradezu programmatisch verbindet Baur die historisch-kritische mit der theologischen Perspektive (vgl. auch MORGAN, Baur [s. Anm. 7], 8). 223 Vgl. etwa 1Kor 15; 2Kor 5,1–10; Röm 1,18–3,20; Röm 8 u.ö. (vgl. auch die Anmerkung bei MORGAN, Baur [s. Anm. 7], 8f.). 224 Vgl. zum Thema Freiheit bei Paulus S. VOLLENWEIDER, Freiheit als neue Schöpfung. Eine Untersuchung zur Eleutheria bei Paulus und in seiner Umwelt, FRLANT 147, Göttingen 1989.
Das Wesen des Urchristentums Zu Ferdinand Christian Baurs Sicht der synoptischen Evangelien
MARTIN BAUSPIESS Das Geschichtsverständnis Ferdinand Christian Baurs läuft notwendigerweise auf die Frage nach dem „Prinzip“ des Christentums hinaus. Denn historische Forschung würde nach Baurs Auffassung ihre eigentliche Aufgabe verfehlen, wenn sie bei den historischen Einzelerscheinungen stehenbleiben würde und nicht die in diesen sichtbar werdende Idee zum Vorschein brächte.1 Insofern lässt sich sagen, dass bei Baur Geschichte stets Ideengeschichte ist, seine Beschäftigung mit der Geschichte des Christentums Geschichte der christlichen Theologie und insofern Theologiegeschichte. Baurs historische Forschungen sind deshalb stets von seinem systematisch-philosophischen bzw. theologischen Gesamtverständnis der Geschichte geprägt. Diese Grundentscheidung provoziert die Frage, in welcher Weise sich die materiale historische Arbeit und die systematische Gesamtkonzeption gegenseitig beeinflussen. Schon in seiner Zeit hatte Baur sich gegen den Vorwurf zu wehren, er konstruiere die Geschichte „nur nach den vorgefaßten Ansichten eines speculativen Systems, nur nach einem voraus fertigen Schematismus, welchem alles Einzelne sich fügen müsse“.2 Auch aus heutiger Sicht lässt sich diese Frage stellen.3 Der notwendig konstruktive Charakter von Geschichtsschreibung hat in der neueren Forschung indes enorm an Bedeutung 1 Vgl. F.C. BAUR, Vorrede zu: Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes in ihrer geschichtlichen Entwicklung (1841), in: Ferdinand Christian Baur. Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Band II: Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (1852), Dogmengeschichtliche Vorreden aus den Jahren 1838– 1858, Stuttgart Bad-Cannstatt 1963, 287–302, 298. 2 F.C. BAUR, Vorrede zur ersten Ausgabe des Lehrbuchs der christlichen Dogmengeschichte, (1847), in: Ferdinand Christian Baur. Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band II (s. Anm. 1), 303–308, 306. 3 F.W. GRAF, Ferdinand Christian Baur (1792–1860), in: H. Fries/G. Kretschmar (Hg.), Klassiker der Theologie. Zweiter Band: Von Richard Simon bis Dietrich Bonhoeffer, München 1983, 89–110, 103 formuliert: „Von der Theologie unseres Jahrhunderts her gesehen ergibt sich … das Problem, ob Baurs Wahrnehmung des Geschichtlichen nicht von spezifisch theologischen bzw. dogmatischen Leitannahmen gesteuert ist.“
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gewonnen.4 Baur war sich stets bewusst, dass Geschichte konstruiert wird, er verband diese Einsicht aber mit dem Anspruch, seine Geschichtskonstruktion auf der Grundlage der kritisch gesichteten Quellen vorzunehmen und damit einem strengen, „historistischen“ Geschichtsbegriff gerecht zu werden.5 Die entscheidende Frage besteht folglich nicht darin, ob, sondern wie konstruiert wird. Die damit aufgeworfene Fragestellung lässt sich direkt auf Baurs Forschungen zu den synoptischen Evangelien beziehen: Welche Konstruktion der Geschichte des frühen Christentums findet Baur in den synoptischen Evangelien vor? In welcher Weise wirkt sich seine Methodik auf das Verständnis der synoptischen Evangelien aus? Und schließlich: Inwiefern sind Baurs Untersuchungen zu den synoptischen Evangelien für seine Bestimmung des „Prinzips“ des Christentums relevant? Um einen Eindruck davon gewinnen zu können, wie Baur die Entwicklung der synoptischen Tradition und die in dieser greifbar werdende Geschichte des frühen Christentums konstruiert, sind zunächst einige grundsätzliche Überlegungen Baurs zu Geschichte und Textauslegung darzustellen. Im Anschluss sollen dann einige Einzelargumente und Texte, auf die Baur Bezug nimmt, kenntlich gemacht werden. Auf diese Weise soll hier eine zusammenfassende Darstellung der Sicht Baurs auf die synoptischen Evangelien gegeben werden, die es bislang so noch nicht gibt.6
1. Baur und die Synoptiker Die Frage, wie sich die synoptischen Evangelien zueinander verhalten und unter welchen Voraussetzungen sie als Quellen für die kritische Rekonstruk4 Siehe dazu den Sammelband von J. Schröter/A. Eddelbüttel (Hg.), Konstruktion von
Wirklichkeit. Beiträge aus geschichtstheoretischer, philosophischer und theologischer Perspektive, TBT 127, Berlin/New York 2004 und jetzt A. Klein/U.H.J. Körtner (Hg.), Die Wirklichkeit als Interpretationskonstrukt? Herausforderungen konstruktivistischer Ansätze für die Theologie, Neukirchen-Vluyn 2011, für den Bereich der neutestamentlichen Texte v.a. den Beitrag von C. LANDMESSER, Geschichte als Interpretation. Momente der Konstruktion im Neuen Testament, aaO., 147–164, für den Bereich der Geschichtstheorie C. LORENZ, Konstruktion der Vergangenheit. Eine Einführung in die Geschichtstheorie, mit einem Vorwort von J. Rüsen, Köln/Weimar/Böhlau 1997. 5 H. GRAF REVENTLOW, Epochen der Bibelauslegung. Band IV: Von der Aufklärung bis zum 20. Jahrhundert, München 2001, 270. 6 P.C. HODGSON, The Formation of Historical Theology. A Study of Ferdinand Christian Baur, New York 1966, 212–220 bietet einen Abschnitt zur Evangelienforschung Baurs im Rahmen seiner Gesamtdarstellung des Denkens Baurs. R. FULLER, Baur versus Hilgenfeld. A forgotten chapter in the debate of the Synoptic Problem, New Testament Studies 24 (1978), 355–370 diskutiert Baurs Synoptiker-Forschungen v.a. im Zusammenhang mit der Frage nach der von Baur vertretenen Matthäuspriorität.
Das Wesen des Urchristentums
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tion der Geschichte des frühen Christentums ausgewertet werden können, hat Baur im Rückblick auf seine Forschungen als die „wichtigste[…] Frage, welche die gegenwärtige Zeit beschäftigt“ bezeichnet, zu deren Klärung er selbst „das Meinige nach Maassgabe meiner Kräfte beigetragen“ habe.7 Als Baur sich der Erforschung der synoptischen Evangelien zuwandte, hatte er seinen geschichtsphilosophischen Zugang und den auf seinem Geschichtsverständnis aufbauenden methodischen Ansatz der „Tendenzkritik“ bereits ausgebildet. Ausgangspunkt für die Erarbeitung seiner Methodik waren nicht die Evangelien, sondern die als authentisch anerkannten Paulusbriefe als die ältesten Quellen für die Geschichte des Frühchristentums.8 Nachdem Baur seit der Mitte der 1820er Jahre bis zum Beginn der 1830er Jahre sein Geschichtsverständnis gewonnen hatte9, waren es Arbeiten zu den Korintherbriefen und zum Römerbrief, in denen Baur seine Sicht des Frühchristentums und seine Methode der „Tendenzkritik“ begründete.10 Erst im Verlauf der 1840er Jahre wandte sich Baur den Evangelien zu. Von hier aus ist es erklärlich, weshalb sich Baur in der Debatte, die durch das 1835 erschienene „Leben Jesu“ von David Friedrich Strauß, das in Baurs unmittelbarem Umfeld entstanden war, ausgelöst wurde, noch deutlich zurückhielt. Baur erinnert sich, er habe „ebenso wenig für als gegen dasselbe auftreten können, da mir damals die dafür nöthigen tiefern Studien noch fehlten“.11 In einem Brief aus dem Jahr 1838 äußert Baur gegenüber Strauß allerdings bereits, dass er sich wie dieser davon überzeugt habe, dass die historische Wahrheit nur auf der Seite der Synopti7 F.C. BAUR, Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, in: Ferdinand Christian Baur. Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Band IV, mit einer Einführung von Heinz Liebing, Stuttgart Bad-Cannstatt 1970, 399. 8 Auf diesen Sachverhalt macht auch Jörg Frey in seinem Beitrag zu Baurs Johannesexegese aufmerksam. 9 Grundlegende Einsichten finden sich bereits in der Vorrede zu seiner 1824/25 erschienenen Schrift F.C. BAUR, Symbolik und Mythologie oder die Religion des Altertums, Teil 1: Allgemeiner Teil, Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1824, Aalen 1979, III–XIV. Seit Beginn der 1830er Jahre macht sich der Einfluss Hegels auf Baurs Geschichtsverständnis bemerkbar, der in theologischer Hinsicht eine Vertiefung brachte, insofern Baur nun noch deutlicher als vorher den Geschichtsprozess als Prozess der Offenbarung Gottes selbst ansah (W. GEIGER, Spekulation und Kritik. Die Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs, FGLP XXVIII, München 1964, 45). Zum Einfluss Hegels auf Baur siehe den Beitrag von Martin Wendte in diesem Band. 10 F.C. BAUR, Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde, der Gegensatz des petrinischen und paulinischen Christenthums in der ältesten Kirche, der Apostel Petrus in Rom (1831), in: Ferdinand Christian Baur. Ausgewählte Werke in Einzelausgabe, hg. von K. Scholder, Band I: Historisch-kritische Untersuchungen zum Neuen Testament, mit einer Einführung von Ernst Käsemann, Stuttgart Bad-Cannstatt 1963, 1–146; DERS., Über Zweck und Veranlassung des Römerbriefes und die damit zusammenhängenden Verhältnisse der römischen Gemeinde. Eine historisch-kritische Untersuchung (1836), aaO., 147–266. 11 BAUR, Kirchengeschichte (s. Anm. 7), 397.
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ker, nicht aber auf der Seite des Johannesevangeliums zu finden sei.12 Diese Grundentscheidung wird für Baurs Beschäftigung mit den synoptischen Evangelien prägend. Denn in dem Maße, in dem der historische Wert des Johannesevangeliums sinkt, steigt nach Baurs Auffassung derjenige der Synoptiker. Die historischen Widersprüche zwischen den Evangelien können nicht länger ihre historische Zuverlässigkeit insgesamt in Frage stellen, sondern „der Widerspruch, welcher zwischen beiden stattfindet, fällt nur auf die Seite des Johannes“.13 Um diese Auffassung begründen zu können, wandte sich Baur in seinen Vorlesungen verstärkt der Arbeit am Johannesevangelium zu, bevor in der Lage war „to turn to the Synoptic problem with a fresh perspective“14. Den Ertrag seiner Forschungen veröffentlichte er 1844.15 Daraufhin wandte er sich der Erforschung des Lukasevangeliums zu, zu dem er 1845 eine Studie publizierte.16 1847 fasste Baur seine Studien zu den Evangelien in den „Kritischen Untersuchungen über die kanonischen Evangelien“ zusammen.17 Auch wenn die einzelnen Abschnitte der „Kritischen Untersuchungen“ in sich relativ geschlossen sind, so gibt Baur hier doch eine Gesamtschau seiner Sicht auf die Evangelien. In meiner Darstellung will ich mich deshalb auf dieses Werk konzentrieren. Baur stellt seinen materialen Untersuchungen zu den Evangelien eine Einleitung voran, in der er die Ausbildung seiner eigenen Methodik in den Kontext der bibelwissenschaftlichen Diskussion seit der Reformation stellt. Hier werden geschichtshermeneutische Grundentscheidungen sichtbar (2.), die den Horizont für Baurs Rekonstruktion des Traditionsprozesses der synoptischen Evangelien darstellen (3.). Abschließend lässt sich dann fragen, in welcher Weise sich diese historische (Re-)Konstruktion auf Baurs Verständnis des „Prinzips“ des frühen Christentums auswirkt (4.).
12 Baur an Strauß am 29. Mai 1938, zitiert nach E. BARNIKOL, Der Briefwechsel zwi-
schen Strauß und Baur. Ein quellenmäßiger Beitrag zur Strauß-Baur-Forschung, ZKG 73 (1962), 74–125, 104: „Ich bin zwar noch nicht über die ersten Kapitel des Evangeliums Johannis hinausgekommen, aber schon dieses Wenige hat auf mich den sehr entschiedenen Eindruck gemacht, daß die historische Wahrheit, d.h. die relativere, nur auf der Seite der Synoptiker gesucht werden kann, und es will mir fast scheinen, ob Sie in der neuen Ausgabe nicht zuviel zugegeben haben.“ Vgl. HODGSON, Formation (s. Anm. 6), 212. 13 BAUR, Kirchengeschichte (s. Anm. 7), 397. 14 HODGSON, Formation (s. Anm. 6), 214. 15 F.C. BAUR, Ueber die Composition und den Charakter des Johannesevangeliums, ThJb(T) 3 (1844), 1–191.397–475.615–700. 16 F.C. BAUR, Der Ursprung und Charakter des Lukas-Evangeliums mit Rücksicht auf die neuesten Untersuchungen, Theologische Jahrbücher 5 (1846), 453–615. 17 F.C. BAUR, Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis zueinander, ihren Charakter und Ursprung, Tübingen 1847.
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2. Geschichtshermeneutische Grundentscheidungen Die Entwicklung der nachreformatorischen Bibelwissenschaft bis zur Entstehung einer kritischen Erforschung der Evangelien zeichnet Baur als einen Prozess zur Überwindung einer harmonisierenden Betrachtungsweise der Evangelien. Diese sieht er durch das protestantischen Schriftprinzip begünstigt, wofür er insbesondere auf die Ausbildung der Verbalinspirationslehre verweist. Die Ausgangsfrage besteht für Baur darin, wie Einheit und Verschiedenheit der Synoptiker zueinander ins Verhältnis zu setzen sind.18 Die philosophischen Grundlagen seines Geschichtsverständnisses diskutiert Baur in diesem Zusammenhang nicht. Erkennbar wird, wie sehr Baur sich mit der bibelwissenschaftlichen Diskussion auseinandersetzt und seinen eigenen Zugang in diesem Zusammenhang profiliert. Drei Forscher, mit denen Baur die Auseinandersetzung führt, sind für seinen eigenen Ansatz besonders bedeutsam und sollen hier deshalb besprochen werden: Gottlob Christian Storr, Johann Gottfried Eichhorn und David Friedrich Strauß. Gottlob Christian Storr (1746–1805) gilt als Begründer der „älteren Tübinger Schule“, die Baur in seinem Studium in Tübingen, wohl v.a. durch Ernst Gottlieb Bengel vermittelt, kennenlernte.19 Wie nicht wenige „orthodoxe“ Forscher am Ende des 18. Jahrhunderts stand Storr faktisch in einer Mittelstellung zwischen Orthodoxie, Neologie und Aufklärung, mit einem deutlichen apologetischen Anliegen.20 Baur sieht ihn auf dem „Uebergang von der 18 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 1f. 19 Ernst Gottlieb Bengel (1769–1826), der Enkel Johann Albrecht Bengels (1687–1752)
war seit 1805 Professor in Tübingen, wo Baur von 1809 bis 1814 studierte. Bengel war ein Schüler Storrs und ein „betont rationalistischer Vertreter der älteren Tübinger Schule“ (M. MEZGER, Art. Bengel, Ernst Gottlieb, 3RGG 1, 1037). Dass Baur in Tübingen vor allem durch Bengel in den historisch-exegetischen Fächern ausgebildet wurde, unterstreicht auch GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 3), 93. 20 Emanuel Hirsch sieht Storr „auf halbem Wege zwischen Übergangstheologie und Neologie“ (E. HIRSCH, Geschichte der neuern evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens, Band 5, Gütersloh 1954, 76). Kann man von der „Orthodoxie“ Storrs sprechen, so machte sich auch bei Storr, wie bei anderen konservativen Forschern der Zeit der Einfluss aufklärerischen Denkens unübersehbar bemerkbar. Hirsch weist darauf hin, „daß zu jener Zeit schon orthodox war, was fünfzig Jahre vorher anstößig gewesen wäre“ (ebd.). Auch in dem Aufsatz von R. RIEGER, Gottlob Christian Storrs Hermeneutik der Einheit von Geschichte und Wahrheit auf dem Weg von der Aufklärung zum Idealismus, in: C. Danz (Hg.), Schelling und die Hermeneutik der Aufklärung HUTh 59, Tübingen 2012, 51–84 wird deutlich, dass Storr auf seine Weise die Kantsche Erkenntnistheorie aufnimmt, ohne seine These einer Einheit von exegetischer (und historischer) Richtigkeit und dogmatischer Einheit aufzugeben. Rieger spricht deshalb von der „Methode einer Rechtfertigung der christlichen Dogmen auf dem Weg über eine selektive Kantrezeption“ (aaO., 81).
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alten Harmonistik auf die modernen Ansichten von dem Verhältnis der Evangelien zu einander“ stehen.21 In einer für diese Zeit charakteristischen Weise, die sich etwa auch bei Johann David Michaelis (1717–1791) beobachten lässt22, stellt sich Storr der Notwendigkeit einer historischen Betrachtung der biblischen Tradition, versucht aber, die historische Argumentation der Verteidigung der Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Texte und der altkirchlichen Traditionen über deren Verfasser und Entstehung dienstbar zu machen.23 Es ist bemerkenswert, dass Storr – anders als nach ihm Baur – eine Markuspriorität vertritt und damit in historischer Perspektive von der kanonischen Reihenfolge der Evangelien abweicht.24 Dessen ungeachtet sieht Baur bei Storr den Versuch unternommen, die „alte Harmonistik“ unter den Vorzeichen eines historischen Bewusstseins neu zu begründen. Voraussetzung sei dabei die Grundüberzeugung „von der buchstäblichen Wahrheit der evangelischen Geschichtserzählung“25. Für Storr folge daraus, dass zwei beinahe gleichlautende Erzählungen dann, wenn sie auch nur in einer Kleinigkeit voneinander abweichen, mit zwei verschiedenen historischen Begebenheiten erklärt werden, die sich jeweils genau so abgespielt haben sollen, wie die Texte es jeweils berichten.26 Um an der historischen Zuverlässigkeit der Evangelienberichte festhalten zu können, versuche Storr, die Unterschiede im Detail zwischen einzelnen Erzählungen „auf einen im Factum selbst gegründeten Unterschied zurückzuführen“.27 Durch die Grundannahme, dass die Evangelien historische Tatsachen detailgetreu berichten, werden ihre Widersprüche 21 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 13. Baur erläutert: „Auf der einen Seite machte es sich Storr zur eigentlichen Lebensaufgabe, der eindringenden Neologie sich mit allen Kräften zu widersetzen und den Glauben an den übernatürlichen Ursprung des Christenthums in seinem ganzen Umfang aufrecht zu erhalten, auf der andern war er selbst von Elementen der modernen Bildung und Aufklärung weit tiefer, als er selbst wußte, durchdrungen“ (ebd.). 22 Siehe dazu M. BAUSPIESS, Geschichte und Erkenntnis im lukanischen Doppelwerk. Eine exegetische Untersuchung zu einer kritischen Perspektive auf Geschichte, ABG 42, Leipzig 2012, 44–47, vgl. C. LANDMESSER, Moderate Bibelkritik in der Zeit der Aufklärung. Ernesti, Michaelis und Eichhorn, in: C. Danz (Hg.), Schelling und die Hermeneutik der Aufklärung (s. Anm. 20), 85–103, bes. 92–99. 23 Vgl. HIRSCH, Geschichte 5 (s. Anm. 20), 74; RIEGER, Gottlob Christian Storrs Hermeneutik (s. Anm. 20), 67 kommt zu derselben Auffassung, wenn er bemerkt, dass Storr die (von Semler getroffene) Unterscheidung zwischen der „Zufälligkeit und Partikularität der geschichtlichen Erscheinung und der Allgemeinheit der in ihr zum Ausdruck gebrachten Wahrheit“ ablehne. Mit Recht folgert Rieger: „Damit aber belastet er die historische Betrachtung mit der dogmatischen Wahrheitsfrage und setzt die Geschichte dem Druck des Wahrheitsanspruchs aus.“ 24 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 14. 25 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 19. 26 Ebd. 27 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 20.
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untereinander dadurch aufgelöst, dass sie für unterschiedliche Ereignisse erklärt werden. Es ist klar, dass damit ein Entwicklungsprozess innerhalb der Entstehung der verschiedenen Evangelien nicht in den Blick kommen kann. Vor allem aber, so Baur, unterstelle Storr der in den Evangelien erzählten Geschichte einen Charakter, der sich von jeder anderen Art von Geschichte grundlegend unterscheide: „Was sich aus einer der Storr’schen Methode folgenden Behandlung der evangelischen Geschichte ergibt, ist eine Geschichte, welche ein ganz eigenes Ansehen dadurch erhält, daß sich so Vieles wiederholt, und uns immer wieder Facta begegnen, welche schon einmal dagewesen sind, und nur in einzelnen, mehr oder minder bedeutenden Zügen sich voneinander unterscheiden. Das Geschehene erhält so auf dem Boden der evangelischen Geschichte eine Gleichförmigkeit und Monotonie, welche gegen alle sonstige geschichtliche Analogie ist.“28
Der Aspekt der Analogie aber, den Baur hier benennt, ist für die Frage, ob ein Ereignis als historisch wahrscheinlich gelten kann, entscheidend. Ernst Troeltsch wird ihn später als eines der Kriterien historischer Forschung benennen.29 Geschichtsschreibung hat es mit Wahrscheinlichkeitsurteilen zu tun. Was aber als wahrscheinlich gelten kann, das entscheidet sich nicht zuletzt daran, was der Forscher aus seiner eigenen Erfahrung und von der Betrachtung der Geschichte her kennt. Baur macht damit auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam, der bis heute von Bedeutung sein dürfte: Bei der Betrachtung der Geschichte kann nicht von der Art und Weise abgesehen werden, wie die jeweils eigene Wirklichkeit wahrgenommen wird. Postuliert man für die biblischen Texte ein Geschichtsverständnis, das mit dem Geschichtsverständnis des Auslegers nicht zusammengebracht werden kann, dann kommt es zu keiner Begegnung mit der geschichtlichen Wirklichkeit, die die Texte bezeugen. Es entsteht eine Vorstellung von Geschichte, die zwar die Faktizität der Ereignisse festhält, dafür aber den Preis eines Wirklichkeitsverlusts bezahlt, weil ihr Bezug auf die gegenwärtige Wirklichkeit unvermittelt bleibt. Diese Einsicht unterstreicht Baur in seiner Kritik an Storrs Vorgehen, bei Abweichungen im Detail zwischen einander ähnlichen Erzählungen der Evangelien davon auszugehen, dass es sich um verschiedene Ereignisse handeln müsse, die allesamt historisch passiert seien. Denn bei Storr werde auf diese Weise die „allgemeine abstracte Möglichkeit“30 eines geschichtlichen Ereignisses zum 28 Ebd. 29 E. TROELTSCH, Über historische und dogmatische Methode in der Theologie, in: The-
ologie als Wissenschaft. Aufsätze und Thesen, hg. und eingeleitet von G. Sauter, ThB 43, München 1971, 105–127, 108. 30 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 20. Baur erläutert: „Daß also ein solches geschichtliches Geschehenseyn überhaupt gar wohl möglich ist, soll den evangelischen Geschichtserzählungen das Fremdartige benehmen, das sie für unser historisches Bewußtseyn haben“ (aaO., 20f).
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entscheidenden Argument. Wenn ein Ereignis möglich ist, dann besteht nach Storrs Auffassung kein Grund, es nicht auch als tatsächlich geschehen und insofern als wirklich anzusehen. Mit der Berufung auf die historische Möglichkeit wird die Wirklichkeit der Geschichte allerdings gerade verfehlt, wie Baur scharfsinnig formuliert: „Es ist … überhaupt mit der bloßen Berufung auf die Möglichkeit auf dem Standpunkt der geschichtlichen Betrachtung nichts ausgerichtet, weil die Geschichte es nicht mit dem Möglichen, sondern dem Wirklichen zu thun hat, was aber wirklich ist oder nicht, kann nicht nach der Möglichkeit, sondern nur nach der Wahrscheinlichkeit beurtheilt werden. Für wahrscheinlich kann aber in geschichtlichen Dingen nur das gehalten werden, was der allgemeinen geschichtlichen Analogie entspricht.“31
Historische Forschung fragt nach Baurs Auffassung gerade nicht nach dem Allgemeinen, sondern nach dem Konkreten, „da alles Geschichtliche das, was es ist, nur dadurch ist, daß es diese bestimmte Form der concreten Wirklichkeit hat“32. Die geschichtliche Wirklichkeit wird demnach verfehlt, wenn die Evangelien miteinander harmonisiert werden. Baur entlarvt diese Harmonisierung als eine Historisierung, die die tatsächlichen geschichtlichen Prozesse gerade verdeckt. Für ihn kommt es deshalb darauf an, nach den Bildungsprozessen zu fragen, in denen die Evangelien entstanden sind. Dieser Frage habe sich erstmals Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) in „einer Epoche machenden Weise“ in seiner „Einleitung“ gestellt.33 Eichhorn sei dabei „von der bloßen Wortkritik … zu der höheren Kritik“34 vorangeschritten. Mit Eichhorn sieht Baur den Schritt von der „dogmatischen“ zu einer wissenschaftlichen Betrachtung der Synoptiker vollzogen. Allerdings sei auch Eichhorns Hypothese eines „Urevangeliums“ letzten Endes „abstrakt“ geblieben. Sie habe im Grunde nur das in der Textkritik übliche Verfahren, die verschiedenen Varianten auf eine ursprüngliche Lesart zurückzuführen, auf die Untersuchung der synoptischen Evangelien angewandt, die ihrerseits auf ein „Urevangelium“ zurückgeführt werden. So erklärt Baur: „An die Stelle der bisherigen dogmatischen Betrachtung tritt nun die wissenschaftliche, rein kritische, oder vielmehr, da die Evangelien noch nicht als geschichtliche Erscheinungen, sondern nur als Produkte einer bestimmten Classe der Literatur genommen werden, zunächst nur die literarische oder abstrakt kritische, und die an ihnen sich entwickelnde Kritik ist nur eine höhere Stufe der Wortkritik, mit welcher man sich bisher beschäftigt hat“.35
Auch bei Eichhorn sei nicht die Frage nach dem Besonderen der einzelnen Evangelien leitend gewesen, sondern die die alte „Harmonistik“ beschäfti31 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 21. 32 Ebd. 33 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 23. 34 Ebd. 35 Ebd.
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gende Frage nach dem Gemeinsamen.36 Auch Eichhorn gelingt es damit nach Baurs Auffassung nicht, zur konkreten Wirklichkeit der Geschichte, nach der die Betrachtung der synoptischen Evangelien zu fragen hat, vorzudringen. Er bewege sich, wie andere Forscher seiner Zeit, „nur in dem engen Rahmen einer selbstgemachten abstrakten Vorstellung“ und schaffe es noch nicht, sich „in die objektive Realität und Wahrheit des concreten Lebens der Geschichte hineinzuversetzen“.37 Zur „objektiven Realität“ der Geschichte, zu ihrer Wahrheit und Wirklichkeit, gelangt man nach Baurs Auffassung nur, wenn die subjektiven Zugänge der einzelnen Verfasser, ihr geschichtlicher Ort, ihr persönliches Interesse und ihr Selbstanspruch wahrgenommen werden. Diesen – den allererst als „geschichtlich“ zu bezeichnenden – Zugang profiliert Baur in seiner Absetzung von David Friedrich Strauß (1808–1874). Teilt Baur mit Strauß, wie gesehen, die skeptische Haltung bezüglich der historischen Authentizität des Johannesevangeliums und bejaht er grundsätzlich dessen kritischen Ansatz, so wird im Zusammenhang mit Baurs Evangeliendeutung nun deutlich, dass seine erste Zurückhaltung in der Debatte um Strauß durchaus auch in der Sache und in inhaltlichen Differenzen zu seinem ehemaligen Schüler aus der Blaubeurener Zeit begründet ist. Die von Strauß vorangetriebene „Kritik der Geschichte“ hängt nach Baur mit der „Kritik der Schriften“, um die es Baur in seiner Erforschung der kanonischen Evangelien geht, zusammen.38 Genau an dem Punkt aber sieht Baur das Problem bei Strauß. Denn Strauß habe „eine Kritik der evangelischen Geschichte ohne eine Kritik der Evangelien“ gegeben.39 Dies sei zwar auf dem Stand der Forschung nicht anders zu erwarten gewesen, dennoch sieht Baur darin den Fehler „des Strauß’schen Werkes …, daß es die evangelische Geschichte zum Gegenstand der Kritik macht, ohne zuvor mit der Kritik der Schriften auf ein festeres Resultat gekommen zu seyn“40. Strauß habe demnach die „Harmonistik“ überwunden, das geschichtliche Ergebnis seiner Studien sei allerdings
36 „Einheit ist auch hier der vorherrschende Gesichtspunkt, nur wird das Princip der allen Differenzen zu Grunde liegenden Einheit nicht in die unsichtbare Thätigkeit des in den Evangelisten als seinen Organen wirkenden heiligen Geistes, sondern materieller in eine gemeinsame Urschrift gesetzt, zu welcher sich die Differenzen der einzelnen Schriftsteller nur wir die Accidenzien zu der Substanz verhalten, und wie schon Bengel in seinem harmonistischen Interesse vor allem die mitten aus den Differenzen hervorragenden Einheitspunkte zur Orientierung über das Ganze mit scharfem Auge fixirt hatte, so hielt sich auch die UrevangeliumsHypothese zunächst an das Gemeinsame, als das Ursprüngliche und Substanzielle.“ BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 24. 37 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 40. 38 Ebd. 39 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 41. 40 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 71.
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rein negativ geblieben,41 indem er wesentliche Inhalte der Evangelien für mythisch und damit für ungeschichtlich erklärt habe. Die von Strauß durchgeführte Kritik erkläre „den Inhalt der evangelischen Geschichte wesentlich für mythisch“.42 Dies geschehe aber vorschnell und an der Eigenart der Texte vorbei, denn: „Um aber zu wissen, ob sie von ihrer mythischen Ansicht nicht eine zu weit ausgedehnte Anwendung auf die evangelische Geschichte macht, muß man vor allem fragen, ob der für mythisch gehaltene Inhalt für die Evangelisten selbst ein so bewußtlos und unabsichtlich entstandener war, wie bei der mythischen Ansichtsweise vorausgesetzt werden muß. Alles Mythische ist ungeschichtlich, aber nicht alles Ungeschichtliche ist mythisch, so manches, was mythisch zu seyn scheint, hat seine dem Mythus ähnliche, ideelle Gestalt nur durch die freie Produktivität des erzählenden Schriftstellers erhalten.“43
Bevor gefragt werden kann, wie es sich mit der historischen Zuverlässigkeit des in den Evangelien Berichteten verhält, ist nach Baur die Frage nach deren Eigenintention zu stellen. Es ist zu fragen, ob und inwieweit die Evangelisten wirklich historisch erzählen wollen. Damit trägt Baur der grundsätzlichen erkenntnistheoretischen Einsicht Rechnung, dass „überhaupt für uns alles Geschichtliche erst durch das Medium des erzählenden Schriftstellers hindurchgeht“44. Darum könne nicht als erstes gefragt werden, „welche objektive Realität diese oder jene Erzählung hat“45. Es müsse vielmehr zunächst geklärt werden, „wie sich das Erzählte zum Bewußtseyn des erzählenden Schriftstellers verhält, durch dessen Vermittlung es für uns ein Objekt des historischen Wissens ist“46. Damit wendet Baur seine an den Paulusbriefen gewonnene Methodik der „Tendenzkritik“ auf die Evangelien an. Die Tatsache, dass die Evangelien sich als „geschichtliche Darstellungen des Lebens Jesu“ ausgäben, schließe keineswegs aus, „daß ihre Verfasser bei ihrer Darstellung durch bestimmte Motive und Interessen geleitet wurden“.47 Dann aber müsse v.a. nach
41 J. MEHLHAUSEN, Spekulative Christologie. Ferdinand Christian Baur im Gespräch
mit David Friedrich Strauß und Julius Schaller, in: U. Köpf (Hg.), Historisch-kritische Geschichtsbetrachtung. Ferdinand Christian Baur und seine Schüler, 8. Blaubeurer Symposion, Contubernium 40, Sigmaringen 1994, 119–140, 129–131 bestreitet, dass diese Kritik Baurs Strauß wirklich gerecht werde. Denn Strauß’ eigentliches Anliegen sei nicht die Destruktion der überkommenen Christologie, sondern die Konstruktion einer ganz neuen spekulativen Christologie“ gewesen (aaO., 130). Diese spekulativ-theologische Grundkonzeption Strauß’ erwähne Baur bezeichnenderweise in der Einleitung zu den „Kritischen Untersuchungen“ nicht (aaO., 129). 42 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 72. 43 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 72f. 44 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 73. 45 Ebd. 46 Ebd. 47 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 75.
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den Umständen gefragt werden, innerhalb derer die einzelnen Evangelien entstanden sind. Nur so kommt man nach Baur zur Wahrheit der Geschichte: „Die erste Frage, welche die Kritik an die Evangelien zu machen hat, kann daher nur seyn, was wollte und bezweckte der Verfasser derselben, und mit dieser Frage kommen wir erst auf den festen Boden der concreten geschichtlichen Wahrheit.“48
Damit ist das Ziel von Baurs Erforschung der kanonischen Evangelien benannt: Er will zur Wirklichkeit der Geschichte des Urchristentums vordringen, indem er zunächst den historischen Standort der Evangelien selbst wahrnimmt und ihre „Tendenz“ beschreibt, die sie in ihrem Kontext bestimmt. Auf diese Weise aber möchte Baur zur „Objektivität“ der Geschichte vordringen. Baurs Auslegung der Evangelien stellt sich deshalb als eine kritische (Re-) Konstruktion ihrer Entstehungsgeschichte dar, in der sich ein Stück Theologiegeschichte des frühen Christentums widerspiegelt. Fassen wir an dieser Stelle zusammen, so lässt sich festhalten, dass es Baur mit seiner geschichtlichen Methode um einen Zugang zur Wirklichkeit der Geschichte geht. Vertritt Baur einerseits eine „historistische“ Methodik im kritischen Umgang mit seinen Quellen, so hat er die Frage nach dem Gegenwartsbezug von Geschichtsschreibung gerade nicht preisgegeben, was Rudolf Bultmann später anerkennend feststellen wird.49 Freilich tritt diese Frage hinter den detaillierten Argumentationen zu einzelnen Stellen zunächst zurück, bevor eine Gesamtsicht der Evangelientradition erkennbar wird.
3. Baurs Rekonstruktion der Entwicklung der Evangelien 3.1. Das Johannesevangelium und die Synoptiker Mit der bereits angesprochenen Grundentscheidung zur Verhältnisbestimmung zwischen den Synoptikern einerseits und dem Johannesevangelium andererseits sind die Weichen für Baurs Verständnis der Evangelientradition gestellt. Es wird deutlich erkennbar, dass und wie Baur seine grundlegenden geschichtstheoretischen Einsichten in eine konkrete Methodik umsetzt, die er nun auch auf die Synoptiker anwendet. Dies zeigt sich zunächst daran, dass Baur die Frage, wie sich das Johannesevangelium zu den Synoptikern verhält, ausdrücklich auf den gegenüber Storr begründeten Vorrang der Kategorie der Wirklichkeit im Sinne der histo48 Ebd. 49 R. BULTMANN, Geschichtliche und übergeschichtliche Religion im Christentum? (1926), in: DERS., Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Band 1, Tübingen 1954,
65–84, 66f. Bultmann sieht diesen Gegenwartsbezug in der folgenden Entwicklung im Zuge des Historismus preisgegeben.
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rischen Wahrscheinlichkeit vor der Kategorie der Möglichkeit hinweist. Baur schließt aus seinen Beobachtungen an den Texten, dass der Verfasser des Johannesevangeliums nicht nur die synoptische Tradition im Allgemeinen, sondern speziell das kanonisch gewordene Markus- und das Lukasevangelium gekannt und verarbeitet habe.50 Die johanneische Darstellung der Geschichte Jesu gestaltet die Tradition im Sinne der „ideellen Tendenz“ des vierten Evangeliums um. Diese Tendenz werde aber gerade verdeckt, wenn der Versuch einer historisierenden Harmonisierung der Evangelienberichte vorgenommen wird. Gleichzeitig gerät damit die geschichtliche Wirklichkeit der Entwicklung der frühchristlichen Theologie aus dem Blick. Baur stellt deshalb die Frage: „Was hilft es demnach, Facta zu haben, welche an sich wohl möglich sind, für welche es aber, wie dieß insbesondere auch noch von dem Wunder in Kana gilt, an jedem historischen Boden zu ihrer wirklichen Existenz so lange fehlt, so lange nicht, was nur mit der größten Willkür geschehen könnte, den Synoptikern alle historische Glaubwürdigkeit abgesprochen ist?“51
Da der Verfasser insgesamt eine „ideelle Tendenz“ hat, also in seiner Darstellung der Geschichte Jesu eine bestimmte Idee bzw. einen theologischen Gedanken durchführt, folgert Baur, dass er weitgehend nicht auf eigenes historisches Material zurückgreife, sondern gleichsam eine Relecture der synoptischen Tradition biete. Das Verhältnis zwischen dem Johannesevangelium und den Synoptikern wird von Baur demnach ganz grundsätzlich bestimmt. Es entspricht derjenigen Verhältnisbestimmung, die Baur zwischen den Paulusbriefen und der Apostelgeschichte vorgenommen hatte.52 Darauf fußt seine historisch-kritische Methodik, die Baur nun noch einmal formuliert: „Sie beruht auf dem gewiß unbestreitbaren Kanon, daß, wenn zwei verschiedene, denselben Gegenstand betreffende, Berichte sich in ihrer Differenz so zueinander verhalten, daß nur der eine von beiden, nicht beide zugleich auf dieselbe Weise historisch wahr seyn können, die überwiegende historische Wahrscheinlichkeit nur auf der Seite desjenigen Berichts anzunehmen ist, welcher am wenigsten irgend ein über den Zweck der rein historischen Erzählung hinausliegendes Interesse verräth, das auf die historische Darstellung Einfluß haben konnte.“53
Anders als den Synoptikern gehe es Johannes nicht darum, einzelne Begebenheiten zu erzählen, sondern er habe in seiner Erzählung von den „Haupthandlungen“ Jesu „gleichsam Genrebilder gegeben“, so dass die verschiedenen Taten Jesu den Lesern exemplarisch vor Augen gestellt würden.54 Er entneh50 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 280. 51 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 240. 52 F.C. BAUR, Paulus. Der Apostel Jesu Christi, sein Leben und Wirken, seine Briefe und
seine Lehre, ein Beitrag zu einer kritischen Geschichte des Urchristentums, Stuttgart 1845, 5. 53 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 239. 54 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 244.
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me die historischen Begebenheiten der synoptischen Tradition, um so die „göttliche[…] Größe und Herrlichkeit Jesu in dem Processe ihres Kampfes mit dem Unglauben der Juden“ darzustellen. Wenn Johannes die Einzeltraditionen aufnimmt, dann sei es ihm dabei „nur um das in ihnen enthaltene allgemeine religiös-dogmatische Moment zu thun“.55 Die „Tendenz“ eines Werkes kann demnach gegenüber dem historischen Interesse so vorrangig werden, dass es kaum noch als „Geschichtswerk“ im engeren Sinn gelten kann. So sehr es Baur mit seiner „Tendenzkritik“ gelingt, die subjektiven, oder auch: die theologischen Akzentsetzungen der Verfasser der Evangelien, wahrzunehmen, so sehr bleibt bei ihm das Anliegen leitend, durch die „Tendenzen“ hindurch zum historischen Urgestein vorzustoßen, zur „objektiven Realität der Geschichte“. Der Aufbau der „Kritischen Untersuchungen“ spiegelt den Denkweg wider, den Baur hier durchschreitet: Er dringt vom „tendenziösesten“ Werk vor zu den Werken, in denen die Historizität der Darstellung zunimmt.56 Seine Studie über das Johannesevangelium steht am Anfang.57 Darauf folgt ein Kapitel über das Lukasevangelium.58 Es schließen sich – wesentlich kürzere – Abschnitte zum Markus-59 und zum Matthäusevangelium60 an. 3.2. Die „Tendenzen“ des Lukasevangeliums Bereits die Tatsache, dass Baur der Beschreibung der „Tendenz“ des Johannesevangeliums gut die Hälfte seiner „Kritischen Untersuchungen“ widmet, zeigt, dass Baur nicht bei dem von Strauß erzielten negativen Resultat der „Ungeschichtlichkeit“ der Evangelien stehenbleiben möchte. Dieses Anliegen, das Baur bereits in seiner Einleitung geäußert hatte, wiederholt er noch einmal am Beginn seiner Ausführungen zum Lukasevangelium.61 Baur geht es darum, die Individualität jedes einzelnen der Evangelien herauszuarbeiten, mit seinen Worten gesprochen, zu fragen, „welche Tendenz es neben dem allgemeinen geschichtlichen Zweck verfolgt“, der es die Gestalt seiner besonderen Darstellung der Geschichte Jesu verdankt.62 Eine solche „Tendenz“ aber lässt sich nach Baurs Auffassung besonders gut beim Lukasevangelium beobachten. Es steht damit gleichsam auf der Grenze zwischen dem Johannesevangelium und den übrigen Synoptikern. Die von Baur vertretene Mat55 Ebd. 56 Vgl. FULLER, Baur versus Hilgenfeld (s. Anm. 6), 357. 57 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 77–389. 58 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 391–531. 59 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 535–567. 60 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 571–621. 61 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 393. 62 Ebd.
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thäuspriorität wirkt sich an dieser Stelle bereits aus. Denn Baur vergleicht die „Tendenz“ des Lukasevangeliums mit derjenigen des Matthäus, um festzustellen, dass es vor diesem „nicht nur einen nicht unbedeutenden Theil seines Inhalts, sondern auch noch besonders seinen paulinischen Charakter voraus“ habe.63 Den „paulinischen“ Charakter des Lukasevangeliums erkennt Baur darin, dass es dem Verfasser wesentlich darum gehe, „den paulinischen Universalismus zur allgemeinen Anerkennung zu bringen“64. Zu diesem Ergebnis war Baurs Schüler Eduard Zeller gelangt, der damit gezeigt hatte, dass die Apostelgeschichte und das Lukasevangelium nicht nur einen gemeinsamen Verfasser, sondern auch eine gemeinsame „Tendenz“ erkennen ließen. Diese „Tendenz“ des Lukasevangeliums eröffnet nach Baur der historisch-kritischen Betrachtung die Möglichkeit, es „in seinem Ursprung und Wesen zu begreifen“65. Für seine Argumentation knüpft Baur immer wieder an diverse Untersuchungen seiner Schüler an und verknüpft deren Einsichten zu einer Gesamtkonstruktion der Entstehungsgeschichte der Evangelien und damit der Theologiegeschichte des frühen Christentums. Baur geht dabei so vor, dass er zunächst literarkritische Unterscheidungen vornimmt, um dann nach der „Tendenz“ der jeweiligen Schicht des Lukasevangeliums zu fragen. Auf diese Weise konstruiert Baur ein ursprüngliches Lukasevangelium als Grundlage der kanonisch gewordenen Schrift, das er mit dem Evangelium des Markion identifiziert. Seit Tertullian hatte das sogenannten „Evangelium des Markion“, das aus Zitaten verschiedener altkirchlicher Schriftsteller rekonstruiert wird,66 als ein verkürztes Lukasevangelium gegolten.67 Diese Auffassung, die sich in der neueren Forschung weitgehend durchgesetzt hat68, war von Johann Salomo Semler und Eichhorn in Frage gestellt, von August Hahn in einer 1823 erschienenen Untersuchung aber wieder vertreten worden.69 Baur beruft sich 63 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 394. 64 Ebd. 65 Ebd. 66 Zur Forschungsgeschichte zum Evangelium des Markion siehe C. MARKSCHIES, Das
Evangelium des Marcion, Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, hg. von C. Markschies und J. Schröter in Verbindung mit A. Heiser, 7. Auflage der von Edgar Hennecke begründeten und von Wilhelm Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apokryphen, I. Band: Evangelien und Verwandtes (AcA I/1), Tübingen 2012, 466–470. 67 Nach TertMarc I 1,5 habe Markion „das Evangelium [wie eine Ratte] abgenagt“, so die Übersetzung bei MARKSCHIES, Das Evangelium des Markion (s. Anm. 66), 467, Anm. 3. 68 MARKSCHIES, Das Evangelium des Markion (s. Anm. 66), 467. 69 A. HAHN, Das Evangelium Marcions in seiner ursprünglichen Gestalt, nebst dem vollständigsten Beweise dargestellt, daß es nicht selbstständig, sondern ein verstümmeltes und verfälschtes Lukas-Evangelium war, den Freunden des Neuen Testaments und den Kritikern insbesondere, namentlich Herrn Hofrath, Ritter und Professor Dr. Eichhorn zur strengen Prü-
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seinerseits auf eine Untersuchung Albrecht Ritschls,70 in der dieser gezeigt habe, „daß das marcionitische Evangelium als unabhängige Quellenschrift nur der Grundstamm unseres Lucas-Evangeliums sein könne“71. Wie wichtig die These von der Priorität des marcionitischen Evangeliums für Baurs Konstruktion der Entstehung des kanonischen Lukasevangeliums ist, zeigt sich daran, dass er sie in der sich an die Veröffentlichung der „Kritischen Untersuchungen“ anknüpfenden Diskussion in einem Atemzug mit der Matthäuspriorität verteidigt.72 Hier zeigt sich, wie Baurs Gesamtsicht der synoptischen Evangelien mit bestimmten literar- und quellenkritischen Grundentscheidungen verbunden ist. Die altkirchlichen Traditionen über die Entstehung der Evangelien sind kritisch an den Ergebnissen der literarkritischen Analyse zu messen. Das Urteil, das marcionitische Evangelium sei später als das Lukasevangelium sieht Baur nicht am lukanischen Text, sondern „blos aus Tertullian“ begründet.73 Diese Auffassung aber lege einen „in dogmatischen Voraussetzungen befangenen Charakter an den Tag“74, den Baur auch bei August Hahn vermutet, der seine These zwar „mit allem Apparat einer gründlichen Gelehrsamkeit ausstattete, aber großentheils selbst nur im Geist und im Ton eines Tertullian begründete“.75 Nach Hahn habe Markion das Lukasevangelium mit der Absicht verkürzt, seine These zu beweisen, „daß der wahre Gott ein anderer sey, als der Weltschöpfer“76. Baur unterstellt Hahn Voreingenommenheit und sieht durch Ritschl in methodischer Hinsicht die Schwächen der Untersuchung Hahns erwiesen. Allerdings ist auch Baurs historische These von seiner Gesamtsicht der Evangelientradition bestimmt. Denn sie dient ihm dazu, den „paulinischen“ Charakter des ursprünglichen Lukasevangeliums zu schärfen. Auf der Grundlage der These der Priorität des „marcionitischen Evangeliums“ vor dem Lukasevangelium kann nach Baur „nun erst bestimmter nach der Tendenz und dem Charakter des dritten Evangeliums gefragt werden“77. Dies deshalb, weil sich nun die „paulinischen“ Elemente, die im kanonischen Lufung vorgelegt von A. Hahn, Königsberg 1823. Hahn argumentiert gegen die von Eichhorn in seiner Einleitung im Zusammenhang mit seiner „Urevangeliumshypothese“ vorgenommene Frühdatierung: J.G. EICHHORN, Einleitung in das Neue Testament 1, Leipzig 1804, 605–629 (§ 131). 70 A. RITSCHL, Das Evangelium Marcions und das kanonische Evangelium des Lucas. Eine kritische Untersuchung, Tübingen 1846. 71 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 396. 72 F.C. BAUR, Das Markusevangelium nach seinem Ursprung und Charakter. Nebst einem Anhang über das Evangelium Marcions, Tübingen 1851. 73 BAUR, Das Markusevangelium (s. Anm. 72), 191. 74 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 426. 75 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 427. 76 Ebd. 77 Ebd.
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kasevangelium greifbar werden, als Charakteristikum des ursprünglichen Lukasevangeliums identifizieren lassen.78 So erklärt Baur: „Alles, was man mit Recht als das paulinische Gepräge des Lucas-Evangeliums betrachtet, kann, sobald auf die angegebene Weise unterschieden wird, zunächst nur in das ursprüngliche Evangelium gesetzt werden, an diesem aber wird es sich nur um so reiner als das Charakteristische desselben nachweisen lassen, je strenger alles Fremdartige von ihm geschieden wird.“79
Das von Baur postulierte ursprüngliche Lukasevangelium lässt demnach einen profilierten „paulinischen“ Standpunkt erkennen, mit dem es „sich sogar in eine antithetische Beziehung zu der im Matthäus-Evangelium enthaltenen Darstellung der evangelischen Geschichte setzt“.80 Am Verhältnis des Lukaszum Matthäusevangelium bildet sich demnach jener Gegensatz ab, den Baur in seiner 1831 erschienenen Untersuchung zu den Korintherbriefen als den Grundgegensatz des Urchristentums herausgearbeitet hatte.81 Der Widerstreit zwischen universalistischem paulinischem Christentum und einem partikular ausgerichteten Judenchristentum lasse sich damit auch innerhalb der synoptischen Evangelien beobachten. Diese „antithetische“ Beziehung des ursprünglichen Lukasevangeliums gegenüber dem Judenchristentum macht Baur an der Beobachtung fest, dass bei Lukas nicht nur die Aussendung der Zwölf (Lk 9,1–6), sondern auch eine Aussendung von 70 Jüngern erzählt wird (Lk 10,1–12).82 Wie bereits Ritschl ist Baur der Meinung, dass die Gruppe der 70 Jünger als bewusste Überbietung der zwölf Apostel dargestellt würden. Es handele sich um eine unhistorische Vorstellung, die ausschließlich den Zweck habe, den Zwölfapostelkreis zu relativieren. So mache Lukas deutlich „wie wenig die Zwölf mit ihrem partikularistischen, alles Nichtjüdische von sich ausschließenden, sich nur negativ zu diesem verhaltenden Sinne den ächten Geist Christi, und die rechte Fähigkeit für ihren apostolischen Beruf in sich hatten“83. Wie die Zwölfzahl der Apostel die zwölf Stämme Israels repräsentiere, so stünden die 70 Jünger 78 Die These ist gegen Albert Schwegler gerichtet, der geäußert hatte, dass sich „ein streng und folgerichtig durchgeführter Paulinismus“ im Lukasevangelium nicht feststellen lasse (BAUR, Kritische Untersuchungen [s. Anm. 17], 446). 79 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 428. 80 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 435. 81 BAUR, Christuspartei (s. Anm. 10), 76 u.ö. 82 Die Zahlenangabe in Lk 10,1 ist textkritisch umstritten, es könnte hier auch von 72 Jüngern die Rede sein, womit sich die Frage nach einer hier möglicherweise intendierten Zahlensymbolik jeweils anders darstellt (zur Diskussion siehe B.M. METZGER, A Textual Commentary on the Greek New Testament, Stuttgart 21994, 126). Baur spricht durchweg von „70“ Jüngern. 83 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 438. An dieser Stelle bezieht sich Baur auf die textkritisch offensichtlich sekundäre Passage Lk 10,55f.
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für die Gesamtheit der heidnischen Völker.84 In die Anweisung an die 70 in Lk 10,17, in den Häusern zu essen und zu trinken und dem Hinweis, dass „der Arbeiter seines Lohnes wert“ sei, sieht Baur in den lukanischen Bericht „aus den paulinischen Briefen bekannte Grundsätze eingeflochten“, auf die teilweise wörtlich angespielt werde (1Kor 9,7f.; 10,27), so „daß man hieraus den entschiedenen Pauliner erkennt“.85 Hier wird deutlich, wie stark Baurs einmal gewonnene Sicht des frühen Christentums seine „Tendenzkritik“, die er an den Synoptikern vornimmt, prägt. Er verknüpft sie mit literarkritischen Unterscheidungen innerhalb der Texte, um auf diese Weise den historischen Entwicklungsprozess als einen theologischen Diskussionsprozess sichtbar zu machen. Deutlich wird dabei auch, dass Baur die These der Matthäuspriorität für seine Sicht geradezu notwendig benötigt. Denn das Matthäusevangelium repräsentiert für ihn jenes Judenchristentum, das Paulus bereits kritisiere. Das Matthäusevangelium stellt für Baur demnach beinahe unhinterfragt „den sichern Maßstab zur Beurtheilung des Charakteristischen“ des Lukasevangeliums dar.86 Er geht davon aus, dass der Verfasser des Lukasevangeliums das Matthäusevangelium bereits kannte. Jedenfalls gilt dies für die Bergpredigt, die Lukas nach Baurs Sicht gekannt und in seiner Feldrede uminterpretiert habe.87 Dieser Umdeutungsprozess passt für Baur ganz in die „Tendenz“ des Lukasevangeliums, die sich im Vergleich mit dem Matthäusevangelium deutlich abzeichne: „Da die Bergrede, so aufgefaßt, ihren Mittelpunkt in allem demjenigen hat, was Matthäus Jesum in ihr über sein affirmatives Verhältnis zum Gesetz aussprechen läßt, so erklärt sich schon daraus, warum sie für Lucas nicht dieselbe Bedeutung haben konnte. Es ist gewiß nichts charakteristischer für Lucas, als daß er die so gewichtige, den Schlüssel der Bergrede enthaltende, und überhaupt das Princip der neuen Religionsökonomie entsprechenden Stelle über das Gesetz mit völligem Stillschweigen übergangen hat“.88 84 „Sind nun die siebenzig Jünger unstreitig ebenso nach der angenommenen Zahl der heidnischen Völker, gerade in dieser Zahl, für ihren Beruf bestimmt, wie die zwölf Apostel mit Rücksicht auf die Zwölfzahl der Stämme Israel, und weist auch schon ihre Berufung und Aussendung in Samarien, dem heidnischen Lande, auf ihre Bestimmung für die heidnische Welt hin, so kann ebenso wenig ein Zweifel darüber seyn, daß nur das Heidenthum es ist, in dessen Sphäre Jesus alle jenen großen, ihn zu hoher Begeisterung stimmenden Erfolge seiner Sache in der Zukunft vor sich liegen sieht. Der Verfasser des Evangeliums lebt somit ganz im Bewußtsein eines paulinischen Universalismus, welcher alles jüdisch Partikularistische überschritten und hinter sich zurückgelassen hat, und nicht im Judenthum, sondern nur im Heidenthum, in der Gesammtheit der Völker der heidnischen Welt, die schönste Verwirklichung der Idee des Christenthums, seinen höchsten Triumph, erblickt.“ BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 440f. 85 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 441. 86 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 455. 87 Vgl. BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 479. 88 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 456f.
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Diese Umarbeitung habe Lukas aber nicht deshalb vorgenommen, um Matthäus „historisch zu berichtigen, sondern, da die Bergrede bei Lucas im Ganzen doch nur als ein Auszug aus der bei Matthäus genommen werden kann, aus dogmatischem Interesse“.89 Überhaupt zeige der Vergleich zwischen Lukas und Matthäus, dass das dritte Evangelium sehr viel deutlicher den Charakter einer „Tendenzschrift“ habe, als dies beim ersten Evangelium der Fall sei. Denn mit der Vorstellung von den 70 Jüngern stehe im Zentrum des Lukasevangeliums ein „ideelles Element“, das Baur für unhistorisch hält.90 Man kann fragen, ob sich an dieser Stelle bereits eine Verschiebung der Aufmerksamkeit Baurs von der „Tendenz“ hin zum „Geschichtswert“ erkennen lässt. Denn während Baur im Aufsatz von 1831 das „Princip“ des Christentums doch deutlich im universalistischen paulinischen Christentum, das den „Partikularismus“ überwindet, wiederfindet, und insofern im Entwicklungsprozess, so scheint es nun verstärkt die Suche nach dem historisch Belastbaren zu sein, dem Baurs Interesse gilt. So bemerkt Baur, es sei „nicht möglich, dem Lucasevangelium denselben Grad historischer Glaubwürdigkeit zuzuschreiben, welcher dem Matthäus-Evangelium wenigstens relativ so lange zukommen muß, als wir nicht Ursache haben, ein seinen historischen Charakter auf gleiche Weise alterirendes Interesse der Darstellung vorauszusetzen“91. Da sich innerhalb des kanonischen Lukasevangeliums nun aber auch solche Elemente finden lassen, die man einem „judaisierenden Interesse“ zuschreiben könne, wie etwa die deutlich judenchristlich geprägte „Vorgeschichte“ in Lk 1+2, nimmt Baur eine weitere Schicht der Überarbeitung an. Dabei sei „die durch ihn geschehene Verbindung judaistischer Stücke mit dem ursprünglichen Evangelium … aus demselben irenischen Interesse hervorgegangen, welchem so manche Schriften unseres Kanons, insbesondere die mit unserem Evangelium so eng zusammengehörende Apostelgeschichte, ihre Entstehung zu verdanken hatten“.92 So sei zwar „der paulinische Grundstamm geblieben“, dem Text aber „da und dort seine paulinische Spitze genommen, besonders da, wo das von Marcion gebrauchte Evangelium dem Häretiker gar zu günstig zu lauten schien: die größte Concession wurde jedoch den Judaisten durch Aufnahme einer Vorgeschichte gemacht, welche
89 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 457. 90 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 500f. Das Lukasevangelium hat dem-
nach eine ähnliche „ideelle Tendenz“ wie das Johannesevangelium, unterscheide sich von diesem aber dadurch, dass es mehr historischen Stoff verarbeitet habe. 91 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 500. 92 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 502.
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Jesum durch seine Geburt und Abstammung, seine ganze Umgebung, mit allen Merkmalen des jüdischen Messias vor Augen stellt.“93 Die hier sichtbar werdende Diskussionslage verweist nach Baurs Auffassung ins zweite nachchristliche Jahrhundert. Die beiden Parteien, deren Streit im Lukasevangelium greifbar werde, seien nicht mehr Petrus und Paulus selbst, sondern „nur die auf der Grundlage dieser beiden Formen des Christenthums entstandenen christlichen Parteien“94. Das kanonische Lukasevangelium lässt demnach weniger über die Geschichte Jesu als vielmehr etwas über die Situation seiner eigenen Entstehung erkennen, in die hinein der Verfasser schreibt. Baurs Analyse macht so die Eigenheit des Verfassers des Lukasevangeliums als „Schriftsteller“ erkennbar, die sich darin ausdrückt, welche Haltung er zum Inhalt seiner Darstellung einnimmt.95 Baur nimmt damit die oben angesprochene erkenntnistheoretische Einsicht auf, dass die materiale Geschichte nur über den erzählenden Schriftsteller vermittelt ist. Diese Perspektive ist nun aber wieder selbst am kritischen Maßstab der Geschichte zu messen, deren Hauptquelle für die Geschichte Jesu nach Baurs Urteil das Matthäusevangelium ist. Einmal mehr wird deutlich, dass für Baur das Aufspüren der subjektiven Perspektive der Verfasser der Evangelien das Mittel ist, um zum Kern des Urchristentums vorzudringen. Das bestätigt sich bei einem Blick auf seine Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des Markusevangeliums. 3.3. Das „neutrale“ Markusevangelium Als Baur seine „Kritischen Untersuchungen“ veröffentlichte, war die Diskussion um eine mögliche Markuspriorität bereits eröffnet. Schon 1838 waren die entsprechenden Arbeiten von Christian Gottlob Wilke und Christian Hermann Weisse erschienen, mit denen der Grundstein für die Ausbildung der ZweiQuellen-Theorie gelegt wurde.96 1851 sieht Baur sich offensichtlich genötigt, seine Position über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den ersten beiden Evangelien noch einmal zu begründen, wobei er sich primär mit Heinrich
93 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 502f. 94 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 531. 95 „[D]er Schriftsteller selbst erscheint nun erst in einer solchen Stellung zu seinem Ob-
jekt, welche es leicht begreiflich macht, wie die für ihn schon durch eine so bedeutende und inhaltsreiche Zwischenzeit vermittelte evangelische Geschichte seinem in den Gegensätzen der Gegenwart stehenden Bewußtsein gerade in dieser Form sich darstellen konnte“. Ebd. 96 C.H. WEISSE, Die evangelische Geschichte kritisch und philosophisch betrachtet, Band I+II, Leipzig 1838; C.G. WILKE, Der Urevangelist oder exegetisch kritische Untersuchung über das Verwandtschaftsverhältnis der drei ersten Evangelien, Dresden/Leipzig 1838.
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Ewald auseinandersetzt.97 Baur schließt sich der von Johann Jakob Griesbach bereits 1789 begründeten These an, wonach das Matthäusevangelium die Vorlage für Lukas und Markus gebildet habe.98 Diese These wird unter dem Namen „(Neo-)Griesbach-Hypothese“ bis heute, vorwiegend im englischsprachigen Bereich, diskutiert.99 Baur beruft sich dabei auf die 1825 erschienene Untersuchung über die Quellen des Markusevangeliums von Heinrich Saunier, eines SchleiermacherSchülers.100 Charakteristisch für Sauniers Vorgehen ist der – von Baur geteilte – Anspruch, die Quellenfrage in erster Linie durch Beobachtungen am Text des Markusevangeliums selbst zu klären, anstatt von den traditionellen Angaben über Verfasser und Entstehung auszugehen.101 Darin drückt sich das Anliegen aus, sich von den dogmatischen Voraussetzungen der Bibelwissenschaft zu lösen.102 Saunier lehnt wie Baur Eichhorns Annahme eines „Urevangeliums“ ab, weil sich dafür kein historischer Hinweis finde und die Annahme „künstlich“ sei.103 Es scheint sich durchgesetzt zu haben, dass auf jeden Fall von einer Benutzungshypothese auszugehen ist. Wie gesehen rechnet Baur mit einer literarischen Abhängigkeit des Johannesevangeliums von den Synoptikern und des Lukas von Matthäus. Markus, so die These, habe beide Evangelien, Matthäus und Lukas vorliegen gehabt und einen Auszug, eine ਥʌȚIJȠȝ, aus beiden erstellt. Baurs „kritische“ Sicht zeigt sich darin, dass er der eigenen Abhängigkeitshypothese und den vor deren Hintergrund gewonnenen Beobachtungen am markinischen Text den Vorrang vor den altkirchlichen Traditionen über 97 H. EWALD, Ursprung und Wesen der Evangelien, Jahrbücher der biblischen Wissenschaft Erstes Jahrbuch 1848, 113–154; Zweites Jahrbuch 1849, 180–224; DERS., Die drei ersten Evangelien übersetzt und erklärt, Göttingen 1850. Ewald und Hilgenfeld haben nach Baurs Erklärung ihre jeweilige These zum Verhältnis der Synoptiker zueinander so gut begründet, „daß jeder, der eine andere Ansicht über dieses Verhältnis hat, sich veranlaßt sehen muß, die Gründe seiner Ansicht einer neuen Prüfung zu unterwerfen“ (BAUR, Markusevangelium [s. Anm. 72], 1). Da sich die Auseinandersetzung mit Hilgenfeld um die Frage dreht, wie sich Markus- und Lukasevangelium zueinander verhalten, während die Matthäuspriorität zwischen Baur und Hilgenfeld unstrittig ist, ist sie in unserem Zusammenhang weniger von Interesse, siehe dazu aber FULLER, Baur versus Hilgenfeld (s. Anm. 6). 98 J.J. GRIESBACH, Commentatio qua Marci evangelium totum e Matthaei et Lucae commentariis decerptum esse monstratur, Jena 1789/90, in: J.C. Velthausen e.a. (Hg.), Commentationes theologicae I, Leipzig 1794, 360ff. 99 Siehe dazu FULLER, Baur versus Hilgenfeld (s. Anm. 6), 369f. 100 H. SAUNIER, Ueber die Quellen des Evangeliums des Markus. Ein Beitrag zu den Untersuchungen über die Entstehung unsrer kanonischen Evangelien, Berlin 1825. Saunier weist aaO., 27 ausdrücklich auf die „vortreffliche[…] Abhandlung“ Griesbachs hin. 101 SAUNIER, Ueber die Quellen (s. Anm. 100), 25. 102 Vgl. SAUNIER, Ueber die Quellen (s. Anm. 100), 2. 103 SAUNIER, Ueber die Quellen (s. Anm. 100), 10.26f.
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das Markusevangelium zuspricht. Die bei Euseb behauptete Nähe des Markusevangeliums zur petrinischen Tradition (Eus.h.e. II 15; III 39; VI 14) weist er deshalb zurück, weil eine Schrift, die tatsächlich die Lehre des Petrus wiederzugeben beanspruchte „eine Schrift ganz anderer Art“ sein müsste.104 Vor allem müsste ein solches Evangelium aber „ein selbstständiges von den übrigen unabhängiges seyn“105. Mit dem Beleg der literarischen Abhängigkeit des Markusevangeliums von den beiden Großevangelien ist für Baur demnach zugleich die Abfassung durch einen Petrus-Begleiter ausgeschlossen. Baurs Argumentation hängt an dieser Stelle an einem seidenen Faden. Um nicht zirkulär zu werden, bedarf es des Nachweises, dass sich der markinische Text als Verarbeitung des matthäischen und lukanischen Textes plausibel machen lässt. Baur argumentiert damit, dass der markinische Text, beispielsweise die Notiz von der Versuchung Jesu in Mk 1,13, nur vor dem Hintergrund der ausführlicheren Fassung des Matthäusevangeliums (in diesem Fall: Mt 3,7–12) zu verstehen sei. Baur weist darauf hin, dass das Markusevangelium in den beiden Großevangelien beinahe vollständig aufgehe, sieht dies aber als Argument für seine These an, dass an „dem sekundären Ursprung desselben nicht gezweifelt werden kann“106. Der Verfasser springe in seiner Darstellung von dem einen Evangelium zum anderen und ziehe die ausführlichere Darstellung seiner Vorgänger zu einer kürzeren zusammen, denn: „Nur aus dieser epitomierenden Kürze läßt sich die Unvollständigkeit und Unklarheit unseres Evangelisten an manchen Stellen erklären.“107 „Unvollständig“ und „unklar“ ist das Markusevangelium freilich nur für den, der es von vorneherein am Matthäusevangelium misst. Nirgends wird so deutlich wie hier, dass Baur die Matthäuspriorität voraussetzt, weil sie sich seinem einmal gewonnenen Bild von der Geschichte des Urchristentums einfügt. Das zeigt sich noch einmal deutlich in seiner Erklärung zur Bergpredigt, denn auch für Markus muss Baur ja erklären, weshalb er sie „ausgelassen“ hat. Mit Mk 1,25 wechsle Markus mit einem Mal von Matthäus zu Lukas über. Dieser Sachverhalt habe „seinen Grund wohl darin, daß er, da es nicht in seiner Absicht lag, ausführliche Reden Jesu mitzutheilen, Matth. 5 auf die Bergrede stieß“108. Dass die Bergpredigt selbst ein redaktionelles Konstrukt sein könnte, scheint für Baur nicht denkbar zu sein. 104 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 539. 105 Ebd. 106 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 548. Tatsächlich dürfte diese Be-
obachtung ja gerade gegen die Annahme einer Matthäus- und für die Annahme einer Markuspriorität sprechen! 107 Ebd. 108 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 541.
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Es ist auffällig, dass diese Frage in der Auseinandersetzung mit Ewald noch einmal begegnet. Baur verbucht das Fehlen der Bergpredigt im Markusevangelium als Argument dafür, dass das Markusevangelium historisch defizitär sei, denn dies sei „ein zu großer Defekt, als daß man so leicht über ihn hinweggehen kann“109. Die Historizität der Bergpredigt scheint für Ewald ebenso festzustehen wie für Baur. Ewald hatte deshalb erklärt, dass es aufgrund der Wichtigkeit der Bergpredigt höchst unwahrscheinlich sei, dass Markus sie ausgelassen habe.110 Aus diesem (und anderen) Gründen nehme Ewald an, dass „der ursprüngliche Markus … ein anderer als der jetzige“ gewesen sei.111 Damit handelt sich Ewald eine Schwächung seiner Argumentation ein. Ritschl hat deshalb in seiner Darstellung der Diskussion um die synoptischen Evangelien formuliert, Ewald habe „seiner Hypothese selbst den Todtenschein mitgegeben, indem er die wesentliche Integrität des Markusevangeliums in Frage stellt“112. Sehr viel gewichtiger als der Einwand Ewalds dürfte für Baur die Tatsache gewesen sein, dass 1851 mit Albrecht Ritschl ein Vertreter aus seiner eigenen Schule für eine Markuspriorität eintrat.113 Dies umso mehr, als Ritschl Baurs methodischem Vorgehen, zunächst die Gesamtanlage eines Evangeliums zu bestimmen, um dann zu Einzeluntersuchungen zu kommen, ausdrücklich zustimmt. Dann aber benennt Ritschl das entscheidende Argument. Es besteht darin, dass die Vertreter der Griesbach-Hypothese ihre „Vorstellung von der inneren Eigenthümlichkeit des Markus … erst durch die Auffindung der Abhängigkeit des Markus von den beiden Anderen“ gewinnen. Hierin aber liege „die Ungerechtigkeit gegen Markus, welche der Griesbach’schen These überhaupt eigen ist, wenn auch Baur mit derselben den Vorwurf der Planlosigkeit im Evangelium des Markus nicht verbinden zu wollen erklärt“.114 Dass Markus ein verkürzendes „Exzerpt“ ist, lässt sich am markinischen Text selbst kaum zeigen. Es setzt das Postulat einer Matthäuspriorität vielmehr voraus. Aber auch Ritschls Einwand kann Baur nicht überzeugen. Er repliziert 1853 mit dem Versuch „Hrn. Dr. Ritschl … vom Urevangelisten Markus zu befreien“.115 Es sind wieder die zwei grundlegenden Fragehinsichten, mit 109 BAUR, Markusevangelium (s. Anm. 72), 169. 110 EWALD, Die drei ersten Evangelien (s. Anm. 97), 208, vgl. BAUR, Markusevangeli-
um (s. Anm. 72), 169f. 111 BAUR, Markusevangelium (s. Anm. 72), 172. 112 A. RITSCHL, Ueber den gegenwärtigen Stand der Kritik der synoptischen Evangelien, ThJ 1851, 480–531, 509. 113 RITSCHL, Ueber den gegenwärtigen Stand (s. Anm. 112), 524, vgl. FULLER, Baur versus Hilgenfeld (s. Anm. 6), 367. 114 RITSCHL, Ueber den gegenwärtigen Stand (s. Anm. 112), 512. 115 F.C. BAUR, Rückblick über die neuesten Untersuchungen über das Markusevangelium, ThJ 1853, 54–93, 87.
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denen Baur sein Urteil begründet: Zum einen die Bestimmung der „Tendenz“ des Markusevangeliums, zum anderen die Behauptung von dessen „unhistorischen“ Charakter: „Man sieht deutlich, was er Eigenes gibt, hat keinen reellen historischen Gehalt, es setzt keine eigene selbstständige Quelle voraus, sondern es besteht nur aus gewissen formellen Eigenthümlichkeiten, bei welchen man in den meisten Fällen leicht nachweisen kann, wie es dazu gekommen ist, oder aus Zusätzen, Erweiterungen, Motivierungen, welche so historisch sie zu lauten scheinen, doch gleichfalls nur auf die Rechnung des ihm überhaupt eigenthümlichen Pragmatismus zu bringen sind.“116
Wenn das Markus-Evangelium aber „keinen selbstständigen historischen Werth in Anspruch nehmen kann“117, dann muss der Grund für seine Abfassung darin begründet sein, dass er „im Interesse einer bestimmten Tendenz geschrieben“ hat.118 Diese „Tendenz“ beschreibt Baur in Aufnahme der Analyse seines Schülers Albert Schwegler.119 Dieser hatte die Grundrichtung des Markusevangeliums als „ebionitisch“ bezeichnet.120 Diese Züge seien bei Markus allerdings „verwischt“. Lediglich „ein Hauptzug des spätern Ebionitismus“ sei bei Markus noch zu erkennen, nämlich „die Hinneigung zum Doketismus in der Christologie.“121 Baur bekräftigt dieses Argument mit dem Hinweis, dass sich nach Irenäus die Gnostiker für ihre doketische Christologie auf das Markusevangelium berufen hätten. Dennoch sei im Markusevangelium die Tendenz erkennbar, sich „außerhalb der principiellen Controverse zu stellen, und so weit dieß möglich war, die richtige Mitte zwischen den Gegensätzen zu finden“122. Deshalb sei sein „spezifischer Charakter … in jeder Beziehung der Standpunkt der Neutralität“.123 Dieser „neutrale“ Standpunkt ist seine „Tendenz“. Haben sich so die Evangelien des Johannes, Lukas und Markus auf je ihre Weise als „Tendenzschriften“ erwiesen, so ist die historische Frage nach dem Ursprung des Christentums an das Matthäusevangelium verwiesen. 116 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 550, vgl. 560. 117 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 561. 118 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 562. 119 A. SCHWEGLER, Das nachapostolische Zeitalter in den Hauptmomenten seiner Ent-
wicklung, Erster Band, Tübingen 1846, 455–481. 120 SCHWEGLER, Das nachapostolische Zeitalter (s. Anm. 119), 468. Die Grundausrichtung des Markusevangeliums ist nach Schwegler „dieselbe, aus welcher auch die Clementinen hervorgegangen sind“ (ebd.). Die Clementinischen Homilien aber sind für Baur bereits in seiner Untersuchung zur „Christuspartei in der korinthischen Gemeinde“ der Hauptzeuge für den judenchristlichen „Gegensatz“ zum Paulinismus. 121 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 562. 122 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 563. 123 Ebd., vgl. aaO., 567 und SCHWEGLER, Das nachapostolische Zeitalter (s. Anm. 119), 474ff.
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3.4. Im Anfang war Matthäus Aufgrund der von Baur vorausgesetzten Matthäuspriorität entscheidet sich die eingangs aufgeworfene Frage nach der Bedeutung der materialen Ergebnisse der historisch-kritischen Analyse der Evangelien für Baurs Verständnis des „Prinzips“ des Christentums an seinem Umgang mit dem Matthäusevangelium. Es ist deutlich, dass für Baur die Einleitungsfragen zum ersten Evangelium ein besonderes Gewicht erhalten. Denn wenn Baur sich auf das Matthäusevangelium „von allen andern als ihre historische Voraussetzung zurückgewiesen“ sieht, dann wird die Frage umso wichtiger, „wie es sich mit diesem Evangelium verhält, ob wir es als eine authentische, apostolische, rein historische Darstellung der evangelischen Geschichte anzusehen haben“.124 Der Ertrag seiner Untersuchung fällt im Blick auf das Matthäusevangelium auf den ersten Blick in historischer Hinsicht ähnlich kritisch aus, wie dies bei den anderen Evangelien der Fall war. Auch das Matthäusevangelium könne man, so Baur, nicht für „eine rein historische Relation über das ursprünglich Thatsächliche der evangelischen Geschichte“ halten.125 Auch hier lasse sich ein „vorzugsweise leitendes Princip“ erkennen, nämlich „das Bestreben, die evangelische Geschichte aus dem Gesichtspunkt des alttestamentlichen Messias-Ideals aufzufassen, und seine Verwirklichung in der Person Jesu, die Identität des erschienenen Messias mit dem prophetisch angeschauten an bestimmten Kriterien nachzuweisen.“126 Das Matthäusevangelium ist für Baur deshalb im Vergleich zu den anderen Evangelien „das am meisten judaisierende Evangelium“.127 Zwar hält Baur das Matthäusevangelium für „das relativ ursprünglichste und glaubwürdigste unserer kanonischen Evangelien“, er fügt aber hinzu, man dürfe „nicht vergessen, daß es in seiner jetzigen Form für uns selbst schon durch ein Medium hindurchgegangen ist, das wir nicht mehr zu durchschauen im Stande sind. Auch dieses Evangelium ist schon ein sekundärer Bericht, dessen Verhältnis zu dem objektiven Thatbestand nur annäherungsweise bestimmt werden kann“.128 Sind damit die Synoptiker für die historische Fragestellung erledigt? Können sie überhaupt etwas beitragen zu Baurs Verständnis des „Prinzips“ des Christentums? Baur bahnt sich auch beim ersten Evangelium einen Weg durch mehrere Schichten des vorliegenden Textes. Anders, als dies bei den anderen Evangelien der Fall war, gesteht er der altkirchlichen Tradition über deren Verfasser aber eine weit größere Glaubwürdigkeit zu. Ausgangspunkt seiner Argumen124 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 571. 125 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 606. 126 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 609. 127 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 608. 128 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 620f.
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tation ist die Papias-Tradition nach Eus.h.e. III 39,16. Der Wortlaut dieser Tradition ist für Baurs Konstruktion bedeutsam. Euseb zitiert Papias mit den Worten: ȂĮIJșĮȠȢ ȝȞ ȠȞ ਬȕȡĮįȚ įȚĮȜțIJ IJ ȜંȖȚĮ ıȣȞİIJȟĮIJȠ, ਲȡȝȞİȣıİȞ į ތĮIJ ੪Ȣ Ȟ įȣȞĮIJઁȢ ਪțĮıIJȠȢ Matthäus hat die Reden in hebräischer Sprache zusammengestellt, ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.
Baur entnimmt dieser Tradition den Hinweis, dass der Apostel Matthäus eine Schrift in hebräischer Sprache verfasst habe, die dann verschiedentlich übersetzt worden sei. Dass der Verfasser des ursprünglich hebräisch geschriebenen „Evangeliums“ der Apostel Matthäus war, hält Baur für plausibel. Allerdings ist damit noch nicht die Frage geklärt, wer der Verfasser des kanonisch gewordenen, griechischen Matthäusevangeliums war. So bemerkt Baur: „Matthäus hat ja nur hebräisch geschrieben, wer aber unser MatthäusEvangelium verfaßt hat, ist völlig unbekannt.“129 Die „gewöhnliche Annahme, daß unser Matthäus-Evangelium eine Schrift des Apostels Matthäus sey“ beruhe demnach auf einer „unsichern Tradition“.130 Deshalb fragt Baur zunächst nach der von Papias erwähnten hebräischen Schrift. Diese ist nach Baurs Auffassung mit dem ebenfalls bei Euseb (Eus h.e. III 25 u.ö.) und anderen christlichen Autoren genannten „Hebräerevangelium“ zu identifizieren.131 Auch in diesem Zusammenhang bezieht Baur sich auf die Untersuchungen Schweglers, der das Hebräerevangelium als „das älteste, vielleicht noch bis ins palästinensische Zeitalter hinaufreichende“ Evangelium beschrieben hatte.132 Wie der (spätere) Name besage, sei diese Schrift „aus dem Anschauungskreise des Judenchristentums“ hervorgegangen und sei „im ausschliesslichen Gebrauch während der judenchristlichen oder ebionitischen Periode des Christenthums“ gewesen, d.h. bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts.133 Schwegler hatte in der Überarbeitung des Hebräerevangeliums und der Abfassung der „katholischen“ Evangelien das Bedürfnis dokumentiert gesehen, „das man um die Mitte des zweiten Jahrhunderts zu fühlen begann, an die Stelle des palästinensischen Evangeliums zeitgemässere Glaubensurkunden zu setzen“, worin er einen Beleg „für die grosse geistige und kirchliche Um-
129 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 574. 130 Ebd. 131 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 572. Zum „Hebräerevangelium“ siehe
J. FREY, Die Fragmente des Hebräerevangeliums, AcA I/1 (s. Anm. 66), 593–606. Der „erste sichere Beleg“ für diese Schrift findet sich bei Clemens Alexandrinus (str. II 9,45; FREY, aaO., 593). 132 SCHWEGLER, Das nachapostolische Zeitalter (s. Anm. 119), 215. 133 Ebd.
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wälzung“ erblickte, die zu dieser Zeit erfolgt sei.134 Baur hingegen geht es an dieser Stelle darum, durch die späteren Schichten hindurch zum Grundbestand des Matthäusevangeliums vorzustoßen. Dessen Grundschicht sieht er durch die Bezeichnung des Papias als ȜંȖȚĮ treffend charakterisiert. So bemerkt Baur zu der bei Euseb angeführten Notiz des Papias über das Matthäusevangelium: „Verstand Papias, wie wohl nicht zu bezweifeln ist, unter jenen ȜંȖȚĮ das Evangelium des Matthäus, so ist bemerkenswerth, daß er es gerade mit diesem Ausdruck bezeichnet. Wir sehen hieraus nicht nur, daß man das, was unter den ȜંȖȚĮ zunächst zu verstehen ist, den Lehrinhalt, die Aussprüche und Reden Jesu, von Anfang an als das Wesentliche, Substanzielle der evangelischen Geschichte betrachtete, und daher auch vorzugsweise zum Gegenstand der Darstellung machte, sondern es trifft dieß auch mit der Beschaffenheit unseres MatthäusEvangeliums so genau zusammen, daß es nur zur Bestätigung der bisher entwickelten Ansicht von demselben dienen kann.“135
Die Bezeichnung als ȜંȖȚĮ passt nach Baurs Auffassung vorzüglich zum Matthäusevangelium, weil dieses „seiner wesentlichen Anlage nach … als eine Sammlung von ȜંȖȚĮ des Herrn bezeichnet werden konnte“136. Der weitere Verlauf des Entwicklungsprozesses des kanonischen Matthäusevangeliums sei deshalb so vorzustellen, dass „die Erweiterung und Bereicherung, die es erhielt, hauptsächlich das Faktische betraf“.137 Das „Hebräerevangelium“ sei deshalb nicht einfach identisch mit dem Matthäusevangeliums, sondern das kanonische Matthäusevangelium sieht er am Ende eines Prozesses verschiedener Rezensionen des Hebräerevangeliums stehen, die im kanonisch gewordenen Matthäusevangelium zusammengelaufen und fixiert worden seien.138 Der älteste Kernbestand des Matthäusevangeliums, der ursprünglich auf Hebräisch aufgeschrieben worden sei, besteht demnach aus der Verkündigung Jesu, wie sie insbesondere in der bei Matthäus überlieferten Bergpredigt greifbar werde. Mit der Bergpredigt, die die ȜંȖȚĮ Jesu wiedergibt, stoßen wir nach Baur auf den historischen Kernbestand der Überlieferung. Denn: „Die Rede macht im Ganzen unstreitig den Eindruck des Unmittelbaren und Ursprünglichen, und wenn irgend etwas, so gehört gewiß der so ganz den Geist einer lebensfrischen Polemik athmende antipharisäische Theil derselben, zu dem Aechtesten, das aus dem Munde Jesu gekommen, in unsern Evangelien aufbewahrt worden ist.“139
Matthäus hat damit nach Baurs Auffassung etwas vom Kernbestand der Verkündigung Jesu bewahrt, der sich historisch-kritisch rekonstruieren lasse. 134 Ebd. 135 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 581. 136 Ebd. 137 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 582. 138 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 577. 139 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 585f.
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Wenn man so will, dann konstruiert Baur eine „Logienquelle“ auf der Grundlage einer Matthäuspriorität! Durch seine Arbeit am Matthäusevangelium sieht Baur sich somit auf die Verkündigung Jesu als Ausgangspunkt für die historische und sachliche Bestimmung des „Prinzips“ des Christentums verwiesen. Baur formuliert in diesem Zusammenhang ausdrücklich, wie sehr seine historische Arbeit von dem sachlich-theologischen Interesse bestimmt ist, wenn er bemerkt: „Die Kritik des Matthäus-Evangeliums hängt … mit der Frage über das Wesen des Urchristenthums … eng zusammen“.140 Um den Ertrag der Untersuchungen Baurs zu den synoptischen Evangelien für sein eigenes Verständnis des „Prinzips“ des Christentums zu erheben, ist deshalb abschließend zu fragen, wie Baur in seiner kritischen Rekonstruktion der Bergpredigt „das Wesen des Urchristenthums“ bestimmt.
4. Die Bergpredigt und das Wesen des Urchristentums Die damit aufgeworfene Frage hängt unmittelbar zusammen mit der Diskussion um eine von Baur seit den 1850ger Jahren vorgenommene Modifikation seines theologischen Systems. Eine solche Modifikation in Baurs Denken hat Wolfgang Geiger in seiner 1964 erschienenen Untersuchung zur „Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs“ behauptet. So sei bei Baur gegen Ende seines Lebens eine „spürbare Verflachung“ zu beobachten, die sich in erster Linie an seiner Sicht der Person Jesu zeige.141 An die Stelle der Idee von der gottmenschlichen Einheit in der Person Jesu trete zunehmend der sittliche Charakter des Christentums, wodurch Jesus in Baurs Sicht mehr und mehr die Bedeutung eines „Tugendlehrers“ erhalte, eine typische Idee der Theologie der Aufklärung.142 Diese Modifikation beschreibt Geiger als eine „Schwenkung“143 von Hegel zu Kant144. Werner Georg Kümmel hat Geigers Analyse zustimmend aufgenommen und mit eigenen Überlegungen über die Bedeutung der Geschichte Jesu für Baurs Denksystem verbunden.145 Die angesprochene „Schwenkung“ hängt wohl nicht so sehr mit einer erneuten Beschäfti-
140 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 579. 141 GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 9), 76f., vgl. 78–81. 142 GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 9), 79. 143 GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 9), 81. 144 GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 9), 85. Siehe dazu auch die Hinweise von
Martin Wendte in seinem Beitrag in diesem Band. 145 W.G. KÜMMEL, Zur Einführung, in: F.C. BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie, hg. von F.F. Baur, Tübingen 1860, mit einer Einführung zum Neudruck von W.G. Kümmel, Darmstadt 1973, V–XXVI, XVIIIff.
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gung Baurs mit Kant zusammen146 als vielmehr mit seiner Arbeit an den synoptischen Evangelien. Lässt sich nachweisen, dass es diese Arbeit war, die Baur zu spürbaren Veränderungen in seiner Bestimmung des „Prinzips“ des Christentums geführt hat? In dieser Richtung ist Baur jedenfalls von Karl von Hase verstanden worden. 1855 stellt von Hase „eine bedeutsame Umgestaltung“ in Baurs Bestimmung des „Prinzips“ des Christentums fest.147 In seinen neueren Arbeiten werde bei Baur „das Grundprincip des Christenthums in das Dringen auf die Gesinnung gesetzt“. Dann aber, so von Hase, werde es „zweifelhaft …, wie dann noch ausschließlich die Einheit Gottes und des Menschen Ihnen der absolute Inhalt aller geschichtlichen Entwicklung der Kirche sei“.148 Den Grund für diese „Umgestaltung“ sieht von Hase offensichtlich in Baurs Arbeiten an den ältesten Quellen des Urchristentums liegen und vor allem in Baurs Beschäftigung mit der Bergpredigt. So wäre Baur durch seine Untersuchungen, da er „in den älteren Evangelien noch nichts finde[n] von dieser in Christo als dem Gott-Menschen angeschauten Einheit Gottes und des Menschen“ dazu gedrängt worden, „die Eigenthümlichkeit des Christenthums erst anonym im 2. Jahrhunderte entstehn zu lassen“.149 Durch die „Umgestaltung“ seines Systems habe Baur demnach diese Konsequenz vermieden. Baur selbst hat von Hases Behauptung zurückgewiesen und seinerseits erklärt: „Von einer solchen mit mir selbst vorgegangenen Umgestaltung weiß ich nichts“.150 Wohl aber wisse er, Baur, „daß jene Einheit Gottes und des Menschen, wie sie im Christenthum in der Person Jesu angeschaut wird, von ihrem Ausgangspunkt in der evangelischen Geschichte an durch sehr viele, auf sehr verschiedene Weise sich gestaltende Formen hindurchgegangen ist“.151 Baur sieht demnach die Idee von der gottmenschlichen Einheit in der Person Jesu als eine Deutung jenes Grundimpulses an, der in der Verkündigung Jesu selbst liegt. Diese These hatte Baur nach der Auffassung Peter C. Hodgsons bereits 1831, in seiner Schrift über die „Christuspartei in der korin146 GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 9), 85 weist selbst darauf hin, dass sich ein „selbständig erneutes Studium Kants“ durch Baur nicht nachweisen lasse und sich auch aus „Baurs eigenen Äußerungen über Kant … keine Anhaltspunkte“ darauf ergeben. 147 K. HASE, Die Tübinger Schule. Ein Sendschreiben an Herrn Dr. Ferdinand Christian Baur, Leipzig 1855, in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Band V: Für und wider die Tübinger Schule, Stuttgart Bad Cannstatt 1975, 106 (Originalpaginierung S. 98). 148 Ebd. 149 Ebd. 150 F.C. BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase, Beantwortung des Sendschreibens die Tübinger Schule, Tübingen 1855, in: F.C. Baur, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben Band V (s. Anm. 146), 203 (Originalpaginierung S. 87). 151 Ebd.
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thischen Gemeinde“ vertreten. Demnach habe Paulus kein neues Evangelium eingeführt, sondern lediglich explizit gemacht „what already was implicit in the life and work of Jesus“.152 Und Friedrich Wilhelm Graf behauptet, dass Baur „die Hochschätzung der Sittlichkeit Jesu als Tugendlehrers aller Menschen“, für die Baur sich vornehmlich auf die Seligpreisungen der Bergpredigt beziehe, „zeit seines Lebens“ als die zentrale Grundanschauung des Christentums angesehen habe, eine Auffassung, die Baur bereits seinen Tübinger theologischen Lehrern verdanke.153 Sieht Geiger hier aber nicht schärfer, wenn er Hases Kritik nachträglich Recht gibt und feststellt, dass bei Baur mit seiner Konzentration auf die Sittlichkeit der Verkündigung Jesu die Aufmerksamkeit von der Person Jesu auf die Verkündigung Jesu gelenkt werde und sich damit eben auch die Bestimmung des Inhaltes des Christentums ändere?154 Jedenfalls scheint deutlich zu sein, dass Baurs Arbeiten an den synoptischen Evangelien für ihn die Frage nach der Kontinuität des christlichen Glaubens im Wandel der geschichtlichen Entwicklung noch einmal neu stellen ließen. Die Bergpredigt als Grundbestand der Überlieferung rückt für Baur ins Zentrum der Aufmerksamkeit und wird damit auch zum Ausgangspunkt der Wesensbestimmung des Christentums, die er in seinen späteren Arbeiten zunehmend auf die ethische Bedeutung des Christentums konzentriert. So beschreibt Baur in seinem Werk „Das Christentum und die christliche Kirche in den ersten drei Jahrhunderten“ von 1860 den „sittlichen Charakter des Christentums“ unter Berufung auf die Bergpredigt, wenn er den „absoluten Standpunkt“ des Christen auf der Grundlage der Goldenen Regel (Mt 7,12) bestimmt, wobei Kants „kategorischer Imperativ“ durchzuschimmern scheint: „Ist sich der Christ seines absoluten Standpunctes bewusst, so muss er auch im Stande sein, von sich, seinem eigenen Ich zu abstrahiren, und sich mit allen Andern so Eins zu wissen, dass er jeden als ein mit ihm selbst gleichberechtigtes Subject betrachtet. Eben diess ist auch der Sinn, wenn Jesus von jener Forderung [sc. Mt 7,12] sagt, sie sei der Hauptinhalt des Gesetzes und der Propheten, oder gleichbedeutend mit dem alttestamentlichen Gebot, den Nächsten zu lieben, wie sich selbst. Liebt man den Nächsten, wie sich selbst, so muss man auch alles Egoistische, Subjective, Particuläre fallen lassen, über die Vielheit der einzelnen Subjecte, deren jedes dasselbe ist, was wir sind, stellt sich von selbst die Objectivität des Allgemeinen, in welchem alles Particuläre und Subjective aufgehoben ist, und dieses Allgemeine ist die Form des Handelns, vermöge welcher man gegen Andere dasselbe thut, was man wünscht, dass Andere gegen uns thun, dass sittlich Gute ist somit das, was für alle gleich recht und gut ist, oder für alle das gleiche Object ihres Handelns sein kann.“155
152 HODGSON, Formation (s. Anm. 6), 203. 153 GRAF, Ferdinand Christian Baur (s. Anm. 3), 93. 154 GEIGER, Spekulation und Kritik (s. Anm. 9), 79. 155 F.C. BAUR, Das Christentum und die christliche Kirche in den ersten drei Jahrhunder-
ten, in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Band III, Stuttgart Bad-Cannstatt 1966, 31.
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Dieser Grundgedanke ist nach Baurs Auffassung bereits in der Bergpredigt, die zu Jesus selbst zurückführe, enthalten, denn: „Das Charakteristische dieser Rede, welche mit Recht als der innerste Kern des ganzen Lehrinhalts der evangelischen Geschichte zu betrachten ist, ist die einfache, von selbst einleuchtende, dem unmittelbar sittlich-religiösen Bewußtseyn entnommene Wahrheit ihrer Lehren und Vorschriften, ihre praktische Tendenz, ihr vor allem religiösen Dogmatismus freier sittlicher Geist, in welchem das Christenthum als das von allem Unlautern gereinigte, zur absoluten Bedeutung der sittlichen Idee erhobene, als das vergeistigte Judenthum, oder das Gesetz als reine Sittlichkeit, sich darstellt.“156
Die Verkündigung Jesu geht damit nach Baurs Auffassung bereits über das Judentum hinaus und entwickelt den Gesetzesgedanken weiter zu den Gedanken des Gesetzes als „reiner Sittlichkeit“, in der der „freie sittliche Geist“ des Christentums nach seiner Auffassung seinen Ursprung hat. Das „judaisierende“ Hebräerevangelium hat damit einen Grundgedanken der Verkündigung Jesu erhalten, der bereits über es selbst hinausweist und eine Entwicklung möglich macht, die sich später in der paulinischen Theologie fortsetzt. Auf diese Weise hat Baur dann auch in seinen posthum herausgegebenen „Vorlesungen über neutestamentliche Theologie“ den Übergang von der Periode der Lehre Jesu zur Periode der Lehre der Apostel bestimmt. Baur bemerkt, diese Phasen unterschieden sich dadurch, dass Jesus „nie seine Person zum unmittelbaren Gegenstand seiner Lehre“ gemacht habe, während „[a]uf dem Standpunkt der Apostel … der eigentliche Schwerpunkt des christlichen Bewusstseins, der substanzielle Mittelpunkt, auf dem alles beruht, nicht in die Lehre Jesu, sondern in seine Person“ gelegt worden sei.157 Der Tod Jesu und das Bewusstsein seiner Auferstehung mussten in den „Lehrbegriff“ der Apostel integriert werden. Baur ist aber der Ansicht, dass damit nur expliziert worden sei, was in der Lehre Jesu selbst bereits angelegt war: „So gewiss alle jene Thatsachen [d.h. der Tod und die Auferstehung Jesu] nur die wesentlichen Momente des ganzen geschichtlichen Verlaufs sind, welcher sich uns in der Person Jesu darstellt, so gewiss sind auch auf sie sich beziehenden Dogmen nur der explizierte Inhalt der ursprünglichen Lehre Jesu, die von Anfang an in seinem Geiste nicht ohne diese Bestimmungen gedacht werden konnte.“158
In seiner Konstruktion der synoptischen Tradition verbindet Baur demnach den Gedanken der Einheit der Geschichte des Christentums und des sich darin aussprechenden „Prinzips“ mit der Wahrnehmung geschichtlicher Entwicklung, die er literarkritisch an den Texten der synoptischen Evangelien zu rekonstruieren unternimmt. Er stößt damit bis zu den Fragen vor, die im 20. 156 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 17), 585. 157 BAUR, Vorlesungen (s. Anm. 145), 123. 158 BAUR, Vorlesungen (s. Anm. 145), 125.
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Jahrhundert unter dem Stichwort des „historischen Jesus“ intensiv diskutiert werden sollten und die heute in geschichtshermeneutischer Wendung wieder neu zur Verhandlung stehen. Freilich ist Baurs materiale Konstruktion der Geschichte des frühen Christentums aus heutiger Sicht in vielen Punkten überholt und seine literarkritischen Konstruktionen wird man eher mit Vorsicht behandeln. Baur erinnert aber an die bleibende Aufgabe einer begründeten Konstruktion der Theologiegeschichte des frühen Christentums, in der sich das herausbildet, was sich als dessen „Wesen“ beschreiben lässt. Und nicht zuletzt zeigt Baurs Arbeit an den synoptischen Evangelien, dass diese Texte die Theologie bis heute vor die Aufgabe stellen, Person und Verkündigung Jesu nicht gegeneinander auszuspielen, sondern beide konstruktiv aufeinander zu beziehen. Inwiefern es aber sachgemäß ist, das „Wesen“ des Christentums in erster Linie aus der Verkündigung Jesu heraus abzuleiten, so dass die entwickelte Christologie lediglich als deren Entfaltung erscheint, diese Frage gilt es nach wie vor kritisch zu diskutieren.
Ferdinand Christian Baur und die Johannesauslegung JÖRG FREY Ferdinand Christian Baur kann wohl als eine der wichtigsten Gestalten der Johannesforschung gelten, obwohl er nie eine Kommentierung des vierten Evangeliums verfasst hat und seine neutestamentlichen Arbeiten überhaupt nur einen begrenzten Teil seines umfangreichen Schaffens ausmachen. Auch hat er sich den Evangelien erst relativ spät zugewandt, lange nach seiner Wendung von Schleiermacher1 zum ‚geschichtlichen‘ Denken im hegelianischen System2 und erst nach einer längeren Phase intensiver Beschäftigung mit Paulus und der Frühgeschichte des Christentums. Seine Methode der ‚Tendenzkritik‘ entwickelte er ab ca. 1830 anhand der paulinischen Briefe in ihrem Verhältnis zur Apostelgeschichte und aufgrund des im Urchristentum vorausgesetzten Gegensatzes zwischen dem paulinischen und dem judaistischen Typus des Christentums.3 Die Evangelien waren für ihn zu dieser Zeit offenbar noch zu undurchsichtig, was angesichts des damaligen Standes der Forschung leicht nachvollziehbar ist. Erst 1844, also nach fast 15 Jahren neutestamentlicher Arbeit und nach dem Vorgang seines Schülers A. Schwegler, der in einer Arbeit zum Montanismus die tendenzkritische Methode auch en passant auf das Johannesevangelium bezogen hatte4, wagte sich Baur in einer eigenen ausführlichen Studie an die Analyse des Johannesevangeliums.5 Auch 1 Diese hatte noch sein Frühwerk ‚Symbolik und Mythologie‘ bestimmt. 2 Diese ist insbesondere in seiner Arbeit zur christlichen Gnosis (F.C. BAUR, Die christli-
che Gnosis oder die christliche Religionsphilosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Tübingen 1835) zu erkennen, s. dazu K. SCHOLDER, Art. Baur, Ferdinand Christian, TRE V, 352–359 (354,10ff.). In dieser Schrift spielt das Johannesevangelium noch keine Rolle – im Gegensatz zu der späteren Einordnung dieses Evangeliums in die Geschichte der christlichen Gnosis. 3 So grundlegend in seiner Arbeit zu den Parteien in der korinthischen Gemeinde: F.C. BAUR, Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde, der Gegensatz des petrinischen und paulinischen Christentums in der alten Kirche, der Apostel Petrus in Rom, TZTh 5 (1831), 61–206. 4 A. SCHWEGLER, Der Montanismus und die christliche Kirche des zweiten Jahrhunderts, Tübingen 1841, 203ff. (dazu s. u.). 5 F.C. BAUR, Ueber die Composition und den Charakter des Johannesevangeliums, ThJb(T) 3 (1844), 1–191.397–475.615–700.
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wenn sich seine historische und theologische Einordnung dieses Werks in der Forschung letztlich als zu einseitig herausstellen sollte und schon seine Schüler die von ihm vertretene extreme Spätdatierung relativierten, bleibt es sein Verdienst, der historischen Kritik am Johannesevangelium zum Durchbruch verholfen und diese Kritik zugleich auf eine erste methodologische Basis gestellt zu haben.6 Die Bestreitung der apostolischen Abfassung des Johannesevangeliums ist nach dem Urteil des großen Konservativen Bernhard Weiß „dasjenige Resultat der Tübinger Schule, das sich in den weitesten Kreisen der neueren Kritik Zustimmung errungen hat.“7 Anders als in der Synoptikerforschung, in der Baur die entscheidenden Entwicklungen jener Jahre, die allmähliche Durchsetzung der Markuspriorität und dann der Zweiquellentheorie, nicht mitvollzogen hat und somit auch keine wegweisende Bedeutung gewinnen konnte, haben seine Arbeiten zum vierten Evangelium epochalen Rang. Dies soll im Folgenden aufgezeigt werden. Dazu ist zunächst die Situation der Johanneskritik vor Baur in den ersten Dekaden des 19. Jahrhunderts zu beschreiben (1.), bevor dann der Beitrag Baurs zur geschichtlichen und theologiegeschichtlichen Einordnung des Johannesevangeliums (2.) und seine spezifisch idealistische Auslegung desselben (3.) vorgeführt werden können. Auf diesem Hintergrund sind dann die Wirkungen Baurs auf die Diskussion um das Johannesevangelium im 19. Jahrhundert bis zur Herausbildung eines ‚kritischen Konsensus‘ (4.) und schließlich seine ‚Fernwirkungen‘ und seine Bedeutung für die Johannesdeutung aus heutiger Perspektive (5.) zu erheben.
1. Die Situation der Johanneskritik in der Zeit vor Baur Die Situation der Johanneskritik in den ersten Dekaden des 19. Jahrhunderts war unübersichtlich und methodologisch noch ungeklärt. Zum einen konnte die Analyse des vierten Evangeliums nicht wie die der andern drei vom Vergleich synoptischer Paralleltexte profitieren, und zum anderen trug die besondere Hochschätzung dieses Evangeliums durch viele Geistesgrößen aus Idealismus und Romantik – von Lessing und Herder über Hegel, Fichte und
6 So F. OVERBECK, Das Johannesevangelium. Studien zur Kritik seiner Erforschung, hg. v. C.-A. Bernoulli, Tübingen 1911, 14: „Erst mit Ferdinand Christian Baurs ‚Abhandlung über die Komposition und den Charakter des Johanneischen Evangeliums‘ … kann die wissenschaftliche Kritik des johanneischen Evangeliums für begründet gelten.“ 7 So B. WEISS, Lehrbuch der Einleitung in das Neue Testament, Berlin 1886, 589.
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Schelling bis hin zu Schleiermacher8 – eher dazu bei, kritische Ansätze der Analyse dieses Evangeliums zurückzudrängen. Vorherrschend blieb der Eindruck, dass Johannes „der älteren Evangelien Nachhall im höheren Ton“ sei9 und dass sein Autor die palästinische Orts- und Zeitgebundenheit der synoptischen Erzählungen hinter sich gelassen hätte, dass Johannes in seinem Christusbild weniger die äußerlichen Fakten als die innere Evidenz betone10 und dass allein dieses „Evangelium des Geistes“11 trotz der offenkundig geschichtlich freieren und ‚idealisierenden‘ Darstellung „der christlichen Religion ihre wahre Konsistenz“12 verleihen könne. Dies führte nicht nur zur sachlichen Bevorzugung des Johannesevangeliums (worin man sich nicht zuletzt auf Luther berufen konnte), sondern z.T. auch zur historischen Priorisierung seines Christuszeugnisses vor dem synoptischen. Besonders einflussreich war hier Schleiermacher, der aus seiner religiösen Hochschätzung des vierten Evangeliums in verhängnisvoller Weise folgerte, dass diesem auch historisch der Vorzug vor den anderen dreien gebühre: Johannes sei demnach das älteste Evangelium und der echt biographische Bericht eines Augenzeugen und Jesus besonders nahe stehenden Jüngers.13 Mit dieser Einschätzung hatte Schleiermacher nicht nur die Johannesauslegung beeinflusst (z.B. in den Kommentaren seines Schülers Friedrich Lücke14 oder in der Einleitung von de Wette15), sondern natürlich auch die historische Jesusforschung, die im 8 S. dazu J. FREY, Die johanneische Eschatologie I. Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus, WUNT 96, Tübingen 1997, 22–28; detailliert W.A. SCHULZE, Das
Johannesevangelium im deutschen Idealismus, ZPhF 18 (1964), 85–118. 9 So die berühmte Charakterisierung Herders in: J.G. HERDER, Von Gottes Sohn, der Welt Heiland. Nach Johannes’ Evangelium. Nebst einer Regel der Zusammenstimmung der Evangelien aus ihrer Entstehung und Ordnung, in: Sämmtliche Werke, hg. v. B. Suphan, Bd. XIX, Berlin 1880, 253–424 (424). Zu Herders Evangelienauslegung s. auch J. FREY, Herder und die Evangelien, in: M. Keßler/V. Leppin (Hg.), Johann Gottfried Herder. Aspekte seines Lebenswerks, AKG 92, Berlin/New York (de Gruyter) 2005, 47–91. 10 So z.B. das Diktum bei J.G. FICHTE, Die Anweisung zum seligen Leben, in: J.G. Fichte’s sämmtliche Werke, hg. v. J.H. Fichte, Bd. V, Leipzig s.a., 397–574 (476f.): „Nur mit Johannes kann der Philosoph zusammenkommen, denn dieser allein hat Achtung vor der Vernunft und beruft sich auf den Beweis, den der Philosoph allein gelten lässt: den inneren.“ 11 So LESSING, Neue Hypothese über die Evangelisten als bloß menschliche Geschichtsschreiber betrachtet, G.E. Lessing Werke (Hg. v. P. RILLA), Bd. 7, München 1976, 614–635, dort § 64 mit Bezug auf die Charakterisierung des Joh als ‚geistliches Evangelium‘ durch Clemens v. Alexandrien in Cl. Alex. Hypotyp. VII (Eus. h.e. VI 14,7). 12 LESSING, Neue Hypothese (s. Anm. 11), § 63. 13 F.D.E. SCHLEIERMACHER, Einleitung ins Neue Testament…, hg. v. G. Wolde (Friedrich Schleiermachers Sämtliche Werke I: Zur Theologie, 8. Band, Berlin 1845), 331f. und 318. 14 F. LÜCKE, Commentar über das Evangelium des Johannes I–II, Bonn 31840/1843. 15 W.M.L. DE WETTE, Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in die kanonischen Bücher des Neuen Testaments (1826), Berlin 51848.
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ganzen 19. Jahrhundert das liberale Bild Jesu noch gerne unter Einbeziehung von spiritualisierenden johanneischen Ingredienzien zeichnete. Zwar hatte es seit Ende des 18. Jahrhunderts Versuche von deistisch beeinflussten oder rationalistisch gesonnenen Theologen gegeben, die Tradition von der apostolischen Abfassung des Johannesevangeliums zu bestreiten,16 teilweise auch in Verbindung mit religionsgeschichtlichen Zuordnungen zu einem platonischen Denken17 oder – aufgrund des Logosbegriffs – zur alexandrinischen Tradition.18 Doch fanden diese frühen Kritiker und ihre z.T. nur sehr oberflächlich begründeten Thesen wenig Anklang. Wesentlich profunder war die 1820 veröffentlichte Kritik durch den Gothaer Theologen Karl Gottlieb Bretschneider.19 Dieser hob die historische Alternative zwischen dem synoptischen und dem johanneischen Bild des Wirkens und der Lehre Jesu sowie die sprachliche Nähe zwischen den johanneischen Jesusreden und dem ersten Johannesbrief hervor und schrieb das Evangelium einem Heidenchristen zu, der das Werk Anfang des 2. Jahrhunderts in Ägypten verfasst hätte. Freilich stand die Zeitstimmung auch seiner Kritik entgegen, zumal Bretschneider damit – wie die anderen Kritiker auch – eine Bevorzugung der Synoptiker verband und die Hochschätzung des Johannes nicht teilte. Die heftig einsetzende Antikritik und die Autorität Schleiermachers ließen jedoch 16 S. dazu knapp FREY, Eschatologie I (s. Anm. 8), 22; ausführlicher W. SCHMITHALS, Johannesevangelium und Johannesbriefe. Forschungsgeschichte und Analyse, BZNW 64, Berlin/New York 1992, 50–56, und schon das prononcierte Referat bei OVERBECK, Johannesevangelium (s. Anm. 6), 1–14. 17 E. EVANSON, The Dissonance of the Four Generally Received Evangelists, and the Evidence of their Respective Authority examined, Ipswich 1792, 219-254; dazu s. U. BUSSE, Das Johannesevangelium. Bildlichkeit, Diskurs und Ritual, BETL 162, Leuven 2002, 32f.; s. auch J. FREY, Auf der Suche nach dem Kontext des Johannesevangeliums. Eine forschungsgeschichtliche Einführung, in: J. Frey/U. Schnelle (Hg., unter Mitwirkung von Juliane Schlegel), Kontexte des Johannesevangeliums. Das vierte Evangelium in religions- und traditionsgeschichtlicher Perspektive, WUNT 175, Tübingen 2004, 3–45. 18 So H.C. BALLENSTEDT, Philo und Johannes oder neuere philosophisch-kritische Untersuchung des Logos beim Johannes nach dem Philo nebst einer Erklärung und Übersetzung des 1. Briefes Johannes aus der geweiheten Sprache der Hierophanten, Braunschweig 1802; DERS., Philo und Johannes, oder fortgesetzte Anwendung des Philo zur Interpretation der Johanneischen Schriften, mit besonderer Hinsicht auf die Frage: Ob Johannes der Verfasser der ihm zugeschriebenen Schriften sein könne, Göttingen 1812. 19 C.T. BRETSCHNEIDER, Probabilia de evangelii et epistolarum Joannis, Apostoli, indole et origine eruditorum iudiciis modeste subiecit, Leipzig 1820; vgl. dazu SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 56–60; auch E. SCHÜRER, Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage (1889), in: K.H. Rengstorf (Hg.), Johannes und sein Evangelium, WdF 82, Darmstadt 1973, 1–27 (2f.). Noch 1886 konnte Bernhard Weiß in seiner Einleitung festhalten: „Es ist in der gesamten neueren Kritik des Evangeliums kaum ein wesentliches Bedenken gegen die Echtheit hervorgehoben, das nicht schon hier seine Erörterung fände“ (B. WEISS, Lehrbuch der Einleitung in das Neue Testament, Berlin 1886, 611f.).
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bald den Eindruck entstehen, dass auch diese Angriffe gegen die ‚Echtheit‘ und apostolische Verfasserschaft des johanneischen Werks unerheblich seien20, ja dass dieses „nach bestandener Feuerprobe siegreich und gleich einem verjüngten Phoenix hervorgegangen“ sei.21 Eine nachhaltige Veränderung der Situation bewirkte das ‚Leben Jesu, kritisch bearbeitet‘ des jungen Tübinger Stiftsrepetenten David Friedrich Strauss.22 Er war von Schleiermachers Behandlung des Lebens Jesu abgestoßen23 und begann im Gegenzug zu diesem nun die Historizität der gesamten Evangelienüberlieferung in Frage zu stellen. Im Unterschied zu den Kritikern der johanneischen Authentizität hatte er also nicht das Interesse, die Synoptiker dem Johannesevangelium vorzuziehen; vielmehr führte seine Analyse auch zu einer nachhaltigen Infragestellung der historischen Zuverlässigkeit der synoptischen Tradition (d.h. v.a. des zu jener Zeit nach der ‚Griesbach‘Hypothese als prioritär angesehenen Matthäusevangeliums). Die Erzählungen bei Matthäus wie bei Johannes waren für Strauss eine ‚mythische‘ Einkleidung urchristlicher bzw. alttestamentlicher Ideen und damit historisch fragwürdig.24 In der Synoptikerforschung hatte dies die Folge, dass man sich nun im Gegenzug zu Strauss verstärkt dem vermeintlich weniger ‚mythischen‘ Markusevangelium zuwandte und in diesem eine gegenüber Matthäus noch weniger ‚mythische‘ und daher historisch höherwertige Quelle der Geschichte Jesu erkannte. Die Durchsetzung der 1835 und 1838 von Karl Lachmann und Christian G. Wilke begründeten Markuspriorität25 gelang somit nicht zuletzt deshalb, weil sie es ermöglichte, der Strauss’schen Kritik teilweise auszuweichen und das historisch-kritische Jesusbild auf das Markusevangelium sowie
20 Bretschneider hat auf den Sturm des Widerspruchs nicht reagiert. Dass er seine Position widerrufen hätte, wie manche meinten, lässt sich jedoch auch nicht verifizieren. Die diesbezüglichen Bemerkungen stellt SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 58f., zusammen; vgl. noch W.G. KÜMMEL, Das Neue Testament. Geschichte der Erforschung seiner Probleme, Freiburg/München 21970, 101f.533. 21 So K.A. CREDNER, Einleitung in das Neue Testament, Halle, 1836, 262, zitiert bei SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 59. 22 D.F. STRAUSS, Das Leben Jesu kritisch bearbeitet, 2 Bde., Tübingen 1835/36. 23 Schleiermachers Vorlesung kannte Strauss aus Kollegnachschriften; vgl. W.G. KÜMMEL, Das Neue Testament. Geschichte der Erforschung seiner Probleme. Orbis Academicus, Freiburg – München 1958, 147 24 Seinen Mythosbegriff übernahm Strauß aus der Schule von Eichhorn, G.L. Bauer und De Wette, s. dazu KÜMMEL, Das Neue Testament, 148, sowie C. HARTLICH/W. SACHS, Der Ursprung des Mythosbegriffes in der modernen Bibelwissenschaft, Schriften der Studiengemeinschaft Evangelischer Akademien 2, Tübingen 1952, 121ff. 25 K. LACHMANN, De ordine narrationum in evangeliis synopticis, ThStKr 8 (1835), 570ff.; C.G. WILKE, Der Urevangelist, oder exegetisch-kritische Untersuchung über das Verwandtschaftsverhältnis der drei ersten Evangelien, 1838.
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dann später die Spruchquelle26 zu stützen. In der Johannesauslegung bestand die Wirkung von Strauss zunächst vor allem darin, dass der relativ unhistorische, ja gesteigert ‚mythische‘ Charakter der johanneischen Erzählungen erneut vor Augen geführt und auch im Blick auf die johanneischen Reden die alte Kritik z.B. Bretschneiders erneut bekräftigt war. Der Aufweis, dass der Evangelist seine eigene Sprache auf den Täufer und Jesus übertragen hat, und die Folgerung, dass die johanneischen Jesusreden deshalb „freie Kompositionen und nicht historisch zu wertende Aufzeichnungen eines Augenzeugen“ sind,27 waren nun nachdrücklicher als je vor Augen geführt. In den Jahren nach Strauss waren noch andere und z.T. noch schärfere Kritiker der johanneischen Geschichte und Verfasserthese auf den Plan getreten, so Lützelberger28 mit seiner Dekonstruktion der ephesinischen Verfassertradition und v.a. Bruno Bauer mit seiner rein negativen „Kritik der evangelischen Geschichte des Johannes“29, der dann aus seiner Feder noch weitere Kritiken der anderen Evangelien folgten.30 Freilich nützte Bauers pauschale Kritik an allen Evangelien zunächst vor allem den Gegnern der Kritik, zumal auch diese Kritiker noch keinen überzeugenden Zugriff auf das johanneische Werk selbst bieten konnten. Eine methodische Quellenkritik hatte auch Strauss nicht vorgeführt: Als „skeptischer Eklektiker“31 spielte er die Texte oft nur gegeneinander aus, und am schriftstellerischen Charakter der einzelnen Evangelienschriften war ihm nicht gelegen. Ansätze zu einer literarischen Quellenkritik zeigen sich erstmals in der 1838 erschienenen Arbeit des Philosophen Christian Hermann Weisse,32 der in der Synoptikerforschung die These der Priorität des Markusevangeliums und die Verwendung einer Spruchsammlung (der später so ge26 So zunächst C.H. WEISSE, Die evangelische Geschichte, kritisch und philosophisch bearbeitet, 2 Bde., Leipzig 1838, später H.J. HOLTZMANN, Die synoptischen Evangelien. Ihr Ursprung und ihr geschichtlicher Charakter, Leipzig1863. 27 SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 62, mit Verweis auf STRAUSS, Leben Jesu II (s. Anm. 22), 631ff. 28 E.K.J. LÜTZELBERGER, Die kirchliche Tradition über den Apostel Johannes und seine Schriften, in ihrer Grundlosigkeit nachgewiesen, Leipzig 1840. Vgl. dann kurz nach Baurs erster Analyse die wichtige Untersuchung seines Schwiegersohns E. ZELLER, Die äußeren Zeugnisse über das Dasein und den Ursprung des vierten Evangeliums. Eine Prüfung der kirchlichen Tradition bis auf Irenäus, ThJb (T) 4 (1845), 479–656. 29 B. BAUER, Kritik der evangelischen Geschichte des Johannes, Bremen 1840; s. dazu SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 64f. 30 B. BAUER, Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, 1841; DERS., Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker und des Johannes, 1842. 31 So die Charakterisierung bei A. SCHWEITZER, Geschichte der Leben Jesu Forschung, Tübingen 91984, 125. 32 C.H. WEISSE, Die evangelische Geschichte, kritisch und philosophisch bearbeitet, 2 Bde., Leipzig 1838.
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nannten Logienquelle) begründete und auch in einer allerersten, noch tastenden Form im Johannesevangelium eine Schichtentrennung vorschlug zwischen einer apostolischen Urschrift mit Reden Jesu und minderwertigen Hinzufügungen durch einen Schüler.33 Eine ähnliche Unterscheidung postulierte kurz darauf auch der Schleiermacher-Schüler Alexander Schweizer, der das Johannesevangelium dadurch von einigen allzu wunderhaften Abschnitten ‚reinigen‘ wollte.34 Doch waren solche Versuche noch ganz unsicher und offenkundig geleitet von dem Interesse, neben dem Markusevangelium noch die philosophisch eher akzeptablen johanneischen Reden als Quelle für den historischen Jesus reklamieren zu können.35 In diese Situation – bestimmt durch Schleiermachers Eintreten für die johanneische Apostolizität, die durchschlagende historische Kritik von Strauss und methodisch unsicheren Versuchen der Vermittlung – traf nun Baurs Arbeit hinein. Sie markiert methodisch und in ihrer Wirkung einen epochalen Einschnitt in der Forschung.
2. Baurs historische Einordnung des Johannesevangeliums Auf die von Baur entwickelte Methode der ‚Tendenzkritik‘, und sein Verfahren der primär theologiegeschichtlich, aufgrund des von ihm vorausgesetzten ursprünglichen Gegensatzes von Judenchristentum und Paulinismus, vorgehenden Einordnung der Texte ist im vorliegenden Rahmen nicht näher einzugehen. In der Evangelienforschung zeigt sich freilich, dass dieses Verfahren, das zunächst an den paulinischen Briefen und den dort erkennbaren Konflikten sowie im Blick auf das Verhältnis des paulinischen Denkens zur lukanischen Apostelgeschichte und dann zu den Pastoralbriefen entwickelt worden 33 WEISSE, Geschichte I (s. Anm. 32), 1; s. dazu kritisch OVERBECK, Johannesevangelium (s. Anm. 6), 12–14. Ch. H. Weisse hat diesen Versuch der Schichtentrennung später wieder revoziert (C.H. WEISSE, Philosophische Dogmatik oder Philosophie des Christentums I, Leipzig 1855, 153). 34 A. SCHWEIZER, Das Evangelium Johannis nach seinem inneren Wert und seiner Bedeutung für das Leben Jesu kritisch untersucht, Leipzig 1841, vgl. dazu G. VAN BELLE, The Semeia Source in the Fourth Gospel. Historical Survey and Critical Evaluation of the Semeia Hypothesis, BETL 116, Leuven 1994, 1-4; s. zu weiteren ähnlichen Vorschlägen FREY, Eschatologie I (s. Anm. 8), 51f. 35 Die Tübinger – Strauß wie Baur und seine Schüler – haben demgegenüber an der Einheitlichkeit des Johannesevangeliums dezidiert festgehalten. Strauß hat später im Blick auf das Johannesevangelium vom ungenähten Rock Christi gesprochen, „um den man wohl loosen, ihn aber nicht zertrennen kann“ (D.F. STRAUSS, Vorrede zu den Gesprächen von Ulrich von Hutten, Gesammelte Schriften VII, 31877, 556; ursprüngliche Ausgabe Leipzig 1860, XLIV, zitiert bei M. HENGEL, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey, WUNT 67, Tübingen 1993, 9).
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war, auch zu deutlichen Fehleinschätzungen führen konnte: Das Matthäusevangelium hielt Baur aufgrund seines stärker judenchristlichen Charakters beharrlich für das ursprünglichste, während andere Forscher schon lange den Argumenten für die Markuspriorität gefolgt waren.36 Für das Johannesevangelium und die Johannesbriefe vertrat Baur eine extrem späte Datierung, letztlich aufgrund der Überzeugung, dass hier eine Versöhnung gegensätzlicher Positionen erfolgt, die ihrerseits weit im 2. Jahrhundert anzusiedeln sind. Auch diese musste später aus vielfältigen Gründen zurückgenommen werden. Dennoch war es gerade seine Kritik, die zur Überwindung der methodischen Unklarheiten am meisten beitrug und einer angemesseneren Einordnung des Johannesevangeliums in der Forschung zum Durchbruch verhalf. 2.1. Ein Schüler als ‚Vorläufer‘: Albert Schwegler, der Montanismus und der Osterstreit im 2. Jahrhundert Interessanterweise ist es ein Schüler Baurs, der damals gerade 21jährige Albert Schwegler, der in einer Tübinger Preisarbeit über den Montanismus en passant diese Argumentation entwickelte,37 indem er Baurs Tendenzkritik auch auf die johanneische Theologie übertrug. In dieser Monographie übernimmt Schwegler das hegelianische Geschichtsbild seines Lehrers mit dem Antagonismus von Judenchristentum und Paulinismus38 und überträgt es auch auf die theologiegeschichtliche Entwicklung des 2. Jahrhunderts. So wertet er den Montanismus – im Gegensatz zu anderen Darstellungen der frühen Kirchengeschichte – nicht einfach als eine von der Orthodoxie abweichende ‚Häresie‘, sondern zunächst als eine Weiterführung judenchristlicher Glaubenstraditionen, d.h. eine spätere Stufe des Ebionitismus, und damit ein Element in dem dialektischen geistesgeschichtlichen Prozess, der zur späteren katholischen Kirche hinführte.39 In diesem Rahmen geht Schwegler auch kurz auf das Johannesevangelium ein, und zwar dergestalt, dass er es zu den Positionen im quartadezimanischen Streit in Beziehung setzt. Freilich sieht er in Johannes nicht den Ausgangspunkt und Hintergrund einer der Konfliktparteien, sondern aufgrund der Abweichung von der kleinasiatischen Position (und 36 So z.B. in F.C. BAUR, Vorlesungen über Neutestamentliche Theologie, hg. v. F.F. Baur, Leipzig 1864, 318; s. auch DERS., Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältniß zueinander, ihren Charakter und Ursprung, Tübingen 1847, 600– 621, wonach das Matthäusevangelium – wenngleich nicht völlig historisch treu – doch das „relativ ursprünglichste und glaubwürdigste unserer kanonischen Evangelien“ (621) ist. 37 Dabei muss offen bleiben, wie viel davon bereits in Baurs Lehrtätigkeit vermittelt worden war. 38 SCHWEGLER, Montanismus (s. Anm. 4), 1. 39 Vgl. dazu auch J. MATZERATH, Albert Schwegler (1819–1857), Contubernium 37, Sigmaringen 1993, 72.
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der Weglassung der Einsetzung des Herrenmahls im vierten Evangelium) viel eher eine Reaktion auf die Streitigkeiten, die kritisch sowohl der kleinasiatischen Position als auch der durch den Pauliner Apollinaris v. Laodizea (um 170 n. Chr.) repräsentierten Gegenposition entgegentrat. In der Annahme, dass der Streit bereits vor Apollinaris, nämlich um die Mitte des 2. Jh.s begonnen habe, wird dadurch auch ein grober terminus a quo für das Johannesevangelium begründet,40 das somit in die 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts rutscht. Methodisch hat Schwegler hier die bei Baur im Blick auf das 1. Jahrhundert begründete Denkfigur der ‚Vermittlung‘ gegensätzlicher Positionen auf Konflikte des 2. Jahrhunderts übertragen und so den (theologie-) geschichtlichen Ort des Johannesevangeliums im Sinne einer Versöhnung der Gegensätze bestimmt. Baur nahm dies später präzisierend auf. 2.2. Baurs Analyse des Johannesevangeliums und der Erweis seiner ‚Unechtheit‘ In seiner umfangreichen, in drei Teilen in den Tübinger Theologischen Jahrbüchern erschienenen Studie „Ueber die Composition und den Charakter des Johannesevangeliums“41 äußerte sich Baur selbst erstmals ausführlich zum Charakter und zum historischen Ort des vierten Evangeliums. Einleitend nimmt er hier Bezug auf die Situation der Johannesauslegung, die durch die Kommentare des Schleiermacher-Schülers Friedrich Lücke42 und von de Wette43 zwar intensiv betrieben werde, wobei aber das „Verständnis des Evangeliums im Ganzen“ nicht in gleichem Maße gefördert erscheine.44 Dies bleibe nach Baurs Überzeugung so, solange „die allgemeine Idee, von welcher die ganze Anlage der Schrift ausgeht“ unklar sei.45 Im Unterschied zur Verengung auf die Verfasserfrage möchte Baur stattdessen die Grundidee des Johannesevangeliums erheben, d.h. die Kernfrage angehen, wie sich bei Johannes das Ideelle und das Geschichtliche zueinander verhalten. Die Versuche, einer ‚Reinigung‘ des johanneischen Textes durch Ausscheidung seiner größten Anstöße – wie etwa durch Alexander Schweizer – lehnt er scharf
40 SCHWEGLER, Montanismus (s. Anm. 4), 202f. Schwegler behält diese Sicht der Dinge auch in seiner späteren Schrift zur nachapostolischen Zeit bei (A. SCHWEGLER, Das nachapostolische Zeitalter in den Hauptmomenten seiner Entwickelung, 2 Bde., Tübingen 1846), s. dazu MATZERATH, Schwegler (s. Anm. 39), 150. 41 F.C. BAUR, Ueber die Composition und den Charakter des Johannesevangeliums, ThJb(T) 3(1844), 1–191.397–475.615–700. 42 F. LÜCKE, Commentar über das Evangelium des Johannes, Bonn 1820–1832. 43 W.M.L. DE WETTE, Kurze Erklärung des Evangeliums und der Briefe Johannis, KEH.NT I,3, Leipzig 21839. 44 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 2 45 Ebd.
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ab.46 Unbefriedigt über die Auskünfte Lückes über den Abfassungszweck des Evangeliums (das auf die Herausforderung der Gnosis antworten wolle) insistiert Baur darauf, dass nicht nur nach zufälligen äußeren Gründen, sondern nach dem inneren Grund für die so eigentümliche Gestalt und Gestaltung dieses Evangeliums zu fragen sei. Diesen inneren Grund findet Baur in der „Idee des Logos“47. Damit ist der heuristische Ausgangspunkt benannt, von dem er fortan das Werk zu erfassen versucht. In einem ausführlichen kommentierenden Durchgang durch das ganze Evangelium, stets im Gespräch mit Lücke, de Wette und Baumgarten-Crusius48, begründet Baur seine These, dass das Evangelium „von Anfang an ganz darauf angelegt ist, von einer bestimmten, über der Geschichte stehenden, einer höhern Weltanschauung angehörenden Idee auszugehen.“ Ein solches Evangelium könne „kein historisches Evangelium in dem Sinne sein, in welchem die synoptischen Evangelien … als historische Evangelien anzusehen sind.“49 Anders als Strauß hat Baur mithin den ‚unhistorischen‘ Charakter des Johannesevangeliums nicht aus dem Vergleich mit den Erzähltexten der anderen Evangelien, sondern aus dem diesem Werk inhärenten Prinzip, seiner Leitidee begründet. Auf diesem Hintergrund kann Baur nun im zweiten Teil seiner Studie das Verhältnis zu den synoptischen Evangelien bestimmen. Methodisch liegt dabei die tendenzkritische Regel zugrunde, „dass, wenn zwei verschiedene, denselben Gegenstand bereffende, Berichte sich in ihrer Differenz so zu einander verhalten, dass nur der eine von beiden, nicht beide zugleich auf dieselbe Weise historisch wahr sein können, die überwiegende historische Wahrscheinlichkeit nur auf der Seite desjenigen Berichts anzunehmen ist, welcher am wenigsten irgend ein über den Zweck der rein historischen Erzählung hinausliegendes Interesse verräth, das auf die historische Darstellung Einfluss haben könnte.“50
Insofern also die Logosidee bzw. der Gedanke der Göttlichkeit des Logos, mithin die johanneische Christologie, die Differenzen von der johanneischen Darstellung von den synoptischen Texten erklären kann, ist in ihr jene ‚Tendenz‘ gegeben, die begründet, dass der johanneische Bericht nicht der historisch ursprünglichere sein kann. Baur vergleicht nun die synoptischjohanneischen Paralleltexte, weist deren historische Priorität nach, wobei er aufgrund der punktuellen Übereinstimmungen doch den Eindruck gewinnt, dass der Evangelist „nicht bloss mit der synoptischen Tradition im Allgemeinen, sondern speciell mit unsern kanonischen Evangelien, namentlich dem 46 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 6–7. 47 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 11. 48 L.F.O. BAUMGARTEN-CRUSIUS, Theologische Auslegung der johanneischen Schrif-
ten, 2. Bde., 1843/45. 49 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 397. 50 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 398f.
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zweiten und dritten, bekannt gewesen sei.“51 Auch auf dem Hintergrund der Synoptiker zeigt sich die innere Unwahrscheinlichkeit vieler bei Johannes berichteter Begebenheiten wie auch der Reden, die – wie Baur unumwunden formuliert – „Jesu in den Mund gelegt werden“.52 Hier hatte die Kritik ja schon vor Baur große Zugeständnisse gemacht, nun gelte es auch, den Konsequenzen nicht auszuweichen, wie Baur dies bei Lücke und anderen zu erkennen glaubt. Diese Konsequenzen betreffen nun die Bestimmung des geschichtlichen Ortes bzw. Standpunkts des johanneischen Werks, die Baur erst im dritten Teil seiner Untersuchung vornimmt. Im Blick auf die beiden Typen christlicher Lehre im Urchristentum, die dem Judentum noch am nächsten stehende Form der Synoptiker und die vom Gegensatz von Gesetz und Evangelium bestimmte Form der Lehre des Paulus, erweise sich der johanneische Standpunkt als eine Form, die über Paulus und auch noch über die ‚kleineren paulinischen Briefe‘ (d.h. die Deuteropaulinen) hinausgehend „Jesus als das Subjekt der evangelischen Geschichte auf absolute Weise mit dem Logos identisch setzt, welcher von Ewigkeit bei Gott ist und selbst Gott ist“.53 Hieran erst schließt sich die ausführliche Diskussion der Argumente zur ‚Apostolizität‘ des Evangeliums an. Auch dabei ist für Baur der Ur-Gegensatz von Juden(christen)tum und Paulinismus zunächst leitend: Baur erwähnt zunächst die Schwierigkeit, dass der Apostel Johannes nach Gal 2,9 als „Apostel der Beschneidung“ Paulus gegenübersteht, während im Evangelium sogar die Hellenen am Heil teilhaben sollen (Joh 12,20), also ein ganz anderer Standpunkt eingenommen werde.54 Schließlich verweist er auf den in Joh 11,51 und 18,13 als „Hohepriester jenes Jahres“ erwähnten Kaiaphas, der nach Josephus zehn Jahre lang das Amt verwaltete, um dann zu folgern, dass der Verfasser, der sich hier so unpräzise äußert, „kein palästinansischer Schriftsteller“ und erst recht kein dem Hohenpriester Bekannter (Joh 18,15) gewesen sein könne.55 Wesentlich ist schließlich auch hier die Argumentation mit den Passastreitigkeiten des 2. Jahrhunderts, die schon Schwegler vorgetragen hat51 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 439. Zu beachten ist freilich, dass die Begründung nicht wirklich literarisch, beim Wortlaut und seinen Details ansetzt, sondern stets auf allgemeineren Aspekten des Interesses bzw. der Darstellungstendenz beruht. Erwiesen ist damit zwar die theologiegeschichtliche Posteriorität, nicht aber wirklich die literarische Bekanntschaft und Bezugnahme. 52 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 452. 53 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 616. Ebd.: „Was in dem Verhältnis des Menschen zu Gott bei Paulus die erst durch Kampf und Widerstreit werdende Vermittlung der Gegensätze ist, ist bei Johannes die Ruhe der über den Gegensätzen schwebenden Einheit, und was in Ansehung der Person Christi bei Paulus immer noch ein menschlich-göttliches Verhältnis ist, ist bei Johannes ein absolut göttliches.“ 54 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 633–635. 55 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 637.
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te. Aus der Diskussion um das quartadezimanische Passa folgert Baur, dass, wenn der Apostel Johannes die Sitte der kleinasiatischen Kirchen legitimieren sollte, dieser nicht zugleich der Verfasser des ihm zugeschriebenen Evangeliums sein könne.56 Ein zweites Argument betrifft das Verhältnis zur Johannesapokalypse, die vom Evangelium grundverschieden ist und deren Autor Baur ohne weiteres im Apostel Johannes sehen kann, während der Autor des Evangeliums frei über allen Gegensätzen des Judentums und Heidentums zum Christentum – und daher in möglichster Distanz vom Apokalyptiker zu lokalisieren ist.57 Der Nachweis ist somit klar, dass der Verfasser des Evangeliums nicht der Apostel war und dass das Werk erst spät, weit im 2. Jahrhundert verfasst wurde. 2.3 Die ‚Kritischen Untersuchungen‘ und die Präzisierung der Einordnung des Johannesevangeliums Mit der wenige Jahre später veröffentlichten Monographie „Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien“58 weitete Baur sein Interesse auf die Gesamtheit der kanonischen Evangelien aus. Die Abhandlung über die Komposition und den Charakter des Johannesevangeliums wird mit kleinen Korrekturen darin wieder abgedruckt (S. 77–389), ebenso die ebenfalls in den Jahrbüchern veröffentlichte Studie zum Lukasevangelium59 (S. 391–531). Hinzu kommen nur kürzere Kapitel zum Markus- und zum Matthäusevangelium und eine neue Einführung. In dieser reflektiert Baur noch einmal seine Methode, auch im Gegenüber zu Strauss: „Der Fehler des Strauß’schen Werkes ist, daß es die evangelische Geschichte zum Gegenstand der Kritik macht, ohne zuvor mit der Kritik der Schriften auf ein Resultat gekommen zu sein.“60 Dieses Stadium der Kritik sei wohl notwendig gewesen, doch führt sie auf die von Baur selbst praktizierte Kritik der Schriften notwendig hin. Ablehnend reagiert Baur hingegen auf alle Fragen nach dem literarischen Verhältnis der synoptischen Evangelien untereinander wie auch zwischen den Synoptikern und Johannes.61 Nach seiner Überzeugung ist die geschichtliche, d.h. von den ‚Tendenzen‘ der einzelnen Werke her argumentierende Kritik weiterführend, wobei natürlich die hegelianische Geschichtsdialektik Baurs zum entscheidenden Argument wird und über die Erwägungen konkret56 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 659. 57 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 662. 58 F.C. BAUR, Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis
zueinander, ihren Charakter und Ursprung, Tübingen 1847. 59 F.C. BAUR, Der Ursprung und Charakter des Lukas-Evangeliums, ThJb(T) 5 (1846), 455–615. 60 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 71. 61 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 74.
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literarischer Benutzung grundsätzlich dominiert. Diese Argumentation lässt Baur an der Ursprünglichkeit des Matthäusevangeliums festhalten, das in Baurs hegelianischem Geschichtsbild noch die judaistische ‚These‘ repräsentiert. Dabei rechnet Baur aufgrund des Papias-Zeugnisses (Euseb, h.e. III 39,16) mit einer aramäischen Grundschrift des Matthäus, die mit dem ‚Hebräer-Evangelium‘ (nach Clem. Alex, Strom II 9,45) identisch sei und in der die judaistischen Passagen enthalten gewesen seien,62 während das kanonische Matthäusevangelium übersetzt und mehrfach modifiziert worden sei.63 Gleichwohl repräsentiere Matthäus auch geschichtlich die ursprünglichste und treueste Überlieferung, es sei „das relativ ursprünglichste und glaubwürdigste unserer kanonischen Evangelien,“64 wohingegen Markus einen ‚neutralen‘ Standpunkt einnehme. Das Lukasevangelium repräsentiert hingegen die paulinische ‚Antithese‘ und setzt das Matthäusevangelium bereits in einer sekundären Überarbeitungsstufe voraus. Freilich vermutet Baur auch hinter dem kanonischen Lukas eine ältere, rein paulinische Grundschrift, die noch von Marcion benutzt worden sei65, während die kanonische Fassung schon sekundär neutralisierend mit judaistischen Elementen verbunden worden sei.66 Der paulinische und polemische Charakter des Lukasevangeliums zeige aber, dass dessen historischer Ort „auf dem Übergang von den synoptischen Evangelien zu dem johanneischen“67 liege. Nicht in dieser Reihe Mt ĺ Lk ĺ Joh einzuordnen ist das Markusevangelium, das Baur somit eine gewisse Verlegenheit bereitet. In seinen Kritischen Untersuchungen bezeichnet er dessen Charakter als „einen indifferenten und neutralen“, „vermittelnden und versöhnenden“.68 Einem Autor zugeschrieben, der sowohl Paulusbegleiter als auch Petrusdolmetscher gewesen sein soll, versöhnt es bereits die bei Matthäus und Lukas vorliegenden Gegensätze und gehört daher einer späteren Zeit an, keinesfalls also kann es als prioritäre Quelle der evangelischen Geschichte gelten. Insofern bleibt die Tendenzkritik Baurs der alten Griesbach’schen These bzw. ihrem Hauptbestandteil, der Matthäuspriorität, treu.69
62 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 571ff. 63 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 577. 64 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 620f. 65 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 427ff. 66 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 502. 67 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 501. 68 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 567. 69 Allerdings hat Baur später die Aporien, wie man das Markusevangelium als Epitome
aus Matthäus und Lukas erklären könne, noch einmal aufgenommen und die These aufgestellt, dass Markus aufgrund seines historischen Interesses am „objektiv Thatsächlichen“ sein Werk geschaffen habe (F.C. BAUR, Das Markusevangelium nach seinem Ursprung und Cha-
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In seiner überarbeiteten Fassung der Studie zum Johannesevangelium präzisiert Baur dann auch die Frage nach der Abfassungszeit des vierten Evangeliums im Blick auf die äußeren Zeugnisse des 2. Jh.s. weiter: Der älteste Autor, bei dem man realistisch eine Kenntnis des Johannesevangeliums vermuten könnte, sei Justin, doch auch er kenne Johannes noch nicht – die berühmte Parallele zu Joh 3,3.5 in Apol I 61 will Baur als Zitat aus dem (freilich nur sehr unklar zu fassenden) Hebäerevangelium ansehen.70 Auch in anderen Aspekten sieht Baur Johannes auf das Zeitinteresse des 2. Jahrhunderts reagieren, wenngleich die Einordnung immer – vielleicht notwendigerweise – etwas vage bleibt: So formuliert er im Blick auf die Gnosis, den Montanismus und die Passastreitigkeiten:71 Johannes „steht in allen Gegensätzen der Zeit und trägt doch nirgends die bestimmte Farbe eines zeitlichen und örtlichen Gegensatzes an sich.“72 Diese drei Bewegungen bzw. Fragen hätten weder das vierte Evangelium zur Voraussetzung, noch sei es durch sie bedingt, aber es sei „von ihnen berührt und bleibt doch … in sich selbst frei und selbständig.“73 Am klarsten formuliert Baur im Blick auf die (v.a. valentinianische) Gnosis, dass es „den gnostischen Doketismus … durch seine ganze Auffassung der Person Christi hindurchblicken“ lasse. Johannes sei „zwar gnostisch, aber auch wieder nicht gnostisch, weil es die Gnosis nicht materiell, sondern nur geistig in sich aufnimmt und darum alles Einseitige, Schroffe, specifisch Gnostische von ihr abstreift“, es trat also „zwischen den Gegensätzen versöhnend und beide Theile ansprechend zwischen sie“.74 Das Verhältnis zum Montanismus beschreibt Baur etwas vager: Die Montanisten hätten ihre Lehre vom Parakleten nicht aus dem Johannesevangelium entnommen, da sie diesem so verschieden sei, andererseits lasse sich die johanneische Lehre auch nicht als vom Montanismus abhängig ansehen, wohl aber sei zu vermuten, dass die Idee des Parakleten schon vor dem Montanismus eine höhere Bedeutung für das christliche Bewusstsein gewonnen hatte. Aber auch hier hält Baur fest, dass Johannes auf die Fragen der Zeit eingehe und in diesen zu verorten sei.75 Dasselbe gilt schließlich für den Osterfeststreit: Johannes kann „nicht selbst diese Frage veranlaßt, sondern sie nur vorgefunden haben.“76 Zwar sei auch diese Differenz nicht erst entstanden, als es um 170 in Laodicea zu den
rakter, 1851, 150); s. dazu W. SCHMITHALS, Einleitung in die ersten drei Evangelien, Berlin/New York 1985, 154f. 70 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 352. 71 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 373. 72 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 373. 73 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 373. 74 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 374. 75 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 374f. 76 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 375.
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von Euseb h.e. IV 26 erwähnten Diskussionen kam, insofern ist der terminus ante quem non etwas früher. Doch der Verfasser des Johannesevangeliums „konnte sich hier nur auf die eine oder die andere Seite stellen; wir sehen ihn … auf der Seite der freieren, über das Judenthum hinausgehenden Ansicht stehen.“77 So kommt Baur doch mit einer gewissen Vagheit auf seine Datierung, insofern eben die ersten Spuren des Johannesevangeliums nicht vor 170 n. Chr. zu finden seien.78 Vor dieser Zeit lasse sich die Existenz des Werks nicht belegen – was natürlich umgekehrt noch einmal schlagend gegen die These seiner Apostolizität spricht – und dies zu zeigen ist nach wie vor Baurs zentrales Interesse.79 Fasst man diese Untersuchungen zusammen, dann ist deutlich, dass nach Baurs idealistischer Überzeugung, die den Ausgangspunkt seiner Untersuchungen bildet, das vierte Evangelium keine eigene geschichtliche Tradition enthält, sondern den Stoff der Synoptiker insgesamt von der Idee der göttlichen Größe und Herrlichkeit Jesu, letztlich von der Idee des göttlichen Logos her neu gestaltet. Baur will zeigen, dass die Geschichtsdarstellung des Johannes „nur eine freie Entfaltung der im Prolog ausgesprochenen Grundgedanken sei“80: Der Evangelist hat „in seiner Logos-Idee einmal für immer die Idee über die Geschichte gestellt“.81 Bei Johannes ist „alles Absicht und Planmässigkeit, nicht blosse Geschichte, sondern zugleich Idee,“82 denn in diesem Evangelium ist „die Geschichte die Trägerin der Idee.“83 Wo Johannes von den Synoptikern abweicht, sind diese Abweichungen aus seiner Tendenz begründet. Die Synoptiker – nach Baur v.a. Matthäus – sind Johannes als Geschichtsquellen eindeutig überlegen.
3. Die Interpretation des johanneischen Lehrbegriffs in der ‚Theologie‘ In den von seinem Sohn posthum herausgegebenen, auf die Lehrtätigkeit der Jahre 1852–1860 zurück gehenden „Vorlesungen über neutestamentliche Theologie“ bringt Baur die ‚Lehrbegriffe‘ der verschiedenen neutestamentlichen Schriftenkreise nach der seit Anfang des Jahrhunderts entwickelten 77 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 375. 78 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 358. 79 BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 363, vgl. auch 386. 80 SCHÜRER, Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage (s. Anm. 19), 4f.; vgl. BAUR, Composition (s. Anm. 41), 468f.; aaO., 474. 81 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 474. 82 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 414. 83 BAUR, Composition (s. Anm. 41), 415.
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Lehrbegriff-Methode84, aber arrangiert nach seiner eigenen (theologie-) geschichtlichen Einordnung, interpretierend zur Darstellung. Dabei behandelt er zuerst die Lehre Jesu und dann, von ihr abgesetzt, die (die ‚apostolische‘ Zeit repräsentierenden) ‚Lehrbegriffe‘ des Paulus und des Apokalyptikers,85 dann jene des Hebräerbriefs, der kleineren paulinischen Briefe (mit Ausnahme der Pastoralbriefe), des Jakobusbriefs und der petrinischen Briefe, der synoptischen Evangelien und der Apostelgeschichte. Ganz am Ende kommen der Lehrbegriff der Pastoralbriefe und „der johanneische Lehrbegriff“86 zur Darstellung. Letzterer ist Höhe- und Zielpunkt der neutestamentlichen Theologie, denn „in ihm erreicht die neutestamentliche Theologie ihre höchste Stufe und ihre vollendete Form“87: Er hat alle anderen, zuvor dargestellten Lehrbegriffe zu seiner Voraussetzung und bringt zum Ausgleich und Abschluss, was in den früheren noch unausgeglichen und offen war.88 Der johanneische Lehrbegriff ist die Vollendung der neutestamentlichen Theologie, insofern er sich über Judaismus und Paulinismus erhebt und „in freier Idealität über den Gegensätzen steht, und auf dem Standpunkt der absoluten Idee sich selbst über die Momente der geschichtlichen Vermittlung hinwegsetzt“89. Diese Formulierung lässt freilich durchblicken, dass Baurs Interpretation selbst nicht nur auf den Momenten der geschichtlichen Vermittlung, dem literarisch, quellenkritisch Rekonstruierbaren, basiert, sondern in ihrem Ansatz von dem antezipierten Gedanken einer solchen Einheit in der Idee ausgehend entworfen ist.
84 Diese ‚Lehrbegriff‘-Methode in der Darstellung der neutestamentlichen Theologie wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst in der vierbändigen ‚Biblischen Theologie des Neuen Testaments‘ von Georg Lorenz Bauer (G.L. BAUER, Biblische Theologie des Neuen Testaments, 1–4, Leipzig 1800–1802; dazu s. O. MERK, Biblische Theologie des Neuen Testaments in ihrer Anfangszeit, MThS 9, Marburg 1972, 178–189) und dann auch – einflussreich – in der ‚Biblischen Dogmatik‘ von Wilhelm Martin Leberecht de Wette (W.M.L. DE WETTE, Biblische Dogmatik Alten und Neuen Testaments. Oder kritische Darstellung der Religionslehre des Hebraismus, des Judenthums und Urchristenthums. Zum Gebrauch akademischer Vorlesungen, Berlin 1813; dazu MERK, aaO., 210–214) entwickelt. S. zu dieser Darstellungsweise auch J. FREY, Zum Problem der Aufgabe und Durchführung einer Theologie des Neuen Testaments, in: C. Breytenbach/J. Frey (Hg.), Aufgabe und Durchführung einer Theologie des Neuen Testaments, WUNT 2005, Tübingen 2007, 3–53 (24–28). 85 Die einzigen Schriften, die Baur überhaupt dem 1. Jahrhundert zuschreibt, sind die vier für ihn authentischen Paulusbriefe Gal, Röm, 1Kor und 2 Kor sowie die aus der Feder des Zebedaiden stammende judaisierende Johannesapokalypse. Alle anderen Schriften, auch die für ihn unechten Paulusbriefe an die Philipper und Thessalonicher, gehören späteren Epochen an. 86 F.C. BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 351–407. 87 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 351. 88 Vgl. BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 351. 89 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 401.
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Dies zeigt sich in der Darstellung des johanneischen Lehrbegriffs, die nicht zufällig mit dem Prolog und seiner Logosidee einsetzt, „in welcher der johanneische Lehrbegriff seine Einheit und das Princip seiner Entwicklung hat.“90 Baur geht dabei von der Gottesidee aus, die er im Prolog (Joh 1,18) als rein geistig, im Gegensatz gegen alles Körperliche bestimmt sieht.91 „Geist ist Gott“ (Joh 4,24) ist mithin der Kernsatz, nach dem Geist nicht mehr nur eines der Prädikate des Absoluten ist, sondern das Wesen Gottes selbst als absolutes, unsichtbares und unvorstellbares, rein transzendentes bestimmt wird, während der Logos, der ‚Monogenes‘ bzw. der Sohn, dann das göttliche „Offenbarungsorgan“92, „die concrete Erscheinung des Vaters“93 ist. Kraft der „Wesensidentität“ mit dem Vater kommen „dem Logos oder Sohn … auch in seiner menschlichen Erscheinung wahrhaft göttliche Attribute zu“94: das Leben (Joh 5,26), die ‚Werke‘, in denen Gott wirksam ist, und sein Wissen der himmlischen Dinge (Joh 3,12) und menschlicher Gedanken (Joh 1,49f. etc.). Dieses Verständnis wird sodann in der Interpretation des ıȡȟ ਥȖȞİIJȠ profiliert: Für Baur ist ıȡȟ ਥȖȞİIJȠ nicht im Sinne von ਙȞșȡȦʌȠȢ ਥȖȞİIJȠ zu fassen, sondern lediglich im Sinne der „Annahme eines Leibs“95, die das Wesen des Logos nicht berührt.96 Das ıȡȟ ਥȖȞİIJȠ „ist nur ein Accidens der stets sich gleich bleibenden Persönlichkeit des Logos“97. Nach Baurs Überzeugung fasst Johannes die Realität der Sarx Jesu als eine ganz eigene, von der menschlichen Unterschiedene, wenn Jesus z.B. „im Verborgenen“ nach Jerusalem zieht (Joh 7,15) oder auf wunderbare Weise der Steinigung entkommt (Joh 8,59; 10,39) und auf dem See wandelt (Joh 6,16f.).98 Der johanneische Christus ist insofern – im Unterschied zum Synoptischen „ein absolut göttliches Subject“.99 Er „kann auch in seiner Fleischwerdung die Grenze nicht verläugnen, aus welcher er in diese irdische Ordnung der Dinge herab-
90 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 351. Historisch bringt Baur diesen zunächst und ursächlich mit der alexandrinischen Religionsphilosophie in Verbindung, aber sieht auch Analogien zum gnostischen Ideenkreis (353). 91 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 354. 92 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 356. 93 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 357. 94 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 358. 95 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 363. 96 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 363f.: „Der Logos ist von Anfang an so sehr das mit sich identische Subject, dass in dem ganzen Verlauf seiner Wirksamkeit nichts eintreten kann, was ihn erst zu diesem bestimmten Subject machte, oder zu einem anderen Subject, als er bisher war.“ 97 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 364. 98 Vgl. BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 384: „kaum möglich, … ihr die feste Materialität eines menschlichen Leibs zuzuschreiben“. 99 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 367.
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gekommen ist.“100 Johannes steht hier nach Baur „auf der Grenze zur gnostischen Anschauungsweise“101 – die Interpretation Baurs ist mithin eine prononciert doketische. Die Erlösung besteht nach Baur letztlich darin, dass der Logos als Licht den Gegensatz von Finsternis und Licht aufhebt und dass er so im Glauben „als das erkannt werden kann, was er an sich ist“102, was durch seine Werke, seine Lehre und seinen Tod geschehen kann, die alle als Gesichtspunkte der „Selbstdarstellung Jesu“ dienen.103 Die Werke – d.h. seine Wunder – veranschaulichen die Grundanschauungen, unter die Jesu Person gestellt werden soll, und die Reden in Joh 5 und Joh 6 explizieren den Logos als absolutes Lebensprinzip. Seine Lehre ist allein Lehre von seiner Person, und auch sein Tod wird bereits „aus dem Gesichtspunkt der Verherrlichung der Person Jesu betrachtet“104. Dabei deutet Baur seine Erhöhung am Kreuz nach Joh 12,32 als „eine geistige Erhebung“: „Wenn er am Kreuze über der Erde schwebt, hat sein Tod die Wirkung, dass die, die an ihn glauben, gleichsam von der Gewalt entbunden werden, die sie an die Erde fesselt, er zieht sie von der Erde zu sich in den Himmel nach, erhebt sie vom Sinnlichen zum Geistigen.“105 Geistigen Sinn hat damit allerdings auch die Rede von der Auferstehung. Dies folgert Baur insbesondere aus der Verbindung der Geistgabe mit dem Ostertag in Joh 20, die die Erfüllung der Parakletverheißung sei: „An ein leibliches Kommen und Wiedersehen, oder die Auferstehung im gewöhnlichen materiellen Sinne kann man nicht denken, wenn die Hauptvorstellung, auf welche alles zurückgeht, immer wieder ist, dass er ihnen den Geist der Wahrheit, den heiligen Geist … vom Vater senden werde.“106 Wenn das in Joh 14,18f. und 14,23 verheißene Kommen ein geistiges ist, dann „kann es da, wo nur geschieht, was in ihnen verheissen ist, nicht anders sein.“107 Trotz der erzählten sinnlichen Berührung sei „an keine körperliche Erscheinung zu denken.“108 Die Auferstehung wird mithin fast rationalistisch erklärt: „Man kann daher in diesen Erscheinungen des nicht blos Auferstandenen, sondern auch schon in Himmel Hingegangenen nur die Einwirkungen seines Geistes 100 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 367. 101 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 367. 102 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 369. 103 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 378. 104 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 379. 105 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 379. 106 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 382. Die Geist-
Aussage in Joh 14,16f. wird mithin zur interpretatorischen Schlüssel aller übrigen Ausagen vom ‚Kommen‘ bzw. ‚(Wieder)Sehen‘ Jesu in den Abschiedsreden (Joh 14,18–23; 16,16– 19). 107 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 383. 108 Ebd.
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auf die Jünger sehen, durch welche er in ihrem Bewusstsein das Bild seiner persönlichen Gegenwart erweckte.“109 Letztlich bleibt das Bild einer tendenziell doketischen Christologie, die Baur dem vierten Evangelium entnimmt: Der Logos hat die irdische Hülle des Fleisches, die er angenommen hatte, wieder abgelegt (Joh 6,62). Leiblichkeit spielt in den als geistige Erfahrung gedeuteten Ostererscheinungen keine Rolle mehr. Die Bedeutung des Geistes wird von Baur außerdem auf die ganze Weiterentwicklung des christlichen Bewusstseins bezogen: Der Geist ist das die christliche Gemeinschaft leitende Prinzip, der die höhere Erkenntnis des Verhältnisses Jesu zum Vater aufschließt und in seinem Lehren „nicht bei der blossen Erinnerung an das vom Erlöser schon Gesagte stehen bleibt, sondern darüber hinausgeht.“110 So steht Johannes auf dem Standpunkt einer weiter fortgeschrittenen Entwicklung des christlichen Bewusstseins und will doch die „principielle Einheit mit dem Urchristenthum festgehalten“ und vertieft wissen.111 Dieser Standpunkt wird schließlich im Blick auf das Judentum bestimmt, insofern dieses „als Gesetzesreligion so tief unter dem Christenthum als der absoluten Religion“ stehe, „dass die eine mit der andern so gut wie nichts zu thun hat.“112 Der Verfasser des Evangeliums habe „vom Judenthum und Judaismus sich völlig losgesagt“,113 er habe aber „auch den Paulinismus hinter sich“ gelassen, wenngleich er ihn in seinem Lehrbegriff als wesentliche Grundlage aufgenommen habe.114 Johannes lässt auch das paulinische Anliegen der Rechtfertigung hinter sich: „Wer dem Gesetz schon so fern steht …, kann es auch nicht als die Hauptaufgabe der erlösenden Thätigkeit Jesu betrachten, den Menschen von der Schuldforderung des Gesetzes zu befreien.“115 Objekt des Glaubens ist somit nicht die sündenvergebende Wirkung des Todes Jesu, sondern die Person Jesu, solches Glauben ist auch nicht von Werken zu unterscheiden, son109 Ebd. 110 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 388. 111 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 389. 112 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 390. 113 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 393: „Wenn
auch das Judenthum noch fortextistirt, so ist es eine blosse Form ohne alle innere Bedeutung, und es ist nur die Verblendung und Verstockung des Unglaubens, welche dem Christenthum gegenüber noch am Judenthum festhält. Wie fern musste der Verfasser des Evangeliums schon der Periode des Urhristenthums stehen, wenn er auf das Judenthum so tief herabsehen konnte, und wie wenig kann man sich ihn in einer nationalen Beziehung zu demselben denken, wenn er so wenig Sympathie für die Juden hat… Welch grosse Kluft trennt ihn in dieser Beziehung nicht blos von dem Apokalyptiker, sondern auch von dem Apostel Paulus!“ 114 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 393. 115 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 395.
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dern in sich selbst – wie Baur interpretiert – „ein practisches Verhalten, das sich auch tatsächlich äussern muss“116: Es zielt auf die Liebe, die „der höchste Begriff“ ist, „von welchem die johanneische Anschauungsweise ausgeht“: Ihr absolutes Prinzip ist „die Liebe des Vaters zum Sohn und Gottes zur Welt.“117 Der johanneische Lehrbegriff ist somit durch eine eigentümliche Idealität gekennzeichnet. Er erhebt sich nicht nur über Judaismus und Paulinismus als überwundene Standpunkte, sondern steht „in freier Idealität über den Gegensätzen, und [setzt sich] auf dem Standpunkt der absoluten Idee selbst über die Momente der geschichtlichen Vermittlung hinweg.“118 Nicht die Erlösung von Gesetz, Sünde und Tod ist der höchste Zweck des Christentums, sondern die Selbstmitteilung Gottes, wie sie in der Idee des Logos ausgesprochen ist: die „Mittheilung des wahren Gottesbewußtseins an die Menschheit“, des „ewigen Lebens“ (Joh 17,2).119 Die abschließenden Passagen der Darstellung des johanneischen Lehrbegriffs formulieren damit in affirmativem Tonfall: „Das Christenthum ist daher die Erhebung des Bewusstseins in die Sphäre reiner Geistigkeit, in welcher Gott als Geist gewusst wird und alles Particuläre und Beschränkende in der Allgemeinheit der Idee Gottes aufgehoben ist. In diesem rein geistigen Gottesbewußtsein ist ... das unsichtbare Wesen Gottes ... aufgeschlossen und in das menschliche Bewusstsein als sein absoluter Inhalt übergegangen.“120 „Wie in der absoluten Idee Gottes jede zeitliche und räumliche Schranke ... aufgehoben ist, so fällt in dieser Idee auch die Zukunft mit der Gegenwart zusammen, es gibt keine das Jenseits vom Diesseits trennende Kluft, das ewige Leben ist aus der Äeusserlichkeit eines nur künftigen Zustandes in die Innerlichkeit des Geistes verlegt. ... Das ewige Leben ist also schon jetzt der dem christlichen Bewußtsein immanente Inhalt.“121
Damit ist auch die Eschatologie – eine Tendenz des vierten Evangeliums aufnehmend, aber doch letztlich verabsolutierend – als eine rein präsentische bestimmt: Im Gefälle Hegel’schen Denkens wird in der Idee des Logos die Versöhnung der Gegensätze von Gott und Welt, Jenseits und Diesseits, Zukunft und Gegenwart und damit auch die völlige Gegenwärtigkeit der eschatologischen Güter gesehen. Joh 5,24 bringe daher den höchsten Gedanken der Eschatologie zur Sprache. Die Eschatologie darf dann auch nichts mehr enthalten, was dazu dient, Gegenwart und Zukunft voneinander zu trennen, kei-
116 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 396. 117 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 400. 118 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 401. 119 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 402. 120 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 403. 121 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 404.
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nen ‚eschatologischen Vorbehalt‘122 wie z.B. die Lehre von einer „erst am Ende der Welt erfolgenden Auferstehung“123. Aussagen wie Joh 5,28f. und Joh 6,40.44.54 kann Baur als präsentisch umgedeutet verstehen. Sie können gar nicht meinen, was sie im Wortlaut sagen, weil ja der Gedanke der Auferstehung überhaupt nicht leiblich, sondern rein geistig gefasst ist. Dasselbe gilt für den Parusiegedanken, der auf der Basis von Joh 14,23 geistig-innerlich und ganz gegenwärtig erfasst wird. Hier zeigt sich die Konsequenz des idealistischen Ansatzes, mit dem Baur das Johannesevangelium erfasst und den er in ihm selbst kongenial erblickt. „Alles äusserlich Objective [wird] zu einer geistigen Anschauung aufgehoben.“124 Weder die Eschatologie noch die Geschichte kann sich gegenüber der Idee behaupten: Baurs Theologie schließt mit dem Satz, dass diesem Idealismus „in der Selbstgewissheit seiner innern Anschauung zuletzt sogar die geschichtliche Wirklichkeit nur eine äussere, das an sich Wahre für das Bewusstsein vermittelnde Form ist.“125 Baurs Modell der Interpretation der johanneischen Einzelaussagen als dialektische Entfaltung des übergeordneten Logosbegriffs erweist sich deutlich als eine programmatisch (und gerade in ihrer geschichtlichen Methode) philosophische, von der Dialektik Hegels geprägte Denkfigur126. Dabei wird nicht nur das Konkrete ins Allgemeine, das Materielle ins Spirituelle, das Zukünftige ins Gegenwärtige aufgehoben, oder – wie Overbeck später anmerkt – „im Nebel seiner abstrakten Betrachtungsweise ... verdunstet,“127 sondern auch die Vorstellung in den Begriff, die Geschichte in die Idee, die Religion in die Philosophie. Das Johannesevangelium ist für Baur gerade deshalb der Höhepunkt der urchristlichen Theologiegeschichte, weil es die reinste Ausformung des an sich Wahren, der Idee, zum Ausdruck bringt.
122 So der u.a. durch Ernst Käsemann bekannt gewordene Terminus, der letztlich auf die Bonner Römerbrief-Vorlesung von Erik Peterson 1925 zurückgeht; dazu K. ANGLET, Der eschatologische Vorbehalt. Eine Denkfigur Erik Petersons, Paderborn 2000; B. NICHTWEISS, Erik Peterson. Neue Sicht auf Leben und Werk, Freiburg i.B., 21994, 490f. 123 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 404. 124 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 406. 125 BAUR, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie (s. Anm. 36), 407. 126 Vgl. dazu E. BARNIKOL, Das ideengeschichtliche Erbe Hegels bei und seit Strauß und Baur im 19. Jahrhundert, WZ (H), GS 10 (1961), 281–328 (281 und 288f.304ff.). 127 OVERBECK, Johannesevangelium (s. Anm. 6), 19.
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4. Baurs Wirkungen: Seine Schule, ihre Gegner und der wachsende Konsens Mit dem Auftreten Baurs und der Tübinger Schule war die ‚johanneische Frage‘ „in ein neues Stadium“ getreten.128 Die vor ihm vorgetragenen Infragestellungen des Johannesevangeliums waren zunächst überwiegend auf die Verfasserfrage (so bei Bretschneider und den anderen frühen Kritikern) konzentriert, die Baur selbst erst aufgrund einer umfangreichen Analyse zu beantworten versuchte. Sie waren außerdem zu einseitig auf die Infragestellung des Geschichtswertes des vierten Evangeliums ausgerichtet (so bei Strauß wie auch bei Bruno Bauer) und konnten in dieser Hinsicht zu negativ und ‚kleinlich‘ erscheinen, schließlich waren sie alle – auch Strauß – noch ohne eine wirkliche Analyse der Komposition bzw. theologischen Ausrichtung des Gesamtwerks erfolgt, und diese Analyse hat als erster in großer Ausführlichkeit Baur vorgelegt. Darin liegt seine epochale Bedeutung. Ein weiterer Grund für den letztlich durchschlagenden Erfolg der von ihm vorgetragenen Kritik war, dass Baurs Kritik am Geschichtswert und der Apostolizität des Johannesevangeliums nicht wie bei den älteren rationalistischen Kritikern mit einer sachlichen Bevorzugung der Synoptiker verknüpft war, sondern im Grunde dem Geist der Zeit entsprechend mit der theologischen Hochschätzung des Johannesevangeliums, die auch Schleiermacher und die von ihm beeinflussten Theologen teilten. Gerade Johannes ist hier der Exponent der Wahrheit des christlichen Glaubens – nur eben nicht mehr im Gewand des Apostels. In Nachfolge der Luther’schen Vorrede zum Neuen Testament nennt auch Baur das vierte Evangelium „das einzige zarte rechte Evangelium, das über allen andern steht und auf eigenthümliche Weise vor ihnen sich auszeichnet.“129 Dass der Höhe- und Zielpunkt der frühchristlichen Geistesentwicklung sich dann nicht mehr mit der traditionellen apostolischen Zuordnung verbinden lässt, liegt in der Konsequenz des von Baur für die Theologiegeschichte vorausgesetzten Entwicklungsgedankens. Freilich fand Baurs Kritik an der johanneischen Verfassertradition und seine Einordnung des Werks in die Theologiegeschichte des zweiten Jahrhunderts außerhalb des Kreises der umittelbaren Schüler zunächst kaum Anhänger.130 Die Mehrheit der Theologen außerhalb der Tübinger Schule hingen noch lange der These der Apostolizität und damit auch der zumindest sub128 So SCHÜRER, Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage (s. Anm. 19),
4. 129 BAUR, Kritische Untersuchungen, 386; s. grundlegend M. LUTHER in seiner Vorrede
auf das Neue Testament von 1522, WA Deutsche Bibel VI, 10. 130 S. dazu SCHÜRER, Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage (s. Anm. 19), 6f.
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stantiellen historischen Glaubwürdigkeit des Johannesevangeliums an. Nur die Schüler Baurs folgten seinem Verständnis, wenngleich mit Modifikationen.131 Zeller bot mit einer gründlichen Analyse der altkirchlichen Tradition über den apostolischen Ursprung des Johannesevangeliums eine Stütze der Auffassungen Baurs und stellte fest, „dass, die Sache geschichtlich angesehen, eben auf Grund der äußeren Zeugnisse, die Authentizität des Evangeliums entschieden verneint werden muß.“132 Köstlin deutete das Johannesevangelium wie Baur als den „höchsten Gipfel und das Ende“ der nachapostolischen kanonischen Literatur,133 als eine „idealisierende und symbolisierende Umgestaltung der überlieferten Geschichte“134, Hilgenfeld bemühte sich um eine Einordnung des Johannesevangeliums in die Geschichte des christlichen Gnostizismus und verortete das Werk im „Übergang von der valentinianischen zur marcionitischen Gnosis“.135 Somit datierte er es deutlich früher als Baur, nämlich zwischen 130 und 140 n. Chr.136 Auch Pfleiderer, der die straffe innerchristliche Tendenzkritik noch stärker für religionsgeschichtliche Fragen öffnete, datierte das Evangelium um 140 und sah es als „das reifste Produkt des … christlichen Hellenismus“, freilich selbst nicht gnostisch an.137 Die Apologetik gegen die Tübinger, nicht nur bei dem konservativen Lutheraner Hengstenberg138, sondern auch bei dem angesehenen Gelehrten Heinrich Ewald139 und in der Einleitung von Friedrich Bleek140 insistierte zunächst weiter auf der Apostolizität und substantiellen Historizität des johanneischen 131 Vgl. dazu SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 70–76. 132 E. ZELLER, Die äußeren Zeugnisse über das Dasein und den Ursprung des vierten
Evangeliums. Eine Prüfung der kirchlichen Tradition bis auf Irenäus, ThJb (T) 1845, 579ff. (655). Weitere Studien Zellers zum Johannesevangeliums waren: DERS., Über die Zitate aus dem vierten Evangelium, welche in den Auszügen gnostischer Schriften in dem pseudoorigenistischen ȜİȖȤȠȢ țĮIJ ʌĮıȞ ĮੂȡıİȦȞ vorkommen ThJb (T) 12, 1853, 144f.; DERS., Noch ein Wort über den Ausspruch Jesu bei Justin Apol I 61 über die Wiedergeburt, ThJB (T) 14 (1865), 138ff. 133 K.R. KÖSTLIN, Die pseudonyme Literatur der ältesten Kirche, ThJb (T), 10 (1851), 183. 134 KÖSTLIN, Die pseudonyme Literatur (s. Anm. 133), 149ff. (197). 135 A. HILGENFELD, Das Evangelium und die Briefe des Johannes nach ihrem Lehrbegriff, Halle 1849, 320. 136 HILGENFELD, Das Evangelium und die Briefe des Johannes (s. Anm. 135), 322ff. 137 O. PFLEIDERER, Das Urchristenthum, seine Schriften und Lehren in geschichtlichem Zusammenhang beschrieben, Berlin 1887, 770. 138 E.W. HENGSTENBERG, Über den Eingang des Evangeliums St. Johannis. Ein Vortrag, Berlin 1959; DERS., Das Evangelium des heiligen Johannes erläutert, 3 Bde., Berlin 1861–1863. 139 Zunächst H. EWALD, Über die äußeren Zeugnisse für das Johannesevangelium, JBW 5 (1853), 178ff. Zusammenfassend: DERS., Die johanneischen Schriften, 2 Bde., 1861/62. 140 F. BLEEK, Einleitung in das Neue Testament, Berlin 1862. Zuvor schon DERS., Beiträge zur Evangelien-Kritik, Berlin 1846.
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Berichts, doch wurde die volle Authentizität der johanneischen Reden sukzessive preisgegeben und dem Einfluss der subjektiven Gestaltung des Schriftstellers immer mehr zugestanden.141 Hilfskonstruktionen wie der Gedanke der Mithilfe von Schülern gaben der Kritik weiter Boden preis, so etwa bei K. Weizsäcker, der meinte, „daß das Evangelium selbst schon durch zweite Hand von dem Apostel herrührt“142, also von einem Schüler freilich noch zu dessen Lebzeiten geschrieben sei, oder bei dem französichen Gelehrten Ernest Renan, der wieder das Modell der alten Textteilungen aufnahm, freilich anders als seinerzeit Weiße, Schweizer und Scholten,143 und die johanneischen Erzählungen für ‚echt‘ und die Reden für spätere Zutaten hielt.144 Einen „Grenzpunkt“ markierte nach dem Urteil von Emil Schürer145 der 1867 erschienene erste Band der „Geschichte Jesu von Nazara“ von Theodor Keim, der – aus dem Lager der Tübinger kommend – in gründlicher Argumentation eine Reihe unhaltbarer Positionen Baurs preisgab: So gestand Keim zu, dass Justin bereits das Johannesevangelium benutzt hat und konnte auch eine jüdische Herkunft des Evangelisten für plausibel ansehen.146 Insofern bewegten sich die Positionen der Kritiker und Verteidiger des vierten Evangeliums im Lauf des Jahrhunderts langsam aufeinander zu, wobei zugleich eine Rolle spielte, dass mit der immer breiter werdenden, v.a. durch H. J. Holtzmann geförderten Anerkennung der synoptischen Zweiquellentheorie und dem Interesse der liberalen Jesusforschung an der primär auf dieser Basis zu rekonstruierenden Verkündigung Jesu das Zugeständnis der ‚Unechtheit‘ der johanneischen Darstellung eher möglich wurde. Freilich wurde auch in den liberalen Leben-Jesu-Darstellungen dem aus den ältesten Quellen erhobenen Bild faktisch immer noch eine gehörige Prise Johannes beigemengt.147 Bis zum Ende des Jahrhunderts stellte sich dann jedoch unter den führenden Neutestamentlern wie Heinrich Julius Holtzmann, Adolf Jülicher und 141 So die Analyse bei SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 83. 142 C. WEIZSÄCKER, Untersuchungen über die evangelische Geschichte, ihre Quellen
und den Gang der Entwicklung, Gotha 1864, 302. 143 Auf deren Modell griff gegen Ende des Jahrhunderts dann wieder Hans Hinrich Wendt zurück: H.H. WENDT, Das Johannesevangelium. Eine Untersuchung seiner Entstehung und seines geschichtlichen Wertes, Göttingen 1900; DERS., Die Schichten im vierten Evangelium, Göttingen 1911. 144 S. dazu SCHÜRER, Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage (s. Anm. 19), 8; SCHWEITZER, Geschichte der Leben Jesu Forschung (s. Anm. 31), 209. 145 SCHÜRER, Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage (s. Anm. 19)10. 146 So SCHÜRER, ebd. 147 Vgl. SCHWEITZER, Geschichte der Leben Jesu Forschung (s. Anm. 31), 226ff.; zu dem aufgrund eklektischer Quellenverwendung ‚divinatorischen‘ Charakter der JesusDarstellungen s. H.J. HOLTZMANN, Revue über die Stellung der heutigen Theologie zum Johannesevangelium, PKZ 30 (1883), 102–110.127–135.151–160 (102f.).
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William Wrede ein kritischer Konsens ein148, in dem die johanneischen Abweichungen von der synoptischen Tradition nur noch aus der apologetischen, didaktischen und theologischen Absicht des Evangelisten erklärt wurden und das vierte Evangelium primär als ein rein theologisches Werk ohne eigenen historischen Quellenwert für die Geschichte und Verkündigung Jesu angesehen wurde. So charakterisiert Adolf Jülicher in seiner neutestamentlichen Einleitung 1894 das Evangelium als eine „philosophische Dichtung mit religiöser Tendenz aus der dritten christlichen Generation, ... für die Geschichte des Christus im Fleisch ... fast ohne Wert“, die zeigt, wie „bald nach 100 der vielleicht grösste Denker der damaligen Christenheit sich den Erdenwandel des Heilands vorstellte“ und die wirkliche Geschichte zwar nicht ganz getilgt, doch „über ihr ein neues Haus erbaut“ hat, „die Wahrheit naiv mit der Wirklichkeit identificierend.“149 Später formuliert er zugespitzt, es gäbe „nicht einen Punkt, hinsichtlich dessen unsere Kenntnis des Lebens Jesu durch Joh einen einwandfreien Zuwachs gewänne.“150 Das Johannesevangelium war damit aus der historischen Frage nach Jesus praktisch ‚entlassen‘. Damit hatte die Kritik Baurs zumindest in der deutschsprachigen Forschung – von konservativen Außenseitern wie Theodor Zahn oder Adolf Schlatter einmal abgesehen – weitgehend gesiegt. Die Gründe dafür lagen nicht zuletzt auch in den Veränderungen der theologischen Zeitstimmung, daneben in der verbesserten Grundlage, die mit der Analyse der synoptischen Evangelien inzwischen gewonnen worden war, und natürlich auch in der Relativierung der unhaltbaren Extrempositionen Baurs bei seinen Schülern, die nun nicht mehr mit einer ‚rein‘ auf Tendenzkritik basierenden Methode argumentierten, sondern stärker quellenkritisch und religionsgeschichtlich vorgingen. Trotz der unhaltbaren Spätdatierungen und mancher anderer Schwächen in seiner Argumentation kommt seinem Ansatz und seiner Interpretation in der Johannesforschung epochale Bedeutung zu, nicht nur weil er – wie Overbeck formulierte – aus einem Problem der Har-
148 Vgl. die Beschreibung bei M. GOGUEL, Introduction au Nouveau Testament II: Le Quatrième Évangile, Paris 1923, 50; SCHÜRER, Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage (s. Anm. 19), 13ff. 149 A. JÜLICHER, Einleitung in das Neue Testament, Tübingen 1894 (1. Aufl.), 379. Vgl. auch H.J. HOLTZMANN, Lehrbuch der neutestamentlichen Theologie, Bd. II, Freiburg/Leipzig 1897, 353; W. WREDE, Charakter und Tendenz des Johannesevangeliums, Tübingen 1903, 5. Vgl. auch – für die Wirkung über den deutschsprachigen Raum hinaus – A. LOISY, Le quatrième évangile, Paris 1903, 75: Johannes „tout entier n’est pas autre chose qu’une grande allégorie théologique, un oeuvre de spéculation savante qui n’a rien de commun, quant à la forme, avec la prédication du Christ historique.“ 150 A. JÜLICHER, Einleitung in das Neue Testament, 5/61906, Tübingen, 379.
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monistik ein Problem der Kritik gemacht hat,151 sondern auch weil seine ‚doketische‘ Deutung eine prononcierte, wenn auch vielleicht zu einseitige, Möglichkeit der Johanneslektüre repräsentiert, die in der weiteren Forschung immer wieder Einfluss gewinnen sollte.
5. Späte Nachwirkungen und bleibende Bedeutung Worin also besteht die bleibende Bedeutung Baurs für die Johannesexegese, und welche Punkte seiner Interpretation und seiner Methode sind auch im 20. und 21. Jahrhundert noch von Interesse? Einige wenige Punkte sollen hier benannt werden, ohne dass die einzelnen Fragen en détail diskutiert oder auch nur hinreichend dokumentiert werden könnten: 1. Die erste zu erwähnende Errungenschaft von bleibender Bedeutung ist in der Tat, dass Baur mit seiner Arbeit die neuzeitliche Kritik an der johanneischen Verfassertradition zum Durchbruch gebracht hat. Anders als die früheren Kritiker konnte er diese mit einer theologischen Hochschätzung des Johannesevangeliums verbinden und so die Kritik ‚salonfähig‘ machen. Zwar wurde die extrem späte Datierung Baurs schon von seinen Schülern zurückgesetzt und dann im 20. Jahrhundert v.a. durch die Entdeckung des (bislang) ältesten neutestamentlichen Papyrusfragments (P 52)152 noch einmal stark revidiert. Auch wenn sich dieses Fragment nicht sicher um ca. 125 n. Chr,153 sondern vielleicht erst um die Mitte des 2. Jh.s ansetzen lässt,154 legt die Existenz einer Abschrift um diese Zeit in Ägypten sowie der weitere sehr dichte handschriftliche Befund eine deutlich frühere Ansetzung nahe. Das Fenster der diskutablen Datierungen ist derzeit ca. 85–110 n. Chr. – wenn man von Extrempositionen wie einerseits Klaus Berger und andererseits Walter Schmithals absieht.155 Aber auch bei einer derart früheren Datierung ist es in
151 So OVERBECK, Johannesevangelium (s. Anm. 6), 14; unter Bezug auf WEIZSÄCKER, Evangelische Geschichte (s. Anm. 142), 221. 152 C.H. ROBERTS, An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands Library, Bulletin of the John Rylands Library 20 (1936), 45–55. 153 So noch B. ALAND/K. ALAND, Der Text des Neuen Testaments, Stuttgart 31988, 79. 154 Zur Diskussion zuletzt B. NONGBRI, The Use and Abuse of P52: Papyrological Pitfalls in the Dating of the Fourth Gospel, HThR 98 (2005), 23–52. 155 S. einerseits für die Frühdatierung (60er-Jahre) zunächst klassisch J.A.T. ROBINSON, Redating the New Testament, London 1976, 307ff; DERS., The Priority of John (hg. J.F. Coakley), London 1985; in Deutschland K. BERGER, Im Anfang war Johannes, Stuttgart 1997; eine Spätdatierung mit einer Redaktion zwischen 160 und 180 n. Chr. vertrat zuletzt SCHMITHALS, Johannesevangelium (s. Anm. 16), 230; s. dazu kritisch FREY, Eschatologie I (s. Anm. 8), 382f.
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der kritischen Bibelwissenschaft praktisch Konsens, dass das Werk nicht von einem Apostel und Augenzeugen des Wirkens Jesu verfasst sein kann. 2. Eine Konsequenz dessen, die sich auch bei einer Datierung um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert festhalten lässt, besteht in der Einsicht, dass das Johannesevangelium in seinem Quellenwert für die historische Rückfrage nach Jesus von Nazareth hinter der synoptischen Überlieferung (Markus, Logienstoff, lukanisches Sondergut) deutlich zurücksteht und i.d.R. bei Darstellungen des ‚Historischen Jesus‘ keine Rolle mehr spielt. Zwar war auch die Anfang des 20. Jahrhunderts dann methodisch einsetzende Suche nach literarischen Quellenschriften hinter dem Johannesevangelium – von der Grundschrifthypothese Julius Wellhausens bis hin zum Zeichenevangelium Robert Fortnas – noch von dem latenten Motiv bestimmt, ein dem Markusevangelium ‚ebenbürtiges‘ zweites narratives Dokument über die Wirksamkeit Jesu zu rekonstruieren, doch ist die Suche nach Quellen hinter dem Johannesevangelium aus sprachlichen Gründen eine höchst unsichere Angelegenheit, und die neuere Forschung hat diese Suche zuletzt immer mehr aufgegeben und nur noch mit einzelnen traditionellen Erzählungen und Sprüchen im Johannesevangelium gerechnet.156 Die historische Auswertung des johanneischen Werks ist durch die alles überlagernde theologische Aussageabsicht und den offenkundig sehr freien und eklektischen Umgang des Evangelisten mit der ihm überkommenen Tradition beträchtlich erschwert, so dass auch Forschungstendenzen, die – in einem unverkennbar konservativen Interesse – die historische Auswertung des Johannesevangeliums zu revitalisieren versuchen,157 mit großer Vorsicht zu begegnen ist. Die von Baur nachdrücklich 156 S. zuletzt J. FREY, Grundfragen der Johannesinterpretation im Spektrum neuerer Gesamtdarstellungen, ThLZ 133 (2008), 743–760. Auch hier sind Ausnahmen zu nennen, die aber m.E. eine Sackgasse der Forschung repräsentieren, einerseits der Versuch von F. Siegert, ein ursprüngliches Johannesevangelium (d.h. eine Art Grundschrift) zu isolieren und diese dann als Grundlage für eine historische Jesusdarstellung zu verwenden (s. F. SIEGERT, Der Erstentwurf des Johannes: Das ursprüngliche, judenchristliche Johannesevangelium in deutscher Übersetzung vorgestellt; nebst Nachrichten über den Verfasser und zwei Briefen von ihm (2.3 Joh.), Münsteraner Judaistische Studien 16, Münster 2004; DERS., Das Evangelium des Johannes in seiner ursprünglichen Gestalt. Wiederherstellung und Kommentar, SIJD 7, Göttingen 2008; DERS., Das Leben Jesu. Eine Biographie aufgrund der vorkanonischen Überlieferungen, SIJD 8,2, Göttingen 2010); andererseits der Kommentar von Urban von Wahlde, der in einer Weiterführung der Fortna’schen Hypothese erneut das ganze Evangelium in drei Schichten zerteilt und diese Schichten (eher als den johanneischen Text) kommentiert (U.C. VON WAHLDE, The Gospel and Letters of John, 3 vols., Grand Rapids 2010). 157 Vgl. P.N. ANDERSON, The Fourth Gospel and the Quest for Jesus, London – New York 2006; P.N. Anderson/F. Just, S.J./T. Thatcher (Hgg.), John, Jesus, and History 1: Critical Appraisals of Critical Views SBL Symposium Series 44, Atlanta 2007; P. N. Anderson/F. Just, S.J./T. Thatcher (Hgg.), John, Jesus and History 2: Aspects of Historicity in the Fourth Gospel, SBLECL 2, Williston, Va. 2009.
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vorgebrachte Einsicht, dass das Johannesevangelium in seiner Darstellung der Geschichte Jesu eine deutlich von der älteren Tradition abweichende Sichtweise vertritt und programmatisch seine eigenen christologischen Einsichten in das Bild Jesu und seines Wirkens und in seine Reden einträgt, behält insgesamt bis heute ihr Recht. 4. Baur war – bei allem historisch-theologiegeschichtlichen Interesse – ein imposanter Vertreter einer dezidiert theologischen Interpretation des Johannesevangeliums, für die historische oder literaturhistorische Fragen letztlich nur dienende Funktion haben, um den (philosophisch-)theologischen Aussagegehalt bzw. die Tendenz eines Werks zur Darstellung zu bringen. In dieser entschlossenen Priorisierung der theologischen Auslegung hatte Baur erst hundert Jahre später in Rudolf Bultmann einen kongenialen Nachfolger gefunden. Dessen Kommentar bietet – nun auf der Basis der vielen inzwischen entwickelten literarkritischen und religionsgeschichtlichen Hypothesen – erneut eine kohärente theologische Auslegung des vierten Evangeliums (bzw. eigentlich des ‚vorredaktionellen‘ Werks des Evangelisten), die in ihrer Konsistenz bis heute unerreicht ist. Freilich zeigt sich bei Bultmann vielleicht noch stärker als bei Baur letztlich auch die Abhängigkeit der Interpretation von den zugrunde gelegten historischen und textgenetischen Annahmen, die auch dann von entscheidender Bedeutung sind, wenn man sie nur en passant erwähnt oder in die Fußnoten verbannt.158 5. Anders als Bultmann war Baur ein entschiedener Vertreter der spiritualistischen Tradition der Johannesauslegung. Die seit Clemens von Alexandrien159 bestehende und namentlich im deutschen Idealismus rezipierte Tradition von Johannes als dem ‚geistigen‘ Evangelium wurde bei Baur besonders konsequent durchgeführt. Als bloßer Ausdruck der Logos-Idee im Prolog konnte die johanneische Geschichte bei Baur in einer Weise gelesen werden, die die Fragen der Historie ebenso wie die literargeschichtlichen Fragen hintanstellen und von der Materialität der erzählten Wunder ebenso wie von der Leiblichkeit der Auferstehung (Jesu wie der Glaubenden) zugunsten eines geistigen Verständnisses absehen konnte. Mit der Abstraktion von der realen Geschichte mussten aber auch Jesu ganze Menschlichkeit, seine leibliche Existenz (das vere homo) und letztlich auch sein Leiden und Sterben zweifelhaft werden, so dass das Johannesevangelium letztlich zum Zeugen einer doketischen Christologie wurde. Die johanneischen Aussagen, die einer solchen Deutung im Wege stehen, konnte Baur unter Verweis auf die von ihm als Grundidee herausgearbeitete Vorstellung vom göttlichen Logos souverän ignorieren bzw. 158 Zur Kritik der Rekonstruktionen Bultmanns s. FREY, Eschatologie I (s. Anm. 8), 119–
150. 159 Cl. Alex., Hypotyp. VI nach Eus.h.e. VI 14,7.
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spirituell umgedeutet verstehen. Spätere Interpreten konnten solche Diskrepanzen dann als Indizien für eine Schichtenunterscheidung innerhalb des Evangeliums zwischen einer doketisierenden Schicht und einer antikodetischen Redaktion werten160. Am provokativsten hat im 20. Jahrhundert Ernst Käsemann die Interpretation Baurs wieder aufgenommen, bei dem das Johannesevangelium – ohne die Annahme von Schichtentrennungen – im Ganzen als ein naiv (d.h. unbewusst) doketisches Werk erscheint, in dem der Passion und dem Tod Jesu kein überzeugender Ort mehr zukommen kann.161 Auch wenn der doketischen Interpretation des Johannesevangeliums eine Vielzahl von Textelementen entgegenstehen und auch die Kategorie ‚Doketismus‘ mittlerweile präziser und differenzierter gefasst wird, ist diese Deutung bis heute eines der wichtigsten Paradigmen der Lektüre dieses Evangeliums, und im Hintergrund der kontroversen Diskussion um das Verständnis des ıȡȟ ਥȖȞİIJȠ in Joh 1,14 steht neben dem Provokateur Käsemann immer der Entwurf Baurs. 6. Mit der Rede vom Doketismus ist natürlich auch die Frage nach dem Verhältnis zur frühchristlichen (oder gar vorchristlichen) Gnosis gegeben. Baur hat hier noch ein vermittelndes Verhältnis gesehen, in dem Sinne, dass Johannes auf Denkformen der Gnosis zurückgreift, aber selbst die Grenze zur Gnosis nicht überschreitet. Immerhin soll das Evangelium nach altkirchlichem Zeugnis ja gerade gegen die gnostische Häresie (z.B. des Kerinth) geschrieben sein162, und zumindest seit Irenäus wurde es intensiv als Waffe gegen die Gnostiker verwendet. Doch wurde in der Forschung nach Baur das Verhältnis des Johannesevangeliums zur Gnosis noch enger bestimmt. Für Hilgenfeld ist es bereits ein Zeugnis des christlichen Gnostizismus, im „Übergang von der valentinianischen zur marcionitischen Gnosis“.163 Interessanterweise ordnet Hilgenfeld die Johannesbriefe vor dem Evangelium ein, da sich diese noch (!) gegen die Gnosis wendeten, während eine solche Gegner-
160 So schon Bultmanns Differenzierung zwischen den Quellen des Evangelisten – etwa den Offenbarungsreden und der Semeiaquelle – und der Rezeption durch den Evangelisten, dann aber vor allem ab ca. 1970 Georg Richter und der frühe Hartwig Thyen sowie die von ihnen inspirierten Exegeten, s. dazu FREY, Eschatologie I (s. Anm. 8), 287ff. 161 So programmatisch E. KÄSEMANN, Jesu letzter Wille nach Johannes 17, Tübingen 4 1980; s. dazu kritisch FREY, Eschatologie I (s. Anm. 8), 160–170; DERS., Die theologia crucifixi des Johannesevangeliums, in: A. Dettwiler/J. Zumstein (Hg.), Kreuzestheologie im Neuen Testament, WUNT 151, Tübingen 2002, 169–238; DERS., „...dass sie meine Herrlichkeit schauen“ (Joh 17,24). Zu Hintergrund, Sinn und Funktion der johanneischen Rede von der įંȟĮ Jesu, NTS 54 (2008), 375–397. 162 So Irenäus, haer. III,11,1. 163 HILGENFELD, Das Evangelium und die Briefe des Johannes (s. Anm. 135), 320.
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schaft dann im Evangelium nicht mehr erkennbar sei.164 Eine radikal gnostische Einordnung begegnet dann bei Johannes Kreyenbühl, der in Johannes ein kirchlich redigiertes gnostisches Werk sehen wollte, das er dem Gnostiker Menander zuschrieb.165 Mit Aufkommen literarkritischer Unterscheidungen konnte das vermeintlich ‚Gnostische‘ dann entweder als eine vorjohanneische, von Johannes aufgenommene aber theologisch zurückgewiesene Schicht (so Bultmann) oder als die eigentliche Dominante des ganzen Evangeliums (so Käsemann und v.a. Schottroff)166 angesehen werden. Die fortschreitende Modifikation und Differenzierung des Begriffs der Gnosis bzw. später des ‚Gnostizismus‘, seine ‚Orientalisierung‘ durch die Einbeziehung der mandäischen Texte durch Richard Reitzenstein und dann Walter Bauer und Rudolf Bultmann führte zum Postulat einer vorchristlichen Gnosis im Hintergrund des Denkens des Evangelisten;167 die später durch die Textfunde von Nag Hammadi erfolgte Erschließung gnostischer Originaltexte führte zu einer erheblichen Differenzierung der religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterialien und neuen Vergleichsmöglichkeiten,168 freilich wurde das vierte Evangelium – wohl auch aufgrund des Einflusses der etwa gleichzeitig entdeckten Qumranfunde – insgesamt doch wieder stärker von einem gnostischen Denken abgerückt.169 Doch führt die ‚Genealogie‘ der gnostischen Einordnung des vierten Evangeliums über Kreyenbühl und Hilgenfeld stets auf Baur zurück. 7. Baur hat das Verdienst, die Johanneskritik erstmals auf eine methodische Grundlage gestellt zu haben. Er hat erstmals nicht nur eine historische Kritik der Überlieferungsstoffe (so Strauß oder Bruno Bauer) geboten, sondern auch eine Kritik der Schriften, ihres Charakters und ihrer Tendenz. Freilich ist Baurs ‚historische‘ Methode heute mehr denn je als problematisch zu erkennen: Handfeste Widersprüche im Text konnte er bedenkenlos umdeuten, konkrete literarische Beziehungen und Abhängigkeitsverhältnisse waren ihm 164 AaO., 322ff.; DERS., Die johanneischen Briefe, ThJb(T) 14 (1855), 471f.; DERS.,
Einleitung, 682ff.737ff. 165 J. KREYENBÜHL, Das Evangelium der Wahrheit. Neue Lösung der johanneischen Frage I-II, Berlin 1900/1905. AaO., Band I, 108, weist er ausdrücklich auf Hilgenfeld als Anreger seiner Menander-Hypothese hin. 166 L. SCHOTTROFF, Der Glaubende und die feindliche Welt, WMANT 37, NeukirchenVluyn 1970; DIES., Heil als innerweltliche Entweltlichung, NT 11 (1969), 294–317; auch M. LATTKE, Einheit im Wort, StANT 41, München 1975. 167 W. BAUER, Johannesevangelium und Johannesbriefe, ThR 1 (1929), 135–149 (149), nennt später Kreyenbühl als Vorläufer der Versuche von ihm selbst und von Rudolf Bultmann, das Johannesevangelium auf dem Hintergrund der synkretistischen Gnosis zu verstehen. 168 So zuerst die Arbeiten von LUISE SCHOTTROFF, siehe oben Anm. 166. 169 Zu diesen Entwicklungen s. FREY, Auf der Suche nach dem Kontext des Johannesevangeliums (s. Anm. 17), 24–28.
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gleichgültig, allein die theologiegeschichtliche Einordnung nach den ‚Tendenzen‘ der Texte zählte – was im Blick auf die Synoptiker zu erheblichen Fehleinschätzungen führen musste. Im Übrigen musste Baur, um sein Bild der Entwicklung aufrecht erhalten zu können, auch bei Lukas und Matthäus mit Überarbeitungsstufen und Schichtungen rechnen, die rein inhaltlich – eben durch die jeweiligen ‚Tendenzen‘ begründet waren, während er dieses Verfahren bei Johannes nicht zur Anwendung brachte. Dies alles führt zur Einsicht, dass diese Methode, so sehr sie an der geschichtlichen Einordnung der Texte und Phänomene interessiert war, doch letztlich nicht historisch vorging, sondern eminent sachlich-theologisch, auf der Basis eines vorausgesetzten Bildes der theologiegeschichtlichen Entwicklung. Bekundet sich hier eine späte Folge der vom frühen Baur betonten Vorordnung der Philosophie vor der Geschichte?170 Jedenfalls zeigt sich hier – wie in vielen anderen großen Entwürfen – dass die sachliche Interpretation letztlich die historische Rekonstruktion erheblich beeinflusst und keineswegs einfach auf dieser als ihrer ‚objektiven‘ Voraussetzung basiert.171 Darin spiegelt sich natürlich auch der unentrinnbare hermeneutische Zirkel zwischen dem Interpreten und seiner Interpretation – auch in der Auswertung historischer Daten und Gegebenheiten: Hier besteht vielleicht die größte Analogie zwischen dem genialen Interpreten des 19. Jahrhunderts und seinem kongenialen Nachfolger im 20. Jahrhundert, Rudolf Bultmann: Beide zeichnet eine große theologische Vorliebe für das Johannesevangelium aus, das für den einen die reinste Verkörperung der christlichen Logos-Idee und für den anderen die reinste Verkörperung des eschatologischen Existenzverständnisses darstellt; beiden ist Johannes das Evangelium, das über den anderen dreien steht – darin sind sie beide gute Nachfolger des Johannes-Lobs Luthers.172 Johannes ist für Baur das dem Geist der eigenen Zeit am ehesten entsprechende Evangelium ebenso wie dann für Bultmann der biblische Kronzeuge seiner eigenen existentialen Hermeneutik: Wie Bultmann später den Johannes-Evangelisten in seinem Umgang mit der Sprache der Gnosis als biblischen ‚Vorläufer‘ für die von ihm selbst befürwortete Beziehung von Philosophie und Theologie und für sein Programm der ‚Entmythologisierung‘ in Anspruch nehmen konnte, so ist auch bei Baur das vierte Evangelium der Kronzeuge seiner eigenen idealistischen Auffassung des Christentums. Aufgrund dessen ist aber auch seine ei170 So das berühmte Diktum: „Ohne Philosophie bleibt mir die Geschichte ewig todt und stumm“ (F.C. BAUR, Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Alterthums I, Stuttgart 1824, XI). 171 Zum Wechselspiel von Rekonstruktion und Interpretation s. FREY, Aufgabe und Durchführung einer Theologie des Neuen Testaments (s. Anm. 84), 18–42. 172 M. LUTHER in seiner Vorrede auf das Neue Testament von 1522, WA Deutsche Bibel VI, 10; aufgenommen bei BAUR, Kritische Untersuchungen (s. Anm. 58), 386.
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gene Auslegung in einem Maße von dieser Gesamtschau beherrscht, dass alles Konkrete, Historische und Zeitlich-Räumliche gegenüber dem Ideellen zurücktritt. Umgekehrt liegt auch darin die – Baur und Bultmann gemeinsame – Genialität des Entwurfs, dass selbst dort, wo die konkreten historischen und literarhistorischen Urteile nach heutiger Einsicht weithin unzutreffend und korrekturbedürftig sind, die Interpretation als solche eine beeindruckende Kohärenz und Geschlossenheit aufweist. Wie sein kongenialer Nachfolger Bultmann war auch Baur mindestens ebenso sehr Systematiker bzw. Philosoph als Historiker oder Exeget, und trotz aller evidenten Probleme der historischen Methode und der historischen Rekonstruktion provoziert und fasziniert seine Interpretation als die bedeutendste und kohärenteste Johannesinterpretation des 19. Jahrhunderts fast ebenso sehr wie die seines ‚Nachfolgers‘ im 20. Jahrhundert. Wenn man hingegen im Zug der neueren Exegese Wert legt auf die Stimmigkeit der historischen Einordung, dann wird eine derart konsistente Sachinterpretation, wie sie Baur und auch noch Bultmann, wohl nicht mehr erreichbar sein. Die konkrete Geschichte ist eben doch mehr und anderes als die Projektion einer Idee, komplexer und diffuser – aber darin auch wirklicher.
F. C. Baur’s New Testament Theology ROBERT MORGAN The nineteenth-century phrases “New Testament theology” and “(the) theology of the New Testament” refer now to the broad range of New Testament studies seen in their relation to contemporary theology, or to those parts of the discipline that investigate biblical theological concepts, or to the textbooks which summarize the theological ideas and conceptions of the biblical authors or texts. These overviews exhibit the diversity of the New Testament evident to critical historical study, and may also imply its unity, as required by modern theologies wishing to be “normed” by scripture. With Baur, as for many biblical scholars and theologians, the concept embraces not only his lectures on New Testament theology, delivered in the last decade of his life and published posthumously1 but nearly all his historical and critical research on the New Testament, because this was undertaken as much with the theological interest and aim of clarifying contemporary Christian faith as with a historical interest in accurately and appropriately understanding the past. The philosophy which made history the bearer of theology, and without which “history remains for me eternally dead and dumb”,2 was integral to his New Testament theology and distinguishes it from that of most other historical-critical exegetes, with the partial exception of Bultmann. The theological character of Baur’s historical-critical New Testament theology did not require a theory of biblical inspiration or even the Christian canon of scripture as such. His lectures did not discuss the non-canonical texts that were important for his historical and theological construction of early Christianity, but that restriction to the New Testament canon was only a pragmatic recognition of its place in the church. He attached relative unimportance to the Old Testament. It was a foundational part of the theological syllabus, but was as marginal to his own historical and philosophical work as
1 F. C. Baur Vorlesungen über Neutestamentliche Theologie (ed. F. F. Baur; Leipzig:
Fues, 1864; repr., with an introduction by W.G. Kümmel, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1973). 2 F. C. Baur Symbolik und Mythologie (Stuttgart: Metzler, 1824), 1:xi.
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it was to Schleiermacher’s historical and systematic theology.3 That explains Baur’s restriction of his theologically motivated biblical theology to a New Testament theology, but also raises a question about its legitimacy, since Christian scripture contains both Testaments. The relationship between the Testaments has always been a topic for Christian theology but, by emphasizing the scriptural character of both, the undifferentiating phrase “biblical theology” has held them together in Christian thinking. Recent discussions of this still disputed question have underlined the theological character of “biblical theology” which is usually interested in the authority of the Bible as well as its meanings. Critical historical study, on the other hand, sat loose to the canon and seemed to licence reading the Old Testament as simply the record of a different religion with little religious or theological importance for modern Christianity. In contrast to some earlier rationalist theology, Baur’s speculative or metaphysical interpretation of all history allowed him to find some theology in the Old Testament, but did not endow this with more than preparatory significance, alongside Greek philosophy and later Jewish sectarianism. He did not advocate its exclusion from the church’s canon, as a few of his liberal Protestant successors would, but what mattered for him was its contribution to his recognizing the truth that its history (and all history) reflected. It seems that however indispensable the Old Testament is in identifying God who is known in Christianity, however foundational its preparation for Christ in history, and however valuable its religious literature, its role in the definition of Christianity is limited. Baur accepted Old Testament theology in Christian theological education but, contrary to some forms of biblicism, he thought its limited role different from that of a New Testament theology that seeks to clarify Christian identity. A unified “biblical theology” embracing both Testaments would be a pointless hybrid. The historical description of early Christian thought which forms the body of a New Testament theology will naturally include what this presupposes from the faith of Israel as expressed in the Old Testament and Second Temple Judaism, but that does not make the Old Testament normative, or Old Testament theology central to Christian theology in the way that New Testament theology is. Relativizing the Old Testament need not mean denying the historical and theological roots of Christianity, as Marcion did. Baur understood this now transcended stage to contribute to the new, not negatively or antithetically by excluding theological continuities or reducing them to the contingencies of 3 F. D. E. Schleiermacher Brief Outline on the Study of Theology (ET Richmond, Va.: John Knox, 1966), §135, 50–60; p. 53 (§115) notes that “the Jewish codex does not contain any normative statements (Glaubenssätze) of peculiarly Christian doctrines”.
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history, but positively, by taking up the past into the present. The New Testament, on the other hand, contains intentionally Christian texts that might still provide a scriptural norm (as well as source) of Christianity even when historical exegesis demands respect for authorial intention. Baur did not use that traditional language but his New Testament theology did aim to inform and guide contemporary Christian belief. The history of the discipline (whose godfather is Luther, not Calvin) suggests that this has usually been its main purpose. The difference in the ways in which the two Testaments are indispensable for Christian faith provides theological justification, beyond the pragmatics of scholarly specialism, for Baur, like some of his predecessors and most of his successors, keeping New Testament theology distinct from Old Testament theology. That need not deny the irreplaceable historical and theological significance of the Old Testament itself. Against any such tendency the label “biblical theology” signals a Christian theological obligation to relate the two Testaments, whatever the risk of wrongly seeming to imply their identical status and role in Christianity. Even when the Testaments were treated separately the retention of the phrase by G. L. Bauer and some of his successors affirmed the theological background of New Testament theology in Protestant orthodoxy and Pietism. Like the Reformers, these theologians had fused the two meanings of the phrase: the theology contained in the Bible, and their own theology in accord with the Bible. This Protestant intention survived in the emphatically theological character of some New Testament theology, including Baur’s. On the other hand the disappearance of “biblical theology” from the titles of most New Testament theologies from Reuss (1852),4 Lutterbeck (1852),5 Hahn (1854),6 and Baur himself onwards allowed the historical aspect of the theological discipline to stand out more clearly than it does in the undifferentiating phrase “biblical theology”. Unlike today it was the descriptive and historically impartial character of both Old and New Testament theology that needed emphasizing in the nineteenth century, both to distinguish biblical theology from dogmatics and to insist on its historical integrity against apologetic distortions. Even Baur could identify an Old Testament point, the Messianic idea, where “Christianity and Judaism belong to each other so closely that the for4 E. Reuss Histoire de la théologie chrétienne au siècle apostolique (Strasbourg: Treuttel & Wurtz, 1852) is clearly a “New Testament theology”, despite its inclusion (like Bultmann) of 1 Clement and the Epistle of Barnabas. 5 J. A. B. Lutterbeck Die Neutestamentliche Lehrbegriffe, oder Untersuchungen über das Zeitalter der Religionswende (2 vols.; Mainz: Florian Kupferberg, 1852). 6 G. L. Hahn Die Theologie des Neuen Testaments, Vol. 1. (Leipzig: Dörffling und Franke, 1854).
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mer can only be understood in the light of its connection with the latter.”7 But his purely historical perception of the Old Testament, which discounted traditional doctrines of inspiration and election, and the supersessionist implication of his philosophical interpretation of history, weakened the Jewish component in Christian faith. Even if this were appropriate, it would have fatal historical and theological consequences. Like many Enlightenment and German idealist thinkers Baur defined the Christian idea in terms of its difference from Judaism. However, he saw that to progress in history it had to be embodied in existing beliefs. This historical necessity would allow him to make room in his historical presentation of New Testament theology for ideas that were not relevant for his own theology. He did not need to weed them out or see in them a divine accommodation to the limitations of ancient thought or violently re-interpret them in the light of his modern philosophical theology. They could be included in a New Testament theology that made plain the historically contingent, non-normative character of much of the biblical material. All interpretation highlights some aspects of a text at the expense of other aspects. Baur thought his critical historical account of Christianity enabled him to see what was and remains essential. Baur’s belief, shared in different ways by such radical critics as Bultmann and his pupils as well as by many conservative theologians, that historical and exegetical integrity is compatible with the theological aim of the discipline to guide and inform contemporary Christianity, has been questioned by twentieth-century scholars from Wrede8 through Stendahl9 to Räisänen.10 While sympathetic to (some) theology they recognized the danger ever-present in New Testament theology of religious interests compromising historical integrity. They therefore preferred the earlier Enlightenment proposals that held history and theology apart, to those of Baur and Bultmann who fused them. Many historical theologians have subsequently inclined to the Enlightenment tendency to separate history and theology. There are some good arguments on both sides. Their history and theology coincide. That related Baur and Bultmann to patristic, Reformation and modern conservative theologies, and to most Christian reading of scripture which also declines to separate faith and reason, but it swims against the tide of secular historical studies. A dialectical relationship that does justice to the legitimate concerns of both sides is needed. 7 F. C. Baur The Church History of the First Three Centuries (ET London: Williams and
Norgate, 1878), 1:38. 8 W. Wrede Über Aufgabe und Methode der sog. Neutestamentlichen Theologie (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1897). 9 K. Stendahl “Biblical Theology, Contemporary,” IDB 1 (1961): 418–32. 10 H. Räisänen The Rise of Christian Beliefs (Minneapolis: Fortress, 2010).
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Despite his historical focus on the origins and the subsequent history of Christianity at the expense of the Old Testament scripture, and without compromising his whole-hearted embrace of modern critical methods, Baur’s “New Testament theology” was no less theology than the older biblical theology with its exclusively religious and theological aims, or than the more recent historically conscious biblical theologies of his Enlightenment predecessors. His radical historical researches would require a new synthesis, but it would again be a theological synthesis. When J. P. Gabler11 and G. L. Bauer12 pioneered the modern historical discipline a generation or so before Baur published his first major article reviewing G. P. C. Kaiser’s modern “biblical theology”,13 they had both signalled their continuity with previous doctrine-dependent biblical theology even while advocating, and in Bauer’s case carrying through, the separate treatment of the two Testaments that a more historical approach demanded. The “biblical theology” of Protestant orthodoxy had gathered and clarified proof-texts (dicta probantia) in support of orthodox dogmatics. That of Pietism had criticized this Aristotelian scholasticism and (like the Reformers) again made biblical language available to interpret Christian experience. G. L. Bauer retained their phrase “biblical theology” in the title of his historical, descriptive Biblical Theology of the New Testament, but separated this from his earlier Theology of the Old Testament (1796), lecture handouts described more clearly historically as a “sketch of the religious concepts of the ancient Hebrews from earliest times to the beginning of the Christian epoch”. His New Testament title, followed by Lossius (1825), von Cölln (1826), Schmid (1853), and after Baur’s time by Bernhard Weiss (1868), von Hofmann (1886), and Weidner (1891),14 implicitly acknowledged the aims he shared
11 J. P. Gabler Oratio de iusto discrimine theologiae biblicae et dogmaticae regundisque recte utriusque finibus. German tr. in O. Merk Biblische Theologie des Neuen Testaments in ihrer Anfangszeit (Marburg: N. G. Elwer Verlag, 1972), 273–84; repr. in G. Strecker, ed., Das Problem der Theologie des Neuen Testaments (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975), 33–44. ET SJT 33 (1980): 133–58. Merk’s excellent monograph contextualizes and analyses the work of both these Altdorf theologians. Even as Gabler pioneered the new, he was positive about the merits of the supranaturalist Zachariä’s Biblische Theologie (5 vols.; Göttingen: Brose, 1771–1786) subtitled as “investigation of the biblical grounds of the main theological doctrines”. 12 G. L. Bauer Biblische Theologie des Neuen Testaments (4 vols.; Leipzig: Fues, 1800– 1802). 13 Bengels Archiv für Theologie II, 3 (1818) : 656–717. Kaiser’s subtitle refers to its “grammatical-historical mode of interpreting Judaism and Christianity” and its “candid placing them in a critical and comparative universal history of religions and in universal religion”. 14 The conventional use of the title by Weinel (1911) for a history of religions presentation was scarcely appropriate. The repristination of the phrase by Hübner (1990–1995) and
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with the older biblical theology. The “neologian” Gabler continued to use without qualification the phrase “biblical theology” which linked him with his predecessors in this field, especially G. T. Zachariä, even as he made the discipline historical, setting on one side the question of inspiration and separating the Testaments and different authors. In asserting the historical, in contrast to dogmatic, character of biblical theology, neither Gabler nor any of his successors over the following century were in any doubt about the religious and theological aims still present in their more historically conscious exegesis. Gabler’s programme was designed to defend the authority of the Bible in dogmatics by suggesting how to evade those parts of it that could not possibly now apply to modern Christians. Its first step of historical and exegetical analysis was preparatory to the second, which would sift the biblical material to remove what was merely historically conditioned, isolating what seemed still true, and handing it over to be pondered further by dogmatics. The first step in Gabler’s proposal was carried out by G. L. Bauer, but not the second, which well illustrates the problems of the discipline. All the biblical material is historically conditioned, and the criterion for Gabler’s sifting process would be what he already believed. The chance of learning anything new or being challenged by scripture was therefore minimal. Bauer did not in principle disagree with his colleague, but like Semler preferred the theory of divine accommodation to explain away the unbelievable parts of scripture. That theological move is open to similar objections, but it confirms that the historical and exegetical work of the rationalist theologian and orientalist Bauer was equally part of a modern theological programme. By contrast F. C. Baur would have recourse to neither expedient when he also distinguished between what in the New Testament material was true and essential for contemporary Christianity and what was not. The historical approaches of Gabler and Bauer implied a distance between their New Testament theology and dogmatics absent from the Reformers, Orthodoxy and Pietism. They did not, however, deny the normative status of at least parts of scripture. Their clarifying what the different biblical witnesses were saying, and doing so from a Christian perspective, continued to guide modern preaching and doctrine, while taking account of critical insights. The new historical biblical theology was less disturbing than the parallel new discipline of “critical introduction” because unlike that it took the canon for granted. It was also much less revolutionary than the beginning quest for the historical Jesus because it explained the biblical texts without going behind Stuhlmacher (1992–1999) on the other hand was intended to emphasize the traditional theological character of the enterprise.
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them in search of a more attractive authority. F. C. Baur’s more critical New Testament theology would incorporate the latest historical knowledge that now seemed to undermine the capacity of scripture to function as a norm for Christian life and thought. It would nevertheless contrive not only to inform but to instruct contemporary Protestant Christianity, and assert its truth. Even the new rational biblical criticism had in the main been driven by positive religious aims. Richard Simon was a priest and Roman Catholic apologist. Reimarus and his Irish, English and Welsh precursors were critical of orthodoxy but devout apologists for Deism. Semler and Michaelis revolutionized Old and New Testament scholarship but their liberal and rationalist theologies avoided rocking their state churches’ boats. Enlightenment biblical theology absorbed the new knowledge without the authority of the clearly Christian New Testament being undermined. The Old Testament might appear in most respects antiquated but the New seemed to shine more brightly as a guide to Christian faith when illuminated by some cautious historical study. Only when a generation later F. C. Baur’s more probing historical investigations of early Christianity, and above all Strauss’ 1835 Life of Jesus, had reconfigured the critical landscape could New Testament theology be seen to need major readjustments. Even then, so long as the radical critical conclusions were disputed, the adjustments were often not made, and most biblical theology remained the province of more conservative theologians as liberals and radicals invested their energies in a religious history-writing more free of doctrinal odours. Like those of his rationalist predecessors, Baur’s epoch-making critical historical studies were part of a larger theological programme, but as his critical conclusions were far more radical so his theological proposal needed to be more innovatory. Like his last and lasting guide Hegel he thought he could overcome the merely subjective negative criticism of the Bible and Christian tradition developed in the Enlightenment and continued even by the young Hegelian Strauss, and could find in the New Testament and Christian history a genuine revelation and knowledge of God compatible with past formulations of the faith, whether orthodox or, like the second-century gnostics and their nineteenth-century German idealist counterparts, more or less heterodox.15 Both Baur and Hegel would have agreed with Barth and Bultmann in rejecting the modesty of biblical scholars who thought it not their business to speak normatively of God, at least by implication.16 15 See Die christliche Gnosis (Tübingen: Osiander, 1835). The sub-title calls it “christliche Religions-Philosophie”, meaning for Baur, philosophical theology. 16 Barth’s explicit theological interpretation of scripture, exemplified in his commentary on Romans and defended especially in the Preface to the second edition (1922), may be contrasted with the implicit theological interpretation characteristic of most historical-critical
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The historical scholarship of Baur’s New Testament theology thus needs to be seen in the context of his modern theological synthesis of faith, philosophy and criticism. He integrated his critical scholarship more closely than most contemporary biblical scholars do with his own modern philosophicallyinformed theological construction, thus endowing this historical research with immediate theological significance. For him, as for Bultmann nearly a century later, New Testament theology was theology in the sense of being itself truthful talk of God, not simply a reconstruction of the history of early Christian theology which (so far as the evidence allows) they were also attempting to write. Baur’s historical theology (of which his New Testament theology was only the most important part) was, like Bultmann’s, a way of doing contemporary theology, not merely a historian’s contribution to the theological enterprise that could as well be done by a non-theologian. Their historical work was part of their different but analogous modern theological syntheses of faith, philosophy and criticism. Generations of further research and the demise of metaphysical systems resulted in Bultmann’s structurally similar synthesis being historically more defensible and philosophically less ambitious than Baur’s, but their parallel motivations and ingredients and anthropologically-oriented theological structures17 can help modern readers to understand the now far more remote churchman by foregrounding the theological and philosophical gulf which separates both Baur and Bultmann from a more secular biblical scholarship opposed in principle to a theological New Testament theology. The critical gulf that separates them both also from more conservative theologies provides a further challenge to contemporary Christian thought. Very few since Schleiermacher have combined radical criticism, a liberal theology orthodox in intention, and ecclesial loyalty, to the same degree as these two masters of the discipline. Bultmann had already been inspired by Luther and Kierkegaard among others when he was stimulated by Barth’s 1922 edition of The Epistle to the Romans to become part of “the latest theological movement”, labelled “dia-
New Testament theology. Bultmann’s intention to speak of God is most evident in his 1925 article “What Does it Mean to Speak of God” reprinted in Faith and Understanding 1 (ET London: SCM Press, 1969), 53–65. Käsemann wrote of the “thoroughly misplaced modesty” of exegetes who “suppose that they merely do the historical donkey work for the systematic theologian” (1957, ET New Testament Questions of Today [London: SCM Press, 1969], 7). 17 On Baur’s recognition that Paul’s theological concepts rest on a particular understanding of human existence, see R. Bultmann “Zur Geschichte der Paulus-Forschung,” TRu n.F.1 (1929): 26–59 at 30–35; repr. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1964. The fusion of their interpretations of Paul and their own theologies is characteristic of some New Testament theology.
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lectical theology”.18 He remained faithful to his Lutheran tradition as he developed a modern theology that integrated into a neo-Reformation theological frame the history-of-religions and history-of-traditions research he had learned from his liberal Protestant teachers, and which as a New Testament professor he had already developed in promising ways. His teachers and models had included Gunkel and Harnack in Berlin, and in Marburg his doctoral supervisor Johannes Weiss, and then briefly Heitmüller, as well as the leading systematic theologian of the day, Wilhelm Herrmann. Remembered now as outstanding historians, the Marburg and other German biblical scholars were as much theologians as the Ritschlian neo-Kantian systematician and ethicist Herrmann. They were all guiding future clergy in understanding the scriptures from which they would preach and teach. The ways they had combined their Christian faith and their biblical scholarship, however, had resulted in an attenuated theology that scarcely challenged the prevailing culture and seemed ill-equipped to address a rapidly changing Europe. Bultmann did not want his theological interests to distort his critical scholarship, and he declared them repeatedly as he constructed a synthesis more suited to the secular society that emerged from the German revolution of 1919 and the liberal democracy he welcomed in 1945. Baur had been equally determined that his theology (and the philosophy it required) should enlarge rather than distort his historical understanding, but he too was primarily theologically motivated. Like Bultmann’s 1922 reading of Barth, which drew him away from the inadequate theology of his critically and historically stellar teachers and into a collaboration of sorts with Barth and Gogarten, Baur’s 1822 reading of Schleiermacher’s Glaubenslehre drew him away from the older Tübingen supernaturalism and into the philosophical theology of German idealism. At the age of 42, a few years after their different theological reorientations, both these historically trained and philosophically competent professors of theology arrived at their distinctive recipes for making modern theological sense of the ancient texts whose deepest meanings they were called to communicate. Baur (after some earlier engagement with Schelling) found help in Hegel’s metaphysics of history, Bultmann (after some study of Dilthey’s theory of history) in Heidegger’s philosophy of existence. Like Baur, the theologian Bultmann has now also become part of the history of biblical studies, but the century between them had brought a different intellectual culture. Unlike Bultmann, Baur did not need to reaffirm the strongly theological character of biblical, and so of New Testament theology. In the nineteenth century that was unquestioned. Liberals disliked dogma and 18 R. Bultmann Faith and Understanding 1:28–52, 145–64 (German 1924 and 1928).
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built new theologies on their history, but those who disliked theology did not usually teach the Bible in universities. By contrast, Barth and Bultmann found it necessary to insist that the interpretation of the Bible in the church, which (like Baur) as theologians they served, was a matter of theology as well as languages, history, literature and textual criticism. Faced with a further secularization of biblical scholarship all three (and their pupils) would have something acerbic to say about a critical scholarship with strong religious interests seeming reluctant to engage with the theological (and so, philosophical) aspects of New Testament theology. The separation of Old and New Testament theology which Baur and Bultmann presupposed followed from the historical and linguistic distance between these human texts, and had become institutionalized by increasing specialization within theological research. But it also had a theological dimension. It echoed Luther’s dialectic between law and gospel but reflected the way this had often been hardened in Enlightenment Christianity into an antithesis between a religion based on external ordinances and one based on the freedom of the Spirit. Baur aimed to overcome the weaknesses of Enlightenment theology, as Bultmann did those of his liberal Protestant teachers, but both were as much sons of the Enlightenment as of the Reformation. Like Schleiermacher, and unlike Barth, (and unlike in the opposing camp Troeltsch and Schweitzer) Baur and Bultmann saw no need to choose between them. Nevertheless in their reading of the Old Testament, shaped by modern historical perceptions, their modernity trumped their Reformation heritage. The theological readjustments brought about by modern philosophy and historical study explain why, like Schleiermacher before him and Bultmann after him, Baur underestimated the importance of the Old Testament for Christian faith and theology. His theology hinged on New Testament theology, not biblical theology, and therefore depended on his radical historical criticism of these texts above all. Not many of Baur’s contemporaries and successors have approved his combination of radical historical criticism with a revisionary Christian theology. Liberals rejected what was for them a still too doctrinal theology, and corrected his literary and historical criticism. Conservatives rejected both his idealist theology and his rational criticism. Baur’s fusion of both in a Hegelian metaphysics of history thus led to the relative neglect of the thinker that Dilthey and others judged the second greatest theologian of the nineteenth century. But the still debated arguments in favour of Bultmann’s integration of history and theology in his theological exegesis recommend some reconsideration of Baur. In what is still the best monograph on him, Peter Hodgson observes that his “greatness consisted in his unequivocal recognition of the radically historical nature of the Christian Church and Christian faith, and in
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his concomitant desire to relate historical-critical study internally rather than externally to the contents of dogmatic affirmation. He thought this to be possible by developing a method for historical understanding appropriate to a critical and theological study of the Church and its founding events, a study which he claimed to be an intrinsically proper and necessary theological discipline.”19 That is the key to Baur’s New Testament theology as to almost everything else he wrote. The key proved too heavy for exegetes more sceptical of philosophical systems, and besides, it did not quite fit the data. Re-cut to fit new historical assessments of the biblical material, and reconstituted from new alloys of philosophy and theology, it might nevertheless suggest conditions for the possibility of some future New Testament theologies. As the scholar most responsible for “the formation of historical theology” (Hodgson’s title) Baur followed Schleiermacher’s definitive use of that phrase which included “exegetical” (i.e. New Testament) theology. Here the noun “theology” is at least as important as the adjectives “historical” and “exegetical”. Baur evidently agreed with Schleiermacher that “historical theology is the actual corpus of theological study” and “part of the modern study of history” and “the indispensible condition of all intelligent effort toward the further cultivation of Christianity”,20 while recognizing that not all historiography was theologically fruitful.21 Both these giants connected their exegetical study with theological and philosophical reflection, but Baur took historical research to a new level. The generation difference between them allowed him as a young classics teacher to learn from B. G. Niebuhr how to analyse sources critically, and subsequently from Hegel more about historical development. His preference, from 1834 onwards, for Hegel’s fusion of history and metaphysics over both Schleiermacher and Schelling as the basis of his own theological vision is illuminated by his lengthy discussions of these, his three most important mentors, in Die christliche Gnosis (1835), revisited in Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts,22 and applied in the great untranslated monographs on the history of dogma23 and those on Paul24 and church history.25
19 Peter C. Hodgson, The Formation of Historical Theology (New York: Harper and Row, 1966), 1. 20 Brief Outline, 26, 41. 21 Discussing New Testament criticism Schleiermacher writes of “the theological aim behind this study” and adds that “any extended occupation with the New Testament canon which is not motivated by a genuine interest in Christianity can only be directed against the canon”. Brief Outline, 56, 60. 22 Ed. E. Zeller; Tübingen: Fues, 1862; repr. Stuttgart: Frommann, 1970. 23 Die christliche Lehre von der Versöhnung in ihrer geschichtlichen Entwicklung von der ältesten Zeit bis auf die neueste (Tübingen: Osiander, 1838); Die christliche Lehre von
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This insistence on a close relationship between theology and philosophy in all historical theology, including New Testament theology, is again reminiscent of Bultmann, who like Baur was guided by the question of how the modern theologian can most appropriately speak of God, and who also answered that question by reflecting on human existence in history. Unlike Bultmann, however, Baur thought of history as a developing process, and as such the self-revelation of God. That had some roots in the Christian tradition but the European optimism and belief in progress which had sustained it was fractured following 1914, and the attraction of theologies of history for nationalism further discredited them following the “German Christian” attempt to Nazify liberal Protestantism. It is hard for anyone unfamiliar or uncomfortable with Hegel’s metaphysics to appreciate Baur’s theology of history, articulated in his New Testament theology and much larger histories of dogma and of the church. Some of his successors agreed with him in seeing New Testament theology as the first chapter of a history of Christian doctrine but abandoned the Hegelian conceptuality in which he understood and partly expressed it. What was lost in their turn from a strong to a weaker idealist or a more positivistic historiography is Baur’s theological proposal for speaking normatively of God. The question whether that is as fatal for New Testament theology in general as it perhaps is for Baur’s in particular remains on the agenda. Baur’s theological and philosophical synthesis articulated his understanding of God in history, God who in Christ achieved the reconciliation of the human and divine which speculative historians can see being worked out through the history in which they are themselves participants. This theory or vision was evidently vulnerable to both philosophical and historical criticism. When Hegel’s synthesis lost credibility, partly as a result of further historical knowledge, and Baur’s picture of the overall development of Christianity was seen to contain some minor flaws and some serious errors, the synthesis would be left behind. Some of Baur’s historical suggestions depended for their credibility on his overall picture, but this depended on its details, some of which were mistaken. Many of his conclusions and much of his framework were absorbed piecemeal by his successors, but enough of the total historical scheme was rejected to undermine his theological interpretation of the whole. der Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes in ihre geschichtlichen Entwicklung (3 vols.; Tübingen: Osiander, 1841–1843). 24 Paulus der Apostel Jesu Christi (Stuttgart: Becker and Müller; Leipzig: Fues, 1845, 1866–18672). The English translation was published in 1875, translated by Oxford and Scottish Hegelians. 25 Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte (1853; ET as in n. 7 above, 1878–1879). Four further volumes followed in 1859–1863.
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If history does not advance through conflict to resolution or reconciliation, the interpretation of all this as the divine Spirit realizing itself is not compelling. Grand narrative interpretations of the historical process have been discredited by subsequent detailed study of the relevant texts in changing social and intellectual milieus. The shape of Baur’s theological interpretation of the New Testament remains suggestive, however, and this is worth the attention of anyone looking for critically sound and theologically illuminating interpretations of the Bible. *
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Baur’s Paulus (1845) is surely among the greatest works of biblical criticism ever written, but to move from the still largely persuasive critical demolition of the historicity of Acts, the partly persuasive discussion of the major epistles, and the more tentative and partly mistaken judgments on the shorter epistles, to “the doctrinal system of the apostle” in Part III is to enter a foreign country. The traditional language of dogmatics also now looks inadequate for describing the thought of any New Testament writer, but it is at least familiar. The language of Hegel, beginning with Baur’s chapter on “the principle of the Christian consciousness” now seems quite strange. Even Harnack, writing less than a generation after Baur’s death, in the heyday of liberal theology, and with due appreciation for “a great master”, and “far from disparaging the historical importance which belongs to the Tübingen School”, could look back only in disbelief at “those days when in historical theology the words ‘Jewish Christianity’, ‘Gentile Christianity’, buzzed forever about our ears, and beside them the philosophical notions of ‘Consciousness’, ‘Image’, ‘Idea’, ‘Reality’. ‘It is the fate of the Idea in positing itself to posit itself in an infinitely manifold way’ – so Schelling and Hegel had said, and so the ideas ‘posited themselves’ in primitive Christianity, though in a manner less manifold than monotonous, till they posited themselves to rest in Catholicism.”26 Harnack’s quotation and unsympathetic paraphrase are hardly typical of Baur, but it is surely true that “in this account of the Pauline theology as the doctrine of the unity of the subjective and the objective spirit, it is not so much the historian as the disciple of Hegel who has the last word”.27 Because Hegelian language is even more foreign today than it was a century and more ago it is natural for New Testament scholars to follow Harnack and Kümmel 26 Quoted by M. Rumscheidt, Adolf von Harnack: Liberal Theology at its Height (London: Collins, 1989), 182–83, from an address on “The Present State of research in Early Church History” delivered by Harnack in 1885. 27 W.G. Kümmel, The New Testament: A History of the Investigation of its Problems (ET London: SCM, 1973), 137.
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in discounting it and to concentrate on the pioneering historical research that constitutes the “actual corpus” of his New Testament theology. Baur was broadly right that there was conflict in the early church28 and pseudonymity in the New Testament,29 and about the largely unhistorical character of the Fourth Gospel.30 His mistaken chronology and belief in the priority of Matthew do not affect the shape of the overall picture as much as was claimed by opponents.31 Their objections to his criticism and to his construction were often more theologically motivated than historically grounded. The young Harnack’s criticisms do, however, have merit. Unavoidable as the categories Jewish and Gentile Christianity are, they are not the key to everything, and Harnack’s remark that “now we know that Judaism in the age of Christ and his apostles was a richly-composed and multiform picture”32 is more clear if not more pertinent now than it was then. The modern study and appreciation of Judaism poses questions for Harnack too. Baur’s failure to distinguish sufficiently between classical philosophy and the Hellenistic age was another blemish. It allowed him to interpret the central Pauline concept of Spirit in terms of his own theology, mistakenly. And, like Harnack, he underestimated the importance of eschatology in Jesus’ preaching as a result of his modern ethical interpretation of Matthew’s moral interpretation of “the kingdom of heaven” in Jesus’ teaching. Corrections at these points justify Kümmel’s observation that “since Baur’s time, scholarly work on the New Testament has been possible only when the fundamental methodological principles he indicated have been fol28 “Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde...,” Tübingen Zeitschrift für Theologie V, 4 (1831): 61–206. 29 Die sogenannten Pastoralbriefe des Apostels Paulus aufs neue kritisch untersucht (Tübingen: Cotta, 1835). His more tentative rejection of Philippians, 1 Thessalonians and Philemon was soon corrected by Hilgenfeld within his “school” but his rejection of 2 Thessalonians, Ephesians, Colossians, and the Catholic Epistles has been widely upheld. 30 “Uber die Composition und den Charakter des johanneïschen Evangeliums” (Theologische Jahrbücher 3, 1844) was taken up into Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien (Tübingen: Fues, 1847). 31 In his 1950 Preface to the sixth (1950) edition of The Quest of the Historical Jesus (London: SCM Press, 2000, xl) Albert Schweitzer commented that “Matthew’s fullness gives it greater importance” (over Mark) “and Baur and his school rightly gave it preference” (in historical Jesus research). E. Hirsch also argued that the two source hypothesis did not much improve on Baur because his preference for Matthew included the material from Mark and Q. It merely provided better grounds for following in Baur’s steps. Geschichte der Neuern Evangelischen Theologie (3rd ed.; Gütersloh: Gerd Mohn, 1964), 5:542. C. K. Barrett “Quomodo historia conscribenda est” (NTS 28 [1982]: 303–20 at 310) agrees with R. H. Fuller and W. G. Kümmel that the general shape of Baur’s historical construction survived its being squeezed into a shorter time-span. 32 See Rumscheidt, Adolf von Harnack, 184.
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lowed and his overall historical view has been superseded or improved”.33 His historical construction has been improved by more factors being taken into account as contributing to the development of early Christianity. The conflict between Jewish and Gentile Christianity and its gradual resolution in the reconciliation achieved in the late second-century Catholic church is evident in parts of the New Testament but the development was surely less linear and more multifaceted than Baur supposed. Asking of every writing where it stands in relation to the opposition between Paul and Jewish Christianity is partial and one-sided. Geography, the delay of the Parousia, and other social and religious factors undoubtedly played a part. Baur’s historical template, however, remains influential long after many of its details have been abandoned because (as Harnack observed34) it posed what historians agree is an essential question about how the second-century Catholic church emerged from Christian beginnings. It is in any case not obtrusive in his lectures on New Testament theology, which depend far less on philosophical theory than his earlier histories of dogma. The bi-linear scheme of Jewish and Gentile Christianity moving towards reconciliation has a largely heuristic significance in these lectures. The historical unfolding of the Christian idea does not here bear the whole weight of Baur’s understanding of God in Christ. In contrast to his history of dogma his lectures owe more to his conviction that Kant’s ethics of intention go to the heart of Jesus’ teaching. Most important for Baur himself, and suggestive for other New Testament theologians who are also of necessity historians, is the way Baur tried to explain how the post-resurrection churches, Jewish and Gentile, emerged from the historical activity of Jesus himself. Bultmann’s question “how the proclaimer became the proclaimed” sees in the differences between Jesus himself and early Christianity the central issue in any New Testament theology concerned with the identity and truth of Christianity today. It still sometimes surfaces in its nineteenth-century form as “the Jesus-Paul debate”35 or as “the historical Jesus and the kerygmatic Christ”, and is often implicit in the correct but theologically loaded phrase “Jesus the Jew”. The question was sharply posed and wrongly answered by Reimarus, but it first became acute within theology when Baur’s contribution to “the Johannine question” undermined Schleiermacher’s attempt to locate the historical figure of Jesus on the side of Christianity by treating the Fourth Gospel as substantially historical. Like Schleiermacher, Baur himself also found much of his Christianity in Jesus, but he found it in a Kantian rather than a Johannine portrait of the historical 33 W. G. Kümmel, New Testament, 143. 34 “Present State,” 183. 35 See e.g. V. P. Furnish “The Jesus-Paul Debate from Baur to Bultmann,” BJRL 47
(1965): 342–81.
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figure. We concentrate here on his contribution to this theological issue of the place of Jesus and his teaching in Christianity and so in a New Testament theology. His now “superseded or improved” pioneering historical achievements are discussed elsewhere in this volume and have dominated most other discussions. The historical questions about the origin of Christianity in Jesus’ life and death can be given only tentative answers because the evidence for the period immediately following the crucifixion is slim, indirect, and partly unreliable. Baur insisted that historical hypotheses are possible without recourse to supernaturalist explanations, but of course they remain only better or worse suggestions. The theological relationships between the religion of Jesus and the theologies of Paul and the post-resurrection churches can, however, be discussed on the basis of historical research without many of the disputed questions being finally or even approximately settled. The argument between Bultmann and his pupils in the so-called “new quest” of the historical Jesus in the 1950s and 60s is partly prefigured in Baur’s inclusion of Jesus’ teaching in his lectures on New Testament theology, and in his equally theological Church History.36 Before turning to that, we may illustrate the connection between theology and history for Baur’s opponents also, and reinforce that primarily theological import of the debates, by turning back to the early reception of Baur where historical objections to his critical historical conclusions were largely driven by an older theology. Some of these historical and literary arguments are now settled but the theological differences they harbour remain unresolved. Some of the objections to Baur’s radical historical criticism are summarized in the protest of a Scottish divine, A. B. Bruce, that Baur’s theory “makes of Christianity a thing of purely natural origin, calls in question the authenticity of all but a few of the New Testament books, and makes the whole collection contain not a harmonious system of Divine truth but a confused mass of merely human and contradictory opinions as to the nature of the Christian religion.”37 Other historians would soon fault Baur for making the confused mass of early Christian history too orderly and schematic, but for 36 The posthumous abbreviation of Baur’s title Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte (1853) to Kirchengeschichte der drei ersten Jahrhunderte (18633), followed by the English translation, obscures Baur’s distinction between Christianity and the church. See ET pp. xi. 1, 23, 27–37 on the “original Christian consciousness … the early Christian idea … the absolute moral command … a morality which does not consist merely in the outward act but in the inner disposition” (p. 29). This essential Christianity is prior to church and dogma. 37 A. B. Bruce, F. C. Baur and His Theory of the Origin of Christianity and of the New Testament Writings (Present Day Tracts 38; London: Religious Tract Society, 1885), 5.
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most theologians it was the alleged contradictions that were disturbing because they seemed fatal to claims about the inspiration and truth of the Bible, and undercut its use as a norm of Christianity. Whatever their divine or human origin, if the theological statements of the New Testament were contradictory, who is to say which parts of scripture are to be preferred? The problem of theological appropriation, addressed unsuccessfully by Gabler’s proposal of a second step beyond historical description resurfaces when the diversity of the New Testament is recognized. Luther’s dialectic between scripture and the gospel would later provide Bultmann and Käsemann with a possible solution rarely embraced by non-Lutherans,38 but Baur expected to find the truth of Christianity through historical research in which his subjectivity could be engaged with what is objectively real. Hearing the kerygma would have seemed to him as subjective as Schleiermacher’s theology. Conservatives like Bruce opposed Baur’s rejection of supernaturalism and the implications of his work for their traditional views of the inspiration of scripture, but the contradictions he saw between different parties in the early church worried even moderates who had accepted a cautious historical study of the Bible and whose belief in divine immanence allowed for transcendence without supernaturalism. Baur, however, did not need to deny or minimize the conflicts in church history, or to find in scripture a harmonious system of divine truth. Around 1834 (if not before) he found in Hegel’s dialectical account of historical development a way of interpreting theologically the contradiction between Pauline and Jewish Christianity that he had described in 1831. The historical reality of early Christianity would, he thought, confirm its divine truth in a new way. Hegel’s Lectures on Religionsphilosophie were published posthumously in 1832, and soon studied closely by Baur. The contradiction between Pauline universalism and Jewish-Christian particularism in the New Testament could now be interpreted in terms of the Hegelian dialectic as part of the process of divine self-revelation in history. Baur argued that rationalist historiography, including Strauss, had seen only the negative critical impact of historical research on Christian faith. Theologically reflective historians such as himself, on the other hand, interested in the Sache or inner subject-matter of religious history (i.e. Spirit), could see in the mirror of their own spirit or mind the critically reconstructed history of religion as the movement of infinite Spirit coming to a knowledge of itself. Baur’s word “speculation” for his theological reflection on history has become misleading because it suggests going beyond the evidence rather than a 38 Much of Käsemann’s argument in “Is the Gospel Objective?” (1953, ET Essays on
New Testament Themes [London: SCM, 1964], 48–62) is convincing, including arguably his advocacy of Sachkritik (54–56), but his later attempts to make the doctrine of justification a “canon within the canon” found few non-Lutheran supporters.
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metaphysical interpretation of what the evidence, critically analysed, discloses. Baur did not engage in flights of fancy even as he interpreted history imaginatively. He was bound to the evidence, even if his expectation of conflict led him to overestimate and generalise what he perceived. If his Hegelian vision of history is today barely intelligible to non-philosophers and frankly incredible to most historians, there is no denying that in the 1830s some intellectuals were persuaded by it. Neither Strauss nor a little later Baur can be blamed for rejoicing to see the best philosophy of the day apparently vindicating their Protestant Christianity by redescribing it in modern terms. Or rather, they cannot be blamed provided that their resulting theologies were still Christian. Baur’s was, even if it came nearly as close to a gnostic way of thinking as he thought the Fourth Gospel did.39 Strauss followed Hegel in translating the religious pictorial image into a philosophical concept but then developed Hegelian Christianity in a clearly unorthodox (“left wing”) way. Appropriating Hegel quite differently, Baur reflected philosophically on the history of Christianity that he was uncovering, and so (he thought) articulated truthfully and rationally Christian belief about God in history, without appealing to miracles or supernatural origins any more than Strauss had. This more orthodox Hegelian interpretation of Christian history enabled Baur also to affirm the essential truth of Christian dogma which began to unfold in the New Testament writings. He thought Schelling and Hegel had more in common with second-century Christian gnosticism than with Catholic Christianity,40 and had enough sympathy for that to seek to understand his more traditional Protestant faith in those terms. Ancient gnosticism (including Marcion) differed from orthodox Christianity most evidently in the dualism that led it to deny the importance of the historical figure of Jesus. German idealism had overcome both Greek metaphysical and Kant’s epistemological dualisms but, strongly as Hegel insisted on the importance of the historical figure of Jesus, his system was unable to accommodate him. The radical solution of Strauss, whose concluding theological dissertation to his Life of Jesus referred the idea of the Godman not to Jesus but to the human race, was a clear break with both ancient and modern Christianity. Recognising the problem and also the unacceptability of that solution Baur was even more clear than Hegel about “the peculiar character of Christianity as consisting in this, that whatever it is, it is simply on account of the person of its founder”.41 Un39 Vorlesungen, 367. 40 Die christliche Gnosis. The parallels he draws between Schleiermacher and Marcion
are less germane to our argument than the extensive treatment (668–736) of Hegel’s Religionsphilosophie. 41 Church History, 23. “Person” here means historical human being, without reference to patristic doctrine.
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like Hegel he recognized that this implied the need for historical Jesus research in Christian theology. Unlike Strauss (and perhaps Hegel himself) he was not prepared to allow the Jesus of history and of traditional faith to be left behind as theology turned to philosophy to clarify its truth. Instead he tried to combine his idealist interpretation of history with his orthodox belief in the central importance of Jesus for Christianity. After discussing Hegel’s Religionsphilosophie at length in Die christliche Gnosis and before returning to this in his major monographs on the history of dogma (above, n. 21), he also published a monograph which wrestled indirectly with this christological problem at the height of the controversy over Strauss.42 Even if (like Troeltsch later) he failed to resolve the perennial difficulties that idealist theologies have with “the scandal of (historical) particularity” he was clear that it is not possible “to speak in any real sense of the essence and contents of Christianity without making the person of its founder the main object of our consideration” in comparison with which the historical context that made Christianity possible is “a secondary and subordinate feature of it”.43 That historical and theological judgment about the primacy of Jesus corresponds to what most Christians would say about his place in Christianity, but the Jesus of Baur is shaped by his critical historical research, not read from the New Testament witness as it stands, with its post-resurrection perspectives built into its “historical” or history-like pictures of Jesus. This attempt to remain faithful to ordinary Christian consciousness of the importance of the historical figure by investing as heavily as he does in historical Jesus research gives hostages to fortune. If the historical construction is mistaken the account of Christianity that depends on it is at risk. Baur’s strategy also removes from the portrait, as secondary developments of the tradition, its traces of the resurrection faith. These do reflect Christians’ perspective and may well be secondary, but they contribute to what Christians consider religiously and theologically true portraits of the historical figure. Granted that, it might seem more prudent and appropriate for a New Testament theology which aims to guide and correct contemporary Christianity in the light of scripture simply to be true to the gospel portraits of Jesus and to the other New Testament witnesses whose testimonies anticipate or reflect some of the evangelists’ beliefs. Historical arguments about the still contested details are surely unimportant in
42 F. C. Baur, “Das christliche des Platonismus oder Sokrates und Christus,” Tübingen Zeitschrift für Theologie 10.3 (1837): 1–154. 43 Church History, 24. Cf. Schleiermacher The Christian Faith (ET Edinburgh: T. & T. Clark, 1928), 380 (§93, 2) against explaining Jesus “simply by what was historically given him”.
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comparison with faith’s evaluation of the crucified and ‘risen’ Jesus as the decisive revelation of God.44 One might conclude from the place of the New Testament in Christianity and from the often non-Christian character of the “historical Jesus” as reconstructed by modern historians that it is not the latter that is decisive for this religion, but the gospel portraits, or the images they evoke in the Christian imagination. Martin Kähler45 resisted that going behind the gospel portraits in search of a “historical Jesus” that will inevitably be at odds with traditional Christian belief. This response brought problems of its own, such as specifying what could be meant by der geschichtliche, biblische Christus in the face of four different gospel portraits and christological differences among the biblical witnesses. Kähler could have answered that objection by developing his concept of Bild or faith-images of Jesus. Christians shape their perceptions or faith-images of Jesus by attending to those of the New Testament in particular, but with centuries of tradition and experience (including their own) playing a part. Kähler is largely correct, but only with the proviso that in responding to the gospel portraits Christians have usually assumed that these are more or less historically reliable and that “Jesus as he actually was” is a key part of the fabric of their faith in their risen Lord. If the gospels are now thought to be less historically reliable than Kähler thought, it is necessary for theologians to ask behind them and to try to clarify the relationship between modern critical reconstructions (so far as these are possible) and what Baur calls “the Christian consciousness”. They cannot be satisfied with appealing to different perspectives. Some of the contradictions are matters of fact, not perspective, and in any case religious truth, like historical truth, lies beyond all perspectives and the quests continue. Baur could respond to the still popular Kähler move that the best way for theologians to guide and instruct the church is not simply by recycling or reinforcing the tradition (important as that also is) but by showing how Christian talk of God in Jesus Christ is meaningful and true. His own modern attempt to do this involved writing critical history and interpreting this with help from the best available metaphysics. The alternative later advocated by Kähler should not, however, be discarded. It may even suggest a way of rescuing Baur’s picture of Jesus and his 44 My inverted commas signal that the ‘resurrection’ of Jesus is a mystery whose full
meaning cannot be exhausted by such metaphors. As with the existence of God one can think “Jesus lives” more true than the alternative, without understanding all that it claims and means. 45 The so-called Historical Jesus and the Historic Biblical Christ (orig. 1892, 18962; partial ET, Philadelphia: Fortress, 1964).
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teaching from its historical inadequacies while endorsing his rejection of any approach that pits christological faith against historical reason. One danger of Kähler’s approach to christology avoided by Baur is that it might lead theologians less confident than he was of the broad general historicity of much of the gospel witness towards docetism. The so-called “new quest” of the historical Jesus in the 1950s and 60s, i.e. the theological argument initially among Bultmann’s pupils about a weakness in their teacher’s theology, started from Kähler’s kerygmatic Christ but made a theological case for going behind the gospel sources as well as attending primarily to their theological witness. It did not substitute a historical Jesus for the Christ of faith, as some earlier liberals had done, and some contemporary scholars still do, but aimed to render credible the Christian claim that the risen Lord of faith is none other than the man from Nazareth. In other words it aimed to clarify the relationship between Christian faith and Jesus himself “on whom faith depends from start to finish”.46 Baur did not succeed in rendering that identity rationally intelligible in his history of dogma47 but his Church History and especially his lectures on New Testament theology are sustained efforts to affirm and clarify the relationship between Jesus and the subsequent christological dogma. Baur’s position is structurally similar to that of Käsemann who also shares some of Baur’s weaknesses. Both contrast Jesus with his Judaism too sharply in their determination to relate him to Christianity.48 Baur starts his lectures (after the Introduction) with the teaching of Jesus and attaches the greatest significance to this. It might therefore be supposed that like some later liberals he was substituting his modern historical construction and interpretation of Jesus for the theologies of the New Testament writers and would see that as the main guide for contemporary Christianity. It is true that he considered the moral teaching of Jesus, enshrined in the man himself, the essential basis of all that followed,49 but he co-ordinated the two in a way that allowed both to be bearers of Christian moral and doctrinal truth. The christological dogma that Jesus is truly human and truly divine is not a shibboleth for Baur. It is ultimately less important than either the doctrine (and reality) of God or the 46 Hebrews 12:2 is quoted by Käsemann in his critique of Bultmann’s christology in New Testament Questions of Today (London: SCM, 1969), 35–65 at 42. 47 E.g. Versöhnungslehre, 730, 735. I discuss this in N. Smart et al., eds, Nineteenth Century Religious Thought in the West (Cambridge: Cambridge University Press, 1985), 1:261– 89 at 272–82. 48 Conversely some historians from Reimarus to Sanders and Vermes have surely underestimated the historical and theological relationships between Jesus and the religion which emerged from his life and death. 49 “Die Lehre Jesu ist das Principielle, zu welchem sich alles, was den eigentlichen Inhalt der neutestamentlichen Theologie ausmacht, nur als das Abgeleitete und Secundäre verhält … sie ist überhaupt nicht Theologie sondern Religion”. Vorlesungen, 45.
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moral teaching and person of Jesus, but understood in the light of these, he does vindicate it. He also argues that when the Jewish messianic idea, necessary to launch the new religion in history, is left behind, Jesus and subsequent faith in him at its Pauline best were in essential agreement. Although he begins with a “historical Jesus” section (while insisting that it is not the task of a New Testament theology to write a history 50) he does not destroy the historical credibility of the gospels in order to replace their witness with his alternative version of Christianity, as Strauss had done. He first analyses the gospels, distinguishing the history and the theology that they contain, with a view to reconstructing as much of the history of Jesus and the early church as is relevant to contemporary Christianity. Those who take for granted the subsequent history of New Testament scholarship will find Baur’s co-ordination of the religion of Jesus with the theologies of the New Testament less persuasive than that of Bultmann in “Jesus and Paul”.51 Contrary to Baur and some recent American writing, the eschatology of Jesus is surely central to his proclamation, and as necessary to a historical account as Baur’s more Matthean ethical emphasis. Nevertheless Baur offers a more cogent explanation of the transition from Jesus to the church’s belief than most. He preserves what has proved most durable in both, and also stakes a claim to the truth of both. One might ask whether this is really the task of a New Testament theology, requiring as it does philosophical and theological as well as historical and exegetical reflection. Most scholars attempt less. One must also ask where Baur gets his own convictions from, since some of them are arguably read into rather than read out of the New Testament. He could reply that all theologians draw much of their belief and its expression from their contemporary church and culture. These have been more or less shaped by scripture and tradition, according to whether the theologian is more or less conservative or liberal. He could reasonably add with Bultmann that every interpreter brings to the text a prior understanding of its subject-matter, and that theological interpreters bring a theological account of that, unlike most historians of religion.52 But to argue in this way depends on what is at most implicit in Baur’s New Testament theology and to suggest how it might be defended and developed. Nobody draws their theology “neat” from scripture. Everyone interprets scripture and selects what they think (or have been told) is central, and rejects 50 Vorlesungen, 85. 51 1936. ET in R. Bultmann in Existence and Faith (London: Collins Fontana, 1964),
217–39. The anti-Nazi context explains this discussion of the historical figure of Jesus. 52 This includes the implicit presumption by Christian theologians (as participants) of the essential truth of the biblical witness, i.e. that the authors are right about their subject-matter, however inadequate some of their formulations may be.
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as irrelevant or wrong what contradicts that, and understands much of the rest in the light of that centre. Baur thought the moral teaching of Jesus central (and he thought it was remarkably well understood by Kant), and saw in the person of Jesus an expression of this. He thought Paul understood Jesus better than anyone and he did not find a place for the Book of Revelation in his own modern theology. Others have co-ordinated Jesus and the New Testament witness to this revelation of God differently while insisting with Baur that both the historical reality of Jesus and some post-resurrection interpretations of that revelation of God are necessary for Christian faith today. Making that article of faith credible is one rationale for a New Testament theology. Although he thought the historical figure all-important for contemporary Christianity Baur did not attempt to write a life of Jesus. A sympathetic reader of his theological interpretation of the New Testament might argue that a little before the classic period for “lives of Jesus” which began in 1863 with Renan he chanced upon the insight that the only satisfactory way for an orthodox Christian theologian to write about Jesus is as part of or in the context of a New Testament theology. A modern theology in accord with the New Testament must understand Jesus of Nazareth from a perspective of resurrection faith in him, as all the New Testament witnesses do, whatever their differences. A more critical reading of Baur may concede that but still insist that Baur’s Jesus and Paul are all too modern, and his co-ordination of Jesus and the theologies of the New Testament writers historically unconvincing. One who agrees with both observations might draw the sting of the criticism with some help from Martin Kähler along the following lines. Every responsible historical construction of Jesus and every theological interpretation is likely to reflect something of the historical and/or theological interpreter’s own standpoint, interests or preferences. None is entirely right or wrong, only better or worse – and these evaluations often themselves depend in part on the judge’s own standpoint as well as on consideration of how the evidence is handled, and decisions about what evidence is accepted and what counts as evidence. It is usually easier to say where aspects of an interpretation are unconvincing than to say that a total interpretation is fully satisfying. There is something elusive about Jesus’ talk of God. Knowledge of the ancient world, in particular of Second Temple Judaism, is now a necessary but not a sufficient condition for plausibly describing and explaining what Jesus was about. Conversely, theologically uneducated believers might grasp enough to claim some continuity with the Lord they claim to obey and follow. Baur’s constructions of the religion of Jesus and the theologies of the New Testament witnesses contain both remarkable insights and evident gaps. His lead question to the New Testament writings was their relationship to Judaism
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and/or to Pauline Christianity. That is sometimes illuminating, but neglects other features of some texts, in particular their moral and ritual concerns. His understanding of “theology” primarily in terms of dogma, underestimates the ethical, which is a large part of New Testament theology. This relative neglect is curious, since Baur’s own theology and relatedly his construction of Jesus are primarily ethical. His Protestant neglect of other dimensions of religion, both ritual and mystical, is less surprising. Even where Baur’s historical scholarship has been superseded and his theological interpretations of Jesus and Paul admitted to contain a modernizing element, nevertheless his account of the mission of Jesus, set in the context of a New Testament theology, offers a faith-image which is still attractive, and which contains some historical as well as religious truth.53 How far such faith-images can ever claim to correspond to the historical reality of Jesus is not clear,54 but if their claims to truth are to be credible they ought not to contradict what is known of the historical reality. Historical judgments vary, however, and little is known for certain. That “not contradict what is known” hurdle is too low to persuade, and needs to be raised to “not be incredible in the light of what is generally accepted”. The judgments about the historicity of particular sayings which stand behind Baur’s construction are still defensible. Matthew 19:28, for example, is considered inauthentic by Baur, Bultmann and most liberals on grounds of its alleged lack of coherence with other material accepted as reliable, whereas Reimarus accepted it, and E. P. Sanders made it central to his interpretation of Jesus through a hypothesis associating him with “restoration Judaism”.55 That theory is less damaging to orthodox Christian appeals to Jesus than Reimarus’ fraud theory, but it distances Jesus from Christianity to an extent that Baur (and Käsemann) found historically improbable and religiously intolerable. Conversely, despite the modernity of Baur’s account of Jesus’ moral teaching it seems to do some justice to some of what Jesus almost certainly taught. Matthew preserves some reliable traditions, and may have understood Jesus better than some modern historians – and theologians. Both Matthew and Baur subordinated the eschatological thrust of Jesus’ proclamation to the ethical, perhaps wrongly, but perhaps less wrongly than Albert Schweitzer’s subordinating the ethical to the eschatological. Both are surely aspects of Jesus’ experience and proclamation of God. The interpretation of Jesus’ eschatology remains contested, and many who question Baur’s understanding of Jesus’ 53 A comparable recent construction may be found in Keith Ward, The Philosopher and the Gospels (Oxford: Lion, 2011). 54 See now J. van der Watt, ed., The Quest for the Real Jesus (Leiden: Brill, 2013). 55 Mark 10:37 and 40 may suggest that Jesus was less committed to such ideas than some of his disciples.
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central phrase “the kingdom of God” agree with him in rejecting some of the other futurist sayings attributed to Jesus in the gospels.56 It remains plausible, though not compelling (with Matthew) to emphasize the moral aspects of Jesus’ proclamation of God’s rule over some interpretations of Jesus’ eschatology. To re-read the first section of Baur’s lectures at a time when historical Jesus research again arouses widespread interest but no consensus is rewarding. His descriptions of the theologies of the biblical witnesses are perhaps less compelling. His setting them all in their supposed historical context is exemplary, but those contexts are too narrowly conceived. Baur’s sketches are conditioned by his central question of the relationship between Judaism and the new religion of Jesus that emerged from a highly original Jew in his Palestinian Jewish setting. Other aspects deserve, and have subsequently received, more attention, but Baur’s central question remains central and has been only partly resolved. That makes even the pioneering history that constitutes and carries his New Testament theology worth revisiting. A theological New Testament theology must also be evaluated theologically. However, the criteria are contested. Judged from the standpoint of a conservative supernaturalist theology Baur will be rejected as vehemently today as he was in his own day. He will be in good company. Judged from the standpoint of an orthodox christology which affirms the true humanity and divinity of Jesus, on the other hand, he deserves credit for attempting to hold that line against Strauss, even when convinced with Strauss that Schleiermacher’s attempt to hold it without recourse to the old supernaturalism had failed. Whether the biblical tradition can ever be fully reconciled with an immanentist doctrine of God may be doubted, but the doctrine of God is always a point at which tradition and modernity must find some sort of accommodation. Late modern and post-modern theologies will find different accommodations from Baur’s. In the light of the uncertainties and evident flaws in Baur’s historical constructions, and the reservations expressed about his philosophical theology, it cannot be said that his New Testament theology provides a reading of scripture in which scripture functions directly as a norm of Christian faith and theology. But no New Testament theology can do that directly or on its own. Baur’s contains a proposal about the identity of Christianity in his own day through a genre which carries a claim that this proposal is true to scripture. Others have been content for their historical study to clarify what Christianity once was, without even implicit reference to what it should be today. But 56 E.g. many would question Matt 10:23, which was as pivotal for Schweitzer as Matt 19:28 was for Sanders.
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even if the New Testament can function as a norm, this can happen only through the wider project of theological interpretation of scripture in the church, i.e. through many interpretations which make certain doctrinal assumptions but remain in conversation with each other and also with those that do not share their belief, but which may nevertheless have something to teach theology. All New Testament theologies contribute to that conversation, and it is in and through the on-going debates between different proposals that glimpses are sometimes gained of what might count as an authentically biblical Christianity today. The scriptural “norm” is not a fixed rule but may be perceived on occasion when scripture is faithfully interpreted and the gospel articulated. The double meaning in the phrase “biblical theology” (the theology or theologies contained in the Bible, and a theology or theologies in accord with the Bible) may be found also in the ambiguous phrase “New Testament theology”. Baur’s elucidation of the theologies contained in the New Testament and his account of the ethical religion of Jesus at their base, and his historical account of the emergence of resurrection faith, permit the judgment that his own modern historical and philosophical theology was more true to scripture than most. But it aimed to be more than that. As a theologian as well as historian, Baur aimed to be honest to God, and to communicate true knowledge of God in his own day. Scripture is unlikely to do that unless mediated by faithful interpreters. Baur thought the New Testament provides sources that the theologian must analyse and interpret with the help of historical criticism and a “speculative” metaphysics. Many now will echo Harnack’s impatience with an unfamiliar philosophical idiom, but that is in the first place a comment on the distance between a corner of mid-nineteenth century Protestant Tübingen and critical admirers who can, like Barth, at least respect the seriousness of “a man who was to be found at his desk all his life, summer and winter, from four in the morning”.57 That is even earlier than J. B. Lightfoot was to be found in Trinity College chapel after very late nights in his study58 learning like Barth to distinguish more clearly than Baur did between “the Spirit that knows and rules history”, and the human spirit that contemplates history.59
57 K. Barth Protestant Theology in the Nineteenth Century (London: SCM, 1972), 505. 58 So H. C. G. Moule, My Cambridge Classical Teachers (Durham and Newcastle-upon-
Tyne: Andrews & Co. / W. E. Franklin, 1913), 13. 59 See Barth, Protestant Theology, 506, on Baur’s “identification” of these.
Wunderglaube als Tor zum Atheismus Theologiegeschichtliche Anmerkungen zur Wunderkritik Ferdinand Christian Baurs
STEFAN ALKIER „…sein Geist lebt nun auf in der Arbeit und dem Glauben aller derer, denen der Herr der Geschichte nicht ein Gott der Willkür und Wunder ist, sondern die dem gegenwärtigen Gott, der da Geist und Leben ist, ihre Lieder singen.“ (Gerhard Fraedrich im Rückblick auf Baurs Trauerfeier)1
Unmittelbar nach dem Tode Ferdinand Christian Baurs wurde um sein Erbe heftig gestritten. Ein entscheidendes Thema der Auseinandersetzung zwischen Albrecht Ritschl2 und Eduard Zeller3 war die Wunderfrage. Dabei hatte Baur keine Publikation hinterlassen, die den Begriff „Wunder“ im Titel trug. Auch die gelehrte Auseinandersetzung zwischen dem bedeutenden Kirchenhistoriker Karl Hase und Baur selbst, die 1855 mit Hases4 ausführlicher kritischer Würdigung der Leistung Baurs einsetzte und mit Baurs ebenso sachlicher und Hase wertschätzender Antwort5 im selben Jahr fortgeführt wurde, berührte zwar auch die Wunderfrage. Als maßgebliche Streitpunkte aber wurden diskutiert: „I. Die johanneische Frage“. „II. Ebionismus und Paulinismus“. „III. Die Perioden der Kirchengeschichte“.
1 Zitiert nach E. BARNIKOL, Ferdinand Christian Baur als rationalistisch-kirchlicher Theologe. Aufsätze und Vorträge zur Theologie und Religionswissenschaft, Berlin 1970, 14. 2 A. RITSCHL, Über geschichtliche Methode in der Erforschung des Urchristenthums (1861), in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. v. K. Scholder, Band V: Für und wider die Tübinger Schule, Stuttgart-Bad Cannstatt 1975, 467–500; A. RITSCHL, Einige Erläuterungen zu dem Sendschreiben: „Die historische Kritik und das Wunder“ (1862), in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band V, a.a.O., 521–537. 3 E. ZELLER, Die historische Kritik und das Wunder (1861), in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band V (s. Anm. 2), 501–520. 4 K. HASE, Die Tübinger Schule. Ein Sendschreiben an Herrn Dr. F. Ch. von Baur (1855), in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band V (s. Anm. 2), 7–116. 5 F.C. BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase. Beantwortung des Sendschreibens die Tübinger Schule, Tübingen 1855, in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band V (s. Anm. 2), 117–220.
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Dass der Streit zwischen Ritschl und Zeller die Wunderfrage in den Blickpunkt rückte, hat seinen Sachgrund darin, dass in ihr fundamentale philosophische, theologische, exegetische, hermeneutische und historische Probleme verbunden liegen, die Philosophie, Theologie und Geschichtswissenschaft spätestens seit Baruch de Spinozas einflussreichem Tractatus TheologicoPoliticus (1670)6 beschäftigen und in der Frage nach dem Verständnis der Wirklichkeit bzw. nach den die Wirklichkeit generierenden Kräften ihren Sachzusammenhang finden. Gerade die Frage nach den die geschichtliche Wirklichkeit bestimmenden Kräften bewegte das Denken Baurs wie kaum eine andere. Und wie kaum ein anderer hat er gesehen, dass ihre Beantwortung das Verhältnis von Wunder und Wirklichkeit maßgeblich betrifft. Ist man einmal auf die Bedeutung des Wunderthemas für die Position Baurs aufmerksam geworden, wird man in seinen Schriften schnell und wiederholt fündig, wenn man nach prinzipiellen Ausführungen dazu sucht. Schaut man sich die verstreuten Passagen Baurs zum Wunderthema an, erkennt man darin nicht nur das Urbild der in der Wunderfrage von Rudolf Bultmann stets geforderten intellektuellen Redlichkeit7, sondern auch eine erkenntnistheoretisch begründete Variante der Entmythologisierungsstrategien, die lange vor Bultmann formuliert wurden.8 Dass aber wie Baurs gesamtes Denken so auch seine Wunderkritik auf Problemlagen reagiert, die das 18. Jahrhundert hinterlassen hatte,9 lässt es ratsam erscheinen, sich der Fragestellung von der Kontroverse zwischen Naturalismus und Supranaturalismus her zu nähern, die die Wunderdebatte des 18. Jahrhunderts prägte. In seiner ersten Publikation zeigt sich Baur trotz sei6 B. DE SPINOZA, Theologisch-politischer Traktat, auf der Grundl. der Übers. v. C. Gebhardt neu bearb., eingel. u. hg. v. G. Gawlick, Baruch de Spinoza, Sämtliche Werke 3, Hamburg 1994. 7 Vgl. dazu H. DEUSER, Elektrisches Licht und/oder die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments? Rudolf Bultmanns Redlichkeitsforderung als Kritik der Weltbilder, in: Religiosität und intellektuelle Redlichkeit, hg. v. G. Hartung u. M. Schlette, Tübingen 2012, 161–174, 162: „Redlichkeit bedeutet […], dem religiösen Glauben nicht auf unlautere Weise fremde Zugangsbedingungen zuzumuten, die ihm selbst bei genauerer Betrachtung gar nicht mit Notwendigkeit zugehören; und diese Unterscheidung zu treffen geschieht in der Absicht, sich selbst und der Sache gegenüber wahrhaftig zu sein; d. h. zu einer angemessenen Übereinstimmung kommen zu können.“ Das herausragende Maß an Redlichkeit im Sinne der Wahrhaftigkeit gegenüber der Sache und sich selbst stellte für Baur fest E. BARNIKOL, Ferdinand Christian Baur als rationalistisch-kirchlicher Theologe (s. Anm. 1). 8 Vgl. S. ALKIER, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung, WUNT 134, Tübingen 2001, 27f. 9 Für die Frage nach Baurs Arbeiten zur Geschichte des ältesten Christentums wurde das gezeigt von S. ALKIER, Urchristentum. Zur Geschichte und Theologie einer exegetischen Disziplin, BHTh 83, Tübingen 1993, 200–244.
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ner Kant-, Fichte- und Schelling-Rezeption durchaus noch als gemäßigter Vertreter des Tübinger Supranaturalismus, von dem er sich erst durch den Einfluss Friedrich Schleiermachers gänzlich lossagt, ohne dessen Wunderauffassung zu übernehmen. Die Argumentationsdichte Baurs, die jedem Freund und jeder Freundin konsequenter wissenschaftlicher Redlichkeit auch weiterhin Respekt vor der theologischen, exegetischen und kirchenhistorischen Leistung Baurs auch in der Wunderfrage abverlangt, erwächst aus seiner niemals leichtfertig hingeworfenen, sondern streng durchdachten wechselseitigen Durchdringung philosophischer, geschichtlicher und theologischer Theoriebildung, erkenntnistheoretisch fundierter Hermeneutik und Methodik und historisch-kritischer Untersuchungen.
1. Supranaturalismus versus Naturalismus Baur begegnete dem Supranaturalismus in der Variante der älteren Tübinger Schule, als dessen Schuloberhaupt Christian Storr gelten kann, spätestens in seinem Studium 1809–1814 in Tübingen. In seiner Schrift „Die evangelischtheologische Fakultät“ charakterisiert Baur im Rückblick die Schule um Storr mit erheblicher Distanz: „Diese biblisch apologetische Richtung und die darauf berechnete Verbindung von Philosophie und Theologie machte seitdem den Grundcharakter der in der Storrތschen Schule sich weiter fortbildenden Tübinger Theologie aus.“10 Aber noch 1829 rechnete Schleiermacher Baur selbst zu dieser vom Supranaturalismus bestimmten Schule, was Baur ironisch damit kommentierte, dass „man in Tübingen selbst nicht ganz die gleiche Meinung hat.“11 Dass Baur nach seiner Blaubeurener Zeit keine Sympathien mehr für den Tübinger Supranaturalismus aufbringen konnte, zeigt sein vernichtendes Urteil über die 2. Generation der Schüler Storrs. Sie seien „am wenigsten geeignet der wissenschaftlichen Bearbeitung der Theologie einen neuen Aufschwung zu geben […] Die Tübinger Theologen blieben dem hergebrachten Charakter ihrer Schule darin treu, daß sie sich offener und entschiedener als andere zum Princip des Supranaturalismus bekannten […]“.12
10 Zitiert nach U. KÖPF, Die Theologischen Tübinger Schulen, in: ders. (Hg.), Historischkritische Geschichtsbetrachtung. Ferdinand Christian Baur und seine Schüler, 8. Blaubeurer Symposion, Contubernium 40, Sigmaringen 1994, 9–51, hier: 21: „Die zunächst auf Storr folgenden, vorzugsweise seine Schule bildenden Theologen waren Joh. Friedrich Flatt, Friedrich Gottlieb Süskind, Carl Christian Flatt, Ernst Gottlieb Bengel.“ 11 Ebd. 12 Ebd.
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Baurs Jugend und seine Studienzeit sind nicht gut genug erforscht, um gesicherte Aussagen darüber zu treffen, ob und wie weit er zunächst dem Tübinger Supranaturalismus innerlich verbunden war und welche Umstände ihn dazu führten, sich schon in seiner Studienzeit intensiv mit wissenschaftstheoretischen Fragen zu befassen, die am Zusammenhang nicht nur des Wissens, sondern auch der Generierung von Wissen interessiert waren. Sicher sind hier die kritischen Schriften Immanuel Kants, Johann Gottlieb Fichtes 1794 und 1795 veröffentlichte Schriften zur „Wissenschaftslehre“13 und vor allem Friedrich Joseph Wilhelm Schellings 1803 publizierte „Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums“14 zu nennen, die auf Baur einen nachhaltigen Eindruck hinterließen. Baur bildete in der Bereitschaft, die Philosophie seiner Zeit zur Kenntnis zu nehmen, keine Ausnahme in Tübingen. Der Wortführer der später so genannten „älteren Tübinger Schule“, Gottlob Christian Storr, befasste sich kritisch und kenntnisreich mit deren Positionen, wovon seine Schrift über Kants Religionsphilosophie15 Zeugnis gibt. Die prinzipielle Lösung, die Storr verfolgte, war es, die kritischen Schriften Kants als Begründung einer enzyklopädischen Bereichelehre zu interpretieren. Die Philosophie sollte sich mit allen Phänomenen und Problemen befassen, die sich dem Denken in den Grenzen von Raum und Zeit darstellen, analogisieren und wiederholen lassen. Die Theologie aber sollte das souveräne und kontingente Handeln Gottes thematisieren, wie es in den biblischen Schriften dargestellt wird und es der Glaube als Resonanzraum der biblischen Weltsicht auch in der und für die Gegenwart bezeugt. So problembeladen Storrs enzyklopädische Aufteilung auch ist, sollte man sich den wissenschaftlichen Supranaturalismus keineswegs als eine das Denken verweigernde und die philosophische Wunderkritik ignorierende Position vorstellen. Vielmehr ist er eine theologisch argumentierende Antwort auf den Naturalismus, wie er in der Wunderfrage klassisch durch Spinoza und dann
13 J.G. FICHTE, Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre (1794). Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794/95), Studientextausgabe, Teilausg. von Band I,2 der von R. Lauth und H. Jacob hg. Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayrischen Akademie der Wissenschaften, mit ausf. Reg. vers. v. H.M. Baumgartner u. W.G. Jacobs, Stuttgart-Bad Cannstatt 1969. 14 F.W.J. SCHELLING, Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, auf der Grundl. des Textes der Ausg. v. O. Weiß mit Einl. u. Anm. neu hg. v. W.E. Ehrhardt, Hamburg 1974. 15 G.C. STORR, Bemerkungen über Kantތs philosophische Religionslehre, aus dem Lat. nebst einigen Bemerkungen des Uebersezers über den aus Principien der praktischen Vernunft hergeleiteten Ueberzeugungsgrund von der Möglichkeit und Wirklichkeit einer Offenbarung in Beziehung auf Fichteތs Versuch einer Critik aller Offenbarung, Tübingen 1794.
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mit anderer Begründung in David Humes „Natural History of Religion“ vorgetragen wurde. Der jüdische Philosoph Baruch de Spinoza führte in seinem Tractatus Theologico-Politicus gegen die biblischen Wunder an, „daß alle wirklichen Geschehnisse, von denen die Schrift berichtet, sich wie überhaupt alles notwendig nach den Naturgesetzen zugetragen“16 habe. Das führt zu dem Interpretationsprinzip: „Wenn sich nun manches in der Heiligen Schrift findet, von dem wir die Ursachen nicht anzugeben wissen und das außerhalb der Naturordnung, ja ihr entgegen geschehen zu sein scheint, so darf uns das nicht stutzig machen; wir müssen vielmehr durchgängig annehmen, daß das, was wirklich geschehen ist, auf natürlichem Wege geschah.“17 Dass es sich bei diesem Grundsatz um eine philosophische Prämisse handelt, die der Bibellektüre als unumstößliches Prinzip vorangestellt wird, war Spinoza voll und ganz bewußt: „[...] bei den Wundern, ist das, was wir suchen (ob man nämlich zugeben kann, daß etwas in der Natur geschehe, was ihren Gesetzen widerstreitet oder sich nicht aus ihnen herleiten läßt), etwas rein Philosophisches.“18 Allerdings hat diese philosophische Frage erhebliche theologische Konsequenzen. Da Gott selbst die ewigen Naturgesetze erlassen habe, liefe die Annahme ihrer Durchbrechung Spinoza zufolge auf einen Selbstwiderspruch Gottes und deshalb letztlich auf „Atheismus“ hinaus: „Denn da ein Wunder nicht außerhalb der Natur, sondern in der Natur selbst geschieht, auch wenn man es für übernatürlich erklärt, so muß es die Ordnung der Natur durchbrechen, von der wir wissen, daß sie sonst nach Gottes Ratschluß fest und unveränderlich ist. Geschähe also in der Natur etwas, das nicht aus ihren Gesetzen folgte, so müßte es der Natur widerstreiten, die Gott in der Natur durch die allgemeinen Naturgesetze für alle Ewigkeit festgelegt hat; es wäre also entgegen der Natur und ihren Gesetzen, und der Glaube daran würde uns folglich an allem zweifeln machen und dem Atheismus in die Arme führen.“19 In seiner 1757 veröffentlichten Natural History of Religion rechnet David Hume Wunder zu den „religions principles, which have, in fact, prevailed in the world. You will scarcely be persuaded that they are anything but sick menތs dreams.“20 Hume definierte in seinem Essay An Enquiry Concerning Human Understanding (1748/58): „Ein Wunder ist eine Verletzung der Naturgesetze, und da eine feststehende und unveränderliche Erfahrung diese 16 SPINOZA, Theologisch-politischer Traktat (s. Anm. 6), 106. 17 SPINOZA, Theologisch-politischer Traktat (s. Anm. 6), 104. 18 SPINOZA, Theologisch-politischer Traktat (s. Anm. 6), 110. 19 SPINOZA, Theologisch-politischer Traktat (s. Anm. 6), 100. 20 D. HUME, The Natural History of Religion, in: DERS., The Philosophical Works 4. Es-
says. Moral, Political and Literary II, ed. by T.H. Green and T.H. Grose, Reprint of the New Edition London 1882, Aalen 1964, 362.
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Gesetze gegeben hat, so ist der Beweis gegen ein Wunder aus der Natur der Sache selbst so vollgültig, wie sich eine Begründung durch Erfahrung nur irgend denken läßt.“21 „Dieses Theorem der empirisch begründeten Undurchbrechbarkeit der Naturgesetze bildet zusammen mit einer bis in die Wunderexegese unserer Gegenwart hinein wirksamen Assoziationskette sowohl den Grundpfeiler der Argumentation des 10., On Miracles betitelten Abschnitts von Humes Enquiry als auch von Humes psychologisierendem Entwurf der Religionsgeschichte, wie er ihn in seiner Natural History of Religion vorlegte. Hume fasste den Wunderglauben als Aberglauben für Ungebildete auf und etablierte die Assoziationskette: Wunder (miracles) - Fiktion (fiction) - Aberglaube (superstition) – Angst (anxiety) – Unbildung (uneducated) – Soziale Unterschicht (social lower class).“22 Der umfangreiche Wunderartikel in Zedlers Universallexikon aus der Mitte des 18. Jahrhunderts sieht Spinoza als naturalistischen Begründer der Wunderkritik und setzt diesem eine supranaturale Wunderdefinition entgegen, die aber den naturalistischen Wunderbegriff Spinozas fortschreibt und den Supranaturalismus als gelehrte Reaktion auf den naturalistischen Wunderbegriff zu verstehen aufgibt: „Wunder, Wunderwercke, Lat, Miracula, sind übernatürliche Würckungen, welche nicht von denen von GOtt erschaffenen Ursachen, sondern von GOtt selbst geschehen.“„Nemlich wir nennen übernatürliche Dinge, welche dem Lauffe und Gesetze der Natur ganz zuwider sind, und weder in dem Wesen, noch in den Kräfften der erschaffenen Dinge, und also nicht in ihrer Natur, noch auch im Wesen und in den Kräfften der ganzen Welt, und also auch nicht in der ganzen Natur gegründet sind; sondern nur allein aus des Schöpfers freyen Willen und Macht erfolgen und entstehen. Denn, nachdem wir aus Betrachtung der Weltschöpfung und einmahl fest gesetzten Ordnung der Natur, GOtt als ein freywilliges Wesen erkennen lernen, der die Natur und Creatur auch anders und nicht so machen können, und auch in derselben anders und nicht so würcken können: so beweiset er die Freyheit seines Willens und seine Macht noch immer in der That, weil er die Welt und die Dinge in der Welt, als was zufälliges, nicht nur in ihrer zur Würcklichkeit gebrachten Ordnung, und nach dem einmahl eingerichteten Lauf erhält und regieret, und also in, mit, und durch die Natur würcket; son-
21 D. HUME, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, übers. v. R. Richter, mit e. Einl. hg. v. J. Kulenkampff u. den Beilagen David Hume: Mein Leben, Brief von Adam Smith an William Strahahn, 12. Aufl. mit e. Nachtr. zur Bibliographie, PhB 35, Hamburg 1993, 134. 22 ALKIER, Wunder und Wirklichkeit (s. Anm. 8), 25f.
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dern auch oft ohne, über und wider den ordentlichen Lauf der Natur auf eine ganz ausserordentliche und ungewöhnliche Weise hervorbringet.“23 Naturalismus und seine Kritik durch den Supranaturalismus streiten nicht um die Frage, ob dieses oder jenes Wunder geschehen sei. Sie kämpfen entschieden und mit bedenkenswerten Argumenten auf beiden Seiten um die prinzipielle Frage, wie Wirklichkeit zu begreifen ist, und damit unmittelbar verknüpft streiten sie um die Konsequenzen aus der jeweiligen Position für den Gottesbegriff. Der Naturalismus tritt bei allen Differenzen in seinen verschiedenen und nicht einfach zu harmonisierenden Ausprägungen überwiegend für eine entpersonalisierte Gottesidee ein, der das Wirken der Naturgesetze und Gottes Wirken weitgehend oder sogar gänzlich koextensiv sind. Die Konzepte von „Natur“ und „Gott“ sind dem neuzeitlichen Naturalismus zufolge austauschbar mit Blick auf die Bestimmung der Wirklichkeit, als das, was realiter die Welt und den Menschen mit ihren Wirkkräften bestimmt. Die theologische Konsequenz ist ein Gott, der nicht in die Prozesse der naturbestimmten Abläufe eingreift, weil er entweder als Urheber dieser Kräfte oder als konzeptuelle Idee dieser Wirkkräfte gilt.24 Das unterbrechende Eingreifen in die Wirkkräfte wäre ein konzeptioneller Widerspruch, der im Wirklichkeitsverständnis des Naturalismus deshalb zum Atheismus führen würde, weil er den favorisierten Gottesgedanken aufhebt. Die Allmacht Gottes wird nämlich gedacht als kontinuierliches, alles Seiende regelhaft bestimmendes Wirken geordneter Kräfte. Ein personaler Gott, zu dem man nicht nur beten kann, sondern der auch antwortet, kann mit diesem Konzept nicht mehr gedacht werden. Das ist aber der entscheidende theologische Einwand des Supranaturalismus. Ihm geht es letztlich darum, Gott in Übereinstimmung mit den biblischen Gottesdarstellungen und seiner trinitarischen Interpretation als souverän handelnde Person zu denken, die intentional die Welt und alles Leben ge23 Art. Wunder, Wunderwercke, Zedlers grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden, Bd. 59, Halle und Leipzig 1752, Sp. 1897–2086 (darauf folgen weitere Artikel zu Komposita bzw. Syntagmen mit „Wunder“ Sp. 2086–2156). Das zwischen 1733 und 1754 erschienene 64 bändige Universallexikon nennt keine Verfasser. 24 H. DEUSER, Theologische Implikationen des Naturalismus, in: Religion und Bildung, Gießener Hochschulgespräche und Hochschulpredigten der ESG, Gießen 2003, 153–162, grenzt den Naturalismus der Neuzeit von dem der Antike und dem der Evolutionstheorien seit dem 19. Jh. ab; aaO., 153: „Als polemischer Naturalismus können alle neuzeitlichen Positionen zusammengefasst werden, die entweder mit naturwissenschaftlichem Akzent das ,Buch der Natur ދin seiner Eigenständigkeit gegenüber dem ,Buch der Offenbarung ދentdecken, oder die Göttlichkeit der Natur (Spinoza) bzw. die Natur ohne Gott konzipieren. – Als typischer Gegenbegriff steht hier der (theologische) Supranaturalismus zur Verfügung oder überhaupt die Metaphysik der christlichen Philosophie in antik-mittelalterlicher Tradition.“
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schaffen hat, sie erhält und dabei den empirischen Gesetzen der Wirklichkeit seiner Schöpfung gerade nicht unterworfen ist. Der Supranaturalismus wäre unterbestimmt, wenn man ihn als unkritisches Fürwahrhalten aller möglichen Abstrusitäten abqualifizieren würde. Vielmehr geht es ihm darum, Gott nicht in der Schöpfung aufgehen zu lassen, sondern seine Wirklichkeit als Schöpferwirksamkeit über die empirische Wirklichkeit zu stellen, und zwar so, dass die empirische Wirklichkeit als von Gott geschaffene Wirklichkeit als der von Gott angeordnete Regelfall gilt, die aber der Wirklichkeit Gottes gerade als geschaffene Wirklichkeit unterstellt ist. Gott bleibt im Denken des Supranaturalismus Souverän seiner Entscheidungen und kann deshalb auch im Einzelfall seine Anordnungen verändern. Beten und Bitten wenden sich daher im Supranaturalismus an einen personal gedachten Gott, der punktuell in das Weltgeschehen eingreift und dabei auch Brechungen gewohnter Abläufe erzeugt. In herausragender Weise hat Gott dem Supranaturalismus zufolge am Kreuz in die Abläufe der Welt eingegriffen, indem er Jesus aus dem Tod herausgerissen hat. Dem Naturalismus gilt die Erzählung von der Auferweckung Jesu Christi dagegen als eine zu entmythologisierende symbolische oder mythische Aussage, wie es etwa Gottlieb Philipp Christian Kaiser in seiner hochinteressanten religionsphilosophisch und religionspsychologisch argumentierenden religionsgeschichtlichen Monographie über Judentum und Christentum bestimmt. Dass aber Ferdinand Christian Baur in seiner 1818 anonym erschienenen Rezension dieser Schrift mit seiner differenzierten Kritik an Kaiser trotz seines Studiums von Kant, Fichte und Schelling, seines Interesses an vergleichender25 Religionsgeschichte und seines Interesses an historischen Argumentationen noch im Koordinatensystem des Supranaturalismus steht, wird offensichtlich gegen Ende der Rezension, die sich mit Kaisers Darstellung der Jesusgeschichte befasst. Hier positioniert sich Baur supranaturalistisch: „Es ist daher völlig unbegreiflich, wie von dem Verf. selbst die Geschichte der Auferstehung Jesu unter die historischen Mythen gerechnet werden kann.“ „Es lässt sich demnach mit Recht behaupten, so gewiß die Entstehung einer christlichen Kirche nur durch den festen Glauben an den Auferstandenen möglich war, so gewiß konnte dieser Glaube auf keinem andern
25 F.C. BAUR, Die biblische Theologie, oder Judaismus und Christianismus nach der grammatisch-historischen Interpretationsmethode, und nach einer freimüthigen Stellung in die kritisch vergleichende Universalgeschichte der Religionen und in die universale Religion von D. Gottl. Phil. Chr. Kaiser, Prediger zu Münchberg (jetzt Professor der Theologie in Erlangen). Erster oder theoretischer Teil. Erlangen bei F.F. Palm 1813, in: Archiv für die Theologie und ihre neuste Literatur, hg. v. D. Ernst Gottlieb Bengel, Zweiten Bandes Drittes Stück, Tübingen 1818, 650–717, hier: 714, im Folgenden zitiert als: BAUR, Kaiser Rezension.
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Grunde beruhen, als auf der historischen Wahrheit der Auferstehung Jesu.“26 Diese Gewissheit „der historischen Wahrheit der Auferstehung Jesu“ wird Baur aber schon bald fraglich.
2. Baurs Abkehr vom Supranaturalismus nach seiner Rezeption der Glaubenslehre Schleiermachers Im Streit um die theologische Einschätzung Baurs konkurrieren polemische mit apologetischen Positionen. Die Polemik gegen Baur unterstellt ihm, das idealistische Konzept der Geistesgeschichte in seine historischen und exegetischen Untersuchungen eingetragen zu haben. Das historische und exegetische Material diene ihm lediglich als Beleg für die Trifftigkeit der dialektischen Philosophie. Diese Polemik spricht ihm mehr oder weniger ab, Historiker gewesen zu sein. Sie sieht in ihm auch kaum noch einen Theologen, sondern eher einen idealistisch verblendeten Religionsphilosophen.27 Die apologetische Argumentationsstrategie versucht dagegen den philosophischen Einfluss und insbesondere den von Hegel herunterzuspielen. Sie stellt Baur vielmehr als Schüler Schleiermachers dar und rückt ihn zudem in die Nähe zu bedeutenden Historikern wie Leopold Ranke und Bartholdt Georg Niebuhr.28 Dass das eine ebenso unhaltbar ist wie das andere haben differenziertere Beurteilungen bereits gezeigt. Baur war von seiner Studienzeit an von der idealistischen Philosophie geprägt, allerdings mehr von Schelling als von Hegel. Die systematische Kompetenz hat Baurs historische und exegetische Detailarbeit eher gefördert als behindert. Baur folgt daher nämlich einem komplexeren Konzept von Ursache und Wirkung als es die pragmatische Geschichtsschreibung getan hatte. Diese suchte nach den Ursachen überwiegend im Subjekt. Um Lehren für die gegenwärtig lebenden Subjekte aus der Geschichtsschreibung zu ziehen, zeigt diese die Wirkungen bestimmter Verhaltensweisen, Motivationen und Intentionen der handelnden Subjekte auf. Baur 26 BAUR, Kaiser Rezension (s. Anm. 25), 715. 27 So schon A. RITSCHL, Über geschichtliche Methode in der Erforschung des Urchristenthums (s. Anm. 2), aber auch noch etwa K. BERGER, Exegese und Philosophie, SBS
123/124, Stuttgart 1986, 46: „Seit der Beeinflussung durch Schelling und von seiner ersten Publikation an praktiziert Baur das, was ich ,philosophische Applikation ދnennen möchte: Die Verarbeitung des historischen Materials geschieht nach Maßgabe philosophischer Prämissen und mit philosophischer Begrifflichkeit.“ 28 So bereits E. ZELLER, Ferdinand Christian Baur, in: DERS., Vorträge und Abhandlungen geschichtlichen Inhalts I, Leipzig 1865, 354–434, aber auch noch K. SCHOLDER, Ferdinand Christian Baur als Historiker, EvTh 21 (1961), 435–458.
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hingegen sucht nach überindividuellen Ursachen und Wirkungen, objektiven und strukturellen Zusammenhängen, die sich aus der Entwicklung des Geistes als eines überindividuellen Gestaltungsprozesses der Menschheit ergeben. Gerade dies nötigt ihn wiederum zu einem intensiveren Quellenstudium. Baurs philosophische Position führte ihn von Anfang an zu einer distanzierten Schleiermacherrezeption, denn Baur zufolge betonte Schleiermacher zu sehr die subjektiven Anteile der Wirklichkeitserschließung unter Vernachlässigung objektiver Instanzen. In seiner Blaubeurener Zeit befasste er sich intensiver mit Schleiermacher, insbesondere mit dessen 1821 erschienener Glaubenslehre. Diese hatte allerdings gerade mit Blick auf die Wunderfrage erhebliche Auswirkungen auf Baur, weil sie ihn dazu veranlasste, sich konsequent vom Supranaturalismus zu verabschieden. Ob Schleiermachers Glaubenslehre aber wirklich als Ursache für Baurs Umdenken oder nicht eher als Auslöser für Baurs öffentliche Abkehr vom Supranaturalismus zu gelten hat, bedarf einer eigenen Untersuchung. Dass Baur nicht mit Schleiermachers Wunderbegriff arbeitete, sondern eher den von Naturalismus und Supranaturalismus intensional geteilten aber extensional kontradiktorisch bewerteten Wunderbegriff beibehielt, spricht eher für Letzteres. Schleiermacherianer wurde er bei aller Wertschätzung für dessen Glaubenslehre nicht, die sich auch noch im Zusammenhang mit Baurs Aufgabenbestimmung der „geschichtlichen Betrachtung“ des Christentums in seiner Antwort auf Gerhard Uhlhorns Polemik gegen Baur und seine Schüler von 185829 ausdrückt: „Ihre Aufgabe ist, das Geschehene in dem Zusammenhang seiner Ursachen und Wirkungen zu erforschen, das Wunder im absoluten Sinne aber hebt den natürlichen Zusammenhang auf, es setzt einen Punkt, auf welchem es, nicht aus Mangel an genügenden Nachrichten, sondern, schlechthin und absolut unmöglich ist, das Eine als die natürliche Folge des Andern zu betrachten. Wo wäre aber ein solcher Punkt nachzuweisen? Es könnte auch dieß nur auf geschichtlichem Wege geschehen. Auf dem Standpunkt der geschichtlichen Betrachtung aber wäre es eine bloße petitio principii, auch nur einmal als geschehen vorauszusetzen, was mit aller sonstigen Analogie der geschichtlichen Anschauung in völligem Widerspruch stehen würde. Es würde auf diese Weise sich nicht mehr um eine geschichtliche Frage handeln, wie unstreitig auch die Frage über den Ursprung des Christenthums ist, sondern um eine rein dogmatische, die Frage über den Begriff des Wunders, ob es, selbst im Widerspruch mit aller geschichtlichen Analogie eine absolute Forderung des religiösen Bewußtseins ist, bestimmte Thatsachen als Wunder im absoluten Sinne anzusehen. Kann man nun aber selbst auf dem dogmatischen Gebiet kein Bedenken haben, in Ansehung des Wunders und des Verhältnisses, in welches die beiden Begriffe des Natürlichen und Uebernatürlichen zu einander zu setzen sind, bei der Ansicht stehen zu bleiben, welche Schleiermacher in seiner Glaubenslehre mit gutem Grunde als die auch für die christliche Weltanschauung genügend geltend gemacht hat, 29 G. UHLHORN, Die älteste Kirchengeschichte in der Darstellung der Tübinger Schule. Eine Uebersicht, in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band V (s. Anm. 2), 222–291.
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welche Nothwendigkeit könnte für die rein geschichtliche Betrachtung vorhanden sein, sich auf einen andern Standpunkt zu stellen?“30
Schleiermacher kritisierte schon in seinen „Reden über die Religion“ die Differenzierung zwischen dem kontingenten Schöpferwirken und den regelhaften Naturgesetzen. Seine berühmte Wunderdefinition verneint den ontologischen Wunderbegriff von Naturalismus und Supranaturalismus und codiert ihn um zu einer hermeneutischen Kategorie des religiösen Bewusstseins: „Wunder ist nur der religiöse Name für Begebenheit, jede, auch die allernatürlichste, sobald sie sich dazu eignet, daß die religiöse Ansicht von ihr die herrschende sein kann, ist ein Wunder. Mir ist alles Wunder, und in Eurem Sinn ist mir nur das ein Wunder, nämlich etwas Unerklärliches und Fremdes, was keines ist in meinem. Je religiöser Ihr wäret, desto mehr Wunder würdet Ihr überall sehen“.31
Schleiermacher setzt wie die naturalistischen Wunderkritiker die Durchgängigkeit der Naturgesetze voraus und begreift diese dann der Argumentation von Spinoza vergleichbar als gute Schöpfungsordnung, die wesentlich den Erhalt der Schöpfung ermöglicht. Schleiermachers problematisches organologisches32 Denken ist nicht an der Kontingenz des Schöpfungshandelns Gottes interessiert, sondern ganz auf das harmonische Zusammenspiel aller Weltelemente gerichtet, um die „Einheit der Welt“33 denken und sie in das religiöse „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit“ einbeziehen zu können. In seiner Glaubenslehre schreibt er deshalb als grundlegenden Leitsatz seines Zweiten Lehrstücks „Von der Erhaltung“: „Das fromme Selbstbewußtsein, vermöge dessen wir alles, was uns erregt und auf uns einwirkt, in die 30 F.C. BAUR, Die Tübinger Schule und ihre Stellung zur Gegenwart, in: F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band V (s. Anm. 2), 293–465, hier: 308f.; vgl. BARNIKOL, Ferdinand Christian Baur als rationalistisch-kirchlicher Theologe (s. Anm. 1), 24: „Der durch Schleiermachers ,Glaubenslehre( ދ1821) dem alt-tübinger Supranaturalismus entfremdete junge Professor in Blaubeuren (1817–1826) für das nichtchristliche Altertum findet als rationaler Stifts-Intellektualist trotz vieler Erkenntnisse bei Schleiermachers Dualismus von Wissen und Glauben nicht das ihm selbst Fehlende der bleibenden ,übervernünftigen religiösen subjektiven Wärme und Innigkeit ދund fand bald seinen Geist mehr gefördert und genährt durch den Panlogismus Hegels, dem er sich freilich, anders als sein dortiger Schüler Strauß, nie völlig verschrieb, da er mit der erforschten Geschichte beweisen wollte.“ 31 F.D.E. SCHLEIERMACHER, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern, m. e. Nachw. v. Carl Heinz Ratschow, Stuttgart 1969, 79. 32 Vgl. S. ALKIER, Das Neue Testament im Kreis der theologischen Fächer. Neutestamentliche Wissenschaft als Beitrag zur Erschließung eines evangelischen Wirklichkeitsverständnisses, in: Markus Buntfuß/Martin Fritz, Fremde unter einem Dach? Die theologische Fächerkultur in enzyklopädischer Perspektive, Berlin/New York 2014 (im Druck). 33 B. BRON, Das Wunder. Das theologische Wunderverständnis im Horizont des neuzeitlichen Natur- und Geschichtsbegriffs, GTA 2, Göttingen 1975, 66. Vgl. zum Wunderbegriff Schleiermachers aaO., 63–72.
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schlechthinnige Abhängigkeit von Gott stellen, fällt ganz zusammen mit der Einsicht, daß eben dieses alles durch den Naturzusammenhang bedingt und bestimmt ist.“34 Die Konsequenz daraus ist der aus der philosophisch anders begründeten Position Spinozas durchaus vergleichbar. Ein Wunder im Sinne eines kontingenten Handelns Gottes würde dieser Einheit einen Riss zufügen, der weder im Denken Spinozas noch im organologischen System Schleiermachers zu verkraften wäre. Während Spinoza Wunder daher konsequent ablehnt, erklärt Schleiermacher alles zum Wunder, was das religiöse Bewusstsein erregt, sofern es den Naturzusammenhang nicht durchbricht. Die bereits in Spinozas Traktat zu findende rationalistische Wundererklärung bemüht Schleiermacher ebenfalls, wie es besonders eindrücklich in seiner Leben Jesu Vorlesung nachzulesen ist. Hier argumentiert er kaum anders als etwa Heinrich Eberhard Gottlob Paulus35. Die Auferweckung Jesu aber entgleitet der subjektivistischen Umcodierung des Wunderbegriffs zur Gänze, wovon Schleiermacher im § 99 seiner Glaubenslehre Auskunft gibt: „Die Tatsachen der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi sowie die Vorhersagung von seiner Wiederkunft können nicht als eigentliche Bestandteile der Lehre von seiner Person aufgestellt werden.“ Und erläuternd fügt er unmissverständlich hinzu: „Die Jünger erkannten in ihm den Sohn Gottes, ohne etwas von seiner Auferstehung und Himmelfahrt zu ahnden, und dasselbe können wir auch von uns sagen: so wie auch die von ihm verheißene geistige Gegenwart, und alles, was er von seinem fortwährenden Einfluß auf die Zurückbleibenden sagt, durch keine von diesen beiden Tatsachen vermittelt wird.“36
Diese Position macht sich Baur zu eigen – allerdings ohne das organologische Denken Schleiermachers zu übernehmen. Baurs Frage ist die nach der realgeschichtlichen geistigen Wirkung Jesu als Zeitenwende im historischen Prozess der alle Wirklichkeit generierenden und bestimmenden Geistesgeschichte, die Krisen, Konflikte und Revolutionen benötigt, um zu sich selbst zu kommen, aber keine absoluten Anfänge und schlechthinnigen Wunder erträgt. Baur denkt nicht organologisch, sondern geistesgeschichtlich. Anders als Schleiermacher verschleiert er seine Wunderkritik nicht durch Rationalisierungen und Umcodierungen, sondern arbeitet sie aus und legt sie wissenschaftlich redlich der gebildeten Öffentlichkeit vor.
34 F.D.E. SCHLEIERMACHER, Der Christliche Glaube nach den Grundsätzen der Evangelischen Kirche im Zusammenhang dargestellt, 7. Aufl. 1. Bd., auf Grund der 2. Aufl. u. krit. Prüfung des Textes neu hg. v. u. m. e. Einl., Erl. u. Reg. vers. v. M. Redecker, Berlin 1960, 224. 35 Vgl. z. B. H.E.G. PAULUS, Auch etwas über die Absicht der Wunderthaten Jesu, NThJ 1. Stück (1797), 342–369. 36 SCHLEIERMACHER, Der Christliche Glaube (s. Anm. 34), 82.
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Dass Schleiermachers Glaubenslehre zwar als Katalysator für Baurs prinzipielle Abkehr vom Supranaturalismus eingeschätzt werden kann, Baur aber keineswegs die vermittelnden Umcodierungen des Wunderbegriffs des Herrnhuters übernahm, zeigt auch folgende Passage aus Baurs Paulusbuch: „Nicht die absolute Spannung zwischen dem Natürlichen und Übernatürlichen ist vom Übel (denn diese fordert der Begriff des Wunders, da ein Wunder, wenn es nicht etwas vom Natürlichen wesentlich oder absolut Verschiedenes ist, auch kein Wunder ist), sondern die unlogische Vermengung zweier wesentlich verschiedener Begriffe, die Neutralisierung des Natürlichen und Übernatürlichen in einem indifferenten Dritten, das auf der einen Seite sowohl natürlich als übernatürlich sein soll, auf der andern Seite aber aus demselben Grunde weder natürlich noch übernatürlich, also eigentlich nichts ist.“37 Baur wirft jeglichen Vermittlungsversuchen in der Wunderfrage vor, die Probleme zwischen Naturalismus und Supranaturalismus nur zu verschleiern. Deshalb arbeitet Baur auch nicht mit der oben zitierten Wunderdefinition aus Schleiermachers Reden. Er gesteht aber Schleiermachers Glaubenslehre das Verdienst zu, die Dogmatik vom Supranaturalismus befreit zu haben: „Was Schleiermacher in dem bekannten Satze seiner Glaubenslehre zunächst in Beziehung auf die göttliche Allmacht gesagt hat, dass wir über die Meinung hinaus seien, als ob die göttliche Allmacht sich grösser zeigte in der Unterbrechung des Naturzusammenhangs, als in dem geordneten Verlauf desselben, gilt auf dieselbe Weise auch von der Macht des Geistes über die Natur. Der Geist zeigt seine Macht über die Natur nicht durch Unterbrechung und Zerreissung des Naturzusammenhangs, sondern, da sein Wesen Gesetzmäßigkeit ist, dadurch, dass er das immanente Gesetz desselben ist.“38 Baur interpretiert die göttliche Allmacht pneumatologisch. Der kreative Geist Gottes wirkt regulierend in Natur und Geschichte. Er ist es, der aus Widersprüchen und Konflikten sinnvolle Prozesse generiert, ohne die Gottes Schöpfung im Chaos versinken würde.
3. Baurs „apriorische[r] Begriff des Wunders“39 Baur hält an der naturalistischen Wunderdefinition fest, die für ihn „der apriorische Begriff des Wunders“ ist, weil sie der Theologie wissenschaftliche Redlichkeit und systematische Klarheit abverlangt und ihr damit jeglichen 37 F.C. BAUR, Paulus, der Apostel Jesu Christi. Sein Leben und Wirken, seine Briefe und seine Lehre. Ein Beitrag zu einer kritischen Geschichte des Urchristenthums, 2. Aufl., nach dem Tode des Verf. besorgt v. E. Zeller, 1. Theil, Leipzig 1866, 32f. 38 BAUR, Paulus I (s. Anm. 37), 110f., Anm. 1. 39 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase. (s. Anm. 5), 138.
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Kompromiss in der Wunderfrage als ein Ausweichen ins Ungefähre vorhält. So fragt er in seiner Antwort an Karl Hase direkt: „Was ist denn nun Ihre wahre Ueberzeugung? Nehmen Sie, wenn Sie von Wundern reden, wirkliche Wunder an, oder blos scheinbare?“ „Da sich aber die Annahme von Wundern mit der rationalistischen Richtung Ihres Lebens Jesu nicht wohl vertrage, so liege hierin der Grund, daß Sie es vermeiden, sich über die Wunder bestimmter zu erklären, und man daher nicht wisse, ob sie nicht den Tod des Lazarus und den Tod Jesu selbst für einen bloßen Scheintod halten.“40 Hase hatte geschrieben: „Sie wissen recht gut, daß ich Wunder im absoluten Sinne als eine Verkehrung der Naturgesetze, des göttlichen Willens auf Erden, nicht für möglich halten kann, daß ich aber uns noch unbekannte Kräfte, namentlich plötzlich wirkende Heilkräfte, die auch sonst mannichfache Analogien finden, in Jesu anerkennen muß.“41 Er wolle nicht weiter gehen, „als die geschichtliche Urkunde reicht“42. Baur entgegnet: „Wenn Sie daher nur so weit gehen wollen, als die geschichtliche Urkunde reicht, so müssen Sie nach dem unläugbaren Sinn derselben die Auferweckung des Lazarus für ein wirkliches Wunder halten. Da Sie aber auf der andern Seite recht gut wissen, daß es kein absolutes Wunder gibt, so können Sie auch die Auferweckung des Lazarus für kein wirkliches Wunder halten, Lazarus kann somit nicht wirklich todt gewesen sein; denn wäre er vom wirklichen Tode auferweckt worden, so wäre dieß ein absolutes Wunder gewesen, das nicht für möglich zu halten ist.“43
Mit dieser Kritik wirft Baur Hase wie allen Vermittlungsversuchen in der Wunderfrage wissenschaftliche Inkonsequenz vor: „Eben das, was Sie als das Positive in Ihrem Wunder annehmen, folgt nicht aus Ihren Prämissen.“ 44 Damit verstößt Hase gegen Baurs prinzipielle Überzeugung: „Das Hauptkriterium der Wahrheit kann doch bei jeder Ansicht nur die Einheit und Einstimmigkeit mit sich selbst sein.“ 45 Dieses grundlegende Prinzip vertritt Baur durch seine Schelling-Rezeption von seiner ersten Veröffentlichung an. Programmatisch wendet er es in seiner bedeutenden und einflussreichen Monographie „Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte“ gegen jeglichen Supranaturalismus in der Kirchengeschichtsschreibung an: „Auf keinem Gebiete der geschichtlichen Betrachtung hängt alles, was zum Inhalt einer bestimmten Reihe geschichtlicher Erscheinungen gehört, so sehr von dem Anfangspunkt ab, von welchem es ausgeht, wie in der Geschichte der christlichen Kirche, nirgends kommt es daher 40 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase (s. Anm. 5), 135. 41 HASE, Die Tübinger Schule (s. Anm. 4), 21. 42 HASE, Die Tübinger Schule (s. Anm. 4), 21. 43 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase (s. Anm. 5), 136f. 44 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase (s. Anm. 5), 137. 45 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase (s. Anm. 5),174.
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auch so sehr, wie hier, darauf an, welche Vorstellung wir uns von dem Punkte machen, mit welchem der ganze geschichtliche Verlauf seinen Anfang nimmt. Der Geschichtschreiber, welcher mit dem Glauben der Kirche zu dem Gegenstand seiner Darstellung hinantritt, steht gleich am ersten Anfang vor dem Wunder aller Wunder, vor der Urthatsache des Christenthums, dass der eingeborne Sohn Gottes vom ewigen Throne der Gottheit auf die Erde herabgestiegen und im Leibe der Jungfrau Mensch geworden ist. Wer hierin nur ein schlechthinniges Wunder sieht, tritt eben damit aus allem geschichtlichen Zusammenhang heraus; das Wunder ist ein absoluter Anfang, und je bedingender ein solcher Anfang für alles Folgende ist, um so mehr muss auch die ganze Reihe der in das Gebiet des Christenthums gehörenden Erscheinungen denselben Charakter des Wunders an sich tragen: so gut auf dem Einen ersten Punkte der geschichtliche Zusammenhang zerrissen ist, ist auch auf jedem andern Punkte dieselbe Unterbrechung des geschichtlichen Verlaufs möglich. Die geschichtliche Betrachtung hat daher sehr natürlich das Interesse, auch schon das Wunder des absoluten Anfangs in den geschichtlichen Zusammenhang hereinzuziehen und dasselbe, so weit es überhaupt möglich ist, in seine natürlichen Elemente aufzulösen.“46
Baur sah zu dieser historischen Arbeit keine wissenschaftlich tragfähige Alternative. Entweder wird das Christentum als ein historisch Gewordenes begriffen oder aber jegliches Begreifen des Christentums wird verunmöglicht. Entweder das Christentum ist Teil und Motor der Geistesgeschichte oder aber das Christentum hört auf, ein relevanter Forschungsgegenstand zu sein: „Ist das Christenthum ein schlechthin übernatürliches, den geschichtlichen Zusammenhang zerreissendes Wunder, so hat die Geschichte nichts weiter damit zu thun, sie kann nur vor dem Wunder stehen bleiben und in ihm das Ende ihres Forschens und Begreifens sehen. Als Wunder ist der Ursprung des Christenthums ein schlechthin unbegreiflicher Anfang.“47
Baurs prinzipieller Wunderkritik geht es nicht um eine Delegitimierung des Christentums. Er begreift vielmehr das Christentum als eine geschichtliche Bewegung, die ihren Ausgangspunkt im Gottesbewusstsein Jesu fand, das aber wie jede geschichtliche Erscheinung im Zusammenspiel von Ursachen und Wirkungen entstand und sich auf eben diesem Wege – und nicht durch die Gesetze von Ursache und Wirkung zerreißenden Wundertaten eines personal gedachten Gottes – realisiert hat und weiter realisieren wird. Baurs Arbeiten werden nicht angemessen verstanden, wenn man in ihm den destruktiven Zweifler sieht, der die Einheit des anfänglichen Christentums zerstört habe. Dies hatte bereits gründlich und nachhaltig Johann Salomo Semler getan, dem Baur „Zweifelssucht“, Subjektivismus und Zusam-
46 F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. v. K. Scholder, Band III: Das
Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, Stuttgart-Bad Cannstatt 1966, 1. 47 F.C. BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (1852), in: DERS., Ausgewählte Werke in Einzelbänden, Band II, hg. v. K. Scholder, Stuttgart-Bad Cannstatt 1963, 1–281, hier: 221.
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menhanglosigkeit vorgeworfen hat.48 Baur verfolgte nicht die Destruktion der Kirchengeschichte. Ihm ging es vielmehr um die Konstruktion einer an den empirischen Phänomenen überprüfbaren geistesgeschichtlichen Einheit des Christentums, die die Brüche, Risse und Differenzen der Kirchengeschichte einzubinden in der Lage war, ohne sie zu verharmlosen. Baur lehnte es deshalb ab, „das bewegende Princip der Geschichte schlechthin in den Individuen zu erblicken, und die über den Individuen waltenden Mächte nur unter der vagen Kategorie der Vorsehung zu begreifen. Das Christenthum ist so betrachtet nur der zufällige Anknüpfungspunkt und die christliche Kirche nur der äußere Rahmen für die mannigfaltigsten Veränderungen, deren gemeinsame Einheit das Spiel des Zufalls ist“.49 An Zufälle aber glaubte Baur nicht. Ihm ist Geschichte ein komplexes Zusammenspiel widerstreitender Positionen, die gegen- und trotzdem bzw. gerade so miteinander die Idee der Sittlichkeit verwirklichen, verstanden als die dem Menschen und der Welt durch die Kraft des Geistes eingravierte konstruktive Fähigkeit, das vor- und aufgegebene Leben zum Vorteil für alle wahrheitsgemäß und gerecht zu gestalten. Das Wesen des Christentums sieht Baur wie Schleiermacher nicht in der Überzeugung des Osterglaubens, Gott habe den zu Unrecht Gekreuzigten vom Tode ins göttliche Leben hinein auferweckt. Ihm genügt aber auch der religiöse Subjektivismus des bis heute einflussreichsten Herrnhuters nicht. Vielmehr begreift er die Idee der Sittlichkeit als wesentlichen Beitrag des Christentums zur Weltgeschichte des Geistes, deren Ziel es ist, dass alle Individuen an der Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit des Geistes partizipieren und auf diese Weise eine friedliche und gerechte Weltgemeinschaft auch politisch organisieren können. Die vom Geist der Wahrheit durchdrungene Weltgesellschaft wäre die Realisierung der Sittlichkeit, deren Keimzelle Baur zufolge das Gottesbewusstsein Jesu von Nazareth war: „Was das Christenthum allen andern Religionen gegenüber zur absoluten Religion erhebt, ist in letzter Beziehung nichts anderes, als der rein sittliche Charakter seiner Thatsachen, Lehren und Forderungen. Denken wir uns alles dieß als den wesentlichen Inhalt des Selbstbewußtseins Jesu, so ist es der eine der beiden seine Person konstituierenden Faktoren, was aber zunächst sein Bewußtsein ist, soll auch das Bewußtsein der Menschheit werden, es ist nur der Inhalt, der auch eine ihm entsprechende Form haben muß, um auf dem Wege der geschichtlichen Entwicklung in das Bewußtsein der Menschheit einzugehen. Diese Form ist der jüdische 48 BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (s. Anm. 47), 152. Vgl. zu Semlers Destruktion der anfänglichen Einheit des Christenthums ALKIER, Urchristentum (s. Anm. 9), 21–46; DERS., Unerhörte Stimmen – Bachtins Konzept der Dialogizität als Interpretationsmodell biblischer Polyphonie, in: Wahrheit und Positionalität, hg. v. M. Köhlmoos u. M. Wriedt, Kleine Schriften des FB Ev. Theol. der Goethe-Universität Frankfurt am Main 3, Leipzig 2012, 45–70, insbes. 47–52. 49 BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (s. Anm. 47), 181.
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Messiasbegriff. In ihm allein hatte das Christenthum seinen geschichtlichen Anknüpfungspunkt, die Vermittlung, die es haben mußte zwischen der das Bewußtsein Jesu erfüllenden Idee und der an ihn glaubenden Welt, die Grundlage, auf welcher allein eine zur Kirche sich erweiternde religiöse Gemeinschaft entstehen konnte.“50
Diese Idee kann Baur zufolge aber nur Realität werden durch geschichtliche Prozesse, die gerade nicht von der Willkür von Zufall und Wundern gesteuert werden, sondern von der sachgemäßen und lebensgetränkten Entwicklung geistreicher Entwürfe. Die „wahre Wirklichkeit der Geschichte“ ist Baur zufolge „nur da, wo auch Leben und Bewegung, Zusammenhang und Fortschritt der Entwicklung ist und der tiefere Blick in Gegensätze sich eröffnet, die erst durch Kampf und Widerstreit hindurchgehen müssen, um überwunden und vermittelt zu werden.“51 Der Gott der Geschichte ist Baur zufolge kein Gott der Willkür und des Zufalls, der mit seinen Wundern den historischen Prozess zerreißt, wann immer er will. Baur lehnt Wunder ab, da das Gottesbild, das er mit Wundern verbindet, das eines absolutistischen Willkürherrschers ist, der sich nicht an Recht und Ordnung hält. Die Geschichte und insbesondere die Religionsgeschichte ist für Baur gerade der Prozess, in dessen Verlauf die Ideen von Göttlichkeit und Menschlichkeit auf geistreiche Weise zueinander finden und realisiert werden, indem die Idee der Sittlichkeit in der Weltgesellschaft verwirklicht wird. Was die Geschichte daher als Ort der Willkür, des geistlosen Zufalls, der „Trennung und Vereinzelung“ erscheinen lässt, öffnet das Tor zu „Atomistik, Fatalismus, Atheismus“52. War Spinoza von der guten Ordnung der Natur durch die Naturgesetze überzeugt, so war es Baurs Credo, dass nicht nur die Natur durch Gesetzmäßigkeiten geregelt sei, sondern dass auch die scheinbar chaotische Geschichte einer Grammatik folge, die geistgewirkte Transformationen zur Sittlichkeit überhaupt erst ermögliche. „Das geschichtlich Gegebene soll also nicht blos äusserlich, nach dieser oder jener zufälligen Beziehung, in welche das Subject zu demselben sich sezt, aufgefaßt, sondern nach seinem innern wesentlichen Zusammenhang begriffen werden. Die einzige Voraussetzung, die dabei gemacht wird, ist, daß die Geschichte nicht blos ein zufälliges Aggregat, sondern ein zusammenhängendes Ganzes ist. Wo Zusammenhang ist, ist auch Vernunft, und was durch die Vernunft ist, muß auch für die Vernunft seyn, für die denkende Betrachtung des Geistes.“53
50 BAUR, Die Tübinger Schule (s. Anm. 30), 30f. 51 BAUR, Das Christenthum und die christliche Kirche in den ersten drei Jahrhunderten
(s. Anm. 46), X. 52 BAUR, Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Alterthums, 2 T. in 3 Bd.en, Stuttgart 1824–25, Bd. I, XI. 53 F.C. BAUR, Die christliche Lehre von der Dreifaltigkeit und Menschwerdung Gottes (1841), in: DERS., Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band II (s. Anm. 47), 298.
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Wunder aber wie sie der „apriorische Begriff des Wunders“ im von Naturalismus und Supranaturalismus geprägten Diskurs denkt, zerstören diesen Zusammenhang und führen wie schon für Spinoza auch noch für Baur letztlich zum Atheismus.
4. Die Spekulation der historischen Kritik als Grundlage einer entmythologisierenden Hermeneutik So sehr Baur seit seiner Monographie „Symbolik und Mythologie“ unter Voraussetzung der Geltung eines apriorischen Wunderbegriffs die Überzeugung ausspricht, dass sich in der Geschichte keine Wunder ereignen, und es sie nicht geben kann und soll, weil sie den Zusammenhang der Geistesgeschichte zerstörten, die allein zur Sittlichkeit der Menschheit führen werde, so wenig wendet er diesen Wunderbegriff auf die von ihm zu untersuchenden Texte an, ohne ihre historische Plausibilität detailliert zu prüfen. Dabei verlangt er der historischen Arbeit ab, die Einsichten der Erkenntnistheorie seit Kant zu berücksichtigen: „Nur der roheste Empirismus kann meinen, daß man den Dingen schlechthin hingeben, die Objecte der geschichtlichen Betrachtung nur gerade so nehmen könne, wie sie vor uns liegen. Seitdem es auch eine Kritik des Erkennens, eine kritische Erkenntnißtheorie gibt (eine solche gibt es bekanntlich in jedem Falle seit Kant), muß auch Jeder, der nicht ohne alle philosophische Bildung zur Geschichte herankommt, wissen, daß man zwischen den Dingen, wie sie an sich sind, und wie sie uns erscheinen, zu unterscheiden hat, und daß sie zu Erscheinungen für uns ebendadurch werden, daß wir nur durch das Medium unseres Bewußtseins zu ihnen gelangen können. Hierin liegt der große Unterschied zwischen der rein empirischen und der kritischen Betrachtungsweise, und die letztere, welche eben darum die kritische heißt, weil es ihre Aufgabe ist, was an den Gegenständen des geschichtlichen Erkennens entweder objectiv oder subjectiv ist, streng zu scheiden und auseinanderzuhalten […] sie will nur mit geschärfterem Auge der Sache auf den Grund ihres Wesens sehen. Aus so einfachen Principien, bei welchen freilich Alles davon abhängt, wie man sie auf den geschichtlichen Stoff anzuwenden weiß, beruht die kritische, oder wenn man so will, speculative Methode.“54
Ein inhaltsreiches Beispiel für Baurs scharfsichtige historische Wunderkritik sind seine Ausführungen zum Strafwunder an Ananias und Sapphira in Act 5: „Es lassen sich also auch hier nur die zwei Fälle denken: entweder war der Tod des Ananias und der Sapphira ein natürliches Ereignis, die natürliche Wirkung des Schreckens und Folge eines apoplektischen Zufalls, und war ebendeswegen auch kein Wunder, also auch nicht durch den Willen und das Wort des Apostels bewirkt, oder er war ein Wunder, aber eben deswegen auch nicht blos Wirkung des Schreckens und eines apoplektischen Zufalls, sondern wenn Schrecken und Apoplexie den Tod bewirkten, so bewirkten sie ihn nicht für sich, weil 54 F.C. BAUR, Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte, Vorrede der ersten Ausgabe (1847), in: DERS., Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Band II (s. Anm. 47), 307.
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der Tod in diesem Falle kein Wunder gewesen wäre, vielmehr hatten sie diese Wirkung selbst erst von dem Willen des Apostels und der sein Wort begleitenden göttlichen Wundermacht.“55
Baur lässt keinen Zweifel daran, dass das in der lukanischen Apostelgeschichte erzählte Strafwunder Fiktion und kein historisches Faktum ist. Er versucht aber erst gar nicht, dem Autor der Apostelgeschichte das Wunder als Wunder zu nehmen, indem es rationalistisch erklärt würde. Baur verfolgt vielmehr eine poetologische Variante der Entmythologisierungstheorie, die er erkenntnistheoretisch begründet. Da nämlich der „Gegenstand des geschichtlichen Kennens“ für Baurs kirchengeschichtliche und exegetische Arbeiten in Gestalt von Texten vorliegt, setzt er seine erkenntnistheoretischen Einsichten als historisch-kritische Methode um und zwar in einer reflektierten hermeneutischen Belastbarkeit dieser Terminologie. „Historisch“ steht bei Baur für ein Verfahren, das das Einzelne aus dem Zusammenhang einer Entwicklung heraus versteht, indem es nach der Bedeutung und der Funktion des Individuellen für die Entwicklung des Allgemeinen fragt. „Kritisch“ verwendet er im spekulativen Sinn und bezieht es sowohl auf den Auslegungsgegenstand wie auf den Ausleger. Mit Blick auf den Interpreten gilt es daher, dessen Überzeugungen gerade nicht in den zu untersuchenden Gegenstand einzutragen. Durch diese spekulative Differenzierung entlastet Baur das Verhältnis von Auslegungsgegenstand und Ausleger erheblich. Sie brauchen nicht dieselbe Weltauffassung zu vertreten. Der Ausleger soll die Sicht des Gegenstandes untersuchen, ohne sie für sich selbst übernehmen zu müssen. Dadurch wird er im Akt der Auslegung zum Ort der Sache des Textes, zum Medium in dem sich der Geist des Auslegungsgegenstandes spiegelt, ohne sich in den Interpreten dauerhaft einbrennen zu müssen. Weil anders gar kein Interpretieren möglich ist, kommt dem Ausleger die interpretationsethische Verpflichtung zu, durch methodisches Vorgehen dafür zu sorgen, dass sein Bewusstsein als Medium des fremden Geistes die Sache dieses anderen Geistes nicht verfälscht. Baur wirft nun allen rationalistischen Wundererklärungen vor, diese Differenz nicht zu berücksichtigen, sondern den Auslegungsgegenstand dem Bewusstsein des Auslegers zu assimilieren, indem in die Texte Erklärungsmomente eingetragen werden, die das Erzählte als „natürlich“ erscheinen lassen. Wenn etwa in Totenerweckungserzählungen das Interpretament „Scheintod“ eingetragen wird – was selbst unter Exegeten des 21. Jahrhunderts in ungebrochener Fortsetzung rationalistischer56 und psychologischer Strategien noch 55 BAUR, Paulus I (s. Anm. 37), 32f. 56 Spinoza nahm in seinem Tractatus, aaO., 96, die 100 Jahre später bei christlichen The-
ologen zu Ehren gekommene rationalistische Wundererklärung vorweg, wenn er die Wundergeschichten auf Wahrnehmungstäuschungen, auf die mangelhafte ,Fassungskraft des Volkesދ
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üblich ist –, so trägt der Interpret seine Weltsicht in den Text ein, um diesen dann das sagen lassen zu können, was man selbst denkt, um wiederum meinen zu können, man sage nur, was der Text sagt. Baur lehnt diese rationalistischen Umschreibungen des Textbestandes ab, „weil der Schriftsteller von der Absicht weit entfernt ist, was er als Wunder erzählt, auch wieder für ein zufälliges natürliches Ereignis gehalten wissen zu wollen.“57 Baur gibt der auf Harmonisierung und Ausgleich zwischen Ausgelegtem und Ausleger bedachten rationalistischen wie supranaturalistischen Exegese auf, die Differenz zwischen Ausleger und Auslegungsgegenstand nicht nur zu ertragen, sondern sie zum kritischen Prinzip zu erheben. Darin ist er sich mit seinem ungeliebten Schüler David Friedrich Strauß einig. Mit Bezug auf Straußens „Leben Jesu“ bemerkt Baur in seinen Vorlesungen über die christliche Dogmengeschichte: „Das kritische Geschäft selbst aber, das in der Straußތschen Schrift vollzogen wird, hat, wie sich von selbst versteht, mit der Hegelތschen Philosophie nichts zu tun. Nur in dem Resultat trifft es mit derselben zusammen, darin nämlich, daß die objective Göttlichkeit, welche die alte Dogmatik in der Person Jesu voraussetzte, auch aus historischen Gründen, eine ganz unhaltbare Vorstellung ist, weil so vieles, was man nach der gewöhnlichen Ansicht als unmittelbare historische Wahrheit nehmen zu müssen glaubt, auf mythischen Ursprung zurückzuführen ist“.58
Die Kritik dieses „kritischen Geschäfts“ ist nicht Hegel, sondern Kant verpflichtet. Es geht darum, die konstruktive Leistung des auslegenden Subjekts in Rechnung zu stellen und zwar nicht nur die des Auslegers, sondern auch die der ausgelegten Schriftsteller, die mit ihren Texten Ereignisse und Ideen interpretieren, indem sie ihnen durch die Prägung ihres jeweiligen Bewusstseins bestimmte Gestalt und bestimmten Ausdruck durch ihre jeweiligen Darstellungen verleihen.
und das unzureichende naturwissenschaftliche Wissen der ,Alten ދzurückführte, um dann etwa, aaO., 104, mit Hilfe der ,Nebenumstände der Wunder ދdie tatsächlichen ,Ursachen ދ,auf natürlichem Weg ދanzugeben: ,[...] um den Knaben, der für tot gehalten wurde, wieder zu erwecken, mußte Elisa sich mehrere Male auf ihn legen, bis er warm wurde und endlich die Augen aufschlugދ. Baur wendete sich explizit gegen das rationalistische Verfahren, mit Hilfe von vermeintlichen „Nebenursachen“ die Texte umzuschreiben. BAUR, Paulus I (s. Anm. 37), 33 führt aus: „Es ist daher klar, dass, wenn auf die von Neander und Olshausen hervorgehobenen natürlichen Ursachen so grosses Gewicht gelegt wird, dass bei dem Tode des Ananias und der Sapphira ein ganz natürlicher Hergang soll gedacht werden können, hiemit der wahre Gesichtspunkt völlig verrückt wird: es wird auf unlogische Weise, was nur vermittelnde Nebenursache gewesen sein kann, zur Hauptsache gemacht, und eine Mittelursache eingeschoben, von welcher die Erzählung nichts sagt“. 57 BAUR, Paulus I (s. Anm. 37), 33. 58 F.C. BAUR, Vorlesungen über die christliche Dogmengeschichte III, Leipzig 1867, 356.
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Der hermeneutische Umgang mit Texten, die Wunder gestalten, endet bei Baur nicht mit dem Ausruf: „Die Wunder sind erledigt“. Vielmehr stellt er die Ausleger vor die Aufgabe, ihre „ideale Bedeutung“ 59 als Ausdrucksmittel der „Tendenz“ 60 der zu interpretierenden Schrift so zu nehmen, wie sie der Text zu lesen gibt, und sie nicht rationalistisch, naturalistisch, psychologisch dem eigenen Weltbild anzugleichen. Baurs apriorischer Wunderbegriff schließt seine Textwahrnehmungen gerade nicht ab, sondern führt auf der Basis der Akzeptanz der Differenz zwischen Wundererzähler und Ausleger zur Aufgabe der Entmythologisierung, die in der Variante Baurs – anders als in der seines Schülers Rudolf Bultmann – den interpretierten Autor in seinen enzyklopädischen Überzeugungen belässt und ihn nicht selbst zum Komplizen der eigenen Entmythologisierungsstrategie ernennt. Die Entmythologisierung von Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) und Johann Philipp Gabler (1753–1826) über David Friedrich Strauß (1808–1874) bis zu Rudolf Bultmann (1884–1976) und seinen Schülern betrachtet Wundererzählungen als Teil eines von der wissenschaftlichen Erkenntnis überholten mythologischen Weltbildes einer kindlichen Stufe der Menschheit. Allerdings sei „hinter“ dieser abständigen Mythologie eine „tiefere Bedeutung enthalten, die unter der Decke der Mythologie verborgen ist.“61 Die Entmythologisierung will „die mythologischen Vorstellungen weglassen, gerade weil wir ihre tiefe Bedeutung beibehalten wollen.“62 Daher soll das Mirakelhafte der Wundergeschichten als mythische Form entfernt werden, um je nach zugrun59 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase (s. Anm. 5), 156f.: „Kann ich nicht anders annehmen, als daß die Erzählung von der Hochzeit in Kana die ideale Bedeutung hat, die ihr gegeben worden ist, wie viel liegt daran zu wissen, ob ihr vielleicht auch irgend etwas Geschichtliches zu Grunde liegt?“ 60 BAUR, Paulus I (s. Anm. 37), 35: „Diese dem ganzen Abschnitt eigene idealisierende Tendenz bezieht sich jedoch nicht blos auf die Apostel, der verklärende Schimmer desselben Lichts fällt auch auf die Gemeinde der Glaubigen im Ganzen. Die Verherrlichung, die den Aposteln zu Theil wird, gilt ja eigentlich dem in ihnen wohnenden und wirkenden heiligen Geist, derselbe Geist aber ist es, von welchem auch die Glaubigen erfüllt sind. Es ist also auch in ihnen ein göttliches Princip, das sie über die gemeine Wirklichkeit erhebt, und sie in einem höhern Licht erscheinen lässt.“ 61 R. BULTMANN, Jesus Christus und die Mythologie, in: DERS., Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Band IV, Tübingen 41965, 141–189, hier: 146. 62 Ebd.: „Wenn dem so ist, wollen wir die mythologischen Vorstellungen weglassen, gerade weil wir ihre tiefere Bedeutung beibehalten wollen. Diese Methode der Auslegung des Neuen Testaments, die versucht, die tiefere Bedeutung hinter den mythologischen Vorstellungen wieder aufzudecken, nenne ich ,Entmythologisieren“ދ. Bultmann konnte zwar zu Recht für sich in Anspruch nehmen, die Bezeichnung „Entmythologisierung“ für dieses Verfahren ins Spiel gebracht zu haben. Das Verfahren selbst ist aber gut 150 Jahre älter als Bultmanns Hermeneutik. Neu bei Bultmann ist die Applikation der Daseinsphilosophie, die M. HEIDEGGER, Sein und Zeit, Tübingen 1927 publizierte. Neu ist aber nicht das hermeneutische Verfahren der Entmythologisierung.
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deliegender Philosophie deren „Lehre“ (Gabler)63, „Idee“ (Strauß)64 oder „Verständnis[.] der menschlichen Existenz“, bzw. „Selbstverständnis“ (Bultmann)65 als deren eigentliche Botschaft über die Zeiten hinweg für die Gegenwart freizulegen und zu verstehen. Dabei inszeniert sich dieses Verfahren auch schon im 19. Jahrhundert ausdrücklich als Übersetzungsarbeit. Strauß führt an: „Als Schriften aus einer unphilosophischen, kindlichen Zeit reden sie unbefangen von göttlicher Einwirkung nach altertümlicher Vorstellungs- und Ausdrucksweise: und so haben wir zwar keine Wunder anzustaunen, aber auch keinen Betrug zu entlarven, sondern nur die Sprache der Vorzeit in unsere heutige zu übersetzen“.66
Baur hingegen orientierte sich anders als alle anderen Entmythologisierungsvarianten nicht an der räumlichen Metapher einer „Über-setzung“, in der das, was übersetzt wird, sich dennoch gleich und vom Vorgang des Über-setzens unberührt bliebe. Baur erklärt sich und den Auslegungsgegenstand redlicher Weise nicht einig vermittels einer Art übergeschichtlicher Metabedeutung, nämlich der „eigentlichen“ Bedeutung. Vielmehr lebt er aus der Überzeugung: „Was einmal dagewesen, kehrt nie als dasselbe wieder zurück; wo man nur das Alte wieder zu sehen glaubt, ist doch wieder etwas Neues, das aus dem Alten nicht erklärt werden kann.“67 Diese geschichtstheoretische Einsicht macht Baur für die Exegese der Wunder hermeneutisch fruchtbar. Baur betont die Differenz zwischen Autor und Ausleger, die keine Metapher verschleiern soll. In redlicher Offenheit und wissenschaftlicher Klarheit kann Baur deshalb schreiben: „[…] es gibt kein absolutes Wunder, und doch müssen wir nach der geschichtlichen Urkunde wirkliche Wunder annehmen. Aber warum wollen wir beides nicht einfach so vereinigen, daß wir das Eine dem Erzähler lassen und das Andere für uns behalten? Unstreitig wollte der Evangelist die Auferweckung des Lazarus als ein wirkliches Wunder erzählen, aber folgt daraus, daß auch wir es für ein solches halten müssen?“68
Baurs Variante der Entmythologisierung belässt den antiken Autoren ihre Weltsicht und auch die damit verbundenen historischen Wahrheitsansprüche. Die neutestamentlichen Autoren waren Baur zufolge von der Triftigkeit ihrer 63 Vgl. zu Gabler O. MERK, Biblische Theologie des Neuen Testaments in ihrer Anfangszeit. Ihre methodischen Probleme bei Johann Philipp Gabler und Georg Lorenz Bauer und deren Nachwirkungen, MThSt 9, Marburg 1972, 29–140, insbes. 52–81. 64 D.F. STRAUSS, Das Leben Jesu I, Tübingen 1835, 75. 65 Vgl. R. BULTMANN, Zum Problem der Entmythologisierung, in: DERS., Glauben und Verstehen IV (s. Anm. 61), 128–137, 130; DERS., Jesus Christus und die Mythologie (s. Anm. 61), 146. 66 STRAUSS, Leben Jesu I (s. Anm. 64), 18. 67 BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (s. Anm. 47), 230f. 68 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase (s. Anm. 5), 117–220, hier: 138.
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Darstellungen überzeugt. Keineswegs wollten sie mit ihren Wundergeschichten nur symbolisch über das Einbrechen des Reiches Gottes reden. Baur unterzieht sich deshalb der Mühe, diesen historischen Anspruch der neutestamentlichen Schriftsteller historisch-kritisch zu überprüfen und zu falsifizieren. Die biblischen Wunder sind für Baur als historische Ereignisse nicht denkbar, wohl aber als poetische Darstellungsformen biblischer Ideen. Deshalb ist nicht nur ihre historische Triftigkeit jeweils zu prüfen, sondern in jedem einzelnen Fall nach der Aussageabsicht, der „Tendenz“ zu fragen. Die poetologische Frage nach der Funktion der Wundertexte geht der nach der historischen Triftigkeit notwendig voran, denn es gilt für Baurs historisch-kritische Methode: „Die richtige Methode wird doch immer die bleiben, daß man zuerst die Quellen untersucht, und dann erst an die in ihnen enthaltene Geschichte geht.“69 Baur gesteht den Wundern als Darstellungsmittel in den neutestamentlichen Schriften ihre theologische Berechtigung zu, nicht aber als Ereignisse im Geschichtsverlauf: „Läßt man einmal dem Wunder in der Geschichte des Urchristenthums so freien Lauf, wo will man ihm eine Grenze setzen.“70 Die Annahme der Realität von Wundern in der Geschichte behindert Baur zufolge die sittliche Entfaltung des christlichen Glaubens, weil sie immer wieder zu gefährlichem Aberglauben führt, der sich auch gewaltvollen Ausdruck verleiht, wie etwa bei den Hexenverfolgungen: „Der christliche Dämonenglaube erzeugte eine Menge abergläubischer Vorstellungen und Handlungen, durch welche das Leben der Christen selbst wieder ein heidnisches Gepräge erhielt.“71 Der Arbeit der Kirchen- und Theologiegeschichte kommt daher stets die theologische Funktion zu, nicht nur die einzelnen Ereignisse der Geschichte des Christentums immer besser zu verstehen, sondern das Wirken des Geistes als ihren Zusammenhang stiftende Kraft immer tiefer zu durchdringen und in den wissenschaftlichen Auslegungsprozess der jeweiligen Gegenwart einzubringen. Geschichtsschreibung ist daher Entmythisierung des Christentums und von Generation zu Generation neu zu durchdringen, weil sie selbst Teil des geistesgeschichtlichen Prozesses der Entfaltung der christlichen Wirklichkeitserschließung ist: „Wie ließe es sich sonst erklären, daß alle Theile der Geschichte […] immer wieder Gegenstand einer geschichtlichen Darstellung werden, wenn es nicht zum Wesen der Geschichte selbst gehörte, daß sich auf jedem Standpunkt, von welchem aus man aufތs Neue in die Vergangenheit zurückblickt, ein neues Bild darstellt, durch das wir, sei es auch nur in einer be69 BAUR, An Herrn Dr. Karl Hase (s. Anm. 5), 117–220, hier: 172. 70 BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (s. Anm. 47), 222. 71 BAUR, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte (s.
Anm. 46), 483.
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stimmten Beziehung, eine wahrere, lebendigere und inhaltsreichere Anschauung des Geschehenen erhalten?“72
Treibt Baur als Kirchenhistoriker die Entmythisierung der Geschichte des Christentums voran, so verfolgt er als Exeget eine Entmythologisierungsstrategie, die den Wunderdarstellungen in den biblischen Texten ihr Recht als zeitgebundenes Ausdrucksmittel zugesteht. Baur bleibt an der theologischen Funktion der Wundertexte interessiert, weil sie für ihn notwendige zeitbedingte Formen der christlichen Idee der Sittlichkeit als Verschmelzung von Gott und Mensch sind, die nicht lediglich übersetzt oder gar wiederholt werden können, sondern von Generation zu Generation mit wachsender Erkenntnis immer neu als Element der christlichen Geistesgeschichte interpretiert werden müssen.
5. Baur und die Wunderdiskussion der Gegenwart Baurs geschichtsphilosophische und hermeneutische Einsicht, dass die Interpretation der Geschichte selbst Teil der Geschichte ist und es auch für die theologische Forschung keinen Standpunkt außerhalb der Geschichte gibt, bleibt unverzichtbar für jegliche Reflexion menschlicher Praxis und Theoriebildung. Jede Interpretation ereignet sich als Positionierung in unabgeschlossenen geschichtlichen Prozessen. Die bleibende Bedeutung der historisch-kritischen Wunderkonzeption Ferdinand Christian Baurs besteht darin, dass er in voller Klarheit und Konsequenz den mit dem Begriff des Wunders angezeigten Problemzusammenhang von Wunder, Wirklichkeit, Geschichte, Gottesbegriff und Pneumatologie im Rahmen der binären Logik eines kontinuierlichen Wirklichkeitsverständnisses von Ursache und Wirkung durchdacht und dargelegt hat. Wunder und auch das Wunder der Auferweckung des Gekreuzigten geraten in dieser Perspektive notwendig und unhintergehbar in den Geltungsbereich des Fiktionalen. Damit führt Baur die im 17. Jahrhundert eröffnete Wunderkritik im Rahmen christlicher Theologie zu ihrem dramatischen Höhepunkt und konzeptuellen Abschluss. Wer nach Baur die Wunderproblematik binär bedenkt, wird entweder wie Rudolf Bultmann73 sein Schüler oder fällt hinter die Leistungsfä72 BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (s. Anm. 47), 14f. 73 Die Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Schule zusammenfassend und systematisch-theologisch auswertend erklärt R. BULTMANN, Zur Frage des Wunders, in: DERS.,
Glauben und Verstehen, Gesammelte Aufsätze, Band I, Tübingen 81980, 214–228, hier 227, kategorisch: „Deshalb sind in der Diskussion die ,Wunder Jesuދ, sofern sie Ereignisse der Vergangenheit sind, restlos der Kritik preiszugeben, und es ist mit aller Schärfe zu betonen, daß schlechterdings kein Interesse für den christlichen Glauben besteht, die Möglichkeit oder
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higkeit dieser Zuordnung von Wunder und Wirklichkeit zurück wie etwa Albrecht Ritschl oder Gerd Theißen74. Die sachgemäße Komplexität des wissenschaftlichen Wunderdiskurses nicht nur Baurs, sondern der Wunderdiskussion seit Baruch de Spinoza, die viele Vertreter des Naturalismus, der Neologie, des Supranaturalismus und des Rationalismus in der Wunderfrage erreicht hatten, ist durch die einseitige Dominanz der Formgeschichte hinsichtlich der Wunderfrage im 20. Jahrhundert nicht durchgehalten worden. Die Entmythologisierung Bultmanns ist gemessen an den Entmythologisierungsstrategien Gablers, Straußens und Baurs nicht als Fortschritt, sondern bestenfalls als transformierende Fortschreibung zu betrachten, die aber mit ihrem formgeschichtlichen Reduktionismus die Quellenbasis des Wunderdiskurses dermaßen dramatisch verkleinerte, dass die Wunderproblematik für ein begrenzbares Problem gehalten wurde und aus der alttestamentlichen Wissenschaft sogar zur Gänze als Arbeitsbereich verwiesen wurde, da man kaum Wundergeschichten im Alten Testament fand, die der formgeschichtlichen Bestimmung von Wundergeschichten entsprechen. Der formgeschichtliche Reduktionismus führte nicht nur dazu, dass weite Textbereiche der Bibel aus dem Wunderdiskurs ausgegrenzt, sondern auch Problemzusammenhänge unsachgemäß zerschnitten wurden. Der Wunderdiskurs des 18. und 19. Jahrhunderts bezog zu Recht die Frage nach der Interpretation der Auferstehung Jesu konsequent ein. Der Sachzusammenhang von Wunder und Auferstehung als Frage nach der Weise wie Gott und sein Handeln zu denken sind, verhinderte die Banalisierung der Wunderfrage. Der Wunderdiskurs zu dem Baur beiträgt, hatte längst vor Baur sachgemäße Komplexität erreicht, weil nicht nur diese oder jene Wundergeschichte interpretiert bzw. kritisiert wurde, sondern das Problem im Koordinatensystem von Gotteslehre, Geschichtstheorie, Religionsphilosophie, Wissenschaftstheorie und Hermeneutik diskutiert wurde. Die Wunderdiskussion des 21. Jahrhunderts wird befördert werden, wenn sie wieder an den Diskurs seit Spinoza anknüpft, um ihre im 20. Jahrhundert durch den formgeschichtlichen Reduktionismus und die forschungsgeschichtliche Vergessenheit erfolgte theoretische Unterkomplexität zu überwinden, in deren Folge nicht nur Laien durch die Permanenz biblischer Wundertexte in den GottesWirklichkeit der Wunder Jesu als Ereignisse der Vergangenheit nachzuweisen, daß im Gegenteil dies nur eine Verirrung wäre.“ 74 G. THEISSEN, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien, StNT 8, Gütersloh 1974. Vgl. zur Kritik der Wunderkonzeptionen von Bultmann und Theissen S. ALKIER, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung, WUNT 134, Tübingen 2001, 23–54.
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diensten ohne plausible Verstehenshilfen irritiert und sogar vom christlichen Glauben abgehalten werden, sondern auch Pfarrerinnen und Pfarrer oft nicht mehr recht wissen, was sie am Grab zu sagen wirklich verantworten können. Wenn die Wunder erledigt sind, dann ist es nämlich auch der Osterglaube und dann kann man am Grab nur noch schweigen. Insbesondere die Einsicht, dass die Wunderfrage die Frage nach dem Gottesbegriff, die Pneumatologie als Frage nach dem Wie des Wirkens Gottes, die Frage nach dem Wirklichkeitsverständnis und die Frage nach den in der Geschichte als wirksam gedachten Mächten zu vernetzen hat, ist von Baur zu übernehmen. Dass man damit nicht Baurs theologischen Entscheidungen und philosophischen Positionen verpflichtet sein muss, dürfte klar sein. Wer wie Baur, Schleiermacher, Kant und Spinoza die Realität des Wunderhandelns Gottes konsequent bestreitet, streicht damit nicht nur den Osterglauben, sondern die Christologie als Frage nach dem jetzt lebenden auferweckten Gekreuzigten aus dem christlichen Glauben heraus. Ein Neuansatz in der Wunderfrage ist nur möglich, wenn die von Naturalismus und Supranaturalismus geteilte, scheinbar alternativlose binäre Wirklichkeitskonzeption zugunsten eines komplexeren Verständnisses von Realität überwunden wird. Erst ein komplexeres Realitätsverständnis eröffnet die Möglichkeit, den von Naturalismus und Supranaturalismus und auch von Baur geteilten Wunderbegriff der Durchbrechung von Naturgesetzen zu überwinden. Ich habe daher im Anschluss an das dreistellige Realitätskonzept Charles Sanders Peirces75 und der darauf aufbauenden Religionsphilosophie Hermann Deusers76 vorgeschlagen, Wunder nicht länger in der Alternative von Fakt oder Fiktion zu denken, sondern als Friktion, als kontingente Bre-
75 C.S. PEIRCE, Religionsphilosophische Schriften, hg. v. H. Deuser, Hamburg 1995. DERS., Semiotische Schriften, 3 Bde., hg. u. übers. v. C. Kloesel u. H. Pape, Frankfurt am Main 1993. Vgl. zu Peirce neben den in der folgenden Anmerkung angeführten Arbeiten von Hermann Deuser auch: J.J. LISZKA, A General Introduction to the Semeiotic of Charles Sanders Peirce, IUP Bloomington und Indianapolis 1996; G. LINDE, Zeichen und Gewissheit. Semiotische Entfaltung eines protestantischen Begriffs, Tübingen 2013. 76 H. DEUSER, Gott: Geist und Natur. Theologische Konsequenzen aus Charles S. Peirceތ Religionsphilosophie, Berlin/New York 1993. Vgl. auch DERS., Gottesinstinkt. Semiotische Religionstheorie und Pragmatismus, Religion in Philosophy and Theology 12, Tübingen 2004; DERS., Religionsphilosophie, Berlin/New York 2009; DERS., Was ist Wahrheit Anderes als ein Leben für eine Idee? Kierkegaards Existenzdenken und die Inspiration des Pragmatismus. Gesammelte Aufsätze zur Theologie und Religionsphilosophie, hg. v. N. Joergen Cappeloern u. M. Kleinert, Berlin/New York 2011; DERS., Marvels, Miracles, Signs and the Real: Peirce’s Semiotics in Religion and Art, in: S. Alkier/A. Weissenrieder, Miracles Revisited. New Testament Miracle Stories and their Concepts of Reality, SBR 2, Berlin/New York 2013.
Wunderglaube als Tor zum Atheismus
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chung des Erwartbaren.77 Die Friktionalität von Ereignissen ist die Bedingung der Möglichkeit von Kreativität, Neuem, Nicht Be- und Verrechenbarem – Phänomene, die die erfahrene und erhoffte Wirklichkeit weitgehend generieren und ohne die auch Wunder und Auferweckung nicht gedacht werden können. Ob dieser Vorschlag weiterführt, wird die Diskussion zeigen. Sie wird aber den Sachproblemen der Wunderproblematik nur gerecht werden, wenn sie der Komplexität, Grundsätzlichkeit und Interdisziplinarität der wissenschaftlichen Theologie von Ferdinand Christian Baur im Rahmen der Wissensproduktion des 21. Jahrhunderts nacheifert.
77 Vgl. S. ALKIER, Feeding the 5000, in: ders./A. Weissenrieder (Ed.), Miracles Revisited (s. Anm. 76); DERS., Das Kreuz mit den Wundern oder Wunder ohne Kreuz? Ursachen und Folgeprobleme der formgeschichtlichen Verdrängung des auferweckten Gekreuzigten aus dem neutestamentlichen Wunderdiskurs, (im Druck), in: Hermeneutischer Begleitband zum Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen, Bd. 1: Die Wunder Jesu, hg. v. R. Zimmermann, in Zusammenarb. m. D. Dormeyer u. a., Gütersloh; Vgl. auch S. ALKIER, Die Realität der Auferweckung in, nach und mit den Schriften des Neuen Testaments, NET 12, Tübingen und Basel 2009; DERS., Wunder und Wirklichkeit (s. Anm. 74).
The Absoluteness of Christianity and the Relativity of All History Two Strands in Ferdinand Christian Baur’s Thought
JOHANNES ZACHHUBER 1. Introduction: the Paradox of Historicism Gotthold Ephraim Lessing, the icon of German enlightenment, playwright, literary critic, philosopher and, not least, theologian, famously said that he was unable to perceive how the contingent truths of history could ever provide evidence for the necessary, non-contingent truths of reason.1 As a general statement this would appear largely uncontroversial. Few would build a proof for Pythagoras’ theorem on the slippery evidence that the historical Pythagoras, admittedly one of antiquity’s seven wise men, had held it to be true. In the first place this is because we could never know for sure that he really devised it. Even if we were to know, however, this would still not count as evidence. The wisest person occasionally errs, and in order to know that Pythagoras was right in this particular instance we need independent confirmation for the correctness of his theorem. Such confirmation cannot, however, be itself historical. Lessing, of course, did not think of Pythagoras’ theorem but of Christian doctrine. His famous metaphor was that of the “ugly ditch” separating the believer’s need to be certain of the religion’s truth-claims from the probabilistic and hence ever-fallible nature of their proofs from Scripture and tradition. Lessing did not deny the possibility of revelation; in fact, for the first disciples its reality and power would arguably be self-evident.2 All those who come later, however, rely for their faith on the shaky foundation of errant and ambiguous historical testimony.
1 Gotthold Ephraim Lessing, “Über den Beweis des Geistes und der Kraft” (1777), in
G.E. Lessing’s Gesammelte Werke, vol. 13 (ed. K. Lachmann/F. Muncker; 3rd ed.; Leipzig: Göschen, 1897; repr., Berlin: de Gruyter, 1968), 1–8, here: 5. 2 Lessing, “Beweis,” 1.
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This stark dichotomy of historical and philosophical insight was by no means Lessing’s innovation. On the contrary, it was taken for granted, by and large, among the Rationalist philosophers who dominated the Continental European scene between the mid-seventeenth and the late eighteenth century. It is implied in Leibniz’ view that the philosopher’s task is the exploration of eternal truths pre-existing in the mind of God3 and is given its doctrinal expressions when, in 1738, Friedrich Christian Baumeister, a noted albeit now largely forgotten philosopher from the Leibniz-Wolffian School, opened his Institutiones Metaphysicae with these two definitions: “Historical knowledge is knowledge of facts.” “Philosophical knowledge […] is knowledge of causes.”4 Lessing then did not break any new ground with his admittedly pointed statement. And yet it came to be seen throughout the nineteenth century as emblematic for the fundamental difficulty theology encountered when it sought to use its most proper resources, the historical accounts of the circumstances of the life of the saviour as well as the historical documents testifying to the development of doctrine, in its pursuit of the truth of the Christian faith.5 Yet the problem was not one of method only. Rather, the methodological problem of Lessing’s “ugly ditch” only existed in its full severity for theology because of the historical character of Christianity with its focal point on the Incarnation. For that reason, attempts to transform Christian theology into a rationalist philosophy of religion, popular as they were during the eighteenth century, would ultimately seem inadequate. The Christian faith characteristically refers to one particular point in history, the life span of the God-man, Jesus Christ, and is therefore essentially historical. It cannot be reduced to a belief in a “myth of God incarnate” as it is inevitably tied to the historical individual, Jesus of Nazareth. At the same time, the relevance given to this individual is of such a kind as to make the historical second of his earthly sojourn necessarily the centre of all time and history, elevating it above the infinite cycle of eternal return. When Paul wrote that God sent forth his Son “when the fullness of time had come” (Galatians 4:4) both these notions seemed to be included: that the In3 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nouveaux Essais III, 5, §2.3: “L’existence reelle des Estres qui ne sont point necessaires, est un point de fait ou d’Histoire, mais la connoissance des possibilités et des necessités (car necessaire est dont l’opposé n’est point possible) fait les sciences demonstratives.” (Akademie Ausgabe VI/6; Berlin: Akademie, 1990, 301) 4 Friedrich Christian Baumeister, Institutiones Metaphysicae (Leipzig: Marcheana, 1738), 1 (§§1–2): “Cognitio historica est cognitio factorum; cognitio philosophica … est cognitio caussarum”. 5 Cf. Søren Kierkegaard, Concluding Unscientific Postscript to Philosophical Fragments (ed. and trans. H. V. Hong/E. Hong; 2 vols.; Princeton: Princeton University Press, 1992), 96.
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carnation occurred in time, as part of history, but also that it marks out a finite number of years as history’s fulfilment and an absolute point of reference within the permanent flux of historical development. Lessing, however, did not only offer the classical formulation of the problem; he also suggested one particular way forward which was to become highly influential. Most notably in his Education of Mankind,6 he sketched a theory inscribing the idea of revelation itself into a progressive historical development. The basic idea was almost immediately adopted by Herder7 and Kant8: if history could be reconstructed as being itself geared towards humanity’s perfection, it would cease to be the realm of confusion that had made its juxtaposition with reason so seemingly plausible. Rather, the two, reason and history, would appear to converge insofar as the former could be shown to be strictly inseparable from its historical realisations while the latter was transformed into a teleologically ordered whole once the right philosophical approach had been detected. This development was timely not only for the sake of theology. In the late eighteenth century, historicisation emerged as a novel intellectual paradigm transforming all areas of human knowledge.9 This process went hand in hand with an increasing desire to support political, national, legal and economic claims by means of historical narratives. Nineteenth-century historical thought, in other words, was not a mere academic and intellectual pursuit but underwrote, in various ways, many of the major social and political movements of that period. Consequently, a theory permitting normative conclusions from historical investigation became a pressing need at the time and remained one throughout that entire period. Yet if the historical turn in European intellectual life provided novel tools facilitating historical justifications for various normative claims, it also and at the same time served to counteract and even undermine all such attempts. To the extent that historical study tended to the individual, it was bound to con-
6 Gotthold Ephraim Lessing, “Die Erziehung des Menschengeschlechts” (1780), in Gesammelte Werke, 13: 416–36. Cf. Toshimasa Yasukata, Lessing’s Philosophy of Religion and the German Enlightenment (New York: Oxford University Press, 2002), 89–116. 7 Cf. Hans-Dietrich Irmscher, “Aspekte der Geschichtsphilosophie Johann Gottfried Herders,” in Herder und die Philosophie des Deutschen Idealismus (ed. M. Heinz; Amsterdam: Rodopi, 1997), 5–47. 8 Cf. Emil Ludwig Fackenheim, “Kant’s Concept of History,” in The God Within. Kant, Schelling, and Historicity (ed. J.W. Burbidge; Toronto: University of Toronto Press, 1996), 34–49. 9 Glenn W. Most, Historicization—Historisierung (Aporemata 5; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2001).
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clude that “every epoch is immediate unto God.”10 Throughout the nineteenth century, the awareness grew that people and cultures had to be understood and judged on their own terms. Their thoughts and actions were seen as emerging from their own, culture-specific worldview (Weltanschauung) and were, thus far, incompatible with each other.11 Any absolute value judgment thus became suspicious and, specifically, untenable from a historical (or historicist) point of view. This may be called the paradox of historicism: while the refinement of historical study and historical method sustained the yearning for the establishment of a philosophy of history, it also gave rise to the relativism that is commonly associated with the word historicism. Consequently, we find some of the finest minds of the age engaged in attempts to demonstrate that the very study of history at its climax produces its own system of values, while the same people in their actual research are constantly drawn towards an ethos of impartiality and objectivity that would seem to exclude the imposition of ultimate values from the start.
2. Ferdinand Christian Baur as a Theologian of Historicism It is my intention in this chapter to inscribe Ferdinand Christian Baur’s thought into precisely this framework.12 In other words, I shall write of him 10 Leopold von Ranke, Über die Epochen der neueren Geschichte (ed. Th. Schieder and H. Berding; Munich: Oldenbourg, 1971), 59–60. 11 Johannes Zachhuber, “Weltbild, Weltanschauung, Religion: Ein Paradigma intellektueller Diskurse im 19. Jahrhundert,” in Die Welt als Bild (ed. J. Zachhuber and C. Markschies; Berlin: de Gruyter 2008), 171–94. 12 The fullest English treatment of Baur’s thought is still Peter C. Hodgson, The Formation of Historical Theology: A Study of Ferdinand Christian Baur (New York: Harper & Row, 1966). Of the older German literature G. Fraedrich, Ferdinand Christian Baur: Der Begründer der Tübinger Schule als Theolog, Schriftsteller und Charakter (Gotha: Perthes, 1909) remains indispensable because of the wealth of source material used there. Cf. also: Wolfgang Geiger, Spekulation und Kritik: Die Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs (Munich: Kaiser, 1964); Horton Harris, The Tübingen School (Oxford: Oxford University Press, 1975), and Robert Morgan, “Ferdinand Christian Baur,” in Nineteenth Century Religious Thought in the West (ed. N. Smart et al; 3 vols.; Cambridge: Cambridge University Press, 1985) vol. 1, 261–89 with an extremely useful ‘bibliographical essay’ (287–9). Ernst Wolf, “Einführung,” to Ausgewählte Werke in Einzelausgabe by F. C. Baur (ed. K. Scholder, 5 vols., Stuttgart: Frommann, 1963–1975), vol. 2, vii–xxv and Klaus Scholder, “Ferdinand Christian Baur als Historiker,” EvT 21 (1961): 435–58 offer instructive discussions of Baur’s concept of a theology of history. For his development and various influences on his thought see Hans Liebing, “Ferdinand Christian Baurs Kritik an Schleiermachers Glaubenslehre,” ZKG 54 (1957): 225–43 and Carl Hester, “Gedanken zu Ferdinand Christian Baurs Entwicklung als Historiker anhand zweier unbekannter Briefe,” ZKG 84 (1973): 24–69. The
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here as a paradigmatic theologian of historicism. The latter term, of course, is notoriously ambiguous but I use it here in the broader sense in which it applies to the entire period that operated under the historical paradigm and therefore includes much of Romantic and Idealist thought.13 Nevertheless, the claim that Baur is emblematic of a historicist approach, even in this wide sense of the term, while not altogether novel, will surprise given that he is often still seen as an exponent of theological Hegelianism. As will become obvious in due course, it is part of the purpose of my argument to disown the latter claim, or at least restrict its validity. For my own interpretation of Baur’s work, it is crucial to see that it encompassed two aspects that are now not often perceived in their conjunction. First of all, he produced, beginning in the late 1820s, an incessant flow of groundbreaking publications touching on all New Testament writings.14 In these writings he made the revolutionary attempt to produce a consistent picture of primitive Christianity in its historical setting, giving due weight to the fact that the texts we possess are both our sources for that period and also its products. Simultaneously, Baur covered the history of dogma by devoting entire monographs to the development of particular doctrines throughout the eighteen hundred years of their history.15 In all these broadly historical studies, however, Baur’s interest in more strictly theological questions was never far away. There is every reason to believe that for him historical work was the way to tackle systematic questions as much as systematic insight was needed for historians to understand their subject. Baur is, I would claim, a historicist theologian in the very specific sense that for him theology is its own history but, by the same token, the “history” of Christianity is not fully understood until it has been interpreted as giving expression to the truth of this faith.
following argument is developed in greater detail in Johannes Zachhuber, Theology as Science in Nineteenth-Century Germany: From F. C. Baur to Ernst Troeltsch (Oxford: Oxford University Press, 2013), 12–72. 13 Arnaldo Momigliano, “Friedrich Creuzer and Greek Historiography,” Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 9 (1946): 152–63 writes of “the first phase of the so-called ‘Historismus’; by which first phase we mean the defence of empirical history against the theory of a history a priori whether in the dualistic form of Kant and Fichte or in the monistic one of Hegel” (161). Apart from Creuzer, he mentions Wilhelm von Humboldt, August Boeckh, and Friedrich Schleiermacher. 14 Some of the most important ones of those are collected in vol. 1 of Baur, Ausgewählte Werke. 15 Ferdinand Christian Baur, Die christliche Lehre von der Versöhnung in ihrer geschichtlichen Entwicklung von der ältesten Zeit bis auf die neuste (Tübingen: Osiander, 1838); Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und der Menschwerdung Gottes in ihrer geschichtlichen Entwicklung (3 vols.; Tübingen: Osiander, 1841–1843).
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Baur expressed this principle in nuce in his earliest published monograph Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Alterthums.16 This work presents the ambitious attempt to add to the bourgeoning field of research in mythology – most notably represented at the time by Friedrich Creuzer’s Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen17 – by embedding mythology in an overall theory of the history of religion. Its first volume (of three) appeared in 1824 and thus many years before Baur encountered Hegel’s philosophy for the first time. Right at its outset, Baur writes that, in principle, there are only two roads which the study of the history of religion can follow: … either that of separation and isolation, which, consistently pursued, necessarily leads to atomism, fatalism and atheism, or that on which dawns a purer and higher consciousness of the divine to the degree to which the spiritual life of the peoples is recognised in its great interconnectedness as a great whole, thus leading to an ever more sublime idea of the divine. … I am not scared of the well-worn charge of mixing philosophy and history. Without philosophy, history for me remains forever dead and dumb.18
Due to the more rigid disciplinary boundaries that exist within theology today, this larger picture is now often missed. New Testament scholars may deal with Baur and his Tübingen School insofar as they contributed to the rise of historical criticism.19 Those specialised in nineteenth-century systematic theology on the other hand will consider Baur’s relation to Hegelian philosophy, or to the thought of Schleiermacher,20 but tend to ignore the more historical aspect of his work. The truth is, or so I shall argue, that for Baur the two were inseparable and that the specific character of his thought can only be appreciated from a vantage point that takes this syzygy seriously. For Baur, Lessing’s dilemma, the tension between theology’s rational claims and the historical character of its sources, epitomised the task of the theologian. As his programmatic statement from Symbolik und Mythologie shows, his own solution was based on the idea that a philosophical interpretation of religious history would overcome the arbitrariness that seemed such an inevitable aspect of historical events. Further, while the real history of religion would be the one informed by philosophical reflection, the true philosophy of religion would in turn be identical with its own history. To write the 16 Ferdinand Christian Baur, Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Alterthums (3 vols.; Tübingen: Osiander, 1824–1825). 17 Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen (3 vols.; Leipzig: Leske, 1810–1812). 18 Baur, Symbolik, 1: xi. 19 Cf. e.g. Werner Georg Kümmel, Das Neue Testament: Geschichte der Erforschung seiner Probleme (2nd ed.; Munich: Alber, 1970). 20 E.g. Hodgson, Formation, 43–70.
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history of the philosophy of religion would therefore be tantamount to its systematic exposition; in this way, history and philosophy are thoroughly and inextricably intertwined. This project, which could equally be described as a history of the philosophy of religion and as a philosophy of the history of religion, was ultimately meant to lay a solid foundation for Christian theology. Baur expected such reflection to demonstrate that Christianity was what he called “the absolute religion”: in and with Christianity the very concept of religion was brought to its fulfilment. Central for Baur’s argument was the Incarnation as the idea of the coming-together of God and world, spirit and matter, but also the concrete, historical realisation of this unity in the person of Jesus Christ. Whereas the former was a philosophical problem, the latter, Baur believed, could only be ascertained by historical study. Only in their conjunction, however, could the two underwrite the claim that in and through Christianity, the divine had truly informed and transformed history and thus revealed its ultimate truth. The concrete, historical existence of the God-man as part of human history was, therefore, as necessary for the elevation of history from the realm of human confusion to that of divine ordination as it was the hermeneutical key of a philosophy of history. Consequently, the theologian had to be both a historian and a philosopher.
3. Baur on Christian Gnosis: the Programme in Detail It may be useful at this stage to look more specifically at the way Baur put these ideas into practice. No other of his writings suggests itself for this task in quite the same way as his 1835 monograph Die christliche Gnosis.21 Like most of Baur’s works it was never reprinted during his lifetime (though it has been made available again more recently) nor is there an English translation. Through Marheineke’s posthumous publication of Hegel’s Lectures on the Philosophy of Religion in 1832,22 Baur had eventually made the acquaintance of that philosopher’s thought. He was evidently impressed: considerable Hegelian influence is discernible (and in fact acknowledged) in Christliche Gnosis which must have been written immediately subsequent to that first literary encounter with the late Berlin philosopher. It is, then, understandable that his readers have found in Baur’s works from this period evidence for an applica21 Ferdinand Christian Baur, Die christliche Gnosis oder die christliche ReligionsPhilosophie in ihrer geschichtlichen Entwiklung (Tübingen: Osiander, 1835, repr., Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1967). 22 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion (ed. Ph. Marheineke; 2 vols.; Berlin: Duncker und Humblot, 1840).
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tion of Hegelian principles to historical theology. Nevertheless, such an assessment is, at the very least, an oversimplification. While Baur’s references to Hegel’s thought in works written between 1832 and the mid-1840s witness a high degree of intellectual attraction to, fascination by, and sympathy for these ideas, it is less evident that they brought about a radical new departure in Baur’s intellectual orientation. Most central tenets of Baur’s thought can be traced back to his early publications from the 1820s.23 At the same time, as we shall see in more detail below, Baur’s reading of Hegel even in a work such as Die christliche Gnosis is far from uncritical and, in fact, rather indicative of, and determined by, Baur’s own specific theological agenda. The full title of the book in its rather baroque length gives some first, crucial indications of how Baur approached his object of study: Christian Gnosis or The Christian Philosophy of Religion in its Historical Development. First of all, Baur offered an investigation of the historical phenomenon of Gnosticism in the second and early third century.24 Much space is taken up by the painstaking reconstruction of the thought of the major Gnostic schools and their relationships. It is tempting to leave this aspect of Baur’s work to one side: his argument is entirely conditioned by the state of scholarship at the beginning of the nineteenth century and thus woefully out of date. What is more, in order to fully understand and evaluate his historical reconstruction one would need to contextualise it within the relevant contemporary research; such a task goes way beyond the confines of the present chapter. In spite of these problems, however, Baur’s historical analysis cannot be ignored without losing sight of the peculiar nature of his project. It is essential to see, or this at least is what I argue here, that for Baur historical and systematic reflection go hand in hand. We shall see below in more detail quite how this works out, but in order to gain this perspective we cannot afford to ignore either side of his work. Be this however as it may, it is evident – this indeed is the second clue one can take from the book’s title – that Baur’s interest in Gnosticism was not confined to its historical reconstruction. More precisely, “historical reconstruction” for him went beyond the establishment of mere facts. It included their interpretation, which could only be gained by setting them in the context of a larger, more complex whole thereby elucidating their relevance and meaning. In this sense, Baur sought to capture the nature of Gnosticism by understanding it as “the Christian philosophy of religion”. This to us sounds odd, but we have to recall that Gnosticism appeared to most eighteenth and 23 Zachhuber, Theology as Science, 51–72. 24 Terminologically, I use Gnosticism for the religious movement in late antiquity and
Gnosis for Baur’s broader, diachronic concept – Baur himself, of course, does not make this distinction.
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early nineteenth-century scholars as a strange hybrid combining Christian, Jewish and Pagan elements, and hovering somewhere between theology, philosophy, and myth. So it was characterised by Baur’s predecessors August Neander (1789–1850)25 and Jacques Matter (1791–1864)26 as “syncretistic theosophy”.27 Against this backdrop we may be able to appreciate Baur’s suggestion that this “syncretism” was much rather a Christian attempt to understand what religion was by bringing existing religions into a comparative system: Religion is the very object with which it (i.e. Gnosis) is occupied, but primarily not religion in its abstract idea, but in its concrete forms in which it had objectified itself historically at the time when Christianity came into existence.28
In Baur’s view, the specific aim of Gnosticism was to penetrate the theological ideas characteristic of the religions known at the time, Judaism, Christianity and Paganism. All Gnostics, he claimed, ultimately sought [...] to determine the relation, in which the three said forms of religion stand to one another with regard to their character and their inner value. In this way, by means of a critical, comparative examination, they intend to ascertain the true concept of religion.29
The Gnostics, according to Baur, studied the religions of antiquity ultimately in order to understand their own place within the world of religions. Not without reason did the name of their movement derive from the Greek word for knowledge, gnosis. The knowledge the Gnostics sought was related to their faith; Gnostic speculation was thus a paradigmatic case of “faith seeking understanding.” This search, Baur believed, was motivated by the notion inherent in the Christian faith of its own superiority over against other, alternative religions: Christianity necessarily sees in itself, as Baur put it, the “absolute religion.” This conviction is challenged, however, by the observation of 25 August Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme
(Berlin: Dümmler, 1818). In Christliche Gnosis, however, Baur refers to Neander’s discussion of Gnosis in the more recently published first volume of his Church History; Baur, Gnosis, 15; cf. August Neander, Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche (6 vols.; Hamburg: Perthes, 1826–52), vol. 1, part 2, 627–28. 26 Jacques Matter, Histoire critique du Gnosticisme et de son influence sur les sectes religieuses et philosophiques des six premiers siècles de l’ère chrétienne (2 vols. ; Paris: Levrault, 1828). Baur knew the German translation by C. H. Dörner, Jakob Matter’s Kritische Geschichte des Gnosticismus und seines Einflusses auf die religiösen und philosophischen Sekten der sechs ersten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung (Heilbronn: Drechsler, 1833), but quotes from the French original. For Gnosis as “theosophy” see Matter, Histoire, 2: 191 and Baur’s summary in Christliche Gnosis, 16–17. 27 Baur, Christliche Gnosis, 15–17. 28 Baur, Christliche Gnosis, 18–19. 29 Baur, Christliche Gnosis, 19.
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common features Christianity shares with other religions. The resulting tension necessitates reflection, and this reflection, argued Baur, had to be both philosophical and historical in nature. For only a philosophy of history would be able to integrate all religions into a single narrative while at the same time explaining their successive emergence and success as more than mere coincidence. How does Baur discern this idea in the writings of Gnostic authors? He starts from the three principles that are to be found in many Gnostic writings: material creation, the Demiurge and the Saviour. These principles he then correlates with three stages in the history of religion: pagan nature religion, which ultimately identifies the divine with the material world; Jewish theism, which sees God chiefly as creator and, as such, transcendent and wholly detached from the world;30 finally the religion of redemption or, better, reconciliation, whose aim it is to bring the two realms, Nature and Spirit (Geist) together: this is Christianity with its leading idea of the Incarnation. It is not difficult to see why Baur thought that such a historical construction would demonstrate the superiority, in fact, the ultimate and absolute validity of this last type. A narrative like this would succeed in portraying the other two as necessarily one-sided forerunners which, while not entirely false or inadequate, will inevitably be superseded by the advent of a type of religion that both preserves and corrects their positions by offering a perspective capable of uniting or indeed “reconciling” their respective principles. This success depends, however, on the Gnostics’ ability to show that such a synthesis of God and world actually occurred. Characteristically, Baur denied that they achieved any such thing. As a matter of fact, Gnostics were notorious for their docetic Christology; for them there is not, nor could there be, a real union between the spiritual and intelligible realm and the material domain: If Spirit, then, is to retain for himself consciousness of his absolute being and of his absolute rule, he must again and again exercise this rule by breaking through the material form, in which he appears. He must never permit it to become static and fixed, must soar up above it and act towards it in complete freedom, treating it as a form completely transparent and plastic for the Spirit. In this sense, then, the sensible form in which Spirit appears is mere semblance, and the redeemer can appear in the sensible world in no other than such a form.31
30 Note that Judaism here is little more than a foil for the emergence of Christianity. This view, so typical for theological scholarship of the time and influential throughout the twentieth century, has recently been highlighted for its contribution to nascent German antiSemitism: Anders Gerdmar, Roots of Theological Anti-Semitism: German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann (SJHC 20; Leiden: Brill, 2009), 97–120. 31 Baur, Christliche Gnosis, 261.
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If it were otherwise – if the redeemer were himself substantially, in his being, related to nature – then he himself would be in need of salvation and thus no longer the redeemer. There is no Incarnation, therefore, in the proper sense of the word; the Word does not become flesh. Rather, a redeemer who is himself Spirit recalls human beings to their true spiritual home, away from their decline into matter. This makes Christianity (in Baur’s categories) spirit religion (Geistreligion), but does not constitute it as the religion of redemption, which would truly reconcile Spirit and Nature. Dualism is not ultimately overcome as Spirit asserts itself over against Nature but does not assimilate or incorporate it into itself. The Gnostics thus fail, from Baur’s point of view, the very task they had to solve. Their lack of a real idea of Incarnation has further consequences. If there is no real amalgamation of God and world in Christ, Baur contends, salvation itself does not really occur within history. The saviour enters the world from above; his salvific activity has, as Baur puts it, an “absolute beginning,” expressed most characteristically in Marcion’s famous opening of his Gospel of Luke, where Jesus is said to have “come down from heaven” (manare de coelo32) in the fifteenth year of the Emperor Tiberius. Baur seeks to show that the same principle necessarily applied in other Gnostic systems as well. After all, the epiphany of the principle of salvation cannot have occurred within the continuous flux of history: The principle of higher, spiritual life can interfere with human nature only because it in itself is supernatural, in the same way in which, according to the usual view, Christ is sinless only because his origin does not belong to the series of human procreation and thus constitutes an absolute beginning.33
If the life of the saviour has such an absolute beginning, however, it never really becomes part of history later on. And so, what is true for Christ is, in a sense, true for all later Christians. They enter into the realm of grace or, we might better say, grace enters into them from above with no relation to their earlier lives. Like the redeemer, every saved individual … relates to their entire previous existence, to their earlier development as something purely supernatural that cannot be explained from it, even though it must, nonetheless, belong to the sphere of human nature’s potential for development.34
32 Cf. Tertullian, adv. Marc. I 19: “Anno XV. Tiberii Christus Iesus de caelo manare dig-
natus est, spiritus salutaris Marcionis” = Adolf von Harnack, Marcion: Das Evangelium vom fremden Gott (Leipzig: J. C. Hinrich’sche Buchhandlung; repr., Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1996), 184*. 33 Baur, Christliche Gnosis, 264. 34 Baur, Christliche Gnosis, 264.
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There is thus no history of salvation, only as it were a quasi-history of salvation. Essentially, salvation becomes as ahistorical a thing as the Incarnation. If this is so, however, how are Christians related to the historical saviour? Is there any link tying the contemporary believer to the man Jesus who flourished in the first century of the Common Era? The Gnostics, Baur suggested, tried to alleviate this problem by introducing their famous myth of Adam as the Primal Man (Urmensch), who in a way encompasses all those who came later: In order to have a true redeemer, there was needed, then, the additional interest of conceiving the first in the series [of saved human beings] also as the paradigm (Urbild) of all human individuals who fall under the same concept, as universal Man, who merely individualises himself, as it were, in all the others and realises the Idea of his being in them.35
The saviour really must be this original or paradigmatic man in order to be properly related to all other human beings. As such, however, he cannot any longer be thought to be identical with any individual human person. There is an infinite, logical chasm, a chorismos so to speak, separating the ideal, universal Man of Gnostic speculation from any particular individual. The philosophical reconstruction of the history of salvation thus ends with the unresolved duality of a historical Jesus and an ideal Christ. At this point, finally, the failure of Gnostic philosophy of religion is apparent. While it sets out to do the right thing, trying to vindicate Christianity as a historical philosophy of religion, it fails to succeed in this attempt because it cannot show how God became human in one historical individual, Jesus of Nazareth. In the end, the separation of God and world remains as stark as it has always been; not even remotely is the coming together of the two made feasible by the Gnostics’ effort. This failure has a further corollary. If this philosophy of religion cannot unite the transcendent and the immanent, then neither can it claim to have shown that history carries ultimate meaning. Rather, history remains very much the realm of relativity which cannot, therefore, provide any serious arguments for the validity of philosophical or theological statements. In Baur’s perspective, as we can see now, there is a subtle interrelation between the material and the formal level, between contents and method. The historical approach to the philosophy of religion needs for its own confirmation the success of the incarnational argument, as only the latter notion would repudiate Lessing’s “ugly ditch.” The failure of Gnosticism as a philosophy of religion, then, is complete. Is this, specifically, the fault of those second-century philosophical theologians? Have they simply misconstrued the task they were facing? Baur’s book 35 Baur, Christliche Gnosis, 265.
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not only wishes to argue that Gnosticism is best understood as the Christian philosophy of religion, but that the path pursued by the Gnostics of late antiquity is, in principle, to be followed by any Christian theologian with an equally keen interest in the rational reflection of their faith. This, then, is the third major interest of his study, and once again it is to some extent apparent from the book’s title. The Christian Gnosis or The Christian Philosophy of Religion in its Historical Development – this clearly indicates that for Baur the story did not end in late antiquity. Historical study of Gnosticism ideally teaches us what philosophy of religion is about – then as now. It is here, at the very latest, that we become aware how similar Baur’s own position is to that of the Gnostics he studied. The validity of his own historical work, which he understood as being at the same time systematic, depends on the success of his attempt to overcome Lessing’s “ugly ditch,” the dichotomy of truth and history. Historical research can be philosophically or theologically relevant if, and only if, philosophy can demonstrate that history is more than the realm of human confusion; but if such a proof is successful, history may well turn out to be the paradigmatic object for philosophical and theological study. In this sense, his own work is meant to be both a historical (and historicist) philosophy of religion and a philosophically conceived history of religion. It is interesting to note that Baur in Die christliche Gnosis was quite aware that this conception was radically opposed to the ahistorical philosophy of religion that had been dominant in European Rationalism since the seventeenth century. In a footnote he remarked candidly that there hardly is a greater antithesis to Gnosis than [Christian] Wolff’s natural philosophy. While it wants to be philosophy of religion also, its God is merely the abstract, rational concept of the ens perfectissimum.36
For Baur, by contrast, philosophy of religion must follow in principle the path laid out by the Gnostics. It must be historical because only as such it can actually reflect religions, which are historical phenomena, and the normative concept of religion, which such a philosophy must generate, can only emerge from a critical engagement with the results of empirical study. Unsurprisingly perhaps, Baur finds rather more promising examples for the “Gnostic” type of philosophy of religion among his contemporaries, Schelling, Schleiermacher, and Hegel. Consequently, the last third or so of his monograph is dedicated to a detailed investigation of the modern varieties of the old tradition of a historical philosophy of religion. There is no need to follow this discussion in all detail here.37 The crucial question after what we have found about Baur’s interpretation of second-century Gnosticism evident36 Baur, Christliche Gnosis, 555, n. 5. 37 For a full account cf. Zachhuber, Theology as Science, 25–50.
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ly is this: Does this most recent development provide the key to the problems that were left unresolved 1600 years earlier? Does Baur find evidence in Schleiermacher or in Hegel for the eagerly sought solution to the dilemma, which was only exposed, but not overcome, by their forebears? The answer is as simple as it may be surprising: he does not. Not for a second do we find Baur tempted to give in to the fascination of Hegel’s Idealism; if anything, its perfection is seen in the fact that the unresolved problems which, in Baur’s own interpretation, were characteristic of second century Gnosticism come out more clearly in his own time. In Hegel, Baur insists, Christ is the God-man only through the mediation of faith. What is behind faith, the objective reality of history, which must form the presupposition for the transformation of a merely extraneous, historical observation into faith, is cloaked in a mystery into which we ought not to enter. For the question is not whether Christ as such, according to his objective, historical existence, was the God-man. What matters alone is that through and for faith he became the God-man.38
Ultimately, Hegel’s absolute mind or reason or spirit – no single one of these words quite captures the German Geist – according to Baur is itself transhistorical: What the spirit is and does is no history.39 For faith therefore, the appearance of the Godman, God’s Incarnation, his birth in the flesh, may well be a historical fact; from the point of view of speculative thought, however, God’s Incarnation is not a single, singular, historical event but the eternal determination of God’s being by virtue of which God becomes man in time (that is, in every single human being) only insofar as he has been human from eternity.40
There thus is, in the most recent representatives of “Gnosis”, precisely the same ambiguity that was to be found in the earlier variants of this philosophy of religion. Neither Schleiermacher nor Hegel, Baur argues, successfully bridge the gap dividing God and world, mind and body, reason and history, Spirit and Nature. This obviously is not a marginal error. On the contrary, such failure must completely undermine their philosophical attempts as it takes away the very justification for the project as such of treating the philosophy of religion historically. Yet Schleiermacher and Hegel are not the only ones to be affected; Baur himself is too. In fact, their failure, if such it is, invalidates the very 38 Baur, Christliche Gnosis, 712. 39 The quotation is from Hegel’s Lectures on the Philosophy of Religion where it reads
“What Spirit does is no history; it takes to do only with what exists on its own account, is inand-for-itself, not with something past, but, on the contrary, simply with what is present:” G. W. F. Hegel, Lectures on the Philosophy of Religion (trans. E.B Speirs and J.B. Sanderson; 3 vols.; London: Paternoster, 1895), 3: 122. Baur elsewhere cites the quotation in full (Baur, Christliche Gnosis, 696). 40 Baur, Christliche Gnosis, 715.
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foundation on which the Tübingen scholar is erecting his edifice of a historical study of the philosophy of religion with normative implications for philosophy and theology. At the end of all those lengthy analyses from second century Gnosticism down to the nineteenth century icons of philosophical theology we seem to arrive not very far from the place from which we had started. Baur has come nowhere near a position permitting him to leave behind the Rationalist dichotomy of reason and history expressed in Lessing’s celebrated phrase of the “ugly ditch.” Perhaps more than ever are we faced with the utter duality of ahistorical reason (“what the spirit is and does is no history”) and relativistic, meaningless history. The great project, jointly undertaken by historical research, philosophy of history and, not least, Christian theology, to find within history its own ultimate point of reference, has utterly failed, so it seems.
4. The Final Dilemma: Baur’s Aporetic Theology of History Can this failure really be the last word? Is there, perhaps a hidden layer in Baur which thus far has remained unexplored? Given Baur’s apparently adamant determination to expose alleged inconsistencies in Schleiermacher’s and Hegel’s philosophies of religion, is he in possession of a theory which can deliver what he desires better than these men could? Looking more closely at the arguments Baur presents to demonstrate the failure of Schleiermacher’s and Hegel’s philosophies, it quickly becomes apparent that this cannot have been the case. Much rather, these arguments would seem to lead to a very different, albeit ultimately paradoxical, suspicion. It appears that Baur regularly constructs his arguments on the basis of a premise which is itself dualistic and thus predetermines from the very beginning the case he claims to be investigating. The suspicion, then, is that in spite of all his philosophical, idealistic rhetoric, Baur as a historian worked from the hypothesis that history in fact was precisely the realm of ambiguity and confusion earlier generations of philosophers had seen in it. Quite characteristic, for example, is the following argument Baur presented in his assessment of Schleiermacher’s formula for the “essence of Christianity” (§11 in The Christian Faith) in which the interior faith-dimension of this religion is mentioned together with its relation to “the redemption accomplished by Jesus of Nazareth.”41 Baur pertinently observes that this formula in 41 Friedrich D. E. Schleiermacher, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der
Evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (1830/31) (ed. Martin Redeker; 7th ed.; Berlin: de Gruyter 1999), 74; ET: Hugh Ross Mackintosh and James S. Stewart, The Christian Faith (London: Continuum, 1999), 52: “Christianity is a monotheistic faith, belonging to
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its reference to Jesus leaves behind the immanence of the believer’s consciousness and enters the external world of history. This, he argues, raises the larger theological as well as philosophical question of the identity of the redeemer with that historical individual, a correspondence that could, in any case, not ultimately be decided through historical research but only by means of philosophical reflection. Note, however, how he glosses this problem: the historical perspective cannot be sufficient, Baur writes, because it never yields more than relative values: Between the relatively best and the absolutely perfect there is a chasm which history can never cross.42
Baur is here clearly begging the question. He himself had set out to prove this premise wrong by developing a framework within which historical knowledge properly understood could actually yield normative theological truth. It now appears, however, that he did not believe in the very possibility of such a synthesis in the first place. Is this argument, perhaps, a particular swipe directed against Schleiermacher by a newly converted Hegelian? Baur strenuously denies that: I am far from criticising Schleiermacher’s Glaubenslehre for something that is inevitable in this subject matter.43
Indeed, his treatment of Hegel displays the same kind of underlying reasoning, revelatory of what one may call Baur’s clandestine historicist relativism. It is useful here to recall one passage I quoted earlier; it sums up Baur’s (rather critical) assessment of Hegel’s Christology. Yet it is equally telling of the relativist strand in Baur’s historicism, whose contours are increasingly emerging: Christ is the God-man only through the mediation of faith. What is behind faith, the objective reality of history, which must form the presupposition for the transformation of a merely extraneous, historical observation into faith, is cloaked in a mystery into which we ought not to enter. For the question is not whether Christ as such, according to his objective, historical existence, was the God-man. What matters alone is that through and for faith he became the God-man.44
One does not have to be a Hegelian to perceive that Hegel is misrepresented here. What Baur called “the objective reality of history” and, once again, the “objective, historical existence” of the saviour is a concept Hegel would never the teleological type of religion, and is essentially distinguished from other such faiths by the fact that in it everything is related to the redemption accomplished by Jesus of Nazareth.” 42 Baur, Christliche Gnosis, 638. 43 Baur, Christliche Gnosis, 641. 44 Baur, Christliche Gnosis, 712.
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have embraced, certainly not in the sense Baur evidently attached to this phrase.45 On the contrary, Hegel would have fully endorsed the view that starting from such a concept made dualism inescapable. Once we concede that there is such a thing as historical truth in the sense of an objectivity that is evident to the impartial observer, any further interpretation can only be added as a layer over and above this already existing “history” and will thus always remain a secondary ingredient. As a matter of fact, Hegel did not think that “historical objectivity” in this sense did at all exist; what people would call this he would consider to be a poorly understood interpretation of history. Truly “objective” history would be the one which takes full advantage of the philosophy of the absolute Spirit, that is, Hegel’s own. Another instructive passage is the following summary Baur offered of Hegel’s understanding of concrete historical religion: Historical religions, in which Religion exists in its finite form, are merely moments of its concept (Begriff) and thus do not correspond to it; the concept is not really in them. At the highest point, determinacy becomes the concept itself, limits are thus abolished and religious consciousness is no longer different from the concept: this is the Idea, the fully realised concept, absolute religion.46
At this point, Baur continued, the finite is annihilated, and the infinite Spirit becomes aware of it as nothingness. This passage perfectly displays and illustrates the specific one-sidedness of Baur’s reading of Hegel. His dualistic separation of ahistorical concept and historical reality completely misses what for the latter is absolutely central: the “sublation” (Aufhebung) of the finite in the infinite.47 While this process “annihilates” the former, the finite disappears only in its negativity; it loses that which is opposed to the fullness of the Spirit. At the same time, however, it is, as such, preserved precisely by its integration into the total intelligibility of the spiritual realm. Baur’s misreading of this idea may, at one level, seem a mere matter of subtle nuance. In some sense, of course, it is right that for Hegel the concept “is not really” in the historical religions; “in its full reality” it indeed does not correspond to its finite manifestations. Baur, however, clearly
45 Cf. Hegel’s critical comments on historical exegesis: “Religion would do right not to be able to accept such [historical-critical] investigations.” Werke in zwanzig Bänden (Theorie Werkausgabe) (ed. E. Moldenhauer/K.M. Michel, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1970), 17: 307– 8. To treat the Bible like profane works of literature is only expedient for those with a “purely historical” interest: Vorlesungen über die Philosophie der Religion (ed. W. Jaeschke; 3 vols.; Hamburg: Meiner, 1983–85), 3: 253. 46 Baur, Christliche Gnosis, 690. 47 It is notable that the concept and the terminology of sublation play only a marginal role in Baur’s reconstruction of Hegel’s philosophy.
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did not think of dialectical “sublation” here, but rather of a full and lasting separation between concept and history. It is not my task in the present essay to discuss and assess Hegel’s own theory. I would, however, contend that if there is one fault of which it cannot really be accused, this is a lasting categorical duality of history and meaning: Hegel’s theory of universal sublation of all reality in the Absolute may not in the end work but it is born from his recognition of the inadequacies of Kantian and other dualisms. That Baur seems so completely oblivious to this can only mean that he read his own philosophical vision into Hegel; his appreciation and reception of Hegelian ideas is, right from the outset, conditioned by a particular perspective which, at least in one important regard cannot, as we have seen, be reconciled with Hegel’s own Idealism. What is this perspective? What is Baur’s own vision? We may call it hermeneutical: he emphatically affirms “objective”, impartial, historical research as a first, separate step to which is then subsequently added a philosophical or theological interpretation. The latter, it is assumed, will furnish all that has consciously been left out at first, meaning, values, teleology: all those concerns that ultimately motivate our interest in history, whether religious or otherwise. It is easy to see what made this methodological duality so attractive: it seems to guarantee independence and academic respectability to empirical historical research. The deeply flawed historical analyses offered not merely by the defenders of traditional orthodoxies but also by Romantics and Idealists offer additional illustrations for its allure in the nineteenth century and beyond. The one, major question of course is whether there is any way of preventing this methodological duality from resulting in a dualism of fact and meaning? Their ultimate unity, one might say, has been the Holy Grail of much of nineteenth century German historical thought. There is some irony in the fact that Baur joined the search for this Holy Grail and evidently devoted much time, energy, and talent to this endeavour, while at the same time working on the basis of assumptions which all but excluded its existence. In this, again, he may have been emblematic for an age that was at once fascinated by the possibilities of modern historiography and scared of the consequences of their radical application.
5. Conclusion Should we then simply leave this self-contradictory work to one side as an oddity in the long and overall fruitful history of theology, an oddity which merits attention only for the sake of its curiosity? I think there is little reason
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for doing this. While there can be but little doubt that many or most of the historical assumptions on which Baur based his work are outdated, it is not at all obvious that there is a ready solution forthcoming to the fundamental systematic problems to which his work testifies. It may be for other people to decide whether we need to address the apparent gap between the quasiscientific procedure of historical research and its obvious functions for the collective identities of societies. As for theology, however, I would venture to say that there is little evidence that the last 150 years have moved decisively beyond the aporiae that are brought out in Baur’s work. There have been those, such as David Friedrich Strauss, who argued that, in an age of historical consciousness, the orthodox notion of Incarnation was elusive and that Christianity would gain a much more coherent theology if it thoroughly modified that concept. There were others, such as Søren Kierkegaard and his twentieth century students, Rudolf Bultmann and the early Karl Barth, who effectively de-historicised Christology by stressing the merely paradoxical nature of the Incarnation. It is probably fair to say that neither of these attempts could be described as ultimately successful, simply because such a strong case can be made for a “historical” understanding of the Incarnation and thus a direct relation between salvation and history. What may also be significant in this connection is the periodical return of New Testament scholarship’s interest in the historical Jesus; I take it that theological interest there is never far away. One might even say that in a much more general sense the continuing coexistence of historical and systematic subjects within academic theology, in spite of their permanent tensions, is only justified because of the underlying notion that, due to its incarnational focus, the Christian faith has an inherently historical aspect. Quite possibly, it took a theologian who embodied within himself to a remarkable degree the qualities of both a historical and a systematic theologian to produce a work which bears testimony to their mutual interaction, but also to the extreme problems which ensue from this attempted synthesis.
Wirkungen
The Reception of Baur in Britain* JAMES CARLETON PAGET 1. Introduction In his Paul and the Competing Mission in Corinth, published in 2001, Michael Goulder wrote: “So I am happy to have the ghost of Ferdinand Baur to preside over my studies. The criticism of his historical work can be answered, and the attack on his philosophical presuppositions was misguided. He was a master spirit.”1 This quotation, slightly defensive in tone, but strikingly warm in its endorsement of the scholarship of Ferdinand Christian Baur (1792– 1860), reflects one British response to the founder of the Tübingen School of theology, which can be traced as far back as the 1850s. But a survey of the history of Baur’s reception in Britain will find that this is the minority response; and that Goulder, in seeking to argue for a Baurian account of Christian origins at the beginning of the millennium, is best seen as a theological maverick, kicking against the goads of generations of harsh criticism, summed up most tellingly in Stephen Neill’s trenchant account of Baur in his History of the Interpretation of the New Testament of 1964. Here Baur’s theories about Christian origins are presented as “gravely vitiated by an irrelevant and unproven presupposition” derived from Hegel,2 and as “killed stone dead”, and “completely overthrown”3 by the almost providential labours4 of
* I would like to thank Susanna Avery-Quash, Simon Gathercole, William Horbury, Michael Ledger-Lomas, Robert Morgan, David Thompson and Francis Watson for commenting upon versions of this piece. 1 M. D. Goulder, Paul and the Competing Mission in Corinth (Peabody: Hendrickson, 2001), 15. 2 Stephen Neill, The Interpretation of the New Testament, 1861–1961 (London and New York: Oxford University Press, 1964), 21. 3 Neill, Interpretation of the New Testament, 55. 4 “A way out of the panic (caused by Baur) could be found only if men would come forward who would carry out the work of critical investigation in a spirit of complete fearlessness … The hour brought forth the man; in 1861 Joseph Barber Lightfoot was appointed to the Hulsean Professorship of Divinity at Cambridge …” (Neill, Interpretation of the New Testament, 32).
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the saintly J. B. Lightfoot, an account of Baur’s fate which has a pedigree going back to at least the 1880s. Such a narrative has been subjected to criticism.5 Its chief defect lies in too narrow a view of Baur’s ghost.6 If we define the latter in terms of his total view of Christian origins, incorporating an understanding of most early Christian works, including all of the New Testament, in terms of a division between Pauline and Petrine Christianity and their eventual dissolution into catholic Christianity, and the resultant second century dating of many New Testament books, then Neill’s dismissal of Baur is correct. But we can, by contrast, see Baur’s work in a broader light. Such a presentation would involve emphasizing the fact that Baur’s is the first thorough-going historical account of early Christianity, whose presuppositions were to influence many of those who followed him,7 whether in agreement or disagreement; and that his views about the relationship between John and the Synoptics, the question of the authenticity of many New Testament books, the theological tendency of individual New Testament writings, and the role of conflict in the creation of early Christian ideas, while disputed, continue to be standard topics of discussion in any account of New Testament and later history. If we accept these points, then Baur will appear as the central and most influential figure in the history of the study of Christian origins.8 Indeed, seen against this broader canvas, it may only be a slight exaggeration, here adapting the words of A. N.
5 For criticism of this view, see R. Morgan, “Non Angli sed Angeli: Some Anglican Reactions to German Gospel Criticism,” in New Studies in Theology (eds. Stephen Sykes and Derek Holmes; London: Duckworth, 1980), 7–9, referring to “Neill’s genial misrepresentations”; and F. Watson, Paul, Judaism and the Gentiles: Beyond the New Perspective (Revised and expanded edition: Grand Rapids: Eerdmans, 2007), 43, n. 40. 6 This criticism of Neill might be deemed unfair. He acknowledges that Baur recognized for the first time the different character of the Fourth Gospel when compared with the Synoptics (28), and the fact that as far as the historical account of Jesus’ life went, study should begin with the Synoptics; and at one point states that “we shall always be indebted for the sharp raising of many questions, and for a number of brilliant insights” (60). But the tone of the assessment is predominantly negative and its effect is to leave one assuming that Baur’s achievements were minimal. Compare Neill’s account with that of W. G. Kümmel, The New Testament: The History of the Investigation of its Problems (ET London: SCM, 1973), 142– 3; 172–3. 7 See Kümmel, The New Testament, 172. 8 This point is acknowledged by H. Harris, The Tübingen School: An Historical and Theological Investigation of the School of F. C. Baur (2nd ed.; Leicester: InterVarsity Press, 1990), xxi–xxii and passim, though in a polemical context (note also J. Munck, Paul and the Salvation of Mankind [London: SCM Press, 1977], 69–70); and by Morgan more positively.
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Whitehead on Plato, to state that the study of Christian origins after Baur is no more than a series of corrective footnotes.9
2. Early Reception The early reception of F. C. Baur’s work in Britain is bound up with the reception of German theology more generally in that country in the nineteenth century. A standard account10 will generally argue that until the 1850s and possibly later, there was very little detailed knowledge of the subject in Britain, and insofar as it was invoked, save in the case of a very few, this was normally in suspicious and polemical tones, in contrast to a previous period which had seen, for instance, the appearance in 1793 of Herbert Marsh’s translation of J. D. Michaelis’ Introduction to the New Testament.11 Often cited in such an account is H. J. Rose’s series of sermons, delivered in Cambridge in May 1825, and subsequently published as Discourses on the State of the Protestant Religion in Germany in 1829, which sharply criticized the rationalism of much German theology;12 and E. B. Pusey’s movement away from an initial enthusiasm for German higher criticism, sometimes called ‘neology’ or ‘neologism’13 (he had criticized Rose’s sermons for their one9 See A. N. Whitehead, Process and Reality: An Essay in Cosmology (New York: Free
Press, 1960), 39. The relevant sentence reads: “The safest general characterization of the European philosophical tradition is that it consists of a series of footnotes to Plato.” 10 See G. Parsons, “Biblical Criticism in Victorian Britain: From Controversy to Acceptance?,” in Religion in Victorian Britain. Vol II. Controversies (ed. G. Parsons; Manchester and New York: St. Martin’s Press, 1988), 238–57. See also Thomas Albert Howard, Protestant Theology and the Making of the Modern German University (Oxford: Oxford University Press, 2006), 355–61. Howard deals mainly with the influence of German universities upon the development of their British equivalents, but includes helpful observations on the reception of German theology in Britain. 11 Introduction to the New Testament. By John David Michaelis. Translated from the fourth edition of the German, and considerably augmented with notes by Herbert Marsh (Cambridge: Merrill and Lunn, 1793). On Marsh see D. M. Thompson, Cambridge Theology in the Nineteenth Century: Enquiry, Controversy, and Truth (Aldershot: Ashgate, 2008), 31– 47, who emphasizes his conservatism. Marsh’s knowledge of German had been greatly helped by time spent in Leipzig in the 1770s and 80s. 12 It was probably not just the rationalism of German scholarship which concerned Rose but the decision, especially of the reformed churches, to review their catechism and their understanding of the faith in the light of such work, rather than sticking to the Creeds and Fathers. On this see Thompson, Cambridge, 58. 13 For another early negative response to German neologism, see the Congregationalist, James Pye Smith (1774–1851), “German Neologism,” Eclectic Review 46 (1827): 1–33; “German Neologism,” Eclectic Review 47 (1828): 523–6; and Eclectic Review 48 (1828): 50–75. For further discussion of Smith see M. Ledger-Lomas, “‘Glimpses of the Great Con-
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sidedness in 1828 leading to the publication of Discourses a year later by Rose), to strong opposition.14 Knowledge of German in Britain was very limited and translations of German texts were rare, and insofar as they existed, they were normally of more conservative works or of the so-called ‘Vermittlungstheologie’ or mediating theology,15 although the translation of Strauss’s Das Leben Jesu kritisch bearbeitet, by George Eliot in 1846 was an exception to this, its appearance serving only to sharpen negative views of aspects of German scholarship.16 In this setting, then, much of the knowledge of German biblical scholarship was mediated, and often through a harsh conservative lens,17 or interest was restricted to the more conservative side of German theological endeavour,18 with the general view being that biblical criticism sought to undermine Christianity.19 There existed a small body of British scholars, some from the Anglican “Broad Church”, others from dissenting traditions, like the Unitarians, who took a more enthusiastic interest in flict’: English Congregationalists and the European Crisis of Faith, circa 1850–1875,” Journal of British Studies 46 (2007): 829. 14 See W. R. Ward, “Faith and Fallacy: Anglo-German Perspectives in the Nineteenth Century,” in Victorian Faith in Crisis: Essays in Continuity and Change in Nineteenth Century Religious Belief (eds. R. Helmstadter and B. Lightman; Basingstoke: Macmillan, 1990), 39–67, 55. 15 Translations of this kind were usually commissioned and published by T & T Clark of Edinburgh, first in the so-called Biblical Cabinet Series, which ran from 1832–1844, and then in the series entitled the Foreign Theological Library, which first appeared in 1846 and ran for approximately 40 years. The aim of these publications was to promote the cause of theological development without impugning Clark’s reputation for theological orthodoxy. On T & T Clark see A. H. Dempster, The T. & T. Clark Story: a Victorian Publisher and the New Theology: with an Epilogue Covering the Twentieth-Century History of the Firm (Edinburgh: Pentland, 1992); and on the theologically conservative character of the books translated in this period see W. B. Glover, Evangelical Nonconformists and Higher Criticism in the Nineteenth Century (London: Independent Press, 1954), 43; and M. A. Crowther, Church Embattled: Religious Controversy in Mid-Victorian England (New Abbott: Archon Books, 1972), 60–61. 16 See Valerie A. Dodd, “Strauss’ English Propagandists and the Politics of Unitarianism, 1841–1845,” Church History 50 (1981): 415–35; and Timothy Larsen, “Biblical Criticism and the Crisis of Belief: D. F. Strauss’ Leben Jesu in Britain,” in idem, Contested Christianity: The Political and Social Context of Victorian Theology (Waco: Baylor University Press, 2004), 43–58. 17 See Edward H. Dewar, German Protestantism and the Right of Private Judgment (Oxford: J. H. Parker; and London: J. G. F. and J. Rivington, 1844), for a polemic against German rationalism similar to Rose’s. For a typical expression of the view that German theology was ‘Pantheistic’, see Dublin Review 16.31 (1844): 93–94. 18 Note Parsons’ comment that knowledge of German scholarship at this time was “inadequate, polemical and subjective” (Parsons, “Biblical Criticism,” 241). 19 For this view see John Rogerson, Old Testament Criticism in the Nineteenth Century: England and Germany (London: SPCK, 1984), 250–1.
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German theology, and who were generally sympathetic to its more liberal and unorthodox aspect. In this context the names of Connop Thirlwall, Samuel Davidson, Julius Hare, Benjamin Jowett, John James Tayler, James Martineau, and Mark Pattison, are often mentioned, the last of these publishing a well-known article in 1857 in which he excoriated the ignorance and caricature of German theology in Britain.20 Theirs, however, was a minority voice. The dismissal of Samuel Davidson from the Lancashire Independent College in 1857,21 the publication of Essays and Reviews in 1860 and the subsequent reaction to it involving the trial of two of the essayists, the deposition of Colenso in 1863 and his reinstatement in 1865, and the trial of W. Robertson Smith between 1876–81, are taken to mark a crisis point in Victorian understandings of the Bible, in which German biblical criticism (and aspects of German speculative philosophy) was often thought by contemporaries to have been a dangerous contributory factor. From the 1880s onwards, however, in part because of the efforts of the so-called Cambridge three, Hort, Westcott and Lightfoot, especially the last of these, all of whom were well acquainted with German higher criticism, and who showed that critical methods could be used in defence of orthodox positions, general fear of criticism of the Bible, and with it, to some extent, German theology, diminished, and so a more straightforwardly critical and scholarly interaction with the latter began. This was helped by, and reflected in, a greater concern to translate German works of a more liberal kind, including two of Baur’s well-known volumes.22 Such an account needs modification. Probably it argues for more ignorance of German theology in the earlier part of the century than was in fact the case. This in part arises from the fact that nineteenth century German theology is too often simply associated with liberal German theology. And yet we should not overlook the fact that there was a good deal of conservative German theology available to the reader in translation by the 1840s, and that travel to study in Germany was becoming more common, not least amongst nonconformists, who felt a close tie to Lutheranism and, with limited chances to
20 For a discussion of this article see below and n. 48. Thirlwall had already commented on this general ignorance in the 1820s, stating that, “It cannot be concealed that German theology in general and German biblical criticism in particular, labours at present under an ill name among our divines.” Quoted in K. Robbins, Protestant Germany through British Eyes: A Complex Victorian Encounter (London: The German Historical Institute, 1993), 13. 21 On this see Rogerson, Old Testament Criticism, 197–208. 22 F. C. Baur, Paul the Apostle: His Life and Works, his Epistles and Teachings: a Contribution to a Critical History of Christianity (Edinburgh: Williams and Norgate, 1873–75); F. C. Baur, The Church History of the First Three Centuries (Edinburgh: Williams and Norgate, 1878).
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study in British universities, therefore saw Germany as a natural place to go.23 So visits to Halle to study with Friedrich Tholuck, with whom Pusey had corresponded, from British non-conformists were quite common in the 1830s, and while Tholuck’s orthodoxy was assured, he would furnish his visitors with information about ‘neology’s’ advances.24 True, it is exceptional to find detailed engagement with German liberal theology, but ignorance of that can be overdone, even if early attitudes to it were generally negative. Also such an account too easily assumes an acceptance of the critical tools of German study by the 1880s. Lightfoot, in particular, may have been perceived to have shown how the destructive activities of the monster of neologism could be tamed with its own tools, but people were still highly suspicious of German theology, and there was, certainly within the churches, and in particular in relation to the New Testament, a clear limit to the type of criticism which was thought acceptable. What, then, of the fate of Baur’s works in Britain against this setting? Does it reflect the vicissitudes of German scholarship we have outlined above? Let me begin with a few preliminary comments. Baur’s career as an active scholar runs from about 1824, when he published his first major work, Symbolik und Mythologie: Oder die Naturreligion des Alterthums,25 to 1860, the year of his death. During that time he published a vast amount, some of which was contained within articles, some in monographs, which continued to be published posthumously. Much of this output, though by no means all, was connected with the articulation of his distinctive views on the origins of the early Christian church, and it was for such views that he was to become well-known. Importantly, the evolution of Baur’s understanding of Christian origins, what came to be known as the Tübingen view, was gradual, and in part built upon the efforts of other scholars, some of whom came to be associated with the eponymous school of which Baur was considered to be the head.26 The histor23 See John R. Davis, The Victorians and Germany (Oxford and New York: Peter Lang, 2007), 145; and Robbins, Protestant Germany, 21–2. 24 On this see Ledger-Lomas, “‘Glimpses of the Great Conflict’,” 833–5, with special reference to Congregationalists and with some discussion of Tholuck and Halle. Ledger-Lomas is clear that Congregationalists, for a variety of reasons, were keen to apprise themselves of advances in ‘neologism’, believing that one could not prevent the free exchange of ideas. They were confident, however, that such anti-supernaturalism had been defeated and so “(t)he intellectual story of German Protestantism was therefore told as an optimistic journey away from the rationalism of the later eighteenth century that was painful, liable to puzzling detours, but nearly complete” (Ledger-Lomas, ibid., 836–7). 25 F. C. Baur, Symbolik und Mythologie: oder die Naturreligion des Alterthums (Stuttgart: J. B. Metzler, 1824). 26 On these individuals, who include A. Schwegler, E. Zeller, A. Ritschl and A. Hilgenfeld, see Harris, Tübingen.
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ical apotheosis of his work could be seen to be his Paulus of 1845,27 though the publication in 1853 of Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, about the history of the church in its first three centuries,28 because of its coverage of a wider time span, and its attempt to give a more extensive articulation of his theory of ecclesiastical development, could also claim such a title. So in some senses one might argue that the Tübingen view only really began to take precise and clear shape in the 1840s with the publication of Paulus, though this point can probably be overplayed, for arguably that monumental work marks the endpoint of a view that had become clear in the later 1830s.29 Tracking the early British reception of Baur is not easy, in part because there seems to have been a relative shortage of English writing on New Testament introduction and St. Paul, at least in the 1830s. Pusey, writing to the German theologian Friedrich Tholuck on May 24th 1830, makes such a point, stating that on matters relating to scriptural interpretation and criticism little has been done in Britain.30 While noting that Schleiermacher’s essay on Luke has been translated (by C. Thirlwall),31 he claims, amongst other things, that the clergy abstain from Pauline study on account of its difficulty.32 Whatever the reason, Baur’s work goes almost unnoted in the 1830s and 1840s, though it does seem that some institutions, notably the University Library in Cambridge and the Bodleian in Oxford, were acquiring relevant journals, e.g. Tübinger Zeitschrift für Theologie and the Theologische Jahrbücher, as well as the books in which Baur’s and his students’ evolving ideas were articulated,
27 Paulus, der Apostel Jesu Christi (Stuttgart: Becher and Müller, 1845). For a summary of the book’s argument see Harris, Tübingen, 195–8, and his comment that: “With this book Baur’s representation of the Apostolic Church reached its final form, and was never altered in any essential points” (Tübingen, 195). 28 Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte (Tübingen: L. F. Fues, 1853). 29 On this see Harris, Tübingen, 181–82. 30 See H. P. Liddon, The Life of Edward Bouverie Pusey, vol. 1 (of 4) (4th ed. London: Longmans, Green and Co., 1894), 244. 31 Liddon, Pusey, 245. 32 See Liddon, Pusey, 247–8. Pusey tells Tholuck that Richard Whateley (later to be Archbishop of Dublin) has written a clear statement of Paul’s doctrine, but against Calvinist interpretation! For a possible exception to Pusey’s judgment see Edward Burton whose An Attempt to Ascertain the Chronology of the Acts of the Apostles and St. Paul’s Epistles was published in Oxford in 1830; and his Lectures upon the Ecclesiastical History of the First Century in the same city a year later, though neither makes reference to German work on these subjects. Pusey mentions Burton’s works (Liddon, Pusey, 241), but not these two as both were still to be published at the time he wrote to Tholuck.
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and there is very occasional evidence of engagement with such books.33 It is also the case, as we have stated, that British scholars were beginning to translate German theological works, admittedly of a conservative kind, which sought to discredit Baur’s views and those of some of his followers; and that in some dissenting theological colleges, for instance, the Congregationalist New College in London, that Baur, along with other theologians of the time, were being cited in lectures, as we can see from lecture notes preserved in its archive.34 It was from such stock that Samuel Davidson (1807–98) emerged; and he is one of the first British scholars to show any awareness in print of Baur’s work. From an early stage in his writing career he had demonstrated knowledge of German theology, and in 1844, reflecting a developing practice amongst dissenters,35 already referred to, he traveled to Germany, in particular to Halle, where he befriended Friedrich Tholuck and others. In 1848, having published a number of significant works on biblical studies,36 the first volume of his Introduction to the New Testament appeared (the next two were to appear in 1849 and 1851). Davidson, who at this stage in his career was a broadly conservative voice in debate about the Bible, begins his introduction by noting that his book “anticipates in some ways dissemination of German ideas,” stating that he thinks it foolish to ignore or ban German books: “Probably too little attention,” he states, “has been given to theological literature in England. There are few books on it in our language”, and he goes on to assert that there is no book in English which gives an adequate survey of the state of the question in biblical studies. “Let it be remembered, that the author intended to compose an Introduction which should bear a comprehensive aspect – a work on the New Testament, having regard to the progress of investigation, not merely in one nation, but in many – and he will be exculpated from the charge of having too much respect for the weak arguments of recent writers. 33 See Eclectic Review 19 (May 1846): 513–48, where Baur’s Paulus is referred to along with a number of other books in a lengthy engagement with the Corinthian correspondence. But the author barely engages with Baur’s overarching theory of Christian origins. O. T. Dobbin in an article entitled, “German Rationalism in its Recent Developments,” Journal of Sacred Literature 1 (1848): 257–78, fails to mention Baur at all, preferring to concentrate on the work of Strauss and Bruno Bauer. 34 I would like to thank my colleague, Dr. Michael Ledger-Lomas, for this information. He mentions specifically lectures given by Samuel Newth of New College, in which Baur’s work on Stephen’s speech, De Orationis habitae a Stephano Acta Cap. VII consilio (Tübingen, 1829), is mentioned. The reference comes from Dr. Williams Library (of New College) classmark L9/1/7. 35 On this see above, esp. n. 24; and Ledger-Lomas, “Glimpses,” for a discussion both of non-conformist travel to Germany and their attitudes to biblical scholarship more generally. 36 See Rogerson, Old Testament Criticism, 170–1.
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His plan could not have been carried out without noticing, in a greater or less degree, the phases through which the sacred books have passed, amid the scrutiny to which they have been subjected by those who have entered into the field occupied by introduction.” He then proceeds to draw particular attention to “the Tübingen school of theologians, not,” he claims, “from a desire to make known extravagant and startling assertions to an English Public, but because his work would not otherwise have been complete; and because he thinks it not improbable that similar doubts may be introduced into England, and may meet with acceptance from certain minds which are predisposed to welcome the new and the destructive however intrinsically false.”37 What is of interest here is not just that Davidson is clear about British ignorance of work being done in Germany (that is surely the sense of his reference to the continent), but that he mentions the Tübingen School as one of the most significant representatives of such work. Davidson betrays an extensive knowledge of Baur’s oeuvre, citing articles in the Tübinger Zeitschrift für Theologie for 1831 and 1836, as well as a number of Baur’s monographs, including Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis zu einander, ihren Charakter und Ursprung (Tübingen: L. F. Fues, 1847) and Paulus. On occasion he deals at length with some of Baur’s claims. So, for instance, in volume 3 of the Introduction he seeks to refute Baur’s arguments for the pseudonymity of the Pastoral Epistles.38 Elsewhere, reflecting the conservative orientation of his work, he is more dismissive in tone. In dealing, for instance, with Baur’s late dating of Acts and his skeptical view of its historicity, he states in lapidary tones: “We plead no apology for not entering at length into a description and refutation of Baur’s hypothesis … It is a monstrous piece of hypercriticism, distorting a history which bears on its face the stamp of the simple, the truthful, the natural,”39 and similar statements are found, inter alia, on Baur’s views on the authenticity of Philippians.40 However, the conservatism of such utterances, to be contrasted with the much more positive comments about the Tübingen School in the second edition of this work, published in 1868 (and the third in 1894), should not detract 37 Samuel Davidson, An Introduction to the New Testament: containing an examination of the most important questions relating to the authority, interpretation, and integrity of the canonical books, with reference to the latest inquiries. Vol. 1 (of 3) (London: S. Bagster, 1848), vii. 38 Davidson, Introduction, Vol. 3 (1851), 132–33. 39 Davidson, Introduction, Vol. 2 (1849), 62–63. Davidson, interestingly, cites De Wette’s criticisms of Baur on Acts, noting that “(w)hen De Wette calls it destructive criticism, we may much more characterize it as such.” De Wette was broadly liberal in his opinions about Acts, and Davidson, though not going along with him, was at least ready to take his views, rather than Baur’s, seriously. 40 Davidson, Introduction, Vol. 2, 428, here also mentioning Baur’s pupil, Schwegler.
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from the fact that this work of the late 1840s and early 1850s shows a strikingly expansive knowledge of Baur’s work (and German scholarship more generally),41 a point that was to be made to Davidson in complimentary letters from Julius Hare and Connop Thirlwall, who both noted the need for British theologians to become acquainted with German theology.42
3. From 1850 to 1900 Although Davidson’s Introduction was written for more than just an academic audience, we struggle to find evidence of a wider, non-specialist dissemination of Baur’s views in the 1850s. Certainly from that decade, Baur begins to be referred to in various journals, both conservative and liberal. Some of these references occur in the context of discussions of other books – so, for instance, the work of G. V. Lechler, a pupil of Baur’s, on the history of the early church,43 which had been written for a prize whose chief purpose was to critique Baur’s own view on the history and development of the early church, received quite wide notice, eliciting a number of negative comments in conservative journals about Baur, though often it is unclear whether the reviewer is simply reflecting the views of Lechler, or formulating criticisms based on personal acquaintance with Baur’s works.44 Elsewhere we find some reviews 41 In 1848 Davidson, at the recommendation of Tholuck, and as a result of the publication of the first volume of his Introduction, received an honorary degree from the University of Halle. See Samuel Davidson, The Autobiography and Diary of Samuel Davidson D.D., LL.D. with a selection of letters from English and German divines, and an account of the Davidson controversy of 1857 by J. A. Picton (ed. Anne Jane Davidson; Edinburgh: T & T Clark, 1899), 26. 42 See Davidson, Autobiography, 26. The quotation from Hare’s letter (dated 1848) reads: “I am thankful that the English student of divinity should have a better work than Horne’s utterly uncritical compilation.” “Feeling how impossible it is for us to ignore the questions now agitated in German theology, and how pernicious it must needs be if the negative portion of that theology comes upon us without preparation, I rejoice to see a competent scholar engaged in preparing us for the time when we shall be under the necessity of discussing them.” Thirlwall, in a letter dated 1849, and also quoted by Davidson, noted that the latter’s work was “the only one which sufficiently meets the requirements of our day in this branch of learning.” Reviewers also picked up on Davidson’s knowledge of German theology. See, for instance, Eclectic Review 3 (May 1852): 537–38, whose author emphasizes the contested nature of German theology’s content, here alluding to its conservative and liberal tendencies. 43 Das apostolische und das nachapostolische Zeitalter: mit Rucksicht auf Unterschied und Einheit in Lehre und Leben (Stuttgart: Rudolf Besser, 1857). 44 For an early review of Lechler’s work in which Baur is attacked see Literary Churchman 11 (1858): 64. For reviews of other conservative works where Baur is attacked see R. W. Monsell, “Essay towards the Restitution of the Historical Stand-Point for the Criticism of
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dedicated to Baur’s work, though these are somewhat intermittent. Intriguingly, some writers mention Baur as if his name is becoming widely known, while others imply that his ideas are still overlooked or not in general circulation, a view closer to the truth.45 Evidence of lack of knowledge of Baur comes in the widely reviewed work of W. J. Conybeare and J. S. Howson on the life and letters of St. Paul, published in 1852, where his views are not mentioned.46 There were exceptions to this general view of neglect or oversight. One of these was Mark Pattison (1813–1884), the Rector of Lincoln College, Oxford.47 His comments on the ignorance of matters German was to come across powerfully, even exaggeratedly, in his anonymous essay of 1857, entitled New Testament Books,” London Quarterly Review 23 (March 1854): 1–2. In what is essentially a review of a number of works by H. J. W. Thiersch, Monsell praises the latter’s criticisms of Baur, even if his (Thiersch’s) Catholicism is censured. See also Eclectic Review 5 (June 1853), where in the midst of a long review of books by Phillip Schaff, Thiersch and Lechler, the reviewer comments: “We have called attention to the books named at the head of this article, not from any fear that the Baurian scheme, which they all more or less discuss and refute, is at all likely to meet with much success in this country, but because we deem it well that our readers should be aware of the fresh phase which German rationalism has assumed. Many who profess to lead public opinion among ourselves profess to be utterly unaware that the Straussian hypothesis has been antiquated for many years … Tübingen is still the Rome of continental infidelity, but Strauss is no longer her dictator. Baur now wields the fasces, and has issued his edict for the crucifixion of Peter and the decapitation of Paul” (746). See also Eclectic Review 8 (October 1854) for a fearsome attack upon Tübingen. Referring to “its ghastly results” and describing it as “trash”, it quotes with approval Phillip Schaff’s judgment: “This Tübingen School will, no doubt, meet the fate of the old Gnostic heresies. Its investigation will act with stimulating and fortifying power upon the church and for itself it will dry up like the streams of a desert, and figure hereafter only in the history of human aberrations and heresies” (401). For conservative opposition to Baur in Germany, see Harris, Tübingen, 50– 51. 45 See, for instance, R. H. Hutton, “Theories of Baur and Others on the Fourth Gospel,” National Review 5 (July 1857), 81–127. On p. 81, he writes: “Every learned theological critic of the present day is acquainted with Baur’s able researches, and occasionally mentions points therein to refute them.” It is worth noting the qualification “every learned theologian.” For the idea that Baur’s views are not widely disseminated see J. B. Paton in the London Quarterly Review 24 (April 1865), 214, who, in a review of a variety of books on church history, including Baur’s Christenthum, notes: “The opinions of the Tübingen School deserve greater attention than they have yet received in this country, for their opinions have been the chief theological controversies in Germany for the last twenty years, and they have covered the whole mass of literature in England and on the continent relating to Christian origins during that time.” (The final part of this quotation could be taken to imply a difference between general and specialist acquaintance with Baur’s views). 46 The Life and Epistles of St. Paul (London: Longman, 1852) 47 On the evolution of Pattison’s engagement with German thought see H. S. Jones, Intellect and Character in Victorian England: Mark Pattison and the Invention of the Don (Cambridge: Cambridge University Press, 2007), esp. 43–50.
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“The Present State of Germany Theology”, which first appeared in the Westminster Review.48 Here Pattison states that a fourth phase of theological development has been entered upon by the Germans,49 and that anything of importance which is being done in the subject is being done there. Noting that “[i]t is not too much to say that more has been done for the elucidation of the three first centuries during the last twenty years, than in the last two hundred years which preceded”, Pattison goes on to assert that the man most responsible for this is “the celebrated head of the (Tübingen) school – Dr. Baur”, who “is unquestionably the first of living theologians” (310–11). After noting all of his major works, Pattison asserts that “mere theory”, associated with Strauss, had shown itself impotent, and that Baur’s work, by implication positive in intent, had by “its fund of learning” and “vigour of thought”, shown itself equal to the task it had set itself. “With the same fine tact with which Niebuhr follows the trail of a national migration, Baur tracks a dogma.” In this Baur was but carrying forward what was implicitly required by the Reformation and its call for closer attention to the biblical text, and responding appropriately to the fact that Christianity was a historical religion. As Pattison writes: “So far as divine facts have been suffered to be incorporated into the world’s history – so far as they have become events – so far they must needs be described, recorded, interpreted, and arranged by the same means as any other events.”50 But Pattison goes on to criticize Baur for what he thinks is his Hegelian apriorism, echoing a criticism which would become standard in British attacks upon Baur. “It is quite true that the dogmatic process takes place through successive generations, according to the laws of dialectic. It is further true that this sequence is the thread that must be taken up to follow through the mazes of history. But it should not be overlooked that other influences came from without, modifying and moving the symmetry of logical dependence.” The result of Baur following “insidious roads of theory” (344) was seen in the one-sidedness of his work, which manifested itself in too much attention being given to Christian thought rather than the development of Christian life and morals. On the same theme of one-sidedness, Pattison, again reflecting a criticism that was to become standard in the reception of Baur in Britain, notes that “he has allowed his capital discovery, that the historical books of the New Testament were composed with a doctrinal tenden48 “The Present State of Theology in Germany,” Westminster Review 67 (April 1857): 327–63. 49 The first development was Greek theology or the Christological controversies of the fourth and fifth centuries; the second, the Latin theology of the twelfth and thirteenth centuries, known as scholastic; and the third, what Pattison calls “vernacular theology”, emerging from the Reformation, itself feeding off the Renaissance. 50 “Present State,” 225.
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cy, to glide into the position of an established law, while it, as yet, is only a highly probable thesis” (344), arguing that he has let his thesis of Petrine and Pauline opposition swell out of all proportion, effacing rather than bringing to light other characters of the period. But, in line with the overwhelmingly positive character of his description of Baur’s work, Pattison notes that this is an exaggeration of a true principle, an example, therefore, of luxuriant growth; and goes on to describe the work of A. Hilgenfeld and others members of the school, which he sees as softening these exaggerations.51 Pattison’s qualified paean to Baur makes no reference to the work of Benjamin Jowett (1817–93), who was among those few of his Oxonian colleagues, who had read some of Baur as well.52 Already in correspondence from the 1840s, here with his friend A. P. Stanley, Jowett indicates that he is reading Baur with enthusiasm. In a letter from September 1848, he comments, “Baur appears to me the ablest book I have ever read on St. Paul’s epistles: a remarkable combination of philological and metaphysical power, without the intrusion of Modern Philosophy.” And again, in August 1849, he writes to his friend: “I have been reading Baur, and confess myself a convert to his view of the ‘Christus-partei’ as a matter of probability, which is all that can be attained to on such a subject. Was haben Sie dagegen einzuwenden?” In more critical vein, he states in a letter from October of the same year, here commenting on Baur’s views on the date of the Fourth Gospel: “And its [St. John’s] general reception and recognition by heretics and orthodox alike about the year 160, say, is an immense difficulty on the Tübingen hypothesis …”53 In his commentary on some of Paul’s letters, published two years before Pattison’s essay in the Westminster Review,54 and representing, according to one scholar, “(t)he first public manifestation of the new liberal Anglicanism”,55 Jowett had shown himself a critical absorber of Baur.56 So, for in51 On Adolf Hilgenfeld and his relationship to Baur, see Harris, Tübingen, 113–26. 52 For a relatively early association, in a negative context, of Jowett’s views with those of
Baur, see The British Quarterly Review 82 (April 1865), 332. Pfleiderer, a moderate member of the Tübingen School, begins his survey of British theology with Jowett and his publication of Epistles “in which he introduced his countrymen to the results of Baur’s critical labours.” (O. Pfleiderer, The Development of Theology in Germany since Kant [London: Swann and Sonnenschein, 1890], 387). 53 For these citations see E. Abbott, and L. Campbell, eds., Vol. 1 (of 2) The Life and Letters of Benjamin Jowett, Master of Balliol College, Oxford (London: John Murray, 1897), 162–6. 54 B. Jowett, The Epistles of Paul to the Thessalonians, Galatians, Romans: with critical notes and dissertations (London: John Murray, 1855). 55 Duncan Nimmo, “Learning against Religion, Learning as Religion: Mark Pattison and the ‘Victorian Crisis of Faith’,” in Religion and Humanism (ed. Keith Robbins; The Ecclesiastical Historical Society 17; Oxford: Basil Blackwell, 1981), 317.
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stance, he gives a detailed account of why he disagrees with Baur’s view that 1 and 2 Thessalonians are pseudonymous,57 while at the same time taking seriously the implications of Baur’s own view. So, for Jowett there is a real difference between the Thessalonian epistles and those that follow, but this is precisely because of a movement in Paul’s own way of thinking about Christ, best described in 2 Cor 5:16.58 Similarly, Jowett shows knowledge of Baur’s view of Paul’s conflict with the apostles, but thinks that he has exaggerated the antagonism.59 While it is true that Jowett’s commentary was not strongly historical in content, it was the first such work to give voice to the existence of Tübingen readings.60 T. H. Green, another Oxonian, was first introduced to Baur via Jowett’s commentary,61 and was later to describe the former as “nearly the most instructive writer I ever met.”62 Green’s interest was not exclusively exegetical, but was allied to a wider philosophical agenda. Baur, together with Hegel, had made clear to Green that Christianity had to be understood as a historical religion, just as thoughts about God had to be construed as human and as developing within history. Such a belief did not, however, preclude the truth of religion, but in fact gave it a securer base, allowing the reader to penetrate the deeper, more permanent, non-dogmatic meaning of the Bible and other religious texts. The fact that Green began a translation of Baur’s Geschichte in 56 Note that in his preface Jowett is clear that he owes a debt of gratitude to a range of
German theologians: “The author of this book is under great obligations to several German theologians, especially Usteri, F. Baur, Ewald, Neander, Winer, Tholuck, Olshausen, Fritsche and … Gfrörer” (ix). P. Hinchcliff, Benjamin Jowett and the Christian Religion (Oxford: Clarendon Press, 1987), 54, argues that Jowett made “virtually no use” of the German scholars to whose work he refers in the quotation above (the books’ Germanism was more in evidence in their use of Kant than historical exegetes and, in terms of sympathies, Jowett was closer to J. S. Semler than Baur [Hinchcliff, Jowett, 84–5]), but in the case of Baur this seems an unfair judgement, whatever one might think of the non-historical, even idealist, character of Jowett’s Epistles. Hinchcliff’s view of Jowett’s basic ignorance of German biblical scholarship of the time is supported by Rogerson, Old Testament Criticism, 217, but here in relation to his knowledge of Old Testament scholarship. 57 Jowett, Epistles, 15–26 58 Jowett, Epistles, 14. 59 See Jowett, Epistles, 326–27. “Separation, not opposition, antagonism of the followers rather than of the leaders, personal antipathy of the Judaizers to St. Paul, more than of St. Paul to the Judaizers.” See also Epistles, 339, and Jowett’s generally conservative position on the historicity of Acts. 60 Hinchcliff, Jowett, 55, argues that as “an exercise in biblical criticism the commentaries were hardly significant”, and this is broadly true, though again, as with his comments on Jowett’s use of German scholarship, somewhat overdone. 61 Hinchcliff, Jowett, 159–60. 62 See P. Nicholson, Works of Thomas Hill Green (4 vols.; Chippenham: Thoemmes Press, 1997), 432, n. 50.
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the early 1860s is a sign of the debt he owed him on the route to the development of his own distinctive religious views.63 In Cambridge Baur’s views were beginning to attract attention, too. In 1854 Westcott, Hort and Lightfoot had founded The Journal of Classical and Sacred Philology. Interestingly, the first number of the journal contains a critical review of Baur’s Geschichte des Christenthums by Westcott, running to one-and-a-half sides (one imagines that it would have been longer if Baur’s opinions were seeping more generally into the body theological).64 In 1855, a year after his review of Baur, Westcott wrote his General Survey of the History of the Canon of the New Testament. Already in the preface he begins by explicitly acknowledging the importance of Baur’s views (or at least those of the Tübingen School), which “prove our Bible as well as our Faith is a mere compromise”, but goes on to note that “It seems to me almost inexplicable that they should not have found in those writings (of the NT) the explanation instead of the result of those divisions which are traceable to apostolic times.”65 While Westcott affirmed the diversity of New Testament books (an assumption of Tübingen), such diversity, for him, was evidence of authenticity. The history of the canon was the history of the formation of Catholic Christianity and the creed a coming together of essential truths held by different churches.66 Whether his reading of Baur’s Geschichte had inspired the writing of this book is not clear, but it was an early recognition of the importance of Tübingen, and its footnotes betrayed knowledge of Baur’s and Schwegler’s works, along with other more conservative German scholarship. In the second number of The Journal of Classical and Sacred Philology there appeared a critical review of Jowett’s commentary on Paul’s letters by Lightfoot,67 though without mention of Baur, either as a personage whose opinions should be taken into consideration, or as an individual with whom Jowett contends, and by whom, at least in part, he may be said to be influenced. As his most recent intellectual biographer makes clear, however, Lightfoot was beginning to busy himself with some of the Tübingen School’s opinions, not least in a lecture series on Acts in which issues to do with the historicity of Luke’s second work were considered in the light of Baur’s own
63 See Nicholson, Works, 431–2, for the letter to Mrs. Arthur Clough, dated 12th Decem-
ber, 1869, in which he states his intention to translate Baur’s text. 64 Journal of Classical and Sacred Philology 1 (1854): 281–82. 65 B. F. Westcott, General Survey of the History of the Canon of the New Testament (Cambridge: Macmillan, 1855), vii–viii. 66 On this book see Thompson, Cambridge, 104–5. 67 Journal of Classical and Sacred Philology 2 (1856): 104–5.
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critical views, although these views would only begin to see the light of day from the mid-1860s onwards.68 Dissenting engagement with Baur was also in evidence in the 1850s moving forward. Here the names of James Martineau and J. J. Tayler come to mind, together with some of their students;69 and indeed it is Tayler who writes the first straightforwardly Baurian monograph in English in 1867, An Attempt to Ascertain the Character of the Fourth Gospel: Especially in Relation to the Three First (London: Williams and Norgate, 1867), to which we shall return below. These writers were attracted to Baur for they perceived his argument for the diversified manifestation of Jesus in the minds of his followers as a telling indication of what a supreme person he must have been, and as historicising (without captiously rejecting them as earlier Unitarians had done) the doctrines of Trinity and incarnation.70 A man who had come from Unitarian stock but had later converted to Anglicanism, F. D. Maurice, also demonstrates some knowledge of and engagement with Baur’s ideas in particular about St. John’s Gospel, here citing in particular Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien. Writing in the first note to his compendious volume of discourses on the Gospel, published in 1857,71 Maurice is warm-hearted in his affirmation of Baur’s view that John’s Gospel is controlled by the ‘Hauptidee’ (the word is used in German) of the Logos and he congratulates Baur on seeing the centrality of the prologue to the whole work. But he is clear that Baur’s contention that the presence of the idea of the Logos is somehow a sign of the lateness of the Gospel is wrong. For Maurice this idea is the controlling idea of Old Testament history, inspiring Patriarchs and prophets and is self-evidently present in the work of Philo. That it is present in Old Testament history and in Philo makes it more than possible that it was known to the Apostles and increases the likelihood that the writer of the Fourth Gospel could have been John the apostle. Then, perhaps most interestingly, Maurice pens an imaginative de68 See G. R. Treloar, Lightfoot the Historian (Tübingen: Mohr Siebeck, 1998), 306–7. 69 See J. Martineau, “Early Christianity. Its Creeds and Heresies,” Westminster Review 59
(April 1853), 535–84; J. J. Tayler, “Old Creeds and New Beliefs,” The National Review 12 (January 1861), 151–89; and Robert Drummond, “The Acts of the Apostles; how far historical?”, The National Review 10 (April 1860), 392–93. 70 See Tayler’s comment in Attempt, 230: “When criticism has done its work, and disencumbered religion from the fictions of theology, the deep trusts so deeply lodged in the human heart, and so clearly reflected in the simple teachings of the Gospel, will be found there still undisturbed and unweakened.” On this see M. Ledger-Lomas, “Unitarians and the Contradictions of Liberal Protestantism in Victorian England: the Free Christian Union, 1867– 70,” Historical Research 83 (2010): 491–2. 71 F. D. Maurice, The Gospel of John: A Series of Discourses (Cambridge: Macmillan, 1857), 469–75.
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fence of the view that the writer of the Apocalypse can be conceived of as the author of the eponymous Gospel, who could be considered an ‘Apokalyptiker’, as, like the writer of the Apocalypse, he reveals Christ as Son of Man and Son of God.72 Maurice’s use of Baur is not polemical in tone, even when he is critical of his views, and seeks, at least in part, to draw from his work something positive, even if he is unwilling to subscribe to almost any of Baur’s historical reconstructions.73 By the time, then, of the publication of Essays and Reviews in 1860 we can talk of only patchy knowledge of Baur in Britain, limited to some Fellows of Oxford and Cambridge colleges, some learned Unitarians, and some scholars working at dissenting colleges, notably Samuel Davidson, as well as a kind of vague, possibly second-hand knowledge, reflected in some conservative circles, mediated on occasion through translations of German works opposed to Baur. This is to be contrasted with knowledge of David Friedrich Strauss, who had been a pupil of Baur, and whose work in some ways Baur sought to correct.74 Reaction in Britain to his Leben Jesu kritisch bearbeitet was almost immediate, much more vehement, and found an outlet in more popular circles.75 One might account for the difference in the reception of Baur and Strauss in a number of ways. First, the publication of Strauss’ work had caused considerable tumult in Germany, leading to Strauss’ dismissal from the Stift at Tübingen, as well as a public row in Zurich where he had recently been appointed to a chair (his appointment was to be rescinded with the concession that Strauss would be the recipient of a lifelong pension).76 Although 72 Maurice, Discourses, 474. Maurice draws out further parallels between the two works. 73 Maurice’s knowledge of Baur may be explained by the company he had kept, including
that of Julius Hare and Connop Thirlwall. To what extent he had read Baur for himself is unclear as it is not certain how much German he knew, though in the note in the Discourses discussed above, he cites the pages from Baur’s Untersuchungen. Certainly Maurice’s comments, while betraying general knowledge of the outlines of Baur’s theory of the origins of St. John’s Gospel, are not of a detailed kind. Some have thought it likely that Maurice was uninterested in “the new critical methodologies,” which Baur and others represented (J. N. Morris, F. D. Maurice and the Crisis of Christian Authority [Oxford: OUP, 2008], 167), and such an observation would be compatible with the section of the Discourses discussed. 74 For a similar contrast between the popularity of Baur and Strauss (and Renan), see Glover, Non-Conformists, 63. Note the fact that Strauss makes appearances in some of Browning’s poems, including “Bishop Blougram’s Biography,” is the subject of Arthur Clough’s “Epi-strauss-ium,” and is mentioned in the celebrated novel of Mrs. H. Ward, Robert Elsmere, where Baur is not. 75 On the reaction to Strauss in Britain see Dodd, “Strauss”; and Larsen, “Biblical Criticism,” esp. 43. 76 On the reaction in Germany and the political implications of Strauss’ book, see Marilyn Chapin Massey, Christ Unmasked: The Meaning of ‘The Life of Jesus’ in German Politics (Chapel Hill and London: University Of North Carolina Press, 1983).
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Baur’s own appointment to Tübingen had caused some heated argument,77 and his own theological opinions had probably prevented him from being appointed to chairs at Berlin and Halle,78 his works, even his Paulus, were not greeted with the same sense of public outrage, even if some of his colleagues regarded him as an arch-heretic; and he was able to pursue his career relatively undisturbed, save for a temporary suspension from his preaching duties in Tübingen. Secondly, it was unclear that Baur’s work would have had quite the same appeal in the kind of circles as Strauss’ had79 – his books, though radical, were in some respects opposed to Strauss, and did not adopt as rebarbatively anti-Christian a tone as Strauss’ could have been conceived as doing (Baur, for instance, was never as explicit in his denial of the resurrection as Strauss was; and while he was clear that there was no possibility of a defence of a conventional doctrine of the incarnation, he was explicit about the fact that there was a connection between Christian claims about Jesus and Jesus himself, whereas for Strauss Christological ideas were predicated of the idea and the idea referred to the human race, not Christ80).81 Moreover, Baur’s works, whose thoughts on Jesus were more complex than those of Strauss, which themselves found expression in a single volume dedicated to a study of Jesus, were not translated into English until the early 1870s,82 whereas Strauss had come out in at least two English translations by the mid1840s.83 Finally, Strauss’ book, while long, was a self-contained work which passed judgment on the whole Gospel record at one fell swoop. Baur never wrote as pungent a book, and his views, possibly more complicated, and less easy to absorb, never found expression in one manifesto-like volume.84 An 77 See Harris, Tübingen, 20–3. 78 Harris, Tübingen, 29–36. 79 For the broad and radical appeal of Strauss, see Larsen, “Biblical Criticism”. Note in
particular the fact that his work was first translated (from a French translation of the original) in the popular Poor Man’s Guardian, and that it appealed to Chartists like Thomas Cooper who published lengthy expositions of the work in his own popular journal, Cooper’s Journal. 80 Morgan, “Angli,” 18. 81 This view of Baur is held by a spectrum of writers, both liberal and conservative. See Pattison above, and W. T. Davison’s article, “Paulinism and Legalism,” The London Quarterly Review 6 (April 1886), 68: “In spite of his ingrained rationalism, he possessed a sympathy with Christian ideas and an appreciation for spiritual truth.” Larsen, “Biblical Criticism,” would slightly contradict this view, noting that some of the appeal of Strauss lay precisely in the fact that his approach “was more palatable for those with lingering pious convictions or sensibilities” (58). 82 For references, see n. 22 above. 83 As noted, the first was a translation of a French translation, published by Henry Hetherington of Birmingham. See Larsen, “Biblical Criticism,” 44. 84 Harris, Tübingen, 199, comments on Baur’s rambling style and the length of his books, and prefers to see Albert Schwegler’s Das nachapostolische Zeitalter in den Hauptmomenten
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indication that he was not well known in Britain, at least during his lifetime, is seen in the fact that when he died in 1860, The Times gave him no obituary. Strauss, who died some fourteen years later, in 1874, did, by contrast, receive an obituary in that newspaper.85 As we will see, however, had Baur lived into the 1870s, his death may well have been noticed in the British press, for by that time his name had become more widely known, and in some senses his and his school’s views were seen as having replaced Strauss as the principal challenge to orthodox Christianity. The year of Baur’s death saw the publication of Essays and Reviews. To those few scholars who have concerned themselves with Baur’s reception in Britain, the almost complete absence of Baur’s name from the pages of this much-discussed volume (and indeed in responses to it, many of which concentrated strongly upon the perceived attitude of the seven authors to the Bible and its inspiration)86 appears to prove that Baur’s work was almost unknown at this time.87 But this may be to draw a false conclusion. It should be remembered that insofar as the seven contributors to Essays and Reviews were engaged in the question of how to interpret the Bible, and insofar as their plea for an attempt to read the text in the light of more recent discoveries and ideas were concerned, they fixed their attention upon the Old Testament rather than the New. Baur’s work would obviously not be relevant in this regard. Baur is in fact mentioned once by H. B. Wilson in his essay on the National Church, here in the context of a discussion of the sense in which the Thirty-Nine Articles are to be considered agreeable to the word of God, noting that the phrase on biblical books in article 6, “of whose authority was never any doubt in the church”, “is an example of a proposition … concerning historical facts more recent than the scripture itself.” Wilson continues by stating that “… without carrying doubts founded upon mere criticism and internal evidence only, to such an extent as Baur or even an Ewald, there was a time when certain books existed and certain others were not as yet written ….”88 The interesting thing here is not so much what Wilson has to say about seiner Entwicklung (Tübingen: L. F. Fues, 1846), as the classic statement of the Tübingen theory. See below and comments on Donaldson’s response to Tübingen and his concentration on the work of Schwegler. 85 The Times, February 10th, 1874, 12. It should be noted that Strauss’ popularity was helped by the publication of a translation of his Der alte und der neue Glaube in 1873 (the same year as its publication in Germany), just when his celebrity was waning. 86 On these responses, see Josef L. Altholz, “The Mind of Victorian Orthodoxy: Anglican Responses to ‘Essays and Reviews’, 1860–64,” in Religion in Victorian Britain (ed. G. Parsons; Mancbester: Manchester University Press, 1988), 28–40. 87 For this point see C. K. Barrett, “Quomodo historia conscribenda sit,” NTS 28 (1982): 308. 88 Essays and Reviews (3rd ed.; London: Parker and Son, 1860), 184.
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the compatibility of the history of scripture’s reception and the Thirty-Nine Articles but that in a set of essays meant for a wider public, he can use Baur’s name as a kind of by-word for radical criticism. Such an argument could be extended by noting that R. Williams’ decision to discuss Baron Bunsen89 may have been a way of showing how German criticism could be used constructively and helpfully, unlike what might be supposed in the light of the work of individuals like Baur.90 By what some might think is an interpretative sleight of hand, then, one might use Essays and Reviews as evidence of a possibly wider knowledge of Baur at the beginning of the 1860s than has been implied in comments above, although, ultimately, all that Wilson’s comment might be said to demonstrate is an understanding of Baur which was probably not informed by much reading, and insofar as it assumed knowledge of Baur, assumed it from an educated elite. Certainly, Jowett and Pattison did know Baur’s work quite well, as we have shown, but chose not to write about him in their contributions to Essays and Reviews. Again we might argue that such a decision was dictated by what both sensed would be the consequences of mentioning his name, though the subject matter of Pattison’s essay, “Tendencies of Religious Thought in England”,91 hardly leant itself to a discussion of Tübingen views, whereas Jowett’s subject, “On the Interpretation of Scripture”,92 obviously did.93 89 H. B. Wilson, “Bunsen’s Biblical Researches,” Essays and Reviews, 50–93. 90 In this context it is interesting to note that Baur and Bunsen had engaged in a fearsome
polemic over the dating of the Ignatian epistles. See F. C. Baur, Die Ignatianischen Briefe und ihr neuester Kritiker. Eine Streitschrift gegen Herrn Bunsen (Tübingen: Ludwig Friedrich Fues, 1848), a response to Bunsen’s publication of 1847. The debate had been commented upon in some English journals (as was Bunsen’s subsequent discussion of Hippolytus’ Philosophoumena which also bore upon Baur’s view of Christian origins, not least the dating of John’s Gospel). These facts might give Williams’ decision to highlight Bunsen’s work more poignancy in an era which was beginning to acquaint itself with Baur. For a discussion of Williams’ choice to discuss Bunsen’s work, see Rogerson, Old Testament Criticism, 212– 3, who notes that Williams probably misrepresented “German scholarship by his almost exclusive concentration on Bunsen.” 91 Mark Pattison, “Tendencies of Religious Thought in England, 1680–1750,” Essays and Reviews, 254–329. 92 “On the Interpretation of Scripture,” Essays and Reviews, 330–433. 93 For a discussion of Pattison’s contribution and its somewhat puzzling character see, Nimmo, “Pattison,” 318–9. He notes that Pattison’s contribution was different from the other six in that it appeared to concern itself with history rather than doctrine (something which seemed a particular puzzle if one considered Pattison’s earlier essay of 1857 on the state of German Theology), and this meant that Pattison, in contrast to the others, escaped denunciation. But Nimmo goes on to show that Pattison’s essay could be seen as a defence of the historico-critical method, even if applied to a different set of data (the history of the English church, though, one might add that the subject matter, namely the work of a number of English deists was very pertinent), and that later on in his life he wrote strongly in favour of Es-
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It is R. W. Mackay’s work, published in 1863, with the title The Tübingen School and its Antecedents: A Review of the History and Present Condition of Modern Theology,94 that can be taken as the first attempt to popularize Baur’s and others’ work in an unashamedly partisan way, and to show a more general audience the potential value of their researches for an apparently more reasonable account of Christianity. Although Mackay’s book was reviewed quite widely, often in negative tones, and with a clear admission of the general ignorance of Baur’s views in Britain,95 a point which Mackay himself was keen to stress in his introductory comments, the book’s publication seems not to have grasped the imagination of a wider audience.96 However, it comes at the beginning point of a more intensive engagement, on the part of professional scholars, and others, with Baur.97 So the 1860s were to see the publication Lightfoot’s commentary on Galatians in 1865, Tayler’s work on John in 1867, and Davidson’s second edition of his Introduction to the New Testament in 1868, together with James Donaldson’s conservative A Critical History of Christian Literature and Doctrine from the Death of Apostles to the Nicene Creed of 1864, and the occasional article in more popular journals on subjects related to Baur’s theory of Christian origins.98 Tayler’s work has, as we have noted, a right to be called the first monograph in English to be written along Baurian lines.99 Its subject only covers a part of Baur’s overarching view of Christian origins, but in presenting a view says and Reviews and the need to apply learning to religion. On the so-called Germanism of Essays and Reviews see I. Ellis, Seven against Christ (Leiden: Brill, 1980), 285–86. 94 R. W. Mackay, The Tübingen School and its Antecedents: A Review of the History and Present Condition of Modern Theology (London and Edinburgh: Williams and Norgate, 1863). The fact that Mackay can align the present state of modern theology with the Tübingen School’s views is striking. 95 Note the comments of the reviewer in the Athenaeum, 18 July 1863, 78: “The constructivists are but little known in England, where the general mind has not yet got beyond their predecessors (Strauss is meant here).” 96 It is not clear, for instance, that Lightfoot had read the book. 97 See Paton in n. 45 above; and the comment of W. Kirkus in Journal of Sacred Literature and Biblical Research 4 (January 1864), 394, who notes: “It will scarcely be denied that England has now fairly entered his career of religious skepticism”, going on partially to associate this with Baur. 98 See W. Milligan, “The Date of Easter,” Contemporary Review 6 (1867): 101–2. 99 Scepticism about the historical testimony of John should not be exclusively associated with Baur. Strauss had given eloquent expression to the same view as had C. C. Hennell, some thirty years before Tayler’s publication, in An Enquiry concerning the Origin of Christianity (London: Smallfield, 1838), though he only betrays a knowledge of German works in translation (here citing Marsh’s translation of Michaelis and Thirlwall’s of Schleiermacher’s essay on Luke). For a discussion of the higher criticism of John in Britain in the Victorian age, see Michael Wheeler, St. John and the Victorians (Cambridge: Cambridge University Press, 2012), 29–51.
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of the origins of John’s Gospel heavily dependent upon Baur, it assumes many of the facets of the Tübingen reconstruction. Differences between the Fourth Gospel and the Synoptics are discussed in such a way as to problematise the relationship; then it is shown that John the evangelist could not have written the Apocalypse, though on Baurian lines, it is shown that the possibilities of it being written by John the Apostle are clear (Tayler believes it to have been written by John the Presbyter). John’s Gospel is a later product, a point indicated by the more elevated, almost gnosticising character of its Logos Christology, and should probably be dated between 135 and 163 CE (earlier than Baur had proposed). Tayler understands that his conclusions might be thought disturbing, but he attempts at some length at the end of his book to show how, far from being downcast, his readers should rejoice in the way in which he has been able to show how the Spirit through Christian history has come to develop from its beginnings in the great personality of Jesus, and how, by noting the late and contextually-based character of Logos theology, a better and fuller understanding of Christ can be arrived at.100 Here, then, Tayler gives vigorous expression to the conviction that we have noted as a part of the Unitarian response to Baur, which saw his work as genuinely rich in its theological possibilities.101 Tayler’s volume was to be followed a year later by the second edition of Samuel Davidson’s Introduction to the New Testament. Much had happened in Davidson’s life since the penning of the first edition of 1848, not least his expulsion from the Lancashire Independent College in 1857 for heterodox opinions on Old Testament history; and the pages of the second edition are 100 “To sum up and apply what I have now said. Christianity, in its origin and essence, was a kindling in men’s souls of the dormant consciousness of their personal relation to a living God, a deepening of their moral sense, a quickening of their spiritual insight; and this change was wrought through the influence of one profoundly religious nature on its contemporaries. It was outpouring of the spirit of God, through the soul of Jesus, on humanity. It was diffused by the living voice, and circulated through the world in streams of living tradition. The work was progressive. ... Time and reflection were required to bring out its full significance. And to unfold it into all its applications. … Briefly we may say, the Synoptists recall the original facts; Paul and John exhibit the results of a later reflection on those facts. Now, this vivid exhibition of the growth and experiences of a great seminal principle is far more instructive and refreshing than the presentment of any positive doctrinal system, however precise and complete.” He goes on to assert that “Christianity carries us back through the souls of holy men, even of the holiest, that of Christ – to God who is the sole ultimate function of all goodness” (Tayler, Attempt, 173–4). 101 Tayler’s enthusiasm for Baur’s views in this volume could be taken to contrast with his somewhat more measured endorsement of a few years earlier where he had noted that in Baur’s work there was a tendency to push things to an extreme, even if “… there are elements of truth which cannot be henceforth overlooked in any honest and enlightened criticism of the New Testament” (Tayler, “Creeds,” 221).
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filled with warm endorsements of the work of Baur, though Davidson was no uncritical supporter of the latter.102 But his principles were Baurian, and he was certain that these would soon establish themselves in British scholarship and beyond, where, he remarked, there had been too much of a tendency to ignore or denounce them.103 Davidson’s book was held by both conservatives and liberals to be the most comprehensive attempt up to that point to ‘naturalise’ the ideas of Baur and Tübingen.104 The same period also witnessed more conservative responses. So James Donaldson, the Scottish classical scholar, subsequently to be knighted by Edward VII, acknowledged the importance of Baur’s views by devoting ten pages of critical comment to his and some of his followers’ arguments in A Critical History of Christian Literature and Doctrine from the Death of the Apostles to the Nicene Creed, published in 1865.105 H. P. Liddon’s conservative Bampton Lectures of 1866, entitled The Divinity of Our Lord and Saviour 102 So, inter alia, Davidson accepted the authenticity of 2 Thessalonians and Philippians, retained Rom. 15 (while rejecting Rom. 16), and disagreed with Baur’s dating of Matthew. 103 “Whatever may be thought of the critical processes conducted by Baur, Zeller, Schwegler, Koestlin and Hilgenfeld, their writings cannot be ignored; while their method renders it impossible that the Christian books should be treated as they were in the days of Lardner and Paley” (Samuel Davidson, An Introduction to the Study of the New Testament, critical, exegetical, and theological [2 vols.; London: Kegan Paul, Trench, Trübner], vii). For his optimism about the future of critical theology in Britain note his comment: “In England a free current of religious thought has set in, which needs only to be guided with discretion to produce results. Opinions which would have excited bitter hostility not long ago, are now heard with calmness. People can advance opinions about authorship of books etc. without losing their jobs, at least in the Church of England.” 104 See the comments of W. M. W. Call in the Westminster Review 34 (July 1868), 38 (“Davidson’s Introduction to the New Testament”): “If no formal disciple of the Tübingen School, [Davidson] has yet profited largely from thoughtful and continued study in its library.” See also Davison, “Paulinism and Legalism”, 68–90; and the British Quarterly Review 5 (January 1869), 36, which also notes differences between Davidson and Tübingen. See also The Theological Review (1868), 373, which claimed that Davidson’s was the first book to put the public in possession of the results of continental scholarship. 105 In fact Donaldson concentrates on the work of Schwegler, though he is clear that Baur is the ‘patriarch’ of the school. His disagreement with Baur, in which he makes use, as many would go on to do, of A. Ritschl’s Die Entstehung der altkatholischen Kirche, is absolute (“I need not say that I regard the whole of the Baurian scheme to be a pure fiction, as Bunsen has justly named it” [44]). Yet he finishes his sharply critical account by praising the honesty, fearlessness and industry of the school, stating as proof of the first of these qualities, that had they not been honest, Baur’s followers would not have disagreed with each other, though disagreement was inevitable given the flawed character of the basic ideas. But “they all deserve the greatest credit for the fresh life which they have given to the thorough study of the early Christian writers” (45). For a review of Donaldson’s work (reviewed here with Baur’s Christenthum and a number of other books), see London Quarterly Review (April 1865), 287–88, which notes the way Baur’s work colours the book.
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Jesus Christ, also reveal a growing concern with the encroaching influence of Baur,106 as well as revealing some reading in his work, including, not unsurprisingly, given the subject of the lecture series, the latter’s work on the Gospels, in particular John.107 Baur is not a major concern here, that is true (and Liddon’s references to him are not harshly polemical, and some even positive as Baur is seen to support a particular interpretation of the Gospel Liddon favours), but the fact that he deems it necessary to mention his works is a sign of their growing importance for the theological establishment of the day, and of the fact that Baur was a powerful name to be faced. A year before Liddon’s lectures, in 1865, J. B. Lightfoot had published his commentary on Galatians. This constituted the first of a set of commentaries on the Pauline epistles, a project whose background lay in lectures he had been asked to give on the latter and the Acts of the Apostles on being appointed assistant tutor at Trinity College, Cambridge, in 1854, and his work could be said to reflect a growing interest in the Pauline epistles in Britain in the 1850s.108 Treloar has commented that as Lightfoot commenced this work he began, gradually, to become aware of the importance of the interpretation of Baur and other Tübingen School members. So while references to them in his notes from the 1850s are rare, by the time he came to write his piece on Paul’s letters to the Thessalonians in the second edition of Smith’s Bible Dictionary, published in 1863, he was clearly aware of their views and keen to respond to them.109 The fact that Lightfoot chose Galatians as the first letter with which to open his commentary series, rather than proceeding along strictly chronological lines, is probably an indication of the degree to which Baur’s views were in his sights, for it was this letter more than any other 106 Liddon, in a letter to A. P. Stanley from 1864, had already expressed his concern with Baur: “One current of thought flows towards Mr. J. Stuart Mill and positivism and beyond, and another toward Baur and the school of Tübingen, and the desolate waste beyond that …” (quoted in S. C. Carpenter, Church and People, 1789–1889: a History of the Church of England from William Wilberforce to “Lux mundi” [London: SPCK, 1959], 563). J. O. Johnston, The Life and letters of Henry Parry Liddon (New York and Bombay: Longmans, Green and Co., 1904), 85, notes: “To attempt on such a scale, in a popular form, to refute the negative criticism of Renan, Baur, and Strauss was a tremendous task …”, implying the relative novelty of Liddon’s undertaking. 107 Liddon refers to Vorlesungen and Christenthum. 108 Treloar, Lightfoot, 306–7. 109 Treloar, Lightfoot, 313. See Lightfoot’s entry in A Dictionary of the Bible III (London: John Murray, 1863), 1481–4, on “Thessalonians, First Epistle to,” where he deals specifically with Baur’s arguments against the authenticity of that epistle (interestingly, praising Jowett’s discussion of the same matter in Jowett, Epistles). Lightfoot’s awareness of Baur must have grown during his time as joint editor of the Journal of Sacred and Classical Philology where a lengthy bibliography of continental theological works was published, including works in journals, and where, as we have seen, one book of Baur’s was reviewed.
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which raised the central issues in the latter’s reconstruction of Christian origins,110 and something of this is indicated in Lightfoot’s introduction: “Though circumstances have for the moment concentrated the attention of Englishmen on the Old Testament scriptures, the questions which have been raised on this epistle are intrinsically far more important because they touch the vital parts of Christianity. If this primitive Gospel was, as some have represented, merely one of many forms of Judaism, if those cherished beliefs which have been the life and light of many generations were afterthoughts, progressive accretions, having no foundations in the Person and Teaching of Christ, then indeed St. Paul’s preaching was in vain and our faith in vain also. I feel very much confident that the historical views of the Tübingen School are too extravagant to obtain any wide or lasting hold over the minds of men.”111 The claim that Galatians touched “the vital parts of Christianity” surely constitutes an eccentric position unless one is looking at the subject through Baurian spectacles. More detailed evidence of the influence of Baur on Lightfoot’s Galatians comes in the latter’s extended discussion of the issue of Paul’s relationship to the three apostles, James, John and Peter, in the final ‘dissertation’ in the commentary entitled “Paul and the Three”.112 In his discussion he deals with most of the issues raised by the Tübingen school, not least the relationship of Paul’s account of the council at Jerusalem and that found in Acts, contradicting Baur’s view that Paul’s failure to mention the so-called Apostolic decree was plain evidence that Luke had invented it, arguing instead that it was an irenic solution to a specific difficulty whose importance was only marginal.113 While Lightfoot conceded that the three had different emphases to Paul, he was clear that they were broadly in agreement with Paul (hence their recognition of his mission), and held views very different from the more aggressive Judaizers, some of whom may admittedly have drawn inspiration from the three, but whose views were quite different. Lightfoot went on to outline the fate of this more aggressive brand of Judaizers showing how they split into different parties, one becoming a part of the church, and the other slipping into a form of Essene Ebionitism. Like Albrecht Ritschl before him, he was
110 Treloar, Lightfoot, 313. 111 J. B. Lightfoot, Saint Paul’s Epistle to the Galatians. A revised text with introduction,
notes, and dissertations (London: Macmillan, 1865), xi. See also his comment later in the same volume: “On this battlefield (Galatians) the most important of recent theological controversies has been waged: and it is felt by both sides that the epistle to the Gal. is the true key to the position” (293). 112 Lightfoot, Galatians, 292–374. 113 Galatians, 307.
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clear that the importance of such individuals in the later history of the church was minimal.114 Lightfoot’s engagement with Baur was destined to continue. He gave a lengthy lecture to the Christian Evidence Society, which was only published posthumously,115 attacking J. J. Tayler’s Baurian work on John, basing much of his argument on the validity of external testimony to the apostolic authorship of the work, without engaging with Tayler’s (and so Baur’s) own internally oriented arguments outlining the differences between John and the Synoptics.. It was the 1870s and 80s, however, that was to see Lightfoot at his most prolific as he continued publishing his commentaries on Paul, and the Apostolic Fathers. Publication of the latter has sometimes (and probably incorrectly)116 been held to be a response to the appearance in 1874 of Supernatural Religion, an originally anonymous work, subsequently attributed to W. R. Cassels.117 Its claim was that supernaturalism, understood as the miraculous, no longer had any place in intelligent discussion about religion. Aside from well-known rationalist arguments in favour of this position, Cassels argued, here citing many of Baur’s works and those connected with the Tübingen school, that many of the New Testament works which attributed importance to the miracles were late and unreliable. Cassels’ work is sometimes held up as the first successful attempt to popularize Baur’s views.118 It certainly succeeded in drawing Lightfoot out of his scholarly lair as he penned a number of trenchant articles in the recently founded Contemporary Review, many of which were taken up with what he indicated were Cassels’ entirely derivative arguments about the lateness of a number of sub-apostolic works. Lightfoot’s participation in this debate has often been attributed to a desire to defend Westcott, whose integrity Cassels had impugned, but it must also have arisen from a 114 Galatians, 323, where Lightfoot refers to Ritschl. 115 Published posthumously in Lightfoot, Biblical Essays (London: Macmillan, 1893), 1–
198. 116 Westcott had already drawn attention in the 1850s to the need for better editions of the Apostolic Fathers, and it is more than likely that Lightfoot’s interest in these texts stems from then. On this see Thompson, Cambridge, 104. 117 On the controversy see O. Chadwick, The Victorian Church. Part II (2nd ed. London: A & C Black), 71. The book only came to be associated with Cassels in the 1890s but he never publicly acknowledged that he was its author. 118 See J. W. Hunkin, “British Work on the Acts,” in The Beginnings of Christianity. Part 1. The Acts of the Apostles. Vol. II Prolegomena II: Criticism (eds. F. J. Foakes-Jackson and K. Lake; London: Macmillan, 1922), 419: “The cleverness of his (Baur’s) work was also recognized in England, but its importance was not generally realized until W. R. Cassels adopted Baur’s dates for the books of the New Testament in two volumes entitled Supernatural Religion” (419). See also Carpenter, Church and People, 502: “It filtered through to England here and there. It was announced to English readers by W. R. Cassels.”
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strong fear that the book would greatly diminish people’s trust in the New Testament’s integrity and by extension Christian biblical scholarship.119 In his individual articles there are not many references to Baur and his followers, though where they appear, they are sometimes harsh in tone,120 and it would be difficult to think that Lightfoot did not have as one of his aims an assault upon Tübingen views. The extent to which Lightfoot’s later work on the Apostolic Fathers was influenced by the publication of Supernatural Religion has been disputed, as we have noted.121 What is clear is that the subsequent five volumes he published on 1 Clement and the Ignatian Epistles were the most detailed attempt to defend the early dating of these documents, and so by extension, most of the New Testament books, that had yet been penned; and that by such work, the chronology of Christian history reconstructed by Baur, and modified by his followers, was severely challenged as well as the view, so central to the thesis of the latter, that earliest Christianity was dogged by conflict between Petrine and Pauline schools.122 What, then, are we to say of Baur’s influence on Lightfoot? It is surely right to think that in the background of much that Lightfoot wrote from the 1860s onwards lay a distaste for Baur’s reconstruction of early Christian history. Those who argue against this view, either by pointing to the relative ignorance of Baur’s works in Britain at the time Lightfoot began to think seriously about New Testament matters; or to the paucity of references to Baur in his oeuvre, do not convince.123 On the former point we should note that there was more knowledge of Baur, at least amongst those in the know, than some have suggested; and in relation to the second point, we should note Light119 On this see M. Hengel, “Bishop Lightfoot and the Tübingen School on the Gospel of John and the Second Century,” in J. D.G. Dunn, ed., The Lightfoot Centenary Lectures in Durham University Journal (extra complementary Number, 1992), 28; and Treloar, Lightfoot, 341. 120 So he accuses them of an unhealthy excess of skepticism which he describes as the bane of current criticism. See Essays on a Work Entitled Supernatural Religion (London: Macmillan, 1893), 23–5, 82, 141. 121 Treloar, Lightfoot, 356–57, notes that the articles in the Contemporary Review had already forced him to consideration of the date of the Apostolic Fathers. 122 See Lightfoot’s strong attack upon Baur in J. B. Lightfoot, The Apostolic Fathers. Part 1: St. Clement of Rome (London: Macmillan, 1890), 357: “No man has shown himself more ready to adopt the wildest speculations, if they fell in with his preconceived theories than Baur, especially in his later days – speculations which in not a few cases have been falsified by direct evidence since discovered. Nothing has exercised a more baneful influence on criticism in the country of critics than the fascination of his name.” He goes on to note that “the glamour of his genius has on the whole exercised a fatal effect on the progress of a sober and discriminating study of the early records of Christianity.” 123 For both points see Barrett, “Qumodo,” 308–9.
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foot’s own stated disinclination to refer to everything he had read in footnotes, even if to read everything was his aim. Against such a background, the fact that he mentions Baur at least one hundred times in his published work might seem like a lot.124 More positively we might note how it is very difficult to read an essay like “Paul and the Three”, or indeed understand Lightfoot’s decision to begin his commentary series on Paul with Galatians, and not think of Baur. His work on the Apostolic Fathers is, of course, in part an attempt to prove that Apostolic, traditional Christianity is early, and so such work should be understood as part of a wider project to prove the validity of incarnational faith.125 And yet it was precisely the Tübingen School’s ideas which undermined such an attempt.126 As Treloar has noted, however, Lightfoot never wrote a straightforward refutation of Baur, references to his work are not frequent in his letters, and the latter did not engage Lightfoot uniformly.127 Moreover, Lightfoot’s works were all taken up with a deeper problem, namely the acceptance of critical scholarship in the life of the church as an aspect of the larger theological program of seeking a broader view of revelation around the incarnation.128 In this context, Treloar perceptively notes that Lightfoot’s Galatians was his indirect response to Essays and Reviews, precisely in its attempt to show that if a Pauline Epistle was read “like any other book”, it would yield conclusions compatible with orthodox Christian convic-
124 On this see Hengel, “Lightfoot,” 24–25. 125 “They (the Apostolic Fathers) prove that Christianity was catholic from the very first,
uniting a variety of forms in one faith. They show that the great facts of the Gospel narrative, and the substance of the Apostolic letters, formed the basis and moulded the expression of the common creed” (Lightfoot, Apostolic, 8). 126 Lightfoot may have professed a desire to see truth in the greatest exaggerations of able men, here implicitly referring to Baur (Lightfoot, Galatians, xi), but his aim was surely to make plain the almost complete lack of truth in the Tübingen view. 127 Treloar, Lightfoot, 383. 128 In the formulation of this view, particularly as it related to ideas of development, Lightfoot was reliant upon August Neander. For this see Treloar, Lightfoot, 123–4. Central to Neander’s view were the convictions that Christianity developed through an internally connected organism and inwardly impelling forces. As a principle of life, Christianity was initially received as inward experience and only subsequently developed as dogma. Neander’s views, in part adaptations of Hegelian ideas about the Geist, allowed for different manifestations of Christianity, while retaining an idea of the persistent presence of its essence. Lightfoot’s incarnationalism easily developed out of such thoughts. For a more recent account of Neander’s ideas and a discussion of their popularity in the US (inspired in part by Philip Schaff), see Elizabeth Clark, Founding the Fathers. Early Church History and Protestant Professors in Nineteenth-Century America (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2011), 172–4. It would not be an exaggeration to say that the mediating theology of August Neander was much more warmly received in Britain than Baur’s and his followers’ works.
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tion.129 Lightfoot was no enemy of German scholarship with its strong commitment to detailed historical study (he had been influenced by a number of more conservative or mediating German theologians who took the business of higher criticism seriously),130 and he had made this point clear from early in his career. He simply wished to show that it need not lead to the kind of skepticism about the original records represented by Baur and other members of the Tübingen School. Lightfoot’s traditionalism was integrally linked to his strong commitment to an unambiguously historical reading of the sources,131 and for that he was to receive, at least in some places, censure.132 This observation leads to another one. While it is true that in broad terms the best way to categorise the relationship between Baur and Lightfoot is in terms of negative or reactive influence, we should also note the extent to which the two agree on certain points. So, for instance, C. K. Barrett has shown that in their respective discussions of the relationship of Acts 15 to Galatians 2, Lightfoot concedes a good deal to Baur even if his conclusions are very different (and in Barrett’s view, often at odds with what he has conceded), and that in the end it is their presuppositions about the aims of scholarship and the texts themselves which lead to their different conclusions, a point which in a somewhat moderated form is made by B. N. Kaye.133 Moreover, Lightfoot, like Baur, was clear about the importance of dispute in the history of the early church; but it was his opinion that such disputes, at least in their most extreme form, had been resolved by the first century, where Baur saw them playing a central role in the second.134 On this view, then, Lightfoot is not quite the straightforward slayer of Baur which a particular narrative 129 It would be wrong to think that Lightfoot and Jowett were agreed on what reading the Bible “like any other book” meant. For Lightfoot, over against Jowett, there was a much greater emphasis on the historical context, whereas for Jowett as long as one had a safe text, the phrase simply meant reading a book exclusively in relation to what was written on the page, and not in relation to anything else (e.g. Christian dogma or other parts of the Bible not written by the author whose work was being studied). On this see Hinchcliff, Jowett, 75–6. 130 See our comments on Neander in n. 128 above. 131 See Thompson who quotes Lightfoot’s observation that “the study of past history should come to the rescue of a wavering faith,” stating that this could be a motto for his career (Thompson, Cambridge, 106). 132 Note the fact that a number of conservative critics disliked the strongly historical character of much of Lightfoot’s work. See Churchman, 7 Sept. 1865, 1070–1. 133 Barrett, “Quomodo”. See also B. N. Kaye, “Lightfoot and Baur on Early Christianity,” NTS 26 (1984): 193–224. 134 See Lightfoot, Galatians, 374: “However great may be the theological differences and religious animosities of our own time, they are far surpassed in magnitude by the distractions of an age which, closing our eyes to facts, we are apt to invest with an ideal excellence.” On this point see further C. K. Barrett, A Critical and Exegetical Commentary on the Acts of the Apostles, Vol. II (Edinburgh: T & T Clark, 1998), xli–xlii.
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would have us believe, a point which is supplemented when we realize that Lightfoot, possibly reflecting his evidential approach to argument, never really addressed Baur’s claims about the tendencies of the Gospel writers, in particular John. As we have already asserted, the Baurian ghost could not be laid to rest by simply proving his chronology to be flawed – the very expansiveness of its claims rendered such an approach only partially effective. By the 1870s, then, Baur’s influence upon British theology had become greater, ironically, perhaps, given the fact that the Tübingen school was itself in decline in Germany, with its ‘High Priest’ dead, some of its former members now renegades from the cause, and others keen on modifying their dead leader’s views, often in places other than the Swabian town.135 As well as the appearance of Supernatural Religion, and Lightfoot’s own works, in part at least, a response to the Baurising of the former, the appearance of translations of the works of Tübingen’s master also pointed to a growing appreciation of his importance for theological learning.136 Admittedly, the translations appeared in the newly founded Theological Translation Fund series, published by Williams and Norgate, which was liberal in its orientation,137 but the fact that two of Baur’s major works were now available in English must have made a difference to knowledge of his ideas, not least because of the fact that German continued to be a language that was not widely taught or known in Britain,138 and the translations were widely reviewed.139 Interestingly, the 135 See John Tulloch’s article in Macmillan’s Magazine 10 (October 1864): 433–42, entitled, “Tübingen in 1864,” 441, here stating that “The Baurean Historical Rationalism is already gone in the university which has given to it a lasting name”; and “The Tübingen School,” in The British and Foreign Evangelical Review 13 (1864): 221–51. The point was to be repeated by many subsequently (on this see below). For an account of what he terms “The End of the Tübingen School,” see Harris, Tübingen, 238–48. 136 See the translation of Paulus and Geschichte by the Theological Translation Fund in 1873 and 1878 respectively. 137 In describing the literature they wished to translate, the writers of the “Prospectus” noted (here acknowledging the translations of other more conservative German works by the likes of T & T Clark, though no mention is made of the latter): “It is a theological literature of a more independent character, less biased by dogmatical prepossessions …” Interestingly, the signatories, who included, amongst others, John Tulloch, A. P. Stanley, Samuel Davidson, James Martineau, James Donaldson, and H. Sidgwick, indicating a mix of theological dispositions, even if predominantly liberal, noted that the demand for works of this kind was not as yet “widely extended among either the clergy or the laity of Great Britain” and hence the need to set up a subscription fund to make available the translations (“Prospectus of the Theological Translation Fund,” 1–2). The same “Prospectus” contained a timetable of translations with Baur’s works amongst the first named, along with those of Keim, Zeller, Ewald and Kuenen (a Dutchman). 138 This issue was referred to at the beginning of the article. It should be noted, for instance, that there was no Modern Language Tripos at Cambridge until the 1880s, and even then matters were very rudimentary. Therefore, if one wished to learn German, one had to do
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young William Ramsay could declare that in the 1870s, before he became an archaeologist, it seemed natural to adopt Baur’s positions on an issue such as the authenticity of the Pauline epistles.140 Matthew Arnold, who on account of his origins and his education, was better acquainted with German theology than many of his contemporaries,141 was clear in a number of his publications, not least God and the Bible of 1875,142 that Baur, of whose works he showed a more than adequate knowledge, represented the best of what he termed, somewhat critically, the “rigour and vigour” of German scholarship.143 Even conservative critics not only writing in books but also journals
it on one’s own and that was often achieved by travel to Germany and study in a German university. Things were different in the dissenting academies where German lecturers appear on the staff of some colleges in the 1850s and where, as we have noted, visits to Germany were more frequent, though by no means common. The appearance, then, of English translations of Baur would have greatly helped to promote knowledge of his work, albeit of a limited kind. 139 For reviews of Paulus see The Examiner 3438 (December 1873): 1266; The British Quarterly Review 118 (April 1874): 598–99; The London Quarterly Review 47 (January 1877): 473–74; and The Theological Review 14 (1877): 520–21. 140 “The letter to the Galatians I was free to regard (1876 is the date) as the work of Paul, for it was admitted in the Tübingen School, which at this time was my guide in criticism. The logical skill with which Baur and his associates carried out their premises to their foregone conclusions had impressed me deeply ….” (W. Ramsay, The Bearing of Recent Discovery on the Trustworthiness of the New Testament [London: Hodder and Stoughton, 1915], 16–17). See also W. Ramsay, St. Paul the Traveler and the Roman citizen (London: Hodder and Stoughton, 1895): “I may fairly claim to have entered on this investigation without any prejudice in favour of the conclusion which I shall now attempt to justify to the reader. On the contrary, I began with a mind unfavourable to it, for the ingenuity and apparent completeness of the Tübingen theory had at one time convinced me.” 141 See Ruth ApRoberts, Arnold and God (London, Los Angeles: University of California Press, 1983), 56–103. 142 Matthew Arnold, God and the Bible (London: Smith, Elder and Co., 1875). 143 See esp. Arnold, God and the Bible, vii, 226–27, 236, 243–44. Baur is described as “the greatest and most famous of these critics”, that is, critics of a traditional date for John’s Gospel, and Arnold suggests on a number of occasions that Baur’s views on this matter and others had found their way into the newspapers (247). In this context Arnold may well be referring to the excitement inspired by the publication of Supernatural Religion. Arnold was probably sympathetic to Baur’s presuppositions about the human origin of the Bible but not to his methods or conclusions. The trouble with what Arnold would have thought of as the German hermeneutics of suspicion, was that it was not sufficiently attentive to how people actually thought and lived in the past. Arnold was probably more sympathetic to Renan – uncompromisingly naturalistic in his approach but much more willing on the whole to trust in the New Testament as a source, making the job of the critic to massage the latter’s supernaturalism into a well-toned, natural moral code. In Arnold’s opinion, the Bible should be taken on its own terms, and not have some theory of origins, like Baur’s, thrust upon it.
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and more popular media, agreed that Baur’s influence was growing.144 A. B. Bruce, a distinctive conservative voice from the dissenting tradition, wrote a tract for the Religious Tract Society in 1886, in which he was clear that, though Baur’s view were “decadent, or nearly dead, in Germany”, they still had vitality in Britain;145 and the tract was, therefore, devoted to an exposition and critique of the Tübingen view. In 1874 George Matheson, the ‘blind preacher of Abbotsford’, published, anonymously, his Aids to the Study of German Theology. In a chapter devoted to the Tübingen School he could describe Baur as “one of the greatest of biblical critics, and one of the profoundest speculative minds which this or perhaps any age has ever seen”,146 going on, in contrast to Bruce, to argue for a positive interpretation of Baur’s work in terms of the unifying power of the person of Christ.147 A further sign of Baur’s growing importance came in May of 1885 when his albeit critical follower, Otto Pfleiderer, was asked to speak at Oxford, having spoken in London in April, although the founder of this lecture series, Robert Hibbert, was a Unitarian, and so lectures by a Tübingen man could possibly have reflected 144 Note the review of Baur’s Kirchengeschichte in The British Quarterly (April 1867): 297: “Few men of the present century have exerted a stronger influence on theological science than F. C. Baur … For nearly 30 years his name has been on the lips of everyone in Germany … and what has long been true of Germany is becoming true of England.” Matthew Arnold, in the Contemporary Review (December 1874): 963, dubbed Baur “the greatest and most famous of these (liberal) critics”; and the London Quarterly Review (July 1875): 312, could describe the Tübingen school as “the most influential and lasting among the developments of this century.” 145 A. B. Bruce, Ferdinand Christian Baur and his Theory of the Origin of Christianity and of the New Testament writings. Tract 38 (London: Religious Tract Society, 1886), 3. 146 G. Matheson, Aids to the Study of German Theology (2nd ed. Edinburgh: T & T Clark, 1874), 148. Some might want to argue that Matheson’s positively Christian interpretation of Baur implies something about the warmer reception of Baur in Scotland when compared with England. But A. L. Drummond and J. Bulloch, The Church in Late Victorian Scotland, 1874– 1900 (Edinburgh: The Saint Andrews Press, 1978), 217–20, argue both that Baur was criticized strongly, and that insofar as Scottish theologians like A. H. Charteris and Marcus Dods responded to him, what they wrote was entirely derivative. Interestingly, Drummond and Bulloch make no mention of the relevant writings of Bruce or Matheson. John Tulloch in his Theological Controversy or the Function of Debate in Theology (Edinburgh and London: Blackwood, 1866), 5–6, notes that he had traveled to Tübingen to listen to lectures, and shared benches with students, not just from Germany, but Switzerland and Scotland. Tulloch, who had traveled in Germany at least twice, in the 1840s and 60s, though critical of the Tübingen school for what he construed as its narrow theological vision and its essentially atheistic assumptions about the New Testament’s history, was, nevertheless, well informed about Tübingen theology and Baur. See his “Tübingen 1864,” referred to above (n. 135). For further discussion of the situation in Scotland, advocating greater knowledge of German theology there than in England (but with no reference to Baur), see Robbins, Protestant Germany, 18–19. 147 See especially Matheson, Aids, 154–5.
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specifically Unitarian, rather than wider Oxonian, enthusiasm, for Baur.148 The apparent growing interest in Baur’s work in Britain led some to argue that his own ideas had been anticipated by some British deistical writers of the eighteenth century, though this was not a widely expressed view.149 It is difficult, however, to establish just how widespread knowledge was of Baur’s works. Some who attended Oxford in the 1870s and 80s spoke of knowledge of Baur being of the vaguest kind,150 a point which may in part be explained by the relatively elementary character of theological education in these institutions until the early 1900s.151 Even those who wrote about higher criticism often displayed an only derivative knowledge of the works of Tübingen’s patriarch and his followers;152 and the vast majority of Baur’s works remained untranslated. Moreover, it would be wrong to talk of a great wave of enthusiasm for Baur’s ideas or a proliferation of books devoted either to their 148 Pfleiderer was later asked to give the Gifford lectures in 1894, and one of the reviewers of these, in The Speaker 10 (October 6th, 1894): 384–5, noted that Pfleiderer was at that time the most widely read German theologian in Britain, though the same reviewer, clearly associating Pfleiderer with the Tübingen School, denounced his positions as wrong-headed and no longer pre-eminent. 149 See David Patrick, “Two Forerunners of the Tübingen School: Thomas Morgan and John Toland,” Theological Review 14 (1877): 562–603. Patrick was clearly an enthusiast for Baur as the opening pages of his article amply show, but the case he makes for Baur having British predecessors is a good one, demonstrating how a line from the two mentioned scholars runs through Semler to Baur. 150 See Mark Pattison’s anecdote in Suggestions on Academical Organization with especial reference to Oxford (Edinburgh: Edmonston and Douglas, 1868), 165, repeated by Chadwick, Victorian Church, 68: “Do you consider”, Earl Stanhope asked the fellow of an Oxford college in 1871, “that the works of the school which is known as Tübingen are extensively read at Oxford?” “No”, replied Mr. Appleton, “no theology of any school is much read at Oxford.” Chadwick thinks the story an exaggeration (on this see below). Note also Robert F. Horton, the non-conformist minister and preacher, who in An Autobiography (London: Allen and Unwin, 1918), 84, speaking of his days in Oxford, states: “I was vaguely aware of the destructive criticism of the Tübingen School of the New Testament, that was all.” Mrs. H. Ward makes a character in her “New Reformation” of 1889 (on which see n. 163 below) assert that knowledge of German theology remained exceptional “and that the translations only affect a small and mostly professional stratum of opinion” (469). 151 Although both Honours Schools in Theology were introduced to Oxford and Cambridge in the early 1870s, the numbers reading for them were quite low, with the Anglican preference being for those who had read Greats or Classics. The alternative was the relatively elementary lectures for the Voluntary Theological Examination. This meant that the courses Lightfoot or Westcott was teaching did not necessarily deal with the kind of complex questions raised by Baur. The situation was different in the dissenting academies and the new universities of London and Durham, but numbers here were quite low, too. I owe this point to Professor David Thompson, which he lays out in an as yet unpublished paper entitled “Theology and the Reform of Oxford and Cambridge”. 152 A classic example of such derivative knowledge is W. Boyce, The Higher Criticism and the Bible: a Manual for Students (London: Wesleyan Conference Office, 1881).
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defence or their destruction. The excitement which accompanied the original publication of Supernatural Religion soon abated, not least as a result of the intervention of Lightfoot. The latter’s commentaries on Paul’s Epistles and the Apostolic Fathers, and the posthumous publication of his Biblical Essays, were regarded by many as dealing a death blow to the threat of Tübingen, and its obituary was regularly sounded in journals and elsewhere.153 The popularity of George Salmon’s introduction to the New Testament154 was indicative of the fate of Baur.155 Although Salmon, a distinguished mathematician and later Provost of Trinity College Dublin, paid Baur the compliment of beginning his book with a critique of the former’s reconstruction of Christian origins, reflecting the growing awareness of Baur’s work in Britain, this was merely a prelude to an attempted decimation of all its claims. Frederic Farrar in his popular work on St. Paul could note that “the day has gone when we could at once, and without further enquiry, assume that both of these sources (Paul’s epistles and Acts) … were absolutely and equally to be relied upon …”, going on to summarise, without mentioning his name, Baur’s view of Acts as an ‘eirenicon’. But he could still assert that Acts was “a genuine and trustworthy history”, and go on to present a solidly scriptural version of Paul’s life and thought156 (with the backing, it would seem, of Lightfoot).157 Wil153 See The London Quarterly Review 13 (October, 1889): 1–2, in an article entitled “St. Paul and the Pastoral Epistles”: “The defenders of the New Testament have by this time driven back the Tübingen assault along the whole line.” Reflecting similar imagery see The Academy (January 4th, 1890): 9: “To them we owe that the deluge has not come, and that our own landmarks have not been ruthlessly swept away.” Note also Quarterly Review 197 (January 1903): 289: “Nor can we feel doubtful of the finality of Bishop Lightfoot’s researches …”, observing that “[b]y the period we speak of it had been recognized as a precarious method to proceed by the high priori road, and to force early Christian history into the Hegelian tripudium of thesis, antithesis and synthesis.” 154 A Historical Introduction to the Study of the Books of the New Testament: being an Expansion of Lectures Delivered in the Divinity School of Dublin (London: John Murray, 1885). 155 See Quarterly Review 163 (October 1886): 460–89, for a very positive review of Salmon in which his work is described as “one of the most remarkable books which can only be produced at rare intervals” (460). The review, which also, in far more critical tones, discusses Heinrich Holtzmann’s introduction to the New Testament, highlights Salmon’s criticism of Baur (“To some extent … Dr. Salmon may be thought to be slaying the slain in his exposure of such theories as that of Baur” [466–7]), describing Baur’s works as a “memorable episode in the history of criticism” (473). Pfleiderer notes that Salmon’s work enjoyed almost canonical status amongst the orthodox (Pfleiderer, Development, 394), a point repeated by Davidson in Samuel Davidson, An Introduction to the Study of the New Testament: Critical, Exegetical, and Theological, Vol. 1 (3rd ed.; London: Kegan Paul, Trench, Trübner, 1894), v, who mentions the Quarterly Review piece referred to above. 156 F. W. Farrar, The Life and work of St. Paul (London: Casell and Company, 1883), 5– 6.
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liam Ramsay, once, as we have seen, a self-confessed follower of Baur,158 could, with confidence, engage in extended defences of the historicity of Acts through detailed use of archaeological evidence from Asia Minor and Greece, an extension of the evidentialist approach of the British school of theology going back to Paley’s Horae Paulinae, and beyond.159 Hort, in posthumously published lectures on Judaistic Christianity, could acknowledge the importance of Baur’s work on this subject, but argued for a position quite different from that of the Swabian.160 Of course, there continued to be those who spoke up for Baur. Samuel Davidson, who openly regretted what he saw as “the prevailing current of orthodoxy which has invaded this country”, and which, he noted, was also beginning to affect Germany (and even followers of the Tübingen School),161 produced a revised version of the second edition of his Introduction to the New Testament in 1882, and a third edition in 1894, declaring that Baur and Tübingen were here to stay.162 Interestingly, Mrs. Humphry Ward, the author of the well-known religious novel, Robert Elsmere, penned an article in the The 157 In his preface, Farrar notes that Lightfoot had read some of his text (Farrar, Paul, v–
vi). 158 See n. 140 above. 159 On the British penchant for the evidentialist approach to New Testament study, see M.
Ledger-Lomas, “James Smith and the Defence of Biblical Narrative in Victorian Britain,” Angermion 1 (2008): 83–109, who concentrates especially on James Smith’s The Voyage and Shipwreck of Saint Paul of 1861; and Altholz, “Mind of Victorian Orthodoxy,” 33–40, who shows the importance of evidentialism (and faith) in responses to Essays and Reviews. On Paley’s Horae Paulinae more specifically see Thompson, Cambridge, 28–29. 160 F. J. A. Hort, Judaistic Christianity. A Course of Lectures (London: Macmillan), vi– vii. 161 See his entry in his diary for October 17th, 1886 (Davidson, Autobiography, 170–1): “Unfortunately, disciples of the Tübingen school are not unaffected by the tide, and are paring away parts and principles of the school; generally, I believe, to the detriment of truth”. He goes on to point out the presence of the softening, mediating process in the work of Hilgenfeld and Pfleiderer. Notice also his comments on Pfleiderer for 12th December, 1890 (262–3). 162 While Davidson could state the “(Tübingen) school as represented by Baur and Schwegler has carried its speculations too far,” he was also clear that “the important advance it has made in the criticism of the NT cannot be reversed. Modified it may be; but its mark upon early Christian literature is deep and permanent. In correcting its excesses moderation must be carefully preserved, for examples of backwardism are usually weak. A few faults of the ‘Tendenzkritik’ leave its basis secure” (Davidson, Introduction [3rd ed.], v). Moreover, he is still optimistic about the eventual triumph of Tübingen views. So writing about English commentaries, which he takes to be essentially conservative, he asserts: “Even in them small concessions to critical results dribble out and will continue to do until a full stream long fed by rivulets comes in with a force that cannot be resisted” (Introduction, vii). J. M. Robertson, History of Free Thought in the Nineteenth Century, vol. II (London: Watts, 1929), 408–9, attacks Lightfoot; and Pfleiderer, Development, 397, described Lightfoot’s response to Cassels as “extraordinarily weak.”
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Nineteenth Century,163 which took the form of a dialogue between two old friends from Oxford, representing different sides of the religious divide. One, who had travelled to Tübingen in pursuit of religious renewal, contrasts the glories of what he had heard there with the dryness and religious vacuity of his teaching at Oxford where Baur’s views were only spoken to be criticized. When his friend, now ordained, responds by noting the great glory of British scholarship in the form of Lightfoot, Salmon and others, he is immediately dismissive, claiming that such scholars’ defence of orthodoxy was hardly going to help the modern man give expression to his developing religious sensibilities, in this context highlighting English expertise in the so-called ‘niedere Kritik’, of textual criticism and related subjects, but “complete sterility, as far as the higher criticism; – that is to say the effort to reconceive Christianity in the light of the accumulations of modern knowledge.”164 This paean to Baur, which praises his capacity to give the troubled, yet religious, person something they can ‘translate’, that is, make into something able to sustain his or her intellect in a changing world, is not absolute. Like Mark Pattison, writing about thirty years before, Ward is clear that Baur’s work in its unadulterated form cannot be accepted, and she goes on to mention the correctives brought to it by Baur’s own followers and members of a new generation of theologians like A. Harnack and A. Hausrath. They, too, like Baur and others, give one a real sense of the historical circumstances in which Christianity evolved and so a much more satisfying picture of the early Christians, and most importantly, of Jesus himself, the human saviour. In seeing Harnack as a kind of corrective to Baur, Mrs. Ward, inadvertently, pointed to another contributory factor in the gradual demise of Baur’s short-lived reputation in Britain. As we have already noted, at the very time that his star was rising in Britain, it was falling in Germany. Not only were his own followers intent upon emending his picture of Christian origins at many points, whether it be on the priority of Matthew, the authenticity of certain Pauline letters, or the understanding of the character of the opposition which Paul faced, others, such as Albrecht Ritschl, were keener to denounce it in more expansive ways.165 One of the inheritors of the mantle of a moderate opposition to Baur, himself a student of Albrecht Ritschl, who had begun the process of dismantling the Baurian edifice, was Harnack. Writing in the Con-
163 “The New Reformation; A Dialogue,” The Nineteenth Century 25 (March 1889):
454–80. 164 Ward, “New Reformation,” 468. 165 The second edition of Ritschl’s Die Entstehung der altkatholischen Kirche, published in 1857, was quite widely read in Britain. See our reference above to James Donaldson’s use of the work. Other liberal opponents of Baur included Franz Overbeck and Ernst Troeltsch.
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temporary Review in 1886,166 while clear in his praise of Baur and Tübingen’s achievements, he was adamant that their opinions “have proved themselves everywhere inadequate, nay erroneous, and are today held by only a very few scholars,” going on to outline the very different presuppositions of historical theology as they now manifested themselves. Harnack, some of whose most important works, including his Dogmengeschichte, were to be translated into English quite quickly,167 was to give further expression to his views in the preface to his monumental work, Chronologie der altchristlichen Literatur bis Eusebius of some eleven years later, a preface whose sentiments were repeated by a number of British New Testament scholars,168 not the least of whom was William Sanday. The latter, also in the Contemporary Review, had replied to Mrs. Ward’s article,169 attempting to show, in polite terms, how it was one-sided in its account of German scholarship and too dismissive of the state of British scholarship. In the article, Sanday was clear, however, of the debt owed to German scholarship more generally, and to Baur’s work in particular: “The work of Baur was of a different order (to Strauss), and it has entered more deeply into the warp and woof of theology, not only of the past but of the present”, though he was equally clear here and elsewhere that matters had moved on, just as Harnack had stated.170
166 “The Present State of Research in Early Church History,” Contemporary Review 50
(1886): 221–38. 167 As Morgan notes (“Angli,” 13), this was a period in which a large number of translations of German theological texts were made. 168 See Morgan, “Angli,” 8. Morgan also notes that it was precisely the strong oppositional tone of Harnack and other German liberals which encouraged British scholars to pedal the view that Baur had been annihilated (annihilated, of course, by Lightfoot, whose views were supported by these learned Germans). 169 “The Future of English Theology,” Contemporary Review 56 (1889): 41–42. Ward’s article elicited a number of responses apart from Sanday’s. 170 See Sanday, The Criticism of the Fourth Gospel (Oxford: The Clarendon Press, 1905), 43–4; and Outlines of the Life of Christ (Edinburgh: T & T Clark, 1905), 259. The sense that Tübingen’s rule had come to an end in Germany was early recognized by some (see n. 135 above), and repeated regularly. See The British Quarterly Review 69 (1879): 184 (here reviewing books by Baur and Pfleiderer): “We have no space to discuss this or any other theory of the Tübingen school, but it shows how completely that school has lost its influence in Germany, when it is known that a professor with such great abilities as Pfleiderer cannot command a class of more than 8 or 9 in Berlin …”. In The Speaker 10 (October 6th 1894): 384, Tübingen is seen “as a forsaken standpoint and a decayed school.” See also J. K. Mozley’s words: “The names of such men as Harnack, Deissmann, Loofs, Jülicher, Wernle, Herrmann, and of others scarcely less eminent, had become as well known in England and Scotland as those of native scholars, and their influence had been a notable fact” (J. K. Mozley, Some Tendencies in British Theology: From the Publication of Lux Mundi to the Present Day [London: SPCK, 1951], 47). Mozley’s failure to mention Baur is striking.
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Sanday, whose conservative tone was to change, but who remained implacably opposed to Baur, exemplifies an aspect at least of the later nineteenth and early twentieth-century reception of Baur – a certain degree of gratitude towards and respect for the man and his work, but with a strong sense that his ideas were no longer sustainable.171 Sanday and others were keen to express this point not just as it related to Paul and later Christian history, but also to the Gospels, especially John, where as Schürer was to note, defenders of apostolic authorship were still in the majority in Britain.172 Few, though, appeared to engage very closely with Baur’s work in this area, not least Baur’s so-called ‘Tendenzkritik’, and it is a striking fact that none of Baur’s quite substantial works on Gospel criticism have ever been translated into English.
4. The Twentieth Century and Beyond As we move into the twentieth century and to the period both before and after the First World War, it is difficult to trace much change in this general picture in spite of a growing interest in German theology. A. C. Headlam, for instance, continued to peddle the by now hackneyed tale of Lightfoot’s defeat of Baur, and did so in a variety of places.173 Kirsopp Lake, possibly referring to some of Headlam’s and others’ polemics, after criticizing Baur for his opinions on Petrine/Pauline opposition, noted in a footnote: “I should be sorry if these remarks seemed to imply disrespect of the Tübingen critics. There is no 171 Note also his characterization of German scholarship, which seems in many ways to be a characterization, along quite familiar lines, of Baur’s and his followers’ work: “(I)t has been too academic, too doctrinaire, too artificial, too much made in the study and too little checked by observation of the facts of daily life. The very excellences of the German mind have in some ways contributed to the formation of wrong standards of judgment. More than any other people the Germans have the power of sustained abstract thought, of thoroughness in mustering and reviewing all the elements of a problem out in such a way as not to leave gaps and inconsistencies. … And there is also too great a tendency to argue as though men were all made upon one pattern. There is a want of elasticity of conception. And, to sum up many points in one, there is a great tendency to purism or over-strictness in the wrong place, and to over-laxity also in the wrong place, to strain out the gnat and to swallow the camel. … What one desiderates most is greater simplicity, greater readiness to believe that as a rule, in ancient times as well as modern, people meant what they said and said what they meant, and that more often than not they had some substantial reason for saying it” (Criticism, 50). 172 E. Schürer, “The Fourth Gospel,” Contemporary Review 60 (1891): 388–89. 173 Headlam’s views are discussed by Morgan, “Angli,” 8. See especially the former’s “English Theology,” Theologisch Tijdschrift 49 (1915): 147, where he speaks of Lightfoot’s complete overthrow of “those theories of the development of Christianity which were associated with the Tübingen school …”. See also G. R. Eden and F. C. Macdonald, eds., Lightfoot of Durham (Cambridge: Cambridge University Press, 1932), 138.
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school to whom we are so much indebted; and Baur’s Paulus is a work of genius. But they were not infallible, and in some respects their methods had the roughness of pioneers. Largely owing to their efforts we are able in many respects to improve on their results; but those who speak most evil of the TS (no names are mentioned here) have usually never read their books.”174 Lake’s point, which drew a harsh rebuke from Headlam in his review of the same book,175 was a more positive attempt to attribute importance to Baur. Tellingly, perhaps, it occurred as a corrective footnote to a criticism of Baur. The period following the war saw a gradual diminution in interest in German scholarship in Britain, which in any case was concerned with issues quite different to those which Baur had regarded as important. The publication of Christian Beginnings, which was essentially a detailed investigation of issues relating to the study of Acts, showed up as much, with J. W. Hunkin’s review of British scholarship making clear that Baur’s ingenuity had had its day, not least as a result of the work of Lightfoot and Ramsay. “British scholarship,” he opines, “has shown little tendency to originate startling hypotheses like those of Baur, although it has generally learnt something from them. It has devoted itself to the more concrete problems of textual criticism and archaeology, and its general temper has been conservative.” He then proceeds to summarise the English position on Acts in terms which are the precise inverse of Tübingen: Acts is a product of the first century; the author of the ‘we’ sections is the same as the author of Acts and Luke; this author has accurate information about the journeys of St. Paul; the scenes from the early days of the church’s history are well chosen and on the whole correct in outline.176 One of the few essays which endorsed an aspect of Baur’s work in this collection was that of H. Windisch (and possibly Lake). Though Windisch was 174 The Earlier Epistles of St. Paul, their Motive and Origin (London: Rivingtons, 1911),
116, n. 3. 175 See Church Quarterly Review 76 (1913): 168. Headlam’s response to Lake on this point might be deemed misleading as far as his own opinions about Baur were concerned. In his History, Authority and Theology (London: John Murray, 1909), while asserting that “hardly any of the leading conclusions in the domain of Church history that he (Baur) arrived at is accepted”, he goes on to state that “(e)very student of the New Testament or early Christian works will be astonished if he once realizes how the statement of almost any question which he has to discuss will lead him back to Baur … and that he will almost always feel that Baur’s statement of the problem has illuminated the whole subject” (Headlam, History, 249). And Headlam goes on to note that Baur’s achievement lies precisely in his historical framing of questions (“not what early Christianity proves but what is it like? And the Church historian since his time must recognize that this is the question he is expected to answer” [Headlam, History, 280]). While Headlam goes on to note that Baur’s methods were not historical and to accuse him of Hegelian apriorism, and to hail the work of Lightfoot as Baur’s destroyer, this strong affirmation of the Baurian approach is striking. 176 Hunkin, “British,” 433.
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clear that a lot of what Baur had proposed was problematic, he also argued for the view that Luke was not the author of Acts.177 I mention Windisch’s article, technically part of the reception history of Baur in Germany, because it elicited a strong response from B. H. Streeter in Britain. In the second edition of The Four Gospels, published in 1924, Streeter takes particular exception to Windisch’s article, arguing that “The discussion is still haunted by the ghost of F. C. Baur; it is time this ghost was laid.”178 Streeter’s observation is interesting if only because it indicates an ongoing fear of Baur, which hardly reflected the situation as it was in Britain: Baur’s works continued to be read, were certainly deemed to be an important part of the history of the New Testament’s interpretation, and could even stimulate the occasional scholar to new thoughts,179 and even to expressions of admiration,180 but they seemed to be from another age. If we examine the last sixty years of scholarship it is clear that the fate of Baur’s work has been somewhat uneven. S. G. F. Brandon’s The Fall of Jerusalem and the Christian Church, published in 1951 (followed by a second edition in 1957), with its claim that a bitterly anti-Pauline and nationalist Jewish Christianity in Jerusalem was destroyed in the Jewish revolt of 70, so leaving the way open for the eventual world-domination of Pauline Christianity, is strongly reliant upon Baur, a point made plain by, amongst others, C. F. D. Moule in his critical, if appreciative, review of a year later.181 In spite of such criticisms Brandon retained his Tübingen views in Jesus and the Zealots, published in 1967.182 The sonorous attempt on the part of Stephen Neill to reinstate the perennial narrative of Lightfootian triumph over Baur points in 177 H. Windisch, “The Case against Tradition,” in Foakes Jackson and Lake, Beginnings, 298–348. 178 B. H. Streeter, The Four Gospels: A Study of Origins, Treating of the Manuscript Tradition, Sources, Authorship and Dates (London: Macmillan, 1924), 542. 179 See T. W. Manson, “St. Paul in Ephesus,” BJRL 24 (1940): 59–80. Here he notes that it is clear that Baur’s assault on idea that Gal. 2 = Acts 15 is “unanswered and unanswerable” (65, n. 2), but uses his views to arrive at a quite different position from Baur’s. See also idem, “St. Paul in Ephesus,” BJRL 26 (1941–2): 325–41, where Manson endorses Baur’s view that knowing Christ ‘kata sarka’ means holding a this-worldly view of the nature of his Messiahship (341), and quotes from Vorlesungen über die neutestamentliche Theologie, 131. 180 See A. M. Coleman’s essay on Baur in his Six Liberal Thinkers (Oxford: Blackwell, 1936), 18–26. 181 See JTS n. s. 3 (1952): 106–8, esp. 107, where Moule writes: “In the first place, whatever the author may say of the substantial character of the ‘ghosts’ of Tübingen, and of their never being ‘laid’, the conflict between the Paul and the James party is grossly exaggerated.” Moule’s comments bring to light something which is not explicitly acknowledged by Brandon. Note that Baur does not appear in the index of Brandon’s book and appears not to be discussed in the main text. 182 In this book there are a number of references to Baur.
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another, possibly more familiar, direction.183 Neill’s account has come in different ways to be endorsed by a variety of scholars. So W. Gasque, an American but writing under the supervision of the British New Testament scholar, F. F. Bruce, in his history of the study of Acts, seems to assume that Baur’s views are really part of a story of error;184 and by another route Horton Harris represents a similar evaluation. His is the first serious attempt by a British scholar, after Mackay, to give an account of the history of the Tübingen School, and for all its evident research (he makes available a vast amount of new archival material, and his work marks a significant moment in the history of the reception of Baur in Britain), is implicitly a polemic,185 in which significance is attributed to Baur and his followers as the first thorough-going historical and so atheistic interpreters of the Bible,186 who, for all their importance, were in most things wrong.187 Harris’ account is different from Neill’s in that it is much clearer about the lasting legacy of Baur188 (here from a negative perspective),189 and it is more obviously allied to a particular theological agenda,190 bound up with the advocacy of a more faithful hermeneutic and an implicit attack, as indicated, upon a perceived atheistic, secular approach to the New Testament whose fons et origo Harris sees as Baur. Apart from its uniquely detailed engagement with its subject, Harris’ book is also distinctive in concentrating much more than Neill upon the German criticism of Baur, regarding it as having sufficiently dented the learned Swabian’s views.191 But the import of the story told is more or less that of Neill, and in 183 Neill, History. 184 See W. Gasque, A History of the Criticism of the Acts of the Apostles (Grand Rapids:
Eerdmans, 1975), 306–7. 185 See Morgan’s review of the first edition of Harris, Tübingen, in HeyJ 17 (1976): 357– 61, esp. 358, and 359, where Morgan is clear that Harris’ enemy is not just Baur but all forms of critical biblical scholarship conducted from a purely historical perspective. 186 “Not the Hegelian philosophy, but the acceptance or rejection of a transcendent personal God determined Baur’s dogmatic and historical investigations” (Harris, Tübingen, 252). Here he cites similar observations by Uhlhorn to whose criticism of the Tübingen School, from 1858, he attributes great significance. See also Morgan, Review of Harris, Tübingen, 358. 187 Harris, Tübingen, 259–60, for a list of all the errors of Baur. 188 He describes Baur’s views as more consequential in their effect than the Copernican revolution (see Harris, Tübingen, xxii). 189 Contrast Harris’ understanding of Baur’s importance with that of Kümmel or Morgan. 190 This point is barely concealed at Tübingen, 262: “The validity of all Biblical exegesis and interpretation rests upon its readiness to set forth clearly and unflinchingly the dogmatic presuppositions upon which it is based.” 191 This polemic is no less strong, perhaps even stronger, in the second edition of the work. Note in particular the preface of the conservative American scholar Earle Ellis, and his statement: “Baur’s rationalism and his consequent non-theistic view of deity identifies his
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fact bears some of the hallmarks of more conservative engagements with Baur from an earlier age.192 Sadly, Harris’ work did not receive much notice in British academic journals, but one man who did review the book was Robert Morgan of Oxford University.193 Morgan has, along with C. K. Barrett, Michael Goulder and some others (see below), attempted, in a modest way, to rehabilitate Baur, as his review of Harris, but more especially a series of articles published since the 1970s, have shown. He is clear that such a rehabilitation is necessary not simply because in general British scholars have tended to take a negative view of Baur’s work, but also because Baur’s contribution remains significant in a variety of ways. So, he is clear, for instance, that while Baur’s detailed construction of Christian origins is flawed,194 his contribution more generally to historical method in New Testament studies, is of enduring importance, a point too easily overlooked by those from Headlam onwards, who tended to see Lightfoot’s work on New Testament chronology and authorship as rendering Baur’s contribution invalid. In this context Morgan is keen to endorse Kümmel’s judgment that “(s)ince Baur’s time scientific work on the New Testament has been possible only when the fundamental methodological principles he (Baur) indicated have been followed and his overall historical view has been superseded or improved.”195 But what distinguishes Morgan’s contribution to the study of Baur from many other British contributions is his desire to draw attention to the theological dimension of his work. In this Morgan clearly builds on the work of the American scholar Peter C. Hodgson who theology, like that of Marcion or the Gnostic teachers, as an essentially pagan manifestation of another religion sitting under the umbrella of the institutional church” (Tübingen, xi). 192 See Bruce, Ferdinand Christian Baur, 5, who describes Baur’s “theory which makes of Christianity a thing of purely natural origin, calls in question the authenticity of all but a few of the New Testament books, and makes the whole collection contain not a harmonious system of divine truth, but a confused mass of merely human and contradictory opinions as to the nature of the Christian religion.” 193 See n. 185 above. 194 “The weakness of this model, based though it was on exegetical observation, is that it is over-simple and over-schematic. Baur conceived the historical development in too linear a fashion and gave insufficient consideration to the possibility of a variety of parallel developments in early Christianity” (R. Morgan, “Ferdinand Christian Baur,” in Nineteenth Century Religious Thought in the West [eds. N. Smart, et al.; Cambridge: CUP, 1985], 270). 195 R. Morgan, “F. C. Baur’s Lectures on New Testament Theology,” ExpT 88 (1976/77): 202, quoting Kümmel, Investigation, 143. In Morgan’s review of Harris, referred to above, he openly refutes Harris’ view that “Baur’s investigations into the authenticity of the New Testament writings were for the greatest part invalid”, noting that the latter’s doubts about the authenticity of most of the New Testament documents have been largely vindicated, and that his comments on the theological character of John’s Gospel were epoch-making (Morgan, Review of Harris, Tübingen, 357).
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could be said to have initiated the rehabilitation of Baur in the Anglophonic world.196 Morgan rejects the much-repeated view that Baur’s account of Christian origins can be seen as no more than an aprioristic application of Hegel’s philosophy of the spirit, arguing that precisely because for Baur, following Hegel, the spirit comes to life in history, it is necessary to look at history as carefully as possible.197 Less defensively, Morgan seeks to show how Baur construed his work from a theologically positive point of view (precisely as a corrective to Strauss), not only because it provided a credible reconstruction of the history, but also because this reconstruction enshrined a new theological interpretation of tradition. In this respect Morgan shows how Baur’s own interpretative work on the New Testament gives voice to such an intention, not least in his important book, Vorlesungen über neutestamentliche Theologie, where Baur observes, sounding a modern note: “The less we can take the authors of the four Gospels, seen in this way, to be mere reporters, the more they gain in significance as writers whose works are themselves a source of New Testament theology.”198 In discussing Baur’s theological contribution, Morgan highlights the way in which he brought robust attention to the whole question of the relationship between the Jesus of history and the Christ of faith, and attempts to show how, while Baur’s Hegelian presuppositions did not allow him to identify the historical Jesus with the Christ of faith (an absolute idea coming into history cannot be identified with any particular individual), he sought, against Hegel and Strauss, to link the two, for he saw Christianity as being, at least in broad terms, based upon an individual, and not merely an idea.199 It is Morgan’s contention in a number of his articles that English critics of Baur, from Lightfoot onwards, because they were so convinced of the possibility “of defending the doctrine of the incarnation by maintaining the essential historicity of the Gospels,”200 failed sufficiently to 196 See esp. Peter C. Hodgson, The Formation of Historical Theology: A Study of Ferdinand Christian Baur (New York: Harper and Row, 1966). His more theologically oriented view of Baur has been strongly opposed by Harris. 197 Like Hodgson, Morgan is clear that Baur’s most important views about the development of Christianity arise from exegesis, not philosophy. 198 Vorlesungen über die neutestamentliche Theologie (ed. F. F. Baur; Leipzig: Fues’ Verlag, 1864), here, 24. Morgan, “F. C. Baur’s Lectures,” was inspired by the republication of this text in 1973. 199 “Baur’s solution to the same problem of combining an idealist, archetypal Christology in which the idea could not be fully expressed in an individual, with a reference to the historical founder of Christianity whom he considered of central importance, was less obviously heterodox” (Morgan, “Angli,” 19). See also Morgan, review of Harris, Tübingen, 359-60; and Morgan, ‘Baur’, 277. 200 Morgan, “Angli,” 4.
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distinguish between historical and theological judgments, to take as seriously as they should have done, Lessing’s ‘ugly ditch’, and so were prevented from a proper engagement with some of the major questions Baur’s work brought to light. In this respect, Morgan notes that none of Baur’s works on the Gospels were ever translated into English, and that the implications of his work on John (and the Gospels more generally) were never fully addressed, it being thought, as we noted above, that ‘evidential’ arguments against Baur’s obviously flawed dating of the work, were tantamount to a refutation of everything else he asserted about the Gospel, when that was clearly not the case. Morgan’s account of Baur is distinctive for its subtle defence of the latter’s historical work, manifesting itself in part in his strong reservations about the validity of the often repeated tale of Lightfoot’s absolute defeat of Tübingen’s patriarch; and more especially, for its larger vision of Baur’s work as a theologian, over against those who would see him as a philosophically-oriented historian and nothing else. The fact that Morgan goes about this task through an examination of a medley of Baur’s works, rather than Paulus and Geschichte alone (those works which alone have been translated into English), gives a distinctive hue to his work. C. K. Barrett is, up to a point, a kindred spirit of Morgan, though it does not seem that one has influenced the other.201 Barrett is clear in a number of publications that he is still essentially sympathetic to Baur’s reconstruction of early Christian history in terms of tension and conflict between differing groups. As he writes “The historical study of the last 100 years has not shown that the conflicts, tensions, and resolutions described by F. C. Baur are imaginary; it has shown that they belong to earlier dates than those to which Baur assigned them.”202 He can also agree with specific points of Baur’s reconstruction, stating, inter alia, that the agreement made between Paul and the pillar apostles in Jerusalem, recorded in Gal 2, was only superficial,203 points
201 In private correspondence, Morgan has stated that he first encountered Baur through the work of Ernst Käsemann, and it may well have been Käsemann who influenced Barrett. 202 “Pauline controversies in the post-Pauline period,” in C. K. Barrett, Jesus and the Word and Other Essays’ (Edinburgh: T. & T. Clark, 1995), 208 (paraphrasing E. L. Allen, “Controversy in the New Testament,” NTS 1 [1954]: 143). Note also his comments in his Freedom and Obligation. A Study of the Epistle to the Galatians (Philadelphia: Westminster Press, 1985), 112, n. 16: “Baur’s understanding of early Christian history, and especially of Paul’s place within it, though open at some points to correction, retains very high value and must not be written off lightly.” Note also Barrett, “Quomodo,” 307: “… no summary could do justice to the sharpness and energy with which he analyses the alternative sources which purport to provide accounts of the same events.” 203 Barrett, Freedom, 20, 60, and 100.
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which, in broad terms, are carried forward in his commentary on Acts.204 In all of this Barrett shows himself to be a close reader of Baur and at pains to correct what he deems received misconceptions.205 Like Morgan he is sharply critical of the view that Baur is first of all an Hegelian and only secondly a historian, and keener still to do away with the view that “The overall effect of Lightfoot’s work was to show that Baur and his followers had built a castle in the sky.” On this last point (the relationship of Lightfoot to Baur) Barrett makes a number of distinctive observations. First, and possibly wrongly, he questions whether Baur was sufficiently well known at the time of Lightfoot for him to be in the sights of the learned Cambridge theologian, pointing out in passing that the latter fails really to engage with his thinking. More suggestively, as we have seen, Barrett argues that Lightfoot’s work was in fact much closer to that of Baur’s than is customarily imagined, a point Barrett illustrates through a detailed comparison of the two theologians’ interpretation of Acts 15 and Gal 2.206 His contention that “again and again (we see Lightfoot) turning back from what seems to be the logical conclusion of his argument and accepting at their face value statements which Baur receives with a good deal of skepticism”, is made with conviction, and the phenomenon accounted for by reference to different theological presuppositions rather than differing frames of mind.207 Morgan’s and Barrett’s reception of Baur, though differing in what they seek to affirm (Morgan’s affirmations are more theological in orientation; Barrett’s more historical), is detailed, critical and engaged. Less critical, and more enthusiastic, is the work of Michael Goulder, to which reference has been made above. In a series of articles and two books, one popular, the other more scholarly, Goulder has sought to argue a Baurian thesis for Christian origins which is more far-reaching than anything before Mackay and Cassels. 204 See C. K. Barrett, The Acts of the Apostles, Vol. II (Edinburgh: T. & T.
Clark/Continuum, 1998), lxiiif. and his discussion of “Acts in History”. 205 Note, for instance, his criticism of Harris’ assertion that Baur finds no historical value in Acts. See Barrett, “Quomodo,” 305. 206 See Barrett, “Quomodo,” 306–10. 207 Barrett, “Quomodo,” 310–19, esp. 318: “Lightfoot and Baur stand over against each not as believer and unbeliever but as representatives of different philosophical and theological traditions. And as far as the facts are concerned each, the Hegelian idealist and the commonsense empiricist have their blind spots.” For a slightly different view which accounts for the difference between the two see Kaye, who emphasizes two different perceptions of history, one dynamic and developing (Baur), and the other more static and incarnational (Lightfoot). As Barrett points out, however, when discussing Kaye’s article in his “J. B. Lightfoot as Biblical Commentator,” in J. D. G. Dunn, ed., The Lightfoot Centenary Lectures in Durham University Journal (extra complementary Number, 1992), 53–70, Kaye has perhaps overdone the difference between himself and Barrett on this point.
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Like Baur he sees Christian origins as a battle royal between two parties, a Petrine and a Pauline, and he can argue with vigour and conviction for the view that the Ebionites as represented in earlier and later Patristic sources, represent the theology of the apostles in Jerusalem. Goulder’s case has found few supporters, and his books (and articles) have only received minimal notice in English journals.208 Other British scholars have appealed to Baur, admittedly in a more critical manner than Goulder. J. D. G. Dunn, for instance, can implicitly praise Baur for penetrating to the central issue of Christian origins in asking how it was that Christianity did not simply remain “a mere form of Judaism”, but “asserted itself as a separate, independent principle, broke loose from it, and took its stand as a new enfranchised form of religious thought and life …”; and Dunn argues that New Testament scholarship lost sight of the importance of this question as it became preoccupied with issues relating to the history of religions.209 Francis Watson, in his distinctive account of the origins of Paul’s gospel, favourably contrasts Baur’s attempt to give specifically historical reasons for Paul’s theological emphases, with the more abstractedly theological accounts of Luther and others,210 and partially endorses Baur’s claim that central to an account of Paul is a contrast between the apostle’s universalism and Jewish particularism.211 Watson’s book cannot be accounted for simply by reference to Baur’s work – it has a more complex pedigree212 – but the latter seems to have wielded some influence.213 It is also the case that a renewed interest in the study of Jewish Christianity has seen a perhaps predictable return to an engagement with some of Baur’s work but mainly from a his-
208 For Goulder’s engagement with Baur, and his attempt to address criticisms directed at him, see Goulder, Corinthian Correspondence, 1–15. 209 See Dunn, “Lightfoot in Retrospect,” in J. D. G. Dunn, ed., The Lightfoot Centenary Lectures in Durham University Journal (extra complementary Number, 1992), 71–94, here 81–2, broadly repeated in idem, The Partings of the Ways (London: SCM Press, 1990), 1–5. Baur is mentioned a number of times in idem, Christianity in the Making. Vol. 2: Beginning from Jerusalem (Grand Rapids, MI; and Cambridge: Eerdmans, 2009). 210 Note especially his discussion of Baur’s account of the purpose of Romans in Watson, Paul, 40–5, and 163–64, and his reference to “Baur’s devastating critique” of Romans as a syllabus of necessary dogmatic topics (278). Watson distinguishes himself in his discussion by taking account of at least two of Baur’s articles rather than simply referring to the ET of Paulus and Geschichte. 211 See Watson, Paul, 53. 212 His invocation of Baur is stimulated by a desire to critique Anglo-American views of the so-called “new perspective” on Paul. 213 John M. Court, in his review of the first edition of Watson’s work published in 1986 (Theology 90 [1987]: 396–8), says of it: “The ghost of F. C. Baur walks the land dressed as a sociologist” (397).
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toriographical perspective.214 Interestingly, Markus Bockmuehl215 believes that Baur’s work continues to wield a powerful influence on students of Christian origins,216 admittedly in what he terms “a modified form” (he mentions the names of Barrett and Goulder but adds to these those of C. Marvin Pate217 and Douglas Campbell,218 amongst others), especially as this relates to a presumed division between Pauline and Petrine Christianity, notably seen in interpretations of the incident at Antioch, recorded in Gal. 2.11–14 as well as in a tendency criticism of Acts.219 To this effect he dedicates a number of pages of his recent monograph to a broadly negative critique of Baur,220 though here his concern with Baur’s influence is strongest when dealing with the German’s anti-Pauline interpretation of the Pseudo-Clementine literature, which in Bockmuehl’s opinion “manifest(s) no obvious polarity between a Petrine mission to Jews and a Pauline mission to Gentiles.”221 In all of this Bockmuehl, who is right, I think, to locate a strong current of Baurism in the interpretation of the Pseudo-Clementines, an arcane pursuit mainly followed by Germans, gives voice, in more mooted and less negative tones, to sentiments found in the work of Johannes Munck, who in a much earlier book than Bockmuehl’s, Paul and the Salvation of Mankind, had dedicated a whole chapter to dispensing with Baur, precisely because he believed that his views on early Christian divisions wielded too great an influence over the study of Paul as it was then.222 Nevertheless, the fate of Goulder’s work and the lack of interest in the contributions of Morgan and Barrett, as well as the failure of most British theolo214 See J. Carleton Paget, “The Definition of the Term ‘Jewish Christian’/‘Jewish Christianity’ in the History of Research’ in idem, Jews, Christians and Jewish Christians (WUNT 251; Tübingen: Mohr Siebeck, 2010), 289–324. 215 Markus Bockmuehl, The Remembered Peter in Ancient Reception and Modern Debate (WUNT 262; Tübingen: Mohr Siebeck), esp. 63–8, and 94–95. 216 “With a few notable exceptions, many leading lights of 20th-century New Testament scholarship continued to adhere to several key presuppositions of the 19th-century Tübingen scheme of Christian origins” (Bockmuehl, Remembered, 62). 217 C. Marvin Pate, The Reverse of the Curse: Paul, Wisdom, and Law (Tübingen: Mohr Siebeck, 2000), 438–44. 218 Douglas Campbell, “Apostolic Competition at Corinth,” Journal of Beliefs and Values 23 (2002): 229–31. 219 Moule is one of the most recent scholars to critique Baur’s mode of tendency criticism. See Moule, “Some Observations on Tendenzkritik,” in Jesus and the Politics of His Day (eds. C. F. D. Moule and E. Bammel; Cambridge: CUP, 1984), 91–100. 220 Bockmuehl, Remembered, 63–8 and 94–6. 221 Remembered, 112. 222 See J. Munck, Paul and the Salvation of Mankind (London: SCM Press, 1977), esp. 76–77: “As regards method, this modern Pauline research suffers from having broken with Tübingen’s literary theory, but not with its historical theory.”
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gians to pay much attention to Klaus Scholder’s publication of a selection of Baur’s works, are, I would suggest, indicative of a general neglect of the Tübingen man in more recent British New Testament and theological study. This becomes apparent when we examine present study of ancient JewishChristian relations where, in spite of Baur’s concern with the question of the so-called ‘parting of the ways’, noted by Dunn, his contribution to the study is rarely discussed at any length. In some senses this is unsurprising. Baur’s presuppositions are very different from the ones that dominate this debate as it is presently conducted, particularly as these relate to Judaism and ideas of Jewish identity; and in such a context Baur is more likely to be discussed as an example of what should be avoided rather than anything else. So, for instance, Shawn Kelley has recently sought to expose the orientalising racism, as he sees it, of Baur’s view of Judaism, in which the latter stands for the particular, nationalist and sensuous (oriental), from which Paul attempts to rescue Christianity through his emphasis upon freedom and universalism, conceived as western characteristics. “Lurking behind Baur’s historical reconstruction is one of the central claims of orientalism: freedom can only be found in the west because orientals are spiritually and racially incapable of being free.”223 In this deconstructivist account of Baur, it is not so much Hegel that is the problem, though Kelley is clear that Hegel (along with Herder) is part of the problem, but a set of ‘racializing’ presuppositions. Some might think such an account somewhat anachronistic, for Baur’s views on the character and nature of Judaism could have emerged from a medley of influences including developing ideas of the nation state, aspects of social Darwinism, and antiCatholicism. Whatever the roots of Baur’s prejudices, they are plain to see, but should not be allowed, as with earlier polemical accounts of his work which dismissed him on the basis of his Hegelian presuppositions, to undermine its importance as a genuine contribution to the study of early Christian history and theology more generally.
223 S. Kelley, Racializing Jesus: Race, Ideology and the Formation of Modern Biblical Scholarship (London and New York: Routledge, 2002), 77, a view endorsed by C. Kidd, The Forging of Races: Race and Scripture in the Protestant Atlantic World, 1600–2000 (Cambridge: Cambridge University Press, 2006), 170. See also Dale Martin, “Paul and the Judaism/Hellenism Dichotomy: Toward a Social History of the Problem,” in Paul beyond the Judaism/Hellenism Divide (ed. T. Engberg-Pedersen; Louisville: Westminster John Knox, 2002), 32–5.
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5. Conclusion In the Westminster Review for January 1854, James Martineau noted that the Tübingen School was “a ferment slow to reach this country, but assuredly destined to affect the whole future course of ecclesiastical life”, glossing this observation with the assertion that “(I)t must be a blind enmity that can refuse admiration to the affluence of learning, the genius for combination, the historic fact, and the tranquil pursuit of reality, which Dr. Baur’s work displays.”224 Certainly Martineau was right to note the sluggish nature with which Baur’s views penetrated the British theological establishment and beyond, a fact which reflected the slow pace with which the assumptions of German critical theology began to influence British theology more generally. The optimism, from Martineau’s point of view, with which he looked forward to its effect upon wider ecclesiastical life was less well founded. Until the 1860s knowledge of Baur’s work in Britain is best described as specialist and particular, niche even, and, often, second hand. Certainly from the 1860s onwards we can speak of a greater engagement with his ideas, and a growing sense amongst conservatives and liberals alike that Tübingen’s hypotheses were those around which future theological contestation would circle. Lightfoot’s decision to begin his commentary series on the Pauline epistles with Galatians, and his extended discussion of “Paul and the Three” could be seen to indicate as much, as could the growing frequency with which Baur’s views began to be referred to in less specialist journals. Much clearer evidence of wider dissemination of his views came with the publication of Supernatural Religion in 1874, where the works of Baur and his followers were invoked in support of a late dating of many New Testament books. That William Ramsay could assert that as a young man studying in Aberdeen, he assumed the validity of Baur’s interpretation of Acts, is but one indication of Baur’s growing status, as is the fact that conservative critics writing about the early history of the church often gave over much space to the refutation of Baur. Translation of two of his works into English in the same decade both reflected, and contributed to, a wider dissemination of Baur’s understanding of Christian origins, not least because German was not widely known in Britain at this time. But the depth and breadth of such knowledge remains open to question with some books on higher criticism dependent upon second-hand information for their summaries of Tübingen’s arguments and opinions. Also to many Baur’s arguments appeared to have been refuted by Lightfoot, especially in his work on the Apostolic Father which began to appear from the 1880s onwards; and 224 “Contemporary Literature,” Westminster Review 61 no. 119 (January 1854), here 243,
244.
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this generated the beguiling narrative of a Baur vanquished by the saintly Bishop of Durham. Such a view, of the defeat of Baur, became still more attractive when the work of William Ramsay (and others) on the archaeology of Asia Minor seemed to give succour to the view of Luke as an accurate historian; and as British theologians began to note the general discredit into which Baur’s views had come in Germany, so the belief that Baur had had his day became overwhelming. While Sanday and others, writing in the 1880s onwards, could appreciate the stimulus which Baur had given to the study of Christian origins, they were clear that his time had come and gone, and their view, in spite of some clarion voices to the contrary, seemed to have carried the day. As theology’s concerns began to change, and, after the First World War, German theology’s reputation in Britain began to decline, Baur’s views seemed to be referred to less and less, or to be regarded as part of a scholarly past whose claims on the present were negligible, a point illustrated by the appearance of Christian beginnings in the early 1920s. True, the spectre of Baur still carried a threat of sorts, but it was rarely invoked. In a sense such an account is only half true. If we understand Baur’s influence in terms of the whole edifice of his reconstruction of Christian origins, then few continued to assent to what he had argued, as we indicated earlier. If, however, we assume that his influence can be measured less absolutely, in terms both of his thorough-going historical approach to the New Testament, and his resultant doubts about the authenticity of a number of New Testament books, his attribution of importance to conflict in the development of the church, and his sense of the difficulties involved in reading a work like John (and indeed all the Gospels) as historical, then his effect becomes much less easy to dismiss, for much of what he argued for had simply been ingested into the lifeblood of the study of Christian origins, even if carried forward by men whose work was read more widely; and it is a fact that many of those in Britain who hailed Baur as a great figure in New Testament studies, men like Pattison and Martineau himself and Tayler, rarely bought into the whole of his thesis, often preferring to praise Baur’s methods rather than his detailed conclusions. The sense of Baur as a hugely significant, even if flawed, character in the history of the study of the Bible, comes across well in a work like G. F. Howard’s The Romance of New Testament Scholarship, published in 1949. While Howard could declare that Baur’s views in their totality were dead, he was clear that his lasting contribution was assured.225 People could speak as 225 “The Tübingen School of Baur is dead in the academic world. Yet he was the real founder of the historical method in reconstructing the history of primitive Christianity from the evidence contained within the New Testament itself” (W. F. Howard, The Romance of New Testament Scholarship [London: Epworth, 1949], 42). For similar sentiments, see Headlam, History, 280–2, to which reference has already been made.
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much as they did (and still do) of Baur’s ghost because they sensed that the legacy of the man had never really disappeared. More recent study of Baur in Britain has reflected the complexities of an earlier period. While some scholars have continued to subscribe to an essentially negative tale of defeat and consequent irrelevance, led most famously by Stephen Neill, others have wanted to emphasise an ongoing legacy. This becomes clearest in the work of Michael Goulder, and to a less exaggerated extent, that of C. K. Barrett, both in their different ways prominent New Testament scholars of the last 50 years, in whose work we find a genuine attempt to defend Bauresque positions in the study of the New Testament. Others, in particular Robert Morgan, have questioned the veracity of a historiography which discards Baur to a scrap heap created by Bishop Lightfoot. Morgan, almost alone, has sought to widen the importance of Baur by portraying him as a genuine theologian taken up with complex Christological issues such as the relationship of the Jesus of history and the Christ of faith, whose real challenge, especially in the later nineteenth and early twentieth centuries, was often overlooked by an English theological establishment who saw historical study as the legitimate handmaiden of incarnational faith. Morgan’s implicit call for a closer theological reading of Baur’s work has gone largely unheeded in Britain, a point partially illustrated by the failure of many professionals even to register the publication of Klaus Scholder’s edition of some of Baur’s work,226 restricting their interest in him to the two works which have been translated into English.227 But Morgan’s contribution to the British study of Baur228 is a reminder of the multifarious character of this most capacious of scholar’s importance for the wider discipline of Christian theology, and the need to reengage with it at a time when the assumptions of historical theology have come under close scrutiny. It stands in an interesting tension with more 226 For a reaction from the United States see Peter C. Hodgson, “The Rediscovery of Fer-
dinand Christian Baur: A Review of the First Two Volumes of his Ausgewählte Werke,” Church History 33 (1964): 206–14. Hodgson’s own monograph on Baur (see n. 196 above), the first major work on Baur in English since Mackay’s of over one hundred years earlier, elicited a detailed review in the American Journal of Religion (K. Penzel, JR 48 [1968]: 310– 23, comparing Hodgson’s more positive view of Baur as a Christian theologian with the more negative assessment of W. Geiger, Spekulation und Kritik: die Geschichtstheologie Ferdinand Christian Baurs [Munich: C. Kaiser, 1964]), but little real interest in Britain. 227 The welter of translations of German theological texts in the 1970s moving forward, especially in the Library of Theological Translations series, did not include one of Baur’s works. 228 The fact that a chapter on Baur was included in the third volume of Nineteenth Century Religious Thought in the West, published in 1985, is clear recognition of his importance in the history of western theology (the only other historical theologian to be included in the volume was Strauss).
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recent attempts (mainly evidenced in the US rather than Britain) to expose Baur as a crypto-racist whose works betray supposedly typical nineteenthcentury ‘orientalising’ tendencies. In this assertion history may be seen to be repeating itself in that such a view of Baur witnesses to an attempt to dismiss his work on the grounds of its ‘apriorism’, albeit of a non-Hegelian kind.
Die Aehnlichkeit der beiden Meister1 Ferdinand Christian Baur und Adolf von Harnack
DANIEL GEESE 1. Einleitung Das 19. Jahrhundert kann wohl auch als das Jahrhundert der Geschichte bezeichnet werden.2 „Geschichte“ war im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem Begriff geworden, der die klassischen Dimensionen der Geschichtsschreibung umfasste: Die Bezeichnung eines Ereignisses (res gestae) und die Bezeichnung der Kunde von einem Ereignis (historia rerum gestarum) wurden miteinander verbunden. Dazu wurde auch die deutende Dimension, die Geschichte im Sinne einer Erzählung, die immer in einem bestimmten Kontext geschieht, unter den entstandenen Kollektivsingular gefasst. Geschichte hatte sich als eigenständige Wissenschaft etabliert.3 Ja, sie wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zu der Wissenschaft, die alle anderen Wissenschaften bestimmte. Der Ausgang aus einer an Tradition oder metaphysische Begründung gebundenen Darstellung der Vergangenheit, wie sie die Geschichtsschreibung bis zum Ausgang der Aufklärung bestimmte, befreite die Darstellung der Geschichte zu einer Wissenschaft, da sie ihre eigenen Grundlagen zum Gegenstand hatte, zur Diskussion ihrer Objektivität. Der Historismus darf dabei keineswegs als einheitliche Bewegung verstanden werden. Leopold v. Ranke wünschte, sein „[…] Selbst gleichsam auszulöschen, und nur die Dinge reden, die mächtigen Kräfte erscheinen zu lassen […]“4. Wenn auch aufeinander 1 E. TROELTSCH, Adolf v. Harnack und Ferd. Christ. v. Baur, in: Festgabe von Fachgenossen und Freunden A. von Harnack zum siebzigsten Geburtstag dargebracht, Tübingen 1921, 282–291, 283. 2 Vgl. J. MEHLHAUSEN, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie. VII/2. 19.–20. Jahrhundert“, TRE 12, 643–658, 643. 3 Vgl. R. KOSELLECK, Historia Magistra Vitae. Über die Auflösung des Topos im Horizont neuzeitlich bewegter Geschichte, in: DERS., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt am Main 2010, 38–66, 50f. 4 L. VON RANKE, Englische Geschichte, vornehmlich im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert, Bd. 2, Berlin 1860, 1*.
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bezogen, so versucht Ranke doch, res gestae und historia rerum gestarum so voneinander zu unterscheiden, dass sich aus der „[s]trenge[n] Darstellung der Thatsache“5 die Möglichkeit ergibt, aus der Geschichte für die Gegenwart lernen zu können.6 Johann Gustav Droysen stellt in seiner „Historik“ dar, dass schlechterdings ein solch „,objectiver‘ Inhalt der Geschichte“7 nicht darstellbar ist. Jede Darstellung der Geschichte bedeutet gleichzeitig ihre Deutung. Droysen stellt fest, dass „in den menschlichen Dingen ein Zusammenhang, eine Wahrheit, eine Macht“8 ist, die der vollständigen Erkenntnis jedoch entzogen bleibt.9 Gerade die Kirchengeschichtsschreibung konnte sich diesen Diskussionen nicht entziehen. Seit den kirchengeschichtlichen Darstellungen der Aufklärung, besonders der Neologie, allen voran Johann Salomo Semlers Schrift „Von freier Untersuchung des Kanons“10, war die Frage nach der geschichtlichen Bedingtheit auch der biblischen Schriften gestellt. Kirchengeschichtliche Darstellungen wurden mit einer Einleitung begonnen, die methodische und inhaltliche Entscheidungen der Autoren darlegte. Die apologetische Auseinandersetzung mit konkurrierenden Deutungen der Geschichte im Allgemeinen und der Dogmengeschichte im Besonderen ist ein integrativer Teil kirchengeschichtlicher Darstellungen, die Darstellung der eigenen Position ge5 L. VON RANKE, Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1514, Leipzig 31885, VII. 6 Vgl. K. REPGEN, Über Rankes Diktum von 1824: „Bloss sagen, wie es eigentlich gewesen“, in: Historisches Jahrbuch 102.2 (1982), 439–449, 443, Anm. 20. Mit seinem berühmten Zitat, seine Darstellung der Geschichte wolle „blos zeigen, wie es eigentlich gewesen ist“ (so der verbreitete Wortlaut in der Fassung von 1885), nimmt Ranke eine Unterscheidung zwischen der Darstellung der Geschehnisse und deren Ausschmückung von Thukydides auf. 7 J.G. DROYSEN, Grundriss der Historik, 3., umgearb. Aufl., Leipzig 1882, 5. 8 DROYSEN, Grundriss der Historik (s. Anm. 7), 5. 9 „Ein gewisses natürliches Gefühl und die unzweifelhafte Uebereinstimmung aller Zeiten sagt uns, dass dem nicht so sei, dass in den menschlichen Dingen ein Zusammenhang, eine Wahrheit, eine Macht sei, die, je grösser und geheimnissvoller sie ist, desto mehr den Geist herausfordert, sie, kennen zu lernen und zu ergründen.“ DROYSEN, Grundriss der Historik (s. Anm. 7), 5. 10 Besonders aufschlussreich sind die 18 Sätze zur Einleitung. Semler begründet die Frage nach der Geschichtlichkeit mit dem Verweis auf die Unterscheidung zwischen Inhalt und Form der Schriften: „[…] was keine christlichen Lehrsätze an sich, ihrem Gehalt nach, ihrem wirklichen ächten Erkentnisgrunde nach, sind: die kan ich auch nicht dafür halten.“ J.S. SEMLER, Abhandlung von freier Untersuchung des Canon. Zwei Teile, Halle 1771 und 1772, Einleitung zum 1. Teil, o.S. Semler bezieht sich dabei ausdrücklich auf die von Luther betonte reformatorische Unterscheidung zwischen Schrift und Wort Gottes. Dabei nimmt Semler die für die Aufklärungstheologie bezeichnende Betonung der Notwendigkeit individueller vernünftiger Aneignung auf: „Es bleibet also allen denkenden Lesern frey, hierüber selbst nach eigner Einsicht, zu urtheilen, und ihrer Erkentnis zu folgen.“, aaO., 8. Satz, Vorrede zum 2. Teil, o.S.
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schieht oftmals in Abgrenzung zu konkurrierenden Positionen durch gegenseitige Darstellung. Zwischen der Darstellung der Dogmengeschichte in der Tradition der Hegelschen Dialektik, wie sie geradezu idealtypisch Ferdinand Christian Baur vertritt, und der historistischen Dogmengeschichte, als deren Hauptvertreter Adolf von Harnack bezeichnet werden kann, sind grundsätzliche Unterschiede festzustellen. Hauptsächlich bestehen sie in der unter dem Einfluss Albrecht Ritschls entstandenen entschiedenen Ablehnung eines dialektischen Geschichtsverständnisses und jeder metaphysischen Spekulation durch Adolf von Harnack. Dazu wird dem Versuch der Wesensbestimmung die willkürliche Verobjektivierung der dem Historiker eigenen historischen Perspektive vorgeworfen. Die hier vorgenommene exemplarische Darstellung beider dogmengeschichtlicher Konzepte anhand dogmengeschichtlicher Hauptwerke beider Autoren, also Ferdinand Christian Baurs „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ und Adolf von Harnacks „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ bzw. „Das Wesen des Christentums“, weist auf strukturelle Gemeinsamkeiten hin.
2. Ferdinand Christian Baur Ferdinand Christian Baur gibt, bezeichnend für seine konsequent historische Methode, Auskunft über seine Absicht und Methode in der Auseinandersetzung mit vorhergehenden Darstellungen der Dogmengeschichte. Für Baur ist die konsequente Geschichtlichkeit aller dogmengeschichtlicher Darstellung grundlegend. Sein „Standpunkt ist mit einem Worte der rein geschichtliche, auf welchem es einzig darum zu tun ist, das geschichtlich gegebene, soweit es überhaupt möglich ist, in seiner reinen Objectivität aufzufassen.“11 Allerdings bleibt Baur dabei deutlich konfessionell und dogmatisch gebunden. Konsequente Geschichtlichkeit bedeutet gerade nicht die Aufgabe von Perspektivität.12 Für Baur steht die Dogmengeschichte in engster Verbundenheit mit der Dogmatik. Diese begrenzt, wie andererseits die neutestamentliche Wissenschaft, den von der Dogmengeschichte zu behandelnden Bereich der geschichtlichen Entwicklung der christlichen Lehre. Die Darstellung innerer Zusammenhänge der Entwicklung des Dogmas ist die Aufgabe der Dogmengeschichte.13 Da dieser Zusammenhang immer nur in seiner geschichtlichen 11 F.C. BAUR, Kirchengeschichte der ersten drei Jahrhunderte, Tübingen 31863, VIf. 12 Das zeigt auch U. KÖPF, Ferdinand Christian Baur als Begründer einer konsequent his-
torischen Theologie, ZThK 89 (1992), 440–461. 13 F.C. BAUR, Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte, Leipzig 31867, 2f.
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Ausprägung dargestellt und erkannt werden kann, ist es, nach Baurs Überzeugung, nicht verwunderlich, dass die Dogmengeschichtsschreibung in der Reformationszeit bis in das 17. Jahrhundert überkonfessionell von apologetischen Bestrebungen in der Darstellung der Geschichte geprägt war.14 Der Verlust apologetischer Absichten brachte im 18. Jahrhundert den Verlust am Interesse eines Gesamtzusammenhanges der Dogmengeschichte mit sich. Das „psychologische Interesse“15 lag, so Baur, auf dem Inhalt der Geschichte, die sich als ein „Aggregat der zufälligsten Meinungen“16 darstellte, die als Resultat des Interesses der Autoren der Darstellungen zusammengestellt wurden. Der innere Entwicklungsgang17 So war es einerseits möglich, dass Dogmengeschichte in ihrem jeweiligen historischen Kontext verstanden werden konnte. Das brachte jedoch andererseits auch mit sich, dass sich Geschichte, auch Dogmengeschichte, in Darstellung von mehr oder weniger unverbundenen Einzelheiten auflöste und so zu einem „geist- und leblosen Aggregat“ wurde.18 Dem gegenüber versteht Baur die Dogmengeschichte als einen Prozess der Entwicklung. Das Dogma bestimmt er als „Lehren oder Lehrsätze, in welchen der absolute Inhalt der christlichen Wahrheit in einer bestimmten Form ausgesprochen wird“.19 Nur in diesen bestimmten Formen ist der absolute Inhalt des Dogmas verfügbar. Zu verschiedenen Zeitpunkten in der Geschichte expliziert das Dogma seinen Inhalt, indem es geschichtliche Formen annimmt. Diese Formen sind von dem jeweiligen historischen Kontext bestimmt. Darin sieht Baur einerseits einen Grund dafür, welche Dogmen zu welcher Zeit im Mittelpunkt der Diskussion standen, sowie auch eine Begründung für die Form, in welcher die Dogmen ausformuliert wurden. Ferdinand Christian Baur nimmt in seiner Dogmengeschichtsschreibung den Gedanken der Entwicklung auf. Das Konzept der Entwicklung des Dogmas ist in der protestantischen Dogmengeschichtsschreibung zusammen mit der Anerkennung der Geschichtlichkeit der Form theologischer Aussagen aufgenommen worden. Geschichtliche Entwicklung bedeutet Veränderung. Der erste Schritt in der Aufnahme des Prinzips war die Anerkennung von Veränderung der Form des Dogmas. Dies ist in der Neologie zuerst geschehen: Die Schriften des Kanons wurden als geschichtlich bedingte Schriften verstanden, deren Inhalt sich für die Christen immer wieder 14 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 31. 15 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 37. 16 Ebd. 17 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), v. 18 So Baur über die Darstellung der Dogmengeschichte von C.W.F. Walch. Vgl. BAUR,
Lehrbuch (s. Anm. 13), 39. 19 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 9.
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neu bewahrheiten muss. Die Unterscheidung, welche Inhalte geschichtlich bedingt sind und welche „bey ihm wirklich einen göttlichen gemeinnützigen Inhalt“20 haben, trifft der Leser biblischer Schriften. Zur Anerkennung der Veränderung christlicher Lehren – wohlgemerkt, ihrer Gestalt, nicht ihres Inhaltes – trat die Frage nach dem Zusammenhang der unterschiedlichen Gestalten der Lehren. Das Ergebnis der Darstellung dieses Zusammenhanges wurde als Entwicklung bezeichnet.21 Die Entwicklung des Dogmas geschieht nach Kliefoth als Prozess der wissenschaftlichen Reflexion des christlichen Erkenntnisinhaltes. Dabei ist der Prozess eher kumulativ zu verstehen, als dass spätere Entwicklungen frühere Reflexionsergebnisse ersetzen würden.22 Im Unterschied zu Kliefoth jedoch bestimmt Baur nicht eine Vielzahl von Dogmen, die in ihrer Entstehung und Entwicklung in unterschiedlichen Abschnitten der Dogmengeschichte Bedeutung gewonnen haben. Es sind immer auch die Verhältnisse der Dogmen zueinander zu bedenken, die Einheit des Dogmas.23 Anders als etwa für Semler, Walch und andere Neologen war für Baur die Einheit des Dogmas eine zentrale Einsicht. Diese Einheit liegt in dem Vorhandensein von einem „Allgemeinen“24 begründet, das als kontinuierlicher und unveränderlicher, „sich stets gleich bleibende[r] substantielle[r] Inhalt“ des Dogmas Kontinuität garantiert. Dieser Inhalt ist durch den „Wechsel geschichtlicher Formen“25 hindurch mit Hilfe der historischen Methode herauszuarbeiten. Dieses Prinzip der Einheit und Kontinuität des Dogmas durch seine geschichtlich wechselnden Formen hindurch ist in der im geschichtlichen Prozess sich vollziehenden Abgrenzung von Lehre und Häresie zu erkennen. Die Geschichte des Dogmas ist darzustellen als eine Geschichte der Auseinander20 SEMLER, Abhandlung (s. Anm. 10), 18. Satz. 21 „Man hat geschichtlich erkannt, daß in der Fassung und Gestaltung der christlichen
Wahrheit als Lehre zeitliche und räumliche Veränderungen vorgegangen seien. Man ist aber auch darüber hinausgegangen, diese verschiedenen Lehren als eine ordnungslose, wirre Vielheit zu fassen. Es ist vielmehr bekannt und anerkannt, daß wie in dem Werden der Wissenschaft überhaupt, so auch in der Geschichte des Dogmas eine Entwicklung statt gehabt hat, welche ihre Gesetze hatte.“ T. KLIEFOTH, Einleitung in die Dogmengeschichte, Parchim und Ludwigslust 1839, 6. 22 „Die Entwickelung des Dogma wird mithin darin bestehen, daß eine Seite der christlichen Wahrheit nach der andern in das wissenschaftliche Bewußtsein tritt und von demselben dogmatische Gestaltung empfängt; und der in derselben vorgehende Fortschritt liegt nicht sowohl darin, daß der ursprüngliche Inhalt der christlichen Wahrheit verändert und verbessert wird, als vielmehr darin, daß derselbe nach und nach in organischer Folge wissenschaftliche Fassung erhält.“ KLIEFOTH, Einleitung in die Dogmengeschichte (s. Anm. 21), 58. 23 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 7. 24 „Es muß ein Allgemeines geben, dessen mit sich selbst identische Einheit das substantielle Prinzip aller Gestaltung des Dogmas ist.“ BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 56. 25 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 59.
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setzung von These und Antithese sowie von der diese übersteigenden Synthese, welche den Fortschritt im Prozess der Dogmenentwicklung darstellt und jeweils ein weiteres Moment der Verwirklichung der „sich explicirende[n] Idee Gottes“26 darstellt. Konsequent muss die Geschichte der christlichen Lehre als Geschichte der Auseinandersetzung und Versöhnung der Gegensätze dargestellt werden. Baur setzt dieses Prinzip in seiner „Dogmengeschichte“ von 1847 um. Beispielsweise sind, so Baur, fast alle christlichen Glaubensartikel als Antithesen gegen gnostische Systeme und Lehren entstanden, da die Auseinandersetzung mit diesen philosophischen Systemen die erste derartige war und das sich geschichtlich entwickelnde Christentum zur Ausbildung von eigenen Lehrsystemen brachte.27 Dieses Prinzip wird durch die Geschichte der christlichen Lehre hindurch dargestellt. Vier Epochen, die jeweils Stufen der Entwicklung des Dogmas darstellen28, sind auch als Momente der Subjektivierung bzw. Objektivierung des Dogmas als Lehre der Kirche zu erkennen.29 Innerhalb der Epochen ist das Prinzip der Entwicklung des Dogmas an der sich chronologisch verändernden Gestalt des Dogmas zu erkennen: Erst in der möglichst umfassenden Betrachtung der geschichtlichen Explikationen des Wesens des Dogmas ist der innere Grund dieser voranschreitenden Entwicklung nachzuweisen. Das schließt Irrlehren und dem Wesen des Dogmas widersprechende Bestimmungen des Dogmas notwendig mit ein.30
3. Adolf von Harnack Mit der Diskussion um Adolf von Harnacks „Wesen des Christentums“, in welchem er seinen umfangreichen Entwurf der Dogmengeschichte allgemein verständlich und verkürzt zusammenfasst, findet die Epoche des Historismus in der protestantischen Theologie einen Höhepunkt. In der Diskussion werden Themen wie die Frage nach der Möglichkeit eines absoluten „Wesens“ behandelt31 oder auch die nach der Gültigkeit und Geschichte des Dogmas im 26 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 69. 27 „Wie die Gnosis überhaupt zuerst das christliche Dogma zum Gegenstande des den-
kenden Bewusstseins machte, so wirkte sie auch auf eine höchst anregende Weise zur Entstehung eines Systems der christlichen Theologie mit.“ BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 73. 28 BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 10. 29 Vgl. BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 12. 30 Vgl. BAUR, Lehrbuch (s. Anm. 13), 57. 31 Ernst Troeltsch setzt sich mit der Diskussion für die Epoche abschließend auseinander mit der Frage der Geschichtlichkeit des Wesens: E. TROELTSCH, Was heisst „Wesen des Christentums“?, in: DERS., Gesammelte Schriften, Bd. 2: Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik, Aalen 21922, 386–451.
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Christentum allgemein32. Seine streng historische Methode hat in der Dogmengeschichte zu Ergebnissen geführt, die bis heute aktuell diskutiert werden.33 Im „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ entwickelte Harnack die These, dass christliche Lehre und hellenistische Kultur eine Verbindung eingegangen sind, welche sich durch wissenschaftlich-historische Forschung zeigen lässt. Durch die Interpretation der christlichen Lehren im hellenistischen Kulturraum fand jegliche christliche Lehre in Form und Struktur der griechischen Kultur ihren sprachlichen Ausdruck. Einen Gedanken der Dogmengeschichtsschreibung von Petavius aus dem 17. Jahrhundert aufnehmend, bezeichnet er mit ihm diesen Vorgang als „Hellenisierung“.34 Geschichte ist Entwicklungsgeschichte Adolf von Harnack hat über seine Absichten und Methoden immer wieder deutlich selbst Auskunft gegeben. Geschichte als Wissenschaft mit streng nachvollziehbaren Methoden und Ergebnissen und als Prinzip, die Entwicklung der Menschheit durch die Zeit zu beschreiben und zu verstehen, ist ihm zur Methode geworden, welche alle seine Tätigkeiten und Bemühungen umgreift.35 Kein Teil der Geschichte darf aus der wissenschaftlichen Betrachtung ausgenommen bleiben, auch und gerade die Religion nicht. Er schreibt: „Mit der richtigen Bedeutung der Geschichte wurde ihr auch die Religion zurückgegeben: sie ist kein fertiges Gebilde, sondern sie ist geworden, geworden innerhalb der Geschichte der Menschheit.“36 Über sein Feld, die Kirchengeschichte, schreibt Harnack dann auch in Bestimmung ihres Ortes innerhalb der Universalgeschichte, sie sei weder methodisch von ihr zu trennen noch den wesentlichen Inhalten nach. Die wichtige Unterscheidung liege allein in der Absicht, das „Wesen der christlichen
32 So etwa in der Reaktion Alfred Loisys, der in seiner Replik „Evangelium und Kirche“ eher die Diskussion zum Ausgangspunkt nahm, um eine Diskussion in der römischkatholischen Theologie weiterzuführen. 33 Sein „Lehrbuch der Dogmengeschichte“ wird als „ersetzt, jedoch nie überboten“ bezeichnet. Vgl. J. PELIKAN, Historical Theology. Continuity and Change in Christian Doctrine, London 1971, 359. 34 K. BEYSCHLAG, Grundriß der Dogmengeschichte. Gott und Welt, Bd. 1, Darmstadt 2 1987, 32. 35 Vgl. hierzu die Sammlung in Kap. VII bei K. Nowak (Hg.), Adolf von Harnack als Zeitgenosse. Reden und Schriften aus den Jahren des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, Bd. 1, Göttingen 1996. 36 A. VON HARNACK, Das Christentum und die Geschichte, in: Nowak (Hg.), Adolf von Harnack als Zeitgenosse (s. Anm. 35), 880–900, 884.
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Religion aufzuhellen.“37 Geschichtliche Phänomene verändern ihre Gestalt im Laufe der Geschichte. Ihnen bleibt allerdings ein ihnen innewohnender Wert, eine Eigenschaft oder ein Wesen, welches nicht untersucht, jedoch gewissermaßen als „Leitidee“ und unhintergehbarer Kern bezeichnet werden kann. Dieser macht es möglich, das Phänomen, etwa eine Religion oder Institution, als immer dasselbe zu verschiedenen Zeitpunkten zu identifizieren. Aufgabe des Historikers ist es nach Harnack auch, diesen Kern herauszustellen und ihn gegen seine immer verschiedenen Erscheinungsformen hervorzuheben und zu vergleichen.38 So ist ihm auch bei der Untersuchung des wesentlichen, unverändert bleibenden Inhalts des Christentums die historische Untersuchung mit wissenschaftlichen Mitteln die Methode, welche zu dem von Harnack vorausgesetzten Ziel führt. Verschiedene Phänomene scheinen Harnack besonders geeignet, Veränderungen und Entwicklungen im Laufe der Zeit zu untersuchen. Zu diesen Phänomenen gehören exemplarisch große Tatsachen, Denkmäler und Institutionen, welche als gegebene Fakten zu untersuchen sind.39 Der Historiker Harnack wendet sich entschieden dagegen, in der Geschichte nach persönlichen Motivationen suchen zu wollen.40 Es lassen sich gewiss Faktoren ausmachen, welche als zu untersuchende Themen in der historischen Entwicklung oder Situation zu betrachten sind, etwa geographisch-klimatische Einflüsse, kulturell-moralische Einflüsse oder auch prägende Persönlichkeiten.41 Das doppelte Evangelium und das Werk des griechischen Geistes Aus dem oben Gesagten sind nun die Konsequenzen bezüglich der Geschichte des Christentums und damit des Dogmas zu ziehen. Durch die Geschichte 37 A. VON HARNACK, Über das Verhältnis der Kirchengeschichte zur Universalgeschichte, in: Nowak (Hg.), Adolf von Harnack als Zeitgenosse (s. Anm. 35), Kap.VII, 901–923, hier 920. Vgl. auch: „Die Kirchengeschichte ist mit allen großen Zweigen der Universalgeschichte aufs innigste verbunden und verflochten: das habe ich nachzuweisen versucht. Wenn man das anerkennt und danach das Studium der Kirchengeschichte einrichtet, so kann die Gefahr entstehen, ihr Eigentümliches aus den Augen zu verlieren oder zu unterschätzen. Das muß der Leitstern unserer Forschung bleiben […]“, aaO., 920. 38 Vgl. hierzu die Betrachtungen zur Theorie der Geschichte in genannten Aufsätzen und dabei den Begriff der „Idee“ in A. VON HARNACK, Über die Sicherheit und Grenzen geschichtlicher Erkenntnis, in: Nowak (Hg.), Adolf von Harnack als Zeitgenosse (s. Anm. 35), Kap. VII, 927–948, hier 940–942. Und: A. VON HARNACK, Erkenntnis zur Deutung des Weltgeschehens, aaO., 948–972, 963–964. 39 VON HARNACK, Sicherheit und Grenzen (s. Anm. 38), 939f. 40 „[…] wer Herzenskündiger sein will, kommt hier nicht auf seine Rechnung.“ VON HARNACK, Sicherheit und Grenzen (s. Anm. 38), 938. 41 Vgl. VON HARNACK, Sicherheit und Grenzen (s. Anm. 38), 935.
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wird das Dogma in der geschichtlichen Institution der römischen Kirche getragen. Sie verwirklicht in geschichtlicher Form ihrer Lehre die Idee der Lehre Jesu Christi, wie sie in den Evangelien durch die Übertragung seiner eigenen Worte ihren ersten schriftlichen Ausdruck findet. Schon die Lehre von Jesus Christus als Sohn Gottes, der Inkarnation Gottes und seiner Offenbarung in der Welt ist eine sekundäre, von Menschen in ihrer Interpretation der Lehren und Ereignisse geschaffene.42 Im kulturellen und vor allem geistigphilosophischen Kontext des Hellenismus und des mit ihm verbundenen politischen Systems des Römischen Reiches war das vorhandene Rechtsinstrument des Dogmas das geeignete Instrument, den Inhalt des Evangeliums zusammenzufassen und zu tradieren. Diese Form, in welcher gesetzliche und religiöse Normen gefasst und tradiert wurden, war dem Inhalt der „christlichen Idee“ in Wichtigkeit und normierender Stellung in einer entstehenden Institution angemessen. Das Dogma wurde jedoch mit dem Ende des 8. Jahrhunderts (7. ökum. Konzil 787) nicht mehr weiterentwickelt, diese Form der Bewahrung entsprach nicht mehr der lebendigen Erinnerung. Zwar wird es als Medium in Teilen des Christentums weiter verwendet, etwa in der römisch-katholischen Kirche, jedoch wird damit eine antike Form der Interpretation der Idee des Christentums unverändert erhalten.43 Damit ergeben sich aber folgende Fragen: In welchem Verhältnis stehen Inhalt und Form des Dogmas zueinander? Sind Idee und Institution so voneinander zu unterscheiden, dass sich die oben aufgestellten Thesen aufrechterhalten lassen? Hat sich, nachdem das Dogma abgelöst war, etwa in der protestantischen Kirche eine andere Möglichkeit entwickelt, diese Idee zu tradieren? Wo ist sie wiederzuerkennen? Schon für das Neue Testament als schriftliches Zeugnis der ersten Christenheit macht Harnack deutlich, dass darin ein „doppeltes Evangelium“44 zu finden ist. Die Botschaft Jesu selbst ist in seinen Worten erhalten, sie kündet vom angebrochenen Reich Gottes auf Erden und von seinem, Gottes, des Vaters, Kommen. Diese Botschaft ist in ihrer Form in Sprache und Ausdruck des Alten Testamentes gekleidet. Das ist schon daraus zu erklären, dass Jesus sich in diesem Kulturraum bewegte und in seinen Formen dachte. Auch der Gott, dessen Kommen Jesus verkündete, war seiner Umwelt aus den Schriften der 42 A. VON HARNACK, Das doppelte Evangelium im Neuen Testament, in: Nowak (Hg.), Adolf von Harnack als Zeitgenosse (s. Anm. 35), 177–190, 177–190, bes. 182–184. 43 „Sie [die römisch-katholische Kirche] hat aber ferner neue Dogmen nach dem Schema der alten entwickelt; die tridentinischen Bestimmungen und das vaticanische Decret sind formal den alten Dogmen analog.“ A. VON HARNACK, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 1: Die Entstehung des kirchlichen Dogmas, Tübingen 51931, 21f. 44 VON HARNACK, Das doppelte Evangelium (s. Anm. 42), bes. 215.
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jüdischen Religion vertraut. Auch der Inhalt der Botschaft ist keine Neuerung gegenüber dem AT, soweit es sich um die Kunde von Gott handelt. Neu gegenüber dem Alten Testament ist allerdings die Form gewesen, in welcher Jesus selbst mit seinem Verhalten auf die Botschaft reagierte. Neu waren die Verbindung der Gottesliebe mit dem Gebot der Nächstenliebe und das konsequente Handeln nach dieser Maxime durch Jesus.45 Sein eigenes Leben war, nach Harnack, ein Leben im Bewusstsein, dass sich die Verheißung Gottes auf sein Kommen in der Welt erfüllt hätte. Und diese Erfüllung ist in den Menschen, die Jesus in Glauben und Verhalten nachfolgen, verwirklicht. Zentral für die Lehre Jesu ist deshalb seine Ethik. Das zweite Evangelium, und hiermit treten wir schon in die geschichtliche Entwicklung ein, ist die Botschaft über Jesus, welche in den ältesten schriftlichen Zeugnissen von Paulus überliefert ist und wie sie im Urchristentum und im apostolischen Zeitalter in eine spezielle Form gebracht wurde. Bezüglich des Verhältnisses von Inhalt und Form des Dogmas entwickelt Adolf von Harnack die These von der „Hellenisierung“ des Christentums im Allgemeinen und dem Ausdruck dieses Prozesses in der Herausbildung des christlichen Dogmas im Speziellen. Mit Hellenisierung meint er zunächst den Ausdruck des Evangeliums durch „[…] die begrifflichen Mittel, durch welche man sich in der antiken Zeit das Evangelium verständlich zu machen versucht hat […]“.46 Das Wesen des Wesens: immer Gültiges in geschichtlich wechselnden Formen „[A]bsolute Urteile vermögen wir in der Geschichte nicht zu fällen. […] Die Geschichte kann nur zeigen, wie es gewesen ist, und auch, wo wir das Geschehen durchleuchten, zusammenfassen und beurteilen, dürfen wir uns nicht anmassen, absolute Werturteile als Ergebnisse einer rein geschichtlichen Betrachtung abstrahieren zu können.“47
So relativiert Harnack zum Ende der ersten seiner 16 Vorlesungen alle weiteren Aussagen, die doch so absoluten Charakter gewinnen gerade durch die Art
45 VON HARNACK, Lehrbuch (s. Anm. 43), 81. 46 VON HARNACK, Lehrbuch (s. Anm. 43), 20. Im Original gesperrt, und auch 50. „Es
giebt wohl keine einzige NTliche Schrift, die nicht den Einfluß der Denkweise und der allgemeinen Culturverhältnisse verriethe, welche eine Folge der Hellenisierung des Orients gewesen sind; schon der Gebrauch der griechischen Übersetzung des A.T.’s bezeugt diese Tatsache. Ja man darf noch mehr sagen: das Evangelium selbst ist geschichtlich unverständlich, solange man ihm die Folie eines exclusiven, noch von keinem fremden Geiste betroffenen Judenthums giebt.“ AaO., 55. 47 A. VON HARNACK, Das Wesen des Christentums, hg. von T. Rendtorff, Gütersloh 1999, 64.
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und Weise, in welcher er sie gewinnt.48 Es geht Harnack darum, aus dem einen geschichtlichen Phänomen „Christentum“ einen nur diesem wesentlich eigenen Charakter zu gewinnen. Somit ließe sich wiederum auf den eigentümlichen Kern des Phänomens schließen. Harnack sieht die Möglichkeit, selbst aus dem schriftlichen Zeugnis des Evangeliums noch die wesentliche Idee unabhängig von der Schriftform gewinnen zu können. Diese „Idee“ kann, wie auch schon gezeigt, nicht rein in dem geschichtlichen Phänomen gefunden werden, sondern immer nur in den Ergebnissen seiner Entwicklung, die sich in der Geschichte finden lassen. Nun wird es, so Harnack weiter, durch fortlaufende Gegenüberstellungen der Idee – oder, wie er sie im „Wesen des Christentums“ nennt, der Botschaft des Evangeliums – und ihrer geschichtlichen Ausprägungen zu gegenseitiger Korrektur in der Darstellung kommen.49 Dabei sind jedoch gewisse Voraussetzungen zu treffen. Natürlich liegen die Ergebnisse der Entwicklung des Christentums in Form von Quellenmaterial dem Historiker vor. Womit allerdings werden diese Ergebnisse verglichen? So muss nun also das Wesentliche des Christentums herausgearbeitet werden. Dieses tut Harnack anhand geschichtlicher Untersuchungen zu den kulturellen und religionsgeschichtlichen Verhältnissen zur Lebenszeit Jesu und seiner Jünger. Kriterien zur Auswahl der Kernpunkte nennt er weiterhin nicht, er setzt einen dreifach beschriebenen „Kern“ fest: I Das Reich Gottes und sein Kommen. II Gott der Vater und der unendliche Wert der Menschenseele. III Die bessere Gerechtigkeit und das Gebot der Liebe.50 Hier wird allein Harnacks eigene Auswahl maßgebend dafür, welche Inhalte er für zentral in der Predigt Jesu hält: „[…] er verkündete den lebendigen Gott und den Adel der Seele.“51 Diese drei Kreise machen den Inhalt der Predigt Jesu aus. Sie enthalten eben eine sehr einfache Botschaft, welche sich dem Hörer vor allem in ihren ethischen Konsequenzen verständlich macht. Dementsprechend versucht Harnack nun in den Vorlesungen, das oben aufgestellte 48 Auch die Methode, mit welcher er besonders im „Wesen des Christentums“ vorgehen möchte und welche dazu führt, ein „Wesentliches“ jenseits aller Einzelzeugnisse und immer gleichbleibend herauszuarbeiten, soll so relativiert werden. 49 „Das Gemeinsame in allen diesen Erscheinungen, kontrolliert an dem Evangelium, und wiederum die Grundzüge des Evangeliums, kontrolliert an der Geschichte, werden uns, so dürfen wir hoffen, dem Kerne der Sache nahe bringen.“ VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 62. Ähnlich sieht auch Osthövener den methodischen Ansatz Harnacks. Vgl. im Nachwort zu DERS., Das Wesen des Christentums, hg. von C.-D. Osthövener, Tübingen 2005, 277f. 50 VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 87. 51 Ebd.
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Programm durchzuführen und stellt zunächst Beziehungen der drei Kreise, die im nachfolgenden Werk als „Evangelium“ zusammengefasst werden, zu Bereichen des Lebens, der Ethik, des menschlichen Verhaltens her: Askese, soziale Frage, irdische Ordnungen, Kultur. Danach geht Harnack auch auf Beziehungen des Evangeliums zu Themen ein, die dessen Verständnis direkt beeinflussen: Christologie und Bekenntnis.52 Er versucht, jeweils die Bereiche mit dem festgesetzten Evangelium in Beziehung zu setzen und somit diesen Kern zu festigen, ehe er dann diesen Kern des Evangeliums in seiner Wandlung in der Geschichte betrachtet. Hierbei wird nun weiter deutlich, dass das Unwandelbare, immer Gültige, in seinen geschichtlich wechselnden Formen auch immer wiedergefunden werden muss. Dazu hilft Harnack das aufgestellte und immer wiederholte Programm, etwa, wenn es um die Betrachtung der griechischen Kirche geht.53 Die umgekehrte Frage, etwa, in welcher Form die Geschichte auf das Wesen des Christentums in irgendeiner Weise Einfluss genommen haben könnte, stellt Harnack an keiner Stelle. Im Prozess der Entstehung der Kirche als Institution sind zwei Schritte besonders wichtig: die Hellenisierung, d.h. die Übernahme hellenistischer Denkweisen und Kultur im Christentum, und dann folgend die Katholisierung, d.h. besonders die Institutionalisierung des Christentums nach römischem Vorbild. Ist für den Prozess der Hellenisierung, bei Paulus angefangen, mit Origenes ein Hauptvertreter zu finden, dessen griechische Philosophie beispielhaft dafür steht, dass die christlich-kirchliche Lehre zu einem hellenistischen System geworden ist54 , so sieht Harnack in Augustin den geistigen Vater der katholischen Kirche Roms bis heute.55 Form und Inhalt des Dogmas, so kann man zusammenfassend sagen, können bei Harnack unterschieden werden, ja, sie müssen sogar voneinander unterschieden werden. Konsequent sieht Harnack, dass es eben in der Geschichte keine absoluten Begriffe von etwas geben kann, alles prägt sich nach den Umständen aus. Wenn es nun eine Kontinuität eines Gedankens, einer Idee, durch die Jahrhunderte gibt, dann muss sie in voneinander beinahe völlig verschiedenen Formen erkannt werden können. So muss nun eine solche Idee 52 VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 107. 53 „Wir stellen wiederum folgende drei Fragen: Was hat dieser griechische Katholizismus
geleistet? Wodurch ist er charakterisiert? Wie ist das Evangelium in ihm modifiziert worden, und wie hat es sich behauptet?“ VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 206. Und allgemein auch aaO., 192. Sowie zur Betrachtung der Entwicklung in der römisch-katholischen Kirche aaO., 224. 54 „Diese Entwicklung ist die wichtigste, die sich im 3. Jahrhundert abgespielt hat; denn sie bedeutete die definitive Umsetzung der Glaubensregel zu dem Compendium eines hellenistisch-philosophischen Systems, und sie ist die Parallele zu der gleichzeitigen Umbildung der Kirche in einen heiligen Staat.“ VON HARNACK, Lehrbuch (s. Anm. 43), 696f. 55 VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 232.
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schon vor den Beginn jeder Entwicklung gesetzt werden und parallel zu ihr verfolgt werden können. Im einzelnen Phänomen jedoch lässt sich die Unterscheidung nicht treffen, denn es ist ja ganz an sein Umfeld gebunden. Form und Inhalt des Dogmas sind in der Entstehung so miteinander verbunden, dass eine Unterscheidung im Prozess nicht möglich ist. Aus einer objektiven wissenschaftlich-historischen Position heraus muss es jedoch zu einer methodischen Unterscheidung kommen. Innerlichkeit: die selbst erlebte Religion56 Die Betrachtung des Christentums als historisches Phänomen ist für Harnack von einer Innen- und einer Außenperspektive her möglich. Die Außenperspektive würde sich ganz auf die Aufnahme und Beurteilung geschichtlicher Phänomene der oben genannten Art beschränken müssen, es würde sich hierbei um Profangeschichte, höchstens Religionsgeschichte handeln können. Diese Position ist Harnack selbst erstens nicht möglich, da er bekennender Christ ist und als solcher eine Innenperspektive, also eine aus der Position des lebendigen Glaubens heraus, einnehmen muss, zweitens wird nur eine Innenperspektive das Wesen des Christentums in einer Weise ergreifen, die Harnack meint. Ohne das eigene wirkliche Erleben der Religion kann kein Betrachter auf ihr Wirken wirklich reagieren. Die Aufgabe der Betrachtung, das Wesentliche herauszustellen und in der Geschichte zu betrachten, wäre nur so möglich. In einer solchen Position allerdings steht der Christ an ähnlicher Stelle wie die Apostel, ja, wie Jesus Christus selbst: in Reaktion auf das Handeln Gottes, des Vaters. Harnack macht dies wiederum an Beispielen von Personen deutlich: zunächst natürlich an Jesus selbst. Er ist ihm der Inbegriff der innerlichen Verbundenheit eines, des Menschen mit Gott. Ein Gebet allein kann den Ausdruck der Innerlichkeit erhellen, denn „für die höheren Religionen ist das Gebet das Entscheidende“57. Dieses Gebet ist das Vaterunser. In ihm drückt sich die Innerlichkeit und totale Ausrichtung Jesu auf Gott, den Vater, aus, welche der Grund für sein Handeln ist.58 Dieses Motiv der Innerlichkeit ist bei Harnack eng mit dem Konzept des Wesens des Christentums verbunden: „Christentum ist nicht die biblische Theologie, nicht die Lehre der 56 VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 157. 57 VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 97. 58 „Er [Jesus] betet nicht, um stürmische Wünsche gen Himmel zu senden oder um dieses
oder jenes zu erlangen, sondern er betet, um sich die Kraft zu erhalten, die er schon besitzt, und die Einheit mit Gott zu sichern, in der er lebt. Dieses Gebet kann daher nur gesprochen werden in tiefster Sammlung des Gemütes und bei vollkommener Konzentrierung des Geistes auf das innere Verhältnis, auf das Verhältnis zu Gott. […] dieses Gebet führt aus allem heraus und auf jene Höhe, auf der die Seele mit Gott allein ist.“ VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 97.
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Concilien, sondern die Gesinnung, die der Vater Jesu Christi durch das Evangelium in den Herzen weckt.“59 Die Geschichte des Christentums kann bei Harnack geradezu auch als Geschichte der Reaktionen der Christen auf das von Christus verkündete Reich Gottes gelesen werden. Über Augustinus schreibt Harnack in den Vorlesungen unter Verweis auf die „Confessiones“: „[W]ie bei Paulus ist alles individuell erlebt und innerlich gedacht.“60 Und weiter wird Martin Luther und sein Konzept der Reformation beschrieben als „kritische Reduktion“ auf das Wesentliche, den Kern der Sache selbst – nach Harnack das Evangelium Jesu Christi von Gott, dem Vater, und seinem Reich.61 So werden die innerlich erlebte Wirkung des Evangeliums und die Ergebnisse genau des Wirkens dieser Verbindung zum Kriterium, an dem sich lebendiges und im Prozess der Geschichte voranschreitendes Christentum von äußeren, starren Hüllen unterscheidet. Was diesem nicht entspricht, muss als dem Christentum, wenn es sich weiterentwickelt, nicht angemessen zurückgelassen werden. Auch vor den in ihrer Zeit verhaltenen Reformatoren macht dieses Kriterium nicht Halt.62 Luther selbst ist, wie Harnack seine Theologie interpretiert, einerseits dafür verantwortlich, dass es in der Geschichte des Christentums geradezu zu einer Befreiung des Evangeliums gekommen ist, die Christen die Möglichkeit wiedergab, wieder direkt davon berührt zu werden. Andererseits bleibt der Reformator selbst in der Tradition und am Dogma als Instrument der Weitergabe der Lehren des Evangeliums hängen. Die Institution des Christentums, die von der römisch-katholischen Kirche befreiten Kirchen der Reformation in Gesamtheit, allerdings hat es geschafft, der Dogmengeschichte ein Ende zu setzen und die überkommenen Symbole immer wieder neu zu interpretieren. Folgerichtig musste auch Luther von seiner Befreiung des Evangeliums überwunden werden. Zumindest ist diese Möglichkeit nun frei gegeben, damit ist das Ende des Dogmas als einzige nicht zu ändernde und sich nicht ändernde Norm gesetzt und durch den Inhalt des
59 VON HARNACK, Lehrbuch 1 (s. Anm. 43), 897. 60 VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 233. 61 „Diese kritische Reduktion hat im 16. Jahrhundert Luther vollzogen, indem er siegreich
erklärte: die christliche Religion ist einzig gegeben in dem Worte Gottes und in dem innern Erlebnis, welches diesem Worte entspricht.“ VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 241. 62 „[…] Luther wollte nur das Evangelium gelten lassen, nur das, was wirklich die Gewissen befreit und bindet, was ein jeder verstehen kann, auch der Knecht und die Magd. Aber dann nahm er doch nicht nur die alten Dogmen von der Trinität und den zwei Naturen in das Evangelium hinein – er war auch außer Stande, sie geschichtlich zu prüfen – und bildete sogar neue, sondern er vermochte überhaupt nicht sicher zwischen ‚Lehre‘ und ‚Evangelium‘ zu scheiden, in diesem Punkte weit hinter Paulus zurückbleibend.“ VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 255f.
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Evangeliums als einziges Unveränderliches ersetzt.63 Kernpunkt der Theologie Harnacks, den er auch bei Luther wiederzuentdecken glaubt, wenn dieser auch nicht alle Konsequenz ziehen konnte, ist Mt 11,27.64 Tradition – begründet durch Geschichte und Erleben? Christentum ist für Adolf von Harnack eine erlebte Religion. Die Folge daraus, dass es sich in der Geschichte in wechselnden Formen ausdrückt, ist der Betrachtung des Historikers wichtig geworden. Um dieses Phänomen durch die Geschichte betrachten zu können, stellt Harnack die zunächst geschichtstheoretische These auf, dass es einen unveränderlichen Kern geben müsse, welcher sich durch die gesamte Entwicklung wiederfinden ließe. Diese These wird allerdings sofort theologisch begründet und somit eher zu einem dogmatischen Urteil: Das Wesen des Christentums gibt es, es ist durch zunächst geschichtliche und dann kirchengeschichtliche Methoden möglich, dieses herauszuarbeiten, und es hat eine bestimmte Gestalt. Eine Trennung beider Bereiche, der Systematischen Theologie und der Profangeschichte, scheint nicht konsequent durchgeführt worden zu sein. Sie ist mit Harnacks dogmengeschichtlicher Methode auch nicht zu vereinbaren. Das von Harnack vorgestellte Modell beruht ja gerade darauf, dass zwar einerseits geschichtliche Ergebnisse verwertet werden, diese sind jedoch zu messen an einem theologischen Kriterium: dem aus dem christlichen Erleben heraus entwickelten Wesen des Christentums. Insofern ist Harnack vorzuwerfen, diese Unterscheidungen nicht klar zu machen. Zwar deutet sich an, dass innerliches Erleben nötig ist für die jeweilige Wiederentdeckung des Wesens in der Geschichte, gerade wenn es zu Umbrüchen kam, allerdings haben einzelne Aussagen Harnacks immer wieder zu großen Protesten geführt. Innerlichkeit, eine so notwendige Bedingung der Methode, scheint Harnack eher stillschweigend vorausgesetzt und erst später nachfolgend benannt zu haben: „Das Wesen des Christentums zu bestimmen, ist eine geschichtliche Aufgabe, da es sich geschichtlich vollzogen hat. Gerecht zu werden vermag ihr nur der, der von ihr ergriffen ist […]“.65 Harnack macht den Versuch, das Christentum und die modernen Zeiten miteinander in Einklang zu bringen. Dabei bedient er sich der Mittel seiner Zeit, aber eben auch den kulturellen Kontexten seiner Zeit. Von der Theologie eines Jahrhunderts beeinflusst, die auf unterschiedlichste Weise dem Problem 63 Vgl. hierzu besonders VON HARNACK, Lehrbuch der Dogmengeschichte, unveränd. Nachdr. d. 4., neu durchgearb. u. verm. Aufl., Bd. 3 (Die Entstehung des kirchlichen Dogmas), Darmstadt 1980, 896–902. 64 VON HARNACK, Lehrbuch 3 (s. Anm. 63), 837 und 902. 65 Vorwort zum 70. Tausend 1925. VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 50.
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zu begegnen versuchte und sich dabei – mit Schleiermacher begonnen – der Idee einer reinen Religion, die einen ihr entsprechenden Allgemeinbegriff gibt, bedient, ist auch Harnack verpflichtet. Ein solcher Allgemeinbegriff, das betont er mehrfach, ist nicht möglich. Allerdings konstatiert er doch die Möglichkeit, einen abstrakten Begriff von einer Religion, seinem Christentum, zu erhalten. Dieser Begriff wäre, da er allgemein gültig sein soll und als konstanter Vergleichsbegriff dient, der Zeit und ihrem Kontext enthoben. Damit stellt er eine seiner eigenen Idee widersprechende These implizit auf, nämlich die, ein absolutes „Wesen des Christentums“ feststellen zu können. Harnack erreicht auf seine Art eine Verbindung von Geschichte und erlebtem Glauben, die nicht ohne jede Verbindung des aktuellen Christentums mit dem ursprünglichen und seiner Entwicklung ist. Diese Verbindung wird eben durch die Innerlichkeit erzeugt. Deshalb scheinen Harnack auch keine äußeren Regeln in unveränderbarer Form nötig, keine Dogmen als wörtlich zu wissende Lehren mit absolutem Geltungsanspruch66, sondern vielmehr große Kenntnis der Geschichte. Das Harnack’sche Modell würde in seiner Idealform einen Gebrauch von der Tradition nur als Wissensstoff machen, keinen in irgendeiner Form Ausprägungen des Glaubens beschränkenden. Die Tradition wird hier als Quelle der Glaubenserkenntnis völlig abgelehnt, nicht aber der Gebrauch der Vernunft im Glauben. Ja, es könnte sogar gesagt werden, hier ist der Glaube durch die naturwissenschaftliche Vernunft nahezu zugänglich, denn mit dieser werden die Geschichte und die zentrale Botschaft des Christentums erfasst und untersucht. Innerlicher Glaube des Betrachters bleibt allerdings die Voraussetzung, einen dem Christentum angemessenen Zugang zu finden.
4. Die Ähnlichkeit der beiden Meister In seiner Würdigung der beiden Kirchenhistoriker bestimmt Ernst Troeltsch die grundlegende Übereinstimmung von Ferdinand Christian Baurs und Adolf von Harnacks Art und Weise, Kirchengeschichte zu betreiben, darin, dass
66 So erklärt sich etwa seine den Gebrauch des Apostolikums ablehnende Haltung im Apostolikumsstreit. Harnack hatte sich in einer Debatte, ob das Apostolikum beim Taufgottesdienst verpflichtend zu gebrauchen sei, dagegen ausgesprochen. Nicht die Form, der Inhalt sei entscheidend und dieser könne auch umformuliert gebraucht werden. Ein alter Text wie das Apostolikum soll geachtet werden, sein Wortlaut ist nicht entscheidend, sondern dessen Interpretation. Vgl. hierzu W. KRÖTKE, Adolf von Harnack (1851–1930) – Ein Leben für die historische Wissenschaft und einen zeitgemäßen christlichen Glauben, url: http://www2.huberlin.de/theologie/sys3/lst/kroe/harnack.htm. (Zugriff 12/2013)
Die Aehnlichkeit der beiden Meister
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beide „Glaubenslehre und Historie aufs engste zusammengezogen“67 haben. Die Geschichte ist sowohl für Baur als auch für Harnack der unhintergehbare Ort der Verwirklichung der Idee des Christentums. Die Wesensbestimmung ist eine geschichtliche Aufgabe.68 Sie ist gerade auch in diesem Kontext zu verstehen. Geschichte ist für Baur wie für Harnack immer begriffene Geschichte, keine im Rankeschen Sinne objektiv dargestellte.69 Und auch wenn er „kein Freund von methodologischen Untersuchungen“70 war, sind Harnacks Vorträge zur Theorie der Geschichte aufschlussreich. Erkenntnis der Geschichte ist die Erkenntnis der „fortschreitende[n] Objektivierung des Geistes“, schreibt Harnack etwa 1917.71 Troeltsch sieht in dieser und ähnlichen Äußerungen eine grundsätzliche Herkunft des Geschichtsverständnisses beider, Baurs und Harnacks, aus der „idealistisch-historischen Denkweise der deutschen Philosophie“72. Auch wenn Harnack die von Baur so deutlich aufgenommene Dialektik Hegels ablehnte, so sei doch deren Prinzip in der Theologie Harnacks weiter wirksam.73 Es besteht ein wesentlicher Unterschied in dem Verständnis dessen, was beide als „Idee“, „Prinzip“ oder „Wesen“ des Christentums bezeichnen: Für Baur ist die Explikation der Idee des Christentums ein fortschreitender Prozess. Entwicklung des Dogmas bedeutet, den Wahrheitsgehalt der Idee des Christentums aktualisiert zu erweisen. Jede neue verwirklichte Form der Idee trägt zur Erkenntnis bei und kann nur Ergebnis der vorhergegangenen Entwicklung sein. Adolf von Harnack versteht den Prozess fortschreitender Entwicklung der Idee des Christentums als Verfallsprozess. Die kontinuierliche Wesensbestimmung ist immer auch als notwendige Kritik an der aktuellen Verwirklichung der Idee zu verstehen. Durch das fehlende Korrektiv der Tradition, in
67 TROELTSCH, Adolf v. Harnack und Ferd. Christ. v. Baur (s. Anm. 1), 282. 68 Vgl. VON HARNACK, Wesen (s. Anm. 47), 50. 69 Vgl. C.-D. OSTHÖVENER, Adolf von Harnack als Systematiker, ZThK 99 (2002),
296–331, 299f. 70 A. VON HARNACK, Rezension zu: Otto Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, ThLZ 39 (1914), 137f, 138. 71 VON HARNACK, Sicherheit und Grenzen (s. Anm. 38), 929. 72 TROELTSCH, Adolf v. Harnack und Ferd. Christ. v. Baur (s. Anm. 1), 283. 73 „Harnack hat die hierbei zugrunde liegende Dialektik und Metaphysik abgelehnt und wohl überhaupt nie ihren Zauber empfunden. Aber die Wirkung ist bei ihm geblieben. Auch für ihn fällt Theologie und Kirchengeschichte zusammen. […] Die inneren Besonderungen des christlichen Geistes […] ist ihm der Gehalt des Schauspiels.“ TROELTSCH, Adolf v. Harnack und Ferd. Christ. v. Baur (s. Anm. 1), 284.
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die etwa Baurs Entwicklungsstufen immer eingebunden sind, besteht die Gefahr der Verabsolutierung der eigenen Wesensbestimmung.74 Die Frage nach einem Wesen oder einer Idee des Christentums angemessenen Form des Dogmas ist mitnichten mit dem Ausgang des Historismus abgewiesen. Die systematisch-theologischen Gesichtspunkte ihrer dogmengeschichtlichen Konzepte werden aktuell untersucht.75 Baur und Harnack, die beiden Meister, bleiben als Gesprächspartner mit ihren Beiträgen über den kirchenhistorischen Kontext in systematischen Diskussionen interessant.
74 Vgl. hierzu die die Wesensdiskussion des Historismus abschließende Kritik am Wesensbegriff von Ernst Troeltsch: „Zu den Vorbedingungen gehört also schließlich und vor allem auch die persönliche Stellungnahme zu Wert und Wahrheit des Christentums. […] Die zukünftige Entwickelung wird in das sich entwickelnde Wesen mit eingerechnet werden müssen, und, da die zukünftige Entwickelung von unserer Einsicht in das nach dem Wesen und nach dem Trieb der christlichen Idee Sein-Sollende geleitet wird, so wird das Wesen aus einem Abstraktionsbegriff ganz von selbst zu einem Idealbegriff.“ TROELTSCH, Was heisst „Wesen des Christentums“? (s. Anm. 31), 426. 75 Vgl. C.-D. OSTHÖVENER, Harnack als Systematiker (s. Anm. 69) und R. SCHÄFER, Ferdinand Christian Baur als Systematiker, in: U. Köpf (Hg.), Historisch-kritische Geschichtsbetrachtung. Ferdinand Christian Baur und seine Schüler, Sigmaringen 1994, 109– 118.
Ferdinand Christian Baur und die Praktische Theologie BIRGIT WEYEL Ferdinand Christian Baur war kein Praktischer Theologe, aber seine Theologie bietet Impulse für die Praktische Theologie.1 Insbesondere seine „konsequent historische“2 Betrachtungsweise ist für diejenige theologische Disziplin von großem Interesse, die eine Theorie religiöser Praxis bildet und somit die Vielfalt und Veränderlichkeit der Religion in den Blick nimmt. Wenn man Ferdinand Christian Baur auf seine Bedeutung für die Praktische Theologie hin befragen will, so bleibt zu beachten, dass heutige Fächerzuschnitte und Lehrstuhlbeschreibungen nicht auf andere historische Konstellationen angewendet werden können. Ferdinand Christian Baur hatte einen Lehrstuhl für Kirchen- und Dogmengeschichte und die Fächer, die von ihm regelmäßig seit dem Wintersemester 1826/7 gelesen wurden, waren neben Kirchengeschichte und Dogmengeschichte auch Symbolik, Kirchenrecht, Religionsgeschichte und Religionsphilosophie sowie Neues Testament.3 Die Praktische Theologie war unter den vier Tübinger Lehrstühlen zunächst nicht kontinuierlich vertreten. Nathanael Friedrich Köstlin war 1813–1815 ordentlicher Professor für Homiletik und Pädagogik, bevor er Dekan in Stuttgart wurde. Sein Nachfolger, Jonathan Friedrich Bahnmaier, der Gründer der Tübinger Predigtanstalt, wurde anlässlich der Neuordnung der Tübinger Lehr-
1 Eine regelrechte Rezeption durch die Praktische Theologie lässt sich freilich nicht nachweisen. „Lassen sich schon generell für die praktisch-theologische Rezeption des Baurschen Oeuvres kaum aussagekräftige Belege beibringen, so gilt dies erst recht für die Rezeption eines Ausschnittes des Gesamtwerkes“. C. ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft neuzeitlicher Christentumspraxis. Klassische Protestantismustheorien in ihrer Bedeutung für das Selbstverständnis der Praktischen Theologie, BHTh 114, Tübingen 2000, 133. Zur Rezeption Baurs bei Carl Immanuel Nitzsch vgl. unten. 2 U. KÖPF, Ferdinand Christian Baur als Begründer einer konsequent historischen Theologie, ZThK 89 (1992), 440–461. Köpf urteilt: „Die Konsequenz, mit der Baur die historische Betrachtungsweise handhabt, betrifft nicht nur seine Disziplin der Historischen Theologie, sondern die Theologie im ganzen: auch die Dogmatik, die Ethik und die Praktische Theologie.“ AaO., 458. 3 Vgl. dazu KÖPF, Begründer (s. Anm. 2), 442f. mit Anm. 10.
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stühle 1819 in ein kirchliches Dekanatsamt versetzt.4 Ihm folgte 1819 Christian Friedrich Schmid bis 1847 nach. 1852 wurde die Denomination des Lehrstuhls für Praktische Theologie für Homiletik und Moral umgewidmet und von Christian Palmer übernommen, der die Disziplinen in ihrer Breite repräsentiert, die man aus heutiger Sicht der Praktischen Theologie zuordnen würde, nämlich die Pastoraltheologie, die Homiletik, die Pädagogik, die Katechetik und das Kirchenrecht. Das Curriculum Baurs ist, wenn man es mit heutigen Begriffen beschreiben möchte, vor allem der Kirchengeschichte, der Systematischen Theologie in historischer Perspektive und der neutestamentlichen Wissenschaft zuzuschreiben. Sieht man von den unmittelbaren Fächerzuordnungen ab, bietet das wissenschaftliche Werk Ferdinand Christian Baurs vielfältige Implikationen, die für die gegenwärtige Praktische Theologie von Bedeutung sind. Die Impulse, die im Folgenden skizzenhaft angesprochen werden, liegen in seiner impliziten Homiletik, und zwar seinem Verständnis von theologischer Kompetenz als historisch-kritische Denkweise und in der damit eng verknüpften Geschichtstheorie. An erster Stelle soll die praktische Predigttätigkeit Baurs auf ihre implizite Homiletik hin befragt werden. Dabei sollen einige wiederkehrende Themen aus seinen Predigten hervorgehoben und ein zentraler Aspekt der prinzipiellen Homiletik herausgearbeitet werden (1. Der ,reine Dienst des Wortesދ. Ferdinand Christian Baur als Prediger). Baur hat als Stiftsinspektor regelmäßig Reden anlässlich des Eintritts neuer Examensjahrgänge gehalten. Eine dieser Reden veranschaulicht sein Verständnis von der Theologie als Wissenschaft (2. „Vertrauen zur reinen Wissenschaft“5. Das theologische Studium und die Ausbildung historisch-kritischer Kompetenz). Dann sollen die in den historischen Disziplinen zum Ausdruck kommenden Überlegungen zur Geschichte und zur Deutung von Geschichte in den Blick kommen (3. Rekonstruktion. Geschichtsdeutung als konstruktiver Prozess). Schließlich sollen die genannten Skizzen in ihrer Bedeutung für die Theoriebildung der Praktischen Theologie zusammengetragen und exemplarisch erläutert werden (4. Impulse für die Praktische Theologie).
4 Vgl. dazu KÖPF, Begründer (s. Anm. 2), 442 sowie die Übersicht über die Tübinger Lehrstühle und ihre jeweiligen Fachgebiete: http://www.ub.uni-tuebingen.de/fachgebiete /sondersammelgebiete/ssg-1-theologie/theologie-in-tuebingen/ev-praktische.html (abgerufen am 4.12.13). 5 F.C. BAUR, Rede bei dem Eintritt der Blaubeurener Promotion am 18. Oktober 1857 (Ansprache im Evangelisch-theologischen Seminar in Tübingen). Separatdruck aus der Monatsschrift für die Kirchliche Praxis. Die „Zeitschrift für praktische Theologie“ Neue Folge Nr. 35, Tübingen/Leipzig 1904, 152–161: 160.
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1. Der ,reine Dienst des Wortesދ. Ferdinand Christian Baur als Prediger Ferdinand Christian Baur hat im Rahmen der für die Tübinger Fakultät spezifischen Verbindung von Professur und Amt des Frühpredigers regelmäßig in der Tübinger Stiftskirche gepredigt. Das Amt hatte er bis zu seinem Tode im Jahr 1860 inne, seit 1849 hat er sich jedoch aus der Predigtpraxis zurückgezogen und von Repetenten vertreten lassen. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren.6 Baur hat zu seinen Lebzeiten nur drei seiner Predigten selbst veröffentlicht bzw. veröffentlichen lassen: eine Karfreitagspredigt (1848), die er Christian Palmer auf dessen Drängen hin für einen Band mit Kasualreden überlassen hat7, eine Predigt anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Confessio Augustana8, die in einem Band mit anderen zu dieser Gelegenheit gehaltenen Reden und Predigten des Jahres 1830 abgedruckt ist sowie eine Bestattungspredigt9. Die Veröffentlichung dieser, gemessen an seiner regelmäßigen Predigttätigkeit verschwindend geringen Anzahl von Predigten, war wesentlich durch äußere Anlässe motiviert. Dass Baur nicht selbst motiviert war, seine Predigten zu publizieren, mag mit seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis zu tun haben, ist aber kein Indiz für eine Distanz gegenüber der Predigttätigkeit als solcher. Baur hat es als sinnvoll angesehen, dass wissenschaftliche Theologie in der gottesdienstlichen Predigt zur Geltung kommt und diese
6 Christian Andrae verweist auf einen Brief an Zeller, in dem Baur sowohl gesundheitli-
che Gründe anklingen lässt, als auch eine wachsende Distanz gegenüber dem kirchlichen Christentum: „Es wird mir alles, was Kirche und kirchliches Christentum heißt, immer mehr zuwider, weil doch immer nur Betrug und Unwahrheit dabei im Spiele ist. [...] Mit meiner Gesundheit geht es so ziemlich gut, ich habe mich nun für die nächste Zeit vom Predigen dispensiert. Zu dieser Funktion, die mich immer am meisten anstrengte, bin ich immer weniger aufgelegt.“ C. ANDRAE, Ferdinand Christian Baur als Prediger. Exemplarische Interpretationen zu seinem handschriftlichen Predigtnachlaß, AKG 61, Berlin/New York 1993, 391 Anm. 33. 7 C. Palmer (Hg.), Evangelische Casualreden, 5. Sammlung, Stuttgart 1848, 56ff. Siehe dazu auch den Kommentar zur Veröffentlichung von Baur bei ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 16 Anm. 50 zitiert. 8 Feier des dritten Säkularfestes der Übergabe der Augsburgischen Confession auf der Universität Tübingen, hg. von den Mitgliedern der evangelisch-theologischen Fakultät, Tübingen 1830, 93–101. 9 J.F. Bahnmaier (Hg.), Feier des dritten Säcular-Festes der Reformation auf der Universität Tübingen, Tübingen 1818.
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Verbindung mit seiner Person im Rahmen des Frühpredigeramts über viele Jahre hinweg wahrgenommen.10 Baurs Predigttätigkeit wird in drei Arbeiten in den Blick genommen. Ernst Barnikol hat zwei Traupredigten Baurs aus dem handschriftlichen Nachlass publiziert und skizzenhaft theologisch bewertet.11 Peter C. Hodgson hat im handschriftlichen Nachlass eine Auswahl von Predigten Baurs eingesehen.12 Homiletisch und editorisch ist die Dissertation von Christian Andrae am ergiebigsten. Andrae hat die Predigten Baurs aus dem Nachlass in der Tübinger Universitätsbibliothek chronologisch und thematisch verzeichnet. Zehn Predigten aus dem Zeitraum von 1815–1848 sind von Christian Andrae in seiner Dissertation transkribiert und ediert worden. Er wertet diese ausgewählten Predigten insbesondere in Hinsicht auf die Selbstpräsentation des Predigers und seine Kommunikation mit dem Hörer, den Erfahrungsbezug der Predigten und Baurs Umgang mit Geschichte aus.13 Von Baur selbst liegen nur wenige homiletische Bemerkungen vor, die anlässlich von Konflikten entstanden und somit nicht systematisch belastbar sind.14 In homiletisch-prinzipieller Perspektive ist das von allen Frühpredigern gemeinschaftlich verantwortete Schreiben von Interesse, da es zu kritischen Rückfragen zum Frühpredigeramt Stellung nehmen sollte. Anlass der erbetenen Stellungnahme war der Vorwurf, den Professoren fehle „die unmittelbare Kenntnis der Gemeindebedürfnisse und Gemeindeschäden“, das Institut der Frühprediger habe „mit zu der leidigen Unkirchlichkeit der hiesigen Gemeinde beigetragen“15. Christian Palmer hatte sich als Tübinger Dekan und Stadt10 Zur Institution des Frühpredigeramts vgl. S. HOLTZ, Theologie und Alltag. Leben und Lehre in den Predigten der Tübinger Theologen 1550–1750, Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 3, Tübingen 1993 (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 3). 11 Vgl. E. BARNIKOL, Das ideengeschichtliche Erbe Hegels bei und seit Strauß und Baur im 19. Jahrhundert, Wissenschaftliche Zeitschrift der Mart-Luther-Universität HalleWittenberg, gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Bd. X/1, 1961, 281ff. sowie DERS., Ferdinand Christian Baur als rationalistisch-kirchlicher Theologe, Berlin 1970. ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 8 kritisiert die hier vorgenommenen Bewertungen Barnikols zu Recht. 12 Vgl. P.C. HODGSON, The Formation of Historical Theology. A Study of Ferdinand Christian Baur, New York 1966, 290. Dabei handelt es sich allerdings um einen allgemeinen Hinweis auf die Predigten im Nachlass, da die Referenzen auf die Predigten nicht ausdrücklich kenntlich gemacht werden. 13 Vgl. ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6) und die Übersicht aaO., 536f. 14 Andrae entfaltet ausführlich u.a. die wenigen homiletischen Notizen aus einem Separatvotum Baurs zum Berufungsvorschlag Christian Märklins im Jahr 1839. ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 359–365. 15 Auszug aus dem Protokollbuch des Tübinger Pfarrgemeinderats. Sitzung den 11. April 1852, Landeskirchliches Archiv A 29/4649. Zitiert nach ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 393 mit Anm. 42.
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pfarrer vor der Übernahme des Lehrstuhls des verstorbenen Praktischen Theologen Christian Friedrich Schmids im Frühjahr 1852 ebenfalls kritisch geäußert und die seelsorgerliche Kenntnis der Gemeinde als Voraussetzung für die Wahrnehmung der Frühpredigten an der Stiftskirche stark gemacht.16 Ferdinand Christian Baur, Johann Tobias Beck und Albert Landerer signalisieren in ihrem gemeinschaftlichen Schreiben Verständnis für die Situation des Tübinger Dekans und dessen Wunsch, in den Frühgottesdiensten zu predigen. Das von Palmer und dem Kirchengemeinderat in Anschlag gebrachte Argument, es fehle den Professoren an Kenntnis der Gemeindesituation und damit einer entscheidenden Voraussetzung für die Predigt, weisen sie allerdings zurück. „Alles, was wir in dieser Beziehung etwa sagen könnten, wenn wir auch nur das so nahe liegende Moment geltend machen wollten, daß es bei Predigten, wofern sie nur überhaupt gehaltvoll, christlich, erbaulich und praktisch gehalten sind, doch nicht einzig nur darauf ankommen kann, daß der Prediger als ein mit eigentlichen Pastoration, Seelsorge und Schulaufsicht betrauter Geistlicher zu der Gemeinde spricht, daß es im Gegenteil auch wieder etwas für sich haben möchte, im reinen Dienste des Wortes, ohne die sonstigen nicht selten auch störenden Beziehungen vor der Gemeinde zu stehen – würde gar zu sehr den Schein einer Selbstapologie an sich tragen [...].“17
Das Antwortschreiben zielt auf ein Predigtverständnis ab, das die Predigt nicht primär als Ergänzung und Fortführung der anderen pastoralen Handlungsfelder versteht und die nähere Beziehung zwischen Geistlichem und Gemeinde für die Predigtproduktion als konstitutiv erachtet. Christian Andrae charakterisiert die Predigten Baurs zusammenfassend so: „Sie [sc. Baurs Predigten] behalten schon der Form nach den Charakter gelehrter Vorträge. Und inhaltlich leiten sie mehr zur Reflexion über das Wesentliche an, als daß sie es vollmundig in der Sprache der Bibel proklamieren. Baur bleibt auch auf der Kanzel Professor mit dem Anspruch, ein religiöses Bewußtsein vor der denkenden Vernunft zu verantworten.“18
Es gelingt Baur allerdings durchaus das rhetorische Genus der Predigt als religiöse Rede beizubehalten und diese Form nicht zugunsten einer akademischen Vorlesung zu verfehlen. Das hängt mit der von Baur vorgenommenen Verhältnisbestimmung von Wissenschaft und Leben bzw. von Glaube und Wissen zusammen. Der ,reine Dienst des Wortes ދist als ein radikaler Vermittlungsversuch von Glaube und Wissenschaft zu verstehen, denn diese „stehen auch in bester Harmonie. Beide nähren und erfrischen sich an einan16 C. PALMER, Brief an die Oberkirchenbehörde vom 29. März 1852. Zitiert nach ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 392 mit Anm. 41. 17 Sr. Hochwürden, dem Herrn Generalsuperintendenten von Tübingen Prälaten von Mo-
ser. Von Baur, Beck und Landerer unterzeichneter Brief vom 24. April 1852, Landeskirchliches Archiv A 29/4649. Zitiert nach ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 395. 18 ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 397f.
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der, und wie die Wissenschaft vom Glauben, so kann auch der Glaube von der Wissenschaft nur gewinnen“19. Der Hinweis auf die ,Reinheit ދdes Dienstes ist in diesem Zusammenhang ein Hinweis darauf, dass Glaube und Wissenschaft in produktiver Weise wechselseitig aufeinander werden, ohne dass konkrete kirchliche Kontexte und Interaktionen zwischen Pfarrer und Gemeindeglied eine Rolle für die Predigt spielen. Die Kenntnis der Gemeindesituation ist somit keine entscheidende Voraussetzung für die Predigt, sondern vielmehr die Orientierung des homiletischen Verfahrens an der Vermittlung von Wissenschaft und Glaube. Wie aber lässt sich der Predigtstil Baurs charakterisieren?20 In den Arbeiten zur Geschichte der protestantischen Predigt im 19. Jahrhundert wird Ferdinand Christian Baur bislang nicht berücksichtigt.21 Am Beispiel der Antrittspredigt Baurs als Frühprediger in der Tübinger Stiftskirche vom 29. Januar 1815 hebt Andrae hervor, dass die Predigt Züge der Sprache und Gedankenwelt der Romantik aufweise, „wie sie Schleiermacher gepflegt und zur Theorie erhoben hat.“22 Tatsächlich spielen das religiöse Gefühl und der Gemeinschaftsgedanke eine zentrale Rolle in Baurs Predigten auch über die frühe Zeit hinaus. Es ist sicher richtig, hierin keine spezifische Frömmigkeitstradition23 zu sehen. Die Bedeutung Schleiermachers, insbesondere seiner Glaubenslehre, für die Religionstheorie Baurs, ist allerdings nicht zu übersehen.24 Der besondere Stellenwert des religiösen Gefühls für die öffentliche religiöse Kommunikation bleibt im Anschluss an Schleiermacher festzuhalten. 19 F.C. BAUR, Abgenöthigte Erklärung gegen einen Artikel der Evangelischen Kirchenzeitung, herausgegeben von D.E.W. Hengstenberg, Prof. d. Theologie an der Universität zu Berlin, Tübinger Zeitschrift für Theologie, 1836, Heft 3, 179–232, 213. Zitiert nach F.C. BAUR, Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, hg. von K. Scholder, Bd. I: Historischkritische Untersuchungen zum Neuen Testament, mit einer Einleitung von Ernst Käsemann, Stuttgart Bad-Cannstatt 1963, 301. 20 Die folgenden Beobachtungen sind auf der Grundlage der bei Christian Andrae editierten zehn Predigten aus den Jahren 1815–48 gewonnen. Die Seitenzahlen beziehen sich auf den Anhang in seiner Arbeit. ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6). 21 Die ausführlichste Arbeit liegt immer noch mit F. WINTZER, Die Homiletik seit Schleiermacher bis in die Anfänge der ,dialektischen Theologieދ, APTh 6, Göttingen 1969 vor. Hier wird Baur nicht erwähnt. 22 ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 71. 23 Vgl. ebd. 24 Vgl. dazu etwa J. ZACHHUBER, Ferdinand Christian Baurs Schellingrezeption. Einige Gedanken zu den geschichtsphilosophischen Grundlagen der Tübinger Schule, in: C. Danz (Hg.), Schelling und die historische Theologie des 19. Jahrhunderts, Tübingen 2013, 151– 170: 158: „Baur stützt sich hier [in: Symbolik und Mythologie, Bd. 1, 113f.] auf Schleiermachers eigenen Versuch – in §§ 7–10 der Glaubenslehre (2. Auflage) – eine Deutung der Religionsgeschichte durch verschiedene Modifikationen des Gefühls der schlechthinnigen Abhängigkeit, die den einzelnen Stufen und Arten von Religion vermeintlich zukommen, vorzunehmen.“
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Die Predigt ist ein „Medium, der Vermittlung des individuellen Gefühls als mitteilbares Gemeinschaftliches. Deshalb ist Predigt auch nicht primär lehrhafte Doktrin, sondern Predigt zielt auf die Belebung des religiösen Bewusstseins, die Erbauung. So haftet der Predigt beides an – etwas höchst Subjektives wie auch Objektives: ,es ist unmöglich, daß die religiöse Rede etwas gutes werden könne, wenn nicht einerseits die Einheit von einem rein religiösen Gehalt ist, und nicht ein vollkommen klares Bewußtsein andererseits. ދDarin besteht die Ars homiletica, dass der Prediger und die Predigerin, die Individualität des religiösen Gefühls so zum Ausdruck bringen, dass diese Individualität gleichwohl kommunikabel zu anderen Individualitäten bleibt.“25
Die Gefühlsdimension kann in den Predigten Baurs auch ausdrücklich als Erfahrungsbezug zur Sprache kommen. Neben den expliziten Hinweisen auf Erfahrungen, etwa „traurige und beunruhigende Erfahrung“ (402), „Erfahrungen, [...] die uns mit der ernsten Seite des Lebens bekannt machen“ (436), „allgemeine[...] Lebenserfahrung“ (445) finden sich über weite Passagen Beschreibungen menschlicher Erfahrungen, die den Hörer zur Identifikation einladen und Gemeinsamkeit nicht nur zwischen Prediger und Hörer, sondern auch zwischen den Personen in den biblischen Erzählungen, den Jüngern, den Zeitgenossen Jesu einerseits und der Tübinger Stiftskirchengemeinde andererseits, schaffen. In der religiösen Deutung von Erfahrung liegt in den Predigten Baurs ein wesentlicher Schlüssel zu einer homiletisch-hermeneutischen Gleichzeitigkeit, wie sie etwa in der Praktischen Theologie am Beispiel der Predigten Martin Luthers herausgearbeitet wurde: „Inhalt und Grund aller Glaubenserfahrung – das steht nicht zur Diskussion – bleibt Christus selbst. Die Predigtaufgabe ist jedoch offenbar dahin zu verstehen, daß eben diese Erfahrung dem Predigthörer auch als die Erfahrung eines anderen vorgestellt und zugänglich gemacht werden soll. Der Glaube läßt sich nicht ausschließlich an Christus exemplifizieren. Der Predigt wird vielmehr die Verantwortung dafür zugemutet, daß auch die fremde Erfahrung zum Exempel des eigenen Glaubens vor allem in der Anfechtung werden kann.“26
Menschliche Erfahrungen werden bei Baur in erster Linie als Erfahrungen der Bedürftigkeit interpretiert. Auch an dieser Stelle sieht man sich an das Religionsverständnis Friedrich Schleiermachers erinnert, der das Abhängigkeitsgefühl in der Gottesbeziehung des Menschen hervorgehoben hat. Das Bewusstsein der eigenen Bedürftigkeit ist in Baurs Predigten ausdrücklich dadurch 25 A. GRÖZINGER, Predigt und Gefühl. Eine homiletische Erkundungsreise, in: L. Charbonnier/M. Mader/B. Weyel (Hg.), Religion und Gefühl. Praktisch-theologische Perspektiven einer Theorie der Emotionen, Göttingen 2013, 313–325: 319 mit Zitaten aus F. SCHLEIERMACHER, Die praktische Theologie nach den Grundsäzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Aus Schleiermachers handschriftlichem Nachlasse und nachgeschriebenen Vorlesungen herausgegeben von Jacob Frerichs, Berlin 1850, 216 und 221. 26 D. RÖSSLER, Beispiel und Erfahrung. Zu Luthers Homiletik (1983), in: DERS., Überlieferung und Erfahrung: Gesammelte Aufsätze zur Praktischen Theologie, Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart 1, Tübingen 2006, 20–32: 27.
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religiös qualifiziert, dass es ein „Bedürfnis nach der höheren Welt“27 ist. Die Predigt übernimmt die Aufgabe, menschliche Bedürftigkeit nicht nur beschreibend zum Ausdruck zu bringen, sondern Erfahrungen des Mangels, des Leidens und des Angewiesenseins auf Transzendenz hin zu orientieren. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch wird in ihrer wechselseitigen Bezogenheit in den Mittelpunkt gerückt: das göttliche, ewige Wort und das menschliche, dem Göttlichen entfremdete Herz, das durch den Glauben als Kraft Gottes zu seiner eigentlichen Bestimmung finden kann, indem es dem Göttlichen „befreundet und zugewandt“ ist (456). Sehr häufig wird der Begriff des Vertrauens für die dem Gläubigen angemessene Haltung gegenüber Gott verwendet. Die Schilderung dieses Beziehungsgeschehens findet sich in den Predigten Baurs immer wieder, auch wenn die verwendeten Bilder je nach Predigttext und der durch den Text nahe gelegten Metaphern variieren. Neben dem Bild von Saat und Frucht im Anschluss an Lukas 8,4–15 wird häufig der Kontrast von Licht und Dunkel verwendet. In einer Predigt am Sonntag Judika im Jahr 1836 predigt Baur über Joh 12,20–32 beispielsweise mit folgenden Worten: „Ja in ihr, seiner Gemeinde, der von der Erde zum Himmel strebenden, alle irdische Not und Mühe überwindenden, in allen ihren Gliedern immer wieder aus dem Dunkel zum Licht, vom Tode zum Leben hindurchdringenden, feiert er selbst, der Herr der Gemeinde, immer wieder den ewigen Sieg des Lebens über den Tod und verklärt sich in ihr von einer Klarheit zur anderen.“28
Die Lichtmetapher nimmt nicht nur johanneische Referenzen auf, sondern ist auch zeitgenössisch als Bild für die Aufklärung prominent. In dem Predigtbeispiel klingt die Vorstellung einer dynamischen Entwicklung an, die in Baurs Predigten auch sonst eine Rolle spielt. Die aufklärerische Idee einer teleologischen Entwicklung des Menschen steht hier im Hintergrund, wie sie etwa auch für den zeitgenössischen Bildungsgedanken29 konstitutiv war, aber sicher auch aus der Philosophie Schellings30 übernommen wurde. In den Predigten Baurs ist es eine individuelle religiöse Entwicklung, die weniger auf eine ethische Vervollkommnung zielt, als vielmehr auf die Entfaltung der persönlichen Religiosität. Der Glaube ist zum einen eine „Kraft Gottes“
27 ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 174. 28 Zitiert nach ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 479. 29 Prominent zu einer im „offenbarungsgeschichtlichen Erziehungsprozess freigesetzten religiösen Vernunfterkenntnis des Menschen“ etwa G.E. Lessing. Vgl. A. BEUTEL, Gotthold
Ephraim Lessing und die Theologie der Aufklärung, in: C. Danz (Hg.), Schelling und die Hermeneutik der Aufklärung, HUTh 59, Tübingen 2012, 11–28, 25. 30 Zur Bedeutung Schellings vgl. ZACHHUBER, Ferdinand Christian Baurs Schellingrezeption (s. Anm. 24).
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(399)31, „Trost und Beruhigung, Mut und erhöhte Kraft“ (405), eine Stärkung „mit neuer Kraft“ (406), deren Subjekt Gott bzw. das Wort Gottes ist, das dieser in den Menschen schafft. Der Glaube wird zum anderen aber auch in gegenstandsbezogener Perspektive thematisch. In einer Predigt zum 3. Advent 1840 widmet sich Baur der Geschichtlichkeit des Glaubens im Anschluss an Matthäus 11,2–10. Im Zentrum der Predigt steht die Frage, „ob der Herr auch uns noch der ist, der da kommen sollte“ (417) bzw. „ob der, der gekommen ist und für jene Zeit kommen sollte, auch für uns noch derselbe ist, der er damals war“ (419). Die Frage nach der gegenwärtigen Relevanz der biblischen Aussage wird vor dem Hintergrund der historischen Differenz zugeschärft. Baur problematisiert in seiner Argumentation die gegenwärtige Tendenz, „daß die Bande der kirchlichen Gemeinschaft, die die Glieder der Gemeinde des Herrn zusammenhalten und unter sich verbinden sollen, immer schwächer und lockerer werden, daß man es mit allem demjenigen, was man nur für Äußerliches und darum auch Unwesentliches halten zu dürfen glaubt, immer leichter zu nehmen pflegt, und die natürliche Folge davon ist, daß uns auch derjenige, der mit diesem allem zu uns gekommen ist [...] selbst immer fremder und gleichgültiger wird“ (419).
Dieser Erosionsprozess führe dazu, dass man den Glauben selbst „als eine hemmende und beengende Fessel von sich zu werfen (zu dürfen glaubt), die des menschlichen Geistes auf der Stufe, auf welcher er jetzt steht, nicht mehr würdig zu sein scheint“ (421). Nach diesen Problematisierungen kommt Baur schließlich zu dem Ergebnis, dass es „auch jetzt keine andere Antwort als dieselbe, die der Herr dem fragenden Täufer gegeben hat“ (421) gebe. „Denn was wird uns hiermit anderes gesagt, als daß wo irgend ein Gebrechen zu heilen, einem Mangel abzuhelfen, ein Übel zu heben ist, das das menschliche Leben drückt, ein Bedürfnis zu stillen, nach dessen Befriedigung das menschliche Herz sich sehnt, er der Retter ist, mit welchem eine neue Zeit des Heils und Segens begonnen hat“ (421).
Nicht nur in dieser Predigt lässt sich als cantus firmus von Baurs Predigten die bleibende Angewiesenheit auf Gott und die vertrauensvolle Hingabe an das von außen kommende Heil benennen. Darin liegt das Bleibende, um „sich über den Grund und Inhalt seines christlichen Glaubens Rechenschaft zu geben, das Wahre und Wesentliche von dem Unwahren und Unwesentlichen zu scheiden, und darum auch Vorstellungen und Meinungen aufzugeben, die, so wichtig sie auch manchem zu sein scheinen, doch vor dem Lichte der denkenden Vernunft, die ja auch eine Gabe Gottes ist, nicht bestehen können.“ (423)
Der Glaube versteht sich vor dem Hintergrund der historischen Differenz auf die Konzentration auf die Gottesbeziehung, die seitens des Menschen von der Einsicht in die eigene Bedürftigkeit und das Vertrauen auf Gott geprägt ist. 31 Die folgenden Predigtzitate sind dem Anhang entnommen von ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6) mit den entsprechenden Seitenzahlen.
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Der Vorsehungsgedanke, d.h. die Vorstellung vom Wirken Gottes in der Geschichte ist insofern ein wichtiges Korrelat dieser Vertrauensbeziehung.32 Die von Baur hier wahrgenommenen Predigten aus dem Zeitraum seiner aktiven Predigttätigkeit zwischen 1815 und 1848 zeichnen sich durch diese Konzentration auf die Gottesbeziehung aus. Menschliche Erfahrungen in Geschichte und Gegenwart werden auf die ihnen gemeinsame existentiale Dimension der Bedürftigkeit fokussiert, während zugleich die Zusage des göttlichen Heils im Kommen des Retters zur Sprache kommt. Baur wirbt für Vertrauen in die Zusage von Heil und Segen. Seine Predigten sind von diesem werbenden Charakter her religiöse Reden. Diese Konzentration auf die Religion ist bei Baur erkennbar motiviert durch den wissenschaftlich zu nennenden Ansatz, „das Wahre und Wesentliche von dem Unwahren und Unwesentlichen zu scheiden“ (423). Zur Ausbildung dieser Differenzwahrnehmung seitens der Prediger aber trägt das theologische Studium nach Baur wesentlich bei.
2. „Vertrauen zur reinen Wissenschaft“33. Das theologische Studium und die Ausbildung historisch-kritischer Kompetenz In seiner Eigenschaft als Stiftsinspektor begrüßte Baur am 18. Oktober 1857 die Studierenden zum Wintersemester 1857/58.34 Diese Kasualrede für die Theologiestudierenden ist in ihrem Gesamtduktus eine harsche Kritik am gegenwärtigen Theologiestudium, präziser gesagt: an den Mentalitäten und Verhaltensweisen der zeitgenössischen Theologiestudenten im Unterschied zu früheren Generationen. Ob Baur die früheren Zeiten verklärt, sei dahingestellt. Man kann auch fragen, ob eine solche Kritik dem Kasus und den Adressaten angemessen ist. Interessant erscheint mir diese Rede insbesondere da, wo sie über das Wissenschaftsverständnis Baurs Auskunft gibt. Baur kritisiert die „verflachende[] Gleichförmigkeit“ (154), die „Mittelmäßigkeit“ (153), die sich nicht nur auf durchschnittliche Prüfungsleistungen bezieht, sondern vor allem eine Verschiebung der Fachinteressen betrifft. Philologie und Philosophie würden gegenwärtig gering geschätzt. „Man studiert jetzt mit Einem 32 Ausführlich zum Geschichtswirken Gottes vgl. ANDRAE, Baur als Prediger (s. Anm. 6), 198–252. Vgl. dazu auch W. GRÄB, Anerkannte Kontingenz: Schellings existenziale Interpretation des Johannesprologs in der Philosophie der Offenbarung, in: C. Helmer (Hg.), Biblical Interpretation. History, Context, and Reality, SBL, Atlanta 2005, 141–154. 33 F.C. BAUR, Rede bei dem Eintritt der Blaubeurener Promotion (s. Anm. 5),160. 34 Die Rede erschien in: Monatsschrift für die kirchliche Praxis 35 (1904).
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Wort nicht mehr Philosophie, man studiert nur noch Geschichte der Philosophie und auch diese so kompendiarisch als möglich.“ (156) Diese Entwicklung bringe nicht nur Nachteile für das Studium der Theologie, sondern „selbst für den künftigen Beruf des im Dienste der Kirche stehenden Geistlichen“ (ebd.). Beide, Philologie und Philosophie, seien jedoch gleichermaßen unverzichtbar „zur wissenschaftlichen theologischen Schriftkenntnis“ (157). An deren Stelle seien jedoch Dogmatik, Symbolik, Exegese getreten, die – und darin liege das Problem – „ohne tiefere Kenntnis der alten Literatur und der modernen Philosophie“ betrieben würden (157). „Solche theologische Aufsätze, wie sie jetzt im Seminar von Semester zu Semester produziert werden, voluminöse Abhandlungen, in welchen das gesamte Material bald von diesem bald von jenem Locus so umfassend dargelegt, über Augustin und Pelagius, über Anselm und Thomas, über Luther, Calvin und Zwingli so gründlich gehandelt, lange Stellen der symbolischen Bücher sogar memoriter zitiert und die betreffenden Schriftstellen mit aller Ausführlichkeit erörtert werden, solche Spezimina des theologischen Fleißes und des theologischen Wissens kannte die ältere Zeit, die Zeit meiner theologischen Studien noch nicht, die trotz ihrer längeren Dauer an Umfang und Inhalt des theologischen Wissens unstreitig der jetzigen weit nachstand. Es wäre alles dies ganz recht und gut, ginge nur nicht auch hier alles weit mehr in die Breite, als in die Tiefe, träte nur nicht der schon bemerkte Charakter gerade hier wieder hervor in der so großen Gleichförmigkeit und der so ermüdenden Monotonie dieser Arbeiten, in der steten Wiederholung desselben Fragen und Themen, wäre nur nicht die ganze Behandlung, besonders auch in allem, was die Erforschung der Schrift betrifft, oft eine so unkritische.“ (157)
Gewiss klingt hier die Ermüdung durch die Routine eines langjährigen Hochschullehrers mit. Zugleich aber wird das Missverständnis eines theologischen Studiums deutlich, dass dieses als „Ansammlung und Herbeischaffung des für die Prüfung nötigen Materials“ (159) kritisiert, weil eine solche Studie Haltung zum „knechtischen Zwang“ (160) werde, die der Wissenschaft entgegenstehe. „Entschlage man sich also nur aller jener kleinlichen, ängstlichen und niedrigen Gedanken, fasse man Vertrauen zur reinen Wissenschaft, lerne man sie vor allem um ihrer selbst willen achten und lieben, [...] wie sollte denn der, der sich das Zeugnis geben kann, seinen wissenschaftlichen Studien treu und gewissenhaft gelebt und in dieser Beschäftigung die reichste Befriedigung seines Geistes, die schönste Frucht seines Strebens gefunden zu haben, nicht auch offen und frei, ohne alle Furcht und Befangenheit, mit allem Vertrauen zu sich selbst, aller Gewißheit seines Selbstbewußtseins vor denen sich stellen, die Rechenschaft von ihm fordern über die Ergebnisse seiner Studien?“ (160)
Theologische Kompetenz wird von Baur offensichtlich vor allem als konsequente Zuwendung zur Wissenschaft verstanden. Vor diesem Hintergrund ist das eindringliche Plädoyer zugunsten von Philosophie und Philologie zu verstehen. Denn wissenschaftliche Theologie ist nach Baur wesentlich historischkritische Wissenschaft. Dieses Verständnis unterscheidet sich prägnant von
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„traditionellen Selbstdarstellungen von Theologie als dogmatischer Lehre“35. Den Hinweis auf die ,reine ދWissenschaft könnte man so interpretieren, dass der Gegenstandsbezug der Theologie, die Kirche bzw. Kirchenleitung bei Baur in den Hintergrund gerückt wird. Die funktionale Bezogenheit der Theologie auf die Kirche als Theorie der Kirchenleitung, wie sie in Schleiermachers Enzyklopädie als Integral für alle theologischen Disziplinen wirksam wird, findet sich bei Baur nicht. Mit Seitenblick auf seine Bemerkungen zur ,reinen ދHomiletik ist für die ,reine Wissenschaft ދzwar durchaus eine Reziprozitätsbeziehung von Glaube und Wissenschaft zugrunde zu legen. Ein Kirchenbezug im Sinne einer genaueren Kenntnis der konkreten Gottesdienstgemeinde war allerdings von ihm in seiner Bedeutung für die Predigt zurückgewiesen worden.
3. Rekonstruktion. Geschichtsdeutung als konstruktiver Prozess Die Geschichtstheorie Baurs ist bereits vielfach entfaltet worden. Im Kontext der Praktischen Theologie hat Christian Albrecht ein Verständnis von Praktischer Theologie als „historischer Kulturwissenschaft“ entwickelt, das in historischer Perspektive der Entdogmatisierung der Theologie durch ihre Bestimmung als radikal historische Wissenschaft bei Ferdinand Christian Baur eine Weichen stellende Bedeutung für die Praktische Theologie von Carl Immanuel Nitzsch zuweist.36 Zur historisch verfahrenden Selbstaufklärung des Protestantismus gehöre, so Albrecht im Anschluss an Baur „die historisch verfahrende Analytik und Diagnostik der je gegenwärtigen Kultur“37 konstitutiv dazu. Damit ist ein Beitrag zum Verständnis von Praktischer Theologie gewonnen, das die historische Rekonstruktion integriert. Als Konsequenz formuliert Albrecht drei Aspekte, die insofern über Baur hinausgehen, als sie sich insbesondere auf das praktisch-theologische Interesse einer „gegenwartsdiagnostische[n] Dimension protestantischer Selbstreflexion“38 beziehen, das bei Baur selbst ja so nicht im Blick war. Ein erster Aspekt ist die Etablierung einer kritischen Perspektive gegenüber gegenwärtigen Phänomenen im historischen Rekonstruktionsprozess. 35 F.W. GRAF, Ferdinand Christian Baur (1792–1860), in: Klassiker der Theologie, hg. von Heinrich Fries und Georg Kretzschmar, Bd. 2: Von Richard Simon bis Dietrich Bonhoeffer, München 1983, 89–110: 90. 36 Vgl. C. ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft (s. Anm. 1), darin: Kapitel IV: Entdogmatisierte Wahrnehmung religiöser Lebenswirklichkeiten. Zu den Wirkungen von Baurs Protestantismusdeutungen bei Carl Immanuel Nitzsch, aaO., 133–146. 37 ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft (s. Anm. 1), 130. 38 ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft (s. Anm. 1), 131
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„Diesen Phänomenen gegenüber hat sie Distanz zu wahren, also unvoreingenommen und sachlich zu bleiben; ihr historisches Bewußtsein realisiert sich darin, daß sie die Erscheinung des Gegenstandes nicht schon für dessen Wesen halten wird; sie bringt dem Gegenstand ein konstruktives und aufklärerisches Interesse entgegen usw.“39
Albrecht setzt in den historischen Rekonstruktionen den Akzent auf „die protestantischen Spuren in den Kulturerscheinungen“40, die im Untersuchungsvorgang ein erkenntnisleitendes Interesse bilden. Diese Spurensuche orientiert sich am ,protestantischen Prinzipދ, das in der Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche sowie in der Unterscheidung zwischen Idee und Erscheinung zum Ausdruck komme.41 In diesen Unterscheidungsleistungen kommt das protestantische Prinzip als kritisches Prinzip zum Vorschein, das auch die biblischen Texte mit einschließt. „Zum Prinzip des Protestantismus gehört daher die konsequente Anwendung der historischen Kritik auf die biblischen Schriften. Den Gegnern der historischen Kritik hält er folglich die Frage entgegen, ob es denn ,consequent [sei], oder durch das Princip des Protestantismus auf irgend eine Weise zu rechtfertigen, mit der Durchführung des kritischen [...] Prinzips des Protestantismus zwar bis zur Schrift vorzugehen, vor der Schrift selbst aber einen so guten Stillstand zu machen, und nicht auch in Beziehung auf die Schrift zu fragen, ob nicht auch hier vielleicht irgendetwas menschlich traditionelles vom göttlichen Inhalt der Schrift zu sondern istދ. Das Verfahren der Kritik als der ,oberste Grundsatz des Protestantismusދ schließt jedenfalls solche Restriktionen aus.“42
Der zweite Aspekt, den Albrecht nennt, sei die „ideengeleitete Analytik gegenwärtiger Verhältnisse, Zustände und Phänomene“43. Albrecht bezieht sich hier insbesondere auf die in der Geschichtstheorie Baurs zur Geltung kommende Differenzwahrnehmung von historischer Faktizität und Geschichtsdeutung. „Die leitende Idee protestantisch-selbstaufklärerischer Gegenwartsdiagnostik besteht dabei darin, daß sie einen Zusammenhang zwischen kulturellen Wandlungsprozessen bzw. Gegenwartsphänomenen einerseits und andererseits genuin protestantischen Wurzeln bzw. Wirkungen in diesen voraussetzt.“44 Darauf, dass die Eintragung einer Idee nicht zugleich das Einfallstor für subjektive Willkür in der Geschichtskonstruktion bedeutet, ist verschiedentlich hingewiesen worden.45 Ohne eine spekulative Idee ist eine his39 Ebd. 40 Ebd. 41 Vgl. dazu ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft (s. Anm. 1), 101–104. 42 J. LAUSTER, Prinzip und Methode. Die Transformation des protestantischen Schrift-
prinzips durch die historische Kritik von Schleiermacher bis zur Gegenwart, HUTh 46, Tübingen 2004, 118 mit Zitat BAUR, Abgenöthigte Erklärung (s. Anm. 19), 305. 43 ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft (s. Anm. 1), 131. 44 Ebd. 45 Klaus Scholder hat auf Parallelen zu Wilhelm von Humboldts Aufsatz „Über die Aufgabe des Geschichtsschreibers“ (1821) hingewiesen. (ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft [s. Anm. 1], 84.) Christian Albrecht dagegen argumentiert, dass bei Baur explizit der
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torische Rekonstruktion, so Baur, nicht möglich. „[S]ie bildet deren Kernstück, nämlich die sinnrekonstruierende Verinnerlichung objektiver Geschichtsabläufe durch das Subjekt“46. Die Verbindung von subjektiven und objektiven Aspekten in der Rekonstruktion von Geschichte, und zwar insbesondere der individuellen Biografie, ist ein zentrales Thema der Praktischen Theologie, dem weiter nachzugehen ist. Als dritten Aspekt, der mit dem zweiten eng verknüpft ist, nennt Albrecht das spekulative Verfahren protestantisch-selbstaufklärerischer Gegenwartsdiagnostik: „Sie unterstellt den Phänomenen gegenwärtiger Gesellschaftskultur Sinnzusammenhänge, und sie unterstellt, daß diese Sinnzusammenhänge dem rekonstruierenden Bewußtsein sichtbar gemacht werden können. Wie im Bereich historischer Forschung überhaupt, so gilt auch für die nach deren Grundsätzen verfahrende protestantische Gegenwartsdiagnostik, daß das spekulative Element in ihnen ein alle Willkürlichkeit kontrollierendes Element ist. Seine methodische Funktion besteht darin, die rekonstruierten Verhältnisse als für das individuelle Bewußtsein und durch das individuelle Bewußtsein vermittelte, begründbare Möglichkeiten objektivierter Einheit und objektivierter Zusammenhänge vorzustellen.“47
Damit ist ein wesentlicher Impuls Ferdinand Christian Baurs für die gegenwärtige Praktische Theologie angesprochen, der nicht etwa eine ihrer Teildisziplinen, sondern das enzyklopädische Selbstverständnis der Praktischen Theologie insgesamt betrifft und sich dann auch in der Gestaltung und Arbeitsweise ihrer Teildisziplinen niederschlägt.
4. Impulse für die Praktische Theologie Die historisch-kritische Methode, wie sie von Ferdinand Christian Baur grundlegend entfaltet worden ist, schärft zum einen die Wahrnehmung der Differenz zwischen Idee und Erscheinungsform und verweist zum anderen auf die Geschichte. Im Unterschied zu Schleiermacher spricht Baur von der Theologie als reiner Wissenschaft, deren Zweck nicht die Kirchenleitung ist, sondern die dann eher die Erscheinungsformen des Religiösen in den Blick zu nehmen und diese an die Idee des Unbedingten rückzubinden hätte. Noch einmal ist festzuhalten, dass Ferdinand Christian Baur keinen expliziten Beitrag zur zeitgenössischen Praktischen Theologie leistet. Will man Baurs Impulse für die gegenwärtige Praktische Theologie beschreiben, so liegt auf der
Hinweis auf Philipp Konrad Marheinekes Schrift ,Universalkirchenhistorie des Christenthums ދbegegnet. Vgl. ALBRECHT, aaO., 84 mit Hinweis auf P.K. MARHEINEKE, Universalkirchenhistorie des Christenthums. Grundzüge zu academischen Vorlesungen, Erlangen 1806. 46 ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft (s. Anm. 1), 85f. 47 ALBRECHT, Historische Kulturwissenschaft (s. Anm. 1), 131f.
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Hand, dass diese sowohl eklektisch als auch subjektiv ausgewählt sind und nur thetischen Charakter haben. 4.1. Vermittlung von Wissenschaft und Glaube. Die Gottesbeziehung als Mitte der Predigt Die homiletischen Notizen und die implizite Homiletik, wie sie in Ferdinand Christian Baurs Predigten deutlich wird, weisen darauf hin, dass die wissenschaftliche Theologie eine unverzichtbare Funktion für den individuellen Glauben hat. Das wird insbesondere in der Homiletik augenfällig. Die Aufgabe der Predigt als öffentliche religiöse Rede ist die Deutung von Erfahrung. Menschliche Erfahrungen werden in der Predigt exemplarisch aufgenommen und in einem ersten Schritt als Erfahrungen menschlicher Bedürftigkeit zur Sprache gebracht. In einem weiteren Schritt werden diese Erfahrungen auf die Dimension des Göttlichen hin orientiert. Die Erfahrung der Angewiesenheit wird als zentrale menschliche Grunderfahrung in den Mittelpunkt der Predigt gerückt und für das Vertrauen auf das Göttliche geworben. Dieses Verfahren ist nicht im Sinne einer Methodik zu verstehen, als vielmehr eines homiletischen Verfahrens, dass die Predigtaufgabe als ganze orientiert. Die Predigt ist somit nicht nur als Vermittlung von Lehrinhalten angemessen zu beschreiben, sondern sie ist wesentlich Lebensauslegung, die zu diesem Zweck auf christliche Symbole und Narrative zurückgreift und darin Deutung von Lebenserfahrung, die in der Referenz auf Gott als unbedingtem Sinnhorizont Kontingenz zu bewältigen sucht. Es liegt auf der Hand, dass wir es hier mit einem für die gegenwärtige Homiletik anschlussfähigen Konzept zu tun haben. Hatte die Homiletik der Wort-Gottes-Theologie die Lehrinhalte der Predigt ins Zentrum gerückt, so wurde mit Ernst Lange der Situationsbezug prinzipiell leitend: „Predigen heißt: Ich rede mit dem Hörer über sein Leben. Ich rede mit ihm über seine Erfahrungen und Anschauungen, seine Hoffnungen und Enttäuschungen, seine Erfolge und sein Versagen, seine Aufgaben und sein Schicksal. [...] Ich rede mit dem Hörer über sein Leben nicht aus dem Fundus meiner Lebenserfahrung, meiner größeren Bildung, [...] Ich rede mit ihm über sein Leben im Licht der Christusverheißung, wie sie in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Und das heißt letztlich: Ich rede mit ihm aufgrund von biblischen Texten.“48
Der ambivalente Charakter lebensweltlicher Erfahrungen rückt in das Zentrum der Predigt. Hier gilt es insbesondere ihr „Spannungspotential“49, wie es bei Ernst Lange in der Gegenüberstellung von Verheißung und Erfüllung 48 E. LANGE, Zur Aufgabe christlicher Rede (1968), in: Predigen als Beruf. Aufsätze zu
Predigt, Liturgie und Pfarramt, hg. und mit einem Nachwort versehen von R. Schloz, München 21987, 52–67: 58–62. 49 So W. ENGEMANN, Einführung in die Homiletik, Tübingen 22011, 291.
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prägnant zum Ausdruck kommt, hervorzuheben, „eine Spannung, die nicht nur allgemein die Grundsituation des Glaubens mitbestimmt, sondern sich auch in konkreten Einzelerfahrungen niederschlägt. An dieses Spannungspotential muss eine Predigt anknüpfen um Kommunikation des Evangeliums im konkreten Bezug auf Situationen sein zu können.“50 Die Funktion des biblischen Textes liegt darin, Potenzial bereitzustellen, um die christliche Botschaft zu profilieren. „Das Verfahren, dem sie folgt, ist dann das einer solchen Interpretation der biblischen Texte, die das Sich-selbst-in-den-Texten-Verstehen ermöglicht. Eine solche Exegese, die man auch eine existenziale nennen kann, verbindet die historisch-kritische Auslegung des biblischen Textes mit einer auf seinen religiös Sinn stiftenden Gehalt abhebenden Verstehensbemühung.“51
Die bei Baur zum Ausdruck gebrachte enge Bezogenheit von Wissenschaft und Leben und das religionsproduktive Potential einer historisch-kritischen Betrachtungsweise biblischer Texte stellen für die gegenwärtige Homiletik unverzichtbare Einsichten dar. Anders als dies selbstverständlich bei Baur im Blick sein konnte, ist in der Gegenwart die Pluralität der Deutungskonzepte stärker zu berücksichtigen, mit denen in der Predigt dialogisch zu verfahren ist. In diesem Sinne ist die gegenwärtige Predigt als eine überzeugungsinteressierte Verständigungsbemühung der Lebensbedeutsamkeit des Christentums in einer pluralen Gesellschaft zu orientieren.52 4.2. Theologisches Studium als Bildung zur Selbstbildung Die Aussagen in der Ansprache an die Studierenden Baurs sind Anlass bezogen und momenthaft. Sie können nicht zu weitgehend ausgedeutet werden. Sie stimmen allerdings zusammen mit einem akademischen Bildungsverständnis, das zum einen die Bedeutung der biblischen Schrift für die Theologie als unverzichtbar behauptet, zum anderen den Zweck des wissenschaftlichen Studiums nicht in der Aneignung kanonischer Lehrinhalte sieht, sondern vielmehr das Ziel des theologischen Studiums darin sieht, Zugang zu ihrem Selbstverständnis als historisch-kritische Wissenschaft zu finden. Die Zielbestimmung Baurs ist ganz konkret vor dem Hintergrund seiner Theologie zu verstehen und den von ihm als wesentlich ausgearbeiteten Einsichten. Sie stimmt aber auch zusammen mit dem neuhumanistischen Bildungsgedanken, 50 Ebd. 51 W. GRÄB, Predigtlehre. Über religiöse Rede, Göttingen 2013, 85f. Mit Hinweis auf
Rudolf Bultmanns Verfahren einer existentialen Interpretation. 52 Vgl. dazu B. WEYEL, Die Predigt als religiöse Persuasion, in: C. Landmesser/A. Klein (Hg.), Der Text der Bibel. Interpretation zwischen Geist und Methode, Neukirchen-Vluyn 2013, 117–130.
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wie er etwa in der Neugestaltung der Berliner Universität prägnanten Ausdruck fand. Demnach zielt das akademische Studium auf die Entwicklung und Freisetzung geistiger Denkleistungen, die in einem vom Diktat unmittelbar zweckhafter Interessen befreiten Geistesklima ausgebildet und gefördert werden können. Friedrich Schleiermacher hat in seiner Schrift, Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinne53, grundlegende Überlegungen dargelegt, die insbesondere auf eine systemische Beziehung zwischen Gymnasium, Universität und Akademie als aufeinander aufbauende und sich wechselseitig voraussetzende Bildungsinstitutionen zielte. Wenn man auch davon ausgehen kann, dass das akademische Studium in Tübingen in den 1840er Jahren nicht nur von Vorlesungen geprägt war, sondern auch Seminarformen integrale Bestandteile des Studiums waren, so zeigt sich hier ein Problem eines Studiums, das weniger als forschendes Lernen die Verankerung wissenschaftlicher Denkungsart und die Schärfung des Urteilsvermögens zum Gegenstand hat, als vielmehr auf die Reproduktion von Wissensbeständen zielte. Wenn auch im Kontext der Bildungsreformen dieser Zeit gewisse Maßnahmen getroffen werden konnten, um diese Ziele zu erreichen, etwa indem ein diskursiver argumentativer Seminarstil und die selbständige Anfertigung schriftlicher Arbeiten durch intensives Bibliotheksstudium eingeführt wurden, so bleibt doch die in diesem Sinne beschriebene Funktion der Universität eine auf Dauer gestellte Reflexionsperspektive, die kritisch gegenüber Funktionalisierungen und Verflachungen von Bildungsprozessen in Anspruch zu nehmen ist.54 4.3. Historische Rekonstruktionsprozesse als Impulse zur Bildung einer Praktischen Theologie der gelebten Religion Beispiele für die hohe Relevanz des Konzepts der Rekonstruktion für Teilbereiche der Praktischen Theologie finden sich exemplarisch in der Kasualtheorie und der Seelsorgelehre. In der Kasualtheorie wird zum einen die Bedeutung der Kasualien als biographische Schwellenrituale betont, zum anderen aber auch die sich in diesem Zusammenhang ergebende Notwendigkeit, die Biographie der im Mittelpunkt der Kasualie stehenden Personen bzw. der Personen zu thematisieren. Sowohl die Seelsorge als auch die Predigt bieten Gelegenheiten, die Lebensgeschichte aus der Perspektive des christlichen 53 F. SCHLEIERMACHER, Gelegentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinne. Nebst einem Anhang über eine neu zu errichtende (1808), in: E. Anrich (Hg.): Die Idee der deutschen Universität. Die fünf Grundschriften aus der Zeit ihrer Neubegründung durch klassischen Idealismus und romantischen Realismus, Darmstadt 1964, 221–293. 54 Vgl. ausführlich zu diesem Thema B. WEYEL, Praktische Bildung zum Pfarrberuf. Das Predigerseminar Wittenberg und die Entstehung einer zweiten Ausbildungsphase evangelischer Pfarrer in Preußen, BHTh 134, Tübingen 2006, bes. 51–55.
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Glaubens zu deuten. Die Lebensgeschichte ist zum „Leitmotiv[-]“ der Kasualtheorie avanciert.55 Insbesondere Joachim Matthes hat auf die Relevanz der Rekonstruktionsarbeit hingewiesen, die ein eigenes volkskirchliches Teilnahmeverhalten begründet.56 Dass Geschichtsdeutung eine Rekonstruktionsleistung ist, die sowohl eine historische als auch eine kritische Dimension besitzt, ist eine zentrale Einsicht von Ferdinand Christian Baur, die für die Praktische Theologie von prinzipieller Bedeutung ist. Die Praktische Theologie ist bezogen auf gegenwärtige Phänomene religiöser Praxis, kann diese jedoch nur dann angemessen beschreiben, wenn sie historisch verfährt. Dieser Zusammenhang zwischen gegenwartsbezogener Analyse und historischer Forschung findet sich etwa bei Paul Drews entfaltet. Drews hält zum einen daran fest, dass Praktische Theologie „Bildung auf das Gegenwärtige“57 leisten muss: „Alles soll hinziehen auf die Gegenwart, auf die Aufgaben, die Nöte, auf das Verständnis der Gegenwart“58, zum anderen hat die historische Wissenschaft eine unverzichtbare Bedeutung für die Praktische Theologie. Historische Wissenschaft aber leistet allerdings nur dann einen produktiven Beitrag zur Theologie, wenn sie ihre Tendenz zum „Antiquarischen“59 zugunsten der Gewinnung eines Verständnisses führ das Gewordensein gegenwärtiger Phänomene überwindet. Auch Wilhelm Bornemann bringt in seiner 1886 anonym erschienenen Schrift „Die Unzulänglichkeit des theologischen Studiums der Gegenwart“ Überlegungen zur einer Neuorientierung der Praktischen Theologie zur Geltung, die diese stärker auf die gegenwartsbezogenen Fragen hin orientieren will, um die Situation des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels angemessener in der Theoriebildung berücksichtigen zu können. Die Pointe liegt dabei gerade darin, dass Praktische Theologie empirisch begründet und zugleich die histori-
55 Vgl. K. FECHTNER, Kirche von Fall zu Fall. Kasualpraxis in der Gegenwart – eine
Orientierung, Gütersloh 2003, 40. 56 Vgl. J. MATTHES, Volkskirchliche Amtshandlungen, Lebenszyklus und Lebensgeschichte. Überlegungen zur Struktur volkskirchlichen Teilnahmeverhaltens, in: ders. (Hg.), Erneuerung der Kirche. Stabilität als Chance? Konsequenzen aus einer Umfrage, Gelnhausen 1975, 83–112. „Es gibt eine Form volkskirchlichen Teilnahmeverhaltens, die sich vornehmlich auf die Amtshandlungen, aber auch auf solche gottesdienstlichen Veranstaltungen bezieht, die einen besonderen Stellenwert im Lebenszyklus und Jahresrhythmus haben und darin soziokulturell abgestützt sind. Für das Selbstverständnis derer, die dieses Verhalten zeigen, gilt dieses Verhalten als ‚normal‘; sie kommen bei den genannten nicht nur ‚malދ, sondern ‚überhaupt ދzur Kirche.“ (110) 57 P. DREWS, Das Problem der Praktischen Theologie. Zugleich ein Beitrag zur Reform des theologischen Studiums, Tübingen 1910, 8. 58 DREWS, Das Problem der Praktischen Theologie (s. Anm. 57), 11. 59 Ebd.
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sche Rekonstruktion in diesen Empiriebegriff integriert wird.60 Die starke religionsgeschichtliche Ausrichtung der wissenschaftlichen Religionsforschung um 1900, die klassische Religionstheorien61 hervorgebracht hat, basiert wesentlich auf den Einsichten eines historisch-kritischen Zugangs zur Gegenwart. Die historische Rekonstruktion leistet einen Beitrag zum Verständnis gegenwärtiger Phänomene. „Die historische Ausrichtung verdankte sich der Einsicht, daß die gesellschaftlichen Institutionen, also auch die Religion nur in ihrer historischen Dimension zu begreifen sind. Das Interesse hinter der Geschichtsforschung lag jedoch darin die eigene gesellschaftliche und kulturelle Lage in ihrer Genese zu verstehen.“62 Historisierung und Empirisierung der Religionsforschung sind somit keine voneinander unabhängigen Tendenzen, sondern wechselseitig aufeinander bezogen. „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Historisierung und Empirisierung der Religionsforschung unter dem Einfluss der Frage nach der eigenen Situation paradoxerweise dazu führte, nach in Varianten und elementaren Gesetzmäßigkeiten sowie nach Wesensbestimmungen von Religion zu suchen: die historische ,Tatsachenforschung ދwandelte sich zu einer Wissenschaft, die Entstehungs- und Strukturgesetze aufstellte.“63
In dieser für die Disziplingeschichte wichtigen Schwellenzeit um 1900 wird durch ethnologische Verfahren beides miteinander verbunden. Ethnographie, die Beschreibung persönlicher religiös gedeuteter Erfahrung durch Quellen wie Tagebuch, Interviews und Memoiren, bringt je individuelle Formen des Religiösen, als auch ihre jeweiligen Entstehungszusammenhänge zum Vorschein. „Sie [sc.: individuelle Erzählungen] bleiben wie die Deutungen religiösen Erlebens an die gesellschaftlich vermittelten Zeichen, Bilder und Texte verbunden, werden über jene gedeutet und mitgeteilt.“64 Der Begriff der ,gelebten Religionދ, der zum Leitbegriff einer empirischen Praktischen Theologie avancierte65, löst eine praktisch-theologische Theoriebildung ab, die 60 Vgl. zu diesem Zusammenhang WEYEL, Praktische Bildung zum Pfarrberuf (s. Anm.
54), bes. 192–211, VI.1. Die tausend neuen Aufgaben und Forderungen der Kultur der Gegenwart. Wilhelm Bornemann und die Modernisierung der Theologie; VI.2. Bildung für das Gegenwärtige (Paul Drews). 61 Vgl. die Auswahl bei: V. Drehsen/W. Gräb/B. Weyel (Hg.), Kompendium Religionstheorie, utb 2705, Göttingen 2005. 62 V. KRECH, Wissenschaft und Religion. Studien zur Geschichte der Religionsforschung in Deutschland 1871–1933, Religion und Aufklärung 8, Tübingen 2002, 53. 63 KRECH, Wissenschaft und Religion (s. Anm. 62), 59. 64 A. TREIBER, „Gelebte Religion“, „Religiöse Kultur“ als volkskundlich-kulturwissenschaftliches Forschungsfeld. Von historischen Deutungsmustern, Sinnzuschreibungen und gegenwärtigen Konzepten, in: B. Weyel/W. Gräb/H.-G. Heimbrock (Hg.), Praktische Theologie und empirische Religionsforschung, VWGTh 39, Leipzig 2013, 41–64: 55. 65 Vgl. dazu A. Grözinger/G. Pfleiderer (Hg.), „Gelebte Religion“ als Programmbegriff Systematischer und Praktischer Theologie, Christentum und Kultur 1, Zürich 2002.
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ihre Theorie aus der Entfaltung dogmatischer Inhalte bzw. Begriffe gewinnt, da sie den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel mit seinen Rückwirkungen auf die gelebte Religion immer schon mitdenkt.66 Auch wenn diese Anschlüsse an das Geschichtsverständnis von Ferdinand Christian Baur nur selten explizit herausgearbeitet worden sind67, so fußen sie doch maßgeblich auf dessen Entfaltung einer historischen Kritik, die eine ideengeleitete und damit dezidiert rekonstruktive Leistung der historischen Forschung zum Verständnis des Gegenwärtigen beiträgt. Dieses rekonstruktive Potential lässt sich auf der Theorieebene in Anschlag bringen, wenn es darum geht, die ,gelebte Religion ދund die Genese ihrer lebensweltlichen Einbettungszusammenhänge nachzuzeichnen.
66 „Sie [die Praktische Theologie] muss die Kulturbedeutung der Religion beschreiben
können, sowohl in der Binnenperspektive des religiösen Verhältnisses, also im Nachvollzug der ,Frommenދ, wie von außen, in der Beobachterperspektive, in der ihre funktionale Betrachtung möglich wird.“ Vgl. W. GRÄB, Praktische Theologie, in: ders./B. Weyel (Hg.), Handbuch Praktische Theologie, Gütersloh 2006, 174–199: 192f. 67 Eine Ausnahme stellt die Monographie von Christian Albrecht dar (s. Anm. 1).
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Stefan Alkier, Professor für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Martin Bauspieß, 2006–2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Eberhard Karls Universität Tübingen, seit 2014 Pfarrer in Unterhausen und Honau (Dekanat Reutlingen) Prof. Dr. Volker Henning Drecoll, Professor für Kirchengeschichte mit Schwerpunkt Alte Kirche an der Eberhard Karls Universität Tübingen
Prof. Dr. Jörg Frey, Professor für neutestamentliche Wissenschaft mit Schwerpunkt antikes Judentum und Hermeneutik an der Universität Zürich Daniel Geese, 2008–2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Eberhard Karls Universität Tübingen, seit 2014 Pfarrer in Schietingen und Vollmaringen (Dekanat Nagold) Dr. Anders Gerdmar, Associate Professor in New Testament exegesis at Uppsala University, and president of Scandinavian School of Theology, Uppsala, Sweden
Prof. Dr. Ulrich Köpf, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Eberhard Karls Universität Tübingen Prof. Dr. Christof Landmesser, Professor für Neues Testament mit Schwerpunkt Paulus und die Paulusschule, Hermeneutik und Theologie des Neuen Testaments an der Eberhard Karls Universität Tübingen Dr. David Lincicum, G. B. Caird Fellow in Theology, Mansfield College, and Associate Professor of New Testament Studies, University of Oxford
Rev. Robert Morgan, Emeritus Fellow of Linacre College, University of Oxford and Priest-in-Charge at Sandford-on-Thames
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Birgit Weyel
Dr. James Carleton Paget, Senior Lecturer in New Testament Studies at the University of cambridge, and Fellow and Tutor of Peterhouse Prof. Dr. Notger Slenczka, Professor für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Dogmatik an der Humboldt-Universität Berlin PD Dr. Martin Wendte, 2004–2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Eberhard Karls Universität Tübingen, seit 2013 Studienassistent am Pfarrseminar der Evangelischen Landeskirche in Württemberg Prof. Dr. Birgit Weyel, Professorin für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Seelsorgelehre und Pastoraltheologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen Dr. Johannes Zachhuber, Fellow in Theology, Trinity College, and Associate Professor of Modern Theology, University of Oxford
Stellenregister Altes Testament (MT und LXX) Genesis 49,3f.
45
Jesaja 66,1
120
Zweites Buch der Chronik 6,18 120 Zweites Makkabäerbuch 2,1 110 4,13 110
Neues Testament Matthäusevangelium 3,7–12 215 7,12 223 10,23 283 11,27 401 19,28 282 21,19 33 Markusevangelium 1,13 215 1,25 215 10,37 282 10,40 282 11,13f. 33 Lukasevangelium 1–2 212 8,4–15 412 9,1–6 210 10,1–12 210 10,17 211 10,55f. 210
Johannesevangelium 1,14 255 1,18 243 1,32 30 1,49f. 243 2,12f. 30 3,3 240 3,5 240 3,12 243 4,24 243 5 244 5,2 119 5,24 246 5,26 243 5,28f. 247 6 244 6,16f. 243 6,40 247 6,44 247 6,54 247 6,62 245 7,15 243 8,59 243 10,39 243 11,51 237 12,20–36 30 12,20–32 412 12,20 237 12,32 244 13 31 14,16f. 244 14,18–23 244 14,18f. 244 14,23 244, 247 16,16–19 244 17,2 246 17,24 255 18,13 237 18,15 237 19,13 119 19,17 119 19,20 114, 119 20 244
428 20,16
Stellenregister 119
Apostelgeschichte 1,8 174 1,14 117 1,15 117 2,1 117 2,44 117 2,46 117 2,47 117 4,24 117 4,26 117 5 302f. 5,12 117 6,1–8,1 109 6f. 173 6,1–15 114 6,1–6 108, 117 6,1 114, 116, 117, 118, 119, 127 6,5 118 6,9 114 6,11 119 8 119 7 119, 120 7,2–53 117 7,54–8,3 114 7,38 119 7,51 120 7,53 119 8,1 119, 120, 121, 174 9,29 114, 116 10,28 121 11,2 114 11,17 114 11,18 114, 121 11,19f. 109, 119, 120 11,20 114, 116 11,26 116 13,17–25 117 14,1 115 15 363 18,4 115 19,10 115 19,17 115 20,21 115 21,8 118 21,40 119 22,2 119 22,14 119
Römerbrief 1,18–3,20 3,21–8,39 3,21 3,26 4,24f. 5,9 5,11 5,12 6–8 8 8,1–11 8,38f. 9,30 9–11
188, 194 190 181, 189 181 192 181 181 189 189 194 181 34 187 187, 189
Erster Korintherbrief 1f. 189 1,11 178 1,12 80, 178 2,7 190 9,1 180 9,7f. 211 10,27 211 12 192 15 194 15,8 180 Zweiter Korintherbrief 3 184 3,6 180 3,17 185, 191 5,1–10 194 5,11–6,2 181 5,11–21 180 5,14 192 5,15 180 5,16 180, 181, 182, 348 5,18 180 6,2 181 11,5 182 11,13 182 11,22 119 12,11 182 Galaterbrief 1 1,15f. 2 2,9
170 175, 184, 191 170, 363, 374, 378, 379 237
429
Stellenregister 2,11–14 2,11f. 2,20 4,1–11 4,4
381 177 181, 192 177 314
Philipperbrief 3,5
119
Erster Thessalonicherbrief 348 Zweiter Thessalonicherbrief 348 Offenbarung 16,16
119
Außerbiblische Quellen
Eusebius Historia Ecclesiastica II 15 215 III 27 184 III 39 215 III 39,16 219, 239 IV 26 241 VI 14 215 VI 14,7 229 Pseudoclementinen 381 Tertullian Adversus Marcionem I 1,5 208 Pagane Schriftsteller Aischylos In Ctesiphontem 3.172 115
Christliche Schriftsteller Clemens Alexandrinus Stromateis II 9,45 239 Irenaeus Adversus Haereses I 26,2 184 Justin Apologia I 61
Aristoteles Rhetorica 1407a 19 Platon Menoxagoras 82b Protagoras 328a Timaios 21e
115
115 115 115
240 Xenophon Anabasis
115
Autorenregister Abbott, E. 345 Achtemeier, P. 91 Aland, B. 252 Aland, K. 252 Albrecht, C. 58, 161, 162, 403, 414–416 Alkier, S. 101, 163–164, 286, 290, 295, 300, 309, 311 Allen, E. L. 376 Altholz, J. L. 351, 367 Anderson, P.N. 253 Andrae, C. 129, 157, 405–408, 410–412 Andrews, M. 95 Anglet, K. 247 Anselm, R. 54 ApRoberts, R. 363 Arnold, M. 363–364 Aubert, R. 63 Aune, D. 91 Bahnmaier, J. F. 405 Baird, W. 95 Ballenstedt, H. C. 230 Bar-Kochva, B. 117 Barclay, J. M. G. 117 Barnikol, E. 5, 8, 19, 24–29, 33, 43, 129, 164, 198, 247, 285–286, 295, 406 Barr, D. L. 91 Barrett, C. K. 272, 351, 359, 361, 376–377 Barth, K. 265, 284 Barth, U. 162 Bauer, B. 232 Bauer, G. L. 242, 263 Bauer, W. 256 Baumeister, F. C. 314 Baumgarten-Crusius, L. F. O. 236 Baur, F. 3–5, 7–12, 14–18, 21–23, 28–43, 56–57, 64–71, 77–86, 95–101, 110, 122, 124, 126–127, 129, 131–159, 161, 163– 193, 195, 197–224, 227, 234–248, 257, 259, 262, 265, 269–270, 272, 274, 276– 277, 279, 280, 285, 292–293, 295, 297– 308, 317–319, 321–326, 328–329, 337– 339, 341, 349–350, 352, 355, 362–364,
372, 375, 378, 387–390, 404–405, 408, 412–413, 415 Bauspiess, M. 163, 169, 200 Bayle, P. 162 Berding, K. 91 Berger, K. 164, 252, 293 Betz, H. D. 111 Beutel, A. 410 Beyschlag, K. 391 Bichler, R. 110 Black, C. 92 Black, D. 91 Bleek, F. 249 Blomberg, C. 91 Bockmuehl, M. 379 Bockshammer, G. F. 144 Boring, E. 92 Boyce, W. 365 Brandon, S. G. F. 372 Bretschneider, C. T. 230 Broer, I. 92 Bron, B. 295 Bruce, A. B. 274, 364, 374 Bulloch, J. 364 Bultmann, R. 93, 107, 111, 164, 190, 205, 266–267, 280, 305–306, 308 Burge, G. 91 Burkett, D. 91 Burton, E. 339 Busse, U. 230 Call, W. M. W. 355 Campbell, D. 379 Campbell, L. 345 Carleton Paget, J. 101, 379 Carpenter, S. C. 356, 358 Carson, D. 91 Carter, W. 92 Cassels, W. R. 358 Chadwick, O. 358, 365 Charles, J. D. 91 Childs, B. 93, 104 Clark, E. 101, 360
431
Autorenregister Cohick, L. 91 Coleman, A. M. 372 Combet-Galland, C. 92 Conybeare, W. J. 343 Conzelmann, H. 120 Cooper, T. 350 Court, J. M. 378 Courth, F. 161, 164 Cousar, C. 91 Credner, K. A. 231 Creuzer, F. 318 Creuzer, G. F. 7 Crowther, M. A. 336 Crump, D. 91 Cuvillier, E. 92 Davidson, S. 341, 342, 353, 355, 366–367 Davis, J. R. 338 Davison, W. T. 350, 355 de Maistre, J. 58, 59 de Wette, W. M. L. 110, 165, 186, 229, 235, 242 Delitzsch, F. 94 Dempster, A. H. 336 deSilva, D. 91 Dettwiler, A. 92 Deuser, H. 286, 291, 310 Dewar, E. H. 336 Dilthey, W. 164 Dobbin, O. T. 340 Dodd, V. A. 336, 349 Donaldson, J. 353, 355 Donoso Cortés, J. 58, 59, 60 Dörner, C. H. 321 Drane, J. 91 Drews, P. 420 Droysen, J. G. 125, 386 Drummond, A. L. 364 Drummond, R. 348 Duling, D. C. 91 Dunn, J. D. G. 378 Easley, K. H. 91 Ebner, M. 92 Eden, G. R. 370 Ehrman, B. 92 Eichhorn, J. G. 209 Elbogen, I. 125 Ellis, E. 373–374 Ellis, I. 353
Elwell, W. 92 Engemann, W. 417–418 Eschenmayer, C. A. von Evanson, E. 230 Ewald, H. 214, 216, 249
14
Fackenheim, E. L. 315 Farrar, F. W. 366–367 Fechtner, K. 420 Feldman, L. H. 112 Fichte, J. G. 229, 288 Fraedrich, G. 139, 140, 146, 153, 158, 316 Frank, O. 136 Franz, M. 134 Frey, J. 219, 229–230, 233, 242, 253–257 Friedrich, P. 124, 131 Fuller, R. 93, 95, 196, 207, 214, 216, 272 Furnish, V.P. 273 Gabler, J. P. 98, 263 Gasque, W. 373 Geiger, W. 77–78, 84, 123, 126, 129, 148, 155, 158, 163–164, 197, 221–223, 316, 383 Gerdmar, A. 109–111, 113, 116, 121, 125, 322 Gieseler, J. C. L. 130–131, 136 Glover, W. B. 336, 349 Goguel, M. 251 Goodspeed, E. J. 99 Goulder, M. D. 107, 333, 378 Gräb, W. 412, 418, 422 Grabbe, L. L. 112 Graf, F. W. 76, 78, 81–82, 84, 86, 144, 146, 150, 160, 162, 164, 167, 195, 199, 223, 414 Grässer, E. 182 Green, G. 91 Green, J. 91 Green, T. H. 346 Griesbach, J. J. 214 Grözinger, A. 409 Grundmann, W. 111 Guernsey, A. H. 101 Gundry, R. 92 Haenchen, E. 117 Hagner, D. 92 Hahn, A. 208 Hahn, G. L. 261
432
Autorenregister
Hale, E. E. 102 Harnack, A. von 127, 271–273, 323, 369, 391–399, 401 Harris, H. 95, 123, 164, 316, 334, 338–339, 343, 345, 350, 362, 373–375, 377 Harris, S. 92 Harrisville, R. 95, 127 Hartlich, C. 12, 231 Hase, K. 222, 285, 298 Headlam, A. C. 370, 381–382 Heckel, U. 92 Hegel, G. W. F. 150–151, 153, 319, 326, 329 Heidegger, M. 305 Heitmüller, W. 107, 111, 121, 127 Hengel, M. 108, 111–114, 116, 233, 359– 360 Hengstenberg, E. W. 19–21, 249 Hennell, C. C. 353 Herder, J. G. 229 Heschel, S. 122, 126 Hester, C. 123, 125, 316 Hetherington, H. 350 Heydenreich, A. L. C. 179 Hilgenfeld, A. 249, 255, 256 Hill, C. C. 109 Hinchcliff, P. 346, 361 Hirsch, E. 75, 79, 199–200, 272 Hodgson, P. C. 76, 85, 95, 97, 123, 148, 160–161, 164, 196, 198, 223, 269, 316, 318, 375, 383, 406 Holladay, C. 91 Holtz, S. 406 Holtzmann, H. J. 93–95, 232, 250, 251 Horn, F. W. 93 Hort, F. J. A. 367 Horton, R. F. 365 Howard, T. A. 335 Howard, W. F. 382 Howson, J. S. 343 Huber, E. R. 123–124 Huber, W. 53 Hume, D. 289–290 Hunkin, J. W. 358, 371 Hupfeld, H. 94, 101 Hutton, R. H. 343 Hyldahl, N. 119 Irmscher, H.-D. 315
Jaroš, K. 92 Jeska, J. 117, 120 Johnson, L. T. 91–92 Johnston, J. O. 356 Jones, H. S. 343 Jowett, B. 345–346, 352, 356 Jülicher, A. 251 Kähler, M. 278 Kaiser, G. P. C. 263 Käsemann, E. 255, 266, 275, 278 Kaye, B. N. 361, 377 Kelley, S. 380 Kellum, L. S. 91 Kelly, J. F. 91 Kelsey, D. H. 103 Kidd, C. 380 Kierkegaard, S. 314 Kirchhof, T. 131 Kirkus, W. 353 Kliefoth, T. 389 Knuth, H. C. 164 Koester, H. 91, 93, 102 Köpf, U. 3, 6, 8, 11, 26, 27, 84, 131, 158, 160–161, 287, 387, 403–404 Koselleck, R. 385 Kostenberger, A. 91 Köstlin, K. R. 249 Krech, V. 421 Kreyenbühl, J. 256 Krötke, W. 400 Krüger, M. 87 Kümmel, W. G. 93–94, 98, 100, 111, 161, 221, 231, 271–273, 318, 334, 373 Lachmann, K. 231 Lake, K. 370–371 Landmesser, C. 162, 165, 168, 181, 188, 196, 200 Lang, W. 5, 15, 18–19, 39 Lange, E. 417 Laqueur, R. 116 Larsen, T. 336, 349–350 Larsson, E. 109, 111, 119 Lattke, M. 256 Lauster, J. 415 Lea, T. 91 Lechler, G. V. 342 Ledger-Lomas, M. 335–336, 338, 340, 348, 367
Autorenregister Leibniz, G. W. 314 Leo XIII 63 Lessing, G. E. 188, 229, 313, 315, 410 Levine, A.-J. 92 Levine, L. I. 113 Lewald, E. A. 130 Liddon, H. P. 339, 355–356 Liebing, H. 161, 316 Lightfoot, J. B. 347, 353, 356–361 Lincicum, D. 100, 103 Linde, G. 310 Lips, H. von 172 Liszka, J. J. 310 Loader, W. 91 Loisy, A. 251, 391 Lücke, F. 94, 96, 229, 235 Luedemann, G. 107 Luther, M. 248, 257 Lutterbeck, J. A. B. 261 Lützelberger, E. K. J. 232 Macdonald, F. C. 370 Mackay, R. W. 353 Manson, T. W. 372 Marguerat, D. 92 Marheineke, P. K. 162 Markschies, C. 159, 208 Marsh, H. 335 Marshall, I. H. 109 Martin, D. 92, 104, 380 Martineau, J. 348, 381 Martínez, A. E. 92 Maschke, G. 59 Massey, M. C. 349 Matheson, G. 364 Matter, J. 131, 321 Matthes, J. 420 Matzerath, J. 234–235 Maurice, F. D. 348–349 McDonald, L. M. 91 Mehlhausen, J. 129, 204, 385 Meijering, E. P. 161, 164 Merk, O. 100–101, 242, 263, 306 Metzger, B. M. 115, 172, 210 Mezger, M. 199 Michaelis, J. D. 335 Millar, F. 112, 115 Milligan, W. 353 Mitchell, M. W. 101 Moffatt, J. 93–94
433
Möhler, J. A. 56, 60–64, 72–73, 131 Momigliano, A. 112, 317 Monsell, R. W. 342, 343 Moo, D. 91 Moore, T. 142 Morgan, R. 95, 100–101, 163–164, 194, 279, 316, 334, 350, 369–370, 373–376 Morris, J. N. 349 Most, G. W. 315 Moule, C. F. D. 372, 379 Moule, H. C. G. 284 Moxnes, H. 111 Mozley, J. K. 369 Müller, G. 7–10 Munck, J. 334, 379 Mussies, G. 118 Neander, A. 130–131, 140, 321, 361 Neill, S. 333, 372–373 Nicholson, P. 346, 347 Nichtweiss, B. 247 Niebuhr, B. G. 6 Niebuhr, K.-W. 92 Nimmo, D. 345, 352 Nongbri, B. 252 Nowak, K. 391 Odeberg, H. 112 Ohst, M. 170 Olshausen, H. 165, 186 Osthövener, C.-D. 401–402 Overbeck, F. 228, 230, 233, 247, 252 Paley, W. 367 Palmer, C. 405, 407 Parsons, G. 335–336 Pasto, J. 110 Pate, C. M. 379 Paton, J. B. 343, 353 Patrick, D. 365 Pattison, M. 344, 350, 352, 365 Paulus, H. E. G. 296 Peirce, C. S. 310 Pelikan, J. 391 Penzel, K. 383 Perkins, P. 92 Pesch, R. 174 Pfleiderer, O. 249, 345, 365–367 Philips, G. 63 Pilhofer, P. 92
434
Autorenregister
Pius XII 63 Pokorný, P. 92 Porter, S. E. 91, 100 Powell, M. A. 91 Pregeant, R. 91 Puskas, C. 91–92 Quarles, C. 91 Räisänen, H. 108–109, 116, 262 Ramsay, W. 363, 367 Ranke, L. von 316, 385–386 Rapp, A. 5, 29, 36 Reinbold, W. 109, 115 Repgen, K. 386 Rese, M. 93 Reuss, E. 261 Reventlow, H. G. 95, 161–162, 196 Rieger, R. 199, 200 Riesner, R. 114 Rilla, P. 229 Ritschl, A. 209, 216, 285, 293, 355, 368 Robbins, K. 337–338, 364 Roberts, C. H. 252 Robertson, J. M. 367 Robins, C. M. 92 Robinson, J. A. T. 252 Rogerson, J. 336–337, 340, 346, 352 Rohls, J. 77, 80, 85, 164 Rolland, P. 92 Roloff, J. 93 Rössler, D. 409 Rudelbach, A. G. 94 Rumscheidt, M. 271, 272 Rutgers, L. V. 116 Sachs, W. 12, 231 Said, E. W. 122 Salmon, G. 366 Sanday, W. 369, 370 Sanders, E. P. 283 Saunier, H. 214 Schäfer, R. 150, 402 Schelling, F. W. J. 143, 288 Schlawe, F. 8 Schleiermacher, F. D. E. 145, 229, 260, 269, 277, 295–296, 327, 409, 419 Schmidt, I. J. 135 Schmithals, W. 230–232, 240, 249–250, 252 Schmitt, R. 115
Schneckenburger, M. 169 Schneider, E. 161, 169 Schnelle, U. 92 Scholder, K. 161, 177, 227, 293, 316, 415 Schottroff, L. 256 Schreber, S. 92 Schuffels, K. 160 Schulze, W. A. 229 Schürer, E. 230, 241, 248, 250–251, 370 Schwegler, A. 217, 219–220, 227, 234–235, 350–351 Schweitzer, A. 164, 191, 232, 233, 250, 272, 283 Schwemer, A. M. 112 Semler, J. S. 386, 389 Sevenster, J. N. 113 Siegert, F. 253 Simoens, Y. 92 Slenczka, N. 56–57, 63, 66 Smith, D. E. 91 Smith, D. M. 92 Smith, J. P. 335, 367 Sørensen, J. P. 110 Spinoza, B. 286, 289, 303–304 Spivey, R. 92 St. Clair, W. 123 Stegemann, E. W. 186 Stendahl, K. 262 Steudel, J. C. F. 13 Storr, G. C. 288 Strauss, D. F. 5–9, 11–15, 19–20, 25–34, 36, 38–39, 43, 45–51, 129, 231, 233, 306, 351 Streeter, B. H. 372 Sundberg, W. 95, 127 Süskind, F. G. 144 Swain, L. 101 Tarazi, P. 91 Tayler, J. J. 348, 353–354 Telford, W. 91 Theissen, G. 91, 108, 116, 118, 120, 309 Thiersch, H. J. W. 343 Thompson, D. M. 335, 347, 358, 361, 365, 367 Thompson, M. M. 91 Traub, F. 12 Trebilco, P. R. 116 Treiber, A. 421 Treloar, G. 348, 356–357, 359–360
Autorenregister Troeltsch, E. 201, 385, 390, 401–402 Tulloch, J. 362, 364 Uhlhorn, G. 3, 294 van Belle, G. 233 van Bohlen, P. 135 van der Watt, J. 282 Verheule, A. F. 111 Verheyden, J. C. 95 Vielhauer, P. 93 Vischer, F. T. 8, 26–27, 38, 43 Vollenweider, S. 194 Wahlde, U. C. von 253 Walch, C. W. F. 388 Walton, S. 92 Ward, H. 349, 365, 368 Ward, K. 282 Ward, W. R. 336 Watson, F. 334, 378 Wehler, H.-U. 124 Weiss, B. 228, 230 Weisse, C. H. 213, 232–233 Weizsäcker, C. 12, 250 Wendt, H. H. 250 Wendte, M. 87 Wenham, D. 92 Westcott, B. F. 347, 358 Weyel, B. 418, 419, 421 Wheeler, M. 353 Whitehead, A. N. 335 Wilder, T. L. 91 Wilke, C. G. 213, 231 Williams, M. 91 Williams, M. H. 118 Williams, R. 352 Wilson, H. B. 351–352 Windisch, H. 372 Wintzer, F. 408 Witherington III, B. 92 Wolf, E. 316 Wolff, C. 182 Wrede, W. 251, 262 Yarbrough, R. 92 Zachariä, G. 263 Zachhuber, J. 97, 164, 316–317, 320, 325, 408, 410
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Zeller, E. 4, 10, 12, 41–43, 232, 249, 285, 293 Zgusta, L. 115 Ziegler, T. 5, 12, 19, 32, 44
Sachregister (deutsch und englisch, in Auswahl) Absolutes 144, 145,146, 147, 149, 152, 155, 161,167,168, 191, 192, 193, 194, 243, 313, 330 Allmacht Gottes 291, 297 Altes Testament 20, 309, 395, 396 Anthropologie, anthropologisch 66, 153, 189 Antiochien 170, 174, 177 Apologetik 9, 32, 249 Apostel 40, 120, 171, 174, 175, 176, 179, 180, 182, 183, 210, 211, 224, 237, 253, 399 Apostelgeschichte VI, 9, 10, 40, 41, 80, 169, 170, 171, 173, 190, 206, 208, 212, 227, 233, 242, 303 Apostolic Fathers 359, 361 Atheismus 285, 289, 291, 301, 302 Auferstehung, Auferweckung 84, 85, 148, 173, 224, 244, 247, 254, 292, 293, 296, 309, 292, 296, 298, 306, 308, 311 Aufklärung V, 50, 76, 77, 81, 82, 83, 199, 221, 387, 388, 412, 416 Augustin 36, 141, 143, 398, 400, 415 Autonomie 66, 72, 74, 185 Autorität 60, 61, 72, 73, 175, 178, 179, 180, 183, 184, 230 Barrett, C. K. 376–377 Barth, K. 265–266 Baruch de Spinoza 98, 286, 288, 289, 290, 295, 296, 301, 302, 309, 310 Bauer, G. L. 263–264 Baur – and empiricism 97 – and historical theology 269–270 – and historicism 316–319 – and New Testament Introduction 94 – and New Testament Theology 101, 259, 268–284 – British reception of 333–384 – criticism of his views on Acts 371–372 – legacy of 102
– on Christian Gnosis 319–327 – on Christian origins 334 – on faith and history 266 – on mythology 318 – on Paul 271 – on the canon 97–98, 100, 102, 104 – on the historical Jesus 274, 277–278, 281–283 – translations of 362–363 Bekenntnis 24, 34, 298 Bergpredigt 85, 211, 215, 216, 220, 221, 222, 223, 224 Bewusstsein 85, 147, 150, 167, 168, 176, 183, 184, 185, 191, 192, 193, 200, 224, 240, 245, 247, 295, 296, 303, 304, 396, 411 Bibelwissenschaft 12, 198, 199, 214, 253 Biblical theology 260, 263–264, 284 Blaubeuren VI, 4, 5, 6, 77, 84, 203, 287, 294 Broad Church Anglicanism 336–337 Bruce, A. B. 274–275 Buddhismus 131, 135, 136, 138 Bultmann, R. 262, 266–268 Christentumsgeschichte 57, 58, 68, 84, 177 Christologie 71, 84, 86, 145, 148, 149, 155, 217, 225, 236, 245, 254, 310, 398 Christus 16, 17, 67, 69, 71, 77, 79, 80, 84, 85, 86, 134, 147, 148, 149, 151, 155, 156, 158, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 187, 189, 190, 191, 192, 193, 243, 251, 278, 395, 399, 400, 411 Christuspartei 80, 85, 177, 222, 347 Clemens von Alexandrien 254 Davidson, S. 340–342, 354–355, 367–368 de Wette, W. M. L. 96 Dialektik, dialektisch 36, 37, 75, 76, 80, 81, 83, 86, 87, 88, 110, 122, 123, 125, 126, 144, 148, 149, 152, 153, 158,
Sachregister 167, 184, 185, 194, 234, 247, 293, 389, 403 Diaspora Judaism 117–118 Dichtung 6, 17, 49, 251 Docetism 322–323 Dogma 32, 33, 57, 71, 82, 83, 84, 141, 156, 267, 269, 270, 273, 276, 277, 279, 282, 317, 346, 389, 390, 391, 392, 394, 395, 396, 398, 399, 400, 403, 404 Dogmengeschichte VI, VII, 9, 29, 31, 32, 33, 34, 75, 79, 80, 81, 82, 83, 86, 87, 97, 195, 304, 371, 388, 389, 390, 391, 392, 393, 400, 405 Doketismus 217, 240, 255 Dualismus 139, 143, 144, 152 Ebionismus 285 Eichhorn, J. G. 98 Einleitungswissenschaft VI, 92, 95, 102, 104 Ekklesiologie 58, 59, 63, 64, 65, 72 Emanation 135, 136 Empirie, empirisch 70, 97, 149, 150, 189, 290, 292, 300, 302, 422, 423 Entmythologisierung 257, 305, 306, 309 Entwicklung, Entwicklungsgeschichte 4, 10, 19, 32, 37, 45, 57, 59, 62, 75, 76, 77, 80, 81, 82, 83, 85, 86, 101, 129, 132, 147, 149, 154, 158, 160, 161, 162, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 173, 175, 176, 177, 178, 184, 185, 186, 189, 190, 191, 194, 196, 199, 205, 206, 222, 223, 224, 228, 234, 243, 245, 257, 294, 300, 301, 303, 389, 390, 391, 392, 393, 394, 396, 397, 399, 401, 402, 403, 412, 415 Ereignis 77, 136, 159, 168, 173, 201, 202, 203, 304, 307, 311, 387, 395 Erfahrung 11, 50, 53, 56, 58, 61, 149, 183, 201, 245, 289, 290, 408, 411, 412, 419, 423 Erkenntnis, erkennen 9, 37, 49, 50, 61, 67, 68, 70, 146, 149, 171, 182, 184, 248, 302, 305, 308, 388, 403 Erlösung, Erlöser 67, 71, 142, 147, 148, 149, 184, 244, 245, 246 Erzählung 12, 19, 46, 170, 200, 201, 204, 206, 229, 231, 232, 236, 250, 253, 292, 387, 411, 423
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Eschatologie 246, 247 Essays and Reviews 349, 351–352 Ethik 64, 396, 398 Evangelien VII, 11, 12, 13, 19, 29, 30, 34, 36, 37, 40, 41, 46, 48, 85, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 207, 208, 209, 210, 213, 214, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 227, 229, 232, 236, 238, 239, 242, 251, 343, 350, 395 Evangelische Kirchen-Zeitung 19, 21, 23, 24 Evangelischer Verein 15, 21, 23 Faktum 53, 303 Fiktion 290, 303, 310 Formgeschichte, formgeschichtlich 309 Französische Revolution 20 Freiheit 18, 69, 72, 73, 75, 78, 81, 141, 151, 161, 168, 175, 176, 177, 185, 191, 193, 194, 300 Friktion 310 Gabler, J. P. 264 Galaterbrief 10, 172, 174, 175, 177, 185 Gebet, Beten 291, 292, 399 Gefühl 3, 66, 72, 73, 81, 295, 410, 411 Geist 8, 17, 20, 32, 48, 61, 63, 71,74, 78, 79, 81, 82, 83, 112, 126, 133, 137, 138, 142, 143, 144, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 164, 167, 168, 170, 171, 177, 178, 180, 184, 185, 186, 190, 191, 192, 193, 194, 209, 210, 220, 224, 229, 243, 244, 245, 285, 294, 297, 300, 301, 303, 307, 322, 326, 394, 403, 413, 415 Gemeinschaft 61, 62, 63, 67, 71, 72, 73, 74, 149, 192, 193, 245, 301, 413 Gerechtigkeit 51, 70, 187, 189, 190, 300, 397 Gericht 82, 148 Geschichte V, VII, 4, 5, 6, 8, 12, 15, 16, 17, 22, 31, 32, 33, 36, 37, 42, 48, 49, 50, 51,57, 58, 71, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 87, 88, 97, 110, 126, 132, 133, 144, 145, 148, 150, 153, 155, 156, 157, 158, 160, 162, 163, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 194, 195, 196, 197, 201, 202, 203, 204,
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Sachregister
205, 206, 207, 210, 213, 215, 218, 220, 221, 222, 224, 225, 231, 232, 236, 237, 238, 239, 241, 247, 249, 250, 251, 254, 257, 258, 285, 292, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 307, 308, 310, 387, 388, 390, 391, 392, 393, 394, 396, 397, 398, 399, 400, 401, 402, 403, 406, 408, 410, 414, 418 Geschichtsdarstellung 32, 169, 241 Geschichtsforschung 78, 423 Geschichtsphilosophie V, VII, 79, 149 Geschichtstheorie VI, 160, 205, 306, 309, 401, 406, 416, 417 Geschichtsverlauf 79, 87, 307 Geschichtswert 212, 248 Glaube 15, 16, 17, 23, 59, 61, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 74, 77, 84, 85, 142, 153, 155, 156, 164, 173, 183, 187, 189, 190, 192, 223, 244, 245, 248, 285, 288, 289, 292, 299, 307, 310, 396, 399, 402, 409, 410, 411, 412, 413, 416, 419, 420, 422 Gnade 61, 64, 67, 71, 141, 142, 187, 188 Gnosis, Gnostiker VII, 9, 15, 21, 40, 79, 80, 81, 84, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 150, 151, 155, 156, 157, 158, 159, 217, 236, 240, 249, 255, 256, 257, 319, 321, 325, 326 Gnostizismus, Gnosticism 131, 249, 255, 256, 324 Gospel of John 353–354 Gottesbegriff 138, 145, 146, 291, 308, 310 Gottheit 70, 79, 132, 133, 142, 299 Gottmensch 149, 155, 156 Goulder, M. 333, 377–378 Greek language 113–114 Green, T. H. 346–347 Grundmann, W. 111 Harmonisierung 202, 206, 304 Harnack, A. von 271–272 Harris, H. 373–373 Hebräerevangelium 219, 220, 224 Hegel, G. W. F. 122–123, 125–126, 265, 270–271, 275–277, 319–320, 326, 328–330
Hegelianismus 19, 75, 79, 86, 87, 158 Heidenchristentum 80 Heidenmission, Heidenmissionar 169, 176, 177, 186 Heidentum, heidnisch 81, 82, 131, 132, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 144, 147, 151, 177, 185, 193, 211, 238, 307 Hellenism 107, 111–112 Hellenismus, Hellenisten, hellenistisch VI, 111, 112, 120, 137, 174, 249, 393, 395, 398 Hellenists 108–109, 113–118 Hermeneutik 257, 287, 302, 309 Herodot 7 Historical criticism 103 Historical objectivity 329 Historicism 313–316 Historiker, historisch V, VI, VII, 4, 6, 14, 16, 17, 28, 32, 33, 34, 35, 37, 40, 41, 44, 48, 49, 50, 51, 71, 75, 77, 79, 80, 84, 85, 86, 87, 88, 129, 134, 136, 137, 138, 139, 149, 150, 155, 156, 161, 162, 163, 165, 168, 170, 174, 178, 193, 195, 197, 198, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 211, 212, 214, 217, 218, 220, 221, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 235, 236, 239, 249, 251, 253, 254, 256, 257, 258, 286, 292, 293, 296, 299, 302, 303, 304, 306, 307, 389, 390, 393, 394, 397, 399, 401, 403, 405, 406, 413, 416, 417, 418, 421, 422, 423, 424 Historischer Jesus VII, 147, 148, 149, 151, 155, 225, 233, 253 Historische Kritik V, VII, VIII, 9, 16, 18, 23, 33, 41, 42, 51, 75, 76, 79, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 158, 159, 161, 162, 163, 171, 194, 206, 208, 209, 218, 220, 228, 231, 233, 256, 287, 302, 303, 307, 308, 406, 414, 415, 416, 417, 418, 420, 423, 424 Historismus, historistisch VII, 196, 205, 387, 389, 392, 404 Homiletik 9, 405, 406, 416, 419, 420 Hupfeld, H. 96 Idealismus VI, 76, 78, 79, 87, 88, 159, 228, 247, 254
Sachregister Idee 14, 17, 57, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 78, 88, 133, 143, 146, 148, 149, 150, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 162, 165, 167, 168, 176, 194, 195, 206, 221, 224, 231, 235, 236, 240, 241, 242, 246, 247, 254, 257, 258, 291, 300, 301, 304, 306, 307, 308, 392, 395, 397, 398, 402, 403, 404, 412, 417, 418 Incarnation 360–361 Individuum 16, 17, 61, 62, 63, 71, 73, 84, 149 Inkarnation 64, 395 Institution 43, 53, 54, 55, 57, 58, 59, 60, 62, 63, 68, 69, 70, 71, 72, 74, 341, 367, 394, 395, 398, 400, 423 Introduction to the New Testament 91–93 – aims of 94, 98 – method 94 – definition 96–97 – history of 98–99 – organization of 99 Jerusalem 30, 108, 110 Jerusalem church 107, 115 Johannesevangelium 7, 22, 31, 40, 85, 198, 203, 205, 206, 207, 214, 227– 258 Journal of Classical and Sacred Philology 347–348 Jowett, B. 345–346 Judaism 107, 262, 272, 279 Judaisten 40, 169 Judenchristentum 210, 211, 219, 233, 234 Judentum, Judaism VI, 55, 82, 107–128, 131, 132, 134, 135, 137, 138, 139, 140, 141, 144, 151, 172, 173, 174, 175, 177, 179, 184, 193, 224, 237, 238, 245, 260, 261, 262, 272, 279, 281, 282, 283, 292, 321, 336, 359, 380, 382 Kähler, M. 277–279 Kant, Kantianismus 77, 83, 86, 164, 199, 221, 222, 223, 267, 273, 276, 281, 287, 288, 292, 302, 304, 310, 315, 317, 330 Käsemann, E. 247, 255, 256, 266, 275, 279, 282
439
Katholizismus, katholisch 10, 16, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 62, 64, 65, 66, 67, 70, 72, 131, 142, 162, 219, 234, 395, 398, 400 Kirchenväter 58, 134, 141 Koester, H. 102 Konstruktion 75, 147, 148, 196, 204, 205, 208, 209, 219, 224, 225, 300, 417 Korintherbriefe 9, 40, 172, 177–185, 197, 210 Lessing, G. E. 313–315, 325 Lightfoot, J. B. 347–348, 356–362, 366 Lukasevangelium 198, 206, 207–213, 238, 239 Luther, M. 56, 97, 113, 229, 248, 257, 261, 266, 268, 275, 380, 388, 400, 401, 411, 415 Manichäismus 136, 140, 141, 157 Markion 130, 134, 208, 209 Markusevangelium 213–217, 231, 232, 233, 239, 253 Matthäusevangelium 35, 41, 48, 85, 195, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 214, 215, 218–221, 231, 234, 238, 239, 241, 257, 413 Maurice, F. D. 348 Michaelis, J. D. 98, 200, 265, 337 Morgan, R. 374–376 Mythologie, Mythos 6, 7, 11, 12, 13, 14, 16, 17, 18, 19, 30, 48, 49, 77, 78, 163, 168, 204, 231, 232, 257, 286, 292, 302, 303, 305, 306, 308, 309, 314, 318, 321, 324, 340 Nationalism 124 Nature 323 Naturgesetze 289, 290, 291, 295, 298, 310 Neologie 199, 200, 309, 388, 390 Neologism 338 Offenbarung 14, 76, 77, 78, 79, 86, 88, 132, 133, 143, 144, 152, 153, 154, 155, 183, 184, 197, 243, 395, 412, 414 Old Testament 260–262 Orientalism 122–123
440
Sachregister
Particularism 124–126 Partikularismus 176, 177, 189, 212 Pastoralbriefe 14, 15, 21, 22, 24, 25, 40, 158, 172, 233, 242 Pattison, M. 343–345 Protestantismus VI, 16, 53–74, 124, 125, 126, 131, 132, 141, 142, 143, 199, 260, 261, 263, 265, 267, 270, 276, 282, 284, 390, 392, 395, 410, 416, 417, 418 Relativism 316 Schelling 123 Schleiermacher, F. D. E. 96, 267, 269, 327–328 Semler, J. S. 98 Spirit 323 Stephen 119–120 Strauss, D. F. 3–51, 99, 203–205, 265, 276, 336, 349–351 u.ö. Tendenzkritik 100, 122, 126, 127, 169, 197, 207, 211, 227, 233, 234, 239, 249, 251, 369, 372 Tübinger Schule 3, 4, 9, 13, 41, 46, 51, 63, 76, 158, 199, 228, 248, 287, 288 Unitarianism 336–337, 348 Universalism 124–126 Universalismus 176, 177, 187, 188, 208, 211 Wirkungsgeschichte 103–104 Wunder VII, 31, 48, 49, 76, 148, 149, 176, 206, 233, 243, 244, 254, 285– 311